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English Pages 873 [853] Year 2006
Handbuch der Mess- und Automatisierungstechnik in der Produktion
Hans-Jürgen Gevatter Ulrich Grünhaupt (Hrsg.)
Handbuch der Mess- und Automatisierungstechnik in der Produktion 2., vollständig bearbeitete Auflage mit 671 Abbildungen
1 23
Professor Dr.-Ing. Hans-Jürgen Gevatter Rummerweg 11 69121 Heidelberg Professor Dr.-Ing. Ulrich Grünhaupt Hochschule Karlsruhe–Technik und Wirtschaft FB Mechatronik und Naturwissenschaften Moltkestr. 30 76133 Karlsruhe [email protected]
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isbn-10 3-540-21207-8 Berlin Heidelberg New York isbn-13 978-3-540-21207-2 Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. din, vdi, vde) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Anzeigen: Renate Birkenstock, [email protected], Springer-Verlag GmbH, Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Tel.: +49 30/82787-5732, Fax -5300, springeronline.com/wikom Umschlaggestaltung: medionet AG, Berlin Satz: medionet AG, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier
68/3020/m
-543210
Vorwort
Das vorliegende Handbuch behandelt schwerpunktmäßig diejenigen Themengebiete der Mess- und Automatisierungstechnik, die in der Produktionstechnik von Bedeutung sind. Der Begriff Produktionstechnik ist hier als Synonym für Fertigungstechnik zu verstehen, da auf die Prozess- und Energietechnik nicht bzw. nur ganz am Rande eingegangen wird. Um die Leserschaft noch gezielter ansprechen zu können, wurde die 2. Auflage völlig neu überarbeitet und thematisch gegliedert in das bereits erschienene „Handbuch der Mess- und Automatisierungstechnik im Automobil“ und das hier vorliegende „Handbuch der Mess- und Automatisierungstechnik in der Produktion“. Mit diesem Handbuch soll die Lücke geschlossen werden zwischen der einerseits umfangreichen Fachliteratur über einzelne Kerngebiete der Mess- und Automatisierungstechnik und kompakten, lexikonartigen Werken auf der anderen Seite. Wie schon in der 1. Auflage setzt sich ein Autorenkollektiv aus Industrie und Hochschule mit der Thematik in anschaulicher und praxisorientierter Art und Weise auseinander. Im Kapitel Sensorik wird die zur Produktionsautomatisierung benötigte innovative und leistungsfähige Messtechnik ausführlich behandelt. Daneben wird auf einige wichtige inländische und europäische Normen und Richtlinien ein Schlaglicht geworfen. Des Weiteren werden die Grundlagen des Steuern und Regelns dargelegt und Komponenten der elektronischen Signalverarbeitung besprochen. Auf Seiten der Aktorik werden die elektrischen, hydraulischen und pneumatischen Antriebssysteme zusammen mit ihrer zugehörigen Ansteuerungstechnik in einem gemeinsamen Kapitel abgehandelt. In den Kapiteln über Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik, Bussysteme sowie Robotersysteme und Anwendungen zeigen die Autoren auf, dass die konsequente, ebenenübergreifende Nutzung der Messdaten aus der Fertigung auf der Basis so genannter Qualitätsregelkreise auch in Zukunft ein großes Kostensenkungspotenzial besitzt und zur Erhöhung der Produktivität genutzt werden kann. Mit eine Voraussetzung dafür ist, dass ein kontinuierlicher Informationsfluss im Unternehmensprozess unter Rückgriff auf die eingeführten Feldbussysteme gewährleistet ist. Vorteile bietet die Kommunikation über ein standardisiertes Bussystem, wie es z. B. Ethernet darstellt, welches daher auch bei innovativen Automatisierungslösungen immer stärker zum Zuge kommt. Zur Abrundung der Thematik werden dann noch neueste Entwicklungen im Bereich der Industrierobotik aufgezeigt und Beispiele von roboterspezifischen Prozessen vorgestellt, so unter anderem Lösungsansätze, die eine Zusammenarbeit des Menschen mit dem Industrieroboter ermöglichen.
VI
Vorwort
Dieses Handbuch wendet sich an Ingenieure aus Industrie, Planung, Entwicklung und Forschung, für Studierende bietet es den Einstieg in die praktische Welt der Mess- und Automatisierungstechnik. Planung Die Herausgeber danken allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des SpringerVerlages, insbesondere Frau Cuneus und Herrn Lehnert, sowie der medionet AG für die sorgfältige Mitwirkung und Unterstützung. Ein ganz besonderer Dank geht an die Autoren für ihre kompetenten Beiträge in diesem Handbuch. Anregungen und Verbesserungsvorschläge für eine eventuell folgende 3. Auflage werden von uns dankbar entgegengenommen. Berlin, im März 2006
Hans-Jürgen Gevatter, Ulrich Grünhaupt
Autoren
Prof. Dr.-Ing.-habil.
Helmut Beikirch (Kap. D 2, D 3) Universität Rostock 18051 Rostock [email protected]. de Dr. rer. nat. Ralf B. Bergmann (Kap. C 2) Robert Bosch GmbH 70049 Stuttgart [email protected] Prof. Dr. Dieter Fehler (Kap. B 6) Berufsakademie Karlsruhe 76133 Karlsruhe [email protected] Prof. Dr.-Ing. Alfred Feuser (Kap. F 3) Bosch Rexroth AG 97813 Lohr am Main [email protected] Prof. Dr.- Ing. Georg Frey (Kap. A 4) Universität Kaiserslautern 67653 Kaiserslautern [email protected] Dipl.- Ing. Bernhard Gerdes (Kap. B 2) Endress + Hauser GmbH+Co. KG 79689 Maulburg [email protected]
Dipl.-Ing. Martin Hägele M.S. (Kap. G) Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA 70504 Stuttgart [email protected] Dr. Dieter Heyer (Kap. B 5) PTB Berlin 10587 Berlin [email protected] Dipl.-Ing. Jo Horstkotte (Kap. A 2.1.4) Ing.Büro Horstkotte 76530 Baden-Baden [email protected] Dipl.-Ing. Anton Kohling (Kap. A 3) Siemens AG A&D ATS SR 91050 Erlangen [email protected] Dr.-Ing. Heiko Müller (Kap.B 4) Volkswagen AG 38436 Wolfsburg [email protected] Dr. rer. nat. Thomas Petzsche (Kap. B 4) Kistler Instrumente GmbH 73760 Ostfildern [email protected]
VIII
Autoren
Prof. Dr. Michael Reisch (Kap. D 1) Hochschule für Technik und Wirtschaft Kempten 87435 Kempten [email protected] Dipl.-Ing. Wolfgang Richter (Kap. A 2.1 –A 2.1.3) Siemens AG A&D ATS 63 76181 Karlsruhe [email protected]
Prof. Dr.-Ing. Dieter Scholz (Kap. F 2) Fachhochschule Münster 48565 Steinfurt [email protected] Dir. u. Prof. Dr. Roman Schwartz (Kap. B 1) Physikalisch-Technische Bundesanstalt 38116 Braunschweig [email protected] Prof. Dr. rer. nat. habil.
Dr.-Ing. Lothar Sack (Kap. F 1) Universität Erlangen-Nürnberg 91058 Erlangen [email protected]
Klaus-Peter Timpe (Kap. A 1) Technische Universität Berlin 10623 Berlin [email protected]
Dipl.-Ing. Timo Schäfer (Kap.G) Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA 70504 Stuttgart [email protected]
Prof. Dr.-Ing. Rainer Tutsch (Kap. C 1) Technische Universität Carolo Wilhelmina Braunschweig 38106 Braunschweig [email protected]
Ludwig Schick (Allgemeines Abkürzungsverzeichnis) Gartenstr. 17 91091 Grossenseebach [email protected]
Prof. Dr. Jörg F. Wollert (Kap. E) Fachhochschule Bochum 44801 Bochum [email protected]
Dipl.-Ing. Thilo Schlicksbier (Kap. B 3) Dr. Johannes Heidenhain GmbH 83292 Traunreut [email protected]
Dr.-Ing. Erich Zabler (Kap. C2) Brunhildstr. 11 76297 Stutensee [email protected]
Inhaltverzeichnis
A
Begriffe, Benennungen, Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1 1.1 1.2 1.3 1.4
Mensch-Maschine-Interaktion in der Fertigungstechnik . . . . . . . . . . . . Der Fertigungsprozess als Mensch-Maschine-System . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 4 5 7 8
2
EU-Richtlinien zur Produktsicherheit von Geräten der Messund Automatisierungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Niederspannungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harmonisierte Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfungen, Zertifizierungen, Zulassungen zur Produktsicherheit . . . . . Die Maschinenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9 10 12 13 16 21
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
EMV-Maßnahmen und -Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Regeln im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR/EEA) . . . . Grundsätzliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EMV-Richtlinie und deutsches EMV-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EMV-Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EMV-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erdung, Massung, Potentialausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkabelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl von Signalschnittstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen an Schaltschränken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 23 25 26 31 31 32 33 35 37
4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4
Regeln und Steuern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwurf von Reglern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an Regelkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der lineare Standardregelkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 39 40 40 41 42 42
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
X
Inhaltsverzeichnis
4.2.5 4.2.6 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4
Lineare Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtlineare Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verknüpfungssteuerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablaufsteuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Steuerungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 46 47 47 48 49 51 52
B
Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6
Kraft, Masse, Drehmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung, Übersicht Messprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kraftmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dehnungs-Messstreifen (DMS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Piezoelektrische Kraftaufnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrkomponenten-Kraftaufnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Massebestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DMS-Wägezellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EMK-Wägezellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resonator-Wägezellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drehmomentmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messung des Aktionsdrehmomentes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DMS-Drehmomentaufnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Aufnehmer zur Messung des Aktionsmomentes . . . . . . . . . . . . . Messung des Reaktionsdrehmomentes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indirekte Ermittlung aus der elektrischen Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 57 57 58 65 68 69 69 74 78 80 81 81 84 85 87 87 88 88
Druck, Differenzdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Druck in Gasen und Flüssigkeiten [2.1]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Druckarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrostatischer, aerostatischer Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeiner Aufbau eines Drucktransmitters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessanschlüsse mit Gewinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessanschlüsse mit Druckmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sensoren für Über-, Absolut- und Differenzdruck [2.7] . . . . . . . . . . . . . . Die richtigen Sensoren für die Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion des keramischen Drucksensors mit kapazitiver Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Die Differenzdruckmesszelle aus Keramik mit kapazitiver Auswertung [2.7] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 93 94 94 96 97 97 99 99 101 101
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3.1 2.3.2
101 104
Inhaltsverzeichnis
XI
2.3.4 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.5 2.5.1 2.5.2
Piezoresistive Sensoren [2.2] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstellen am Gerät oder mit Handbediengerät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analoge 4 – 20 mA HART Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Profibus PA Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Foundation Fieldbus Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbau und Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbau und Montage von Drucktransmittern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbau und Montage von Differenzdrucktransmittern . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107 108 108 109 110 111 112 112 113 115
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4
Drehzahl und Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messprinzipien und Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referenzsignal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absolute Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längenmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längenmessung mit Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Induktive Längenmessgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetische Längenmessgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Photoelektrische Längenmessgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längenmessung über Kugelgewindespindel und Drehgeber . . . . . . . . . . Winkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winkelmessgeräte mit Lagerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winkelmessgeräte ohne Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an Messgeräte für Direktantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117 117 117 119 119 120 120 121 121 121 123 124 124 125 126 128
4 4.1 4.2
Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messung von Bewegungsvorgängen mit absolutem und relativem Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschleunigungssensoren mit seismischer Masse – Prinzipieller Aufbau und Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien von Beschleunigungssensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Piezoelektrische Beschleunigungssensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Piezoresistive Beschleunigungssensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapazitive Beschleunigungssensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Servo-Beschleunigungssensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften und Einflüsse bei der Messung mit seismischen Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Querrichtungsempfindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basisdehnungsempfindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Querempfindlichkeiten gegen andere Störgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilität und Alterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkung der Sensormasse – Arten der Befestigung . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129 129
4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.5.6
130 131 135 135 136 138 138 140 140 141 143 143 144 144 146
XII
Inhaltsverzeichnis
5 5.1 5.2 5.2.1 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4. 5.4.1 5.4.2. 5.4.3. 5.4.4.
Temperatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturmessgeräte mit elektrischem Ausgangssignal . . . . . . . . . . . . Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturmessgeräte mit mechanischem Ausgangssignal . . . . . . . . . . Flüssigkeits-Glasthermometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeigerthermometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Temperatursensoren und Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Quarzthermometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperaturmessgeräte mit optischem Ausgangssignal. . . . . . . . . . . . . . . Rauschthermometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akustische Thermometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147 147 149 149 164 164 166 170 170 170 171 171 171
6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.3.7 6.3.8 6.4
Durchfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine strömungsmechanische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strömungscharakteristiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strömungsenergien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messgenauigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchflussmessverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strömungsmechanische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volumenzähler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetisch-induktive Durchflussmesser (MID) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akustische Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermische Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coriolis-Kraft-Durchflussmesser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laser-Doppler-Anemometer, Laser-Interferenz-Anemometer. . . . . . . . . Korrelationsdurchflussmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173 173 173 173 174 176 177 177 178 185 186 187 189 190 193 194 196 196
C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3
Fertigungsmesstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Fertigungsmesstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätsregelkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statistische Prozessregelung SPC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfmittelüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfdatenerfassung (Geometrie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometriemessung 1-dimensional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometriemessung 2-dimensional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometriemessung 2½-dimensional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199 199 199 199 202 214 219 222 225 225 284 310
Inhaltsverzeichnis
XIII
1.3.4 Geometriemessung 3-dimensional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 1.3.5 Oberflächenmesstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4. 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5
Methoden der zerstörungsfreien Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Begriff der zerstörungsfreien Prüfung (zfP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Industrielle Bedeutung der ZfP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der Methoden der zerstörungsfreien Prüfung . . . . . . . . . . . . . Übersicht typischer Prüfaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typische Formen von Materialfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herstellung künstlicher Fehlerstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der Methoden zur Detektion von Defekten und Ungänzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der Methoden zur Prüfung von dimensionellen Merkmalsparametern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktuelle Methoden der zerstörungsfreien Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirbelstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ultraschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Röntgen-Computertomographie (RCT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Optische Prüf- und Messmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung, Ausblick, Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleichende Bewertung der Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besser, schneller, billiger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Aufgaben, neue Technologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effiziente Optimierung der Prüfmittel durch Simulation . . . . . . . . . . . . . Verbesserung von Fertigungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
363 363 363 364 365 365 365 367 368 369 369 369 381 390 400 402 402 403 405 405 405 406
D
Elektrische Signalverarbeitung und Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
1 1.1 1.2 1.3 1.3.1
Elektrische Signalverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bipolartransistoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MOS-Feldeffekttransistoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationsverstärker (OPV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundschaltungen mit OPV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
413 413 417 418 420 421
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.2 2.2.1
Analog-Digital- und Digital-Analog-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analog-Digital-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parallel- oder Flash-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wägeverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzprinzipien nach dem Zählverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Delta-Sigma-AD-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digital-Analog-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
423 423 423 425 426 427 429 430 430
XIV
Inhaltsverzeichnis
2.2.2 Direkte Umsetz- bzw. Parallelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 2.2.3 Indirekte Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Digitale Schaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlegende Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaltkreisfamilien und Schaltkreistechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . TTL-Schaltkreise (TTL – Transistor Transistor Logic) . . . . . . . . . . . . . . . CMOS-Schaltkreise (CMOS – Complementary Metal Oxid Semiconductor) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 ECL (Emitter-Coupled Logic) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 BiCMOS (Bipolar-CMOS Logic) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Interface-Schaltungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Funktionen digitaler Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Anwendungsspezifische Schaltungen (ASIC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
443 444 444 444 445 453 456
4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5
Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historie und heutige Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften elektromechanischer Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungepolte Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gepolte Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MEMS-Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitsrelais. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reed-Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzbeschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansteuerkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Relaisprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halbleiterrelais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PhotoMOS-Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Piezo-Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
459 459 460 460 463 463 464 465 466 466 466 468 469 470 470 470 471
E
Bussysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2
Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen in der Automatisierungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trends bei Steuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netzwerkintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatz von IT-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Automatisierungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serielle und parallele Anschlusstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parallele Anschlusstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serielle Anschlusstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2
435 435 437 441
475 475 476 477 478 479 481 482 483 484
Inhaltsverzeichnis
XV
2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikationsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikationscharakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer-to-Peer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Client-Server . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Master-Slave . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Producer-Consumer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netzwerktopologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikationsschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicht 1 – Physikalische Schicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicht 2 – Sicherungsschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicht 3 – Vermittlungsschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicht 4 – Transportschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicht 5 – Session-Schicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicht 6 – Darstellungsschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicht 7 – Anwendungsschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netzwerktechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturierte Verkabelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kupfer-Kabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lichtwellenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
485 485 487 488 488 489 489 490 491 492 493 497 499 500 500 501 502 503 507 508 514
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
Industrielle Feldbusse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Echtzeit in Bussystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikationsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugriffsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feldbusnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EN 50170 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EN 50254 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EN 50325 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IEC 61158 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IEC 61784 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Bussysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ASI – Aktor-Sensor-Interface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CAN – Controller Area Network . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ControlNet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . FIP (Factory Instrumentation Protocol, FLUX Information Processus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interbus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P-Net . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Profibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CC-Link (Control & Communication Link) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Swiftnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antriebstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . SERCOS – Serial Realtime Communication System . . . . . . . . . . . . . . . . . . ProfiDrive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sichere Bussysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
515 515 516 517 520 521 522 522 523 524 525 525 528 539
3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5
542 545 550 552 560 563 563 566 570 574
XVI
Inhaltsverzeichnis
3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . AS-Interface Safety at Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CIPsafety . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interbus Safety . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PROFIsafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . SafetyBUS P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MBP und IEC 61158-2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . FF – Foundation Fieldbus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Profibus PA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . HART High Adressable Remote Transducer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
574 578 579 579 580 581 581 582 584 588 591 596
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7
Ethernet Automatisierungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen Ethernet Automatisierungstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen Ethernet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Switched-Ethernet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IEEE 802.1Q – VLANS und priorisierte Nachrichten. . . . . . . . . . . . . . . . . IEEE 1588 – Precision Time Protocol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topologie und Verkabelungstechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Industrielles Echtzeit-Ethernet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ModbusTCP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ethernet/IP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . HSE – High Speed Ethernet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PowerLink. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ProfiNet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EtherCAT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . SERCOS-III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
597 597 598 599 603 604 606 607 609 610 611 613 613 616 618 621 624
5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7 5.3.8 5.4 5.4.1
Drahtlose Netzwerke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wireless Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktopologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funkausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . WLAN 802.11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 a – 5-GHz-Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 b – 2.4-GHz-Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 d – World Mode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 e – QoS Quality of Service . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 f – Roaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 g – 2.4-GHz-Band OFDM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 h – 5-GHz-Band HyperLAN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 i – Sicherheit nach WEP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bluetooth™ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technologischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
625 625 627 628 631 633 634 638 639 640 640 640 640 641 641 642 642
Inhaltsverzeichnis
XVII
5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5 5.5.1 5.5.2
Protokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungs-Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Embedded Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wireless-Sensornetzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868-MHz-/433-MHz-Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZigBee – IEEE 802.15.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
643 647 648 649 649 650 653
F
Antriebstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655
1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6
Elektrische Antriebstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichstromantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drehstromantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synchronmotoren-Antriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellantriebe mit Gleichstrommotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellantriebe mit Synchronmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Asynchron-Servoantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bremsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direktantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schrittantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
657 659 659 667 675 679 679 681 687 688 689 690 692
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3
Pneumatische Antriebstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau einer Pneumatikanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Druckluftversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Druckluftaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antriebssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Linearzylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwenkantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Greiferantriebe und Sauger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pneumatischer Muskel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemoptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
693 693 693 694 695 695 695 696 697 697 699 700 700 700 701 701 702 703 705
3 3.1 3.2
Hydraulische Antriebstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707 Elektrohydraulische Antriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709
XVIII
Inhaltsverzeichnis
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4
Stetig-Ventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regel-Ventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Servoventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ventilgesteuerter Zylinderantrieb im Positionsregelkreis . . . . . . . . . . . . Modellbildung mit Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungstechnische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
714 721 722 723 725 728 731 732
G
Robotersysteme und Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735
1
Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition „Industrieroboter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition „Autonomes Fahrzeug und mobiler Roboterarm“ . . . . . . . . . Definition „Kinematik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition „Freiheitsgrad“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition „Bewegungsachse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition „Koordinatensysteme“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
739 739 739 740 740 740 740 741
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Aufbau von Industrierobotern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konfigurationen der Grundachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konfigurationen der Handachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Greifer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antriebe und Getriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
743 743 743 746 747 748 749 751 753 757
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.2 4.3 4.4
Grundaufgaben der Industrieroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mathematische Beschreibung der Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lage und Orientierung des Endeffektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwärtstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückwärtstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Degenerierte Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bahnplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamik und Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Programmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
759 759 759 760 763 764 764 765 766 767
5 5.1 5.1.1 5.1.2
Roboteranwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenschleifen großflächiger Geometrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung in die Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
769 769 769 770
Inhaltsverzeichnis
5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5
Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrementelle Umformung von Feinblech . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung in die Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablauf der Bahngenerierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rob@work – Assistenzroboter als Helfer in der Produktion . . . . . . . . . . . Einführung in die Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hardware Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mensch-Maschine-Interface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roboterassistenz zum manuellen Schutzgasschweißen . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . team@work – Mensch-Roboter-Kooperation in der Montage . . . . . . . . . Einführung in die Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung der Mensch-Roboter-Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kollisionsüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergonomieüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PowerMate – Mensch-Roboter-Kooperation auf dem Weg zur industriellen Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung in die Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzept von PowerMate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagenkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
770 771 772 772 772 773 773 773 774 775 776 777 777 779 779 779 779 780 781 782 782 783 783 783 784 784 786
Allgemeines Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833
Teil A Begriffe, Benennungen, Normen 1 Mensch-Maschine-Interaktion in der Fertigungstechnik 3 2 EU-Richtlinien zur Produktsicherheit von Geräten der Mess- und Automatisierungstechnik 9 3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien 23 4 Regeln und Steuern 39
1 Mensch-Maschine-Interaktion in der Fertigungstechnik Klaus-Peter Timpe
1.1 Der Fertigungsprozess als Mensch-Maschine-System Mit der Einführung der Informationstechnik in den Fabrikbetrieb wurde die Integration aller Informations-, Energie- und Materialflüsse innerhalb eines Fertigungsprozesses ermöglicht. Die hierfür eingesetzten Maschinen- und Prozesssteuerungen weisen heute, begründet in der Leistungsvielfalt ihrer Hard- und Software, eine außerordentliche, in den nächsten Jahren weiter steigende Funktionalität auf. Mit der steigenden Funktionalität und starken Vernetzung der Maschinen wächst sowohl die Komplexität der Bedieneinheiten der einzelnen Maschinen als auch des Leitstandes, auf dem mehrere Bedieneinheiten zusammengefasst werden. Damit wird der Leitstand zur Hauptinformationszentrale und der Prozessrechner übernimmt zahlreiche Aufgaben der Informationsverarbeitung, die vorher vom Bedienpersonal ausgeführt wurden [1.3]. Vor dem Hintergrund der steigenden Anforderungen an die Zuverlässigkeit bzw. Verfügbarkeit der Fertigungseinrichtungen sowie der hohen Komplexität des automatisierten Fertigungsbetriebes ergeben sich gegenüber konventionell geführten Anlagen mit ihrem dezentral organisierten Informationsaustausch neue Anforderungen an das Personal. Die direkte Kopplung der Mitarbeiter an die Maschine geht zurück und geistige Tätigkeiten wie Planen, Programmieren und Diagnostizieren, aber auch Überwachen, Instandsetzen und Warten, nehmen zu. Für eine effektive und wirtschaftliche Prozessführung werden die Funktionsverteilung zwischen Bedienpersonal und technischem Prozess sowie der sichere, fehlerfreie und beanspruchungsgerechte Informationsaustausch zwischen technischem System und Personal entscheidend. Vermieden werden muss aber eine Funktionsverteilung derart, dass bei der Prozessautomatisierung für die Operateure lediglich die nicht automatisierbaren Restaufgaben verbleiben. Für die Analyse, Bewertung und Gestaltung dieser Interaktionen zwischen Mensch (bzw. Team) und Maschine (also Komponenten des Fertigungssystems wie Lager-, Transport-, Handhabungs- und Bearbeitungssystem) hat sich eine abstrahierende Betrachtung auf der Ebene der Informationszirkulation zwischen Mensch und Maschine bewährt [1.4]. Ziel dieser Betrachtung ist die Optimierung des Informationsaustausches zwischen Mensch und Maschine. Dabei wird das Ziel verfolgt, die Auslegung der technischen Systemkomponenten und der Arbeitsaufgaben den menschlichen Leistungsvoraussetzungen so anzupassen, dass, entsprechende Qualifikation vorausgesetzt, eine verlässliche, wirtschaftliche und umweltverträgliche Fertigung
4
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
gesichert wird, aber auch interessante, motivierende und beanspruchungsgerechte Arbeitstätigkeiten ermöglicht werden.
1.2 Gestaltungsmethodik Die Lösung dieser Aufgaben mit dem Ziel, eine ganzheitliche Produktivitätssteigerung zu erreichen, verlangt die Integration humanwissenschaftlicher Erkenntnisse unter Berücksichtigung interkultureller Nutzeranforderungen in den Systementwicklungsprozess. Dies ist mit Hilfe des Konzeptes der parallel-iterativen Systementwicklung möglich (Abb. 1.1). Diese Methodik basiert auf einem systemtechnischen Ansatz und sieht eine Kombination der ingenieurwissenschaftlichen mit der humanwissenschaftlichen Arbeitsweise einschließlich der Einbeziehung späterer Nutzer vor: 1. Aufgabenanalyse (einschließlich ihrer technischen und organisationalen Rahmenbedingungen) für die möglichst vollständige und realitätsnahe Festlegung der Arbeitsanforderungen bereits in den frühen Phasen des Entwurfs eines Fertigungsprozesses. Damit werden die Grundlagen für die Gestaltung der Ar-
Abb. 1.1. Parallel-iteratives Vorgehensmodell und Lebenszyklus (die zahlreichen Rückkopplungen zwischen den verschiedenen Entwicklungsphasen wurden zu Gunsten einer besseren Übersichtlichkeit nicht eingetragen)
1 Mensch-Maschine-Interaktion in der Fertigungstechnik
5
beitsabläufe und -aufgaben nach technischen, ökonomischen und sozialen Kriterien geschaffen. 2. Parallel-iterative Abstimmung: Ausgehend vom Systemzweck kommt es darauf an, (technische) Funktionen und (personale) Aufgaben in allen Phasen der Systementwicklung bewertend aufeinander abzustimmen. Bewertungskriterien sind neben hoher Wirtschaftlichkeit vor allem hohe Systemverlässlichkeit, Kompetenzförderung, gute Bedienbarkeit, optimumnahe Beanspruchung, angemessene Gebrauchstauglichkeit und hohe Umweltverträglichkeit. 3. Einbeziehung der späteren Operateure (oder Kunden etc.) von Beginn an in die Gestaltung der Arbeitsabläufe und Bediensysteme, um möglichst früh ein gemeinsames Problemverstehen zwischen Entwickler und Bediener zu erreichen. Damit bekommen Entwickler einen Einblick in das Systemverständnis der Benutzer und es wird ein schärferes Problembewusstsein für die Gestaltungsanliegen erzeugt. 4. Usabilityprüfungen und Prototyping ermöglichen nicht nur rechtzeitige und damit kostengünstige Systemkorrekturen, sondern tragen auch zum besseren Verstehen der Systemfunktionalität bei.
1.3 Gestaltungsaufgaben Häufig wird die Automatisierung des Fertigungsprozesses vorwiegend aus der Sicht der technischen Realisierungsmöglichkeiten von Anlagen oder Systemkomponenten betrieben. Aus dieser einseitig orientierten Vorgehensweise resultiert eine Reihe von Problemen der Mensch-Maschine-Interaktion im Fertigungsprozess, wie sie ähnlich vor mehr als 60 Jahren im Bereich der Luftfahrt bekannt wurden. Fehlbedienungen, mangelhaftes „Verstehen“ des Prozessgeschehens, zeitaufwendige Diagnoseprozesse oder Über- bzw. Unterbeanspruchung sind Beispiele für die negativen Folgen solcher technikzentrierten Automatisierungsstrategien. Bei der Durchsetzung einer flexiblen Systemautomatisierung verdienen drei Themenbereiche besondere Aufmerksamkeit: Gestaltung der Arbeitsaufgaben
Bereits in den frühen Phasen eines Systementwurfs sind erwünschte Merkmale der späteren Arbeitstätigkeiten mit zu „projektieren“. Tabelle 1.1 (nach [1.5]) zeigt hierfür einige Beispiele und Möglichkeiten ihrer Realisierung. Gestaltung der Benutzungsoberfläche von Maschinen und Leitständen
Da prinzipiell nicht alle möglichen, unerwünschten Systemzustände vom Systementwickler vorausgedacht werden können, muss das Denken und Handeln in solchen unerwünschten Situationen bei den Operateuren verbleiben [1.1]. Das ist aber nur möglich, wenn der jeweils Verantwortliche, sei es als Maschinenführer, Anlagenfahrer usw. versteht, was gerade vor sich geht: In einer Notsituation muss ein rascher und richtiger Eingriff erfolgen, in problemhaften Situationen, z. B. bei einer Störung, ist das eindeutige Erkennen und Verstehen der angezeigten Messwerte, Masken, Trends usw. über das Prozessgeschehen sowie eine fehlerfreie Handlungsausführung zu sichern. Hierfür kann die umfangreiche und in-
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Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Tabelle 1.1. Erwünschte Merkmale von Arbeitsaufgaben Merkmal
Realisierung durch Aufgaben
Ganzheitlichkeit und Anforderungsvielfalt
..., die Anforderungen auf dem gesamten Spektrum menschlicher Leistungsvoraussetzungen von „schöpferisch“ – „motorisch“ stellen
Autonomie
... mit arbeitsbezogenen Kooperationsmöglichkeiten
Kompetenzentwicklung
..., die vorhandene Qualifikationen nutzt und erweitert sowie geistige Vorbereitung erfordert
Adäquate Beanspruchung
... mit ausbalanciertem Zeitbedarf, Anforderungsprofil und Zuständigkeitsbereich (Verantwortung)
genieurmäßig aufbereitete Literatur zur ergonomischen Gestaltung von Nutzerinfaces genutzt werden. Auch die Vorausschau der Handlungskonsequenzen erleichtert den Verstehensprozess, z. B. durch eine simulierte Darstellung der Folgen eines geplanten Bearbeitungsschrittes, bevor dessen Freigabe an das System erfolgt. Zur Unterstützung für die Entwicklung von Bediensystemen in den verschiedenen Systementwicklungsphasen liegen heute bereits zahlreiche Software-Werkzeuge vor. Großen Einfluss auf Industriestandards für Bediensysteme hat dabei die Bürosoftware genommen, wahrscheinlich auf Grund ihrer großen Verbreitung und Übertragung der Windows-Technologie auf die unterschiedlichsten Bereiche. Daher spielt auch in der Industrie trotz aller Kritik die DIN EN ISO 9241 eine wichtige Rolle für den Entwurf von Bedienoberflächen. In dieser Norm (Teil 10) sind auch die Kriterien benutzergerechter Software zusammengefasst. Um die Interaktionsmöglichkeiten für die Prozessführung zu erweitern, werden gegenwärtig zunehmend Möglichkeiten von multimodalen Schnittstellen (Gestik, Sprachein- und -ausgabe) von vielen Herstellern bzgl. ihrer Vor- und Nachteile getestet, wobei allerdings die Markterfordernisse oder -wünsche mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen abzustimmen sind. Entwicklung von Assistenzsystemen und ihre aufgabengerechte Integration in die Prozessführung
Maschinensysteme sind heutzutage so komplex, dass eine Unterstützung des Instandhaltungspersonals durch ein Computerprogramm sinnvoll ist. Grundsätzlich ist zu fordern, dass der Anwender bei der Systemnutzung befähigt wird, mit hoher Sicherheit und Adäquatheit Vorgänge, Zustände und Bedingungen seines Fertigungsprozesses analysieren zu können, um Entscheidungen zu treffen oder Handlungen zu planen und auszuführen, z. B. eine Störung zu beseitigen. Allerdings setzt der Einsatz wissensbasierter Unterstützungssysteme nicht nur die Bereitstellung adäquater Modellierungsmethoden voraus, sondern auch entsprechend qualifiziertes Personal.
1 Mensch-Maschine-Interaktion in der Fertigungstechnik
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1.4 Entwicklungstendenzen In der Industrie und im Hochschulbereich wird intensiv an neuen Formen der Mensch-Maschine-Interaktion gearbeitet und aus der ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenforschung sind zahlreiche funktionstüchtige Prototypen bekannt [1.2]. 3D-Darstellungen, blickgestützte Interaktionen, sprachlicher Informationsaustausch, Gestik u. a. multimodale Interaktionsmöglichkeiten sollen zu einem erweiterten und „natürlicheren“ Informationsaustausch bei gleichzeitiger Belastungsreduktion führen (Abb. 1.2). Damit wird auf der einen Seite die Handhabungstransparenz unterstützt, weil bei der Gestaltung der multimodalen Interaktion der Aktionsraum für Benutzer erweitert werden kann. Andererseits besteht die Möglichkeit einer Systemerweiterung um Komponenten, die das Benutzerverhalten umfassender interpretieren können und darauf reagieren, z. B. mit Hilfe von Softwareagenten, die über das Benutzerverhalten Wissen erwerben, also lernen können. Der industrielle Einsatz solcher informationsverarbeitender Assistenzsysteme, grafisch häufig als Avatar dargestellt, ist längerfristig zu erwarten und wird die heute noch dominante Mausund Tastatursteuerung mittels der genannten medialen Mittel erweitern. Zunehmend gewinnt auch der Einsatz der Augmented Reality an Bedeutung und ist für die Verbesserung der Instandhaltungsprozesse in Erprobung, ähnlich wie Virtual Reality bei der Prototypengestaltung einen generellen Rationalisierungseffekt ermöglicht. Allerdings darf man hierbei nicht stehen bleiben. Es ist zu prüfen, inwieweit Möglichkeiten für die Verbesserung der Qualität von Fertigungssystemen auf Grund der erweiterten Interaktionsformen und -medien bestehen. Hier muss auch an Web-Technologien, den Teleservice und die globale Vernetzung ebenso wie an die kultur-spezifischen Besonderheiten gedacht werden, die zukünftig die Prozessführung mit prägen werden [1.6]. Entsprechende IT-Standards sind kritisch zu untersuchen, anzupassen und anwendungsbezogen einzusetzen. Mit diesem Ausblick ist unmittelbar die Frage verknüpft, wie derartige Sachverhalte vermittelt werden können. Denn es ist zu bedenken, dass mit dem parallel-iterativen Ansatz ingenieurwissenschaftliche Methoden und Werkzeuge zum Abb. 1.2. Erwarteter Einsatz unterschiedlicher Modalitäten bei der Mensch-Maschine-Interaktion [nach 1.7]
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Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Einsatz kommen, die mit den im Bereich der Humanwissenschaften entwickelten Software-Tools und Vorgehensweisen zu vereinigen sind. Dieses interdisziplinäre Vorgehen stellt damit nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Ingenieurausbildung eine große Herausforderung dar, deren Bewältigung für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sein wird.
Literatur 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7
Marzi R et al. (Hrsg) (2002) Bedienen und Verstehen. In: Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 22, Mensch-Maschine-Systeme, Nr. 8. VDI Verlag GmbH, Düsseldorf Oviatt S (1999) Ten Myths of Multimodal Interaction. In: Communications of the ACM, 42 (11) Spur G (1994) Fabrikbetrieb. Carl Hanser Verlag, München Wien Timpe KP, Jürgensohn T, Kolrep H (Hrsg) (2002) Mensch-Maschine-Systemtechnik. Symposion Publishing GmbH, Düsseldorf Uhlich E (1994) Arbeitspsychologie. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart Zühlke D (2002) Useware – Herausforderung der Zukunft. Useware 2002 In: VDI– Berichte 1678. VDI Verlag GmbH, Düsseldorf Results of the first and second rounds of the IFAC Delphi Survey, www.uni-kl.de/ pak/HMI/docs/results_All.pdf (Zugriff am 20. 01. 04)
2 EU-Richtlinien zur Produktsicherheit von Geräten der Mess- und Automatisierungstechnik
2.1 Einleitung Wolfgang Richter, Abschn. 2.1–2.4 Produkte und Anlagen der Mess- und Automatisierungstechnik müssen nicht nur ihre Funktion erfüllen, sondern auch, abhängig von der Region oder dem Land, in dem sie eingesetzt werden und von Kundenanforderungen, verschiedenen Vorschriften und Gesetzen sowie Richtlinien genügen. In der EU gelten gesetzliche Regelungen, die unter dem Oberbegriff der „CE-Konformität“ zusammengefasst werden können. Die CE-Konformität ist nach EU-Richtlinien (ältere Richtlinien sind dem Titel nach „EG-Richtlinien“, neuere Richtlinien „EU-Richtlinien“) nach der „neuen Konzeption“ bzw. dem „new approach“ der EG-Kommission geregelt [2.1]. Für Produkte, die in den Gültigkeitsbereich dieser Richtlinien fallen, muss eine beim Hersteller einsehbare Konformitätserklärung vorhanden sein, die die Entsprechung des Produkts zu allen für das Produkt zutreffenden Richtlinien bescheinigt. Auf dem Produkt muss sich das CE-Symbol befinden. Folgende EU-Richtlinien zur CE-Konformität kommen in erster Linie für Produkte und Anlagen der Mess- und Automatisierungstechnik zur Anwendung: – – – – –
Niederspannungs-Richtlinie 73/23/EWG, EMV-Richtlinie 89/336/EWG, Maschinenrichtlinie 89/392/EWG, Explosionsschutz-Richtlinie 94/9/EG, R&TTE Endgeräte-Richtlinie 95/5/EG.
Über die EMV-Richtlinie wird in Kap. A3 informiert, zur Maschinenrichtlinie in Abschn. 2.5. Auf die Explosionsschutz-Richtlinie und die R&TTE-EndgeräteRichtlinie soll hier nicht weiter eingegangen werden. Die Texte aller EU-Richtlinien nach dem „new approach“ inklusive der jeweils dazu gehörenden Leitfäden und der anzuwendenden Normen finden sich im Internet auf dem EU-Server [2.2]. EU-Richtlinien sind zwar keine Gesetze, aber müssen prinzipiell in nationale Gesetze der EU-Länder umgesetzt werden. Für neue oder geänderte Richtlinien werden jeweils Zeitlimits gesetzt, bis zu denen die Umsetzung in nationale Gesetze
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Begriffe, Benennungen, Normen
vollzogen sein muss. Ziel aller Richtlinien ist die Beseitigung von Handelshemmnissen innerhalb der EU durch Angleichung von Rechtsvorschriften. Die CE-Konformitätskennzeichnung ist nicht als Kennzeichnung für den Endverbraucher vorgesehen, sondern für die überwachenden Behörden Gewerbeaufsicht und Zoll. Über diese Intention des Gesetzgebers hinaus verlangen bzw. müssen Produzenten von Geräten und Ersteller von Anlagen verlangen, dass die CE-Konformität von zugekauften Komponenten, Geräten und Maschinen nachgewiesen ist. Es ist unzulässig, mit der CE-Konformität zu werben. Die unberechtigte Anbringung der CE-Kennzeichnung ist strafbar. Das „Inverkehrbringen“ eines Produkts kann in einem solchen Fall eingeschränkt oder untersagt werden.
2.2 Die Niederspannungsrichtlinie Der vollständige Name der Richtlinie lautet in englisch: „COUNCIL DIRECTIVE of 19 February 1973 on the harmonization of the laws of Member States relating to electrical equipment designed for use within certain voltage limits (73/23/EEC)“. Die Kurzbezeichnung dafür ist „Low Voltage Directive“ mit der Abkürzung LVD, die nun in Folge verwendet wird. Die deutsche Bezeichnung der Richtlinie lautet: „RICHTLINIE DES RATES vom 19. Februar 1973 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen (73/23/EWG)“. Sie wurde durch die Richtlinie 93/68/EG aktualisiert. Ihr vollständiger Text in allen EU-Sprachen findet sich auf dem EU-Server unter [2.3]. In Deutschland war sie bis zum 30.04.2004 als 1. Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz (GSG) gesetzlich verankert und ist dies nun als 1. Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) [2.7]. Verantwortlich für die Einhaltung der EU-Richtlinie(n) ist der „Inverkehrbringer“. Dies ist derjenige, der das Produkt im EU-Raum weitergibt bzw. verkauft oder verleiht. Laut Artikel 1 gilt die Niederspannungsrichtlinie für elektrische Betriebsmittel, die mit einer Nennspannung zwischen 50 und 1000 V Wechselstrom sowie zwischen 75 und 1500 V Gleichstrom betrieben werden, wobei es jedoch laut Anhang II Ausnahmen gibt wie elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in explosibler Atmosphäre, Elektrizitätszähler und elektroradiologische und elektromedizinische Betriebsmittel. Im Bereich der Mess- und Automatisierungstechnik ist damit eine sehr große Anzahl von Produkten nicht im Geltungsbereich der LVD, denn sehr viele Geräte werden mit 24VDC und anderen Kleinspannungen betrieben. Artikel 2 formuliert das Ziel allgemein: „Elektrische Betriebsmittel“ dürfen „nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn Sie entsprechend dem in der Gemeinschaft gegebenen Stand der Sicherheitstechnik so hergestellt sind, dass sie bei einer ordnungsgemäßen Installation und Wartung sowie einer bestimmungsgemäßen Verwendung die Sicherheit von Menschen und Nutztieren sowie die Erhaltung von Sachwerten nicht gefährden.“ Die Übereinstimmung mit der LVD ist durch die Anwendung der harmonisierten Normen nachzuweisen. Außerdem sind in allen EU-Mitgliedsstaaten Stellen
2 EU-Richtlinien zur Produktsicherheit von Geräten der Mess- und Automatisierungstechnik
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benannt, die die Einhaltung der LVD bescheinigen und als Gutachter eingesetzt werden können. Im Anhang I der Richtlinie sind die Sicherheitsziele aufgezählt. Diese sind gut verständlich im Originaltext der Niederspannungsrichtlinie [2.3] beschrieben, so dass hier nur eine kurze Übersicht folgt: Aufgeführt sind dort Anforderungen an die Aufschriften und die mitgelieferte Dokumentation sowie an die Beschaffenheit der elektrischen Betriebsmittel und es ist gefordert, dass bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Schutz vor Gefahren gegeben ist. Der geforderte Schutz erstreckt sich auf Menschen, Nutztiere und Sachen. Als Gefahren, die von elektrischen Betriebsmitteln ausgehen können, werden u. a. genannt: Temperaturen, Lichtbogen und direkte oder indirekte Berührung. Die Isolierung muss für die vorgesehenen Beanspruchungen geeignet sein. Außerdem müssen elektrische Betriebsmittel so gegen Einwirkungen von außen geschützt sein, dass sie den mechanischen Beanspruchungen, für die sie vorgesehen sind, standhalten und unter den vorgesehenen Umgebungsbedingungen auch den nicht mechanischen Einwirkungen standhalten. Schließlich dürfen durch vorgesehene Überlastungen ebenfalls keine Gefährdungen auftreten. Die Niederspannungs-Richtlinie enthält in Anhang III die Angaben, wie die CE-Konformitätskennzeichnung aussehen muss und was die EG-Konformitätserklärung enthalten muss. Zwar ist hier nicht gefordert, dass bei der angewendeten Norm auch deren Ausgabedatum anzugeben ist, doch sollte dies selbstverständlich sein. Nur so ist aus der Konformitätserklärung eindeutig zu entnehmen, ob die gültige Ausgabe der Norm verwendet wurde. Bei der CE-Kennzeichnung ist die genaue Form und die Mindesthöhe von 5 mm vorgegeben. Seit März 2004 ist die LVD unter dem Titel „LVDupdate“ in Überarbeitung. Der aktuelle Stand mit dem alten und neuen Richtlinientext in englisch ist im Internet unter [2.3] abrufbar. Diese Änderung ist inhaltlich abgeschlossen und steht nun in den verschiedenen EU-Gremien zur Abstimmung. Zwar gibt es keinen festen Zeitplan, doch wird mit folgendem Ablauf gerechnet (Quelle: ZVEI): Verabschiedung der neuen LVD und Beginn der Gültigkeit etwa Ende 2005, Ende der Übergangszeit für „Altgeräte“ zum 1.1.2006. Den aktuellen Stand findet man unter „LVDupdate“ in [2.4]. Diese Änderung ist sehr umfangreich. An erster Stelle ist dabei zu nennen, dass die untere Spannungsgrenze entfällt. Das führt dazu, dass die LVD auch für alle elektrischen Geräte mit Kleinspannung und Batterieversorgung gelten wird. Im Bereich der Mess- und Automatisierungstechnik wird dadurch nun eine sehr große Anzahl elektrischer Betriebsmittel zusätzlich von der LVD erfasst. Für Produkte mit Kleinspannung ist eine vereinfachte Konformitätsbewertung in Diskussion, bei der nicht die Anwendung der kompletten Produktnorm erforderlich ist. Der Begriff Gesundheit bzw. „health“ ist nun ergänzt und dem Begriff Sicherheit bzw. „safety“ gleichgestellt. Neu kommt hinzu, dass ein „risk management“ vorgeschrieben ist, wobei dies durch die Anwendung einer Norm, die alle Gesundheits- und Sicherheitsaspekte berücksichtigt, abgedeckt wird. Es werden eine Reihe weiterer Gefahren genannt, gegen die Maßnahmen ergriffen werden müssen wie Leckstrom, elektrostatische Entladung, Instabilität, raue Oberflächen, akusti-
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Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
scher Lärm, biologische oder chemische Phänomene, Alterung des Materials, unvorhergesehener Betrieb, logische Fehler in Hard- oder Software, Ergonomie und andere.
2.3 Harmonisierte Normen Erläuterung der verwendeten Kürzel:
IEC = International Electrical Committee. Normungsorganisation mit zur Zeit 52 beteiligten Ländern mit Sitz in der Schweiz. Von der IEC herausgegebene Normen tragen die Kennzeichnung „IEC“. Details zur Organisation, zu den Normen und zum Normenbezug finden sich unter [2.5]. CENELEC = European Committee for Electrotechnical Standardization / Comité Européen de Normalisation Electrotechnique. Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung mit Sitz in Brüssel. Von CENELEC herausgegebene Normen tragen die Kennzeichnung „EN“. Nähere Informationen zu CENELEC und den EN-Normen unter [2.6]. DIN = Deutsches Institut für Normung e.V., VDE = Verband der Elektrotechnik, Elektronik, wobei für die Normen aus dem Bereich Elektrotechnik die DKE = Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE zuständig ist. Harmonisierte Normen sind vereinfacht dargestellt solche, die von der EU-Normungsorganisation CENELEC freigegeben und im Amtsblatt der EU bekannt gegeben wurden. In der großen Mehrzahl sind diese Normen an dem Kürzel „EN“ zu erkennen. Die harmonisierten Normen werden bei der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt und entsprechend dann in den Amtsblättern der Regierungen der Mitgliedsländer den jeweiligen Richtlinien bzw. den diesen entsprechenden Gesetzen zugeordnet. Die Normen dürfen nur entsprechend dieser Zuordnung für den Konformitätsnachweis nach der jeweiligen Richtlinie verwendet werden. Außerdem müssen, soweit vorhanden, die dem jeweiligen Produkt laut „Anwendungsbereich“ zugeordneten Normen verwendet werden. Die meisten harmonisierten Normen nach der LVD sind solche, die als IEC-Norm entstanden sind und dann entweder unverändert oder mit Ergänzungen als EN-Norm angenommen wurden. Am Beispiel der Norm bzw. Normenreihe, die für die Produktsicherheit von Geräten der Mess- und Automatisierungstechnik meist anzuwenden ist, sollen Zusammenhänge und Anforderungen dargestellt werden. Es ist dies die EN 61010-1 mit ihren Teilen EN 61010-xxx und EN 61010-2-xxx. Entstanden ist der Teil 1 dieser Norm bei der IEC als IEC 61010-1:2001, Safety requirements for electrical equipment for measurement, control, and laboratory use, Part 1: General requirements / Règles des sécurité pour appareils électriques de mesurage, de régulation et de laboratoire, Partie 1: Prescriptions générales. Sie wurde zeitgleich mit der Veröffentlichung durch die IEC von CENELEC als EN 610101:2001 angenommen.
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Die deutsche Fassung vom März 2001 (einschließlich des Corrigendum 1) trägt den Titel „Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte, Teil 1: Allgemeine Anforderungen“ und wurde als DIN EN 61010-1 : 2002-08 / VDE 0411 Teil 1: 2002-08 herausgegeben. Im Anwendungsbereich (englisch: scope) dieser Norm liegen: – Elektrische Mess- und Prüfgeräte, die elektrische und nichtelektrische Größen messen, prüfen, anzeigen oder registrieren sowie Stromversorgungen, Übertrager, Normale u. a.m. – Elektrische Regelgeräte – Elektrische Laborgeräte zum Messen, Anzeigen, Überwachen, Analysieren und Zubereiten von Stoffen einschließlich In-Vitro-Diagnostik-Geräte – Zubehör für die genannten Geräte und Einrichtungen. Zu dieser Norm gibt es noch eine Anzahl weiterer Teile, die sich mit speziellen Anwendungen (Washer-Desinfector, Zentrifugen) sowie mit speziellem Messzubehör befassen. Je nach Art des Gerätes oder des Zubehörs muss dann der entsprechende Normteil wie z. B. IEC 61010-2-081 oder IEC 61010-030 angewendet werden. Diese Normteile sind so ausgelegt, dass sie auf dem Teil 1 der Norm aufbauen. Weitere im Bereich der Automatisierungstechnik angewendete Produktsicherheitsnormen nach der Niederspannungsrichtlinie sind u. a.: – IEC / EN 61131-2: Speicherprogrammierbare Steuerungen (Diese Norm enthält auch Anforderungen zu einer Reihe weiterer Themen wie Klima, Mechanik, EMV u. a.) – IEC / EN 60950-1: Sicherheit Informationstechnischer Geräte.
2.4 Prüfungen, Zertifizierungen, Zulassungen zur Produktsicherheit Die CE-Konformität erfordert eine Herstellererklärung. Wie die Aussage in dieser Herstellererklärung zustande kommt, ist dem Hersteller weitestgehend selbst überlassen. Zwar beschreibt die LVD, dass die Konformität mit einer entsprechenden harmonisierten Norm einzuhalten ist, doch zur Feststellung dieser Übereinstimmungsvermutung gibt es eine Reihe von Möglichkeiten wie: Der Inverkehrbringer 1. stellt ohne Prüfung(en) die Konformitätsbescheinigung aus; 2. prüft selbst; 3. lässt von einem externen Labor prüfen; 4. lässt von einem akkreditierten Labor prüfen. Begriffserläuterung „Akkreditierung“: Die Akkreditierung eines Prüflabors bedeutet, dass das Labor darauf überprüft wurde und laufend überprüft wird, dass es nach den Regeln der Norm ISO/IEC/EN 17025 arbeitet. In Deutschland erfolgt die Anerkennung durch den deutschen Akkreditierungsrat, kurz DAR. Im Inter-
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Begriffe, Benennungen, Normen
net [2.8] findet man weitere Informationen und auch alle in Deutschland akkreditierten Labors. Ein Labor, das für Prüfungen von Geräten zur Produktsicherheit akkreditiert ist, erhält dazu in Deutschland die Bescheinigung unter dem Begriff „Sicherheit elektrischer Betriebsmittel“ [2.9]. Die vier angegebenen Möglichkeiten zur Feststellung der Normen- und Richtlinienkonformität nach der LVD sind in der Reihenfolge nach Überprüfbarkeit der Maßnahmen aufgelistet: Bei Möglichkeit (1) stellt sich für Dritte, insbesondere die überwachende Behörde oder im Schadensfall den Richter die Frage, ob das Produkt normenkonform sein kann, wenn nichts geprüft wurde und möglicherweise grob fahrlässig vorgegangen wurde. Bei Möglichkeit (4) hingegen wird davon ausgegangen, dass das Produkt sicher ist und in allen Anforderungen der Produktnorm und der LVD entspricht. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, für Produkte eine Zulassung, Zertifizierung oder Approbation zur Produktsicherheit zu bekommen. Dies kann dann auch, je nach Zielmarkt, eine Kundenanforderung oder entsprechend der CEKonformität eine gesetzliche Anforderung sein. Tabelle 2.1 gibt einen Überblick über die bekanntesten Zulassungen und Zertifizierungen zur Produktsicherheit elektrischer Betriebsmittel aus dem Bereich der Mess- und Automatisierungstechnik. Die aufgeführten Zulassungen und Zertifizierungen erfolgen in einigen Fällen nach eigenen Normen wie z. B. bei UL nach UL-Normen. Diese Normen basieren immer häufiger auf IEC-Normen mit deren nationalen Abweichungen. Meist gehören zu den Zertifizierungen auch regelmäßige Überwachungen der Produktion. Das bedeutet, dass ein Inspektor die Fertigungsstätte in regelmäßigen Ab-
Tabelle 2.1 Beispiele für Zulassungen und Zertifizierungen zur Produktsicherheit elektrischer Betriebsmittel aus dem Bereich der Mess- und Automatisierungstechnik. Bezeichnung
Symbol
Land / Bereich
Bemerkungen
CB-Zertifikat
(keines)
in allen Ländern, die der IEC-Organisation angeschlossen sind
Keine gesetzliche Anforderung. Prüfungen nach IECund z. B. EN-Normen durch ein CBTL (CB Testing Laboratory). Mit einem CB-Zertifikat mit CB-Report aus einem Land ist in der Regel die Zulassung in einem anderen Land ohne Nachprüfungen möglich. Bei bestimmten Produktgruppen kann mit dem CB-Zertifikat auch eine UL-, CSA- oder CCC-Zulassung ohne Nachprüfung erreicht werden.
CCC-Zulassung
China
Gesetzliche Anforderung für eine Reihe von Produkten
CSA certification
Canada
Keine gesetzliche Forderung, aber häufig von Kunden verlangt.
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Tabelle 2.1 (Fortsetzung) Beispiele für Zulassungen und Zertifizierungen zur Produktsicherheit elektrischer Betriebsmittel aus dem Bereich der Mess- und Automatisierungstechnik. Bezeichnung
Land / Bereich
Bemerkungen
UL certification
USA
Keine gesetzliche Forderung, aber häufig von Kunden verlangt.
UL- and CSA- certification
USA / Canada
Binationale Zulassung durch eine der beiden Zulassungsgesellschaften UL (oberes Symbol) oder CSA (unteres Symbol). Keine gesetzliche Forderung.
Gost-Zulassung
Russland
Gesetzliche Anforderung
ENEC-Zeichen
EU
Zertifizierung nach harmonisierten EN-Normen, die von allen benannten Stellen in der EU durchgeführt werden kann.
VDE-Zeichengenehmigung
Deutschland / EU Bei Prüfung nach harmonisierter EN-Norm auch in allen EU-Ländern anerkannt.
GS-Zeichen
Deutschland
TÜV-Zeichen
Deutschland / EU Bei Prüfung nach harmonisierter EN-Norm auch in allen EU-Ländern anerkannt.
KEMA-Zeichen
Niederlande / EU
Bei Prüfung nach harmonisierter EN-Norm auch in allen EU-Ländern anerkannt.
NEMKO-Zeichen
Norwegen / EU
Bei Prüfung nach harmonisierter EN-Norm auch in allen EU-Ländern anerkannt.
DEMKO-Zeichen
Dänemark / EU
Bei Prüfung nach harmonisierter EN-Norm auch in allen EU-Ländern anerkannt.
BSI- Zeichen
Großbritannien/ EU
Bei Prüfung nach harmonisierter EN-Norm auch in allen EU-Ländern anerkannt.
Österreich / EU
Bei Prüfung nach harmonisierter EN-Norm auch in allen EU-Ländern anerkannt.
ÖVE-Zeichen
Symbol
„Geprüfte Sicherheit“
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Begriffe, Benennungen, Normen
ständen besucht und kontrolliert, ob die Produkte noch der Zulassung entsprechen.
2.5 Die Maschinenrichtlinie Jo Horstkotte Die Maschinenrichtlinie ist eine der wichtigsten Richtlinien der Europäischen Union zur Beschreibung grundlegender Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen und enthält umfangreiche Vorgaben an die Konstruktion von Maschinen. Sie wird bei fast allen Maschinen parallel zur Niederspannungs- und EMV-Richtlinie angewendet und enthält einzelne spezielle Anforderungen an die Steuerung von Maschinen. Die Maschinenrichtlinie in der Version 98/37/EG ersetzt die Version 89/392/ EWG von 1989. Seit dem 1.1.1995 sind alle Maschinen im Sinne der Richtlinie CEkennzeichnungspflichtig [2.10]. Die Richtlinie findet Anwendung auf Maschinen, auswechselbare Ausrüstungen und einzeln in Verkehr gebrachte Sicherheitsbauteile. Eine Maschine ist definiert als „eine Gesamtheit von miteinander verbundenen Teilen oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines beweglich ist sowie gegebenenfalls von Betätigungsgeräten, Steuer- und Energiekreisen usw., die für eine bestimmte Anwendung, wie die Verarbeitung, die Behandlung, die Fortbewegung und die Aufbereitung eines Werkstoffes zusammengefügt sind“. Als Maschine wird auch eine Gesamtheit von Maschinen betrachtet, die, damit sie zusammenwirken, so angeordnet sind und betätigt werden, dass sie als Gesamtheit funktionieren. Ferner gelten als Maschine auswechselbare Ausrüstungen zur Änderung der Funktion einer Maschine, die nach dem Inverkehrbringen vom Bedienungspersonal selbst an einer Maschine oder einer Reihe von Maschinen bzw. an einer Zugmaschine anzubringen sind, sofern diese Ausrüstungen keine Ersatzteile oder Werkzeuge sind. Soweit es sich um nicht auswechselbare Ausrüstungen handelt, gelten im Sinne dieser Richtlinie als Sicherheitsbauteile jene Bauteile, die vom Hersteller mit dem Verwendungszweck der Gewährleistung einer Sicherheitsfunktion in den Verkehr gebracht werden und deren Ausfall oder Fehlfunktion die Sicherheit oder die Gesundheit der Person im Wirkungsbereich der Maschine gefährdet. Derzeit werden diese Definitionen von den Behörden so ausgelegt, dass eigentlich alle Produkte mit mechanischem Gefahrenpotential als Maschine angesehen werden. Die in der erstgenannten Definition aufgezählten Anwendungen enthalten einige Beispiele, die diesen Sachverhalt verdeutlichen sollen. Von der Anwendung der Maschinenrichtlinie sind einige Maschinenarten ausgenommen, z. B. Maschinen, deren einzige Kraftquelle die unmittelbar angewandte menschliche Arbeitskraft ist. Die menschliche Kraft wird aber auch eingesetzt bei Maschinen, die zum Heben von Lasten verwendet werden und dann ein erhebliches Gefahrenpotential darstellen können. Dies ist dann z. B. eine Ausnahme von der Ausnahme, die jedoch in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie mit eingeschlossen ist.
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Andere wichtige Ausnahmen betreffen – Maschinen für medizinische Zwecke, – Jahrmarktgeräte, – Dampfkessel und Druckbehälter, – Maschinen für nukleare Verwendung, – Feuerwaffen, – Beförderungsmittel für die Beförderung von Personen in der Luft, auf Straßen- und Schienennetzen oder auf dem Wasserweg, – Seeschiffe und bewegliche Off-Shore-Anlagen sowie deren Ausrüstungen, – Seilbahnen, – land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, – Maschinen für militärische oder polizeiliche Zwecke – sowie Aufzüge. Die genauen Definitionen gehen aus der Richtlinie bzw. den verfügbaren Auslegungen offizieller Stellen hervor, beruhend auf zahlreichen Erfahrungen der letzten zehn Jahre seit Anwendung dieser Richtlinie. Einige Maschinenarten müssen einer Baumusterprüfung unterzogen werden. Dies sind die sog. Anhang-IV-Maschinen, die ein besonders hohes Gefahrenpotential besitzen, wie Kreissägen zum Bearbeiten von Holz und gleichartigen Werkstoffen (z. B. Fleisch), Pressen für die Kaltbearbeitung von Metall mit Handbeschickung und/oder Handentnahme sowie Spritzgießmaschinen. Bis auf die im Anhang IV genannten Maschinen können die Hersteller selbst und ohne externe Prüfung die Übereinstimmung von Maschinen mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen behaupten (Gefahrenanalyse) und die CE-Kennzeichnung anbringen. Die Maschinenrichtlinie enthält umfassende Vorgaben, die im Anhang I der Richtlinie enthalten sind. Die Forderung aus Anhang I Nummer 1.1.2 „Grundsätze für die Integration der Sicherheit“ ist immer zu beachten. Der eigentliche Sachverhalt ist verbindlich und gut nachvollziehbar: Unmittelbare Sicherheitstechnik Integration des Sicherheitskonzeptes
Risikominderung durch konstruktive Maßnahmen (sicheres Konstruieren) vor
Mittelbarer Sicherheitstechnik Notwendige Schutzmaßnahmen
Technische (Schutz-) Maßnahmen, Vorsichtsmaßnahmen vor
Hinweisender Sicherheitstechnik Unterrichtung der Benutzer vor Restgefahren
Benutzerinformation, Warnschilder, Piktogramme
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Begriffe, Benennungen, Normen
Eine weitere Forderung ist in der Maschinenrichtlinie im Anhang V unter dem Begriff EG-Konformitätserklärung genannt, was aber eigentlich eine Forderung nach einer ausreichenden technischen Dokumentation ist. Diese technische Dokumentation muss mindestens folgende Bestandteile umfassen: – einen Gesamtplan der Maschine. – einen Steuerkreisplan der Maschine. – detaillierte und vollständige Pläne, ggf. mit Berechnungen oder Versuchsergebnissen für die Überprüfung der Übereinstimmung der Maschine mit den grundlegenden Anforderungen. – eine Betriebsanleitung der Maschine. Dazu kommen aus anderen Richtlinien bzw. deren Normen weitere Vorgaben. Wichtig im Bereich Maschinenbau ist die EN 292 bzw. deren Nachfolger EN ISO 12100. Diese enthält Festlegungen, die für die Konstruktion wichtig sind, z. B. die Vorgabe, sog. Lebensphasen zu betrachten: Die Sicherheit einer Maschine spiegelt sich wider in ihrer Eigenschaft 1. transportiert, 2. aufgebaut, 3. eingerichtet, 4. benutzt, 5. gereinigt, 6. instand gehalten und 7. entsorgt zu werden, ohne dadurch Verletzungen oder Gesundheitsschädigungen zu verursachen. Die hier auf sieben Lebensphasen verkürzte Auflistung wird in verschiedenen Normen erheblich ausgeweitet. Wichtig ist die Betrachtung, dass die Maschine in jeder Lebensphase angemessen sicher sein muss. Das Normenwerk bei der Maschinenrichtlinie ist in A-, B-, C-Form aufgebaut, wobei von allgemeinen Aspekten (A-Normen wie EN 292 bzw. EN ISO 12100) bis hin zu C-Normen, die nur auf eine klar begrenzte Produktgattung zutreffen, eine Strukturierung zu beachten ist. Teilweise kann durch die alleinige Anwendung einer C-Norm von der Einhaltung der grundlegenden Sicherheits- und Gesund-
Abb. 2.1 Titel der B-Norm EN 294
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heitsanforderungen ausgegangen werden. Es empfiehlt sich jedoch immer, den Anhang I der Maschinenrichtlinie am Produkt durchzuarbeiten. Es gibt viele Normen, die Teilaspekte beschreiben. So z. B. die B-Norm EN 294, die einzuhaltende Maße zur Vermeidung des Erreichens von Gefahrstellen mit den oberen Gliedmaßen enthält (s. Normentitel in Abb. 2.1). Abbildung 2.2 zeigt beispielhaft ein Maß a, für das Angaben in Tabellenform in dieser Norm enthalten sind. Übrigens finden sich viele dieser Angaben auch in den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften wieder! Bei der Bearbeitung des Anhangs 1 der Maschinenrichtlinie sind folgende Punkte besonders zu berücksichtigen: Im Punkt 1.2 Steuerungen und Befehlseinrichtungen sind teilweise detaillierte Anforderungen an die Hardware enthalten. Insbesondere die nachfolgenden Punkte – – – – – – – –
1.2.1 Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen 1.2.2 Stellteile 1.2.3 Ingangsetzen 1.2.4 Stillsetzen 1.2.5 Betriebsartenwahlschalter 1.2.6 Störung der Energieversorgung 1.2.7 Störung des Steuerkreises 1.2.8 Software
enthalten Anforderungen, die nicht immer so in den üblichen Normen berücksichtigt wurden. Abb. 2.2 Beispiel einer Maßangabe aus der B-Norm EN 294
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Begriffe, Benennungen, Normen
Deshalb ist dieser Teil der Maschinenrichtlinie neben der Anwendung üblicher Normen wie z. B. der EN 60204 bei der Bearbeitung notwendig. Nur so können die Schutzmaßnahmen gegen mechanische Gefahren, die in Anhang I Punkt 1.3 und folgende behandelt werden, erfolgreich bearbeitet werden: – – – – – – – –
1.3.1 Stabilität 1.3.2 Bruchgefahr beim Betrieb 1.3.3 Gefahren durch herabfallende und herausgeschleuderte Gegenstände 1.3.4 Gefahren durch Oberflächen, Kanten, Ecken 1.3.5 Gefahren durch mehrfach kombinierte Maschinen 1.3.6 Gefahren durch Änderung der Drehzahl der Werkzeuge 1.3.7 Verhütung von Gefahren durch bewegliche Teile 1.3.8 Auswahl der Schutzeinrichtungen gegen Gefahren durch bewegliche Teile
Diese aufgeführten häufig als banal eingeschätzten Punkte sind gerade an Gefahrenstellen ohne eine gute Steuerung nicht in einen sicheren Zustand zu bringen. Mit dieser Betrachtung soll der Einblick in das Thema Maschinenrichtlinie abgeschlossen sein. Druckgeräterichtlinie Die Richtlinie 97/23/EG gilt für Druckgeräte mit einem maximal zulässigen Druck von über 0,5 bar. Druckgeräte sind Behälter, Rohrleitungen, Ausrüstungsteile mit Sicherheitsfunktion und/oder druckhaltende Ausrüstungsteile sowie alle dazugehörigen Elemente wie Flansche, Stutzen, Kupplungen und Trageelemente, Hebeösen etc. Die Richtlinie ist auf viele Druckbehälter nicht anzuwenden, beispielsweise nicht auf Druckbehälter in Schiffen, Raketen oder Luftfahrzeugen oder Aerosolpackungen. Das Verhältnis zur Maschinenrichtlinie ist durch eine besondere Regelung beschrieben, da beide Richtlinien Konstruktionsvorgaben enthalten, allerdings in unterschiedlicher Ausrichtung. Deshalb findet sich die nicht ohne weitere Informationen anwendbare Umschreibung, dass Geräte, die nach der Druckgeräterichtlinie unter die Kategorie I fallen und in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie oder der Niederspannungsrichtlinie oder der Medizinprodukterichtlinie fallen, nicht der Druckgeräterichtlinie unterzogen werden müssen. Ex-Schutz-Richtlinie Die Richtlinie 94/9/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten für Geräte und Schutzsysteme in explosionsgefährdeten Bereichen enthält leicht abweichende Definitionen. So werden als Geräte Maschinen, Betriebsmittel, stationäre oder bewegliche Vorrichtungen, Steuerungs- und Ausrüstungsteile bezeichnet, die einzeln oder kombiniert zur Erzeugung, Übertragung, Wandlung, Speicherung, Messung, Regelung oder Umwandlung von Energie und zur Verar-
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beitung von Werkstoffen bestimmt sind und die eigene potentielle Zündquellen aufweisen und dadurch eine Explosion verursachen können. Als Schutzsysteme werden alle Vorrichtungen mit Ausnahme der vorgenannten Komponenten bzw. Geräte bezeichnet, die anlaufende Explosionen umgehend stoppen und den von einer Explosion betroffenen Bereich begrenzen sollen. Die Art und Auswahl der elektrischen Ausrüstung in explosionsgefährdeten Räumen kann nicht pauschal beschrieben werden, da in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeit des Auftretens gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verschiedene Anforderungen beachtet werden müssen. Dazu unterteilt die Betriebssicherheitsverordnung Räume und Bereiche in verschiedene Zonen. In diesen Zonen sind unterschiedliche bauliche Anforderungen an die elektrische Ausrüstung festgelegt.
Literatur 2.1
http://europa.eu.int/comm/enterprise/newapproach/legislation/guide/document/guidepublicde.pdf 2.2 http://europa.eu.int/comm/enterprise/newapproach/standardization/harmstds/ reflist.html 2.3 http://europa.eu.int/comm/enterprise/electr_equipment/lv/direct/text.htm 2.4 http://europa.eu.int/comm/enterprise/electr_equipment/lv/index.htm 2.5 http://www.iec.ch 2.6 http://www.cenelec.org/Cenelec/Homepage.htm 2.7 http://www.bmwi.de/Navigation/Service/gesetze.html 2.8 http://www.dar.bam.de/ 2.9 http://www2.automation.siemens. com/testcenter-khe/index00.shtml 2.10 http://www.ce-zeichen.de
3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien Anton Kohling
Die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), definiert als die Fähigkeit einer elektrischen Einrichtung in ihrer elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu funktionieren, ohne diese Umgebung, zu der auch andere Einrichtungen gehören, unzulässig zu beeinflussen, ist eine Eigenschaft, ein Qualitätsmerkmal eines Produktes. EMV kennzeichnet also einen Zustand, der herrscht, wenn elektrische Einrichtungen aller Art sich gegenseitig nicht stören und in ihrer Funktion nicht beeinträchtigen und diese auch von elektromagnetischen Naturphänomenen wie z. B. dem Blitz nicht beeinträchtigt werden. Dieser Zustand des harmonischen Neben- und Miteinanders modernster Leistungs- und Informationselektronik verschiedenster Hersteller muss erreicht werden. Zunehmende Integrationsdichte elektrischer und elektronischer Einrichtungen, räumliche Nähe von Leistungs- und Informationselektronik, die Übertragung stetig steigender Mengen elektrischer Energie und wachsende Datenraten, die Ausweitung der Prozessautomatisierung und Überwachung sowie die vermehrte Nutzung informationstechnischer Einrichtungen in allen Bereichen erfordern die vorbeugende Berücksichtigung der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) für den ungestörten Betrieb elektrischer Systeme und Anlagen. Eine seit Jahrzehnten bekannte Thematik, die mit der massenhaften Verbreitung von High-Tech-Produkten in Haushalten, Büros und Fabriken einer einheitlichen Lösung bedurfte. Die präventive Berücksichtigung der „Elektromagnetischen Verträglichkeit“ ist Schwerpunktthema jeder systemtechnischen Betrachtung. Methoden und Maßnahmen zur Sicherstellung der EMV sind bekannt, Produkte und Leistungen dazu werden angeboten, Normen geben einen Leitfaden. Das Wissen dazu wird in Seminaren und sonstigen Weiterbildungsmaßnahmen vermittelt. Die EMV ist durch die Anwendung und technische Umsetzung einiger weniger physikalischer Grundprinzipien mit normalem Ingenieurwissen zu erreichen und hat nichts mit schwarzer Magie zu tun.
3.1 Technische Regeln im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR/EEA) 3.1.1 Grundsätzliche Anforderungen Mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft >3.1@ beschlossen die Vertragspartner, den Binnenmarkt schrittweise bis zum 31.12.1992 zu verwirklichen, wobei der Binnenmarkt definiert ist als ein Raum ohne Binnengrenzen, in
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Begriffe, Benennungen, Normen
dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Zur Verwirklichung dieses Zieles mussten bezüglich des freien Verkehrs von Industrieerzeugnissen auch technische Handelshemmnisse, die auf unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten beruhten, abgebaut werden. Die Angleichung nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften erfolgt mittels technischer Harmonisierungsrichtlinien. Nach der „neuen Konzeption“ >3.2@ auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und Normung beschränken sich die technischen Harmonisierungsrichtlinien auf die Festlegung der grundlegenden Sicherheitsanforderungen oder sonstiger Anforderungen im Interesse des Gemeinwohls. Die Ausarbeitung detaillierter technischer Spezifikationen (Normen) wurde den für die Industrienormung zuständigen Normeninstitutionen wie CEN, CENELEC und ETSI übertragen. Normen dieser Organisationen, deren Ausarbeitung von der Kommission für die Umsetzung einer Richtlinie in Auftrag gegeben (mandatiert) wurde und die nach Fertigstellung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, können für den Nachweis zur Übereinstimmung mit den Schutzanforderungen der jeweiligen Richtlinie verwendet werden. Die Anwendung harmonisierter Normen ist grundsätzlich immer nur ein möglicher Weg zur Sicherstellung der Schutzanforderungen. Es gibt immer den Weg, die Richtlinienkonformität direkt anhand der „grundlegenden Anforderungen“ zu erreichen. Allerdings ist für diesen zweiten Weg in einigen Richtlinien ein Konformitätsbewertungsverfahren vorgesehen, das die Einschaltung einer „benannten Stelle“ fordert. In der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle wird der Weg über die Normen der günstigere sein, denn die Verwaltungen der Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bei Erzeugnissen, die nach harmonisierten, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften gelisteten Normen hergestellt worden sind, eine Übereinstimmung mit den in der Richtlinie aufgestellten „grundlegenden Anforderungen“ anzunehmen. Im Juristendeutsch besteht „die Vermutung der Übereinstimmung“. Die CE-Kennzeichnung bestätigt die Übereinstimmung mit den Anforderungen aller für das Produkt zutreffenden EG-Richtlinien, die nach der „neuen Konzeption“ erstellt wurden. Es ist also „Sache“ des Herstellers sich zu informieren, von welchen technischen Harmonisierungsrichtlinien sein Produkt betroffen ist. New-Approach-Richtlinien, die eine CE-Kennzeichnung vorsehen:
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Einfache Druckbehälter (87/404/EWG; 90 488/EWG) Sicherheit von Spielzeug (88/378/EWG) Bauprodukte (89/106/EWG) Elektromagnetische Verträglichkeit (89/336/EWG)/(92/44/EWG) Maschinensicherheit (98/37/EG)/(98/79/EG) Persönliche Schutzausrüstung (89/686/EWG; 93/95/EWG) Nichtselbsttätige Waagen (90/384/EWG) Aktive implantierbare medizinische Geräte (90/385/EWG) Gasverbrauchseinrichtungen (90/396/EWG) Warmwasserheizkessel (92/42/EWG) Explosivstoffe für zivile Zwecke (93/15/EWG) Medizinprodukte (93/42/EWG) NSR (73/23/EWG und 93/68/EWG) EX-Schutz (94/9/EG)
3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien
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Sportboote (94/25/EG) Aufzüge (95/16/EG) Kühl- und Gefriergeräte (95/57/EG) Druckgeräte (97/23/EG) In-vitro-Diagnostika (98/79/EG) Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen Seilbahnen (2000/9/EG)
Als nächstes ist zu eruieren, welche Konformitätsbewertungsverfahren für das Produkt vorgesehen sind. Man hüte sich davor, die in einer Richtlinie für ein bestimmtes Produkt beschriebenen Prozeduren unbesehen auf andere Richtlinien bzw. Produkte zu übertragen, denn die grundsätzlichen Spielregeln sind zwar identisch, aber der Teufel steckt wie immer im Detail. Für Hersteller elektrotechnischer Produkte besonders wichtige Richtlinien sind die Niederspannungsrichtlinie >3.3@, die EMVRichtlinie >3.4@, die Maschinenrichtlinien [3.5@ und die R&TTE-Richtlinie >3.6@. Nachdem diese Vorarbeit geleistet ist, beginnt die Auswahl der für das Produkt relevanten, im Amtsblatt der EU gelisteten Normen. Je nach Richtlinie reicht die Anzahl der gelisteten Normen von einer Handvoll bis zu mehreren Hunderten. Die Übereinstimmung seines Produktes mit den Anforderungen der relevanten Richtlinien bescheinigt der Hersteller mit der von ihm in eigener Verantwortung auszustellenden Konformitätserklärung. Für die Mehrzahl aller elektrotechnischen Produkte ist dafür eine Produktzertifizierung vom Gesetzgeber nicht gefordert. 3.1.2 EMV-Richtlinie und deutsches EMV-Gesetz Die EMV-Richtlinie >3.4@ wurde im Mai 1989 mit einer Übergangsfrist bis zum 31.12.1991 erlassen. 1992 wurde die Übergangsfrist um vier weitere Jahre auf den 31.12.1995 verschoben. Die Umsetzung der EMV-Richtlinie in deutsches Recht erfolgte 1992 mit dem EMV-Gesetz, welches das Hochfrequenzgerätegesetz >3.7@ zum 01.01.1996 endgültig ablöste. Die zweite Ausgabe des EMV-Gesetzes >3.8@ wurde am 25.09.1998 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Pünktlich zum Jahreswechsel wurde die neue EMV-Richtlinie (2004/108/EG) am 31.12.2004 im Amtsblatt der Europäischen Union (L390/4) veröffentlicht. Sie trat am 20. Januar 2005 in Kraft und ist bis zum 20 Juli 2007 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie 98/336/EWG wird mit Wirkung vom 20. Juli 2007 aufgehoben. Die Übergangsfrist endet am 20. Juli 2009, solange dürfen Betriebsmittel noch in Übereinstimmung mit der Richtlinie 89/336/EWG in Verkehr gebracht werden. Wichtigste Neuerung ist die Einführung der Sonderbehandlung von ortsfesten Anlagen in Anlehnung an die bereits im bestehenden Leitfaden zur Anwendung der EMV-Richtlinie beschriebene Vorgehensweise >3.9@. Eine weitere Änderung ergibt sich bezüglich der Rolle der „Zuständigen Stellen“. Diese werden in „benannte Stellen“ umbenannt werden und die Verpflichtung zur Konsultation einer „benannten Stelle“ bei Abweichungen von einer harmonisierten Norm wird entfallen. An den grundlegenden Schutzanforderungen wird sich nichts ändern, diese wurden aber neu formuliert und lauten:
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Begriffe, Benennungen, Normen
Betriebsmittel müssen nach dem Stand der Technik so konstruiert und gefertigt sein, dass a) die von ihnen verursachten elektromagnetischen Störungen keinen Pegel erreichen, bei dem ein bestimmungsgemäßer Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten oder anderen Betriebsmitteln nicht möglich ist; b) sie gegen die bei bestimmungsgemäßem Betrieb zu erwartenden elektromagnetischen Störungen hinreichend unempfindlich sind, um ohne unzumutbare Beeinträchtigung bestimmungsgemäß arbeiten können.
3.2 EMV-Normen Gemäß den nach der neuen Konzeption verfassten Richtlinien ist bei Konformität mit Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurden und deren umgesetzte nationale Norm von mindestens einem Mitgliedstaat veröffentlicht wurde, davon auszugehen (zu vermuten), dass die grundlegenden Anforderungen, auf die sich die Normen beziehen, erfüllt sind. Ohne die Veröffentlichung der Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften durch die Kommission führt die Einhaltung der Norm nicht zur Konformitätsvermutung. Aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit müssen die Mitgliedstaaten die Fundstellen der nationalen Normen veröffentlichen, durch die die harmonisierte Europäische Norm in das nationale Normungswerk umgesetzt wurde. Bereits mit dem Entwurf der EMV-Richtlinie erging von der EG-Kommission ein Mandat an das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC), die erforderlichen Normen rechtzeitig auszuarbeiten. Vor diesem Hintergrund wurde Anfang 1989 das Technische Komitee TC 110 der CENELEC gegründet, welches 1995 in TC 210 umbenannt wurde. Aufgabe des TC 210 ist es, den Richtlinieninhalt mittels Europa-Normen mit technischem Leben zu erfüllen. Das TC 210 beschloss eine Vierteilung des Normenwerkes in Grundnormen (Basic Standards), Fachgrundnormen (Generic Standards), Produkt- und Produktfamilien-Normen (Product und Product Family Standards) >3.10@. Grundnormen
In diesem Normenpaket sollen, basierend auf bestehenden IEC-, CISPR- und Europa-Normen, grundsätzliche phänomenbezogene Anforderungen und Messverfahren festgeschrieben bzw. angeboten werden. Diese Normen sollen keine Grenzwerte, weder für Störaussendungen noch für Störfestigkeiten und keine Bewertungskriterien enthalten. Wenn notwendig, sollen lediglich auf den Eigenschaften der Messgeräte oder den Messverfahren beruhende Grenzwertbereiche angegeben werden. Eine Übersicht ist in IEC 61000-4-1 enthalten >3.11@. Fachgrundnormen
In diesen Normen werden, basierend auf den „Grundnormen“, die Anforderungen an Produkte für deren Einsatz in bestimmten elektromagnetischen Klimata festgelegt. Folgende typische Umgebungen werden genannt:
3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien
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– Wohnbereiche, Geschäfts- und Gewerbebereiche sowie Kleinbetriebe – Industriebereich – Spezialbereiche In den vier Fachgrundnormen werden Störaussendung und Störfestigkeit behandelt, Grenzwerte gefordert und grundsätzliche Bewertungskriterien für das Betriebsverhalten vorgegeben. Fachgrundnormen gelten für alle elektrischen Einrichtungen, die nicht durch eine Produkt- oder Produktfamiliennorm erfasst sind. Liste der Fachgrundnormen:
– IEC/EN 61000-6-1 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 6-1:Fachgrundnormen – Störfestigkeit – Wohnbereich, Geschäfts- und Gewerbebereiche sowie Kleinbetriebe – IEC/EN 61000-6-2 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 6-2:Fachgrundnormen – Störfestigkeit – Industriebereich – IEC/EN 61000-6-3 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 6-3:Fachgrundnormen – Fachgrundnorm Störaussendung – Wohnbereich, Geschäfts- und Gewerbebereiche sowie Kleinbetriebe – IEC/EN 61000-6-4 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 6-4: Fachgrundnormen – Fachgrundnorm Störaussendung – Industriebereich – IEC/EN 61000-6-5 Generic standards – Immunity for power station and substation environments – IEC/EN 61000-6-6 Generic standards – HEMP immunity for indoor equipment Wohnbereich, Geschäfts- und Gewerbebereich sowie Kleinbetriebe
Unter der Annahme eines einheitlichen, definierten elektromagnetischen Klimas und typischen Näherungen zwischen potentiellen Störsenken und Störquellen sind folgende Einrichtungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit beispielhaft aufgeführt. Alle Gebiete, die über einen öffentlichen Niederspannungsanschluss versorgt werden, fallen grundsätzlich unter diese Definition. – – – – – –
Wohnbereich, z. B. Häuser, Eigentumswohnungen usw. Einzelhandel, z. B. Geschäfte, Supermärkte usw. Geschäftsbereiche, z. B. Büros, Banken usw. öffentliche Einrichtungen, z. B. Kinos, Gasthäuser, Diskotheken usw. Außenbereiche, z. B. Tankstellen, Parkplätze, Sportanlagen usw. Leichtindustrie, z. B. Werkstätten, Labors usw.
In Tabelle 3.1 sind die verschiedenen Anforderungen an Geräte für den Einsatz im Wohnbereich, in Geschäfts- und Gewerbebereichen sowie in Kleinbetrieben aufgelistet.
28
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Tabelle 3.1. Anforderungen nach IEC/EN 61000-6-1 und -6-3 Nr.
Phänomen
Referenz-Dokument
Störaussendungen 1
NF auf Stromversorgungsleitungen
EN 61000-3-2/-3
2
Funk-Entstörung
EN 55022 & EN 55014
Störfestigkeit Wechselstromversorgungsleitungen 3
Spannungseinbrüche
EN 61000-4-11
4
Spannungsunterbrechung
EN 61000-4-11
5
Blitz (Surge)
EN 61000-4-5
6
Sinusförmige HF
EN 61000-4-6
7
Burst
EN 61000-4-4
Gleichstromversorgungsleitungen 8
Blitz (Surge)
EN 61000-4-5
9
Sinusförmige HF
EN 61000-4-6
Burst
EN 61000-4-4
10
Signal- und Steuerleitungen 11
Sinusförmige HF
EN 61000-4-6
12
Burst
EN 61000-4-4
Gerät bzw. Gehäuse 13
NF-Magnetfeld
EN 61000-4-8
14
ESD
EN 61000-4-2
15
Elektromagnetisches Feld
EN 61000-4-3
16
EM-Feld 1, 89 GHz gepulst
ENV 50204
Funktionserde 17
Sinusförmige HF
EN 61000-4-6
18
Burst
EN 61000-4-4
3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien
29
Industriebereich
Die Definition des Industriebereiches ist nicht identisch mit der vom Katasteramt ausgewiesenen Nutzung eines Gebietes. Entscheidendes Kriterium für die Zuordnung ist der Anschluss an einen Verteilungstransformator, welcher ausschließlich Industriebetriebe versorgt bzw. nur den eigenen Betrieb. Das heißt aber nicht, dass ein über einen Mittelspannungstrafo versorgtes Bürogebäude oder Wohnhaus zum Industriegebiet wird. In Tabelle 3.2 sind die verschiedenen Anforderungen an Geräte für den Einsatz im Industriebereich aufgelistet. Produkt- und Produktfamiliennormen
In diesen Normen werden Anforderungen für bestimmte Produkte oder Produktfamilien geregelt. Im Amtsblatt veröffentlichte Produkt- oder Produktfamiliennormen haben Vorrang vor den Fachgrundnormen (Generic Standards). Die wichtigste Aufgabe von Produktnormen ist die Festlegung der produkttypischen Messanordnungen, der Betriebsbedingungen beim Messen und die detaillierte Angabe von Fehlerkriterien bzw. Bewertungskriterien für die Störfestigkeitsmessungen. Des Weiteren gehört die produkt- und einsatzspezifische Auswahl der Störphänomene zu den Aufgaben der Produkt-Komitees. Eine Auswahl der für die Mess- und Automatisierungstechnik wichtigen EMVProdukt- bzw. Produktfamiliennormen ist nachfolgend aufgelistet. Wichtige EMV-Produkt- und -Produktfamiliennormen für die Mess- und Automatisierungstechnik: – IEC/EN 61131-2 Speicherprogrammierbare Steuerungen – Teil 2: Betriebsmittelanforderungen und Prüfungen – IEC/EN 61326 Elektrische Betriebsmittel für Leittechnik und Laboreinsatz – EMV-Anforderungen – IEC/EN 61800-3 Drehzahlveränderbare elektrische Antriebe – Teil 3: EMV-Produktnorm einschließlich spezieller Prüfverfahren – CISPR 11/EN 55011 Industrielle, wissenschaftliche und medizinische Hochfrequenzgeräte (ISMGeräte) – Funkstörungen – Grenzwerte und Messverfahren – IEC/EN 60439-1 Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen – Teil 1: Typgeprüfte und partiell typgeprüfte Kombinationen – EN 50370 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Produktfamiliennorm für Werkzeugmaschinen
30
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Tabelle 3.2. Anforderungen nach IEC/EN 61000-6-2 und -6-4 Nr.
Phänomen
Referenz-Dokument
Störaussendungen 1
Funk-Entstörung
EN 55011
Störfestigkeit Wechselstromversorgungsleitungen 2
Spannungseinbrüche
EN 61000-4-11
3
Spannungsunterbrechung
EN 61000-4-11
4
Blitz (Surge)
EN 61000-4-5
5
Sinusförmige HF
EN 61000-4-6
6
Burst
EN 61000-4-4
Gleichstromversorgungsleitungen 7
Blitz (Surge)
EN 61000-4-5
8
Sinusförmige HF
EN 61000-4-6
9
Burst
EN 61000-4-4
Signal-, Steuer-, Telefonleitungen und Busse 10
Blitz
EN 61000-4-5
11
Sinusförmige HF
EN 61000-4-6
12
Burst
EN 61000-4-4
Gerät bzw. Gehäuse 13
NF-Magnetfeld
EN 61000-4-8
14
ESD
EN 61000-4-2
15
Elektromagnetisches Feld
EN 61000-4-3
Funktionserde 17
Sinusförmige HF
EN 61000-4-6
18
Burst
EN 61000-4-4
3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien
31
3.3 EMV-Maßnahmen EMV-Maßnahmen müssen in die funktionsbedingten Maßnahmen und Ausführungsdetails integriert werden und im Einklang mit den funktionellen Anforderungen stehen. Die unüberschaubare Vielfalt von Ausführungsvarianten lässt sich jedoch auf die zielgerichtete Anwendung einiger weniger Grundprinzipien beschränken. Die Herausforderung, EMV-Maßnahmen im notwendigen Umfang und zum richtigen Zeitpunkt einfließen zu lassen, richtet sich an alle an der Produkt- oder Systemrealisierung beteiligten Fachdisziplinen. Sie wendet sich selbstverständlich an den Entwickler einer Baugruppe, ja im Extremfall sogar an den Chipdesigner, der sich um die chipinterne EMV kümmern muss. Sie betrifft den Konstrukteur und Projektierenden jeder elektrischen Einrichtung bis hin zum Architekten, der zu Beginn der Bauplanung mit Hilfe einer geschickten Raumzuordnung zwischen potentiellen Störquellen und Störsenken bereits einen wesentlichen Beitrag zur Herabsetzung von Unverträglichkeiten leisten kann. Die Sicherstellung der EMV erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und Koordination von Anforderungen, Aktivitäten und Maßnahmen. Die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen beschreiben grundsätzliche Lösungsvorschläge zur Sicherstellung der EMV. Aufbau- und Installationsrichtlinien der Hersteller sollten bei der Projektierung, Planung und Realisierung einer Anlage beachtet werden. 3.3.1 Erdung, Massung, Potentialausgleich Die richtige, fachgerechte Massung oder Erdung gewährleistet den Personenschutz vor gefährlichen Berührungsspannungen und ist durch Störstromableitung und niederimpedanten Potentialausgleich ein wichtiges Instrumentarium zur Minderung elektromagnetischer Beeinflussungen. Aus EMV-Sicht dürfen keine Betriebsströme, weder von Stromversorgungs- noch von Signalkreisen über das Potentialausgleichssystem oder Erde fließen. Ströme über Masse müssen örtlich begrenzt werden. Notwendige Grundmaßnahmen sind nachfolgend aufgelistet: Grundmaßnahmen für eine EMV-gerechte Erdung und Massung:
– Ein hybrides Massesystem mit einem flächigen Grundkonzept, in das alle metallenen Teile des Gebäudes und der Gebäudeinstallation mit einbezogen werden, mit notwendigerweise sternförmigen Inseln/Strahlen. – Geerdete Niederspannungsnetze sind als TNS-Netz auszuführen. – Geräte müssen über ein potentialtrennendes Netzteil verfügen. – Unsymmetrische potentialgebundene Signalübertragung sollte auf Entfernungen kleiner 5 m beschränkt bleiben (Abb. 3.1). – Leitungen und Rohre sollten möglichst nahe beieinander in das Gebäude eingeführt werden und alle nicht stromführenden metallenen Körper (auch Kabelschirme) am Gebäudeeintritt direkt an das Potentialausgleichssystem (Erde) angeschlossen werden (Abb. 3.2).
32
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Abb. 3.1. Beispiele für Massung und Behandlung von Schnittstellen
Abb. 3.2. Beispiel für die Erdung/Massung bei einer Einführung in ein Gebäude. 1) Anschluss an Erdungsschiene 2) Erdungsschiene 3) Kabelträger 4) Potentialausgleichsleiter 5) Kabel 6) Anschluss an den Erder 7) Verschraubung 8) Verbindung zum Erder
3.3.2 Verkabelung Die EMV-gerechte Verkabelung ist in Verbindung mit der Auswahl geeigneter Übertragungsverfahren eine der wichtigsten Grundmaßnahmen zur Sicherstellung der EMV. Im Rahmen der Verkabelung sind alle im EMV-Störmodell aufgezeichneten Kopplungswege zu beachten. Bestimmend für die Auswahl und Anwendung von Maßnahmen sind die Physik der Schnittstellen, das Übertragungsverfahren sowie Länge und Weg der Leitungsführung.
3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien
33
Die wichtigsten Regeln für die EMV-gerechte Verkabelung sind nachfolgend aufgelistet: Grundmaßnahmen für die EMV-gerechte Verkabelung
– Die Einteilung der Kabel in Kabelkategorien und die getrennte Verlegung dieser Kabelgruppen, wobei für den industriellen Einsatz drei Kabelkategorien, die in einer Distanz von 20 – 30 cm verlegt werden, in der Regel ausreichen. – Als Stromversorgungskabel sind grundsätzlich Mehrleiterkabel zu verwenden und Hin- und Rückleiter eines Stromkreises sind im gleichen Kabel zu führen. – Ist die Verwendung von Einleiterkabeln notwendig, so sind diese zu bündeln und Hin- und Rückleiter sind gemeinsam in einem möglichst geringen Abstand zu führen. – Kabelschirme sind, wenn nicht in Ausnahmefällen wie z. B. für die hochohmige, symmetrische, analoge Signalübertragung begründet anders festgelegt, beidseitig an Masse anzuschließen. – Werden Kabel mit zwei voneinander galvanisch isolierten Schirmen verwendet, so ist der äußere Schirm beidseitig und der innere Schirm einseitig an Masse anzuschließen. – Einseitig angeschlossene Kabelschirme sind immer auf der Seite an Masse anzuschließen, auf der das Bezugspotential der angeschlossenen Elektronik die niederimpedantere Verbindung zur Erde/Masse hat. – Der Kopplungswiderstand des Kabelschirmanschlusses sollte dem Kopplungswiderstand des Schirmes von einem Meter Kabel entsprechen (Abb. 3.3). – Es sollten metallene, durchkontaktierte und in gewissen Abständen (20 bis 30 m) an das Potentialausgleichssystem angeschlossene Kabelträger verwendet werden. – Kabelträger und Schirmschienen von Schaltschränken sind impedanzarm miteinander zu verbinden (Abb. 3.4). 3.3.3 Auswahl von Signalschnittstellen Kriterien für die Auswahl von Signalschnittstellen unter EMV-Gesichtspunkten sind neben der Entfernung, der Übertragungspegel, die Bandbreite, die Modulationsart und die Physik der Schaltung. Letztere wird unterschieden in unsymmetrisch und symmetrisch, jeweils mit oder ohne Potentialtrennung. Filter und Überspannungsschutz stellen an ausgewählten Stellen den Einsatz unter extremen elektromagnetischen Umweltbedingungen sicher. Tabelle 3.3 zeigt eine vergleichende Beurteilung verbreiteter Schnittstellen. Die RS-485 ist eine heute weit verbreitete symmetrische Bus-Schnittstelle mit Übertragungsraten bis zu 10 Mbit/s und mehr. Die Verwendung potentialgetrennter Schnittstellen ist dringend geboten, denn in der RS-485 [3.12] sind folgende max. zulässigen Überspannungen spezifiziert: Die maximal zulässige Dauer-Überspannung ist an den Eingängen mit –7 und +12 V angegeben. Für transiente Überspannungen sind + 25 V (Ri = 100 :) für eine Dauer von 15 µsec bei 1 % Einschaltdauer spezifiziert.
34
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen Abb. 3.3. Typische Kopplungswiderstände von Kabeln unterschiedlicher Qualität
Abb. 3.4. Beispiel für die Verbindung von Kabelträger und Schaltschrank
3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien
35
Tabelle 3.3. Beurteilung von Schnittstellen Bezeichnung
Pegel
Datenmax. leitungen Baudrate
max. Länge
Störbeeinflussung
Anwendung
V.24/V.28 (RS – 232)
0 = + VCC 1 = - VCC
1...2
20.000
30 m
groß
PC-Peripherie
20 mA Schleife
0 = 20 mA 1 = 0 mA
2...4
20.000
1 km
mittel
sichere Datenübertragung
RS – 422A (V.11/X.27)
0 = Va < Vb 1 = Va > Vb
2
10.000.000
1,5 km
mittel
schnelle Übertragung, große Entfernung, 1 Sender
RS – 485 (V.11/X.27)
0 = Va < Vb 1 = Va > Vb
2
10.000.000
1,5 km
mittel
Lichtwellenleiterübertragung
Licht
1...2
je nach Faserart bis Gbit/s
ca. 10 km
keine
wie RS-422, aber mehrere Sender für alle seriellen Schnittstellen
Diese geringe Störfestigkeit gegen transiente Überspannungen erfordert bei langen Leitungen und vor allem bei Leitungen, die das Gebäude verlassen, einen auf die Schaltung angepassten Überspannungsschutz. Allerdings erlaubt die Spezifikation der Treiberbausteine nur eine begrenzte kapazitive Belastung. Deshalb ist bei dem Einsatz von Überspannungsschutzelementen mit einer verringerten Datenrate bzw. Anzahl von Busteilnehmern zu planen. Nähere Angaben sind den jeweiligen Herstellerunterlagen zu entnehmen. 3.3.4 Maßnahmen an Schaltschränken Der EMV-gerechte Aufbau und die Installation von Schaltschränken erfordert die fachgerechte Auswahl von EMV-Maßnahmen, dazu sind nachfolgend einige Regeln aufgeführt, die insbesondere in Verbindung mit Antrieben zu berücksichtigen sind: Beispiele für EMV-Maßnahmen an Schaltschränken
– Alle metallischen Teile des Schaltschranks sind flächig und gut leitend miteinander zu verbinden. Die Schranktür ist über möglichst kurze Massebänder mit dem Schaltschrank zu verbinden. – Signalleitungen und Leistungskabel sind räumlich getrennt voneinander zu verlegen (Koppelstrecken vermeiden!). Mindestabstand: 20 cm. Trennbleche zwischen Leistungs- und Signalleitungen vorsehen. Trennbleche sind mehrmals zu erden.
36
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
– Schütze, Relais, Magnetventile, elektromechanische Betriebsstundenzähler etc. im Schaltschrank sind mit Entstörkombinationen zu beschalten, zum Beispiel mit RC-Gliedern, Dioden, Varistoren. Die Beschaltung muss direkt an der jeweiligen Spule erfolgen. – Ungeschirmte Leitungen des gleichen Stromkreises (Hin- und Rückleiter) sind zu verdrillen bzw. die Fläche zwischen Hin- und Rückleiter ist möglichst klein zu halten. – Verdrahtungen dicht am Schrankgehäuse bzw. an Montageblechen führen. – Tacho, Encoder oder Resolver müssen über eine geschirmte Leitung angeschlossen werden. Der Schirm ist beidseitig am Tacho, Encoder oder Resolver und am Stromrichter großflächig aufzulegen. Der Schirm darf keine Unterbrechungen aufweisen z. B. durch Zwischenklemmen. Für Encoder und Resolver sollten die vom Hersteller empfohlenen fertig konfektionierten Leitungen mit Mehrfachschirmung verwendet werden. – Die Schirme von digitalen Signalleitungen sind beidseitig (Sender und Empfänger) großflächig und gut leitend auf Erde zu legen. Bei schlechtem Potentialausgleich zwischen den Schirmanbindungen ist zur Reduzierung des Schirmstromes ein zusätzlicher Ausgleichsleiter parallel zum Schirm zu verlegen. Generell darf man die Schirme auch mehrmals mit Erde (= Schrankgehäuse) verbinden. Auch außerhalb des Schaltschrankes dürfen die Schirme mehrmals geerdet werden. – Die Schirme von analogen Signalleitungen sind bei gutem Potentialausgleich beidseitig auf Erde zu legen. Guter Potentialausgleich ist erfüllt, wenn die als erstes genannte Regel eingehalten wird. Falls niederfrequente Störungen auf den Analogleitungen auftreten, zum Beispiel Drehzahl-/Messwertschwankungen als Folge von Ausgleichsströmen, erfolgt die Schirmanbindung der analogen Signale einseitig an dem Stromrichter. Die andere Seite des Schirms sollte über einen Kondensator (z. B. 10 nF/100 V Typ MKT) geerdet werden. Mit Hilfe des Kondensators ist der Schirm für Hochfrequenz trotzdem beidseitig aufgelegt und die Wirkung des Kopplungswiderstandes bleibt erhalten. – Signalleitungen möglichst nur von einer Seite in den Schrank einführen. – Platzierung eines Funk-Entstörfilters immer in der Nähe der Störquelle. Das Filter ist flächig mit dem Schrankgehäuse, Montageblech etc. zu verbinden. Am günstigsten ist eine metallisch blanke Montageplatte (z. B. aus Edelstahl, Stahl verzinkt). – Ein- und Ausgangsleitungen des Funk-Entstörfilters sind räumlich zu trennen. – Zur Begrenzung der Störaussendung sind alle drehzahlveränderbaren Motoren mit geschirmten Motorleitungen anzuschließen, wobei die Schirme niederinduktiv (großflächig) beidseitig mit den jeweiligen Gehäusen verbunden werden. Auch innerhalb des Schaltschrankes sind die Motorleitungen zu schirmen oder zumindest über geerdete Trennbleche abzuschirmen. – Am Motor kann zur Schirmauflage eine geeignete PG-Verschraubung mit Schirmkontaktierung verwendet werden. Es ist auf eine niederimpedante Verbindung zwischen Motorklemmenkasten und Motorgehäuse zu achten. Gegebenenfalls mit zusätzlicher Erdungslitze verbinden. Motorklemmenkasten nicht aus Kunststoff! – Die Netzleitung ist von den Motorleitungen räumlich zu trennen z. B. durch geerdete Trennbleche.
3 EMV-Maßnahmen und -Richtlinien
37
Literatur 3.1
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften 1997 3.2 ENTSCHLIESSUNG DES RATES vom 7 Mai 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung, Amtsblatt C 136 vom 04.06.1985, S. 1 3.3 RICHTLINIE DES RATES vom 19. Februar 1973 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen (73/23/EWG), Amtsblatt L 77 vom 26.3.1973, S. 29 3.4 RICHTLINIE DES RATES vom 3. Mai 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit (89/336/EWG), Amtsblatt L 139 vom 23.5.1989, S. 19 3.5 Richtlinie 98/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen, Amtsblatt Nr. L 207 vom 23.07.1998, Seite 1 3.6 RICHTLINIE 1999/5/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 9. März 1999 über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität; Amtsblatt Nr. L91 vom 07.04.1999, S. 10 3.7 Vfg. 523/1969 Gesetz über den Betrieb von Hochfrequenzgeräten nebst Verwaltungsanweisungen mit 4 Anlagen; Amtsblatt des Bundesministers für das Post und Telekommunikationswesen, Ausgabe A, Jahrgang 1969, Nummer 113; S 104Aff 3.8 Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG) vom 18. September 1998; Veröffentlicht im Bundesgesetzblatt vom 25.09.19983.9 GUIDELINES ON THE APPLICATION OF COUNCIL DIRECTIVE 89/336/EEC OF 3 MAY 1989 ON THE APPROXIMATION OF THE LAWS OF THE MEMBER STATES RELATING TO ELECTROMAGNETIC COMPATIBILITY, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften 3.10 CENELEC Guide n° 24, Electromagnetic Compatibility (EMC), Standardization for Product Committees, Edition 1, July 2001 3.11 IEC 61000-4-1, Electromagnetic compatibility (EMC) – Part 4-1: Testing and measurement techniques – Overview of IEC 61000-4 series 3.12 EIA Standard RS-485, April 1983; Standard for electrical Characteristics of generators and receivers for use in balanced digital multipoint system; Electronic Industries Association, Washington, D.C.
4 Regeln und Steuern Georg Frey
4.1 Einleitung Beim Regeln und Steuern handelt es sich um die gezielte Beeinflussung technischer Prozesse. Dabei verarbeitet in beiden Fällen das beeinflussende System (Controller) Signale aus dem zu beeinflussenden System (Strecke) zu Signalen, mit denen dieses dann beeinflusst wird. Zusätzlich haben beide Systeme weitere Eingangsgrößen. Beim Controller sind dies Stellbefehle oder Führungsgrößenvorgaben vom Bediener oder einem übergeordneten Automatisierungssystem, bei der Strecke handelt es sich um Störungen. Damit ergibt sich die Kreisstruktur nach Abb. 4.1, in der Controller und Strecke aufeinander einwirken. Die Größen in der Strecke werden über Sensoren erfasst und die Ausgangsgrößen des Controllers werden über Aktuatoren auf die Strecke aufgeschaltet. Diese beiden Systemteile werden gewöhnlich der Strecke zugeschlagen. Ob es sich bei einem System nach Abb. 4.1 um eine Regelung oder eine Steuerung handelt, wird durch die Aufgabenstellung und die damit verbundene Art der Rückkopplung festgelegt. Tabelle 4.1 (angelehnt an [4.1]) stellt Steuerung und Regelung mit Hilfe zweier typischer Beispiele gegenüber. Wegen der grundlegenden Unterschiede werden die beiden Systemarten im Folgenden getrennt behandelt: Regeln in Abschn. 4.2 und Steuern in Abschn. 4.3.
Vorgaben
Controller
Abb. 4.1. Kreisstruktur beim Regeln und Steuern
Strecke
Störungen
40
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Tabelle 4.1. Gegenüberstellung von Regelung und Steuerung System
Regelung
Steuerung
Beispiel
Füllstandsregelung
Aufzugsteuerung
Aufgabe im Beispiel
das Niveau einer Flüssigkeit in einem Tank kontinuierlich überwachen und bei einer Abweichung vom Sollniveau durch Veränderung der Zulauföffnung anpassen
verschiedene Taster und Endschalter überwachen und beim Auftreten best. Eingangssignale in eine best. Etage fahren bzw. die Türen öffnen oder schließen
Aufgabe allgemein
physikalische Größen des technischen Prozesses (z.B. Füllstand im Tank) auf Sollwerte bringen und dort halten, auch wenn Störungen (z.B. Abfluss aus dem Tank) auftreten
diskrete Zustände des technischen Prozesses ermöglichen (z.B. Fahren bei gelöster Bremse), verhindern (z.B. Fahren bei geöffneter Tür) oder Zustandsfolgen erzwingen (z.B. Anfahren der Etagen in best. Reihenfolge)
Signalart (Sensoren, Aktuatoren)
kontinuierlicher Wertebereich, z.B. Zulauföffnung Y = 0...100%, Niveau h = 0...2m
diskreter, meist binärer Wertebereich, z.B. Tür auf/zu, Bremse ein/aus, Hauptantrieb auf/aus/ab
Modellierung
Differential- oder Differenzengleichungen sowie Darstellungen im Bildbereich (Laplace-, z-Transformierte)
Boolesche Algebra, Automaten, Petrinetze
Rückkopplungsstruktur
Rückwirkung fortlaufend geschlossen
Rückwirkung diskreter Signale (ereignisdiskret), in seltenen Fällen offener Wirkungskreis
Anzahl der Signale (Sensoren, Aktuatoren)
meist einschleifig (z.B. Füllstandsregelung einschleifig mit 1 Sensor und 1 Aktuator)
fast immer mehrschleifig, oft mehrere hundert Sensoren und Aktuatoren (z.B. 90 bei einem Aufzug für fünf Geschosse)
Spezifikation
immer gleich: „Regelgröße an Führungsgröße angleichen“
immer neu, nicht standardisierbar, normalerweise sehr umfangreich
4.2 Regeln 4.2.1 Definition und Grundstruktur DIN 19226: Das Regeln, die Regelung, ist ein Vorgang, bei dem fortlaufend eine Größe, die Regelgröße (die zu regelnde Größe), erfasst, mit einer anderen Größe, der Führungsgröße, verglichen und im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflusst wird. Kennzeichen für das Regeln ist der geschlossene Wirkungsablauf, bei dem die Regelgröße im Wirkungsweg des Regelkreises fortlaufend sich selbst beeinflusst. Anmerkung: Der Vorgang der Regelung ist auch dann als fortlaufend anzusehen,
4 Regeln und Steuern
41
Abb. 4.2. Strukturbild einer Regelung (Regelkreis)
wenn er sich aus einer hinreichend häufigen Wiederholung gleichartiger Einzelvorgänge zusammensetzt (z. B. durch Abtaster in einer Abtastregelung). Auch unstetige Vorgänge können fortlaufend sein (z. B. bei Zweipunktgliedern). Die Benennung Regelung wird vielfach nicht nur für den Vorgang des Regelns, sondern auch für die Gesamtanlage verwendet, in der die Regelung stattfindet. Der sich dabei ergebende Wirkungsablauf findet in einem Kreis, dem Regelkreis, statt. Der beschriebene Kreis ist in Abb. 4.2 dargestellt. Im Vergleich zu Abb. 4.1 zerfällt hier der Controller in die beiden Teile Vergleichsglied und Regler, die Strecke besteht aus Aktuator, Prozess (Reststrecke) und Sensor. 4.2.2 Entwurf von Reglern Der Entwurf von Reglern beruht immer auf einem Modell der zu regelnden Strecke und der Anwendung mathematischer Methoden zur Bestimmung des Reglers. Basierend auf den verwendeten Modellen lassen sich zunächst drei grundlegende Herangehensweisen an den Regelungsentwurf unterscheiden: 1. Konventionelle Regelung (klassische Regelung), z. B. PID-Regler, 2. Moderne Regelung, z. B. Model Predictive Control, 3. Soft Control (intelligente Regelung), z. B. Fuzzy-Control. Für den Entwurf konventioneller Regler wird ein makroskopisches Modell der Strecke benötigt. Dieses Modell kann aus empirischem Wissen über die Dynamik der Strecke bestehen oder durch Messungen der Stell- und Regelgrößen gewonnen werden (z. B. Aufnahme einer Sprungantwort). Bei konventionellen Reglern stehen verschiedene Standardreglerstrukturen für bestimmte Streckentypen zur Verfügung. Die Vorteile liegen in der einfachen Anwendbarkeit (wenige, gut interpretierbare Parameter) und der Robustheit der entstehenden Systeme. Dem stehen Schwierigkeiten bei der Umsetzung komplexerer Anforderungen und Nebenbedingungen sowie bei der Beherrschung komplexer Strecken gegenüber.
42
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Für den Entwurf moderner Regelungen wird ein mikroskopisches Modell des zu regelnden Prozesses benötigt. Dieses Modell wird durch mathematische Modellbildung auf Basis der zugrunde liegenden Physik ermittelt. Alternativ können Methoden zur Identifikation eingesetzt werden. Vorteile moderner Regelungskonzepte sind die erreichbare hohe Regelgüte auch bei komplexen Strecken und die Möglichkeit, Nebenbedingungen in den Entwurf einzubeziehen. Als nachteilig stellt sich heraus, dass die Gewinnung eines geeigneten Streckenmodells auf mathematischer Basis oder durch umfangreiche Identifikation am Prozess oft schwierig bis unmöglich ist. Zudem sind die resultierenden Regler sehr komplex und für den Anwender nur schwer verständlich. Methoden des Soft Control kommen ohne ein explizites mathematisches Modell der Strecke aus. So wird beispielsweise bei Fuzzy-Control versucht, das Wissen eines Anlagenbedieners in Form von Regeln zu modellieren und daraus mit Methoden der Fuzzy-Logik einen Regler abzuleiten. Der als Vorteil erscheinende Verzicht auf ein Streckenmodell bringt aber auch Probleme mit sich. So können ohne Modell kaum neue Einblicke in das Systemverhalten gewonnen werden. Außerdem sind Aussagen zu Regelgüte und Stabilitätsverhalten erst am laufenden Prozess möglich. Die überwiegende Mehrzahl der heute eingesetzten Regler sind konventionelle Regler im obigen Sinne. Deshalb werden nur diese hier behandelt. 4.2.3 Anforderungen an Regelkreise Unabhängig von der Wahl der Herangehensweise existieren grundlegende Anforderungen an Regelkreise: – Stabilität: Stabilität ist eine Grundanforderung an jeden Regelkreis. Ein lineares Regelungssystem (für nichtlineare Systeme vgl. [4.2]) heißt stabil, wenn beschränkte Sollwerte stets beschränkte Istwerte zur Folge haben. Man nennt diese Stabilität auch kurz BIBO-Stabilität (bounded input bounded output). – Robustheit: Robustheit bedeutet, dass das Regelungssystem auch dann seine Spezifikationen erfüllt, wenn das tatsächliche Verhalten der Regelstrecke vom nominalen (beim Entwurf zugrunde gelegten) Verhalten abweicht. – Führungsverhalten: Die Regelgröße soll auf einen durch die Führungsgröße vorgegebenen Sollwert eingeregelt werden. – Störungsverhalten: Störungen des Systems sollen ausgeregelt werden. Darüber hinaus gehende Forderungen können die Schnelligkeit des Regelvorgangs oder die Stellenergie betreffen. Die verschiedenen Anforderungen werden nun anhand des linearen Standardregelkreises betrachtet. 4.2.4 Der lineare Standardregelkreis Abbildung 4.3 zeigt das Strukturbild des einschleifigen, linearen Standardregelkreises. Linearität bedeutet, dass sowohl Regler als auch Regelstrecke durch lineare
4 Regeln und Steuern
43
Abb. 4.3. Strukturbild des linearen Standardregelkreises
Übertragungsglieder beschrieben werden. In diesem Fall geht man gewöhnlich zur Betrachtung im Bildbereich (Laplace-Transformation [4.3]) über, da sich einfachere Darstellungen und Berechnungen als im Zeitbereich ergeben. GR(s) ist die Übertragungsfunktion des Reglers, GS(s) die der Strecke (mit Aktuator und Sensor). Im Unterschied zur Struktur nach Abb. 4.2 ist hier angenommen, dass die Störgröße additiv am Streckenausgang eingreift. Dies erleichtert die folgenden Herleitungen. Bei andersartigen Störungen sind Strukturen mit Störung am Streckeneingang oder innerhalb der Strecke möglich. Das Verhalten des Systems nach Abb. 4.3 kann mit der Übertragungsfunktion Y(s) =
GR (s) GS (s) 1 + GR (s) GS (s)
W(s) +
1 1 + GR (s) GS (s)
D(s) ; s = δ + jω
(4.1)
beschrieben werden. In (4.1) treten die Übertragungsfunktionen von Regler und Strecke stets als Produkt auf. Man kann dieses Produkt als die Führungsübertragungsfunktion Go(s) des offenen Regelkreises interpretieren:
Go (s) =
K 1 + b1s +...+ bmsm T s Y(s) = GR (s) GS (s) = o e t , m d n k n k W(s) s 1 + a s+...+ a s 1
(4.2)
n
In der rechten Darstellung nach (4.2) bezeichnet Ko = KR KS den Verstärkungsfaktor des offenen Regelkreises (KR Verstärkungsfaktor des Reglers, KS der der Strecke). Der Exponent k definiert das stationäre Verhalten der Übertragungsfunktion: k=0 k=1 k=2
P-Verhalten (Proportionales Verhalten), I-Verhalten (Integrales Verhalten), I2-Verhalten (Doppelt integrales Verhalten).
Gleichung (4.1) zeigt, dass die Ausgangsgröße aus der Überlagerung zweier Anteile besteht. Es handelt sich dabei um den Einfluss der Führungsgröße und um den der Störgröße. Setzt man jeweils eine der beiden Größen zu Null, so erhält man bei verschwindender Störung die Führungsübertragungsfunktion
44
Teil A
G w (s) =
Begriffe, Benennungen, Normen
GR (s) GS (s) Go (s) Y(s) W(s) 1 + GR (s) GS (s) 1 + Go (s)
(4.3)
sowie für die Reaktion auf die alleinige Wirkung einer Störung die Störübertragungsfunktion Gd (s) =
Y(s) 1 1 D(s) 1 + GR (s) GS (s) 1 + Go (s)
(4.4)
4.2.5 Lineare Regler Der allgemeine lineare Standardregler ist der PID-Regler. Er enthält einen proportional, einen integrierend und einen differenzierend wirkenden Anteil in einer Parallelstruktur nach Abb. 4.4. Nicht immer werden alle diese Anteile benötigt. Es ergeben sich als Spezialfälle P-, I-, PI- und PD-Regler. Die Wirkungsweise des PID-Reglers lässt sich anhand der drei Anteile erklären, aus denen sich die Stellgröße u(t) additiv zusammensetzt [4.1]. – P-Anteil: Je größer die Regelabweichung e(t), desto größer ist der P-Anteil KP e(t). Der P-Anteil reagiert auf den momentanen Wert der Regelabweichung. Er berücksichtigt die Gegenwart. – I-Anteil: Der Integrierer integriert die Regelabweichung. Er verändert seinen Wert so lange, bis die Regelabweichung e(t) Null ist. Da alle zurückliegenden Werte der Regelabweichung in das Integral eingehen, berücksichtigt dieser Anteil die Vergangenheit. – D-Anteil: Je größer die Änderungsgeschwindigkeit der Regelabweichung e(t) ist, desto größer wird der D-Anteil. Dadurch verhindert er, dass sich große Regelabweichungen aufbauen. Seine Wirkung ist in die Zukunft gerichtet.
Abb. 4.4. Struktur eines PID-Reglers
4 Regeln und Steuern
45
Aus Abb. 4.4 ergibt sich die Übertragungsfunktion des PID-Reglers zu K PID (s) = K P +
⎛ ⎞ 1 + K Ds = K P ⎜ 1 + + TV s⎟ s TN s ⎝ ⎠
KI
(4.5)
mit der Nachstellzeit TN = KP/KI und der Vorhaltezeit TV = KD/KP in der zweiten Formel. Der in dieser idealen Form des PID-Reglers auftretende ideale Differenzierer antwortet bei Sollwertsprüngen mit einem (technisch nicht möglichen) Impuls und zeigt darüber hinaus ein ungünstiges Verhalten bei hochfrequenten Anteilen der Regelabweichung (Messrauschen). Deshalb geht man zum realen PID-Regler über, bei dem zur Glättung ein Verzögerungsglied erster Ordnung (Zeitkonstante TG mit TG < TV, üblicherweise Faktor 5 bis 10) mit dem D-Glied in Reihe geschaltet wird. Damit ergibt sich die Übertragungsfunktion des realen PID-Reglers: T s ⎞ ⎛ 1 K PID (s) = K P ⎜ 1 + + V ⎟ ⎝ TN s 1+TG s ⎠
(4.6)
Zur Bestimmung der Reglerparameter existiert eine Vielzahl verschiedener Verfahren (vgl. [4.1, 4.4, 4.5]). Ziel ist dabei immer, die in 4.2.3 definierten Anforderungen zu erfüllen: Ein dynamisches System mit der Übertragungsfunktion G(s) ist genau dann stabil, wenn alle Pole einen negativen Realteil haben. Da Führungs- und Störübertragungsfunktion (4.3) bzw. (4.4) den gleichen Nenner 1+Go(s) haben, ist dies gleichbedeutend mit der Forderung, dass alle Lösungen der charakteristischen Gleichung 1 + Go(s) = 0
(4.7)
einen negativen Realteil besitzen. Die wichtigste Forderung bzgl. des Führungs- und Störungsverhaltens ist die nach stationärer Genauigkeit. Ein Regelungssystem ist genau dann stationär genau, wenn sowohl nach einem Sprung der Führungsgröße als auch nach einem Sprung der Störgröße die Regelgröße wieder an die Führungsgröße angeglichen wird. Dies gilt genau dann, wenn Go(s) ein I-Glied enthält. (Anmerkung: Bei einer Störung, die nicht am Streckenausgang angreift, ist das System nur dann stationär genau, wenn ein I-Glied vor dem Eingriff der Störung liegt. Im Fall einer Störung am Streckeneingang muss also der Regler I-Verhalten aufweisen.) Ansonsten ergibt sich (bei stabilem Regelkreis) eine bleibende Regelabweichung von ef
1 w f d f 1 + Ko
(4.8)
Durch eine große Reglerverstärkung kann diese stationäre Abweichung klein gemacht werden. Dies kann aber zu Instabilität führen. → Die verschiedenen Anforderungen sind nicht unabhängig voneinander!
46
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
4.2.6 Nichtlineare Regler Neben den linearen Standardreglern kommen auch nichtlineare Standardregler zum Einsatz. Abbildung 4.5 zeigt beispielhaft die Kennlinie eines Zweipunktreglers mit Hysterese. Wenn die Regelabweichung von emin kommend emax überschreitet, schaltet der Regler die Stellgröße von null auf eins. Bei fallender Regelabweichung wird die Stellgröße erst wieder auf null geschaltet, wenn die Regelabweichung emin unterschreitet. Auf diese Weise wird die Schalthäufigkeit gegenüber einem Zweipunktregler ohne Hysterese (emin = emax) deutlich gesenkt. Dieser Regler kann überall da vorteilhaft eingesetzt werden, wo die Stellgröße nur zwei Zustände annehmen muss, beispielsweise ein Ventil, das nur offen oder geschlossen sein soll oder eine Energieversorgung, die nur an oder aus sein soll. Ein Zweipunktregler kann den Sollwert nicht fehlerfrei einregeln. Außerdem erhält man eine Dauerschwingung wegen des ständigen Schaltens. Dennoch finden diese Regler aufgrund der einfachen Funktionsweise und Realisierbarkeit vielfältige Einsatzgebiete, bei denen diese Punkte toleriert werden können. Zweipunktregler stoßen aber an ihre Grenzen, wenn die zu regelnde Größe von ihrer Art her nicht über zwei Werte eingeregelt werden kann. Angenommen, der Zweipunktregler sollte zur Ansteuerung eines Ventilantriebs eingesetzt werden, so setzt man den Regler wie in Abb. 3.5 gegeben ein. Dann kann die „1“ am Ausgang den Antrieb betätigen (Ventil öffnet weiter), die „0“ würde den Antrieb stoppen. Es ist klar, dass mit einer solchen Auslegung das Ventil nie mehr geschlossen werden kann. Durch die Wahl eines geeigneten Offsets kann dieses Problem gelöst werden. Addiert man beispielsweise einen Offset von –0,5 am Ausgang des Reglers, würde bei einer „1“ das Ventil wiederum weiter geöffnet, bei der „0“ hingegen würde der Antrieb in die Gegenrichtung laufen, also das Ventil schließen. Aber auch diese Lösung hat einen Nachteil, denn das so entstehende System hat keine Nulllage mehr, d. h. der Antrieb läuft immer in eine der beiden Richtungen und wird nie mehr abgeschaltet. Bei derartigen Stellgrößen, die zwei gegensätzliche Wirkungen auf die Regelstrecke bringen sollen, bietet sich ein Dreipunktregler an. Dieser kennt drei Werte
Abb. 4.5 Kennlinie des Zweipunktreglers mit Hysterese
u(t) 1 (an) 0 (aus)
e(t) e min
e max
Hysteresebreite
4 Regeln und Steuern
47
Abb. 4.6 Kennlinie eines Dreipunktreglers ohne Hysterese
u(t) 1 e(t) 0
-1
für die Ausgangsgröße (z. B. -1, 0, 1 bzw. rechts, stopp, links, oder auf, stopp, ab, …). Abbildung 4.6 zeigt die Kennlinie eines Dreipunktreglers ohne Hysterese. Auch bei diesem Regler kann bei beiden Unstetigkeitsstellen eine zusätzliche Hysterese vorgesehen werden, um zu häufiges Schalten zu verhindern.
4.3 Steuern 4.3.1 Definition und Grundstruktur DIN 19226: Das Steuern, die Steuerung, ist ein Vorgang in einem System, bei dem eine oder mehrere Größen als Eingangsgrößen andere Größen als Ausgangsgrößen aufgrund der dem System eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten beeinflussen. Kennzeichen für das Steuern ist der offene Wirkungsweg oder ein geschlossener Wirkungsweg, bei dem die durch die Eingangsgrößen beeinflussten Ausgangsgrößen nicht fortlaufend und nicht wieder über dieselben Eingangsgrößen auf sich selbst wirken. Anmerkung: Die Benennung Steuerung wird vielfach nicht nur für den Vorgang des Steuerns, sondern auch für die Gesamtanlage verwendet, in der die Steuerung stattfindet. Die Definition zeigt zwei wesentliche Unterschiede zu der des Regelns. Zum einen wird bei einer Steuerung generell vom Mehrgrößenfall ausgegangen. Zum anderen existiert keine fortlaufende Beeinflussung der zu steuernden Größe über die Eingangsgrößen auf sich selbst (das für die Regelung wesentliche Vergleichsglied fehlt im Strukturbild, Abb. 4.7). Im Gegensatz zur Regelung arbeitet man beim Entwurf einer Steuerung im Allgemeinen ohne ein mathematisches Modell der Strecke. Dafür muss erheblich mehr Aufwand in die Formulierung der Anforderungen und die daraus abgeleitete Modellierung der Steuerung selbst investiert werden. Das Modell der Steuerung erlaubt neben der Simulation umfangreiche Analysen, die beim – leider oft anzutreffenden – direkten Umsetzen der Anforderungen in eine Programmiersprache nicht möglich sind [4.1]. Man unterscheidet bei Steuerungen grundsätzlich zwischen Verknüpfungsund Ablaufsteuerungen, die in den beiden folgenden Abschnitten beschrieben werden.
48
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Controller Befehle, Vorgaben
Strecke Ausgangsgrößen
Stellgrößen
Steuerung
Aktuatoren
Prozess
Aktuatorrückmeldungen Prozessrückmeldungen Sensorrückmeldungen
Störungen
Sensoren
Abb. 4.7 Strukturbild einer Steuerung (Steuerkreis) nach [4.1]
4.3.2 Verknüpfungssteuerungen DIN 19226-5: Eine Verknüpfungssteuerung ordnet den Zuständen der Eingangssignale durch Boolesche Verknüpfungen definierte Zustände der Ausgangssignale zu. Auch Steuerungen mit Verknüpfungsgliedern und einzelnen Speicher- und Zeitfunktionen ohne zwangsläufig schrittweisen Ablauf werden ebenso benannt. Eine Verknüpfungssteuerung reagiert also bei einer bestimmten Belegung ihrer Eingangssignale mit einer definierten Belegung der Ausgangssignale. Da mit einer solchen rein statischen Zuordnung jedoch nur sehr einfache Probleme zu lösen sind, werden Ergänzungen um Zeit- und Speicherglieder zugelassen. → Kurz: Zuordnung von Ausgangs- zu Eingangssignalbelegungen Als Beispiel für eine reine Verknüpfungssteuerung sei das Schließen eines elektrischen Tores erwähnt: Wenn eine Schließ-Anforderung anliegt, keine Öffnen-Anforderung anliegt (jeweils Taster oder Fernbedienung), die Lichtschranke funktionsfähig und nicht unterbrochen ist und der Motor korrekt arbeitet, dann soll der Motor in Schließrichtung laufen, bis das Tor vollständig geschlossen ist. Zur Modellierung von Verknüpfungssteuerungen eignet sich die Boolesche Logik. Dies zeigt das Beispiel des elektrischen Tores. Tabelle 4.2 fasst hierzu zunächst die Bedeutung der auftretenden Binärsignale zusammen. Mit den Bezeichnungen aus Tabelle 4.2 lässt sich die Stellgröße für das Schließen des Tores mit Boolescher Logik nach Gleichung (4.9) beschreiben: a1
e1 e2 e3 e4 e7 e5 e8 e6
(4.9)
4 Regeln und Steuern
49
Tabelle 4.2. Signale beim elektrischen Tor Abkz.
Bezeichnung
Bedeutung bei binär 1
Signaltyp
e1 e2 e3 e4 e5 e6 e7 e8 a1
Taster Schließen Fernbed. Schließen Taster Öffnen Fernbed. Öffnen Lichtschranke (LS) Endschalter unten LS-Überwachung Motorüberwachung Laufbefehl Motor ab
Schließen angefordert Schließen angefordert Öffnen angefordert Öffnen angefordert LS nicht unterbrochen Tor geschlossen Lichtschranke ist OK Motor ist OK Tor Schließen
Befehl Befehl Befehl Befehl Prozessrückmeldung Prozessrückmeldung Sensorrückmeldung Aktuatorrückmeldung Stellgröße
Zur vollständigen Steuerung eines elektrischen Tores sind noch weitere Anforderungen (Öffnen, Fehlerüberwachung, …) zu spezifizieren und in entsprechende Boolesche Ausdrücke zu überführen. Hat man die vollständige Beschreibung vorliegen, so stellt sich die Frage, ob diese Formeln mittels der Gesetze der Booleschen Logik minimiert werden sollten. Dies ist sicher dann von Nutzen, wenn der Steuerungsalgorithmus in Hardware realisiert werden soll. Bei rechnerbasierten Lösungen ist von einer Minimierung abzuraten, weil hier der Vorteil einer nachvollziehbaren Beschreibung in Formeln, die direkt aus der Aufgabenstellung folgen (geringerer Arbeitsaufwand bei Fehlersuche und Änderung der Steuerung) gegenüber der Einsparung bei Speicher und Rechenleistung überwiegt. 4.3.3 Ablaufsteuerungen DIN 19226-5: Eine Ablaufsteuerung ist eine Steuerung mit zwangsläufig schrittweisem Ablauf, bei der der Übergang von einem Schritt auf den oder die programmgemäß folgenden abhängig von Übergangsbedingungen erfolgt. Die Schrittfolge kann in besonderer Weise programmiert sein, z. B. mit Sprüngen, Schleifen, Verzweigungen. Die Schritte der Steuerung entsprechen meist den prozessbedingt aufeinander folgenden Zuständen der zu steuernden Anlage. Kennzeichnend für eine Ablaufsteuerung ist also der dem System durch die Steuerung aufgeprägte schrittweise Ablauf. → Kurz: Schrittweise Abarbeitung eines Algorithmus mit zeitabhängigen oder prozessabhängigen Weiterschaltbedingungen. Als Beispiel sei hier die in der Einleitung genannte Aufzugsteuerung erwähnt. Ein einfacheres Beispiel ist das automatische Ausführen eines Bohrvorgangs: Nach Betätigen eines Starttasters soll eine Bohrmaschine aus ihrer Ruheposition nach unten fahren. Nach Erreichen der unteren Endlage soll die Maschine in die Ausgangsposition zurückfahren. Während des ganzen Vorgangs soll der Bohrermotor laufen.
50
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Für die Modellierung solcher Abläufe eignen sich Automaten und Petrinetze [4.1, 4.5], da diese beiden Modellformen selbst zustandsbasiert sind. Ein endlicher Automat ist durch eine Anzahl von Zuständen (Kreise) und die Übergänge zwischen diesen (Pfeile) beschrieben. Die Zustandsübergänge können dabei von Eingaben abhängen, und die Zustände selbst können Ausgaben erzeugen. Automaten erlauben die Modellierung von sequentiellen Abläufen, Verzweigungen (Entscheidungen) und Zusammenführungen. Abbildung 4.8 zeigt eine Lösung für die Bohrmaschinensteuerung mittels eines endlichen Automaten. Petrinetze erlauben neben der Darstellung sequentieller Abläufe auch die Beschreibung nebenläufiger Prozesse. Dazu werden Situationen in Plätzen (Kreise) modelliert und die Übergänge in Transitionen (Balken). Die Kanten geben an, welche Situationen beim Schalten einer Transition beendet und welche gestartet werden. Im Gegensatz zum Automaten, bei dem der Systemzustand direkt im Automatenzustand abgebildet wird, wird der Systemzustand beim Petrinetz durch die Summe der gleichzeitig aktiven Situationen dargestellt. Die Aktivität wird durch Marken auf den Plätzen angezeigt. Am Beispiel der Bohrmaschine kann der Laufbefehl für den Bohrer als nebenläufig zu der Bewegung der Maschine modelliert werden (Abb. 4.9). Interessant ist die nebenläufige Modellierung vor allem dann, wenn verschiedene Teilprozesse weitgehend unabhängig voneinander ablaufen und nur an bestimmten Stellen synchronisiert werden müssen, beispielsweise vier Bearbeitungsstationen an einem Fließband (Abb. 4.10). Die Bearbeitungsvorgänge sind unabhängig voneinander. Sie werden aber alle gleichzeitig nach einem Werkstücktransport des Bandes gestartet (Aufspaltung an der oberen Transition), und das Band kann erst wieder anlaufen, wenn alle Maschinen fertig sind (Synchronisation an der unteren Transition). Die detaillierten Ablaufsteuerungen der Stationen sind in Abb. 4.10 als hierarchisch unterlagert abstrahiert.
Abb. 4.8 Bohrmaschinensteuerung als endlicher Automat
4 Regeln und Steuern
51
Abb. 4.9 Bohrmaschinensteuerung als Petrinetz
Abb. 4.10. Petrinetz für eine Fertigungslinie (vereinfacht)
4.3.4 Vergleich der Steuerungsarten Die beiden Arten der Steuerung kommen selten in reiner Form vor. So können die Weiterschaltbedingungen in einer Ablaufsteuerung durchaus komplexe Verknüpfungen enthalten, aber auch in einer Verknüpfungssteuerung ist durch die zugelassene Verwendung einzelner Speicher- oder Zeitfunktionen die Realisierung von einfachen Abläufen möglich. Wesentlich ist die Hauptaufgabe der Steuerung, die letztlich durch die Spezifikation gegeben ist. Abhängig von der Art der Steuerung kommen unterschiedliche Beschreibungsformen und Methoden zum Einsatz. Schließlich wirkt sich die Steuerungsart auch auf die Implementierung aus: Die genormten SPS-Sprachen [4.6] eignen sich unterschiedlich gut für die zwei Steuerungsarten (vgl. Tabelle 4.3).
52
Teil A
Begriffe, Benennungen, Normen
Tabelle 4.3. Arten von Steuerungen Steuerungsart
Verknüpfungssteuerung
Ablaufsteuerung
Modellform
Boolesche Logik
Automaten, Petrinetze
Aufgabenstellung
Realisierung eines (i.A. logischen) Zusammenhangs zwischen Ein- und Ausgangsgrößen
Realisierung eines Ablaufs durch zustandsabhängige Belegung der Ausgangsgrößen in Abhängigkeit von den Eingangsgrößen und der Zeit
Beispiel
Torsteuerung
Bohrvorgang
Implementierung auf SPS
KOP, AWL, FBD, ST
ST, AS (AWL und KOP mit Variablen zur Zustandsmodellierung)
Literatur 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6
Litz L (2004) Grundlagen der Automatisierungstechnik. Oldenbourg Verlag, München Föllinger O (1993) Nichtlineare Regelungen II. 7. Aufl. Oldenbourg Verlag, München Föllinger O (2003) Laplace-, Fourier- und z-Transformation. 8. Aufl. Hüthig-Verlag, Heidelberg Föllinger O (1994) Regelungstechnik. 8. Aufl. Hüthig Verlag, Heidelberg Lunze J (2003) Automatisierungstechnik. Oldenbourg Verlag, München John K-H, Tiegelkamp M (2000) SPS-Programmierung mit IEC 61131-3. 3. Aufl. Springer, Berlin
Teil B Sensoren 1 Kraft, Masse, Drehmoment 55 2 Druck, Differenzdruck 93 3 Drehzahl und Lage 117 4 Beschleunigung 129 5 Temperatur 147 6 Durchfluss
173
1 Kraft, Masse, Drehmoment Roman Schwartz
1.1 Einleitung, Übersicht Messprinzipien Kraftmessungen spielen in Industrie, Technik und Wissenschaft, aber auch im Handel und täglichen Leben eine wichtige Rolle. In vielen Anwendungsbereichen, wie beispielsweise der Werkstoffprüfung, der Sicherheitstechnik, der Automatisierungstechnik, der Automobil- und Flugzeugindustrie, steht die physikalische Größe Kraft selbst im Vordergrund. Aber auch Massebestimmungen mit Waagen, wie sie z. B. im Handel, in der Wirtschaft, Industrie und Logistik von großer Bedeutung sind, beruhen überwiegend auf Messungen der Kraft, und zwar der Gewichtskraft unter Ausnutzung der Schwere der Masse. Kräfte bewirken Beschleunigungen oder Deformationen und damit bestimmte Änderungen der physikalischen Eigenschaften eines Körpers bzw. Sensorelementes. Es gibt verschiedene Möglichkeiten bzw. Prinzipien, diese Kraftwirkungen zu messen. Die wesentlichen sind: – Federkörperprinzip: Messung der kraftabhängigen Deformation (Längenänderung) eines Federkörpers mit einem Deformationssensor; letzterer kann entweder diskret aufgebaut (z. B. als induktiver, kapazitiver oder interferenzoptischer Weggeber) oder im Federkörper integriert sein (z. B. als Dehnungsmessstreifen, DMS) – Kompensationsprinzip: Messung des kraftproportionalen Signals eines Regelkreises, mit dem die ursprüngliche Verformung durch eine – meist elektromagnetische – Gegenkraft kompensiert wird (elektromagnetische Kraftkompensation, EMK) – Piezoelektrisches Prinzip: Messung der Änderung von Oberflächenladungen eines Quarzkristalls bei Belastung – Resonator-Prinzip: Messung der Änderung der Resonanzfrequenz eines Schwingers (Stimmgabel oder schwingende Saite) bei Belastung – Magnetoelastisches Prinzip: Messung der Änderung der Permeabilität einer Nickel-Eisen-Legierung bei Belastung – Gyroskop-(Kreisel-)Prinzip: Messung der kraftproportionalen Präzessionsfrequenz eines rotierenden Kreisels bei Belastung – Hydraulisches Prinzip: Messung einer hydraulisch erzeugten Kraft mittels Drucksensoren – Photoelastischer Effekt: Messung der Brechungsindexänderung eines doppelbrechenden Kristalls bei Belastung
56
Teil B
Sensoren
Abb. 1.1. Übersicht über die wichtigsten Messprinzipien zur Kraftmessung und Massebestimmung. Die angegebenen Nennlastbereiche (in Kraft- und Masseneinheiten) sowie die relativen Messunsicherheiten beziehen sich auf typische Anwendungen mit handelsüblichen Kraftaufnehmern bzw. Wägezellen. Geringere relative Messunsicherheiten und abweichende Nennlasten sind im speziellen Anwendungsfall oder unter besonderen Messbedingungen möglich. Abkürzungen der Messprinzipien: IND/KAP induktiv bzw. kapazitiv, PZO piezoelektrisch, HYD hydraulisch, HDMS Halbleiter-DMS, MEL magnetoelastisch, IOP interferenzoptisch, F-DMS Folien-DMS, STG Stimmgabel, SAI Saitenschwinger, GYR Gyroskop (Kreisel), EMK-H/P/K elektromagnetische Kraftkompensation (Hybridwaagen/Proportionalwaagen/Massekomparatoren)
Abbildung 1.1 gibt einen Überblick über alle genannten Messprinzipien sowie die zugehörigen Nennlastbereiche und erreichbaren relativen Messunsicherheiten. Die Nennlastbereiche sind sowohl in Kraft- als auch in Masseneinheiten angegeben, obwohl in der Praxis nicht alle Messprinzipien in gleicher Weise für Kraftmessungen und Massebestimmungen eingesetzt bzw. genutzt werden. Auf die spezifischen Unterschiede zwischen Kraftaufnehmern (Kraftmessung) und Wägezellen (Massebestimmung) sowie die wesentlichen Kenngrößen, Einflussgrößen, Bauformen und Anwendungsgebiete der entsprechenden Sensoren wird im Folgenden näher eingegangen.
1 Kraft, Masse, Drehmoment
57
1.2 Kraftmessung 1.2.1 Einführung und Übersicht Die Einheit der physikalischen Größe Kraft ist das Newton (N). Ein Newton ist definiert als die Kraft, die einer Masse von 1 kg eine Beschleunigung von 1 ms-2 erteilt. Die Kraft ist eine vektorielle Größe, d. h. sie greift im idealen Fall an einem bestimmten Punkt an und hat – im Gegensatz zur Masse, die ein Skalar ist – auch eine bestimmte Richtung. In der Praxis kommt es daher auf korrekte Krafteinleitung an, d. h. auf die Aufnahme der zu messenden Kraft möglichst ohne parasitäre Querkräfte und Biegemomente [1.1, 1.4, 1.5, 1.52, 1.63]. Zur Kraftmesskette (Kraftmessgerät) gehört neben dem eigentlichen Kraftsensor (Kraftaufnehmer) auch eine Messwertverarbeitung mit Anzeige (Anzeigegerät). Für Kraftaufnehmer gibt es Vorschriften und Normen, die je nach Anwendung zu beachten sind. Beispielsweise gilt für Vergleichsmessungen und für Kalibrierungen von Werkstoffprüfmaschinen die Norm DIN EN ISO 376, die u. a. Spezifikationen und Beurteilungsklassen für Kraftaufnehmer enthält [1.45]. Kenngrößen für Kraftaufnehmer werden auch in der VDI/ VDE-Richtlinie 2638 beschrieben [1.62]. Im Rahmen der Qualitätssicherung müssen Betriebsmessmittel und Werksnormale in der Regel auf die nationalen Normale der PTB (PhysikalischTechnische Bundesanstalt) zurückgeführt sein [1.56]. Dies geschieht häufig über akkreditierte Laboratorien des DKD (Deutscher Kalibrier-Dienst) nach festgelegten Kalibrier-Richtlinien [1.57]. In der Kraftmesstechnik haben heutzutage DMS-Kraftaufnehmer nach dem Federkörperprinzip die bei Weitem größte Bedeutung. Hierbei werden die Federkörperformen nach drei unterschiedlichen Arten der Beanspruchung unterschieden: Biegebeanspruchung, Zug-/Druckbeanspruchung (Dehnung/Stauchung) und Schubbeanspruchung (s. Abschn. 1.2.2.2). Daneben spielen praktisch nur noch piezoelektrische Kraftaufnehmer eine nennenswerte Rolle (s. Abschn. 1.2.3). Tabelle 1.1 gibt einen Überblick über diese wichtigsten Kraftmessprinzipien bzw. Kraftaufnehmer mit den zugehörigen Nennlastbereichen und typischen Kenndaten (Kenngrößen) handelsüblicher Aufnehmer. Induktive Kraftaufnehmer haben ihre frühere Bedeutung bis auf Spezialanwendungen (insbesondere Messung kleiner Kräfte) verloren [1.1, 1.4, 1.5, 1.15, 1.72]. Andere Aufnehmerprinzipien, die in der Wägetechnik neben dem DMS-Prinzip von großer bzw. nennenswerter Bedeutung sind – wie das EMK- und SaitenschwingPrinzip (s. Abschn. 1.3) – werden in der Kraftmesstechnik aufgrund ihrer konstruktiven Gegebenheiten praktisch nicht eingesetzt. Alle weiteren Prinzipien haben sowohl in der Kraftmesstechnik als auch in der Wägetechnik – abgesehen von wenigen speziellen Anwendungen – keine große Bedeutung erlangt. Der photoelastische Effekt birgt insbesondere für kleine und sehr kleine Kräfte (im µN-, mN- und N-Bereich) ein großes Potenzial, ist aber erst in den letzten Jahren näher auf seine Eignung für Kraftmesssensoren untersucht worden und hat aufgrund der bisher nicht gelösten Probleme bei der Krafteinleitung noch keine praktische Anwendung gefunden [1.17, 1.18, 1.30, 1.48]. Im Folgenden werden
58
Teil B
Sensoren
Tabelle 1.1. Wichtigste Kraftmessprinzipien und typische Kenndaten handelsüblicher Kraftaufnehmer Folien-DMS Dehnung/ Stauchung
Folien-DMS Schubbeanspruchung
Folien-DMS Biegung
HalbleiterDMS
Piezoelektr. Aufnehmer
Nennlastbereich
10 N ... 10 MN
10 N ... 500 kN
1 N ... 1 MN
0,5 N ... 5 kN
10 N ... 1 MN
Typ. Grenzfrequenz/ kHz
0,5... 11)
0,5 ... 11)
0,1... 0,51)
–
10
Nenntemperaturber./ °C
-10 ... +70
-10 ... +70
-10 ... +70
+20 ... +80
-40 ... +120
Reproduzierbarkeit/%
t 0,01
t 0,01
t 0,01
t 0,05
t 0,2
Rel. Linearitätsabw./%
t 0,05
t 0,03
t 0,01
t 0,1
t 0,5
Rel. Umkehrspanne/% (Hysterese)
t 0,05
t 0,03
t 0,01
t 0,1
t 0,5
Rel. Messunsicherheit
t 5·10-4 (5·10-5)2)
t 3·10-4
t 1·10-4
t 1·10-3
t 8·10-3
TK-Null/10-4 K-1
t 0,5
t 0,3
t 0,2
t1
t2
TK-Sens./10-4 K-1
t 0,5
t 0,2
t 0,1
t1
t5
Messweg/mm
d 0,1
d 0,1
d 0,1
d 0,07
d 0,01
1) 2)
Stark abhängig von der Nennlast und der betreffenden Anwendung bzw. der mechanischen Ankopplung 5·10-5 gilt für handelsübliche Präzisionskraftaufnehmer im Nennlastbereich 100 N ... 500 kN
nur die wichtigsten, in Tabelle 1.1 aufgeführten Kraftmessprinzipien und Kraftaufnehmer näher vorgestellt. 1.2.2 Dehnungs-Messstreifen (DMS) 1.2.2.1 Grundlagen und Eigenschaften DMS wandeln eine Dehnung ε , d. h. eine relative Längenänderung ∆l / l, in eine relative Widerstandsänderung ∆R/R um [1.13, 1.15, 1.16, 1.72]: ∆R/R = k ⋅ ε = k ⋅ ∆l / l
(1.1)
Der k-Faktor beschreibt die Empfindlichkeit des DMS und hängt selbst von ε sowie von der Querkontraktionszahl µ und der relativen Änderung des spezifischen Widerstandes ∆ρ/ρ ab:
1 Kraft, Masse, Drehmoment
k = 1 + 2µ + (∆ρ /ρ) ⋅ ε -1
59
(1.2)
Die Querkontraktionszahl µ wird auch als Querzahl oder Poissonzahl bezeichnet; statt des Buchstabens µ findet man häufig auch den Buchstaben ν [1.16, 1.44]. Die Widerstandsänderung beruht demnach auf zwei Effekten: der geometrischen Veränderung des Leiters (Querschnitts- und Längenänderung, abhängig von µ), s. Abb. 1.2, und der relativen Änderung der spezifischen Leitfähigkeit ε des Leiters (= piezoresistiver Effekt, nicht zu verwechseln mit dem piezoelektrischen Effekt). Der piezoresistive Effekt beruht auf der Änderung der Beweglichkeit der freien Ladungsträger im Kristallgitter und ist der bestimmende Faktor bei Halbleiter-DMS, während er bei Metall-DMS in der Größenordnung von µ liegt (Beispiel Konstantan: µ = 0,3; (∆ρ /ρ)⋅ε -1 = 0,4). Für Metalle und CuNi- bzw. NiCr-Legierungen betragen die Poissonzahlen µ = 0,3...0,4, womit sich k-Faktoren von etwa 2 ergeben [1.16]. Bei Halbleiter-DMS werden dagegen k-Faktoren bis zu 180 erreicht. Trotz dieser fast um den Faktor 100 größeren Empfindlichkeit konnten sich Halbleiter-DMS gegenüber Metall-DMS für Standardanwendungen nicht durchsetzen. Ihre Nachteile sind eine nichtlineare Widerstands-Dehnungs-Charakteristik, eine deutlich höhere Temperaturabhängigkeit, Sprödigkeit des Halbleitermaterials (meist Silizium) und höhere Herstellungskosten. Sowohl Metall-DMS als auch Halbleiter-DMS dürfen nur im elastischen Bereich verformt werden; das Hooke‘sche Gesetz gilt nur für relative Längenänderungen bis etwa 1 %. Bei DMS wird sogar nur der Bereich bis maximal 0,5% genutzt. DMS werden mit Spezialklebstoffen auf einem geeigneten Verformungskörper (Federkörper) appliziert. Die Widerstandswerte von DMS-Aufnehmern liegen typischerweise zwischen 120 Ω und 1 kΩ (Halbleiter-DMS: 120 Ω bis 700 Ω) bei Gitterlängen von 0,6 mm bis 10 mm. Zusammengefasst haben Metall-DMS folgende entscheidende Vorteile gegenüber allen anderen Kraftaufnehmern: – –
–
applizierbar auf sehr vielen Werkstoffen, relativ einfache Handhabung, große Typenvielfalt ⇒ vielfältige Einsatzmöglichkeiten, sehr geringe eigene Masse und sehr guter thermischer Kontakt mit dem Federkörper ⇒ Temperaturkompensation auch bei schnellen Temperaturänderungen möglich, Eignung für statische und dynamische Anwendungen bis etwa 1 kHz,
Abb. 1.2. Querschnitts- und Längenänderung 'l eines Leiters der Länge l0 bei Dehnung/ Stauchung durch eine Kraft F [1.16]
60 –
–
– –
Teil B
Sensoren
sehr viele DMS auf einem Federkörper applizierbar ⇒ Gute Mittelung über lokale Dehnungen; sehr hohe geometrische Symmetrie und damit weitgehende Unempfindlichkeit gegen parasitäre Kräfte und Biegemomente erzielbar, in Verbindung mit spezieller Elektronik sehr gute Linearität und hohe relative Auflösungen bis etwa 10-6 (dies entspricht Wegauflösungen von weniger als 0,1 nm), hohe zeitliche Stabilität, relativ geringe Herstellkosten.
Das frühere Problem des Feuchteschutzes von DMS ist inzwischen durch geeignete Kapselungen oder Verklebungen hinreichend gelöst. 1.2.2.2 Bauformen Bei den Metall-DMS haben sich heutzutage Folien-DMS gegenüber den früher verbreiteten Draht-DMS nahezu vollständig durchgesetzt, s. Abb. 1.3. Folien-DMS werden ähnlich wie gedruckte Schaltungen hergestellt: Auf einer Trägerfolie aus Kunststoff (Dicke ca. 15 ... 40 µm) wird eine sehr dünn gewalzte Folie aus Konstantan (57Cu43Ni) oder einer Ni-Cr-Legierung (Dicke ca. 2...5 µm) aufgebracht. Diese Metallschicht wird anschließend entsprechend der gewünschten Leiterbahnstruktur herausgeätzt und mit einer weiteren Kunststoffschicht (Dicke ca. 5...10 µm) abgedeckt. Im Gegensatz zur relativ aufwendigen Herstellung und Applizierung von Draht-DMS ist hiermit eine kostengünstige Massenfertigung möglich. Neben Linear-DMS (Ermittlung von Dehnungen in einer
Abb. 1.3. Prinzipieller Aufbau eines Folien-DMS [1.72]
1 Kraft, Masse, Drehmoment
61
Richtung) können auch komplexe DMS-Anordnungen z. B. in Form von Rosetten oder von in bestimmten Winkeln angeordneten Messstreifen realisiert werden, s. Abb. 1.4. Anwendungsbeispiele sind mechanische Spannungsanalysen an Werkstoffen, Messungen von Schubspannungen oder Drehmomentmessungen. Durch Wahl bestimmter Messstreifen-Geometrien kann auch das Kriechverhalten von Folien-DMS gezielt so beeinflusst werden, dass das positive Kriechen aufgrund elastischer Nachwirkungen des Federkörpers durch das negative Kriechen aufgrund der Entspannung des DMS-Trägers und der Kleberschicht kompensiert wird [1.72]. Wie Tabelle 1.1 zeigt, ist der Nennlastbereich, in dem DMS-Kraftaufnehmer eingesetzt werden können, außerordentlich groß (1N bis 10 MN). Dies liegt auch an den vielfältigen Möglichkeiten, DMS auf bestimmten, dem jeweiligen Anwendungsfall angepassten Federkörpern zu applizieren. Wie schon erwähnt, werden hierbei grundsätzlich drei Belastungsarten unterschieden: Dehnung/Stauchung (Zug/Druck), Schubbeanspruchung und Biegung. Beispiele verschiedener Federkörperformen wie Stauchzylinder (voll und hohl), Scherstab, Einfach- und Doppel-Biegebalken, zeigt Abb. 1.5. Die geringsten Messunsicherheiten (ca. 1⋅10-4) werden normalerweise mit dem Biegeprinzip erzielt, während mit Zug/Druck- Aufnehmern die höchsten Nennlas-
Abb. 1.4. Beispiele von linearen DMS und Rosetten-DMS [1.16]
62
Teil B
Sensoren
Abb. 1.5. Beispiele verschiedener Bauarten von Federkörpern für DMS-Kraftaufnehmer [1.72] („Scherung“ = Schubbeanspruchung)
ten (10 MN) erreicht werden. Mit einigem schaltungstechnischen Aufwand können jedoch auch Zug/Druck-Präzisions-Kraftaufnehmer hergestellt werden, die im Nennlastbereich von 100 N bis 500 kN relative Messunsicherheiten von 5⋅105 oder sogar darunter (≤ 1⋅10-5) erreichen und damit als Kraft-Transfernormale geeignet sind [1.5, 1.11, 1.16, 1.52]. Abbildung 1.6 zeigt Beispiele von Bauformen handelsüblicher Kraftaufnehmer. 1.2.2.3 Signalverarbeitung und Anzeige Da sehr kleine Widerstandsänderungen im µΩ- bis mΩ-Bereich zu messen sind, werden in der Regel vier DMS-Aufnehmer in einer Wheatstone'schen Brücke zusammengeschaltet. Abbildung 1.7 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer solchen Vollbrücke, bei der zwei DMS (R1, R3) so appliziert seien, dass sie gedehnt werden und zwei DMS (R2, R4) so, dass sie gestaucht werden. Unter der Annahme, dass alle 4 DMS betragsmäßig die gleiche Dehnung/Stauchung ε erfahren, lässt sich mit Gl. (1.1) auf einfache Weise die Beziehung UA/UB = ∆R/R = k · ε
(1.3)
herleiten, wobei UB die Brückenspeisespannung und UA die lastabhängige Brückenausgangsspannung bedeutet [1.16, 1.72]. Bei der Nennlast des Kraftaufneh-
1 Kraft, Masse, Drehmoment
a
63
Abb. 1.6. Beispiele von Bauformen handelsüblicher DMSKraftaufnehmer [Werkfotos HBM] a) 1-kN-Doppelbiegebalken mit Kraftrückführung b) 10-kN-Zug/Druck-(Membran)Aufnehmer
b
Abb. 1.7. Prinzipieller Aufbau einer DMS-Vollbrücke [1.72]
mers liegt das Nennausgangssignal meist zwischen 1 mV/V und 4 mV/V, wobei sich 2 mV/V (bei Speisespannungen zwischen 5V und 10V) praktisch als Standard durchgesetzt hat. Bei einem Faktor k = 2, einer Dehnung von 0,1% bei Nennlast, einer Gitterlänge von 10 mm, einer Speisespannung von 10V und einer Signalauflösung von 1 µV (relativ 10-4) bedeutet dies eine Wegauflösung von 1 nm! Technisch bedeutet dies keinerlei Probleme; um allerdings auch entsprechend ge-
64
Teil B
Sensoren
Abb. 1.8. Reale Schaltung eines DMS-Aufnehmers mit Kompensations- und Abgleichelementen [1.72]
ringe Messunsicherheiten zu erzielen, muss in der Praxis erheblicher Aufwand zur Reduzierung und Kompensation mechanischer und weiterer Fehlereinflüsse getrieben werden. Abbildung 1.8 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer realen DMSVollbrückenschaltung mit Kompensations- und Linearisierungselementen. Um auch Einflüsse der Speisespannungszuleitungen (längen- und temperaturabhängiger Spannungsabfall) zu minimieren, hat sich die sog. 6-Leiter-Schaltung durchgesetzt, s. Abb. 1.9. Die Abbildung zeigt auch die vollständige Messkette bis zum Messverstärker (Gleichspannung oder Trägerfrequenz mit 225 Hz, 600 Hz oder 4,8 kHz) einschließlich Spannungsanzeige. 1.2.2.4 Anwendungen und praktische Aspekte DMS-Kraftaufnehmer werden praktisch in allen Bereichen der Industrie eingesetzt: in Forschung und Entwicklung, zur experimentellen Spannungsanalyse, zur Material- und Bauteilprüfung, in der Produktions- und Qualitätskontrolle z. B. bei Einpressvorgängen, Umformprozessen und mechanischen Bearbeitungsvorgängen. Auch für Präzisions-Kraftaufnehmer, z. B. Kraft-Transfernormale, kommen aufgrund ihrer hohen Genauigkeit und Langzeitstabilität praktisch nur DMSKraftaufnehmer in Frage. Von besonderer Bedeutung für die Genauigkeit eines Kraftaufnehmers sind definierte Krafteinleitungsverhältnisse. Hier sind neben gewissen Grundregeln (möglichst punktförmige, senkrechte, in der Aufnehmer-
1 Kraft, Masse, Drehmoment
65
Abb. 1.9. Prinzip einer 6-Leiter-Schaltung [1.72]
achse wirkende Krafteinleitung [1.1, 1.5, 1.72, 1.73]) auch Herstellerhinweise und -konzepte zu beachten. Neben den zahlreichen statischen Anwendungen von Kraftaufnehmern gewinnen zunehmend auch dynamische (periodische und stoßförmige) Kraftmessungen an Bedeutung, beispielsweise bei Crashtests in der Automobilindustrie. Hierzu, wie auch auf spezielle Anwendungen bei hohen Temperaturen, wird auf weiterführende Literatur verwiesen [1.6, 1.7, 1.31, 1.38–1.40]. 1.2.3 Piezoelektrische Kraftaufnehmer 1.2.3.1 Grundlagen und Eigenschaften Mechanische Spannungen und dadurch bedingte Verformungen rufen an dielektrischen Werkstoffen (z. B. Quarzkristallen, SiO2) aufgrund des piezoelektrischen Effektes Oberflächenladungen hervor, die proportional zur wirkenden Kraft sind. Die erzeugte Ladung Q wird von der Oberfläche abgeführt, mit geeigneten Signalverstärkern (Ladungsverstärkern) weiterverarbeitet und zur Anzeige gebracht. Der piezoelektrische Effekt ist umkehrbar (Nutzung z. B. bei Piezoaktoren) und richtungsabhängig bzgl. der Kristallausrichtung und des mechanischen Spannungstensors σµ [1.12, 1.71]: Di = ((diµ)) ⋅ σµ + ((εik)) ⋅ Ek
(1.4)
66
Teil B
Sensoren
Hierin sind Di = Qi/Ai die dielektrische Verschiebungsdichte in Richtung i, Ai die der Ladung Qi zugeordnete Elektrodenfläche, ((diµ)) der Tensor der piezoelektrischen Koeffizienten, ((εik)) der Tensor der Dielektrizitätskonstanten und Ek die wirkende elektrische Feldstärke. Der Term ((diµ))⋅σµ ist die durch die mechanische Spannung im Kristall hervorgerufene Polarisation Pi. Man unterscheidet je nach Richtung des Polarisations- und Kraftvektors vier piezoelektrische Effekte: den Longitudinaleffekt, den Transversaleffekt, den longitudinalen Schubeffekt und den transversalen Schubeffekt. Bei Standard-Aufnehmern aus α-Quarz wird fast ausschließlich der Longitudinaleffekt genutzt, bei dem die Ladungstrennung in Kraftrichtung erfolgt, so dass die Ladungen an den mechanisch belasteten Oberflächen auftreten. In diesem Fall gilt im Kurzschlussbetrieb (Ek = 0) für die Empfindlichkeit S: S = Q / F = d11
(1.5)
d. h. die Empfindlichkeit ist gleich dem piezoelektrischen Koeffizienten d11. Ein typischer Wert für α-Quarzplatten ist S = 2,3⋅10-12 As⋅N-1. Oberflächenladungen treten nur durch Kraftänderungen auf, d. h. bei zeitlich konstanten Kräften fließen die einmal erzeugten Ladungen aufgrund des endlichen Isolationswiderstandes des Quarzkristalls (≥ 10 TΩ) aber auch aufgrund von Kabelkapazitäten und nichtidealen Eigenschaften der Signalelektronik wieder ab. Mit ausgeklügelten elektronischen Schaltungen und speziellen Ladungsverstärkern gelingen heutzutage jedoch „quasistatische“ Kraftmessungen mit Messdauern bis zu 1 h. Statische Kalibrierungen sind bisher nicht möglich, obwohl an geeigneten Kalibrierverfahren gearbeitet wird [1.42]. Aufgrund ihrer sehr geringen Eigenverformung (Messwege < 0,01 mm, s. Tabelle 1.1), ihrer hohen Steifigkeit, kleinen Bauform und hohen Bandbreite (Verhältnis von Nennlast zu Ansprechschwelle ≥ 1⋅108) sind piezoelektrische Aufnehmer prädestiniert für dynamische Kraftmessungen mit Frequenzen bis zu 10 kHz, einschließlich stoßförmiger Kräfte. Der Nennlastbereich piezoelektrischer Kraftaufnehmer beträgt etwa 10 N bis 1 MN. Piezoelektrische Aufnehmer sind typischerweise im Temperaturbereich -40°C bis +120°C einsetzbar; Sonderbauformen bis zu maximal 350°C. Zusammenfassend haben piezoelektrische Kraftaufnehmer folgende Vorteile: robuster Aufbau, kleine Abmessungen, geringe Masse, großer Messbereich, hohe Messfrequenz, großer Temperaturbereich. Diesen Vorteilen stehen folgende Nachteile gegenüber: Begrenzung auf dynamische und „quasistatische“ Messungen, relativ hoher Aufwand bei der Signalverarbeitung, Präzisionsmessungen (≤ 10-3) aufgrund der Temperaturdrift und Nichtlinearität nicht möglich [1.67]. 1.2.3.2 Bauformen Für Standard-Quarzaufnehmer werden als piezoelektrische Messelemente Kreisscheiben oder -ringe von etwa 0,5 mm bis 1 mm Dicke verwendet. Die lasttragende Mindestfläche A ergibt sich je nach Nennlast aus der Belastbarkeit von Quarz (in der Praxis bewährt hat sich der Wert 150 N⋅mm-2). Die Eigenkapazitäten handelsüblicher Quarzaufnehmer liegen zwischen 5 pF und etwa 200 pF. Abbildung 1.10 zeigt den typischen Aufbau eines ringförmigen, piezoelektrischen Sensorelements.
1 Kraft, Masse, Drehmoment
67
Abb. 1.10. Prinzipieller Aufbau eines ringförmigen, piezoelektrischen Sensorelements ohne Vorspannbolzen [1.72]
Das Messelement (= Quarzplatten mit Elektrode) besteht, zur Erhöhung der Empfindlichkeit, aus zwei Scheiben entgegengesetzter Polarität, die kraftmäßig in Reihe und elektrisch parallel geschaltet sind. Die Ladung wird über eine gemeinsame Elektrode in der Mitte abgeführt. Zur Verminderung von Setzerscheinungen und zur Erweiterung des Messbereiches auf Zugkräfte sind die Scheiben über Spannelemente (Stahlringe) und zusätzliche Vorspannbolzen (in Abb. 1.10 nicht abgebildet, s. aber Abb. 1.11) vorgespannt. Je nach Anwendung ist eine große Vielfalt an verschiedenen Bauformen verfügbar. Technisch interessant sind piezoelektrische 3D- oder Mehrkomponenten-Kraftaufnehmer, die messprinzipbedingt relativ einfach realisiert werden können (s. Abschn. 1.2.4). 1.2.3.3 Signalverarbeitung und Anzeige Der piezoelektrische Sensor stellt elektrisch einen mit Q geladenen Kondensator der Kapazität C dar [1.72]. Daraus resultiert die Spannung U = Q / C, beispielsweise U = 10-7 As / 100 pF = 1000V bei Nennlast. Eine Möglichkeit ist, diese Spannung – durch einen parallel geschalteten Passivkondensator – beispielsweise auf 10V zu verringern und nach elektronischer Impedanzwandlung anzuzeigen. Diese Technik wird allerdings wegen des großen Einflusses von Kabelkapazitäten nur dort verwendet, wo an den Aufnehmer ein sehr hochohmiger Verstärker (Elektrometerverstärker) direkt an- oder eingebaut werden kann. Für quasistatische Messungen werden dagegen meist sog. Ladungsverstärker eingesetzt. Hiermit werden die entstehenden Ladungen sofort über den niederohmigen Eingang eines kapazitiv gegengekoppelten Verstärkers (Stromintegrierers) abgesaugt, so dass Verluste durch Kabelkapazitäten und den Isolationswiderstand des Piezoaufnehmers selbst weitgehend ausgeschaltet werden. Die Driftströme von Ladungsverstärkern können heutzutage auf < 0,1 fA begrenzt werden, so dass die Zeitkonstanten für den exponentiellen Abfall des Ausgangssignals > 20 h betragen. Allerdings ist der hierzu erforderliche Schaltungsaufwand relativ hoch. 1.2.3.4 Anwendungen und praktische Aspekte Piezoelektrische Kraftaufnehmer werden in vielen Bereichen der Forschung und Industrie eingesetzt. Neben einbaufertigen Standard-Quarzaufnehmern mit Vorspannbolzen, s. Abb. 1.11, die in allen Bereichen der mechanischen Messtech-
68
Teil B
Sensoren Abb. 1.11. Handelsübliche piezoelektrische Kraftmesselemente mit integrierten Vorspannbolzen (Nennlasten ±20/ ±30/ ±40 kN; Durchmesser 29/ 35/ 41 mm; Gesamthöhe 52/ 62/ 72 mm) [Werkfoto Kistler]
nik Verwendung finden, werden auch folgende piezoelektrische Materialien und Werkstoffe eingesetzt: Einkristallines LiNbO3 (Turmalin) für Kraftmessungen im Hochtemperaturbereich, polykristalline ZnO- oder AlN-Dünnfilme zur bidirektionalen Energieumwandlung (mechanisch/elektrisch) in der Mikrotechnik, gepolte Keramiken aus BaTiO3 oder Pb(Zr,Ti)O3 zur bidirektionalen Energieumwandlung in der Makrotechnik sowie Polymerfolien aus Polyvinylidenfluorid (PVDF) für einfache flächige Taster [1.71, 1.72]. Mit piezoelektrischen Messketten, bestehend aus Quarz-Kraftaufnehmer, Zuleitungen und Ladungsverstärker mit Anzeige, können relative Messunsicherheiten bis zu 8⋅10-3 erreicht werden [1.67]; die Reproduzierbarkeit der Kraftmesselemente selbst beträgt ≥ 2⋅10-3. Die Beschränkung auf dynamische und „quasistatische“ Messungen spielt bei vielen Vorgängen, wie z. B. der Werkzeugüberwachung von Einpressvorgängen oder der Kraftmessung im Crash-Versuch von Automobilen keine Rolle. 1.2.4 Mehrkomponenten-Kraftaufnehmer Unbekannte oder variable Kraftrichtungen erfordern eine dreidimensionale Kraftmessung. Müssen zusätzlich Biegemomente und Drehmoment erfasst werden, so ist ein 6-Komponentenaufnehmer erforderlich. Grundsätzlich bereitet es keine Probleme, 3 oder 6 separate Kraftaufnehmer miteinander zu kombinieren. Mit piezoelektrischen Aufnehmern sind jedoch 3-Komponenten-Kraftaufnehmer messprinzipbedingt besonders einfach zu realisieren, indem man 3 Quarzplättchen-Paare unterschiedlicher Kristallorientierung so ausschneidet und aufeinander montiert, dass jedes Element genau für eine Kraftkomponente Fx, Fy oder Fz empfindlich ist, s. Abb. 1.12 [1.43, 1.72].
1 Kraft, Masse, Drehmoment
69
Abb. 1.12. Prinzipieller Aufbau eines 3-Komponenten-Aufnehmers aus Quarzscheiben [1.72]
Jedes (Doppel-)element hat eigene Elektroden, die nach außen abgeführt werden und je nach Größe der betreffenden Kraftkomponente unterschiedliche Ladungen abgeben. Das Übersprechen des Signals einer Komponente auf die Signale der anderen Komponenten beträgt in der Regel weniger als 1%. Mit piezoelektrischen Mehrkomponenten-Kraftaufnehmern können demnach mit relativ geringem Aufwand gute messtechnische Eigenschaften bei sehr kompakter Bauform erzielt werden. Andere Prinzipien zur Mehrkomponentenmessung, z. B. Messung der Verformung von Federkörpern mit DMS- oder induktiven Kraftaufnehmern, sind prinzipiell möglich, erfordern aber deutlich höheren Aufwand [1.72].
1.3 Massebestimmung 1.3.1 Einführung und Übersicht Die Einheit der Masse, das Kilogramm (kg), ist eine der sieben Basiseinheiten des Internationalen Einheitensystems (SI) [1.70]. Das Kilogramm ist die letzte SI-Basiseinheit, die noch durch eine Maßverkörperung, das Internationale KilogrammPrototyp, definiert ist [1.35, 1.36]. Alle Massebestimmungen mit kalibrierten oder geeichten Waagen sind über nationale Normale und das nationale KilogrammPrototyp letztlich auf das Internationale Kilogramm-Prototyp zurückgeführt [1.32, 1.33, 1.65]. Die Masse (m) ist eine Eigenschaft der Materie und im Gegensatz zur Kraft eine skalare Größe. Sie ist der direkten Messung nicht zugänglich und wird – mit ganz wenigen Ausnahmen – mit Waagen im Schwerefeld der Erde über die proportionale Gewichtskraft FG ermittelt:
70
Teil B
FG = m ⋅ g
Sensoren
(1.6)
Proportionalitätsfaktor ist die örtliche Fallbeschleunigung g. Innerhalb Deutschlands variiert die örtliche Fallbeschleunigung zwischen g = 9,8149 m⋅s-2 (Flensburg) und g = 9,8072 m⋅s-2 (München), also um maximal etwa 0,1%. Daher müssen Waagen ab einer bestimmten Genauigkeit am oder für den jeweiligen Aufstellungsort justiert werden. Hierzu ist – alternativ zu noch bestehenden nationalen Regelungen, z. B. [1.54] – inzwischen ein europaweit einheitliches Gravitationszonenkonzept entwickelt worden [1.68, 1.74]. Das Konzept beinhaltet u. a. eine einheitliche Formel zur Berechnung der örtlichen Fallbeschleunigung g in Abhängigkeit von der geografischen Breite ϕ (in °) und der Höhe h (in m) eines Ortes: g = (9,780318 (1 + 0,0053024 sin2ϕ – 0,0000058 sin2 2ϕ) – 0,000003085·h) ms-2 (1.7) Mit Waagen werden unbekannte Gewichtskräfte bzw. Massen durch Vergleich mit bekannten Gewichtskräften bzw. Massen bestimmt. Zur Erzeugung der Vergleichskraft kommen unterschiedliche physikalische Prinzipien zur Anwendung [1.35, 1.65]: 1. Vollständige Kompensation der Gewichtskraft des Wägegutes durch die Gewichtskraft einer oder mehrerer bekannter Massen (=Referenznormale): Dieses Prinzip wird bei allen mechanischen Waagen angewendet (z. B. gleicharmige Balkenwaage, Schaltgewichtswaage, Substitutionsbalkenwaage). Die wesentlichen Kennzeichen solcher Waagen sind: hohe Auflösungen bis 109 d (d = Teilungswert bzw. kleinster Ziffernschritt), zeitaufwendige Messungen ohne großen Bedienungskomfort. 2. Teilweise Kompensation der Gewichtskraft des Wägegutes durch Schaltgewichte oder fest eingebaute Gegengewichte und zusätzliche Feinkompensation durch eine äußere Gegenkraft, meist als elektromagnetische (oder elektrodynamische) Kraftkompensation (EMK): Dieses Prinzip wird bei elektromechanischen Schaltgewichtswaagen und elektronischen Komparatorwaagen mit eingebautem Gegengewicht verwendet. Kennzeichen dieser Waagen sind: Sehr hohe Auflösungen bis 1010 d, hoher Bedienungskomfort durch einfache Handhabung und digitale Ablesung, kurze Wägezeiten, Möglichkeit zur Automatisierung des Wägeablaufs und Wägedatenverarbeitung durch Rechner- und Druckeranschluss. 3. Vollständige Kompensation der Gewichtskraft des Wägegutes durch eine von außen wirkende Gegenkraft (nicht Gewichtskraft), beispielsweise mit Hilfe einer EMK-Wägezelle (z. B. bei elektronischen Analysen- bzw. Laborwaagen) oder mit einem Federkörper (wie z. B. bei Waagen mit DMS-Wägezelle). Der Vergleich mit bekannten Referenzmassen erfolgt bei der Justierung bzw. Kalibrierung dieser Waagen, so dass Einflussgrößen wie die örtliche Fallbeschleunigung, Temperatureffekte etc. berücksichtigt werden müssen. Kennzeichen dieser Waagen sind: Auflösungen bis maximal 107 d, sehr hoher Bedienungskomfort, sehr kurze Messzeiten, Möglichkeit zur Automatisierung des Wägeablaufs und Einbindung in lokale Rechnernetze.
1 Kraft, Masse, Drehmoment
71
4. Wie 3., jedoch wird die Gewichtskraft größerer Massen (bei EMK-Wägezellen ab ca. 10 kg) nicht mehr direkt, sondern über ein Hebelwerk in die Wägezelle eingeleitet (sog. Hybridwaagen, s. Abb. 1.1). Waagen werden in nichtselbsttätige und selbsttätige Waagen unterteilt, wobei selbsttätige Waagen automatisch arbeiten (z. B. Förderbandwaagen, Kontrollwaagen in automatischen Produktionsprozessen), während nichtselbsttätige Waagen (NSW) Bedienpersonal erfordern [1.23, 1.34, 1.66]. NSW werden – abhängig vom Eichwert e und der Anzahl der Teilungswerte n – in vier Genauigkeitsklassen unterteilt, s. Abb. 1.13: Feinwaagen (Klasse I), Präzisionswaagen (Klasse II), Handelswaagen (Klasse III) und Grobwaagen (Klasse IIII). Unter dem Eichwert e versteht man einen für die Fehlergrenze der Waage charakteristischen Bezugswert (in Masseneinheiten); bei Handels- und Grobwaagen ist e gleich dem digitalen Teilungswert d, bei Fein- und Präzisionswaagen gilt d ≤ e. Fein- und Präzisionswaagen werden häufig auch unter dem Oberbegriff Laborwaagen zusammengefasst und je nach Ablesbarkeit und Höchstlast als Ultramikro-, Mikro-, Semimikro- und Makrowaagen bezeichnet, s. Tabelle 1.2 und Abb. 1.14 [1.76]. Für bestimmte Anwendungsfälle, insbesondere bei Wägungen für geschäftliche und amtliche Zwecke, müssen geeichte Waagen mit Bauartzulassung z. B. durch die PTB verwendet werden. Hierbei sind nationale, europäische und internationale Vorschriften, Normen, Empfehlungen und Leitlinien zu beachten, u. a. damit die Waagen bestimmte Fehlergrenzen während einer festgelegten Eichgültigkeitsdauer nicht überschreiten, s. Abb. 1.15. Beispielsweise gilt für NSW die europäische Richtlinie 90/384 [1.55], die mit der Eichordnung [1.10] in nationales Recht umgesetzt ist, in Verbindung mit der Eu-
Abb. 1.13. Genauigkeitsklassen (I bis IIII) bei nichtselbsttätigen Waagen in Abhängigkeit vom Eichwert e, der Anzahl der Teilungswerte n und der Höchstlast Max
72
Teil B
Sensoren
Tabelle 1.2. Klassifizierung von Laborwaagen [1.76] Bezeichnung
Teilungswert d
Höchstlast Max d5g
Ultramikrowaage
0,1 µg
Mikrowaage
1 µg
1 ... 25 g
10 µg
30 ... 200 g
Halbmikrowaage = Semimikrowaage Makrowaage = Analysenwaage Präzisionswaage
0,1 mg t 1 mg
50 ... 500 g t 100 g
Abb. 1.14. Handelsübliche Laborwaagen mit Höchstlasten von 50g bis 8 kg (Werkfoto Sartorius)
ropäischen Norm EN 45501 [1.46], der Empfehlung R76 [1.23] der Internationalen Organisation für Gesetzliches Messwesen (OIML) und Leitlinien der europäischen Zusammenarbeit im Gesetzlichen Messwesen (WELMEC) [1.74, 1.75]. So werden bei Bauartprüfungen von NSW nicht nur die Messabweichungen bei verschiedenen Temperaturen (für Klasse III in der Regel -10°C bis +40°C) ermittelt, sondern z. B. auch die Reproduzierbarkeit, die Beweglichkeit, das Kriechen, die Ecklastfehler und elektromagnetische Störeinflüsse untersucht. Im nicht gesetzlich geregelten Bereich, z. B. bei NSW für innerbetriebliche Kontroll- und Steuerungszwecke, wird im Rahmen der Qualitätssicherung meist eine auf die nationalen Normale rückführbare Kalibrierung verlangt. Dies geschieht häufig über akkreditierte Waagenlaboratorien des DKD nach festgelegten Kalibrier-Richtlinien [1.59]. Bei eichpflichtigen selbsttätigen Waagen sind neben der Eichordnung [1.10] die OIML-Empfehlungen für Förderbandwaagen [1.19], selbsttätige Waagen für Einzelwägungen und Kontrollwaagen [1.20], selbsttätige Waagen zum Abwägen (Abfüllwaagen) [1.22], selbsttätige Gleiswaagen [1.24], totalisierende Behälterwaagen [1.25] und selbsttätige Straßenfahrzeugwaagen [1.26] zu beachten. Die meisten selbsttätigen Waagen müssen zusätzlich zu den Anforderungen an den statischen Betrieb auch die Anforderungen an den dynamischen Wägebetrieb erfüllen. Mit eichfähigen selbsttätigen Kontrollwaagen (Höchstlasten ≤ 100 kg) wer-
1 Kraft, Masse, Drehmoment
73
Abb. 1.15. Fehlergrenzen und Beispiele typischer Messabweichungen einer Handelswaage (Klasse III) der Höchstlast Max = 15 kg bei verschiedenen Temperaturen; zum Vergleich die 0,7-fach geringeren Fehlergrenzen für die betreffende Wägezelle. Für eichpflichtige Waagen gelten im normalen Betrieb die doppelt so großen Verkehrsfehlergrenzen.
den heutzutage bei dynamischen Wägungen von mehr als 100 Packungen pro Minute relative Messunsicherheiten von etwa 1⋅10-3 erreicht [1.66]. Herzstück einer jeden Waage ist die Wägezelle. Vom physikalischen Prinzip her gesehen unterscheiden sich Wägezellen nicht von Kraftaufnehmern. Allerdings unterscheiden sich die Anwendungsgebiete, technischen Anforderungen und nicht zuletzt auch die anwendbaren Vorschriften teilweise erheblich voneinander, so dass sich bei Waagen die eigene Bezeichnung „Wägezelle“ durchgesetzt hat. In eichfähigen Waagen werden meist nach der Internationalen Empfehlung OIML R60 [1.21] oder dem WELMEC-Leitfaden 2.4 [1.75] geprüfte (zertifizierte) Wägezellen eingesetzt. Diese erfüllen je nach Genauigkeitsklasse bestimmte Anforderungen an Linearität, Reproduzierbarkeit, Kriech- und Hystereseeigenschaften, Temperaturstabilität des Nullsignals und der Empfindlichkeit (Temperaturbereich meist -10 °C bis +40 °C) sowie an das Feuchteverhalten. Kenngrößen für Wägezellen sind sowohl in OIML R60 als auch in der Richtlinie VDI/ VDE 2637 beschrieben [1.61]. Die größte Bedeutung in der Wägetechnik haben DMS- und EMK-Wägezellen. Daneben sind nur noch Schwingsaiten-Wägezellen von nennenswerter Bedeutung. Diese drei Wägezellenprinzipien werden im Folgenden näher beschrieben. Bezüglich der weiteren Wägezellenprinzipien, wie z. B. Gyroskop- (Kreisel-), hydraulische, interferenzoptische oder magnetoelastische Wägezellen, die bis auf spezielle Anwendungsgebiete keine große Bedeutung (mehr) haben, wird auf weiterführende Literatur verwiesen [1.2, 1.3, 1.9, 1.14, 1.27–1.29, 1.37, 1.41, 1.47–1.49, 1.53, 1.72].
74
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Sensoren
1.3.2 DMS-Wägezellen 1.3.2.1 Grundlagen und Eigenschaften Wie in der Kraftmesstechnik so spielt auch in der Wägetechnik das DMS-Prinzip wegen seiner bereits genannten Vorteile die mit Abstand wichtigste Rolle (s. Abschn. 1.2.2). Der Einsatzbereich reicht von Brief- und Päckchenwaagen (Höchstlasten bis etwa 2 kg), über Ladentisch- und Preisauszeichnungswaagen (Höchstlasten von 5 kg bis 25 kg), Personenwaagen (meist bis 150 kg), Plattformwaagen für Handel und Industrie (bis etwa 1t), Kranwaagen (bis etwa 10t) bis hin zu großen Brücken- und Plattformwaagen zur Verwiegung von Straßen- und Gleisfahrzeugen mit bis zu 8 Wägezellen (Gesamthöchstlast bis zu 100 t und darüber) [1.32, 1.35–1.37, 1.72]. 1.3.2.2 Bauformen Es gibt eine sehr große Vielfalt an DMS-Wägezellentypen. Abbildung 1.16 zeigt eine Auswahl typischer Bauformen mit Angabe der Nennlastbereiche [1.37]. Abbildung 1.17 zeigt einige Beispiele handelsüblicher DMS-Wägezellen, während in Abb. 1.18 der grundsätzliche Aufbau einer DMS-Wägezelle mit Stauchzylinder für den Hochlastbereich dargestellt ist. Eine spezielle Form der DMS-Wägezelle ist die Ringtorsionswägezelle, s. Abb. 1.19, bei der die senkrecht eingeleitete Kraft zu einer Verwölbung des innenliegenden Rings und damit zu einer Verringerung (Vergrößerung) des oberen (un-
Abb. 1.16. Typische Bauformen und Nennlastbereiche von DMS-Wägezellen [1.37] a) Stauchzylinder, 5 t...1000 t b) Stauchzylinder (hohl), 1 t...10 t c) Ringtorsion, 100 kg...1000 t d) Ring, 1 t...10 t e) Doppelbiegebalken mit Kraftrückführung, 20 kg...500 kg f) Plattform-WZ, 5 kg...20 kg g) Doppelbiegebalken, 50 kg...5 t h) Scherbiegebalken, 100 kg...50 t i Doppelbiegebalken, 10 kg...1 t k) Einfachbiegebalken mit Kraftrückführung, 5 kg...100 kg
1 Kraft, Masse, Drehmoment
75
Abb. 1.17. Beispiele handelsüblicher DMS-Wägezellen (WZ) (Werkfoto HBM). a) 200kg-Doppelbiegebalken-WZ, b) 1000-kg-Scherbiegebalken-WZ
a
b
Abb. 1.18. Grundsätzlicher Aufbau einer DMS-Wägezelle mit Stauchzylinder [1.37]
76
Teil B
Sensoren Abb. 1.19. Schnitt durch eine 10-t-Ringtorsions-Wägezelle; die Pfeile deuten die Krafteinleitung und Verwölbung an (Werkfoto Schenck Process)
teren) Ringdurchmessers führt, auf denen kreisförmig applizierte Metall-DMS (Drähte oder Folien) angebracht sind. Der Vorteil von Ringtorsions-Wägezellen ist der relative große Nennlastbereich von etwa 100 kg bis zu 500 t und darüber. Erwähnt werden sollen auch sog. digitale Wägezellen, worunter man DMS-Wägezellen mit integrierten Verstärkern und digitalem Ausgangssignal versteht. Hier wird bereits in der Wägezelle die A/D-Wandlung des Brückenausgangssignals, die Linearisierung, Temperaturgangskorrektur, Kalibrierung sowie teilweise auch die Kriech- und Hysteresekorrektur per Software vorgenommen und ein digitales Ausgangssignal (in „counts“ oder in Masseneinheiten) über eine digitale Schnittstelle zur Verfügung gestellt [1.37, 1.72]. Technisch interessant sind auch Wägezellen mit aufgedampften DMS, die es bereits seit einigen Jahren insbesondere für niedrige Nennlasten (ab ca. 5 g) gibt [1.16, 1.37]. Besondere Vorteile sind ihre sehr kompakte Bauweise und Eignung für hohe Temperaturen über 100 °C. Wegen der geringeren Messgenauigkeit und höheren Produktionskosten haben sich diese DMS-Wägezellen jedoch nicht durchsetzen können. 1.3.2.3 Waagen mit DMS-Wägezellen Abbildung 1.20 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer Waage mit DMS-Doppelbiegebalken [1.76]. Das Parallel-Lenkersystem (=Federkörper) biegt sich unter der aufgelegten Last geringfügig durch. Die Gegenkraft zur aufgelegten Last wird durch die elastischen Kräfte des Federkörpers (1) aufgebracht, der 4 Dünnstellen (=Biegelager) enthält, an denen 4 DMS (2-5) appliziert sind. Zwei DMS (2,3) werden gestaucht (Widerstandserniedrigung) und zwei (4,5) gestreckt (Widerstandserhöhung). Die gesamte, lastabhängige Widerstandsänderung wird in einer Wheatstone‘schen Brückenschaltung als Spannungssignal detektiert und elektronisch weiterverarbeitet (s. Abschn. 1.2.2.3). Mit digitaler Messwertverarbeitung erreichen DMSWaagen heutzutage Auflösungen bis etwa 105 d. Je nach Bauform der DMS-Wägezelle und Anwendungsbereich der Waage gibt es eine Vielzahl von möglichen
1 Kraft, Masse, Drehmoment
77
Abb. 1.20. Prinzipieller Aufbau einer Waage mit DMS-Doppelbiegebalken [1.76] (Erläuterungen im Text)
Waagenkonstruktionen; weitere Beispiele würden jedoch den Rahmen sprengen, so dass auf weiterführende Literatur verwiesen wird [1.32, 1.35, 1.36]. 1.3.2.4 Anwendungen und praktische Aspekte DMS-Wägezellen benötigen ein sehr geringes Einbauvolumen; auf Hebelwerke kann in der Regel verzichtet werden. Dies ist besonders vorteilhaft für den Bau von Kranwaagen, Hängebahnwaagen, großen Behälterwaagen und Straßenfahrzeugwaagen. Hermetisch metallisch gekapselte oder anders geschützte DMS-Wägezellen sind auch bei hoher Luftfeuchte langzeitstabil [1.37]. Verschmutzungen sind relativ unkritisch, abgesehen von aggressiven Medien oder mechanischen Klemmungen der Waagenbrücke. Der für den Wägebereich der Waage ausgenutzte Messbereich (Anwendungsbereich) einer DMS-Wägezelle darf in der Regel bis auf 30%, in einigen Fällen sogar bis auf 15% der Nennlast der Wägezelle reduziert werden, ohne dass die gegebene Anzahl der Teilungswerte nLC vermindert werden muss. Auf diese Weise wird ein hoher Schutz gegen mechanische Überlastung erreicht. DMS-Wägezellen sind i.d.R. so ausgelegt, dass sie bis zu mindestens 150% ihrer Nennlast Emax belastet werden können. Die gegenwärtige Entwicklung bei DMS-Wägezellen ist von der Verbesserung der messtechnischen Eigenschaften bei gleichzeitiger Senkung der Herstellungskosten geprägt. Die Nennlasten handelsüblicher DMS-Wägezellen reichen von ca. 5 kg bis etwa 500 t; berücksichtigt man Sonderfälle, so erweitert sich dieser Bereich sogar auf ca. 0,5 kg bis über 1000 t. Stand der Technik für Standardanwendungen sind DMS-Wägezellen der Klasse C mit nLC = 3000; für höhere Genauigkeitsanforderungen stehen DMS-Wägezellen bis zu nLC = 6000 zur Verfügung. Einige wenige DMS-Wägezellen-Typen erfüllen bereits die Anforderungen für nLC = 10 000, wobei die Wägezellen im gesamten Temperaturbereich von –10 °C bis +40 °C die Fehlergrenzen nach OIML-R60 einhalten. Aus Kostengründen werden für Ladentischwaagen meist DMS-Wägezellen aus legiertem Aluminium mit integrierten Führungen (Plattform-Wägezellen oder Single-Point-Wägezellen) hergestellt, die ohne große Messabweichungen Torsionsmomente aufnehmen kön-
78
Teil B
Sensoren
nen, so dass auf weitere Lenker oder Führungen in der Waage verzichtet werden kann [1.37]. 1.3.3 EMK-Wägezellen 1.3.3.1 Grundlagen und Eigenschaften Bei der elektromagnetisch-kraftkompensierten (EMK-) Wägezelle werden Änderungen der Gewichtskraft in proportionale Stromänderungen umgewandelt. Die prinzipielle Funktionsweise einer Waage mit EMK-Wägezelle soll anhand von Abb. 1.21 erläutert werden. Der Lastaufnehmer (1) ist durch ein Parallel-Lenkerpaar (2, 3), das über zwei robuste Federgelenke (4,5) gelagert ist, mit der am Hebel befestigten Spule (6) verbunden. Die von der Masse des Wägegutes ausgeübte Gewichtskraft wird durch die elektromagnetische Kraft der stromdurchflossenen Spule (6) kompensiert, die sich im Spalt eines Permanentmagneten (7) befindet. Mit Hilfe eines optischen Positionsdetektors am Ende des Hebels wird der Spulenstrom in einem Regelkreis so geregelt, dass der Hebel unabhängig von der Belastung immer dieselbe Position einnimmt. In den Regelkreis ist ein Präzisionswiderstand (8) integriert, an dem das lastproportionale Signal abgegriffen, über einen A/D-Wandler (9) und Mikroprozessor (10) weiterverarbeitet und schließlich zur Anzeige (11) gebracht wird. Moderne Laborwaagen mit EMK-Wägezellen erreichen heutzutage im Proportionalbetrieb (Direktablesung, s. Kurve „EMK-P“ in Abb. 1.1) im Höchstlastbereich von etwa 100 g bis 10 kg relative Messunsicherheiten von etwa 1⋅10-6, mit sog. Komparatorwaagen bzw. Massekomparatoren werden mit Substitutionswägungen (Vergleich mit einem Referenznormal, s. Kurve „EMK-K“ in Abb. 1.1) so-
Abb. 1.21. Funktionsprinzip einer Waage mit EMK-Wägezelle [1.76] (Erläuterungen im Text)
1 Kraft, Masse, Drehmoment
79
Abb. 1.22. Ansicht einer Monolith-EMK-Wägezelle mit Winkelhebelsystem (Werkfoto Sartorius)
gar relative Messunsicherheiten von 1⋅10-8 und darunter erreicht. Für Feinwaagen (Klasse I) kommen ausschließlich, für Präzisionswaagen (Klasse II) nahezu ausschließlich EMK-Wägezellen mit Höchstlasten bis maximal 50 kg in Frage. Es gibt weit über 100 verschiedene, kommerzielle, eichfähige EMK-Wägezellentypen [1.37]; die Tendenz geht zu monolithischen, d. h. aus einem Stück hergestellten, EMK-Wägezellen, s. Abb. 1.22. 1.3.3.2 Anwendungen und praktische Aspekte EMK-Wägezellen mit extrem hohen Auflösungen sind nur unter stabilen Umgebungsbedingungen sinnvoll einsetzbar; so ist z. B. für Massekomparatoren ein klimatisierter Messraum mit einer Temperaturstabilität von mindestens ± 0,2 K erforderlich und es sind neben der Temperatur einige weitere Einflussgrößen zu berücksichtigen wie z. B. Luftauftrieb, magnetische und elektrostatische Einflüsse, Konvektion [1.33, 1.35, 1.65]. Eichfähige Feinwaagen müssen die messtechnischen Anforderungen in einem Temperaturbereich von mindestens ± 2,5 K erfüllen, während für Präzisionswaagen ein Mindestbereich von ± 7,5 K vorgeschrieben ist [1.10, 1.23, 1.46, 1.55]. Um relative Messunsicherheiten von ≤1⋅10-5 zu erzielen, müssen Fein- und Präzisionswaagen regelmäßig entweder mit einem fest eingebauten (internen) Justiergewicht oder mit einem externen Massenormal justiert werden. EMK-Wägezellen werden aber auch für Industrie- und Handelswaagen (Klasse III) mit Höchstlasten bis zu maximal 10 t eingesetzt. Ab Höchstlasten von etwa 10 kg bis maximal etwa 50 kg ist eine Direktbelastung nicht mehr möglich und es müssen hybride Konstruktionen mit Hebelwerk gewählt werden (s. Kurve „EMK-H“ in Abb. 1.1), die die relativen Messunsicherheiten auf etwas weniger als 1⋅10-4 begrenzen [1.37]. Die obere Grenze von etwa 10 t hat ihre praktischen Gründe darin, dass hier die Einsatzbedingungen meist nicht mehr stabil genug sind und auch
80
Teil B
Sensoren
keine genügend genauen Massenormale zur Justierung mehr zur Verfügung stehen [1.37]. Besonders geeignet sind EMK-Wägezellen auch für den Einsatz in selbsttätigen Waagen mit dynamischer Wägung wie z. B. selbsttätigen Kontrollwaagen. Hier haben sich für den Wägebereich von etwa 10 g bis 5 kg insbesondere Monolith-Bauarten mit integriertem Lenk- und Hebelsystem sowie Überlastfedern mit Auflösungen bis zu 105 d bewährt. Auch für sog. Mehrteilungswaagen [1.46] sind EMK-Wägezellen gut geeignet. 1.3.4 Resonator-Wägezellen Die Eigenfrequenz f einer eingespannten Saite (Schwingsaiten-Wägezelle) oder einer „Stimmgabel“ (Stimmgabel-Wägezelle) hängt von der Spannkraft F ab. Für eine ideal biegeweiche, homogene Saite gilt [1.8, 1.9, 1.37, 1.69, 1.72]: f = 0,5 ⋅ [F / (l ⋅ m)]1/2
(1.8)
Hier ist l die Länge und m die Masse der schwingenden Saite. Die Resonanzfrequenz f ist demnach proportional zur Wurzel der Spannkraft F. Mit geeigneten Konstruktionen ist es möglich, die Gewichtskraft der zu bestimmenden Masse in eine Änderung der Spannkraft und damit in eine Frequenzänderung umzusetzen. Abbildung 1.23 zeigt das Funktionsprinzip [1.37]. Die Kraft F ruft eine Dehnung der metallischen Schwingsaite hervor. Diese befindet sich in einem durch Permanentmagnete erzeugten Magnetfeld. Durch die Saite fließt ein Wechselstrom i(t), der diese mit ihrer Eigenfrequenz ins Schwingen bringt bzw. am Schwingen hält. Hierdurch wird im Magnetfeld die lastabhängige Spannung u(t) induziert, die wiederum mit Hilfe einer Elektronik zur Nachregelung der Frequenz des Erregerstroms i(t) verwendet wird. Nach Kompensation des Temperaturfehlers fT mit Hilfe des Temperaturfühlers Θ ist die Eigenfrequenz fW des Schwingkreises ein Maß für die wirkende Kraft F. Vorteile von Resonator-Wägezellen sind die direkte Umsetzung der zu messenden Kraft in ein digitales Messsignal, hohe Auflösungen bis zu 106 d, kurze Messzeiten (≥ 30 ms), hohe Langzeitstabilität, geringe Hysterese, geringes Kriechen, Unempfindlichkeit gegenüber Umgebungsvibrationen. Dies macht sie besonders geeignet für AnwenAbb. 1.23. Funktionsprinzip einer Schwingsaiten-Wägezelle [1.8] (Erläuterungen im Text)
1 Kraft, Masse, Drehmoment
81
Abb. 1.24. Ansicht einer handelsüblichen Schwingsaiten-Wägezelle (Werkfoto Pesa)
dungen, die hohe Auflösungen unter ungünstigen Umgebungsbedingungen (Vibration, elektromagnetische Störeinflüsse) verlangen wie z. B. die Dosierung von Schüttgütern in Dosieranlagen [1.8]. Schwingsaiten-Wägezellen werden als 1-Saiten- und 2-Saiten-Wägezellen hergestellt, s. Abb. 1.24. Besondere Vorteile der 2-Saiten-Wägezelle sind die Unabhängigkeit des Ausgangssignals von der örtlichen Fallbeschleunigung durch Vorspannung der Saiten mit einer Referenzmasse sowie die Unabhängigkeit von Schrägstellungen und die Temperaturunempfindlichkeit [1.9]. Typische Kenndaten von Schwingsaiten-Wägezellen sind: Resonanzfrequenz f = 15 kHz, Frequenzänderung bei Belastung ∆f/m = 1 kHz⋅kg-1, Kriechfehler und Hysterese ≥1,5⋅10-4 (Nennlast), relative Linearitätsabweichung ≥1⋅10-4, Reproduzierbarkeit ≥8⋅10-5, TK0 = 5⋅10-4 K-1, TKsens = 2⋅10-4 K-1. Schwingsaiten-Wägezellen werden für den Nennlastbereich 3 kg bis 1500 kg angeboten. Eichfähige Versionen sind mit bis zu nLC = 6000 zugelassen. Schwingsaiten-Wägezellen eignen sich insbesondere für folgende Anwendungen: Dynamische Wägungen mit Bandwägesystemen (Sortierbandanlagen), Kontrollwaagen, Preisauszeichnungswaagen, neigungsunabhängige, fahrzeugmontierte Postwaagen, Präzisionswägungen unter schwierigen Umgebungsbedingungen (Vibration, Schrägstellung), Erntesysteme (Ernteleistungserfassung) und Hängewaagen.
1.4 Drehmomentmessung 1.4.1 Einführung und Übersicht Das Drehmoment M ist definiert als das Produkt des Hebelarms r und der an ihm angreifenden Kraft F: M=rxF
(1.9)
Das Drehmoment als Kreuzprodukt zweier Vektoren ist selbst eine vektorielle Größe. Seine Maßeinheit ist das Newtonmeter (N⋅m). Zur Kalibrierung von Dreh-
82
Teil B
Sensoren
momentaufnehmern werden spezielle Kalibrier- oder Normalmesseinrichtungen verwendet, die mittels Massenormalen und bekanntem Hebelarm ein definiertes (statisches) Drehmoment erzeugen [1.50, 1.51, 1.64, 1.72]. In der Praxis werden meist kalibrierte Referenzaufnehmer verwendet, mit denen zu kalibrierende Drehmomentaufnehmer in speziellen Kalibriereinrichtungen kontinuierlich kalibriert werden. Abbildung 1.25 zeigt die 2-kN⋅m-Drehmoment-Kalibriereinrichtung der PTB, mit der Drehmomentaufnehmer im Bereich von 1 N⋅m bis 2 kN⋅m mit einer relativen Messunsicherheit von 2⋅10-4 kalibriert werden können. In der Praxis spielt bei allen Drehmomentmessungen die Beherrschung von überlagerten Querkräften und -momenten eine wichtige Rolle, um ein möglichst „reines“ Drehmoment zu erhalten [1.50, 1.72]. Hierzu ist der Einsatz von speziellen, geeigneten Kupplungen und Elementen zur Ausgleichung von Radial-, Axial- und Winkelversätzen unerlässlich [1.64]. Ohne geeignete, biegeweiche oder ausgleichende Kupplungen können Fehlmessungen, Überlastungen und sogar frühzeitige Ausfälle von Drehmomentaufnehmern die Folge sein. Das genaue Messen von Drehmomenten hat in vielen Industriezweigen, wie z. B. der Kfz-Industrie, der Chemie- und Lebensmittelindustrie, der Prozessüberwachung und der Antriebs- und Fördertechnik, erheblich an Bedeutung gewonnen [1.64]. Insbesondere bei der Verbrennungsmotoren- und Getriebeentwicklung ist das Drehmoment als Maß für die Leistung eine Schlüsselgröße. So werden heutzutage bei Motorenprüfständen zunehmend Aktionsmomente mittels rotierender Drehmomentaufnehmer gemessen, während noch vor wenigen Jahren ausschließlich Reaktionsmomente messende Bremsen eingesetzt wurden. Die Gründe für die gewachsene Bedeutung von Drehmomentmessungen sind im gestiege-
Abb. 1.25. 2-kN · m-Drehmoment-Kalibriereinrichtung der PTB (Foto: PTB-Bildstelle)
1 Kraft, Masse, Drehmoment
83
nen Umweltbewusstsein und in den höheren Energiekosten zu suchen, so dass es sich heutzutage bei vielen Anwendungen lohnt, Wirkungsgrade mittels teilweise aufwendiger Drehmomentmessung zu optimieren. Hinzugekommen sind gestiegene Anforderungen an Qualitätssicherungsmaßnahmen für Entwicklung und Produktion. Als Folge dieser Entwicklung sind seit 1997 auch eine Reihe von DINNormen, DKD-Richtlinien und europäischen Richtlinien zur Kalibrierung von Drehmomentmessgeräten veröffentlicht worden [1.47, 1.58, 1.60]. Grundsätzlich sind folgende Methoden zur Messung bzw. Ermittlung von Drehmomenten geeignet [1.64]: 1. Messung des Aktionsdrehmomentes in der rotierenden Welle, 2. Messung des Reaktionsmomentes am Hebelarm, 3. Indirekte Ermittlung aus der elektrischen Leistung. Die wichtigsten Methoden und Messprinzipien sowie typische Kenndaten handelsüblicher Drehmomentaufnehmer sind in Tabelle 1.3 zusammengestellt; sie werden im Folgenden näher erläutert.
Tabelle 1.3. Wichtigste Prinzipien und Methoden zur Drehmomentmessung sowie typische Kenndaten handelsüblicher Drehmomentaufnehmer Folien-DMS Berührungslose Übertragung
Folien-DMS SchleifringÜbertragung
Torsionswinkelmessung
Piezoelektr. Aufnehmer
Reaktionsmomentmessung
Nennbereich/N·m
0,2 ... 20 000
2 ... 1 000
0,02 ... 20 (1 ... 50 000)
1 ... 500
0,5 ... 10 000
Max. Drehzahl/min-1
4 000 ... 50 000*
4 000
10 000
–
–
Nenntemperaturber./ °C
+10 ... +60
+ 5 ... +50
0 ... +65
-100 ... +200
-5 ... +50
Reproduzierbarkeit/%
t 0,1
t 0,1
t 0,1
t 0,5
t 0,1
Rel. Linearitätsabw./%
t 0,2
t 0,2
t 0,3
t1
t 0,2
Rel. Umkehrspanne/% (Hysterese)
t 0,2
t 0,1
t 0,2
t1
t 0,2
Rel. Messunsicherheit
t 2·10-3
t 2·10-3
t 3·10-3
t 1·10-2
t 3·10-3
TK-Null/10-4 K-1
t 0,5
t1
t3
t2
t1
TK-Sens./10-4 K-1
t1
t 1,5
t3
t2
t 0,3
* abhängig vom Nenndrehmoment
84
Teil B
Sensoren
1.4.2 Messung des Aktionsdrehmomentes Diese genaueste Messmethode hat mittlerweile die größte praktische Bedeutung erlangt. Hier wird die durch Torsionsbeanspruchung in der Welle hervorgerufene elastische Verformung direkt gemessen, s. Abb. 1.26. Die Aktionsmomentmessung kann zur Überwachung der Verformung dienen, aber auch zur Signalgewinnung für Prozesssteuerungen oder andere Messzwecke. Wesentliche Vorteile dieser Methode sind die Möglichkeit zur Störgrößenkompensation, die hohe Messgenauigkeit und die Eignung für dynamische Messungen. Die Verformung kann mit unterschiedlichen Messprinzipien erfasst werden; die wichtigsten sind [1.15, 1.72]: – DMS-Methode: Mit 45° und 135° zur Drehachse applizierten DMS-Folien werden die Schubdehnungen der Welle gemessen. – Induktive / kapazitive Torsionswinkel-Methode: Mit einer auf der Welle fest angebrachten Scheibe wird die durch Verdrillung einer Torsionsstrecke hervorgerufene Weg-(Winkel-) änderung induktiv / kapazitiv, z. B. mit einem Tauchankeraufnehmer bzw. kapazitiven Wegsensor gemessen. – Piezoelektrische Methode: Sie nutzt den Schubeffekt bei Quarzen. – Wirbelstrom-Methode: Sie erfasst die Impedanzänderungen durch die Verdrehung von Wirbelstromfeldern. – Oberflächenwellensensoren (OFW, SAW): Hier wird die Zeitverzögerung bei der Reflexion eines hochfrequenten Abfrageimpulses als Maß für die Torsion der Welle genutzt. Dynamische Messungen des Aktionsmomentes erfordern ein System, mit dem die Versorgungsspannung für den Sensor auf den Rotor übertragen und dessen Messsignal zum Stator abgeführt werden kann. Die Übertragung kann mit Schleifringen (berührend) oder mit frequenz- (FM) oder amplitudenmodulierten (AM) Signalen (berührungslos, z. B. induktiv oder kapazitiv) erfolgen; ein Beispiel zeigt Abb. 1.27. Die Übertragung mit Schleifringen hat den Vorteil, dass sie relativ preiswert ist und die dynamischen Eigenschaften nicht beschränkt. Nachteilig ist der Verschleiß und die Beschränkung auf Drehzahlen bis maximal 4000 min-1. Berührungslose Übertragungssysteme werden überwiegend für Drehmomentaufnehmer einge-
Abb. 1.26. Prinzip der Aktionsmomentmessung mit Drehmomentaufnehmer im Wellenstrang [1.64]
1 Kraft, Masse, Drehmoment
85
Abb. 1.27. Prinzip der berührungslosen (induktiven) Übertragung bei dynamischen Aktionsmomentmessungen [1.64]
setzt, die für Langzeitbetrieb und hohe Drehzahlen (bis zu 50000 min-1) vorgesehen sind, während Schleifringsysteme wegen der regelmäßig erforderlichen Wartung für Kurzzeitbetrieb und mittlere Drehzahlen prädestiniert sind [1.64]. 1.4.3 DMS-Drehmomentaufnehmer DMS-Drehmomentaufnehmer haben die größte praktische Bedeutung. Sie werden zur Qualitätssicherung, Automatisierung von Prozessabläufen, Leistungsmessung in Motorenprüfständen sowie in Forschung und Entwicklung eingesetzt. DMS-Drehmomentaufnehmer arbeiten nach denselben Prinzipien wie DMSKraftaufnehmer (meist als Vollbrücken mit DMS-Folien, s. Abschn. 1.2.2), sind allerdings in Form und Anordnung den speziellen Anforderungen an die Messung von Schubspannungen angepasst. Abbildung 1.28 zeigt gängige Messkörperformen von DMS-Drehmomentaufnehmern. Mit Voll-, Hohl- und Vierkantwellen können Querkräfte und-momente minimiert und „reine“ Torsionsbeanspruchungen weitgehend angenähert werden. Rohrförmige Messkörper bieten bei gleicher tragender Querschnittsfläche eine höhere Biegesteifigkeit. Bei besonders kurzen Messkörperformen, wie solchen mit Speichen und Käfigen, erzeugt das eingeleitete Drehmoment eine lokale Biegebeanspruchung von Teilelementen. Zur Messung kleiner Biegemomente bieten sich speziell kreuzförmig ausgebildete Messkörper an, die den Vorteil hoher Dehnungen bei großer Biegesteifigkeit besitzen. Speziell für Leistungsprüfstände wur-
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Teil B
Sensoren
Abb. 1.28. Gängige Messkörperformen von DMS-Drehmomentaufnehmern [1.64]
Abb. 1.29. Ansicht eines DMSDrehmomentaufnehmers mit berührungsloser Signalübertragung (Nenndrehmoment 5 N · m; max. Drehzahl 10000 min-1) (Werkfoto HBM)
den in den letzten Jahren neue Drehmomentaufnehmer nach dem radialen und axialen Schub-(„Scher“) – Prinzip entwickelt [1.64]. Sie weisen besonders hohe Steifigkeit quer zur Messrichtung und sehr geringe Empfindlichkeit gegenüber parasitären Querkräften und Biegemomenten auf. Mit DMS-Drehmomentaufneh-
1 Kraft, Masse, Drehmoment
87
mern lassen sich im Nennbereich von 0,2 N⋅m bis etwa 20 kN⋅m relative Messunsicherheiten bis zu 2⋅10-3 erreichen. Sie eignen sich sowohl für statische als auch für dynamische Messungen. Abbildung 1.29 zeigt einen handelsüblichen DMSDrehmomentaufnehmer mit berührungsloser Signalübertragung. 1.4.4 Andere Aufnehmer zur Messung des Aktionsmomentes Induktive Torsionswinkel-Drehmomentaufnehmer haben meist relativ hohe Ausgangssignale bis zu 6 mV/V. Je nach Bauform werden sie entweder für kleine Nennwerte von ca. 0,02 N⋅m bis 20 N⋅m oder auch bis zu maximal 50 kN⋅m angeboten. Bei Torsionswinkeln von maximal 0,25° sind sie sowohl für statische als auch für dynamische Messungen geeignet [1.72]. Es werden je nach Bauform relative Messunsicherheiten von 3⋅10-3 bis 5⋅10-3 erreicht. Mit piezoelektrischen Aufnehmern, s. Abb. 1.30, werden für quasistatische Anwendungen relative Messunsicherheiten bis zu 1⋅10-2 für Nennwerte von 1 N⋅m bis maximal etwa 500 N⋅m erreicht (s. Tabelle 1.3). Piezoelektrische Drehmomentaufnehmer werden wegen ihrer kompakten Bauform häufig zur Überwachung mechanischer Bearbeitungsvorgänge eingesetzt. Hierbei spielt der Nachteil, dass keine statischen Messungen möglich sind, keine Rolle. Drehmomentaufnehmer nach dem Wirbelstromprinzip erreichen ebenfalls relative Messunsicherheiten bis zu 5⋅10-3 für Nennwerte von ca. 1 N⋅m bis maximal 1 kN⋅m. Ihr messprinzipbedingter Vorteil ist, dass sie berührungslos arbeiten, keine aufwendige Übertragung erfordern und somit relativ kostengünstig sind [1.72]. 1.4.5 Messung des Reaktionsdrehmomentes Hier wird das Drehmoment außerhalb des Wellenstrangs aus der ortsfesten Reaktionskraft an einem Hebelarm ermittelt [1.64, 1.72]. Von Vorteil ist der relativ einfache Messaufbau, da keine Messwertübertragung zwischen Rotor und Stator erforderlich ist. Nachteile dieser Methode sind die relativ aufwendige Mechanik, die Berücksichtigung von Temperatureinflüssen und Langzeitänderungen durch Lagerreibung; auch sind dynamische Untersuchungen praktisch nicht möglich. Anwendungsschwerpunkte sind z. B. pendelnd aufgehängte WirbelstrombremAbb. 1.30. Handelsübliche piezoelektrische ReaktionsmomentAufnehmer (Messbereich ±10/ ±25/ ±120 N · m; Durchmesser 30/ 36/ 54 mm; Gesamthöhe 34/ 42/ 60 mm) (Werkfoto Kistler)
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sen zur Leistungsermittlung von Motoren, Viskositätsbestimmungen von Medien über die Abstützkraft eines Motors in einem Rührwerk, Reaktionsmomentmessungen bei Druckluft- und Elektroschraubern. Mit Reaktionskraftmessungen lassen sich im Nennbereich von 0,5 N⋅m bis etwa 10 kN⋅m relative Messunsicherheiten bis zu 3⋅10-3 erreichen. 1.4.6 Indirekte Ermittlung aus der elektrischen Leistung Drehmomente können auch indirekt aus der elektrischen Leistung und der Drehzahl ermittelt werden. Beide Größen sind relativ leicht zu messen, allerdings können bei der Berechnung des Drehmomentes aufgrund von Verlustleistungen und unbekannten Einflussgrößen erhebliche Fehler entstehen. Zur Reduzierung dieser Fehler können DMS-Transferaufnehmer verwendet werden, mit denen die Antriebsstränge elektrischer Maschinen kalibriert werden. Hauptanwendungsgebiete dieser indirekten Methode ist die Prozessüberwachung von mechanischen Rühr- und Mischwerken oder Knetern [1.64].
Literatur 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8
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1 Kraft, Masse, Drehmoment
89
1.14 Hinderer H (1974) Die Kreiselwaage – ein neuartiges Wägeprinzip. wägen + dosieren, S 102–104 1.15 Hoffmann J (Hrsg) (2002) Taschenbuch der Messtechnik. Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag München Wien, 3. Aufl 1.16 Hoffmann K (1987, Neuaufl 2000) Eine Einführung in die Technik des Messens mit Dehnungsmessstreifen. Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH, Darmstadt 1.17 Holzapfel W, Finnemann M (1993) High-resolution force sensing by a diodepumped Nd:YAG laser. Optics Letters 18, No 23:2062–2064 1.18 Holzapfel W (2000) Hochauflösende, breitbandige Kraftmessungen mit Laserwandlern. wägen, dosieren+mischen 6:6–13 1.19 International Recommendation OIML R 50-1 (1997) Continuous totalizing automatic weighing instruments (belt weighers), Part 1: Metrological and technical requirements – Tests. OIML, Paris Deutsche Fassung: DIN 8132 (2004): Selbsttätige Waagen zum kontinuierlichen Totalisieren – Förderbandwaagen (FBW). Metrologische und technische Anforderungen – Prüfung. Beuth, Berlin 1.20 International Recommendation OIML R 51-1 (1996): Automatic catchweighing instruments, Part 1: Metrological and technical requirements – Tests. OIML, Paris Deutsche Fassung: DIN 8128-1 (2004): Selbsttätige Waagen für Einzelwägungen, Teil 1: Metrologische und technische Anforderungen – Prüfung. Beuth, Berlin 1.21 International Recommendation OIML R 60 (2000) Metrological Regulations for Load Cells. OIML, Paris 1.22 International Recommendation OIML R 61-1 (2004):Automatic gravimetric filling instruments, Part 1: Metrological and technical requirements – Tests. OIML, Paris Deutsche Fassung: DIN 8131 (Entw 2001) Selbsttätige Waagen zum Abwägen (SWA). Metrologische und technische Anforderungen – Prüfung. Beuth, Berlin 1.23 International Recommendation OIML R 76-1 (1992) Non-automatic weighing instruments, Part 1: Metrological and technical requirements – Tests. OIML, Paris 1.24 International Recommendation OIML R 106-1 (1997): Automatic rail-weighbridges, Part 1: Metrological and technical requirements – Tests. OIML, Paris Deutsche Fassung: DIN 8129 (2004) Selbsttätige Gleiswaagen (SGW). Metrologische und technische Anforderungen – Prüfung. Beuth, Berlin 1.25 International Recommendation OIML R 107-1 (1997): Discontinuous totalizing automatic weighing instruments (totalizing hopper weighers), Part 1: Metrological and technical requirements – Tests. OIML, Paris Deutsche Fassung: DIN 8130 (2004): Selbsttätige Waagen zum diskontinuierlichen Totalisieren (totalisierende Behälterwaagen) (SWT). Metrologische und technische Anforderungen – Prüfung. Beuth, Berlin 1.26 International Recommendation OIML R 134-1 (2003) Automatic instruments for weighing road vehicles in motion. Total vehicle weighing. OIML, Paris 1.27 Jäger G (1983) Elektronische interferentielle Kraftsensoren und ihre Anwendung in Wägezellen. Feingerätetechnik 32, Berlin, S 243–245 1.28 Jäger G (1985) Interferenzoptische Kraftsensoren – eine neue Konzeption für die Kraftmess- und Wägetechnik. Techn. Messen 52, S 317–320 1.29 Jäger G, Füßl R, Gerhardt U (1999) Optical Interference Force Measuring and Weighing Cells for the Dynamic Weighing of Small Loads. Proc. 15th IMEKO World Congress, Osaka, Japan Vol III, S 39–42
90
Teil B
Sensoren
1.30 Kobusch M (2001) Zur dynamischen Kraftmessung mit monolithischen Laserkristallen. Dissertation, Universität Kassel 1.31 Kobusch M, Bruns T (2003) The New Impact Force Machine at PTB. Proc 17th IMEKO World Congress, Dubrovnik 1.32 Kochsiek M (Hrsg) (1989) Handbuch des Wägens. Vieweg, Braunschweig Wiesbaden, 2. Aufl 1.33 Kochsiek M (1991) Mettler-Toledo: Grundlagen der Massebestimmung. MettlerToledo AG, Greifensee, Schweiz 1.34 Kochsiek M (1993) Mettler-Toledo Wägelexikon. Mettler-Toledo AG, Greifensee, Schweiz 1.35 Kochsiek M, Gläser M (Hrsg) (1997) Massebestimmung. VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim 1.36 Kochsiek M, Gläser M (Hrsg) (2000) Comprehensive Mass Metrology. WileyVCH, Berlin 1.37 Kochsiek M, Meißner B (2001) Wägesensorik – Prinzipien, Genauigkeit, praktischer Einsatz für (eichfähige) Waagen. In: Vetter G (Hrsg) Handbuch Dosieren. Vulkan-Verlag, Essen, 2. Aufl, S 246–272 1.38 Kumme R (1996) Untersuchungen eines direkten Verfahrens zur dynamischen Kalibrierung von Kraftmeßgeräten – ein Beitrag zur Verringerung der Meßunsicherheit. PTB-Bericht MA-48, Dissertation, Technische Universität Braunschweig 1.39 Kumme R (1997) The main influences on the dynamic properties of force measuring devices. In: Proc 14th IMEKO World Congress, Tampere, Vol. III, S 102–107 1.40 Kumme R (2000) Dynamic force measurement in practical applications. In: Proc 16th IMEKO World Congress, Wien, Vol. III, S 145–150 1.41 Laible M, Müller R K, Bill B, Gehrke K (2002) Mechanische Größen elektrisch gemessen. expert Verlag, Renningen, 5. Aufl 1.42 Mack O (2001) New procedures to characterize drift and non-linear effects of piezoelectric force sensors. Proc IMEKO TC3 Conference, Istanbul, S 141–148 1.43 Martini K H (1988) Mehrkomponenten-Dynamometer mit Quarzkristall-Kraftmesselementen. Technische Druck- und Kraftmessung, Expert, Esslingen, S 148ff 1.44 Norm DIN 13316 (1980) Mechanik ideal elastischer Körper – Begriffe, Größen, Formelzeichen. Beuth, Berlin 1.45 Norm DIN EN ISO 376 (2003) Kalibrierung der Kraftmessgeräte für die Prüfung von Prüfmaschinen mit einachsiger Beanspruchung. Beuth, Berlin 1.46 Norm DIN EN 45501 (1992) Metrologische Aspekte nichtselbsttätiger Waagen. Beuth, Berlin 1.47 Norm DIN 51309 (1998) Kalibrierung von Drehmomentmessgeräten für statische Drehmomente. Beuth, Berlin 1.48 Niehe (2002) Längenmessverfahren für die Wägetechnik – Prinzipien und Potential. wägen, dosieren+mischen, H 5, S 13–18 1.49 Nordvall J O (1995) New Magnetoelastic Load Cells for High Precision Force Measurement and Weighing. In: Robinson, G M: The Influence of Contact Stresses on Cylindrical Strain Gauge Load Cells, Proc 14th IMEKO TC3 Conference, Warschau, S 5–9 1.50 Peschel D (1993) Mechanical Parasitic Components and Their Influence on the Calibration of Torque Transducers. Proc 3th IMEKO TC3 Conference, Helsinki, S 91–96
1 Kraft, Masse, Drehmoment
91
1.51 Peschel D (1997) The State of the Art and Future Development of Metrology in the Field of Torque Measurement in Germany. Proc 13th IMEKO World Congress, Tampere, Vol III, S 65–71 1.52 Peters M (1991) Force. In: Landolt-Börnstein, Teilband a: Einheiten in Physik und Chemie. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York, S 2-143-2-151 1.53 Profos P, Pfeifer T (Hrsg) (1997) Grundlagen der Meßtechnik. R. Oldenbourg Verlag, München 1.54 Prüfanweisung GM-P9 (2002) Kap 5.3: Besondere Vorschriften für Waagen, deren Messergebnis von der Fallbeschleunigung abhängig ist. Deutsche Akademie für Metrologie, München 1.55 Richtlinie des Rates 90/384/EWG (1990) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über nichtselbsttätige Waagen. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L189/1, 20.7.1990 1.56 Richtlinie DKD-4 (1991) Rückführung von Prüfmitteln auf nationale Normale. Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig 1.57 Richtlinie DKD-R 3-3 (1996) Kalibrierung von Kraftmessgeräten. PhysikalischTechnische Bundesanstalt, Braunschweig 1.58 Richtlinie DKD-R 3-5 (1998) Kalbrierung von Drehmomentmessgeräten für statische Wechseldrehmomente. Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig 1.59 Richtlinie DKD-R 7-1 (1998) Kalibrierung elektronischer nichtselbsttätiger Waagen. Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig 1.60 Richtlinie EA-10/14 (2000) EA Guidelines on the Calibration of Static Torque Measuring Devices 1.61 Richtlinie VDI/VDE 2637 (1978) Wägezellen, Kenngrößen. Beuth, Berlin 1.62 Richtlinie VDI/VDE 2638 (1989) Kenngrößen für Kraftaufnehmer, Begriffe und Definitionen. Beuth, Berlin 1.63 Sawla A (1996) Kraftskala, Messen von Kräften. In: Kohlrausch – Praktische Physik, Bd 1, 24. Aufl, Teubner, Stuttgart, S 133–137 1.64 Schicker R, Wegener G (2002) Drehmoment richtig messen. Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH, Darmstadt 1.65 Schwartz R (1995) Guide to Mass Determination with High Accuracy. PTB-Bericht MA-40 1.66 Schwartz R (2002) Selbsttätiges Wägen – Messprinzipien, Anwendungen und Entwicklungen. wägen, dosieren + mischen, Heft 6, S 9–20 1.67 Schwartz R, Mack O (2002) Möglichkeiten und Grenzen piezoelektrischer Kraftaufnehmer in der Kraftmess- und Wägetechnik. In: Kern H (Hrsg) Tagungsband 47. Internationales Wissenschaftliches Kolloquium, Technische Universität Ilmenau, S 522–523 1.68 Schwartz R, Lindau A (2003) Das europäische Gravitationszonenkonzept für eichpflichtige Waagen. PTB-Mitteilungen 113, S 35–42 1.69 Seibt A (1995) Fortschritte bei Saiten-Wägezellen. In: Robinson, G M: The Influence of Contact Stresses on Cylindrical Strain Gauge Load Cells, Proc. 14 th IMEKO TC3 Conference, Warschau, S 150–153 1.70 SI-Basiseinheiten (2003) Sonderdruck aus PTB-Mitteilungen 112 (2002) H 4 und PTB-Mitteilungen 113 (2003) H 1 1.71 Tichy J, Gautschi G (1980) Piezoelektrische Messtechnik. Springer, Berlin Heidelberg New York
92
Teil B
Sensoren
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2 Druck, Differenzdruck Bernhard Gerdes
In industriellen Prozessen ist der Druck nach der Temperatur die am häufigsten gemessene Größe. Eine zuverlässige Druckmessung bei Flüssigkeiten und Gasen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, Verfahrensabläufe zu verbessern sowie den Energie- und Rohstoffeinsatz zu optimieren. Überall dort, wo Flüssigkeiten oder Gase bewegt, gespeichert oder verarbeitet werden, ist es notwendig, die Werte Druck, Druckdifferenz und Druckabfall exakt und zuverlässig zu messen. Es sind deshalb hohe Anforderungen an die Druckmessgeräte zu stellen. Im Zuge der Automatisierung haben sich folgende elektrische Übertragungssysteme etabliert: – eingeprägter Strom in Zweileitertechnik 4…20 mA, meistens mit überlagertem digitalem Kommunikationssignal zur Konfiguration (HART Protokoll), – Profibus PA, – Fieldbus Foundation. Für die Druckmessung stehen verschiedene Messverfahren zur Verfügung: – Flüssigkeitsmanometer, – Kolbenmanometer, – Federmanometer, – Druckmessumformer mit elektrischen Drucksensoren. Hier sollen ausschließlich die elektrischen Druckmessumformer beschrieben werden.
2.1 Druck in Gasen und Flüssigkeiten [2.1] Der Druck ist der Quotient aus der Kraft, die senkrecht auf eine Fläche wirkt. Die Gleichung für den Druck p lautet: p =F/A,
(2.1)
mit F als Kraft senkrecht zur Fläche A. Diese Gleichung gilt für jeden Druck in festen, flüssigen und gasförmigen Körpern. Der Druck ist keine vektorielle Größe. Er hat keine bestimmte Richtung.
94
Teil B
Sensoren
2.1.1 Druckarten Der Überdruck pü wird bezogen auf den Luftdruck patm. pü > patm: Überdruck pü < patm: Negativer Überdruck oder auch Unterdruck. Der Absolutdruck pabs wird bezogen auf den absolut leeren Raum (Weltall). Im leeren Raum befinden sich keine freien Moleküle oder Atome. Der Differenzdruck ist die Differenz aus zwei Drücken. pDiff = p1 – ≠p2
p
(2.2)
positiver Überdruck
p1
Abb. 2.1. Druckarten
p1 - p2 = pdiff p2
patm Absolutdruck
negativer Überdruck
pabs0
2.1.2 Hydrostatischer, aerostatischer Druck Jede Flüssigkeit, aber auch Gase erfahren infolge ihres eigenen Gewichtes einen Druck. Der Druck in Flüssigkeiten oder Gasen ist an allen Orten gleich bei gleicher Höhe. Die Masse der Flüssigkeit oder des Gases berechnet sich wie folgt: m = h · A · ρ,
(2.3)
m = Masse der Flüssigkeit oder des Gases h = Höhe der Flüssigkeits- oder der Gassäule A = Fläche ρ = Dichte der Flüssigkeit oder des Gases Die Kraft F, die senkrecht auf die Fläche wirkt, hängt von der Masse m und der Beschleunigung g, in diesem Fall der Erdbeschleunigung, ab: F = g · m.
(2.4)
2 Druck, Differenzdruck
95
Aus diesen Größen ergibt sich die Formel für den hydrostatischen Druck (Schweredruck in Flüssigkeiten): p
h A U g A
(2.5)
Wird nun in Formel (2.5) A gekürzt, dann ergibt sich: pF = h · ρ · g.
(2.6)
Abb. 2.2. Druckverlauf in einem Behälter in Abhängigkeit der Füllhöhe
h
h
0
pF
Weil Gase kompressibel sind, gelten folgende Formeln für den Schweredruck in Gasen:
pL
p0
§ U0 g h · ¨¨ ¸¸ p e © 0 ¹
(2.7)
ρ0 = Dichte der Luft am Boden p0 = Luftdruck am Boden h = Höhe über Boden Für die Lufthülle der Erde bei 0°C gelten auch folgende Formeln:
pL
p0
h 8 e km
(2.8)
oder ⎛p ⎞ h = 18, 4 km ⋅ lg ⎜ 0 ⎟ . ⎜ p⎟ ⎝ ⎠
(2.9)
96
Teil B
Sensoren Luftdruck 60000
Höhe über NN in m
50000
40000
30000 3 O = 1,293 kg/m pO = 1013,25 mbar T = 0 °C
20000
10000 1013,25
NN
0 0
200
400
600
800
1000
1200
pL Absolutdruck in hPa (mbar)
Abb. 2.3. Druckverlauf in der Lufthülle
2.1.3 Weitere Gesetze Kolbendruck in Flüssigkeiten: F1 : F2 = A1 : A2.,
(2.10)
F = Kraft senkrecht zur Kolbenfläche A = Querschnittsfläche des Kolbens (bei gewölbten oder schrägen Flächen gilt die Projektion dieser Flächen senkrecht zur Richtung dieser Kraft) F1
A1
F2
A2
Abb. 2.4. Kolbendruck in Flüssigkeiten
2 Druck, Differenzdruck
97
Für den Kolbendruck in Gasen (Gesetz von Boyle und Mariotte für konstante Temperatur und abgeschlossene Gasmenge des idealen Gases) gilt: p1·V1 = p2·V2 und p·V = constant bei folgenden Bedingungen: T1 = T2 und m1 = m2. F
p1
A
F
(2.11)
Abb. 2.5. Kolbendruck in Gasen
v1 p2
v2
T1 = T2 und m1 = m2 2.1.4 Einheiten Die SI-Einheit für den Druck wird abgeleitet aus der Kraft F mit der Einheit N = Newton pro Fläche A in m². 1 N/m² = 1 Pa (Pa = Pascal). Erlaubt ist auch die Einheit bar: 1 bar = 100.000 Pa. Weitere Einheiten sind in Tabelle 2.1 dargestellt.
(2.12)
2.2 Allgemeiner Aufbau eines Drucktransmitters Ein Drucktransmitter besteht aus dem Prozessanschluss mit Sensorelement, der Elektronik, dem Display (optional) und dem Gehäuse. Das Gehäuse hat meistens zwei voneinander getrennte Kammern. Eine für die Elektronik und eine für die Anschlussklemmen mit zwei Kabeleinführungen. Das modulare Konzept ermöglicht den flexiblen Wechsel zwischen den Prozessanschlüssen. Die Genauigkeit ist auch nach dem Prozessanschlusswechsel gewährleistet. Die Schnittstelle zwischen dem Sensor und der Elektronik ist definiert. Beim ersten Einschalten erfolgt ein Datenaustausch vom Sensor zur Elektronik. Eine Kalibration nach dem Auswechseln des Prozessanschlusses ist nicht
1 000
1
0,01
10
10 000
2,491
1,3332
33,864
68,948
1
0,001
0,00001
0,01
10
0,098
0,0025
0,001333
0,0338
0,0689
0,9807
1 bar
1 mbar
1 Pa
1 kPa
1 MPa
1 m H 2O
1 in H2O
1 mm Hg
1 in Hg
1 psi
1 kgf/cm2
980,665 98 066
6 894,76
3 386,4
133,32
249,09
9 806,6
1 000 000
1 000
1
100
100 000
Pa
98,066
6,8947
3,386
0,133
0,249
9,8067
1 000
1
0,001
0,1
100
kPa
0,09807
0,0069
0,0034
0,000133
0,00025
0,00980
1
0,001
0,00001
0,0001
0,1
MPa
10
0,703
0,3453
0,0136
0,0254
1
101,97
0,1020
0,0001
0,010197
10,197
m H 2O
393,70
27,68
13,595
0,5352
1
39,370
4 014,63
4,01463
0,00401
0,4015
401,463
in H2O
735,56
51,715
25,4
1
1,868
73,556
7 500,62
7,500
0,0075
0,7501
750,062
mm Hg
28,959
2,03602
1
0,03937
0,0735
2,896
295,3
0,2953
0,000295
0,0295
29,53
in Hg
14,223
1
0,491
0,019
0,0361
1,4223
145,04
0,14504
0,000145
0,014504
14,504
psi
1
0,070
0,0345
0,0014
0,00254
0,10
10,197
0,0102
0,00001
0,0010
1,0197
kgf/cm2
Teil B
98,067
mbar
bar
Unit
Tabelle 2.1. Einheiten und Umrechnungsfaktoren für die Größe Druck
98 Sensoren
erforderlich. Die Prozessanschlüsse nach unterschiedlichen nationalen und internationalen Normen gewährleisten den problemlosen Anschluss für alle Anwendungen. Druckmittler erweitern diese Anwendungen auch für Lebensmittel oder für heiße, aggressive, pastöse und verschmutzte Medien.
2 Druck, Differenzdruck
99
Abb. 2.6. Aufbau Drucktransmitter
Bei den Prozessanschlüssen ohne Druckmittler ist die Dichtung jederzeit ohne Spezialwerkzeug austauschbar. 2.2.1 Prozessanschlüsse mit Gewinde
Ø6
G 1/2
Ø8
M20x1.5 17 20 155 (245) [235]
➂
Ø11.4
Ø3
1/4 NPT 1/2 NPT
Ø6
5
Ø3
➁ 1/2 MNPT
25
17 20 155 (245) [235]
Ø8
G 1/2A
5
➀
155 (245) [235]
Drucktransmitter werden meistens direkt angeschraubt. Dafür stehen je nach nationalen Normen die entsprechenden Gewinde zur Verfügung. Am häufigsten werden G1/2“, NPT1/2“ oder M20x1,5 verwendet.
M20x1.5
Abb. 2.7. Prozessanschlüsse [2.4]
2.2.2 Prozessanschlüsse mit Druckmittler Bei Anwendungen für Lebensmittel oder für heiße, aggressive, pastöse und verschmutzte Medien müssen dem Drucktransmitter Druckmittler vorgeschaltet werden. Die Bauform des Druckmittlers richtet sich nach den Prozessanforde-
100
Teil B
Sensoren Abb. 2.8. Druckmittler [2.4] a Clamp, b Kegelstutzen mit Milchrohrgewinde, c Flansch
a
b
c
rungen. Für die Pharma- oder Lebensmittelindustrie werden aseptische oder hygienische Bauformen, die sich leicht reinigen lassen, keine toten Ecken haben usw. verwendet. Die am häufigsten verwendeten Varianten sind die Druckmittler mit Milchrohr-Gewinde oder Clamp-Anschluss. In anderen Bereichen werden Druckmittler mit Flansch oder Gewinde verwendet. Die Drucktransmitter werden entweder direkt oder über Temperaturentkoppler oder Kapillarleitungen mit dem Druckmittler verbunden. Damit wird der Drucktransmitter von den rauen Prozessbedingungen (Vibration, hohe Temperaturen, aggressives Medium usw.) entkoppelt. Die verwendete Bauform wird letztlich aber durch die in der Anlage verwendeten Normen und Standards festgelegt. Druckmittler bestehen aus dem Druckmittlerkörper, der Trennmembrane, der Verbindungsleitung (Kapillare, Temperaturentkoppler o.ä.) und der Flüssigkeit für die Druckübertragung. Neben den positiven Eigenschaften erzeugen Druckmittler einen zusätzlichen Temperatureinfluss auf das Messergebnis. Hiervon ist hauptsächlich der Nullpunkt betroffen. Der Einfluss auf die Spanne ist meistens vernachlässigbar. Dieser Temperatureffekt ist von folgenden Gegebenheiten abhängig: – Je größer die Trennmembrane, desto kleiner der Temperatureffekt. – Je geringer die Flüssigkeitsmenge und deren Temperaturausdehnungskoeffizient ist, desto kleiner der Temperatureffekt.
2 Druck, Differenzdruck
101
2.3 Sensoren für Über-, Absolut- und Differenzdruck [2.7] 2.3.1 Die richtigen Sensoren für die Anwendung Der gesamte Bereich der Prozessmesstechnik lässt sich mit Sensoren nach dem kapazitiven Messverfahren aus Keramik und nach dem piezoresistiven Messverfahren auf Siliziumchip mit Metallmembranen abdecken. Die Sensoren mit Aluminiumoxid-Keramikmembranen bewähren sich besonders bei aggressiven und abrasiven Prozessbedingungen. Bei Anwendungen mit Anforderungen höchster Korrosionsfestigkeit und metallfreier Messung wird die Keramikmesszelle mit Prozessanschlüssen aus PVDF, ECTFE o.ä. eingefasst. Diese Technik ist nur mit Keramiksensoren möglich. Keramik zeichnet sich besonders aus durch: – hohe Überlastfestigkeit, – keine Kriecheffekte, – nicht messbare Hysterese, auch nach extremsten Überlasten, – extrem hohe Linearität zwischen Druck und Durchbiegung, – die Membrane ist dick und robust, – die Membrane ist eben, – eine Oberflächenrauigkeit der Membrane mit Ra < 0,4µ. Keramik ist außerdem: – extrem hart und abriebfest, – widerstandsfähig auch bei hohen Temperaturen, – chemisch hoch beständig, – resistent gegen Druckschläge (Wasserhammer). Dadurch ist eine hohe Zuverlässigkeit und gute Langzeitstabilität von kleiner als 0,1% pro Jahr garantiert. Für Prozesse mit hohen Drücken kommen piezoresistive Sensoren mit Metallmembranen zum Einsatz. Für verschiedene Anwendungen, vornehmlich aber zur Durchflussmessung in Kraftwerken und auf Ölplattformen, werden höhere Drücke bis 400 bar und Differenzdrucksensoren bis zu typischen statischen Drücken von 420 bar gefordert. Hier müssen die Sensoren eine Überlastfestigkeit bis in höchste Druckbereiche sicherstellen, was bei diesem Differenzdrucksensor durch die eingebaute Mittelmembrane erfolgt, indem sich die mediumsberührte Membrane im Überlastfall an das Membranbett anlegt. 2.3.2 Funktion des keramischen Drucksensors mit kapazitiver Auswertung Abbildung 2.9 zeigt den keramischen Drucksensor in seinen elementaren Teilen. Dieses sind der dicke und damit stabile Grundkörper sowie die Membrane. Beide sind aus Aluminiumoxid-Keramik (Al2O3) hergestellt. Der Aktiv-Lot-
102
Teil B
Sensoren
ring verbindet die Membrane mit dem Grundkörper und hält beide gleichzeitig auf Abstand. Der Lotring ist durch seine Legierung auf die Eigenschaften der Keramik abgestimmt. In einem Ofen werden diese Teile bei 900°C und einem Vakuum von 3,0 x 10-6 mbar zu einem Sensor vereint. Dieser Sensor ist trocken, er ist nicht mit Öl gefüllt, deshalb ist er auch vakuumfest. Dadurch erübrigen sich Kompensationsmaßnahmen, die bei Verwendung einer Füllflüssigkeit erforderlich wären. Zwei Elektroden auf dem Grundkörper bilden zusammen mit der Masseelektrode auf der Membrane die Kapazitäten CP und CR. In der Mitte befindet sich die Messkapazität CP . Hier ist bei Druck die Durchbiegung der Membrane am größten. Im Randbereich befindet sich die Referenzkapazität CR. Diese Kapazität ist nahezu unabhängig vom Druck, weil sich der Abstand zur Membrane kaum ändert. Die Anordnung von CP und CR kompensiert Umgebungseinflüsse wie Temperatur und Feuchte. Die vereinfachte Gl. (2.13) zeigt den Zusammenhang zwischen dem Druck p und den Kapazitäten CP sowie CR. p ~ (CP – CR)/CP .
(2.13)
Die Funktion zwischen Druck und Durchbiegung der Membrane ist extrem linear. In der Formel steht die Messkapazität CP im Nenner, dadurch ergibt sich eine Nichtlinearität. Diese ist jedoch elektronisch sehr einfach zu kompensieren. Die Durchbiegung beträgt bei Nenndruck max. 8 µm. Bei Überlast legt sich die Membrane an den Grundkörper an und kehrt nachher ohne Schaden und ohne Hysterese in die Ausgangslage zurück. Typische Werte der wichtigsten Abmessungen sind: – Äußerer Durchmesser: – Dicke des Grundkörpers: – Dicke der Membrane (je nach Messbereich): – Abstand zwischen Membrane und Grundkörper:
a
b
c
32,4 mm 5 mm 0,2...2,8 mm 40 µm.
Abb. 2.9. Elemente des Druck-Sensors aus Keramik [2.6] a Membrane, b Aktiv-Lotring, c Grundkörper
2 Druck, Differenzdruck Überdrucksensor
p
103
Abb. 2.10. Sensoren für Über- und Absolutdruck
ü
Absolutdrucksensor
p
abs
Auf der Rückseite des Sensor-Grundkörpers befindet sich die Hybrid-Schaltung mit dem ASIC. Diese Elektronik wandelt die Kapazitätsänderung in ein digitales Signal. Gleichzeitig wird die Sensortemperatur mit übertragen. 2.3.2.1 Sensor für Überdruck Bei Überdrucksensoren wird die Rückseite der Membrane durch ein kleines Loch im Grundkörper belüftet. Der Luftausgleich erfolgt über ein System aus sehr feinporigen PTFE-Filtern. Diese sind für Luft durchlässig, bilden aber für Wasser eine Sperre. 2.3.2.2 Sensor für Absolutdruck Die Absolutdrucksensoren sind komplett geschlossen. Zwischen der Membrane und dem Grundkörper besteht ein Vakuum von < 3,0 x 10-6 mbar. Dieses Vakuum entsteht gleichzeitig mit dem Lötprozess. Die trockene Messzelle ist Voraussetzung für Druckmessungen bei dauerndem Vakuum. Die Standardmessbereiche sind fein abgestuft zwischen 40 mbar und 40 bar verfügbar. Die Druckeinheiten sind je nach nationaler Gewohnheit in mbar, bar, kPa, MPa, mmH2O, mH2O, psi usw. wählbar. 2.3.2.3 Überlast- und Wechsellastfestigkeit [2.7] Eines der wichtigsten Auswahlkriterien für den rauen Industrieeinsatz ist die Überlastfestigkeit des Drucktransmitters. Bei geschlossenen Ventilen kann sich der Druck in Rohren und Behältern bis auf den Nenndruck der Pumpe erhöhen.
104
Teil B
Sensoren
Noch gefährlicher sind schlagartig schließende Ventile. Die Druckspitzen können dann weit über dem normalen Betriebsdruck liegen. Viele Sensoren sind nur vom 1,5- bis 2-fachen des Nennbereichs überlastbar. Besonders in niedrigen Druckbereichen werden diese Werte schnell überschritten. Besondere Aufmerksamkeit ist der Wechsellastfestigkeit zu widmen. Periodisch schwankende Drücke, die insbesondere durch Kolbenpumpen entstehen, führen häufig zum frühen Ausfall der Druckmessstelle. Dank des Werkstoffs Keramik ist dieser Sensor auch unter diesen Bedingungen extrem langzeitstabil und zuverlässig. Entscheidend für die Überlastfestigkeit ist die Eigenschaft, dass sich die flache Messmembran bei Überdruck an den flachen Grundkörper anlegen kann. Der Sensor mit einem Messbereich von 0...40 mbar ist bis 10 bar überlastfest (250-fach). 2.3.3 Die Differenzdruckmesszelle aus Keramik mit kapazitiver Auswertung [2.7] Den Aufbau der Messzelle zeigt Abb. 2.11. Das Mittelstück ist ein dicker Keramikträger mit einer Bohrung in der Mitte. Links und rechts ist jeweils eine ebene Keramikmembrane in geringem Abstand mit Glaslot auf den Keramikträger aufgesintert. Die Membranen und der Grundkörper tragen gegenüberliegende Elektroden,
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Abb. 2.11. Differenz-Druck-Sensor im Querschnitt [2.3] 1 Keramikgrundkörper, 2 Trennmembranen (Keramik) zum Prozess, 3 Elektroden für die Messkapazitäten C1 und C2 und Ölfüllung, 4 Verbindung Membrane zu Grundkörper, 5 Zusätzlicher Temperatursensor „R“für die Selbstüberwachung
2 Druck, Differenzdruck
105
die die Kapazität C1 und C2 bilden. Beide Membranen sind über die Füllflüssigkeit hydraulisch gekoppelt. Der Druck p1 verringert den Abstand bei C1 und vergrößert diesen bei C2. Folglich wird die Kapazität C1 größer und C2 kleiner. Für den Differenzdruck dp gilt die vereinfachte Formel: dp = p1 -p2 ~ 1/C1 – 1/C2.
(2.14)
Neben dieser primären Beeinflussung von C1 und C2 findet eine sekundäre Änderung durch die temperaturabhängige Dielektrizitätskonstante und die Volumenänderung der Füllflüssigkeit statt. In der mehrstufigen, werksseitigen Transmitterkalibration werden die druck- und temperaturabhängigen Sensorkonstanten ermittelt. Im Messbetrieb des Differenzdrucktransmitters kompensiert die Elektronik das Ausgangssignal mit der über den integrierten Temperaturfühler „R“ gemessenen mittleren Messzellentemperatur und den Sensorkonstanten. 2.3.3.1 Die patentierte Selbstüberwachung [2.7] Die oben beschriebene, eigentlich unerwünschte Volumenänderung der Füllflüssigkeit ist exakt proportional zur Temperatur T. Den mathematischen Zusammenhang zwischen der Messzellentemperatur T und der reziproken Summe der Kapazitäten C1 und C2 zeigt die vereinfachte Formel: T ~ 1/C1 + 1/C2.
(2.15)
Zusammen mit dem Temperaturfühler „R“ sind nun zwei voneinander unabhängige Temperatursignale verfügbar. Beide Informationen werden ständig miteinander verglichen. Ein etwaiger Ölverlust im Sensor würde sofort einen signifikanten Temperaturunterschied vortäuschen. Der Differenzdrucktransmitter würde daraufhin einen Alarm melden. Je nach gewählter Funktion würde der Stromausgang auf 22mA geschaltet. 2.3.3.2 Benetzte Werkstoffe sind metallfrei [2.7] Die Standardausführung des Differenzdrucktransmitters Deltabar hat metallische Seitenflansche. Die keramische Messzelle ist zwischen diesen Seitenflanschen „schwimmend“ gelagert. Die Abdichtung erfolgt über O-Ringe in z. B. Viton, EPDM oder Kalrez. Auf jeder Seite sind zwei O-Ringe eingebaut. Durch die dickwandige Auskleidung der Seitenflansche mit PVDF kommt das Medium nur noch mit nichtmetallischen Werkstoffen in Berührung (PVDF, Dichtung, Keramik). Das ist nur mit Deltabar möglich [2.3]. Bei der Flanschversion ist die Keramikmesszelle frontbündig eingebaut. Diese Ausführung ist gegenüber Systemen mit Metallmembranen besonders robust, weil die Keramikmembrane viel dicker ist als Metallmembranen. Die Keramikmembrane bei der 25-mbar-Zelle ist 0,24 mm dick und bei der 3000-mbar-Zelle ist sie sogar 1,6 mm dick. Übliche Metallmembranen sind 0,05mm dick. Dieser Flansch ist auch
106
Teil B
Sensoren
mit einer dicken HALAR-Beschichtung (HALAR = ECTFE, ist ein Copolymer von Ethylen und Chlorotrifluoroethylen) verfügbar. Die HALAR-Schicht reicht bis unter den Sensor-O-Ring. Damit sind bei dieser Version die mediumberührten Teile ebenfalls metallfrei und extrem beständig gegen Korrosion. 2.3.3.3 Differenzdruckmesszelle mit piezoresistivem Sensor Diese Messzellen sind in der Lage, kleinste Differenzdrücke bei hohen statischen Drücken genau zu messen. Selbst bei einseitiger Überlast von 420 bar wird die Messzelle nicht zerstört. Im Messbetrieb wirkt der Differenzdruck auf die Trennmembranen (3). Dieser Druck wird durch die Füllflüssigkeit auf die Silizium-Membrane (2) des Messelementes (1) übertragen. Die Überlastmembrane (5) wird nur geringfügig ausgelenkt. Bei einseitiger Überlast wird die Überlastmembrane so weit ausgelenkt, dass sich die Trennmembrane an das Membranbett anlegt. Die Steifigkeit der Überlastmembrane ist so dimensioniert, dass der innere Druck auf die SiliziumMembrane innerhalb der zulässigen Grenzen sicher begrenzt wird.
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Abb. 2.12. Differenz-Druck-Sensor mit piezoresistivem Sensor [2.3] 1 Messelement, 2 Silizium-Membrane, 3 Trennmembranen (Metall) zum Prozess, 4 Ölfüllung, 5 Integrierte Überlastmembrane
2 Druck, Differenzdruck
107
2.3.4 Piezoresistive Sensoren [2.2] Die piezoresitiven Sensoren sind auf einem Silizium-Substrat aufgebaut. Die Durchbiegung der Membrane wird mit Dehnungsmessstreifen gemessen. Der Widerstand eines Leiters wird bestimmt durch seinen Querschnitt A, seine Länge l und seinen spezifischen Widerstand ρ (s. auch A 1.2.2). Die Widerstandsänderung bei mechanischer Spannung basiert bei metallischen Dehnungsmessstreifen auf der Längen- und Querschnittsänderung (∆l, ∆A). Eine etwaige Änderung des spezifischen Widerstandes kann bei metallischen Werkstoffen vernachlässigt werden. (2.16) Bei Halbleitern, z. B. p-Silizium, ist die Änderung des spezifischen Widerstandes bei mechanischer Spannung etwa 100-mal größer als bei Metallen. Die Längenund Querschnittsänderung kann hier vernachlässigt werden. (2.17) In einem z. B. 3,4 x 3,4 mm großen Silizium-Element wird die Membrane je nach Messbereich mit einem Durchmesser von 1,0 bis 1,9 mm und einer Dicke von 17 bis 240 µm herausgearbeitet. Im Randbereich und in der Mitte sind jeweils zwei Dehnungsmessstreifen angeordnet. Wenn die Membrane mit Druck beaufschlagt wird, dann biegt sich diese. Im Randbereich werden dann die Dehnungsmessstreifen gestreckt, der Widerstand erhöht sich. In der Mitte werden die Dehnungsmessstreifen gestaucht, der Widerstand wird kleiner. Diese vier Widerstände sind zu einer Wheatstone-Brückenschaltung verbunden, um aus den relativ kleinen Widerstandsänderungen ein gut messbares Signal zu erhalten.
Abb. 2.13. Silizium-Messelement
Silizium Dünnfilm-Dehnungsmeßstreifen Bondfläche 3,4
3,4
Silizium-Chip
h
Glasträger
Membran Loch für Relativdruck-Sensoren
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2.4 Elektronik Man unterscheidet bei der Druckmessung Absolut-, Relativ- und Differenzdruckmessung. Dieser Beitrag beschreibt eine neue Generation von Druckmessgeräten, die berücksichtigt, dass sich die Druckmessung mit zwei unterschiedlichen Gerätetypen abdecken lässt: Einem Grundtyp für die Absolut- und Überdruckmessung und einem für die Differenzdruckmessung. Beide Geräte sind modular aufgebaut und nutzen bis auf die notwendigerweise unterschiedlichen Sensormodule die gleichen Komponenten wie Elektronik, Display und Gehäuse. Die Module sind untereinander ohne anschließende Kalibration austauschbar. Beide Geräte arbeiten auch bei rauen Betriebsbedingungen zuverlässig, genau und langzeitstabil. Mit nur drei Tastern ist die Bedienung an den Geräten selbsterklärend und schnell erlernbar. Das eingebaute vierzeilige Display, in 90° Schritten drehbar, unterstützt die Einstellung. Damit sind alle Funktionen der digitalen Elektronik sehr komfortabel von außen am Gerät einstellbar. Nullpunkt und Spanne können somit auch „trocken“, d. h. ohne Druckkalibrator am Prüfplatz, eingestellt werden. Die Einstellung aus der Ferne mit dem Handbediengerät oder mit dem PC ist mit der Smart-Technologie möglich. Die Bedienphilosophie ist bei beiden Geräten gleich. Das gilt auch für die Elektroniken mit Profibus PA oder Foundation Fieldbus Ausgang. Das Gehäusekonzept vereinfacht die Montage. Das Aluminiumgehäuse in Schutzart IP 68 mit einer Polyester-Pulver-Beschichtung schützt die Elektronik vor unterschiedlichen Temperaturen, Feuchtigkeit und aggressiven Stoffen. Der Elektronik- und der Klemmenraum sind räumlich voneinander getrennt. Der geräumige, separate Anschlussraum erleichtert den elektrischen Anschluss. Das Gehäuse lässt sich nach Lösen der Arretierung um 360 Grad drehen. Das Display ist dadurch immer richtig sichtbar und der seitliche Anschlussraum gut erreichbar. Mit den universellen Montagebügeln ist die Befestigung an einem 2“Standrohr oder an der Wand möglich. Die Flanschvarianten mit und ohne Druckmittler werden entweder direkt oder über Kapillarleitungen mit dem Gerät verbunden. 2.4.1 Einstellen am Gerät oder mit Handbediengerät Bei Druck- und Differenzdrucktransmittern müssen der Nullpunkt, die Spanne und weitere Funktionen leicht einstellbar sein, damit der Strom- oder der Digitalausgang dem anstehenden Druck richtig zugeordnet ist. Die Einstellung erfolgt bei den Transmittern von außen. Eine Druckbeaufschlagung ist dazu nicht notwendig, denn die Kennlinie ist in der digitalen Elektronik auf 0,075 % genau gespeichert. Drei Drucktasten sind von außen zugänglich und gegen unbeabsichtigte Bedienung durch einen Deckel gesichert. Das eingebaute Display zeigt den Druckwert digital und gleichzeitig den Stromwert analog (Balkenanzeige) an. Mittels dieser Tasten und dem optional verfügbarem Display können alle Einstellungen direkt am Gerät vorgenommen werden.
2 Druck, Differenzdruck
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Die eingebaute Elektronik in Smart-Technologie ist mit HART-Protokoll verfügbar. Damit ist es möglich, in noch komfortablerer Art und Weise die Transmitter über das Handbediengerät oder den Personalcomputer zu konfigurieren. Der Anschluss an die 4...20 mA-Zweidrahtleitung ist über zwei Klemmen denkbar einfach und an jeder Stelle im Verlauf der Leitung möglich. Zum Anschluss an den Personalcomputer gibt es die Commubox. Diese setzt das HART-Protokoll in die Schnittstelle RS 232C zum direkten Anschluss an die serielle Schnittstelle des PC um. Mit dem Handbediengerät oder dem PC stehen dann zusätzliche Informationen über die Druckmessstelle zur Verfügung. So wird z. B. die aktuelle, die niedrigste und die höchste Sensortemperatur angezeigt. Der niedrigste und der höchste gemessene Druckwert werden gespeichert. Ein interner Zähler registriert die Überlastdruckspitzen. Die Anzahl der vom Sensor gesehenen Überlastspitzen gibt Aufschluss über die Vergangenheit oder die „Gesundheit“ der Transmitter. Damit ist die vorbeugende Wartung möglich und die Zuverlässigkeit der Messstelle damit noch höher. Die verwendeten Prozessanschlussmaterialien wie Dichtungswerkstoff, Flanschmaterialien, Membranmaterialien sind auslesbar. Die meisten der digitalen Befehle sind genormt. Das sind die sog. „Common Practice Commands“. Deshalb sind auch die wichtigsten Einstellungen mit nur einem Tool an Geräten verschiedener Hersteller möglich. Die elektrische Verbindung von der Klemme zur Elektronik erfolgt über Filter. Unvermeidbare Störungen auf der Messleitung, verursacht durch Schaltvorgänge, Funkgeräte, elektrostatische Entladungen usw., können die Elektronik nicht erreichen. Auch unter diesen Bedingungen ist die Druckmessung zuverlässig. 2.4.2 Analoge 4 – 20 mA HART Elektronik Bei der 4 – 20 mA Technik wird jeder Transmitter mit einer Zweidraht-Leitung sternförmig mit dem Prozessleitsystem verbunden. Jedem Transmitter sind eine eigene Eingangskarte und ein eigenes Messumformerspeisegerät zugeordnet. Das 4 – 20 mA Signal entspricht dann dem kalibriertem Messbereich (z. B. 4 mA = 0 bar, 20 mA = 10 bar). Bei den Elektroniken mit überlagertem digitalem Signal (HART) ist die Konfiguration des Transmitters auch vom Rangierverteiler in der Warte aus möglich.
110
Teil B
Sensoren Abb. 2.14. Typische Architektur für ein 4-20 mA Prozessleitsystem [2.5]
Prozessleitsystem
Warte
E/A-Module
Rangierverteiler
Spannungsversorgung
Ex-Schutz
Rangierverteiler
0 - 10 bar
Feld
Verteiler
2.4.3 Profibus PA Elektronik Bei der Profibus PA Technik werden die Transmitter parallel an eine Zwei-Drahtleitung angeschlossen. Über einen Segmentkoppler werden bis zu 32 Transmitter pro Segment mit Spannung versorgt und an die Profibus DP-Leitung angekoppelt. Die Adressierung erfolgt mit Dip-Schaltern im Transmitter. Diese Profibus DP-Leitung führt die Signale dann direkt und digital zum Prozessleitsystem. Hier stehen dann neben dem Druckwert auch alle anderen vom Transmitter gelieferten Signale zur Verfügung. Zum Beispiel kann als sekundärer Wert die Sensortemperatur angezeigt werden. Die Verbindung ist bidirektional, d. h. es kann auch die Konfiguration des Transmitters vorgenommen werden. Darüber hinaus können auch Aktoren (Stellglieder) mit dem entsprechenden Sollwert gespeist werden.
2 Druck, Differenzdruck
111
Abb. 2.15. Typische Architektur für ein Profibus-PA-Prozessleitsystem [2.9]
2.4.4 Foundation Fieldbus Elektronik Die Architektur für Foundation Fieldbus ist ähnlich aufgebaut wie Profibus PA. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass Foundation Fieldbus Geräte in Funktionsblöcke aufgeteilt sind. Mit Hilfe des Funktionsblockes „Regler“ kann dann ein direkter, dezentraler Regelkreis zwischen einem Transmitter und einem Aktor realisiert werden. Der Sollwert wird in diesem Fall vom Prozessleitsystem geliefert. Hier erfolgt die Adressierung über die TAG-Nummer und die Seriennummer des Transmitters. Ein TAG ist ein Etikett und enthält die Messstellen-Nr. Diese Nummer ist auch elektronisch im Transmitter gespeichert.
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Sensoren
Industrial Network
FF-HSE BT LD
FF-H1
SB BT
PS
BT PS
FF-H1 BT
Abb. 2.16. Typische Architektur für ein Foundation-Fieldbus-Prozessleitsystem [2.10] BT: Bus Terminator, FF-H1: Foundation Fieldbus H1 Bus, SB: Safety Barriere Ex i Barriere, PS: Power Supply, LD: Linking Device, FF-HSE: Foundation Fieldbus High Speed Ethernet
2.5 Einbau und Montage 2.5.1 Einbau und Montage von Drucktransmittern Drucktransmitter werden meistens direkt an den Druckentnahmestutzen montiert. Die Art des Prozessanschlusses richtet sich nach den Anforderungen des Prozesses. Der typische Anbau besteht aus Druckentnahmestutzen, Absperrventil und Drucktransmitter. Bei Dampf wird noch ein Wassersackrohr vorgeschaltet. Hierin sammelt sich Kondensat und reduziert die Temperatur am Drucktransmitter auf nahezu Umgebungstemperatur.
2 Druck, Differenzdruck
113
2.5.2 Einbau und Montage von Differenzdrucktransmittern Differenzdrucktransmitter werden häufig über Wirkdruck- oder Impulsleitungen angeschlossen. Das sind Rohrverbindungen von der Druckentnahmestelle bis zum Differenzdrucktransmitter. Hier werden in der Regel Stahlrohre 12 × 2 und Ermeto-Verschraubungen o.ä. verwendet. Für Hochdruckanwendungen, meistens für Dampf, kommen Rohre aus warmfestem Stahl, 14 × 2,5 mm, die verschweißt werden, zum Einsatz. Es gibt zwei Regeln für Wirkdruckleitungen, die unbedingt eingehalten werden müssen. Wirkdruckleitungen müssen entweder komplett trocken sein, es darf sich kein Kondensat ansammeln oder sie müssen mit Flüssigkeit gefüllt sein, und es dürfen keine Gasblasen enthalten sein. Aus diesem Grunde sind die Leitungen mit mindestens 2% Gefälle oder Steigung zu verlegen. Die Installation besteht aus folgenden Komponenten: – primäre Absperrventile an den Druckentnahmestellen – bei Dampfanwendungen zusätzlich je ein Kondensatgefäß – Wirkdruckleitungen – Dreifach- oder Fünffach-Ventilblock – Differenzdrucktransmitter. 2.5.2.1 Einbau und Montage an Blenden oder Staudrucksonden Abb. 2.17. Einbauhinweise nach VDE/VDI 3512 Bl.1 (Auszug)
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Sensoren
2.5.2.2 Einbau und Montage an Behältern über Wirkdruckleitungen Abb. 2.18. Anschluss über Wirkdruckleitungen mit Kondensatsammler und Ablassventil (Beispiel)
h
Auch hier gilt, dass die Wirkdruckleitungen entweder trocken oder mit Flüssigkeit gefüllt sind. Es können die Anordnungen aus Abb. 2.17 analog übernommen werden. 2.5.2.3 Einbau und Montage an Behältern über Druckmittler und Kapillaren Der Transmitter sollte möglichst symmetrisch aufgebaut sein, d. h. die Kapillaren sollen gleiche Länge und die Druckmittler eine gleiche Bauform haben. Dadurch heben sich etwaige Temperatureinflüsse gegenseitig auf. Die Kapillare auf der „+“Seite wird zu einem Ring mit ca. 40 cm Durchmesser aufgerollt. Um den Temperatureinfluss so gering wie möglich zu halten, sind beide Kapillaren so zu fixieren, dass Sie keiner Wärmequelle (Dampfleitung o.ä.) oder Sonneneinstrahlung usw. ausgesetzt sind. Der Drucktransmitter sollte unterhalb des unteren Druckentnahmestutzens montiert werden. Dadurch wird ein zusätzlicher Unterdruck im Kapillarsystem vermieden.
2 Druck, Differenzdruck
115
Abb. 2.19. Anschluss über Druckmittler und Kapillare (Beispiel)
h
Literatur 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Verlag Harry Deutsch (1977) Lehr- und Übungsbuch Physik Alfred Hüthig Verlag GmbH, industrie-elektrik + elektronik, 7/85, S. 34-41 Endress+Hauser Technisches Informationsblatt , TI 382 Deltabar S Endress+Hauser Technisches Informationsblatt , TI 383 Cerabar S Endress+Hauser Betriebsanleitung Foundation Fieldbus, BA 013S cav 1994, Juli, Exakt und zuverlässig, Dipl. Ing. Bernhard Gerdes E+H Fachartikel, Neue Einsatzmöglichkeiten der Druck- und Differenzdruckmessung durch keramische, kapazitive Messzellen, Dipl. Ing. Bernhard Gerdes 2.8 Technisches Messen 63 (1996) 11, R. Oldenbourg Verlag, Lukas Klausmann und Frank Hegner 2.9 Endress+Hauser Betriebsanleitung Cerabar S, Druckmessung, Profibus PA, BA 168P 2.10 Endress+Hauser Betriebsanleitung Deltabar S, Differenzdruckmessung, Foundation Fieldbus, BA 301P
Registrierte Warenzeichen KALREZ®, VITON®, TEFLON® Registrierte Warenzeichen der Firma E.I. Du Pont de Nemours & C0., Wilmington, USA TRI-CLAMP® Registriertes Warenzeichen der Firma Ladish & Co., Inc., Kenosha, USA HART® Registriertes Warenzeichen der HART Communication Foundation, Austin, USA Foundation™ Fieldbus Registriertes Warenzeichen der Fielbus Foundation Austin, Texas, USA PROFIBUS®, Registriertes Warenzeichen der PROFIBUS Nutzerorganisation e.V., Karlsruhe, Deutschland
3 Drehzahl und Lage Thilo Schlicksbier
Vorbemerkung In allen Bereichen der Technik werden Produktions- und Prüfvorgänge in zunehmendem Maße automatisiert. Die Bewegungen von Linearschlitten, Drehtischen, Schwenkeinrichtungen, Dreharmen, Schiebern usw. werden immer häufiger numerisch gesteuert. Messgeräte für Längen und Winkel dienen dazu, diese Bewegungen an die Steuerung zurück zu melden. Die Leistungsfähigkeit dieser Systeme, ihre Auflösung, Genauigkeit und Zuverlässigkeit, ihr Messbereich und die maximale Geschwindigkeit unterliegen einer steten Entwicklung. Das vorliegende Kapitel soll dem Anwender Hilfestellung geben, die bekannten und bewährten Systeme zu verstehen und eine optimale Lösung für den jeweiligen Zweck zu finden.
3.1 Messprinzipien und Messverfahren Nahezu alle Messgeräte zur Bestimmung von Drehzahl und Lage basieren auf Maßverkörperungen mit periodischen Teilungen. Zur Signalerzeugung kommen unterschiedliche physikalische Prinzipien zum Einsatz. 3.1.1 Messprinzipien Beim induktiven Messprinzip wird ein hochfrequentes Signal durch bewegte Teilungsstrukturen in seiner Amplitude und Phasenlage moduliert. In seiner einfachsten Form wird das induktive Messprinzip beim Resolver angewendet. Höhere Auflösungen und Genauigkeiten werden durch mehrpolige, mäanderförmige Teilungen erreicht, wie sie z. B. bei induktiven Drehgebern zum Einsatz kommen. Die Teilung der Maßverkörperung liegt meist bei 1 bis 4 mm. Beim magnetischen Messprinzip wird ein Maßstab aus hartmagnetischem Material verwendet, der eine permanentmagnetische Teilung trägt. Diese wird durch abwechselnde Nord- und Südpole gebildet. Die Abtastung erfolgt meist über Trägerfrequenz- oder magnetoresistive Verfahren. Die Teilungen weisen typischerweise einen Abstand von 200 µm oder mehr auf. Feinere Teilungsperioden sind aufgrund der Empfindlichkeit der magnetischen Abtastung gegenüber Abstandsvariationen nur sehr schwer möglich.
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Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Messprinzipien erlaubt das photoelektrische Prinzip die Verwendung von Maßstäben mit sehr feinen Teilungen. Es wird zwischen abbildenden und interferentiellen Messverfahren unterschieden. Das abbildende Messprinzip (Abb. 3.1) arbeitet – vereinfacht gesprochen – mit schattenoptischer Signalerzeugung: Zwei Strichgitter mit beispielsweise gleicher Teilungsperiode werden zueinander bewegt. Das Trägermaterial der Abtastplatte ist lichtdurchlässig, die Teilung der Maßverkörperung kann ebenfalls auf lichtdurchlässigem oder auf reflektierendem Material aufgebracht sein. Fällt paralleles Licht durch eine Gitterstruktur, werden in einem bestimmten Abstand Hell-/ Dunkel-Felder abgebildet. Hier befindet sich ein Gegengitter mit der gleichen Teilungsperiode. Bei einer Relativbewegung der beiden Gitter zueinander wird das durchfallende Licht moduliert: Stehen die Lücken übereinander, fällt Licht hindurch. Befinden sich die Striche über den Lücken, resultiert daraus Abschattung. Photoelemente wandeln diese Lichtintensitätsänderungen in elektrische Signale um. Durch geschickte Anordnung entsprechend großer Abtastfelder (bis zu 30 mm²) können Oberwellen optisch gefiltert werden und es entstehen annähernd sinusförmige Abtastsignale. Die Teilungsperioden liegen bei den abbildenden Messprinzipien typischerweise zwischen 10 µm und 40 µm. Zur Abtastung werden zunehmend strukturierte Photosensoren verwendet, die als ASIC (Application Specific Integrated Circuit) hergestellt werden. Interferentielle Messverfahren nutzen die Beugung und Interferenz des Lichts an fein geteilten Gittern, um Signale zu erzeugen, aus denen sich die Bewegung ermitteln lässt. Die nach diesem Prinzip arbeitenden Phasengittermaßstäbe weisen eine Teilungsperiode von 4 µm und feiner auf. Die Abtastsignale sind weitgehend frei von Oberwellen und können ebenfalls hoch interpoliert
Abb. 3.1. Photoelektrische Abtastung nach dem abbildenden Messprinzip mit strukturiertem Photosensor
3 Drehzahl und Lage
119
werden. Sie eignen sich daher besonders für hohe Auflösungen und hohe Genauigkeit. Für viele Anwendungen sind Messschritte von 1 µm und kleiner erforderlich. Für die Geschwindigkeitsregelung von Antrieben werden oftmals Messschritte kleiner gleich 10 nm benötigt. Somit muss die Teilungsperiode der Maßverkörperung grundsätzlich nochmals unterteilt werden. Bei Geräten mit analogen Sinus/Cosinus-Ausgangssignalen wird die Interpolation in der Folge-Elektronik – meist Steuerung – durchgeführt. Bei Messsystemen mit TTL-Signalen erfolgt direkt nach der Abtastung der Maßverkörperung eine elektronische Interpolation der Abtastsignale. Die Signalperiode der ausgegebenen TTL-Signale ist dadurch deutlich kleiner als die Signalperiode der Sinus/Cosinus-Signale. 3.1.2 Referenzsignal Die beschriebenen Messprinzipien und Messverfahren führen zu einer inkrementalen Messung. Die Positionsinformation wird durch Zählen der einzelnen Inkremente von einem beliebigen Nullpunkt aus gewonnen. Da zur Bestimmung von Positionen ein absoluter Bezug erforderlich ist, benötigt man ein Referenzsignal, das genau einem Intervall des Messsystems zugeordnet ist. Bei photoelektrischen Messgeräten verwendet man zur Erzeugung eines derartigen Referenzsignals eine Referenzmarke. Um einen absoluten Bezug herzustellen, muss die Referenzmarke überfahren werden. Im ungünstigsten Fall erfordert dies das Überfahren großer Teile des Messbereichs. Um das Referenzpunkt-Fahren zu erleichtern, bietet sich das Verfahren der Abstandscodierung an (Abb. 3.2). Das Verfahren geht von einer Vielzahl von Referenzmarken auf dem Maßstab mit definiert unterschiedlichen Abständen dazwischen aus. Hat man zwei benachbarte Referenzmarken überfahren, kann mit einem einfachen Algorithmus die aktuelle Position ermittelt werden. Abb. 3.2. Codierte Referenzmarken: Aus dem Abstand zwischen zwei beliebigen benachbarten Referenzmarken kann die Position eindeutig ermittelt werden
3.1.3 Absolute Messverfahren Anders als beim inkrementalen Messverfahren steht bei absoluten Messverfahren der Positionswert unmittelbar nach dem Einschalten zur Verfügung und kann jederzeit von der Folge-Elektronik abgerufen werden. Anstelle eines Maßstabes mit
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Sensoren Abb. 3.3. Teilung eines absoluten Winkelmessgeräts mit 13 Spuren (Gray-Code)
einer Inkremental-Strichteilung verwendet das absolute Messverfahren einen codierten Maßstab. Zur Bestimmung der absoluten Position werden beispielsweise Dual-, Grayoder Random-Codes eingesetzt (Abb. 3.3). Dadurch wird jeder Position der Verfahrstrecke ein definierter Messwert fest und eindeutig zugeordnet. Der Wunsch nach absoluten Messsystemen entsteht im Wesentlichen aufgrund der Probleme, die bei der Erst-Inbetriebnahme der Maschine oder nach einer Unterbrechung auftreten. Man möchte (oder muss) das Referenzpunkt-Fahren vermeiden. Zum Teil ist diese Forderung auch systembedingt, da beispielsweise bei Synchronmotoren die Lagezuordnung der Magnete zu den Statorwicklungen bekannt sein muss, um diese richtig bestromen zu können. Bei Robotern sind absolute Messsysteme notwendig, wenn man an deren Einsatz in Schweißstrassen für PKW-Karosserien denkt: Es ist schwierig, zeitraubend und fast unmöglich, nach einer Unterbrechung alle Roboter in 5 oder 6 Achsen auf den Referenzpunkt zu fahren, ohne die Karosserie zu zerstören. Vergleichbare Verhältnisse entstehen bei Montagerobotern und komplexen Werkzeugmaschinen.
3.2 Längenmessung 3.2.1 Längenmessung mit Maßstab Maßstäbe können mit sehr hoher Genauigkeit hergestellt werden. Glas- oder Stahlmaßstäbe können in ihrem Ausdehnungskoeffizienten an die jeweiligen Erfordernisse angepasst werden. Bei Werkzeugmaschinen ist dies hilfreich: Ändert sich die
3 Drehzahl und Lage
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Umgebungstemperatur, dehnt sich sowohl das Werkstück als auch die Werkzeugmaschine aus. Durch geschickte Wahl des Trägermaterials für den Maßstab kann ein großer Teil dieser thermischen Effekte kompensiert werden und die Maschine arbeitet auch ohne aufwändige Temperierung genau. 3.2.2 Induktive Längenmessgeräte Induktive Längenmessgeräte wurden früher gern im Werkzeugmaschinenbau verwendet. Das Trägermaterial des Maßstabs war Stahl. Die Maßstabteilstücke und die Abtastplatte wurden direkt an der Maschine befestigt, so dass sich ein mechanisch sehr einfaches und robustes System ergab. Das Messgerät war gegenüber Verschmutzung nicht sehr empfindlich, trotzdem musste es gegen Überflutung und Späne geschützt werden. Für größere Messlängen wurden bei der Montage mehrere Maßstabstücke aneinander gefügt. Bei der Montage mussten die Maßstabstöße sehr genau justiert werden. Aufgrund der mittlerweile deutlich gestiegenen Genauigkeitsanforderungen werden kaum noch induktive Längenmessgeräte an Werkzeugmaschinen verwendet. 3.2.3 Magnetische Längenmessgeräte Ein Längenmessgerät, das nach dem magnetoresistiven Abtastverfahren arbeitet, verwendet als Maßstab ein magnetisch strukturiertes Band aus hartmagnetischem Material. Die Polteilung ist ein bis zwei Zehnerpotenzen größer als bei optischen Teilungen. Auf der Abtastplatte befinden sich eine Vielzahl aktiver Leiterbahnen. Die Ausgangssignale entstehen, indem die Teilung über mehrere Millimeter erfasst und gemittelt wird. Maßband und Abtastplatte sind je ca. 1 mm dick. Dadurch kann dieses System sehr Platz sparend aufgebaut und in ein Gerät oder ein Maschinenteil integriert werden. 3.2.4 Photoelektrische Längenmessgeräte Bei photoelektrischen Maßstäben werden die Maßstabsteilungen auf Glas, Glaskeramik oder Stahl aufgebracht. Mit speziellen Verfahren lassen sich hochpräzise Teilungen mit sehr feinen Teilungsperioden bis zu 0,512 µm (512 nm) herstellen. Neben den unterschiedlichen Abtastprinzipien wird zwischen gekapselten und offenen Messgeräten unterschieden. Gekapselte Längenmessgeräte
Bei gekapselten Längenmessgeräten schützt ein Gehäuse den Maßstab, den Abtastwagen und dessen Führung vor Spänen, Staub und Spritzwasser (Abb. 3.4 und 3.5). Elastische Dichtlippen schließen das Gehäuse nach unten ab. Der Abtastwagen wird über ein Kugellager reibungsarm am Maßstab geführt. Eine Kupplung verbindet den Abtastwagen mit dem Montagefuß und gleicht Fluchtungsabweichungen zwischen dem Maßstab und Maschinenschlitten aus. Gekapselte photoe-
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Sensoren Abb. 3.4. Offene und gekapselte photoelektrische Längenmessgeräte
Abb. 3.5. Gekapseltes photoelektrisches Längenmessgerät (Schema)
lektrische Messgeräte haben eine breite Anwendung gefunden. Sie stellen z. B. das Standardmesssystem für Werkzeugmaschinenachsen dar. Offene Längenmessgeräte
Offene Längenmessgeräte arbeiten ohne mechanischen Kontakt zwischen Abtastkopf und Maßstab bzw. Maßband (Abb. 3.4 oben). Man verwendet offene Längenmessgeräte vor allem an Maschinen oder Anlagen, die in reinen Räumen arbeiten, wo eine Verschmutzung des Maßstabs nicht zu befürchten ist. Man bevorzugt diese Art von Messgeräten vor allem auch in Verbindung mit luftgelagerten Führungen. Weil sie keine Dichtungen enthalten, sind sie völlig frei von Reibung,
3 Drehzahl und Lage
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Verschleiß und Umkehrspanne. Diese Systeme zeichnen sich durch die höchsten Genauigkeitsgrade und hohe mögliche Verfahrgeschwindigkeiten aus. Sie finden unter anderem Verwendung an Messmaschinen sowie an Produktions- und Prüfeinrichtungen der Halbleitertechnik, außerdem an Scannern und Druckern, Bestückungsautomaten und physikalischen Messapparaturen, auch im Vakuum. 3.2.5 Längenmessung über Kugelgewindespindel und Drehgeber Diese Technik wird seit den Anfängen der NC-Technik verwendet, da sie mit einem einfachen Wandler (Resolver oder Drehgeber) auskommt. Heute nutzt man diese Bauart noch in Werkzeugmaschinen und Produktionseinrichtungen, wenn die erreichbare Genauigkeit ausreicht oder der Prozess speziell dafür geeignet ist. Die Spindel, meist eine spielfrei gelagerte Kugelrollspindel mit spielfrei eingestellter Mutter, bildet die Maßverkörperung. Der Drehgeber, der an die Spindel direkt oder über eine Kupplung angebaut ist, erzeugt inkrementale oder absolute Signale, mit denen die Spindelumdrehung unterteilt wird. Die erreichbare Genauigkeit hängt überwiegend von der Qualität der Spindel ab, aber auch von deren Temperatur und damit von der Einschaltdauer und der Vorspannung von Lagerung und Mutter. Aufgrund der Reibungsverluste erwärmt sich eine Spindel während des Betriebs. Erhöht sich die Temperatur um 10 K, verlängert sich eine 1 m lange Spindel um ca. 100 µm. Untersuchungen an Werkzeugmaschinen zeigen Messabweichungen in dieser Größenordnung im Verlauf von wenigen Viertelstunden. Die Nachgiebigkeit des Systems Spindel–Mutter–Lagerung führt zudem in Verbindung mit den Reibkräften in den Führungen zu Messabweichungen bei der Bewegungsumkehr, die sich ähnlich wie Spiel im Antrieb darstellen. Die beschriebenen Fehlerbilder wie örtliche Verschiebung durch Temperatur, Umkehrfehler und zeitliche Veränderung durch Verschleiß lassen sich auch durch Kompensationsverfahren nicht dauerhaft beseitigen, können aber durch den Einsatz eines Längenmessgeräts mit Maßstab eliminiert werden. 3.2.5.1 Drehgeber mit Wellenkupplung In Abb. 3.6 ist links ein typischer Drehgeber für die Längenmessung über die Spindel zu sehen. Er arbeitet nach dem photoelektrischen Messprinzip. Eine drehsteife und spielfreie Kupplung gleicht die Fluchtungsfehler zwischen Spindel- und Drehgeberlagerung aus. Verwendet man beispielsweise eine Spindel mit h = 10 mm Steigung und wünscht eine Wegauflösung von 1 µm, so benötigt man 10.000 Messschritte pro Umdrehung, die man z. B. durch Vierfachauswertung der Abtastsignale einer Teilung mit 2500 Perioden erhält. Durch eine Vielzahl von wählbaren Strichzahlen und eine große Palette von Interpolationsfaktoren ist eine fast beliebige Auflösung möglich.
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Sensoren
Abb. 3.6. Drehgeber mit Wellenkupplung (links) und Statorkupplung (rechts)
3.2.5.2 Drehgeber mit Statorkupplung Typische Antriebsdrehgeber dienen zur Drehzahlregelung des Motors und werden zudem auch teilweise zur Positionserfassung über die Kugelgewindespindel genutzt. Bei starken Antrieben mit größeren Motoren, wie sie z. B. im Werkzeugmaschinenbau eingesetzt werden, haben sich als Antriebsdrehgeber Ausführungen mit Statorkupplung durchgesetzt (Abb. 3.6 rechts). Sie erlauben die feste Verbindung des Rotors mit der Motorwelle. Die starre Verbindung von Rotor zu Rotor ist entscheidend für die Güte des Antriebs, weil die Torsionsfeder der Wellenkupplung und der Rotor des Drehgebers ein Schwingungssystem bilden, das die dynamische Regelung der Drehzahl stört. Die Statorkupplung hingegen muss nur die Kräfte aus der Lagerreibung des Drehgebers aufnehmen und kann daher deutlich drehsteifer ausgeführt werden. Die eigene Lagerung des Drehgebers ermöglicht eine rasche und problemlose Montage und sichert die optimale Funktion der optischen Teile auch bei starkem Temperaturgang. Auf dem Markt werden sowohl inkrementale als auch absolute Drehgeber angeboten. Die absoluten Geber unterscheidet man in Singleturn- und MultiturnGeräte. Singleturn-Drehgeber liefern innerhalb einer Umdrehung absolute Positionswerte, Multiturn-Drehgeber erlauben zusätzlich eine Codierung von bis zu 4096 Umdrehungen. Zur Kommutierung der Wicklungen von Synchron-Motoren verwendet man absolute Drehgeber oder spezielle Drehgeber mit einem zusätzlichen Kommutierungssignal.
3.3 Winkelmessung 3.3.1 Winkelmessgeräte mit Lagerung 3.3.1.1 Winkelmessgeräte mit Wellenkupplung Das klassische Winkelmessgerät enthält eine photoelektrisch abgetastete Teilung mit bis zu 36 000 radialen Strichen auf einer Glasscheibe. Diese ist an einer Welle
3 Drehzahl und Lage
125
Abb. 3.7. Photoelektrisches Winkelmessgerät mit Wellenkupplung (links) und Statorkupplung (rechts)
befestigt, die mit Präzisionskugellagern spielfrei gelagert ist. Die Teilung und das optische System sind durch ein dichtes Gehäuse gegen Staub und Flüssigkeiten geschützt. Die Welle des Messgeräts wird mit einer Maschinenwelle oder einem Rundtisch über eine Präzisionskupplung verbunden, welche die Fluchtungsabweichungen zwischen den Lagerungen ausgleicht und den Drehwinkel weitgehend fehlerfrei überträgt (s. linkes Winkelmessgerät in Abb. 3.7). 3.3.1.2 Winkelmessgeräte mit Statorkupplung Bei diesen Geräten kann die Wellenkupplung entfallen. Die Fluchtungsabweichungen zwischen den beiden Lagerungen werden durch eine sehr verdrehungssteife, aber radial nachgiebige Verbindung zwischen Abtasteinheit und Gehäuse aufgenommen. Diese Konstruktion ermöglicht einen sehr kleinen Einbauraum und die Realisierung von Hohlwellenausführungen, die für viele Zwecke sehr nützlich sind. Die Statorkupplung kann auch völlig im Gerät integriert sein, wie es ein typisches Winkelmessgerät in Abb. 3.7 zeigt (rechts). Der enthaltene Teilkreis weist je nach Messgerätetyp unterschiedliche Strichanzahlen auf. So haben gängige inkrementale Winkelmessgeräte 18000 bzw. 36000 Striche, absolute Geräte 18384 bzw. 32768 Striche. Mit einer entsprechenden Interpolationselektronik werden bis zu 227 Messschritte pro Umdrehung ermöglicht. 3.3.2 Winkelmessgeräte ohne Lagerung 3.3.2.1 Magnetisches Einbauwinkelmessgerät Zur Drehzahlregelung und zur Winkelpositionierung von schnell laufenden Spindeln bei geringeren Ansprüchen an Auflösung und Genauigkeit eignen sich ma-
126
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Sensoren
Abb. 3.8. Magnetisches Einbauwinkelmessgerät
gnetische Teilungen, die auf dem Umfang eines Stahlringes aufgebracht sind. Die Periode des Ausgangssignals liegt im Bereich von Zehntelmillimetern. Es sind relativ große Wellenbohrungen möglich. Die Geräte sind gegen Verschmutzung durch Öl und Fett unempfindlich, so dass sie in der Nähe von ölgeschmierten Spindellagerungen mit Hohlwelle eingesetzt werden können. 3.3.2.2 Photoelektrische Einbauwinkelmessgeräte Einbaumessgerät mit Glasscheibe
Im Prinzip bestehen diese Systeme aus einer Teilscheibe und einer Abtasteinheit, wie sie in den Winkelmessgeräten mit Lagerung enthalten sind. Die Teilscheibe wird auf eine Nabe geklebt und zu einem Zentrierbund zentriert. Die Abtasteinheit ist bei der Montage mit Hilfe des gleichen Zentrierbundes leicht zur Teilung auszurichten. Einbauwinkelmessgerät mit Teilungsträger aus Stahl
Die Winkelteilung besteht bei diesem System aus achsparallelen Strichen, die auf der zylindrischen Fläche eines Stahlringes aufgebracht sind. Sie wird in Reflexion abgetastet. Das System findet besonders an Drehmaschinen Verwendung, bei denen in der einen Betriebsart eine hohe Drehzahl gefahren wird und im Positionierbetrieb ähnlich wie bei einem Rundtisch eine hohe Auflösung und Genauigkeit erforderlich ist. Bei allen beschriebenen Einbauwinkelmessgeräten muss die Teilung genau zur Maschinenachse justiert werden, da sonst eine sinusförmige Messabweichung mit einer Periode pro 360° entsteht (Abb. 3.9). Die Amplitude A dieser Abweichung beträgt bei einem mittleren Teilungsdurchmesser D und einer Exzentrizität e: A = 412 · e/D Winkelsekunden, wenn e in µm und D in mm eingesetzt werden.
3.4 Anforderungen an Messgeräte für Direktantriebe Speziell bei Anwendungen mit Direktantrieben ist es wichtig, Messgeräte mit qualitativ hochwertigem Positionssignal und kleiner Signalperiode zu verwenden.
3 Drehzahl und Lage
127
Abb. 3.9. Exzentrizität der Teilung zur Lagerung
Besonders eignen sich Messgeräte mit photoelektrischem Abtastprinzip, da mit dieser Methode sehr feine Teilungen abgetastet werden können (Abb. 3.10). Aufgrund der sehr hohen Dynamik von Direktantrieben wirken sich periodisch auftretende Interpolationsfehler des Messgeräts deutlich auf die Positioniergenauigkeit bei schnellen Bewegungen aus. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass bei einem Direktantrieb das zur Regelung notwendige Geschwindigkeitssignal aus der Lageinformation des Wegmesssystems abgeleitet werden muss.
Abb. 3.10. Rundtisch mit Direktantrieb mit Winkelmessgerät
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Sensoren
Dies kann zu verminderter Oberflächengüte des Werkstücks, zur Schwingungsanregung des Antriebs (Geräuschentwicklung) und erhöhter Schwingungsbelastung des gesamten Systems führen. Um diese Auswirkungen zu vermeiden, muss die Regelung des Antriebs deutlich schwächer eingestellt werden, was die dynamische Genauigkeit des Antriebs nachhaltig verschlechtert. Der Einsatz von absoluten Messgeräten bietet sich bei direkt angetriebenen Achsen an. Beim Einschalten ist mit der aktuellen Position auch der Kommutierungsoffset sofort bekannt. Der Motor kann umgehend normal bestromt und im Regelkreis gehalten werden. Kritische Betriebszustände wie beim Einschalten einer direktangetriebenen Vertikalachse oder bei Freifahren nach Not-Aus werden sicher beherrscht.
Literatur 3.1 3.2 3.3
Ernst A (2001) Digitale Längen- und Winkelmesstechnik. Verlag moderne Industrie, Landsberg/Lech Diverse Artikel von Heidenhain-Mitarbeitern www.heidenhain.com
4 Beschleunigung Thomas Petzsche*, Heiko Müller
4.1
Einleitung
Sensoren (Aufnehmer) zur Bestimmung von Bewegungsgrößen wie den physikalischen Größen Weg, Geschwindigkeit oder Beschleunigung finden seit Mitte des letzten Jahrhunderts vermehrt Aufgaben in technischen Anwendungen. Mit der Erfindung des Dehnungsmessstreifens 1936 bzw. 1938 und der kristallphysikalischen Darstellung des piezoelektrischen Effektes durch die Werke von Cady [4.6], Mason [4.9] und Scheibe [4.17] wurden geeignete Wandlerprinzipien gefunden, mit denen mechanische Dehnungen oder Spannungen in elektrische Größen umgewandelt werden können. Diese resistiven bzw. piezoelektrischen kristallphysikalischen Effekte bilden die Grundlage für die Entwicklung von Beschleunigungssensoren nach dem seismischen Prinzip und fanden in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts schnell Anwendung in der Entwicklung und dem sich rasch ausweitenden Bau von Flugzeugen und Strahltriebwerken, aber auch auf dem Gebiet der Erdbebenforschung und bei Schocktests [4.23]. Heute steht dem Anwender ein breites Spektrum von Sensoren mit unterschiedlichen Wirkprinzipien und Eigenschaften für messtechnische Aufgaben zur Verfügung. 1 Einsatzbereiche erschließen sich auf methodischen Gebieten wie Untersuchungen zur Lebensdauer von Produkten durch Vibrations- und Schocktests, der Modal- bzw. Strukturanalyse (experimentelle Untersuchung von Eigenschwingungen von komplexen mechanischen Strukturen) oder biomechanischen Untersuchungen von Vibrations- und Stoßeinflüssen auf den Menschen. Daneben gibt es eine Vielzahl von Anwendungen bei der Erfassung von Zuständen in der Prozess- und Automatisierungsmesstechnik, z. B. bei der Wartung von Maschinen, Getrieben und Antrieben, in konventionellen und nuklearen Kraftwerken, an Bauwerken, in der Robotik und vielen anderen Bereichen. Die genauesten Beschleunigungssensoren lassen sich auch zur Bestimmung von Bewegungsbahnen einsetzen, indem die Beschleunigungssignale unter präziser Kenntnis temperaturabhängiger Integrationskoeffizienten (z. B. Übertragungskoeffizient und Nullversatz) zweifach integriert werden, man spricht auch von inertialer Wegmessung (engl. inertial measurement unit). Dieses Kapitel widmet sich in kompakter Form hauptsächlich dem seismischen Beschleunigungssensor (engl. accelerometer), da er die weiteste Verbreitung gefunden hat. Zunehmend werden aber auch kontaktlose, optische Verfahren, sog.
* Herrn Prof. Dr. habil. G. Schmidt, Halle/Saale zum 84. Geburtstag gewidmet
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Sensoren
Laser-Interferometer bzw. Laser-Vibrometer eingesetzt. Für ausführlichere Informationen sei auf die Literatur am Ende des Kapitels verwiesen.
4.2 Messung von Bewegungsvorgängen mit absolutem und relativem Bezugspunkt Vibrationen und Stöße lassen sich mit den physikalischen Größen Weg (bzw. Auslenkung), Geschwindigkeit oder Beschleunigung im Zeit- oder Frequenzraum messen und beschreiben. Eine Umrechnung der einzelnen Bewegungsgrößen Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung ist bei sinusförmiger Anregung (bzw. genauer Kenntnis der Anregungsform) mathematisch leicht ableitbar. Moderne FFT-Analysatoren können deshalb die Spektren in jede gewünschte Bewegungsgröße umrechnen. In der Mechanik können Bewegungen kinematisch mit verschiedenen Modellansätzen wie dem Massenpunkt, dem starren Körper oder dynamisch beschrieben werden. Die Kinematik charakterisiert Bewegungsvorgänge phänomenologisch, ohne nach den Ursachen der Bewegungsänderungen zu fragen. So berechnet sich die mittlere Beschleunigung a– (t2, t1) aus dem Quotienten der Geschwindigkeitsänderung ν (t2) – ν (t1) und dem dazugehörigen Zeitintervall (t1, t2) nach der Beziehung a t2 ,t1
v(t 2) v(t1) t2 t1
,
(4.1)
wobei sowohl die Geschwindigkeiten als auch die Beschleunigung vektorielle Größen sind. Im Unterschied zu einer skalaren, physikalischen Größe wie der Zeit t, die als reiner Betrag angegeben wird, ist ein Vektor wie die Beschleunigung a zusätzlich zum Betrag durch eine Richtung und einen Richtungssinn gekennzeichnet. Wird das Zeitintervall (t1, t2) durch einen Grenzübergang unendlich klein, kann man die Momentanbeschleunigung a(t1) zum Zeitpunkt t1 aus der Geschwindigkeit v(t1) oder dem Weg s(t1) ableiten: ..
.
(4.2)
Die physikalische Einheit der mittleren und der momentanen Beschleunigung ist m ⋅ s-2. In der Dynamik werden die Ursachen für Bewegungsänderungen durch wirkende Kräfte (oder bei Drehbewegungen durch Drehmomente) entsprechend der Newtonschen Bewegungsgleichung F=m·a
(4.3)
beschrieben, wobei F für einen Kraftvektor und m für eine Masse steht. Häufig wird nur mit den Vektorbeträgen gearbeitet; die entsprechenden Symbole werden als Variablen dann nicht fett geschrieben, z. B. a, v, s. Prinzipiell unterscheidet man bei der Messung von Bewegungsänderungen zwischen relativen und absoluten Verfahren. Dabei ist die Messung relativ, wenn
4 Beschleunigung
131
die Bewegung eines Objektes auf die Bewegung eines anderen bezogen wird. Das Koordinatensystem, aus dem die Bewegungsbahn des Objektes beobachtet und beschrieben wird, ist mit diesem nicht starr verbunden. Bei einer absoluten Messung wird die Objektbewegung im Raum bezogen auf die vorherige Position des gleichen Objektes. In diesem Fall ist das Koordinatensystem fest mit dem bewegten Objekt verbunden und die Beschreibung der Bewegungsbahn erfolgt durch die Messung der Bewegung von seismischen Feder-Masse-Systemen im Vergleich zu diesem mitbewegten Bezugssystem (vgl. Abschn. 4.3). Bewegungsmesssysteme nutzen alle geeigneten physikalischen Effekte (optische, mechanische, elektrische, kristallphysikalische u. a.). Beispiele für relative Messverfahren reichen von den einfachsten und ältesten, der Beobachtung von Bewegungen mit dem bloßen Auge unter Zuhilfenahme eines Maßstabes oder Referenzmarken bis zu den hochempfindlichen und genauesten Verfahren mit LaserInterferometern. Bei einseitiger Fixierung an einem festen Bezugspunkt können auch Sensoren Anwendung finden, die ihren Widerstand (Faden- oder Linearpotentiometer), die Kapazität (kapazitive Sonden) oder die Induktion von Wirbelströmen abstandsabhängig ändern. Probleme bereiten die relativen Messverfahren, wenn die Bewegung des Bezugspunktes nicht eindeutig beschrieben werden kann. Ein auf dem Stativ befestigtes Laser-Interferometer beispielsweise wird die u. U. vorhandenen Eigenbewegungen des Stativs der zu messenden Bewegung überlagern. Dieses Problem tritt bei den im folgenden Abschnitt beschriebenen seismischen Sensoren nicht auf, da es sich hier im Gegensatz zu den vorher genannten relativen um ein absolutes Verfahren handelt.
4.3 Beschleunigungssensoren mit seismischer Masse – Prinzipieller Aufbau und Eigenschaften Die meisten heute verwendeten Beschleunigungssensoren gehören zu der Gruppe der seismischen Sensoren. Abbildung 4.1a zeigt verschiedene realisierte Typen, a
b
s Ks(t) = 0 entspricht der statischen Ruhelage der Masse ms s Ks (t) = s K (t) - ss (t) ms F s(t ) c
k mG
s s(t)
s K (t), vK (t), aK (t)
mK
F K (t )
Abb. 4.1. a Verschiedene Sensortypen, (Werksbild: Kistler Instrumente), b Prinzipieller Aufbau eines Beschleunigungssensors mit seismischer Masse
132
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Sensoren
Abb. 4.1b deren prinzipiellen Aufbau. In einem Gehäuse befindet sich eine seismische Masse ms, die über eine ideale Feder der Steifigkeit k und einen Dämpfer mit dem Dämpfungskoeffizienten c am Gehäuse befestigt ist. Wird die Struktur der Masse mK, mit welcher der Sensor starr verbunden ist, durch die Kraft FK(t) mit einer Beschleunigung aK(t) bewegt, so wird die seismische Masse ms infolge der auftretenden Trägheitskraft Fs(t) um den Weg sKs(t) = sK(t) – ss(t) aus ihrer ursprünglichen Lage ausgelenkt. Dieser Effekt wird aufgenommen und in ein elektrisches Signal umgewandelt. Die Auslenkung der seismischen Masse kann durch unterschiedliche physikalische Prinzipien gemessen werden. Am häufigsten wird sKs durch Änderung von Widerständen, Kapazitäten oder der elektromagnetischen Induktion sowie durch Nutzung des piezoelektrischen Effekts in ein elektrisches Signal umgewandelt. Des Weiteren wurden auch schon Beschleunigungssensoren realisiert, die auf Änderungen von Lichtintensitäten oder Wärmeleitungen beruhen oder die die Integration von Interferometrieverfahren oder den Laser-Doppler-Effekt verwenden [4.8, 4.16, 4.21]. Das Systemverhalten kann mathematisch durch Differentialgleichungen im Zeitbereich oder mit Hilfe von Übertragungsfunktionen im Bildbereich beschrieben werden. Betrachtet man die Beschleunigung aK als Eingangsgröße und die Abstandsänderung sKs der seismischen Masse zum Gehäuse des Sensors als Ausgangsgröße, ergibt sich als Übertragungsfunktion im Bildbereich (p = Laplace-Operator; ms 1) nur geringen Einfluss auf die Amplitude bzw. den Übertragungskoeffizienten hat. Im Resonanzbereich bewirkt sie eine Verkleinerung der Amplitude, die Resonanzspitze wird endlich. Bemerkenswert ist, dass sich die Resonanzfrequenz mit zunehmender Dämpfung immer weiter von der Eigenkreisfrequenz ωm des ungedämpften Systems entfernt. Die Phasendifferenz strebt auch bei Dämpfung mit zunehmendem Frequenzverhältnis η von 0° auf 180°, der Übergang vollzieht sich aber mit größer werdender Dämpfung immer kontinuierlicher. Viele Beschleunigungssensortypen sind nicht oder nur in geringem Maße bedämpft. Sie werden in einem möglichst linearen Bereich unterhalb ihrer Resonanzfrequenz eingesetzt. Ihr Übertragungsverhalten wird dabei durch einen einzelnen Koeffizienten beschrieben, obwohl es prinzipiell von der Frequenz abhängt. Die obere Grenzfrequenz, bis zu der ein Sensor eingesetzt werden kann, hängt einerseits von der Resonanzfrequenz (Gl. (4.6))
Abb. 4.2. Frequenzgang mit Betrag (links) und Phasenverlauf (rechts) eines Beschleunigungssensors mit seismischer Masse in Abhängigkeit von der normierten Frequenz η
4 Beschleunigung
Zm
135
k / ms
bzw. der seismischen Masse und der Steifigkeit ab, mit der die seismische Masse an das Sensorgehäuse gekoppelt ist, andererseits von der Abweichung, die bei der Messung akzeptiert werden kann. Erhöht man die Resonanzfrequenz durch Erhöhung der Steifigkeit und Verringerung der seismischen Masse ms des Sensors, verkleinert man gleichzeitig die bei einer Beschleunigung entstehende Wegänderung sKs und damit die Empfindlichkeit des Sensors (vgl. Gl. (4.9)). Aufgrund des einzugehenden Kompromisses wurde zur Anpassung an die vielen möglichen Anwendungsbereiche eine Vielzahl von unterschiedlichen Sensortypen entwickelt. In den bisherigen Betrachtungen wurde vorausgesetzt, dass der Zusammenhang zwischen dem Abstand sKs der seismischen Masse von der Basis des Sensors und der an der Basis angreifenden Beschleunigung aK über die Proportionalitätskonstante k streng linear ist. Abweichungen von dieser linearen Beziehung sind zu erwarten, wenn die Auslenkung der seismischen Masse groß wird. Das geschieht im Resonanzfall des Sensors und bei der Messung hoher Beschleunigungsamplituden. In den Spezifikationen der Hersteller wird dies in der Regel durch die Angabe der Nichtlinearität und ggf. der Hysterese berücksichtigt. Zu beachten ist, dass durch hohe Anregungsamplituden im Bereich der Resonanzfrequenz die mechanische Bruchspannung im Wandlerelement erreicht und der Beschleunigungssensor zerstört werden kann.
4.4 Prinzipien von Beschleunigungssensoren 4.4.1 Piezoelektrische Beschleunigungssensoren Eine auf solche Sensoren wirkende Beschleunigung erzeugt durch die Trägheit der seismischen Masse eine Kraft auf das vorgespannte piezoelektrische Material. Die Sensoren nutzen die Eigenschaft von piezoelektrischen Materialien aus, dass proportional zu einer auf das Material wirkenden Kraft eine elektrische Ladungsverschiebung stattfindet, die mit geeignet angebrachten Elektroden und einer entsprechenden elektrischen Schaltung erfasst werden kann. Als piezoelektrische Materialien werden Einkristalle wie Quarz oder Turmalin, vielfach aber auch ferroelektrische keramische Werkstoffe wie Bleizirkonattitanat (PZT) oder Wismuttitanat eingesetzt. Einkristalle besitzen zeitlich stabile Eigenschaften und geringe Empfindlichkeiten gegenüber Temperaturschwankungen (pyroelektrische Effekte). Mit ferroelektrischen Keramiken, die künstlich polarisiert werden müssen, können Sensoren hoher Empfindlichkeit und in vielfältigen Formen und Größen hergestellt werden; die elektromechanischen Eigenschaften ferroelektrischer Keramiken können durch Änderung der Zusammensetzung an die Anforderungen angepasst werden. Neben den Materialien lassen sich piezoelektrische Beschleunigungssensoren danach unterscheiden, wie die Kraft der beschleunigten seismischen Masse auf
136
Teil B
Sensoren
Abb. 4.3. Prinzipieller Aufbau des Kompressionstyps (links) und des Schertyps (rechts)
das piezoelektrische Material einwirkt. Allgemein werden drei Bauarten unterschieden: Beim Kompressionstyp übt die seismische Masse eine Druckkraft, beim Schertyp eine Scherkraft auf das piezoelektrische Element aus. Daneben gibt es das Prinzip des piezokeramischen Biegebalkens, bei dem die angreifende Kraft einen Balken „verbiegt“ (der gleichzeitig piezoelektrisches Material und seismische Masse darstellen kann). Je nach Einsatzfall gibt es auf Basis der genannten Typen verschiedene konstruktive Lösungen [4.5, 4.16, 4.20]. Alle piezoelektrischen Sensoren haben den gemeinsamen Vorteil, dass es aktive Sensoren sind. Sie beziehen die Leistung, die zur Umwandlung und Übertragung des Messsignals benötigt wird, von dem Messobjekt und benötigen daher keine Versorgungsspannung. Des Weiteren sind mit ihnen Messungen in einem weitaus größeren Temperaturbereich (-269 °C bis +750 °C) möglich als mit Sensoren anderer Prinzipien. Nachteilig ist die Eigenschaft, dass die durch eine Beschleunigung entstehende Ladung mit der Zeit durch Leckströme verschwindet. Daher sind piezoelektrische Sensoren nicht geeignet für statische Messungen mit einer Frequenz nahe oder gleich Null. Zur Aufbereitung der von piezoelektrischen Sensoren gelieferten Ladungen werden meistens Ladungsverstärker eingesetzt. Die zur Signalaufbereitung benötigte Elektronik kann aber auch in den Sensor integriert werden. Derartige Sensoren beziehen ihre Speisung über eine konstante Stromversorgung. Nach Entkoppeln eines Gleichanteils von ca. 10 V bis 11 V steht für das Messsignal meistens ein Spannungshub von ± 5 V zur Verfügung [4.16]. Sensoren mit dieser integrierten Ladungswandlung sind am weitesten verbreitet und werden zusammenfassend immer häufiger als CCLD (Constant Current Line Drive) -Typen bezeichnet. Geschützte, firmeneigene Namen sind z. B. PIEZOTRON®, ISOTRON®, ICP®, DeltaTron®. Anwendung finden piezoelektrische Sensoren insbesondere im Bereich der Schock- und Vibrationsmesstechnik zwischen 0,5 Hz und ca. 20 000 Hz. 4.4.2 Piezoresistive Beschleunigungssensoren Piezoresistive Beschleunigungssensoren können unterschiedliche Strukturen als Feder-Masse-Elemente enthalten. Abbildung 4.4 zeigt den prinzipiellen Aufbau.
4 Beschleunigung
137
Abb. 4.4. Prinzip eines piezoresistiven Beschleunigungssensors
Häufig wird ein hervorstehender dünner Träger benutzt, der durch bestimmte Formgebung (z. B. Hohlkehlen) als Feder wirkt und dessen freistehendes Ende als seismische Masse ausgebildet ist. Auf jede Seite des Trägers werden piezoresistive Dehnungsmesselemente geklebt (oder bei mikromechanischer Herstellung auch durch Diffusion erzeugt). Bei diesen piezoresistiven Dehnungsmesselementen handelt es sich um Halbleiterwiderstände (vorwiegend aus dotiertem Silizium), die ihren elektrischen Widerstand proportional zur mechanischen Dehnung ändern. Die Widerstandsänderung bezogen auf die Längenänderung ist sehr groß, wodurch sich ein Dehnungsfaktor (Gage-Faktor) einstellt, der um ein Vielfaches größer ist als bei typischen Dehnungsmessstreifen aus Metall. Neben dem hohen Dehnungsfaktor besitzen Halbleiter-Dehnungsmesselemente allerdings auch einen (unerwünschten) hohen Temperaturkoeffizienten. Die damit verbundene Abhängigkeit des Nullsignals und des Übertragungskoeffizienten kann durch eine geeignete Paarung der Dehnungsmesselemente in der Wheatstoneschen Brücke verringert werden. Bei Einwirken einer Beschleunigung auf die Struktur biegt sich der Träger und die Dehnungsmesselemente werden gedehnt bzw. gestaucht. Dadurch erhöht sich der Widerstand des einen Messelements, während der des anderen sinkt. Verschaltet man die Widerstände in geeigneter Weise, so lässt sich ein zur Durchbiegung des Balkens und damit zu einer auf den Sensor wirkenden (auch statischen) Beschleunigung proportionales Ausgangssignal erzeugen. Als Überlastungsschutz und zum Glätten der Frequenzkurve können mechanische Anschläge und/oder Dämpfungsmedien vorgesehen werden. Der elektrische Teil kann Voll- oder Halbbrücken und Schaltungen zur Temperaturkompensation enthalten. Piezoresistive Sensoren haben gegenüber anderen Prinzipien häufig Vorteile bei der Messung von Stößen mit langen Stoßzeiten, bei denen die Erfassung des „DC-Response“ bzw. der niederfrequenten Anteile des Stoßspektrums wichtig ist.
138
Teil B
Sensoren
4.4.3 Kapazitive Beschleunigungssensoren Ähnlich wie bei den piezoresistiven Beschleunigungssensoren wird bei den kapazitiven Sensoren an dünnen, als Feder wirkenden Trägern eine seismische Masse ausgebildet. Masse und Gehäuse werden so konstruiert, dass sie als Kondensator wirken. Bei Bewegung des Sensors durch eine Beschleunigung wird die Masse aus ihrer Ruhelage ausgelenkt und die Kapazität des Kondensators geändert. Die Kapazitätsänderung ist daher durch die Proportionalität zur Auslenkung ein Maß für die Beschleunigung. Normalerweise wird der Kondensator als ein Differentialkondensator oder ein Kondensatorpaar aufgebaut (vgl. Abb. 4.5). Dieser besteht im einfachsten Fall aus zwei festen Elektroden symmetrisch zur Bewegungsrichtung der trägen Masse, welche als gemeinsame, bewegliche dritte Elektrode der beiden so entstehenden Kondensatoren wirkt. Durch den differentiellen Aufbau können Kapazitätsänderungen in einem Einzelkondensator durch thermische Ausdehnung eliminiert werden. Wie die piezoresistiven Sensoren können die kapazitiven Sensoren statische Beschleunigungen mit der Frequenz Null messen, allerdings besitzen auch sie die Abhängigkeit von einer Versorgungsspannung. Vorteilhaft ist des Weiteren die Möglichkeit, mit den Kondensatoren eine elektrostatische Rückstellkraft zu erzeugen. Dadurch lassen sich auf einfache Weise einerseits ein Selbsttest, andererseits ein Kompensationsverfahren („Closed-Loop-Betrieb“ bzw. Servo-Beschleunigungssensoren) realisieren. Da bei den kapazitiven Beschleunigungssensoren Typen realisierbar sind, die eine hohe Empfindlichkeit und einen sehr guten Überlastschutz besitzen, werden sie gern eingesetzt, wenn Beschleunigungen geringer Amplitude zu messen sind, dabei aber hohe Störbeschleunigungen auftreten können. 4.4.4 Servo-Beschleunigungssensoren Bei Servo-Beschleunigungssensoren wird die bewegliche seismische Masse über eine elektronische Rückkopplung bei der Messung in ihrer Ruhelage gehalten. Die Abb. 4.5. Prinzip eines kapazitiven Beschleunigungssensors
4 Beschleunigung
139
Kraft bzw. Spannung, die dazu aufgebracht werden muss, dient als Maß für die gemessene Beschleunigung. Im Betriebszustand zeigt die seismische Masse des Sensors keine Auslenkung mehr, was die Linearität und die dynamischen Eigenschaften verbessert. Die rücktreibende Kraft der seismischen Masse wird nicht mehr allein durch die Federeigenschaften des Biegebalkens, sondern zusätzlich, je nach Wirkungsprinzip durch die elektromagnetische bzw. elektrostatische „Feder“ bestimmt. Servo-Beschleunigungssensoren zeichnen sich durch eine ausgezeichnete Stabilität, gute Genauigkeit, geringen Schwingungsrektifikationsfehler (rectification error; siehe [4.3]), große Bandbreite und kleine Abmessungen aus. Für Servo-Beschleunigungssensoren wird das Übertragungsverhalten zwischen der mechanischen Eingangsgröße in den drei verschiedenen Richtungen und dem Ausgangssignal A mit folgender Gleichung (vgl. [4.2]) beschrieben:
A = U/K1 = K0 + Ai + K2Ai2 + K3Ai3 + δ0Ap + KipAiAp – δpA0 + Ki0AiA0 (4.13) Dabei gilt: U – – K1 K0 – Ai – Ap – – A0 – K2 K3
–
δ0 – δp – Kip, Ki0 –
Ausgangssignal in Spannungseinheiten [mV], Skalierfaktor [mV / m/s²], Nullversatz [m/s²], Beschleunigung in Richtung der Eingangsachse (IA) [m/s²], Beschleunigung in Richtung der Pendelachse (PA) [m/s²], Beschleunigung in Richtung der Ausgangsachse (OA) [m/s²], Nichtlinearität [m/s²/(m/s²)2], auch Rektifikationsfehler (rectification error), Nichtlinearität [m/s²/(m/s²)3], auch Rektifikationsfehler (rectification error), Versatz von IA gegenüber OA, Versatz von IA gegenüber PA und Querkopplungen, auch Schwingungspendelfehler (vibropendulous error; siehe [4.3]).
Während dieses Modell nur die dynamischen Eigenschaften des Beschleunigungssensors beschreibt, sind Schwankungen der Eigenschaften in Abhängigkeit von der Temperatur und Zeit für jeden Beschleunigungssensor zusätzlich von großer Bedeutung. Die meisten Bewertungstests werden auf einem Teilkopf durchgeführt. Eine genaue Beschreibung des Prüfaufbaus und der Datenauswertung enthalten [4.2, 4.3]. Der Messbereich kann in der Regel durch Hinzufügen eines externen Widerstandes über dem stromgetriebenen Ausgangssignal verringert und der Skalierfaktor (spezielle Sprechweise für den Übertragungskoeffizienten nach [4.2]) vergrößert werden. Der gesamte Nullversatz ist in Abhängigkeit von der Temperatur normalerweise mit einer Unsicherheit von maximal 5 mgn behaftet und die gesamte Skalierfaktorabweichung maximal 1000 ppm. In den Beschleunigungssensor ist meist ein Temperaturfühler integriert, der genaue thermische Korrekturen ermöglicht. Der Schwingungsrektifikationsfehler ist typischerweise
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Teil B
Sensoren
kleiner als 20 µgn/gn² und kann meist durch internes Trimmen der Elektronik noch weiter herabgesetzt werden. Der Schwingungspendelfehler (Kip oder Ki0) liegt typisch bei Werten kleiner als 10 µgn/gn². Der Achsenversatz (δ0² + δp²)0,5 ist meist kleiner als 10 mrad und mit besser als 1 mrad stabil. Die Parameter aus Gl. (4.13) werden in mathematischen Modellen zur Berechnung von Wegen bzw. Distanzen verwendet und müssen daher recht genau absolut und in Abhängigkeit von der Temperatur bekannt sein. Servo-Beschleunigungssensoren gehören zu den am besten spezifizierten Sensoren überhaupt, was sich auch im Preis niederschlägt. Der große Dynamikbereich von Servo-Beschleunigungssensoren, in der Regel 120 dB, erlaubt ihren Einsatz für die unterschiedlichsten Anwendungen, z. B. in der Raumfahrt und Militärtechnik sowie in der Kraftfahrzeugtechnik, Robotik und im Maschinenbau. In der Raumfahrt betrifft eine Hauptanwendung die Messung der Bahnen von Flugkörpern, bei denen der Beschleunigungssensor hohe Beschleunigungswerte beim Abschuss überstehen muss, um die im Flug auftretenden Beschleunigungen z. B. beim Absprengen von Raketenstufen, Zünden von Steuerraketen sowie Abschussrampenresonanzen und Daten zur Flugbahnüberwachung zu messen. Die ausgezeichnete Stabilität und Genauigkeit von Servo-Beschleunigungssensoren versprechen eine optimale Eignung für Lenk- und Überwachungsanwendungen im Kurzbereich, z. B. zur Inertiallenkung von Flugkörpern und Luftfahrzeugen aller Art. Das hohe Auflösungsvermögen, meist im µgn-Bereich, erleichtert seinen Einsatz in Systemen zur Schwingungskompensation für beliebige schwingungsempfindliche Prozesse. Zu weiteren geeigneten Anwendungen für Servo-Beschleunigungssensoren gehören die Überwachung seismischer Aktivitäten, Studien von Schiffsbewegungen, Plattformstabilisierung, Helikopter-Schwebeuntersuchungen, Präzisionsneigungsmesser und andere Kipp- und Winkelmessungen.
4.5 Eigenschaften und Einflüsse bei der Messung mit seismischen Sensoren 4.5.1 Thermische Eigenschaften Der Übertragungskoeffizient, das Nullsignal und andere Parameter von Beschleunigungssensoren sind stets mehr oder minder temperaturabhängig. Die Stärke dieser Effekte hängt insbesondere von den Temperatureigenschaften der im Sensor verwendeten Materialien, dem Messprinzip und der Bauweise des Sensors ab. Verursacht werden die Effekte z. B. durch Gehäusedehnungen, Veränderungen von Spannungen/Vorspannungen bei Klebungen und Verschraubungen oder bei piezoelektrischen Sensoren auch durch den pyroelektrischen Effekt infolge von Temperaturänderungen. Der pyroelektrische Effekt ist durch prinzipielle Unterschiede im Aufbau und in der Anordnung der Elektrodenflächen bei Sensoren vom Schertyp kleiner als bei Sensoren vom Kompressionstyp [4.16]. Es bleibt aber durch kristallographische Fehlorientierungen immer ein residualer Effekt zurück. Zu beachten ist auch, dass sich die Isolationswiderstände von piezoelektrischen Sensoren bei ho-
4 Beschleunigung
141
hen Temperaturen verringern, damit die Zeitkonstante verkürzt wird und tieffrequente Signale gedämpft werden. Des Weiteren zeigen Sensoren mit der Fähigkeit statische Beschleunigungen zu messen immer auch eine Abhängigkeit des Nullsignals von der Temperatur. Im Allgemeinen werden in den Spezifikationen der Sensoren ein Betriebstemperaturbereich und eine in diesem Bereich typische Änderung des Übertragungskoeffizienten und ggf. weiterer Parameter in Abhängigkeit von der Temperatur angegeben. 4.5.2 Querrichtungsempfindlichkeit Bei realen Beschleunigungssensoren weicht die Richtung der größten Beschleunigungsempfindlichkeit immer etwas von der nominellen Messrichtung ab. Daher geben sie nicht nur ein Signal ab, wenn sie in Richtung ihrer nominellen Messachse, sondern auch wenn sie quer dazu beschleunigt werden. Dieser normalerweise unerwünschte Effekt wird als Querrichtungsempfindlichkeit oder Querbeschleunigungsempfindlichkeit bezeichnet. Damit kann der Sensor eine in Messrichtung (= nominelle Achse) vorliegende Beschleunigung vortäuschen, obwohl in dieser Richtung keine Beschleunigung vorhanden ist. Die Ursache liegt in nicht vermeidbaren Fertigungstoleranzen, die durch Fehlausrichtungen von Komponenten innerhalb des Sensors und bei piezoelektrischen Sensoren durch Polarisationsfehler der piezoelektrischen Elemente entstehen. Abbildung 4.6a zeigt eine vektorielle Darstellung des Übertragungsverhaltens von Beschleunigungssensoren. Emax ist der Vektor der größten Empfindlichkeit des Beschleunigungssensors. Er lässt sich in zwei Komponenten zerlegen: in den Vektor Enom , der in die (nominelle) Messrichtung zeigt und in den Vektor EQmax , der senkrecht auf Enom steht: S
Enom
(4.14)
Emax cos D
z E nom
α
E max
90° y E
y
Richtung der wirkenden Querbeschleunigung Qeff
γ
180°
E Qmax
x 0°
E Qmax a
x
b
270°
Abb. 4.6. Vektorielle Darstellung a des Übertragungsverhaltens von Beschleunigungssensoren, b der effektiven Querbeschleunigungsempfindlichkeit
142
Teil B
Sensoren
EQ max
EQ max
(4.15)
Emax sin D
Der Betrag des Vektors Enom wird als Übertragungskoeffizient oder Empfindlichkeit (engl. sensitivity S) des Sensors bezeichnet. Er gibt das Verhältnis der Ausgangsgröße des Beschleunigungssensors zur Beschleunigung in Messrichtung wieder. Entsprechend gibt der Betrag des Vektors EQmax das Verhältnis der Sensor-Ausgangsgröße zu einer Beschleunigung senkrecht zur Messachse wieder, wenn die auftretende Querbeschleunigung mit der Richtung der größten Querbeschleunigungsempfindlichkeit übereinstimmt. Die maximale Querbeschleunigungsempfindlichkeit wird häufig auf den Übertragungskoeffizienten S bezogen und in Prozent angegeben. E% Q max
EQ max S
(4.16)
100 % tan D 100 %
Gute Sensoren besitzen eine maximale Querbeschleunigungsempfindlichkeit E%Qmax von kleiner als 3 %. Besitzt beispielsweise ein Sensor eine max. Querbeschleunigungsempfindlichkeit von 2 % und wird senkrecht zu seiner nominellen Messachse mit 200 m/s² beschleunigt, so „zeigt“ er eine Beschleunigung von 4 m/s² an, obwohl in der nominellen Messrichtung keine Beschleunigung vorliegt. Vorhergehend wurde die max. Querbeschleunigungsempfindlichkeit bestimmt; diese besitzt ein Sensor aber nur, wenn die wirkende Querbeschleunigung mit der Richtung der max. Querbeschleunigungsempfindlichkeit übereinstimmt. Verlaufen die max. Querbeschleunigungsempfindlichkeit und die wirkende Querbeschleunigung in unterschiedliche Richtungen, so ist die tatsächliche (effektive) Querbeschleunigungsempfindlichkeit des Sensors geringer. Abbildung 4.6b zeigt die effektive Querbeschleunigungsempfindlichkeit in Abhängigkeit des Winkels γ, der zwischen der Richtung der wirkenden Querbeschleunigung und der Richtung der max. Querbeschleunigungsempfindlichkeit liegt. Im Gegensatz zu Abb. 4.6a wurde die x,y-Ebene so gedreht, dass die x-Achse mit der Richtung der max. Querbeschleunigungsempfindlichkeit übereinstimmt. Der Vektor EQeff gibt die effektive Querbeschleunigungsempfindlichkeit an, die der Sensor in Richtung der Querbeschleunigung besitzt. Wird γ von 0° auf 90° erhöht, durchläuft EQeff einen halbkreisförmigen Bogen, bei γ = 90°nimmt EQeff den Wert Null an. EQeff
EQeff
EQ max cos J
bzw.
E%Qeff
E%Q max cos J
(4.17)
In den anderen Quadranten durchläuft EQeff jeweils wieder einen Halbkreis, so dass sich insgesamt ein Verlauf ergibt, der einer waagerecht gezeichneten Acht ähnelt.
4 Beschleunigung
143
Die Querbeschleunigungsempfindlichkeit hängt wie die Empfindlichkeit in nomineller Messrichtung von der Frequenz ab. Da der Sensoraufbau quer zur nominellen Messrichtung häufig eine geringere Steifigkeit besitzt als in nomineller Messrichtung, liegt die Resonanzfrequenz der Querbeschleunigungsempfindlichkeit normalerweise unter der in nomineller Messrichtung. 4.5.3 Basisdehnungsempfindlichkeit Wird die Befestigungsfläche eines Beschleunigungssensors z. B. durch eine Biegebeanspruchung gedehnt oder gestaucht, so wird im Sensor in Abhängigkeit von der Bauweise ein Ausgangssignal erzeugt, welches eine nicht vorhandene Beschleunigung vortäuscht. Bei den piezoelektrischen Sensoren sind solche vom Schertyp weniger empfindlich gegenüber einer Basisdehnung als welche vom Kompressionstyp, da bei den Schertypen kein direkter Kontakt zwischen Sensorelement und Sockel bzw. Befestigungsfläche besteht [4.16]. In welcher Höhe die Basisdehnung den eigentlichen Messwert verfälscht, hängt einerseits von der maximalen Basisdehnungsempfindlichkeit des Beschleunigungssensors, andererseits von der in Richtung der maximalen Basisdehnungsempfindlichkeit wirkenden Dehnung ab. Die Dehnungsempfindlichkeit ist normalerweise stark nichtlinear in Abhängigkeit von der wirkenden Dehnung. Um einen Vergleich verschiedener Sensortypen zu ermöglichen, wird von den Herstellern daher häufig eine mittlere Dehnungsempfindlichkeit angegeben, die bei einer Basisdehnung von 250 µm/m bestimmt wird. 4.5.4 Querempfindlichkeiten gegen andere Störgrößen Elektromagnetische Felder können bei Beschleunigungssensoren Störsignale hervorrufen, wenn keine Abschirmung möglich ist. Abschirmungen gegen magnetische Felder sind nur durch ferromagnetische Materialien möglich. Dies ist bei Messungen an Elektromotoren, Generatoren, Transformatoren usw. zu beachten. Durch ionisierende Strahlung (Gamma-Strahlung oder Neutronenstrahlung) werden ab einer bestimmten Dosisleistung die Sensoren dauerhaft beschädigt. Da eine in den Sensor integrierte Elektronik bereits bei kleineren Dosisleistungen beschädigt wird als die elektromechanischen Wandlerelemente, werden bei solchen Messbedingungen vornehmlich Sensoren ohne integrierte Elektronik eingesetzt. Akustische Schallfelder und Druckschwankungen hoher Intensität können zu Verformungen des Sensors führen und damit ein Ausgangssignal hervorrufen. Daher sind Aufnehmer mit geringer Empfindlichkeit gegenüber Basisdehnungen auch weniger empfindlich gegen Einflüsse aufgrund von akustischer Energie und Druckschwankungen. Bei Einsatz unter widrigen Umgebungsbedingungen sollten die Herstellerspezifikationen beachtet werden.
144
Teil B
Sensoren
4.5.5 Stabilität und Alterung Bei piezoelektrischen Sensoren können mit der Zeit Depolarisation des piezoelektrischen Materials und ein Nachlassen der Vorspannkraft auftreten, die zu einer Änderung des Übertragungskoeffizienten bzw. des Messbereiches führen. Der Effekt tritt vor allem bei Sensoren auf, bei denen die Piezoelektrizität durch ferroelektrische Keramiken realisiert ist und wird beim Herstellungsprozess durch „künstliches Altern“ des piezoelektrischen Materials und des gesamten Sensors vermindert. Verstärkt wird der Effekt durch hohe Beanspruchungen des Sensors im Grenzgebiet seiner Spezifikationen (z. B. hohe Stoßbeanspruchung, hohe Temperaturen, etc.). Bei diskret aufgebauten piezoresistiven Beschleunigungssensoren können sich die Eigenschaften durch die Alterung der bei der Klebung verwendeten Epoxydharze ändern (z. B. Verschiebung des Nullversatzes). Bei sachgemäßer Behandlung von ausgewählten Beschleunigungssensoren können Langzeitinstabilitäten von weniger als 0,05 %/Jahr erreicht werden. 4.5.6 Auswirkung der Sensormasse – Arten der Befestigung Die dynamischen Eigenschaften einer Struktur hängen von seiner Masse, Steifigkeit, Dämpfung und Befestigung ab. Wird durch die Montage eines Beschleunigungssensors eine zusätzliche Masse an der Struktur angebracht, verändern sich diese dynamischen Eigenschaften. Kann die Struktur näherungsweise durch ein einfaches Feder-Masse-System modelliert werden, verringert sich die erste Resonanzfrequenz fm der Struktur um
(4.18) mit mK als Masse der Struktur (des Körpers) und mA als Masse des Beschleunigungssensors. Die Schwingungsamplitude sK verringert sich näherungsweise um
(4.19) Um die Messergebnisse nur vernachlässigbar zu beeinflussen, muss die Masse des Beschleunigungssensors vernachlässigbar gegenüber der Masse der zu vermessenden Struktur sein. Kontrollieren kann man dies, indem man nach einer Messung eine erneute Messung durchführt, bei der man die Masse des Beschleunigungssensors verdoppelt (z. B. durch einen zweiten Sensor). Verändern sich die Messergebnisse nicht signifikant, lässt sich auf einen geringen Einfluss der Sensormasse schließen.
4 Beschleunigung
145
Es gibt unterschiedliche Methoden zur Befestigung von Beschleunigungssensoren an den Strukturen, deren Beschleunigung gemessen werden soll, z. B. Befestigung durch Verschraubung, Klebung, Wachs oder magnetische Kräfte. Bei der Verschraubung ist in der Regel ein höherer Vorbereitungsaufwand notwendig, da an der zu vermessenden Struktur ein oder mehrere Gewindelöcher geschaffen werden müssen. Bei Klebung, Wachs und magnetischer Befestigung ist dies nicht notwendig, u. U. werden die Struktureigenschaften auch durch die Gewindelöcher verändert. Klebung und Wachs schränken den Temperaturbereich der Messung noch weitgehender ein als der Sensor selbst, während bei den üblichen magnetischen Befestigungen die erlaubte Beschleunigungsamplitude am geringsten ist, dafür die Montage, die Demontage und eine Verschiebung der Messstelle sehr schnell vollzogen werden kann. Neben diesen Kriterien hat für die Befestigungsauswahl die obere Grenzfrequenz Bedeutung, bis zu der gemessen werden soll, da die Befestigungsmaterialien eine mehr oder weniger starke Nachgiebigkeit besitzen. Sie wirken wie eine Art Feder – je weicher die Ankopplung ist, bei desto geringeren Frequenzen ergeben sich Resonanzerscheinungen bzw. ein Anstieg des Frequenzganges. Die steifste Anbindung ist über eine Verschraubung möglich, die weichste ergibt sich über eine magnetische Ankopplung. Dazwischen liegen die Anbindungen mittels Wachs und Kleber, wobei die Schichten möglichst dünn und hart ausgeführt werden sollten (vgl. Abb. 4.7). Bei der Befestigung mittels Verschraubung sollte die Koppelfläche möglichst glatt, eben und sauber sein, bei höheren Messfrequenzen ab ca. 2 kHz ist außerdem ein dünner Öl- oder Fettfilm zwischen den Koppelflächen vorteilhaft. Außerdem sollte das in den Spezifikationen angegebene Drehmoment bei der Montage eingehalten werden.
Abb. 4.7. Veränderung des Frequenzganges durch verschiedene Ankopplungsarten eines Sensors
i
146
Teil B
Sensoren
Literatur 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13
4.14 4.15 4.16
4.17 4.18 4.19 4.20 4.21 4.22 4.23 4.24
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5 Temperatur Dieter Heyer
5.1 Einleitung Die thermodynamische Temperatur T ist eine der sieben Basisgrößen des Internationalen Einheitensystems (SI). Sie kennzeichnet neben Volumen und Druck als eine Haupt-Zustandsgröße der Thermodynamik den thermodynamischen Zustand eines Systems. Ihre Praxisrelevanz zeigt sich darin, dass viele Vorgänge und Reaktionen in der Natur, im Labor und in nahezu allen industriellen Bereichen durch die Temperatur beeinflusst werden. Grundlage der Temperaturmessung ist die von Stoffeigenschaften unabhängige thermodynamische Temperaturskala mit der Einheit Kelvin (K), deren Nullpunkt mit T = 0 K festgesetzt ist. Die 13. Generalkonferenz für Maß und Gewicht hat 1967/68 festgelegt, dass 1 Kelvin der 273,16-te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunkts des reinen Wassers ist (Ttr = 273,16 K) [DIN 1301, Teil 1]. Weiterhin gültig ist die Celsius Temperatur t (Einheit: Grad Celsius, °C), die so definiert ist, dass der Nullpunkt der damit verbundenen Skala 0,01 Grad unterhalb der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunkts des Wassers liegt. Zwischen den Zahlenwerten der Celsius Temperatur t und der thermodynamischen Temperatur T gilt die Beziehung: {t} = {T} – 273,15.
(5.1)
Da die Realisierung der thermodynamischen Temperaturskala sehr aufwendig ist, hat man die thermodynamische Temperatur in einem weiten Bereich durch eine einfacher darstellbare Temperaturskala angenähert. Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90) erstreckt sich von 0,65 K bis zu den höchsten Temperaturen, die praktisch mit Hilfe des Planckschen Strahlungsgesetzes messbar sind. Sie beruht auf 17 definierten Fixpunkten, die mit großer Reproduzierbarkeit thermodynamische Gleichgewichtszustände liefern, denen bestimmte Temperaturen zugeordnet sind. Temperaturen zwischen den Fixpunkten werden aus Kalibrierungen von festgelegten Normalinstrumenten an diesen Punkten mittels definierter mathematischer Beziehungen bestimmt [5.1]. Geräte oder Einrichtungen zur Messung von Temperaturen, deren Ausgangssignale grundsätzlich alle von der Temperatur abhängige Größen sein können, werden als Thermometer bezeichnet. Einen Überblick über die gebräuchlichsten Temperaturmessgeräte und Messbereiche, sowie über den Charakter der Ausgangssignale, die nach dem Wertevorrat der Informationsparameter analog und nach ihrer zeitlichen Verfügbarkeit kontinuierlich sind, vermittelt Tabelle 5.1 [VDI/VDE 3511/1].
148
Teil B
Sensoren
Tabelle 5.1. Temperaturmessgeräte und -verfahren Messgerät/-verfahren
Ausgangssignal
Temperaturbereich in °C
1. Berührungsthermometer Thermoelemente
elektrisch
Fe-CuNi
Typ J
Spannung
NiCr-Ni
Typ K,N
0...1 300
PtRh10/0
Typ S
0...1 760
PtRh30/0
Typ B
0...1 820
Widerstandsthermometer
elektrisch
Platin-Widerstandsthermometer
Widerstand
-200...900
-250...1 000
Heißleiter-Widerstandsthermometer
-100... 400
Kaltleiter-Widerstandsthermometer
5... 200
Silizium-Widerstandsthermometer
-70... 175
Ausdehnungsthermometer
mechanisch
Flüssigkeits-Glasthermometer
Volumenänderung
-200...1 000
Flüssigkeits-Federthermometer
Volumenänderung
-35... 500
Bimetallthermometer
Längenänderung
-50... 400
Dampfdruck-Federthermometer
pneumatisch, Druck
2. Strahlungsthermometer
-200... 700
elektrisch
Spektralpyrometer
in Abhängigkeit vom Empfänger:
20...5 000
Bandstrahlungspyrometer
-Widerstand
-100...2 000
Gesamtstrahlungspyrometer
-Spannung
-100...2 000
Thermografiegeräte
-elektrische Polarisation
-50...1 500
3. Besondere Temperaturmessverfahren Quarzthermometer
elektrisch, Frequenz
-80... 250
Flüssigkristalle
optisch, Wellenlänge
bis 3 300
Faseroptische Lumineszenzthermometer
optisch, Wellenlänge/ Abklingzeit
bis 400
Rauschthermometer
elektrisch, Rauschspannung
-269...2 000
5 Temperatur
149
Der Schwerpunkt bei der Beschreibung der Temperatursensoren liegt auf den Sensoren, die im für die technische Temperaturmessung interessanten Bereich von -100 °C bis 2000 °C eingesetzt werden. Die Gliederung erfolgt nach dem Charakter der Ausgangssignale.
5.2 Temperaturmessgeräte mit elektrischem Ausgangssignal 5.2.1 Sensoren 5.2.1.1 Thermoelemente Messprinzip: Ein Thermoelement besteht aus zwei thermoelektrisch verschiedenen elektrischen Leitern, die an ihren Enden miteinander verbunden sind. Befinden sich in diesem geschlossenen Kreis die Verbindungsstellen auf unterschiedlichen Temperaturen T1 und T2, entsteht eine Gleichspannung, UT = f(T1, T2), die an einer beliebigen Stelle in diesem Kreis messbar ist. Die als Thermospannung bezeichnete Gleichspannung UT ist ein Maß für die Temperaturdifferenz zwischen den Verbindungsstellen. Unter der Voraussetzung, dass das jeweilige Material thermoelektrisch homogen ist, gilt: T2
UT
³ S (T ) dT
mit
(5.2)
T1
S – Seebeck-Koeffizient (temperaturabhängig) undT1, T2 – Temperaturen der Verbindungsstellen. Die der zu messenden Temperatur T1 ausgesetzte Verbindungsstelle wird als Messstelle bezeichnet, deren punktförmige Ausführung eine in der Praxis kaum vorkommende Idealisierung darstellt. Sie muss eine homogene Temperaturzone aufweisen, die dann die eigentliche Messstelle ist. Die sich auf einer bekannten Temperatur T2 befindende Verbindungsstelle wird Vergleichsstelle genannt (Abb. 5.1). Abb. 5.1. Thermopaar
A
C
T1 UT B
C
T2
150
Teil B
Sensoren
Materialien: Häufig wird die Thermospannung eines Materials gegen ein Referenzmaterial, meist gegen Platin, angegeben. Geordnet ergibt sich daraus (in Analogie zur elektrochemischen Spannungsreihe) eine thermoelektrische Spannungsreihe. Aus der Vielzahl möglicher Materialkombinationen haben sich in der Praxis nur eine begrenzte Anzahl durchgesetzt, die den allgemeinen Anforderungen für einen Einsatz von Thermoelementen zur Temperaturmessung am besten genügen [DIN IEC 584/1 und DIN 43710]. Statische Übertragungskenngrößen: Die Beziehung zwischen der Thermospannung als Ausgangsgröße und der Temperaturdifferenz als Eingangsgröße, die statische Kennlinie, wird i. Allg. durch ein oder mehrere Polynome höherer Ordnung beschrieben, wobei deren Koeffizienten materialabhängige Größen sind. Aus der Nichtlinearität der statischen Kennlinie ergibt sich, dass der Übertragungsfaktor bezogen auf die Eingangsgröße nur differentiell angegeben werden kann. Die Grundwertreihen der gebräuchlichsten Thermopaare, d.h. ihre Kennlinien bei Festsetzung der Vergleichsstellentemperatur auf 0 °C, sowie die zugehörigen Interpolationsgleichungen zur Berechnung der Thermospannungs-Temperatur-Abhängigkeiten und die Grenzen der Einsatzbereiche sind in der DIN IEC 584/1 sowie teilweise in der DIN 43710 zu finden. Für Thermoelemente nach DIN IEC 584/1 gelten die Grenzabweichungen nach den Genauigkeitsklassen 1, 2 oder 3 entsprechend DIN IEC 584/2. Diese liegen bei den am häufigsten verwendeten Thermoelementen in Abhängigkeit vom Typ und den Einsatztemperaturen zwischen 1 °C und 4 °C (Klasse 1) und zwischen 1 °C und 9 °C (Klasse 2 und 3). Thermoelemente nach DIN 43710 haben in Abhängigkeit von ihrer Einsatztemperatur T < 400 °C oder T > 400 °C eine Toleranz von ±3 °C bzw. von ±0,75% der Messtemperatur. Für Thermoelemente in keramischen Schutzrohren mit Durchmessern von z. B. 11 mm sind in Luft bei Strömungsgeschwindigkeiten von 1m/s 9/10 Wertzeiten t90 von 320 bis 500 Sekunden zu erwarten, für Thermoelemente mit einem Schutzrohrdurchmesser von z. B. 15 mm ist mit einer Verdopplung dieser Zeit zu rechnen. Bei den häufig eingesetzten Mantelthermoelementen mit geringeren Durchmessern, z. B. 3 mm, sind unter den gleichen Bedingungen 9/10 Wertzeiten von nur 70–90 Sekunden zu erwarten [VDI/VDE 3511/2]. Bauarten: Um Fehler durch Störungen des Temperaturfeldes des zu messenden Mediums durch den Sensor selbst vernachlässigbar gering zu halten, müssen die Thermoelemente den Messbedingungen möglichst gut angepasst werden, was in einer großen Vielfalt von Bauarten mündet. Man unterscheidet zwei Ausführungen von Thermoelementen, ummantelte und nicht ummantelte oder lose Thermoelemente. Lose Thermoelemente werden häufig für Prüfzwecke und zur Weitergabe der Temperatur auf Basis der ITS-90 verwendet [5.2]. In der industriellen Messtechnik werden vorwiegend ummantelte Thermoelemente eingesetzt, die einen besseren Schutz gegen mechanische Beschädigungen und andere Einflüsse aus den Messumgebungen bieten. Zusätzlich werden auswechselbare Schutzrohre eingesetzt, bei deren Auswahl ihre Eigenschaften hinsichtlich chemischer Beständigkeit und mechanischer Stabilität sorgfältig berücksichtigt werden müssen. Unedle Metalle werden in wenig korrodierenden Umgebungen eingesetzt; in aggressiven
5 Temperatur
151
Umgebungen müssen Kunststoffe sowie emaillierte oder mit Kunststoffen überzogene Schutzrohre verwendet werden. Bei höheren Temperaturen (> 1200 °C) werden keramische Werkstoffe eingesetzt, die eine höhere Temperaturbeständigkeit aufweisen, deren mechanische Festigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit jedoch geringer als die metallener Rohre sind [5.3, Abschn. 5]. Eine spezielle Ausführung von ummantelten Thermoelementen sind Mantelthermoelemente. Sie können durch Drahtziehtechniken mit Außendurchmessern von 0,25 bis 10 mm hergestellt werden und besitzen aufgrund ihrer geringen Masse gute dynamische Eigenschaften. Zur Verlängerung von Thermodrähten werden aus Kostengründen in der industriellen Praxis, wo häufig größere Entfernungen zwischen Messort und Vergleichsstelle zu überbrücken sind, Ausgleichsleitungen benutzt. Diese bestehen aus billigeren Ersatzwerkstoffen, die im Temperaturbereich bis 200 °C vergleichbare thermoelektrische Eigenschaften wie die Thermodrähte aufweisen. Die Verbindung zwischen Vergleichsstelle und Anzeigegerät wird über Kupferleitungen realisiert. Fehlerquellen/Messunsicherheiten: Die Temperaturmessung mit Thermoelementen unterliegt einer Reihe spezifischer Unsicherheiten, deren quantitativer Einfluss häufig nur abgeschätzt werden kann. Die Ursachen vieler Fehler sind oft in den Messanordnungen zu finden. Grundsätzlich sollten große Temperaturgradienten über Verbindungs- und Ausgleichsleitungen vermieden werden, da Inhomogenitäten, d.h. örtlich begrenzte Änderungen der chemischen Zusammensetzung oder der Struktur, parasitäre Thermospannungen induzieren. Das gilt insbesondere für Anschlussstellen von Thermodrähten oder Ausgleichsleitungen, deren jeweilige Drahtpaare an der Verbindungsstelle stets auf der gleichen Temperatur liegen sollten. Bei längeren Verbindungsleitungen können durch elektrostatische und elektromagnetische Einstreuungen Fehler auftreten, die durch geeignete Maßnahmen zu minimieren sind (z. B. Verdrillung der Leitungen, Einbau von Tiefpassfiltern, Abschirmung) [5.4]. Grundsätzlich ist durch eine sorgfältige Auswahl geeigneter Thermopaare sicherzustellen, dass Einflüsse aus der Messumgebung wie ionisierende Strahlung oder Beanspruchungen thermischer, chemischer oder mechanischer Art keine Auswirkungen auf das Messergebnis haben. Weitere Fehler können durch Schwankungen der Vergleichsstellentemperatur, der Verringerung des Isolationswiderstandes zwischen den Thermodrähten bzw. zwischen Thermodrähten und Schutzrohr insbesondere bei höheren Temperaturen und durch Wärmeableitung längs des Thermoelements bei ungenügenden Einbautiefen auftreten. Eine weitere Fehlerquelle sind Inhomogenitäten in den Thermodrähten, wenn diese in Bereichen von Temperaturgradienten liegen. Sie sind durch eine Änderung der Lage des Thermoelements im Temperaturgradienten nachweisbar und u. U. aufgrund ihres teilweise reversiblen Charakters durch gezielte Wärmebehandlung zu beseitigen, i. Allg. jedoch nach längerem Gebrauch des Thermoelements eine der Hauptfehlerquellen für die Temperaturmessung. Eine Fühlerbruchüberwachung kann durch eine Zusatzschaltung realisiert werden. Dabei wird ein Hilfsstrom eingespeist, der bei Unterbrechung des Thermoelementes das Ausgangssignal auf einen Extremwert steuert.
152
Teil B
Sensoren
Vergleichsstellen: Da mit Thermopaaren Temperaturdifferenzen gemessen werden, ist die Thermospannung neben der Größe der zu messenden Temperatur auch von der Temperatur der Vergleichsstelle abhängig. Häufig entspricht die Vergleichsstellentemperatur tV nicht der Bezugstemperatur tb der Grundwertreihe, so dass zur Bestimmung der Messtemperatur tm ein Betrag ∆U, der ebenfalls mit einer Unsicherheit behaftet ist, zur gemessenen Spannung UT addiert werden muss. Die Vergleichsstelle wird in der industriellen Praxis häufig auf einer konstanten Temperatur (z. B. 50 °C) gehalten oder die Klemmentemperatur wird separat (Kaltstellenkompensation) gemessen 5.2.1.2 Widerstandsthermometer mit Metall-Messwiderständen Messprinzip: Bei Widerstandsthermometern mit Metall-Messwiderständen wird die temperaturabhängige Änderung des elektrischen Widerstandes eines Leiters zur Temperaturmessung ausgenutzt. Die Messung des Widerstandes erfolgt in einem elektrischen Messkreis, der im einfachsten Fall aus einem Messfühler RT, einem Anzeigegerät M, einer Hilfsenergiequelle und Verbindungsleitungen besteht (Abb. 5.2). Materialien: Für technische Temperaturmessungen wird heute fast ausschließlich Platin als Werkstoff für den temperaturabhängigen Widerstand eingesetzt. Platin besitzt einen großen Temperaturkoeffizienten (Übertragungsfaktor) und weist gleichzeitig eine hohe thermische und mechanische Stabilität auf. Die Sensoren bestehen häufig aus feinsten Drähten in Keramikträgern (gewickelte oder Drahtsensoren); können aber auch als gesputterte oder gedruckte Schichten auf Glas- oder Keramiksubstraten (Chipsensoren) ausgeführt sein. Sie werden mit Zuleitungen versehen und sind in Metall-, Keramik- oder Glasschutzrohren eingebaut. Statische Übertragungskenngrößen: Der Zusammenhang zwischen dem elektrischen Widerstand und der Temperatur wird für die industriellen Platin-Widerstandssensoren durch die Callendar-van-Dusen-Gleichung
M
RT
Abb. 5.2. Widerstandsmesskreis
Ri
UH
~
5 Temperatur
R(t) = R0 ( 1+ at + bt² + ct³(t–100 °C) )
153
(5.3)
beschrieben. R(t) ist der Widerstand in Ω bei der Messtemperatur t in °C, R0 der Widerstand in Ω bei der Bezugstemperatur 0 °C und a, b und c sind Konstanten, wobei gilt: c = 0 für Temperaturen oberhalb 0 °C. Angaben hierzu und zu Toleranzklassen sind der DIN IEC 60751 zu entnehmen. Industrielle Widerstandsthermometer werden vorwiegend im Temperaturbereich von -200 bis +600 °C, im Druckbereich bis 400 bar und bei Strömungsgeschwindigkeiten bis 5 m/s in Flüssigkeiten und 40 m/s in Gasen eingesetzt. Der Übertragungsfaktor beträgt bei Raumtemperatur etwa 0,385 Ω/K bei R0 = 100 Ω (Pt 100). Dynamisches Verhalten: Die allgemeinen Ausführungen in Abschn. 5.2.1.1 zum dynamischen Verhalten von Berührungsthermometern sind auch für Widerstandsthermometer zutreffend. Hier ist mit Übergangszeiten zu rechnen, die 10% bis 25% größer sind als bei vergleichbar aufgebauten Thermoelementen [VDI/ VDE 3511/2]. Bauarten: Abbildung 5.3 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines industriellen Widerstandsthermometers. Der Messwiderstand (1), der über isolierte Innenleitungen (2), die durch ein Einsatzrohr (3) verlaufen, mit den Anschlussklemmen (4) an einem Anschlusssockel (5) verbunden ist, bildet einen austauschbaren, genormten Messeinsatz [DIN 43762, DIN IEC 751]. Dieser ist in einem Schutzrohr (6) [DIN 43763, DIN 43771] mit Einschraubzapfen (7) eingebaut, an dessen Hals (8) sich der Thermometeranschlusskopf (9) [DIN 43729] befindet. Thermometer in der Schutzart Ex(d), die für einen Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen geeignet sind, sind mit einer druckfesten Kapselung ausgerüstet. Fehlerquellen/Messunsicherheiten: Bei der Temperaturmessung mit Widerstandsthermometern sind neben den allgemeinen Forderungen bezüglich der thermischen Ankopplung des Sensors an das Messmedium einige Grundsätze zu beachten, um die hohe Genauigkeit dieses Temperaturmessverfahrens optimal ausnutzen zu können. Um einen Widerstand zu messen, ist ein Messstrom erforderlich, der im Messwiderstand eine zusätzliche Erwärmung verursacht, die eine Erhöhung der Temperaturanzeige (Erwärmungsfehler) zur Folge hat. Der Erwärmungsfehler ist von der umgesetzten Leistung, der Oberfläche des wärmeabführenden Mediums, dem Wärmeübergangskoeffizienten zwischen Thermometer und Medium und den inneren Wärmeableitwiderständen des Thermometers abhängig. Zur Beurteilung dieses Fehlers dient der Eigenerwärmungskoeffizient Ek (mW/K). Im Allgemeinen sind Messströme bis 1 mA unkritisch. Parasitäre Thermospannungen entstehen im Messkreis an allen Verbindungsstellen unterschiedlicher Leiter-Werkstoffe, wenn diese untereinander Temperaturdifferenzen aufweisen. Dadurch bedingte Fehler lassen sich vermeiden oder verringern, wenn Widerstandsmessungen mit Wechselstrom ausgeführt werden oder mit großen Messströmen gearbeitet wird (Nachteil: hohe Eigenerwärmung).
154
Teil B
Sensoren Abb. 5.3. Aufbau eines industriellen Widerstandsthermometers
a
b
Zu berücksichtigen sind weiterhin Isolationswiderstände, die parallel zu Messwiderständen liegen und bei nicht ausreichender Größe zu tiefe Temperaturanzeigen bewirken. Mindestisolationswiderstände von industriellen Platin-Widerstandsthermometern sind in der DIN IEC 60751 zu finden und betragen z. B. im Temperaturbereich 100–300 °C 10 MΩ. Die genormten Grundwerte mit den zulässigen Abweichungen gelten nur für die Messwiderstände. Somit beeinflussen alle weiteren Widerstände im Messkreis als zusätzliche Widerstände die Messergebnisse, wenn sie nicht berücksichtigt oder durch geeignete Schaltungen kompensiert werden (Drei- oder Vierleiterschaltung). Zusätzliche Messunsicherheiten rufen plastische oder elastische Verformungen des Messelementes hervor, die durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten von Trägermaterial und Messwiderstand, unzweckmäßige Montagetechniken oder andere mechanische Beanspruchungen entstehen können. Chemische Einflüsse, z. B. die Eindiffusion von Fremdstoffen in das Messelement, können zu nicht reversiblen Änderungen der elektrischen Kenngrößen führen. Zweileiterschaltung: Will man genaue Messungen durchführen, spielt der Widerstand der Zuleitungen zum Messfühler eine erhebliche Rolle. Beispielsweise führt bei Messung eines Pt 100 eine Zuleitung mit einem Kabel nach AWG 24 (0,5 mm Ader-Durchmesser) bereits bei einer Länge von 2,2 m zu einem systematischen Messfehler von 1 °C.
5 Temperatur
155
Die Dreileiterschaltung ist eine häufig angewandte Methode, den Leitungswiderstand zu kompensieren. Unter der Voraussetzung, dass der Leitungswiderstand (und (temperaturabhängige) Änderungen des Leitungswiderstandes) einer mehradrigen Verbindung bei allen Adern gleich groß sind, wird der Einfluss der Zuleitungen minimiert. Die Vierleitertechnik bietet die Möglichkeit, den Leitungseinfluss fast vollständig zu eliminieren. Hierbei kann der Strompfad vom Spannungspfad getrennt werden (Leitungen jeweils verdrillen!). Der eingeprägte Strom wird oft über einen (internen oder externen) Referenzwiderstand gemessen und mit der (hochohmig gemessenen) Spannung über dem Widerstandsthermometer verglichen. 5.2.1.3 Widerstandsthermometer mit Halbleiter-Messwiderständen Messprinzip: Auch bei Halbleiter-Widerstandsthermometern dient die temperaturabhängige Änderung des elektrischen Widerstandes zum Messen der Temperatur, so dass prinzipiell die gleichen Messanordnungen wie bei Widerstandsthermometern mit Metall-Messwiderständen verwendet werden können. Materialien: Halbleiter-Messwiderstände für Heißleiter (Thermistoren) bestehen aus polykristallinen Mischoxidkeramiken, die bei hohen Temperaturen gesintert wurden. Sie weisen innerhalb bestimmter Temperaturintervalle einen negativen Temperaturkoeffizienten auf und werden deshalb auch als NTC-Widerstände bezeichnet [IEC-Publication 40408, DIN 44070 – DIN 44073]. Messwiderstände für Kaltleiter sind Sinterkeramiken auf der Basis von polykristallinem Bariumtitanat (BaTiO3), das mit verschiedenen Zusätzen von Metalloxiden und -salzen versehen ist, um bestimmte Eigenschaften zu erhalten. Sie weisen einen positiven Temperaturkoeffizienten auf und werden auch als PTC-Widerstände bezeichnet [DIN 44080]. Weiterhin besitzen auch sperrschichtfreie, n-dotierte Siliziumkristalle positive Temperaturkoeffizienten. Die temperaturbedingte Änderung des Ausbreitungswiderstandes (spreading resistance) wird hier zur Temperaturmessung herangezogen [5.5]. Ebenso kann die Abhängigkeit der Durchlassspannung des pn-Überganges von Halbleitern von der Sperrschichttemperatur bei konstantem Speisestrom zur Temperaturmessung genutzt werden. Bei einem Durchlassstrom von etwa 0,5 mA kann die Durchlassspannung z. B. 0,6 V betragen mit einer Temperaturabhängigkeit von –2,2 mV/°C (annähernd linear). Weit verbreitet als kostengünstige Temperaturaufnehmer im Temperaturbereich 50 °C bis 150 °C sind integrierte Halbleiterschaltungen. Sie liefern einen temperaturlinearen Strom von einigen 100 µA mit äquivalenten Messgenauigkeiten von 0,1 °C bis 2 °C [5.5]. Statische Übertragungskenngrößen: Für den Kennlinienverlauf von Heißleitern, die vorwiegend im Temperaturbereich zwischen -110 °C und 300 °C eingesetzt werden, gilt näherungsweise:
156
Teil B
Sensoren
R(T) = R(T0) ⋅ exp[B(1/T–1/T0)].
(5.4)
T ist die Temperatur in Kelvin, T0 die Bezugstemperatur in Kelvin, R(T) der Widerstand bei der Temperatur T, R(T0) der Nennwiderstand bei der Bezugstemperatur T0 und B eine temperaturabhängige Materialkonstante. Neben der Nichtlinearität der statischen Kennlinie ist auch die Temperaturabhängigkeit des Temperaturkoeffizienten DR
dR B R dT T 2
(5.5)
von Nachteil, wobei die Materialkonstante B nur in einem schmalen Temperaturintervall als konstant betrachtet werden kann [5.6]. Für bereits abgeglichene, sogenannte thermolineare Thermistoren gilt in einem eingeschränkten Arbeitstemperaturbereich von z. B. -5 °C bis 45 °C: R = at + b
(5.6)
mit der Temperatur t in °C und a, b als typspezifischen Konstanten. Kaltleiter weisen in einem eingeschränkten Temperaturbereich einen sehr großen positiven Temperaturkoeffizienten auf (7–70%/°C). In Datenblättern werden für bestimmte Bezugstemperaturen (25–180 °C) der Widerstand, die Sprungtemperatur und die maximale Betriebsspannung angegeben. Ihre Bedeutung in der technischen Temperaturmessung ist nur gering. Sie werden vorwiegend zur Grenzwertüberwachung eingesetzt. Silizium-Messwiderstände, die mit Grenzabweichungen von 1% zu erhalten sind, besitzen einen positiven Temperaturkoeffizienten von ca. 0,75%/°C des Widerstandes beim Betrieb mit Konstantstrom (z. B. 1 mA). Ihr Vorteil gegenüber Heißleitern besteht in der guten Langzeitstabilität, dem relativ hohen Temperaturkoeffizienten und der nur leicht positiv gekrümmten Kennlinie, deren Krümmung durch einen optimierten Parallelwiderstand bei Stromeinspeisung kompensiert werden kann. Damit lassen sich Linearitätsabweichungen von besser als ±0,2 °C in einem Messbereich von 0 bis 100 °C erreichen. Silizium-Messwiderstände werden im Temperaturbereich zwischen -70 und +160 °C eingesetzt. Weitere Angaben zu messtechnischen Eigenschaften von Halbleiter-Messwiderständen sind den Datenblättern der Hersteller zu entnehmen. Bauarten: Da neben den verwendeten Werkstoffen auch die äußere Form eines Heißleiters sein elektrisches Verhalten und seine messtechnischen Eigenschaften bestimmt, sind verschiedene Bauformen üblich: – Scheibenförmige Heißleiter (3 mm × 5,5 mm ∅) – Stabförmige Heißleiter (7 mm × 1,6 mm ∅) – Miniatur-Heißleiter, z. B. perlförmig (0,2–1 mm ∅). Scheiben- und stabförmige Heißleiter werden direkt zur Temperaturmessung verwendet, während Miniatur-Heißleiter armiert und als Temperaturfühler in Hand-
5 Temperatur
157
und Einbauthermometern eingesetzt werden. Zur Einhaltung vorgegebener Widerstands-Kennlinien sind sie mit temperaturunabhängigen Zusatzwiderständen beschaltet. Aufgrund ihrer geringen Masse und der Vielfalt der geometrischen Ausführungen der Sensoren sind Heißleiter als „schnelle“ Fühler besonders bei Temperaturmessungen auf Oberflächen geeignet. Fehlerquellen/Messunsicherheiten: Aufgrund des gleichen Messprinzips sind bei Widerstandsthermometern mit Halbleitersensoren vergleichbare Fehlerquellen und Ursachen für Messunsicherheiten zu berücksichtigen, die jedoch auf Grund der Größe des zu messenden Widerstandsgradienten einen geringeren Einfluss auf das Messergebnis besitzen als bei Widerstandsthermometern mit MetallMesswiderständen. 5.2.1.4 Strahlungsthermometer/Thermografiegeräte Anwendungskriterien: Die berührungslose Bestimmung der Temperatur bietet gegenüber der Temperaturmessung mit Berührungsthermometern dann Vorteile, wenn Messbedingungen vorliegen, die einen Einsatz von Berührungsthermometern schwierig oder unmöglich machen. Dazu gehören: – Messungen von Oberflächentemperaturen, – Messungen relativ hoher Temperaturen, bei denen ein Einsatz von Thermoelementen u. U. schwierig ist, – Messungen an sich bewegenden Objekten, – Messungen von Körpern mit schlechter Wärmeleitfähigkeit oder kleiner Wärmekapazität, – Messungen von kleinen Objekten (z. B. dünne Drähte) oder – Messungen von Objekten mit schnellen Temperaturänderungen. Der Vorteil der berührungslosen Temperaturmessung liegt vor allem in der rückwirkungsarmen Messung der Temperatur. Ein Einsatz von Strahlungsthermometern setzt jedoch voraus, dass am Ort der Temperaturmessung der Emissionsgrad des Messobjektes bekannt ist. Grundlagen: Jede feste, flüssige oder gasförmige Substanz mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes sendet eine elektromagnetische Strahlung aus, die mit einem Energietransport verbunden ist und deren Intensität und Wellenlängenverteilung von der Temperatur und von Stoffparametern abhängt. Messgeräte, mit denen sich innerhalb des Wellenlängenbereiches der Temperaturstrahlung (0,4 –30 µm) die mittlere Temperatur von Messobjekten bestimmen lässt, werden als Strahlungspyrometer bezeichnet. Geräte, die zur Bestimmung von Temperaturverteilungen auf Messobjekten dienen, werden Thermografiegeräte genannt. Eine wichtige physikalische Größe zur pyrometrischen Temperaturbestimmung ist die Strahldichte L, die die von einem Flächenelement dA in den Raumwinkel dΩ unter dem Winkel ϑ (Winkel zwischen der Flächennormalen und der Strahlungsrichtung) ausgehende Strahlungsleistung dΦ charakterisiert:
158
Teil B
Sensoren
L = d2Φ/(dA ⋅ cosϑ ⋅ dΩ).
(5.7)
Sie kann zur Temperaturbestimmung durch Messung in einem engen Spektralbereich (bei Spektralpyrometern), in einem breiten spektralen Band (bei Bandstrahlungsthermometern), im gesamten energetisch wirksamen Spektralbereich (bei Gesamtstrahlungspyrometern) oder durch Messung der spektralen Strahldichteverteilung (bei Verhältnispyrometern) herangezogen werden. Zur Kennzeichnung der spektralen Verteilung wird die Strahldichte auf einen differentiellen Bereich dλ der Wellenlänge λ bezogen: Lλ = dL/dλ.
(5.8)
Trifft ein Strahlungsfluss auf eine Empfängeroberfläche, wird er teilweise reflektiert, absorbiert oder hindurchgelassen. Ein Körper wird als schwarzer Körper bezeichnet, wenn er alle auftreffende Strahlung absorbiert. Gleichzeitig gilt, dass er auch die größtmögliche Strahlung bei einer gegebenen Temperatur emittiert (2. Kirchhoffsches Strahlungsgesetz). Man bezeichnet ihn deshalb auch als Schwarzen Strahler oder Planckschen Strahler. Zur Kalibrierung von Strahlungsthermometern ist die Realisierung des Schwarzen Strahlers mit bekanntem Emissionsvermögen notwendig. Die spektrale Strahlung eines beliebigen Messobjektes ist schwächer oder höchstens gleich der Strahlung eines Schwarzen Strahlers. Das Verhältnis der spektralen Strahldichte Lλ des Messobjektes zur spektralen Strahldichte Lλs des Schwarzen Strahlers gleicher Temperatur und Wellenlänge heißt spektraler Emissionsgrad ε: ε = Lλ/Lλs ≤ 1.
(5.9)
Er beschreibt eine thermophysikalische Materialeigenschaft, die von der chemischen Zusammensetzung des Materials, der Oberflächenstruktur, der Emissionsrichtung, der Wellenlänge und der Temperatur des Messobjektes abhängig ist. Für technische Temperaturmessungen an homogenen Oberflächen und bei ϑ < 45° kann der Emissionsgrad ε als nur noch von der Wellenlänge λ und der Temperatur T des Messobjektes abhängig betrachtet werden, so dass für viele Anwendungen gilt: Lλ(λ,T) = ε(λ,T) ⋅ Lλs(λ,T).
(5.10)
Die spektrale Strahldichte eines Schwarzen Strahlers Lλs, die nur von der Wellenlänge λ und der Temperatur T abhängt und die bei jeder Temperatur ein Maximum besitzt, genügt folgender Gleichung (Plancksches Gesetz): Lλs = C1/πΩ0λ5 ⋅ 1/[exp(C2/(λT))-1]. C1, C2 sind Strahlungskonstanten mit C1 = 3,741832⋅10-16 Wm2 C2 = 1,438786⋅10-2 m ⋅ K Ω0 = Raumwinkel des Halbraumes dividiert durch 2π.
(5.11)
5 Temperatur
159
Für technische Temperaturmessungen gilt als Näherung des Planckschen Gesetzes das Wiensche Gesetz in der folgenden Form: Lλs = C1/πΩ0λ5 ⋅ 1/exp(C2/(λT)),
(5.12)
wobei für λ⋅T ≤ 3000 µm⋅K der Fehler ≤ 1% ist. Durch Integration der spektralen Strahldichte Lλs über alle Wellenlängen erhält man die Abhängigkeit der Strahldichte Ls eines Schwarzen Strahlers von der Temperatur (Stefan-Boltzmann-Gesetz): Ls = σT4/πΩ0
(5.13)
mit σ = 5,67032⋅10-8 Wm-2K-4 (Stefan-Boltzmann-Strahlungskonstante). Eine Differenzierung der Gleichung (5.11) führt zum Zusammenhang zwischen der Temperatur T und der Wellenlänge λm, bei der die spektrale Strahldichte ein Maximum aufweist (Wiensches-Verschiebungsgesetz): (T in K) .
(5.14)
Aus den angeführten Strahlungsgesetzen wird deutlich, dass die Strahldichte proportional der 4. Potenz der Temperatur ist und sich das Maximum der Strahlung bei niedrigen Temperaturen zu größeren Wellenlängen (Infrarot) verschiebt. Messprinzip: Zur Messung der Temperatur einer Oberfläche wird der von ihr ausgehende Strahlungsfluss einem Empfänger zugeführt, der einen Teil dieser Strahlung in ein elektrisches Signal umformt. Abbildung 5.4 zeigt die schematische Darstellung eines Strahlungsthermometers vor einem Schwarzen Strahler. Die Temperaturstrahlung Φ gelangt über ein Objektiv und einen Filter zum Strahlungsempfänger, wo die verbleibende Strahlung in ein elektrisches Signal SD umgesetzt wird. Im Fall des Schwarzen Strahlers ist das Detektorausgangssignal SD abhängig von der Temperatur T des Strahlers, vom Wellenlängenbereich und von der Temperatur TG des Strahlungsempfängers. Falls T = TG gilt: SD = S(T) – S(TG) = 0.
(5.15)
Wird die Temperatur T des Schwarzen Strahlers zwischen zwei Bereichsgrenzen T1 und T2 geändert und ordnet man den zugehörigen Signalen einer Auswerteschaltung die Werte 0 und 1 zu, so erhält man für das Ausgangssignal SA: SA = (S(T) – S(T1))/(S(T2) – S(T1))
(5.16)
Die Signale S(T) sind bei einer linearen Umsetzung der vom Empfänger absorbierten Strahlung in elektrische Signale und bei weiterer linearer Verarbeitung den zugehörigen Strahldichten Lλs(λ,T) proportional. Es gilt:
160
Teil B
Sensoren Strahlungsempfänger Objektiv
Φ SD
SA
T Blende
Schwarzer Strahler
Filter
elektrische Auswertung
Strahlungsthermometer
Abb. 5.4. Messanordnung mit Strahlungsthermometer
SA = (Lλs(λ,T) – Lλs(λ,T1))/(Lλs(λ,T2) – Lλs(λ,T1)).
(5.17)
Das Ausgangssignal kann an einem Messgerät angezeigt oder in einem Peripheriegerät weiterverarbeitet werden, wobei der Wert S(T1) dem Nullpunkt und S(T2) dem Vollausschlag des Messinstrumentes entspricht. Die Signaltemperaturcharakteristik ist nur von der spektralen Strahldichte Lλs abhängig und kann mit Hilfe der Strahlungsgesetze ermittelt werden. Bei praktischen Temperaturmessungen ist der Schwarze Strahler durch ein Messobjekt (realer Strahler) ersetzt und die Strahldichten in Gl. (5.17) müssen mit Hilfe der spektralen Empfindlichkeit R(λ) modifiziert werden: R(λ) = τ0(λ) ⋅ τF(λ) ⋅ s(λ)
(5.18)
mit τ0(λ) – spektraler Transmissionsgrad der Optik τF(λ) – spektraler Transmissionsgrad des Filters s(λ) – spektrale Empfindlichkeit des Strahlungsempfängers Die jeweiligen Strahldichten des realen Strahlers, die in Gl. (5.17) einzusetzen sind, erhält man durch Integration des Produktes R(λ) ⋅ Lλs(λ,T) über dλ [VDI/ VDE 3511/4]. Das Funktionsprinzip von Thermografiegeräten entspricht dem Messprinzip von Strahlungsthermometern. Hierbei wird in geeigneter Weise eine Fläche abgetastet und durch die Ausgangssignale die Helligkeit eines Displays so beeinflusst, dass verschiedene Strahldichtewerte auf der abgetasteten Fläche verschiedene Grau- bzw. Farbwerte ergeben. Detektoren: Wichtigste Bauelemente von Strahlungsthermometern und Thermografiegeräten sind die Strahlungsempfänger (Detektoren), die die auftreffende Messstrahlung in elektrische Signale umsetzen. Aufgrund ihrer verschiedenen
5 Temperatur
161
Wirkungsweisen kann man fotoelektrische und thermische Strahlungsempfänger unterscheiden. Bei fotoelektrischen Detektoren werden die Elektronen durch die Wechselwirkung mit Energiequanten der auftreffenden Strahlung auf Bänder mit höherem Energieniveau gehoben (innerer fotoelektrischer Effekt) oder vollständig aus ihrem Verband gelöst (äußerer fotoelektrischer Effekt). Fotozellen und Fotomultiplier sind Strahlungsempfänger mit äußerem Fotoeffekt; Fotowiderstände und Sperrschichtfotoleiter gehören zu den fotoelektrischen Strahlungsempfängern mit innerem Fotoeffekt. Ungekühlte fotoelektrische Detektoren werden bei Wellenlängen λ < 5 µm für Temperaturmessungen oberhalb 100 °C eingesetzt, gekühlte Detektoren bis zu Wellenlängen von 14 µm und für Temperaturmessungen ab –100 °C. Bei thermischen Strahlungsempfängern verursacht die einfallende Strahlung auf eine kleine geschwärzte Fläche eine Temperaturerhöhung, die die Änderung einer temperaturabhängigen physikalischen Größe zur Folge hat. Am verbreitetsten sind Bolometer, bei denen eine Widerstandsänderung als Maß für die einfallende Strahlung genutzt wird sowie Thermoelemente, die eine temperaturabhängige Spannungsänderung aufweisen und pyroelektrische Detektoren, bei denen die Temperaturänderung eine Änderung der elektrischen Polarisation bewirkt. Thermische Strahlungsempfänger sind für Temperaturmessungen zwischen – 100 °C und 1000 °C verwendbar. Dynamisches Verhalten: Im Vergleich zu Berührungsthermometern sind Strahlungsthermometer verzögerungsarme Messgeräte, da die durch Strahlung transportierte Energie trägheitslos übertragen wird. Damit sind sie besonders für die Registrierung schneller Aufheiz- und Abkühlprozesse geeignet. Einschränkungen ergeben sich von gerätetechnischer Seite, wenn die Strahlung über Hilfsstrahler gemessen wird, die als materielle Wärmeübertragungsglieder Verzögerungen bewirken können. Auch die Strahlungsempfänger selbst wirken infolge ihrer Fühlermassen als Verzögerungsglieder, so dass die Zeitkonstanten von Pyrometern mit thermoelektrischen Detektoren zwischen einigen hundertstel bis zu wenigen Sekunden liegen [5.3]. Diese Zeitkonstanten sind jedoch erheblich kleiner als die der entsprechenden Berührungsthermometer (Thermoelemente oder Widerstandsthermometer), da deren Schutzrohre im allgemeinen die Ursache thermischer Verzögerungen sind. Strahlungsthermometer mit fotoelektrischen Detektoren besitzen Zeitkonstanten von nur einigen Mikro- bis zu wenigen Millisekunden, da bei ihnen die Strahlungsenergie auf nicht materieller Basis in elektrische Signale umgewandelt wird. Werden die Ausgangssignale der Strahlungsempfänger weiterverarbeitet, so muss das Zeitverhalten der dazu notwendigen Gerätekomponenten berücksichtigt werden [5.7]. Bauarten/Kennzeichnung: Ein Kriterium zur Kennzeichnung von Strahlungsthermometern ist die spektrale Empfindlichkeit, nach der Gesamtstrahlungspyrometer, Spektralpyrometer, Bandstrahlungspyrometer und Verhältnispyrometer unterschieden werden. Daneben wird eine Unterscheidung hinsichtlich typischer Anwendungsbereiche und technischer Ausführungsformen vorgenommen. In Bezug auf die Geräteausführung unterscheidet man im Wesentlichen drei Gerätetypen:
162
Teil B
Sensoren
– Gesamt- , Spektral- oder Bandstrahlungspyrometer, – Verhältnispyrometer und – Glühfadenpyrometer. Gesamtstrahlungspyrometer sind Geräte, die zur Temperaturmessung den gesamten energetisch wirksamen Spektralbereich erfassen, wobei 90% der ausgesandten Gesamtstrahlung im Wellenlängenbereich liegt, der vom 0,7- bis 4-fachen der Wellenlänge reicht, bei der das Strahlungsmaximum auftritt. Die Abhängigkeit des Ausgangssignals von der Temperatur wird in Gleichung (5.17) beschrieben, in der die Strahldichten Lλs für die Temperaturen T, T1 und T2 nach dem StefanBoltzmann-Gesetz berechnet wurden: SA = (T4 – T14)/(T24 – T14).
(5.19)
Spektralpyrometer sind in einem engen Spektralbereich empfindlich, so dass ihnen eine von der Temperatur unabhängige Wellenlänge λ zugeordnet werden kann. Zur Darstellung des Ausgangssignals SA werden die Strahldichten in Gl. (5.17) für die Temperaturen T, T1 und T2 nach dem Planckschen Gesetz (5.11) oder dem Wienschen Gesetz (5.12) berechnet. Für die Wiensche Näherung gilt: ª (1 /exp (C2 /(OT ))–(1 /exp (C2 /(OT1 )) º SA « » «¬ (1 /exp (C2 /(OT2 ))–(1 /exp (C2 /(OT1 )) »¼
(5.20)
Beim Bandstrahlungspyrometer, das in einem breiteren Spektralbereich empfindlich ist, kann für kleine Temperaturbereiche Gleichung (5.20) genutzt werden, wobei für λ eine effektive Wellenlänge λe eingesetzt wird. Beim Verhältnispyrometer wird die Temperatur aus dem Verhältnis zweier Signale ermittelt, indem die Strahldichte bei zwei Wellenlängen λ1 und λ2 bzw. in zwei Wellenlängenbereichen gemessen wird. S(T) = Lλs(λ1,T)/Lλs(λ2,T)
(5.21)
Da die bei der Messung verwendeten Wellenlängen λ < 3 µm sind, gilt nach dem Wienschen Gesetz (5.12): S(T) = (λ2/λ1)5⋅exp(C2/(λvT))
(5.22)
mit 1/λv = (1/λ2) – (1/λ1). Für die Abhängigkeit des Ausgangssignals SA von der Temperatur gilt Gl. (5.20) mit λ = λv [5.8]. Die so gemessenen Temperaturen T sind die eines schwarzen Körpers; beim Verhältnispyrometer ist es jedoch die wahre Temperatur, wenn der Emissionsgrad bei beiden Wellenlängen λ1 und λ2 die gleiche Größe besitzt. Glühfadenpyrometer sind Spektralpyrometer, die zur Messung von Temperaturen oberhalb 650 °C durch visuellen Vergleich mit der Glühfadentemperatur einer Wolframbandlampe eingesetzt werden. Aufgrund des notwendigen manuellen Abgleiches sind Glühfadenpyrometer für Automatisierungszwecke nicht geeignet.
5 Temperatur
163
Bezüglich spezifischer Anwendungsbereiche sind Präzisions- und Normalpyrometer als driftarme Spektralpyrometer bekannt, deren Detektorsignal über einen weiten Bereich (einige Zehnerpotenzen) proportional zur Strahldichte des Messobjektes ist. Sie werden in Forschungseinrichtungen und metrologischen Staatsinstituten u.a. zur Darstellung und Weitergabe der ITS-90 oberhalb des Erstarrungspunktes von Silber (961,78 °C) verwendet [5.1]. Strahlungsthermometer für Laboranwendungen bestehen aus einer Messsonde und einem Auswertegerät. Die Messsonde ist mit verschiedenen Objektiven und Filtern ausgerüstet, die der Auswahl des Spektralbereiches, in dem der Strahlungsfluss optimal ist, dienen. Bei der Auswahl der Filter sind der Transmissionsgrad der Übertragerstrecke, der Emissionsgrad des Objekts und die spektrale Empfindlichkeit des Empfängers zu berücksichtigen. Im Auswertegerät befinden sich Verstärker mit verschiedenen Einstellfunktionen, Baugruppen zur Berücksichtigung verschiedener Signal-Temperatur-Charakteristika und eine Analogoder Digitalanzeige der Temperatur oder Strahldichte. Thermografiegeräte werden nach der Art der Detektoren und der Anzahl der Detektorelemente sowie deren Kühlung, nach ihrer spektralen Empfindlichkeit und nach Abbildungseigenschaften unterschieden. Als Detektorelemente werden gekühlte Quantendetektoren eingesetzt, die auf Energiequanten ansprechen und infolge der Absorption infraroter Strahlung ihren elektronischen Zustand in atomaren Bereichen des Kristallgitters ändern, ferner Nicht-Quantendetektoren (thermische Detektoren), die auf Strahlungsleistung ansprechen und dadurch ihren inneren oder äußeren Energiezustand im Kristallgitter ändern oder pyroelektrische Detektoren, die eine temperaturabhängige spontane Polarisation verbunden mit der Erzeugung von Oberflächenladungen aufweisen [5.9]. Neben Einzelelementdetektoren, bei denen die Abbildungsrasterung unter Einsatz einer Zweiachsen-Steuerung (x-y-Tisch) erfolgt, sind Detektorzeilen, mit denen eine Rasterung in eine Koordinatenrichtung ausreichend ist (Linescanner) oder aber zweidimensionale Matrixdetektoren verfügbar. Die Kühlung der häufig in Dewargefäße eingebauten Detektoren erfolgt mit verschiedenen Flüssiggasen bis auf 4,2 K, mit mehrstufigen Peltierelementen bis – 100 °C, mit Kältemaschinen oder durch Ausnutzung des Joule-Thomson-Effekts. Nach ihrer spektralen Empfindlichkeit können Thermografiegeräte als Bandstrahlungspyrometer betrachtet werden. Ihre Spektralempfindlichkeit kennzeichnet die Größe des Photosignals je Einheit der Strahlungsleistung einer vorgegebenen Wellenlänge oder der, bei welcher der Detektor maximal empfindlich ist [5.9]. Fehlerquellen/Messunsicherheiten: Einflüsse auf die Genauigkeit der Temperaturmessung mit Strahlungsthermometern haben der Emissionsgrad ε, dessen Wert bei realen Messobjekten i.a. kleiner ist als bei den zur Kalibrierung verwendeten Schwarzen Strahlern, die Umgebungstemperatur, falls die Eigenstrahlung der Umgebung einen messbaren Anteil im genutzten Wellenlängenbereich des Strahlungsthermometers hat sowie der Transmissionsgrad von Zwischenmedien. Der Emissionsgrad eines Materials ist theoretisch nur schwierig zu berechnen oder vorherzusagen. Man ist deshalb auf Tabellenwerte, Angaben von Pyrometerherstellern oder eigene Messungen angewiesen. Eigene Messungen haben den
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Sensoren
Vorteil, dass bei der Bestimmung von ε das Strahlungsthermometer verwendet werden kann, das später zur Temperaturmessung eingesetzt wird. Einfache Verfahren sind z. B. in der VDI/VDE 3511/ 4 aufgezeigt. Die spektrale Empfindlichkeit des Messgerätes sollte immer in dem Bereich liegen, in dem das zu messende Material einen möglichst hohen Emissionsgrad besitzt, um ähnliche Bedingungen wie bei der Temperaturmessung mit einem Schwarzen Körper zu realisieren. Methoden zur Berechnung des Einflusses der Umgebungstemperatur auf die zu messende Temperatur sind ebenfalls in der VDI/VDE 3511/4 zu finden. Die Anzeige von Strahlungsthermometern wird durch eine Schwächung der Messstrahlung durch absorbierende Medien wie Staub, Wasserdampf oder Kohlendioxid im Strahlengang verfälscht. Durch Strahldichtemessungen in Spektralbereichen, in denen diese Gase einen hohen Transmissionsgrad aufweisen, können diese Messunsicherheiten reduziert werden. Zur Messung von Temperaturen oberhalb 1000 °C eignen sich Wellenlängen im sichtbaren oder nahen Infrarotbereich um 1 µm, für Temperaturen zwischen 200 °C und 1000 °C Spektralbereiche 1,1...1,7 µm, 2...2,5 µm oder 4,5...5,5 µm und zur Messung von Temperaturen unterhalb von 200 °C der Spektralbereich von 8 bis 14 µm [VDI/VDE 3511/4].
5.3 Temperaturmessgeräte mit mechanischem Ausgangssignal Zu dieser Gruppe von Temperaturaufnehmern zählen vorwiegend Ausdehnungsthermometer, bei denen die thermische Ausdehnung eines Feststoffes, einer Flüssigkeit oder eines Gases direkt zur Messung herangezogen wird (Längenänderung), oder aber Thermometer, bei denen die „Ausdehnung“ eines temperaturempfindlichen Materials indirekt zur Temperaturmessung, beispielsweise durch eine Druckänderung, herangezogen werden kann. 5.3.1 Flüssigkeits-Glasthermometer Messprinzip: Abbildung 5.5 zeigt den schematischen Aufbau eines FlüssigkeitsGlasthermometers. Bei diesen Thermometern wird die thermische Ausdehnung einer in einem Glasgefäß befindlichen thermometrischen Flüssigkeit zur Temperaturmessung ausgenutzt. Infolge der unterschiedlichen thermischen Ausdehnung der Glaskapillare und der in ihr enthaltenen Flüssigkeit ändert sich die Länge des Flüssigkeitsfadens mit der Temperatur. Als Temperaturanzeige dient das Ende der Flüssigkeitssäule, das an einer mit der Kapillare verbundenen Skala ablesbar ist. Die Empfindlichkeit eines Flüssigkeits-Glasthermometers hängt von den Eigenschaften der verwendeten Flüssigkeit, vom Kapillardurchmesser und dem Gefäßvolumen ab [5.3, 5.5, 5.11]. Materialien: Die zur Herstellung von Flüssigkeits-Glasthermometern verwendeten Gläser müssen thermisch möglichst nachwirkungsfrei und chemisch beständig sein. Die höchsten Verwendungstemperaturen liegen bei den meisten Gläsern bei 400-460 °C, bei Supremax-Glas bei 630 °C und bei Quarzglas bei 1100 °C.
5 Temperatur
4
165
Abb. 5.5. Flüssigkeits-Glasthermometer (Stabthermometer), 1 Thermometergefäß, 2 Messkapillare, 3 Skale, 4 Meniskus, 5 Expansionserweiterung
2
3
1
Bei den verwendeten thermometrischen Flüssigkeiten unterscheidet man benetzende (organische) und nicht benetzende (metallische) Flüssigkeiten, wobei mit letztgenannten geringere Messunsicherheiten erreichbar sind. Im Temperaturbereich -38 °C bis 800 °C wird Quecksilber (z. T. mit Zusätzen) verwendet, oberhalb dieser Temperaturen kommen Sonderlegierungen, z. B. Galliumlegierungen, zum Einsatz. Für die Messung tieferer Temperaturen wird eine Quecksilber-Thallium-Legierung verwendet ( -58 °C ... -38 °C), unterhalb dieser Temperaturen müssen benetzende Flüssigkeiten verwendet werden z. B. Pentan, Alkohol, Toluol. Bauarten: Flüssigkeits-Glasthermometer werden nach ihrer konstruktiven Form als Stab- oder Einschlussthermometer unterschieden. Bei Einschlussthermometern befindet sich die Skala auf einem von der Kapillare getrennten Skalenträger, bei den Stabthermometern befindet sie sich direkt auf der Messkapillare. Bei beiden befindet sich in der Regel am oberen Ende der Kapillare eine Expansionserweiterung zur Vermeidung einer Zerstörung des Thermometers bei Messbereichsüberschreitungen. Flüssigkeits-Glasthermometer werden für viele Anwendungen gefertigt, sind aber nur bedingt in der Automatisierungstechnik einsetzbar. Für einfache Temperaturregelungen können Kontaktthermometer als Schaltinstrumente, die bei einer bestimmten Temperatur einen Stromkreis schließen,
166
Teil B
Sensoren
verwendet werden. Dabei ist das Quecksilber in Kontakt mit einem im Thermometergefäß eingebauten metallischen Draht. In der Thermometerkapillare befindet sich ein festeingeschmolzener oder höhenverstellbarer zweiter metallischer Kontakt. Durch Steigen oder Sinken der Quecksilbersäule können somit Schaltvorgänge ausgelöst werden, die zu Regelzwecken verwendbar sind. Aufgrund der geringen Durchmesser der Schaltkontakte und der Quecksilbersäule lassen sich nur geringe Schaltleistungen realisieren, so dass als Schaltverstärker Relais mit induktionsfreiem Steuerkreis, deren Leistungsaufnahme den zulässigen Grenzwert nicht übersteigt, empfohlen werden [5.12]. Fehlerquellen/Messunsicherheiten: Bei Flüssigkeits-Glasthermometern ist neben der allgemeinen Forderung bezüglich einer guten thermischen Ankopplung an das Messmedium Folgendes zu beachten: Schnelle Temperaturänderungen können Fehlanzeigen bewirken, wenn infolge thermischer Nachwirkungen die mit der Temperaturänderung verbundene Volumenänderung des Gefäßmaterials nachlaufend erfolgt. Besonders bei raschen Abkühlungen von Temperaturen oberhalb 100 °C liefern Thermometer zu niedrige Anzeigen, die sich am besten am Eispunkt bestimmen lassen (Eispunktdepression). Nach einer Erwärmung auf 100 °C beträgt sie ca. 0,01–0,05 °C. Die thermischen Nachwirkungen sind von der Glasart abhängig und klingen bei nicht zu langer Erwärmung auf Temperaturen oberhalb 200 °C nach wenigen Tagen wieder ab. Quarzglasthermometer sind bis ca. 600 °C frei von Depressionen. Für das dynamische Verhalten von Flüssigkeits-Glasthermometern gelten die in Abschn. 5.2.1.1 gemachten Ausführungen, wobei z. B. für mit Quecksilber gefüllte Thermometer in Luft (Gefäßlänge 12 mm, Durchmesser 6 mm) 9/10-Wertzeiten von ca. 150 s zu erwarten sind. Die Fehlergrenzen geeichter Thermometer sind in der Eichordnung (1988) Anlage 14: Temperaturmessgeräte zu finden. Sie sind vom betrachteten Temperaturbereich, von der verwendeten Thermometerflüssigkeit und dem Skalenwert (kleinster Strichabstand) abhängig. Die einhaltbaren Messunsicherheiten mit Flüssigkeits-Glasthermometern sind bei Berücksichtigung aller Fehlerquellen kleiner als die in der Eichordnung angegebenen Eichfehlergrenzen. Sie liegen im Temperaturbereich zwischen – 58 °C und 630 °C bei ganz eintauchend justierten Thermometern mit nicht benetzender Flüssigkeit in der Größenordnung der Skalenwerte. 5.3.2 Zeigerthermometer 5.3.2.1 Stabausdehnungs- und Bimetallthermometer Messprinzip/statisches Verhalten: Bei Stabausdehnungsthermometern sind zwei stab- oder zylinderförmige Werkstoffe mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten an einem Ende fest miteinander verbunden. Am anderen, frei beweglichen Ende dient die registrierte Längendifferenz zwischen beiden als Maß für eine Temperaturänderung.
5 Temperatur
167
Bei Bimetallthermometern sind zwei etwa gleich dicke Metallschichten mit unterschiedlichem Ausdehnungskoeffizienten über die gesamte Länge direkt miteinander verbunden. Eine Temperaturänderung bewirkt somit eine Verformung des Sensors, die auf einen Zeiger übertragen wird oder einen Schaltkontakt auslöst. Die Kennzeichnung der Bimetalle erfolgt durch die spezifische Ausbiegung δ, für die bei gleicher Materialdicke und gleichem Elastizitätsmodul der beiden Komponenten gilt: δ = √3/2 ⋅ (α1-α2)
(5.23)
mit α1, α2 als Ausdehnungskoeffizienten der beiden Komponenten [5.13]. Für die Ausbiegung f eines einseitig eingespannten Bimetallstreifens (Abb. 5.6) der Länge L und der Dicke s nach einer Temperaturänderung dt gilt: f = L2/s ⋅ δ ⋅ dt.
(5.24)
Die spezifische Ausbiegung δ ist nur über einen begrenzten Temperaturbereich linear von der Temperatur abhängig, so dass sich auch f nur in einem eingeschränkten Bereich linear mit der Temperatur ändert. Die Fehlergrenzen bei Stabausdehnungs- und Bimetallthermometern liegen bei etwa 1 bis 3 % des Anzeigebereichs. Materialien/Bauarten: Bei Stabthermometern dienen als Werkstoffe für Stäbe mit geringen Ausdehnungskoeffizienten Invar, Quarz oder Keramik, die in metallischen, dünnwandigen Rohren mit großem Ausdehnungskoeffizienten auf geeignete Weise befestigt sind (Abb. 5.7a). Als Rohrmaterialien werden z. B. Messing (bis 300 °C), Nickel (bis 600 °C) oder Chrom/Nickel-Stahl (bis 1000 °C) verwendet. Die bei Stabthermometern auftretenden großen Stellkräfte werden direkt für Regelzwecke genutzt. Stabthermometer können mit elektrischen Kontakten zur Zweipunktregelung ausgestattet sein oder an hydraulische oder pneumatische Regler angeschlossen werden. Für Bimetallthermometer werden Eisen-Nickel-Legierungen bevorzugt, wobei die Legierung mit dem geringeren Ausdehnungskoeffizienten Zusätze von Mangan enthält. Der temperaturempfindliche Teil kann eine Spiral- oder Schraubenfeder sein, die aus einem Bimetallstreifen gefertigt ist und sich bei TemperaturändeAbb. 5.6. Ausbiegung eines Bimetallstreifens
L
f
s
168
Teil B
Sensoren Abb. 5.7. a Stabausdehnungsthermometer, 1 Rohr, fest , 2 beweglicher Stab, 3 Rohrbefestigung , 4 Anzeigeeinrichtung b Bimetallthermometer, 1 Bimetallstreifen, 2 – Zeiger, 3 – Skale
4 20 3
3
10
30
2 0
40
1 2 1
-10
50
rungen auf- oder abwickelt. Der Ausschlag eines mit der Feder verbundenen Zeigers gilt als Maß für die erfolgte Temperaturänderung (Abb. 5.7b). 5.3.2.2 Federthermometer Messprinzip: Bei Federthermometern wird die Temperatur über den Druck mit Hilfe elastischer Messglieder gemessen, deren Stellung durch die relative thermische Ausdehnung einer flüssigen oder gasförmigen Substanz, die sich in einem geschlossenen System befindet, bestimmt wird. Materialien/Bauarten: Nach der Art des verwendeten temperaturempfindlichen Füllmaterials unterscheidet man Flüssigkeits-, Dampfdruck- oder Gasdruck-Federthermometer. Der grundsätzliche Aufbau ist bei allen Varianten gleich. Das Thermometergefäß aus Metall oder Glas, in dem sich das Übertragungsmedium befindet, wird der zu messenden Temperatur ausgesetzt. Es ist über eine dünne Kapillarleitung (Innendurchmesser 0,1 bis 0,3 mm, Länge bis zu 30 m) mit dem elastischen Messglied verbunden, das auf Druckänderungen der thermometrischen Substanz reagiert und mittels Übertragungsgliedern den Messzeiger bewegt. Ihr Einsatz in der Automatisierungstechnik beschränkt sich auf einfache Regelungsaufgaben. Bei Flüssigkeits-Federthermometern (Abb. 5.8a) ist das Thermometergefäß in Abhängigkeit vom Messbereich mit Quecksilber, Quecksilber-Thallium-Legierungen, Xylol oder Toluol vollständig gefüllt. Die Volumen- und Druckänderung als Maß für die Temperaturänderung wird von der Messfeder aufgenommen und kann als nahezu linear betrachtet werden. Der Messbereich liegt in Abhängigkeit von der verwendeten Flüssigkeit zwischen -55 °C und 500 °C. Die Einstellzeiten sind aufgrund der Bauart sehr gering, wodurch eine Nutzung von FlüssigkeitsFederthermometern für einfache Steuer- und Regelungsaufgaben durch Anbringung von Messkontakten am Messwerk möglich wird. Bei Dampfdruck-Federthermometern ist das Thermometergefäß nur teilweise mit einer leicht siedenden Flüssigkeit gefüllt, so dass neben der flüssigen Phase auch der Dampf der thermometrischen Flüssigkeit existiert. Als Übertragungs-
5 Temperatur
169
bauteil zwischen Thermometergefäß und Kapillare mit Messglied wird häufig ein Druckübertrager (z. B. Faltenbalg) eingesetzt, der ein Austreten und Kondensieren der Thermometerflüssigkeit außerhalb des Thermometergefäßes verhindern soll (Abb. 5.8b). Der Sättigungsdruck der thermometrischen Flüssigkeit ist nur von der Höhe der Temperatur, nicht aber von der Flüssigkeitsmenge im Thermometergefäß abhängig. Er steigt nahezu exponentiell mit der Temperatur, so dass nichtlineare Skalen erforderlich sind. Von Vorteil ist die hohe Auflösung (Empfindlichkeit) in einem eingeschränkten Temperaturbereich, wodurch u. U. kleine Regelschwankungen abgeleitet werden können. Bei Gasdruck-Federthermometern ist das ganze System konstanten Volumens mit einem Gas (z. B. Stickstoff oder Helium) gefüllt, dessen temperaturabhängige Druckänderung auf eine Messfeder zur Temperaturanzeige übertragen wird. Der mechanische Aufbau und die Skalencharakteristik entsprechen denen der Flüssigkeits-Federthermometer, wobei jedoch geringere Verstellkräfte auftreten. Von Vorteil ist das Gasdruck-Federthermometer dann, wenn eine lineare Anzeige über einen weiten Temperaturbereich gefordert wird. Fehlerquellen/Messunsicherheiten: Die Umgebungstemperatur beeinflusst bei vollständig mit Flüssigkeit oder Gas gefüllten Federthermometern die Temperaturanzeige über die thermometrischen Substanzen, die sich in den Kapillaren oder Messgliedern befinden und nicht der zu messenden Temperatur ausgesetzt sind. Besonders bei längeren Kapillarleitungen sind Federthermometer häufig mit Kompensationseinrichtungen zum Ausgleich des Außentemperatureinflusses versehen. Des Weiteren sind auch die elastischen Eigenschaften der Messfeder temperaturabhängig. Wärmeleitungsprozesse über die Kapillare sind wie bei allen Berührungsthermometern zu berücksichtigen und durch geeignete Einbaubedingungen zu minimieren. Unterschiede in der Anzeige bei steigenden oder fallenden Temperaturen (Hysterese) können durch mechanische Behinderungen (Reibung) auftreten.
4 4
3
3
2 2
7 6 1
1 5
Abb. 5.8. a Flüssigkeits- Federthermometer, 1 Thermometergefäß, 2 Kapillare, 3 elastisches Messglied, 4 – Anzeigemechanismus b Dampfdruck-Federthermometer, 1 Thermometergefäß, 2 Kapillare, 3 elastisches Messglied, 4 Anzeigemechanismus, 5 Thermometerflüssigkeit, 6 Dampf, 7 Faltenbalg
170
Teil B
Sensoren
Die Fehlergrenzen bei Federthermometern liegen im Bereich von 1 bis 2% vom Anzeigebereich.
5.4. Besondere Temperatursensoren und Messverfahren 5.4.1 Quarzthermometer Als Beispiel für einen Fühler mit frequenzanalogem Ausgang ist das Quarzkristallthermometer zu nennen. Das mit diesem Gerät verbundene Temperaturmessverfahren beruht auf der Eigenschaft eines Quarzkristalls, seine Resonanzfrequenz temperaturabhängig zu ändern. In [5.10] ist ein Temperaturmesssystem auf Basis eines Schwingquarzes beschrieben. Das Thermometer besteht aus einem Schwingquarz als Sensorelement und einer Sensorelektronik. Über einen geeignet orientierten Quarzkristall wird eine hohe Empfindlichkeit in der Temperaturabhängigkeit der Resonanzfrequenz erreicht (100⋅10-6/°C). Mit der Signalübertragung in Form des Impulsabstandes kann bei Zählraten von 1 MHz und einem Impulsabstand von 0,5 s eine Auflösung von 20 mK erreicht werden, wobei deutlich wird, dass die Auflösung nur von der Zählrate, nicht aber vom Sensor abhängig ist. Der Messbereich des beschriebenen Temperaturmesssystems liegt zwischen -40 °C und 300 °C mit Systemgenauigkeiten von ±0,1 °C bis 100 °C und ±0,1% im übrigen Messbereich. 5.4.2. Temperaturmessgeräte mit optischem Ausgangssignal Optische Temperaturmessverfahren nutzen physikalische Effekte, bei denen sich optische Eigenschaften bestimmter Stoffe aufgrund von Temperaturänderungen verändern. In der Automatisierungstechnik werden zunehmend faseroptische Thermometer eingesetzt. Grundbestandteile dieser Thermometer sind Lichtquellen und Lichtleitfasern, die teilweise als Sensor präpariert sind und Fotodetektoren mit elektronischer Signalaufbereitung. Der Konstruktion faseroptischer Sensoren kann eine Vielfalt physikalischer Prinzipien zugrunde gelegt werden [5.14]. Ein faseroptischer Temperatursensor, der den Effekt ausnutzt, dass sich die Brechzahl des optischen Mantels des Lichtleiters und damit dessen Lichttransmission in einer definierten Faserkrümmung mit der Temperatur ändert, wird in [5.15] vorgestellt. Mit diesen als Berührungs- oder Eintauchthermometer zu nutzenden faseroptischen Sensoren können bei Verwendung von Stufenindexfasern in einem nahezu linearen Messbereich von etwa -50 °C bis +200 °C Temperaturen mit einer Empfindlichkeit von ca. 0,1 °C gemessen werden. Typische Anwendungsgebiete liegen insbesondere dort, wo verarbeitbare Messsignale erforderlich sind, elektronische Temperaturmesstechnik jedoch nicht oder nur problematisch einsetzbar ist, z. B. in starken elektromagnetischen Feldern und in explosiver oder aggressiver Umgebung.
5 Temperatur
171
Ein weiteres Beispiel für faseroptische Thermometer sind Lumineszenzthermometer, die die Temperaturabhängigkeit der Lumineszenz eines Sensormaterials zur Temperaturmessung nutzen. Dabei werden die Wellenlängenverschiebung des Lumineszenzlichtes oder die temperaturabhängige Abklingzeit der Lumineszenz nach Anregung mit einem kurzem Lichtimpuls genutzt. Die Arbeitsweise eines Temperaturmesssystems auf Basis der Lumineszenzabklingzeit wird in [5.16] beschrieben. Die galvanische Trennung zwischen Messobjekt und Gerät durch den Einsatz von Lichtwellenleitern erlaubt einen problemlosen Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen oder in HF- und Hochspannungsanlagen. Mit dem beschriebenen Lumineszenzthermometer erreicht man im Temperaturbereich – 50 °C ... 400 °C Genauigkeiten von 0,5 °C. 5.4.3. Rauschthermometer Bei der Temperaturmessung aus dem thermischen Rauschen wird die ungeordnete, statistische Wärmebewegung der Elektronen im Leitungsband (z. B. von metallischen Leitern) zur Messung herangezogen. Diese Bewegungen machen sich als Spannungsschwankungen an den Enden eines elektrischen Widerstandes bemerkbar und sind eine Funktion der absoluten (thermodynamischen) Temperatur T. Ein Vorteil der Rauschthermometrie liegt darin, dass die Bestimmung der Temperatur unabhängig von allen Umgebungseinflüssen ist, die bei konventionellen Temperaturmessverfahren die Temperaturcharakteristik der Messfühler unkontrollierbar ändern. Im Temperaturbereich zwischen 300 und 1700 K wurden relative Messunsicherheiten von 1‰ erreicht [5.17]. 5.4.4. Akustische Thermometer Bei akustischen Thermometern wird die Abhängigkeit der Schallgeschwindigkeit von der Temperatur genutzt. Man unterscheidet resonante Messsysteme (z. B. Resonator) und nichtresonante Messsysteme (z. B. Schall-Laufzeit-Messung). Im ersten Fall sind die Ausgangssignale Frequenzen und im zweiten Fall Zeitintervalle, die leicht in digitale Signale umsetzbar sind. Nach dem Puls-Echo-Prinzip kann mit rohrförmigen Eintauchsensoren aus beliebigen Materialien, in denen sich das Gas befindet, die Temperatur bis zur thermischen Belastbarkeit dieser Rohre mit Unsicherheiten von weniger als 1 K bestimmt werden [VDI/VDE 3511/1]. Bei sehr hohen Temperaturen können auch Festkörper, z. B. Wolframdrähte, eingesetzt werden, bei denen Querschnittsänderungen die Sensorstrecke begrenzen.
Literatur 5.1 5.2
Preston-Thomas H (1990) The International Temperature Scale of 1990 (ITS-90). Metrologia 27:3-10 NN (1990) Techniques for Approximating the International Temperature Scale of 1990. Pavillon de Breteuil, F-92310 Sèvres
172
5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8
5.9 5.10 5.11 5.12 5.13 5.14 5.15
5.16
5.17
Teil B
Sensoren
Lineweg F (1976) Handbuch der technischen Temperaturmessung. Vieweg, Braunschweig Pelz L (1989) Anforderungen an die Störfestigkeit von Automatisierungseinrichtungen in der chemischen Industrie. Automatisierungstechnische Praxis atp 31 Weichert L (1987) Widerstandsthermometer. In: Weichert L (Hrsg) Temperaturmessung in der Technik. 4. Aufl. expert-Verlag, Sindelfingen Hofmann D (1977) Temperaturmessungen und Temperaturregelungen mit Berührungsthermometern. Verlag Technik, Berlin Ruhm K (1974) Thermometrie. In: Profos P (Hrsg) Handbuch der industriellen Meßtechnik. Vulkan-Verlag, Essen Mester U (1987) Temperaturstrahlung und Strahlungsthermometer. In: Weichert L (Hrsg) Temperaturmessung in der Technik. 4. Aufl. Expert-Verlag, Sindelfingen Stahl K, Miosga G (1980) Infrarottechnik. Hüthig, Heidelberg NN (1994) Temperaturmeßumformer. JUMO Mess- und Regeltechnik, Juchheim, Fulda Ralphs P, Blanke W (1967) Flüssigkeits-Glasthermometer. PTB-Prüfregel 14.01 NN (1990/91) Kontaktthermometer. Typenblatt 20.010, Blatt 1. JUMO Mess- und Regeltechnik, Juchheim, Fulda Brenner R (1963) Verbesserung der Formel für die spezifische Ausbiegung der Thermo-Bimetalle. Z. angew. Phys. 15/2:178-180 Hök B, Ovrén Ch, Jonsson L (1986) Faseroptische Sensorfamilie zur Messung von Temperatur, Vibration und Druck. Technisches Messen tm, 53/9 Willsch R, Schwotzer G, Haubenreißer W et al. (1986) Faseroptische Sensoren für die Prozessrefraktometrie und Temperaturmessung auf der Basis gekrümmter Lichtleitfasern. Technisches Messen tm, 53/9 NN (1991) Faseroptisches Temperaturmeßsystem auf der Basis der Lumineszenzabklingzeit. Sensycon, Gesellschaft für industrielle Sensorsysteme und Prozeßleittechnik mbH, Hanau Brixi H (1986) Kombinierte Thermoelement-Rauschthermometrie. Forschungszentrum Jülich GmbH, Jül-2051
6 Durchfluss Dieter fehler
6.1 Einleitung Durchflussmessung in der Mess- und Automatisierungstechnik verlangt Genauigkeit, Reproduzierbarkeit und Standfestigkeit der Messgeräte, wobei sich für den Betreiber nicht selten die Notwendigkeit ergibt, sich zwischen diesen Forderungen und – in Extremfällen – dem Erhalt eines halbwegs vernünftigen Messwertes zu entscheiden. Weiter sollten alle Messwerte als weiterverwertbare, i. d. R. elektronische Signale ausgegeben werden. Aufgrund einer langen messtechnischen Tradition haben sich feste Zuordnungen der Messverfahren zueinander gebildet, die häufig mit den Einsatzbedingungen wenig zu tun haben. Es ist die Physik, welche das Verhalten der einzelnen Messverfahren beschreibt, und es gibt keine schlechten oder guten Messverfahren, sondern nur falsch oder richtig ausgewählte Messverfahren. Und manchmal ist man einfach nur froh, wenn das eingesetzte Gerät überhaupt etwas anzeigt und lange genug überlebt. Aus diesen Gründen wurde eine Einteilung entsprechend der physikalischen Messeffekte gewählt und den einzelnen Verfahren – soweit notwendig – eine kurze Erläuterung der physikalischen Grundlagen vorgeschaltet. Danach werden die vorgestellten Messverfahren bzgl. der wichtigsten Eigenschaften kommentiert, wobei natürlich einzelne der im Handel angebotenen Messgeräte aufgrund technischer Weiterentwicklungen davon abweichen können. Auf die Darstellung von reinen Laborgeräten und nicht kontinuierlich arbeitenden Messverfahren wurde verzichtet, wer weitergehende Informationen wünscht, wird auf [6.3] und [6.4] verwiesen.
6.2 Allgemeine strömungsmechanische Grundlagen 6.2.1 Strömungscharakteristiken Laminare und turbulente Strömung, Reynoldszahl, Strömungsprofile
Generell wird in der Strömungsmechanik zwischen laminarer (schichtenartiger) und turbulenter (verwirbelter, sich durchmischender) Strömung unterschieden. Der Strömungswiderstand (Druckverlust) in einer turbulenten Strömung ist aufgrund von Reibungsverlusten größer als bei laminarer Strömung, bei turbulenter Strömung erhöht sich jedoch der Wärmeaustausch innerhalb des Fluides und an
174
Teil B
Sensoren Abb. 6.1. Laminare und turbulente Strömungsprofile bei ungefähr gleichen Strömungsgeschwindigkeiten aber unterschiedlichen Reynoldszahlen (z. B. unterschiedlichen Viskositäten).
seinen Grenzflächen.Die Reynoldszahl Re beschreibt als wichtigste dimensionslose Kennzahl der Strömungsmechanik u.a. die Strömungscharakteristik. Die Reynoldszahl Re ergibt sich aus einer charakteristischen Strecke D, der Strömungsgeschwindigkeit c und der kinematischen Zähigkeit v zu: (6.1) Re (c D) Q 1 . Bei Rohrleitungen versteht man in der Regel unter D den Rohrdurchmesser und unter c die mittlere Strömungsgeschwindigkeit und geht davon aus, dass ab einer Reynoldszahl Re über 2300 eine turbulente Strömung vorliegt. Die in der Strömung dann vorhandene kinetische Energie hält die Strömung turbulent, und erst eine Erniedrigung der Reynoldszahl Re – zum Beispiel durch Vergrößerung der Viskosität – führt wieder zu einer laminaren Schichtenströmung. Für die Strömungsmesstechnik entscheidend ist dabei, dass sich mit dem Umschlag von laminarer Strömung auf turbulente Strömung das Strömungsprofil von parabelförmig zu einem immer kolbenförmigeren Geschwindigkeitsprofil wandelt, so dass z. B. eine Ein-Punkt-Messung der maximalen Geschwindigkeit in der Rohrmitte ohne Kenntnis des exakten Strömungsprofils keine Information über die mittlere Geschwindigkeit eines Rohrquerschnittes liefern kann. Bei der industriellen Strömungsmessung liegen i. d. R. aufgrund der Reynoldszahlen über 2300 turbulente Strömungsprofile vor. 6.2.2 Strömungsenergien Bernoulli-Gleichung, Viskosität, Druckverluste
Die Thermodynamik liefert uns über den 1. Hauptsatz für stationäre Fliessprozesse [6.1, 6.2] mit der Bernoulli-Gleichung eine der wichtigsten energetischen Beziehungen der Strömungsmechanik: p1 U11 0, 5 c12
p2 U21 0, 5 c22
(6.2)
6 Durchfluss
2
1
Durchströmte Düse
1
3
175
Abb. 6.2. Darstellung des qualitativen Druckverlaufes und der bleibenden Druckverluste bei Rohrverengungen oder Hindernissen
3
Druckverlauf 1
2
Umströmter Körper Bleibender Druckverlust
+ +
+
- - - - - - - - 2- 3 Fließrichtung
bzw. für näherungsweise inkompressible Fluide: bzw.
(6.3)
pi, ρi, und ci bezeichnen dabei den Druck, die Dichte und die Fliessgeschwindigkeit für die betrachteten Strömungszustände i = 1,2 z. B. vor und innerhalb einer Verengung in der Rohrleitung (Drosselstelle, Düse, s. Abb. 6.2). Man bezeichnet dabei pi · ρi–1 als spezifische Druckenergie und 0,5 · c2i als spezifische kinetische Energie des Fluides. Die hier zusätzlich eingefügte Konstante KBernoulli soll dabei alle relevanten Abweichungen von der Theorie, wie sie durch Strömungscharakteristiken, Geometrien, Fluideigenschaften usw. verursacht werden, enthalten. Vor allen Dingen aber wird gefordert, dass diese Konstante während der Messung auch wirklich konstant bleibt, was aber leider nur ganz selten erfüllt ist (Wirkdruckmessung). Wichtige weitere Erkenntnisse aus dieser Beziehung sind dabei: 1. Bei Erhöhung der kinetischen Energie ( (c 2 c 2 ) ! 0 ) wird die Druckenergie 2 1 (p1 > p2) erniedrigt. 2. Der Zusammenhang zwischen kinetischer Energie und gemessenem Differenzdruck ist quadratisch (∆ p ~(c 2 − c 2 )). 2 1 3. Die Dichte ρ des Fluides beeinflusst durch ihre Abhängigkeiten von Druck und Temperatur den Messwert (Achtung: Kompressibilität bei Gasen). Die Viskosität zwischen den Fluidteilchen setzt dem gegenseitigen Verschieben dieser Teilchen einen Widerstand (innere Reibung) entgegen, der von der jewei-
176
Teil B
Sensoren
ligen Verformungsgeschwindigkeit (z. B. dem Geschwindigkeitsgefälle zwischen zwei Flächen) abhängt. Sind die dabei auftretenden Kräfte unabhängig vom jeweiligen Geschwindigkeitsgefälle, so spricht man von newtonschen Fluiden wie z. B. bei Wasser oder flüssigen Kohlenwasserstoffen. Zu den nicht-newtonschen Fluiden gehören alle anderen Fluide. So z. B. Fluide, die unter Scherkräften ihre Viskosität verändern (Zunahme der Viskosität bei strukturviskosen Stoffen wie bei Kautschuk oder eine Abnahme der Viskosität wie z. B. bei dilatanten Stoffen wie pigmenthaltigen Suspensionen, Farben oder Stärke. Thixotrope Stoffe (z. B. Tapetenkleister oder Gelatine) werden dünnflüssiger durch Belastung bzw. rheopexe Stoffe (einige Schmieröle) zähflüssiger. Diese viskosen Eigenschaften der Fluide haben mit ihren unterschiedlichen Kraftwirkungen zum Teil erheblichen Einfluss auf Funktion und Messgenauigkeit, auch die dadurch bewirkten bleibenden Druckverluste sind bei der Auswahl der Messgeräte unbedingt zu berücksichtigen. Bei jedem Eingriff in die Strömung durch Veränderungen der Strömungsquerschnitte (Blenden, Düsen) oder irgendwelche anderen Einbauten (Störkörper des Wirbelzählers, rotierende Turbinenteile, Schwebekörper, Strömungsgleichrichter usw.) wird entsprechend der Bernoulli-Gleichung das Fluid beschleunigt und wieder abgebremst, wobei es je nach Art des Störkörpers, der Reynoldszahl und den Reibungskräften sogar zu lokalen Rückströmungen kommen kann. Grundsätzlich bewirkt jedoch jedes Hindernis bleibende Druckverluste, die ggf. durch zusätzliche Pumpenleistung wieder ausgeglichen werden müssen (s. Abb. 6.2). 6.2.3 Messstellen Ein- und Auslaufstrecken, Strömungsgleichrichter, Netzmessungen
Eigentlich müssten für eine exakte Durchflussmessung immer alle Geschwindigkeitskomponenten über den gesamten Querschnitt gleichzeitig gemessen werden (s. Abb. 6.1). Dies ist in der Regel nicht möglich, man reduziert vielmehr die Messung auf ausgewählte Teile des Strömungsprofils und setzt in den nicht gemessenen Strömungsbereichen das von der Theorie vorgegebene Verhalten voraus. Damit dies genügend genau erfüllt ist, werden für die jeweiligen Messgeräte Ein- und Auslaufstrecken vor und hinter den Messgeräten gefordert, wobei diese zusätzlichen Rohrstrecken bei der Planung aus Platz- und Kostengründen unbedingt mit zu berücksichtigen sind. Je mehr einzelne Messpunkte (Netzmessung) vorhanden sind, desto unkritischer sind Abweichungen des Strömungsprofils, einige Messverfahren z. B. verändern durch konstruktive Eingriffe das Strömungsprofil so stark, dass sie von Ein- und Auslaufstrecken fast unabhängig sind (z. B. Schwebekörper), andere Messverfahren (z. B. Wirbelzähler) benötigen zur Verkürzung der sonst viel zu großen Einlaufstrecken Strömungsgleichrichter (Druckverlust) zur schnelleren Harmonisierung des Strömungsprofils. Man misst deshalb möglichst integral über den gesamten Strömungsquerschnitt (Magnetisch-Induktive Durchflussmessung) gleichzeitig an mehreren geeignet ausgewählten Messpunkten (z. B. Staudrucksonden) oder über geeignete Messpfade (z. B. Ultraschalldurchflussmessung). Diese Netzmessung verkürzt die
6 Durchfluss
177
eigentlich benötigten Ein- und Auslaufstrecken und macht die Messgeräte von zufälligen Störungen des Strömungsprofils unabhängiger. Lage der Rohrleitung, Reinigen, Leerlaufen, Temperaturen, Bypassmessungen
Nicht nur die Messgenauigkeit spielt bei der Auswahl der Messstelle und der Messgeräte eine wichtige Rolle, auch Reinigung, mögliches Leerlaufen oder generell die Lage des Messrohres sollte unbedingt im Voraus mit dem Gerätehersteller besprochen werden, genauso wie Druck und Temperatur an der Messstelle (Fluid und Umgebung) und mechanische Anforderungen. Die häufig bei sehr großen Rohrnennweiten oder bei kritischen Einbauorten (z. B. hohe Temperaturen) empfohlene Bypass-Messung bedeutet immer eine Verschlechterung der Messgenauigkeit. Bei einer Bypass-Messung ist nämlich zu beachten, dass die Ungenauigkeiten bei der Aufteilung der Fluidströme in einen Hauptstrom und den kleineren Nebenstrom zusätzlich voll in die Messgenauigkeit des Messgerätes im Bypass eingehen, wobei die Aufteilung der Fluidströme in der Regel einer Wirkdruckmessung (Abschn. 6.3.1.1) entspricht. Selbst ein hochgenaues und entsprechend kostspieliges Messgerät im Bypass kann nie genauer sein als die fehlerbehaftete Aufteilung der Teilströme. Wenn möglich, sollten also immer Messgeräte ausgewählt werden, die direkt den kompletten Mengen- oder Volumenstrom messen können. 6.2.4 Messgenauigkeiten Messbereiche, Messabweichungen, Messgrößen
Unter Messbereich versteht man den zulässigen Bereich, in dem vom Hersteller ein Messergebnis innerhalb bestimmter Messabweichungen garantiert wird. Der Messbereich wird dabei in der Regel als Prozentangabe vom maximal zulässigen Durchfluss, dem Messbereichsendwert oder Nenndurchfluss angegeben. Ein Messbereich von 1:10 bei einem Nenndurchfluss von 30 m3 · h–1 bedeutet, dass der Hersteller seine Genauigkeitsgarantie auf Durchflüsse zwischen 3 m3 · h–1 und 30 m3 · h–1 beschränkt. Die Messabweichungen werden in der Regel auf den Sollwert (v. S.) bezogen (analog mit v. M. für vom Momentanwert). Es sind jedoch auch Angaben vom Endwert (v. E.) oder Kombinationen zwischen beiden Angaben möglich. Wenn bei Messgeräten keine Angaben über die Bezugsgröße der Messabweichungen gemacht werden, sollte immer vom schlechtesten Fall „v. E.“ ausgegangen werden. Bei den Messgrößen ist zwischen Volumenstrom und Massestrom zu unterscheiden. Volumenstrommessgeräte benötigen zum Erhalt des Massestroms zusätzlich Informationen über die Dichte des Fluides, womit sich i. d. R. die Messabweichungen erhöhen.
6.3 Durchflussmessverfahren Entsprechend der strömungsmechanischen Auswirkungen sollen die hier vorgestellten Durchflussmessverfahren unterteilt werden. Dies sind zuerst alle Verfah-
178
Teil B
Sensoren
ren, die direkt strömungsmechanische Effekte zur Durchflussmessung ausnutzen wie Wirkdruckverfahren, Turbinenzähler, Wirbelzähler und Dralldurchflussmesser (Abschn. 6.3.1), dann die Gruppe der direkten Volumenzähler (Abschn. 6.3.2) und schließlich die große Gruppe der Geschwindigkeitsmessungen über nicht strömungsmechanische Effekte wie Magnetisch-Induktive-Durchflussmessung, Ultraschall-Durchflussmessung, thermische Verfahren, Coriolis-Durchflussmessung, optische Laserverfahren und das eher mathematische Auswerteverfahren der Korrelationsdurchflussmessung (Abschn. 6.3.3 bis 6.3.8). Aus Platzgründen wird auf photographische Abbildungen der Messgeräte verzichtet; solche Bilder sind leicht über die Hersteller erhältlich, jedoch nicht immer die notwendigen kritischen Anmerkungen, die sich schematisch verständlicher darstellen lassen. 6.3.1 Strömungsmechanische Effekte 6.3.1.1 Wirkdruckverfahren Blenden und Düsen, Staudrucksonden, Schwebekörper
Physikalische Grundlagen Bei Blenden und Düsen (s. Abb. 6.4) handelt es sich um durchströmte und bei Staudrucksonden (s. Abb. 6.5) und Schwebekörpern (s. Abb. 6.3) um umströmte Störkörper, bei denen durch Abbremsen bzw. Beschleunigen des Fluides Bewegungsenergie in Druckenergie und umgekehrt umgewandelt wird. Kanten und Rundungen im Strömungsbereich, Lage der Druckabnahmen, Kompressibilität des Fluides, Viskosität, Strömungsprofile und vieles andere mehr beeinflussen das so erzeugte Wirkdrucksignal, so dass die in der Bernoulli-Gleichung enthaltene Konstante KBernoulli nur bedingt als Konstante betrachtet werden kann. Während die Lage der Messstrecke bei Blenden, Düsen und Staudrucksonden, welche keine bewegten Teile enthalten, für die Wirkdruckerzeugung prinzipiell beliebig ist, kann die Schwebekörperdurchflussmessung mit dem beweglichen Schwebekörper nur in senkrechten Rohrleitungen im Gravitationsfeld betrieben werden. Zusammenfassung und kritische Übersicht:
Wirkdruckverfahren sind unter extremen Bedingungen (Druck, Temperatur, Überlastbetrieb, Mediumsauswahl und Mediumsverträglichkeit) einsetzbar und durch zusätzliche Maßnahmen (z. B. durch Härten von Verschleiß gefährdeten Teilen) äußerst langzeitbeständig, nachteilig ist der immer verbleibende Druckverlust (je nach Art der Wirkdruckerzeugung sehr unterschiedlich, siehe Datenblätter der Hersteller). Fluideigenschaften: Reine Flüssigkeiten und Gase, keine Mehrphasenströmungen. Messbereich / Messgenauigkeit: Düsen und Blenden: 25–100% des Messbereichsendwertes, ±0,5 bis 1,0% v.E.
6 Durchfluss
179
Staudrucksonden: (3)10–100% des Messbereichsendwertes, (±3)±1% v.S. (nur für das als komplette Einheit kalibrierte Messrohr) Schwebekörper: 10–100% des Messbereichsendwertes, ±2% v.E. Messgrößen: Düsen, Blenden, Staudrucksonden: Gemessen wird der erzeugte Wirkdruck, der erst nach Radizierung ein Maß für die mittlere Strömungsgeschwindigkeit ist. Dazu ist eine geeignete Auswahl der Druckabnahmebohrungen und das Einhalten von entsprechenden Ein- und Auslaufstrecken erforderlich. Schwebekörper: Gemessen wird die Steighöhe des Schwebekörpers im nach oben konisch erweiterten Messrohr, i. d. R. magnetische Übertragung der Schwebekörperposition auf ein externes Messwerk. Auch hier folgt die Kraftwirkung auf den Schwebekörper einem quadratischen Zusammenhang. Betriebsbedingungen: Düsen, Blenden, Staudrucksonden: Pulsationen können speziell bei kleinen Durchflüssen Fehlmessungen verursachen, gefährden jedoch i. d. R. nicht das sehr robuste Messgerät. Abb. 6.3. Schwebekörperdurchflussmesser mit: 1 Schwebekörper (durch die Körperform viskositätsunabhängiger), 2 Messkonus, 3 Ableseskala, 4 bewegungsdämpfende Schutzanschläge, 5 Rohranschlüsse, 6 außen liegendes Schutzrohr, 7 Dichtelemente
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Abb. 6.4. Düsen, Blenden und Messrohre zur Wirkdruckerzeugung
Schwebekörper: Pulsationen stören die Ablesung und können zu Beschädigungen des Messrohres führen, die Herstellerangaben zum Geräteeinbau sind deshalb unbedingt zu beachten. Vorteile: Düsen, Blenden, Staudrucksonden: Extrem große Nennweitenpalette bei nur minimaler Preissteigerung (Auswerteelektronik nennweitenunabhängig). Düsen, Blenden: Wirkdruckgeber nach DIN EN ISO 5167 sind ab Rohrnennweite 50 berechenbar und ohne Kalibrierungsmessung einsetzbar. Bei entsprechender Kalibrierung sind diese Verfahren auch für Kleinstdurchflüsse geeignet. Staudrucksonden: Messrohre mit Staudrucksonden als komplette Einheit sind bei Genauigkeitsangaben auf den jeweiligen Momentanwert im eichpflichtigen Verkehr als Durchflussmessteile von Wärmezählern zugelassen (Dynamikbereich 1:30), kleinste Nennweite DN 15, geringe Druckverluste.
Abb. 6.5. a Prandlsches Staurohr und b IWK-Sechskant-Staudrucksonden. Letztere bieten große Dynamikbereiche und die Möglichkeit wechselnder Durchflussrichtungen
6 Durchfluss
181
Schwebekörper: Aufgrund des Messrohraufbaus relativ unabhängig von Ein- und Auslaufstrecken und trotz des beweglichen Schwebekörpers ein recht robustes Messverfahren, auch ohne zusätzliche Hilfsenergie ist eine rein optische Anzeige zur Prozesskontrolle möglich. Einschränkungen und spezielle Merkmale: Alle Wirkdruckmessverfahren sind viskositätsabhängig, speziell bei kleinen Nennweiten können mechanische Veränderungen der Messstelle den Messwert stark beeinflussen. Düsen, Blenden: Je nach Art der Drosselstelle (Blende 35% - 90%, Düse 6% - 25% des erzeugten Wirkdruckes) recht hoher verbleibender Druckverlust. Die erforderlichen Einlaufstrecken sind relativ groß, die durchaus mögliche Blendenmessung unter DN 50 kann aufgrund von Profilveränderungen an der Blendenkante durch Verschleiß sehr ungenau werden. Staudrucksonden: Kein berechenbares Verfahren, die großen Genauigkeiten werden durch Kalibrierung des Gesamtmessrohres erreicht. Schwebekörper: Messung nur in senkrechter Rohrleitung möglich, Messabweichungen i. d. R. meist auf das Skalenende bezogen, abhängig von Temperatur und Druck (Dichte) und trotz besonderer Schwebekörperformen abhängig von der Viskosität des Fluides. Durch neuere, elektronische Zusatzeinrichtungen können diese Störeinflüsse und Messabweichungen teilweise kompensiert werden. 6.3.1.2 Turbinenzähler Physikalische Grundlagen
Bei den Turbinenzählern handelt es sich um direkte Kraftübertragung auf rotationssymmetrisch angebrachte ebene Flächen bzw. Profile. Man spricht dabei von einem Flügelradzähler, wenn die Kraftwirkung des Fluides senkrecht auf die Flächen des Flügelrades trifft, bzw. von einem Woltmannzähler, wenn das Turbinenrad axial angeströmt wird (die Flächen des Turbinenrades sind dabei schräg in Strömungsrichtung angestellt, in einigen Fällen sogar profiliert). Abb. 6.6. Turbinenradzähler mit Schmutzfänger und Strömungsgleichrichter im Einlauf (Strömung von links nach rechts). Die Anzahl der Umdrehungen wird hier magnetisch übertragen
182
Teil B
Sensoren
Zusammenfassung und kritische Übersicht:
Fluideigenschaften: Je nach Bauart geeignet für reine Flüssigkeiten (Flügelradzähler, Woltmannzähler) oder Gase (Woltmannzähler), die ebenfalls möglichst sauber sein sollten. Typischer Messbereich / Messgenauigkeit: 10–100% des Messbereichsendwertes, ±0,2 bis 1% v.S. (gilt für Woltmannzähler) Messgrößen: Gemessen wird die Umdrehungszahl (Rotationsfrequenz), Übertragung der Rotation mechanisch, optisch, magnetisch u. a. mehr. Betriebsbedingungen: Möglichst saubere Fluide, deshalb sind i. d. R. Reinigungsfilter vorzusehen, möglichst spannungs- und schwingungsfreie Montage, um mechanische Störeinflüsse zu vermeiden. Pulsationen und Druckschwankungen können Messfehler verursachen. Vorteile: Woltmannzähler sind unter den geforderten Anlagebedingungen hoch genau und langzeitstabil und werden deshalb auch zur Abrechnung großer Mengen teuerer Industriegase und Verbrauchsgase (z. B. Erdgas) eingesetzt. Einschränkende und spezielle Merkmale: Turbinenradzähler sind Messverfahren mit beweglichen Teilen in der Strömung und damit extrem empfindlich gegenüber Verschmutzungen. Ein Schmutzfilter sollte also immer vorgeschaltet werden. Schnelle Geschwindigkeitswechsel können aufgrund der Massenträgheit nur bei ganz leichten (kleinen) Rotoren erfasst werden. Weiter besteht die Gefahr, dass aufgrund von Lagerreibung und Massenträgheit der Rotoren Schleichmengen nicht erfasst werden. Überlast schädigt Turbinenradzähler, die möglichst nie mit Volllast, starker Wechselbelastung bzw. mit Schleichmengen gefahren werden sollten. Weiter ist zu beachten, dass unterschiedliche Strömungsprofile unterschiedliche Drehmomente auf die angeströmten Flächen erzeugen. 6.3.1.3 Wirbelzähler Physikalische Grundlagen
Im Nachlauf jedes umströmten Körpers lassen sich bei genügend großen Reynoldszahlen Wirbelablösungen beobachten (Kármánsche Wirbelstraße, z. B. das Flattern einer Fahne im Wind). Die Frequenz der Wirbelablösung ist dabei ein Maß für die Fliessgeschwindigkeit, die geforderte Proportionalität zwischen Geschwindigkeit und Wirbelablösefrequenz wird nur unter sehr strengen Bedingungen erfüllt und ist abhängig von der Reynoldszahl und der Form des Wirbel auslösenden Störkörpers (unterschiedliche Störkörper sind dabei häufig nur Patentumgehungen). Zum Nachweis der Wirbel werden neben Differenzdrucksensoren und Schwingungssensoren vor allem thermische Sensoren und Ultraschallsensoren einge-
6 Durchfluss
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Abb. 6.7. a Wirbelzähler in Flanschbauweise, b Karmansche Wirbelstrasse hinter einem Störkörper
setzt. Speziell bei den Schwingungssensoren besteht die Gefahr, dass externe, Anlagen bedingte Schwingungen die Wirbelerkennung beeinflussen. Zusammenfassung und kritische Übersicht:
Fluideigenschaften: Flüssigkeiten und Gase, jedoch keine hochviskosen Fluide. Typischer Messbereich / Messgenauigkeit: 2,5–100% des Messbereichsendwertes für Flüssigkeiten, 7–100% des Messbereichsendwertes für Gase, ±1% v.S. bei Reynoldszahlen über 20000. Messgrößen: Gemessen wird die Ablösefrequenz der Wirbel an einem Störkörper (bzw. die Wirbelzahl pro Zeit), entscheidend für die Funktion des Wirbelzählers ist deshalb nicht nur die Wirbelerzeugung, sondern auch die sichere und eindeutige Wirbelerkennung. Betriebsbedingungen: Schwingungen des Messrohres und Pulsationen sind unbedingt zu vermeiden, um die Wirbelerkennung nicht zu beeinflussen bzw. die Wirbelablösung nicht zu stören. Vorteile: Wirbelzähler sind Durchflussmessgeräte mit hoher Genauigkeit und hoher Langzeitstabilität. Einschränkende und spezielle Merkmale: Zur stabilen Wirbelablösung sind i. d. R. hohe Reynoldszahlen erforderlich. Wirbelzähler sind deshalb für kleine Durchflussgeschwindigkeiten nicht geeignet und produzieren relativ hohe verbleibende Druckverluste. Weiter sind für die geforderte, voll ausgebildete, symmetrische Strömung große Ein- und Auslaufstrecken und ggf. Strömungsgleichrichter vorgeschrieben.
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Teil B
Sensoren
6.3.1.4 Dralldurchflussmesser Physikalische Grundlagen
Bei sich verengenden oder erweiternden Rohren bilden sich bei genügend großen Öffnungswinkeln zur Rohrachse rotationssymmetrische Wirbel. Dieser bei anderen Messverfahren störende Effekt wird beim Dralldurchflussmesser gezielt zur Messwerterfassung genutzt. Das zu messende Fluid passiert einen feststehenden Eintrittsleitkörper, an dem ein Primärwirbel erzeugt wird, der solange in der Rohrmitte verbleibt, bis der sich konisch erweiternde Auslauf des Messrohres diesen Primärwirbel in einer Sekundärzirkulation nach außen zwingt. Ein Sensor erfasst dabei die Rotationsfrequenz der Sekundärrotation, die ein Maß für die Durchflussgeschwindigkeit ist. Ein Strömungsgleichrichter im Auslauf des Messrohres sorgt für eine Entkopplung des Messrohres und für die Verminderung zu hoher bleibender Druckverluste. Zusammenfassung und kritische Übersicht:
Fluideigenschaften: Flüssigkeiten und Gase, jedoch nicht für Mehrphasenmessstoffe und hochviskose Fluide. Messbereich / Messgenauigkeit: 15–100% des Messbereichsendwertes, ±0,5 bis 1% v.S. Messgrößen: Gemessen wird die Rotationsfrequenz eines im Messrohrauslauf erzeugten Wirbels, meistens über thermische oder Schwingungssensoren. Betriebsbedingungen: Schwingungen des Messrohres und Pulsationen der Strömung sind unbedingt zu vermeiden, um die Wirbelerzeugung und Erkennung nicht zu beeinflussen. Vorteile: Dralldurchflussmesser benötigen aufgrund der starken Eingriffe in die Rohrströmung am Ein- und Auslauf des Messrohres nur relativ kleine Einlaufstrecken. Keine bewegten Bauteile in der Strömung.
Abb. 6.8. Dralldurchflussmesser. Am Eintrittsleitkörper 1 wird der Primärwirbel VT1 erzeugt. Dieser Wirbelkern 6 wird beim sich erweiternden Auslauf 4 nach außen abgelenkt (5). Diese Sekundärzirkulation VT2 wird beim Sensor 3 als Maß für die Strömungsgeschwindigkeit ausgewertet (Rohrwand 2)
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Einschränkende und spezielle Merkmale: Durch die starken Eingriffe in die Strömung können die bleibenden Druckverluste sehr hoch sein. In diesen Fällen ist zur Vermeidung von Kavitation für entsprechenden Gegendruck im Auslauf zu sorgen. 6.3.2 Volumenzähler Physikalische Grundlagen
In der Gruppe der Volumenzähler werden hier nur die Messgeräte zusammengefasst, die Volumenteile mechanisch unterteilen und durch Zählung dieser Volumenteile pro Zeit zum Volumendurchfluss gelangen. Verdrängerzähler arbeiten mit beweglichen Messkammern und haben deshalb an den Messkammergrenzen Dichtungsprobleme, gleiches gilt für Ovalradzähler, welche wie auch alle Verdrängerzähler aufgrund der Spaltverluste negative Messabweichungen bei niedrigen Viskositäten zeigen. Bei Hubkolbenzählern wird der Zu- und Ablauf der Flüssigkeit über die Bewegung zwangsgesteuerter Kolben bestimmt. Für Gase finden ähnliche Verdrängerzähler Anwendung. Dazu gehören GasTrommelzähler, der Drehkolben-Gaszähler und der Balgen-Gaszähler, ein absoluter Langzeitklassiker für die Verbrauchsgasmessung in Haushalten. Zusammenfassung und kritische Übersicht:
Fluideigenschaften: Je nach Bauart geeignet für reine Flüssigkeiten oder Gase, die keine Verschmutzungen enthalten dürfen. Messbereich / Messgenauigkeit: Ovalradzähler: (5) 10–100% des Messbereichsendwertes, ±0,5% v.S. bei nicht zu niederviskosen Flüssigkeiten Balgen-Gaszähler: 0,6–100% des Messbereichsendwertes, ±2 bis 3% v.S. Drehkolben-Gaszähler: (2) 5–100% des Messbereichsendwertes, ±1 bis 2% v.S. Messgrößen: Gemessen werden eingeschlossene Teilvolumina, die über mechanische Bewegungen erfasst werden.
Abb. 6.9. Ovalradzähler trennen mechanisch die Ein- und Auslaufvolumen. Zu geringe Viskositäten führen jedoch zu Spaltverlusten. Für hohe Viskositäten werden Sonderverzahnungen (rechts unten) an den Ovalrädern angeboten (Strömung von links nach rechts)
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Teil B
Sensoren
Betriebsbedingungen: Nur saubere Fluide, deshalb sind Reinigungsfilter vorzusehen. Möglichst spannungs- und schwingungsfreie Montage, um mechanische Störeinflüsse zu vermeiden. Ebenfalls sollten Pulsationen und Druckschwankungen vermieden werden. Vorteile: Aufgrund der mechanischen Volumenmessung i. d. R. keine Störeinflüsse über die Strömungsprofile. Ovalradzähler werden aufgrund ihrer Genauigkeit und Standfestigkeit im eichamtlichen Verkehr eingesetzt. Einschränkende und spezielle Merkmale: Verdrängerzähler sind als Volumenzähler mit beweglichen Kammern extrem empfindlich gegenüber Verschmutzungen. Ein Schmutzfilter ist stets erforderlich. Die Zerteilung des Volumenstromes kann bei bestimmten Prozessen störend sein. 6.3.3 Magnetisch-induktive Durchflussmesser (MID) Physikalische Grundlagen
Bewegen sich elektrische Ladungen in einem Magnetfeld, so werden zur Geschwindigkeit proportionale Spannungen erzeugt. Zur Erzeugung dieses Effektes müssen Fluide eine elektrische Mindestleitfähigkeit besitzen und die Rohrinnenauskleidungen müssen elektrisch isolierend ausgekleidet sein. Die magnetisch-induktive Durchflussmessung hat sich heute zu einem Standardverfahren der industriellen Messtechnik entwickelt und wird zusätzlich bei Vergleichsmessungen (auch im eichamtlichen Bereich) eingesetzt. Als Magnetfeld dient dabei ein Wechselmagnetfeld, um Polarisationen an den Messelektroden zu vermeiden. Zusammenfassung und kritische Übersicht:
Fluideigenschaften: Nur elektrisch leitfähige Flüssigkeiten (derzeitiges Minimum: 5µS/cm), keine Gase. Da sich im Messrohr keine störenden Einbauten beAbb. 6.10. Magnetisch-induktive Durchflussmesser MID benötigen in einem Magnetfeld B bewegte elektrische Ladungen. Die induzierte Spannung Ui ist ein Maß für die Fließgeschwindigkeit u.
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finden, können auch Schlämme aus Kläranlagen, Breie, Suspensionen u. ä. gemessenen werden. Die Geschwindigkeitsmessung (durch Multiplikation mit dem Querschnitt dann als Volumenstrom) ist unabhängig von der Dichte, dem Druck, der Temperatur oder der Viskosität des Messstoffes. Messbereich / Messgenauigkeit: 1–100% des Messbereichsendwertes, ±0,2 bis 1% v.S. Messgrößen: Spannungen im mV-Bereich und niedriger, die den einzelnen Strömungsgeschwindigkeiten proportional sind. Betriebsbedingungen: Das Messrohr, die Messrohrinnenauskleidung und die Elektroden müssen dem Messstoff, der Mediumstemperatur und eventuellen aggressiven Eigenschaften des Messstoffes standhalten und dürfen nicht zu Ablagerungen neigen, insbesondere dürfen sich keine elektrisch leitenden Ablagerungen bilden. Vorteile: Die Geschwindigkeitsmessung selbst ist extrem linear, so dass sich sehr große Messspannen erreichen lassen. Extrem große Nennweitenpalette, jedoch mit der Nennweitengröße überproportional steigende Herstellkosten (Magnetfelderzeugung). Einschränkende und spezielle Merkmale: Zu kleine elektrische Leitfähigkeiten bzw. für die den Messstoff berührenden Elektroden zu aggressive Fluide, zu große Rohrinnendurchmesser, um ein genügend homogenes Magnetfeld zu erzeugen. Weiter sind magnetisch-induktive Durchflussmesser für alle Fluide, die einen leitenden Rückstand auf der Rohrinnenwand des Messrohres hinterlassen, nicht geeignet. Problemlösungen: Kapazitiver Spannungsabgriff: Bei sehr kleinen elektrischen Leitfähigkeiten bzw. bei aggressiven Fluiden kann die Messspannung kapazitiv abgegriffen werden, wobei die Elektroden vollständig hinter der nicht leitenden Rohrinnenauskleidung angebracht sind. Die Messgenauigkeit ist dann i. d. R. verringert. 6.3.4 Akustische Messverfahren Ultraschall-Durchflussmessung Physikalische Grundlagen
Schallsignale breiten sich in Flüssigkeiten und Gasen in Abhängigkeit von der Stoffart, der Dichte (Druck, Temperatur) und – geringfügig – von der Frequenz mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus. Wird dieser Schallausbreitung die Bewegung des fließenden Fluides überlagert, so kann man aus den unterschiedlichen Laufzeiten des Schallsignals mit und entgegen der Bewegungsrichtung des Fluides die mittlere Geschwindigkeit über die gewählten Messpfade und sogar
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Teil B
Sensoren Abb. 6.11. Ultraschall-Durchflussmessung nach dem Laufzeitverfahren. Hierbei kann gleichzeitig auch die Fluidsorte bestimmt werden
die jeweils aktuelle Schallgeschwindigkeit messen, womit dann auch eine Bestimmung der Fluidsorten möglich wird. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Schallsignale auf ein in der Strömung mitbewegtes Teilchen zu senden und die Frequenzverschiebung (Dopplereffekt) der zurückgestreuten Schallsignale zu messen. Zusammenfassung und kritische Übersicht
Fluideigenschaften: Flüssigkeiten, neuerdings auch bei Gasen einsetzbar. Die Fluide sollten frei von größeren Störkörpern sein (bei Flüssigkeiten z. B. frei von größeren Gasblasen), da dies zur Signalunterbrechung im Messpfad führen kann. Für das Dopplerverfahren sind kleine mitgeführte Streukörper erforderlich. Messbereich/Messgenauigkeit: Laufzeitverfahren: 5–100% des Messbereichsendwertes, ±0,5% v.E. zusätzlich ±0,5% v.S. Dopplerverfahren: Schlechter als beim Laufzeitverfahren. Hersteller empfehlen Voruntersuchungen, um die Funktionstüchtigkeit und die Genauigkeit zu erproben. Messgrößen: Gemessen werden geschwindigkeitsabhängige Zeitsignale über einen oder mehrere Messpfade. Für die Bestimmung der mittleren Geschwindigkeit über einen Rohrquerschnitt sind entsprechend ausgebildete Strömungsprofile erforderlich. Betriebsbedingungen: Schall schluckende bzw. reflektierende Ablagerungen an den Sensoren sind zu vermeiden, die Temperaturbeständigkeit der Schallsensoren ist zu kontrollieren. Vorteile: Keine Einbauten in der Rohrleitung, dadurch keine zusätzlichen Druckverluste, große Nennweitenpalette. Bei geeigneter Wahl der Messpfade auch Messungen über mehrere Meter Distanz z. B. an offenen Gewässern kostengünstig
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möglich, auch bei im Prozess leer laufenden Rohrleitungen oder Kanälen kann gemessen werden. Einschränkende und spezielle Merkmale: Beimengungen im Fluid (Feststoffe, Gasblasen) können die Messung zum Ausfall bringen. Beschränkung der Nennweitenpalette nach unten, da durch zu kurze Messpfade die Laufzeitmessung nicht mehr mit der erforderlichen Genauigkeit erfolgen kann. Bei Dopplerverfahren besteht die Schwierigkeit, den Ort des Streuteilchens im Strömungsprofil exakt zu bestimmen. Problemlösungen: Clamp-On-Verfahren: Mit verminderter Messgenauigkeit werden Geräte angeboten, bei denen die Ultraschallsensoren außen auf die Rohrleitung aufgeklemmt werden können. Vorteil dieses Verfahrens ist es, nachträglich von außen messen zu können, ohne in die Rohrleitung eingreifen zu müssen. Schwierigkeiten ergeben sich dabei jedoch bei der Ein- und Auskopplung des Ultraschallsignals und durch die Unbestimmtheit der Rohrinnengeometrien. Laufzeitverfahren bei kleinen Nennweiten: Bei kleinen Nennweiten werden Geräte mit Mehrfachreflexion an den Rohrwänden zur Vergrößerung der Messpfade angeboten, teilweise sogar mit über den ganzen Querschnitt durchschallten Messstrecken, wodurch gleichzeitig auf zusätzliche Ein- und Auslaufstrecken verzichtet werden kann, jedoch höhere Druckverluste erzeugt werden. 6.3.5 Thermische Messverfahren Physikalische Grundlagen
Es sind zwei verschiedene physikalische Verfahren von Bedeutung, einmal die thermische Markierung von Fluiden (eher als Laborgerät), zum anderen die Temperaturveränderung bzw. der Wärmeentzug einer über Mediumstemperatur aufgeheizten Messsonde, das Hitzdraht-Anemometer (letzteres wird auch als Sensor zur Wirbelerkennung eingesetzt).
Abb. 6.12. Schematische Darstellung eines Hitzdraht-Anemometers. Zur schnellen Messwertgewinnung wird nicht die Temperaturänderung, sondern die elektrische Leistung gemessen, welche zum Konstanthalten der Temperatur erforderlich ist
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Bei der Hitzdraht-Anenometrie handelt es sich um eine punktuelle Geschwindigkeitsmessung, bei der die geschwindigkeitsabhängige Wärmeabgabe eines beheizten Sensors an ein vorbeifließendes, kälteres Fluid zur Bestimmung der mittleren Strömungsgeschwindigkeit genutzt wird. Gemessen wird dabei i. d. R. nicht die Veränderung der Sensortemperatur, sondern der benötigte Heizstrom, um den Sensor bei konstanter Temperatur zu halten und so die thermischen Trägheiten der Messsonden auszuschalten. Während die meisten in der Industrie eingesetzten Verfahren turbulente Strömungen forderten, kann dieses Messverfahren sowohl im laminaren und turbulenten Bereich als auch im Übergangsbereich dazwischen messen. Wegen des masseabhängigen Wärmeentzugs handelt es sich um ein direktes Massedurchflussmessgerät. Zusammenfassung und kritische Übersicht
Fluideigenschaften: Flüssigkeiten und Gase, jedoch hauptsächlich in Gasen eingesetzt. Generell dürfen die Fluide weder abrasiv sein noch zu Ablagerungen an den Sonden führen. Die Fluidhöchsttemperaturen sind durch die Maximaltemperaturen der Sensoren bestimmt. Messbereich/Messgenauigkeit: (2) 3–100% des Messbereichsendwertes, (±2) ±1% v.S. Messgrößen: Wärmeverlust durch das fließende Medium. Betriebsbedingungen: Temperaturbegrenzung durch das Messverfahren. Bei kritischen Fluiden sollte immer eine einfache Möglichkeit zum Kalibrieren der Sensoren bestehen. Vorteile: Die physikalisch von anderen Verfahren abweichende Methode ist unabhängig von vielen mechanischen Störquellen. Das Messsystem kann bei geeigneter Kalibrierung sowohl in laminaren als auch in turbulenten Strömungen und in deren Übergangsgebiet eingesetzt werden. Einschränkende und spezielle Merkmale: Zu hohe Fluidtemperaturen, aggressive, abrasive Fluide bzw. Fluide, die zu Ablagerungen neigen. In solchen Einsatzfällen ist regelmäßiges Nachkalibrieren unbedingt zu empfehlen. Nicht vollausgebildete Strömungsprofile können zu eingeschränkten Genauigkeiten führen (punktuelle Geschwindigkeitsmessung). 6.3.6 Coriolis-Kraft-Durchflussmesser Bei vielen Messaufgaben ist die eigentlich benötigte Messgröße die Masse bzw. der Massenstrom. Die meisten der hier vorgestellten Messverfahren liefern jedoch nur den Volumenstrom bzw. Messgrößen zwischen Massen- und Volumenstrom (Wirkdruckverfahren) und benötigen deshalb zur Ermittlung des Massenstroms zusätzliche Messsensoren für Temperatur, Druck oder Dichte. Zwangsläufig damit
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verbunden ist eine Vergrößerung der Messabweichungen aufgrund der Einzelabweichungen der zusätzlichen Sensoren, weiter eine Verringerung der Betriebssicherheit und eine Erhöhung der Kosten. Coriolis-Kraft-Durchflussmesser oder kürzer Coriolis-Durchflussmesser messen direkt den Massenstrom, liefern als Nebenprodukt die Dichte des Fluides und sind bei Fluiden einsetzbar, bei denen andere Messverfahren versagen bzw. nicht eingesetzt werden können. Physikalische Grundlagen
Der Messeffekt der Coriolis-Durchflussmesser beruht auf dem Trägheitsverhalten einzelner Masseteilchen, die sich in einem rotierenden Bezugssystem nach außen bewegen. Sie besitzen zwar die gleiche Winkelgeschwindigkeit, jedoch je nach ihrem Abstand vom Drehzentrum unterschiedliche Umfangsgeschwindigkeiten. Bewegen sich diese Masseteilchen zwangsgeführt nach außen, so ist das dabei erzeugte „bremsende“ Drehmoment ein Maß für den Massestrom. Coriolis-Kraft-Durchflussmessung für Schüttgüter (Rotierende Bezugssysteme)
Bei der Massestrommessung von Schüttgütern (i. d. R. Luft als Transportmedium) wird der Messstoff in der Mitte eines rotierenden Messrades zugeführt und innerhalb radial angeordneter Ausgangskanäle zwangsgeführt nach außen transportiert. Die dabei entstehenden Coriolis-Kräfte sind als verändertes Antriebsdrehmoment das Maß für den Massedurchfluss. Zusammenfassung und kritische Übersicht
Fluideigenschaften: Messung von rieselfähigen bzw. pneumatisch förderbaren Schüttgütern.
Abb. 6.13. Coriolis-Kraft-Durchflussmessung für Schüttgüter. Durch die Rotation legen sich die Schüttgutteilchen einseitig an eine Wandseite an. Die Kraftwirkung ist ein Maß für den Massendurchfluss
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Sensoren
Messbereich/Messgenauigkeit: 10–100% des Messbereichsendwertes, ±1% v.S. Messgrößen: Drehmoment zur Bestimmung des Massendurchflusses. Betriebsbedingungen: Druckluft ist als zusätzliche Hilfsenergie unbedingt erforderlich, um bei möglichst kleinen Lagerreibungswerten (Luftlager) das durch die Coriolis-Kraft entstehende Drehmoment auswerten zu können. Der durch die Druckluft erzeugte Überdruck dient gleichzeitig zur Reinhaltung des Messgetriebes. Einschränkende und spezielle Merkmale: Abrasive, verklebende Schüttgüter können das Messergebnis verfälschen, weiter ist eine Schwingungsentkopplung der Messanlage (Zuleitung, Ableitung und Standfläche) von der Gesamtanlage erforderlich. Coriolis-Kraft-Durchflussmessung für Flüssigkeiten und Gase (Schwingende Bezugssysteme)
Für die Coriolis-Kraft-Durchflussmessung in Rohrleitungen verwendet man i. d. R. keine rotierenden Leitungssysteme, sondern hin- und herschwingende Rohrstücke und bestimmt die dabei wechselnd entstehenden Kraftwirkungen. Je nach Anwendungsfall und Hersteller verwendet man beginnend von einem U-Rohr ähnlichen Rohrstücken komplexe Rohrschleifen oder vollkommen geradlinige Rohrstücke. Nebeneffekt: Dichtemessung
Da die dabei eingesetzten schwingenden Systeme in Eigenresonanz arbeiten und sich die Gesamtmasse des schwingenden Systems aus der (bekannten) Rohrmasse und der unbekannten Fluidmasse zusammensetzt, lässt sich aus der geänderten Resonanzfrequenz die Gesamtmasse und damit die Dichte des Fluides bestimmen. Zusammenfassung und kritische Übersicht
Fluideigenschaften: Flüssigkeiten und Gase bei höheren Drücken (> 5 bar) – sogar Breie und ähnlich hochviskose Fluide, homogene Mehrphasengemische (auch Abb. 6.14. Coriolis-Kraft-Durchflussmessung für Fluide. Der schwingende Rohrbogen beschreibt jeweils einen kleinen Kreisausschnitt. Die Coriolis-Kräfte verdrehen das in Resonanz schwingende Rohrstück
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mit Feststoffen), solange es nicht zu Entmischungen kommt, d. h. die mitgeführten Feststoffe ohne Schlupf den Rohrschwingungen folgen. Da es sich dabei um ein schwingendes System handelt, sind die Messrohrmaterialien sorgfältig in Abhängigkeit von der Fluidsorte (Korrosion) und der Fluidtemperatur auszuwählen. Von den meisten Herstellern wird dazu ein entsprechend großes Sortiment angeboten. Messbereich/Messgenauigkeit: 10–100% des Messbereichsendwertes, ±0,2 bis 0,3 v.S. Messgrößen: Massendurchfluss, als Nebenprodukt die Dichte sowie zur Korrektur von Materialeinflüssen die Temperatur des Fluides. Betriebsbedingungen: Messrohr und externe Rohrleitungen müssen voneinander schwingungsentkoppelt sein. Druckschwankungen sind zu vermeiden, da Druckschwankungen die Größe und die Steifigkeit des schwingenden Systems beeinflussen können. Einschränkende und spezielle Merkmale: Relativ hohe bleibende Druckverluste. Zur Schwingungsentkopplung bzw. zur Erhöhung des Messeffektes wird der Messstrom bei einigen Herstellern in zwei gleiche im Gegentakt schwingende Rohrstränge aufgeteilt oder nach Einzug durch verengte und komplex geformte Rohrschleifen geleitet, was je nach Viskosität des Fluides zu weiteren Druckverlusten führen kann (Kavitationsgefahr). 6.3.7 Laser-Doppler-Anemometer, Laser-Interferenz-Anemometer Physikalische Grundlagen
Laser-Doppler-Anemometer bzw. Laser-Interferenz-Anemometer sind zwei verschiedene Begriffe für ein und dasselbe Messgerät, das aufgrund der Kosten hauptsächlich als Kalibriermessgerät oder zur Untersuchung spezieller Strömungserscheinungen im Produktionsprozess dient. Gemessen wird die Geschwindigkeit von schlupffrei mitgeführten Partikeln (Tracer, < 1µm), an denen das Laserlicht gestreut werden kann. Wichtigste Voraussetzung dafür ist die optische Transparenz des Fluides. Beim Laser-Doppler-Anemometer werden durch Streuung an bewegten Teilchen frequenzverschobene Lichtsignale mit dem unveränderten Signal verglichen, Abb. 6.15. Laser-Interferometer in Vorwärtsrichtung. Durch Überlagerung kohärenter Lichtwellenzüge entsteht im Raum ein dreidimensionales Interferenzstreifenmuster. Die „Blinkfrequenz“ ist ein Maß für die Streuteilchengeschwindigkeit
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Sensoren
beim Laser-Interferenz-Anemometer bewegen sich die Partikel durch ein 3-dimensionales Interferenzstreifenfeld der Laserstrahlung und werden dabei entsprechend „beleuchtet”. Die Dopplerverschiebung bzw. die Blinkfrequenz ist dabei das Maß für die Partikelgeschwindigkeiten. Zusammenfassung und kritische Übersicht
Fluideigenschaften: Optisch transparente Flüssigkeiten und Gase, die genügend kleine Streupartikel für das eingestrahlte Laserlicht besitzen, Streupartikel sind i. d. R. immer vorhanden oder können ggf. leicht zugefügt werden. Messbereich / Messgenauigkeit: Hochgenaue punktuelle Messung, geeignet für kleinste und höchste Geschwindigkeiten. Messgrößen: Äußerst genaue und äußerst schnelle punktuelle Geschwindigkeitsmessung. Betriebsbedingungen: Die Rohrwand muss transparente Fenster aufweisen, durch welche die Messung erfolgen kann. Vorteile: Die Messung erfolgt berührungsfrei ohne die geringste störende Wechselwirkung mit der zu untersuchenden Strömung. Es gehen in die Messung nur geometrische und optische Größen ein. Das Verfahren misst extrem exakt und schnell die punktuellen Geschwindigkeitsvektoren und kann entsprechend zur Überprüfung anderer Durchflussmessverfahren herangezogen werden (bzgl. Genauigkeit oder zur Untersuchung der Strömungsgrenzschichten bis hin zur Geschwindigkeitsmessung in Verbrennungsmotoren oder Reaktionsfronten). Einschränkende und spezielle Merkmale: Für das Laserlicht nicht transparente Fluide, kein Durchflussmessgerät für den normalen Betrieb, erfordert Spezialkenntnisse. 6.3.8 Korrelationsdurchflussmessung Physikalische Grundlagen
Die Korrelationsdurchflussmessung ist aufgrund der verwendeten Messmethode in vielen Fällen einsetzbar, wo andere Messverfahren versagen wie z. B. bei Mehrphasenströmungen. Sie gehört von der Grundidee her sicherlich zu den einfachsten Auswertemethoden, war aber als numerisches Auswerteverfahren lange Zeit aufgrund der unbefriedigenden zeitlichen Rechnerleistungen, der zu hohen EDVKosten und der Unhandlichkeit der verwendeten Rechner kaum in Einsatz. Dies hat sich geändert, so dass sich für die Korrelationsdurchflussmessung in der Prozesstechnik immer mehr Einsatzfälle anbieten. Benötigt werden für dieses Verfahren lediglich zwei Sensoren mit festem Abstand voneinander, die mitgeführte Strömungsinhomogenitäten erkennen sowie eine Auswerteelektronik, welche anhand des Abstands der Sensoren und der Zeit-
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Abb. 6.16. Korrelationsmessverfahren. Anhand der benötigten Zeitverschiebung zur optimalen Übereinstimmung der Messsignale wird die Fließgeschwindigkeit des Fluides bestimmt
differenz für deren Passieren die mittlere Strömungsgeschwindigkeit und damit anhand des Strömungsquerschnittes den Durchfluss errechnet. Künstliche Markierungen werden dabei i. d. R. nicht benötigt, sondern man geht von zufälligen, inhomogenen Strömungseigenschaften aus, die beim ersten Sensor erkannt werden, sich auf dem Weg zum zweiten Sensor verändern, aber noch immer Ähnlichkeit genug zum Erstsignal besitzen, um als das ursprüngliche Signal wieder erkannt zu werden. Aufgabe der Auswerteelektronik ist es dann, diese beiden Signale zu korrelieren, d. h. durch Vergleich der Signale die Laufzeit zu ermitteln. Ein Korrelationsdurchflussmessgerät besteht deshalb aus einem gezielt ausgewählten Sensorenpaar, der Auswerteelektronik und dem Korrelator. Korrelationsrechner sind heute kein Problem mehr. Für den Anwender ist es entscheidend, die Sensoren spezifisch in Hinblick auf das Fluid und die darin zu detektierenden Inhomogenitäten auszuwählen (z. B. optische Sensoren wie z. B. Lichtschranken oder Videokameras), Ultraschallsensoren (Absorption eines durchstrahlten Signals), kapazitive, thermische, akustische (Mikrophone), elektrostatische (speziell in Gasen) Sensoren u.v.a.). Zusammenfassung und kritische Übersicht
Fluideigenschaften: Flüssigkeiten, Gase und ganz besonders Mehrphasenströmungen, da hier die benötigten Inhomogenitäten direkt mitgeliefert werden. Messbereich/Messgenauigkeit: Abhängig von der Aufgabenstellung. Messgrößen: Messung der Transportgeschwindigkeit irgendeiner im Fluid enthaltenen Inhomogenität, die sich hoffentlich mit der mittleren Strömungsgeschwindigkeit mitbewegt.
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Betriebsbedingungen: Es müssen an den Messstellen messbare Inhomogenitäten vorhanden sein, die innerhalb der beiden Messstellen korrelierbar bleiben. Der Leitungsquerschnitt an der Messstrecke muss bekannt sein. Vorteile: Einsetzbar dort, wo andere Verfahren versagen, insbesondere bei Mehrphasenströmung. Hohe Flexibilität bzgl. der Messstellen und Messstoffe. Entscheidend ist die geeignete Wahl der Sensoren. Das Verfahren kann als ClampOn-Messverfahren eingesetzt werden, Eingriffe in die Anlage sind dann nachträglich nicht notwendig. Einschränkende und spezielle Merkmale: Manchmal sehr stark eingeschränkte Genauigkeit. Aufgrund der rechnerischen Auswertung im Korrelator immer langsamer als direkt anzeigende Messverfahren.
6.4 Zusammenfassung In den vorausgegangenen Abschnitten wurde versucht, neben den Erläuterungen zu den einzelnen Verfahren eine nach dem heutigen Stand der Technik gültige Einsatzbewertung der vorgestellten Durchflussmessverfahren zu geben. Ein gefährliches Unterfangen, da es nun einmal gerade Ziel der Entwicklungsingenieure ist, kritische Eigenschaften von Messgeräten zu beseitigen, gleichzeitig aber auch, weil eine derartige verkürzte Darstellung nie allen auf dem Markt befindlichen Geräten gerecht werden kann. Es wird deshalb auch auf die von vielen Herstellern angebotenen guten, Computer unterstützten Auswahlverfahren verwiesen, und dies trotz der bedauerlichen Erkenntnis, dass einige dieser Programme zu sehr in die eigenen Produkte verliebt zu sein scheinen.
Literatur 6.1 6.2 6.3 6.4
Baehr H (1996) Thermodynamik, Springer-Verlag Berlin Heidelberg Elsner N (1992) Technische Thermodynamik, Akademie Verlag Berlin Fehler D (1999) Durchflussmessung. In: Gundelach V, Litz L (Hrsg.) Moderne Prozessmesstechnik – Ein Kompendium. Springer, Berlin Heidelberg Fehler D et al. (2003), Durchfluss- und Mengenmessung in Rohrleitungen, VDIWissensforum
Teil C Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik 1
Fertigungsmesstechnik
199
2
Methoden der zerstörungsfreien Prüfung
363
1 Fertigungsmesstechnik Rainer Tutsch
Die Messtechnik gilt im industriellen Produktionsprozess zwar als nicht direkt wertschöpfend, fehlende oder falsch angewandte Messtechnik kann jedoch in hohem Maße wertvernichtend sein.
1.1 Einleitung Die Aufgabe der Fertigungsmesstechnik besteht in der Bereitstellung von Messund Prüfverfahren zur Sicherstellung der Qualität der gefertigten Produkte. Im engeren Sinne umfasst die Fertigungsmesstechnik alle messenden bzw. prüfenden Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit den industriellen Fertigungsprozessen wie dem Urformen, Umformen, Wärmebehandeln, Trennen, Zerspanen, Oberflächenbehandeln, Montieren oder Fügen durchgeführt werden. In der Regel wird dabei untersucht, ob bestimmte qualitätsrelevante Eigenschaften des Produktes innerhalb von zulässigen Toleranzbereichen liegen.
1.2 Grundlagen der Fertigungsmesstechnik 1.2.1 Qualitätsregelkreise Im einfachsten Fall erfolgt diese Prüfung nach Abschluss des Prozesses (Abb. 1.1a). Je nach Ergebnis können die Produkte in Gutteile oder Fehlteile (Nacharbeitsteile und Ausschuss) sortiert werden. Die durch die Messungen gewonnene Information ist darüber hinaus zur Optimierung des Fertigungsprozesses nutzbar. Dazu ermittelt man die Ursachen von Abweichungen und beeinflusst den Prozess durch geeignete Stellgrößen so, dass systematische Abweichungen minimiert werden. Wie allgemein aus der Systemtheorie bekannt, führt der auf diese Weise aufgebaute Regelkreis (Abb. 1.1b) im Vergleich zu einem gesteuerten System ohne Rückkopplung zu einer erheblichen Stabilisierung gegen äußere Störungen. Eine weitere Verfeinerung des Konzepts der sog. Qualitätsregelkreise wird durch die Zerlegung der Fertigungsprozesse in Teilprozesse erreicht, die jeweils für sich geregelt werden (Abb. 1.2). Die Vorteile liegen sowohl in der kürzeren Reaktionszeit der Regelkreise als auch in deren geringerer Komplexität, da meist die Anzahl der Stör- und Stellgrößen für die Teilprozesse geringer als für den Gesamtprozess ist. Eine frühzeitige Fehlererkennung innerhalb der Wertschöpfungskette trägt ferner dazu bei, Kosten infolge der Weiterbearbeitung fehlerhafter Teile zu vermeiden. Nach Pfeifer [1.1] unterscheidet man zwischen maschinennahen Regelkreisen der Stufe 1 und maschinenfernen Qualitätsregelkreisen der Stufen 2 und 3. Ty-
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Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
schlecht
Material
Fertigungsprozess
Prüfung
Produkte
gut
a Rückführung von Information
Material
Fertigungsprozess
Prüfung
Produkte
gut
b Abb. 1.1. a Sortierende Prüfung am Ende eines Produktionsprozesses; b Qualitätsregelkreis
Material
TP
P1
1
TP
P2
2
TP n
Pn
Produkte gut
Fertigungsprozess TP: Teilprozess P: Prüfung
Abb. 1.2. Verkettete Qualitätsregelkreise
pische Beispiele für die Stufe 1 sind handgeführte Messmittel wie Messschieber oder Bügelmessschrauben bzw. in die Fertigungsmaschine integrierte Sensoren zur Erfassung von Produktmerkmalen. Man beschränkt sich dabei meist auf einfache geometrische Merkmale wie Durchmesser oder Kantenlängen. Häufig kann das Werkstück bei der Prüfung in der Maschine aufgespannt verbleiben. Diese Prüfungen sind durch eine kurze Reaktionszeit charakterisiert, im Idealfall durch direkte Regelung der Maschine mit dem Produktmerkmal als Führungsgröße. Allerdings führen die unkontrollierten Umgebungsbedingen vielfach zu nicht vernachlässigbaren Messunsicherheiten. Dagegen stehen die für die Qualitätsregelkreise der Stufe 2 eingesetzten Messgeräte, typischerweise Koordinatenmessgeräte oder Formprüfgeräte, meistens in speziellen Messräumen mit genau geregelten Umgebungsbedingungen. Insbesondere die Temperatur und die Obergrenzen für Temperaturgradient, Luftfeuchteschwankung und Fußpunktbeschleunigung werden in der VDI-Richtlinie 2627
1 Fertigungsmesstechnik
201
[1.2] für industrielle Messräume für vier unterschiedliche Güteklassen spezifiziert. Die Bezugstemperatur liegt standardmäßig bei 20 °C und die relative Luftfeuchtigkeit zwischen 30 % und 60 %. Mechanische Schwingungen werden durch entkoppelte Fundamente und Feder-Dämpfer-Elemente, bei sehr hohen Anforderungen auch durch aktiv geregelte schwingungsisolierte Plattformen reduziert. So ist mit Qualitätsregelkreisen der Stufe 2 eine sehr geringe Messunsicherheit erreichbar. Zudem lassen sich mit Koordinatenmessgeräten komplexere Eigenschaften, z. B. die Geometrie von Freiformflächen oder die Fluchtung von Bohrungen erfassen. Nachteilig dabei ist allerdings, dass die Prüfteile aus dem Prozess entnommen werden müssen und die Prozessregelung naturgemäß nur vergleichsweise träge auf Zustandsabweichungen reagieren kann. Die Prüfkosten sind wegen hoher Investitions- und Betriebskosten von Messraum und Messgeräten und wegen des erforderlichen speziell ausgebildeten Bedienpersonals vergleichsweise hoch. Deshalb und wegen der häufig zeitaufwendigen Prüfabläufe beschränkt man sich in der Stufe 2 meistens auf eine Stichprobenprüfung. Man fordert daher von dem zu regelnden Prozess eine hinreichende Stabilität (s. Abschn. 1.2.4). Die Einbettung in ein unternehmensweites Qualitätsmanagement führt zunehmend zu einer erweiterten Sichtweise auf die Fertigungsmesstechnik, die auch den Prozess der Entwicklung und Konstruktion neuer Produkte mit einbezieht. So kann man die in den verketteten Qualitätsregelkreisen gewonnenen Informationen in einer unternehmensweiten Qualitätsdatenbank speichern. Eine gezielte Aufbereitung und Analyse dieser Qualitätsdaten liefert die in der Fertigung problematischen Produktmerkmale. Bei Neukonstruktionen sind solche Merkmale zu vermeiden (Abb. 1.3). Stehen mehrere Lieferanten für bestimmte Zukaufteile zur Verfügung, so kann der Einkauf anhand der Daten aus den Qualitätsregelkreisen eine Fehlerstatistik erstellen, die einen Vergleich des Qualitätsniveaus der Lieferanten ermöglicht. In analoger Weise lassen sich Vergleiche zwischen unterschiedlichen Fertigungsmaschinen mit ähnlichen Bearbeitungsaufgaben durchführen. Diese nach Pfeifer [1.1] als Qualitätsregelkreis der Stufe 3 bezeichnete, ebenenübergreifende NutAufbereitung der Information
Material
TP
P1
1
TP
Qualitätsdatenbank
P2
2
Fertigungsprozess TP: Teilprozess P: Prüfung
Abb. 1.3. Aufbau einer Qualitätsdatenbank
TP n
Pn
Produkte gut
202
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Führungsebene
Ebenenübergreifender Regelkreis Planungsebene Ebeneninterner Regelkreis
Quelle: Pfeifer, 2001
Steuerungsebene
Maschinennaher Regelkreis Operative Ebene Maschineninterner Regelkreis
Abb. 1.4. Ebenenintegrierte und ebenenübergreifende Qualitätsregelkreise im Unternehmen nach [1.3]
zung der Qualitätsdaten aus der Fertigung (Abb. 1.4) bietet ein großes Potenzial zur Senkung der Kosten und zur Erhöhung der Produktivität. Allerdings fehlt es in der Praxis vielfach noch an datentechnischen Werkzeugen zur Datenverdichtung und Informationsgewinnung. 1.2.2 Begriffsbestimmungen 1.2.2.1 Messen Als „Messen“ bezeichnet man den Vergleich einer Messgröße mit einer Einheit [1.4]. Voraussetzung dafür ist, dass die untersuchte Größe überhaupt messbar ist, also eine allgemein anerkannte verbindliche Messvorschrift existiert. Dies ist nicht selbstverständlich, wie die Beispiele „Intelligenz“ oder „Schönheit“ belegen. Die Messvorschrift gibt auch die Einheit vor, mit der man die Messgröße vergleichen muss. In Deutschland gilt wie in den meisten Staaten der Erde das „Système International“ (SI-System) mit sieben Grundgrößen gemäß Tabelle 1.1. Alle übrigen physikalischen Größen lassen sich auf diese Basisgrößen zurückführen. In den Industriestaaten wurden Institutionen mit der Aufgabe gegründet, die Maßeinheiten möglichst genau darzustellen und die Industrie mit geeigneten Normalen zu versorgen. In Deutschland ist dies die Physikalisch Technische Bundesanstalt PTB mit Sitz in Braunschweig und Berlin. Im Zuge der Entwicklung immer genauerer Messverfahren kam es in der Vergangenheit mehrfach zu Revisionen der Definition von Maßeinheiten. In der aktuellen Fassung wird die Einheit Meter über die Naturkonstante „Vakuumlichtgeschwindigkeit“ auf die Einheit Sekunde zurückgeführt und ist somit redundant. Da jedoch in der industriellen Pra-
1 Fertigungsmesstechnik
203
Tabelle 1.1. Die sieben Grundgrößen des SI-Systems Größe
SI-Einheit
Einheitenzeichen
Länge
Meter
m
Zeit
Sekunde
s
Masse
Kilogramm
kg
Thermodynamische Temperatur
Kelvin
K
Elektrische Stromstärke
Ampere
A
Stoffmenge
Mol
mol
Lichtstärke
Candela
cd
xis der Messung geometrischer Größen eine große Bedeutung zukommt, wird das Meter weiter als SI-Einheit geführt. 1.2.2.2 Messfehler Bei der Durchführung von Messungen ist stets mit Messfehlern zu rechnen, wobei man zwischen systematischen und statistischen bzw. stochastischen Fehlern unterscheidet. Systematische Fehler sind reproduzierbar; bei einer Wiederholung der Messung wird stets derselbe systematische Fehler auftreten. Dagegen verhält sich der statistische Fehler prinzipiell nicht deterministisch, nimmt also bei jeder Wiederholung der Messung einen neuen Wert an, der unabhängig von den vorangegangenen Werten ist. Sofern der statistische Fehler klein ist, spricht man von hoher Wiederholgenauigkeit der Messung. Andere gebräuchliche, aber nicht normgemäße Begriffe sind „Präzision“ bzw. „Reproduzierbarkeit“. Diese sollten jedoch vermieden werden. 1.2.2.3 Kalibrierung Der systematische Fehler eines Messgerätes lässt sich durch eine Kalibrierung beherrschen. Dabei wird entweder durch Vergleich mit einem anderen Messgerät mit dokumentierter höherer Genauigkeit oder mit Hilfe spezieller Kalibrierkörper mit hinreichend genau bekannten Maßen an verschiedenen Stellen des Messbereichs der Anzeigewert mit dem richtigen1 Wert der Eingangsgröße verglichen und die Messabweichung dokumentiert. Mit Hilfe dieser tabellierten Wertepaare kann z. B. eine Kalibrierkurve erstellt werden, die bei der Messung einer unbe-
1 Grundsätzlich fordert man, dass es einen „wahren“ Wert der Messgröße gibt, der jedoch prinzipiell nicht exakt gemessen werden kann. Der „richtige“ Wert ist die mit den verfügbaren Mitteln bestmögliche Näherung des wahren Wertes.
204
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
kannten Größe die Korrektur der Messabweichung ermöglicht. Bei rechnergestützter Auswertung erfolgt diese Korrektur in der Regel automatisch. Als Referenz-Maßverkörperungen für die Länge werden meist Parallelendmaße eingesetzt. Dies sind Präzisionskörper aus Stahl, Hartmetall oder Zirkonium-Keramik mit zwei hochgenau auf Ebenheit und Parallelität bearbeiteten Endflächen. Sie liegen üblicherweise in Sätzen mit standardisierter Längenabstufung vor. Durch Anschieben oder Ansprengen lassen sich Endmaße miteinander fest aber lösbar verbinden. Die Endmaßsätze sind so aufgebaut, dass innerhalb eines bestimmten Längenintervalls mit einer vorgegebenen Stufung jeder Zwischenwert gebildet werden kann (Abb. 1.5). Je größer die Anzahl der Endmaße, umso feiner die erreichbare Stufung. Abbildung 1.6 zeigt die Kalibrierung eines Messschiebers mit Hilfe von 5 Parallelendmaßen, deren richtige Längen L1,..., L5 als bekannt vorausgesetzt werden. In einer graphischen Darstellung ordnet man die jeweiligen Anzeigewerte xi den richtigen Werten Li zu. Die durch diese Punkte gelegte Ausgleichskurve, die sog. Kalibrierkurve, ermöglicht bei der Messung einer unbekannten Länge die Korrektur des Anzeigewertes xa. Mit Kalibrierung wird also das Erfassen und Dokumentieren der Messabweichung bezeichnet, nicht jedoch das Justieren des Messgerätes mit dem Ziel, die Messabweichung zu verringern. Justieren ist ein Eingriff in das Messgerät, der eine Veränderung des Übertragungsverhaltens zur Folge hat und daher eine nachfolgende Kalibrierung erfordert. Der Aufwand für die Kalibrierung steigt mit der Anforderung an die erreichbare Messunsicherheit. Da nur in seltenen Fällen an die Grenze des physikalisch oder technisch Möglichen gegangen werden muss, wurden für die wichtigsten Messgrößen Kalibrierketten etabliert. Die in einem Unternehmen eingesetzten Prüfmittel werden mit Gebrauchsnormalen kalibriert, die man wiederum in regelmäßigen Abständen mit genaueren Bezugsnormalen vergleicht. Über mehrere Stufen erfolgt so der Anschluss an das nationale Normal der jeweiligen MessgröAbb. 1.5. Beispiel für die Kombination von Endmaßen zur Darstellung eines Längenmaßes 0
1,300
2 3
4,350
1
1,050
2,000 4
0 2 5
4 6 8 6
0
1 Fertigungsmesstechnik
0
2
1
3
0
4
2
4
5
6
8
6
7
8
9
205
10
0
Anzeigewert xa
xai=Li
Parallelendmaße
L xa5 xa4
L1 L2 L3 L4 L5
xa3 xa2 xa1 L1
L2
L3
L4
L5
Richtiger Wert L
Abb. 1.6. Kalibrierung eines Messschiebers mit 5 Parallelendmaßen
ße (Abb. 1.7). Als eine Voraussetzung für die Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems muss diese Rückführbarkeit der im Betrieb durchgeführten Messungen auf die nationalen Normale durch das Unternehmen in der Qualitätsmanagement-Dokumentation nachgewiesen werden. Die Rückführung ist durch mehrere wesentliche Elemente gekennzeichnet: 1. Eine ununterbrochene Kette von Vergleichen, die auf ein von den beteiligten Parteien anerkanntes nationales oder internationales Normal zurückgehen. 2. Die Messunsicherheit muss für jeden Schritt in der Kalibrierkette nach vereinbarten Methoden berechnet und so angegeben werden, dass die Gesamtunsicherheit für die gesamte Kette berechnet werden kann. Rückführbarkeit - Kalibrierkette
Nationales Normal
Bezugsnormal DKD-Kalibrierlabor
Gebrauchsnormal
Innerbetriebliches Kalibrierlabor
Prüfmittel Produkt Def.: Rückführbarkeit ist die Eigenschaft eines Messergebnisses oder des Wertes eines Normals, durch eine ununterbrochene Kette von Vergleichsmessungen mit angegebenen Messunsicherheiten auf geeignete Normale, im Allgemeinen internationale oder nationale Normale, bezogen zu sein.
Abb. 1.7. Kalibrierkette zur Rückführung des Prüfmittels auf das nationale Normal
206
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
3. Jeder Schritt in der Kette muss nach den in den Unterlagen beschriebenen und allgemein anerkannten Verfahren durchgeführt und dessen Ergebnisse müssen dokumentiert werden. 4. Die Laboratorien oder Stellen, die einen Schritt oder mehrere Schritte in der Kette ausführen, müssen ihre technische Kompetenz z. B. im Rahmen ihrer Akkreditierung nachweisen. 5. Die Kette von Vergleichen muss bei Primärnormalen zur Darstellung der SIEinheiten enden. 6. Kalibrierungen müssen in angemessenen Zeitabständen wiederholt werden. Die Länge dieser Zeitspannen hängt von einer Reihe von Variablen ab, z. B. der maximal zulässigen Unsicherheit, der Gebrauchshäufigkeit, der Gebrauchsart und der Messmittelbeständigkeit der Einrichtung (Verschleiß). In Deutschland sichert der Deutsche Kalibrierdienst (DKD) diese Struktur durch regelmäßige Akkreditierungen der zugelassenen Kalibrierlabors ab. In bestimmten Bereichen, z. B. im Handel, ist die regelmäßige Kalibrierung von Messmitteln durch behördlich zugelassene Institutionen gesetzlich vorgeschrieben. Nur in diesem Fall spricht man von Eichung, wobei der Unterschied zur Kalibrierung kein technischer, sondern ein juristischer ist. Um die wachsenden Anforderungen an die internationale Austauschbarkeit von Fertigungsteilen zu erfüllen, unterziehen die nationalen Metrologielabors ihre Normale regelmäßigen internationalen Vergleichen. 1.2.2.4 Statistische Fehler Im Gegensatz zum systematischen Fehler lässt sich der statistische Fehler nicht direkt durch Kalibrierung korrigieren, sondern nur durch die Anwendung statistischer Verfahren behandeln. Bei den meisten Systemen kann bei hinreichend häufiger Anzahl von Wiederholungen eine statistische Gesetzmäßigkeit ermittelt werden, die zwar nicht die Vorhersage des nächsten Messwerts ermöglicht, wohl aber eine Wahrscheinlichkeitsaussage dafür, dass der Wert innerhalb eines bestimmten Intervalls liegt. Eine charakteristische Funktion zur Beschreibung des statistischen Verhaltens einer Größe X ist die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion h(x), deren Definitionsbereich die Menge der möglichen Werte x ist, die die Größe X annehmen kann. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der nächste Messwert im Intervall [xa, xb] liegt, ist: P x ª¬ xa , xb º¼
xb
³ h(x)dx xa
(1.1)
Der theoretische Wert, um den die Messwerte statistisch streuen, wird als Erwartungswert µ bezeichnet. Die Standardabweichung σ ist ein Maß für die Streuung der Messwerte. Beide Größen sind nicht direkt messbar, können aber bei einer Messreihe durch den arithmetischen Mittelwert x– bzw. die Streuung S abgeschätzt werden. Bei normalverteilten Größen ist dies auch die bestmögliche Schätzung.
1 Fertigungsmesstechnik
207
Theoretischer Wert = Grenzfall für Stichprobenumfang ∞
Näherungswert bei einer endlichen Stichprobe
Erwartungswert µ
Mittelwert x– (1.2)
Standardabweichung σ
x
1n ¦x n i 1 ai
(1.3)
Streuung S
(1.4)
S2
1 n ¦(xi x )2 n 1i 1
(1.5)
Die Durchführung einer Messung liefert als Messwert das Produkt aus Maßzahl und Maßeinheit. Aufgrund der stets vorhandenen stochastischen Messfehler muss das vollständige Messergebnis zusätzlich die Angabe eines Vertrauensbereichs zu einer vorgegebenen statistischen Sicherheit enthalten. Als Beispiel könnte das Ergebnis einer Längenmessung wie folgt angegeben werden: L = 278,4 ± 0,3 mm mit statistischer Sicherheit 95,4 %. 1.2.2.5 Messunsicherheit Zur Angabe des Vertrauensbereichs ist die Abschätzung der Messunsicherheit erforderlich. Für deren Ermittlung hat sich in den vergangenen Jahren der von der Internationalen Standardisierungsorganisation ISO herausgegebene „Guide to the expression of Uncertainty in Measurement“ (GUM) [1.5] durchgesetzt, dessen deutsche Version als Vornorm DIN V ENV 13005 [1.6] erschienen ist. Es wird eine Vorgehensweise beschrieben, die über die mathematische Modellierung des Messsystems und eine Abschätzung des Verhaltens der Einflussgrößen die Berechnung des zu erwartenden Unsicherheitsintervalls ermöglicht. In knapper Form ist das Verfahren in sieben Arbeitsschritten darstellbar: Schritt 1: Beschreibung der Messung und der Kenntnisse Der Anwender soll die Messaufgabe und das gewählte Messverfahren nachvollziehbar erläutern, wobei bildliche Darstellungen hilfreich sein können. Vorkenntnisse z. B. über die Eigenschaften der verwendeten Messgeräte sind anzugeben. Schritt 2: Modellieren der Messung Der Modellierung liegt der Ansatz zugrunde, dass die statistischen Fehler einer Messung durch Einflussgrößen wie z. B. die Temperatur, den Luftdruck, ein äußeres Magnetfeld usw. verursacht werden. Diese relevanten Eingangsgrößen müssen vom Anwender ermittelt werden, was fundierte technische Sachkenntnis voraussetzt. Weiterhin muss der Anwender in der Lage sein, die Wirkung der Einfluss-
208
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
größen auf die Messgröße mathematisch zu beschreiben. So wird z. B. angesetzt, dass eine Temperaturänderung bei einem Metallstab eine zum Betrag der Temperaturänderung ∆T proportionale relative Längenänderung bewirkt: . Es sei Y die zu messende physikalische Größe (z. B. eine Länge, eine Masse, eine Stromstärke usw.) und es seien X1, X2,...,Xn physikalische Größen, von denen man einen Einfluss auf Y vermutet. Das Ziel der Modellierung ist die Ermittlung eines funktionalen Zusammenhangs der Form: Y
f X1 , X2 , ..., Xn
(1.6)
Schritt 3: Schätzung der Eingangsgrößen Das statistische Verhalten der Eingangsgröße Xi wird durch die zugehörige Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion h(xi) beschrieben. Ist diese bekannt, so erhält man den Erwartungswert µi von Xi als (1.7) Die Standardabweichung σi mit (1.8) wird im GUM als die dem Erwartungswert µi beigeordnete Standardunsicherheit ui bezeichnet. Dieser Ansatz zur Ermittlung von Erwartungswert und Standardunsicherheit ist in der GUM-Nomenklatur die Methode Typ-B. Die Methode Typ-A basiert auf der wiederholten Messung der Größe Xi und der Abschätzung von Erwartungswert und Standardunsicherheit aus den Messwerten ξ1,...,ξk mit Hilfe der Gleichungen (1.9) und ui2 ≈
S2 k
=
k 1 (ξj − ξ )2 , Σ k( k −1) j =1
(1.10)
wobei implizit eine Normalverteilung zugrunde gelegt wird. Schritt 4: Kombinieren der Erwartungswerte und Standardunsicherheiten Der Erwartungswert µy der Messgröße Y ist (1.11)
1 Fertigungsmesstechnik
209
Die Standardunsicherheit uy folgt für unkorrelierte Eingangsgrößen Xi aus dem Gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz: uy
§ wf ¦ ¨¨ i 1© wXi n
2
2
· 2 ¸¸ ui ¹
(1.12)
Können Korrelationen zwischen den Eingangsgrößen nicht ausgeschlossen werden, kommt die folgende Erweiterung zur Anwendung:
uy
2
§ wf ¦ ¨¨ i 1© wXi n
2
· 2 n1 n wf wf uiu j r (Xi , X j ) ¸¸ ui 2 ¦ ¦ i 1 j i 1 wXi wX j ¹
(1.13)
wobei der Korrelationskoeffizient r(Xi, Xj) aus einer Stichprobe {(xi1, xj1),...(xiM, xjM)} gemäß M
¦ xik x jk Mxi x j
r (Xi , X j )
k 1
· ·§ M §M 2 ¨ ¦ xik Mxi2 ¸ ¨ ¦ x2j Mx 2j ¸ ¸ ¸¨ ¨ ¹ ¹©k 1 ©k 1
(1.14)
abzuschätzen ist. Schritt 5: Ermitteln der erweiterten Messunsicherheit Vertrauensbereiche werden im GUM einheitlich zur statistischen Sicherheit p ≥ 95% angegeben. Dazu ist es erforderlich, die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion h(y) der Messgröße Y zu bestimmen, die sich aus den Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen der Eingangsgrößen Xi ermitteln lässt. Für Fälle, in denen dies aufgrund der Komplexität nicht direkt möglich ist, kann gemäß [1.7] ein numerisches Monte-Carlo-Verfahren zur Anwendung kommen. Dabei wird in einer Computersimulation mit Hilfe eines Zufallsgenerators unter Beachtung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen jeweils eine große Zahl möglicher Werte der Eingangsgrößen ermittelt und daraus der jeweils resultierende Wert der Messgröße berechnet, dessen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion man auf diese Weise erhält. Ist h(y) bekannt, so kann ein Erweiterungsfaktor kp berechnet werden, so dass der wahre Wert mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 % im Intervall µy ± kpuy liegt. Für eine Normalverteilung setzt man kp = 2 (dies entspricht p = 95,4 %). Die Größe U y k pu y wird als erweiterte Messunsicherheit bezeichnet.
(1.15)
210
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Im Falle der Anwendung von Methode Typ-A in Schritt 3 besteht aufgrund der endlichen Anzahl von Messwiederholungen stets eine Unsicherheit bezüglich der ermittelten Verteilung der Eingangsgröße. Bei einer zu geringen Zahl von Wiederholungen muss kp nach oben korrigiert werden. Hier sei auf die einschlägige Literatur verwiesen, z. B. [1.8]. Schritt 6: Angeben des vollständigen Messergebnisses Das vollständige Messergebnis wird in der Form Y = µy ± Uy
(1.16)
beschrieben, wobei der Erweiterungsfaktor kp zusätzlich anzugeben ist. Schritt 7: Aufstellen des Messunsicherheits-Budgets Dieser letzte Schritt dient der Dokumentation der in den vorangegangenen sechs Schritten durchgeführten Analyse. In einer tabellarischen Form werden für alle Eingangsgrößen Xi die wesentlichen Eigenschaften wie Wahrscheinlichkeitsdichwf tefunktion, Erwartungswert, Standardunsicherheit, Sensitivitätskoeffizient ci wx i
etc. angegeben. Daraus ist ablesbar, in welchem Umfang die einzelnen Eingangsgrößen die Messung beeinflussen. Ein effizienter Ansatz zur Verbesserung des Messverfahrens besteht darin, die Eingangsgrößen mit dem größten Einfluss entweder besser abzuschirmen oder zu stabilisieren. Ausführlichere Darstellungen zum GUM sowie Anwendungsbeispiele sind z. B. in [1.9], [1.10] zu finden. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Modellbildung, die Schätzung der Eingangsgrößen und die Berücksichtigung etwaiger Korrelationen vom Kenntnisstand des Anwenders abhängt und die sich ergebende Unsicherheit daher eine subjektive Größe ist. Verschiedene Personen, die die gleiche Messung mit den gleichen Geräten unter gleichen Bedingungen durchführen, können durchaus verschiedene Messunsicherheiten abschätzen. Daher ist es wichtig, die eigenen Kenntnisse oder Annahmen zu dokumentieren, um anderen Personen, welche die Ergebnisse nutzen wollen, eine kritische Prüfung zu ermöglichen. Diese vermeintliche Schwäche des GUM ist positiv so interpretierbar, dass der Anwender selbst Teil des zu untersuchenden Systems ist. 1.2.2.6 Prüfen Das Untersuchen, inwieweit ein Objekt eine Forderung erfüllt, wird als Prüfen bezeichnet [1.4]. Man unterscheidet zwischen nicht-maßlicher oder qualitativer Prüfung (Beispiele: vorhanden/nicht vorhanden, gut/schlecht, sauber/verschmutzt) und maßlicher oder quantitativer Prüfung wie Zählen, Messen oder Lehren. Der Gegenstand der Prüfung ist das Prüfobjekt. In der Fertigungsmesstechnik sind dies: – Werkstücke, – Maschinen und Werkzeuge, – Mess- und Prüfmittel.
1 Fertigungsmesstechnik
211
Tabelle 1.2. Typische Prüfaufgaben in der Fertigungsmesstechnik Werkstoffprüfung
Geometrieprüfung
Sensorische Prüfung
Funktionsprüfung
Riss
Form
Farbe
Kraft
Gefüge
Maß
Glanz
Geräusch
Härte
Lage
Geruch
Moment
E-Modul
Rauheit
Haptik
Drehzahl
G-Modul
...
...
...
...
In der industriellen Fertigung kommt der Geometrieprüfung die größte Bedeutung zu. Daher sollen sich die Ausführungen im Folgenden darauf konzentrieren. Der Prüfung von Eigenschaften muss deren Festlegung vorausgehen. Auch bei bester Prozessführung sind Abweichungen zwischen einem gefertigten Teil und dessen Sollgeometrie unvermeidlich. Es ist daher nicht sinnvoll, für einzelne Abmessungen nur Nennmaße anzugeben, sondern es muss ein Toleranzbereich definiert werden, innerhalb dessen die tatsächlichen Abmessungen schwanken dürfen, ohne die Funktionstüchtigkeit des Produktes zu gefährden [1.11, 1.12]. 1.2.2.7 Toleranzen Die Tolerierung geschieht in der Entwicklung und Konstruktion. Dabei wird nach DIN ISO 286 die folgende Nomenklatur verwendet [1.13]: Durch den Konstrukteur festgelegter Sollwert Als Ergebnis von Messungen festgestelltes Maß Zulässige Abweichung vom Nennmaß Zulässige Abweichung vom Nennmaß nach oben (positiv, wenn das Maß größer als das Nennmaß sein darf) Unteres Abmaß: Zulässige Abweichung vom Nennmaß nach unten (negativ, wenn das Maß kleiner als das Nennmaß sein darf) Mindestmaß: Nennmaß + Unteres Abmaß Höchstmaß: Nennmaß + Oberes Abmaß Maßtoleranz: Oberes Abmaß – Unteres Abmaß = Höchstmaß – Mindestmaß Nennmaß: Istmaß: Abmaß: Oberes Abmaß:
Die Maßtoleranz ist ein absoluter Wert ohne Vorzeichen. Mindest- und Höchstmaß werden als Grenzmaße bezeichnet, der Bereich zwischen diesen Grenzmaßen in graphischen Darstellungen als Toleranzfeld. Die Nennmaße und zulässigen Toleranzen werden in der Technischen Zeichnung und in ggf. beigefügten Dokumenten festgelegt.
212
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Man unterscheidet zwischen drei Arten von Toleranzen [1.14]: Maßtoleranzen [1.15] für Längen und Winkel Maße werden in einer technischen Zeichnung stets mit einer Toleranz versehen. 0,3 Dies kann explizit geschehen, z. B.: L 44, 7 0,2 oder L 35, 9 r 0,1 , wobei, wenn nicht anders angegeben, die Einheit stets „mm“ ist. Zur Vereinfachung der Tolerierung kann im Zeichnungskopf auf Allgemeintoleranzen verwiesen werden, die in DIN ISO 2768-1 [1.16] für verschiedene Genauigkeitsklassen definiert sind. Für die häufige Aufgabe, Innen- oder Außendurchmesser zu prüfen, können auch Toleranzfelder nach DIN ISO 286-1 mit einem Kurzzeichen und einem Zahlenwert definiert werden. Großbuchstaben stehen dabei für Innendurchmesser, 05 z. B.: 25H 8 250,039 und Kleinbuchstaben für Außendurchmesser, z. B.: 25r 6 25 00,,034 . 0
Formtoleranzen [1.17] für Geradheit, Ebenheit, Rundheit, Zylinderform, Linienform und Flächenform geben den zulässigen Größtwert der Formabweichung eines Elements von seiner geometrisch idealen Form an. Lagetoleranzen [1.17] bestimmen die zulässige Abweichung von der idealen Lage zweier oder mehrerer Elemente zueinander, von denen meist eines als Bezug festgelegt ist (s. Tabelle 1.3). 1.2.2.8 Zusammenhang zwischen Toleranz und Messunsicherheit Wenn geprüft werden soll, ob ein Maß an einem Werkstück im zulässigen Toleranzbereich liegt, muss die erweiterte Messunsicherheit U des verwendeten Messmittels berücksichtigt werden [1.18]. Für Messwerte aus einem Bereich ±U um das Mindest- bzw. Höchstmaß, den sog. Bereichen der Unsicherheit, kann nicht eindeutig entschieden werden, ob der Wert innerhalb der Toleranz liegt oder nicht (Abb. 1.8). Dies führt zu einer Verkleinerung der Maßtoleranz um 2U (jeweils 1U für oberes und unteres Abmaß). Eine weitere Verschärfung dieser Problematik tritt bei Kunden-Lieferanten-Beziehungen dann auf, wenn sowohl die Prüfung in der Fertigung durch den Lieferanten, als auch die Wareneingangsprüfung durch den Kunden erfolgt. Es seien UL bzw. UK die erweiterten Messunsicherheiten der Messmittel des Lieferanten bzw. des Kunden. Wie in Abb. 1.9 dargestellt, existiert sowohl für den Lieferanten als auch für den Kunden jeweils ein Bereich der Unsicherheit. Tabelle 1.3. Klassifikation der Lagetoleranzen Richtungstoleranz
Ortstoleranz
Lauftoleranz
Parallelität
Position
Lauf
Rechtwinkligkeit
Konzentrizität
Gesamtlauf
Neigung
Koaxialität Symmetrie
1 Fertigungsmesstechnik
oA
uA
U
213
U
U
N
U
Fertigungstoleranz
Bereich der Unsicherheit, ob Produktion gemäß Spezifikation
N uA oA U
Nennmaß unteres Abmaß oberes Abmaß Messunsicherheit
Abb. 1.8. Verkleinerung des nutzbaren Toleranzbereichs aufgrund der Messunsicherheit des Prüfmittels
Lieferant Bereich der Unsicherheit, ob Produktion gemäß Spezifikation
UL UK Rückweisung
Fertigungstoleranz
UL UK
uA
N
UL oA
UK
UL UK
Bereich der Unsicherheit, ob Lieferung angenommen werden kann
Rückweisung
Kunde N Nennmaß uA unteres Abmaß oA oberes Abmaß
UL UK
Messunsicherheit des Lieferanten Messunsicherheit des Kunden
Abb. 1.9. Durch die Messunsicherheit der Prüfmittel verursachte Unsicherheitsbereiche beim Lieferanten und beim Kunden
Als Konsequenz fordert der Kunde eine um 2UK verkleinerte Toleranz als Vertragstoleranz, um seine eigene Messunsicherheit zu berücksichtigen, denn alle innerhalb dieser Vertragstoleranz liegenden Prüfteile führen in der Wareneingangsprüfung zu Messwerten innerhalb der Zeichnungstoleranz. Der Lieferant wiederum muss bei der Fertigungsfreigabe die Vertragstoleranz um 2UL verkleinern. Nur Werkstücke, die innerhalb der sog. „nutzbaren Fertigungstoleranz“ [Mindestmaß +
214
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
oA
uA
UK
UK
N
UK
UK
Vertragstoleranz
UL
UL
UL
UL
nutzbare Fertigungstoleranz
N Nennmaß uA unteres Abmaß oA oberes Abmaß
UL UK
Messunsicherheit des Lieferanten Messunsicherheit des Kunden
Abb. 1.10. Definition der Vertragstoleranz und daraus resultierende „nutzbare Fertigungstoleranz“
UL + UK; Höchstmaß – UL – UK] gefertigt werden, sind sicher als Gutteile zuzulassen (Abb. 1.10). Die Investition in hochwertige Messmittel mit geringer Messunsicherheit U kann sich daher durch signifikant größere nutzbare Toleranzen in der Fertigung und dadurch mögliche kostengünstige Fertigungstechniken amortisieren. Die sog. „goldene Regel der Messtechnik“, wonach die Unsicherheit des Messmittels stets mindestens eine Größenordnung kleiner als die zu prüfende Maßtoleranz sein soll, ist in der heutigen Präzisionsfertigung häufig nicht mehr zu vertretbaren Kosten einzuhalten. 1.2.3 Prüfplanung Bevor ein neu konstruiertes Bauteil in Serie gefertigt werden kann, muss als Teil der Fertigungsplanung ein Prüfplan erstellt werden. Der Prüfplan ist ein Dokument, das die Ziele und die experimentelle Gesamtplanung zur Durchführung der Prüfung beschreibt. Gegliedert ist der Prüfplan in Prüfplankopf und Prüfplanrumpf. Der Prüfplan enthält Prüfspezifikationen, Prüfanweisungen und Prüfablaufpläne und muss vor Beginn der Prüfung vorliegen. Die Anforderungen des Prüfplanes sind abhängig vom Kunden, Lieferanten und der jeweiligen Produktionsart [1.19]. Der Prüfplaner benötigt neben den in den technischen Dokumenten des Produktes festgelegten Prüfgrößen und deren zulässigen Toleranzen detaillierte Kenntnis des Fertigungsablaufs, der verfügbaren Prüfmittel und des verfügbaren Personals, aber auch der einschlägigen Normen und Sicherheitsvorschriften. 1.2.3.1 Prüfplanerstellung Die Arbeitsschritte zur Erstellung eines Prüfplans sind in der VDI/VDE/DGQ Richtlinie 2619 [1.20] festgelegt (Abb. 1.11):
1 Fertigungsmesstechnik
215
Erstellung eines Prüfplans VDI/VDE/DGQ 2619 Start
Prüfmerkmal?
Keine weitere Bearbeitung
ja ggf. Änderung durch andere Bereiche
Prüfung der Unterlagen
In Ordnung?
Nachforderungen an zuständige Fachbereiche
nein
nein
Ausarbeitung der einzelnen Prüfmerkmale mit Festlegung der: - Prüfhäufigkeit - Prüfmethode - Prüfdatenverarbeitung
Modul A (Prüfhäufigkeit)
Modul B (Prüfmethode)
ja
Abstimmung mit anderen Fachbereichen
Erkennen der Merkmale
ja Merkmale ausreichend beschrieben?
nein
ja
Änderung erforderlich? nein
Eintragen in Prüfplan/ Fertigungsplan
Auswahl der Prüfmerkmale
Ende
Was ist zu prüfen? Wann ist zu prüfen? Wie ist zu prüfen? Wie oft ist zu prüfen? Wie viel ist zu prüfen? Wo ist zu prüfen? Wer hat zu prüfen? Womit ist zu prüfen? Wie ist auszuwerten? Wie ist zu dokumentieren?
Prüfobjekt, Prüfmerkmal Prüfzeitpunkt Prüfart Prüfhäufigkeit Prüfumfang Prüfort Prüfperson Prüfmittelauswahl Prüfauswertung Prüfdokumentation
Abb. 1.11. Erstellen eines Prüfplans gemäß Richtlinie VDI/VDE/DGQ 2619
216
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
1. Bestimmung der Prüfplankopfdaten: Die Prüfplankopfdaten haben einen primär organisatorischen Charakter und werden in der Regel vom Berichtswesen vorgegeben. Beispiele sind Prüfplannummer, Gültigkeitsbereich, Bezeichnung des Prüfobjektes, Bauteil-Kennzahl, Prüfplanersteller, Erstellungsdatum usw. 2. Auswahl der Prüfmerkmale: Die Auswahl von Merkmalen auf ihre Prüfnotwendigkeit erfolgt i. Allg. gemeinsam mit allen Fachbereichen, d. h. Marketing, Entwicklung, Konstruktion, Fertigung und Qualitätssicherung. Als Basis dienen Anforderungsprofile, Konstruktionszeichnungen, Konstruktions-, Prozess- und Produkt-FMEA2 sowie Maschineneigenschaften. Unter Berücksichtigung des Kostenaufwands ist die Notwendigkeit der Prüfung streng zu hinterfragen. 3. Festlegung des Prüfzeitpunktes: Dieser Schritt definiert den Abschnitt innerhalb der Wertschöpfungskette. Kriterien wie Schadensrisiko für nachfolgende Produktionsmittel, Zugänglichkeit der Prüfstelle, Zeit zwischen Erzeugung und Prüfung des Merkmals, Prozessfähigkeit oder Wertzuwachs beeinflussen die Entscheidung. 4. Festlegung der Prüfart: Grundsätzlich wird hier zwischen Attributiv- (qualitative Merkmale) oder Variablenprüfung (quantitative Merkmale) entschieden. 5. Festlegung des Prüfumfanges: Der Umfang der Prüfung kann zwischen ausgesetzter (Skip Lot) Prüfung bis zur 100-%-Prüfung schwanken, wobei die Bedeutung des Merkmals für den Anwender (Nebenfehler, Hauptfehler, kritischer Fehler), der Umfang der Grundgesamtheit, die Prüfschärfe und der vereinbarte AQL-Wert3 als Entscheidungskriterium herangezogen werden. Große Bedeutung haben Stichprobenprüfungen, für die eine eingehendere Beschreibung folgt (s. Abschn. 1.2.3.2).
2 FMEA (Fehler-Möglichkeits und -Einfluss-Analyse): Die FMEA ist eine induktive Präventivmethode des Risikomanagements, mit deren Hilfe sich alle Phasen des Produktlebenslaufes analysieren und dokumentieren lassen. Dabei unterscheidet man nach dem Zeitpunkt der Anwendung und dem Objekt der Untersuchung zwischen der Konstruktions-, der Prozess- und der System-FMEA. Bei der FMEA wird das Wissen aus den unterschiedlichen Unternehmensbereichen genutzt und daher wird diese Methode grundsätzlich bereichsübergreifend im Team durchgeführt, wobei die FMEA eine einheitliche und neutrale Kommunikationsplattform bildet. In jedem Fall muss die FMEA im Sinne der Vorbeugung und Vermeidung vor Beginn der Serienfertigung abgeschlossen sein [1.21–1.23]. 3 Als AQL-Wert wird der maximale Anteil fehlerhafter Einheiten in Prozent bzw. die maximale Anzahl von Fehlern je hundert Einheiten bezeichnet, der bzw. die hinsichtlich der Stichprobenprüfung als annehmbar anzusehen ist bzw. sind. AQL (Acceptable Quality Level: Annehmbare Qualitätsgrenzlage) ist die Qualitätslage, die bei einer Annahmestichprobenprüfung die obere Grenze einer zufriedenstellenden mittleren Qualitätslage darstellt.
1 Fertigungsmesstechnik
217
6. Festlegung des Prüfortes: Das Prüfmerkmal selbst beeinflusst die Wahl des Prüfortes. Der Fertigungsfluss sollte zwar nicht durch die Prüfung unterbrochen werden, allerdings erfordern bestimmte Prüfungen bzw. Prüfmittel besondere Umgebungsbedingungen, die sich nicht an der Fertigungslinie realisieren lassen. 7. Auswahl der Prüfmittel: Die Auswahl der Prüfmittel erfordert einen Überblick über die im Unternehmen verfügbaren Prüfmittel und deren wichtigste Eigenschaften. Dazu gehören die Messunsicherheit, die Prüftaktrate, die Betriebskosten, das erforderliche Personal und die Einsatzbedingungen. Die Auswahl sollte stets der Anforderung angemessen erfolgen. Unnötig aufwendige Prüfmittel führen zu vermeidbaren Kosten. Sinnvoll ist das Anlegen einer zentralen Prüfmitteldatenbank, die auch eine Einsatzplanung unterstützt. 8. Festlegung des Prüftextes: Der Prüftext enthält, soweit notwendig, ergänzende Informationen zur Prüfaufgabe. Er soll den reibungslosen Ablauf der Prüfung unterstützen und zugleich eine spätere Interpretation der Ergebnisse erleichtern. Eine beispielhafte Skizze ist meist hilfreich. 9. Festlegung der Prüfdokumentation: Die Form der Dokumentation wird durch das Berichtswesen vorgegeben. 10. Festlegung der Prüfdatenverarbeitung: Die Ergebnisse fließen in die Qualitätsregelkreise ein und beeinflussen somit unmittelbar (maschinennaher Regelkreis) aber auch übergeordnet den Produktionsablauf. Insbesondere sind sie bei der Anwendung von Qualitätsmanagementmethoden wie QFD, FMEA, FTA, DoE oder Audit nutzbar [1.3, 1.23]. Abbildung 1.12 zeigt exemplarisch einen Prüfplan für eine Welle mit drei Prüfmerkmalen.
Prüfplan
Dokument: 38106
1/1
Zeichnungs-Nr.:
Benennung
Bearbeiter
Freigabe
gültig ab Datum
391-7040
Welle
M. Berndt
R. Tutsch
31.03.2005
Prüfmerkmal
Grenzwerte
Prüfmittel
Prüfhäufigkeit
1
Durchmesser
29,995 29,985
Rachenlehre
100 %
2
Abstand
79,79 79,75
Messschieber
3 je Los
3
Kegelform
Kegellehre
1 je Los
Bemerkung
1:10
30,00 mm
PFO-Nr
79,77 mm
Abb. 1.12. Prüfplan für eine Welle mit drei Prüfmerkmalen
218
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Die Prüfplanerstellung erfolgt in der Regel zeitgleich bzw. gemeinsam mit der Arbeitsplanung oder kurz nach der Arbeitsplanerstellung. Gegenstand der Prüfplanung sind nicht allein Erzeugnisse, Betriebsmittel und Software, sondern auch Informationen, Methoden und Verfahren. Eine wichtige Informationsquelle zur Prüfplanerstellung bildet eine abgeschlossene FMEA. Neben Prüfplanung und Prüfplanerstellung sind in einem Unternehmen auch die Planung der Ergebnisdokumentation und die Datenverarbeitung sowie die langfristigen Aufgaben wie Prüfmethodenplanung, Konstruktionsberatung, Personalschulung, Investitionsplanung, Prüfplanbetreuung und Prüfmittelmanagement von ganz wesentlicher Bedeutung [1.3]. 1.2.3.2 Stichprobenpläne In manchen Anwendungsfällen rechtfertigt der Nutzen nicht den Aufwand einer Prüfung aller Einheiten eines Loses. Bedingt die Prüfung eine Zerstörung des Produktes, ist eine Vollkontrolle ohnehin ausgeschlossen. So ist es erforderlich, von Daten, die aus einer Stichprobe4 gewonnen wurden, Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit des Loses (Partie oder Charge) zu ziehen, um eine Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung zu treffen (Abb. 1.13). Klassische Anwendungsgebiete für Stichproben sind neben der Fertigungs- auch die Eingangsprüfung oder die Zustandskontrolle in Lagern. Es gilt, nach Untersuchung einer zufällig entnommenen Stichprobe (Prüflos) zu entscheiden, ob eine bestimmte Grundgesamtheit (Los) akzeptiert oder abgelehnt wird. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist eine Prüfdynamisierung durch Mehrfachstichprobenpläne sinnvoll, die bei fehlender Eindeutigkeit auf eine umfangreichere Stichprobe zurückgreifen. Gleichzeitig ist auch der Abbruch der Prüfung bei besonders schlechten Ergebnissen möglich. Durch die Prüfdynamisierung kann in Abhängigkeit von bereits vorliegenden Resultaten bei der Stichprobenprüfung zwischen verschärftem und reduziertem Prüfumfang gewechselt werden [1.24, 1.25], (Abb. 1.14). Die Prüfschärfe wird als Kennung für normale, reduzierte oder verschärfte Prüfung verstanden. Die Variation der Prüfschärfe ist ein Mittel zur flexiblen Anpassung der Abnehmerrisiken und des Prüfaufwands an unterschiedliche Qualitätslagen. Die Prüfschärfe steht in engem Zusammenhang mit dem Prüfumfang. Unterschiedliche Prüfschärfen führen bei ansonsten gleichen Bedingungen zu unterschiedlichen Prüfumfängen oder Annahmebedingungen. Stichprobenpläne basieren auf der Grundlage der induktiven Statistik, d. h. es wird von einigen wenigen auf die Gesamtheit geschlossen. Für die Durchführung kann auf anerkannte Standards zurückgegriffen werden. Die in den Normen angegebenen Kennzahlen für das Beurteilungsrisiko bei der Stichprobenprüfung sollen keinesfalls einen Fehleranteil im Los legalisieren, d. h. die Festlegung von
4 Ursprung des Wortes: Im Hüttenwesen werden Eisenproben aus dem Hochofenabstich entnommen.
1 Fertigungsmesstechnik
219
Grundidee Die Verteilung des Merkmals ist eine intensive Größe; d.h. die Verteilung bleibt in der Probe erhalten.
h(x)
h(x) Schließen auf Verteilung Stichprobe aus Grundgesamtheit
Verteilung des Merkmals in der Grundgesamtheit
x
Verteilung des Merkmals in der Stichprobe
x
Abb. 1.13. Statistische Grundlage der Stichprobenprüfung: Die Verteilungsdichtefunktion der Stichprobe gleicht der der Grundgesamtheit.
Start
mindestens 30 aufeinander folgende Lose angenommen und Realisierung ist gleichmäßig und genehmigt durch die zuständige Stelle
Reduzierte Prüfung
Los rückgewiesen oder Realisierung ist ungleichmäßig oder andere Zustände verlangen Wechsel
2 von 5 oder weniger aufeinander folgende Lose wurden rückgewiesen
Normale Prüfung
5 Lose bei verschärfter Prüfung wurden rückgewiesen
Abbruch der Stichprobenprüfung
Verschärfte Prüfung
5 aufeinander folgende Lose wurden angenommen
Lieferant verbessert Qualitätslage
Abb. 1.14. Prüfdynamisierung gemäß DIN ISO 2859 [1.24]
AQL-Werten bedeutet nicht, dass der Lieferer das Recht hat, wissentlich auch nur eine einzige fehlerhafte Einheit zu liefern. Das wachsende Qualitätsbewusstsein und der zunehmende Trend zur Null-Fehler-Fertigung führen zu einer Ablösung der AQL-Standards durch ppm-Vereinbarungen (parts per million). 1.2.4 Statistische Prozessregelung SPC Die Qualitätssicherung hat die Aufgabe, sicherzustellen, dass der Kunde nur fehlerfreie Produkte erhält. Fehlerfrei ist dabei im Sinne des Qualitätsbegriffes so
220
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
zu verstehen, dass das Produkt die Erwartungen des Kunden erfüllt. Die Aussage kann auch auf einen Teilprozess der Fertigung bezogen werden, wobei man dann von „internen Kunden“ spricht. Das Ziel kann durch Aussortieren fehlerhafter Teile im Rahmen einer 100-% Prüfung oder einer Stichprobenprüfung erreicht werden (Abb. 1.1a), doch wurde bereits darauf hingewiesen, dass dies nicht effizient ist. Dagegen ermöglicht die Rückführung der Messdaten in einem Qualitätsregelkreis (Abb. 1.1b) die Behebung der Ursachen von Abweichungen und damit die langfristige Stabilisierung des Fertigungsprozesses. Man sorgt dafür, dass Ausschuss gar nicht erst produziert wird und reduziert auf diese Weise die Material- und Nacharbeitskosten. In einem solchen Prozess sind auch Termine und Mengen besser planbar; der Prozess wird „beherrscht“. Gerade bei derart stabilen Prozessen liegt es nahe, anstelle einer 100-% Prüfung auf eine Stichprobenprüfung überzugehen, um den Aufwand zu reduzieren. Die systematische Grundlage dafür bildet die statistische Prozessregelung, bekannt unter der englischen Abkürzung SPC (Statistical Process Control). Als vorbereitender Schritt erfolgt der Vergleich der statistischen Streuung des Prozesses mit dem für die jeweilige Messgröße zugelassenen Toleranzintervall. Dieses erhält man als Differenz der oberen Sollwertgrenze OSG und der unteren Sollwertgrenze USG. Als Maß für die Streuung wird das Vertrauensintervall des Erwartungswertes mit der statistischen Sicherheit 99,7 % herangezogen. Für normalverteilte Größen ist dies das Intervall [µ-3σ, µ+3σ]. Nur wenn die Streuung deutlich kleiner als das Toleranzintervall ist, kann der Prozess überhaupt beherrscht werden. Man definiert den cp-Koeffizienten der potentiellen Prozessfähigkeit für normalverteilte Größen durch cp
OSG USG 6V
(1.17)
und fordert für potentiell fähige Prozesse, dass cp deutlich größer als 1 ist, z. B. cp > 1,67 (Abb. 1.15). Eine weitere Voraussetzung für die Beherrschbarkeit des Proh(x)
h(x)
Cp > 1,67 Prozess potentiell fähig
Cp < 1 Prozess nicht potentiell fähig
3s
USG
N
3s µ
3s
OSG
x
3s
USG µN
a
OSG
x
b USG: untere Sollwertgrenze OSG: obere Sollwertgrenze N: Nennwert
m: Erwartungswert s: Standardabweichung
Abb. 1.15. a Prozess potentiell fähig, da Streuung kleiner als Toleranzbereich, cp > 1,67; b Prozess nicht potentiell fähig, da Streuung größer als Toleranzbereich, cp < 1
1 Fertigungsmesstechnik
221
zesses ist die Existenz von Stellgrößen mit einer eindeutigen Wirkung auf die zu regelnde Zielgröße. Für die Durchführung der SPC verwendet man das in den 1930er Jahren von Walter Shewhart entwickelte Instrument der Qualitätsregelkarten [1.26]. Dazu werden dem Prozess in regelmäßiger Folge Stichproben entnommen und das jeweilige Merkmal gemessen. Durch Mittelwertbildung oder eine andere Form der Datenverdichtung wird der Stichprobe eine Kennzahl zugeordnet und als Funktion der Nummer der Stichprobe in der Qualitätsregelkarte eingetragen. Die Regelkarte enthält Markierungen für den Sollwert M sowie die oberen und unteren Sollwertgrenzen OSG und USG. Darüber hinaus sind durch die obere und untere Eingriffsgrenze (OEG, USG) und die obere und untere Warngrenze (OWG, UWG) zwei weitere Intervalle definiert (Abb. 1.16). Solange die Kennzahlen der Stichproben innerhalb des Intervalls [UWG, OWG] liegen, sollte jeder Eingriff in den Prozess unterbleiben. Bei Kennzahlen außerhalb der Warngrenzen, aber noch innerhalb der Eingriffsgrenzen liegt es im Ermessen des Bedieners, ob er korrigierend eingreift. Dies ist beispielsweise sinnvoll, wenn ein Trend erkennbar ist, der ein baldiges Überschreiten der Eingriffsgrenzen erwarten lässt. Liegt die aktuelle Kennzahl außerhalb der Eingriffsgrenzen, so muss die Ursache ermittelt und behoben werden. Die seit der letzten Stichprobe gefertigten Werkstücke sind zu 100 % nachzuprüfen oder zu verwerfen. Im Allgemeinen wird der Prozess bis zur erneuten Einstellung des Sollzustandes unterbrochen. Neben der beschriebenen klassischen zweiseitigen Qualitätsregelkarte nach Shewhart existieren diverse andere Regelkarten [1.26, 1.27]. Gemeinsam ist ihnen, dass mit relativ geringem Aufwand eine sehr effiziente Beherrschung eines Prozesses erreicht wird. Obwohl das Konzept explizit für die manuelle Eintragung Befund (Mittelwert der Prüfvariablen je Stichprobe)
Befund
OSG
100(1- a)%-Bereich
OEG OWG M UWG UEG USG Nummer der Stichprobe (Zeitpunkt)
Wahrscheinlichkeitsdichte der Prüfvariablen
USG UEG UWG M OWG OEG OSG
= Untere-Sollwert-Grenze = Untere-Eingriffs-Grenze = Untere-Warn-Grenze = Mittelwert (Nennwert) = Obere-Warn-Grenze = Obere-Eingriffs-Grenze = Obere-Sollwert-Grenze
Werte außerhalb des Bereiches zwischen UEG-OEG erfordern eine sofortige Unterbrechung und Korrektur des Prozesses. Die Werte zwischen UWG-UEG bzw. OWG-OEG signalisieren die Notwendigkeit einer erhöhten Prozessbeobachtung.
Abb. 1.16. Qualitätsregelkarte nach Shewhart
222 h(x)
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik h(x)
Cp > 1,67 Prozess potentiell fähig und beherrscht
Cp < 1 Prozess potentiell fähig, aber nicht beherrscht
OSG-µ
3s
USG
OSG-µ
3s
N
µ
OSG
x
USG
a
N
µ
OSG
x
b USG: untere Sollwertgrenze OSG: obere Sollwertgrenze N: Nennwert
m: Erwartungswert s: Standardabweichung
Abb. 1.17.a Beherrschter Prozess, cpk > 1,67; b Nicht beherrschter Prozess, cpk < 1
der Kennzahlen ausgelegt ist, sind heute rechnergestützte Systeme weit verbreitet. Durch das automatische Einlesen der Messwerte und die Datenverdichtung im Rechner entfällt das Risiko von Übertragungs- und Rechenfehlern. Die Bewertung der Güte der Prozessregelung erfolgt anhand der tatsächlichen Prozessfähigkeit. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Streuung des Prozesses hinreichend klein im Vergleich zum Toleranzintervall ist, zudem muss auch die Verteilung möglichst gut im Intervall zentriert sein. Man fordert, dass der Abstand zwischen Erwartungswert und oberer bzw. unterer Sollwertgrenze möglichst groß ist. Der für normalverteilte Größen durch
⎛ OSG − µ µ −USG ⎞ c pk = min ⎜ ; ⎟ 3σ ⎠ ⎝ 3σ
(1.18)
definierte Index cpk der tatsächlichen Prozessfähigkeit muss deutlich größer als 1 sein, z. B. cpk > 1,67, damit der Prozess als beherrscht bezeichnet werden kann (Abb. 1.17). Das Konzept der Prozessfähigkeit ist auch für nicht normalverteilte Größen anwendbar, jedoch müssen dann Gl. (1.17) und Gl. (1.18) durch andere mathematische Ausdrücke ersetzt werden [1.28]. Die der SPC zugrunde liegende Erkenntnis ist, dass die in einem Prozess auftretenden systematischen und stochastischen Fehler unterschiedliches Zeitverhalten zeigen: Die stochastischen Fehler sind hochfrequent, die systematischen niederfrequent. Regelungstechnisch wendet die SPC einen Tiefpass auf die Messdaten an, um die stochastischen Anteile zu glätten. Die systematischen Anteile können ausgeregelt werden. 1.2.5 Prüfmittelüberwachung Die Überwachung der Prüfmittel ist Bestandteil des Prüfmittelmanagements. Dieses umfasst neben der Überprüfung der im Unternehmen vorhandenen Prüfmittel deren Planung, Beschaffung und Verwaltung. Das Prüfmittelmanagement trägt die Verantwortung für die Zuverlässigkeit, Eignung und Verfügbarkeit der
1 Fertigungsmesstechnik
223
Prüfmittel. Neben den organisatorischen Aufgaben bildet die Prüfmittelüberwachung den wesentlichen Kern des Prüfmittelmanagements. Als Prüfmittel zählt jedes Ding (i. Allg. Lehren oder Messmittel) im Unternehmen, mit dem qualitative oder quantitative Aussagen über Produkte getroffen oder dessen Informationen in Zusammenhang mit der Produktqualität gebracht werden können. Der hohen Einflussmöglichkeit auf die Produktqualität geschuldet, widmet sich eines der 20 Elemente des Normenwerks DIN EN ISO 9000 ausschließlich der Prüfmittelüberwachung. In diesem wird gefordert: „Es sind angemessene Untersuchungen zur Beurteilung von Messsystemen und Prüfeinrichtungen durchzuführen.“ Der Überwachung unterliegen nach [1.3] charakteristische Eigenschaften der Prüfmittel wie (Abb. 1.18): Messunsicherheit: Die Messunsicherheit ist eine Abschätzung der zu erwartenden Abweichung zwischen den Mittelwerten der Messwertreihe bei wiederholtem Messen des gleichen Merkmals und dem wahren Wert des Merkmals. Der wahre Wert des Merkmals bezieht sich hierbei auf ein Normal, ein Einstellstück bzw. eine der Prüfmittelüberwachung zugrunde liegende Maßverkörperung, deren Ist-Wert ausreichend bekannt ist. Die Untersuchung ist an ein und demselben Normal, von einem Bediener und an einem Ort vorzunehmen. Wiederholpräzision: In kurzen Zeitabständen werden Wiederholungsmessungen nach einem festgelegten Messverfahren an denselben Teilen (Normal, Prüfteil oder mehrere gleichartige Teile) mit demselben Gerätebediener sowie derselben
Prüfmittelmanagement 5.26
Planung
Verwaltung
Def.: Prüfmittel sind alle Einrichtungen des Unternehmens, mit denen Qualitätsmerkmale hinsichtlich der Anforderungen verglichen werden.
Beschaffung gemessener Wert
Überwachung
wahrer Wert
Max. Abweichung
Zeit t1 Zeit t2 Messunsicherheit gemessener Mittelwert
Bediener 2 Bediener 1 Bediener 3
Stabilität Gesamtmittelwert
6s Messbereich
6s
Wiederholpräzision
Vergleichspräzision
Linearität
Abb. 1.18. Prüfmittelmanagement mit Überwachung der charakteristischen Eigenschaften der Prüfmittel
224
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Geräteausrüstung und am selben Ort durchgeführt. Ein Maß für die Wiederholpräzision ist die Standardabweichung der Messwertreihe. Vergleichspräzision: Hierbei werden mit einem festgelegten Messverfahren am identischen Objekt (Werkstück aus der Serie) Messungen durch verschiedene Bediener oder an verschiedenen Orten oder mit verschiedenen Gerätschaften durchgeführt. In der Regel sind es zwei oder drei verschiedene Gerätebediener, die an den gleichen Teilen Messwerte aufnehmen. Oder ein und derselbe Gerätebediener wiederholt den Messvorgang an unterschiedlichen Orten bzw. mit verschiedenen Gerätschaften. Bei der Durchführung einer Vergleichspräzisionsuntersuchung muss darauf geachtet werden, dass jeweils nur eine der drei variablen Größen verändert werden darf. Stabilität: Mit einem festgelegten Messverfahren mit derselben Geräteausrüstung und dem identischen Objekt werden am selben Ort durch denselben Beobachter in festgelegten Zeitabständen Messungen vorgenommen und die sich ergebenden Mittelwerte miteinander verglichen. Ein Maß für die Stabilität ist die maximale Differenz zwischen den Mittelwerten dieser Messwertreihen. Die ermittelte Abweichung enthält sowohl zufällige als auch systematische Einflüsse durch Messwertaufnehmer, Justierung, Verschleiß sowie durch die Umgebung. Linearität: An Normalen, die den gesamten Messbereich des Gerätes abdecken, werden durch denselben Beobachter am selben Ort nach einem festgelegten Messverfahren eine festgelegte Anzahl von Messungen durchgeführt. Die Mittelwerte einer Messwertreihe an verschiedenen Normalen werden mit den wahren Werten der Normale verglichen und daraus die Abweichungen von der Linearität bestimmt. Trägt man diese in ein Diagramm ein, so erhält man die Kennlinie der Linearitätsabweichung. Die Prüfmittelüberwachung ist eine organisatorische Vorgehensweise und eine Sorgfaltspflicht des Unternehmens. Sie soll gewährleisten, dass zu jedem Zeitpunkt die im Unternehmen eingesetzten Prüfmittel verlässliche Prüfergebnisse liefern können. Somit sind Regelungen erforderlich, welche die Dejustierung, den Verschleiß und mögliche Beschädigung berücksichtigen. Eine dokumentierte Kalibrierkette belegt den Anschluss an das staatliche Normativ. Vereinbarte Prüfintervalle definieren die Häufigkeit der Prüfung bei der Prüfmittelüberwachung. Diese sind abhängig vom Prüfmittel selbst und dessen Verwendung. Üblicherweise werden Lehrdorne, Rachenlehren und stark verschleißende Prüfmittel monatlich überwacht. Messuhren, Mikrometer oder Innenfeinmessgeräte unterliegen einer jährlichen Überprüfung [1.29]. Wenn jedes Prüfmittel unabhängig von seiner Nutzung in festen Intervallen geprüft wird, ergeben sich unnötige Prüfungen und Kosten. Die Einführung von dynamischen Prüfintervallen bietet einen alternativen Weg ohne Verletzung der Sorgfaltspflicht. Ein Ansatz zur Dynamisierung ist die Berücksichtigung der tatsächlichen Einsatzdauer. Ein anderer basiert auf der Trendentwicklung der beobachteten Eigenschaften. Zur Durchführung einer Prüfung an dem jeweiligen Prüfmittel bestehen Regelwerke [1.30] mit einer großen Anzahl an genormten Vorschriften. Aus diesen las-
1 Fertigungsmesstechnik
225
nein
Staatliches Normativ
Instandsetzung
Kennzeichnung
ja
eineindeutige Benennung Zeit der nächsten Prüfung
Dokumentatio n de r W erte in Date i / K arte
Anwender
Prüftermin ode r beschädigt ?
Prüfung nach Vo rschrift
ja
nein
Bestanden ?
Prüfmittel au s Fremdlieferun g ode r Eigenfertigung
nein
Reklamation
Einsatz de s Prüfmittels Anpassung de s Prüfintervalls
Abb. 1.19. Ablauf der Prüfmittelüberwachung
sen sich individuelle Vorschriften zur Prüfung ableiten und als Verfahrensanweisung im QM-Handbuch hinterlegen. Der Ablauf einer Prüfmittelüberwachung ist in Abb. 1.19 dargestellt.
1.3 Prüfdatenerfassung (Geometrie) Die Messverfahren und Messgeräte für die Geometriemessung in der Fertigungsmesstechnik lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien klassifizieren. Ein möglicher Ansatz besteht in der Unterscheidung zwischen produkt- bzw. maschinenbezogenen Messverfahren. Im Rahmen dieses Buches soll eine Systematisierung anhand der Dimensionalität erfolgen, wobei zwischen 1-, 2-, 2½- und 3-dimensionalen Verfahren zu unterscheiden ist. 1.3.1 Geometriemessung 1-dimensional 1.3.1.1 Handmessmittel Zwar sind Handmessmittel in der Regel einfach aufgebaute und preisgünstige Komponenten, einen Eindruck von ihrer Bedeutung und ihrer Verbreitung in der industriellen Anwendung vermittelt jedoch eine Schätzung einer aktuellen Studie [1.31], der zufolge Handmessmittel in den Jahren 1999 bis 2003 ca. ¼ des weltweiten Marktvolumens für Fertigungsmesstechnik in Höhe von ca. 3,2 Mrd. Euro ausmachten. Einfachste Handmessmittel zur Längenmessung sind Maßstäbe und Bandmaße. Mit diesen ist ein direkter Vergleich der zu messenden Länge mit der Maßskala möglich. Die Auflösung beträgt typisch 1 mm.
226
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Messschnäbel für Innenmessung
11 mm
Tiefenmessstange 0
2
1
3
0
4
2
4
6
5
8
6
7
8
9
0
Skala
2
1
3
10
0
0
2
4
6
8
0 Nonius
0,2 mm
Messschnäbel für Außenmessung
Ablesung: 11,2 mm
b
a Abb. 1.20.a Messschieber; b Ablesung des Nonius
Messschieber sind bereits seit ca. 2000 Jahren in Gebrauch. Der Messschieber erweitert gegenüber dem einfachen Maßstab den Anwendungsbereich, da er mit Hilfe der Messschnäbel die 2-Punkt-Antastung von Außen- und Innenmaßen sowie mit der Tiefenmessstange die Messung der Tiefe von Absätzen, Nuten und Sacklöchern ermöglicht (Abb. 1.20a). Standard-Messschieber weisen Messbereiche von 150 mm bis 300 mm auf; es werden jedoch auch Sondergrößen bis ca. 3000 mm Messlänge hergestellt. Aufbau und wichtige Eigenschaften sind in der DIN 862 beschrieben [1.32]. Bereits bei einfachen Ausführungen ermöglicht eine Noniusskala die Ablesung mit einer Auflösung von 0,1 mm oder 0,05 mm. In Abb. 1.20b ist als Beispiel die Anzeige des Messwertes 11,2 mm dargestellt. Als Alternative zum Nonius sind auch Messschieber erhältlich, bei denen die Linearbewegung des Schiebers mittels eines Übersetzungsgetriebes in eine Rotation eines Zeigers über einer Rundskala umgesetzt wird, auf der der Weg mit einer Auflösung von typ. 0,02 mm ablesbar ist (Abb. 1.21b), [1.33]. Die freiliegende Verzahnung macht diese Ausführungsform empfindlich für Verschmutzungen; auch sollte die Verschiebung nicht ruckartig geschehen, um die Präzisionsmechanik nicht zu überlasten. Die Mikroelektronik ermöglicht darüber hinaus preisgünstige Digitalmesswerke, die in der Regel eine Auflösung von 0,01 mm aufweisen (Abb. 1.21c). Auf-
90
0
10
80
2.80
20
70
0,01 mm 60
30
40
50
a
b
Abb. 1.21. Messschieberanzeige mit a Nonius; b Rundskala; c Digitalanzeige
c
1 Fertigungsmesstechnik
227
grund ihres sehr geringen Energieverbrauchs finden hier inkrementale kapazitive Messsysteme (s. Abschn. 1.3.1.2.5.) weite Verbreitung. Der Vorteil von Messschiebern mit inkrementalen induktiven Maßstäben (s. Abschn. 1.3.1.2.5) ist die Unempfindlichkeit gegenüber Flüssigkeitsfilmen (Wasser, Öl). Bauartbedingt muss bei inkrementalen Maßstäben nach dem Einschalten der Nullpunkt definiert werden. Es sind auch absolut messende Geräte im Handel [1.34], bei denen nach dem Einschalten keine Nullpunktdefinition erforderlich ist. Die Digitalanzeige ist meist zwischen den Einheiten Millimeter und Inch umschaltbar und der Nullpunkt kann über eine Reset-Taste beliebig festgelegt werden. Serielle digitale Schnittstellen stehen bei vielen Geräten zur Übergabe der Messwerte an einen Protokolldrucker oder einen Auswerterechner zur Verfügung. Eine höher aufgelöste Anzeige als 0,01 mm ist bei Messschiebern nicht sinnvoll, da bedingt durch die Art der Antastung die Messunsicherheit nicht beliebig reduziert werden kann. Ein charakteristischer Fehler, der hier am Beispiel des Messschiebers exemplarisch erläutert wird, jedoch bei jeder Form der Längenmessung berücksichtigt werden muss, ist der nach Ernst Abbe benannte Abbe-Fehler. Dieser tritt stets auf, wenn bei einer Längenmessung die Antastlinie nicht mit der Maßstabslinie fluchtet. Im Falle des Messschiebers in Abb. 1.22 ist die Antastlinie um die Länge e der Messschnäbel parallel zur Maßverkörperung verschoben. Wenn die Führung des Schiebers nicht perfekt ist und es zu einer Verkippung um fehlerhafter Wert abgelesen. den Winkel ϕ kommt, so wird ein um Der Abbe-Fehler ist näherungsweise proportional zum Verkippungswinkel ϕ und daher ein Fehler 1. Ordnung. Varianten des Grundprinzips des Messschiebers sind Tiefenmaße zur Messung von Stufenhöhen, Bohrungstiefen usw. und Höhenmessgeräte bzw. Anreißgeräte (Abb. 1.23). Bei letzteren ersetzt eine ebene Messplatte als gemeinsame Bezugsfläche von Werkstück und Messgerät den festen Schnabel des Messschiebers.
l: S: ∆: e: ϕ:
wahre Länge abgelesener Wert Messabweichung Parallelversatz Verkippung
?
Maßverkörperung 0
2
1
3
e
0
S
4
4
2
6
5
8
6
7
8
9
10
0
∆ ϕ
Messstrecke l Abb. 1.22. Der Abbe-Fehler bei Anwendung eines Messschiebers
∆ = S - l = e.tanϕ für ϕ 40000), so wird deutlich, dass die Induktivität einer Spule durch Einschieben eines ferromagnetischen Metallkerns, eines sog. Tauchankers, um mehrere Größenordnungen erhöht werden kann. Die funktionale Abhängigkeit der Induktivität von der Länge des in der Spule befindlichen Metallkerns ist allerdings stark nichtlinear (Abb. 1.66), [1.54]. Um für messtechnische Anwendungen günstige, nahezu lineare Kennlinien zu erhalten, kommen in der Praxis zwei Modifikationen des Prinzips zum Einsatz. Der als Differentialdrossel bezeichnete Ansatz besteht darin, zwei identische Zylinderspulen koaxial dicht nebeneinander anzuordnen und den Tauchanker in der Nullpunktstellung symmetrisch zwischen beiden Spulen zu justieren. In dieser Anordnung weisen beide Spulen dieselbe Induktivität auf. Wird der Metallkern aus der symmetrischen Position heraus verschoben, so verkleinert sich die Induktivität der einen Spule, während gleichzeitig die der anderen Spule zunimmt. Eine Wechselspannungsmessbrücke liefert ein Ausgangssignal proportional zur Differenz der beiden Induktivitäten, das in guter Näherung einen linearen Verlauf zeigt (Abb. 1.67). Bei der zweiten Variante, dem Differentialtransformator (englisch: linear variable differential transformer LVDT), umschließt eine dritte Spule die beiden symmetrisch angeordneten Zylinderspulen, so dass zwei Transformatoren entstehen. Bei symmetrisch eingeschobenem Tauchanker ist die von der mit Wechselstrom beaufschlagten äußeren Primärspule in die beiden inneren Sekundärspulen induzierte Spannung betragsmäßig gleich, woraus die Differenz 0 resultiert. Eine Ver-
0
Abb. 1.66. Einfacher induktiver Wegsensor mit Tauchanker
L
x
x
0 0
Abb. 1.67. Induktiver Wegsensor nach dem Prinzip der Differentialdrossel
x ΔU
ΔU
U
0
x
1 Fertigungsmesstechnik
0
Abb. 1.68. Induktiver Wegsensor nach dem Prinzip des Differentialtransformators
x
U
259
ΔU
0
x
ΔU
schiebung des Tauchankers führt zu einer gegensinnigen Veränderung der Gegeninduktivitäten der beiden Transformatoren, so dass eine von 0 verschiedene Differenzspannung gemessen wird. In guter Näherung ist ein linearer Zusammenhang zwischen Verschiebeweg und Differenzspannung erzielbar (Abb. 1.68). Beiden Varianten gemeinsam ist die weitgehende Unempfindlichkeit gegen äußere Störfelder, sofern diese im Bereich der Messspulen annähernd homogen verlaufen. Abbildung 1.69 zeigt den mechanischen Aufbau eines induktiven Messtasters. Das Gehäuse ist in der Regel zylindrisch und enthält die Spulenanordnung und die Präzisionsführung, z. B. mittels Kugelbüchse, für den beweglichen Messbolzen. An dessen Spitze ist ein auswechselbares Tastelement befestigt, das bei der Messung das Werkstück berührt. Die Antastkraft wird durch eine Spiralfeder bewirkt. Induktive Wegmesssysteme werden in verschiedenen Ausführungen bis 360 mm Hub angeboten [1.55]. Eine typische Anwendung derartiger Messtaster in einer Vielstellenmesseinrichtung ist in Abb. 1.70 dargestellt. Legt man eine Welle in die Vorrichtung ein, werden sofort mehrere Durchmessermaße ermittelt. Der mit der speziellen Vorrichtung verbundene hohe Aufwand lohnt sich allerdings erst bei der Prüfung großer Serien gleichartiger Teile.
Abb. 1.69. Induktiver Messtaster
260
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik Abb. 1.70. Prinzip einer Vielstellenmesseinrichtung für Wellen
Prüfteil
Prüfteilaufnahmevorrichtung Messtaster
Messtaster mit optischer Auswertung
Als Alternative zu den Tastern mit induktiver Auswertung sind Taster mit integrierten optischen Inkrementalweggebern (s. Abschn. 1.3.1.2.5) verfügbar [1.56, 1.57]. Ihr Prinzip ermöglicht prinzipiell größere Messbereiche als die induktive Auswertung. Erkauft wird dies allerdings durch deutlich größere Abmessungen der Tastergehäuse und höhere Kosten aufgrund der aufwendigeren Technik. Daher kommen Taster mit optischer Auswertung selten in Vielstellenmessvorrichtungen zum Einsatz, sondern eher in Verbindung mit einem Messstativ zur direkten Höhen- oder Dickenmessung von Werkstoffen. Taster höchster Genauigkeit sind für die Kalibrierung von Endmaßen verwendbar. Eine besondere Bauform enthält ein Laserinterferometer und erlaubt damit die Rückführung der Längenmessung auf die Einheit einer Lichtwellenlänge [1.58]. Messtaster mit magnetischer Auswertung
In ähnlicher Weise wie die Messtaster mit optischer Auswertung enthalten diese Messtaster ein mit dem Messbolzen verbundenes inkrementales magnetisches Wegmesssystem [1.59]. 1.3.1.4.2 Berührungslose Abstandssensoren
Für viele Anwendungen ist eine berührungslose Antastung einer Werkstückoberfläche erwünscht [1.60], da so der Verschleiß des Tasters und eine Beschädigung des Werkstücks vermeidbar sind. Rückwirkungen sind vernachlässigbar und die Messung ist auch bei hoher Temperatur oder Geschwindigkeit des Werkstücks möglich. Elektromagnetisch wirkende Abstandssensoren
Elektromagnetisch wirkende Abstandssensoren gehören zu den am häufigsten eingesetzten Sensoren im Maschinenbau und in der Automatisierungstechnik. Das Spektrum reicht von kostengünstigen Ausführungen, die z. B. als berührungslose Endschalter oder zur Anwesenheitskontrolle oder Zählung von Werkstücken verwendbar sind (sog. Näherungsschaltern), bis hin zu höchstgenauen Sensoren für die Nanotechnik. Die meisten dieser Sensoren sind in zylindrische Gehäuse mit standardisierten Durchmessern eingebaut. Dies ermöglicht eine einfache Montage und Justierung in Klemmhalterungen. In der Regel sind die Gehäuse hermetisch dicht vergossen und lassen sich so der Schutzklasse IP67 zuord-
1 Fertigungsmesstechnik
261
nen. Viele Hersteller bieten die Gehäuse mit Außengewinde an. Diese Sensoren können in eine Bohrung in einem Blech geschoben und mit zwei Überwurfmuttern einfach fixiert werden (vgl. Abb. 1.42). Sensoren ab 3 mm Durchmesser sind kommerziell verfügbar, wobei mit zunehmendem Durchmesser i. Allg. der Messbereich vergrößert und die Auflösung verbessert wird. Je nach Anwendung kommen kapazitive, induktive oder Wirbelstromsensoren zum Einsatz. Kapazitive Abstandssensoren
Eine gegen eine leitfähige Werkstückoberfläche isolierte Metallplatte bildet mit dieser einen Kondensator. Ist die Werkstückoberfläche eben und steht die Platte parallel dazu, so verhält sich die resultierende Kapazität C näherungsweise umgekehrt proportional zum Abstand (s. Gl. (1.22)). Die Impedanz ZC bei der Winkelfrequenz w ist: ZC
1 . j ZC
(1.25)
Fließt ein konstanter Wechselstrom I durch den Kondensator, so lässt sich eine Wechselspannung U ZC I
I d jZHr H0 A
(1.26)
messen. Dabei ist A die Fläche der Kondensatorplatten, εr die relative Dielektrizitätskonstante des Mediums zwischen den Kondensatorplatten und ε0 die elektrische Feldkonstante. Die Spannung U ist damit direkt proportional dem Abstand d des Sensors zur Objektoberfläche. Streufelder am Rand der Kondensatorplatte führen zu einer Nichtlinearität, die bei Präzisionssensoren durch den Einbau einer ringförmigen Schirmelektrode unterdrückt wird. Kapazitive Sensoren haben einen Messbereich von wenigen mm bei einer Auflösung von ca. 0,1 µm. Spezielle Bauformen erreichen eine Auflösung bis ca. 1 nm, allerdings bei Messbereichen von nur ca. 50 µm. Neben Verschiebungsmessungen ist die Messung von Schwingungen oder Höhen- und Seitenschlag rotierender Maschinenteile eine typische Anwendung kapazitiver Abstandssensoren. Kapazitive Sensoren sind auch zur Antastung von nicht leitenden Oberflächen wie Glas oder Kunststoff verwendbar. In diesem Fall wertet die Sensorelektronik die Veränderung des elektrischen Streufeldes vor dem Sensorkopf aufgrund der von 1 (Wert für Luft) verschiedenen Dielektrizitätskonstante εr des Werkstoffes aus. Der gleiche Effekt wird bei der Füllstandsmessung zur kapazitiven Antastung von Flüssigkeiten durch eine Glas- oder Kunststoffwandung hindurch genutzt. Induktive Abstandssensoren
Induktive Abstandssensoren sind für die Anwendung an Werkstücken aus ferromagnetischem Material optimiert. Eine mit Wechselstrom gespeiste Spule erzeugt ein oszillierendes Magnetfeld vor dem Sensorkopf. Tritt dieses in Wechselwirkung
262
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
mit dem ferromagnetischen Material des Werkstücks, so erhöht sich die Induktivität der Spule, die sich durch Messung der Impedanz auswerten lässt. Induktive Wegsensoren sind robust und preisgünstig und werden z. B. als berührungslose Referenzschalter oder Endschalter in Maschinenachsen eingesetzt. Wirbelstrom-Abstandssensoren
Nähert man eine von Wechselstrom durchflossene Spule einer leitfähigen Werkstückoberfläche, so induziert das oszillierende elektromagnetische Feld Wirbelströme in dieser Oberfläche. Diese setzen aufgrund ohmscher Verluste einen Teil der zugeführten Leistung in Wärme um. Der Entzug von Leistung ist als Dämpfung des Oszillators messbar und kann zur Bestimmung des Abstandes zwischen Spule und Werkstückoberfläche ausgewertet werden [1.61]. Eine absolute Abstandsmessung ist allerdings nur bei Kalibrierung des Sensors auf die Leitfähigkeit des jeweiligen Werkstückmaterials möglich. Pneumatische Abstandssensoren
Wird eine Druckluftdüse dicht an eine Werkstückoberfläche herangeführt, so baut sich ein Staudruck auf, der umso größer ist, je schmaler der zwischen Düse und Oberfläche verbleibende Spalt wird. Nach einer Kalibrierung ist über die Druckmessung indirekt eine Abstandsmessung möglich [1.62]. Die pneumatische Abstandsmessung kommt in der industriellen Fertigung z. B. bei der Prüfung von Bohrungen zum Einsatz, wobei speziell an die jeweilige Aufgabe angepasste Messdorne mit mehreren Luftaustritten verwendet werden. Eine differenzierte Druckmessung an mehreren Austrittsbohrungen liefert neben der Durchmesserabweichung auch z. B. eine Rundheits- und Geradheitsabweichung. Gegenüber anderen Sensoren zeichnen sich die pneumatischen Abstandssensoren durch ihre Robustheit und Schnelligkeit des Messablaufs aus. Späne und Kühlschmierstoffreste werden durch den Luftdruck vom Messort entfernt, so dass der Einsatz im Fertigungsprozess möglich ist. Optische Abstandssensoren
Seit die Halbleitertechnik Leucht- und Laserdioden als kostengünstige, kompakte, langlebige und leicht modulierbare Lichtquellen sowie Photodioden und Bildsensoren zur Verfügung stellte, wurde die Entwicklung einer Vielzahl optoelektronischer Abstandssensoren möglich, die in der Fertigungsmesstechnik heute weit verbreitet sind. Optische Reflextaster
Optische Reflextaster bestehen aus einer Lichtquelle und einem Photodetektor. In der Regel sind dies eine Leuchtdiode (LED) und eine Photodiode. Das von der LED ausgestrahlte Licht wird von einer Werkstückoberfläche teils absorbiert, teils transmittiert und teils zurückreflektiert bzw. -gestreut. Ein Teil des remittierten Lichtes trifft auf den Detektor und erzeugt ein helligkeitsproportionales Messsignal. Nähert man diese Anordnung aus großer Entfernung stetig der Oberfläche an, so steigt die Signalamplitude zunächst monoton, um nach Erreichen eines Maximalwertes wieder stetig abzufallen (Abb. 1.71). Ursache sind zwei gegenläufige Effekte: Verstärkend wirken die Zunahme der Bestrahlungsstärke der Ober-
1 Fertigungsmesstechnik
263
fläche bei Annäherung der Lichtquelle und die anfängliche Vergrößerung des effektiven Aperturwinkels des Detektors, so dass dieser einen größeren Anteil des remittierten Lichtes auffängt. Nahe an der Oberfläche wird der effektive Aperturwinkel des Detektors jedoch wieder kleiner. Zudem nimmt die Bestrahlungsstärke bei großen Remissionswinkeln deutlich ab, was zu dem in Abb. 1.71 dargestellten Kennlinienverlauf führt. In der beschriebenen Form sind optische Reflextaster sehr kostengünstig verfügbar; die Anwendung bleibt jedoch auf kleine Abstände beschränkt. Mit Hilfe von Linsen vor der Lichtquelle und vor dem Detektor ist der Arbeitsbereich bis auf die Größenordnung Meter erweiterbar. Eine Besonderheit stellen faseroptische Reflextaster dar, bei denen das Sende- und das Empfangslicht in getrennten, parallel geführten Faserbündeln zur bzw. von der Oberfläche geleitet wird. Die Charakteristik ist durch die Anordnung der Sende- und Empfangsfasern auf den Anwendungsfall einstellbar (Abb. 1.72). Das Messsignal von optischen Reflextastern ist nicht nur von der Sende- und Empfangsgeometrie abhängig, sondern auch von der Reflektivität der Oberfläche des Werkstücks. Dadurch beschränkt sich der Einsatz als messender Sensor auf die Antastung von Objekten mit genau bekannter Reflektivität. Häufiger ist die Anwendung als Schalter, der lediglich die An- oder Abwesenheit von Werkstücken registriert. Am Beispiel des optischen Reflextasters soll exemplarisch ein Problem diskutiert werden, das bei vielen unterschiedlichen optoelektronischen Messsystemen auftritt: Die Empfindlichkeit gegen Fremdlicht. Unter realistischen Einsatzbedingungen, insbesondere in der Fertigungstechnik, muss mit Lichteinfall aus unterschiedlichen Quellen (Sonne, Raumbeleuchtung, Signallampen,...) gerechnet werden. Diese Lichtanteile können sich dem für die Messung genutzten Licht überlagern und zu Messfehlern führen. Folgende Abhilfemaßnahmen sind möglich: – Mit Hilfe einer lichtdichten Verkleidung des Messaufbaus bzw. einer Abschirmung durch geeignete Blenden innerhalb oder außerhalb des Sensors werden unerwünschte Lichtanteile beseitigt, die eine andere Ausbreitungsrichtung haben als das Nutzlicht.
U
Sensor
LED
Photodiode
X
Umax
U: Ausgangssignal der Photodiode
Ux Umin Oberfläche xmin x xmax
Abb. 1.71. Optischer Reflextaster mit Abstandskennlinie
X
264
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Abb. 1.72. Faseroptischer Reflextaster
LED Fotodiode
A-A
Beleuchtung
Rückführung koaxiales Faserbündel
A-A A
A geteiltes Faserbündel
A-A
gemischtes Faserbündel
Oberfläche
– Die Verwendung einer monochromatischen Lichtquelle (LED, Laser) in Verbindung mit einem darauf abgestimmten schmalbandigen Farbfilter vor dem Detektor erlaubt die Unterdrückung eines großen Anteils des Fremdlichtes, da dessen Energie sich in der Regel auf einen breiten Spektralbereich verteilt. – LEDs und Halbleiterlaser ermöglichen auf einfache Weise eine periodische Amplitudenmodulation des Nutzlichtes. Durch darauf abgestimmte schmalbandige elektronische Verstärkung des Messsignals (Bandpassfilter) werden die Fremdlichtanteile unterdrückt, die entweder konstant sind oder mit einer anderen Frequenz oszillieren. Das Licht von Glüh- und insbesondere von Leuchtstofflampen enthält aufgrund der Netzfrequenz Anteile, die mit Vielfachen von 50 Hz moduliert sind. Diese Frequenzen sind für die Modulation zur Störlichtunterdrückung daher ungeeignet. Besonders effizient wirken phasenempfindliche Filter, sog. Lock-in-Verstärker [1.63]. Triangulationssensoren
Im Gegensatz zu optischen Reflextastern werten Triangulationssensoren nicht die Intensität des remittierten Lichtes aus, sondern die Abbildungsgeometrie. Wie in Abb. 1.73 dargestellt, wird ein Lichtfleck auf der Werkstückoberfläche erzeugt, wofür man meistens eine Laserdiode einsetzt. Der Lichtfleck wird mit einer Abbildungsoptik auf einen ortsauflösenden Detektor abgebildet. Der Ort des Schwerpunkts der Helligkeitsverteilung im Bild des Lichtflecks ist ein Maß für den Abstand der Werkstückoberfläche vom Sensor. Durch die Verkippung der Sensorfläche gegen die optische Achse entsprechend dem Scheimpflug-Prinzip ist eine scharfe Abbildung innerhalb des gesamten Messbereichs sichergestellt [1.64].
1 Fertigungsmesstechnik
265
Abb. 1.73. Triangulationssensor Laser
PSD
Messbereich
Oberfläche
Als ortsauflösender Detektor wird entweder eine Photodioden- bzw. CCD-Zeile (s. Abschn. 1.3.2.3.3) verwendet, die eine große Zahl (einige 100 bis einige 1000) gleichartiger, linear aneinander gereihter Detektorelemente enthält oder eine positionsempfindliche Photodiode. Derartige PSDs (Position Sensitive Diode) weisen an den beiden Schmalseiten einer rechteckigen Detektorfläche jeweils einen Signalabgriff auf. Aus dem Verhältnis der beiden Signalamplituden kann die Position des Schwerpunkts der Helligkeitsverteilung ermittelt werden (Abb. 1.74). Die
Laser
Abb. 1.74. Lineare PSD – Beschreibung der Ortsabhängigkeit der Ausgangssignale
I1 r2 I2 r1 r1
I2
I2 LI I 1 2
L r1
I1
r2 Bias
266
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Vorteile der PSDs sind eine höhere Abtastrate und eine kostengünstigere Realisierung, während CCD-Zeilen eine höhere Genauigkeit ermöglichen. Der Triangulationswinkel ist unter Beachtung zweier gegenläufiger Effekte zu optimieren. Für einen möglichst großen Winkel spricht die mit dem Betrag des Winkels zunehmende Empfindlichkeit für die Abstandsmessung. Allerdings wird gleichzeitig der Messbereich verkleinert und die Abmessungen des Sensors werden vergrößert. Hinzu kommt, dass bei größer werdendem Triangulationswinkel die Intensität des in Richtung der Abbildungsoptik gestreuten Lichtes abnimmt und sich damit das Signal/Rausch-Verhältnis bei der Detektion verschlechtert. In den meisten technischen Anwendungen findet man Triangulationswinkel zwischen 25 ° und 50 °. Ein weiterer Kompromiss ist hinsichtlich der Blendeneinstellung der Abbildungsoptik erforderlich. Eine kleine Blende (d. h. große Blendenzahl) sichert eine große Schärfentiefe und damit einen großen Messbereich und ermöglicht den Einsatz von kostengünstigen und kleinen optischen Elementen. Andererseits verschlechtert sich beim Verkleinern der Blende das Signal/Rausch-Verhältnis und die durch die kohärente Beleuchtung in Verbindung mit der Oberflächenrauheit des Werkstücks unvermeidlichen störenden Speckle-Muster vergröbern sich. Triangulationssensoren sind sehr flexibel einsetzbar. Eine Anpassung an die Reflektivität der Werkstückoberfläche ist durch die Regelung der Laserdiode möglich. Ungünstig sind einerseits schwarze Materialien, z. B. das rußgeschwärzte Gummi von Autoreifen, andererseits glänzende und transparente Flächen, da auch diese nur wenig Streulicht erzeugen. Sensoren mit Messbereichen zwischen ca. 10 mm und ca. 100 mm sind von einer größeren Zahl von Anbietern verfügbar. Der kompakte Aufbau, das geringe Gewicht und die hohe Datenrate (typ. 100 Hz bis >10 kHz) ermöglichen vielfältige Anwendungen (Abb. 1.75). Beim Einsatz als Messtaster zur Digitalisierung von 3D-Geometrien besteht aufgrund der berührungslosen Arbeitsweise eine wesentlich geringere Gefahr einer Kollision als bei taktilen Sensoren. Dynamische Messungen an schwingenden Objekten, z. B. zur Untersuchung des Federungsverhaltens von Straßenfahrzeugen, sind ebenfalls ein typisches Anwendungsgebiet von Triangulationssensoren. Ein weiteres Einsatzbeispiel ist die Messung des Banddurchhangs in der Blechzuführung einer Stanzmaschine (Abb. 1.76). Grundlegende Untersuchungen zur Messunsicherheit [1.65] identifizieren die Ungleichförmigkeit der Helligkeit des Lichtflecks, verursacht durch Laserspeckles und durch Oberflächenstrukturen, als Begrenzung der erreichbaren Genauigkeit. Der Abtastlaser sollte entweder so fokussiert sein, dass sein Durchmesser klein gegen die mittleren Abmessungen der Oberflächenstrukturen ist oder der Lichtfleck sollte so groß eingestellt werden, dass stets über mehrere Strukturen gemittelt wird. Bei der Abtastung von Oberflächen mit steilen Kanten und Stufen kann es zu Messfehlern oder Aussetzern aufgrund von teilweiser oder vollständiger Abschattung der Apertur der Abbildungsoptik kommen. Um dies zu vermeiden, statten einige Hersteller ihre Sensoren mit einem zweiten Auswertearm aus, der entweder symmetrisch zum ersten oder um 90° dazu versetzt angeordnet wird (Abb. 1.77). Aus den Anforderungen der Messung des Profils von Autoreifen heraus erfolgte die Entwicklung eines speziellen Triangulationssensors, bei dem die Optik
1 Fertigungsmesstechnik
Höhenschlag
Seitenschlag
Ebenheitsprüfung
Profil- und Dickenmessung
267
Geometrieprüfung
Innenprofilmessung
Abb. 1.75. Typische Anwendungen von Triangulationssensoren
Steuerung
Richtwalzen
Bandrolle
Stanzmaschine
Abb. 1.76. Anwendung eines Triangulationssensors zur Regelung des Blechdurchhangs in einer Stanzmaschine
Triangulationssensor
des Auswertearms rotationssymmetrisch um den Beleuchtungsstrahlengang herum ausgeführt ist [1.66, 1.67]. Autofokussensoren
Eine wesentliche Herausforderung bei der Entwicklung der Audio CD-Technik (Compact Disc) war die Nachführregelung des optischen Abtastkopfes. Die erforderliche Informationsdichte der Tonträger macht die Fokussierung des Abtastlaserlichts auf ca. 1 µm Durchmesser notwendig. Dies ist allerdings nur in einem geringen Schärfentiefenbereich möglich. Da die CDs kostengünstig aus Kunststoff gefertigt werden sollten und eine nicht vernachlässigbare Unebenheit als unvermeidlich angesehen wurde, bestand die Lösung in einer schnellen Autofokus-Ein-
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Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik Abb. 1.77. Gewinkelt aufgebauter Triangulationssensor mit zwei Auswertearmen
Messarm 2
Messarm 1 durch Objektkante blockiert
Beleuchtungsstrahlenbündel
heit. Das Licht des Lasers wird zunächst kollimiert und dann mit einer Linse auf die Plattenoberfläche fokussiert. Diese Linse kann z. B. mittels eines Tauchspulaktors sehr schnell auf und ab bewegt werden, um den Abstand zur Platte auch bei einer welligen CD konstant zu halten. Unterschiedliche Möglichkeiten zur Detektion der Fokusabweichung wurden in CD-Spielern realisiert. In Abb. 1.78 kommt das Schneidenverfahren nach Foucault zum Einsatz, welches in Abb. 1.79 erläutert ist. Eine scharfe Kante wird in der Fokusebene so justiert, dass der Brennpunkt genau unter der Kante liegt. Bei optimal justierter Linse wird das Licht daher nicht abgeschattet. Eine Verschie-
Abb. 1.78. Autofokussensor mit Fokusregelung nach dem Foucaultschen Schneidenverfahren
Halbleiterlaser
Strahlteiler mit Biprisma
induktiver Wegaufnehmer
Array mit vier Photodioden
Kollimator
Fokussierung
Werkstück
1 Fertigungsmesstechnik
a
Punktlichtquelle
Linse
DoppelSchneide photodiode
A B
b
A B
c
A B
IA > IB
269
Abb. 1.79. Erläuterung des Foucaultschen Schneidenverfahrens. a Punktlichtquelle hinter der Referenzposition; b Punktlichtquelle an der Referenzposition; c Punktlichtquelle vor der Referenzposition
IA = IB
IA < IB
bung der Linse entlang der optischen Achse führt zu einer Abschattung entweder der oberen oder der unteren Hälfte des Lichtkegels, je nach Richtung der Verschiebung. Mit zwei Photodetektoren ist auf diese Weise eine Defokussierung vorzeichenrichtig detektierbar. In der Anordnung nach Abb. 1.78 wirken die beiden Prismen als doppelte Foucaultsche Schneide, so dass mit zwei Detektorpaaren eine redundante Messung möglich ist. Aufgrund der großen Stückzahlen und rationeller Fertigungstechniken für CD-Laufwerke sind Autofokusbaugruppen kostengünstig verfügbar. Für die messtechnische Anwendung wird die Position der Fokussierlinse z. B. mit einem LVDT-Sensor (s. Abschn. 1.3.1.4.1) gemessen. Bewegt man den Autofokussensor entlang einer Präzisionsführung über eine Oberfläche hinweg, so hält der Autofokusregelkreis die Fokussierlinse stets auf konstantem Abstand zur Oberfläche. Das Ausgangssignal des LVDT-Sensors gibt das Profil der Oberfläche mit hoher Ortsauflösung wieder. Eine Alternative zur Fokusregelung nach dem Foucaultschen Schneidenverfahren ist in Abb. 1.80 dargestellt. Eine astigmatische Linse (Linse mit eingeschliffener Zylindrizität) im Auswertezweig erzeugt anstelle eines Fokuspunktes zwei hintereinander liegende orthogonale Fokuslinien. Eine Anordnung von vier Photodioden detektiert den Fokussierzustand zwischen den beiden Fokuslinien und der Regelkreis führt die Fokussieroptik stets so nach, dass in der Ebene der Photodioden der Kreis kleinster Zerstreuung zu liegen kommt. Im Vergleich zum Triangulationssensor hat der Autofokussensor folgende Vorteile: Sende- und Empfangslicht sind koaxial und rotationssymmetrisch, so dass es bei Stufen oder beim Antasten des Grundes von Nuten und Bohrungen nur zu teilweisen Abschattungen kommt. Aufgrund der Fokusnachführung ist das Licht stets optimal fokussiert, so dass eine hohe laterale Ortsauflösung in der Größenordnung 1 µm erreichbar ist und Ungleichförmigkeiten der Oberfläche sich nur in geringem Maße auswirken. Nachteilig sind die durch die bewegten Massen her-
270
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Halbleiterlaser Quadrantendetektor
Abb. 1.80. Autofokussensor mit Fokusregelung mit astigmatischer Optik
Zylinderlinse Strahlteiler
induktiver Wegaufnehmer
Fokussierung
horizontaler vertikaler Fokus Fokus kleinster Zerstreukreis
Werkstück
vorgerufene Trägheit im Vergleich zu Triangulationssensoren sowie die empfindliche Mechanik. Konfokale Weißlichtsensoren
Der Brechungsindex optischer Gläser hängt von der Wellenlänge, also der Farbe des Lichtes ab. Dieser als Dispersion bekannte Effekt wird beispielsweise in Prismenspektrometern genutzt, um weißes Licht in seine spektralen Bestandteile zu zerlegen. Bei Linsen führt die Dispersion zur sog. chromatischen Aberration, einem i. Allg. störenden Effekt. Im konfokalen Weißlichtsensor wird er jedoch wie folgt zur Abstandsmessung genutzt (Abb. 1.81), [1.68]: Weißes Licht tritt aus dem Ende einer Glasfaser aus und wird mit einer Linse mit starker chromatischer Längsaberration auf die Werkstückoberfläche fokussiert. Die Brennpunkte der verschiedenen Wellenlängen liegen an verschiedenen Orten entlang der optischen Achse. Nur für eine bestimmte Wellenlänge liegt der Fokus genau auf der Oberfläche und diese spektrale Komponente wird mit höchster Effizienz wieder in die Faser zurück eingekoppelt. Das zurückgeleitete Licht wird mit einem Diodenzeilenspektrometer analysiert und die Wellenlänge maximaler Rückkopplung ermittelt. Diese ist ein Maß für den Abstand zwischen Linse und Werkstück. Wie beim Autofokussensor sind Sende- und Empfangslicht koaxial. Gegenüber diesem hat der konfokale Weißlichtsensor den Vorteil, auf bewegte Teile verzichten zu können. Der Messkopf kann sehr kompakt und mechanisch robust ausgeführt werden. Konoskopische Abstandssensoren
Der konoskopische Abstandssensor erzeugt mittels einer Laserdiode einen Lichtfleck auf der Oberfläche des Messobjekts. Ein doppelbrechender Kristall zerlegt das von dort in die Sensoroptik zurückgestreute Licht in zwei Wellenfronten, die zur Interferenz gebracht werden. Der Abstand zum Objekt ist im Streifenabstand
1 Fertigungsmesstechnik
271
Strahlteiler Glasfaser BreitbandBeleuchtung
Linse
Linse
Fokus blau
I
Dh Messobjekt
Signal
Fokus rot
l
Spektrometer
Abb. 1.81. Konfokaler Weißlichtsensor
des Interferenzmusters codiert [1.69]. Wie der Autofokussensor und der konfokale Weißlichtsensor arbeitet auch der konoskopische Abstandssensor mit koaxialer Beleuchtung und Abbildung. Er enthält keine beweglichen Teile, erreicht eine Messdatenrate von 1 kHz und weist eine Messunsicherheit von besser als 1 ‰ auf [1.70]. Der Entfernungsmessbereich ist durch Austausch der Abbildungsoptik leicht für unterschiedliche Anwendungen einstellbar. Lichtlaufzeitsensoren
Der Abstand zu einem Objekt ist mit Bezug auf die bekannte Lichtgeschwindigkeit in Luft dadurch messbar, dass die Laufzeit des Lichtes vom Sensor zum Objekt und zurück ermittelt wird. Dies geschieht entweder durch Aussenden extrem kurzer Impulse und Messen der Zeit bis zur Detektion des reflektierten Pulses oder durch den Einsatz einer periodisch modulierten Lichtquelle und die Messung der Phasenverschiebung des empfangenen Lichtes relativ zum abgestrahlten. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit des Lichtes (1 ns Laufzeit entspricht ca. 300 mm) ist die Entfernungsauflösung selbst mit aufwendiger Elektronik kaum besser als 1 mm. Für typische Anwendungen in der Fertigungstechnik ist das zwar nicht ausreichend, wohl aber für die Messung großer Abstände wie im Schiff-, Flugzeug- und Anlagenbau. Ultraschallsensoren
Abstandssensoren mit Antastung durch Ultraschall arbeiten nach dem Laufzeitverfahren. Aus der Zeitdifferenz zwischen dem Aussenden eines Schallimpulses und der Registrierung des zurückreflektierten Schalls ist der Abstand berechenbar. Da die Schallgeschwindigkeit in Luft jedoch empfindlich von der Temperatur, dem Luftdruck und weiteren Parametern abhängt, sind Präzisionsmessungen auf
272
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
diesem Wege kaum möglich. Eine Messunsicherheit der Größenordnung 1 mm bei einem Messbereich von > 10 m ist jedoch z. B. für das Ausmessen von Räumen in einem Gebäude, als Fokussiersensor für Fotoapparate oder als Einparkhilfe für Pkw völlig ausreichend. Der Vorteil gegenüber optischen Sensoren liegt im kostengünstigen und kompakten Aufbau der akustischen Sensoren. Innerhalb der Fertigungsmesstechnik setzt man Ultraschallsensoren dagegen in der Werkstoffprüfung ein [1.71] (s. C 2.3.2). Ein Ultraschallmesskopf wird über die Oberfläche des Werkstücks geführt und die Schallenergie in den Werkstoff eingekoppelt. Jede Inhomogenität des Werkstoffes wie Poren, Risse, Fremdpartikel usw., aber auch insbesondere die äußeren Oberflächen des Werkstücks reflektieren einen Teil des Schallsignals (Abb. 1.82). Aus der Laufzeit kann bei bekannter Schallgeschwindigkeit die Tiefe der Inhomogenität ermittelt werden. Bei Faserverbundmaterialien sind die Orientierungen der Faserlagen und etwaige Delaminationen erkennbar. Eine Einschränkung dieser Technik stellt der geringe Wirkungsgrad der Ultraschalleinkopplung über Luft dar. Daher wird entweder die Sensorik mit dem Werkstück in einen Wassertank getaucht oder die Kontaktzone zwischen Sensor und Werkstück wird mit einem Gel gefüllt. Bei großen Werkstücken hat sich auch die Einkopplung über einen Wasserstrahl bewährt.
Werkstück
Ultraschallmesskopf
Fehlstelle
Rückwandecho Fehlstellenecho Sendeimpuls
Abb. 1.82. Detektion von Fehlstellen im Werkstück mit Hilfe eines Ultraschallsensors
1 Fertigungsmesstechnik
273
1.3.1.5 Sensoren für die Dicken- und Durchmessermessung In industriellen Fertigungsprozessen ist die Messung der Dicke und Breite von Blechen und Bändern, des Durchmessers von Drähten oder von charakteristischen Maßen extrudierter, stranggepresster oder gewalzter Profile eine häufig zu lösende Aufgabe. 1.3.1.5.1 Taktile Dicken- und Durchmessermessung
Eine einfache mechanische Lösung basiert auf dem Prinzip der Messtaster, wobei eine elektronische Auswertung integriert wird. Um die Reibung zwischen der Messzange und dem laufenden Material gering zu halten, kommen gehärtete Kufen oder Präzisionsrollen zum Einsatz (Abb. 1.83). 1.3.1.5.2 Dickenmessung mit Triangulationssensoren
Werden zwei Triangulationssensoren mit koaxialer Messrichtung justiert und ihr Abstand durch eine Kalibriermessung ermittelt, so erhält man eine berührungslos arbeitende Messzange (Abb. 1.84). Dem im Vergleich zur taktilen Sensorik höheren Aufwand steht eine verschleißfreie Arbeitsweise, insbesondere bei empfindlichen Oberflächen, eine hohe Datenrate und die Möglichkeit, z. B. auch heiße Profile nach dem Walzen anzutasten, gegenüber. 1.3.1.5.3 Dickenmessung nach dem Prinzip des Schattenwurfs
In dieser Gerätegruppe gibt es drei Grundtypen, deren innerer Aufbau zwar unterschiedlich ist, die jedoch die folgenden Baugruppen gemeinsam haben: Eine Beleuchtungseinheit, eine Empfangseinheit und dazwischen das Messfeld, durch das das Messgut bewegt wird. Es wird die Breite des Schattens gemessen, den das Messgut wirft. Ein paralleler Strahlengang im Messfeld führt zu einer Unempfindlichkeit des Messergebnisses gegenüber seitlichen Positionsschwankungen (Abb. 1.85).
Abb. 1.83. Taktile Blechdickenmessung mit Antastung über Laufrollen
Messtaster mit Laufrolle Blech
Walzen
274
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik Abb. 1.84. Berührungslose Blechdickenmessung mit zwei Triangulationssensoren
Triangulationssensor A
Blech
Triangulationssensor B
Beleuchtungseinheit
Abb. 1.85. Prinzip der Dickenmessung nach dem Prinzip des Schattenwurfs
Messgut (Draht)
Empfangseinheit
Schattenwurfsensoren können zu zweit oder dritt gegeneinander gedreht installiert werden, um z. B. die Rundheitsabweichung von Profilen zu messen (Abb. 1.86). Bei großen Messobjekten, z. B. der Bestimmung der Breite einer Papier-, Stoffoder Blechbahn, wird nach dem sog. Prinzip der optischen Lehre je ein Sensor an den beiden gegenüberliegenden Kanten montiert (Abb. 1.87). Der Grundabstand ist durch Kalibrierung zu bestimmen. Kleine Schwankungen der Kantenlage werden mit hoher Orts- und Zeitauflösung synchron an beiden Seiten gemessen, so dass Breitenschwankungen von seitlichen Verschiebungen der Bahn unterscheidbar sind. Messlichtschranken
Eine Lichtquelle, meist eine Leucht- oder Laserdiode, befindet sich im Brennpunkt einer Kollimatoroptik, die für den parallelen Strahlengang im Messfeld sorgt. Da man das Licht nur in einer Ebene benötigt, wird die Kollimatoroptik häufig als streifenförmiger Ausschnitt aus einer Linse gefertigt, um eine schmale Bauform des Gerätes zu ermöglichen. Das Empfangsmodul ist symmetrisch zum Beleuch-
1 Fertigungsmesstechnik Messgut (Draht) Beleuchtungseinheit A
275
Abb. 1.86. Einsatz zweier gekreuzt angeordneter Schattenwurfsensoren zur Bestimmung von Durchmesser und Rundheitsabweichung
Beleuchtungseinheit B
Empfangseinheit B
Empfangseinheit A
Empfangseinheit B (verschiebbar) Verfahrschlitten mit linearem Wegmesssystem
Abb. 1.87. Optische Lehre zur Messung großer Durchmesser mit hoher Auflösung
Empfangseinheit A (fest) Beleuchtungseinheit B (verschiebbar)
Beleuchtungseinheit A (fest)
tungsmodul aufgebaut, jedoch befindet sich im Brennpunkt der Optik ein Photodetektor (Abb. 1.88). Je nach Dicke des Messobjekts wird ein mehr oder weniger großer Anteil des Messlichtes abgeschattet. Das gesuchte Dickenmaß ergibt sich aus dem Verhältnis der Intensität am Detektor mit und ohne Messobjekt. Der einfache und kostengünstige Aufbau hat zwei grundsätzliche Nachteile: Die Helligkeitsverteilung im Messfeld ist nur begrenzt gleichmäßig. Ein typischer leichter Helligkeitsabfall zum Rand führt zu einer scheinbaren Verkleinerung des gemessenen Durchmessers, wenn man ein zylindrisches Werkstück von der Mitte des Messfeldes zum Rand schiebt. Ein weiteres Manko ist die fehlende Möglichkeit zu erkennen, ob mehr als ein Objekt im Messbereich enthalten ist. Staub oder andere Verunreinigungen können zu zusätzlichem Lichtverlust führen und damit fälschlich einen größeren Durchmesser vortäuschen. Der Verzicht auf bewegte Teile lässt eine hohe Messfrequenz zu. Ein Anwendungsgebiet von Messlichtschranken sind Werkzeugmesssysteme, die an Werkzeugmaschinen zur Messung der Länge und
276
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Messobjekt Kollimator
Fokussierlinse Photodiode
Lichtquelle
Abb. 1.88. Messlichtschranke
des Durchmessers von schnell rotierenden Fräs- und Schleifwerkzeugen genutzt werden [1.72]. Zeilenkameramesssysteme
Die Einschränkungen der Messlichtschranken lassen sich beheben, wenn die Auswertung des Schattenwurfes ortsaufgelöst erfolgt. Dazu wird das Lichtbündel nach Durchlaufen des Messfeldes auf eine zeilenförmige Detektoranordnung abgebildet (Abb. 1.89). In der Regel ist dies eine CCD-Zeile mit 2048 oder mehr Sensorelementen. Auf diese Weise sind alle Hell/Dunkel-Übergänge im Bild erfassbar, auch wenn sich mehrere Objekte im Messfeld befinden. Die Ungleichförmigkeit der Ausleuchtung wird durch eine Kalibriermessung ermittelt und bei den nachfolgenden Messungen rechnerisch kompensiert. Um das Potenzial dieser Technik vollständig zu nutzen, erfolgt die Bestimmung der Kantenpositionen mit Hilfe einer Sub-Pixel-Interpolation. Dafür ist ein Modell der optischen Abbildung erforderlich. Der Helligkeitsübergang an einer Schattenkante wird durch den Effekt der Beugung bestimmt und ist abhängig von der Kohärenz des verwendeten Lichtes. Bei inkohärentem Licht entsteht ein symmetrischer, S-förmiger Intensitätsverlauf; die Kantenposition liegt beim Intensitätswert 0,5 · (Imax + Imin). Dagegen treten bei kohärentem Licht Oszillationen auf und die Kantenposition liegt bei 0,25 · (Imax + Imin) (Abb. 1.90). Die Messung der Durchmesser sehr dünner (< 0,1 mm) Fäden oder Drähte geschieht vorteilhaft mit
Messobjekt Kollimator Lichtquelle
Abb. 1.89. Zeilenkameramesssystem zur Dickenmessung
Abbildungsoptik Zeilensensor
1 Fertigungsmesstechnik
277
Laser
Imax
Imax
Imax+Imin 2
Imax+Imin 4 Imin
Imin
Pixel
Pixel
Kantenposition a)
Kantenposition b)
Abb. 1.90. Helligkeitsverlauf an einer Schattenkante. a inkohärentes Licht – die Intensität an der Kantenposition beträgt 0,5 · (Imax+ Imin); b kohärentes Licht – die Intensität an der Kantenposition beträgt 0,25 · (Imax+ Imin)
kohärentem Licht. Das entstehende Beugungsmuster erstreckt sich über den gesamten Zeilensensor und kann mit höherer Genauigkeit ausgewertet werden als der inkohärente Schattenwurf. Laserscanner
Eine andere Möglichkeit der ortsaufgelösten Messung des Helligkeitsverlaufes besteht darin, das Messfeld mit einem schmalen Lichtbündel abzurastern. In einem Laserscanner kommt dafür ein rotierender Polygonspiegel zum Einsatz, der ein Laserstrahlbündel periodisch ablenkt. Mit Hilfe einer Kollimatoroptik wird aus der Schwenk- eine Translationsbewegung des Strahlenbündels. Auf der Empfängerseite wird das Licht auf eine Photodiode fokussiert (Abb. 1.91). Das momentane Signal der Photodiode entspricht der Winkelstellung des Polygonspiegels und damit einer bestimmten Position im Messfeld. Mit Hilfe einer zuvor durchgeführten Kalibrierung ist auf diese Weise eine hochgenaue Zuordnung der Hell/ Dunkel-Übergänge zu den Kantenpositionen im Messfeld möglich. 1.3.1.6 Messung von Führungs-, Geradheits- und Orthogonalitätsabweichungen Führungen sind wichtige Bestandteile von Werkzeugmaschinen und Handhabungsgeräten. Sowohl bei der Fertigung dieser Investitionsgüter als auch bei Wartungs- und Umbaumaßnahmen ist die Prüfung der Führungsgenauigkeit erforderlich. Dazu wird eine Geradheitsreferenz benötigt, die entweder als Lineal verkörpert oder optisch erzeugt wird.
278
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
rotierender Polygonspiegel
Messobjekt Kollimator Fokussierlinse
f(t) x(f) I(t) Laser
Photodiode I(f) I(x)
Abb. 1.91. Funktionsprinzip eines Laserscanners zur Dickenmessung
1.3.1.6.1 Prüfung von Führungen mit Lineal und Taster (berührend oder berührungslos)
Präzisionslineale sind aus Stahl, Granit, Keramik oder kohlefaserverstärktem Kunststoff in unterschiedlichen Längen und Genauigkeitsklassen kommerziell verfügbar. Ordnet man ein solches Lineal parallel zu einer zu prüfenden Führung an und befestigt am Laufschlitten der Führung einen Taster, so ist eine Führungsabweichung aus dem variierenden Abstandsmesswert beim Verfahren des Schlittens bestimmbar (Abb. 1.92). Als Taster eignen sich taktile Sensoren mit induktiver bzw. optischer Auslesung oder berührungslose Sensoren wie Triangulations-, Autofokus- oder Konfokalsensoren. Da eine Führungsabweichung grundsätzlich in zwei orthogonalen Achsen auftreten kann (vertikal, horizontal), muss die Messung entweder mit um 90° geschwenktem Sensor wiederholt oder gleichzeitig mit
Präzisionslineal
zu prüfende Führung Messtaster
Abb. 1.92. Geradheitsprüfung mit Lineal
1 Fertigungsmesstechnik
279
Abb. 1.93. Orthogonalitätsprüfung mit einem Winkelnormal
Winkelnormal
Messtaster
y-Führung
x-Führung
zwei Sensoren durchgeführt werden. Die Vorgehensweise ist auch zur Geradheitsmessung an Werkstückkanten geeignet, wenn die verwendete Führung des Messschlittens als bekannte Referenz zugrunde gelegt wird. Das Verfahren kann auf die Prüfung der Orthogonalität von zwei Achsen erweitert werden, wenn ein verkörperter rechter Winkel, z. B. aus Granit, zum Einsatz kommt (Abb. 1.93). 1.3.1.6.2 Prüfung von Führungen mit Laser-Fluchtungsmesssystemen
Im Vakuum breitet sich ein Lichtbündel geradlinig aus und kann als Geradheitsreferenz genutzt werden. Bei derartigen Systemen wird ein Laserstrahlbündel parallel zur Verfahrachse ausgerichtet und auf dem Schlitten ein positionsempfindlicher Photodetektor (PSD) befestigt (Abb. 1.94). Führungsabweichungen bewirken ein Wandern des Laserstrahlbündels auf der Detektorfläche.
PSD
Laser zu prüfende Führung (hier mit deutlich erkennbarer Geradheitsabweichung)
Abb. 1.94. Laser-Fluchtungsmesssystem
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Abb. 1.95. Zweidimensionale positionsempfindliche Photodiode (PSD)
Laser
280
Y2 rY2 LY
X2 rY1
Y1 rX2 LX
rX1
X1
rY1 LY Y2 Y1 Y 2
rX1 LX X2 X1 X2
Aus den Ausgangssignalen der PSD ist die Auftreffposition des Strahlenbündels bestimmbar. Zweidimensionale PSDs erlauben die gleichzeitige Messung in horizontaler und vertikaler Richtung (Abb. 1.95), [1.73]. Abweichend von der Theorie ist das Strahlenbündel eines realen Lasers keine ideale Referenz. Einerseits führen thermische Fluktuationen im Laser selbst zu Strahllageschwankungen, andererseits ist die Homogenität des Brechungsindexes der Luft für Präzisionsmessungen oft nicht ausreichend. Temperaturgradienten und Luftturbulenzen bewirken eine Ablenkung des Strahlenbündels. Maßnahmen zur Stabilisierung des Lasers sind die Regelung der Betriebstemperatur (insbesondere bei Diodenlasern), der Aufbau eines mechanisch entkoppelten temperaturstabilen Resonators aus Zerodur oder kohlefaserverstärktem Kunststoff oder die Stabilisierung der Strahlrichtung mittels einer Monomode-Glasfaserstrecke. Der Einfluss der Luftinhomogenität kann durch Kapselung des Strahlenganges reduziert werden. Eine zeitliche Mittelung der gemessenen Auftreffpositionen erhöht ebenfalls die Stabilität. Dies setzt allerdings voraus, dass die Strahlablenkung stochastisch erfolgt. Ist dies nicht der Fall, z. B. bei zeitlich konstanten Temperaturunterschieden entlang des Strahlweges, kann eine künstliche Verwirbelung mit einem Ventilator hilfreich sein. Auch die Laser-Fluchtungsmessung ist zu einer Orthogonalitätsprüfung erweiterbar, wenn als optischer rechter Winkel ein so genannter Pentagonalspiegel bzw. ein Pentagonalprisma verwendet wird [1.74]. Diese optischen Bauelemente lenken ein Strahlenbündel unabhängig vom Einfallswinkel stets um 90° um (Abb. 1.96). In Abb. 1.97 ist dargestellt, wie zunächst das Laserstrahlbündel als Geradheitsreferenz für die x-Achse eingesetzt wird (a) und im zweiten Schritt die Prü-
1 Fertigungsmesstechnik
281
nach zwei Reflexionen um 90° abgelenktes Strahlenbündel verspiegelte Fläche
einfallendes Strahlenbündel
verspiegelte Fläche Abb. 1.96. Pentagonalprisma als optischer rechter Winkel
y Bewegung der x-Achse
a
x
PSD Laser
y
Strahlenbündel als Geradheitsnormal für die x-Achse
b
Bewegung der y-Achse Strahlenbündel als Geradheitsnormal für die y-Achse
x
PSD Pentagonalprisma als Winkelnormal
Laser
Strahlenbündel als Geradheitsnormal für die x-Achse
Abb. 1.97. Orthogonalitätsmessung mit Laser-Geradheitsmesssystem und Pentagonalprisma
282
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
fung der y-Achse mit dem durch das Pentagonalprisma orthogonal umgelenkten Strahlenbündel erfolgt (b). Eine weitere wichtige Variante der Laser-Fluchtungsmessung ist die Ausrichtung koaxialer Wellen zueinander. 1.3.1.6.3 Prüfung von Führungen mit Laserinterferometern mit Zusatzausrüstung
Der Einsatz von Laserinterferometern bei der Prüfung von Maschinenachsen beschränkt sich nicht auf die Bestimmung der linearen Positionierunsicherheit. Mit geeignetem Zubehör sind auch die Geradheits- und Orthogonalitätsprüfung möglich [1.74, 1.48]. Heterodyninterferometer arbeiten mit Zweifrequenzlasern, deren beide Frequenzkomponenten orthogonale Polarisationsrichtungen aufweisen. Ein aus zwei doppelbrechenden Prismen gefertigtes Wollaston-Prisma spaltet diese beiden Anteile symmetrisch zur optischen Achse auf. Wird das Wollaston-Prisma quer zur Strahlrichtung verschoben, so ändert sich die Strahlgeometrie nicht, wohl aber der optische Weg, da die Weganteile im optisch dichteren bzw. optisch dünneren Medium sich ändern. Dies führt zu einer Phasenverschiebung zwischen den beiden Teilstrahlen (Abb. 1.98). Mit Hilfe eines auf den Aufspaltungswinkel eingestellten Winkelspiegels werden beide Teilstrahlen in sich zurückreflektiert. Die Signalauswertung des Interferometers erlaubt die Messung der Querverschiebung des Wollaston-Prismas. Für eine Geradheitsprüfung einer Führung montiert man den Laser und den Winkelspiegel ortsfest am Anfang bzw. Ende der Verfahrstrecke und das Wollaston-Prisma auf den Verfahrschlitten (Abb. 1.99). Die Messung ist mit um 90° gedrehtem Wollaston-Prisma und Winkelspiegel zu wiederholen, um sowohl die horizontale als auch die vertikale Komponente der Führungsabweichung messen zu können. Unter Verwendung eines Pentagonalspiegels oder -prismas als optischem rechten Winkel können nacheinander zwei oder drei orthogonale Achsen jeweils auf Führungsabweichung und auf Orthogonalität zueinander geprüft werden [1.74]. Der Aufbau gemäß Abb. 1.100 ermöglicht die Messung der Verkippung des Verfahrschlittens während der Bewegung.
Zweifrequenzlaser
f1
vy
f1,f2
f f 1+Δ f1+Δf, f2-Δf Wollastonprisma
f2 -Δ f
α f2
Winkelspiegel
Abb. 1.98. Messung der Querverschiebung eines Wollastonprismas mit einem Heterodyninterferometer
1 Fertigungsmesstechnik Winkelspiegel
283
Abb. 1.99. Geradheitsprüfung mit einem Heterodyninterferometer mit Wollaston-Prisma
Wollastonprisma
zu prüfende Führung
Interferometerkopf
a
Interferometerkopf
Grundplatte A (ortsfest)
Abb. 1.100. Messung eines Kippwinkels mit einem Interferometer
Grundplatte B (auf Maschinenschlitten montiert)
1.3.1.6.4 Prüfung von Führungen mit Autokollimationsfernrohren
Misst man während der Verschiebung des Schlittens kontinuierlich seine Winkelstellung, so erhält man den Gradienten der Bahnkurve. Durch Integration ist die Kurve selbst und damit die Führungsabweichung berechenbar. Ein sehr empfindliches Instrument zur Messung kleiner Kippwinkel ist das Autokollimationsfernrohr. Eine beleuchtete Lochblende im Brennpunkt einer Kollimationslinse erzeugt ein paralleles Strahlenbündel. Dieses wird auf einen am Messobjekt befestigten Planspiegel gerichtet und durch diesen in sich zurückreflektiert. Ein Strahlteiler lenkt das nach Durchlaufen des Kollimators fokussierte Licht auf einen positionsempfindlichen Detektor (PSD oder Bildsensor). Eine Verkippung des Planspiegels führt zu einem Wandern des Fokusflecks auf dem Detektor (Abb. 1.101). Mit einer langbrennweitigen Kollimatoroptik, einem temperaturstabilen Aufbau und empfindlicher optoelektronischer Detektion liegt die Auflösung derartiger Systeme bei bis zu 1/100 Bogensekunde. Die Messung erfolgt simultan in zwei Achsen
284
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Ablenkung Bezugslage
(Δx;Δy) (α)
(Spiegel orthogonal)
PSD
Spiegel, dessen Verkippung α gemessen wird
Lichtquelle
Lochblende Kollimator Abb. 1.101. Prinzipbild eines Autokollimationsfernrohrs
Messspiegel auf Maschinenschlitten (Verkippung übertrieben dargestellt)
Abb. 1.102. Geradheitsprüfung mit einem Autokollimationsfernrohr
zu prüfende Führung (hier mit deutlich erkennbarer Geradheitsabweichung)
Autokollimationsfernrohr
(Abb. 1.102) und kann mittels eines Pentagonalspiegels oder -prismas auf die Orthogonalitätsmessung erweitert werden. 1.3.2 Geometriemessung 2-dimensional Für die Prüfung von Stanzteilen oder Profilquerschnitten ist eine eindimensionale Messung nicht ausreichend. Dies ist das klassische Anwendungsgebiet von Messmikroskopen, Profilprojektoren und zunehmend auch von Kameramesssystemen. 1.3.2.1 Messmikroskope Messmikroskope unterscheiden sich von Universalmikroskopen durch den Messtisch, mit dessen Hilfe die Messobjekte in zwei orthogonalen Achsen unter der Mikroskopoptik positioniert werden können (Abb. 1.103). Die Positionen der Achsen sind entweder an Mikrometer-Stellschrauben mit Noniusskala oder bei Vorhandensein elektronischer Wegmesssysteme an einer Digitalanzeige ablesbar. Im
1 Fertigungsmesstechnik
285
Abb. 1.103. Messmikroskop
Mikroskop y-Antrieb
Messtisch Digitalanzeige X Y
0.000 0.000
x-Antrieb
Bildfeld des Mikroskops wird ein Fadenkreuz abgebildet, das mit einem Oberflächenpunkt des Werkstücks zur Deckung gebracht wird, um die Koordinaten dieses Punktes im Bezugssystem des Messtisches zu ermitteln. Auf diese Weise können zweidimensionale Geometriemerkmale gemessen werden, wobei das Mikroskop die Funktion des Tastelements übernimmt und der Messtisch ausschlaggebend für die erreichbare Genauigkeit ist. 1.3.2.2 Profilprojektoren Profilprojektoren bilden das Messobjekt auf eine Mattscheibe ab. Je nach Abmessung der Mattscheibe und optischer Vergrößerung des Gerätes sind Profilprojektoren als Tisch- oder als Standgerät (Abb. 1.104) verfügbar. In beiden Fällen sind in der Regel unterschiedliche Beleuchtungsmodi einstellbar. Die Durchlichtbeleuchtung setzt voraus, dass das Werkstück auf einer Glasplatte liegt. Sie führt zu sehr guten Kontrasten an den Werkstückkanten und ermöglicht eine hohe dimensionelle Messgenauigkeit, zeigt jedoch nicht die Beschaffenheit der Werkstückoberfläche. Diese wird mit der Auflichtbeleuchtung sichtbar. Als Abbildungsobjektiv verwendet man häufig eine telezentrische Optik, um auch Messobjekte mit nicht vernachlässigbarer Tiefenausdehnung maßstabsgetreu abbilden zu können. Bei einer konventionellen Abbildungsoptik ist der zu einem Bildpunkt führende Strahlenkegel asymmetrisch. Verschiebt man den Gegenstandspunkt parallel zur optischen Achse, so wird das Bild unscharf. Die Asymmetrie des Strahlenbündels führt dabei zu einer Verschiebung des Schwerpunktes der Helligkeitsverteilung und damit zu einer Abhängigkeit des Abbildungsmaßstabs vom Abstand des Objekts (Abb. 1.105). Dagegen erreicht man bei einem telezentrischen Objektiv durch eine geeignet angebrachte Lochblende, dass nur ein schmales symmetrisches Strahlenbündel vom Objekt- zum Bildpunkt laufen kann. Der Schwerpunkt der Helligkeitsverteilung in der Sensorebene bleibt erhalten, auch wenn der Objektpunkt aus der Gegenstandsebene verschoben und das Bild damit unscharf wird (Abb. 1.106).
286
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik Durchlicht Auflicht Hellfeld
Messobjekt Auflicht Dunkelfeld Mattscheibe
Abb. 1.104. Großer Profilprojektor als Standgerät (Quelle: Werth Messtechnik, Gießen)
G
B1 G
Abb. 1.105. Konventionelle optische Abbildung: Maßstab ist abhängig vom Abstand
B2 B1>B2
G
B1 G
B2
Abb. 1.106. Telezentrische optische Abbildung: Maßstab ist unabhängig vom Abstand
B1=B2
Man unterscheidet im praktischen Einsatz zwischen der Messung im Bild und der Messung am Bild. Bei der Messung im Bild werden Maße z. B. mit Lineal, Winkelmesser oder Messschieber direkt an dem auf der Mattscheibe sichtbaren Bild ermittelt oder es wird eine Schablone aufgelegt, um die Abweichung von der Sollkontur zu erkennen. Die Messung im Bild ist schnell durchführbar, aber Abbildungsfehler der Optik begrenzen die Genauigkeit. Die Messung am Bild entspricht der Arbeitsweise eines Messmikroskops. Es ist ein x-y-Messtisch zur Positionierung des Messobjektes erforderlich und auf der Mattscheibe befindet sich ein feines Fadenkreuz. Punkte an den Objektkanten werden angetastet, indem sie mit dem Messtisch genau ins Zentrum des Fadenkreuzes gefahren und die x- und y-Koordinaten am Messtisch abgelesen werden. Moderne Profilprojektoren enthalten elektronische Maßstäbe mit Digitalanzeige und optoelektronische Sensoren, die automatisch den Moment erfassen, wenn eine Körperkante die Bildfeldmitte erreicht. Im Vergleich zur Messung im Bild sind höhere Vergrößerungsfaktoren möglich, da nicht das vollständige Messobjekt abgebildet werden muss. Die Genauigkeit wird wesentlich durch den Messtisch bestimmt.
1 Fertigungsmesstechnik
287
Bildsensor Abbildungsoptik
Elektronik Datenübertragung
Handhabungsgerät
Werkstück
Beleuchtungsoptik Computer Lichtquelle
Abb. 1.107. Komponenten eines Kameramesssystems
1.3.2.3 Kameramesssysteme mit digitaler Bildauswertung Die digitale Bildverarbeitung mit elektronischen Kameras hat sich seit den 1970er Jahren zu einem äußerst leistungsfähigen und flexiblen Instrument der Fertigungsmesstechnik entwickelt und findet immer neue Anwendungsfelder. Die visuelle Prüfung von Produkten durch Prüfpersonal erfordert hohe Konzentration, führt schnell zu Ermüdung und enthält stets eine subjektive Komponente. Dagegen sind automatisierte Sichtprüfgeräte auf der Basis elektronischer Kameras rund um die Uhr mit reproduzierbaren und objektiven Ergebnissen einsetzbar. Ein Kameramesssystem besteht aus den Komponenten Beleuchtung, Abbildungsoptik, Bildsensor, Signalverarbeitung und -übertragung, Digitalisierung und Bildauswertung sowie in der Regel einem Transport- und Handhabungssystem für die Werkstücke (Abb. 1.107). 1.3.2.3.1 Die Beleuchtung
Reproduzierbare und genaue optische Messungen setzen definierte Beleuchtungsverhältnisse voraus. Daher sollten bei einem Kameramesssystem nach Möglichkeit die unkontrollierbaren Lichtquellen wie Tageslicht und künstliche Raumbeleuchtung abgeschirmt und das Messobjekt mit einer Beleuchtungseinheit definiert angestrahlt werden. Da das Licht von mit Wechselspannung betriebenen Glühlampen und insbesondere Leuchtstofflampen eine Modulation mit Vielfachen der Netzfrequenz 50 Hz aufweist und Standard-Videokameras mit 25 Hz Bildfrequenz arbeiten, kann es zu einer Überlagerung dieser beiden Frequenzen in Form einer Schwebung kommen, bei der eine geringfügige Frequenzdrift zu erheblichen Hel-
288
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
ideale Kante
I
Glühlampe
50% Gasentladungslampe x ideale Kante
I Laser 25%
x Blitzlicht
Problem: Modulation I
a
τ
c
b
Δt
τ = const Δt = const e d
a
b
c
d
e
x
Lösung: DC Stromversorgung / HF Stromversorgung Abb. 1.108. Lichtquellen für die industrielle Bildverarbeitung
ligkeitsschwankungen in den Bildern führt (Abb. 1.108 unten). Es ist daher empfehlenswert, die Lichtquellen in Bildverarbeitungsanwendungen entweder mit Gleichspannung oder mit hochfrequenter Wechselspannung zu betreiben. Bewegte Objekte werden mit Hilfe von Blitzlicht „eingefroren“ (Bild 108 Mitte), wobei eine synchronisierte stroboskopische Blitzbeleuchtung die Analyse periodischer Bewegungen wie Schwingungen oder Rotationen ermöglicht. Konventionelle Blitzlampen liefern Beleuchtungszeiten zwischen 1 ms und 10 µs. Mit gepulsten Halbleiterlasern erreicht man ca. 10 ns und spezielle Pulslaser gehen bis in den Bereich < 1 ps. Zunehmende Bedeutung als Lichtquellen in der industriellen Bildverarbeitung erlangen Leuchtdioden. Sie sind klein und leicht, bieten viele Freiheiten bei der Gestaltung der Leuchten, sind vom IR bis in den nahen UV-Bereich in allen Wellenlängen verfügbar, sind modulier- und pulsbar und weisen einen hohen Wirkungsgrad auf. Durch Kombination mehrerer monochromatischer LEDs bzw. durch den Einsatz von breitbandig fluoreszierenden Farbstoffen in Kombi-
1 Fertigungsmesstechnik
289
nation mit UV-LEDs sind mittlerweile auch LED-Lichtquellen mit weißem Farbeindruck verfügbar. Ein großer Vorteil von LEDs ist die mit bis zu 100.000 Betriebsstunden im Vergleich zu ca. 1.000 Betriebsstunden bei Glühlampen sehr lange Lebensdauer. Dagegen sind Glühlampen in der Leuchtdichte überlegen. Höchste Anforderungen an die Helligkeit erfüllen Hochdruck-Gasentladungslampen. Laser, insbesondere Laserdioden, bieten die Möglichkeit, sehr kontrastreiche Muster (Punkte, Linien, Kreise, Kreuze usw.) auf die Werkstückoberfläche zu projizieren. Allerdings führt das Zusammenwirken von Beugung und Interferenz bei kohärentem Laserlicht an rauen Oberflächen zu einer ungleichförmigen Helligkeitsverteilung. Diese als Speckle-Muster bezeichnete körnige Struktur erschwert die Bildauswertung, so dass man Laser nur dann anwendet, wenn die Strahlformungsmöglichkeiten oder die Kohärenz des Laserlichtes messtechnisch genutzt werden. Zu beachten ist auch der von der Kohärenz des Lichtes abhängige Helligkeitsverlauf an Objektkanten (Bild 108 oben). Je nach Anwendung ist die Art der Beleuchtung zu wählen (Abb. 1.109). Sollen die Konturen möglichst kontrastreich abgebildet werden, so ist Durchlicht optimal. Allerdings bereitet dies in der Praxis häufig Probleme, da z. B. Glasplatten, die als transparente Werkstückauflagen verwendet werden, schmutz- und kratzempfindlich sind. Oberflächenstrukturen des Werkstücks sind nur mit Auflicht sichtbar, wobei eine diffuse Beleuchtung z. B. mit einem großflächigen Ringlicht um das Objektiv hilft, Abschattungen und Reflexionen gering zu halten. Eine Welligkeit oder Beulen auf einer ebenen Fläche sind mit einer Hellfeldanordnung gut kontrastierbar, bei der gerichtetes Auflicht so eingestrahlt wird, dass die Kamera in das spiegelnd reflektierte Lichtbündel blickt. Die Dunkelfeldanordnung, bei der das spiegelnd reflektierte Licht an der Kamera vorbei läuft, erlaubt die kontrastreiche Erkennung von Staub, Kratzern oder matten Stellen auf glatten Oberflächen, da nur von diesen Störstellen Licht diffus in die Richtung der Kamera gestreut wird.
Durchlicht
Abb. 1.109. Beleuchtungstechniken in der industriellen Bildverarbeitung
CCD Mega
CCD Mega
diffus Auflicht gerichtet Hellfeld
Dunkelfeld Me
CCD Mega
ga
D
CC
290
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Ein hohes Maß an Flexibilität bei der Realisierung derartiger Beleuchtungskonzepte bieten Lichtquellen (LED, Glüh- oder Hochdruck-Gasentladungslampen) mit faseroptischen Lichtleiterbündeln aus Kunststoff, Glas oder Quarz. Für die Bildauswertung ist ein möglichst hoher Kontrast zwischen den verschiedenen Bildelementen wesentlich. Hell- und Dunkelfeldbeleuchtung führen oft zu guten Ergebnissen. Wenn die Bildelemente unterschiedliche Farben aufweisen, kann mit Farbfiltern im Beleuchtungs- oder Beobachtungsstrahlengang der Kontrast zwischen den Bildelementen erhöht werden. Eine besondere Form der Kontrastierung ist bei Kunststoffen und organischen Flüssigkeiten möglich: Bei Beleuchtung mit ultraviolettem Licht können viele derartige Materialien zu Fluoreszenz angeregt werden. Sie leuchten dann mit charakteristischen Farben und dieses Licht lässt sich mit Hilfe passender Farbfilter im Beobachtungsstrahlengang gegenüber dem Umgebungslicht hervorheben [1.75]. 1.3.2.3.2 Das Objektiv
Die universelle Einsetzbarkeit der Kameramesstechnik beruht darauf, dass durch die Wahl des Objektivs das Messsystem in einem sehr weiten Bereich an unterschiedliche Werkstückabmessungen angepasst werden kann. Die Grundgleichungen der optischen Abbildung lauten mit den in Abb. 1.110 dargestellten Größen: y1
y2
g
b
und
(1.26a)
1 1 1 . g b f
(1.26b)
Gibt man beispielsweise die Größe des Messobjekts und den gewünschten Abstand vor, so kann damit bei bekannter Größe des Bildsensors die Brennweite f berechnet werden, die eine vollständige Abbildung des Werkstücks auf den Bildsensor erlaubt. Der exakte Abbildungsmaßstab, der für messtechnische AnHauptebene
y1 F
F'
y2
f g
Abb. 1.110. Die Grundgleichung der optischen Abbildung
f b
1 Fertigungsmesstechnik
291
wendungen bekannt sein muss, wird mit Hilfe von Kalibriermessungen an bekannten Referenzobjekten ermittelt. Man unterscheidet zwischen Festbrennweiten- und Vario- oder Zoomobjektiven. Objektive mit fester Brennweite sind kompakter, leichter und preisgünstiger als entsprechende Zoomobjektive und haben in der Regel bessere optische Eigenschaften. Sie sind daher erste Wahl bei Präzisionsmesssystemen. Zoomobjektive ermöglichen dagegen die Anpassung der Brennweite an wechselnde Objektabmessungen oder -abstände. Da mit der Brennweite auch der Abbildungsmaßstab verändert wird, ist nach jeder Verstellung eine erneute Kalibrierung erforderlich. Auch die Einstellungen von Entfernung und Blende beeinflussen die optische Abbildung. Hochwertige Objektive bieten daher die Möglichkeit der Fixierung aller Einstellringe mittels Klemmschrauben. In der Videotechnik sind auch Objektive verbreitet, deren motorisch bewegte Einstellringe die automatisierte Einstellung von Blende und Entfernung ermöglichen. Seit wenigen Jahren sind auch Objektive mit integrierten Stellelementen zum Ausgleich von Verwacklungseffekten zu akzeptablen Preisen verfügbar, was für Sichtprüfaufgaben mit robotergeführten Kameras interessante Lösungen bietet. Wie bereits in Abschn. 1.3.2.2 erläutert, haben telezentrische Objektive bei messtechnischen Anwendungen den Vorteil, dass der Abbildungsmaßstab auch bei Änderungen des Objektabstandes innerhalb eines zulässigen Arbeitsbereiches erhalten bleibt [1.76]. Der achsparallele Strahlengang führt jedoch zu der Forderung, dass der Objektivdurchmesser mindestens der Größe des Messobjekts entspricht, weshalb diese Technik aus Kostengründen in der Regel auf kleine Objektfelder (bis ca. 100 mm) beschränkt ist. Man unterscheidet zwischen objektseitig und beidseitig telezentrischen Objektiven. Letztere tolerieren auch eine Dejustierung des Bildsensors. Seit kurzer Zeit sind auch telezentrische Zoomobjektive kommerziell verfügbar [1.77]. Der Strahlengang in einem realen Objektiv weicht i. Allg. mehr oder weniger stark von dem idealisierten Verlauf gemäß den Strahlensätzen ab. Dies führt zu Abbildungsfehlern, den sog. optischen Aberrationen. Man unterscheidet die sphärische Längs- und Queraberration, die Koma, den Astigmatismus, die Bildfeldwölbung, die Verzeichnung und die chromatische Aberration [1.78]. Die Auswirkungen der Aberrationen auf das Bild sind einerseits eine Verminderung der Schärfe, d. h. eine Vergrößerung des zu einem idealen Bildpunkt gehörenden Lichtflecks, andererseits ein über das Messfeld variierender Abbildungsmaßstab. Vor allem letzteres führt bei messtechnischen Anwendungen zu Fehlern. Diese liegen bei hochwertigen festbrennweitigen Objektiven meist unter 1‰ des Messbereiches, können bei Varioobjektiven mit kurzer Brennweite aber auch erheblich höhere Werte erreichen. Voraussetzung für die Durchführung von Präzisionsmessungen mit einem Kameramesssystem ist daher eine aufwendige Kalibrierung des Objektivs, bei der ein Kalibrierobjekt an verschiedenen Stellen des Bildfeldes und in verschiedenen Abständen aufgenommen wird [1.79]. Bei der Auslegung des Objektivs müssen die Größe und die Pixelauflösung des Bildsensors berücksichtigt werden. Hochauflösende Bildsensoren liefern nur dann die geforderte Detailauflösung, wenn das Auflösungsvermögen des Objektivs dies zulässt. Ein Maß dafür ist die Modulationsübertragungsfunktion (MTF),
292
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
die dem Datenblatt des Objektivs entnommen werden kann und angibt, mit welchem Kontrast gitterförmige Objekte mit bestimmten Ortsfrequenzen abgebildet werden können. Bei großformatigen Bildsensoren, insbesondere bei Zeilensensoren, ist auch die Bildfeldausleuchtung zu beachten, damit die Bildränder ausreichende Helligkeit aufweisen. Als mechanische Schnittstelle zwischen Objektiv und Kameragehäuse hat sich das sog. „C-mount“ Gewinde als Industriestandard etabliert. Wesentlich seltener findet man Kameragehäuse mit einem der in der Kleinbildphotographie verbreiteten herstellerspezifischen Bajonettanschlüsse oder mit anderen Gewindenormen (M42, M39, T9, CS-mount, D-mount). 1.3.2.3.3 Der Bildsensor
Die Aufgabe des Bildsensors in einer elektronischen Kamera ist die Umsetzung der Helligkeitsverteilung in der Bildebene in ein elektronisches Signal. Grundsätzlich arbeiten alle Bildsensoren ortsdiskret. Die kontinuierliche Helligkeitsverteilung in der Bildebene wird mit einer endlichen Anzahl von i. Allg. gleich großen Sensorelementen, den sog. Pixeln (von engl. picture element) abgetastet und damit diskretisiert. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die Pixel in einem regelmäßigen rechteckigen Raster angeordnet. Wie bei jedem Abtastvorgang in der Messtechnik ist auch hier das Abtasttheorem nach Shannon [1.80] zu beachten. Die Helligkeitsverteilung der Objektszene kann durch eine zweidimensionale Fouriertransformation in ihr Ortsfrequenzspektrum zerlegt werden. Treten darin Ortsfrequenzen auf, die größer als die halbe Abtast-Ortsfrequenz des Bildsensors sind, so entstehen im Bildsignal Störungen, das sog. Aliasing (Abb. 1.111). In der Videotechnik ist dies z. B. als Bildflimmern oder Moiré-Struktur bekannt, wenn Personen mit fein gemusterten Kleidungsstücken ins Bild kommen. Den in der elektronischen Signalverarbeitung bekannten Anti-Aliasing-Tiefpässen am Signaleingang entspricht in der elektronischen Kamera das Zusammenwirken der Unschärfe des Objektivs, die beugungsbedingt mit einer Verkleinerung der Blendenöffnung zunimmt, mit der lichtempfindlichen Integrationsfläche des Sensorelements. Um maximale Lichtempfindlichkeit zu erhalten, versucht man, die Sensorelemente möglichst groß und die Lücken zwischen ihnen möglichst klein auszulegen. Der sog. Füllfaktor, das ist das Verhältnis der lichtempfindlichen Fläche des Bildsensors zu seiner Gesamtfläche, soll Abb. 1.111. Aliasing in einem Videobild. a Siemensstern als Testmuster; b Ausschnitt aus einem Digitalbild des Testmusters mit Aliasing-Strukturen
a)
b)
1 Fertigungsmesstechnik
293
Abb. 1.112. Abbildung eines rotierenden Rades mit einer zeilenweise sequentiell belichtenden Kamera (rolling shutter)
möglichst nahe an seinem theoretischen Maximum 1 liegen. In diesem Fall würde als Nebeneffekt Aliasing vollständig unterdrückt. Für die Aufnahme bewegter Objekte ist es wichtig, dass die Belichtung aller Sensorelemente gleichzeitig beginnt und endet. Man spricht dann von einem sog. globalen Verschluss (engl. global shutter). Abbildung 1.112 zeigt eine Abbildung eines rotierenden Rades mit einem Bildsensor mit einem sog. rollenden Verschluss (engl. rolling shutter), bei dem die Bildzeilen sequentiell belichtet werden. Die geraden radialen Linien erscheinen gekrümmt. Die für den Anwender wichtigsten Eigenschaften eines Bildsensors lassen sich auf drei Kenngrößen zurückführen [1.81]: die Ortsauflösung, die Lichtempfindlichkeit und den Dynamikumfang. Eine große Anzahl unterschiedlicher elektronischer Kameras ist kommerziell verfügbar. Die Bildröhre kommt in der Praxis kaum noch zur Anwendung, daher beschränkt sich die nachfolgende Diskussion auf die Festkörperbildsensoren. Eine Klassifikation ist einerseits gemäß dem technischen Grundprinzip, andererseits auf der Basis des Bildformates möglich.
294
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Zeilensensoren
Eine für technische Anwendungen wichtige Klasse von Bildsensoren sind die Zeilensensoren. Die Sensorelemente sind entlang einer Linie aufgereiht, werden parallel belichtet und seriell ausgelesen. Typische Anwendungen sind Messungen von „endlosem“ faden- oder bandförmigem Material, das sich kontinuierlich an der Zeilenkamera vorbeibewegt, also z. B. gesponnene Fäden, gezogener Draht, extrudierter Kunststoff, gewalztes Blech usw. Auch die Abtastung von Druckvorlagen in Scannern und Telefaxgeräten geschieht mittels Zeilensensoren. Zeilensensoren sind monochrom und farbig erhältlich. Am weitesten verbreitet sind die Pixelzahlen 1024, 2048, 4096 und 8000. Bei den Farbsensoren unterscheidet man solche, bei denen innerhalb einer einzelnen Zeile die drei Grundfarben RGB abwechselnd auftreten und sog. trilineare Farbsensoren, bei denen drei parallele Zeilen vorhanden sind (Abb. 1.113). Mit zunehmender Geschwindigkeit des Messgutes sinkt die zulässige Belichtungszeit für die Bildaufnehmerzeile, was zu einem unzureichenden Signal/ Rausch-Verhältnis führen kann. Wenn eine Verstärkung der Beleuchtung nicht möglich ist, so bietet sich der Einsatz so genannter TDI-Zeilensensoren an (von engl.: Time Delay Integration) [1.82, 1.83]. Diese enthalten mehrere parallel angeordnete Zeilen, z. B. 128 Stück. Während das Bild des bewegten Messobjekts sich über diese Zeilenanordnung hinweg bewegt, wird synchron dazu der Ladungsinhalt der Zeilen parallel für alle Pixel gleichzeitig in die jeweils nachfolgende Zeile kopiert. Erst die letzte Zeile wird seriell ausgelesen. So steht insgesamt im gewählten Beispiel die 128-fache Belichtungszeit zur Verfügung. Abb. 1.113. a Einzeilenfarbsensor mit sequentieller Farbfolge; b Trilinearfarbsensor mit drei parallelen Farbzeilen
a
b
1 Fertigungsmesstechnik
295
Flächensensoren
Zweidimensionale Bildsensoren aus dem Konsumgüter-Videobereich weisen in der Regel eine Pixelauflösung zwischen 640 × 480 und 800 × 600 auf und liefern 50 (europäische Norm CCIR) oder 60 Halbbilder (US-Norm RS 170) je Sekunde. Für messtechnische Anwendungen setzen sich zunehmend sog. Megapixelkameras mit 1024 × 1024 oder 1280 × 1024 Pixeln durch, die mit 8 bis 15 Vollbildern je Sekunde arbeiten. Größere Sensoren mit z. B. 2048 × 2048 oder 4096 × 4096 Pixeln sind wegen der hohen Kosten und der geringen Bildfrequenz in industriellen Anwendungen selten zu finden. Da bei einer Taktrate von mehr als 40 Megapixel/s das Signal/Rausch-Verhältnis der Auslesekanäle eines Bildsensors erheblich nachlässt, verfügen manche Bildsensoren über mehrere parallele Ausgangsleitungen. Für Hochgeschwindigkeitsanwendungen sind so z. B. mit 16 parallelen Ausgängen 500 Bilder je Sekunde bei 1280 × 1024 Pixeln erreichbar. Hochgeschwindigkeitskameras bieten darüber hinaus die Möglichkeit, kleinere Teilbilder mit entsprechend höherer Bildfrequenz auszugeben. Im obigen Beispiel wären z. B. 5000 Bilder/s mit 128 × 1024 Pixeln möglich. Wenn nicht die Datenrate im Vordergrund steht, sondern das Signal/RauschVerhältnis, so ist die Kühlung des Bildsensors mit einem thermoelektrischen Kühler ein probates Mittel. Bei einer Betriebstemperatur von z. T. deutlich unter 0 °C kann allerdings nur mit einer aufwendigen Kapselung des Bildsensors die Kondensation von Luftfeuchtigkeit vermieden werden. Die meisten 2D-Bildsensoren weisen ein Seitenverhältnis von 4:3 auf und haben standardisierte Bildfeldabmessungen 1/4", 1/3", 1/2", 2/3" oder 1". Diese zölligen Abmessungen beziehen sich auf Durchmesser von entsprechenden Bildröhren und geben nicht die Bilddiagonale an. Diese ist Abb. 1.114 zu entnehmen. In vielen technischen Anwendungen sind monochromatische Bildsensoren ausreichend, die nur die Helligkeitsverteilung im Bild erfassen. Wenn die Farbinformation ausgewertet werden soll, so müssen mindestens drei komplementäre Farbauszüge aufgenommen werden. Als Standard in der Videotechnik haben sich die Farbkoordinaten RGB (rot, grün, blau) durchgesetzt (Abb. 1.115). Man unterscheidet zwei Realisierungsformen: Bei der 3-Chip Lösung werden mit einem dichroitischen Strahlteiler die drei Farbauszüge getrennt und mit jeweils einem Bildsensor aufgenommen (Abb. 1.116), während bei der 1-Chip Lösung jedes einzelne Sensorelement mit einem Farbfilter versehen wird. In der Regel wird dabei das sog. Bayer-Mosaikfilter (Abb. 1.117) verwendet, bei dem der Farbauszug „grün“ entsprechend der Farbempfindlichkeit des menschlichen Auges doppelt so stark gewichtet wird wie die beiden anderen Farbauszüge. 1 Zoll 16 mm
2/3 Zoll 11 mm 9,6 mm 8,8 mm
1/2 Zoll 6,6 mm
8 mm
4,8 mm
6,4 mm
12,8 mm
Abb. 1.114. Typische Abmessungen von elektronischen Bildsensoren
1/3 Zoll 5,5 mm 3,3 mm 4,4 mm
1/4 Zoll 4 mm 2,4 mm 3,2 mm
296
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Relative spektrale Empfindlichkeit
Abb. 1.115. Spektrale Empfindlichkeitsverteilung der standardisierten Rot (R)-, Grün (G)-, Blau (B)-Farbkanäle in der digitalen Bildverarbeitung
G
1,0
B
0,8
R
0,6
0,4
0,2
0,0
400
500 600 Wellenlänge [nm]
Abb. 1.116. RGB-Strahlteilerprisma einer 3-Chip Farbkamera
Farbfilter
RGB Prisma
CCD Chip Blau
700
CCD Chip Grün
CCD Chip Rot
Die 3-Chip Lösung erreicht naturgemäß eine höhere Auflösung und höhere Lichtempfindlichkeit. Sie ist jedoch in der Herstellung wesentlich aufwendiger und teurer, da die drei Chips pixelgenau zueinander justiert werden müssen. Eine recht neue Variante von 1-Chip-Sensoren nutzt die unterschiedliche Eindringtiefe der verschiedenen Lichtwellenlängen in Silizium. In einem dreischichtigen Aufbau werden in der oberen Ebene die blauen, darunter die grünen und in der untersten Schicht die roten Lichtanteile aufgenommen, so dass für jedes Pixel alle drei Farbauszüge verfügbar sind [1.84, 1.85]. Die spektrale Empfindlichkeit von Bildsensoren auf Silizium-Basis ist im Bereich zwischen 300 nm und 700 nm ausreichend für technische Anwendungen. Eine Erweiterung bis ca. 900 nm ist durch besondere Gestaltung möglich. UV- und
1 Fertigungsmesstechnik
297
Abb. 1.117. Bayer-Mosaikfilter für eine 1-Chip Farbkamera
Röntgenstrahlung ist mit Hilfe einer fluoreszierenden Schicht auf dem Bildsensor in den sichtbaren Spektralbereich umsetzbar. Klassifikation der Bildsensoren auf der Basis des technischen Grundprinzips
Praktisch alle derzeit verwendeten Bildsensoren basieren entweder auf der CCDoder der CMOS-Technik. Beide Sensortypen beruhen auf dem inneren photoelektrischen Effekt, durch den die Photonen des Lichtes im Halbleiter Ladungsträgerpaare aus Elektronen und Löchern erzeugen. Ein CCD-Bildsensor [1.86] besteht aus einer Schicht aus p-dotiertem Silizium. Darüber befindet sich eine dünne lichtdurchlässige Isolationsschicht aus SiO2, die eine Anordnung kleiner Elektroden trägt (Abb. 1.118). Die Anordnung aus Elektrode, Isolationsschicht und Grundmaterial stellt einen Kondensator dar, an den während der Belichtung eine Spannung U0 angelegt wird. Das elektrische Feld trennt die durch die Photonen erzeugten Ladungsträgerpaare; die Elektronen sammeln sich unter der Elektrode. Die Ladung ist proportional zur während der Belichtungszeit eingefallenen Lichtmenge. Bei einem CCD-Bildsensor werden die einzelnen Pixel ausgelesen, indem die durch die Belichtung angesammelten Ladungen schrittweise von Zelle zu Zelle weitergegeben werden. Von diesem Prinzip leitet sich auch der Name Charge Coupled Device (Ladungsgekoppeltes Bauelement) ab. Für diesen Ladungstransport enthält jedes Pixel drei unabhängig ansteuerbare Elektroden. Die Steuerspannung wird gemäß Abb. 1.118 nacheinander an die drei Elektroden gelegt. Die dadurch verschobene Potenzialmulde zieht die gesammelten Elektronen mit, bis nach einem vollständigen Durchlauf das Ladungsmuster um ein Pixel verschoben ist. Da dieser Transport beinahe verlustfrei erfolgt, ist es möglich, eine Ladung über mehrere tausend Zellen hinweg weiterzugeben, um sie am Rand des Chips auszulesen. CCD-Bildsensoren enthalten lichtempfindliche Sensorzellen und solche, die nur für den Ladungstransport bestimmt und i. Allg. mit einer lichtdichten Beschichtung versehen sind. Eine typische Anordnung für Zeilensensoren ist in Abb. 1.119 dargestellt. Die während der Belichtung in der Sensorzeile gespeicherten La-
298
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik U0
0
0
1/2 U0
1/2 U0
0
0
U0
0
A
B
C
Abb. 1.118. Funktionsprinzip eines CCD-Schieberegisters
t1
t2
t3
Abb. 1.119. CCD-Zeilensensor
Sensorzeile
Transportzeile für geradzahlige Pixel
Signal g
Transportzeile für ungeradzahlige Pixel
Signal u
dungen werden mit dem Auslesetakt getrennt nach gerad- und ungeradzahligen Pixeln in die beiden parallelen CCD-Register verschoben, aus denen sie danach seriell ausgelesen werden. Während dieser Zeit integriert die Sensorzeile bereits das nächste Ladungsmuster. Durch die Verwendung zweier CCD-Transportregister verdoppelt sich die Auslesegeschwindigkeit. Am Ausgang erfolgt mit einer Integratorschaltung die Umsetzung der Ladung in eine dazu proportionale Spannung. Bei Flächensensoren gibt es zwei unterschiedliche Bauformen. Der Interline(IL)Aufbau besteht abwechselnd aus Spalten mit lichtempfindlichen und abgedunkelten Zellen (Abb. 1.120). Zum Auslesen der Bildinformation werden zunächst die Ladungen aus den lichtempfindlichen Sensorelementen gleichzeitig innerhalb
1 Fertigungsmesstechnik
299
eines kurzen Taktes von ca. 2,5 µs in die parallel verlaufenden abgedunkelten Spalten geschoben. Während die Sensorelemente bereits wieder zur Belichtung bereit stehen, werden die Transportregister sequentiell ausgelesen, indem iterativ das gesamte Ladungsmuster um ein Pixel in Spaltenrichtung nach oben geschoben, dadurch die oberste Ladungszeile in die Auslesezeile gelangt und dort sequentiell zum Ausgang geschoben wird. Frame-Transfer(FT)-CCDs bestehen aus einer lichtempfindlichen (Belichtungszone) und einer abgedunkelten (Speicherzone) Hälfte (Abb. 1.121). Zum Auslesen wird zuerst das vollständige Bild aus der Belichtungszone in die lichtunempfindliche Hälfte geschoben. Das Auslesen der Speicherzone erfolgt analog zu der Vorgehensweise bei den Interline-Transfer-CCDs. Eine weitere Variante sind die Full-Frame-Transfer(FFT)-CCDs, bei denen auf die zusätzliche Speicherzone verzichtet wird (Abb. 1.122). Die Ladungen verbleiben nach der Belichtung in der Belichtungszone und werden von dort zeilenweise ausgetaktet. Während des Austaktens muss der Sensor mit einem mechanischen Verschluss abgedunkelt werden. FFT-CCDs haben den Vorteil, dass der größtmögliche Anteil der verfügbaren Chipfläche lichtempfindlich ist. Man findet sie vorwiegend mit sehr großer Pixelzahl (≥ 16 Millionen) im wissenschaftlichen Gerätebau, jedoch nur selten in der industriellen Bildverarbeitung FT-CCDs sind kostengünstiger in der Fertigung als IL-CCDs und erreichen in der Belichtungszone einen Füllfaktor (Verhältnis der optisch genutzten Fläche eines Pixels zu seiner Gesamtfläche) von nahezu 100 %, was vorteilhaft für die
300
Teil C Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Lichtempfindlichkeit und für die Unterdrückung von Aliasing-Effekten ist. Dagegen kann die zusätzliche Belichtung während des Transports in die Speicherzone zu Bildfehlern (Smear) führen. Bei hochwertigen Interline-Transfer-Bildsensoren wird der prinzipbedingt schlechtere Füllfaktor durch ein Linsenarray verbessert, das das einfallende Licht auf die lichtempfindlichen Sensorzellen fokussiert. Der schaltungstechnische Aufbau von CMOS-Bildsensoren basiert auf Standardverfahren aus der Digitaltechnik. CMOS-Bildsensoren enthalten ebenfalls eine große Anzahl regelmäßig angeordneter lichtempfindlicher Sensorzellen, die aus Photodioden bzw. -transistoren und Kondensatoren aufgebaut sind. Das Ladungsmuster wird allerdings nicht sequentiell ausgelesen, sondern ähnlich einem Digitalspeicher durch wahlfreien Zugriff auf eine Sensorzelle. Dafür sind Adressleitungen für Zeilen und Spalten vorgesehen. Ein Vorteil gegenüber der CCD-
1 Fertigungsmesstechnik
301
Technik ist, dass nicht unbedingt das vollständige Ladungsbild ausgelesen werden muss, sondern dass man sich auf die für die Auswertung wichtigen Bildteile, die sog. Regions Of Interest (ROI) beschränken kann. Dies hilft, die Bildrate erheblich zu erhöhen und die zu verarbeitende Datenmenge zu verringern. Der Leistungsverbrauch von CMOS-Bildsensoren beträgt nur etwa 1/10 dessen vergleichbarer CCD-Bildsensoren, was beim Einsatz in batteriebetriebenen Geräten vorteilhaft ist. Aufgrund der vergleichsweise einfachen Schaltungstechnik haben CMOSBildsensoren gegenüber CCD-Bildsensoren einen Kostenvorteil. Eine Schwäche der frühen CMOS-Bildsensoren war ein starkes Rauschen, da die langen hochohmigen Ausleseleitungen auf dem Chip störempfindlich sind. Neuere Generationen enthalten an jedem Pixelort einen integrierten Vorverstärker zur Anhebung des Signalpegels, so dass das Signal/Rausch-Verhältnis verbessert wird. Noch weiter gehen Spezialentwicklungen, sog. Active-Pixel-Sensoren, bei denen bereits ein Teil der Elektronik für die Signalauswertung in den Pixeln integriert ist. Ebenfalls mit einzeln adressierbaren Pixeln arbeiten CID-Bildsensoren (Charge Injection Device), die als Besonderheit die Möglichkeit bieten, während der Belichtungszeit die Bildinformation zerstörungsfrei auszulesen [1.87]. So können bei sehr kontrastreichen Bildern zunächst die hellen Bereiche und nach weiterer Integrationszeit die dunkleren Bereiche ausgewertet werden. CID-Sensoren sind bauartbedingt sehr robust gegen hochenergetische Strahlung und kommen daher z. B. in radioaktiv belasteten Räumen oder in der Weltraumtechnik zur Anwendung [1.88].
302
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
1.3.2.3.4 Die elektronische Signalverarbeitung
Zweidimensionale Bildsensoren kommen in sehr großen Stückzahlen in Konsumprodukten der Videotechnik zum Einsatz. Derartige Großserienprodukte sind zwar vergleichsweise preisgünstig, jedoch meist nicht für industrielle Anwendungen optimiert. So ist darauf zu achten, dass eine in der Signalverarbeitungselektronik der Kamera eventuell integrierte automatische Belichtungsregelung (Automated Gain Control, AGC) oder Kontrastanhebung für messtechnische Anwendungen abschaltbar sein muss. Die Pixelauflösung von Videokamera-Bildsensoren ist meist auf maximal 800 × 600 Pixel beschränkt. Die Auslesung erfolgt aufgrund der in der Frühzeit der Videotechnik begrenzten Bandbreite mit 25 Bildern je Sekunde, was bei der Wiedergabe für das Auge des Betrachters zu einem störenden Flimmern führt. Das menschliche Auge lässt sich allerdings durch die sog. Zeilensprungtechnik überlisten, bei der das Bild kammförmig in zwei Halbbilder aufgetrennt wird, die mit der doppelten Bildwechselfrequenz nacheinander zur Anzeige kommen (Abb. 1.123). Alle Fernsehbildformate (PAL, NTSC, SECAM) codieren die Bildinformation in dieser Weise. Zusätzlich werden dem Bildsignal Steuersignale überlagert, die den Beginn einer neuen Zeile bzw. eines neuen Halbbildes signalisieren. Zur digitalen Auswertung solcher analogen Bildsignale benötigt man sog. Framegrabber, die als Zusatzkarten für handelsübliche PCs verfügbar sind. Typische Framegrabber enthalten einen Multiplexer am Eingang, mit dem eine von mehreren angeschlossenen Kameras anwählbar ist, Verstärker, spezielle elektronische Filter zum Abtrennen der Steuersignale, einen regelbaren Taktgenerator zur Synchronisation der Abtastung, einen Analog/Digital-Umsetzer, einen Bildspeicher mit einer Adressierlogik zum Vereinigen der getrennt übermittelten Halbbilder und eine Bus-Schnittstelle zur Übergabe der Daten an den Auswerterechner (Abb. 1.124). Heutige PCs verfügen über genügend große und schnelle Arbeitsspeicher sowie genügend Rechenleistung zur Ausführung von Bildauswerteoperationen, insbesondere bei Verwendung spezieller Befehlssätze für Multimedia-Anwendungen (z. B. Intel MMX). Nur in Ausnahmefällen sind daher spezielle Hochleistungs-Signalprozessoren auf der Framegrabberkarte erforderlich. Die Digitalisierung erfolgt in der Regel mit 8 Bit, was einerseits dem Signal/ Rausch-Verhältnis von typ. 50–55 dB der elektronischen Kameras angemessen ist, andererseits der byteweise organisierten Datenverarbeitung entgegenkommt. Seltener findet man Bildcodierungen mit 10 Bit (entsprechend 60 dB). Mit gekühlten Bildsensoren und niedriger Bildrate sind auch 12 Bit, 14 Bit oder gar 16 Bit erreichbar. 1. Halbbild 1. Zeile 3. Zeile 5. Zeile 7. Zeile 9. Zeile
2. Halbbild 2. Zeile 4. Zeile 6. Zeile 8. Zeile 10. Zeile
Abb. 1.123. Prinzip des Zeilensprungverfahrens
1 Fertigungsmesstechnik
Ste
ue run g
Synchronisierung/ Taktsignalerzeugung (PLL)
Pixeltakteingang (optional) SynchronimpulsAusgang (optional)
Steuerung
Synchronsignalabtrennung
hsync / vsync
Abtast-Halte-Glied Daten Digitalisierung
tak elt ng Pix ueru ste
Bildspeicher/ FIFO
Addresse Steuerung
Daten
Video Eingang Multiplexer
hsync / vsync
Video Eingänge
303
Synchronsignalgenerator
Bus Abb. 1.124. Blockschaltbild eines Framegrabbers
Die Übertragung und Auswertung von hochfrequenten Analogsignalen birgt das Risiko einer Beeinträchtigung durch Störsignale. Außerdem enthält das Signal einer Bildzeile keine Information über die Pixelzahl des Bildsensors. Im Framegrabber wird eine willkürlich festgelegte Abtastfrequenz eingestellt, z. B. 512 Pixel je Zeile, und über eine PLL(Phase Locked Loop)-Regelung mit den Steuersignalen für den Zeilenanfang synchronisiert. Der feste Pixelbezug im Bild geht verloren. Statt auf die mit hoher Präzision photolithographisch gefertigte Pixelgeometrie des Bildsensors bezieht sich die Bildauswertung auf einen weniger genauen Oszillatortakt. Die Halbbildübertragung führt bei bewegten Objekten zudem zu sog. Kammeffekten (Abb. 1.125). Die beiden Halbbilder zeigen einen Versatz, während das Bild einer Vollbildkamera (progressive scan) stetige Kanten zeigt. Für messtechnische Anwendungen sind Bildsignale nach Videonorm daher nur bedingt geeignet. Eine Verbesserung stellen Kameras dar, die Vollbilder aufnehmen und parallel zum Bildsignal einen Pixeltakt ausgeben, auf den die Abtastung im Framegrabber synchronisiert wird, um den Pixelbezug zu behalten. Noch besser an die Anforderungen der industriellen Bildverarbeitung angepasst sind asynchron triggerbare Kameras, die auf einen Schaltimpuls hin mit meist vernachlässigbarer Verzögerung ein Bild aufnehmen. Zur Vermeidung von Unschärfe bei bewegten Objekten ist bei solchen Kameras in der Regel die Belichtungszeit elektronisch einstellbar, wobei typisch minimale Belichtungszeiten von ca. 10 µs realisierbar sind. Die besten Resultate liefern Kameras, die eine Signalvorverarbeitung inklusive A/D-Umsetzung enthalten und die Bild- und Steuersignale über eine digitale Schnittstelle bereitstellen. Während die ersten digitalen Kameras in den späten 1980er Jahren trotz Bezugnahme auf Standards (RS422, LVDS) jeweils herstellerspezifische Schnittstellen mit unterschiedlichen Steckern und Kabeln aufwiesen, haben sich in der Zwischenzeit genormte Digitalschnittstellen etabliert [1.89]. Die Schnittstellen USB 2.0 (bis 60 MB/s) [1.90] und IEEE-1394a (bis 50 MB/ s) [1.91, 1.92] bzw. IEEE-1394b (bis 100 MB/s) wurden als universelle PeripherieSchnittstellen für Standardcomputer entwickelt und stehen daher in den meisten PCs bereits serienmäßig zur Verfügung. Entsprechende Kameras können direkt
304
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Abb. 1.125. Kammeffekt bei der Abbildung eines bewegten Objekts mit einer Kamera mit Zeilensprungabtastung (interlaced).
ohne zusätzliche Schnittstellenkarte an den Rechner angeschlossen werden. Dagegen wurde die CameraLink-Schnittstelle [1.93, 1.94] speziell für Videoanwendungen entwickelt. Mit – je nach Ausbaustufe – bis zu 680 MB/s bietet sie die mit Abstand höchste Datenrate, jedoch erfordert sie aufgrund der großen Zahl paralleler Leitungen größere - allerdings auch robustere - Steckverbinder und dickere und steifere Anschlusskabel als die zuvor genannten seriellen Schnittstellen. CameraLink Schnittstellen müssen in der Regel als zusätzliche Einsteckkarte im Rechner installiert werden. In naher Zukunft sind als Alternativen Kameras mit der aus Local Area Networks (LAN) bekannten Ethernet-Schnittstelle (Gigabit Ethernet / GigE) zu erwarten, die direkt in ein lokales Rechnernetz bzw. ins Internet integriert werden können. Auch die aus dem Bereich der Massenspeicher bekannten SAS- bzw. SATA-Schnittstellen haben Zukunftspotenzial in der Videotechnik. Selbst anspruchsvolle Aufgaben mit mehreren parallelen Hochgeschwindigkeitskameras sollen mit dem vom PC-Marktführer Intel angekündigten Standard PCI-Express realisierbar werden. Bei einer Bandbreite zwischen 250 MB/s und 12 GB/s bietet er eine maximale Verbindungslänge von 300 m über Glasfaser und da er in künftigen PC-Generationen serienmäßig zur Verfügung stehen soll, ist mit geringen Kosten zu rechnen [1.89].
1 Fertigungsmesstechnik
305
Bei der Auswahl der bestgeeigneten Schnittstelle für eine Bildverarbeitungsanwendung sind neben der Bandbreite auch Aspekte wie zulässige Länge der Anschlusskabel, Kosten der Verkabelung, Robustheit und Störsicherheit, Zugriff auf vorhandene PC-Schnittstellen und Anzahl der Kameras zu beachten [1.95]. Die fortschreitende Miniaturisierung der Elektronik ermöglicht die Integration eines Computers zur Bildauswertung in die Kamera. Derartige integrierte Bildverarbeitungssysteme werden unter Bezeichnungen wie „intelligente Kamera“ oder „smart camera“ von verschiedenen Herstellern angeboten. Je nach Leistungsklasse enthalten sie Microcontroller, PC-kompatible Computerboards oder spezielle Signalprozessorschaltungen. Da die digitalisierten Bilder direkt verarbeitet werden und nur Ergebnisse einer Messung oder Prüfung zu übertragen sind, ist die erforderliche Bandbreite der Datenschnittstelle nach außen relativ gering. Ist ein Ethernet-Anschluss vorhanden, so kann der Bediener von einem Steuerrechner aus über das Internet mit der Kamera kommunizieren. Es ist zu erwarten, dass diese Form der dezentralen autarken digitalen Bildverarbeitung sich im Rahmen des gegenwärtigen Einzugs des Ethernets in Produktionsbereiche in vielen industriellen Anwendungen durchsetzen wird. 1.3.2.3.5 Die digitale Bildverarbeitung
Im Arbeitsspeicher des Auswerterechners liegt das digitalisierte Bild in Form einer Matrix von Integerzahlen vor. Bei einer Digitalisierung mit 8 Bit erhält ein dunkles Pixel den Zahlenwert 0 und ein voll ausgeleuchtetes den Wert 255. Die Daten werden mit der obersten Zeile beginnend zeilenweise im Speicher abgelegt, so dass in der Regel das Pixel (0,0) oben links liegt. Mit Hilfe von Alignment-Bytes werden die Zeilenlängen auf Vielfache von vier erweitert, um die Bearbeitung in 32 Bit breiten Registern zu vereinfachen. Grafik-Datenformate wie BMP, GIF, TIF, PNG stellen Variationen dieser Struktur dar. Dagegen entsteht das weit verbreitete JPEG-Dateiformat durch Anwenden eines verlustbehafteten Kompressionsalgorithmus und eignet sich nur sehr bedingt für Anwendungen der industriellen Mess- und Prüftechnik. Das Ziel der Bildauswertung in der Mess- und Prüftechnik ist die Ermittlung von Informationen über Objekte in der betrachteten Szene, z. B. die Bestimmung des Durchmessers einer Bohrung oder die Prüfung einer Oberfläche auf Kratzerfreiheit oder einer bestückten Platine auf Vollständigkeit. Allgemein lassen sich die Aufgabenfelder Objekterkennung, Lageerkennung, Vollständigkeitsprüfung, Form- und Maßprüfung und Oberflächeninspektion spezifizieren [1.96]. Zur Auswertung digitaler Bilder steht dem Anwender eine große Zahl spezieller Rechenverfahren in Form von Softwarebibliotheken verschiedener Anbieter zur Verfügung [1.97]. Die einfachsten Verfahren der Bildverarbeitung sind mathematische Methoden, die auf die Bilddatenmatrix angewandt werden. Dabei erhält man für jedes Pixel einen neuen Zahlenwert. Bei Punktoperationen wird jedes Pixel unabhängig von seiner Nachbarschaft behandelt. Durch Multiplikation mit einem konstanten Faktor und durch Addition einer Konstanten lassen sich die Helligkeit und der Kontrast beeinflussen. Diese Operationen dienen nur der besseren Darstellung. Eine wichtige Punktoperation ist die Binarisierung, bei der jedem Pixel durch Vergleich des Zahlenwertes mit
306
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Abb. 1.126. Binarisierung eines Grauwertbildes
einem Schwellenwert entweder der Wert 0 oder der Wert 1 zugeordnet wird (Abb. 1.126). Auf diese Weise lassen sich z. B. Objekte in einem Bild identifizieren. Zur Bestimmung eines sinnvollen Schwellenwertes wird die Grauwertverteilung im Bild mit Hilfe eines Histogramms untersucht. Ideal geeignet sind Bilder mit bimodalem Histogramm, bei denen also z. B. helle Objekte sich deutlich von einem dunklen Hintergrund abheben (Abb. 1.127). Im Histogramm bilden die Bildpunkte von Hintergrund und Objekten dann zwei deutlich getrennte Häufungen. Ein geeigneter Schwellenwert wäre dann z. B. der Mittelwert aus den beiden Maxima der Verteilung. Bildverarbeitungsalgorithmen, bei denen eine Nachbarschaft um das betrachtete Pixel in die Auswertung eingeht, werden als Nachbarschaftsoperatoren bezeichnet. Lineare Nachbarschaftsoperatoren sind in Form von sog. Filtermatrizen mit einer ungeraden Anzahl von Zeilen und Spalten darstellbar, z. B.: §m m1,2 ¨ 1,1 M ¨ m2,1 m2,2 ¨¨ © m3,1 m3,2
m1,3 · ¸ m2,3 ¸ . ¸ m3,3 ¸¹
(1.27)
Die Bildfilterung ist keine Matrizenmultiplikation, sondern wie folgt durchzuführen: Für jeden Bildpunkt pi,j wird der neue Wert p*i,j gemäß pi*, j
pi 1, j1m1,1 pi 1, jm1,2 pi 1, j1m1,3
pi , j1m2,1 pi , jm2,2 pi , j1m2,3 pi 1, j1m3,1 pi 1, jm3,2 pi 1, j1m3,3
(1.28)
1 Fertigungsmesstechnik
307
Kalibrierplatte mit hellen Kreismarken vor dunklem Hintergrund
70000
Anzahl Pixel 60000
Zum dunklen Hintergrund gehörende Pixel 50000
40000
Sinnvoller Schwellenwert für die Binarisierung
30000
20000
Zu den Kreismarken gehörende Pixel
10000
0 0
50
100
150
200
250
Grauwert
Abb. 1.127. Grauwertbild und dazugehöriges bimodales Histogramm einer Kalibrierplatte.
berechnet, wobei an den Bildrändern sinnvolle Ergänzungen vorzunehmen sind. Einige häufig eingesetzte Filter sind: Der horizontale Sobel-Operator §1 2 1· ¸ ¨ (1.29) Sy ¨ 0 0 0 ¸ ¨ 1 2 1 ¸ ¹ © berechnet eine partielle erste Ableitung des Helligkeitsprofils und hebt horizontal verlaufende Kanten im Bild hervor (Abb. 1.128a).
308
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Dagegen zeigt der vertikale Sobel-Operator § 1 0 1 · ¨ ¸ Sx ¨ 2 0 2 ¸ ¨ 1 0 1 ¸ © ¹
(1.30)
senkrecht verlaufende Kanten an (Abb. 1.128b). Als richtungsunabhängiger Kantenfinder wirkt der Laplace-Operator § 1 1 1 · ¨ ¸ L ¨ 1 8 1 ¸ , ¨ 1 1 1 ¸ © ¹
(1.31)
der einer zweiten Ableitung des Helligkeitsprofils entspricht (Abb. 1.129). a
b
Abb. 1.128. Wirkung des a horizontalen bzw. b vertikalen Sobel-Operators auf das Grauwertbild aus Abb. 1.127
Abb. 1.129. Wirkung des Laplace-Operators auf das Grauwertbild aus Abb. 1.127
1 Fertigungsmesstechnik
309
Störendes Rauschen im Bild kann mit Tiefpassfiltern wie dem Gaußfilter
G
§1 2 1 · 1¨ ¸ ¨2 4 2¸ 16 ¨ ¸ ©1 2 1 ¹
(1.32)
reduziert werden. Den damit verbundenen Nachteil, das Verschleifen von Hell/ Dunkel-Übergängen, vermeidet der Median-Filter. Bei diesem nichtlinearen Filter werden der betrachtete Pixelwert und die acht ihn umgebenden Werte der Größe nach sortiert in eine Liste eingetragen und es wird der mittlere der neun Werte als neuer Pixelwert eingesetzt. Etwa vorhandene rauschbedingte Ausreißer stehen stets am Anfang oder am Ende der Liste und fallen damit heraus. Nach diesen Vorverarbeitungsschritten erfolgt mit Methoden der morphologischen Bildverarbeitung die Suche nach Objekten im Bild und die möglichst genaue Ermittlung ihrer Positionen. Eine Objektkante wird i. Allg. nicht ideal scharf als Stufe der Helligkeitsverteilung auf den Bildsensor abgebildet, sondern aufgrund von Beugung und gegebenenfalls Defokussierung als stetiger Helligkeitsübergang, der sich über mehrere Pixel erstrecken kann. Gerade diese Unschärfe bietet die Möglichkeit, die Position der Kante durch Anwendung einer Interpolation auf Bruchteile eines Pixels genau zu bestimmen (Abb. 1.130). Das Auflösungsvermögen für die Lagebestimmung von Kanten ist im Wesentlichen vom Signal/ Rausch-Verhältnis abhängig und kann besser als 1/10 Pixel sein. Ergebnis dieses
Laser
Line Plot
Line Plot
Imax
Imax Imax+Imin 2
Imax+Imin 4
Imin
Imin Kantenposition
Pixel
Abb. 1.130. Interpolation bei der Bestimmung der Kantenposition
Kantenposition
Pixel
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Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Auswertungsschritts sind die Positionen der Kantenpunkte des Objekts, z. B. die auf dem kreisförmigen Rand einer Bohrung liegenden Kantenpunkte. Bis zu dieser Stelle arbeitet die digitale Bildauswertung in der Regel mit einem rechtwinkligen Koordinatensystem mit den Einheiten Pixelbreite in der x-Richtung und Pixelhöhe in der y-Richtung. Die gesuchten Messwerte, z. B. der Bohrungsdurchmesser, müssen jedoch in Weltkoordinaten in der Einheit Meter bestimmt werden. Dazu ist eine Kalibrierung der Messkamera erforderlich. In einfachen Anwendungen genügt ein Maßstab im Bild, mit dessen Hilfe man die Umrechnung Pixel → Meter berechnen kann. Wenn allerdings eine hohe Genauigkeit gefordert wird und auch die Abbildungsfehler des Objektivs und die Abhängigkeit des Abbildungsmaßstabs vom Abstand berücksichtigt werden sollen, so sind spezielle Kalibrierplatten und aufwendige Einmessvorgänge unvermeidlich [1.79]. Nach der Transformation der Bildpunkte in das Weltkoordinatensystem kann in obigem Beispiel ein Ausgleichskreis durch die Punkte berechnet werden, aus dem sich der Durchmesser und die Position des Mittelpunkts ergeben. Neben der maßlichen Prüfung ist die Objekterkennung eine typische Aufgabe in der industriellen Prüfung. So kann z. B. in einer variantenreichen Fertigung automatisiert geprüft werden, ob jeweils die richtigen Anbauteile an das Band geliefert werden. Dies geschieht entweder durch den Vergleich mit abgespeicherten Musterbildern (template matching) oder durch Berechnung einer Anzahl von Kenngrößen (Farbe, Fläche, Flächenträgheitsmoment, minimaler Krümmungsradius usw.) aus den Bilddaten. Diese Kenngrößen werden so gewählt, dass die zu unterscheidenden Objekttypen im durch die Kenngrößen aufgespannten abstrakten Merkmalsraum möglichst weit auseinander liegen. Das ist zwar aufwendiger als das template matching, ermöglicht aber eine größere Flexibilität. Ein wichtiger Sonderfall der Objekt- oder Mustererkennung ist die Schrifterkennung (Optical Character Recognition OCR). 1.3.3 Geometriemessung 2½-dimensional Die Abbildung mit einer Kamera reduziert ein dreidimensionales Objekt auf eine zweidimensionale Helligkeitsverteilung. Dennoch gibt es Messverfahren mit elektronischen Kameras, die dreidimensionale Geometriemerkmale erfassen können. Als Einschränkung muss jedoch die Bedingung erfüllt sein, dass alle relevanten Objektpunkte vom Standort der Kamera aus sichtbar sind, was z. B. für die Rückseite des Objekts i. Allg. nicht erfüllt ist. Eine vollständige dreidimensionale Erfassung eines Objekts ist also nur durch Wiederholung der Messung aus mehreren Richtungen und Zusammenfügen der so gewonnenen Datensätze möglich. In der hier gewählten Systematik sollen diese optischen Messverfahren daher durch die Bezeichnung 2½D von echten 3D-Messverfahren unterschieden werden. 1.3.3.1 Optische Koordinatenmessgeräte Erweitert man ein Messmikroskop (Abschn. 1.3.2.1) mit dem zweiachsigen Messtisch um eine vertikale Messachse, so ist zusätzlich zur Messung der Außenkontur
1 Fertigungsmesstechnik
311
auch das Oberflächenprofil messbar. Die Voraussetzung dafür ist die Integration einer Autofokusregelung, die die Mikroskop-Optik stets auf konstanten Abstand zur Oberfläche regelt. Die Fokusdetektion ist durch Auswerten der Bildschärfe möglich. Bei bester Fokussierung erreicht der Bildkontrast ein Maximum. Eine Alternative zur Nachführung der Optik entlang des Oberflächenprofils besteht darin, das Werkstück in definierten Schritten auf die Kamera zuzubewegen und zu jedem Schritt ein Bild aufzunehmen. Für jedes Pixel der Kamera sucht die Auswertesoftware in diesem sog. Bildstapel das Bild mit der höchsten lokalen Schärfe und legt den zugehörigen Objektabstand als Höhenwert für das betrachtete Pixel im Speicher ab. Aus den so gewonnenen Daten entsteht durch Invertieren das Höhenprofil des Werkstücks. Je größer die numerische Apertur, d. h. je größer der zur Abbildung genutzte Öffnungswinkel des Strahlenbündels, desto höher ist die erreichbare optische Auflösung, umso geringer aber auch der Schärfentiefebereich des Objektivs. Je kleiner der Schärfentiefenbereich, umso empfindlicher kann die Autofokusregelung erfolgen. Noch genauer, aber aufwändiger und nur für einen einzelnen Antastpunkt arbeiten Fokusdetektoren nach dem Prinzip der Foucaultschen Schneide (Abschn. 1.3.1.4.2). 1.3.3.2 Nahbereichsphotogrammetrie Die Photogrammetrie basiert auf der Aufnahme mehrerer zweidimensionaler Bilder des Objekts aus verschiedenen Richtungen (Abb. 1.131). Im einfachsten Fall sind dies zwei Richtungen, was dem stereoskopischen Sehen mit zwei Augen entspricht. In technischen Messsystemen wird häufig mit einer größeren Zahl von Einzelbildern gearbeitet, die entweder gleichzeitig von einer entsprechend großen Zahl von Kameras oder nacheinander von einer um das Objekt herum bewegten Kamera aufgenommen werden [1.98]. Zur Auswertung der Bilder müsKamera 1
Kamera 2
Bildsensor 1
Bildsensor 2
Projektionszentrum 1
Projektionszentrum 2
Objektoberfläche
Abb. 1.131. Prinzip der Nahbereichsphotogrammetrie
312
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
sen Punkte der Objektoberfläche in mehreren Einzelbildern identifiziert und einander zugeordnet werden; diese werden als homologe Punkte bezeichnet. Da die verfügbaren Bildverarbeitungsalgorithmen bei weitem nicht die Leistungsfähigkeit des menschlichen Mustererkennungsvermögens haben, werden die Objektoberflächen häufig mit Mustern versehen, die eine automatisierte Erkennung vereinfachen. Das können Punkte, Gitter oder unregelmäßige, stochastische Strukturen sein. Die photogrammetrische Messtechnik ist durch die Wahl der geeigneten Abbildungsoptiken in einem weiten Bereich von mikroskopisch kleinen Objekten [1.99] bis zur dreidimensionalen Auswertung von Luftbildaufnahmen anwendbar. Eine Variante der Nahbereichsphotogrammetrie ist das Objektrasterverfahren, mit dem die Verformung eines belasteten Werkstücks dreidimensional mit einer großen Anzahl von Stützstellen und einer hohen Auflösung gemessen werden kann. Dazu nehmen mindestens zwei Kameras das Werkstück synchron aus unterschiedlichen Richtungen auf. Die Bahnkurve der auf der Objektoberfläche identifizierten Punkte während der Verformung kann so dreidimensional berechnet werden [1.100]. Typische Anwendungsgebiete sind die Werkstoffprüfung, die Festigkeitsmesstechnik und bei Einsatz von Hochgeschwindigkeitskameras die Auswertung von Crashtests in der Automobilindustrie. 1.3.3.3 Lichtschnittverfahren Dem Lichtschnittverfahren liegt eine Verallgemeinerung des Triangulationssensors (s. Abschn. 1.3.1.4.2) zugrunde. An die Stelle des näherungsweise punktförmigen Lichtflecks tritt eine Lichtlinie, die im einfachsten Fall durch einachsige Fokussierung eines Laserstrahlbündels mit einer Zylinderlinse erzeugt werden kann. Dies führt zu einem ungleichförmigen Dicken- und Helligkeitsprofil entlang der Lichtlinie, weshalb in praktischen Anwendungen meist aufwendigere Linienoptiken, teilweise auch diffraktive optische Elemente (DOEs) zu finden sind. Das von dem Messobjektiv erzeugte Bild der Linie ist dem Oberflächenprofil entlang der Abtastlinie entsprechend gekrümmt. Definiert man willkürlich eine Bezugsebene und ordnet einen elektronischen Bildsensor so in der Bildebene an, dass das dieser Bezugsebene entsprechende Linienbild parallel zur Zeilenrichtung des Sensors verläuft, so kann jede Spalte des Sensors genau so ausgewertet werden, als sei sie die CCD-Zeile eines Triangulationssensors. Ein Lichtschnittsensor liefert daher mit jedem Bildtakt eine der Spaltenzahl entsprechende Anzahl von Abstandswerten, was einem Profilschnitt über die Werkstückoberfläche entspricht (Abb. 1.132). Im Vergleich zu einem Zeilensensor sind allerdings die Pixelauflösung und die Messdatenrate beim flächenhaften Bildsensor geringer. Ein Problem, das bei sehr inhomogenen Werkstücken auftreten kann, ist die ungleichmäßige Helligkeit des Linienbildes. Im Extremfall sind Teile der Linie kaum erkennbar, während andere Segmente überbelichtet werden. Abhilfe kann ein spezieller CMOS-Bildsensor mit logarithmischer Kennlinie bieten, der einen Dynamikumfang von ca. sechs Dekaden aufweist. Eine andere, allerdings sehr aufwendige Alternative ist die Verwendung eines Polygonspiegelscanners zur Erzeu-
1 Fertigungsmesstechnik
313
Abb. 1.132. Lichtschnittsensor Snap Shot
Height
h=d.tana
MEGA CAMERA
d
Kamera
Laserdiode La
r se
Zylinderlinse
Laserlinie
a
Werkstück h d
gung der Linie. Dies ermöglicht die schnelle Regelung der Laserleistung in Abhängigkeit von der lokalen Remission. Zwar liefert das Lichtschnittverfahren nur einen einzelnen Profilschnitt der Werkstückoberfläche und ist damit ein zweidimensionales Messverfahren. In vielen praktischen Anwendungen erfolgt jedoch eine kontinuierliche Relativbewegung zwischen Werkstück und Sensor, die zum gleichmäßigen Abrastern der Oberfläche genutzt wird. Eine typische Anwendung von Lichtschnittsensoren ist die Überwachung von „Endlosmaterial“ wie Strangpress- oder Walzprofilen. Lichtschnittsensoren sind auch beim Montieren und Fügen von Blechen hilfreich. Aus der Lücke, dem Versatz und dem Winkel zwischen den beiden Teilbildern in Abb. 1.133 lassen sich die Spaltweite, der Fluchtungs- und der Winkelfehler bei der Ausrichtung zweier Bleche zueinander bestimmen. In der Automobilindustrie kommen Lichtschnittsensoren z. B. beim Einpassen von Türen und Hauben zur Gewährleistung kleiner Spaltmaße zum Einsatz. Andere Anwendungen sind die Prüfung von Schweißnähten und die Bestimmung des Volumens von Lotpastendepots auf Leiterplatten.
314
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik Abb. 1.133. Anwendung eines Lichtschnittsensors beim Ausrichten zweier Bleche
Kamera Laser Blech 1
Lichtschnittebene
Blech 2
1.3.3.4 Konoskopischer Zeilensensor Das Messprinzip des in Abschn. 1.3.1.4.2 beschriebenen konoskopischen Abstandssensors lässt sich auf die zeilenförmige Antastung einer Oberfläche erweitern. Dabei wird eine Laserlinie auf die Oberfläche projiziert und durch einen doppelbrechenden Kristall hindurch auf einen Bildsensor abgebildet. Auf diesem kommt es zu einem Interferenzmuster aufgrund der Überlagerung zweier kohärenter, durch den Kristall aufgespaltener Teilbilder. Die lokale Liniendichte hängt von der lokalen Wellenfrontkrümmung und damit vom Abstand des betrachteten Oberflächenpunktes zum Sensor ab. Der konoskopische Zeilensensor kann in gleicher Weise eingesetzt werden wie ein Lichtschnittsensor, weist aber die Vorteile des konoskopischen Prinzips wie koaxiale Messung und einfache Anpassung des Entfernungsmessbereichs durch Austausch der Abbildungsoptik auf [1.101]. 1.3.3.5 Anwendung strukturierter Beleuchtung Bei der Anwendung strukturierter Beleuchtung (Abb. 1.134) wird der Effekt genutzt, dass bei der Projektion eines Musters auf eine Objektoberfläche und BeAbb. 1.134. 2½-D Messverfahren mit strukturierter Beleuchtung
Musterprojektor
Kamera
Messobjekt
Rechner
1 Fertigungsmesstechnik
315
Abb. 1.135. Verzerrung eines auf eine Werkstückoberfläche projizierten Linienmusters
trachtung des Objekts aus einer anderen Richtung als der Projektionsrichtung das Muster entsprechend der dreidimensionalen Oberflächenform verzerrt wahrgenommen wird (Abb. 1.135). In der Regel kommen Muster aus regelmäßigen geraden Linien, sog. Liniengitter, zum Einsatz. In der Literatur sind unterschiedliche Auswerteverfahren zur Berechnung der Objektgeometrie aus der Deformation des Linienmusters zu finden. In ähnlicher Weise wie bei den inkrementalen Wegmessverfahren sind bei der Anwendung eines einzelnen Liniengitters Mehrdeutigkeiten unvermeidlich. Die größte praktische Bedeutung haben daher Verfahren, bei denen mehrere Linienmuster nacheinander projiziert werden, insbesondere das Phasenschiebeverfahren und das Graycodeverfahren. Für das Phasenschiebeverfahren benötigt man ein Liniengitter mit sinusförmigem Durchlassprofil. Dies lässt sich nur schwer exakt anfertigen, ist aber näherungsweise durch die unscharfe Abbildung eines Rechteckgitters darstellbar. Verschiebt man dieses Gitter schrittweise um Bruchteile der Gitterperiode quer zur Linienrichtung und nimmt mit der Messkamera jeweils ein Bild auf, so kann mit einer einfachen Berechnung für jedes Pixel der Höhenwert des zugehörigen Objektpunktes ermittelt werden. Da die Berechnungsformeln periodische trigonometrische Funktionen enthalten, ist das Ergebnis jedoch mehrdeutig. Je feiner das Gitter, umso höher ist die Auflösung, desto kleiner aber auch der Eindeutigkeitsbereich. Für glatte zusammenhängende Oberflächen existieren Verstetigungsalgorithmen (in der englischsprachigen Literatur als „Unwrapping“ bezeichnet), die die Mehrdeutigkeit durch Vergleich benachbarter Pixel beheben. Diese versagen jedoch bei nicht zusammenhängenden Teilflächen. Der Graycode-Algorithmus arbeitet mit einem Satz binärer Gitter, deren Linienbreite sich von Gitter zu Gitter halbiert. Werden diese Muster nacheinander
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Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
auf die Oberfläche projiziert, so kann für jedes Pixel durch Binarisieren des Bildes eine Folge von Nullen und Einsen aufgezeichnet werden. In dieser Zeichenfolge ist der Höhenwert ohne weitere Berechnung direkt codiert. Der Messbereich hängt vom gröbsten Gitter ab, das Auflösungsvermögen vom feinsten [1.102]. Das Phasenschiebeverfahren benötigt nur wenige Aufnahmen (minimal drei) und arbeitet quasi-analog, bietet daher ein nur durch das Signal/Rausch-Verhältnis begrenztes Auflösungsvermögen. Häufig kombiniert man die beiden Ansätze und erhält dann aus dem Graycodeverfahren die Information zur Aufhebung der Mehrdeutigkeit des Phasenschiebeverfahrens [1.98]. Das Ergebnis einer Messung mit strukturierter Beleuchtung ist eine aus mehreren Tausend bis über 100.000 Messpunkten bestehende Punktwolke (Abb. 1.136a), die durch sog. Flächenrückführungs- und Renderingsoftware in eine realitätsnahe graphische Darstellung des Objektes (Abb. 1.136b) überführt werden kann. Die Musterprojektoren enthalten entweder Chrom-auf-Glas-Masken, die mit präzisen photolithographischen Techniken gefertigt werden oder direkt ansteuerbare LCD- oder Mikrospiegelarrays, wie sie aus elektronischen Datenprojektoren bekannt sind. Vor der Durchführung einer Messung muss das System kalibriert werden, wobei mit Hilfe spezieller Kalibrierkörper die Abbildungseigenschaften des Projektors, der Kamera und ihre relative Lage und Orientierung ermittelt werden. Da der Projektor in Gestalt der Lampe eine Wärmequelle enthält, ist er wesentlich anfälliger für Drifterscheinungen als eine elektronische Kamera. Die Kalibrierung ist daher in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Bei einer speziellen Variante der Messung mit strukturierter Beleuchtung werden zwei oder mehr elektronische Kameras eingesetzt, die die Objektoberfläche nach dem Prinzip der Nahbereichsphotogrammetrie auswerten (s. Abschn. 1.3.3.2). Das projizierte Muster dient in dieser Anordnung nur dazu, den Kameras gemeinsame
a
b
Abb. 1.136. a Punktwolke als Resultat der Messung des Werkstücks aus Abb. 1.135; b aus Abb. 1.136a durch Flächenrückführung berechnete realitätsnahe Darstellung
1 Fertigungsmesstechnik
317
Messpunkte zu signalisieren. Eine thermische Drift des Projektors kann toleriert werden, solange die beiden Kameras relativ zueinander stabil bleiben. Messgeräte nach dem Prinzip der strukturierten Beleuchtung sind als kompakte Sensoren verfügbar, die z. B. an Koordinatenmessgeräten oder Industrierobotern angesetzt werden können, um mit deren mechanischen Freiheitsgraden das Werkstück aus verschiedenen Richtungen aufzunehmen. Technische Anwendungen sind z. B. das Digitalisieren von handgefertigten Designmodellen, die Geometrieprüfung in der Serienfertigung oder die Sensorik in einem Regelkreis für die Positioniersteuerung eines Roboters. Die Projektion eines Lichtmusters ist auf hoch glänzenden Oberflächen nicht möglich. Als Alternative kann man die Oberfläche als Spiegel verwenden und mit diesem Spiegel ein Referenzmuster, z. B. ein Liniengitter, abbilden. Eine lokale Wölbung des Spiegels verursacht eine Verzerrung der Abbildung. Mit Hilfe dieses sog. Rasterreflexionsverfahrens kann die Oberfläche des Spiegels zwar nicht eindeutig gemessen werden, es sind jedoch Variationen des Ansatzes mit zwei Referenzgittern oder zwei Kameras möglich, die eine eindeutige Messung der Gestalt spiegelnder Flächen erlauben [1.103, 1.104]. 1.3.3.6 Weißlichtinterferometrie Das in Abschn. 1.3.1.2.5 diskutierte Michelson-Interferometer funktioniert in der beschriebenen Weise nur, wenn die Lichtquelle kohärentes Licht abstrahlt, wie es z. B. bei Lasern der Fall ist. Kohärentes Licht ist monochromatisch und entspricht mathematisch einer reinen Sinuswelle. Beim Verschieben des Messreflektors verändert sich die Phasenverschiebung zwischen Mess- und Referenzwelle kontinuierlich und es kommt dementsprechend zu einer periodischen, sinusförmigen Helligkeitsmodulation am Ausgang. Würde man anstelle des Lasers eine inkohärente Lichtquelle, beispielsweise eine Halogenlampe, einsetzen, so wäre das Ausgangssignal beim Verschieben des Messreflektors konstant. Weißes Licht ist mathematisch als Überlagerung aus einer großen Zahl unkorrelierter Sinuswellen mit unterschiedlicher Wellenlänge darstellbar. Beim Verschieben des Messreflektors überlagern sich die mit unterschiedlicher Frequenz entstehenden periodischen Helligkeitsmodulationen der einzelnen Wellenlängen in der Weise, dass eine konstante mittlere Helligkeit beobachtet wird. Bei genauer Betrachtung treten auch bei Glühlampenlicht Interferenzen auf, allerdings nur in einem Bereich von wenigen µm um die Position des Messreflektors, für die die optischen Wege von Mess- und Referenzwelle gleich lang sind. Man spricht daher statt von „inkohärentem“ besser von „kurzkohärentem“ Licht und bezeichnet den maximalen Gangunterschied, bei dem Interferenz beobachtet wird, als Kohärenzlänge. Ein Weißlichtinterferometer nutzt diesen Effekt in der Weise, dass das unbekannte Messobjekt als Messreflektor eingesetzt und in Schritten verschoben wird, die deutlich kleiner als die halbe Kohärenzlänge des Lichtes sind. In jeder Position wird mit einer elektronischen Kamera ein Bild des Messfeldes aufgenommen. Es entsteht im Speicher des Auswerterechners ein so genannter Bildstapel, aus dem für jedes Pixel der Kamera der Helligkeitsverlauf während des Verschiebens des
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Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Messobjektes entnommen werden kann. Die Helligkeit an einem Pixel ist über den größten Teil des Weges hinweg konstant; lediglich an einer Stelle tritt ein Interferenzeffekt, eine sog. Signatur, auf. Die Position mit gleichen optischen Wegen in Mess- und Referenzarm erhält man entweder durch Bestimmen des Maximums der Einhüllenden der Signatur oder mit mehr Aufwand aber größerer Genauigkeit durch eine Phasenbestimmung der Signaturfunktion. Aus der Kombination dieser Werte für alle Pixel des Bildaufnehmers entsteht das 2½D-Profil der Oberfläche [1.105, 1.106]. Das Verfahren eignet sich gut für flache Messobjekte. Mit zunehmender Tiefenausdehnung wachsen die Messzeit und der Speicherbedarf im Rechner an. 1.3.3.7 Lichtlaufzeit-Bildaufnehmer Diese Sensoren basieren darauf, dass Licht sich zwar mit einer hohen, aber doch endlichen und genau bekannten Geschwindigkeit ausbreitet. Wird das Objekt mit einem extrem kurzen Lichtimpuls einer im Sensor integrierten Blitzlichtquelle (z. B. einer gepulste LED-Quelle) beleuchtet, so werden die Lichtanteile, die von Teilen des Objekts nahe dem Sensor zurückgeworfen werden, früher beim Sensor ankommen als Lichtanteile von weiter entfernten Objektpartien. Wenn es gelingt, für jedes Pixel der Kamera die Laufzeit des Lichtes zu messen, so erhält man ein Tiefenprofil des Objekts. Wie bereits bei den eindimensionalen optischen Abstandssensoren in Abschn. 1.3.1.4.2 erläutert, ist als Alternative zur Messung der Laufzeit von Pulsen auch die Messung der Phasenverschiebung einer modulierten Beleuchtung auswertbar [1.107, 1.108]. Die Realisierung wird durch speziell entwickelte CMOS-Bildsensoren möglich, die an jedem Pixel eine Phasenauswertung durchführen können. Die Tiefenauflösung liegt in der Größenordnung mm und ist daher für viele Aufgaben der Fertigungsmesstechnik nicht ausreichend. 1.3.4 Geometriemessung 3-dimensional Jedes gefertigte Werkstück ist ein dreidimensionaler Körper und daher muss ein universell einsetzbares Messgerät dreidimensional messen können. Die in Abschn. 1.3.3 beschriebenen 2½-dimensionalen optischen Messverfahren zeichnen sich durch die berührungslose und schnelle Erfassung einer großen Zahl von Messpunkten aus und haben sich in vielen Anwendungsfällen bewährt, kommen jedoch bei Werkstücken mit Hohlräumen und Hinterschneidungen an Grenzen. Als Universalmessgeräte für die Geometrieprüfung bilden Koordinatenmessgeräte heute das Rückgrat der Fertigungsmesstechnik. Einer aktuellen Marktübersicht zufolge sind zurzeit weltweit ca. 100.000 Koordinatenmessgeräte im Einsatz [1.109]. 1.3.4.1 Koordinatenmessgeräte Betrachtet man den Entwicklungsstand und die Leistungsfähigkeit moderner Koordinatenmessgeräte, so überrascht es, wie jung diese Technik tatsächlich ist
1 Fertigungsmesstechnik
319
[1.110]. Zwar wurden bereits früh mehrachsige Bearbeitungsmaschinen zum Drehen, Fräsen und Schleifen entwickelt, die Prüfung der gefertigten Werkstücke geschah jedoch in der Regel mit eindimensional messenden Tastern, Messschiebern oder Bügelmessschrauben. Für nicht direkt anzutastende Geometriemerkmale stellte man teilespezifische Lehren und Vorrichtungen her. Ende der 1950er Jahre wurden bei Fa. Moore (USA) und Fa. Ferranti (GB) erstmals Taster in hochgenaue Lehrenbohrwerke eingesetzt, um die Positionen von Bohrungen zu prüfen. Derartige zweiachsig messende Geräte erhielten ab 1962 zusätzlich eine messende z-Achse. Eine andere Entwicklungslinie, die zur Koordinatenmesstechnik führt, geht von Höhenmess- und Anreißgeräten aus (s. Abschn. 1.3.1.1). Der entscheidende Schritt war jedoch die Einführung numerisch gesteuerter Achsen und der Einsatz von Computern zur Datenauswertung seit Mitte der 1970er Jahre. 1.3.4.1.1 Das Grundprinzip der 3D-Koordinatenmesstechnik
Ein Koordinatenmessgerät (KMG) stellt eine Verkörperung eines dreidimensionalen Koordinatensystems dar. In den meisten Fällen ist dies ein kartesisches Koordinatensystem; für rotationssymmetrische Werkstücke gibt es auch Sonderbauformen mit Zylinderkoordinatensystemen. Mechanische Führungen erlauben die Bewegung eines Tasters im Raum, wobei die Koordinaten des Tasters im Maschinenkoordinatensystem kontinuierlich erfasst werden. Die Bewegung kann bei einfachen Geräten manuell durch den Maschinenbediener erfolgen, in der Regel sind die Achsen jedoch motorisch verstellbar. Zusätzlich zu den drei Koordinatenachsen ermöglicht bei manchen Koordinatenmessgeräten eine Kipp/Schwenkvorrichtung die Einstellung der Orientierung des Tasters im Raum. Als Option werden auch Dreh- und Kipp-/Schwenktische für die Werkstückausrichtung als zusätzliche Rotationsachsen angeboten. Die Koordinaten einer Anzahl von Messpunkten auf der Oberfläche des Werkstücks werden durch die Berührung mit dem Taster ermittelt. Im Gegensatz zur klassischen Messtechnik, bei der Längen- oder Durchmessermaße direkt am Werkstück genommen werden, erfolgt die Auswertung in der Koordinatenmesstechnik auf einer abstrakteren Ebene. In einem ersten Schritt werden aus den gemessenen Punkten Geometrieelemente berechnet, auf die sich alle weiteren Berechnungen von Maß-, Form- und Lageabweichungen beziehen. Während konventionell z. B. der Durchmesser einer Welle durch Zweipunktantastung mit einer Bügelmessschraube gemessen wird, nimmt das Koordinatenmessgerät eine Anzahl von Oberflächenpunkten der Welle auf und berechnet mittels Ausgleichsrechnung die bestpassende Zylinderfläche. Die weitere Analyse liefert nicht nur den Durchmesser dieses Zylinders, sondern auch eine Aussage zur Rundheits- und zur Geradheitsabweichung der Welle. Es liegt auf der Hand, dass dies umso genauer möglich ist, je mehr Messpunkte zur Verfügung stehen. Die Verteilung der Messpunkte auf der Werkstückoberfläche sollte im vorliegenden Fall möglichst gleichmäßig sein. Auf diese Weise wird im Rechner ein Modell des Werkstücks aus Geometrieelementen erstellt. Ursprünglich war der Ansatz auf einfache Regelgeometrien wie ebene Flächen, Zylinder-, Kegel- und Kugelflächen beschränkt. Dank immer leis-
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Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
tungsfähigerer Computer sind seit Mitte der 1990er Jahre auch Freiformflächen z. B. mit Hilfe von Spline-Polynomen darstellbar. Das gemessene Modell liegt somit in einer Form vor, die den Konstruktionsdaten des CAD-Modells entspricht und die Prüfung kann durch den Vergleich der beiden Modelle erfolgen. Aus dieser modellbasierten Auswertung folgt die Möglichkeit, auf eine zeitaufwendige präzise Positionierung und Ausrichtung des Werkstücks vor der Messung verzichten zu können. Es genügt, zu Beginn der Messung einige Referenzpunkte des Werkstücks manuell gesteuert anzutasten. Die Steuerung des Koordinatenmessgeräts berechnet daraus die Position und Orientierung des Werkstücks und führt eine entsprechende Koordinatentransformation im Messprogramm durch und tastet nachfolgend automatisch alle erforderlichen Messpunkte an. 1.3.4.1.2 Bauarten von Koordinatenmessgeräten
Da die Mechanik des KMGs das Koordinatensystem verkörpert, muss sie höchste Anforderungen an die Geometriestabilität erfüllen. Man findet daher durchweg massive Aufbauten aus Granit oder speziell vorbehandelten Gusslegierungen mit hoher mechanischer Steifigkeit und thermischer Trägheit vor. Als Linearführungen kommen Luftlager oder Präzisionswälzlager zum Einsatz. Diese sollten eine große Führungslänge aufweisen, um Momente effizient abstützen zu können. Andererseits wünschen die Anwender eine möglichst gute Zugänglichkeit des Arbeitsraums des Gerätes, um die Zuführung und Entnahme der Werkstücke einfach zu gestalten. In Abhängigkeit vom gewünschten Messvolumen und den Genauigkeitsanforderungen haben sich die nachfolgend beschriebenen Grundformen als besonders geeignet erwiesen: Die Ständerbauart (Abb. 1.137) zeichnet sich aufgrund ihrer kompakten Bauform und der im Verhältnis zum Hub großen Führungslängen durch eine hohe
z-Achse
y-Achse
Taster x-Achse
Abb. 1.137. Koordinaten-Messgerät in Ständerbauart
1 Fertigungsmesstechnik
321
mechanische Steifigkeit aus. Dadurch sind sehr geringe Führungsabweichungen erreichbar. Die Antriebe können nahe der Massenschwerpunkte der Schlitten angreifen, was bei hohen Beschleunigungen vorteilhaft ist. Da die Messlinien dicht bei den Antastlinien liegen, ist der Abbe-Fehler gering. Der Arbeitsraum ist von drei Seiten aus frei zugänglich. Die Ständerbauart findet vorzugsweise in der Feinwerktechnik bei hohen Anforderungen an die Genauigkeit in einem kleinen Messvolumen (typ. 0,25 m3) Anwendung. Die Portalbauart (Abb. 1.138) ist in der Praxis am weitesten verbreitet. Sie wird bei mittleren Messvolumina (0,5–2 m3) eingesetzt und weist durch die Parallelführung der x-Achse ebenfalls eine hohe mechanische Steifigkeit auf. Neben der im Bild dargestellten Bauform mit verfahrbarem Portal (Abb. 138a) gibt es auch die Variante mit feststehendem Portal und in y-Richtung verfahrbarem Messtisch (Abb. 138b). Um trotz relativ großer Verfahrwege und hoher Verfahrgeschwindigkeit eine Führungsabweichung in der Größenordnung 1 µm erreichen zu können, sind die KMGs in Portalbauart häufig mit Luftlagern ausgestattet. Die Zugänglichkeit des Arbeitsraumes ist im Vergleich zur Ständerbauart eingeschränkt. Die Portalbauart ist hinsichtlich Messbereich und Genauigkeit universell für die Prüfung fast aller spanend gefertigter Werkstücke geeignet. Nicht in allen Anwendungsfällen sind Messunsicherheiten in der Größenordnung 1 µm gefordert. Im Karosseriebau z. B. sind Toleranzen in der Größenordnung 0,1 mm die Regel. Hier findet man durchweg KMGs der Auslegerbauart (Abb. 1.139), die ein großes Messvolumen (5–20 m3) bei guter Zugänglichkeit bieten und gegenüber vergleichbar großen Portalmaschinen deutlich kostengünstiger zu fertigen sind. Da die Führungslängen der Achsen bauartbedingt klein gegenüber dem Hub sind, ist die Führungsgenauigkeit vergleichsweise schlecht. Die drei vorab vorgestellten KMG-Bauarten weisen einen Messtisch zur Aufnahme des Werkstücks auf. Bei Messobjekten mit sehr großen Abmessungen, z. B. Lastkraftwagen oder Lokomotiven, ist dies nicht mehr praktikabel. Dies ist der Anwendungsbereich der KMGs in Brückenbauart (Abb. 1.140), die als Sonderan-
z-Achse x-Achse
z-Achse x-Achse
Taster
Taster
y-Achse
a)
y-Achse
b)
Abb. 1.138. Koordinaten-Messgerät in Portalbauart. a mit verfahrbarem Portal; b mit verfahrbarem Messtisch
322
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik Abb. 1.139. Koordinaten-Messgerät in Auslegerbauart
x-Achse
z-Achse
Taster
y-Achse
fertigungen mit Messvolumina bis ca. 1000 m3 gebaut werden. Für noch größere Prüfteile (Flugzeuge, Gebäude, Schiffe) kommen optische Verfahren wie Theodolitenmesssysteme, Laserscan-Systeme oder Photogrammetrie zum Einsatz (s. Abschn. 1.3.4.3). Koordinatenmessgeräte werden i. Allg. in klimatisierten und schwingungsisolierten Messräumen betrieben. Der Wunsch vieler Anwender, diese leistungsfähige Messtechnik nahe oder sogar in der Produktion zur Verfügung zu haben, führte zur Entwicklung besonderer Bauformen wie z. B. in Abb. 1.141 dargestellt. Bei dieser Mischform aus Portal- und Brückenbauart sind die gegen Schmutz und BeAbb. 1.140. Koordinaten-Messgerät in Brückenbauart
z-Achse y-Achse
x-Achse
Taster
1 Fertigungsmesstechnik
z-Achse x-Achse
323
Abb. 1.141. Koordinaten-Messgerät für den produktionsnahen Einsatz
y-Achse Taster
schädigung empfindlichen Führungen und Antriebe nach oben verlegt worden [1.111, 1.112]. Der besonders steif ausgeführte Rahmen hält in Verbindung mit aufwendigen Schwingungsisolatoren mechanische Vibrationen fern. Gegen den Einfluss von Temperaturschwankungen existieren zwei unterschiedliche Ansätze. Entweder stellt man durch den Einsatz von Materialien wie Zerodur-Glaskeramik, kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) oder Invar sicher, dass die Wärmeausdehnung vernachlässigbar klein ist oder man lässt Wärmeausdehnung zu und kompensiert diese rechnerisch. Dies funktioniert allerdings nur dann zufrieden stellend, wenn die Temperaturverteilung im Gerät möglichst homogen ist, da anderenfalls schwer zu simulierender Verzug auftritt. In solchen KMGs wird zur Beschleunigung des Temperaturausgleichs der schlecht wärmeleitende Granit z. B. durch Aluminium ersetzt. Aluminium, Keramik und CFK ermöglichen den Aufbau erheblich leichterer Strukturen als Granit und Gusseisen und sind daher bei KMGs mit hohen Anforderungen an die Dynamik der Bewegung (Geschwindigkeit, Beschleunigung) die erste Wahl. Der Kinematik eines Scara-Roboters nachempfunden ist ein mobiles Koordinatenmessgerät, das zwar handgeführt zu bedienen ist, aber die Auswertemöglichkeiten eines scannenden KMG bietet [1.113]. Dieser Ansatz verbindet die einfache Bedienung eines Handmessmittels mit der Flexibilität und Genauigkeit der Koordinatenmesstechnik. Eine relativ neue Entwicklung sind die mobilen Gelenkarm-Koordinatenmessgeräte (Abb. 1.142). Hierbei handelt es sich um handgeführte Koordinatenmessgeräte, allerdings nicht mit kartesischen Achsen, sondern mit einer Kinematik, die in der Regel aus zwei starren Rohren aus Aluminium oder kohlefaserverstärktem Kunststoff und drei jeweils zweiachsigen Gelenken besteht. Die Position des Tasters im Raum ergibt sich aus den Winkelstellungen der Gelenke. GelenkarmKMGs können z. B. im Innenraum eines Pkw installiert werden, um dort an Stellen zu messen, die mit konventionellen KMGs kaum erreichbar wären. GelenkarmKoordinatenmessgeräte sind nicht nur mit taktilen, sondern auch mit optischen Tastern nach dem Triangulations- oder Lichtschnittprinzip bestückbar, was insbesondere beim Digitalisieren größerer Objekte die Handhabung vereinfacht.
324
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik Doppelgelenk 1
Doppelgelenk 2
Abb. 1.142. Mobiles Gelenkarm-KoordinatenMessgerät
Doppelgelenk 3 Taster
Eine andere Klasse nicht-kartesischer KMGs sind die Wellen-, Form- und Verzahnungsmessgeräte. Bei diesen für die Messung rotationssymmetrischer Werkstücke ausgelegten Geräten erfolgt die Messung werkstückangepasst in Zylinderkoordinaten. Eine vertikal oder horizontal angeordnete Präzisionsdrehachse wird mit einer parallel zur Rotationsachse liegenden und einer radial angeordneten Linearachse kombiniert (Abb. 1.143). 1.3.4.1.3 Taster und Antaststrategien
Obwohl auch optische Sensoren in KMGs zu finden sind, stellen die taktilen Messköpfe den Standard dar [1.114]. Ein taktiler Messkopf besteht aus dem Sensor, dem Taststift und dem Tastelement. Das Tastelement, mit dem die Werkstückoberfläche berührt wird, ist in der Regel eine Präzisionskugel aus synthetischem Rubin. Rubin hat sich aufgrund seiner Härte und guten Bearbeitbarkeit bewährt. Typische Tastkugeldurchmesser liegen bei einigen Millimetern, die kleinsten kommerziell angebotenen bei wenigen Zehntelmillimetern. Für spezielle Aufgaben kommen auch Zylinder- oder Kreisscheiben-Tastelemente zum Einsatz. Kurbelwellenmessung
Wellenmessung z-Achse
r-Achse f -Achse
Zahnradmessung
Abb. 1.143. Formmessgerät für rotationssymmetrische Werkstücke
1 Fertigungsmesstechnik
325
Der Taststift sollte möglichst dünn sein, gleichzeitig aber geringe Wärmeausdehnung und hohe Steifigkeit gegen Durchbiegung beim Antasten aufweisen. Als Material bieten sich Hartmetall, Keramik oder CFK an, bei guter Temperaturregelung und geringen Tastkräften auch Stahl oder Aluminium. Ein langer Taststift ermöglicht das Eintauchen in tiefe Bohrungen, weist aber eine stärkere Durchbiegung auf als ein kurzer. Um für unterschiedliche Geometrien stets den am besten geeigneten Taster verwenden zu können, sind moderne Maschinen optional mit automatischen Tasterwechselsystemen ausgestattet. Häufig verwendet man auch Mehrfachtaster, die mehrere, meist orthogonal zueinander stehende Tastelement/ Taststift-Einheiten enthalten. Beim Berühren der Werkstückoberfläche wird vom Tastelement über den Taststift eine Kraft auf den Sensor übertragen. Man unterscheidet schaltende und messende Sensoren. Abbildung 1.144 zeigt das Prinzip eines schaltenden Sensors. Ein Dreibein liegt durch die Andruckkraft einer zentralen Feder gehalten auf drei Widerlagern auf. Dabei wird an jedem Widerlager ein elektrischer Kontakt geschlossen. Beim Einwirken einer Kraft quer zum Taststift kippt das Dreibein und mindestens einer der elektrischen Kontakte öffnet sich, wodurch ein Triggersignal ausgelöst wird. Die Wirkrichtung der Kraft ist daran erkennbar, welche elektrischen Kontakte geöffnet bzw. geschlossen sind. Eine Kraft in Richtung des Taststiftes öffnet alle drei Kontakte. Messende Sensoren nach Abb. 1.145 enthalten eine Kinematik mit drei orthogonalen Linearachsen. Als kompakte und präzise Linearführungen verwendet man z. B. Federparallelogramme. Eine einwirkende Kraft lenkt diese Parallelogramme entsprechend der Wirkrichtung aus. Zur Messung der Auslenkung dienen induktive Wegmesssysteme (s. Abschn. 1.3.1.4.1), so dass in das Gerätekoordinatensystem ein Tasterkoordinatensystem eingebettet wird. Wenn lediglich die Federkraft zur Rückführung in die Ruhestellung dient, so spricht man von passiven messenden Sensoren. Diese haben nur einen begrenzten Hub und die Antastkraft wächst proportional zur Auslenkung. Die Antastkraft kann durch Biegung des Taststiftes oder elastische Verformung des Werkstücks zu Messfehlern führen, die aber korrigierbar sind, wenn die Messkraft bekannt und möglichst konstant ist. Um dies zu erreichen, enthalten sog. aktive messende Sensoren relativ weiche Parallelogrammfedern und erzeugen die Antastkraft definiert mittels Tauchspulaktoren. Abb. 1.144. Funktionsprinzip eines schaltenden Sensors für einen Koordinatentaster
Sensor
Werkstück Taststift Tastkugel
326
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik induktiver Wegsensor
3 orthogonale Federparallelogramme
z
y
y x
Blattfeder
z
x
Abb. 1.145. Funktionsprinzip eines messenden Sensors für einen Koordinatentaster
Blattfeder
Sensor
Werkstück
Taststift Tastkugel
KMGs mit schaltendem Sensor tasten die Objektoberfläche Punkt für Punkt ab, wobei jeder Antastzyklus, bestehend aus Heranfahren an die Oberfläche, Anhalten bei Berührung und Zurückfahren, mehrere Sekunden dauert. Im Moment des Triggersignals werden die Positionen der Achsen des KMG ausgelesen. Da dies während der Bewegung geschieht, ist ein Fehler in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit zu erwarten. Messende Sensoren ermöglichen drei verschiedene Antaststrategien: – In der Betriebsart „statisch“ wird jeder Messpunkt einzeln angefahren und vor dem Auslesen der Koordinaten die Position so eingeregelt, dass der messende Sensor in allen drei Achsen Null anzeigt. Da etwa vorhandene Nichtlinearitäten der Wegaufnehmer des Sensors dann entfallen, ist in dieser Betriebsart die höchste Genauigkeit erreichbar, allerdings auf Kosten der Messgeschwindigkeit. – In der Betriebsart „dynamisch“ werden die Messpunkte ebenfalls einzeln angefahren, jedoch erfolgt das Messen während der Bewegung durch gleichzeitiges Abfragen der Positionen der Geräteachsen und der drei Auslenkungen des messenden Sensors. Dies ist schneller als die Betriebsart statisch, allerdings weniger genau. – In der Betriebsart „scannend“ bleibt der Taster beim Abfahren der Werkstückkontur in Kontakt mit der Oberfläche, so dass sehr viele Messpunkte je Zeiteinheit gewonnen werden. Die Voraussetzung dafür ist eine schnelle Regelung der Achsen, da es bei Überschreiten der zulässigen Auslenkung des Sensors zu einer Beschädigung des Tastkopfes kommen kann. Insbesondere bei schnellen Scanbewegungen wirken auf die Mechanik des KMG hohe Kräfte und Momente, die zu Deformationen und Schwingungen führen. Je höher die Anforderung an die Genauigkeit, umso langsamer sollte die Scanbewegung erfolgen. Ein neuer Ansatz besteht in der sog. dynamischen Korrektur. Mittels Kalibrierfahrten mit definierten Bahngeschwindigkeiten werden die elastischen Verformungen gemessen und daraus ein mathematisches Modell des dynamischen KMG erstellt, das bei einer darauf folgenden Messung eine Korrektur der aufgenommenen Messpunkte ermöglicht [1.115]. Wird ein Oberflächenpunkt angetastet, so erhält man zunächst nicht dessen Koordinaten, sondern die Koordinaten des Tastermittelpunkts. Die Berechnung des
1 Fertigungsmesstechnik
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Berührpunktes erfolgt durch die sog. Tastkugelradiuskorrektur. Dazu kann bei bekannter Richtung der Auslenkung des Sensors die Korrektur jedes einzelnen Punktes entgegen der Richtung der Tastkugelauslenkung vorgenommen werden. Ein anderer Ansatz besteht darin, zunächst Geometrieelemente durch die unkorrigierten Punkte zu berechnen und dann eine Korrektur in Richtung der Normalenvektoren auf diesen Flächen durchzuführen. Der zweite Ansatz muss gegebenenfalls iterativ wiederholt werden. In beiden Fällen muss der Radius der Tastkugel bekannt sein. Zu seiner Bestimmung ist ein Einmessvorgang, z. B. durch Antasten einer Anzahl von Punkten auf der Oberfläche einer kalibrierten Kugel, erforderlich. Einen Überblick über unterschiedliche Tasterbauarten gibt [1.116]. Insbesondere für den Einsatz in der Mikrotechnik existieren Bauformen taktiler Taster mit einer Kombination aus extrem kleiner Tastkugel und besonders geringer Antastkraft: – Der Fasertaster wird in Abschn. 1.3.4.2 (Multisensor-Koordinatenmessgeräte) diskutiert. – Beim Ultraschallmikrotaster [1.117] sitzt eine Glaskugel mit 30 µm Durchmesser an einem Karbonschaft von 20 µm Durchmesser und 2 mm Länge. Eine in diesen Schaft vom Sensor eingekoppelte Ultraschallschwingung erfährt bei Berührung des Werkstücks durch die Tastkugel eine Dämpfung. Auf diese Weise ist ein reproduzierbares Schalten bei sehr geringer Antastkraft erreichbar. – In [1.118, 1.119] wird ein mikromechanisch gefertigter messender 3D-Mikrotaster beschrieben, bei dem ein Taststift mit einer Saphirkugel von 300 µm Durchmesser auf einer flexiblen Si-Membran fixiert ist. Die Signale einer Anordnung piezoresistiver Dehnungssensoren auf der Rückseite der Membran lassen die Berechnung des aktuellen Verformungszustandes der Membran zu, aus dem wiederum die Auslenkung der Tastkugel ermittelt werden kann. Bei Antastkräften von wenigen Millinewton ist eine Antastunsicherheit in der Größenordnung 0,1 µm erreichbar. 1.3.4.1.4 Informationstechnische Einbindung von KMGs in die Fertigung
Der Messvorgang mit einem Koordinatenmessgerät erfordert das Antasten einer großen Zahl von Oberflächenpunkten, wobei je nach Komplexität des Produktes mit unterschiedlichen Tastern und einer 5-Achs-Bahnsteuerung gearbeitet wird. Bei der Erstellung des Steuerprogramms sind Aspekte wie Kollisionsvermeidung und Geschwindigkeitsoptimierung zu beachten. Grundlage der Geometrieprüfung sind die bei der Konstruktion festgelegten Nennmaße und Toleranzen, die in modernen Fertigungsprozessen durchweg als Datensätze in einem CAD-System vorliegen. Um diese Informationen für den Steuerungs- und Auswertungsrechner des Koordinatenmessgerätes bereitzustellen, sind verschiedene Wege möglich [1.120]. Die klassische Messablauferzeugung geht von den aus dem CAD-System ausgedruckten Bauteilzeichnungen aus. Bei einem als „Teach-in“ bezeichneten Vorgehen fährt der Bediener die geforderten Messpunkte an einem Musterwerkstück
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manuell an und gibt die Sollwerte und Toleranzen manuell ein. Der Steuerrechner protokolliert den vollständigen Messablauf und generiert daraus ein Programm, das nachfolgend eine automatisierte Wiederholung der Messung erlaubt. Als Alternative dazu programmiert der Bediener den Messablauf direkt am Steuerungsrechner. Das Teach-in ist zeitaufwendig und die Programmierung erfordert Expertenwissen. Zudem ist die manuelle Übernahme von Daten stets fehleranfällig. Effizienter und sicherer sind Techniken zur direkten Übertragung der Informationen aus dem CAD-System an das Koordinatenmessgerät. Da diese Systeme jedoch unterschiedliche Datenstrukturen verwenden, ist der Aufbau einer Schnittstelle nicht trivial. Einige CAD-Systeme bieten die Möglichkeit der Erstellung von Steuerprogrammen für Koordinatenmessgeräte. Andererseits besteht bei einigen Koordinatenmessgeräten die Option, CAD-Datensätze zu importieren und mit Softwaremodulen des Messgerätes ein Steuerprogramm daraus zu erzeugen. Um unproduktive Nebenzeiten des kostspieligen Koordinatenmessgerätes zu vermeiden, kann diese Übersetzung auch auf einem zwischengeschalteten Rechner erfolgen. Die Hersteller von CAD-Systemen und von Koordinatenmessgeräten verwenden in ihrer Software in der Regel unternehmensspezifische Datenformate und Strukturen, sog. Produktmodelle. Dies führt zu einer großen Anzahl unterschiedlicher Übersetzungsmodule, wenn verschiedene CAD-Systeme und verschiedene Messgeräte miteinander kommunizieren sollen. Abhilfe schaffen neutrale Austauschmodelle wie IGES, VADIS, VDAFS, SET oder STEP [1.121], wobei ein sog. Preprozessor das herstellerspezifische Datenmodell des CAD-Systems in das neutrale Austauschmodell überträgt und ein Postprozessor daraus das herstellerspezifische Datenmodell des Koordinatenmessgerätes generiert. Wichtig ist dabei, dass die in den verschiedenen Modellen verwendeten Koordinatensysteme in eindeutiger Weise aufeinander abgebildet werden, wobei eine Skalierung erforderlich sein kann, falls die verwendeten Maßeinheiten der Modelle sich unterscheiden. Die genannten Austauschmodelle wurden mit dem Ziel entwickelt, Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen CAx-Systemen in einer rechnerintegrierten Fertigung zu schaffen. Sie sind nicht auf messtechnische Belange optimiert und können deren Anforderungen nur bedingt erfüllen. Da sie insbesondere die unterschiedlichen Tolerierungsmethoden nicht vollständig unterstützen, müssen die übersetzten Datensätze zum Teil manuell überarbeitet werden. Während der Export der Geometriedaten aus dem CAD-System an das Koordinatenmessgerät zur Zeit noch nicht optimal gelöst ist, steht für die Übertragung einer im CAD-System oder einer Offline-Programmierstation generierten Messablaufsteuerung die speziell für die Messtechnik entwickelte DMIS-Schnittstelle zur Verfügung [1.122]. Wie in Abb. 1.146 dargestellt, ist diese Schnittstelle bidirektional aufgebaut und erlaubt in der einen Richtung die Übertragung der Ablaufsteuerung in einem neutralen Format an das Koordinatenmessgerät, wo daraus entweder mit einem Postprozessor das Programm für die Gerätesteuerung erstellt oder mit Hilfe eines Interpreters das Messprogramm sequentiell abgearbeitet wird. In der Gegenrichtung besteht die Möglichkeit, Messdatensätze in Form eines standardisierten DMIS-Output-Files zu einem externen Auswertesystem zu übertragen.
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DMIS-Schnittstelle
System zur Messablauferzeugung
DMIS-Schnittstelle
System zur Auswertung
Koordinatenmeßgerät DMISInterpreter
DMIS DMIS-Input-File (Messablauf, ggf. Einmessablauf) DMIS-Output-File
ggf. manuelles Einmessen
DMISPostprozessor
Steuerprogramm
Benutzerschnittstelle
Steuerung
DMISOutput-File
gerätespezifisches Messprotokoll
Abb. 1.146. Funktionalität der DMIS-Datenschnittstelle (nach [1.119])
Vor der Ausführung eines automatisch erstellten Messprogramms sollte der Bediener mit Hilfe einer Simulationssoftware prüfen, ob die geplanten Verfahrwege des Tasters ohne Kollision möglich sind. Dazu ist ein Geometriemodell des Messobjekts, des Koordinatenmessgerätes sowie aller im Messvolumen vorhandenen Vorrichtungen und Befestigungselemente erforderlich. Die Kollisionsprüfung erfolgt zurzeit noch durchweg interaktiv durch den Bediener; eine automatische Behebung einer erkannten Kollisionsgefahr ist erst ansatzweise verfügbar. Eine Hilfe zur Kollisionsvermeidung ist die Möglichkeit, sichere Zonen um das Werkstück zu definieren, in denen Verfahrbewegungen des Tasters ohne Kollisionsrisiko möglich sind [1.123]. Die Auswertung der Messdaten erfolgt bei Koordinatenmessgeräten durchweg rechnergestützt. Die Ergebnisse können lokal am Auswerterechner in Form benutzerdefinierter Protokolle ausgegeben werden. Eine typische Anwendung von Koordinatenmessgeräten ist die Prüfung von Stichproben, wobei die Ergebnisse in der Regel zur statistischen Prozessregelung des Fertigungsprozesses genutzt werden. Dies kann entweder mit Hilfe der Messgerätesoftware erfolgen oder durch Übergabe der Messwerte an ein CAQ-System. Für den Export von Messdaten stehen z. B. das DMIS-Output- und das Q-DAS-ASCII-Transferformat zur Verfügung [1.124]. Durch Einbinden des Auswerterechners in ein unternehmensweites Datennetzwerk ist die Archivierung der Messergebnisse in einer Qualitätsdatenbank möglich. 1.3.4.1.5 Die Messunsicherheit von Koordinatenmessgeräten
Der Messprozess in der Koordinatenmesstechnik ist im Vergleich zu konventionellen geometrischen Messgeräten äußerst komplex, was die Ermittlung der Messunsicherheit erheblich erschwert. An dem einfachen Beispiel der Längenmessung
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Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
an einem Parallelendmaß soll dies im Vergleich mit einer Bügelmessschraube verdeutlicht werden. Während bei dem Handmessmittel mit Wiederholmessungen an einer kleinen Zahl kalibrierter Endmaße systematische und statistische Fehler leicht abschätzbar sind und auch die Wärmeausdehnung des Messmittels noch mit einem einfachen Modell beschreibbar ist, müssen bei der Verwendung eines Koordinatenmessgerätes erheblich umfangreichere Untersuchungen angestellt werden. Geht man von einer Messstrategie aus, bei der die beiden Endflächen des Endmaßes jeweils an mehreren Punkten angetastet werden, durch diese Punkte jeweils eine Ausgleichsebene berechnet und der Ebenenabstand bestimmt wird, so sind u. a. zu berücksichtigen: Die Antastabweichung des verwendeten Tasters und ihre Abhängigkeit von Antastrichtung und Oberflächenrauheit, die Reproduzierbarkeit der Tasterwechselvorrichtung bzw. die Unsicherheit der Tastereinmessung mittels Kalibrierkugel, der Einfluss der Anzahl und Lage der Messpunkte, die Maßstabs-, Führungs- und Orthogonalitätsfehler der bei der Messung aktiven Linearachsen, die Fehlerfortpflanzung des mathematischen Ausgleichsalgorithmus und der Einfluss einer Abweichung von der Planparallelität der beiden Endflächen auf den Algorithmus zur Abstandsbestimmung. Sind auch Temperatureffekte sowie statische und dynamische Verformung zu berücksichtigen, dürften die meisten Anwender überfordert sein. Zur Abschätzung des Einflusses der Messgeräte auf die Messunsicherheit werden in der Normenreihe DIN EN ISO 10360 [1.125] Spezifikationen definiert, die vom Hersteller anzugeben und bei der Annahmeprüfung zu verifizieren sind. Im Wesentlichen sind dies die Antastabweichung, bei der die Spanne der Messwerte bei einer bestimmten Anzahl von Messpunkten an einer kalibrierten Kugel ausgewertet wird und die Längenmessabweichung, die in der Regel aus einem konstanten und einem längenproportionalen Anteil besteht und innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs spezifiziert ist. Gemäß der Richtlinie VDI/VDE 2617, Blatt 2.1 [1.126] erfolgt diese Messung bidirektional an einem Stufenendmaß, wobei zwischen den Längenmessunsicherheiten u1 (parallel zu den Koordinatenachsen), u2 (in Richtung einer Flächendiagonalen) und u3 (in Richtung einer Raumdiagonalen) unterschieden wird. Zusätzlich können Führungs- und Orthogonalitätsfehler der drei Achsen sowie die Antastunsicherheit des Tasters spezifiziert sein. Eine Übersicht von Kalibrierroutinen zur Bestimmung dieser und weiterer Kenngrößen eines Koordinatenmessgerätes ist in [1.127] sowie mit besonderer Berücksichtigung optischer Sensoren in [1.128] zu finden. Im Prinzip ist die Modellierung des Messsystems aus diesen Angaben möglich, so dass für einen realen Anwendungsfall ein Fehlerbudget gemäß GUM abgeschätzt werden kann. Der damit verbundene Aufwand ist allerdings hoch und nur bei einfachen Aufgabenstellungen vom Anwender zu bewältigen. Eine praxisnahe Alternative besteht in der experimentellen Bestimmung der Messunsicherheit anhand eines kalibrierten Meisterteils [1.129, 1.130]. Dessen Geometrie muss der des zu messenden Werkstücks möglichst ähnlich und der Werkstoff muss gleich sein. Darüber hinaus muss mit derselben Tasterkonfiguration und Messstrategie, also Anzahl und Anordnung der Antastpunkte sowie denselben Ausgleichsalgorithmen gearbeitet werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wird das Meisterteil 20mal unter den Umgebungsbedingungen gemessen, unter denen auch das Werkstück gemessen werden soll. Aus den so erhaltenen Messwerten lassen sich die Un-
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sicherheiten der Ergebnisgrößen durch statistische Auswertung ableiten. Diese sind allerdings nur auf eine kleine Klasse ähnlicher Messobjekte übertragbar. Ein grundsätzlich neuer Ansatz zur Bestimmung der Messunsicherheit von Koordinatenmessgeräten wurde an der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) entwickelt und liegt als Entwurf des Blattes 7.1 der Richtlinie VDI/VDE 2617 und als noch unveröffentlichter Entwurf der ISO 15530-4 vor. Bei diesem sog. „Virtuellen KMG“ handelt es sich um einen Ansatz, mit Hilfe einer Software die Eigenschaften des Messsystems zu modellieren und Messvorgänge zu simulieren [1.131]. Dabei werden Führungsabweichungen, thermische Einflüsse auf Gerät und Werkstück, Drift und Antastabweichung durch statistische Parameter abgebildet, deren Verteilungsdichtefunktion experimentell bestimmt wird. Dies erfolgt in aufwendigen Messreihen mit einer kalibrierten Kugelplatte in verschiedenen Anordnungen im Messvolumen jeweils mit mehreren Wiederholungen. Für einen konkreten Anwendungsfall simuliert die Software die Messung zunächst unter der Annahme eines fehlerfreien Messsystems und legt auf diese Weise die jeweiligen Bezugsgrößen fest. Danach werden in einer sog. Monte-Carlo-Simulation viele Wiederholungen der Messung durchgerechnet, wobei über Zufallsgeneratoren unter Berücksichtigung der jeweiligen statistischen Verteilung den Parametern stochastische Werte zugewiesen werden. Aus den Ergebnissen dieser großen Zahl von virtuellen Messungen lassen sich durch Berechnung von Mittelwert und Streuung und den Vergleich mit der fehlerfreien Simulation die systematischen und statistischen Messabweichungen bestimmen und für jedes am realen Werkstück gemessene Maß die Unsicherheit angeben. Das „Virtuelle KMG“ wird von mehreren Messgeräteherstellern als Softwareprodukt zu deren Koordinatenmessgeräten angeboten. 1.3.4.2 Multisensorkoordinatenmessgeräte Klassische Koordinatenmessgeräte mit taktilen Sensoren sind zwar als Universalmessgeräte anerkannt, jedoch lassen sich durch die Kombination mit optoelektronischen Sensoren und Bildverarbeitung viele Messaufgaben schneller und effizienter lösen [1.132]. Andererseits ergänzten Hersteller von optischen Koordinatenmessgeräten (Abschn. 1.3.3.1) diese durch taktile Sensoren, um auch spiegelnde oder transparente Oberflächen sicher erfassen zu können [1.128]. So ist aus unterschiedlichen Ansätzen ein neuer Gerätetyp entstanden, der als MultisensorKMG bezeichnet wird. In der Regel enthält ein Multisensor-KMG die Funktionalität eines taktilen KMGs zuzüglich der eines optischen KMGs, z. B. der Messung von 2D-Geometrien mit einem Kameramesssystem mit Durchlicht- oder Auflichtbeleuchtung. Mittels einer Autofokusregelung ist auch das Höhenprofil des Werkstücks auswertbar. Häufig ist zusätzlich ein den Abstand zur Werkstückoberfläche messender optischer Sensor vorhanden. Derartige optische Taster arbeiten meist punktuell nach dem Triangulations- oder Autofokusverfahren (Abschn. 1.3.1.4) und lassen sich an der Tasterschnittstelle für einen taktilen Taster einwechseln (Abb. 1.147). Zurzeit erarbeiten Koordinatenmessgerätehersteller einen internationalen Standard OSIS (Optical Sensor Interface Standard), der die Austauschbarkeit optischer
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Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Messung im Bild
Autofokusregelung Bildverarbeitung K
ZO
Messung am Bild
Messung scannend
Pinole 1 messender Taster
Pinole 2 Bildverarbeitung Fasertaster
Fasertaster
schaltender Taster
Z
LaserAutofokussensor
messender Taster
Abb. 1.147. Unterschiedliche Messmöglichkeiten eines Multisensorkoordinatenmessgerätes (Quelle: Werth Messtechnik, Giessen)
Sensoren zwischen unterschiedlichen Koordinatenmessgeräten ermöglichen soll [1.133, 1.134]. Taktile und optische Taster ergänzen sich in ihren Eigenschaften. Während taktile Taster auf den meisten technischen Oberflächen eine reproduzierbar geringe und vor allem über die Kalibrierkette rückführbare Antastunsicherheit aufweisen, fehlen für optische Taster noch entsprechende Normen. Optische Taster werden von den Oberflächeneigenschaften der Werkstücke stärker beeinflusst und können insbesondere bei glänzenden, transparenten oder mattschwarzen Oberflächen Probleme bereiten. Ein anderer störender Effekt tritt bei Volumenstreuern wie Kunststoff oder Keramik auf, bei denen häufig nicht ein Oberflächenelement, sondern ein Volumenelement dicht unter der Oberfläche als Zentrum der Rückstreuung wirkt, was zu einem systematisch zu groß gemessenen Abstand führt. Die Stärke der optischen Taster ist die berührungslose Antastung, die eine hohe Geschwindigkeit beim scannenden Betrieb ermöglicht, bei weichen und filigranen Strukturen elastische Verformung vermeidet und bei empfindlichen Oberflächen eine Beschädigung ausschließt. Eine Tastkugelradiuskorrektur ist bei optischen Sensoren nicht erforderlich. Die Messdatenrate lässt sich weiter erhöhen, indem statt der punktuell antastenden Sensoren Lichtschnittsensoren (Abschn. 1.3.3.3), [1.135] oder Streifenprojektionssensoren (Abschn. 1.3.3.5) eingesetzt werden. Die optische Sensorik erreicht bei der dreidimensionalen Messung eines einzelnen Messpunkts in der Regel nicht die gleiche Messunsicherheit wie ein taktiler
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Taster. Aufgrund der wesentlich größeren Anzahl von Messpunkten kann bei der Berechnung der geometrischen Ausgleichselemente mit optischen Sensoren häufig dennoch eine der taktilen Sensorik vergleichbare Unsicherheit erzielt werden. Eine Kombination des taktilen und des optischen Antastprinzips ist im Fasertaster verwirklicht. Am Ende einer aus der Waagerechten um 90° nach unten gebogenen Glasfaser, die den Taststift bildet, ist eine kleine Kugel angeschmolzen, die als Tastelement dient. In die Glasfaser eingekoppeltes Licht lässt das Tastelement als gleichmäßig hell leuchtende Kugel erscheinen. Diese Anordnung wird so unter dem Kameraobjektiv des optischen 2D-Bildsensors angebracht, dass die Kugel scharf abgebildet etwa in der Bildmitte erscheint. Eine Berührung mit der Werkstückoberfläche bewirkt eine Auslenkung der Tastkugel, die mit dem optischen Sensor mit hoher Empfindlichkeit registriert wird (Abb. 1.148). Es handelt sich um einen messenden Taster, der für den scannenden Betrieb geeignet ist. Die Besonderheit des Fasertasters liegt in der filigranen Geometrie begründet. Verschiedene Ausführungen mit Tastkugelradien bis hinunter zu 20 µm sind kommerziell verfügbar. Die Glasfaser ermöglicht aufgrund ihrer in der Relation zum Durchmesser großen Länge die Messung in kleinen Bohrungen und Spalten, z. B. an mikrotechnischen Komponenten. Zudem liegt die Antastkraft in der Größenordnung einiger Mikronewton und ist daher meist vernachlässigbar. Lichtquellen, Präzisionsobjektive und hochauflösende Kameras lassen sich nicht beliebig klein und leicht realisieren, daher muss die Tasteraufnahme eines Multisensorkoordinatenmessgerätes größer und stabiler ausgelegt werden als bei Standardkoordinatenmessgeräten üblich. Sollen taktile und optische Sensoren gleichzeitig eingesetzt werden, so besteht die Gefahr gegenseitiger Behinderung oder gar Kollision. Eine flexible Lösung bieten hier KMGs mit zwei unabhängigen Pinolen (z-Achsen), die jeweils einen oder mehrere Sensoren tragen. Erkauft wird diese Flexibilität mit einer Einschränkung des tatsächlichen Messvolumens, das für alle installierten Sensoren zugänglich ist. Die Kombination verschiedener Tastsysteme innerhalb eines MultisensorKMGs erfordert die Kalibrierung der relativen Ruhelagen der verschiedenen Tas-
CCD-Sensor
Optik
Justierkopf und Lichtquelle
WFP Fasertastelement
Messtisch
Werkstück
Abb. 1.148. Fasertaster für die Messung an Mikrostrukturen (Quelle: Werth Messtechnik, Gießen)
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ter. Dazu müssen geeignete Kalibrierkörper angefertigt werden, die sich optisch und taktil mit vergleichbarer Unsicherheit antasten lassen. 1.3.4.3 Geodätische Koordinatenmessgeräte Obwohl Koordinatenmessgeräte in Brückenbauweise durchaus für Messobjekte mit Abmessungen bis ca. 20 m Länge verfügbar sind, kommen bei großen Objekten zunehmend geodätische Koordinatenmessgeräte zum Einsatz. Basierend auf im Vermessungswesen bewährten Techniken ist ihr Messbereich praktisch unbegrenzt. Typische Anwendungen sind im Fahrzeug-, Flugzeug-, Schiff- und Anlagenbau zu finden. 1.3.4.3.1 Photogrammetrie
Der Ansatz, aus mehreren zweidimensionalen Bildern die dreidimensionale Gestalt eines Werkstücks zu berechnen, wurde bereits in Abschn. 1.3.3.2 beschrieben. Um homologe Objektpunkte in den verschiedenen Aufnahmen mit hoher Genauigkeit identifizieren zu können, werden häufig codierte Messmarken auf dem Messobjekt angebracht. Der Aufwand für die Probenpräparation ist dann allerdings erheblich, so dass nach Alternativen gesucht wurde. Mehrere Hersteller bieten photogrammetrische Messsysteme an, bei denen der Bediener eine spezielle Tastvorrichtung von Hand über das Objekt bewegt. Wie in Abb. 1.149 dargestellt, enthält eine solche Tastvorrichtung einen Taster, wie er in der Koordinatenmesstechnik üblich ist und zusätzlich eine Anordnung von mehreren definierten Marken. Kugeln bieten sich als Marken an, da sie aus allen Richtungen die gleiche Querschnittfläche aufweisen. Auch codierte Marken aus retroreflektierender Folie oder LED-Anordnungen als selbstleuchtende Marken werden eingesetzt. Die Anordnung der Marken erlaubt die eindeutige Bestimmung von Position und Orientierung der Tastvorrichtung im Raum, wenn die Positionen der Marken bekannt sind. Die Tastvorrichtung ist kalibriert, so dass aus der Messung der Positionen der Marken mit einem photogrammetrischen Messsystem die Position der Tastkugel im Raum berechnet werden kann.
handgeführte Tastvorrichtung
Leuchtdioden
Kamera 1 Taster Kamera 2
Abb. 1.149. Koordinatenmessung mit einer handgeführten Tastvorrichtung und photogrammetrischer Auswertung
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Bei Berührung des Werkstücks mit der Tastkugel schaltet der Taster und ein in der Vorrichtung integrierter Signalgeber löst z. B. über ein Funksignal die photogrammetrische Messung aus. Auf diese Weise lässt sich in kurzer Zeit komfortabel eine große Zahl von Messpunkten bestimmen. Auch ein scannender Betrieb ist möglich, wenn die Vorrichtung einen messenden Taster enthält und die photogrammetrische Bildauswertung schnell genug arbeitet. 1.3.4.3.2 Inverse Photogrammetrie
Während in der Photogrammetrie gemäß Abschn. 1.3.4.3 mit einer Anzahl fest installierter Kameras ein bewegtes Ziel verfolgt wird, ist auch die Umkehrung dieses Prinzips möglich. So ist ein Messsystem kommerziell verfügbar, bei dem ebenfalls vom Bediener geführt eine Vorrichtung mit einem Taster und einer eingebauten Kamera am Objekt entlang bewegt wird. Die Messung wird im Inneren einer Messzelle durchgeführt, deren Wände und Decke mit codierten Punktmarken versehen sind, deren Positionen im Raum zuvor mittels einer Kalibriermessung bestimmt wurden. Die Kamera der Messvorrichtung bildet jeweils einen Ausschnitt dieses Punktmusters ab und ein angeschlossener Bildauswerterechner kann daraus die Position und Blickrichtung der Kamera berechnen. Damit liegt auch die Position der Tastkugel fest. In Abb. 1.150 ist die Anwendung dieses Systems bei der Messung an einer Pkw-Karosserie dargestellt.
Kamera
Tastvorrichtung
Messzelle mit kalibrierten Marken an Wänden und Decke
Taster
Abb. 1.150. Koordinatenmessung mit inverser Photogrammetrie (Quelle: Aicon, Braunschweig)
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Abb. 1.151. Messung der Koordinaten von mittels Laser markierten Oberflächenpunkten mit zwei Theodoliten
1.3.4.3.3 Theodolite
Theodolite wurden für die Landvermessung entwickelt und bestehen aus einem Fernrohr, welches in einer kardanischen Präzisionslagerung in einer vertikalen und einer horizontalen Achse um einen Punkt auf der optischen Achse schwenkbar ist. Beide Drehachsen sind mit präzisen Winkelmesssystemen, z. B. optischen Inkrementaldrehgebern, versehen. Ordnet man zwei Theodolite an den Enden einer Basislinie von bekannter Länge an und zielt mit beiden Visieren auf einen Objektpunkt im Raum, so ist die Position dieses Punktes durch Anwenden einfacher trigonometrischer Berechnungen bestimmbar. Die vertikale z-Achse des Koordinatensystems wird dabei in der Regel mit einer Wasserwaage oder einer elektronischen Libelle auf die Wirkrichtung der Schwerkraft bezogen. Für die industrielle Anwendung, wo in der Regel eine große Zahl von Messpunkten in begrenzter Zeit zu erfassen ist, entstanden Varianten dieses Prinzips. Ein Ansatz besteht darin, die beiden Theodolite mit elektronischen Kameras und motorisierten Drehachsen auszustatten. Ein Steuerrechner wertet die Bilder aus und führt das jeweilige Fernrohr einer beweglichen Zielmarke nach. Diese Zielmarke kann von Hand am Messobjekt entlang bewegt werden. Sehr effizient ist der Einsatz eines Lasers anstelle einer verkörperten Markierung. Ein Laserlichtfleck lässt sich mit einem schmalbandigen optischen Filter vor der Kamera kontrastreich gegen die Umgebungshelligkeit hervorheben und markiert einen Punkt unmittelbar auf der Werkstückoberfläche, so dass keine Abstandskorrekturen wie bei Verwendung von mechanischen Tastvorrichtungen erforderlich sind (Abb. 1.151).
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1.3.4.3.4 3D-Lasertracker
Eine andere Entwicklung basiert auf der Integration eines Laser-Abstandsmessgerätes in den mit motorisierten Achsen ausgestatteten Theodoliten. Dadurch ist die Messung in Polarkoordinaten mit nur einem einzelnen Theodoliten möglich. Der zur Entfernungsmessung verwendete Laser wird durch das Messfernrohr ausgekoppelt und trifft auf einen Retroreflektor, der ihn zurückwirft, wobei ein Parallelversatz auftritt, der doppelt so groß wie der Abstand des Laserstrahlenbündels vom optischen Zentrum des Retroreflektors ist. Dieser Parallelversatz wird im Theodoliten zur Verfolgung des bewegten Retroreflektors ausgewertet. Der Theodolit bestimmt die Position des optischen Zentrums des Retroreflektors im Raum. Baut man den Retroreflektor so in eine Halbkugel ein, dass das optische Zentrum im Kugelmittelpunkt liegt, so kann diese Kugel als Tastkörper verwendet werden, mit dem die Oberfläche eines Messobjekts angetastet oder abgescannt wird. Die Abstandsmessung kann interferometrisch erfolgen, was eine sehr hohe Genauigkeit ermöglicht, aber die Handhabung erschwert, da aufgrund des inkrementalen Messprinzips der Strahlengang während des gesamten Messvorganges zu keinem Zeitpunkt unterbrochen werden darf. Alternativ oder zusätzlich zum Interferometer werden daher auch absolute Abstandsmessgeräte, z. B. in Form eines Lichtlaufzeitmesssystems mit moduliertem Licht, in den Theodoliten integriert. Eine Kombination aus Lasertracker mit interferometrischer und absoluter Abstandsmessung und einer photogrammetrischen Messkamera ist kommerziell verfügbar (Abb. 1.152), [1.136]. Der Bediener führt manuell eine Tastvorrichtung über das Messobjekt, die sowohl einen Retroreflektor für den 3D-Lasertracker als auch mehrere gepulst betriebene LEDs für die Auswertung durch die Kamera enthält. So sind gleichzeitig aus den Daten des Lasertrackers die Position und aus den Daten der Messkamera die Orientierung der Tastvorrichtung berechenbar. Zusätzlich unterstützt die Bildauswertung der Kamera die Grobausrichtung des Trackers, bis die Feinregelung mittels des reflektierten Laserstrahlenbündels möglich ist.
Leuchtdioden
Theodolit mit integriertem optischem Abstandsmesssystem
Taster
Retroreflektor
Abb. 1.152. Kombination von Laser-Tracker und Kameramesssystem (nach Leica Geosystems, Unterentfelden, CH)
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Zu diesem System wird als Alternative zum taktilen Taster ein ebenfalls handgeführter und mit Retroreflektor und LEDs versehener Laserlichtschnittsensor angeboten. Dieser ermöglicht das schnelle Digitalisieren einer großen Zahl von Oberflächenpunkten, wobei Position und Orientierung des Sensors kontinuierlich von der Tracker/Kamera-Kombination gemessen werden, um den Bezug zum globalen Koordinatensystem herzustellen. 1.3.4.3.5 3D-Laserscanner
Das Lichtlaufzeit-Messverfahren mit moduliertem Licht (Modulation der Amplitude oder der Polarisation) funktioniert im Prinzip auch ohne einen speziellen Retroreflektor, sofern das Messobjekt eine ausreichende Reflektivität in Richtung der Empfängeroptik aufweist. Dies ermöglicht das direkte Abscannen der Oberfläche eines Messobjektes mit dem in zwei orthogonalen Achsen schwenkbaren Laser. Da die Laserleistung aus Sicherheitsgründen begrenzt ist und nur ein Bruchteil des abgestrahlten Lichtes in die Empfängeroptik gelangt, ist das Signal/ Rausch-Verhältnis und damit die Messunsicherheit schlechter als beim 3D-Lasertracker mit Retroreflektor. Zudem ist der Einsatz eines Laserinterferometers nicht möglich. Dennoch erreichen kommerziell verfügbare Systeme bei hinreichend langer Integrationszeit (2 Messungen/s) eine Messunsicherheit von ±50 µm. Eine Reduzierung der Integrationszeit führt zu einer größeren Messdatenrate bei Verlust an Genauigkeit, z. B. ±300 µm bei 1000 Messungen/s [1.137]. Ein anderer 3D-Laserscanner wurde für Anwendungen entwickelt, bei denen weniger die quantitative Messung als vielmehr die dreidimensionale bildhafte Erfassung von großen Objekten im Vordergrund steht. Dieses Gerät wird bei einem Messbereich von mehr als 50 m Radius und 360° × 270° Winkel mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich spezifiziert, wobei mehr als 500.000 Messwerte je Sekunde erfasst werden [1.138, 1.139]. Für jeden Messpunkt wird neben der dreidimensionalen Position auch seine Reflektivität abgespeichert, so dass in kurzer Zeit z. B. komplette Fertigungsanlagen digitalisiert und photorealistisch dargestellt werden können. 1.3.4.4 Röntgentomographie Die vorab beschriebenen 3D-Messverfahren bleiben durchweg auf die Oberfläche der Messobjekte beschränkt. Ein Verfahren zur volumetrischen Bestimmung der Geometrie eines Körpers ist dagegen die Röntgentomographie (s. auch C 2.3.3). Dabei macht man sich zunutze, dass Röntgenstrahlung aufgrund ihrer hohen Energie fast jedes Material durchdringen kann. Da die Ablenkung der Strahlung durch Streuung und Beugung dabei vernachlässigbar gering ist, ist die Abbildung mit Röntgenstrahlung in guter Näherung als geometrischer Schattenwurf modellierbar. Die Schattenkanten werden umso schärfer und die Auflösung des Abbildungsverfahrens umso besser, je kleiner die Strahlungsquelle ist. Dies führte zur Entwicklung so genannter Mikrofokus- und Nanofokus-Röntgenröhren mit Durchmessern der Strahlungsquellen von wenigen Mikrometern bis hinunter unterhalb von einem Mikrometer.
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Probe Aufnahme der Projektionen bei schrittweiser Rotation um 360° Schritte < 1°
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Bildsensor
Schrittweise Rotation Röntgenröhre
Abb. 1.153. Prinzip der Bildaufnahme bei der Röntgentomographie (Quelle: Phoenix|x-ray Systems + Services GmbH, Wunstorf)
Für eine tomographische Aufnahme wird das Messobjekt auf einer Drehvorrichtung fixiert und nacheinander aus einer großen Zahl unterschiedlicher Winkel, typisch sind mehrere 100 Ansichten, aufgenommen (Abb. 1.153). Aus den verschiedenen Projektionen kann man den räumlichen Aufbau des Messobjekts berechnen. Das Ergebnis ist eine Darstellung des Messobjekts als Menge von Volumenelementen, sog. Voxels, wobei jedem Voxel ein Dichtewert entsprechend der lokalen Absorption der Röntgenstrahlung zugewiesen wird. Zur graphischen Darstellung dieses volumetrischen Modells stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, z. B. photorealistische Darstellungen, 3D-Darstellungen mit Hilfe spezieller Ausgabegeräte oder Schnitte durch das Messobjekt (Abb. 1.154). Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Auswerterechners sind hoch und
2 mm ein: 19 Litzen
Bild fehlt noch aus: 17 Litzen a) 2D-Aufnahme
b) 3D-Aufnahme
Schnittdarstellungen
Abb. 1.154. Untersuchung einer Crimp-Verbindung mit Röntgentomographie. a in der zweidimensionalen Röntgenaufnahme kann die Zahl der Adern nicht bestimmt werden; b die dreidimensionale Auswertung gibt Anzahl und Anordnung der Adern sowie einen Adernbruch wieder (Quelle: Phoenix|x-ray Systems + Services GmbH, Wunstorf)
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auch mit Mehrprozessorsystemen sind Auswertezeiten in der Größenordnung einiger Minuten typisch. Ursprünglich für die medizinische Diagnostik entwickelt, findet die Röntgentomographie zunehmend Anwendung in der industriellen Fertigung. In der Mikroelektronik weisen Multilayerplatinen und integrierte Schaltkreise in Ball-Grid-Array-Gehäusen funktionswichtige Strukturen auf, die nicht visuell geprüft werden können, da sie im Inneren des Prüfteiles liegen. Mit röntgentomographischen Untersuchungen sind z. B. Kurzschlüsse, Unterbrechungen und fehlerhafte Lötstellen direkt detektierbar. Neben solchen qualitativen Prüfungen eignet sich die Röntgentomographie aber auch für quantitative Messungen, um z. B. Leiterbahnabstände in Multilayerplatinen zu bestimmen. Bei Verwendung einer hinreichend leistungsstarken Röntgenröhre können auch große metallische Werkstücke, z. B. Aluminium-Zylinderköpfe mit einem Röntgentomographen dreidimensional gemessen werden [1.140]. 1.3.5 Oberflächenmesstechnik Neben der makroskopischen Form eines Werkstücks kommt in vielen Fällen auch der mikroskopischen Oberflächenstruktur eine Bedeutung zu. Sie bestimmt u. a. die Reibung und den Verschleiß von Führungselementen, die Dichtheit von Verbindungen, die Festigkeit von Fügestellen und die optische Wirkung von Sichtflächen. Die mikroskopische Oberflächenstruktur wird im Fertigungsprozess durch das Fertigungsverfahren, die Prozessparameter und das Material beeinflusst. Um im Fertigungsprozess reproduzierbare Oberflächen mit den in der Konstruktion spezifizierten Eigenschaften zu erhalten, ist es erforderlich, einerseits eine objektive Beschreibung der Oberflächenstruktur einzuführen und andererseits eine Messtechnik dafür bereitzustellen. 1.3.5.1 Begriffsbestimmungen Zur Objektivierung der Beschreibung einer Werkstoffoberfläche wurde die DIN 4760 eingeführt [1.141]. Danach unterscheidet man zwischen der wirklichen Oberfläche, die den Gegenstand von dem ihn umgebenden Medium trennt, der Istoberfläche, die als Ergebnis einer Messung erhalten wird und der geometrischen Oberfläche, die man als ideales Modell bei der Konstruktion definiert. Bei porösen Materialien wie Sinterwerkstoffen oder Schaumstoff wird die innere Oberfläche bei der Definition der wirklichen Oberfläche nicht erfasst. Die Differenz zwischen der Istoberfläche und der geometrischen Oberfläche wird als Gestaltabweichung bezeichnet, wobei zwischen Grobgestaltabweichungen, die nur bei Betrachtung der gesamten Oberfläche erkannt werden können (Maß-, Form- und Lageabweichungen) und Feingestaltabweichungen, die bei Betrachtung eines Ausschnitts der Oberfläche erkannt werden können (Welligkeit, Rauheit), unterschieden wird. Die DIN 4760 enthält eine Klassifizierung der Gestaltabweichungen gemäß sechs Ordnungen. Dabei werden sowohl charakteristische geometrische Merk-
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male als auch eine Zuordnung zu Ursachen der jeweiligen Art der Gestaltabweichung zugrunde gelegt (Abb. 1.155). 1. Ordnung: Formabweichung, bedingt durch Fehler in der Fertigungsmaschine wie Führungsfehler, Durchbiegung der Maschine oder des Werkstücks während der Bearbeitung, Härteverzug usw. Gestaltabweichungen 1. Ordnung sind nicht Gegenstand der Oberflächenmesstechnik.
Gestaltabweichung 1. Ordnung: Formabweichung
Beispiele für die Art der Abweichung
Beispiele für die Entstehungsursache
EbenheitsGeradheitsGradheitsRundheitsabweichung
Fehler in den Führungen der Werkzeugmaschine, Durchbiegung der Maschine oder des Werkstückes, falsche Einspannung des Werkstückes, Härteverzug, Verschleiß
2. Ordnung: Welligkeit Welligkeit (siehe DIN 4761)
Außenmittige Einspannung oder Formfehler des Fräsers, Schwingungen der Werkzeugmaschine oder des Werkzeuges
3. Ordnung: Rauheit Rillen
Form der Werkzeugschneide, Vorschub oder Zustellung des Werkzeuges
4. Ordnung: Rauheit
Rauheit
(siehe DIN 4761)
Riefen Schuppen Kurven (siehe DIN 4761)
5. Ordnung: Rauheit Nicht mehr in einfacher bildlicher Weise darstellbar
Gefügestruktur
Vorgang der Spanbildung (Reiß- oder Scherspan, Aufbauschneide), Werkstoffverformung durch Sandstrahlen, Knospenbildung bei galvanischer Behandlung Kristallisationsvorgänge, Veränderungen der Oberfläche durch chemische Einwirkung (z.B. Beizen, Korrosion)
6. Ordnung: Rauheit Nicht mehr in einfacher bildlicher Weise darstellbar
Gitteraufbau des Werkstoffes
Überlagerung der Gestaltabweichungen 1. bis 4. Ordnung
Abb. 1.155. Klassifizierung der Gestaltabweichungen nach Ordnungen gemäß DIN 4760
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Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
2. Ordnung: Welligkeit, bedingt durch Unwucht, Vibrationen usw. Welligkeit ist eine periodische Gestaltabweichung mit niedriger Ortsfrequenz. Die Gestaltabweichungen 3. bis 6. Ordnung werden als Rauheit bezeichnet, wobei weiter spezifiziert wird: 3. Ordnung: Regelmäßige Rauheit, Rillen, verursacht durch die Form der Werkzeugschneide und den Vorschub bei der Bearbeitung. 4. Ordnung: Unregelmäßige Rauheit, Riefen, Schuppen, Kuppen, verursacht durch den Mechanismus der Spanbildung, Werkstoffverformung beim Sandstrahlen, Knospenbildung bei galvanischer Behandlung usw. 5. Ordnung: Rauheit: Gefügestruktur, bedingt durch Kristallisationsvorgänge oder chemische Einwirkungen auf die Oberfläche. 6. Ordnung: Gitterstruktur, physikalisch gegeben durch den atomaren Aufbau des Werkstoffs. Auf einer realen Werkstückoberfläche liegt stets eine Überlagerung aller sechs Ordnungen der Gestaltabweichung vor. 1.3.5.2 Das Tastschnittverfahren Eine qualitative Prüfung der Oberflächenfeingestalt kann durch die sog. Fingernagelprobe erfolgen, bei der der Prüfer die Unebenheit erfühlt, indem er den Fingernagel über die Oberfläche führt. Das Tastschnittverfahren ist die technische Umsetzung dieses Ansatzes. Ein Messtaster mit einer Tastnadel wird mit Hilfe eines Vorschubgerätes horizontal über die Oberfläche geführt. Das Oberflächenprofil entlang der gewählten Tastlinie ergibt sich durch Messen der vertikalen Höhenänderung des Tasters während der Bewegung. Um vergleichbare Messungen zu erhalten, sind in der DIN 4772 u. a. die Geometrie der Tastnadel, die Antastkraft und die Verarbeitung des Messsignals festgelegt [1.142]. 1.3.5.2.1 Messstrategien
Da das Tastschnittverfahren nur einen linearen Profilschnitt aus einer dreidimensionalen Mikrotopographie wiedergibt (Abb. 1.156) und viele technische Oberflächen aufgrund von Walz- oder Ziehtexturen oder Spuren spanender Bearbeitung eine ausgeprägte Anisotropie aufweisen, ist das Messergebnis i. Allg. von der Richtung des Tastschnittes abhängig. DIN 4768 fordert, die Richtung so zu wählen, dass sich der größte Rauwert ergibt. Bei spanend bearbeiteten Oberflächen ist dies die Richtung quer zu den Riefen. In Zweifelsfällen sollten Kunden und Lieferanten die Messrichtung durch Zeichnungseintrag vereinbaren. Darüber hinaus muss die Rauheit als ein statistisches Phänomen verstanden werden, dessen Beschreibung mit Hilfe von genormten Kenngrößen nur dann
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horizontal ausgerichtete Werkstückoberfläche
vertikale Schnittebene
343
Abb. 1.156. Linearer Profilschnitt einer dreidimensionalen Oberfläche
Profilschnitt
sinnvoll ist, wenn sichergestellt wird, dass der Messort repräsentativ für die gesamte betrachtete Oberfläche ist. Es sollten daher stets mehrere Messungen an verschiedenen Stellen der Oberfläche durchgeführt und zu einem Messergebnis mit einer Aussage zur Messunsicherheit zusammengeführt werden. 1.3.5.2.2 Messsignalverarbeitung
Das gemessene Oberflächenprofil, das sog. P-Profil, enthält i. Allg. Komponenten aller sechs Ordnungen der Gestaltabweichung. In der Praxis ist es sinnvoll, verschiedene Ordnungen zu separieren, da sie jeweils auf bestimmte primäre Ursachen rückführbar sind, was eine Prozessregelung ermöglicht. Auch die Auswirkungen der verschiedenen Ordnungen auf die Funktion und die Eigenschaften der Oberfläche können unterschiedlich sein. Eine Trennung der Ordnungen der Gestaltabweichung ist auf der Basis einer Frequenzfilterung des Signals möglich, da die Ordnungen eine von 1 bis 6 zunehmende mittlere Ortsfrequenz aufweisen. Die Ortsfrequenz wird bei der Abtastung mit konstanter Geschwindigkeit in eine zeitliche Frequenz des Messsignals umgesetzt. Während bei älteren Analoggeräten die Frequenzfilterung mit RC-Filtern erfolgte, arbeiten moderne Geräte durchweg mit digitalen Filtern. Dies hat den Vorteil, dass sog. phasenkorrekte Filter implementiert werden können, die im Gegensatz zu analogen Filtern die Signalform praktisch nicht verfälschen. Standardmäßig wird ein digitales Gaußfilter eingesetzt. Eine Hochpassfilterung beseitigt auch den Effekt einer nichtidealen Ausrichtung der Bezugsebene zur Oberfläche. Aus dem P-Profil entsteht durch eine Tiefpassfilterung das Welligkeits- oder W-Profil und durch eine Hochpassfilterung das Rauheits- oder R-Profil. Das zu verwendende Profilfilter und die jeweils einzustellende Grenzwellenlänge werden durch die DIN 4777 bzw. DIN 4768 festgelegt [1.143, 1.144]. Die Messstrecke muss stets fünfmal so groß sein wie die Grenzwellenlänge; hinzu kommen geräteabhängig eine Vorlauf- und eine Nachlaufstrecke. Sollte die Werkstückgeometrie dies nicht gestatten, ist eine Aufteilung auf mehrere Teilmessstrecken zulässig. Bei der graphischen Darstellung von Oberflächenprofilen werden in der Regel stark unterschiedliche Maßstäbe in Vorschubrichtung (x) und Normalenrichtung (z) verwendet, um die Profilform hervorzuheben. Diese verzerrte Darstellung kann bei ungeübten Betrachtern zu einem falschen subjektiven Eindruck führen. Da zudem häufig gerade bei sehr glatten Oberflächen ein großer relativer Anteil unregelmäßiger Rauheit vorliegt, wirkt eine entsprechend vergrößerte Darstellung besonders zerklüftet.
344
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
1.3.5.2.3 Rauheitskennwerte
In der industriellen Praxis wird angestrebt, die wesentlichen Eigenschaften einer Oberfläche durch möglichst wenige standardisierte numerische Kenngrößen zu beschreiben. Auf diese Weise können Anforderungen seitens der Konstruktion präzise definiert und die Einhaltung dieser Forderungen mit Hilfe von Messungen geprüft werden. Darüber hinaus sind Kennwerte eine Voraussetzung für die Anwendung der statistischen Prozessregelung (Abschn. 1.2.4). Der Übergang vom Profil zu einem einzelnen Kennwert stellt eine extreme Reduzierung der Information dar. Verschiedene Oberflächen können trotz gleicher Kennwerte unterschiedliche Eigenschaften haben. Für den Vergleich verschiedener Werkstücke, die z. B. innerhalb einer Serie aus dem gleichen Material im gleichen Fertigungsprozess mit nominell gleichen Prozessparametern gefertigt wurden, sind Rauheitskennwerte jedoch sehr wohl aussagekräftig. Von der großen Zahl der gebräuchlichen Rauheitskennwerte sollen an dieser Stelle nur die wichtigsten vorgestellt werden, ansonsten sei auf die weiterführende Literatur verwiesen [1.145]. Der arithmetische Mittenrauwert Ra wird am hochpassgefilterten Profil nach der Formel Ra
1l ³ z(x) z dx mit z l0
1l ³ Z (x)dx l0
(1.33)
berechnet, wobei die Messstrecke l das Fünffache der Grenzwellenlänge des Profilfilters betragen muss [1.143]. Der arithmetische Mittenrauwert ist einfach ermittelbar und weltweit gebräuchlich. Der quadratische Mittenrauwert Rq, Rs oder RMS mit Rq
2 1l Z (x) Z dx ³ l0
(1.34)
ist vor allem in den angelsächsischen Ländern gebräuchlich (RMS: Root Mean Square). Nach dem gegenwärtigen Stand der Normung sollte er vermieden werden. Für die gemittelte Rautiefe Rz, auch als „Zehnpunkthöhe“ bezeichnet, existieren zwei unterschiedliche Definitionen: Nach ISO wird zum hochpassgefilterten Profil die Mittellinie bestimmt und für die fünf höchsten Profilspitzen und die fünf tiefsten Riefen wird jeweils der Abstand zur Mittellinie gemessen. Man berechnet die arithmetischen Mittelwerte für die fünf Spitzen und die fünf Riefen. Rz ISO ist der Abstand zwischen diesen beiden Mittellagen [1.146]. Nach DIN wird das hochpassgefilterte Profil in fünf gleiche Teile zerlegt, deren Länge jeweils der Grenzwellenlänge des Profilfilters entspricht. Innerhalb je-
345
Z5
Z4
Z3
Z2
Z1
1 Fertigungsmesstechnik
RZ DIN =(1/5)· (Z1+Z2+Z3+Z4+Z5) RMAX =MAX (Z1, Z2, Z3, Z4, Z5)
Ie
Im
Abb. 1.157. Erläuterung zur Bestimmung der gemittelten und der maximalen Rauhtiefe nach DIN
des Teilprofils wird die sog. Einzelrautiefe Z bestimmt, der vertikale Abstand zwischen der höchsten Spitze und der tiefsten Riefe (Abb. 1.157). Rz DIN ist der arithmetische Mittelwert der fünf Einzelrautiefen [1.144]. Die Unterschiede dieser beiden Definitionen sind in der Praxis gering. Die größte der fünf Einzelrautiefen, die zur Bestimmung der gemittelten Rautiefe nach DIN bestimmt wurden, wird als maximale Rautiefe Rmax bezeichnet [1.144]. Die vorab beschriebenen Rauheitskennwerte entstanden unter der Notwendigkeit, die Ermittlung manuell oder mit Hilfe einfacher Analogsignalverarbeitung durchführen zu können. Mit dem Einzug der digitalen Signalverarbeitung in die Oberflächenmesstechnik eröffneten sich neue Möglichkeiten für aufwendigere Berechnungen, die zu neuen anwendungsspezifischen Kenngrößen führten. Ein wichtiger Ansatz ist die Beschreibung der Oberfläche analog zu statistischen Zufallsgrößen. Bei diesen hat sich das Konzept der Verteilungsfunktion und daraus abgeleiteter Kenngrößen bewährt. Legt man eine horizontale Gerade durch das Oberflächenprofil, so kann der sog. Materialanteil als Verhältnis der Länge der Geradenabschnitte „im Material“ zur Messlänge definiert werden (Abb. 1.158). Da ein gemessenes Istprofil keiSL Materialanteil[%]= L i 100 0
L1
L2
L3
L4
L5
L6
L7
Rk Kernbereich 40 %
L1=L0
L0
0
10
20
Abb. 1.158. Konstruktion der Abbott-Kurve aus dem Oberflächenprofil
30
40
50
60
70
80
Materialanteil
90
100
[%]
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ne Hinterschneidungen aufweisen kann, nimmt der Materialanteil beim Absenken der horizontalen Gerade monoton zu. Trägt man den Materialanteil in Abhängigkeit von der vertikalen Position der Gerade in einem Diagramm ein, so erhält man die sog. Abbott-Kurve, die der Verteilungsfunktion der Statistik entspricht. In der Regel hat die Abbott-Kurve eine charakteristische S-Form mit einem annähernd linearen Kernbereich, an den sich zur einen Seite der Spitzen-, zur anderen Seite der Riefenbereich anschließt. Nach DIN 4776 ist der Kernbereich der Bereich mit der Länge von 40 % der Messlänge mit minimaler Sekantensteigung. Die Höhe dieses Steigungsdreiecks wird als Kernrautiefe Rk definiert [1.147]. Als Ableitung der Abbot-Kurve nach der Koordinate z erhält man die Amplitudendichteverteilung, die der Verteilungsdichte in der Statistik entspricht. In analoger Weise lässt sich die Amplitudendichteverteilung durch ihre statistischen Momente beschreiben. Insbesondere das zweite Moment, die Schiefe, beschreibt das Verhältnis von Spitzen zu Riefen und ist für die tribologischen Eigenschaften der Oberfläche interessant, da die Riefen Schmierstoff aufnehmen können. Ein anderer Ansatz zur Ermittlung von Rauheitskennwerten ist die Fourieranalyse, die sich insbesondere zur Beschreibung der im Profil enthaltenen periodischen Anteile eignet. Auch die Approximation der Oberfläche mit SplineFunktionen oder Wavelets wird in Forschungsprojekten untersucht und könnte Eingang in die industrielle Messtechnik finden. Die Weiterentwicklung der Messtechnik ermöglicht zunehmend auch die flächige Erfassung der Topographie mit vertretbarem Aufwand, was insbesondere bei stark anisotropen Oberflächen die Aussagekraft der Ergebnisse erheblich verbessern kann. Damit einhergehend ist die Einführung weiterer Oberflächenkennwerte zu erwarten. 1.3.5.3 Oberflächenmessgeräte Das Standardmessgerät für die Oberflächentopographie ist das Tastschnittgerät mit mechanischer Abtastung. Dank eines umfassenden Normenwerks ermöglicht diese Technik hinreichend reproduzierbare Messergebnisse, wie sie im internationalen Warenverkehr gefordert werden. Alternative Messverfahren, insbesondere optische, bieten für einige Einsatzgebiete Vorteile und haben sich in Nischenanwendungen etabliert. Generell sind Oberflächenmessgeräte empfindlich gegen Erschütterungen und Vibrationen und sollten für anspruchsvolle Messaufgaben schwingungsisoliert aufgestellt werden. 1.3.5.3.1 Tastschnittgeräte
Alle Tastschnittgeräte enthalten als wesentliche Funktionseinheiten einen Taster, ein Vorschubgerät und eine Signalverarbeitungseinheit. Die Taster unterscheiden sich in der Art der Führung und in der Gestalt der Tastnadel. Als Tastnadel kommt eine an einem Tastarm befestigte geschliffene Diamantspitze zum Einsatz, wobei der Spitzenwinkel entweder 90±5° oder 60±5° und der Spitzenradius 2±1 µm, 5±2 µm oder 10±3 µm beträgt [1.142]. Damit ist gewährleistet, dass die Tastspitze in die bei spanender Bearbeitung der Oberfläche entstehenden Rillen eintauchen
1 Fertigungsmesstechnik
347
kann, die typisch Öffnungswinkel von ca. 120° aufweisen. Die Hersteller bieten Tastarme in unterschiedlicher Länge und Winkelung an, so dass auch für schwer zugängliche Oberflächen in der Regel eine Lösung zu finden ist. Die bei der Bewegung der Nadel über die Oberfläche resultierende Vertikalauslenkung des Tastarms wird in der Regel mit Hilfe eines induktiven Messsystems (Differentialdrossel oder Differentialtransformator, s. Abschn. 1.3.1.4.1) gemessen, da diese Wegmesstechnik kostengünstig und robust eine Auflösung im Nanometerbereich bei einem Hub von bis zu 1 mm erreicht. Zwei Hersteller bieten Geräte mit interferometrischer Messung der Auslenkung an, was einen Messbereich von 10 mm und damit die gleichzeitige Erfassung von Rauheit und Form ermöglicht [1.148, 1.149]. Hinsichtlich der Führung des Tastkopfes unterscheidet man Bezugsflächentaster, deren Referenz im Messgerät verkörpert ist und Kufentaster, die sich auf der zu messenden Oberfläche abstützen. Bezugsflächentaster haben den Vorteil der quasi absoluten Referenz, die durch Kalibrieren im Prinzip beliebig genau bestimmbar ist. Für die Kufentaster spricht dagegen die geringere Empfindlichkeit gegen Vibrationen. Kufentaster können als Ein- oder Zweikufentaster ausgeführt sein (Abb. 1.159). Die Gleitkufen sind Kugel- oder Zylinderflächen mit großem Radius, die über die Oberflächenunebenheiten hinweg gleiten. Auch die Kufe tastet das Oberflächenprofil ab, allerdings wirkt der große Krümmungsradius wie ein Tiefpass, so dass nur die Formabweichung und Welligkeit wirksam sind, die höheren Ordnungen der Gestaltabweichung aber weggemittelt werden. Die Tastnadel erfasst dagegen auch höhere Ordnungen der Gestaltabweichung. Da nur die Relativbewegung zwischen Kufe und Taster ausgewertet wird, entfallen Formabweichung und Welligkeit und nur die verschiedenen Ordnungen der Rauheit sind im Messsignal vorhanden. Sofern der Taster gegenüber der Kufe versetzt angeordnet ist, können Welligkeiten der Oberfläche mit bestimmten Ortsfrequenzen allerdings verstärkt werden (Abb. 1.160). Bei Bezugsflächentastern kann die Führung durch eine im Taster integrierte Vorrichtung realisiert sein, die sich an zwei Punkten der Oberfläche abstützt und so eine automatische Ausrichtung der Bezugsfläche zur Oberfläche gewährleistet (Abb. 1.161a). Häufiger stellen in der Vorschubeinheit integrierte Präzisionsführungen die Bezugsflächen dar, was eine Ausrichtung der Vorschubeinheit zur Oberfläche notwendig macht (Abb. 1.161b).
Vorschub Kufe
Tastspitze
a)
Abb. 1.159. a Einkufentaster; b Zweikufentaster
Vorschub Tastspitze
b)
Kufen
348
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik Abb. 1.160. a Verstärkung oder b Unterdrückung der Welligkeit in Abhängigkeit vom Abstand zwischen Tastnadel und Gleitkufe
a
Gleitkufe verstärkt die Welligkeit
b
Gleitkufe unterdrückt die Welligkeit
Vorschubgerät
Tastkopf
Messreferenz
a)
Abb. 1.161. a Bezugsflächentaster mit auf Werkstück abgestützter Messreferenz; b Bezugsflächentaster mit in Vorschubeinheit integrierter Messreferenz
Nur Tastkopf wird bewegt
Vorschub
Messreferenz
Messreferenz parallel zur Oberfläche ausgerichtet
Tastsystem
b)
Nur Tastsystem wird bewegt
Das Vorschubgerät enthält die Antriebseinheit, die den Taster möglichst erschütterungsarm und gleichmäßig mit einstellbarer normgemäßer Geschwindigkeit bewegt. Je nach Anforderungen stehen unterschiedlichste Bauformen zur Auswahl. Kompakte preisgünstige Geräte mit eingeschränkter Funktionalität können
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349
Abb. 1.162. Modular aufgebautes Tastschnittgerät
Säule Tasterhalterung Vorschubgerät auswechselbarer Taster
Werkstück auf Justiertisch
schwingungsisolierte Grundplatte
direkt in der Fertigung eingesetzt werden. Für Serienprüfungen werden spezielle Messplätze mit prüfteilspezifischen Vorrichtungen und fest installierter Software aufgebaut. Im Messraum und für Forschung und Entwicklung arbeitet man meist mit Universalmessgeräten, die als Baukastensystem mit vielen Variations- und Einstellmöglichkeiten versehen sind und eine flexibel einsetzbare PC-Software bieten (Abb. 1.162). Neben den weit verbreiteten Linear-Vorschubeinheiten gibt es auch Rotations-Vorschubeinheiten zur Messung an Wellen und Drehteilen. Um dem dreidimensionalen Charakter der Oberflächentopographie gerecht zu werden, ist bei Labormessgeräten die Erweiterung um eine zweite Linearachse möglich, so dass mehrere Tastschnitte parallel zueinander über die Oberfläche geführt werden können. Aufgrund der geringen Tastgeschwindigkeit von typisch 1 mm/s ist die Zahl der Schnitte in der Praxis allerdings begrenzt. 1.3.5.3.2 Optische Oberflächenmessgeräte
Obwohl die taktilen Tastschnittgeräte ausgereift und als Standard anerkannt sind, haben sie auch Schwächen. Die Tastgeschwindigkeit ist relativ niedrig, damit bei geringer Auflagekraft die Tastnadel dem Profil folgt und nicht abhebt. Trotz der geringen Auflagekraft von typisch 1 mN führt die kleine Auflagefläche der Tastnadel zu einer hohen lokalen Druckbelastung, die ein elastisches oder gar plastisches Nachgeben des Materials zur Folge hat. Bei weichen Materialien ist daher mit Messfehlern oder gar mit bleibenden Kratzspuren zu rechnen. Die Nadelspitze wiederum hat eine definierte Kantenverrundung mit einem Radius von mehreren Mikrometern und wirkt für sehr feine Oberflächenstrukturen als Tiefpass. Für die Messung an weichen, empfindlichen Oberflächen und für die Erfassung dreidimensionaler Oberflächenprofile haben sich optische Verfahren als Alternative zu taktilen Geräten in vielen Anwendungen bewährt. Eine Schwierigkeit beim Einsatz optischer Profilometer ist, dass ihre Messergebnisse meist nicht direkt mit denen der taktilen Geräte vergleichbar sind. Eine genauere Analyse erfordert die Erfassung der ortsfrequenzabhängigen Übertragungsfunktion der Messgeräte. Die Bandbreite der Geräte ist zu langen Wellenlängen (niedrige Ortsfrequenz) durch die maximale Messlänge, zu kurzen Wellenlängen (hohe Ortsfrequenzen)
350
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
durch den Tastspitzenradius bzw. das optische Auflösungsvermögen begrenzt. Die meisten optischen Oberflächenmesssysteme weisen ein Auflösungsvermögen von 1 µm oder besser auf und erfassen damit erheblich feinere Strukturen als die taktilen Geräte. Dagegen ist die Messlänge bei vielen optischen Geräten auf das Messfeld eines Mikroskopobjektivs begrenzt, während Tastschnittgeräte 50–100 mm lange Spuren abtasten können. Wird das Übertragungsverhalten der Messgeräte berücksichtigt, so gelingt in vielen Fällen eine Umrechnung zwischen taktil und optisch gemessenen Oberflächenprofilen mit befriedigender Genauigkeit. Die Oberflächeneigenschaften wirken sich bei taktilen und optischen Verfahren in unterschiedlicher Weise aus. Während die elastische bzw. plastische Deformation zu Messfehlern bei taktilen Profilometern führt, sind Kantenreflexionen oder diffuse Streuung des Lichtes im Volumen (was bei Kunststoffen und Keramik beobachtet wird) kritisch für optische Verfahren. Beide Ansätze können einander daher gut ergänzen. Im Zweifelsfalle sollte man das Verfahren entsprechend der späteren Funktion der Oberfläche wählen. Es sollten also z. B. Lagerflächen taktil und optische Bauteile optisch geprüft werden. Optische scannende Profilometer
Da die universell einsetzbaren Tastschnittgeräte als Baukästen konzipiert sind, ist der Ansatz nahe liegend, anstelle eines taktilen Tasters einen optischen Taster an das Vorschubgerät anzubringen. Es kann dann mit der bereits vorhandenen Software zur Messaufnahme und -auswertung gearbeitet werden. Mehrere Anbieter haben Autofokussensoren (s. Abschn. 1.3.1.4.2) im Programm. Da die optischen Sensoren eine höhere Messgeschwindigkeit ermöglichen, setzt man sie bevorzugt in Messsystemen zur dreidimensionalen Erfassung der Oberfläche ein. Neben modifizierten Vorschubgeräten mit zweiter Linearachse werden dafür auch speziell entwickelte Messsysteme angeboten, deren Konstruktion einem Portalkoordinatenmessgerät ähnelt. Eine Besonderheit stellen Multisensor-Oberflächenmessgeräte dieser Bauart dar, für die eine große Zahl unterschiedlicher Sensoren verfügbar ist [1.150]. Neben unterschiedlichen optischen Tastern, z. B. einem Autofokussensor oder einem konfokalen Weißlichtsensor, können ein Schichtdickensensor, ein Wirbelstromsensor, ein Indenter zur Härtemessung und unterschiedliche Nahfeldsensoren, z. B. ein Raster-Kraft-Mikroskop mit unterschiedlichen Messmodi eingesetzt werden. Dies ermöglicht über die Erfassung der Topographie hinaus die Messung vieler physikalischer und chemischer Eigenschaften der Oberfläche mit hoher Ortsauflösung. Mikrointerferometer
Mikrointerferometer basieren auf Mikroskopen, bei denen mit Hilfe eines Strahlteilers die an der zu untersuchenden Oberfläche reflektierte Messwelle mit der an einer Referenzfläche reflektierten Referenzwelle überlagert wird. Lokale Unterschiede im Höhenprofil zwischen Oberfläche und Referenzfläche führen zu Unterschieden im optischen Weg zwischen Mess- und Referenzwelle, was Interferenzerscheinungen zur Folge hat. Bei Verwendung von monochromatischem Licht kann das Oberflächenprofil durch Auswertung des entstehenden Interferenzstreifenmusters ermittelt werden. Abbildung 1.163a zeigt den bereits aus Abschn. 1.3.1.2.5 bekannten Michelson-Aufbau. Nur bei Mikroskopobjektiven mit nied-
1 Fertigungsmesstechnik
Mikroskopobjektiv
Mikroskopobjektiv
Strahlteiler
351
Glasplatte mit kleinem Spiegel Strahlteilerplatte
Referenzspiegel
Oberfläche
Oberfläche b)
a) Strahlteiler
Referenzspiegel
Mikroskopobjektiv
Oberfläche c) Abb. 1.163. Bauformen von Mikrointerferometern. a Michelson-Interferometer; b Mirau-Interferometer; c Linnik-Interferometer
riger Vergrößerung ist der Raum zwischen Objektiv und Objekt ausreichend für den Einbau eines Strahlteilers. Bei den gebräuchlichen Vergrößerungen zwischen 10 × und 50 × wird als Alternative das Mirau-Interferometer nach Abb. 1.163b eingesetzt. Bei Objektiven mit noch höherer Vergrößerung, z. B. 100 × ist der Abstand zur Objektoberfläche so gering, dass die Strahlteilung innerhalb des Mikroskops erfolgen muss. Das Linnik-Interferometer nach Abb. 1.163c erfordert den Einsatz zweier präzise aufeinander abgeglichener Mikroskopobjektive und ist daher aufwendiger als die zuvor genannten Bauformen. Weißlicht-Mikrointerferometer
Die unter 1.3.5.3.2 angegebenen Interferometer können auch mit weißem Licht betrieben werden. Dann treten Interferenzen nur in einem eng begrenzten Bereich um die Stellen mit verschwindender Weglängendifferenz zwischen Mess- und Referenzwelle auf (s. Abschn. 1.3.3.6). Das Oberflächenprofil kann aus einem z-Scan ermittelt werden, wobei für jeden Punkt im Bildfeld entweder durch Phasenaus-
352
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Int.
Kamerapixelsignal an der Stelle (x;y)
z zmin+d zmin zmax
CCD Kamera Optik Strahlteiler
Referenzspiegel z
zmax Scanbereich
d
zmin
Messobjekt y x
Abb. 1.164. Weißlicht-Mikrointerferometer
wertung die z-Koordinate mit verschwindender Weglängendifferenz oder die zKoordinate mit maximalem Interferenzkontrast bestimmt wird (Abb. 1.164). Konfokalmikroskope
Charakteristisch für konfokale Messverfahren ist eine optische Abbildung der Oberfläche, wobei durch eine Lochblende in einer Zwischenbildebene das Licht selektiert wird, das von einem kleinen Volumenelement in einer festen Position vor dem Abbildungssystem ausgeht. Objekte außerhalb dieses Volumenelements, deren Bilder bei konventioneller Abbildung als unscharfe Helligkeitsverteilungen den Bildkontrast verschlechtern können, werden weitgehend ausgeblendet. Der Effekt kann durch eine entsprechende Blende im Beleuchtungsstrahlengang verstärkt werden, da dann nur im selektierten Volumenelement eine hohe Bestrahlungsstärke vorliegt [1.151]. Die meisten Bauformen von Konfokalmikroskopen enthalten nur eine Lochblende, die sowohl als Punktlichtquelle im Beleuchtungsstrahlengang, als auch als Abtastlochblende im Abbildungsstrahlengang wirkt. Durch Bewegen der Lochblende innerhalb der Zwischenbildebene (z. B. mit einer rotierenden Nipkow-Scheibe) und schrittweises Verändern des Abstands zwischen Objektiv und Oberfläche (z-Scan) kann ein größeres Messvolumen seriell abgerastert und so ein 3D-Bild der Oberfläche aufgenommen werden. Das Abscannen der Zwischenbildebene kann durch den Einsatz von Linsenarrays vermieden werden [1.152]. Eine Variante der Konfokalmikroskopie arbeitet mit schrittweise verschobenen Liniengittern.
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Photomultiplier
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Abb. 1.165. Prinzipbild eines Konfokalmikroskops
Konfokale Blende
Strahlteiler Laser
Mikroskopobjektiv Objekt Fokusebene
Z-Scanner
x/y-Scanner
Eine Besonderheit von Konfokalmikroskopen, die insbesondere in der biologischen und medizinischen Forschung genutzt wird, ist die Möglichkeit zur dreidimensionalen volumetrischen Untersuchung transparenter Proben. Streulichtmessgeräte
Ein auf eine Oberfläche fallendes Lichtbündel wird abhängig vom Material und der lokalen Oberflächenrauheit teilweise gemäß dem Snelliusschen Gesetz direkt reflektiert, teilweise transmittiert oder absorbiert und teilweise gestreut. Im Fernfeld, also in einem großen Abstand zur streuenden Oberfläche kann nach Fraunhofer die Winkelverteilung des gestreuten Lichtes durch die Fourier-Transformierte des Oberflächenprofils beschrieben werden [1.153]. Diese Gesetzmäßigkeit erlaubt die Berechnung des Oberflächenprofils aus der Messung der Streulichtverteilung. In der Praxis führen jedoch Einflüsse von z. B. Phasensprüngen bei der Reflexion, Oberflächenschichten und den Abbildungseigenschaften der Messoptik zu komplizierteren Zusammenhängen, so dass diese Art der Rauheitsmessung bis jetzt darauf beschränkt blieb, Serienprozesse mit Bezug auf ein zuvor kalibriertes Gutteil zu regeln. Eine direkte Umrechnung der optisch gewonnenen Messwerte in normkonforme Rauheitskenngrößen unabhängig von Werkstoff und Bearbeitungsverfahren ist zwar nicht möglich, aber die schnelle und robuste Messdatenerfassung macht Streulichtmessgeräte zu effizienten Sensoren für die Prozessregelung.
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Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
z-Regler
x-Achse
Soll: I(z)=Konst a)
z-Achse
I(z)
e- Tunnelelektronen
y-Achse
Lateralkraft Quadrantenphotodiode x-Achse Laserstrahl Topographie Auslenkung der Spitze b)
y-Achse Abb. 1.166. a Prinzip des Rastertunnelmikroskops; b Prinzip des Rasterkraftmikroskops
1.3.5.3.3 Nahfeldmessgeräte
Die Erfindung des Rastertunnelmikroskops 1981 durch Gerd Binning und Heinrich Rohrer ermöglichte erstmals die Messung der Oberflächentopographie mit atomarer Auflösung, wofür die beiden Erfinder 1986 den Nobelpreis erhielten [1.154]. Bei diesem Messverfahren wird der quantenphysikalische Tunneleffekt genutzt, demzufolge ein elektrischer Strom auch durch eine Isolationsschicht fließen kann, wenn diese extrem dünn ist. Beim Rastertunnelmikroskop wird eine atomar feine Tastspitze der zu messenden Oberfläche bis auf wenige Nanometer angenähert. Legt man eine Spannung zwischen Tastspitze und Oberfläche an, so fließt ein Strom, der exponentiell vom Abstand abhängt. Eine Abstandsänderung von 0,1 nm bewirkt eine Stromänderung um typisch eine Größenordnung. Diese extrem starke Abstandsempfindlichkeit des Stroms ermöglicht den Aufbau eines
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355
Regelkreises, der den Abstand zwischen der Spitze und der Oberfläche auf Bruchteile eines Nanometers konstant hält, während die Tastspitze über die Oberfläche geführt wird. Aus der Kennlinie des zur Abstandsregelung verwendeten Piezostellelements erhält man die Oberflächentopographie (Abb. 1.166a). Die Rastertunnelmikroskopie unterliegt starken Einschränkungen. Die zu messende Oberfläche muss elektrisch leitend sein und für die Messung ist Vakuum erforderlich. Den eigentlichen Durchbruch in die industrielle Anwendung brachte daher erst die Rasterkraftmikroskopie (engl.: Atomic Force Microscopy AFM). Bei dieser arbeitet man ebenfalls mit einer sehr feinen Tastnadel, wertet aber die atomaren Anziehungs- bzw. Abstoßungspotenziale aus. Die Nadel ist an einem mikrotechnisch gefertigten Biegebalken angebracht, dessen Auslenkung über eine Spiegeloptik mit hoher Empfindlichkeit gemessen wird (Abb. 1.166b). Das Auflösungsvermögen eines AFM erreicht zwar nicht das des Rastertunnelmikroskops, aber es ist wesentlich universeller an den unterschiedlichsten Materialien und unter normalen Umgebungsbedingungen verwendbar. Der Messbereich kommerziell verfügbarer Geräte ist durch die Piezostellelemente begrenzt und beträgt typisch zwischen 20 × 20 × 1 µm3 und 100 × 100 × 10 µm3 bei einer Auflösung von < 1 nm. Nach und nach wurden weitere Nahfeldmikroskope entwickelt, deren gemeinsames Merkmal eine Spitze ist, die mit einem Piezoscanner dicht über eine Oberfläche bewegt wird und über unterschiedliche physikalische Effekte z. B. magnetische Felder, elektrochemische Potenziale oder optische Eigenschaften die Oberfläche erfasst. Mehrere Hersteller bieten Geräte mit austauschbaren Messköpfen und unterschiedlichen Betriebsmodi an. Danksagung
Der Autor bedankt sich bei Herrn Dipl.-Ing. Gabor Molnar und Herrn cand. Ing. Axel Kohlmeyer für die Anfertigung von Zeichnungen und bei Herrn Dipl.-Ing. Michael Berndt, Herrn Dr.-Ing. Ralf Christoph, Herrn Dr.-Ing. Marcus Petz und Herrn Prof. Dr.-Ing. a. D. Reinhold Ritter für Korrekturen und Anregungen.
Literatur 1.1 1.2 1.3 1.4
1.5 1.6 1.7
Pfeifer T (1998) Fertigungsmesstechnik. Oldenbourg-Verlag, München/Wien VDI/VDE-Richtlinie 2627-1, -2 (2002) Messräume, Klassifizierung und Kenngrößen, Planung, Erstellung Pfeifer T (2001) Qualitätsmanagement. 3. Aufl. Hanser-Verlag, München DIN 1319 Grundlagen der Messtechnik. Teil 1: Grundbegriffe. Januar 1995; Teil 2: Begriffe für die Anwendung von Messmitteln. Entwurf, Dezember 2003; Teil 3: Auswertung von Messungen einer einzelnen Messgröße – Messunsicherheit. Mai 1996; Teil 4: Auswertung von Messungen – Messunsicherheit. Februar 1999, Beuth-Verlag, Berlin Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement (GUM) (1995) 2nd ed. International Organization for Standardization (ISO), Genf DIN V ENV 13005:1999, Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen (ENV 13005:1999), Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin Siebert B R L, Sommer K-D (2004) Weiterentwicklung des GUM und Monte-Carlo-Techniken. tm Technisches Messen 71/2, S. 67–80
356
1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.13 1.14 1.15 1.16
1.17 1.18
1.19 1.20 1.21 1.22 1.23 1.24
1.25
1.26 1.27 1.28 1.29 1.30 1.31
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
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1.123 N N (2003) Calypso Benutzerhandbuch Version 3.8. Carl Zeiss Industrielle Messtechnik, Oberkochen 1.124 N N (Juli 2003) Q-DAS ASCII Transferformat, Version 4. Q-DAS GmbH, Weinheim. http://www.q-das.de/ 1.125 DIN EN ISO 10360-1: Geometrische Produktspezifikation (GPS) –Annahmeprüfung und Bestätigungsprüfung für Koordinatenmessgeräte (KMG) Teil 1-Teil 6. -1: Begriffe, Juli 2003; -2: KMG angewendet für Längenmessungen, Mai 2002, Beuth-Verlag, Berlin 1.126 VDI/VDE 2617: Genauigkeit von Koordinaten-Messgeräten, Kenngrößen und deren Prüfung. Blatt 1: April 1989; Blatt 2.1: August 2005; Blatt 2.2: Juli 2000; Blatt 2.3 (Entwurf): September 2004; Blatt 3: Mai 1989; Blatt 4 (Entwurf): November 2002; Blatt 5: November 2001; Blatt 5.1: September 2000. Beuth-Verlag, Berlin 1.127 Pressel H-G (1997) Genau messen mit Koordinaten-Messgeräten. Expert-Verlag, Renningen 1.128 Christoph R, Neumann H J (2003) Multisensor-Koordinatenmesstechnik. Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech 1.129 DIN ISO/TS 15530-3 (Mai 2005) Geometrische Produktspezifikation (GPS) – Verfahren zur Ermittlung der Messunsicherheit von Koordinatenmessgeräten (KMG). Teil 3: Anwendung von kalibrierten Werkstücken oder Normalen (ISO/ TS 15530-3:2004), Vornorm. Beuth Verlag, Berlin 1.130 Wäldele F, Schwenke H (2004) Methoden zur Ermittlung der Messunsicherheit von Koordinatenmessgeräten. In: Neumann H J (Hrsg) Präzisionsmesstechnik in der Fertigung mit Koordinatenmessgeräten. Expert Verlag, Renningen 1.131 Wäldele F, Schwenke H (2002) Automatische Meßunsicherheiten auf KMG – auf dem Weg in die industrielle Praxis. tm – Technisches Messen 12, S. 550–557 1.132 Christoph R, Rauh W (2004) Optische Sensorik an Koordinaten-Messgeräten. In: Neumann H J (Hrsg) Präzisionsmesstechnik in der Fertigung mit KoordinatenMessgeräten. Expert-Verlag, Renningen 1.133 Boucky O, Ercole M, Keferstein C P, Wallace D, Züst R (2003) Gemeinsamer Standard – Integration optischer Sensoren in Koordinaten-Messgeräte. QZ 48/5, S. 472–474 1.134 Bach C, Boucky O, Keferstein C P, Züst R (2004) Optische Sensoren in der Koordinatenmesstechnik – Software-Schnittstelle standardisiert. QZ 49/5, S. 92–95 1.135 Ernst H: Ein optischer 3D-Sensor für Koordinatenmessmaschinen. Firmenschrift in-situ, Sauerlach 1.136 N N (2003) Datenblätter „Die neue Dimension bei Laser Trackern“, „Leica Laser Tracker für Hand-Tools, LTD700“, „Leica Laser Tracker für Hand-Tools, LT(D)800“. Leica Geosystems, Unterentfelden, CH 1.137 N N (2002) Datenblatt „Laser Radar LR200“. Leica Geosystems, Unterentfelden, CH 1.138 Stephan A, Mettenleiter M, Härtl F, Fröhlich C (2002) Vermessung und Modellierung von 3D-Umgebungen. Der Vermessungsingenieur 4, S. 200–201 1.139 N N (2004) Datenblatt Imager 5003. Zoller + Fröhlich, Wangen 1.140 Bartscher M, Wäldele F, Fiedler D, Saewert H-C (2004) Dimensionelle Messabweichungen eines industriellen 2D-Computertomographen: Einfluß der Werkstückgeometrie. Tagungsband Sensoren und Messsysteme, VDI Berichte Nr. 1829, S. 583–593
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1.141 DIN 4760 (November 1990) Gestaltabweichungen – Begriffe, Ordnungssystem. Beuth-Verlag, Berlin 1.142 DIN 4772 (November 1979) Elektrische Tastschnittgeräte zur Messung der Oberflächenrauheit nach dem Tastschnittverfahren. Beuth-Verlag, Berlin 1.143 DIN 4777 (Mai 1990) Profilfilter zur Anwendung in elektrischen Tastschnittgeräten (Phasenkorrekte Filter). Beuth-Verlag, Berlin 1.144 DIN 4768 (November 1990) Ermittlung der Rauheitskenngrößen Ra, Rz, Rmax mit elektrischen Tastschnittgeräten – Begriffe, Messbedingungen. Beuth-Verlag, Berlin 1.145 Sorg H (1995) Praxis der Rauheitsmessung und Oberflächenbeurteilung. Carl Hanser-Verlag, München 1.146 ISO 4287 (1997) Geometrical Product Specifications (GPS) – Surface texture: Profile method – Terms, definitions and surface texture parameters. International Organisation for Standardisation 1.147 DIN 4776 (Mai 1990) Kenngrößen Rk, Rpk, Rvk, Mr1, Mr2 zur Beschreibung des Materialanteils im Rauheitsprofil (Messbedingungen und Auswerteverfahren). Beuth-Verlag, Berlin 1.148 N N (2004) Broschüre „MarSurf LD 120. Zwei in Einem. Hochgenaues Konturenund Rauheitsmesssystem.“ Mahr, Göttingen 1.149 N N: Broschüre „Form TalySurf Serie 2. Ein einzigartiges Konzept zur Form- und Oberflächenmessung“. Taylor Hobson Precision, Leicester, GB 1.150 N N: Datenblatt „MicroGlider”. FRT, Bergisch-Gladbach 1.151 Minski M (07.11.1957) Microscopy Apparatus. United States Patent, 3,013,467 1.152 Tiziani H J, Uhde H M (1994) Three dimensional analysis by a microlens array confocal arrangement. Appl. Opt. 33 (4), p. 567–572 1.153 Born M, Wolf E (1980) Principles of Optics. 6th ed. Pergamon Press 1.154 Binning G, Rohrer H, Gerber Ch, Weibel E (1982) Surface Studies by Scanning Tunneling Microscopy. Phys. Rev. Lett. Vol. 49/1, p. 57–61
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung Ralf B. Bergmann , Erich Zabler
2.1 Einführung Die zerstörungsfreie Prüfung (zfP) umfasst die Gebiete der Geometrie-, Funktions- und Werkstoffprüfung. Schwerpunkt der zfP war bisher hauptsächlich die Werkstoffprüfung, die früher oft nur mit zerstörenden Verfahren stichprobenartig Informationen über das unzugängliche Innere von Prüfteilen geben konnte. Während die bisher von optischen Verfahren dominierte Geometrieprüfung sich weitgehend auf die Vermessung von mechanisch bzw. optisch zugänglichen funktionellen Oberflächen beschränkte, werden durch Einbeziehung neuerer Techniken der zfP wie z. B. der Röntgen-Computertomographie (RCT) und der UltraschallMesstechnik auch verborgene, unzugängliche Geometrien messbar. 2.1.1 Der Begriff der zerstörungsfreien Prüfung (zfP) Die Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) definiert die Aufgabe der zfP folgendermaßen [2.1]: Die zerstörungsfreie Prüfung gehört zu den wichtigsten Methoden sicherheitstechnischer Überwachung, die – vergleichbar mit der medizinischen Diagnostik – verborgene Fehler in Bauteilen und Konstruktionen vor und während ihres Betriebes so rechtzeitig erkennen soll, dass deren unvorhergesehenes Versagen verhütet wird. Barbian fügt hinzu [2.2]: Zur Vermeidung von Unfällen mit Gefährdung von Menschenleben und schweren Sach- und Umweltschäden werden Röntgenverfahren, Ultraschallmethoden, thermographische Verfahren, Lecksuchmethoden sowie optische, elektrische und magnetische Oberflächenverfahren für die zfP eingesetzt. Im Gegensatz zur dimensionellen Messtechnik, die quantitative (beispielsweise geometrische) Parameter eines Objekts ermittelt, macht die Prüftechnik qualitative Angaben über den Prüfling, d. h. sie charakterisiert seine Qualität, die i. Allg. in einem Pflichtenheft vorgeschrieben ist. Qualitätsmerkmale sind z. B. das Vorhandensein von Defekten (zu deutsch auch oft ‚Ungänzen‘ genannt) oder die Erkennung und Verteilung von Stoffen im Materialvolumen des Prüflings oder die Sauberkeit der Oberfläche bzw. die Existenz von Graten. Neben dem eigentlichen Material des Prüflings werden oft auch seine Fügestellen geprüft, seien sie geschweißt, gelötet oder geklebt. Auch die richtige und vollständige Montage eines Prüflings kann Gegenstand eines Prüfverfahrens sein.
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Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Im Folgenden soll der Begriff Prüfung hier nicht nur im strengen Sinne verwendet werden, sondern auch dem zerstörungsfreien dimensionellen Messen ein gewisser Platz eingeräumt werden, da auch die Einhaltung von bestimmten Fertigungsmaßen oder Funktionsparametern als qualitative Aussage über ein Prüfobjekt angesehen werden kann (z. B. die Einhaltung eines Rundungsradius, einer Ebenheit, Planparallelität oder z. B. der Fördermenge eines Ventils). Der Zusatz ‚zerstörungsfrei‘ wird hier nicht in dem Sinne verstanden, dass alle Mess- und Prüftechniken, die ein Objekt nicht zerstören oder schädigen als zerstörungsfrei gelten. Unter ‚zerstörungsfrei‘ im engeren Sinne versteht man vielmehr Verfahren, die Einblicke in das Innere eines Objektes erlauben, ohne es dazu zerstören zu müssen [2.1]. Zerstörungsfreie Prüfmethoden sind natürlich zwingend, wenn 100 % der Teile einer Fertigung geprüft werden müssen. Im Gegensatz dazu stehen zerstörende Methoden wie z. B. die Anfertigung von Schliffbildern. Zerstörungsfreie Prüfverfahren treten mit dem Material des Objekts in eine physikalische Wechselwirkung, z. B. durch Wellenausbreitung (Absorption und Reflexion), einen Diffusionsvorgang, Durchdringung von elektromagnetischen Feldern oder auch akustische Resonanzen und vieles mehr. Die Verfahren unterscheiden sich teilweise sehr stark in ihrem Eindring- bzw. Durchdringungsvermögen. Selbst bei einem Eindringvermögen von nur wenigen Nanometern spricht man immer noch von zerstörungsfreien Prüfverfahren. Nicht hinzugerechnet werden im strengen Sinne jedoch Verfahren, die lediglich eine reine Oberflächenprüfung ermöglichen, wie z. B. alle optischen Verfahren. Unter Oberflächen sind dabei natürlich auch Flächen zu verstehen, die zwar in das Innere eines Prüfkörpers hineinragen, wie z. B. eine Bohrung, jedoch mit der äußeren Oberfläche und der Außenwelt – und sei es im Falle optischer Prüfmethoden auch durch transparente Fenster hindurch – in Verbindung stehen und von außen her auch zerstörungsfrei zugänglich sind. So betrachtet gehört auch die Endoskopie eigentlich nicht zu den zerstörungsfreien Prüfverfahren. Da jedoch hier eine teilw. große inhaltliche Überlappung besteht, soll der Begriff zerstörungsfrei hier nicht im ganz strengen Sinne angewendet werden. Die zfP ist nicht immer auch berührungsfrei. Wirbelstromsonden werden beispielsweise zur Gewährleistung eines definierten, sehr kleinen Luftspaltes oft auf den Prüfling aufgesetzt. Ein solcher Vorgang beeinträchtigt i. Allg. zwar nicht den Prüfling, kann aber – millionenfach im automatischen Betrieb durchgeführt – zur Veränderung oder zur Zerstörung der Prüfsonde führen. So sind vor allem für den automatisierten Betrieb zerstörungsfreie und berührungsfreie Verfahren zu bevorzugen. Allerdings sind nicht alle berührungsfreien Prüfverfahren automatisch auch zerstörungsfrei (Beispiel: ablatives Laser-Ultraschallverfahren). 2.1.2 Industrielle Bedeutung der ZfP Ähnlich wie in der Automobil- und der Automobil-Zulieferindustrie steigen in allen Industriezweigen bei High-Tech-Erzeugnissen die Anforderungen an die verwendeten Materialien. Bei Komponenten, die i) nahe an der Grenze der physikalisch möglichen Belastung und ii) an sehr sicherheitsrelevanter Stelle eingesetzt werden, ist eine sog. Null-Fehler-Produktion gefordert. Dafür ist u.U. eine Prüfung
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung
365
jedes einzelnen Erzeugnisses, also eine sog. 100%-Prüfung, erforderlich und von Kunden aus Gründen der Produkthaftung auch häufig gefordert. Eine mit dem Fertigungstakt schritthaltende 100%-Prüfung vermindert gegenüber einer langwierigen Stichprobenprüfung darüber hinaus erheblich die Ausschussfertigung, da Schwankungen von Prozessparametern frühzeitig erkannt werden können und der Prozess entsprechend korrigiert werden kann. Zudem können Sicherheitszuschläge zu Produktionstoleranzen verringert werden. Die praktische Nutzung der zfP erfordert detaillierte anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung – sowohl bezüglich der Auswahl geeigneter physikalischer Messprinzipien als auch der schnellen Auswertung und Beurteilung der gewonnenen Messdaten. Die sog. Fertigungs- und Qualitäts-Messtechnik (FQMT) hat daher einen hohen Stellenwert in der Produktionstechnik und leistet einen wichtigen Beitrag zur Realisierung kostengünstiger und zuverlässiger Produkte.
2.2 Übersicht der Methoden der zerstörungsfreien Prüfung 2.2.1 Übersicht typischer Prüfaufgaben Tabelle 2.1 zeigt eine Übersicht über typische Prüf- und Messaufgaben in der Fertigung mit Schwerpunkt im Bereich Automobilkomponenten. Im Folgenden stellen wir dann typische Materialfehler vor und diskutieren ausgewählte, wichtige Methoden der zfP und des dimensionellen Messens. 2.2.2 Typische Formen von Materialfehlern Die Auswahl geeigneter Methoden zur Detektion von Ungänzen in Material oder Fügestellen hängt wesentlich ab von α) der Art des Materials, β) der Größe und Beschaffenheit oder Form des kleinsten noch zu erfassenden Defekts und γ) der Lage der zu detektierenden Defekte. Wir unterscheiden Defekte an der Oberfläche, oberflächennahe Defekte und Volumendefekte tief im Materialvolumen. Ferner ist zu unterscheiden zwischen i) integralen Messverfahren, die lediglich eine Aussage über die Existenz eines Fehlers machen und ii) Verfahren, die zwar integral arbeiten, aber dennoch gewisse Aussagen über die Größe bzw. Art des Fehlers erlauben und iii) Verfahren, die eine Angabe über die Position des Fehlers erlauben oder darüber hinaus zusätzlich eine Aussage über die Größe und Form des Defekts ermöglichen. Von der Position eines Defekts hängt unter Umständen entscheidend ab, ob er überhaupt einen Einfluss auf die Funktion oder die Lebensdauer des Erzeugnisses hat. So kann z. B. eine Pore tief im Volumen eines Pumpengehäuses toleriert werden, wenn sie nicht in der Nähe einer später noch zu bearbeitenden Dichtfläche liegt. Auch die Form einer Ungänze kann einen wichtigen Einfluss auf die Lebensdauer der Komponente haben. So sind runde Gasporen bzgl. der Dauerfestigkeit eines Bauteils wesentlich ungefährlicher als zerklüftete, spitzwinklige Riss- oder Lunkerstrukturen, die eine Kerbwirkung für Ermüdungsbrüche haben können. Solche Hohlräume entstehen beispielsweise beim Erstarren einer Schmelze, wenn
366
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Tabelle 2.1. Übersicht typischer Prüf- und Messaufgaben aus der Fertigung Nr.
Aufgabengebiet
Detailaufgaben
Nr.
1
Geometrie
13
Physik. Stoffkennwerte
2
Oberfläche
14
4
Beschleunigung, Vibration (z.B. bei zerspanendem Werkzeug) Kraft, Moment
Kanten Verrundung Spanbildung, Gratbildung Position, Lage Füllstand Länge, Winkel WerkstückVermessung Dicke Unwucht Rauhtiefe Struktur, Defekte elektrische Kontaktqualität Sauberkeit Körperschall Schwingung
z.B. für Kraftstoff Schmierstoff Bremsflüssigkeit Chemische Stoffkennwerte für feste, flüssige und gasförmige Stoffe Feuchte
5
6
Druck
7
Schall
8
Schichten
9
Menge
10
11
12
Partikelkonzentration, -größe Pulver-Analytik
Dichtheit
15
Fügekräfte Bearbeitungskräfte Wechselkräfte Gewicht Hochdruck Niederdruck Vakuum Pegel Geräusch ... Haftung Schichtdicke Mikrohärte Auftragung, Beschichtung, Volumen-, Massenfluss Rauch Ruß Werkstoffpartikel Spray Korngröße Spezifische Oberfläche Pulverdichte Schütteldichte Stampfvolumen ... Leckraten Dichtsitz, Vakuumbehälter
Aufgabengebiet
16
Elektrische Größen
17
Temperatur
18
Optische Größen
19
21
Opt. Mustererkennung Akustische Qualitätskontrolle Defekterkennung
22
Identifikation
20
Detailaufgaben Härte, Gefüge Dichte, E-Modul Festigkeit Bruchzähigkeit Thermoschockbeständigkeit Umwandlungstemperatur Reaktionsenergie Thermische Ausdehnung ... Viskosität Schmierfähigkeit ... Konzentration Stofferkennung ... Feuchte gasförmig Feuchte flüssig Spannung, Strom Ladung Induktivität, Kapazität, Leistung Ladungsträgermobilität Ladungsträgerkonzentration Elektrische Feldstärke Leitfähigkeit ... Berührend Berührungslos Helligkeit Farbe Alpha-numerisch Gestalt, Form Güteprüfung, Klanganalyse Materialfehler: Poren, Lunker, Risse Montagefehler Bearbeitungsfehler Verbindungs- und Fügestellen Verschleißmessung Transponder Resonator Barcodeleser, Dotcodeleser Bauteilmerkmale
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung Riefen, Kratzer
künstliche Risse
Oberflächenrisse
oberflächennahe tiefliegende Risse
367
offene Poren
geschlossene Gaspore
Schrumpflunker
Abb. 2.1. Schematische Darstellung typischer Materialfehler (Erläuterung siehe Text).
das Volumen des schrumpfenden Materials nicht durch nachfließendes aufgefüllt werden kann. Abbildung 2.1. zeigt schematisch einige typische Materialfehler: Risse, die sich zur Oberfläche hin öffnen, müssen von einfachen Riefen, Kratzern und Bearbeitungsspuren unterschieden werden. Rissähnliche Strukturen können jedoch auch unsichtbar unter der Oberfläche liegen. Verborgene Risse, die einen Hohlraum bilden, sind meist wesentlich leichter zu detektieren als solche, die praktisch ohne Hohlraum eine Fläche ohne Materialbindung bilden (sog. kissing bonds, Materialdopplungen). Rundliche Poren entstehen durch Ausgasungen aus erschmolzenem Material, die nicht mehr oder nicht mehr ganz die Oberfläche erreichen konnten. Sie treten sowohl als Einzelporen als auch oft als sog. Porennester auf, die aus vielen sehr kleinen Poren bestehen können. Die Abmessungen der kleinsten noch relevanten Fehler können um Größenordnungen variieren. In hochbeanspruchten, kleinen Bauteilen ist in manchen Fällen der Nachweis von Defekten mit einer Größe bis hinunter zu 5 µm erforderlich. 2.2.3 Herstellung künstlicher Fehlerstrukturen Zur Erprobung und zum Vergleich verschiedener Prüfverfahren werden oft künstliche Fehler mit wohl definierten Abmessungen und Lagen erzeugt. Deren Herstellung ist jedoch zum einen praktisch auf die Materialoberfläche beschränkt, zum andern kann man z. B. die zerklüftete Struktur echter Risse oder Lunker nur ungenügend imitieren. Defekte bis zu Abmessungen von ca. 30 ... 40 µm lassen sich, wie in Abb. 2.2a gezeigt, noch gut mit Laserablation einbringen; bei kleineren Abmessungen werden Abb. 2.2. a Mittels Laserablation eingebrachter künstlicher Riss. Breite × Tiefe × Länge des Risses: 40 × 40 × 100 µm³. b Mittels Ionenstrahlätzen erzeugter künstlicher Oberflächenfehler, Abmessungen: 10 × 10 × 50 µm³, Schrägansicht unter einem Winkel von 20° (REM-Aufnahmen)
368
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
die Laserschnitte jedoch meist recht undefiniert. Strukturen mit Abmessungen von wenigen µm lassen sich jedoch mittels Ionenstrahlätzen noch sauber und definiert herstellen, s. Abb. 2.2b. Das Verfahren ist jedoch langwierig und daher teuer. Zur Vermessung künstlicher Risse eignet sich ein Rasterelektronenmikroskop (REM), die Risstiefe wird durch Schrägaufnahmen ermittelt. 2.2.4 Übersicht der Methoden zur Detektion von Defekten und Ungänzen Die Anzahl der Methoden der zfP von Materialfehlern ist sehr groß und kann daher hier aus Platzgründen nur in Form der folgenden Tabellen 2.2–2.4 wiedergegeben werden. Im Anschluss diskutieren wir eine begrenzte Anzahl aktueller Verfahren in größerem Detail. Abbildung 2.3 zeigt eine Klassifizierung einiger wichtiger Verfahren der zfP nach ihrer Eindringfähigkeit und ihrem räumlichen Auflösungsvermögen. Höchste Auflösung erlauben die optischen interferometrischen Verfahren, die sich jedoch auf die Erkennung von Oberflächenfehlern beschränken. Bestes Durchdringungsvermögen bei gleichzeitig guter Auflösung wird derzeit mit der Röntgen-Computertomographie (Röntgen-CT oder RCT) erzielt, wenn man von sehr stark absorbierenden Materialien wie z. B. Blei und Platin absieht. Natürlich sind tiefer eindringende Verfahren auch in der Lage, weniger tief liegende Defekte zu detektieren. Tabelle 2.2. Zerstörungsfreie Methoden zur Detektion von Oberflächen-Materialfehlern Nr.
Methode
1
2
3
optisch/ visuell
prüfbares Material
Vor- und Nachteile
Lit.
menschliches Auge Kamera
keine Einschränkung
- Störeffekte - begrenzte Erkennung - Prüfdauer (Mikroskop)
2.26, 2.27 2.28, 2.29
Triangulation WeißlichtInterferometrie
keine Einschränkung
- Störeffekte (Riefen) - begr. Erkennung + hohe Auflösung
Turbulenzsonde
keine Einschränkung
+ Kosten + Vergrößerungseffekt - Abtastverfahren - begrenzte Auflösung
fluoreszierende Magnetpulveremulsion
ferromagnetisches Material
- schlecht automatisierbar
2.35 2.36
Farbeindringverfahren
keine Einschränkung
+ universell - schlecht automatisierbar - Prüfdauer
2.37 2.38
pneumatisch
4
5
Messprinzip
Farbmarkierung an Oberfläche
2.31, 2.31
2.32
2.33 2.34
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung
369
Tabelle 2.3. Oberflächennah messende zerstörungsfreie Prüfmethoden mit geringer Eindringtiefe Nr.
Methode
Messprinzip
prüfbares Material
Vor- und Nachteile
Lit.
Wirbelstrom
leitfähige Stoffe: Metalle
- Abtastverfahren - Lift-off-Effekt
2.39 2.40
Alternating Current Field Measurement (ACFM)
ferromagnetisches Material
- wie 3.) - geringere Auflösung
2.41 2.42
Resonanzanregung
keine Einschränkung
- integral - keine Defektposition
2.43, 2.44 2.45, 2.46
Breitbandanregung mit IR Detektion
keine Einschränkung
10
nichtlineare Vibrometrie
keine Einschränkung
- integral - keine Defektposition
2.47
11
passiv
keine Einschränkung
- nur bei Eigenerwärmung
2.48
aktiv
vorwiegend nicht metallische Stoffe
- Messzeit + teilweise bildgebend
2.48, 2.46 2.49, 2.50
6 7
Magnetisch induktiv
8 9
12
Akustische Güteprüfung
Thermographie
2.46
2.2.5 Übersicht der Methoden zur Prüfung von dimensionellen Merkmalsparametern Unter Methoden zur dimensionellen Messung verstehen wir hier vorwiegend Methoden zur Geometrieprüfung (z. B. Soll-Ist-Vergleich zwischen Konstruktion und Fertigung). Die Vielzahl der Verfahren kann hier nur in den Tabellen 2.5–2.6 wiedergegeben werden. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen Messverfahren, die sich nur zur Vermessung zugänglicher Oberflächen eignen, s. Tabelle 2.5, und solchen, die Messungen mittels durchdringungsfähiger Messprinzipien an unzugänglicher Stelle erlauben, s. Tabelle 2.6. Aus Platzgründen können wir nur auf die in Abb. 2.4 dargestellten aktuelleren Verfahren im Detail eingehen.
2.3 Aktuelle Methoden der zerstörungsfreien Prüfung 2.3.1 Wirbelstrom Wirbelstromverfahren haben als traditionelle Mess- und Prüftechniken bereits eine lange Geschichte und kommen in vielen unterschiedlichen Realisierungen vor. Sie reagieren in gleichem Maße auf Materialeigenschaften und Geometrieef-
370
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Tabelle 2.4. Zerstörungsfreie Prüfmethoden mit hoher Eindringtiefe Nr.
Methode
Messprinzip
prüfbares Material
Vor- und Nachteile
Lit.
Coronakontaktierte Entladung
Nichtleiter: Kunststoff, Keramik
- integral, - keine Defektposition
2.51
Teilentladungsmesstechnik
Nichtleiter: Kunststoff, Keramik
- integral, - keine Defektposition
2.52 2.53
Piezowandler
keine inhomogenen Stoffe
- Formechos - Mindestvolumen - Koppelmittel
2.54 2.55 2.56
laserangeregter US
keine inhomogenen Stoffe
+ kleines Prüfvolumen + hohe Auflösung (hohe Bandbreite) + koppelmittelfrei - Formechos
2.57 2.58
magnetisch angeregter US
leitfähiges Material, keine inhomogenen Stoffe
+ koppelmittelfrei + begr. Bandbreite - Formechos - geringer Abstand zum Prüfling
2.59
Mikrowelle
Nichtleiter: Kunststoff, Keramik
- Abtastverfahren - begr. Auflösung
2.46 2.60
19
Radioisotope: α, β, γ-Strahler
keine Einschränkung
- geringe Akzeptanz - Messzeit
2.61 2.62, 2.63
20
Röntgenstrahlung: radioskopisch
keine Einschränkung, aber: nicht zu hohe Dichte
+ bildgebend + Messzeit - geometrische Verzerrung - Darstellung
2.64 2.65
21
Röntgenstrahlung: tomographisch
keine Einschränkung, aber: nicht zu hohe Dichte
+ hohe Auflösung + bildgebend + geringe geometrische Verzerrung - Messzeit
2.66 2.67 2.68 2.69 2.70
Synchrotronstrahlung: • Radioskopisch • Tomographisch
Keine Einschränkung, aber: nicht zu hohe Dichte
- Aufwand - Messvolumen + höchste Auflösung + Visualisierung von Strukturgrenzen (Phasenkontrast)
2.71 2.72 2.73 2.74 2.75 2.76
Neutronenstrahlung: • Radioskopisch • Tomographisch
wasserstoffhaltiges Material
- Aufwand, Zeit - Objekt evt. radioaktiv + hohe Durchdringung
2.77 2.78
13 14
Hochspannungsverfahren
15
16
Ultraschall (US) Puls-Echoverfahren
17
18
Durchstrahlung, Reflexion
22 Durchstrahlung, Absorption, Schattenwurf 23
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung
371
-
Abb. 2.3. Klassifizierung und Vergleich zerstörungsfreier Prüftechniken nach Fehlerlage und Auflösungsvermögen
fekte. Das Wirbelstromverfahren wird eingesetzt i) zur Fehlerprüfung (Nachweis von Rissen, Lunkern und Poren), ii) zur geometrischen Prüfung (Wanddickenund Schichtdickenmessung) und iii) Messung von Werkstoffeigenschaften (z. B. Vergütung, Legierung und Härtemessung) [2.3]. Obwohl das Grundprinzip relativ einfach ist, ist die Auswertung oft mit relativ hohem elektronischem Aufwand verbunden. Wirbelstromsonden werden meist in scannendem Betrieb eingesetzt, wenngleich der Verkleinerung realisierbarer Wirbelstromspulen gewisse mechanische und elektrische Grenzen gesetzt sind. In geeigneter Größe können sie auch als integral messende Fehlerdetektoren benutzt werden. 2.3.1.1 Grundprinzip, Einflussgrößen Im einfachsten Fall besteht eine Wirbelstromsonde aus einer einfachen Spule. Wird diese nahe an den leitfähigen Prüfkörper herangebracht, werden im Prüfkörper sog. Wirbelströme induziert, s. Abb. 2.5a, die nach der Lenzschen Regel die Wirkung des erregenden Primärstromes I zu kompensieren trachten. Das magnetische Feld wird aus dem Prüfkörper verdrängt und damit der gesamte magnetische Fluss verringert, was einer Verringerung der Induktivität gleichkommt. Bei der Detektion von Ungänzen in Prüfkörpern ist es wichtig, die Sonden in sehr konstantem, möglichst geringem Abstand von der Probenoberfläche zu hal-
372
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Tabelle 2.5. Zerstörungsfreie, nicht eindringende Methoden zur dimensionellen Geometrieprüfung Nr.
Messmethode
1
2
taktil, mechanisch
3
4
pneumatisch
5
Messprinzip
Vor- und Nachteile
Lit.
Schablone, Lehre
- unflexibel - schlecht automatisierbar + kostengünstig
2.79
induktiver Abgriff
- Abtastverfahren - nicht berührungsfrei - Abweichung > 0,3 µm
2.80 2.81
optischer Abgriff
- Abtastverfahren - nicht berührungsfrei + Abweichung > 0,3 µm
2.82
Druckmessung
+ berührungsfrei - enger Messbereich + Abweichung > 2 µm
2.83 2.34
Triangulation
+ berührungsfrei + Abweichung > 20 µm
2.32
Linienprojektion
+ berührungsfrei + Abweichung > 20 µm + bildgebend (Messlinie)
2.84
Kamera
- nur laterale Messung - entfernungsabhängige Verzerrung bzw. Schärfe
2.85, 2.26 2.27, 2.28, 2.29
Weißlichtinterferometrie (auch endoskopisch)
+ berührungsfrei + Abweichung > 10 nm + bildgebend (Messfläche)
2.86 2.87
Lichtlaufzeit
+ berührungsfrei + großer Messbereich (0,3 ... 60 m) + Abweichung 0,1 ... 2 mm (6 ... 120 ps)
2.85
6
7 8
optisch
ten. Da magnetische Felder mit dem Abstand stark abnehmen, setzt man die Sonde oft sogar auf den Prüfköper auf, misst aber so nicht berührungsfrei und damit auch nicht verschleißfrei. Auch beim dimensionellen Messen z. B. von Abständen benötigt man einen metallischen Körper, zu dem beispielsweise der Abstand gemessen werden soll. Hierfür sollten die Materialeigenschaften des Körpers möglichst homogen sein. Hat eine Spule weit weg vom Prüfkörper den Widerstand R0 sowie die Induktivität L0 und damit bei der Kreisfrequenz ω = 2πf die Impedanz (2.1) ,
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung
373
Tabelle 2.6. Zerstörungsfreie und eindringende Methoden zur dimensionellen Prüfung von geometrischen Merkmalsparametern Nr.
Messmethode
Messprinzip
Vor- und Nachteile
Lit.
9
Induktiv
Wirbelstrom
+ hohe Auflösung (0,1 µm) + teilweise berührungsfrei - begrenzter Messbereich - geringe Eindringtiefe - Einschränkung auf Metalle
2.40
10
Piezowandler
- flüssiges Koppelmittel - Abtastverfahren + Abweichung > 5...10 µm + Messzeit - Messfleck-∅ > 0.3 mm
2.88
11
Laser-Ultraschall (LASUS)
+ wie 10.), aber + koppelmittelfrei + Messfleckdurchmesser > 10 µm + breitbandig (hohe Auflösung) + großer Abstand Objekt-Messkopf
2.57 2.58 2.89
12
Elektro-magn. Ultraschall (EMUS)
+ wie 10.), aber + koppelmittelfrei - Messfleckdurchmesser > 1 mm - geringer Abstand Objekt-Messkopf - begrenze Bandbreite (2 MHz)
2.59
13
Radioisotope: α, β, γ-Strahler
+ robust + materialselektiv - geringe Akzeptanz
2.63
14
Radioskopie
+ bildgebend + Messzeit - schlechte Kontraste - Messabweichung > 10 µm
2.69
Tomographie
+ bildgebend, guter Kontrast + verdeckte Geometrien sichtbar + Messabweichung > 1 µm – Messzeit – Ortsauflösung > 5...10 µm
2.69, 2.90, 2.66, 2.67, 2.68
Synchrotronstrahlung: Absorptions- und Phasenkontrast, radioskopisch oder tomographisch
+ bildgebend, guter Kontrast + verdeckte Geometrien sichtbar + hohe Auflösung ≤ 1 µm + Messabweichung > 1 µm + Visualisierung von Strukturgrenzen – Messzeit – Aufwand
2.71, 2.72, 2.73, 2.74, 2.75, 2.76
Ultraschall
15 Durchstrahlung
16
374
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
A
Abb. 2.4. Klassifizierung zerstörungsfreier, geometrischer Messtechniken nach geometrischer Komplexität und Auflösungsvermögen
so verringert sich die Induktivität L bei Annäherung an einen nicht-ferromagnetischen Prüfköper zu L = L0 – ∆L und einen durch die Wirkverluste im Prüfkörper bedingten etwas höheren Widerstand R = R0 + ∆R und hat damit eine Impedanz . Im Falle eines ferromagnetischen Prüfköpers würde bei niedrigeren Frequenzen die Induktivität zunächst zunehmen, was den feldmindernden Effekt der Wirbelströme zunächst noch überdeckt. Es gibt jeweils eine Frequenz, bei der beide Effekte sich etwa die Waage halten und die Induktivität nahezu abstandsunabhängig wird. Oberhalb dieser Frequenz dominiert dann allerdings immer mehr der feldschwächende Wirbelstromeffekt. Dies ist auch der für die Wirbelstromprüfung bevorzugte Messbereich. Abbildung 2.5b zeigt im Zeigerdiagramm in der komplexen Impedanzebene den Einfluss einer Prüfkörperannäherung für eine konstante Kreisfrequenz ω1. In der Praxis stellt man das Verhalten der Impedanz oft in der folgenden normierten und dimensionslosen Form .
(2.2)
dar. Abbildung 2.5c zeigt in dieser normierten Darstellung den typischen Verlauf der Impedanz der Spule mit der Kreisfrequenz ω. Auf der reellen Achse ist der auf
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung
(a)
Magnetfeld
I~
Im
(b)
U~
ω1 Lo
Spule Windungszahl n Wirbelströme
Annäherung an Prüfkörper bei ω1 = const
Zo
ω 1(Lo-∆L)
Z1
Z-Ebene Re
Ro Ro+ ∆R
(c)
Im 1
Lmin Lo
σ, µ r
375
ω =0 ω
Z N (ω)
ω →∞
normierte Z-Ebene R-Ro ωL o
Re
Abb. 2.5. a Grundprinzip der Wirbelstromprüfung. Parameter: Speisegrößen der Spule: Wechselspannung und Strom U~ bzw. I~, Frequenz ω; Prüfkörper mit elektrischer Leitfähigkeit σ und relativer Permeabilität µr. b Impedanzänderung von Z0 auf Z1 bei Annäherung der Prüfspule an den Prüfkörper bei konstanter Frequenz ω1. c Abhängigkeit der normierten Impedanz ZN von der Frequenz ω
(R R0 )/ Z L0 normierte Widerstand aufgetragen, während auf der imaginären Achse die normierte Induktivität L/L0 aufgetragen ist. Diesen Verlauf nennt man auch Ortskurve der Impedanz ZN. Für sehr niedrige Frequenzen (ω → 0) beginnt die Ortskurve am Punkt L/L0 = 1. Mit wachsender Frequenz nehmen die Verluste durch die transformatorartige Ankopplung des Prüfköpers zu, sodass sich die Ortskurve in Richtung größeren Realteils bewegt. Gleichzeitig nimmt der Imaginärteil wegen der zunehmenden Feldverdrängung ab. Die Feldverdrängung, auch als Skineffekt bezeichnet, bewirkt auch, dass die Wirbelströme mit steigender Frequenz immer weniger eindringen, das wirbelstromdurchflossene Volumen in der Probe schließlich gegen Null geht und die Kurve wieder auf der Ordinate in der Nähe des Nullpunktes endet. Als Eindringtiefe δ des Wirbelstroms in ein Material bezeichnet man den Abstand zur Oberfläche der Probe, bei welchem der Wert der Wirbelstromdichte auf das 1/e-fache zurückgegangen ist. Sie ergibt sich mit der Kreisfrequenz ω, der Leitfähigkeit σ und der Permeabilität µ = µ0 µr zu [2.4]
.
(2.3)
376
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
Bei einer Messfrequenz f = ω/2π = 1 MHz liegt die Eindringtiefe in Eisen bei ca. 10 µm und erhöht sich nach Gl. (2.3) bei einer Messfrequenz von 100 Hz auf ca. 1 mm. Die Eindringtiefen in Aluminium und Messing liegen ca. eine Größenordnung höher. Die Verwendung solch niedriger Frequenzen führt jedoch zu relativ langsamen Messgeschwindigkeiten. So liegt der typische Untersuchungsbereich bei Fe-haltigen Werkstoffen meist nicht tiefer als 0,5 ... 1,5 mm. Eine geschickte Frequenzwahl ermöglicht es, die Messung auf eine bestimmte Tiefe zu begrenzen oder gar Profile bestimmter Eigenschaften über der Materialtiefe zu messen. Auch kann man durch gezielte Messung bei verschiedenen Frequenzen (Mehrfrequenzverfahren) den Informationsgehalt einer Wirbelstrommessung erhöhen. In speziellen Fällen können bei mm- bis cm-großen Defekten auch Nachweistiefen von 8 mm erreicht werden [2.5]. Mit Hilfe des Josephson-Effekts, der bei Temperaturen von wenigen Kelvin nutzbar ist, lassen sich mit der sog. SQUID (Superconducting Quantum Interference Device)-Technik Defekte in mehreren cm Tiefe nachweisen [2.6]. Solche Techniken spielen jedoch für die Prüfung von Massengütern keine Rolle und werden daher hier nicht weiter diskutiert. 2.3.1.2 Praktische Verfahren Beim Wirbelstromverfahren ändert sich, wie oben dargestellt, je nach Material und Beschaffenheit eines Prüfkörpers sowohl der Realteil R als auch der Imaginärteil ωL der Impedanz. In einigen Fällen genügt es jedoch, nur die Induktivität L auszuwerten. Wertet man die gesamte Impedanz Z aus, wirkt der Realteil des Spulenwiderstandes R0 störend, da er bezüglich des zu prüfenden Materials keine Information enthält und durch seine Temperaturabhängigkeit die Genauigkeit der Messung verschlechtern kann. Daher verwendet man oft Sonden mit zwei meist koaxial angeordneten Wicklungen, s. Abb. 2.6a, bei denen die Erregerwicklung den Strom I führt und in der Messwicklung die Messspannung U induziert wird. Die Spannung an der Messspule ist nun nicht mehr von Wicklungsverlusten, sondern nur noch von den Verlusten im Probenmaterial abhängig. Zur Darstellung und Auswertung wird dann eine ‚künstliche Impedanz‘ aus der Ortskurve von Messspannung U und Erregerstrom I verwendet, d. h. die Messspannung U an der Messspule wird in Bezug auf den Strom I in der Erregerspule dargestellt. Sowohl die einfache Wirbelstromspule als auch die aus Erreger- und Messspule aufgebauten Sonden werden als sog. Absolutsysteme bezeichnet, weil sie im oben beschriebenen Sinne quasi den absoluten Wert der Impedanz darstellen. Die Impedanz unterliegt neben den gesuchten Parametern wie Abstand oder Materialdefekten aber auch noch anderen Einflüssen wie z. B. der chemischen oder der Mischkristallzusammensetzung, der Gefügestruktur, der Korngröße, dem Vorhandensein von Ausscheidungen oder inneren Spannungen der Probe. Vor allem zur Detektion von kleinen Defekten, die eine hohe Unabhängigkeit von den Schwankungen der Materialparameter verlangt, werden sog. Differenz- oder Differenzialsonden eingesetzt, die aus zwei räumlich gegeneinander versetzten Wicklungen bestehen, s. Abb. 2.6b. Befindet sich eine Spule beim Abtastvorgang z. B. über einem Defekt und die andere noch nicht, erhält man ein
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung (a)
(b) Ferritkern
~ Speisung
Speisung
Messung
~
L, R
L, R Messung Wirbelströme Riss
377
Abb. 2.6. Ferritgefüllte Wirbelstromsonden mit getrennter Erreger- und Messwicklung. a Absolutsonde zur Schichtdickenmessung, Wirbelstromverlauf im fehlerfreien Prüfmaterial. b Differenzialsonde zur Rissdetektion, Wirbelstromverlauf im rissigen Prüfmaterial
Schicht Prüfmaterial
Differenzsignal. Wie in der Abb. dargestellt, werden Differenzialsonden oft mit getrennten Erreger- und Messspulen ausgeführt. Hier kann man vorteilhaft die beiden Messspulen gegensinnig so in Reihe schalten, so dass ihre Summenspannung nur von Null abweicht, wenn eine Asymmetrie im Probenmaterial vorliegt. Zur Empfindlichkeitssteigerung werden Wirbelstromsonden oft mit Ferritkernen gefüllt. Abbildung 2.6 zeigt ebenfalls stark vereinfacht den Verlauf der Wirbelströme im Falle eines fehlerfreien Prüfteiles, s. Abb. 2.6a, und im Falle eines Risses, s. Abb. 2.6b. Die Ströme müssen bei Anwesenheit eines Risses seitlich oder in die Tiefe ausweichen. Die Feldverdrängung wird durch den Riss schwächer, d. h. mit Riss ist die Induktivität größer als ohne Riss. Dieses einfache Beispiel zeigt auch, wie sehr die Messung von der relativen Lage des Risses zur Prüfspule abhängt. Risse, die parallel zur Oberfläche verlaufen, beeinflussen das Wirbelstromsignal kaum. Die Form der Sondenwicklungen lässt sich sehr flexibel an die jeweilige Aufgabenstellung und die Form des Prüflings anpassen. Moderne Wickeltechnik ermöglicht die automatische Herstellung nahezu jeder denkbaren Spulenform, bis hin zu Abmessungen weit unterhalb eines mm. 2.3.1.3 Fehlerdetektion Wirbelstromverfahren eignen sich, wie oben erwähnt, nur zum Nachweis von Defekten an der Oberfläche oder im oberflächennahen Bereich. Da sich Feldinhomogenitäten nur in der Nähe eines Defekts ausbilden, würde man z. B. bei Fe-haltigen Metallen selbst dann keine nennenswerte Erhöhung der Messempfindlichkeit erhalten, wenn man die Messfrequenz weit unter 100 Hz absenken würde. Bei tiefliegenden Defekten ist der Feldverlauf an der Oberfläche so homogen, dass sich der Defekt nicht mehr deutlich genug abzeichnet, d. h. mit zunehmender Tiefe der Fehler im Material werden zunehmend nur größere Defekte erkannt. Im Falle von hinreichend dünnen Blechbändern oder –hülsen kann man die Empfindlichkeit der Methode bis zu einem gewissen Grad durch Messung an Rück- und Vorderbzw. Außen- und Innenseite erhöhen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass bis zu
378
Teil C
Fertigungs- und Qualitätsmesstechnik
einer Tiefe von max. 0,5 mm unter der Oberfläche Fehler von allenfalls 50 ... 100 µm erkennbar sind. Zur flächigen Fehlerdetektion wird der Wirbelstromsensor mäanderförmig oder im Falle von Rundteilen auf einer Spirallinie über die Oberfläche des Prüflings geführt. Bei üblichen Betriebsfrequenzen von einigen 100 kHz kann die Abtastgeschwindigkeit sehr hoch sein. Zur weiteren Verkürzung der Messzeiten kann die Prüfvorrichtung auch mehrere, parallel arbeitende Prüfköpfe enthalten. Bei den hohen Abtastgeschwindigkeiten, die für eine wenige Sekunden dauernde Teileprüfung erforderlich sind, können die Sonden zur Einhaltung eines konstanten Luftspaltes nicht mehr aufgesetzt werden. Ändert sich bei schnellen Bewegungen z. B. durch Vibrationen der Abstand zur Prüfoberfläche nur leicht, führt dies zu Messfehlern, da die Sonde sehr empfindlich auf Abstandsänderungen reagiert (lift-off-Effekt). Zudem sind nicht alle zu prüfenden Teile exakt zylindrisch geformt. In solchen Fällen sind die Sonden an ihrer Spitze zusätzlich mit einem ebenfalls auf dem Wirbelstromprinzip beruhenden Abstandssensor ausgerüstet, mit dem die Sonde in konstantem Abstand gehalten werden kann. Wirbelstromsonden sind nur für gleichmäßige Oberflächen geeignet und kommen bei komplexeren Konturen sehr schnell an die Grenze ihrer Einsetzbarkeit. Ebenso können z. B. vom Fertigungsprozess stammende Unebenheiten den Einsatz von Wirbelstromsonden verhindern. Mathematisch aufwendigere Ansätze zur Signalauswertung wie z. B. das Parameterapproximationsverfahren in Verbindung mit Mehrfrequenzmessungen versuchen die Auswirkungen solcher Einflüsse zu kompensieren [2.7, 2.8]. Durch die für kurze Abtastzeiten erforderliche, schnelle Relativbewegung zwischen Sonde und Prüfling werden nicht unerhebliche Störspannungen in der Spulensonde induziert, die von magnetisch inhomogenen Gefügestrukturen, inklusiv der beliebig orientierten Weißschen Bezirke, oder auch von einer leichten lokalen Vormagnetisierung stammen. Nur Signale, die signifikant über dieses Grundrauschen hinausragen, können zur Fehlerdetektion verwendet werden. Üblicherweise wird bei der Fehlersuche die oben beschriebene Ortskurve der Sondenimpedanz ausgewertet und bei Bedarf in geeigneter Weise visualisiert oder automatisch klassifiziert. 2.3.1.4 Dimensionelles Messen Der bei der Fehlersuche störende Abhebe- oder Lift-off-Effekt kann auch zum dimensionellen Messen genutzt werden. Hierbei müssen jedoch die Materialeigenschaften der Messprobe konstant und bekannt sein. Wirbelstromsonden eignen sich daher vor allem zur Messung geometrischer Parameter, vorzugsweise zur Abstandsmessung und bei geeigneter Parametrisierung auch zur Schicht- oder Wanddickenmessung. Oft werden für diese Messungen die Wirbelstromspulen mit einem kleinen Ferrit-Topfkern versehen, um den magnetischen Fluss besser auf den Messort konzentrieren zu können. Abbildung 2.7 zeigt schematisch vereinfacht die Zusammenhänge beim dimensionellen Messen. Abstandsmessung: Der zu bestimmende Messweg s, s. Abb. 2.7a, ist definiert als Abstand der Wirbelstromsonde von der Oberfläche einer elektrisch gut leitenden,
2 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung
379
sog. Dämpferplatte z. B. aus Cu oder Al. Die Betriebsfrequenz ist so hoch gewählt, dass die Wirbelströme nicht nennenswert in die Platte eindringen und die Dämpferplatte das Spulenfeld daher scharf begrenzt. Bei Variation des Abstandes s wird somit die Induktivität L(s) stark variiert. Die Methode zeichnet sich sowohl durch hohe Auflösung bis in den µm-Bereich als auch durch gute Temperaturstabilität aus. Nimmt die Leitfähigkeit der Dämpferplatte mit zunehmender Temperatur ab, so steigt dadurch die Eindringtiefe, wodurch wiederum der wirksame Gesamtwiderstand verkleinert wird. Der Temperatureinfluss kann in weiten Bereichen nahezu vernachlässigt werden. Wanddickenmessung: Bei der Wand- oder Blechdickenmessung wird die Anregungsfrequenz so niedrig gewählt, dass die Wirbelströme das Blech möglichst in der vollen Dicke durchsetzen (Blechdicke d ≈ Eindringtiefe δ), s. Abb. 2.7b. Mit abnehmender Blechdicke d schwächt sich dann die Sperrwirkung der Wirbelströme gegen das Erregerfeld ab und die Induktivität L nimmt zu. Bei dieser Messung ist darauf zu achten, dass der Abstand zwischen Messkopf und Blechoberfläche konstant bleibt. Schichtdickenmessung: Die Schicht mit der Leitfähigkeit σ1 und der relativen Permeabilität µr1, deren Dicke d zu messen ist, kann sowohl dielektrischer als auch metallisch leitender Art sein, s. Abb. 2.7c. Sie muss jedoch auf einem dickeren metallischen Trägermaterial (mit der Leitfähigkeit σ2 und der relativen Permeabilität µr2) mit deutlich unterschiedlichen Eigenschaften (σ1 ms
Betriebsgeräusch
Keines
Je nach Bauart
Schaltlichtbögen
Keine
Ja abhängig von Strom bzw. Spannung
Schockbeständigkeit
Hoch
Begrenzt
Spannungsfestigkeit
Begrenzt
Hoch
Empfindlichkeit gegenüber Überspannungen
Hoch
Praktisch keine
Laststrombereich
Begrenzt
Von µAmpere bis Ampere
Leckströme
Signifikant
Nein
Raumbedarf
Gering
Groß
Ansteuerleistung
Geringer
Höher
Wert des Kontaktwiderstands
Höher
Niedriger
Änderung des Kontaktwiderstands während der Lebensdauer
Nein
Ja
Kontaktprellen
Nein
Ja
Lichtbogenbildung
Nein
Ja
470
Teil D
Elektrische Signalverarbeitung und Komponenten Abb. 4.10. Prinzipieller Aufbau eines PhotoMOS-Relais
4.4.2 PhotoMOS-Relais Eine elegante Methode, die Nachteile von gewöhnlichen Halbleiterrelais zu umgehen, stellt die Verwendung von sog. PhotoMOS-Relais (auch Photovoltaikrelais) dar (s. Abb. 4.10). Durch Einprägen eines definierten Stroms in eine auf der Primärseite integrierte LED werden elektromagnetische Wellen im Bereich der Infrarotstrahlung emittiert. Innerhalb des Bausteins trifft die Infrarotstrahlung nach Durchlaufen einer optischen Übertragungsstrecke auf eine Fotodiode, wo sie wieder in elektrische Energie umgewandelt wird. Diese Energie genügt zum Betreiben einer sekundärseitigen MOS-FET-Schaltung, ohne dass dem Lastkreis Energie entzogen werden muss, wie es bei herkömmlichen Halbleiterrelais der Fall ist. PhotoMOS-Relais bieten die üblichen Vorteile von Halbleiterrelais und ergänzen diese um einen geringen Leckstrom, die galvanische Trennung zwischen Primär- und Sekundärkreis sowie das Schalten geringer Ströme bzw. Spannungen. 4.4.3 Piezo-Relais Im Gegensatz zum elektromagnetischen Relais, bei dem die Kontakte durch ein magnetisches Feld betätigt werden, geschieht dies bei Piezorelais durch ein elektrisches Feld unter Ausnutzung des reziproken piezoelektrischen Effekts (der sog. Elektrostriktion). Der Anker eines Piezorelais besteht aus einem Bimorphstreifen, d. h. aus zwei elektrisch entgegengesetzt polarisierten Piezokeramikschichten ohne oder mit Metallzwischenschicht. In der Praxis haben Piezorelais bisher keine wirtschaftliche Anwendung gefunden.
4.5 Ausblick Grundlegende Neuentwicklungen sind bei elektromagnetischen Relais in naher Zukunft nur spärlich zu erwarten, weil man in vielen Bereichen der Relaisentwicklung bereits an physikalische Grenzen stößt. Im Gegensatz zu Telekommunikationsrelais ist bei Automobilrelais die Miniaturisierung nach wie vor im Gange.
4 Relais
471
Das Hauptaugenmerk gilt jedoch der kostengünstigen Fertigung bei hoher Qualität. Weiterhin gilt es, den steigenden Anforderungen der EU-Umweltrichtlinien zu genügen. Die von der EU festgelegten Vorschriften für die Elektronikfertigung, die bei Relais im Wesentlichen bleifreie Verarbeitung, umweltverträgliche und artenreine Kunststoffe sowie geringen Energieverbrauch fordern, werden mittlerweile von den meisten Herstellern berücksichtigt und entsprechend umgesetzt. Generell herrscht eine große Nachfrage nach elektromechanischen Relais in allen Marktsegmenten. Der weltweite Relaisbedarf ist nach wie vor steigend. Nach jüngsten Studien des Marktforschungsinstituts VDC wird ein jährliches Umsatzwachstum von 3–4 % in den nächsten drei Jahren erwartet. Dies bedeutet eine Steigerung von 3,4 Mrd. Dollar (2004) auf 4,2 Mrd. Dollar bis 2007. Da jedoch die Kosten bzw. Preise dieser Bauteile stetig sinken, wird sich das Wachstum bezogen auf die Stückzahlen in der Größenordnung von 10 % bewegen.
Literatur 4.1 4.2
4.3
Sauer H. (1985) Relais-Lexikon. 2. Aufl. Hüthig, Heidelberg EURO-Matsushita (1998) Relaistechnik: Grundlagen und neueste Entwicklungen. Verl. Moderne Industrie (Die Bibliothek der Technik, Bd. 163) Landsberg/ Lech Elkhart I (1980) Engineers’ Relay Handbook. National Association of Relay Manufacturers
Teil E Bussysteme 1
Einführung
475
2
Grundlagen
485
3
Industrielle Feldbusse
4
Ethernet Automatisierungstechnik
5
Drahtlose Netzwerke
515
625
597
1 Einführung Jörg F. Wollert
1.1 Entwicklungen in der Automatisierungstechnik
ERP
Enterprise Ressource Planning
MES
Der Trend zur Automatisierung von Prozessen ist ungebrochen. Eine immer höhere Technisierung von Prozessen erfordert neue Maßnahmen zur Beherrschung der Komplexität. Einerseits will man die Gesamtheit der Prozesse möglichst zentral steuern, überwachen und bedienen, auf der anderen Seite wird immer mehr Intelligenz in Peripheriegeräte, wie Sensoren, Aktoren oder Steuer- und Regelungselemente verlagert. Durch die Anforderungen an immer bessere Prozesse steigt darüber hinaus die Anzahl der benötigten Prozessgrößen, die häufig bis in die Unternehmensführung benötigt werden. Diese Entwicklungen führen zu einem dramatischen Anstieg von Daten. Eine hierarchische Ordnung der Prozesse ist unabdingbar und Voraussetzung für die Beherrschung der Komplexität. Heute wird üblicherweise ein 3-Ebenen-Modell für die Automatisierungspyramide mit der Feldebene, dem MES- und dem ERP-Bereich verwendet.
Manufacturing Execution System
Feldebene
Abb. 1.1. Kategorisierung der Automatisierungsebenen
Archivieren von Daten Betriebswirtschaftliche Organisation Strategische Planung Controlling Verwaltung Abrechung ... Operative Planung CAM / CAP Überwachung Betriebsdatenerfassung Bedienen und Beobachten Prozesssteuerung ... Echtzeitsteuerung Regelung ...
476
Teil E
Bussysteme
– Die Feldebene beschreibt die prozessnahen Komponenten und Aufgaben. Hierzu gehören die Messfühler (Sensoren) und Stellgeräte (Aktoren), die den technischen Prozess überwachen sowie die Funktionen der Echtzeitsteuerung und Regelung. – Der MES-Bereich (Manufacturing Execution System) ist für die operative Planung der Prozesse verantwortlich und beinhaltet alle prozessnahen Funktionen und Aufgaben wie Betriebsdatenerfassung, Mensch-Maschine-Schnittstelle sowie Überwachung und Visualisierung. – Die ERP-Ebene (Enterprise Ressource Planning) verkörpert die Unternehmensebene und die strategische Prozessplanung. Hier finden sich auch die primär betriebswirtschaftlichen Aufgaben wieder. Moderne Konzepte gehen sogar noch weiter, so dass ERP-Systeme direkt bis in die Feldebene durchgreifen, ohne die Datenverdichtung auf der MES-Ebene explizit zu nutzen. Ein gutes Beispiel gibt hier der führende Roboterhersteller KUKA, der eine direkte SAP-Schnittstelle unterstützt und somit eine lückenlose Anbindung an CRM (Customer Relationship Management), SCM (Supply Chain Management) und PLM-Systeme (Product Lifecycle Management) über eine WebPlattform ermöglicht. Es wird deutlich, dass die Bestrebungen der Integration eine wichtige Rolle für einen kontinuierlichen Informationsfluss im Unternehmensprozess spielen. Neben der logischen Integration spielt auch die physikalische Verbindung der Ebenen eine wichtige Rolle. In der Diskussion findet man neben den eingeführten Feldbussystemen an dieser Stelle die Notwendigkeit der Kommunikation über ein standardisiertes Bussystem, wie es z. B. Ethernet darstellt. Dieses fast 40 Jahre alte Kommunikationsmedium scheint ohnehin die erste Wahl bei innovativen Automatisierungslösungen zu sein [1.1–1.3]. 1.1.1 Trends bei Steuerungen Allgemein kann man feststellen, dass sich die Komponenten in der Automatisierungstechnik dramatisch verändern. In den 80er Jahren waren teure und aufwendige Prozessrechner für die Bearbeitung von komplexen Aufgaben notwendig. Eine deutliche Kostenersparnis durch eine erhöhte Flexibilität und einfache Programmierbarkeit konnte durch die Einführung der SPS-Technologie in den späten 80er Jahren erreicht werden. Der Erfolg dieser Steuerungstechnik hatte seinen Höhepunkt in den 90er Jahren, wobei man einen Anteil von fast 100 % speicherprogrammierbaren Steuerungen am Automatisierungsmarkt hatte. Eine Wende brachte in den 90er Jahren die extrem erfolgreiche Allianz zwischen Personal-Computer (PC) und Microsofts Windows-Betriebssystem-Familie. Der extreme Verfall der Hard- und Softwarekosten und die technologische Entwicklung dicht an dem technologisch Machbaren (Mooresches Gesetz) mit einer Verzehnfachung der Rechenleistung alle 5 Jahre machte den PC zu einem attraktiven System. Um die Jahrtausendwende hatten PC-Systeme einen Marktanteil im Steuerungsmarkt von um die 10 %, wobei
1 Einführung
PLC
PLC PLC
477
Abb. 1.2. Entwicklungstrends in der Steuerungstechnik (Quelle: Siemens)
PLC
PC Intelligente Feldgeräte
PC
1990
2000
2010
rechenintensive Spezialanwendungen wie Bildverarbeitung und NC-Steuerungen zunächst im Vordergrund lagen. Heute kann man feststellen, dass der PC seinen Siegeszug als Steuerungsrechner weiter fortsetzt. Die Fokussierung auf das Windows-Betriebssystem spielt nicht mehr die alleinige Rolle und das Echtzeitproblem ist weitestgehend gelöst. Analysten prognostizieren für das Jahr 2010 eine Marktaufteilung von 40 % SPS, 30 % PCs und 30 % intelligente Feldgeräte in der Automatisierungstechnik. 1.1.2 Netzwerkintegration Eine weitere wichtige Änderung vollzieht sich bei der Struktur von Automatisierungssystemen. Historisch gewachsen sind leistungsfähige und autark agierende zentrale Steuerungssysteme, die in Form von paralleler Verkabelung Prozessdaten einsammeln und Aktoren ansprechen. Die Feldgeräte waren in diesem Fall passiv und die Datenverarbeitung erfolgte nahezu ausschließlich durch die Prozessrechner. Diese Ära der leistungsstarken SPS und der Prozessrechner hat sich zugunsten dezentraler Automatisierungssysteme verschoben. Aktuell werden skalierbare Lösungen bevorzugt, wobei die Automatisierungsgeräte untereinander und mit unterschiedlichen Einheiten über Feldbusse kommunizieren. Hierbei ergeben sich im Wesentlichen zwei Problematiken: 1. Es existiert eine kaum vorstellbare Anzahl von Feldbussen für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete. Eine Konvergenz der Technologien ist nicht absehbar und aufgrund der Investitionssicherung versuchen die Marktführer ihr spezielles und mittlerweile zur „Norm“ erhobenes Feldbussystem jeweils zu pushen. An eine Interoperabilität zwischen den Systemen ist so gut wie nicht zu denken. 2. Auch wenn Steuerungen mit proprietären Feldbussen ausgerüstet sind, wird heute eine weitergehende Kommunikation zu Führungsrechnern notwendig. Hier muss ein gewisser Standard eingehalten werden. Während anfänglich Arcnet eine große Rolle gespielt hat, kann man heute fast einheitlich mit Ethernet, zumindest auf der Seite der Physik, eine gewisse Konvergenz feststellen.
478
Teil E
Bussysteme
Fordert man eine umfassende Interoperabilität und Offenheit ein, so wird man in Zukunft bei verteilten Automatisierungssystemen landen. Dieser Trend zeichnet sich aktuell deutlich ab. Die SPS oder das Steuerungsgerät, auf welcher Basis es auch immer implementiert wurde, besitzen einen universellen Netzwerkzugang. 1.1.3 Einsatz von IT-Technologie Greifen die zuvor genannten Thesen, so wird es notwendig, Automatisierungssysteme stärker in die IT-Infrastruktur einzubinden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von vertikaler Integration, der vollständigen Vernetzung der einzelnen Automatisierungsebenen von der Unternehmensebene bis hin in das Sensor-Aktor-Umfeld. Hier haben sich mit TCP/IP-Netzen und Ethernet Standards etabliert, die auch noch ein Potenzial über die nächste Dekade hinaus haben. Eine besondere Bedeutung erlangt die Internettechnologie. Sie bietet die Möglichkeit, unterschiedlichste Geräte mit unterschiedlichster Technologie zu verbinden und ist damit der Schlüssel zu einer systemweiten Interoperabilität. Interpretierter Bytecode und Webservices sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung der rechner- und netzwerkweiten Verbindung der unterschiedlichen Geräte und Systeme. Aus der Sicht der Automatisierungstechnik ist eine globale Vernetzung zwar kritisch zu betrachten, doch innerhalb einer geschützten Anlage ist erhebliches Potenzial vorhanden. Schon heute ist eine Vielzahl von Lösungen auf der Basis von Internettechnologie verfügbar. Kaum ein neues Ethernet-basiertes Konzept verzichtet auf die Möglichkeit, Webserver für triviale Dienste wie Diagnose, Blockdatenübertragung oder das elektronische Bedienhandbuch zu integrieren.
Prozessor- und Prozessor Betriebssystem Betriebssystemunabhängige Entwicklung
Verteilte Prozessoren und Betriebssysteme Betriebssystemeunabhängige Entwicklung
Hochsprache Hochsprache
Java JavaClasses Classes
Compiler Compiler
Java JavaAPI API
Java JavaClasses Classes Java JavaVM VM BS BS
ProzessorProzessor unabhängige und Betriebssystem Betriebssystemabhängige Entwicklung
Assembler Assembler
Betriebssystem Betriebssystem
Java JavaVM VM BS BS BS BS BS BS
Abb. 1.3. Der Trend in der IT-Technik geht in Richtung offener Systeme
INTERNET INTERNET
Bytecode Bytecode MSIL MSILVM VM BS
1 Einführung
479
1.1.4 Automatisierungsstrukturen An dieser Stelle wird deutlich, dass die Kommunikationsfähigkeit von Systemen und damit auch ihre Vernetzung eine wesentliche Rolle in einem modernen Automatisierungssystem spielen. Der Wunsch nach einer einheitlichen und vor allem durchgängigen Kommunikation wird nur zu deutlich. Doch kann eine einzige Technologie alle Anforderungen abdecken? Für die Beantwortung dieser Fragen hilft ein Blick auf die Automatisierungspyramide. Typischerweise unterscheidet man sowohl in der Fertigungs- als auch in der Verfahrenstechnik unterschiedliche Kommunikationsebenen mit einem differenzierten Anforderungsprofil. Zur Vereinfachung wird hier ein Modell der Fertigungstechnik beschrieben. Die Anforderungen an die Kommunikation muss man für jede Ebene genauer betrachten. Im Bereich der Unternehmensführung (ERP – Enterprise Ressource Planning) liegt aus der Produktionssicht der Schwerpunkt auf Datenbanken mit endlicher Transaktionszeit und Archivierungsanforderungen bis hin zu 10 und mehr Jahren. Hier findet man klassische IT-Technologien mit einer Ethernetverkabelung vor. Proprietäre Lösungen sind so gut wie vollständig vom Markt verschwunden. Anders liegt der Fall bei den automatisierungsnahen Ebenen. Hier liegt ein wesentlicher Fokus auf den Geschwindigkeitsparametern, deren Anforderungen sehr stark von der konkreten Anwendung abhängen. In der Prozessindustrie sind Batchbetrieb und Reaktionszeiten im Sekundenbereich üblich, während in der Produktionstechnik kontinuierliche Prozesse mit Zeitanforderungen im einige hundert Millisekunden-Bereich in der MES(Manufacturing Execution System)-Ebene üblich sind. Noch gravierender sind die Anforderungen in der Feldbzw. Sensor-/Aktorebene, wo durchaus Zykluszeiten von einigen wenigen Mikrosekunden, beispielsweise in der Antriebstechnik, notwendig sind. Gerade spezielle Anforderungen führen zu herstellerspezifischen Lösungen und damit einer großen Heterogenität der Geräte. Es ist nahe liegend, dass entsprechend den gestellten Anforderungen in den einzelnen Ebenen und Anwendungsgebieten eine Spezialisierung der Bussysteme notwendig ist, unabhängig von den Bemühungen einer vertikalen Integration. Generell geht ein ebenen-orientiertes Kommunikationsmodell immer davon aus, dass der Informationsfluss für die Planung der operativen Abläufe von oben nach unten fließt, wobei eine ganz klare Top-Down-Zerlegung der Arbeitschritte über die unterschiedlichen Prozessinstanzen vorgenommen wird. In umgekehrter Reihenfolge werden Daten aus der Feldebene in Richtung der administrativen Ebenen soweit verdichtet, so dass über die Schnittstellen der Ebenen nur noch signifikante Daten ausgetauscht werden müssen. Ein hierarchisches Kommunikationsmodell ist damit unabdingbar. Betrachtet man die eingesetzte Technologie in den jeweiligen Netzebenen, so kann man feststellen, dass in den höheren Kommunikationsebenen von der Fabrikebene bis hin in die Zellebene nahezu ausschließlich konventionelle Informationstechnologie eingesetzt wird und die heißt i. d. R. Ethernet. Dieses ist auch nicht verwunderlich, da die eingesetzten Kommunikationsgeräte aus dem Bereich der Büroautomatisierung entstammen. Es handelt sich hierbei um PCs, SUN-Worksta-
Bussysteme Länge
Wochen
MByte
MES
Manufacturing Execution System
Feldebene
1
1/d
Tage Stunden sec
Lebensdauer
1/h
100 kByte
Jahre Monate Wochen Tage
10
1 Hz 100 ms
Stunden kByte 100
10 Hz ms
103 Hz
Byte
µs
106 Hz
Bit
Nachrichtenhäufigkeit
1000
min
Ethernet TCP/IP
Enterprise Ressource Planning
Reaktionszeit
Feldbus
Teil E
Sensor-Aktor-Bus
ERP
480
ms
Heterogenität der Geräte
Abb. 1.4. An die Kommunikation in den unterschiedlichen Ebenen werden sehr differenzierte Anforderungen gestellt
tions oder UNIX-Rechner. Die Aufgaben sind dann auch zumeist eher administrativen Charakters mit dem Schwerpunkt der Datenaufbereitung und Archivierung sowie dem Einsatz höherwertiger Kommunikationsprotokolle zum Versenden von elektronischen Mails oder dem Zugriff auf verteilte oder zentrale Datenbestände. Die Bereiche der Prozess- und Feldebene werden demgegenüber sehr differenziert betrachtet. Hier findet man vordringlich ein Kommunikations-Modell bestehend aus der Informations-, Steuerungs- und E/A-Ebene mit einer schier unüberschaubaren Anzahl von Implementierungstechnologien und Lösungen. Diese Heterogenität stellt sowohl Anbieter als auch Anwender häufig vor kaum lösbare Schnittstellenprobleme, so dass hier Handeln wirklich Not tut. Die Geräteanbieter haben dieses Dilemma erkannt und bemühen sich um eine Vereinheitlichung der Technologie. Heute ist eine Reihe von durchgängigen Kommunikationsmodellen verfügbar oder in weiten Teilen umgesetzt. Interessante Ansätze für die vertikale Integration finden sich heute in unterschiedlichen Middleware-Ansätzen. Siemens sieht für die Erfüllung der Anforderungen im Rahmen von TIA ganz klar das bekannte 3-Ebenen-Konzept als Lösungsansatz, wobei jeder Hierarchieebene eine standardisierte Bus-Technologie zugeordnet wird. In der Informationsebene findet man das Industrial Ethernet, die Steuerungsebene wird durch Profibus dominiert und für die Sensor-Aktor-Ebene kommt das AS-Interface zum Einsatz. Aus der Sicht von Siemens ist hierdurch eine effiziente und zukunftssichere Automatisierung unter den Gesichtspunkten Verfügbarkeit und Echtzeittauglichkeit möglich. Dieses schicht-orientierte Paradigma wird nun seit kürzerem durch diejenigen in Frage gestellt, die flache Automatisierungslösungen basierend auf Ethernet propagieren. Das 3-Ebenen-Modell wird hierbei zu Gunsten eines hierarchiefreien technologisch durchgängigen Modells durchbrochen. Die Vision ist bestechend, eine einheitliche Technologie vom Großrechner bis hin zur Busklemme einzusetzen und damit ein für alle Mal die Feldbus-Gateway-Problematik zu überwinden.
1 Einführung
481
-
Abb. 1.5. Typische Reaktionszeiten und Verteilung in Produktionssystemen
In Anbetracht von Gigabit-Ethernet scheint diese Problematik ja hinsichtlich der Geschwindigkeit schon zugunsten von Ethernet entschieden zu sein.
1.2 Serielle und parallele Anschlusstechnik Die Diskussion um serielle oder parallele Anschlusstechnik ist durch den erhöhten Kostendruck auf technische Systeme getrieben. Die traditionell verwendete parallele Anschlusstechnik ist für moderne Systeme häufig zu unflexibel und
Abb. 1.6. Serielle Anschlusstechnik reduziert die Komplexität der Verkablung dramatisch
482
Teil E
Bussysteme
kompliziert. Das bedeutet, dass Systemmodifikationen kaum akzeptierbare Kosten nach sich ziehen. Vorteile im Engineering sind dann auch der am häufigsten anzutreffende Grund für den Einsatz der seriellen Anschlusstechnik. Im Nachfolgenden sind die Vorzüge und Nachteile der Technologien kurz beschreiben. 1.2.1 Parallele Anschlusstechnik Unter paralleler Anschlusstechnik versteht man das parallele Heranführen von Sensor- und Aktordatenleitungen an ein Automatisierungssystem. In der Regel handelt es sich hierbei um Einzelbit-Informationen, also Schaltzustände von Sensoren wie z. B. Näherungs-, End- oder Kontaktschaltern, analoge Daten in typischer 4 ... 20-mA-Technik und die Ausgabe von Steuersignalen in digitaler Form oder als -10…+10-Volt-Stellsignale. Parallele Anschlusstechnik ist heute bevorzugt in der Prozessindustrie und auf dem letzten Meter zu einem dezentralen Steuerungssystem anzutreffen. Wesentlicher Aspekt zur Reduktion der parallelen Anschlusstechnik ist das erhebliche Einsparungspotenzial bei Systemänderungen, da eine feste parallele Anschlusstechnik zu unflexibel ist. Betrachtet man die kalkulatorischen Kosten, so sind für jeden Anschlusspunkt die Kosten für Steuerkabel, Maschinenklemmkasten, Klemme, Durchführung und Zugentlastung zu berücksichtigen. Bei einer hohen Anzahl von IO-Punkten sind häufig ganze Umverteilerräume für die Installation notwendig. Bei einer systembedingten Erweiterung oder Änderung ist neben einer manuellen Umverschaltung der elektrischen Signale bzw. dem Nachlegen neuer Kabel und deren Einbettung in Umverteiler der Aufwand für die Dokumentation zu berücksichtigen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Wartbarkeit der Anlage hat. Bei den typischen Kosten eines Anschlusspunkts von ca. 500,00 € (Richtwert) betragen die eigentlichen Sensorkosten nur einen Bruchteil des tatsächlichen Aufwandes. Für eine parallele Verkabelung sprechen ganz klar optimale Parallelität und Synchronizität der Sensoren und Aktoren sowie die verzögerungsfreie Signalübertragung zum Automatisierungsgerät. Als heute noch sinnvollen Anwendungsfall findet man demnach Anwendungen mit sehr hohen Geschwindigkeitsanforderungen wie z. B. in Messsystemen ab 100 kHz und Systemen mit sehr hohen An-
Signalverzögerung 0,1 .... 20 ms
+
-
Sensor
Zykluszeit 1 .... 100 ms
Signalverzögerung 0,1 .... 20 ms
Aktor
Abb. 1.7. Übertragungsverhalten bei paralleler Anschlusstechnik
1 Einführung
483
forderungen an die Synchronizität, wie dieses beispielsweise bei sehr schnellen Automaten der Fall ist. 1.2.2 Serielle Anschlusstechnik Unter serieller Anschlusstechnik versteht man die Serialisierung von parallel anfallenden Daten und deren Übertragung über ein serielles Bussystem. Serielle Bussysteme sind heute Stand der Technik. Selbst bei extrem leistungsfähigen elektronischen Systemen wie z. B. in Festplatten oder bei Multimediasystemen aus der Computerindustrie finden sie bis hin zu Datenraten von einigen 10 Gbps Anwendung. Die Gründe, serielle Bussysteme einzusetzen, sind elektrischer Natur, da bei sehr hohen Frequenzen die Synchronizität von parallelen Daten nicht mehr sichergestellt werden kann. Laufzeiteffekte durch Kabelquetschung, Längenunterschiede oder Biegung zeigen die Grenzen paralleler Bussysteme bei hohen Frequenzen auf. Allgemein kann man also feststellen, dass die serielle Datenübertragung bei hohen Datenraten eher unkritisch ist. In der Automatisierungstechnik werden i. d. R. vergleichsweise langsame Bussysteme eingesetzt, die mit Datenraten von einigen 10 kbps bis hin zu typisch 10 Mbps deutlich hinter den Geschwindigkeiten der IT-Busse zurückliegen. Dementsprechend sind die begrenzenden Faktoren der Automatisierungsbusse die Übertragungszeiten und der Determinismus der Nachrichten. Diese beiden Parameter sind dann auch mehrheitlich der Grund, warum sich soviel unterschiedliche Automatisierungsbusse in diesem Segment tummeln. Abb. 1.8. Übertragungsverhalten bei serieller Anschlusstechnik
Zykluszeit 1 .... 100 ms
Signalverzögerung 0,1 .... 20 ms
Signalverzögerung 0,1 .... 20 ms
Übertragungszeit
Übertragungszeit
Signalverzögerung 0,1 .... 20 ms
Signalverzögerung 0,1 .... 20 ms
+
-
Sensor
Aktor
484
Teil E
Bussysteme Abb. 1.9. Einsparungspotenzial durch den Einsatz serieller Bussysteme (Quelle: Siemens)
Vergleicht man aus der Sicht der Hardware- und Komponentenkosten die serielle und die parallele Anschlusstechnik, so muss man feststellen, dass hier die Kosten eher zu ungunsten der seriellen Technik ausfallen. Die zusätzlichen Kosten für die Feldbusverkabelung, die Busmodule und die Installationsinseln sowie für die Spannungsversorgung ergeben erst einen Kostenvorteil bei einer vergleichsweise hohen Anzahl von I/O-Punkten, die je nach verwendeter Bustechnologie stark variiert. Die Vorteile durch den Einsatz serieller Bussysteme ergeben sich im Wesentlichen durch Einsparungen beim Engineering. Modifikationen der Sensor- und Aktortopologie oder nachträgliche Veränderungen in der Systemkonfiguration sind extrem einfach durchzuführen. Reparaturen und Anlagenumstellungen sind mit vergleichsweise geringem Aufwand realisierbar und auch die Umparametrierung von Geräten kann an zentraler Stelle durch das Servicepersonal durchgeführt werden. Durch die Softwareänderungen erfolgt häufig eine automatische Überarbeitung der Dokumentation, so dass in diesen Bereichen erhebliche Kostenvorteile erzielt werden können. In Abb. 1.9 sind einige Aspekte aufgezeigt, wie sie beispielsweise bei Siemens evaluiert wurden. Schließlich weisen Feldbussysteme eine höhere Störunanfälligkeit gegenüber konventionellen Daten auf, da systembedingt die Daten in digitaler Form übertragen werden.
Literatur 1.1 1.2 1.3
Litz L (2005) Grundlagen der Automatisierungstechnik. R. Oldenbourg, München Zacher S (2000) Automatisierungstechnik kompakt. Vieweg, Wiesbaden Wollert J F (2005) VDI-Seminar „Innovative Kommunikationsnetze“
2 Grundlagen Jörg F. Wollert
2.1 Kommunikationsmodelle In Kap. 1 wurde der Begriff des Bussystems schon eingeführt: Es ist ein System, welches in der Lage ist, Daten seriell an verschiedene Teilnehmer zu übertragen. Das klingt zunächst einmal trivial. Dennoch steckt eine ungeheure Komplexität in diesem Thema. Eine erfolgreiche Kommunikation ist, wie schon im natürlichen Leben, nur dann möglich, wenn dieselbe Sprache gesprochen wird. Damit die Sprache interpretiert werden kann, muss eine Grammatik verfügbar sein und schließlich ist für eine geordnete Kommunikation auch die Steuerung des Senders und des Empfängers erforderlich. Erst die Vereinbarung all dieser Aspekte ermöglicht den Austausch von Informationen. Im technischen Bereich muss man sich darüber hinaus noch mit dem Übertragungsmedium und geeigneten elektrischen Signalen auseinander setzen. Zusammenfassend kann man feststellen, dass der Austausch von Informationen nur dann möglich ist, wenn die folgenden Faktoren erfüllt sind: – Es existiert eine Sprache. – Es liegt eine Grammatik vor. – Gegebenenfalls existiert ein Übersetzer für unterschiedliche Sprachen und Grammatiken. – Der Gesprächsablauf ist definiert. – Es liegt eine technische Spezifikation vor. – Es gibt ein definiertes Übertragungsmedium. Gerade in der Automatisierungstechnik hat man nun das Problem, dass unterschiedlichste hardware-zentrierte Systeme ein heterogenes Umfeld bilden. Eine einheitliche Kommunikation ist damit so gut wie ausgeschlossen, da eine einheitliche Sprachvereinbarung kaum realisierbar ist. In der IT-Welt hatte man in den 70er Jahren ähnliche Probleme, die durch eine Entwicklung von einem gut dokumentierten Schnittstellen- und Protokollmodell gelöst werden konnten. Hierbei haben sich hierarchische Schichtenmodelle bewährt [2.1–2.4]. Die Nutzdaten werden von Schicht zu Schicht weiter durchgereicht und mit Kontrollinformationen versehen. Prinzipiell werden im Sendevorgang nur Informationen hinzugenommen, die im Empfänger in exakt derselben Ebene wieder
486
Teil E
Bussysteme Protokoll
Data
Schicht 5 H1
Schicht 4
Protokoll
Data
Schicht 3
H2 H1 Data1
H3
Data2
Schicht 2
H2 H1 Data1 T1
H3
Data2
Data
H1
Protokoll
T2
Protokoll
Data
H3
Data2
H3
Data2
H2 H1 Data1
T2
H2 H1 Data1 T1
Schicht 1
Abb. 2.1. Schichtenbasierte Kommunikation über Protokolle
entfernt werden. Die Vereinbarung, welche Daten in einer Ebene ergänzt oder entfernt werden, bezeichnet man als Protokoll. Abbildung 2.2 zeigt die prinzipielle Funktionsweise einer Schicht. Daten werden als IDU (Interface Data Unit) der darunter liegenden Schicht über einen Dienstzugangspunkt SAP (Service Access Point) zur Verfügung gestellt. Innerhalb der Schicht wird die IDU der darüber liegenden Schicht zur SDU (Service Data Unit) der aktuellen Schicht. Service Data Units werden nicht verändert, es können lediglich Kontrollinformationen (ICI) hinzugefügt werden. Das modifizierte Datenpaket wird der folgenden Schicht als IDU zur Verfügung gestellt. Die Summe aller SAPs einer Schicht wird als Schnittstelle (Interface) bezeichnet. Eine Kommunikation einer Ebene erfolgt somit logisch horizontal über Protokolle und physikalisch über die Schnittstelle der darüber bzw. darunter liegenden Schicht. Neben diesen grundlegenden Eigenschaften sind noch weitere Voraussetzungen notwendig, damit eine Kommunikation stattfinden kann. – In jeder Schicht existiert ein Mechanismus für den Verbindungsauf- und -abbau. – Eine Adressierung ist erforderlich, damit nicht alle Nachrichten an alle Teilnehmer gesendet werden müssen. – Es ist zu vereinbaren, wie der Datenfluss realisiert wird. – Eine Fehlerüberwachung muss vorhanden sein. – Die Datenpakete müssen in der richtigen Reihenfolge ankommen.
Abb. 2.2. Die Kommunikation einer Schicht erfolgt über Dienstzugangspunkte
IDU SAP Service Access Point Interface Data Unit Service Data Unit Protocol Data Unit Interface Control Information
ICI
SDU IDU
SAP
n-te Schicht
SAP IDU SDU PDU ICI
2 Grundlagen
487
– In vielen Fällen ist eine Datenflusssteuerung erforderlich, damit langsame Teilnehmer schnelle nicht blockieren. – Es sind Vereinbarungen für eine geeignete Verbindungsstruktur zu realisieren.
2.2 Kommunikationscharakteristik Wie auch im menschlichen Miteinander spielt das „WIE“ der Kommunikation eine entscheidende Rolle. In der Kommunikation gibt es optimistische und pessimistische Kommunikationsvarianten. Wird eine Nachricht ohne Empfangsquittung an einen Sender übermittelt, dann handelt es sich um eine optimistische Variante. Man geht davon aus, dass die Kommunikation funktionieren wird. Man spricht hierbei auch von einer verbindungslosen Kommunikation. Ist eine Kommunikation tendenziell unzuverlässig, wählt man einen pessimistischen Ansatz. Hierzu ist zumindest eine Empfangsquittung notwendig und damit eine bidirektionale Kommunikation. Eine Kommunikation mit bestätigten Diensten bezeichnet man auch als zuverlässige Verbindung. Als Kommunikationsstruktur kommen fünf Grundstrukturen zur Anwendung. – Bei der Simplex-Übertragung überträgt ein Kommunikationsknoten A eine Nachricht zu einem Knoten B. Es existiert keine Rückmeldung, so dass A nie weiß, ob die Nachricht angekommen ist. Man spricht auch von einer unidirektionalen, unbestätigten Kommunikation. – Ist eine abwechselnde, nicht gleichzeitige Kommunikation von Knoten A und B möglich, bezeichnet man diese als Halb-Duplex-Übertragung. Ein typischer Vertreter dieser Kommunikationsart ist analoger Sprechfunk. Bei einer HalbDuplex-Verbindung kann es Konflikte bei einem konkurrierenden Kanalzugriff geben, so dass eine Strategie für die Nutzung des Mediums entwickelt werden muss. – Eine konfliktfreie Nutzung eines Mediums ermöglicht eine Voll-Duplex-Verbindung. Hier stehen getrennte Kanäle zum Senden und Empfangen bereit. – Bei den bisherigen Kommunikationsmodellen ist man von einer Punkt-zuPunkt-Verbindung ausgegangen. In vielen Anwendungen ist jedoch eine Punkt-zu-Multipunkt-Verbindung erforderlich. Werden durch einen Aufruf eines Knotens A alle potentiellen Kommunikationsteilnehmer angesprochen, spricht man von einem Broadcast. Vergleichbar zu einer Simplexverbindung sind nur unbestätigte Dienste möglich. – Eine spezielle Form des Broadcasts ist der Multicast. Hierbei wird eine Gruppe von Teilnehmern adressiert und bekommt, vergleichbar zum Broadcast, simultan die Nachricht. Ein Multicast erfordert Mechanismen zur Adressierung von Teilnehmergruppen. Bisher wurde noch keine Unterscheidung getroffen, welche Wertigkeit die Kommunikationsknoten haben. Dieses wird in den folgenden Abschnitten deutlich, in dem dort explizit auf spezialisierte Modelle eingegangen wird. Es existieren Modelle, welche die Dienstleistung in den Vordergrund stellen:
488
Teil E
Bussysteme Abb. 2.3. Grundlegende Kommunikationsmodelle
– Peer-to-Peer, – Client-Server und Kommunikationsmodelle, welche die Nachrichtenverteilung betonen, – Master-Slave, – Producer-Consumer. 2.2.1 Peer-to-Peer Bei der Peer-to-Peer-Kommunikation kommunizieren gleichberechtigte Stationen miteinander. Jeder angeschlossene Knoten kann gleichzeitig als Dienstleister und Dienstkonsument betrieben werden. Eine feste Rollenzuteilung existiert nicht. Die Kommunikationsknoten unterscheiden sich nicht in der Kommunikationsfähigkeit oder bedürfen besonderer weiterer Einrichtungen. Peer-to-PeerKommunikation ist sinnvoll, wenn nur wenige Teilnehmer beteiligt sind. 2.2.2 Client-Server In einem Client-Server-System erfolgt eine eindeutige Trennung zwischen einem Dienstleister (Server) und einem Dienstkonsumenten (Client). I. d. R. steht ein Server einer großen Menge Clients zur Verfügung. Ein typisches Beispiel ist der Internetserver und Web-Clients, die entsprechende Dienste nutzen. Client-Server sagt nur etwas über die Verteilung von Dienststrukturen aus. Bei der Modellierung von Client-Server-Systemen hat es sich bewährt, eine Trennung einer Anwendung von Datenmanagement, Verarbeitung und Darstellung zu realisieren. Dieses wird ohnehin in der Softwaretechnik für die Programmierung von Anwendungen empfohlen (DCV – Document Controller View-Konzept). In Abb. 2.4 sind die unterschiedlichen Client-Server-Varianten dargestellt. Aufgrund der hohen Rechenleistung heute verfügbarer PCs und intelligenter Kommunikationsgeräte wird die kooperative Verarbeitung bevorzugt verwendet.
2 Grundlagen
Server
Client
Präsentation Präsentation
489
Präsentation Präsentation
Präsentation Präsentation
Präsentation Präsentation
Präsentation Präsentation
Steuerung Steuerung
Steuerung Steuerung
Steuerung Steuerung
Steuerung Steuerung
Applikation Applikation
Applikation Applikation
Applikation Applikation DatenDatenManagement Management
DatenDatenManagement Management
DatenDatenManagement Management
Steuerung Steuerung Applikation Applikation DatenDatenManagement Management
Applikation Applikation DatenDatenManagement Management
Applikation Applikation DatenDatenManagement Management
Verteilte Präsentation
entfernte Präsentation
kooperative Verarbeitung
entfernte verteilte Datenverwaltung Datenverwaltung
Abb. 2.4. Unterschiedliche Client-Server-Modelle
2.2.3 Master-Slave Client-Server- und Master-Slave-Kommunikation werden häufig synonym verwendet. Das ist jedoch falsch. Während sich Client und Server auf eine Verteilung von Diensten bezieht, beschreibt Master-Slave ein Verfahren für den Zugriff auf ein Medium, vollkommen unabhängig von einem Dienst. Ein Kommunikationsmaster sorgt aktiv für den Datenaustausch zwischen sich und den passiven Slaves. Er bestimmt damit den gesamten Kommunikationsablauf in einem Netzwerk, unabhängig von Diensten und einer Dienstverteilung. Slaves dürfen niemals von sich aus aktiv Kommunikation betreiben. Sie antworten nur auf Anfragen des Masters. Ein Querverkehr zwischen mehreren Slaves ist nur über einen zentralen Master möglich. Abb. 2.5. Der Master bestimmt im Master-SlaveVerfahren allein die Kommunikation
2.2.4 Producer-Consumer Bei der Producer-Consumer-Kommunikation wird zwischen Datensenken (Consumer) und Datenquellen (Producer) unterschieden. Eine Datenquelle legt bei Bedarf ihre Informationen als Broadcast oder Multicast auf das Bussystem. Da-
490
Teil E
Bussysteme
Senke SenkeXX QA_1 QB_2
Senke SenkeYY QA_1 QA_2
Quelle QuelleAA
Senke SenkeZZ
Abb. 2.6. Producer-Consumer ermöglicht gleichberechtigte Kommunikation
QB_1
Quelle QuelleBB
QA_1 QA_2
QB_1 QB_2
mit ein Gerät die Nachrichten identifizieren kann, besitzen diese eine eindeutige Kennung. Die Kennung wird in Form von Abonnentenlisten in der Senke gespeichert. Verschiedene Senken können damit vollkommen unterschiedliche Nachrichten empfangen. Durch die Datenverteilung als Broadcast ist das Kommunikationsverfahren sehr effizient, da bei mehreren Consumern eine Nachricht nur genau einmal übertragen werden muss. Producer und Consumer sind Geräterollen und keine physikalischen Geräte. Das Verfahren kann damit sowohl mit gleichberechtigten Stationen als auch mit dedizierten Geräten verwendet werden.
2.3 Netzwerktopologie Einen weiteren Einfluss auf die Kommunikation hat die verwendete Kommunikationsstruktur. Hier sind verschiedene Modelle denkbar und werden in technischen Systemen verwendet. Die drei grundlegenden Strukturen sind Ring, Stern und Linientopologie. – Bei einer Ringstruktur hängen alle Kommunikationsteilnehmer an jeweils einem Hin- und Rückleiter und bilden damit eine Vollstruktur ab. Ringstrukturen werden i. d. R. bei Glasfasernetzwerken verwendet. Bei vollduplex-fähigen Übertragungssystemen werden Ringstrukturen häufig als Redundanzsysteme verwendet. – Bei einem Stern werden alle Zuleitungen an einem zentralen Knotenpunkt, dem sog. Sternkoppler verbunden. Sternstrukturen lassen eine strukturierte und modifizierbare Verkabelung zu und sind heute Stand der Technik in der Officeverkabelung. – Bei Linienstrukturen hängen die Kommunikationsteilnehmer an einem zentralen Datenleiter. Man unterscheidet zwischen Linien- und Busstruktur. Die Bustopologie ist ein Spezialfall der Linientopologie, wobei die Zuleitung zum Hauptanschluss beliebig kurz sein muss. In reinen Liniensystemen sind Stichleitungen zulässig. Diese zuerst genannten Grundstrukturen sind relativ einfach und in der Reinform vorzufinden. Darüber hinaus werden aus technischen Erfordernissen erweiterte
2 Grundlagen
491
Ring Baum Repeater
R R
Segment A
Stern
Linie
Segment B
Segmentiertes Netzwerk
Abb. 2.7. Übliche Netzwerktopologien
Strukturen implementiert wie z. B. hierarchische Bäume oder segmentierte Netzwerke. In der Regel muss für die Realisierung erweiterter Strukturen zusätzlicher Aufwand in der Nachrichtenverteilung in Kauf genommen werden.
2.4 Kommunikationsschichten In Abschn. 2.1 wurde gezeigt, dass eine Kommunikation in Dienstleistungsschichten definiert werden sollte. Für die Beschreibung hat sich das ISO-/OSI-Modell bewährt. Es ist ein theoretisches, akademisches Modell, welches die Kommunikation in sieben Schichten definiert, wobei klar zwischen Diensten, Schnittstellen und Protokollen unterschieden wird. Es ist so allgemein, dass sich alle anderen Strukturen wie z. B. das TCP-/IP-Referenzmodell darauf abbilden lassen. Während im ISO-/OSI-Modell jede Schicht eine genau definierte Funktion umfasst und eine schlanke Grenze zwischen den Schnittstellen unterstützt, entspricht das TCP-/IP-Referenzmodell eher einer pragmatischen Anwendung einer gewachsenen Struktur. Die ISO-/OSI-Schichten 1 und 2 werden i. d. R. in Hardware realisiert und sind im TCP-/IP-Referenzmodell als Host-an-Netz-Schicht beschrieben. Die ISO-/OSISchicht 3 entspricht exakt der Internet-Schicht und der ISO-/OSI-Transportlayer sowie der TCP-/IP-Transportlayer sind äquivalent zur ISO-/OSI-Schicht 4. Die anwendungsnahen Ebenen fünf, sechs und sieben sind im TCP-/IP-Referenzmodell als Verarbeitungsschicht zusammen gefasst. Im Weiteren werden die einzelnen Schichten des ISO-/OSI-Modells näher erläutert.
492
Teil E
Bussysteme Abb. 2.8. Das ISO-/OSI-Modell beschreibt eine Kommunikation über sieben Ebenen
2.4.1 Schicht 1 – Physikalische Schicht Die Bit-Übertragungsschicht beschreibt die Aufbereitung und Übertragung von Bit-Informationen über ein Medium. Hierzu gehören die mechanischen und elektrischen Spezifikationen der Übertragungssysteme und der Anschlüsse sowie die Beschreibung der entsprechenden Auswirkungen. Die Auswirkungen sind beispielsweise die Grenzen hinsichtlich Leitungslänge, Teilnehmeranzahl, maximaler Übertragungsrate oder auch der Kanalkapazität. Innerhalb der physikalischen Schicht werden folgende Themen behandelt: – Definition des Übertragungsmediums – Kupferkabel – Glasfaser – Drahtlose Übertragung – Definition der Signalform und Spannungen – Definition der Übertragungsgeschwindigkeit – physikalischer Anschluss von Stecker und Buchse. Auch in einem digitalen Bussystem ist für die elektrische Übertragung der Daten das analoge Verhalten des Mediums verantwortlich. Für einen gestörten Kanal ergibt sich die Datenrate aus dem Nyquist-Kriterium zu:
Abb. 2.9. Das Übertragungsverhalten eines Kanals ist von den analogen Eigenschaften abhängig
2 Grundlagen
493
2.4.2 Schicht 2 – Sicherungsschicht Die Sicherungsschicht transportiert Datenrahmen von einem Ende eines Übertragungsmediums zum anderen. Hierzu gehört die Zugriffssteuerung auf das Medium, das Erstellen von Systemverbindungen und Datenrahmen, die Absicherung von Datenpaketen mit Prüfsummen sowie die Bereitstellung von Diensten für das Versenden und Empfangen von Datenpaketen. So umfangreich die Aufgaben der Sicherungsschicht sind, so vielfältig sind auch die Umsetzungsformen. Zur besseren Strukturierung unterteilt man deshalb die Sicherungsschicht in die Subschichten MAC (Media Access Control) und LLC (Logical Link Control). Die MAC-Teilschicht dient dem Zugriff auf das Medium, ist also der Netzwerkphysik zuzuordnen. In diesem Bereich unterscheidet man bei seriellen Bussystemen mit einer asynchronen Kommunikation zwischen Systemen mit kontrolliertem und zufälligem Buszugriff. Ein kontrollierter Buszugriff erfolgt i. d. R. durch Systeme, die eine dezentrale (Token-Verfahren) oder zentrale (Master-Slave-Systeme) Buszuteilung verwenden. Bei Systemen mit zufälligem Buszugriff werden zumeist kollisionsbehaftete Protokolle eingesetzt. Weitere Aufgabe der Sicherungsschicht ist die Aufteilung der Daten in geeignete Datenrahmen und die Absicherung der Datenrahmen mit Prüfsummen, damit Fehler bei der Übertragung erkannt oder sogar korrigiert werden können. Schließlich ist die Sicherungsschicht verantwortlich für die Verwaltung von physikalischen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen sowie für die Verwaltung der Verbindung und der Steuerung des Rahmenflusses. Da die Sicherungsschicht einen wesentlichen Beitrag zur Übertragungsqualität leistet, wird auf einige Gestaltungsaspekte im Weiteren eingegangen. 2.4.2.1 Rahmenbildung Der Transport von rohen Datenbits kann durch unterschiedlichste elektromagnetische Einflüsse gestört werden. Damit ist der übertragene Bitstrom fehlerbehaftet Abb. 2.10. Die Sicherungsschicht unterteilt sich in unterschiedliche Teilschichten
494
Teil E
Bussysteme
und nicht mehr eindeutig interpretierbar. Um diesem Problem entgegen zu wirken, sind Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Ein Gestaltungsmittel ist die Rahmenbildung. Hierbei wird der Bitstrom in diskrete Rahmen verpackt und mit einer Prüfsumme gesichert. Der Empfänger ist so in der Lage, anhand der Prüfsumme zu entscheiden, ob das Datenpaket modifiziert worden ist oder nicht. Je nach Implementierung kann eine unterschiedliche Reaktion auf einen Fehler erfolgen wie z. B.: – – – –
Ausgeben einer Fehlermeldung, erneute Anforderung des fehlerhaften Datenrahmens, Korrektur der Daten anhand von Redundanzen, Abbrechen der Verbindung.
Für das Erstellen von Datenrahmen sind die unterschiedlichsten Techniken denkbar und werden in praktischen Implementierungen auch realisiert: – Durch das Einfügen von Zeitlücken können Datenblöcke voneinander getrennt sein. Es können synchrone oder asynchrone Zeitschlitze zur Anwendung kommen. – Eine Alternative ist das Zählen von Zeichen. In einem Header wird mitgeteilt, wieviel Zeichen zu einem Block gehören. Nachteilig ist hierbei, dass die Zählung aus dem Tritt kommen kann, wenn das Zeichenzählfeld modifiziert wurde. – Eine beliebte Variante der Rahmenbildung ist die Verwendung besonderer Anfangs- und Endzeichen. Hierbei haben sich die nicht darstellbaren Zeichen des ASCII-Zeichensatzes bewährt. So lange textorientierte Nachrichten versendet werden, funktioniert dieses Verfahren problemlos. Nicht jedoch, wenn in dem Datenstrom, beispielsweise durch die Übertragung von hexadezimalen Zahlen, Steuerzeichen vorkommen. Zur eindeutigen Trennung von Daten und Steuerzeichen müssen Byte-Stuffing-Regeln vereinbart werden. – In modernen bit-orientierten Verfahren werden zur Rahmenbildung häufig Bit-Muster als Anfangs- und Endkennung verwendet. Hier gilt dasselbe wie bei zeichen-orientierten Verfahren, es müssen Verfahren eingesetzt werden, die eine eindeutige Kennung der Steuerzeichen zulassen. Man spricht hier auch von sog. Bitstuffing-Verfahren. Grundsätzlich erfolgt eine Rahmenbildung in den Abschnitten Rahmenheader, Nutzdaten und Prüfsumme. Die Ausbildung des Rahmens hängt von den verwendeten Protokollen ab, sie kann Rahmenkennung, Sender- und Empfängeradresse, Telegrammlänge und weitere Verwaltungsinformationen enthalten. Die Nutzdaten
Header Header Rahmenkennung Quelladresse Zieladresse Zieladresse Rahmenkennung Quelladresse
Nutzdaten Nutzdaten Info Info
Abb. 2.11. Typischer Aufbau eines Datenrahmens
Länge Länge
Prüfsumme Prüfsumme
2 Grundlagen
495
werden unverändert übertragen. Die Verwendung und die Qualität der Prüfsumme hängen von dem verwendeten Protokoll ab. Die Prüfsumme kann über den Header oder auch aus den Nutzdaten und dem Header gebildet werden. 2.4.2.2 Fehlerüberwachung Um Veränderungen in den übertragenen Datenrahmen überhaupt zu erkennen, müssen Verfahren verwendet werden, die Fehler aufspüren und geeignet darauf reagieren. Hier sind die unterschiedlichsten Mechanismen denkbar, die eine Auswertung der Prüfsumme vornehmen oder auf zeitliche Zusammenhänge reagieren. – Das Auswerten der Prüfsumme ist ein bewährtes Verfahren. Je nach Redundanz der Prüfsumme können Fehler erkannt oder ggf. korrigiert werden. Voraussetzung ist, dass sowohl auf der Seite des Senders als auch auf der des Empfängers die gleichen Algorithmen zur Bildung der Prüfsumme verwendet werden. – Soll der Sender über den Empfangserfolg unterrichtet werden, so wird im Erfolgsfall eine positive (ACK = Acknowledge), andernfalls eine negative (NAK = Not Acknowledge) Rückmeldung generiert. Man spricht hierbei auch von Quittungsverkehr. – Erwartet der Sender eine Quittung des Empfängers, kann eine zusätzliche Sicherheit dadurch eingebaut werden, dass der Sender auf Time-out-Bedingungen reagiert. Die zeitlichen Randbedingungen und die Reaktionen darauf wie z. B. Sendewiederholung oder Abbruch sind protokollabhängig. – Besteht die Möglichkeit, dass durch einen Systemfehler Datenrahmen mehrfach gesendet werden, ist es notwendig, doppelte Rahmen zu erkennen und zu verwerfen. – Schließlich kann durch eine Nummerierung der Datenrahmen die richtige Reihenfolge organisatorisch sichergestellt werden. Hierdurch ist eindeutig ein Verlust von Datenrahmen detektierbar. 2.4.2.3 Fehlererkennung und -korrektur Damit auf Fehlersituationen reagiert werden kann, sind Maßnahmen zur Fehlererkennung oder Fehlerkorrektur notwendig. Dieses wird i. d. R. durch Hinzufügen von redundanten Daten ermöglicht. Redundanz kann durch verschiedene Mechanismen erreicht werden. – Prüfbits sind die einfachste Form von Datenredundanz zur Sicherung eines Datenworts. Typisch ist die Verwendung eines Paritätsbits für gerade (even) oder ungerade (odd) Parität. Bei einer ungeraden Anzahl Einsen wird bei gerader Parität das Prüfbit zu „1“. Bei gerader Parität ist das Prüfbit „0“. – Neben der einfachen Erweiterung bestehender Zeichensätze um ein Paritätsbit gibt es unterschiedliche Zeichensätze, die schon von sich aus Redun-
496
Teil E
Bussysteme
Walking-Code
2-aus-5-Codes
7-4-2-1-0-Code
D4
D3
D2
D1
D0
dezimaler Wert
D4
D3
D2
D1
D0
0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
0 0 0 1 1 0 1 1 0 0
0 1 1 0 1 1 0 0 0 0
1 0 1 1 0 0 0 0 0 1
1 1 0 0 0 0 0 1 1 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
1 0 0 0 0 0 0 1 1 1
1 0 0 0 1 1 1 0 0 0
0 0 1 1 0 0 1 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 0 1 0
0 1 1 0 1 0 0 1 0 0
Abb. 2.12. Einige redundante Codes
danzen enthalten. Man spricht hierbei je nach Redundanz von fehlererkennenden bzw. fehlerkorrigierenden Codes. Bei fehlererkennenden Codes wird durch das Hinzufügen von Prüfbits oder anderen redundanten Informationen genügend Information übertragen um sicherzustellen, dass ein Fehler erkannt wird. Bei fehlerkorrigierenden Codes ist die Redundanz so hoch, dass fehlerhafte Datenworte rekonstruiert werden können. Typische Vertreter redundanter Codes sind z. B. Walking-Code, 2-aus-5-Code oder 7-4-2-1-0Code. – Eine Erweiterung der Prüfbits auf ganze Datenblöcke wird durch sog. BlockCheck-Summen erreicht. Hierbei wird ein beliebig großes Datenwort mit CRC (Cyclic Redundancy Check) als Footer angehängt. Die Größe des Datenpakets und die Größe der Check-Summe ermöglichen eine unterschiedlich hohe Redundanz. Für die Fehlerkorrektur müssen die Datenblöcke eine höhere Redundanz besitzen als zur Fehlererkennung. Der Zusammenhang zwischen Redundanz und korridmin = 3
m = 2 k −( d min −3) − [k − ( d min − 3)] −1 für dmin > 3 m k N dmin
Nutzbits Kontrollbits Gesamtwortbreite Hammingdistanz
dmin = 4
m
k
N
m
k
N
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
2 3 3 3 4 4 4 4 4 4 4
3 5 6 7 9 10 11 12 13 14 15
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
3 4 4 4 5 5 5 5 5 5 5
4 6 7 8 10 11 12 13 14 15 16
26
5
31
26
6
32
57
6
63
57
7
64
120
7
127
120
8
128
Abb. 2.13. Berechnung der Hamming-Distanz von Codeworten
2 Grundlagen
497
gierbaren Fehlern wurde durch den amerikanischen Mathematiker Hamming beschrieben. Die sog. Hamming-Distanz definiert den Abstand zweier benachbarter Codeworte im Coderaum. Eine Hamming-Distanz von 1 sagt aus, dass sich die Codeworte in nur einer Stelle unterscheiden. Zur Fehlererkennung ist mindestens eine Distanz von 2 erforderlich. Für die Korrektur von Fehlern muss die Hamming-Distanz größer als 3 sein. 2.4.2.4 Datenflusssteuerung Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Steuerung des Datenflusses zwischen Sender und Empfänger. Gerade im Bereich der Automatisierungstechnik kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sender und Empfänger die gleiche Fähigkeit zur Datenverarbeitung besitzen. Ein schneller Sender kann beispielsweise einen langsameren Empfänger unzulässig hoch belasten. Um nur eine definierte Menge von Daten zu empfangen, muss ein Protokoll zur Datenflussregelung vereinbart werden. Verschiedene Verfahren haben sich auch hier etabliert. – Als Traffic-Shaping bezeichnet man ein Verfahren zur Begrenzung des Paketstroms auf eine durchschnittliche Datenrate. – Unter Traffic-Policing versteht man die Regulierung des Paketstroms durch die Begrenzung auf eine maximal zulässige Datenrate. – Ein sog. Leaky-Bucket-Algorithmus überführt die asynchron anfallenden Datenpakete in einen regulierten, kontinuierlichen Datenfluss. – Wird nicht die Datenmenge selbst, sondern die Sendeberechtigung zugeteilt, dann spricht man von einem Token-Bucket-Algorithmus. Auch hier sind die unterschiedlichsten Verfahren denkbar. 2.4.3 Schicht 3 – Vermittlungsschicht Während die Sicherungsschicht nur Daten von einem Ende einer Leitung zum anderen Ende der Leitung übermittelt, dient die Vermittlungsschicht der trans-
Ich möchte von Sender Daten Hier Sender Verbindung aufgebaut Sende mir n Rahmen
Empfänger Empfänger
Rahmen 1
Sender Sender
Rahmen n
Abb. 2.14. Eine Datenflusssteuerung ermöglicht die Sender-Empfänger-Koordination
498
Teil E
Bussysteme
parenten Vermittlung von Kommunikationsteilnehmern in einem ausgedehnten Netz. Der Schwerpunkt ist das Routing von Datenpaketen, also die Wegfindung in einem komplexen Netzwerk. Die Kommunikation kann über Datagramme oder virtuelle Verbindungen erfolgen. Bei Datagrammen handelt es sich um unzuverlässige, nicht bestätigte Telegrammdienste. Die Nachricht wird anhand von topologischen Informationen von der Quelle zur Senke übermittelt, wobei jede Nachricht einen anderen Weg nehmen kann. Bei einer virtuellen Verbindung erfolgt ein expliziter Aufbau eines Datenpfades. Nach einem erfolgreichen Aufbau der Verbindung können die weiteren Daten ohne Adressierung zwischen Quelle und Senke ausgetauscht werden. Der Vorteil einer virtuellen Verbindung liegt in der Möglichkeit, Dienstgüten zu garantieren, da die Kanalparameter beim Einrichten der virtuellen Verbindung bekannt sind. Prinzipiell ist die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Netzstrukturen und Protokollen möglich. Die Vermittlungsschicht verbirgt die Komplexität eines Netzes vor der Transportschicht durch einen transparenten Kommunikationsaufbau zwischen zwei Partnern. Es wird zwischen zwei unterschiedlichen Diensten unterschieden 1. Bei verbindungsorientierten Diensten (z. B. ATM Asynchronous Transfer Mode) wird ein fester Datenkanal zwischen den Kommunikationsteilnehmern für die Dauer der Kommunikation aufgebaut. Beim Verbindungsaufbau können die Teilnehmer eine definierte Dienstgüte aushandeln. Die Datenflusssteuerung erfolgt automatisch durch das Netz, um nicht langsame Teilnehmer
Abb. 2.15. Die Vermittlungsschicht ermöglicht Punkt-zuPunkt-Verbindungen über Teilnetze hinweg BB
Teilnetz
C C
Kanäle
AA
DD
Vermittlung E E
2 Grundlagen
499
mit zu vielen Daten zu überfordern. Verbindungsorientierte Dienste ermöglichen eine Übertragung von Video und Audio in Echtzeit. 2. Verbindungslose Dienste gehen davon aus, dass Teilnetze nur Bit-Ströme beliebigen Inhalts transportieren können und diese Teilnetze zudem noch unzuverlässig sind. Die Hosts übernehmen selbst die Fehlerüberwachung. Ein expliziter Verbindungsaufbau ist nicht notwendig, da dieser durch die darüber liegende Schicht (Transportschicht) durchgeführt wird. Die Komplexität wird damit in die Transportschicht verlagert. 2.4.4 Schicht 4 – Transportschicht Die Transportschicht stellt den Kern der Transporthierarchie da. Sie bietet dem Benutzer Dienstleistungen an, die eine bestimmte Qualität für die Übertragung sicherstellen. Man spricht hierbei vom sog. QoS (Quality of Service). Diese Dienstgüten werden sowohl für den Verbindungsaufbau, die Übertragungsrate als auch für die Übertragungsverzögerung definiert. Die Transport- und die Vermittlungsschicht weisen eine große Ähnlichkeit auf. Die Transportschicht geht jedoch davon aus, dass die Vermittlungsschicht unzuverlässig ist. Diese unsicheren Vermittlungsdienste werden von der Transportschicht benutzt, wobei sie so etwas wie eine Benutzerschnittstelle darstellt. Die Protokolle der Transportschicht ähneln jenen der Sicherungsschicht, wobei die Sicherungsschicht Punkt-zu-Punkt-Verbindungen aufbaut, die Transportschicht jedoch ein komplexes Netz mit potentieller Speicherkapazität berücksichtigt. Man spricht in diesem Fall von sog. Store-and-Forward-Netzen. In dieser Netzform werden empfangene Datenpakete solange auf dem aktuellen Knoten gespeichert, bis eine positive Quittung von dem nächsten Routing-Punkt über den Empfang des Paketes gemeldet wird. Um bestimmte Dienste explizit ansprechen zu können, erfolgt die Kommunikation über sog. TSAPs (Transport Service Access Points). Allgemein ist der NSAP (Network Service Access Point) die logische Adresse eines Rechners, die TSAPs sind die Zugangspunkte zu den einzelnen DiensAbb. 2.16. Kommunikationsendpunkte werden durch TSAPs gebildet
500
Teil E
Bussysteme
ten eines Rechners. Für den Fall des TCP-/IP-Kommunikationsmodells ist der NSAP die Netzwerkadresse (IP-Adresse) eines Teilnehmers und der TSAP beschreibt einen Port. Auch auf der Schicht 4 werden mit TCP (Transmission Control Protocol) zuverlässige oder mit UDP (User Data Protocol) unzuverlässige Verbindungen unterstützt. TCP und UDP werden in Abschn. 4.2 detailliert besprochen. 2.4.5 Schicht 5 – Session-Schicht Wie bereits in der Einführung erwähnt, ist die Differenzierung der Schichten fünf bis sieben eher von akademischer Natur. Im realen TCP-/IP-Referenzmodell wird eine entsprechende Unterscheidung nicht getroffen, diese ist aber für das Verständnis durchaus von Interesse. Die Sitzungsschicht beschreibt die Steuerung der Kommunikation in Form einer Session, wie sie bei transaktionsorientierten Systemen notwendig ist. Typische transaktionale Systeme sind beispielsweise DBMS (Datenbank Management Systeme). Für die Kommunikation wird eine virtuelle Sitzung aufgebaut, bei der die Verbindung prinzipiell unsicher sein darf. Die Sitzung wird in Aktivitäten unterteilt, die durch Hauptsynchronisationspunkte abgeschlossen werden. Hauptsynchronisationspunkte sind bestätigte Synchronisationspunkte, welche einen Transaktionsraum abschließen und alle vorhergehenden Sicherungsdaten löschen. Aktivitäten können durch weitere, nicht trennbare Dialogeinheiten unterteilt werden. Dialogeinheiten haben meistens Nebensynchronisationspunkte. Das sind unbestätigte Synchronisationspunkte, die zu einem Hauptsynchronisationspunkt zurückführen. Typische Vertreter von Sessionlayern sind neben den bereits erwähnten Datenbank-Managementsystemen, Download-Manager und das OBEX-Protokoll (OBEX – Object Exchange Protocol). 2.4.6 Schicht 6 – Darstellungsschicht Innerhalb der Darstellungsebene erfolgt die Formatkonvertierung. Diese ist erforderlich, da nicht alle Rechnersysteme dieselben Zeichensätze zur Darstellung von Zeichen verwenden. Eine der bekanntesten Darstellungsformen ist der USASCII-Zeichensatz. Hierbei handelt es sich um eine schon 1968 standardisierte Zeichendarstellung als ANSI X3.4. Um den Umlauten vorwiegend der europä-
Sitzung Sitzung Dialog zu Aktivität auch als n:m Beziehung möglich Aktivität Aktivität DLG DLGUnit Unit DLGUnit Unit DLG
Aktivität Aktivität DLG DLGUnit Unit
DLG DLGUnit Unit DLGU DLGU
Abb. 2.17. Ein Sessionlayer unterteilt die Kommunikation in logische Aktivitäten und Dialogeinheiten
2 Grundlagen
501
Abb. 2.18. ISO 646–DE Zeichensatz (8-Bit ASCII deutsch)
ischen Sprachen Rechnung zu tragen, wurde 1972 der Zeichensatz als 8-Bit-Variante unter ISO 646 genormt. In den späten 80er Jahren wurde durch die ECMA (European Computer Manufacturers Association) der ASCII-Zeichensatz zu einer ganzen Familie unterschiedlichster Zeichensätze ISO 8859-1 bis 8859-15 weiterentwickelt. Anfang der 90er Jahre wurde eine erneute Revision erforderlich, die zu Zeichensätzen wie ISO/IEC10646 und UNICODE mit einer variablen Codelänge von 8 bis 32 Bit führte. In den aktuellen Varianten ISO/IEC 10646-1:2000 werden 49.194 Zeichen kodiert, die alle modernen und viele klassischen Sprachen abdecken. UNICODE ist heute das Maß der Dinge in der Zeichendarstellung. Trotzdem existieren noch weitere Zeichendarstellungen, die in unterschiedlichen Rechnersystemen Verwendung finden. Neben den Kodierungsformaten für die reine Zeichendarstellung werden der Darstellungsschicht auch die Dienste für die Verschlüsselung und Komprimierung zugeordnet. 2.4.7 Schicht 7 – Anwendungsschicht Die Anwendungs- bzw. Verarbeitungsschicht stellt die Kommunikationsendpunkte für den Anwender zur Verfügung. I. d. R. handelt es sich um eine Applikation, die eine Interaktion mit dem Benutzer zulässt. Betrachtet man reale Anwendungsmodelle wie das TCP-/IP-Referenzmodell, so muss man feststellen, dass
Teil E
Bussysteme
7
Anwendung Anwendung
6
Darstellung Darstellung
5
Sitzung Sitzung Transport Transport
3
Vermittlung Vermittlung
2 1
Sicherung Sicherung
4
Verarbeitung
502
WWW (http)
File Transfer (ftp)
:80
E-Mail (smtp)
:21
NameServer NFS Network (dns) File System
:25
TCP Transmission Control Protocol
:53
:23
UDP User Datagramm Protocol
Internet Protocol & Internet Control Message Protocol
Logical Link Control Logical Link Control
Telnet
IP-Adresse 192.168.10.20
Media MediaAccess AccessControl Control
Bitübertragung Bitübertragung
ARPANET
X.25
Ethernet
WLAN
Bluetooth
MAC-Adresse
MAC-Adresse
BT-Adresse
Abb. 2.19. Die Anwendungsschicht stellt Dienste für den Anwender bereit
keine klare Schichtentrennung mehr existiert. Die Verarbeitungsschicht kann alle erforderlichen Dienste der vorherigen Schichten mit Ausnahme der hardwarenahen Schichten realisieren. Typische Anwendungsprotokolle in der klassischen Rechnertechnik sind das Internetprotokoll http (Hypertext Transfer Protocol), das File Transfer Protocol (ftp) oder die Email-Protokolle SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) und POP (Post Office Protocol). Diese Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden, da prinzipiell jeder Hersteller oder Programmierer auf der Basis der TSAPs der Transportschicht eigene Dienstprotokolle kreieren kann.
2.5 Netzwerktechnik1 Betrachtet man die grundlegenden Aspekte der Bitübertragungsschicht, so liegt der Schluss nahe, dass alle wichtigen Randbedingungen dort definiert sind. Doch diese isolierte Betrachtung ist nicht ausreichend. Netzwerke werden zunehmend als Teil einer Gebäudeinfrastruktur gesehen und sind damit von der eingesetzten Bustechnik unabhängig. Idealer Weise sollen Netzwerke für die Übertragung von Daten, Sprache und Multimediadiensten in gleicher Weise genutzt werden. Dieses erfordert einen offenen und vor allem genormten Standard. Das Stichwort hierzu ist die „strukturierte Verkabelung“, die im ersten Abschnitt vorgestellt wird. Darüber hinaus spielt das Übertragungsmedium selbst eine wichtige Rolle. Im Wesentlichen kann man zwischen drahtloser und kabelgebundener Kommunikation unterscheiden. An dieser Stelle liegt der Schwerpunkt auf der kabelgebundenen Kommunikation. In jeweils einem Abschnitt werden die wesentlichen Aspekte der elektrischen und optischen Leiter präsentiert.
1 Coautor: Dipl.-Ing. Jörg Bör, Lapp Kabelwerke GmbH
2 Grundlagen
503
Übertragungsmedien Übertragungsmedien
drahtlos drahtlos
kabelgebunden kabelgebunden
Elektrische ElektrischeLeiter Leiter
Optische OptischeLeiter Leiter
Breitband Breitband
Koaxialkabel Koaxialkabel
Glasfaser Glasfaser
Schmalband Schmalband
Symmetrische SymmetrischeKabel Kabel
Kunststofffaser Kunststofffaser
Infrarot Infrarot
Abb. 2.20. Unterschiedliche Übertragungsmedien werden in technischen Systemen eingesetzt
2.5.1 Strukturierte Verkabelung Der Grundgedanke einer Standardisierung der strukturierten Verkabelung war, eine anwendungsunabhängige, universelle und langlebige Verkabelungsstruktur zu entwerfen, die den gesamten Komplex der Verkabelung von der Installation bis hin zur Administration von Kommunikationssystemen innerhalb von Gebäudekomplexen definiert. Komponenten beliebiger Hersteller sollten zusammengestellt werden können, um damit die Neutralität und Flexibilität gewährleisten zu
IEC IEC International International Electrotechnical Electrotechnical Commission Commission
ISO ISO International International Standards Standards Organisation Organisation
CENELEC CENELEC European EuropeanCommittee Committee for forElectrotechnical Electrotechnical Standardization Standardization
ANSI ANSI American AmericanNational National Standards StandardsInstitute Institute
ISO/IEC ISO/IEC11801 11801
EN EN50173 50173 DIN DIN/ /DKE DKE Deutsches DeutschesInstitut Institutfür für Normung Normung/ /Deutsche Deutsche
Elektrotechnische Kommission Elektrotechnische Kommission
BSI BSI British British Standards Standards Institution Institution
TIA TIA Telecommunications Telecommunications Industry IndustryAssociation Association
EIA EIA Electronic Electronic Industry IndustryAssociation Association
TIA/EIA TIA/EIA568A 568A
Abb. 2.21. Die Zusammenhänge in der internationalen Normung für die strukturierte Verkabelung
504
Teil E
Bussysteme
können. Eine harmonisierte Norm konnte 2002 mit der ISO/IEC 11801, 2. Ausgabe, und der EN 50173 eingeführt werden. Nationale Anpassungen sind auf der Basis der Normenreihen zulässig [2.5]. Für die Erstellung von Gebäudeverkabelungen ist im europäischen Raum die EN 50173 maßgeblich. Sie beschreibt die möglichen empfohlenen Topologien und definiert Qualitäts- bzw. Leistungsklassen der eingesetzten Komponenten. 2.5.1.1 Topologie Die Norm empfiehlt eine strukturierte Verkabelung mit einer Baumstruktur zwischen Verteilungssystemen und einer Sternstruktur zu den Endgeräten. Es werden drei verschiedene Verkabelungsbereiche definiert. – Die Primärverkabelung ist eine gebäudeübergreifende, werksweite Standortverkabelung (SV) zur Verbindung der jeweiligen Standort- bzw. Gebäudeverteiler. Sie ermöglicht die Vernetzung der Gebäude und Werkseinheiten untereinander und bildet das primäre Unternehmensnetz, das auch als Standortoder Campus-Backbone bezeichnet wird. – Die gebäudeinterne Verkabelung zur Vernetzung der Gebäudeverteiler (GV) mit den Etagenverteilern (EV) wird als Sekundärverkabelung bezeichnet. I. d. R. werden mit der Sekundärverkabelung die Steigbereiche im Gebäude überwunden und der Gebäude-Backbone gebildet. – Die Tertiärverkabelung sorgt schließlich für die Etagen- bzw. Raumverkabelung zur Anbindung der Etagenverteiler (EV) an die Anschlussdosen (TA – Terminaladapter) der Rechnerarbeitsplätze. I. d. R. handelt es sich um eine sternförmige Horizontalverteilung.
Abb. 2.22. Strukturierte Verkabelung nach ISO/IEC 11801 bzw. EN 50173
2 Grundlagen
505
2.5.1.2 Kategorien und Linkklassen Bei den Verkabelungsstandards werden heute normenkonform Twisted-Pair-Kupferkabel und Glasfaserleitungen verwendet. Um eine einheitliche und vor allem interoperable Realisierung zu ermöglichen, werden Systeme und Komponenten nach Kategorien geordnet. Die Kombination von Geräten und Komponenten einer Kategorie führt damit zu Strecken einer Kategorie. Es werden unterschiedliche Richtlinien für Kupfer und Glasfaser angegeben. Kategorien kennzeichnen die Leistungsfähigkeit von einzelnen passiven Komponenten wie Patchkabel, Verteilfelder, Kabel und Arbeitsplatzanschlussdosen. Alle spezifizierten Werte sind Mindestanforderungen. Im Gegensatz zur Kategorie gibt die Linkklasse die Anforderungen für das gesamte Verkabelungssystem zwischen den aktiven Komponenten wieder. Die Bewertung der Linkklasse erfolgt folglich für den gesamten Channel Link. Als Permanent Link bezeichnet man die Strecke vom Terminaladapter (TA) zum Patchfeld der Etagenverteilung. Es handelt sich hierbei i. d. R. um die fest eingebaute Verkabelungsstrecke. Berücksichtigt man die Patchkabel zwischen Patchfeld und Tabelle 2.1. Kategorien kennzeichnen die Leistungsfähigkeit verschiedener Datenübertragungstechniken Kategorie
Frequenz
Anwendung
3
Bis 16 MHz
Telefonie, ISDN, DSL
5
Bis 100 MHz
Datentechnik und Telefonie mit hoher Datenrate
6
Bis 250 MHz
Datentechnik mit sehr hoher Datenrate wie z. B. Gigabit Ethernet
7
Bis 600 MHz
Datentechnik mit extrem hoher Datenrate für zukünftige Anwendungen und CATV
Tabelle 2.2. Linkklassen definieren die Anforderungen an das gesamte Verkabelungssystem zwischen den aktiven Komponenten Klasse
Frequenz
Anwendung
A
Bis 100 kHz
Niederfrequente Sprach- und Datendienste
B
Bis 1 MHz
Sprach- und Datendienste mit mittlerer Datenrate
C
Bis 16 MHz
Datendienste mit mittlerer Datenrate
D
Bis 100 MHz
Datendienste mit hoher Datenrate nach dem Stand der Technik
E
Bis 250 MHz
Datendienste mit sehr hoher Datenrate mit Zukunftsreserve
F
Bis 600 MHz
Datendienste mit extrem hoher Datenrate mit sehr großer Zukunftsreserve
506
Teil E
Bussysteme TA
Computer
Patchfeld
Switch EV Etagenverteilung
Permanent Link max. 90 m Zur Gebäudeverteilung
Channel Link max. 100 m
Abb. 2.23. Channellink und Permanentlink in der praktischen Anwendung
Switch sowie zwischen TA und Computer, so spricht man vom Channel Link. Nach Ethernet-Spezifikation darf der Channel Link nicht länger als 100 Meter sein. Typischerweise erfolgt der Aufbau von Netzwerken mit Kupfer- und Lichtwellenleitern (LWL). Lichtwellenleiter werden für lange Strecken oder hohe Datenraten verwendet. Bei passiven Komponenten wie z. B. Kabel, Anschlussdosen und Patchfelder bietet Glas ein besseres Preis-/Leistungsverhältnis als Kupfer. Konventionelle Verkabelungssysteme haben jedoch einen deutlichen Preisvorteil bei den aktiven Komponenten. Hier sind Switches, Router und Netzwerkadapter in Kupfer um den Faktor 2-3 billiger. Eine Mischverkabelung liegt damit auf der Hand. Vergleichbar zu den Kategorien für Kupferkabel sind in der EN 50173, 2. Ausgabe auch Klassen für Lichtwellenleiter definiert worden.
Abb. 2.24. Klassen für LWL-Installationen nach EN 50 173, 2. Ausgabe
2.5.1.3 Industrieautomation Für den Einsatz in der Industrieautomation wird empfohlen, sich den Empfehlungen der strukturierten Verkabelung anzuschließen. Die besonderen Randbedingungen eines industriellen Systems sind hierbei jedoch zu berücksichtigen. Im Besonderen ist den Anforderungen hinsichtlich Umgebungsschutz, Ausfallsicherheit
2 Grundlagen Maschinenverteiler
Etagenverteiler
507
Etagenverteiler EV
EV MV
GV Server
Server
Fabrikanlage
Bürogebäude
Abb. 2.25. IAONA Modell für eine strukturierte Verkabelung in der Automation
und EMV-Festigkeit Rechnung zu tragen. In der Erweiterung des hierarchischen 3Ebenen Verkabelungsmodells nach ISO 11801 und EN 50173 empfiehlt die IAONA ein durchaus analoges Vorgehen für die Automatisierungstechnik [2.6–2.8]. 2.5.2 Kupfer-Kabel Sowohl die ISO/IEC 11801 als auch die EN 50173 fordern eine 8-adrige Verkabelung, die i. d. R. als Twisted-Pair-Kabel ausgeführt ist. Je nach Kategorie wird ein unterschiedlicher Kabelaufbau verwendet, der einen wesentlichen Einfluss auf die elektrischen Eigenschaften hat. Hochwertige Kabel, so wie sie beispielsweise für die Kategorie 7 benötigt werden, sind ausschließlich als S/STP-Kabel realisiert. Einige Kabeltypen sind in Abb. 2.26 mit ihrem jeweiligen Übertragungsverhalten am Beispiel des Parameters Kopplungsdämpfung dargestellt.
Abb. 2.26. Kabeltypen für die Installation nach EN 50173
508
Teil E
Bussysteme
Die Kabelkonstruktion wird mit einem Aderdurchmesser von bis zu 1,6 mm realisiert bei einem zulässigen Leiterdurchmesser von AWG (American Wire Gauge) 22-24. Der Außendurchmesser sollte aus Platzgründen möglichst klein gewählt werden. Man unterscheidet zwischen Installationskabeln mit starren Adern und flexiblen Leitungen für Patch- und Anschlusskabel. Gerade für High-Performance-Anwendungen spielt auch die Behandlung der Datenkabel eine große Rolle. Zu starke Einzugskräfte bei der Installation, enge Biegeradien und Kabelbündelungen mit zu hohem Druck verändern die Kabelgeometrie und damit die elektrischen Eigenschaften der Kabel. Generell kann man folgende Richtlinien aufstellen: – Einzugskräfte < 150 Newton bei UTP- und FTP-Kabel und < 250 Newton bei STP-Kabel, – Kabel nicht länger als 30 m in einem Stück einziehen, – nicht mehr als zwei 90 ° Biegungen in einem Streckenabschnitt, – hängende Kabel mindestens alle 150 cm abstützen, – Biegeradien einhalten mit mindestens 8 × Kabeldurchmesser beim Einziehen und 4 × Kabeldurchmesser im verlegten Zustand, – Querdrücke durch Kabelbinder innerhalb der zulässigen Grenzen lassen, – äquidistante Belastungen vermeiden. Je nach Anwendung von 2 (10/100 Mbit) bzw. 4 Kabelpaaren (1.000 Mbit) sind unterschiedliche elektrische Parameter von Bedeutung. Bei der Halb-Duplex-Übertragung für beispielsweise 10/100 Mbps Ethernet wird von den 4 Adernpaaren nur jeweils ein Adernpaar für TX (Senden) und RX (Empfangen) verwendet. Jedes Kabelpaar wird nur für eine Transportrichtung verwendet. Schwieriger wird die Situation bei der Voll-Duplex-Übertragung bei Gigabit-Ethernet, da hier besondere Anforderungen an die Symmetrie und die Abschirmung gestellt werden [2.9]. 2.5.3 Lichtwellenleiter Lichtwellenleiter (LWL) erlangen eine immer größere Bedeutung bei der Backbone-Verkabelung und nicht zuletzt bei der EMV-sicheren Verkabelung von Arbeitsplatzrechnern. Die Vorteile von Glasfasern liegen auf der Hand. Da Lichtwellenleiter eine verlustarme Signalübertragung ermöglichen, sind größere Übertragungsstrecken ohne aktive Komponenten überbrückbar. Eine Lichtwellenleiterübertragung besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: – Eine Lichtquelle, i. d. R. ein Laser oder eine Leuchtdiode mit einem sehr engen Frequenzspektrum koppelt einen Lichtimpuls in das Übertragungsmedium ein. – Das Übertragungsmedium ist eine lichtleitende Faser. Je nach Anforderungen wird Kunststoff (POF – Polymer Optical Fiber) oder Glas verwendet. – Am Ende des Übertragungsmediums wird der Lichtimpuls mit einem geeigneten Detektor aufgenommen und wiederum als digitales Signal an den Empfänger weitergeleitet.
2 Grundlagen
509
Abb. 2.27. Elektrische Parameter von Kupferkabeln
Das Funktionsprinzip eines Lichtwellenleiters basiert auf der Totalreflexion an optischen Grenzflächen. Ist der optische Leiter hinreichend homogen und dünn und kann man das Licht parallel zu dem Leiter einkoppeln, so ist die Übertragungsqualität nur noch von der Signaldämpfung und -dispersion in der Faser abhängig. Bei Glas gibt es im Wellenlängenspektrum jeweils ein Übertragungsfenster bei 850 nm, 1300 nm und 1550 nm, wo lokale Dämpfungsminima zu finden sind. Da im Bereich von 850 nm sowohl Lichtquellen als auch Detektoren besonders kostengünstig und effizient gefertigt werden können, wird dieses Band bevorzugt genutzt für universelle Anwendungen mit nicht zu hohen Ansprüchen an Übertragungslänge bzw. Datenraten. Die Wellenlängenbereiche um 1300 und 1550 nm finden sich vorwiegend in Weitverkehrsverbindungen mit erhöhten Anforderungen an die Datenübertragungsrate [2.10].
Bussysteme
m
m
Teil E
m
510
Abb. 2.28. Optimale Fenster für die Übertragung in Lichtwellenleitern
Zur Klassifizierung der Lichtwellenleiter werden sowohl der Kernaufbau als auch die Bündelung herangezogen. Der Faserkern ist verantwortlich für die Lichtleitfähigkeit und entscheidet damit über das Einsatzumfeld. – Die einfachste Form ist die sog. Stufenindexfaser. Faserkern und -mantel haben einen unterschiedlichen Brechungsindex, der jedoch über den Querschnitt konstant ist. Stufenindexfasern lassen sich verhältnismäßig einfach herstellen, haben jedoch als Mehrmodenfasern die schlechtesten Grundeigenschaften. Da Lichtstrahlen, die schräg eingekoppelt werden, einen größeren Weg zurücklegen als diejenigen, die parallel zur Faserlängsachse verlaufen, n
r
Stufenindexfaser
Signal am Faserausgang ∆t 1
2
n
r
Gradientenfaser ∆t 1
2
n
Singlemodefaser r
∆t 1
2
Abb. 2.29. Signalübertragung in unterschiedlichen Glasfasertypen
2 Grundlagen
511
wird ein eingekoppelter Lichtimpuls aufgeweitet. Man bezeichnet dieses Verhalten als Dispersion. – Ein besseres Übertragungsverhalten haben sog. Gradientenfasern. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass der Brechungsindex des Faserkerns einen Gradientenverlauf hat, so dass der Brechungsindexübergang zum Fasermantel hin stetig ist. Schräg einlaufende Lichtstrahlen werden hierdurch am Rand des Kerns „schneller“, was zu einer geringeren Dispersion führt. Gradientenfasern sind die heute üblichste Ausführung für universelle Anwendungen. – Für die Überbrückung von sehr großen Entfernungen werden Singlemodefasern verwendet. Bei ihnen ist der Faserkern so dünn (typisch 9 µm), so dass sich nur noch genau ein Strahl (Mode) parallel zur Faserlängsachse ausbreiten kann. Die Dispersion ist hier am geringsten. Neben den zuvor genannten Grundeigenschaften unterscheidet man bei Lichtwellenleitern zwischen solchen, die aus Glas und Kunststoff (POF – Polymer Optical Fiber) hergestellt werden. Glasfasern ermöglichen eine hohe Bandbreite und eine große Übertragungsrate. Der Einsatz von POF-Lichtleitern ist besonders in Bereichen mit nur geringen Übertragungslängen (typisch einige 10 Meter), aber erhöhten Anforderungen aufgrund der Umgebungsbedingungen wie z. B. im Kraftfahrzeug (MOST) oder in der Antriebstechnik (SERCOS) interessant. Vorteilhaft ist außerdem die einfachere Handhabung bei der Anschlusstechnik. In technischen Anwendungen hat die prinzipbedingte galvanische Entkopplung einen besonderen Vorteil. LWL sind unempfindlich gegen Störsignale und bieten eine optimale elektromagnetische Verträglichkeit. Eine einzelne Glasfaser ist extrem klein und verletzlich. Eine starke Biegung, erhöhter Druck oder Biegeschwingungen führen zu einer erhöhten Dämpfung und damit zum Verlust an Übertragungsleistung. Die technische Ausführung von
Abb. 2.30. Abmessungen von Glasfasern (Vergrößerte Darstellung)
512
Teil E
Bussysteme
Protective Buffer (Ader / Röhrchen)
Strength Members (Zugentlastung)
Outer Jacket (Kabelmantel)
Coating (Primärbeschichtung) Core (Kern) Cladding (Mantel) Abb. 2.31. Aufbau von Glasfaserkabeln
Faser Vollader Zugentlastung
Simplexkabel •
Mantel
Flexibler LWL für die Ver bindung von Komponenten, beispielsweise für Ringleitungen
Duplexkabel •
Standard Anschlusskabel für die „Fiber to the Desk“ –Anbindung
•
Hin- und Rückleiter
Breakoutkabel •
Kabel mit mehreren flexiblen Einzelkabeln zum direkten Anschluss von Stecker bzw. Buchsen.
Multikabel Vollader Zugentlastung
•
Typisches Installationskabel für den Spleißanschluss in passiven Patchboxen.
Mantel
Bündelader Zentralelement Blindelement Zugentlastungselemente Außenmantel (PE oder halogenfrei)
Verseilte Bündeladern •
Typische Kabel für die Campus- bzw. Steigleitungsverkabelung
•
Sehr hohe Integrationsdichte
Abb. 2.32. Bauformen von Glasfaserkabeln
Glasfasern ist daher an das jeweilige Einsatzumfeld angepasst. Zum Schutz der Glasfaser wird diese in speziellen, häufig Öl oder Gel gefüllten Röhrchen geführt. Ein besonderer Schutz wird durch eine massive Zugentlastung und einen festen Kabelmantel erreicht. Um die Vorteile des geringen Gewichts und der kleinen Bauform im Vergleich zum Kupferkabel zu nutzen, werden die einzelnen Adern
2 Grundlagen
ST-Steckverbinder
• • • •
SC-Steckverbinder
• • • • • •
DIN Steckverbinder
• • • •
MT-RJ Steckverbinder
• • •
E2000 Steckverbinder
• • •
513
IEC 874-10, IEC 1754-2 Multimode und Singlemode Zukünftige Normen werden ST nicht mehr berücksichtigen Dämpfung 0,3 .. 0,5 dB
IEC 874-4, CECC 86260 Multimode und Singlemode Singlemode mit 8° Schliff Empfohlen nach EN 50173 Als Simplex und DuplexStecker verfügbar Farbmarkierung für Fasertype
DIN 47256/47257 Nur Singlemodefasern Sehr geringe Dämpfung 0,1 dB Nur Anwendung im CarrierBereich Ausschließlich als Duplexvariante Benötigt identisch Platz wie RJ45 Faserabstand wird teilweise kritisch betrachtet
Hausstandard von Diamond Höchstwertiger Steckverbinder Schutz der Faser / Ferrule durch automatische Schutzklappe
Abb. 2.33. Einige Bauformen von Glasfasersteckern (Quelle: Diamond)
514
Teil E
Bussysteme
häufig zu Bündeln zusammengefasst. In Abb. 2.32 sind einige typische Bauformen und die dazugehörigen Anwendungen dargestellt. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Verbindungstechnik von Lichtwellenleitern. Man unterscheidet zwischen lösbaren und nicht lösbaren Verbindungen. Für nicht lösbare Verbindungen haben sich unterschiedliche Spleißtechniken herausgebildet. – Beim mechanischen Spleiß werden die Glasfasern in einer Hülse mit indexangepasstem Öl oder Gel zusammengefügt und mechanisch verpresst. Hierdurch wird eine typische Dämpfung von 0,2 dB erreicht. – Ein wesentlich besseres Dämpfungsverhalten kann durch das Schmelzspleißen erreicht werden. Hier werden die Glasfasern in einer speziellen Spleißapparatur unter einem Lichtbogen zusammengeschweißt. Geräte zur Konfektionierung im Feld sind von unterschiedlichen Herstellern verfügbar. In einer Schmelzspleißverbindung können Dämpfungen von 0,02–0,10 dB erreicht werden. Als lösbare Verbindung sind unterschiedliche Stecker- und Buchsensysteme verfügbar. In der EN 50173:pr2002 wird eine typische Büroarbeitsplatzumgebung beschrieben und der SC-Stecker eindeutig favorisiert. Der weit verbreitete ST-Stecker ist in neueren Systemen nicht mehr vorgesehen, entspricht aber noch der Norm. Gleichzeitig kann man feststellen, dass eine ganze Reihe unterschiedlichster Steckertechnologien verfügbar ist. Eine Bewertung soll an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. In Abb. 2.33 sind häufig eingesetzte LWL-Stecker dargestellt und ihre Charakteristika näher beschrieben.
Literatur 2.1 2.2
Tanenbaum A S (2003) Computernetzwerke. 4. Aufl. Pearson Studium Krüger G, Reschke D (2002) Lehr- und Übungsbuch Telematik. Fachbuchverlag Leipzig 2.3 Riggert W (2003) Netzwerktechnologien. Fachbuchverlag Leipzig 2.4 Wollert J F (2004) Skript zur Vorlesung „Rechnernetze und Datenkommunikation“, FH-Bochum 2.5 EN50173 2.6 ISO/IEC 11801 2.7 TIA/EIA 568A 2.8 www.IAONA.org 2.9 www.kerpen.com 2.10 www.lapp.de
3 Industrielle Feldbusse Jörg F. Wollert
3.1 Echtzeit in Bussystemen Echtzeitfähigkeit ist das wesentliche Argument für den Einsatz von Feldbussystemen in der Automatisierungstechnik. Zu Recht muss man sich die Frage stellen, was denn unter dem Begriff „Echtzeit“ überhaupt zu verstehen ist. Hier schafft die Norm DIN 44 300 einigermaßen Klarheit: Unter Echtzeit versteht man den Betrieb eines Rechnersystems, bei dem Programme zur Verarbeitung anfallender Daten ständig betriebsbereit sind, derart, dass die Verarbeitungsergebnisse innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne verfügbar sind. Die Daten können je nach Anwendungsfall nach einer zeitlich zufälligen Verteilung oder zu vorbestimmten Zeiten anfallen. Die Kernaussage der Norm ist demnach: – Zugriffsgarantie innerhalb eines bestimmten, vorher definierten festen Zeitrahmens, – Zugriff auf die Daten eines Systems in äquidistanten Abständen muss möglich sein, – zufällige Ereignisse werden innerhalb genau definierter Zeitschranken bearbeitet, – die Reaktion auf Ereignisse ist unter allen Umständen vorhersagbar. Echtzeit hat in dem Sinn eigentlich nichts mit „schnell“ zu tun, sondern allein eine zeitlich angemessene vorhersagbare Reaktion auf Ereignisse spielt eine wichtige Rolle. Ein Echtzeitsystem versagt damit auch, wenn ein richtiges Ergebnis zum falschen Zeitpunkt ermittelt wird. In der Literatur und in Publikationen wird Echtzeit häufig nicht ganz so eng definiert, so dass man zwischen weichen und harten Echtzeitsystemen differenziert. Man kann jedoch festhalten, dass beispielsweise für Abtastsysteme in Regelungsprozessen oder in der Antriebstechnik unbedingt harte Echtzeitsysteme gefordert werden müssen. Werden Zeitschranken nicht eingehalten, kann das mathematische Modell nicht funktionieren und damit auch die eigentliche Regelungstechnik. Das System versagt. Weiche Echtzeitsysteme sind dann akzeptabel, wenn ein Überschreiten der Echtzeitschranke tRmax unterhalb einer kalkulierbaren Kostenfunktion liegt.
516
Teil E
Bussysteme
Kosten
Kmax
Abb. 3.1. Weiche Echtzeit nimmt ein Risiko beim Überschreiten von Zeitschranken in Kauf
Harte Echtzeit tR < t Rmax
Maximal akzeptable Kosten
Weiche Echtzeit tR > t Rmax
tRmax
Zeit
In der praktischen Anwendung wird Echtzeit fast immer in Verbindung mit einer hohen Ausführungsgeschwindigkeit genannt. Typische Zykluszeiten liegen bei etwa 1 bis 10 ms Zykluszeit für etwa 20–30 Busteilnehmer in der Produktions- und Fertigungstechnik. Bei Motion-Control-Anwendungen liegt die erwartete Geschwindigkeit deutlich darüber, in der Prozessindustrie sind die Anforderungen typischerweise im Sekundenbereich und damit weitestgehend unkritisch. Einen wesentlichen Einfluss auf das Echtzeitverhalten haben das verwendete Buszugriffsverfahren und das Kommunikationsverhalten der Busteilnehmer. Einige grundlegende Aspekte sind nachfolgend aufgezeigt [3.1, 3.2]. 3.1.1 Kommunikationsverhalten Wie in Abschn. 1.2 gezeigt, ist das Kommunikationsverhalten von entscheidender Wichtigkeit für die Implementierung eines seriellen Bussystems. Der einfachste Fall sind sog. Single-Master Master-Slave-Systeme. Hierbei hat eine ausgezeichnete Station die Kontrolle über sämtliche angeschlossenen Geräte. Dieser zentralistische Ansatz ist sehr gut beherrschbar. Die Komplexität kann in den Master verlagert werden, die passiven Slaves sind sehr einfach zu realisieren. Da der Master als alleiniges Gerät den Bus belegt und die Slaves explizit zur Kommunikation aufgefordert werden, ist die Buszuteilung trivial. Master-Slave-Systeme sind gut determinierbar und können dadurch relativ einfach berechnet werden. Sind die Laufzeiten und Größen der Telegramme bekannt, ist das Verhalten i. d. R. vorhersagbar und damit echtzeit-tauglich. Komplizierter wird es bei Multi-Master-Systemen. Hier müssen die Buszeiten auf die Master aufgeteilt werden und die Master müssen sich untereinander koordinieren. Unterschiedliche Zugriffsverfahren sind denkbar und werden realisiert. Alle Verfahren haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile.
3 Industrielle Feldbusse
517
Abb. 3.2. Bei Multi-MasterSystemen können Blockiersituationen auftreten
Schließlich sind noch Szenarien mit gleichberechtigtem stochastischem Buszugriff denkbar. Die Geräte sind in diesem Fall nicht hierarchisch angeordnet und besitzen keine Priorisierung. Da hier keinerlei Informationen über den Buszugriff vorhanden sind, kann i. d. R. auch keine Aussage zu einem definierten Buszugriff gemacht werden. 3.1.2 Zugriffsverfahren Zur Koordinierung der Buszugriffe haben sich verschiedene Technologien für den Zugriff auf seriellen Bussystemen herausgebildet. Welches Verfahren Anwendung findet, hängt wesentlich von dem Implementierungsaufwand, der spezifischen Anforderung und der Kommunikationscharakteristik ab. Generell unterteilt man serielle Busse in die Kategorien Zeit- und Frequenzmultiplex-Busse. Beim Frequenzmultiplexing wird die zur Verfügung stehende Bandbreite eines Busses auf unterschiedliche Trägerfrequenzen aufgeteilt, so dass je Teilnehmer permanent eine Teilmenge der Bandbreite zur Verfügung steht. Im Bereich der Automatisierungstechnik wird Frequenzmultiplexing bei kabelgebundenen Bussen eher weniger verwendet. Bei Zeitmultiplex-Verfahren erhalten die Busteilnehmer für ein bestimmtes Zeitintervall die volle Bandbreite des Busses. Zeitmultiplex-Verfahren sind mit geringem Aufwand zu realisieren und dominieren in automatisierungstechnischen Anwendungen. Zeitmultiplex-Systeme lassen sich wiederum unterteilen in Systeme mit synchroner und mit asynchroner Übertragung. Busse mit synchronem Übertragungsverhalten finden erst seit neuerem durch sog. Time-Trigger-Protokolle, vorwiegend in der X-by-Wire-Technologie in der Automobilindustrie, Einzug in technische Systeme. Asynchrone Bussysteme stellen dann auch den Stand der Technik dar. Bei Single-Master-Systemen ist ein kontrollierter Buszugriff mit der Verwaltung durch einen Master nahe liegend. Die Mehrzahl aller industriellen Bussysteme nutzt dieses Verfahren. Schwieriger wird der Zugriff bei Multimaster-Systemen. Hier unterscheidet man zwischen einem kontrollierten, dezentralen Buszugriff über verschiedene TokenVerfahren oder einem stochastischen zufälligen Buszugriff über CSMA(Carrier Sense Multiple Access)-Verfahren.
518
Teil E
Bussysteme
Serielle Serielle Busse Busse
P-Net
Flexray Profibus ControlNet
Carrier-Abtastung mit mit Carrier-Abtastung Kollisionserklennung Kollisionserklennung CSMA/CD CSMA/CD
Profibus
Carrier-Abtastung mit mit Carrier-Abtastung Kollisionsvermeidung Kollisionsvermeidung CSMA/CA CSMA/CA
ASI
KollisionsKollisionsbehaftet behaftet
CAN
Ethernet
FIP
DeviceNet
Carrier-Abtastung Carrier-Abtastung CSMA CSMA
KollisionsKollisionsfrei frei
Virtuelles Virtuelles Token Token
dezentrale dezentrale Buszuteilung Buszuteilung
mehrere Teilnehmer Teilnehmer mehrere pro Kanal Kanal pro
zufälliger zufälliger Buszugriff Buszugriff
Kontrollierter Kontrollierter Buszugriff Buszugriff
TokenTokenPassing Passing
Interbus TT-CAN
Frequenzmultiplex Frequenzmultiplex
Asynchrone Asynchrone Übertragung Übertragung
Zentrale Zentrale Buszuteilung Buszuteilung
Feldbussysteme
Getaktetes Getaktetes Schieberegister Schieberegister
Zeitgetriggert (TTP) (TTP) Zeitgetriggert
Synchrone Synchrone Übertragung Übertragung
Ein Teilnehmer Teilnehmer Ein pro Kanal Kanal pro
Zeitmultiplex Zeitmultiplex
CC-Link Sercos
Abb. 3.3. Zugriffsverfahren serieller Bussysteme
3.1.2.1 Token-Verfahren Token-Verfahren sind prinzipiell kollisionsfreie Zugriffsverfahren. Eine Sendeberechtigung wird in Form eines speziellen Telegramms (Token) zwischen den Mastern ausgetauscht. Nur Stationen, die ein Token besitzen, haben einen Zugriff auf den Bus. Um die Busnutzung zu reglementieren, wird eine maximale Besitzdauer, die Token-Haltezeit, zwischen den Stationen vereinbart. Ob bei einem Token-Bus ein physikalischer Ring (Token-Ring) oder ein logischer Ring (Profibus) aufgesetzt wird, spielt für die Funktionsweise keine Rolle. Entscheidend ist, ob die Kommunikationsteilnehmer gleichberechtigt oder hierarchisch sind. Bei Token-Passing-Verfahren (Profibus) werden die Sendeberechtigungen zwischen gleichberechtigten Partnern mit einem verteilten Netzmanagement reali-
Logischer Token-Ring
Node NodeAA Token
Node NodeBB
Node NodeCC
Abb. 3.4. Bei Token-Verfahren wird die Sendeberechtigung (Token) zwischen den Knoten ausgetauscht
3 Industrielle Feldbusse
519
siert. Jeder Kommunikationspartner sorgt selbst für die verteilte Initialisierung, Timeout-Bedingungen für Tokenempfang und Tokenbesitz sowie die Nachrichtensynchronisierung und das Fehlermanagement. Delegated-Token-Systeme nutzen einen zentralen Arbiter (FIP) zur Token-Verwaltung und bilden damit Master-Slave-Strukturen auf einem virtuellen Ringsystem ab. Andere Systeme verwenden ein sog. virtuelles Token (P-Net). Nach jedem Telegramm wird durch eine überlagerte Zeitscheibensteuerung ein adressabhängiger Zeitschlitz für die Datenübertragung zur Verfügung gestellt. Bei allen Token-Verfahren ist das entscheidende Echtzeitkriterium die Tokenumlaufzeit, die sich aus der Tokenhaltezeit, der Übertragungszeit und der Anzahl der Master bestimmen lässt. Ein Zeitverhalten ist damit zu garantieren. Als nachteilig erweist sich der erhebliche Anstieg der Umlaufzeit bei vielen Knoten, was aber keinen Einfluss auf die Deterministik hat. 3.1.2.2 CSMA-Verfahren Viele gleichberechtigte Stationen zu verwalten, ist die Domäne von CSMA-Zugriffsverfahren. Heute kommt im Wesentlichen CSMA/CD bei Ethernet und CSMA/CA bei CAN zur Anwendung. Generell sind CSMA-Verfahren (Carrier Sense Multiple Access) konkurrierende Zugriffsverfahren, bei denen ein sendewilliger Busteilnehmer abhört, ob der Bus belegt ist und bei freiem Bus seine Nachricht versendet. Aufgrund von Laufzeiten auf der Leitung ist eine Kollision von Telegrammen nicht auszuschließen. Um auf diese Kollisionen geeignet zu reagieren, wird das CSMA-Verfahren um verschiedene Techniken ergänzt. Beim CSMA/CD-Verfahren (Carrier Sense Multiple Access / Collision Detection) erfolgt eine Kollisionserkennung. Nachdem eine Kollision durch eine Station detektiert wurde, wird die Übertragung sofort abgebrochen und ein interner Zufallszähler gestartet. Nach der Zufallszeit versucht die Station erneut auf den Bus zuzugreifen. Wird erneut eine Kollision festgestellt, verdoppelt sich das Intervall der Zufallszahl und so geht es weiter, bis die Nachricht endlich abgesetzt werden kann. Dieser Algorithmus wird auch als Backoff-Algorithmus bezeichnet und führt zu einem nicht deterministischen Verhalten bei kollisionsbehaftetem Ethernet. Abb. 3.5. CSMA/CD wartet im Kollisionsfall eine Zufallszeit
520
Teil E
Bussysteme Abb. 3.6. Bei CSMA/CA setzt sich die am höchsten priorisierte Nachricht durch
Einen anderen Weg nutzt das CSMA/CA-Verfahren (CA – Collision Avoidance), wie es bei CAN Verwendung findet. Ausgehend von einer endlichen Netzausdehnung und davon, dass ein Bit auf dem ganzen Netz empfangen werden kann, ist es möglich, durch eine Wired-And-Verknüpfung eine nicht zerstörende Arbitrierung zu realisieren. CAN nutzt hierzu dominante (0) und rezessive (1), also verdrängende Bits. Eine Nachricht mit einer hohen Priorität (viel Nullen am Anfang) wird sich damit immer durchsetzen. Hierdurch ist zumindest für die am höchsten priorisierte Nachricht eine definierte Antwortzeit zu garantieren. Die bitweise Arbitrierung erkauft man sich mit dem Nachteil einer endlichen, bitzeitenabhängigen Leitungslänge.
3.2 Feldbusnormen Mit der Abkehr von streng zentralen Steuerungssystemen wurde Mitte bis Ende der 80er Jahre schwerpunktmäßig in Forschungsgruppen in Frankreich und Deutschland an Bussystemen für die Automatisierungstechnik gearbeitet. Die Entwicklungen führten zu streng nationalen Normen für den FIP in Frankreich und Profibus in Deutschland. Während beim Profibus auf eine verteilte Arbitrierung und Master-Slave-Kommunikation gesetzt wird, basiert FIP auf einer zentralen strengen Echtzeitkontrolle und einem Publisher-Subscriber-Modell. Eine Kompatibilität war damit ausgeschlossen. Neben diesen „Leitbussen“ etablierte sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Feldbussystemen für den industriellen Einsatz, die alle ihre Nischen und spezifischen Anwendungen fanden. Mitte der 90er Jahre bemühte man sich um eine einheitliche europäische Spezifikation, die den deutsch-französischen Feldbuskrieg beenden sollte. Basis war der sog. WorldFIP, der das französische Modell um eine Client-Server-Kommunikation erweiterte und ein Portabilitätslayer aus dem ISP (Interoperable System Project), das dem Profibus zu Publisher-Subscriber-Fähigkeiten verhelfen sollte. Da keiner bereit war, Abstriche bei seinem eigenen System zu machen, erreichte man nur eine Normung auf der PHY-Ebene und aufgeblähte Normentwürfe in den darüber liegenden Schichten. Es wurde relativ schnell deutlich, dass Geräte, die der Norm entsprachen, nicht zu marktfähigen Preisen angeboten werden konnten. Gleichzeitig war bei der Implementierung eines Subsets der Norm eine Interoperabilität sicher zu stellen.
3 Industrielle Feldbusse
521
Anfang der 90er Jahre entschlossen sich auch die Amerikaner in Sachen Feldbus einen eigenen Weg zu gehen und begannen mit der Definition eines modernen Feldbusses für die Prozessindustrie und Verfahrenstechnik, dem Foundation Fieldbus (FF). Durch den Druck, den eigenen Bus möglicherweise nicht als internationale Norm etablieren zu können, fanden sich die europäischen Vertreter in der CENELEC zusammen und schrieben die nationalen Normen in der Europanorm EN 50170 fest. Eine besondere Rolle hatten hierbei die Engländer, da sie die tendenziell amerikanischen Busse wie FF, DeviceNet und ControlNet in die europäische Normung einbrachten [3.3]. Neben den klassischen universellen Feldbussen der EN 50170 für die Automatisierungstechnik wurden mittlerweile auch Bussysteme für die schnelle dezentrale Peripherie in der EN 50254 genormt. CAN-basierende Bussysteme regelt die EN 50325. Sensor-Aktor-Netzwerke finden sich in der EN 50295 [3.4]. 3.2.1 EN 50170 Die EN 50170 spezifiziert Feldbusse für die allgemeine Industrieautomatisierung und basiert auf den Arbeiten des Arbeitskreises TC65X der CENELEC. Ziel war die Harmonisierung der europäischen Feldbusse. Um den Anforderungen zu genügen, mussten technische und nichttechnische Kriterien für einen universellen Automatisierungsbus aufgenommen werden. Hierzu gehörten: – Die Kandidaten sind nationale Standards. – Sie passen in den Scope des Arbeitskreises TC65 SCX. – Die Kandidaten müssen mindestens folgende Grundeigenschaften erfüllen: – Bustopologie – Client-Server bzw. Producer-Consumer-Funktionalität – komplette Sammlung von Diensten – hinreichende Bandbreite in Bezug auf die Anzahl der Knoten. – Sie sind OSI-kompatibel und in englischer Sprache spezifiziert. – Beschreibung und Dokumentation sind vollständig. – Kandidaten müssen in kommerziellen Produkten bereits in großer Stückzahl benutzt werden und in vielen Anlagen installiert sein. – Produkte müssen von verschiedenen Herstellern frei verfügbar sein. – Der Physical Layer muss bezüglich EMV die EN 50082, Teil 2 erfüllen. – Kandidaten müssen entsprechende Mechanismen zur Erkennung von Übertragungsfehlern aufweisen. – Die Spezifikation muss offen, allgemein akzeptiert, adäquat dokumentiert und stabil sein sowie Interoperabilität unterstützen. – Die Dokumentation muss frei von Urheberrechten sein. – Die Spezifikation muss vollständig sein und alle Schnittstellen so beschreiben, dass eine Implementierung ohne größere Probleme durchführbar ist. – Es darf keine Einschränkungen für den Test von Implementierungen geben. Um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden und nationalen Gegebenheiten zu genügen, wurden anfänglich P-Net, Profibus und FIP in die Norm
522
Teil E
Bussysteme
aufgenommen, später kamen noch der Foundation Fieldbus (FF) und ControlNet hinzu. Tabelle 3.1 EN 50170 CNELEC Norm
Enthalten in IEC-Norm
Marktname
EN 50170-1
61158 Typ 4
P-Net
EN 50170-2
61158 Typ 1/3/10
Profibus
EN 50170-3
61158 Typ 1/7
WorldFIP
EN 50170-4
61158 Typ 1/9
FF Foundation Fieldbus
EN 50170-5
61158 Typ 2
ControlNet
3.2.2 EN 50254 Neben den universellen Feldbussen der EN 50170 spielen hocheffiziente Bussysteme für dezentrale Peripheriesysteme eine bedeutende Rolle. Sie sind heute ein Schlüssel für unkomplizierte und kostengünstige Automatisierungslösungen. Effiziente Feldbusse sind in der EN 50254 festgeschrieben. Tabelle 3.2. EN 50254 CNELEC Norm
Enthalten in IEC-Norm
Marktname
EN 50254-2
61158 Typ 3
Profibus DP (Monomaster)
EN 50254-3
61158 Typ 7
WorldFIP (FIPIO)
EN 50254-4
61158 Typ 8
Interbus
3.2.3 EN 50325 Ein weiterer Standard ist durch die EN 50325 definiert. Hierin finden sich unterschiedliche Feldbusse, die alle zusammen auf der Schicht 1/2 des aus dem Automobilbereich bekannten CAN (Controller Area Network)-Bus aufsetzen [3.5]. Tabelle 3.3. EN 50325 CNELEC Norm
Enthalten in IEC-Norm
Marktname
EN 50325-2
62026-3 (2000)
DeviceNet
EN 50325-3
62026-5 (2000)
SDS
EN 50325-4
–
Interbus
–
62026-2
AS-Interface
3 Industrielle Feldbusse
523
Nicht auf dem CAN-Bus basierend, aber ebenso ein Bussystem für die SensorAktor-Ebene ist das AS-Interface, das in der zur EN 50325 korrespondierenden internationalen Norm IEC 62026 aufgenommen ist. 3.2.4 IEC 61158 Die internationale harmonisierte Feldbusnorm IEC 61158 hat den Titel „Digital data communication for measurement and control – Fieldbus for use in industrial control systems“ und beschreibt die Kommunikation von digitalen Feldbussen für industrielle Steuerungssysteme. Sie besteht formal aus 6 Teilen [3.6]. Teil 1 befasst sich mit einführenden Themen und gibt in Form eines Reports einen Überblick. Die Norm geht von einem 3-Ebenen ISO-/OSI-Modell aus, bei dem nur die Schichten Physical Layer, Data Link Layer und die Anwendungsschicht implementiert werden. Die Schnittstellen und Protokolle bilden dabei die weiteren Teile der Norm. Darüber hinaus beschreibt Teil 1 auch die Zusammenhänge mit der IEC 61784, in der die spezifischen Feldbusse in Form von Profilen beschrieben werden. Teil 1 wurde 2002 veröffentlicht, die Edition 1 wird 2006 erwartet. Teil 2 definiert den Physical Layer (PHL) und beschreibt den Transport von Rohdaten von Kommunikationsendpunkten des Link-Layers über eine physikalische Verbindung. In den weiteren Teilen werden Dienste und Protokolle auf den Ebenen 2 und 7 des ISO-/OSI-Modells spezifiziert. 8 (Data Link Layer) bzw. 10 (Anwendungsschicht) unterschiedliche Ausprägungen sind in der Norm als Obermenge festgeschrieben, wobei für verschiedene konkrete Feldbusse eine spezifische Auswahl getroffen werden kann. Diese konkreten Realisierungen sind in der IEC 61784 näher beschrieben [3.7]. Die Norm weist darauf hin, dass eine Kommunikation nur zwischen Geräten mit der gleichen Ausprägung möglich ist.
7
Anwendung Anwendung
IEC 61158-6
Schnittstelle zum Anwendungsprogramm (read, write)
IEC 61158-5 6
Presentation Presentation
Darstellung der Zeichen, Anpassen der Datenformate
5
Session Session
Auf- und Abbau temporärer Teilnehmerverbindungen; Synchronisation von Prozessen
4
Transport Transport
Kontrolle der Datenübertragung und Umsetzen von Adressen in Teilnehmerverbindungen
3
Network Network
Wegefindung von Kommunikationswegen und Teilnehmern
2
Data Link Layer Data Link Layer
1
IEC 61158-4
PHY-Layer PHY-Layer
IEC 61158-3 IEC 61158-2
Logischer Kanalzugriff, Zugriffssteuerung, Prüfsummen, Bilden von Datenpakete Definition des Mediums, Datenkodierung, Geschwindigkeit, Stecker
Abb. 3.7. Einordnung der IEC-Norm in das ISO-/OSI-Modell
524
Teil E
Bussysteme
3.2.5 IEC 61784 Die Norm IEC 61784 trägt den Titel „Digital data communication for measurement and control“ und definiert einen Satz von Kommunikationsprofilen, die aus der IEC 61158 abgeleitet sind. Sie stellt dar, wie eine Untermenge von Services und Protokollen für ein konkretes Feldbussystem Verwendung findet. Die festgelegten feldbusspezifischen „Kommunikationsprofile“ werden entsprechend ihrer Verwendung in CPFs (Communication Profile Family) zusammengefasst.
Tabelle 3.4. IEC 61784 IEC 61784 Profile
IEC 61158 PHY
IEC 61158 DLL
IEC 61158 AL
CENELEC
Marktname
CPF-1/1
Typ 1
Typ 1
Typ 9
EN 50170-A1
Foundation Fieldbus (H1)
CPF-1/2
Ethernet
TCP/UDP/IP
Typ 5
–
Foundation Fieldbus (HSE)
CPF-1/3
Typ 1
Typ 1
Typ 9
EN 50170-A1
Foundation Fieldbus (H2)
CPF-2/1
Typ 2
Typ 2
Typ 2
EN 50170-A3
ControlNet
CPF-2/2
Ethernet
TCP/UDP/IP
Typ 2
–
Ethernet/IP
CPF-3/1
Typ 3
Typ 3
Typ 3
EN 50254-3
Profibus-DP
CPF-3/2
Typ 1
Typ 3
Typ 3
EN 50170-A2
Profibus-PA
CPF-3/3
Ethernet
TCP/UDP/IP
Typ 10
–
Profinet
CPF-4/1
Typ 4
Typ 4
Typ 4
EN 50170-1
P-Net RS-485
CPF-4/1
Typ 4
Typ 4
Typ 4
EN 50170-1
P-Net RS-232
CPF-5/1
Typ 1
Typ 7
Typ 7
EN 50170-3
WorldFIP (MPS, MCS)
CPF-5/2
Typ 1
Typ 7
Typ 7
EN 50170-3
WorldFIP (MPS, MCS, SubMMS)
CPF-5/3
Typ 1
Typ 7
Typ 7
EN 50170-3
WorldFIP (MPS)
CPF-6/1
Typ 8
Typ 8
Typ 8
EN 50254-2
Interbus
CPF-6/2
Typ 8
Typ 8
Typ 8
EN 50254-2
Interbus TCP/IP
CPF-6/3
Typ 8
Typ 8
Typ 8
EN 50254-2
Interbus, Subset
CPF-7/1
Typ 6
Typ 6
–
–
Swiftnet transport
CPF-7/2
Typ 6
Typ 6
Typ 6
–
Swiftnet, full stack
3 Industrielle Feldbusse
525
Im Weiteren werden die jeweiligen Bussysteme unter ihren Marktnamen vorgestellt und diskutiert.
3.3 Allgemeine Bussysteme 3.3.1 ASI – Aktor-Sensor-Interface Das AS-Interface wurde 1990 entwickelt und ist ein einfaches serielles Sensor-Aktor-Netzwerk vorwiegend für digitale Signale in der untersten Feldebene. Es ist standardisiert in den Normen EN 50295 bzw. in der IEC 62026. Der Zielmarkt von ASI ist in Bereichen zu finden, in denen sich keine technisch und wirtschaftlich befriedigenden Alternativen zum Kabelbaum durchgesetzt haben. Das Aktor-Sensor-Interface ist ein Master-Slave-System, bei dem der Master die alleinige Kontrolle über das Netzwerk hat. Je Slave können bis zu vier digitale Ein- und Ausgänge bedient werden. Um diese Kosten- und Installationsvorteile umzusetzen, nutzt ASI einige interessante Ansätze, die es von anderen seriellen Bussystemen unterscheidet [3.8, 3.9]. 3.3.1.1 Physik Um einen wesentlichen Kostenvorteil in der Verkabelung zu erreichen, werden Energie und Daten über eine nicht geschirmte 2-Draht-Leitung übertragen. Zulässig ist eine nach DIN/VDE 0281 harmonisierte Starkstromleitung mit maximal 2 × 2,5 mm² oder ein spezielles kodiertes Flachbandkabel. Dieses hat den besonderen Vorteil einer einfachen und verpolungssicheren Installation ohne Konfektionierung von Stecker oder Kabel. Die Ausdehnung des Netzes beträgt typischerweise bis zu 100 m, mit Repeatern können auch Leitungslängen bis 300 m erreicht werden. Die Datenrate liegt fest bei 167 kbps, was eine Nettodatenrate von bis zu 53,3 kbps ermöglicht.
Kodiertes Flachbandkabel
Eingelegt in Sensor / Inselmodul
Vampirdorne für sicheren Kontakt ohne Abisolierung Abb. 3.8. AS-Interface ermöglicht eine einfache Installation durch eine kodierte Flachleitung mit Vampirklemmung
526
Teil E
Bussysteme
Is
1 0 Digitale Signalkodierung
Eingeprägtes Stromsignal +US UB -US
1 0 Manchesterkodiertes Signal
Aufmoduliertes Signal
Abb. 3.9. Das Datensignal wird der Versorgungsspannung überlagert
Bei ASI wird eine alternierende Pulsmodulation (APM) als Modulationsverfahren eingesetzt. Für die Übertragung wird das Signal manchesterkodiert. Dazu wird für jeden Flankenwechsel ein Strom eingeprägt, der ein sin2-förmiges Spannungssignal mit alternierender Pulsfolge auf der Leitung erzeugt. Der Empfänger kann das ursprüngliche Signal verhältnismäßig einfach mit zwei Komparatoren dekodieren. An einem ASI-Master können 31 bzw. 62 Slaves (Version 2.1) angeschlossen werden. ASI ist hierarchiefrei. Das bedeutet, dass jede beliebige Bustopologie mit oder ohne Stichleitungen aufgebaut werden kann. Typisch sind ausgeprägte Stern-, Linien-, Ring- und Baumstrukturen.
Abb. 3.10. ASI ermöglicht eine komplexe Bustopologie (Quelle: T. Einsele, TU München)
3 Industrielle Feldbusse
527
3.3.1.2 Sicherungsschicht ASI-Knoten kommunizieren nach einem strengen Master-Slave-Verfahren, wobei genau ein Master die Knoten zyklisch abfragt. Ein ASI-Master wird typischerweise in speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS), PCs oder Prozessrechnern eingesetzt. Alle Aktivitäten auf dem Bus gehen vom Master aus. Es existiert jeweils ein Protokollrahmen für einen Masteraufruf und eine Slave-Antwort. Aufruf und Antwort wechseln sich zyklisch ab. Der Masteraufruf besteht aus einem Steuerbit, der Slaveadresse und einem Informationsteil, der entweder Daten und Parameter (Steuerbit = 0) oder Befehle (Steuerbit = 1) enthält. Die Telegrammsicherung erfolgt durch ein Paritybit. Die Slave-Antwort besteht aus dem Datenrahmen und einem Paritätsbit sowie einem 4-Bit-Informationsteil. Durch das feste Timing von 6 µs je Bitzeit ergibt sich eine Rahmenlänge von 150 µs. Bei 31 Slaves ist eine Zykluszeit von 5 ms möglich. Bei dem erweiterten ASI-Standard mit 62 Slaves verdoppelt sich die Zykluszeit im AB-Modus. 3.3.1.3 Anwendung
Masteraufruf
Startbit(0) I3 I2 I1 I0 Parität Endebit(1)
Startbit(0) Steurbit A4 A3 A2 A1 A0 I4 I3 I2 I1 I0 Parität Endebit(1)
ASI-Master übernehmen alle Funktionen zur Abwicklung des Busbetriebs. Sie werden typischerweise innerhalb von Automatisierungssystemen als Gateways zur Feldebene eingesetzt, wobei durchaus auch eine Busumsetzung ASI-Profibus oder ASI-Interbus nicht nur möglich, sondern häufig auch sinnvoll ist. Hierdurch kann eine aufwendige Schaltschrankverdrahtung entfallen, da die ASI-Slaves i. d. R. feldmontierbar in IP67 ausgelegt sind. Auf eine Hutschienenmontage und Verkabelung mit Adernendhülsen etc. kann vollständig verzichtet werden. Die Konfiguration von ASI-Slaves erfolgt durch ein Programmiergerät, das die Slave-Adresse auslesen und modifizieren kann. Der ASI-Master ermittelt i. d. R. selbst, welche Slaves an ihm angeschlossen sind. Voraussetzung ist jedoch eine eindeutige Adressvergabe. Das Speicherabbild der Konfiguration bleibt nach der
Slaveantwort
150 µs Abb. 3.11. ASI-Datenrahmen mit Masteraufruf und Slaveantwort
528
Teil E
Bussysteme
Rundsteckeranschluss Sensor Kontroll LED Sensor I-1 Kontroll LED Sensor I-2
Fault I-1 I-2 Power
Fault LED – Adresse / Betrieb Rundsteckeranschluss Sensor Power LED - Betriebsspannung
Abb. 3.12. ASI-Slaves sind i. d. R. in IP67 ausgelegt und feldmontierbar
Konventionelle parallele Verkablung
Relative Kosten
2
AS-Interface 1
Anzahl Sensoren / Aktoren 2
4
6
8
10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32
Abb. 3.13. Relative Kosten von ASI zur konventionellen Verkablung
Inbetriebnahme remanent im Master und kann dem Hostrechner zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der einfachen Installation amortisiert sich der Mehrpreis der ASIKomponenten schon bei einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Sensoren. 3.3.2 CAN – Controller Area Network Anfang der 80er Jahre wurde speziell für den Einsatz in Kraftfahrzeugen CAN (Controller Area Network) von der Firma Bosch entwickelt und eingeführt. Ziel war die Reduktion von Kabeln in Fahrzeugen, um so einfachere und konfigurierbare Verkabelungen zu erstellen. Neben der Reduktion des Verkabelungsaufwands standen die Aspekte Verfügbarkeit, Fehlersicherheit und Zuverlässigkeit im Vordergrund, gleichzeitig sollte eine deutliche Gewichtsersparnis möglich werden. Fand man in den späten 80er Jahren noch die unterschiedlichsten Busse, so hat sich CAN in den 90er Jahren etabliert. Heute ist CAN der universelle Fahrzeugbus, der sowohl in PKWs und LKWs als auch in Landmaschinen oder Zügen eingesetzt wird. Mehrere 100 Millionen CAN-Bausteine sind bereits in Applikationen verbaut worden.
3 Industrielle Feldbusse
529
Durch das gleichzeitige Aufkommen der Feldbusse lag der Schluss nahe, dieses kostengünstige und verfügbare Bussystem ebenfalls in der Automatisierungstechnik einzusetzen. Die Folge war eine Flut unterschiedlichster Automatisierungsprotokolle, die oberhalb der CAN-Schicht 2 implementiert wurden. Etabliert haben sich DeviceNet und SDS als IEC-Norm (62026) auf dem amerikanischen Markt. In Europa liegt ein Schwerpunkt auf CANopen, aber auch Speziallösungen für Sicherheitsbussysteme wie Safetybus-P oder CIP Safety sowie Firmenstandards basieren auf CAN. In den nachfolgenden Abschnitten sollen die Grundeigenschaften von CAN von der Topologie über die ISO-/OSI-Schichten 1 und 2 bis hin zu den jeweils speziellen Ausprägungen in der Schicht 7 vorgestellt und diskutiert werden [3.10–3.13]. 3.3.2.1 Grundlagen Die CAN-Spezifikation definiert ausschließlich die ISO-/OSI-Layer 1 und 2 und wurde 1993 als ISO-Norm 11898 festgeschrieben. Heute existieren drei Normteile für den CAN-Bus. ISO 11898-1 beschreibt den Data-Link-Layer. ISO11898-2 definiert den Physical Layer und ISO 11898-3 stellt die Spezifikation für einen fehlertoleranten Physical-Layer zur Verfügung. Speziell für den Bereich harter Echtzeitanforderungen ist mit ISO 11898-4 eine timetriggert Variante in der Spezifikation enthalten. Neben dem Standard-Layer mit einer maximalen Datenrate von 1 Mbps wird unter der ISO11519 ein Low-Speed-CAN mit bis zu 125 kbps definiert, der
Anwendungslayer Verarbeitung Verarbeitung
6
Darstellung Darstellung
5
Sitzung Sitzung
4
Transport Transport
3
Vermittlung Vermittlung
2 1
Sicherung Sicherung
7
Logical LogicalLink LinkControl Control Media MediaAccess AccessControl Control
Bitübertragung Bitübertragung
- DeviceNET - SDS – Smart Distribution System - CAN Kingdom - CANopen
- Safetybus P - CIP Safety - CAL
Logical Link Control - Nachrichtenaustausch - Accepance Filtering - Overload Notification - Recovery Management
Media Access Control - Data Encapsulation / Decapsulation - Framecoding (Stuffing / Destuffing) - Errordetecting - Acknowledgement
Physical Layer - Bit Encoding / Decoding - Bit Timing - Synchronisation - Driver / Receiver Charcteristics
Abb. 3.14. CAN definiert die Schichten 1 und 2, der Anwendungslayer wird in unterschiedlichsten Ausprägungen realisiert
530
Teil E
Bussysteme
vorwiegend in einfachen Komfortanwendungen in der Automobilindustrie Verwendung findet. Durch die primäre Anwendung in der Automobilindustrie hat CAN einige Besonderheiten, die kaum ein anderes industrielles Bussystem aufweist. Hierzu gehört in erster Linie ein extrem robustes Betriebsverhalten. Die Restfehlerrate liegt unter 10-13 und es werden unterschiedliche Mechanismen zur aktiven Fehlerbehebung unterstützt. Hierzu gehört beispielsweise eine automatische Sendewiederholung bei Busfehlern oder die automatische Abschaltung defekter Knoten. Auch die Kommunikationsstruktur unterscheidet sich deutlich von klassischen Master-Slave-Systemen. CAN nutzt ein objektorientiertes und nachrichtengetriebenes Kommunikationsmodell als Multi-Master-System. In einem CSMA/CA-Verfahren erfolgt ein nicht zerstörender konkurrierender Zugriff, bei dem sich die am höchsten priorisierte Nachricht garantiert durchsetzt. Hierdurch ist CAN besonders vorteilhaft als Broadcastsystem für ein Producer-Consumer-Konzept einsetzbar. 3.3.2.2 Physik CAN nutzt eine Linientopologie. Als Medium wird vorwiegend eine verdrillte 2Drahtleitung eingesetzt. Eine Implementierung auf Lichtwellenleiter ist prinzipiell möglich, jedoch werden i. d. R. Signalpegel nach ISO 11898 auf verdrillten Leitern verwendet. Die Übertragung der rohen Bits erfolgt mit dominanten und rezessiven Bits. Die einzelnen CAN-Knoten sind damit quasi als Wired-And-Schaltung verknüpft. Bei einem konkurrierenden Zugriff können dominante Bits rezessive Bits verdrängen. Dieser Mechanismus wird verwendet, um in einer sog. Arbitrierungsphase die am höchsten priorisierte Nachricht durchzulassen. Da der Arbitrierungsmechanismus ein exaktes Bittiming erfordert, ist dieses auch der begrenzende Faktor für die maximale Ausdehnung eines CAN-Netzwerkes. Auf der Seite der physikalischen Anbindung haben sich verschiedene Konnektoren etabliert. Die folgende Abbildung zeigt in einer Übersicht die am häufigsten auftretenden Typen mit den entsprechenden Belegungen. Bei proprietären Systemen ist unbedingt auf das richtige Pin-out zu achten, um schwerwiegende Schäden zu vermeiden.
Abb. 3.15. Die ISO 11898 spezifiziert die Pegel für dominante und rezessive Bits – Das Bittiming bestimmt die maximale Ausdehnung von CAN-Netzwerken
3 Industrielle Feldbusse
Abb. 3.16. Highspeed-CAN ermöglicht 1 Mbit bei max. 30 m – eine größere Entfernung kann nur mit geringeren Geschwindigkeiten erreicht werden
1000
Baudrate [kBit/s]
531
100
10 10
100
1000
10000
Bus Length [m]
Abb. 3.17. In der Automatisierung sind unterschiedliche Steckerspezifikationen für CAN etabliert
3.3.2.3 Sicherungsschicht CAN nutzt ein priorisiertes, nachrichtenorientiertes Busprotokoll nach einem CSMA/CA (Carrier Sense Multiple Access / Collision Avoidance)-Verfahren. Die Nachrichten-Priorität ist im Identifier-Feld des CAN-Telegramms spezifiziert. Möchte eine CAN-Station auf den Bus zugreifen, wird dieser für mindestens drei Bitzeiten abgehört. Ist der Bus frei, beginnt die Station mit dem Senden. Eine Konfliktsituation kann auftreten, wenn mehrere Stationen quasi gleichzeitig senden möchten. Zur Arbitrierung dient jetzt das Identifier-Feld. Da die logischen 1und 0-Zustände als dominante und rezessive Bits kodiert werden, erkennen die Sender gering priorisierter Nachrichten (Rezessive Bits) Differenzen auf dem Bus und nehmen einen „nur hören“ Status ein. Die am höchsten priorisierte Nachricht setzt sich durch. Ein kleiner Identifier (Wert 0) setzt sich damit immer vor
532
Teil E
Bussysteme
Abb. 3.18. Der Aufbau des CAN-Datenrahmens mit einer maximalen Nutzlast von 8 Byte
einem niedriger priorisierten Identifier (großer Wert) durch. Die verdrängte Station kann unmittelbar nach dem Beenden der Kommunikation eine Sendewiederholung einleiten. Zur Absicherung des Kanalzugriffs sind weitere Mechanismen bei CAN implementiert. Jede CAN-Station nutzt einen Monitor, mit dem die gesendeten Signale mit dem Bussignal verglichen werden. Darüber hinaus wird eine Bit-Stuffing-Regel verwendet, wobei hinter jeweils gleichen Bits ein invertiertes Bit gesendet wird. Durch die hohe Redundanz des Protokolls können bis zu 5 zufällige Fehler in einem Rahmen sicher erkannt werden. Um auf Fehler geeignet reagieren zu können, sind umfangreiche Maßnahmen zur Fehlerkorrektur in CAN implementiert. Fehlerhafte Nachrichten können durch beliebige Stationen als fehlerhaft gekennzeichnet werden, wodurch eine Sendewiederholung eingeleitet wird. Bei schwerwiegenden Fehlern kann durch jede Station ein sog. Error-Frame auf den Bus gelegt werden, der ein Recovery innerhalb von 31-Bit-Zeiten ermöglicht.
Station B
8
7
6
5
4
3
2
1
0
RTR
SOF
Station A
Identifier 10 9
Control Field
Data Field
Nur hören Nur hören
Station C Bussignal
Abb. 3.19. Die bitweise Arbitrierung ermöglicht einen nicht zerstörenden konkurrierenden Kanalzugriff
3 Industrielle Feldbusse Reset and Configuration REC 127 Error Passive
533
Abb. 3.20. CAN nutzt Fehlercounter, um permanente von sporadischen Fehlern zu unterscheiden und ggf. Knoten vollständig passiv zu schalten
Bus Off TEC > 255
REC: Receive Error Counter TEC: Transmit Error Counter
CAN-Stationen können kurzzeitige von permanenten Fehlern unterscheiden. Dazu werden in jeder Station die Fehler mitgezählt. Bei einem permanenten Fehler wird ein Knoten automatisch vom Bus genommen. Zum Datenaustausch unterscheidet CAN zwischen vier verschiedenen Datenrahmen. Ein Data-Frame transportiert typischerweise 8 Byte Nutzdaten zwischen Sender und Empfänger. Jede Station kann die Datenübertragung ohne jegliche Anfrage initiieren. Um Daten explizit am Bus anzufragen, existieren sog. RemoteFrames. Sie besitzen ein rezessives RTR-Bit und kein Nutzdatenfeld. Ein RemoteFrame fordert eine Nachricht mit demselben Identifier an. Der Nachrichtenfluss kann mit Overload-Frames geregelt werden, die eine Delay-Anforderung beinhalten. Zur Fehlerbehandlung auf dem Bus kann von einer beliebigen Station ein Error-Frame versendet werden. Dieser verletzt die Bit-Stuffing-Regel, worauf sämtliche CAN-Controller sofort zurückgesetzt werden, um eine neue Kommunikation zu ermöglichen. 3.3.2.4 Ausprägung Der aktuelle CAN-Standard ist die Version 2.0. Innerhalb der Spezifikation wird im Teil A Standard-CAN mit einem 11-Bit-Identifier und im Teil B Extended-CAN mit einem 29-Bit-Identifier spezifiziert. Entsprechend der Bitfeldgröße können
Abb. 3.21. CAN-Datenrahmen
534
Teil E
Bussysteme
zwischen 2023 und 229 Nachrichten unterschieden werden. Standard- und Extended-CAN sind zueinander nur eingeschränkt kompatibel, da Standard-CAN-Geräte keine Extended-Frames verarbeiten können. Eine weitere Unterscheidung findet sich auf der Hardwareebene zwischen Basic- und Full-CAN. Diese Differenzierung bezieht sich ausschließlich auf die Hardwareimplementierung. Basic-CAN-Devices implementieren nur den Bit-StreamCheck in die Hardware. Die Gültigkeit der Nachrichten ist in diesem Fall auf dem Hostsystem zu überprüfen. Im Gegensatz dazu wird bei einem Full-CAN-Device das gesamte Protokoll in Hardware realisiert und die Nutzdaten und Statusinformationen werden in speziellen Objektverzeichnissen abgelegt. Eine Host-CPU wird beim Eintreffen neuer Nachrichten über eine Unterbrecheranforderung informiert. Heute unterstützen die CAN-Chips i. d. R. beide Betriebsarten, so dass eine Differenzierung nicht mehr sinnvoll ist. 3.3.2.5 Anwendungsprotokolle Innerhalb der ISO-Norm 11898 sind nur die ISO-/OSI-Schichten 1 und 2 definiert. Für den Bereich der Automobilanwendung reicht dieses für firmenspezifische Anwendungen aus. In der Automatisierungstechnik ist man jedoch auf die Interoperabilität von Geräten unterschiedlicher Hersteller angewiesen – was ein standardisiertes Schicht 7-Protokoll notwendig macht. In Deutschland ist die Nutzerorganisation CiA e.V. bestrebt, eine einheitliche Applikationsschichtdefinition herbeizuführen, um auf eine einheitliche Sprache zurückgreifen zu können. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl von unterschiedlichen Implementierungen, von denen einige näher betrachtet werden sollen. 3.3.2.5.1 CAL – Can Application Layer
Die Applikationsschicht CAL (CAN Application Layer) ist in den CiA-Empfehlungen (CiA DS 201 … 207) definiert. Sie beschreibt die grundlegende Kommunikation zwischen CAN-Stationen über sog. Dienstprimitive. Man unterscheidet zwischen lokalen und entfernten Diensten (local und remote services). Bei den lokalen Diensten löst ein Service-Request der lokalen Anwendung eine Service-Indication bei derselben Anwendung hervor. Entfernte Dienste unterscheidet man zwischen bestätigten und unbestätigten Diensten. Ein unbestätigter Service-Request einer Anwendung A kann eine oder mehrere Service-Indications bei entfernten Anwendungen B und C auslösen. Im Gegensatz dazu verhalten sich bestätigte Dienste immer in Client-Server-Manier. Darüber hinaus werden Dienste für das gesamte Netzmanagement zur Verfügung gestellt: – NMT Netzwerkmanagement-Initialisierung, -Konfiguration und -Überwachung von Knoten, – DBT Distributor zur dynamischen Vergabe von COB-IDs, – LMT Layermanagement zur Parametrierung layerspezifischer Parameter.
3 Industrielle Feldbusse
535
Abb. 3.22. CAN-CAL Dienste
3.3.2.5.2 DeviceNet
DeviceNet beschreibt ein Schicht 7-Anwendungsprotokoll, das durch die ODVA (Open DeviceNet Vendor Associaion) standardisiert und betreut wird und auf Entwicklungen der Firma Rockwell Automation zurückgeht. DeviceNet spezifiziert eine objektorientierte Netzwerk- und Transportschicht. Die Knoten werden durch eine sog. Mac ID identifiziert. Der Nachrichtentyp und die Mac ID werden in dem 11-Bit-Identifier des CAN-Protokolls spezifiziert. 6 Bit werden als Knotenadresse verwendet, die weiteren Bits verteilen sich nach Message-Typ und Message Identifier [3.14]. Grundsätzlich definiert DeviceNet ein nachrichtengetriebenes Peer-to-Peer Netzwerk. Darüber hinaus ist auch eine Master-Slave-Kommunikation möglich, die zwar in Hinblick auf die Bandbreite ungünstiger ist, aber ein einfach be-
Identifier 10 0 1 1 1 1
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Group 1 MID Source MAC ID Group 2 MID 0 MAC ID 1 Group 3 MID Source MAC ID 1 1 1 1 Group 4 MID 1 1 1 1 1 1 X X X X
HEX Bereich
Identity Usage
000 – 3ff 400 – 5ff 600 – 7bf 7c0 – 7ef 7f0 – 7ff
Message Group 1 Message Group 2 Message Group 3 Message Group 4 Invalid CAN Identifier
Abb. 3.23. Devicenet kodiert Message, Messagetyp und Knotenadresse im 11-Bit-Identifier des CAN-Protokolls
536
Teil E
Bussysteme
Anwendungsprofile
Valves Drives Robots Robots Valves Drives
……
Verarbeitung Verarbeitung
CIP CIPApplication ApplicationLayer Layer/ /application applicationObject ObjectLibrary Library
6
Darstellung Darstellung
CIP CIPData DataManagement ManagementServices, Services,I/O I/OMessages Messages
5
Sitzung Sitzung
CIP CIPMessage MessageRouting, Routing,Connection ConnectionManagement Management
4
Transport Transport
3
Vermittlung Vermittlung
2 1
Sicherung Sicherung
7
Logical LogicalLink LinkControl Control Media Access Control Media Access Control
Bitübertragung Bitübertragung
DeviceNet DeviceNet™™ Transport Transport
Encapsulation Encapsulation
TCP UDP TCP UDP IPIPInternet protocold Internet protocold
CAN CANISO ISO11898 11898
Ethernet Ethernet 802.11 802.11
DeviceNet™ DeviceNet™PHY PHY DeviceNet™
Ethernet/IP™
Abb. 3.24. Devicenet beschreibt ein Transportlayer im CIP-Objektmodell der ODVA
herrschbares Schema für die Automation darstellt. Eine Master-Slave-Konfiguration initialisiert sich beim Einschalten und ermöglicht den Slaves drei verschiedene Kommunikationstypen: 1. Polled – Der Master holt die Daten beim Slave durch eigene Anforderungen ab. 2. Cyclic – Der Slave sendet dem Master in festen Zyklen seine Daten zu. 3. Change-of-State – Der Slave sendet nur bei einer Änderung der Parameter die neuen Daten zu. Um die Funktion des Knotens zu überwachen, wird in diesem Modus ein Heart-Beat-Signal unterstützt. Da DeviceNet nur einfache Grundfunktionen zur Verfügung stellt, wird es im ODVA-Schema häufig innerhalb des CIP-Layers (Common Industrial Protocol) verwendet. CIP beschreibt eine objektorientierte Anwendungsschicht für die Automatisierungstechnik. Jedes Objekt hat Daten, Dienste und ein Verhalten, die innerhalb des Modells beschrieben sind. Welche Objekte konkret innerhalb einer Anwendung beschrieben sind, wird durch Profile geregelt. Die ODVA ermöglicht, durch zertifizierte Conformance-Tests die Interoperabilität sicher zu stellen. 3.3.2.5.3 SDS – Smart Distributed System
SDS ist ein Anwendungsprotokoll auf dem CAN-Layer der Firma Honeywell Inc.. Es stellt unterschiedliche Dienste zur Kommunikation von einfachen Sensoren und Aktoren zur Verfügung. SDS ist prinzipiell vom Bussystem unabhängig, nutzt
3 Industrielle Feldbusse
Channel Connection Reserved Reserved Write Read Action Event
0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1
Service Parameter
4
3
5
8
Request 0 1 Success Response 0 Error Response 1 Wait Response 0 1 0 1
0 0 1 1
Data 0 Data 1 Data 2 Data 3 Data 4 Data 5 8
0 Non fragment 0 1 fragment 1 0 1
8
8
8
Object 0 Object 1 Object 2
0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0
Object 30 Object 31
1 1 1 1 0 1 1 1 1 1
8
8
ACK
EOID
CAN Footer
16
2 7
EOF
DLC
Service Specifier
RTR RB1, RB0
Service Type
SOF Dir/Pri
Logische Adresse
SDS DATA CAN Data Field
CAN Control
CRC
SDS Header CAN Arbitration Field
537
Abb. 3.25. SDS definiert ein eigenes Protokoll oberhalb von CAN, neben der abgebildeten Long-Form APDU existieren noch Rahmen für Anforderung und fragmentierten Datenaustausch
aber die speziellen Eigenschaften von CAN. Da SDS im Wesentlichen für die Vernetzung von Sensoren ausgelegt ist, liegt der Schwerpunkt auf einer Client-Server-Kommunikation, wobei der Master die volle Kontrolle über die Slaves hat. 3.3.2.5.4 CANopen
Der in Europa eingeführte und etablierte Standard auf der Anwendungsebene ist CANopen. Er wird durch die CiA (CAN in Automation e.V., Nürnberg) geführt und ist neben DeviceNet ein häufig angewendeter Standard. Die CANopen Profile definieren standardisierte Kommunikationsmechanismen und GerätefunktionaAnwendungsprofile Drives IO Modules Drives IO Modules Motion Motion
HMI HMI
… …
Verarbeitung Verarbeitung
6
Darstellung Darstellung
5
Sitzung Sitzung
CANopen CANopenFramework Framework CiA CiADS-301 DS-301
4
Transport Transport
CANopen CANopenApplication ApplicationLayer Layer
3
Vermittlung Vermittlung
2 1
Sicherung Sicherung
7
Logical LogicalLink LinkControl Control Media Access Control Media Access Control
Bitübertragung Bitübertragung
CANopen CANopenProfiles ProfilesCiA CiADS-4xx DS-4xx
Device Profile Specification CIA DSP-401 CIA DSP-402 CIA DSP-403 CIA DSP-404 CIA DSP-406 CIA DSP-408 CIA WD-409 CIA WDP-411 CIA WDP-413
IO-Modules Drives and Motion Control Human Machine Interface Measuring Devices and Closed-Loop Controllers Encoders Proportional Hydraulic Valves Door Control (Railway) Truck Gateway X-Ray Generator
Interface Profile Specification CAN CANISO ISO11898 11898 CiA CiADRP-303-1 DRP-303-1
CIA DSP-405 CIA WDP-410
IEC 1131 Programmable Devices ASAM/GDI
Application Profile Specification CIA WD-407 CIA WDP-412
Public Transportation Maritime Applications
CANopen
Abb. 3.26. CANopen ist der etablierte europäische CAN-Standard für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche
Bussysteme
CAN CANDLL DLL
ID +IDData +IDData +IDData +IDData + Data
CAN CANDLL DLL
CAN CANPHY PHY
CAN_L
CAN CANPHY PHY
CAN_H
CAN_L
Data 3
CANopen CANopen Application Application Layer Layer
Data 1
Object at Index
CAN Data Field Datenadresierung Nutzdaten Data 2
CANopen CANopen Application Application Layer Layer
Command Specifier
Befehl
Data 0
Empfänger
Subindex
Sender
Index High Byte
Teil E
Index Low Byte
538
CAN Arbitration Field 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Function Code
Node ID
Abb. 3.27. CANopen definiert eine ganze Protokollfamilie für Netzwerkmanagement und Anwendungsschicht
litäten. Für den physikalischen Anschluss liegt eine eigene Spezifikation unter CIA DRP-303-1 vor, die im Wesentlichen die Kabel und Steckverbinder beschreibt. Die Sicherungsschicht entspricht Highspeed-CAN nach ISO 11898. Ursprünglich war CANopen als Middleware für Anwendungen in der Antriebstechnik entwickelt worden. Heute werden in unterschiedlichen Profilen neben allgemeinen Netzwerkdienstleistungen spezialisierte Anwendungsfelder von der Automatisierungstechnik über die Eisenbahntechnik bis hin zu medizinischen Geräten beschrieben. CANopen nutzt die objektorientierten Eigenschaften von CAN aus und basiert auf einem virtuellen Gerätemodell. Ein CANopen-Knoten besteht aus einer Kommunikationsschnittstelle mit Protokollsoftware, einem Objektverzeichnis und der eigentlichen Prozessschnittstelle. Die Prozessschnittstelle wird innerhalb von Profilen definiert und stellt eine Anwendungsschicht mit genau spezifizierter Funktionalität zur Verfügung. Um einen Zugriff auf die Prozessdaten und Funktionen zu besitzen, werden diese in einem sog. Objektverzeichnis abgelegt. Die Elemente des Objektverzeichnisses können durch einen genau definierten Zugriff bestehend aus Index und Subindex erreicht werden. Die Kommunikationsschnittstelle stellt Dienste zur Verfügung, die den Transport der Objekte über SDUs (Service Data Unit) ermöglichen. Die Adressierung eines Knotens erfolgt in den letzten 7 Bits des CAN-Arbitrierungsfelds. Diese ermöglicht eine eindeutige Stationskennung. Der Dienst, der mit diesem Knoten aufgerufen werden soll, ist im Funktionskode der ersten vier Bits des Arbitrierungsfelds dekodiert. Diese standardisierte Protokolleinheit wird allgemein als PDU (Protocol Data Unit) bezeichnet. Die eigentlichen Befehle und der Zugriff auf das Objektverzeichnis werden in dem CAN-Data-Field beschrieben. Der Command-Specifier sagt, was mit den Daten getan werden soll, die an einer Adresse aus Index und Subindex gefunden werden. Die letzten vier Bytes des Nutzdatenanteils können für den Transfer von Daten in den Knoten genutzt werden. Neben den primitiven Diensten zur Übertragung von Nutzdaten ermöglicht CANopen auch weiterführende Dienste. Hierzu gehören unter anderem: – Anwendung des Producer-Consumer-Modells, – Anwendung des Client-Server-Modells,
3 Industrielle Feldbusse
NMT SYNC TIME STAMP EMERGENCY PDO1 (tx) PDO1 (rx) PDO2 (tx) PDO2 (rx)
0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 1 1 1
0 0 1 0 1 0 0 1
0 1 0 1 1 0 1 0
SDO (tx) SDO (rx) NMT Error Control LSS slave LSS master
1 1 1 1 1
0 1 1 1 1
1 0 1 1 1
1 0 0 1 1
S E
N
X
X C
N X
t
X t
Data
CCS SCS
Data
Data 2
ACK EOF
CRC
Data 3
Data 1
Data 0
CCS SCS
S: block size indicated E: transfer expedited N: number of bytes X: unused bits EEC
Nutzdaten
Subindex
Index High Byte
DLC
CAN Footer
CAN Data Field Datenadresierung
Befehl
Index Low Byte
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Control
Command Specifier
Node ID
RTR RBx
CAN Arbitration Field Func. Code
539
Request Response Request Response
SDO Download SDO Segment Download
C: last Segment t: Toggle Bit CCS: Client Command Specifier SCS: Server Command Specifier
ER
MEF
Emergency Protocol
EEC = emergency error Code ER = Error Register MER – Manufacturer-specific Error Field
Abb. 3.28. CANopen definiert einen komplexen Protokoll-Stack
– Unterstützung unterschiedlicher Nachrichtentypen – ereignisgesteuert durch einen internen Event, – asynchrone Kommunikation durch externe Anfrage, – synchrone Kommunikation durch SYNC-Objekt (zyklisch oder azyklisch), – Einstellen einer „inhibit-Time“ für garantierten Zugriff von Nachrichten geringer Priorität, – Erzeugen und Parametrieren von Synchronisationsereignissen, – Erstellen netzwerkweiter Zeitstempel, – Emergency-Protokolle für fatale Fehlersituationen. 3.3.3 ControlNet ControlNet geht auf eine Entwicklung der amerikanischen Firma Rockwell Automation (1995) zurück. Entsprechend der historischen Entwicklung ist ControlNet vorwiegend in der englischsprachigen Welt verbreitet. Mitte 1997 schlossen sich über 50 ControlNet-Interessenten in einer Nutzerorganisation zusammen, die seither die Spezifikation und die Zertifizierung von Produkten vorantreibt. ControlNet ist ein typischer Feldbus für die Management- und Control-Ebene und oberhalb klassischer Sensor-Aktor-Netzwerke und unterhalb von Ethernet angesiedelt. Mit einer Busgeschwindigkeit von 5 Mbps bei einer Entfernung von 1000 m ermöglicht ControlNet durch eine Sendeberechtigung per Token und ein Producer-Consumer-Verfahren eine effiziente und echtzeitfähige Kommunikation. In der Anwendungsebene verwendet ControlNet mit CIP (Common Industrial Protocol) dieselbe Anwendungsschicht wie DeviceNet oder Ethernet/IP [3.15].
540
Teil E
Bussysteme Abb. 3.29. ControlNet bietet echtzeitfähige Dienste mit hoher Bandbreite für den MES-Bereich
3.3.3.1 Physik Die ControlNet-Spezifikation beschreibt unterschiedliche Übertragungsmedien zum Transport der Signale. Am meisten verbreitet ist das RG6-Koaxialkabel, das in Verbindung mit BNC-Steckverbindern als passiver Bus verwendet wird. ControlNet unterstützt eine Medienredundanz, wobei alle angeschlossenen Geräte die Signalqualität überprüfen und automatisch den besten Kanal verwenden. Durch die gewählte Manchesterkodierung ist eine zeitliche Synchronisation der Teilnehmer möglich. Für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen können optional Lichtwellenleiter verwendet werden. So genannte NAP (Network Access Port)-Anschlüsse sind lokale RS-422-Verbindungen, die Anwendung bei Diagnose, Konfiguration und Programmierung finden. Die Netzausdehnung hängt von der Anzahl der Teilnehmer ab. Bei zwei Knoten kann eine Segmentlänge 1000 m erreichen, bei 48 Knoten reduziert sich die maximale Ausdehnung auf 250 Meter. Die Obergrenze liegt bei 99 Kommunikationsknoten. 3.3.3.2 Sicherungsschicht Für einen deterministischen Medienzugriff nutzt ControlNet ein CTDMA (Concurrent Time Domain Multiple Acces)-Verfahren. In einer vom Anwender konfigurierbaren Zeitscheibe mit einer Zykluszeit von 2 ... 100 ms werden zyklische und azyklische Datentransporte abgewickelt. Die Zeitscheibe wird als NUT (Network Update Time) bezeichnet. Während einer Konfigurationsphase wird die benötigte Bandbreite für zeitkritische Daten reserviert. Aufgrund der festen NUT und der Vergabe einer Sendeberechtigung durch ein Token kann eine deterministische Verarbeitung für zy-
3 Industrielle Feldbusse
541
Abb. 3.30. In einem festen Zeitraster werden zyklische und azyklische Dienste bearbeitet
StartDelimiter
Source MAC-ID
0 .. 510 Byte DataFrame
LPacket
CRC
LPacket
Size Ctrl
CID
End Delimiter
Abb. 3.31. ControlNet sendet in einem Datenpaket mehrere Nachrichten (LPacket)
LPacket
Data
klische Dienste sichergestellt werden. Die zeitlichen Anforderungen ergeben sich aus der jeweiligen Anwendung. Zeiten, die innerhalb der NUT nicht durch die zyklischen Dienste verwendet werden, können von asynchronen Diensten belegt werden. Man spricht hierbei auch von sog. „Unscheduled Services“. Für diese können keine Zeitgarantien abgegeben werden. Am Ende einer jeden NUT werden in einem „Guard-band-Slot“ Synchronisationsdaten übermittelt. Für die effiziente Nutzung des Datenkanals verwendet ControlNet ein Producer-Consumer-Kommunikationsverfahren. Vergleichbar zu CAN erhalten die Datenpakete und nicht die Geräte eine Adresse, die CID (Connection Identifier). Producer versenden Datenpakete mit einer CID als Broadcast, die durch einen oder mehrere Consumer verarbeitet werden. Ein Anwendungsdatenpaket besteht nicht aus einer einzelnen Nachricht, sondern aus einem Satz von Nachrichtendatenpaketen (LPacket) eines Quellrechners (Source MAC-ID). Die unterschiedlichen LPackets beinhalten Steuerinformationen, die CID und die eigentlichen Nutzdaten.
542
Teil E
Bussysteme
3.3.3.3 Anwendungsprotokoll Der Anwendungslayer von ControlNet basiert auf einer modernen objektorientierten Kommunikationsschicht. Sowohl die Kommunikations- als auch die Anwendungselemente werden als Objekte modelliert und erlauben das Anwenden von Diensten auf Objekte über das Netzwerk. Zur besseren Interoperabilität nutzt auch ControlNet das CIP (Common Industrial Protocol), was eine gemeinsame Basis für alle von Rockwell-Automation genutzten Kommunikationssysteme wie DeviceNet, ControlNet und Ethernet/IP darstellt. Eine detailliertere Betrachtung von CIP erfolgt in Abschn. 4.2.2. 3.3.4 FIP (Factory Instrumentation Protocol, FLUX Information Processus) FIP gehört zu den frühen Feldbussen und wurde bereits in den 80er Jahren von einer Gruppe französischer und italienischer Firmen spezifiziert und in den späten 80er Jahren als französische Norm veröffentlicht. Einsatz und Verbreitung von FIP werden durch die WorldFIP-Organisation gefördert. Wesentliche Treiber von FIP sind die französischen Firmen Schneider Electric und Cegelec. Heute findet man FIP vor allem in Anlagen mit SPS von Schneider Electric, die FIPIO als bevorzugten Feldbus verwenden [3.16]. 3.3.4.1 Physik FIP nutzt typischerweise eine verdrillte 2-Draht-Leitung in Linientopologie mit einem Abschlusswiderstand von 150 Ohm. Die typische Übertragungsrate beträgt 1 Mbps. Daneben ist eine Übertragung nach IEC 1158-2 mit 31,23 kbps für die Prozessindustrie und eine 5-Mbps-Variante über Lichtwellenleiter spezifiziert. Bis
Darstellung Darstellung
5
Sitzung Sitzung
4
Transport Transport
3
Vermittlung Vermittlung
2 1
MPS MPS
EN50170-3 EN50170-3 Part 6.3.1 Part 6.3.1
EN50170-3 EN50170-3 Part 6.3.2 Part 6.3.2
MCS MCS
EN50170-3 EN50170-3 Part 6.3 Part 6.3
Logical Link Control Logical Link Control
Data DataLink LinkLayer Layer
Media Access Control Media Access Control
EN50170-3 Part 3.3 EN50170-3 Part 3.3
Bitübertragung Bitübertragung
RS RS485 485/ /IEC IEC1158-2 1158-2 FIP
EN50170-3 Part 7.3 EN50170-3 Part 7.3
6
subMMS subMMS Networkmanagement management Network
Verarbeitung Verarbeitung
Sicherung Sicherung
7
Abb. 3.32. Wie bei allen Feldbussen nutzt FIP die ISO-/OSILayer 1, 2 und 7
3 Industrielle Feldbusse
543
zu 256 Stationen können an dem Linienleiter angeschlossen werden. Ohne Repeater sind bis zu 2000 m zu überbrücken. 3.3.4.2 Sicherungsschicht Der Datenzugriff wird über ein strenges Master-Slave-Verfahren abgewickelt, wobei der Master, der sog. Arbiter, nur für die Arbitrierung der Kommunikation verantwortlich ist. Das eigentliche Versenden der Daten erfolgt in einem ProducerConsumer-Modell. In Analogie zu CAN bzw. DeviceNet ist FIP objektorientiert. Das bedeutet, dass nicht die Station mit ihrer Stationsadresse im Vordergrund steht, sondern ein Objekt mit einem eindeutigen Objektidentifikator. Eine Station kann dabei mehrere Objekte enthalten. Im Gegensatz zu den zuvor benannten Bussystemen kontrolliert jedoch der Master (Arbiter) den gesamten Netzzugriff. Er beinhaltet Polllisten der Objekte, die zur Ausführung kommen sollen. Wird ein Objekt angesprochen, verbreitet es seine Informationen als Broadcast, so dass alle interessierten Stationen die Daten auf dem Bus konsumieren können. Busknoten können sowohl Produzent als auch Konsument sein. Um ein deterministisches Zeitverhalten zu erreichen, wird bei FIP die Kommunikation in sich wiederholende Kommunikationsfenster mit konstanter Periode eingeteilt. Ein Elementarzyklus von bis zu 5 ms Länge unterteilt sich in die Phasen: – – – –
zyklische Kommunikation, azyklische Kommunikation (Daten), azyklische Kommunikation (Nachrichten), Synchronisation.
Mehrere Elementarzyklen können zu Megazyklen zusammengefasst werden, die sich periodisch wiederholen. In der Phase der zyklischen Kommunikation erteilt der Arbiter den Producern die Sendeberechtigung durch ID_DAT-Datenpakete. Die Producer antworten un-
Arbiter Objekt-Liste ID 05 ID 10 ID 12 ID 15
Objekt-Liste ID 03 ID 10
Objekt-Liste ID 01 ID 05
Objekt-Liste ID 06 ID 12
Objekt-Liste ID 02 ID 07
Objekt-Liste ID 13 ID 14 ID 15
Abb. 3.33. Der Arbiter arbeitet zyklische Polllisten anhand von Objekt-IDs ab, die Slaves legen die Daten als Broadcast für alle interessierten Knoten auf den Bus
544
Teil E
Bussysteme
Abb. 3.34. Zyklisches Polling und azyklischer Datenverkehr werden innerhalb fester Zeitfenster abgewickelt
mittelbar mit einem RP_DAT-Telegramm, das als Broadcast auf dem Bus abgelegt wird. Alle interessierten Konsumenten können dann die Daten verarbeiten. Eine weitere Quittung ist nicht erforderlich. Die Reihenfolge der Producer ergibt sich aus der internen Objektliste des Masters. In der folgenden Phase der azyklischen Anforderung von Prozessvariablen arbeitet der Arbiter die Anfragen nach Prozessvariablen ab, die durch ein zyklisches Telegramm angefordert wurden. Die azyklische Übertragung von Nachrichten schließt sich dem Datenaustausch an. Stationen, die im zyklischen Bereich eine Nachrichtenanforderung platziert haben, können jetzt die Daten mit Absender-Empfänger-Kennung versenden. Nach dem letzten Datenrahmen erlangt der Arbiter wieder die Kontrolle über den Bus. Das Synchronisationsfenster dient der allgemeinen Bussynchronisation.
ID_DAT Sendeerlaubnis
RP_DAT Antwort
RP_RQ Response Request Transfer
RP_MSG_XXX Response Message Transfer
RP_ACK Response Acknowledge
RP_FIN End of Message
DTR
Control
Objekt-ID
FCS
FTR
2 Byte
1 Byte
2 Byte
2 Byte
1 Byte
DTR
Control
Dataframe
FCS
FTR
2 Byte
1 Byte
1 … 128 Byte
2 Byte
1 Byte
DTR
Control
Object ID _ List
FCS
FTR
2 Byte
1 Byte
n * 2 Byte (n < 64)
2 Byte
1 Byte
DTR
Control Destination Addr.
2 Byte
1 Byte
3 Byte
Source Addr.
Message
FCS
FTR
3 Byte
max. 256 Bytes
2 Byte
1 Byte
DTR
Control
FCS
FTR
2 Byte
1 Byte
2 Byte
1 Byte
DTR
Control
FCS
FTR
2 Byte
1 Byte
2 Byte
1 Byte
Abb. 3.35. FIP nutzt unterschiedliche Datenpakete für Broadcast- und Nachrichtenverkehr
3 Industrielle Feldbusse
545
3.3.4.3 Anwendungsprotokoll WorldFIP unterstützt Anwendungsschnittstellen in drei Gruppen. ABAS (Bus Arbitrator Application Services) stellt die Dienste des zentralen Arbitrators zur Verfügung, um einen deterministischen Datenaustausch zu ermöglichen. MPS (Manufacturing periodical/aperiodical Services) ermöglicht die Bereitstellung von zyklischen und azyklischen Diensten und subMMS setzt auf der nachrichtenbasierten Kommunikation im FIB auf. SubMMS beschreibt einen Subset der Manufacturing Message Specification der ISO/IEC 9506. Funktionen zum Netzwerkmanagement des MIB werden durch SM-MPS (Satz von Netzwerkmanagement- Diensten basierend auf MPS) und SMS (Message-orientierte Netzwerkmanagement-Dienste) bereitgestellt. 3.3.5 Interbus Interbus wurde als Interbus-S von Phoenix Contact entwickelt und wurde 1987 als offenes Feldbusprotokoll offengelegt. Über 600 Firmen sind im Interbus Club e.V. als Nutzergruppe zusammengeschlossen. Interbus ist ein typischer Vertreter der sensor- und aktornahen Feldbusse und auf eine zyklische Bearbeitung von Prozessdaten optimiert. Interbus unterscheidet sich in seinem Übertragungsverfahren deutlich von den nachrichtenorientierten Bussystemen [3.17–3.19].
Abb. 3.36. Anwendungsschnittstellen im FIP
546
Teil E
Bussysteme
3.3.5.1 Physik Zur elektrischen Anschaltung nutzt Interbus eine differentielle Datenübertragung nach RS-485 über Kupferleitungen. Ein Interbusnetzwerk hat prinzipiell eine Ringstruktur. Da jedoch Hin- und Rückleiter gemeinsam in einem Kabel geführt werden, wirkt es physikalisch als Linien- bzw. Baumstruktur. Man unterscheidet zwischen dem Fernbus und dem Peripheriebus. Fernbusteilnehmer besitzen in den Anschaltbaugruppen Repeater, so dass die Daten verstärkt werden. Hierdurch sind Entfernungen zwischen den Fernbusteilnehmern von bis zu 400 m möglich. Über Kupfer ist eine maximale Ausdehnung von 12,8 km spezifiziert. Fernbusteilnehmer werden als Busklemmen bezeichnet. Neben der Repeaterfunktion stellen sie die Betriebsspannung und den Peripheriebus für die E/A-Module zur Verfügung. Interbus ist mit einer Datenrate von 500 kbps und 2 Mbps spezifiziert. Während Busklemmen i. d. R. über einen 9-poligen SUB-D-Stecker angeschaltet werden, sind auf der Peripheriebusseite verschiedene physikalische Varianten möglich. Der Installationslokalbus Interbus-Loop wird beispielsweise über Schraubklemmen angeschlossen. Feldinstallierbare Komponenten nutzen
Abb. 3.37. Interbus hat eine logische Ringstruktur mit Hin- und Rückleiter in einem Kabel
3 Industrielle Feldbusse
547
weiterführender Fernbus
9 4 8 3 7 2 6 1
F DO G /DO H DI J /DI K GND L M RBST
A D C D E
Interbus IN
5
9 RBST 5 3 COM 7 /DI 2 DI 6 /DO 1 DO
Interbus OUT
9-polig SUB-D (DIN 41652)
Schraubklemmen 1 DO 2 /DO 3 DI 4 /DI 5 COM 9 RBST 6 PE 7 +24 V 8 0V
8
1 2
7
9
6
3 4
1 DO 2 /DO 3 DI 4 /DI 5 COM
1
2 5
4
3
5
Rundsteckverbinder IP 65 (Coninvers) Stecker (männlich)
Rundsteckverbinder M12 5-polig Stecker (männlich)
Abb. 3.38. Je nach Anwendungsgebiet sind unterschiedliche Steckverbinder spezifiziert
Rundsteckverbinder wie z. B. M23-Coninvers-Stecker in IP-65-Ausführung oder 5-polige M12-Steckverbinder. Für die Überbrückung großer Entfernungen (bis 80 km) oder bei besonderen Anforderungen hinsichtlich des Isolationsverhaltens oder der EMV spezifiziert Interbus auch eine LWL (Lichtwellenleiter)-Verbindung über FSMA- und FOPT2,2-Steckverbinder. 3.3.5.2 Sicherungsschicht Interbus arbeitet als reines Master-Slave-System. Der Master ist i. d. R. eine Anschaltbaugruppe, die in einer SPS, einem PC oder einem Prozessrechner integriert werden kann. Die gesamte Kommunikation wird durch den Master initiiert und abgewickelt. Die Datenübertragung ist vollduplex und erfolgt in einem sog. Summenrahmenverfahren. Jeder Interbusteilnehmer ist mit seinem Sende- und Empfangsregister ein Teil eines Schieberegisterrings, durch das die Daten seriell durch den Master hindurch getaktet werden. Beim Start eines Zyklus werden die Ausgangsdaten zu den Modulen transportiert. Am Ende des Zyklus liegen alle Eingangsdaten im Master vor. Zur Identifikation des Rahmenanfangs und des Rahmenendes werden die Nutzdaten von einem Loopbackwort (LBW) und einer Endekennung (END) umschlossen. Die Absicherung der Datenübertragung erfolgt durch einen FCS (Frame Check Sequence) zwischen jedem Busteilnehmer. Die Größe der Empfangs- und Senderegister kann von Modul zu Modul variieren, so dass der Summenrahmen durch einen Konfigurationszyklus bei jedem Einschalten des
548
Teil E
Bussysteme Summenrahmen
Steuerung LBW LBW
PD PD
PD PD
PCP PCP PCP PCP PCP PCP PCP PCP PCP PCP
PD PD
PD PD
FCS FCS END END
Rahmendaten Nutzdaten Teilnehmer 1
Teilnehmer 2 Teilnehmer 3 Teilnehmer 4 Teilnehmer 5
Abb. 3.39. Interbus nutzt ein zyklisches Summenrahmenverfahren
Buszykluszeit in ms
Systems neu bestimmt wird. Konfigurationsänderungen oder Systemfehler können so unmittelbar erkannt werden. Die Größe der Sende- und Empfangsregister ist von der Art und Verwendung der Anschaltbaugruppe abhängig. Interbus unterscheidet zwischen einem Prozessdatenkanal PD für die Übertragung von Echtzeitdaten von 2 bis 64 Bit und einem universellen Peripherie-Datenkanal PCP. Ein E/A-Modul mit 16-Bit Digital-Eingang und 8-Bit Digital-Ausgang benötigt ein 8-Bit Empfangsregister und ein 16-Bit Senderegister im Prozessdatenkanal. Ein azyklischer Datenaustausch im Blockmode ist über den PCP-Kanal möglich. Er hat eine Registergröße von 1…246 Byte und ermöglicht die Übertragung von Parametersätzen, Programmdownloads oder das Tunneln von nahezu beliebigen Telegrammen. Interbus ist ein echtzeitfähiges Bussystem. Das bedeutet, dass die Zykluszeiten mathematisch exakt bestimmt werden können. Wie nicht anders zu erwarten, Interbus-Zykluszeit t Zyklus = ( 1.15 * 13 * ( 8+ n) + 3 *t b + t s +2 * t p
5 4
Übertragungszeit Verzögerungszeit
3 2 1
250
500
750
1000 E/A in Bit
t Üb = 13 * ( 8+ n) t verz = (3 * a) *t b + 2 * t p
n = Anzahl der Nutzdaten (Prozess + PCP) a = Anzahl der Busmodule (Fern- und Peripheriebus) tb = Bitdauer (0,002 ms bei 500 kbps) ts = Softwarelaufzeit (0,7 ms G4; 0,34 ms G3) tp = Laufzeit auf dem Kabel (0,016 ms/km)
Abb. 3.40. Die Buszykluszeit ist allein von der Anzahl der E/A-Bits abhängig
3 Industrielle Feldbusse
549
hängt die Zykluszeit von der Anzahl der Nutzdaten des Prozesses und des PCPKanals ab. Aus der ISO-/OSI-Sicht ist der Data Link Layer (Schicht 2 – DLL) in vier Ebenen modelliert. Der MAC-Layer organisiert den Zugriff auf das Bussystem und sichert die Übertragung mit einer standardisierten Frame Check Sequence (FCS) ab. Einfache Dienste für den zyklischen Datentransfer erledigt der Basic Link Layer (BLL). Der Peripherals Data Link (PDL) wandelt die über das DLI (Data Link Interface) eingehenden Dienstanforderungen in die zyklischen Dienste des BLLs um. Der PDL ist zuständig für die Verwaltung der Sende- und Empfangspuffer. 3.3.5.3 Anwendungsprotokoll Interbus stellt auf der Seite der Verarbeitungsschicht unterschiedliche Anwendungsschnittstellen zur Verfügung. Um eine Interoperabilität und Austauschbarkeit zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller zu garantieren, wurden Profile definiert, die eine allgemein gültige Absprache über Dateninhalt und Geräteverhalten formulieren. Eine Bedeutung haben die folgenden durch den Interbus-Club spezifizierten Profile: – – – –
Sensor-Aktor Profil 12 (Grundlegendes Interbus-Profil), Drivecom Profile 22, Encoder Profil 71, Prozessregler Profil 81,
Abb. 3.41. Interbus stellt einen einfachen und einen aufwendigen PCP-Layer zur Verfügung
550
Teil E
Bussysteme
Abb. 3.42. Eine Stärke der Ringstruktur ist die einfache Systemdiagnose
– Robotersteuerungen Profil 91, – Schweißsteuerungen Profil C0, – MMI COM Profil D1 (Anzeige- und Bediengeräte). Im Besonderen definieren die Profile die Datenmodelle und die Interpretation von Datenfeldern sowie die zugehörige funktionale Schnittstelle. Hervorzuheben ist die hervorragende Diagnosemöglichkeit von Interbus-Systemen. Durch die schrittweise Inbetriebnahme der Ringstruktur können Fehler unmittelbar ortsgenau detektiert werden. Softwaretools oder Anzeigen der Anschaltbaugruppen geben hierüber umfassend Auskunft. 3.3.6 P-Net P-Net wurde 1984 bei der dänischen Firma Process-Data entwickelt und wird heute als offener Standard der IEC 61158 Typ 4 bei der International P-Net User Organisation mit Sitz in Silkeborg, Dänemark gepflegt. P-Net wurde als Multimaster System für den Einsatz in der Prozesstechnik entwickelt. Eine Besonderheit von P-Net ist, dass es nicht auf die Schichten 3 und 4 des ISO-/OSI-Modells verzichtet, wie es sonst bei Feldbussen üblich ist. P-Net gehört mit einigen tausend Installationen nicht unbedingt zu den erfolgreichsten Bussystemen. 3.3.6.1 Physik Als Übertragungsmedium wird eine geschirmte 2-Drahtleitung mit differenzieller Übertragung nach dem RS-485-Standard und einer Geschwindigkeit von 76,8 kbps verwendet. P-Net verwendet eine Ringstruktur. Hierdurch kann auf die üblichen Abschlusswiderstände verzichtet werden und die Anzahl der möglichen Knoten wächst auf 125 Teilnehmer. Die maximale Ausdehnung beträgt nach Spezifikation 1.200 m. Durch den Einsatz von sog. Multimastern kann eine hierarchische Baumstruktur realisiert werden.
3 Industrielle Feldbusse
Abb. 3.43. P-Net nutzt ein virtuelles Token-Passing
Busaktivität
Token Master
Idle Bus Period Counter
551
1
2 3 1
2
70 60 50 40 30 20 10 0
3.3.6.2 Sicherungsschicht P-Net ist ein Multimaster-System. Zur Arbitrierung der Master wird ein virtuelles Token-Passing-Verfahren eingesetzt. Jeder Master bekommt eine Knotenadresse mit aufsteigender Nummerierung, einen Leerlaufzähler (Idle Bus Bit Period Counter) und einen Zugriffszähler (Access Counter). Nach einer Busaktivität wartet der Bus 40 Bitzeiten. Danach wird in einem festen Raster von 10 Bitzeiten das virtuelle Token durch ein Inkrement des Zugriffszählers weitergegeben. Der Accesscounter wird als Ringzähler betrieben, der bei einem Wrap-Around mit der niedrigsten Adresse fortfährt. Jeder Master darf während des Tokenbesitzes immer nur genau eine Nachricht versenden. Die Antwort des Slaves erfolgt in einem Zeitfenster zwischen 11 und 30 BitZeiten. Das P-Net Telegramm besteht aus 5 bis 91 11-Bit großen UART-Blöcken. Im Adressfeld kann im einfachsten Fall eine Punkt-zu-Punkt-Kommunikation beschrieben werden. Im Control- und Status-Feld werden Dienstkennungen angegeben. Die Datenlänge wird im DL-Feld mit bis zu 63 Nutzdatenblöcken angegeben.
Adressfeld Status DL 2 – 24 Byte
1 Byte
1 Byte
Nutzdaten
Error
0 .. 63 Byte
1-2 Byte
UART-Block 0 7 Bit Zieladresse
1 7 Bit Quelladresse
Einfacher Adresstyp
0 0 0
1 7 Bit Quelladresse
Komplexer Adresstyp
Ziel A Ziel B Extraadresse
Abb. 3.44. Datenrahmen und Zeichenkodienrung im P-Net
0 XXXXXXXXX 1 Start
Data
1 Adresse 0 Data
Stop
552
Teil E
Bussysteme
Master Master 11
Routing über Multi-Port Master
Slave Slave
47
38
Adressfeldeinträge P1: 77
Master Master
MP MPMaster Master 22 P2: 41
45
33 P1: 32
2
MP MPMaster Master 44
Slave Slave
P2: 11
5
Slave Slave
55 87
Slave Slave
11
77
P2
32
P2
87
47
22 33
P2
32
P2
87
P1
47
32
P2
87
41
P1
47
44
P2
87
P1
41
P1
47
55
87
11
P1
41
P1
47
4
Slave Slave
Abb. 3.45. Nachrichten können in P-Net über Multi-Port-Master geroutet werden
P-Net ermöglicht eine sog. Multi-Net-Strukur, bei der verschiedene Subnetze über Multi-Port-Master verbunden werden. Die Implementierung einer ISO-/ OSI-Schicht 3 und 4 ermöglicht das Routen von Nachrichten über Multiport-Master hinweg. Die Adressfeldeinträge werden hierbei jeder Teilroute angepasst. 3.3.6.3 Anwendungsprotokoll P-Net unterstützt verschiedene Dienste, die es ermöglichen, direkt auf Variablen von Busteilnehmern zuzugreifen oder Nachrichten in Broadcasts zu versenden. Kernstück des Anwendungslayers sind Channel, die Variablen und Funktionen, vergleichbar zu Objekten, zusammenfassen. Ein Kanal hat eine genau definierte Folge von Registern, die die Eigenschaften des Prozessobjekts beschreiben. 3.3.7 Profibus Der Profibus (Process Field Bus) geht auf ein vom BMFT (Bundesministerium für Forschung und Technologie) gefördertes Verbundprojekt zurück, das 1987 mit 21 Vertretern von Hochschulen und Firmen gestartet wurde. Die Ergebnisse mündeten 1991 in die DIN 19245 als Profibus FMS (Fieldbus Message Specification). Profibus FMS bildete ein komplexes objektorientiertes Kommunikationssystem für anspruchsvolle Kommunikationsaufgaben ab. Einen bedeutenden Erfolg hatte Profibus durch seine pragmatische Reduktion auf ein effizientes und überschaubares Protokoll 1993. Diese kompakte Profibus-Variante wird als Profibus-DP (Dezentrale Peripherie) vermarktet und ist heute mit über 10 Millionen installierten Knoten Marktführer im Bereich industrieller Bussysteme. Profibus wird als offenes Bussystem durch die PNO (Profibus Nutzer Organisation) und die PI (Profibus International) mit über 1100 Mitgliedern vertreten. Ziel der Interessenvertretung ist die einheitliche Förderung, Vermarktung und Entwicklung der Technologie [3.20, 3.21].
3 Industrielle Feldbusse
Abb. 3.46. Profibus ist Marktführer im Bereich installierter Feldbusknoten (Quelle: PIVO)
10 Installierte Feldbusknoten [Mio]
553
9 8 7
Interbus
6 5 4 3
DeviceNet
2
CC-Link
1
Quelle: PNO
Profibus
1994
1999
2004
Abb. 3.47. Profibus stellt einen Baukasten von Technologien zusammen
Profibus orientiert sich vom Systemaufbau am ISO-/OSI-Modell, wobei feldbustypisch nur die Layer 1, 2 und 7 spezifiziert sind. Auf der Bitübertragungsschicht sind Kupfer-, LWL- und eine eigensichere MBP-Übertragung zulässig. Kern des Systems ist die Spezifikation der Sicherungsschicht in den Varianten DP-V0, DP-V1 und DP-V2. Die unterschiedlichen Varianten spezifizieren den er-
554
Teil E
Bussysteme
Abb. 3.48. Leistungsspektrum einer Profibus-DP-Funktionsebene
forderlichen Funktionsumfang von geringer (DP-V0) bis vollständiger (DP-V2) Funktionalität. Schichtenübergreifend definiert Profibus Anwendungsprofile, die ein Gerät für einen bestimmten Anwendungsfall erfüllen muss. Grundprofil ist Profibus-DP für alle Anwendungen in der Fertigungssteuerung. Ausprägungen finden sich in spezialisierten Profilen für Identsysteme oder Robotersteuerungen. Profibus PA ist spezialisiert für den Einsatz in der Prozessautomation. Die Steuerung von Antrieben wird über das ProfiDrive-Profil abgedeckt und sicherheitsorientierte Anwendungen für den Personenschutz werden über das PROFIsafe-Profil abgedeckt. Profibus deckt aus der Sicht der Automatisierungspyramide die typische Feldebene mit der Vernetzung von Steuerungsgeräten und komplexen Sensoren und Aktoren im sicheren und Ex-Bereich ab. Eine sinnvolle Ergänzung zur Sensor-Aktor-Ebene ist das auf einfache und kostengünstige Installation ausgelegte AS-Interface. Zur Aufrufebene wird Profibus als Echtzeitbus in die PROFInet-Systematik eingebettet und wird damit zur Unternehmensebene durch Ethernet ergänzt. In den weiteren Abschnitten werden die Ausführungen an dieser Stelle auf Profibus-DP beschränkt.
Profibus DP
Profibus PA Motion Control
Fertigungssteuerung
Prozessindustrie
Application Application Profile Profile
Application Application Profile Profile
Ident IdentSystem System ……
PA PADevices Devices ……
PROFIsafe
Antriebssteuerung
Application Application Profile Profile PROFIdrive PROFIdrive
Application Application Profile Profile PROFIsafe PROFIsafe
DP-Stack DP-Stack
(DP V0 .. V2) (DP V0 .. V2)
(DP V0 .. V1) (DP V0 .. V1)
DP-Stack DP-Stack
DP-Stack DP-Stack (DP V2) (DP V2)
(DP V0 .. V2) (DP V0 .. V2)
RS-485 RS-485
MBP-IS MBP-IS
RS-485 RS-485
RS-485 RS-485/ /MBP MBP
DP-Stack DP-Stack
Abb. 3.49. Ausprägungen von Profibus-Profilen
555
Aufrufebene
3 Industrielle Feldbusse
Sensor-Aktor Ebene
Feldebene
Ethernet / PROFInet Profibus DP
Profibus PA - MBP
AS-Interface
Abb. 3.50. Profibus ist ein typischer Busvertreter der Feldebene
3.3.7.1 Physik Zur elektrischen Anschaltung nutzt Profibus-DP bevorzugt eine differentielle Datenübertragung nach RS-485 über Kupferleitungen in Linientopologie. Alternativ ist eine Übertragung über Lichtwellenleiter möglich. Neu spezifiziert wurde eine Datenübertragung nach RS-485-IS, eine eigensichere Variante über eine 4-Draht-Leitung für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen der Schutzklasse EEx i.
Abb. 3.51. Physikalische Anschaltung von Profibus-DP-Leitungen
556
Teil E
Bussysteme
Baudrate kbps Baudrate kbps
9,6 9,6
19,2 19,2
93,75 187,5 93,75 187,5
1500 12000 1500 12000
Reichweite m Reichweite m
1200 1200
1200 1200
1200 1200
200 200
1000 1000
100 100
Abb. 3.52. Die Reichweite von Profibus ist von der Datenrate abhängig
Die Übertragungsgeschwindigkeit ist mit 9,6 kbps bis 1.200 kbps spezifiziert. In einem Bussegment können bis zu 32 Busteilnehmer angeschlossen werden. Die Busleitungen sind in jedem Fall über ein Netzwerk abzuschließen. Sind mehr als 32 Busteilnehmer notwendig, kann das Netzwerk über Repeater erweitert werden. Für Anwendungen mit erhöhten Anforderungen hinsichtlich EMV, zur Überbrückung großer Entfernungen oder bei einer notwendigen galvanischen Entkopplung ist der Einsatz von Lichtwellenleitern vorgesehen. Im einfachsten Fall sind hierfür RS-485/LWL-Konverter verfügbar, die einen Wechsel der Medien je nach Anlagengegebenheit zulassen. Profibus-Segmente in LWL-Technik können in einer Ringstruktur aufgebaut werden. Abb. 3.53. Erzielbare Reichweiten beim Einsatz von LWL
3.3.7.2 Sicherungsschicht Profibus nutzt ein hybrides Kommunikations-Modell mit Multimasterfähigkeit und unterlagerter Master-Slave-Kommunikation. Mastergeräte kontrollieren den Datenverkehr auf dem Bus. Die Arbitrierung erfolgt durch ein kollisionsfreies Zugriffsverfahren mit dezentraler Token-Verwaltung. Jede Station kennt den Vorgänger und den Nachfolger und bildet damit einen logischen Ring auf der phy-
Tokenumlaufzeit ist Echtzeitkriterium (TTR - Target-Rotation-Time)
min TTR = n ⋅ (TTC + TMC ) + k ⋅ TMC n K TTC TMC
Anzahl der Master Anzahl der low Priority Telegramme pro Token Zirkulation Tokenzykluszeit Nachrichtenzykluszeit (abhängig von der Telegrammlänge)
Abschätzung der minimalen Zykluszeit bei zyklischen Prozessdaten
TZyklus =
500 + Slave ⋅ 320 + Bytes ⋅11 Bitrate
Abb. 3.54. Token-Umlaufzeiten und Zykluszeiten
3 Industrielle Feldbusse
557
SD1 - Telegramm ohne Datenfeld SD1
DA
SA
FC
FCS
Start
ED
UART Datenwort
1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte
8 Datenbits
Parity Stop
0
X 1
SD2 - Telegramm mit variabler Länge SD2
LE
SD2
LEr
DA
SA
FC
DATA
1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte
FCS
1 … 246 Byte
ED
1 Byte 1 Byte
SD3 - Telegramm mit fester Länge SD3
DA
SA
DATA
FC
1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte
FCS
8 Byte
SD4 – Token Telegramm SD4
DA
ED
1 Byte 1 Byte
Steuerfelder / Bedeutung
SA
0x10
DA
Destination Address
SD2
0x68
SA
Source Address
SD3
0xA2
FC
Frame Control
SD4
0xDC
FCS
Frame Check Sequence
SD1
1 Byte 1 Byte 1 Byte
SC – Kurzquittung SC 1 Byte
ED
0x16
LE
Length (4 … 249)
SC
0xE5
LEr
Length repeated
Abb. 3.55. Profibus-Telegramme
Master
Slave
Bus ist frei TSYN = 33 Bitzeiten Last Bit send
Request
TQUI TSL1
First Byte received
min TSDR = 11 Bitzeiten
TRDY
Response
max TSDR = 60 .. 860 Bitzeiten
TSYN = 33 Bitzeiten
Bitrate
bis 187,5 kbps
500 kbps
1.5 Mbps
TQUI TRDY min TSDR max TSDR TSL
0 < 11 11 60 100
0 < 11 11 100 200
0 < 11 11 150 300
Abb. 3.56. Timing in einem Profibus-DP-Netzwerk
558
Teil E
Bussysteme
sikalischen Linientopologie. Das Token-Verfahren ist analytisch bestimmbar und ermöglicht die Bestimmung des Master-Zyklus. Während eines Masterzyklus hat der aktive Master die vollständige Kontrolle über den Bus und pollt die zugeordneten Slaves in einem reinen Master-SlaveZugriff ab. Slaves dürfen Nachrichten nicht ohne Aufforderung durch einen Master versenden. Telegramme und Telegrammsequenzen sind bei Profibus einheitlich gelöst. Mit Ausnahme der MBP-Übertragung erfolgt die Kodierung eines Bytes als UARTZeichen. Durch eine weitere CRC im Telegramm kann so eine Hammingdistanz von 4 erreicht werden. Es sind 5 verschiedene Telegrammtypen definiert, die für alle Profibus-Varianten verbindlich sind. Für eine ordnungsgemäße Kommunikation ist ein exaktes Timing des Profibus notwendig. Hier unterscheidet sich auch FMS deutlich von DP, da es wesentlich schwächere Zeitanforderungen formuliert. Jede Kommunikation wird nach einer Synchronisationszeit von 33 Bitzeiten angestoßen. Der Slave darf frühestens nach min TSDR antworten und muss spätestens nach max TDSR geantwortet haben. Die Gesamtsequenzlänge von TSL darf nicht überschritten werden. 3.3.7.3 Profibus-Dienste Profibus-DP ist primär für den schnellen Datenaustausch von Feldgeräten konzipiert worden. Der Schwerpunkt liegt damit auf einer effizienten und kostengünstigen Kommunikation. Die ursprüngliche Multimasterfähigkeit wurde zugunsten einer einfachen Echtzeitstruktur mit drei Gerätetypen überarbeitet. Der Steuerungsmaster (DPM1) dient als zentrale Steuerung mit einem festen Nach-
DP-Master Klasse 2 (DPM2) DP-Master Klasse 1 DPM1
Profibus DP Slaves Abb. 3.57. Profibus-DP arbeitet mit unterschiedlichen Master-Klassen
3 Industrielle Feldbusse
Dienst SDN SDA SRD CSRD MSRD CS
Funktion DP V0 DP V1 DP V2 Send Data with No Acknowledge X X X Send Data with Acknowledge Send and Request Data X X X Cyclic Send and Request Data Send and Request Data with Multicast Reply X Clock Synchronisation X X
559
FMS X X X X
Abb. 3.58. Dienste und Funktionen in Profibus
richtenzyklus, der die Slaves bedient und alleine das Recht hat, das Prozessabbild zu beschreiben. DP-Master der Klasse 2 (DPM2) sind Engineering- oder Projektierungstools und Bediengeräte, die nur einen eingeschränkten Zugriff auf das System haben. DPM2-Geräte müssen nicht permanent am Bus angeschlossen sein. Die Slaves sind passive Feldgeräte die Eingangs- und/oder Ausgangsdaten für den Prozess zur Verfügung stellen und durch die Master gepollt werden. Profibus-DP unterstützt verschiedene Kommunikationsabstufungen, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden. DP-V0 stellt die grundlegenden Funktionen für einen zyklischen Datenaustausch sowie für stations-, modul- und kanalspezifische Diagnosen zur Verfügung. Neben den rein zyklischen, teilnehmerbezogenen Diensten, die über den DPM1-Master angestoßen werden, gibt es auch die Möglichkeit, Steuerkommandos als Multicast zu versenden. Die Kommandos Sync und Freeze ermöglichen das zeitsynchrone Einfrieren oder Ausgeben von Prozesswerten auf den angeschlossenen Slaves. In der Leistungsstufe DP-V1 kommt zusätzlich noch ein azyklischer Datenverkehr hinzu. Azyklische Daten werden beispielsweise für die Parametrierung und Kalibrierung von Feldgeräten im laufenden Betrieb benötigt. Darüber hinaus ermöglicht eine asynchrone Kommunikation auch das nicht zyklische Versenden von Alarm- oder Statusmeldungen. Entsprechend den erweiterten Möglichkeiten von DP-V1-Geräten sind auch die Diagnosefunktionen um diese Dienste erweitert worden. Die maximale Ausbaustufe von DP-Geräten ermöglicht die Leistungsstufe DPV2. Zur Reduktion der Kommunikation wurde ein Slave-Querverkehr nach dem Publisher-Subscriber-Modell eingeführt. Nach einer Master-Anforderung kann der Slave die Nachrichten als Broadcast auf den Bus legen, so dass andere Slaves unmittelbar die Daten abonnieren können. Reaktionszeiten auf dem Bus können so beispielsweise für Motion-Control-Anwendungen um bis zu 90 % reduziert werden. Ein isochroner Datenmodus ermöglicht die taktsynchrone Datenübertragung zwischen Master und Slaves unabhängig von der Busbelastung. Eine Uhrzeit geführte Steuerung wird durch ein neues Broadcasttelegramm umgesetzt, das eine Systemzeitsynchronisation von Master und Slaves mit einer Genauigkeit von einer Millisekunde zulässt. Darüber hinaus werden Dienste zum Up- und Download von Programmen und das Aktivieren von Prozessen zur Laufzeit (Function Invocation) unterstützt.
560
Teil E
Bussysteme
3.3.7.4 Anwendungsprotokoll Ein wesentlicher Erfolg von Profibus-DP ist der Verzicht auf eine umfangreiche Anwendungsschicht. Vielmehr wird in Profilen der Zugriff auf die Dienste der unterschiedlichen Leistungsklassen DP-V0 bis DP-V2 definiert. Der eigentliche Dienstzugriff wird durch die jeweilige Anwendung realisiert. Ein komplexes Objektmodell zur Verwaltung virtueller objektorientierter Feldmodule definiert die Spezifikation Profibus-FMS. Die FMS (Fieldbus Message Specification) ist an MAP/MMS orientiert und definiert unterschiedliche Profile für verschiedene Anwendungsbereiche. Aufgrund der Komplexität hat FMS keine wesentliche Bedeutung für den Einsatz des Profibusses. 3.3.8 CC-Link (Control & Communication Link) Das asiatische Gegenstück zum Profibus ist der CC-Link (Control & Communication Link). Er wurde 1996 von Mitsubishi Electric zunächst für den Eigengebrauch entwickelt. Mittlerweile existiert eine offene Interessengemeinschaft, die CLPA (CC-Link Partners Association), die sich bemüht, den Standard weltweit zu etablieren. Mit der aktuellen Spezifikation werden zwei technologisch gleiche Bussysteme, jedoch mit einer unterschiedlichen Profilbildung unter CC-Link und CC-Link/LT (Light) positioniert. Die Bussysteme entsprechen keiner ISO- oder EN-Norm, sind jedoch im asiatischen Wirtschaftsraum in dort gültige Normen gefasst. Tabelle 3.5. CC-Link und CC-Link/LT im Vergleich Eigenschaft Maximale Anzahl Slaves
CC-Link
CC-Link/LT
64
64
Maximale Anzahl adressierbarer IO-Punkte
8 192
2 048
Maximale Anzahl adressierbarer Datenworte
2 048
-
Datenrate
10, 5, 2.5 Mbps 625, 156 kbps
2.5 Mbps 625, 156 kbps
Typische Zykluszeit für 64 Knoten
4 ms bei 10 Mbps
2 ms bei 2,5 Mbps
Netzwerktopologie
Multi-drop, Stern, T-Verzweigung
T-Verzweigung
Fehlererkennung
CRC
CRC
Physikalische Anschaltung
RS-485
RS-485
Medium
Verdrilltes 3-Leiter-Kabel
4-polige Flachbandleitung
Kommunikationsart
Broadcast Polling
BITR
Übertragungsformat
HDLC
HDLC
3 Industrielle Feldbusse
561
CC-Link steht funktional auf der gleichen Ebene wie Profibus oder DeviceNet. Für die einfache Anbindung von Sensoren und Aktoren, vergleichbar zu ASI, ist CC-Link/LT mit einem 4-adrigen Flachbandkabel mit Spannungsversorgung optimiert. C-Link ist ein wachsendes Bussystem mit über 2 Mio. Knoten im Markt (2004). Über 500 Partnerfirmen bieten fast 600 zertifizierte Produkte an. Auch auf dem europäischen Markt sind mittlerweile etliche Hersteller für CC-Link-Produkte etabliert [3.22]. 3.3.8.1 Physik CC-Link nutzt eine differentielle Signalübertragung nach dem RS-485-Standard auf einem typischerweise 3-fach verdrillten Kabel. Für CC-Link sind verschiedene Steckverbinder mit und ohne Spannungsführung spezifiziert. Die erzielbare Netzausdehnung mit Stichleitung beträgt bei einer Geschwindigkeit von 10 Mbps 100 m, bei 2,5 Mbps 400 m und bei 156 kbps 1,2 Kilometer.
R 110 Ω
1 2 3 4
SLD DB DG DA
SLD DB DG DA FG
Easy Connection 4 / 7-polig (männlich)
2
1
2
1
3
4
3
4
SLD DB DG DA FG
SLD DB DG DA FG
DA DB DG SLD
1 2 3 4 5 6 7
DA DB DG N.C. + 24 V 24G SLD
2 5
1 4
6
3 7
Alu Tape R 110 Ω
M 12 Stecker (männlich)
DA DB
Abb. 3.59. CC-Link-Verbindungen
Abb. 3.60. Installationstechnik bei CC-Link/LT mit einem kodierten Flachbandkabel (CC-Link.org)
Shield
DC
562
Teil E
Bussysteme
Besonders optimiert auf eine kostengünstige Installationstechnik ist die LT-Variante von CC-Link. Hier wird ein kodiertes Flachbandkabel eingesetzt, das gleichzeitig die Sensorspannung führt. Die Kunststoffverbinder sind mit einer SchneidKlemm-Technik ausgerüstet, so dass eine einfache Kombizange zur Konfektionierung ausreicht. 3.3.8.2 Sicherungsschicht Der Datenzugriff erfolgt in einem Broadcast-Polling. Der Master setzt hierzu eine Refresh-/Start-Meldung als Broadcast auf das Netz ab. Die Remote-Stationen antworten in steigender Reihenfolge mit einer Remote-Antwort. In einem Mastertelegramm werden sämtliche angeschlossenen Stationen adressiert und ggf. mit Nutzdaten versorgt. Hierdurch wird eine quasi gleichzeitige Übernahme der Daten sichergestellt. Das Mastertelegramm sorgt damit für die Synchronisation der angeschlossenen Stationen. Die einzelnen Stationen antworten nacheinander asynchron.
Master
Cycle Adjust
Poll & Refresh
Cycle Adjust
Poll & Refresh
Poll & Refresh
Slave
AAS S RY area 1 2 1 2
RWw area
S S RY S S RY S S RY 3 Q 1 3 Q 2 3 Q 3
CRC
S S RY 3 Q 64
RWw 1
RWw 2
RWw 64
Broadcast Master-Telegramm (Request)
AAS S RX area 1 2 1 2
RWr area
S S RX 3 Q
RWr area
CRC
Slave-Telegramm (response)
Abb. 3.61. CC-Link-Datentelegramme
Master MasterStation Station
Remote Remote 11
Remote Remote 22
Refresh Start
Remote Remote nn Masterbroadcast für Signalrefresh Antwort der Remote-Station 1 Antwort der Remote-Station 1
Wiederholsequenz
Antwort weiterer Remote Stationen Antwort der Remote-Station n
Refresh Start
Abb. 3.62. CC-Link nutzt ein Broadcast-Polling für den Kanalzugriff
3 Industrielle Feldbusse
563
CC-Link/LT verwendet zum Transfer ein sog. BITR-Verfahren (Broadcast Polling and Interval Timed Response), bei dem die Stationen in einem festen Zyklus antworten. Durch das effiziente Zugriffsverfahren können 64 Stationen in 1,2 ms bei einer Geschwindigkeit von 2,5 Mbps abgefragt werden. 3.3.8.3 Anwendungsprotokoll Wie bei Feldbussen der unteren Ebene üblich, werden keine besonderen standardisierten Anwendungslayer zur Verfügung gestellt. Eine Abstraktion der Dienste erfolgt durch Programmierschnittstellen, die durch die jeweiligen Hersteller unterstützt werden. Dienste für Diagnose und Parametrierung werden wie auch bei anderen Feldbussen unterstützt. 3.3.9 Swiftnet Swiftnet ist nach der IEC 61158 als Feldbus unter dem Typ 6 genormt. Hierbei scheint es sich jedoch um eine sehr frühe Spezifikation zu handeln, denn außer in den Publikationen des DKE sind keine nennenswerten Veröffentlichungen zu finden. Mittlerweile ist auch der Internet-Link zu dem Hauptanbieter und Promoter der Technologie www.shipstar.com nicht mehr verfügbar.
3.4 Antriebstechnik Eine der interessantesten Herausforderungen an die moderne Automatisierungstechnik ist die Steuerung von geregelten Antrieben. Dieses Themengebiet wird
Abb. 3.63. Konventionelle analoge NC-Antriebstechnik
564
Teil E
Bussysteme
Abb. 3.64. Busbasierte digitale Antriebstechnik
unter dem Begriff „Motion Control“ zusammengefasst. Die Steuerung der Maschinenachsen erfolgt i. d. R. durch eine Lagereglung. In der konventionellen NC-Steuerungs- und Antriebstechnik werden typischerweise Servoregler mit einem Analogeingang (+/- 10 Volt) verwendet. Die CNCSteuerung berechnet anhand der Lageistwerte und der Sollwerte die Drehzahl des Antriebs. Der Drehzahlsollwert wird als Analogwert für den Regler ausgegeben. Der Servoregler kalkuliert anhand der Solldrehzahl, der aktuellen Geschwindigkeit, der Statorposition und des Stromwertes ein geeignetes PWM(PulsweitenModulation)-Signal. Liegt ein Mehr-Achsen-System vor, bei dem die Achsen abhängig voneinander geregelt werden müssen, ist die Parametrierung des Systems sehr schwierig. Eine deutliche Verbesserung wird durch digitale Antriebsregler erreicht. Hier werden alle Reglerparameter in der CNC-Steuerung gehalten und verwaltet. Die interpolierten Sollwerte und die Istwerte der Achsen werden über ein Bussystem übertragen. Auch die Regelung mehrerer Achsen ist durch die Vernetzung des Reglers mit der CNC-Steuerung relativ problemlos möglich. Da Mehrachsensysteme einer gewissen Dynamik unterliegen, müssen abhängig von einer Masterachse in deterministischen Zeitabständen die Lagesollwerte für eine jede Achse berechnet werden. Bei einem Mehrachsensystem ist für jede Achse individuell in einem festen Zyklus die jeweils notwendige Lage zu bestimmen. Das exakte Einhalten der Abtastzeiten und eine präzise Koordinatenbestimmung sind ausschlaggebende Qualitätskriterien für eine adäquate Positionierung. Für eine Genauigkeit von 1 µm sind bei den üblichen Fortschrittsgeschwindigkeiten einer Bearbeitungsmaschine von 30 m/min Zeitauflösungen von 1 µs not-
3 Industrielle Feldbusse
565
wendig. Hier zeigen sich dann auch die möglichen Grenzen, da die Zeitauflösung ggf. auch über ein Bussystem realisiert werden muss. Nach dem Stand der Technik geht der Trend hin zu universell programmierbaren Systemen. Eine gute Basis bilden beispielsweise die Motion-Control-Funktionen der IEC 61131, die einen wesentlichen Beitrag zur Standardisierung von Automatisierungskomponenten bietet. Je nach Anforderungen findet man jedoch unterschiedliche Konzepte, Lösungen und Implementierungen. Motion-Control-Systeme lassen sich grob in vier Gruppen einteilen. 1. Zentrale Motion Controller Zentral arbeitende Spezialrechner für Antriebsaufgaben sind eine Weiterentwicklung aus den Prozessrechnern der 80er Jahren. Aufgrund der steigenden Rechenleistung der Prozessoren sind derart individualisierte Systeme nur noch bei extremen Anforderungen notwendig, wobei Zykluszeiten im µs-Bereich erreicht werden müssen. Hier können aufgrund der Übertragungsverzögerungen keine Bussysteme eingesetzt werden. Derartige Systeme findet man nur noch bei extrem schnellen Spezialmaschinen wie z. B. in der Verpackungsindustrie. 2. Dezentrale Motion Controller Zur Reduktion der Anzahl der parallel arbeitenden Anschaltbaugruppen ging der Trend Ende der 80er Jahre in Richtung dezentraler Positioniercontroller. Für die Verknüpfung mehrerer Achsen zu einem Achsverbund ist eine serielle oder parallele Verkabelung über einen echtzeitfähigen Bus notwendig. Ein wesentlicher Ansatzpunkt ist die Synchronizität und der Determinismus der Ereignisse und Steuereingriffe. Die Systemauslegung und Synchronisierung ist nicht unkritisch und führt zu einer großen Komplexität bei der Inbetriebnahme und im laufenden Betrieb. 3. SPS oder PC mit Motion-Control-Coprozessor Die Verwendung von Spezialbaugruppen mit der klassischen SPS-Steuerungstechnik ist der konventionelle Weg, da SPS i. d. R. nicht leistungsfähig genug sind, um umfangreiche Interpolationsaufgaben durchzuführen. Diese Lösung weist Nachteile durch hohe Kosten für intelligente Positioniermodule sowie eine mangelnde Flexibilität durch eine Herstellerabhängigkeit auf. 4. Softwarelösung auf PC-Systemen PC-basierte Systeme haben eine unvergleichbar hohe Rechenleistung im Vergleich zu speicherprogrammierbaren Steuerungen. Im Gegensatz zu den traditionellen Ansätzen stehen quasi unbegrenzter Speicher und unvergleichliche Performance zur Verfügung. Notwendig wird jedoch ein extrem schnelles Bussystem, das die Anforderungen befriedigen kann. „Normale“ Feldbussysteme sind den Anforderungen an Motion-Control für komplexere Anwendungen nicht gewachsen. Hierdurch haben sich einige spezialisierte Feldbussysteme speziell für den Antriebsbereich entwickelt. Ein Trend ist dabei die Verwendung von Ethernet-basierten Bussystemen sowie die Verwendung von
566
Teil E
Bussysteme
Tabelle 3.6. Anforderungen an Motion Control Systeme Anwendung
Zykluszeit
Synchronität
Positionsantrieb FUs und I/O
4 ... 10 ms
Nicht synchron
Interpolierende Antriebe, High-Speed IO
250 µs ... 4 ms
besser 1 µs
Mehrachsantrieb mit zentraler Signalverarbeitung
30 µs ... 125 µs
besser 1 µs
Multimedia-Bussen wie IEEE 1394 (Firewire) oder FlexRay aus der Automobilindustrie. Den Ethernet-basierten Systemen ist Kap. 4 gewidmet. 3.4.1 SERCOS – Serial Realtime Communication System Speziell für den Einsatz mit intelligenten digitalen Antrieben für den Einsatz in CNC-Maschinen wurde Sercos entwickelt. Das Bussystem wurde 1990 zur Normung eingereicht und ist seit 1995 als IEC-Norm 61491 spezifiziert. Seit 1997 ist eine Zertifizierung durch die Sercos Interessengemeinschaft für eine sichere Interoperabilität möglich.
Synchronisation
Synchronisation
Sollwertkanal
Interpolation
Kommandokanal NC-Servicekanal
PC-Interface
Istwertkanal
NC Programm
Diagnosekanal
Diagnose
Bedienoberfläche
MMI-Servicekanal
SERCANS
Steuerung
Lichtwellenleiter Echtzeitbus
Abb. 3.65. SERCOS definiert einen Glasfaser-Echtzeitbus in Ringstruktur
MMI
3 Industrielle Feldbusse
567
Innerhalb des Antriebsbusses wird nicht nur der echtzeittaugliche Datentransport beschrieben, sondern vielmehr eine komplexe Anwendungsschicht für die Synchronisation, Diagnose und Steuerung von vernetzten Antrieben. Seit einigen Jahren ist auch die Einbindung von schnellen EA-Baugruppen möglich. Sercos nutzt typischerweise einen Glasfaser-Ring. Eine Weiterentwicklung in Richtung Ethernet-Physik wird in der Sercos III–Spezifikation vorangetrieben [3.23]. 3.4.1.1 Physik Sercos nutzt bis zur aktuellen Spezifikation II für die Datenübertragung ausschließlich einen Glasfaser-Ring. Der Vorteil von LWL (Lichtwellenleiter) liegt durch die gute galvanische Entkopplung und die hohe EMV-Verträglichkeit auf der Hand. Mit preiswerten Plastikfasern sind Segmentlängen von 50 m erreichbar, durch den Einsatz von Glasfasern ist die Segmententfernung auf 250 m verlängerbar. Maximal sind 254 Teilnehmer in einem Sercos-Netzwerk integrierbar. Es sind Datenraten von 2, 4, 8 und 16 Mbps spezifiziert. Durch das effiziente Telegramm sind Zykluszeiten bis zu 62,25 µs bei 2 Achsen möglich. 3.4.1.2 Sicherungsschicht
Antriebe im Glasfaser-Ring
Sercos ist ein reines Master-Slave-System, wobei die CNC bzw. der Steuerungsrechner immer der Master ist. Alle Antriebe werden als Sercos-Slaves behandelt. Der Datenzugriff erfolgt mit einem synchronisierten Broadcast-Polling. Am Anfang eines Buszyklus wird ein kurzes Master-Synchronisations-Telegramm als Broadcast durch den Master versendet. Die Slaves nutzen dieses Signal, um zeitgleich die aktuellen Prozessdaten einzufrieren und die ggf. vorher übertragenen
Übertragungsrate 16 Mbps 120 80 40 20 10 5 2 0,5
0,250
0,125
0,0625
1 2 3 SERCOS Zykluszeit [ms]
Abb. 3.66. Bei 16 Mbps sind auch bei vielen Achsen Zykluszeiten im µs-Bereich möglich
568
Teil E
Bussysteme
Master-Daten.-Tgr. Master-Sync.-Tgr.
Master-Sync.-Tgr.
Master Antriebe
ABC
A
B
C
t/µs
Antriebs-Telegramme der Slaves
Master Master
A
Übertragungszyklus
B
C
Abb. 3.67. Übertragungszyklus bei SERCOS
Sollwerte auszugeben. Anschließend senden die Slaves ihre Daten nacheinander in jeweils einem Antriebstelegramm in fest definierten Zeitschlitzen zurück an den Master. Anhand der aktuellen Istwerte kalkuliert der Master die neuen Sollwerte, die wiederum per Broadcast in einem Master-Daten-Telegramm auf den Bus gegeben werden. Am Beginn des neuen Zyklus werden die Parameter mit dem Master-Sync-Telegramm von den Slaves übernommen. Sercos verwendet zur Datenübertragung einen einfachen HDLC-Datenrahmen mit dem eigentlichen Datenfeld und Start- und Ende-Kennung, Stationsadresse sowie Sicherungsfeld (FCS Field Control Sequence) als Steuerdaten. Es werden drei Telegrammtypen unterstützt. Das Master-Sync-Telegramm besteht aus nur einem Byte Nutzdaten für die Ringsteuerung. Das Master-Daten-Telegramm beinhaltet in seinem Nutzdatenteil einen Datensatz für jeden Antrieb bzw. jedes angeschlossene Sercos-Device. Das Antriebstelegramm beinhaltet ausschließlich einen Datensatz vom Antrieb an den Master. Die Datensätze des Master-Daten-Telegramms und des Antriebstelegramms haben einen identischen Aufbau. In einer festen Struktur ist ein Steuer- oder Statusfeld zur Primärsteuerung vorgesehen. Hier sind Betriebsarten und Start/Stop-Verhalten codiert. Das Service-Datenfeld enthält Informationen über den Antrieb. Die initialisierbare Struktur ermöglicht die Konfiguration von nahezu beliebigen zyklisch ausgetauschten Daten. Typischerweise werden hier im Master-Daten-Telegramm die Sollwerte und beim Antriebstelegramm die Istwerte übertragen. Für eine einheitliche Systematik definiert Sercos ein Identnummernsystem für die Echtzeitdaten. Bei den grundlegenden Antriebsbetriebsarten wie Drehmomentreglung, Drehzahlreglung, Lagereglung und kombinierte Drehzahl-/
3 Industrielle Feldbusse
569
Abb. 3.68. Aufbau und Struktur der SERCOS-Telegramme
Lagereglung wurden Vorzugstelegramme mit bestimmten Echtzeitdaten festgelegt. 3.4.1.3 Anwendungsprotokoll Die Verwendung weitestgehend normierter Daten ist ein wesentlicher Vorteil von Sercos, da hierdurch eine genau definierte Funktionalität sichergestellt werden kann. Über 400 Daten und die Wirkung von Kommandos wurden spezifiziert und stellen die Interoperabilität sicher. Der Anwender arbeitet so unabhängig vom Hersteller immer auf einer abstrakten Anwendungsschicht und muss nicht spezifische Eigenheiten erlernen. Nicht nur die Soll- und Istwerte sind durch die Anwendungsschicht abgedeckt, vielmehr wurde ein Kanalkonzept entwickelt, das alle wesentlichen Konfigurations- und Parametrierungsaspekte vollständig abdeckt.
570
Teil E
Bussysteme
Abb. 3.69. SERCOS nutzt genau definierte Parameter und Kommandos für eine gesicherte Interoperabilität (Quelle. www.sercos.de)
Tabelle 3.7. Sercos unterstützt verschiedene Antriebsarten Antriebsarten Beschreibung
Lageregelung
Geberanordnung/Art
Motorgeber
Schleppabstand
mit
Datenlänge (Soll/Ist) Wichtung
Einheit
Geschwindigkeitsregelung
Kraftregelung
Lineargeber
Motorgeber
Motorwelle
mit
–
–
32 Bit
32 Bit
16 Bit
Vorzug
0,0001 mm – 0,000001 Inch
0,0001 mm – 0,000001 Inch
1,0 N; 0,1 Ibf
Parameter
ja
ja
ja
mm; Inch
mm/s; mm/min; inch/s; inch/min
N (Newton) Ibf (pound force)
ohne
ohne
3.4.2 ProfiDrive Für die Anwendung des Profibusses in der Antriebstechnik nutzt Siemens Profibus-DP mit der RS-485 Übertragungstechnik in der Leistungsstufe DP-V2. Die Anwendungsschicht wird durch das Anwendungsprofil ProfiDrive spezifiziert.
3 Industrielle Feldbusse
571
3.4.2.1 Physik Die physikalische Anschaltung entspricht der konventionellen Profibus-DP-Definition. Um den Anforderungen hinsichtlich einer schnellen und deterministischen Bearbeitung Rechnung zu tragen, beträgt die bevorzugte Geschwindigkeit 12 Mbps. Durch ein effizientes Übertragungsprotokoll sind bei 4 Achsen Zykluszeiten von 1 ms zu erreichen. Bustakt [ms]
Bustakt in [ms]
Nutzdaten je Antrieb 8 Byte 16 Byte 32 Byte 64 Byte
6 5 4 3 2
- Zusätzlicher Klasse 2-Master + 0,5 ms - Jitter < 1 µsec
1 4
8
16
32 64 Anzahl Achsen
Abb. 3.70. Zykluszeiten bei Profidrive
3.4.2.2 Sicherungsschicht Voraussetzung für den Einsatz von Profibus-DP im Bereich Motion-Control ist die Implementierung der Leistungsstufe DP-V2. Der Schwerpunkt liegt hier auf der effizienten Datenverteilung nach dem Publisher-Subscriber-Verfahren und dem isochronen Datenverkehr, der eine Voraussetzung für die Synchronisation von Antrieben ist. Das Publisher-Subscriber-Verfahren wird beim Profibus als Slave-Querverkehr (DXB) bezeichnet. In klassischen Client-Server-Systemen können Slaves mit anderen Slaves nur über den Master kommunizieren. Zwangsweise kommt es hierbei zu einer Verzögerung von mindestens einem Buszyklus. Beim Querverkehr können Slaves Nachrichten abonnieren, die andere Slaves als Multicast auf den Bus gelegt haben. Hierdurch ist eine effiziente Verteilung der Daten mit einem Minimum an Kommunikation möglich. Eine taktsynchrone Regelung bei Master und Slaves wird durch die isochrone Kommunikation möglich. Der Master gibt hierzu eine globale Synchronisation
572
Teil E
Bussysteme
Abb. 3.71. Leistungsstufen von Profibus-Motion-Control sind in der Stufe DP-V2 möglich
DP-Zyklus
Master
DP2Master
Slave
Slaves Antriebe
RRAA RRBB RRCC
AA
BB
CC
RRAA RRBB RRCC
DP2Master
AA
BB
Zykluszeit
Abb. 3.72. Isochroner Datenverkehr bei Profibus DP-V2
CC
DP2Master
AA
BB
CC
Globale Synchronisation
RRAA RRBB RRCC
Globale Synchronisation
Positionsregler
Globale Synchronisation
Master
Globale Synchronisation
mit einer Taktabweichung kleiner einer Mikrosekunde vor, die mit einem GlobalControl-Broadcast-Telegramm versendet wird. Nach dem Synchronisationssignal werden die Antriebsdaten durch den Master abgefragt. Anschließend erfolgt die Datenübertragung der ggf. vorhandenen DP2-Master. Aufgrund der Überlagerung der Motion-Erweiterung auf den konventionellen Profibus-DP-Telegrammen sind für die Aufnahme der Istdaten, die Berechnung der Sollwerte und die Übernahme der Sollwerte zwei Taktzyklen notwendig. Eine weitere, für den Motion-Control-Bereich relevante Erweiterung von DPV2 ist die Bereitstellung einer Uhrzeitführung (Clock-Control). Ein Uhrzeitmaster stellt hierfür ein Broadcasttelegramm (MS3-Service) zur Versendung von Zeitmarken zur Verfügung. Eine Synchronizität der angeschlossenen Systeme ist mit einer Abweichung von unter einer Millisekunde möglich.
3 Industrielle Feldbusse
573
3.4.2.3 Anwendungsprotokoll Das Anwendungsprotokoll wird durch die ProfiDrive-Spezifikation definiert. Es spezifiziert das Geräteverhalten und das Zugriffsverfahren für Systeme vom Frequenzumrichter bis hin zum hochdynamischen Servoregler. Entsprechend den unterschiedlichen Antriebsaufgaben klassifiziert die PNO sechs verschiedene Anwendungsklassen Klasse 1
Geräte der Klasse 1 sind Standardantriebe, die über einen HauptSollwert wie z. B. die Drehzahl gesteuert werden. Die Regelung selbst findet in dem Antriebsregler statt. Derart einfache Antriebe sind schon mit DP-V1 umsetzbar.
Klasse 2
Standardantriebe mit Technologiefunktionen gehören der Klasse 2 an. Hier werden die Automatisierungsaufgaben in unterschiedliche Teilprozesse zerlegt, wobei diese teilweise durch den Antriebsregler und durch den zentralen Busmaster ausgeführt werden. Der Profibus dient als Technologieschnittstelle. Voraussetzung für Antriebe mit Technologiefunktion ist die Realisierung der Kommunikation nach DP-V2 mit Slave-Querverkehr.
Klasse 3
Die Klasse 3 definiert Positionierantriebe, die zusätzlich zur Technologiefunktion eine Positioniersteuerung im Antrieb besitzen. Positionieraufträge werden über den Bus an die Antriebsregler übergeben.
Klasse 4 / 5
Eine zentrale Bewegungssteuerung wird in den Klassen 4 und 5 beschrieben. Sie ermöglicht einen koordinierten Bewegungsablauf in der Kombination mehrerer Antriebe. Die Koordination erfolgt i. d. R. durch eine numerische Steuerung. Der Profibus-Master übernimmt die Synchronisation der Antriebe und schließt die Regelkreise.
Klasse 6
Geräte der Klasse 6 werden als dezentrale Automatisierungskomponenten bei getakteten Prozessen und elektronischen Wellen verwendet. Sie ermöglichen komplexe Regelungsprozesse wie Kurvenscheiben oder elektronische Getriebe. Voraussetzung ist die Implementierung von DP-V2 mit Slave-Querverkehr und isochronem Datentransfer.
Innerhalb der Klassen werden standardisierte Gerätemodelle entwickelt, die mit unterschiedlichen Funktionsmodulen die Intelligenz der Antriebe widerspiegeln. Im Gegensatz zu anderen Profilen werden bei ProfiDrive nur die Zugriffsparameter und ein Satz von ca. 30 Profilparametern beschrieben. Die weiteren durchaus mehrere hundert Parameter sind herstellerspezifisch und werden über einen DPV1-Kanal transferiert.
574
Teil E
Bussysteme
3.5 Sichere Bussysteme 3.5.1 Grundlagen Lange glaubte man, dass sicherheitsgerichtete Systemlösungen zum Schutz des Menschen in technischen Einrichtungen nur mit konventioneller Technik zu erreichen wären. Hier hat sich eine wesentliche Wandlung vollzogen. Aufgrund der Anforderungen, in konventionellen Feldbussystemen sicherheitsgerichtete Signale zu übertragen, findet man heute eine Vielzahl unterschiedlicher Bussysteme, die im Safety-Bereich einsetzbar sind. Die Anzahl der verfügbaren Komponenten und Systemlösungen wächst stetig und betrifft die Bereiche Antriebstechnik, Personenerfassung, dezentrale Peripherie sowie sichere Feldbusse und programmierbare Sicherheitssteuerungen. Der Trend in Richtung konfigurierbarer Sicherheitssysteme ist damit unumkehrbar. Zur einheitlichen Regulierung der Anforderungen beschreibt das einschlägige, europäisch harmonisierte Normungswerk in drei Hierarchieebenen die Basis der aktuellen und zukünftigen Entwicklungen. 3.5.1.1 A-Normen A-Normen, auch als Sicherheitsgrundnormen bezeichnet, behandeln die grundlegenden Begriffe und allgemeinen Leitsätze sowie die Risikoanalyse und -bewertung. Relevante Normen sind beispielsweise die EN 292 „Sicherheit von Maschinen, Grundbegriffe, allgemeine Gestaltungsleitsätze“ sowie die EN 1050 „Sicherheit von Maschinen, Leitsätze zur Risikobeurteilung“. 3.5.1.2 B-Normen Unter den B-Normen finden sich die Sicherheitsgruppennormen. Sie beschäftigen sich mit den anwendungsunabhängigen Standards und richten sich an die Entwickler und Hersteller von sicherheitsgerichteten Komponenten. Im Wesentlichen kommen drei Normen zur Anwendung: 3.5.1.3 C-Normen C-Normen sind Sicherheitsfachnormen, die eine Gültigkeit nur in speziellen Anwendungsbereichen haben. Verschiedene Fachnormen sind in Arbeit. Etabliert haben sich die Norm IEC 61511 für die Prozessindustrie und die IEC 62061 für sicherheitsrelevante Steuerungssysteme für Maschinen.
3 Industrielle Feldbusse
575
Tabelle 3.8. Sicherheitsgruppennormen EN 954-1
EN 60204-1
IEC 61508
Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen Die EN 954-1 definiert im Abschnitt 6 die Anforderungen an Steuerungen in verschiedenen Risikoklassen. Kategorie
Anforderung an eine sicherheitsgerichtete Steuerung nach EN 954-1
B
– Verwendung zutreffender Normen – Grundlegende Sicherheitsprinzipien – Robustheit gegen typische Betriebsbeanspruchungen und externe Einflüsse
1
– Bewährte Bauteile – Bewährte Sicherheitsprinzipien
2
– Test der Sicherheitsfunktionen in geeigneten Zeitintervallen
3
– Bauteilausfall führt nicht zum Verlust von Sicherheitsfunktionen – Partielle Fehlererkennung
4
– Anhäufung von Bauteilausfällen führt nicht zum Verlust der Sicherheitsfunktionen
Elektrische Ausrüstung von Maschinen In dieser Norm werden die Handlungen im Notfall und verschiedene Stopp-Kategorien definiert, die den Steuerungsablauf in einer Notfallsituation beschrieben. Handlung
Definition nach EN 60204-1
Gefahrenfall
NOT-AUS
Elektrische Sicherheit im Notfall durch Ausschalten der elektrischen Energie in der ganzen Installation oder in einem Teil davon.
NOT-AUS ist einzusetzen, falls das Risiko eines elektrischen Schlags oder ein anderes Risiko elektrischen Ursprungs besteht.
NOT-HALT
Funktionale Sicherheit im Notfall durch Stillsetzen einer Maschine oder bewegter Teile.
NOT-HALT ist dazu bestimmt, einen Prozess oder eine Bewegung anzuhalten, sofern dadurch eine Gefährdung entstanden ist.
Stoppkategorie
Handlung
0
Ungesteuertes Stillsetzen durch sofortiges Abschalten der Energie.
1
Gesteuertes Stillsetzen und Abschalten der Energie, wenn der Stillstand erreicht ist.
2
Gesteuertes Stillsetzen ohne Abschalten der Energie im Stillstand.
Funktionale Sicherheit von elektrischen, elektronischen und programmierbaren sicherheitsgerichteten Systemen.
576
Teil E
Bussysteme
3.5.1.4 IEC 61508 – Funktionale Sicherheit von Systemen Mitte 2004 sind die bislang in Deutschland angewendeten Sicherheitsrichtlinien VDI/VDE 2180 bzw. DIN V 19250 / 1251 ausgelaufen bzw. befinden sich in Überarbeitung. Um dem Stand der Technik gerecht zu werden, erfolgt eine Anpassung an die internationale Norm IEC 61508, die wahrscheinlich zur wesentlichen international relevanten Norm aufsteigt. Die IEC 61508 gilt für alle Anwendungen, in denen elektrische oder elektronische Geräte und Baugruppen zur Ausführung von Sicherheitsfunktionen verwendet werden. Die Norm fordert einen quantitativen Nachweis über das verbleibende Risiko auf der Basis von Versagenswahrscheinlichkeiten. Alle Berechnungen sind für eine komplette Sicherheitskette vom Sensor über die Steuerung bis hin zum Aktor zu bewerten. Die Versagenswahrscheinlichkeit (PFD – Probability of Failure on Demand) ist damit ein Maß zur Bewertung der Sicherheit. Die IEC 61508 ist eine Grundnorm, die direkt angewendet werden kann. Alle wesentlichen Aspekte und Ausführungsbestimmungen für die Implementierung und den Betrieb sicherer elektrischer/elektronischer/programmierbar elektronischer (E/E/PE) Geräte sind in der Norm beinhaltet. Als „sicher“ werden Geräte und Anlagen verstanden, die kein unakzeptables Risiko für die Verletzung von Personen oder die Beschädigung der Umwelt hervorrufen. Funktionale Sicherheit
IEC 61 508 Normative Normenteile Teil 1
Informative Normenteile
Entwicklung eines ganzheitlichen Sicherheitskonzepts (7.1 … 7.5) Teil5
Teil 1
Methoden zur Bestimmung der Safety Integrity
Sicherheitsanforderungen in einem E/E/PE Sicherheitssystem (7.6) Realisierung E/E/PES
Teil 2
Hardware-Anforderungen für Systeme und Subsysteme
Teil 3
Software-Anforderungen
Teil 1
Teil 1
Installation, Bereitstellung und Validation von E/E/PE Sicherheitssystem (7.13/14) Betrieb, Wartung, Modifikation und Außerbetriebsetzung von E/E/PE Sicherheitssystem (7.15 -17)
Abb. 3.73. Inhalt der IEC 61 508
Teil6 Übersicht der Techniken und Metriken Teil7 Richtlinien für Anwendungen Teil 2/3
Weitergehende Anforderungen Teil4
Definition und Abkürzungen
Teil1
Dokumentation
Teil1
Management funktionaler Sicherheit
3 Industrielle Feldbusse Schadensausmaß
Safty Integrity Levels (SIL) C1
W1
W2
---
----
----
SIL SIL1 1
---
----
SIL SIL1 1
SIL 1 SIL 1
---
P1
SIL 2 SIL 2
SIL SIL1 1
SIL 1 SIL 1
P2
C1 P1 F1 P2 C2 F2
W3
SIL 3 SIL 3
SIL SIL2 2
SIL 1 SIL 1
F1
SIL 3 SIL 3
SIL 3 SIL 3
SIL SIL2 2
F2
SIL SIL4 4
SIL 3 SIL 3
SIL 3 SIL 3
---
SIL 4 SIL 4
SIL 3 SIL 3
C3 C4
577
C2
C3
Kleine leichte Verletzung einer Person Kleinere schädliche Umwelteinflüsse Schwere, irreversible Verletzungen einer oder mehrerer Personen oder Tod einer Person Oder vorübergehende größere schädliche Umwelteinflüsse Tod mehrerer Personen oder lang andauernde oder größere schädliche Umwelteinflüsse, z.B. nach Störfallverordnung
C4
Katastrophale Auswirkung, sehr viele Tote
F1
Selten bis öfter
F2
Häufig bis dauernd
Px
Möglich unter bestimmten Bedingungen
Aufenthaltsdauer
Gefahrenabwehr
Abb. 3.74. Risikograph nach IEC 61508 zur Bewertung des Safety-Level
Proprietär
Offene Systeme
Tabelle 3.9. Übersicht sicherheitsgerichteter Feldbusse Bezeichnung
Technologie
Charakteristik
Firmen
PROFIsafe
Profibus DP
Profilerweiterung
Siemens
Interbus safety
Interbus
Safe Guard (HW-Redundanz)
Phoenix Contact
CIPsafety
DeviceNet, Ethernet
Redundanter Multilink
ODVA
AS-Interface Safety
AS-Interface
AS-I Monitor (HW-Redundanz)
Leuze, Pepperl+Fuchs
SafetyBus p
CAN
Modifizierter Anwendungslayer
Pilz
Esalan
CAN
Modifizierter Anwendungslayer
Elan Schaltelemente
AC 31 Safety
proprietär
k. A.
ABB
HIBUS
Ethernet
Profilerweiterung
HIMA
bezieht sich auf die Funktion des Sicherheitselements selbst und auf die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Sicherheitselement im Fehlerfall funktioniert. In der Norm werden 4 verschiedene SIL (Safety Integrity Levels) beschrieben, von denen SIL 4 den höchsten Schutz bietet. Mittlerweile akzeptiert man die Möglichkeit, dass unter Beachtung des einschlägigen Normenwerks sichere Systeme erstellt werden können. Ob es sich hierbei jedoch um proprietäre Lösungen oder um eine Erweiterung bestehender
578
Teil E
Bussysteme
Bussysteme handelt, bleibt den Herstellern und Anwendern überlassen. Generell kann man feststellen, dass der Markt der sicherheitsgerichteten Steuerungen und Sensoren neu entdeckt worden ist. Heute geht man davon aus, dass etwa 10 % aller Sensor- und Aktorkomponenten in der Fertigungstechnik sicherheitsrelevant sind. Eine deutliche Steigerung in den nächsten Jahren ist vorhersehbar. Die Nutzerorganisationen und führende Hersteller reagieren entsprechend und bieten für die marktführenden Feldbusse wie Profibus, Interbus, CAN und ASI entsprechende Lösungen an. Einige der offenen Lösungen sind im Weiteren kurz vorgestellt. 3.5.2 AS-Interface Safety at Work ASI-Safety-at-Work ist eine Erweiterung zu dem bestehenden ASI-Standard und erlaubt die Einbindung von Schutzeinrichtungen in ein ASI-Netz. Die Safety-atWork-Komponenten sind kompatibel zu den konventionellen ASI-Interface-Bausteinen, so dass bestehende Anlagen um sicherheitsrelevante Funktionen erweitert werden können. An Safety-at-Work-Devices können alle sicherheitsrelevanten Komponenten wie Notaus-Schalter, Schutztür-Schalter oder Sicherheits-Lichtvorhänge geschaltet werden. Ein sicherer Slave wird mit einem sog. Sicherheitsmonitor überwacht. Der Sicherheitsmonitor erwartet von ihm zugeordneten Slaves pro Zyklus ein spezifisches Telegramm, das sich nach einem definierten Algorithmus kontinuierlich ändert. Trifft durch eine Störung oder eine Aktivierung des Sicherheitsschalters das erwartete Telegramm nicht ein, so schaltet der Sicherheitsmonitor das System nach maximal 35 ms über einen zweikanalig ausgeführten Freischaltkreis ab. Durch die Verwendung von mehreren Monitoren ist auch eine Gruppenbildung für eine differenzierte Behandlung von Notaus-Situationen möglich. Prinzipiell lassen sich sicherheitsgerichtete Systeme bis hin zur Sicherheitskategorie 4 gemäß EN 954-1 realisieren. Die Stoppkategorien 1 und 0 sind mit ASI Safety-at-Work realisierbar [3.24], [3.25].
Sicherheitsmonitor IstTabelle
0101 0110 0111 1001 1010 1011 1101 1110
0101 0110 0111 1001 1010 1011 1101 1110
Standard SPS und Standard SPS und Standard Master Standard Master
Komparator
SollTabelle
Sicherer Slave Analogausgang
D0 D1 D2 D3
Optokoppler Verarbeitung
frei 0101 0110 0111 1001 1010 1011 1101 1110
Nicht frei 0000
Kanal Folgengenerator
D0 D1 D2 D3 Standard ASI Slave-Anschaltung
Master-Aufruf ASI-Netzteil ASI-Netzteil Slave Antwort
Abb. 3.75. ASI nutzt einen Sicherheitsmonitor
3 Industrielle Feldbusse
579
3.5.3 CIPsafety In 2002 erhielt die ODVA (Open DeviceNet Vendor Associaion) die Konzeptfreigabe vom TÜV Rheinland für CIPsafety®. Es handelt sich hierbei um eine Erweiterung zum CIP-Protokoll (Common Industry Protocol), die damit als Schicht-7Erweiterung auf allen von der ODVA unterstützten Bussystemen wie DeviceNet™, ControlNet™ und EtherNet/IP™ verfügbar ist. Ziel ist der nahtlose Transfer von E/A-Sicherheitsmeldungen von jedem Punkt zu jedem beliebigen Teilnehmer. DeviceNetsafety ™ erfüllt die Anforderungen an Systeme der Sicherheitsstufe SIL3. Erste Produkte mit CIPsafety sind seit 2004 auf dem Markt. Aufseiten der Slaves erfolgt eine Umsetzung sicherer CIP-Objekte und Hardware-Redundanz. Für die Auswertung der sicheren und unsicheren Nachrichten sind entsprechende Sicherheitssteuerungen zu verwenden. Valves Drives Robots Robots Valves Drives CIP CIPApplicatiion ApplicatiionObject ObjectLibrary Library Standard-Message CIP CIPApplication Application Layer Layer DeviceNet DeviceNet™™ Transport Transport
……
Safety Safety I/O I/O
Other Other Safety Safety
Abb. 3.76. CIPsafety™ nutzt ein 2-kanaliges Softwarekonzept
Safety SafetyApplication Application Object ObjectLibrary Library CIP CIPSafety Safety Application ApplicationLayer Layer
Safety-Message Explicit I/O Routing
DeviceNet™ DeviceNet™ CAN CAN
DeviceNet™
3.5.4 Interbus Safety Bei Interbus Safety von Phoenix Contact wird die sichere Steuerung in Form einer eigenen Hardware („SafeGuard“) in die Masterbaugruppe integriert bzw. sie wird als letzte Station vor dem Master eingeschleift. Der Safety-Adapter sorgt für die Redundanz des Prozessabbildes und kümmert sich um die Bearbeitung der sicheren Daten. Die konventionell arbeitende Steuerungstechnik ist von jeder Beeinflussung frei. Programme für sichere und unsichere Anlagenteile können so vollkommen unabhängig voneinander entwickelt und abgenommen werden. Sichere Interbus Safety-Slaves unterscheiden sich von konventionellen Geräten durch eine redundante Fail-Safe-Struktur in ihrer Hardware und die Implementierung eines Sicherheitsprotokolls, das vollständig transparent in einem Datenrahmen integriert wird. Innerhalb des Protokolls werden die Daten, wie bei sicheren Anlagen üblich, redundant gehalten.
580
Teil E
Bussysteme
Master
Summenrahmen
Safety-Protokoll SafetySafetydata data
LBW LBW
SafetyAdapter
PD PD
PD PD
PD PD
SafetySafetydata data
PD PD
PD PD
FCS FCS END END
Rahmendaten Nutzdaten Safetydaten
Teilnehmer 1
Teilnehmer 2 SafetyTeilnehmer 4 Teilnehmer 5 Teilnehmer 3
Abb. 3.77. InterbusSafety erweitert die Masterhardware und das Summenrahmenprotokoll um eine sichere Protokollschicht
3.5.5 PROFIsafe PROFIsafe ist ein allgemeines Profibus-DP-Applikationsprofil, welches mit spezifischen Anwendungsprofilen wie z. B. ProfiDrive für die Antriebstechnik verwendet werden kann. Es erweitert damit Profibus-DP um eine sichere Funktionalität für sicherheitsgerichtete Automatisierungssysteme nach EN954 bis zur Kategorie SIL 3 oder 4 nach IEC 61508 [3.26]. PROFIsafe ergänzt Profibus-DP um einen Sicherheitslayer oberhalb von DP mit Maßnahmen zur Erhöhung der Übertragungssicherheit. Hierzu gehört eine Nummerierung der Sicherheitstelegramme, eine Zeitüberwachung für ankommende Telegramme und deren Quittierung, eine Kennung zwischen Sender und Empfänger durch ein „Passwort“ sowie eine zusätzliche Datensicherung über ein CRC. Durch die Kombination dieser Maßnahmen verbunden mit einem patentierten SIL-Monitor erreicht PROFIsafe die Sicherheitsklasse 3 und höher. PROFIsafe nutzt eine einkanalige Lösung, wobei die zusätzliche Sicherheit alleine durch den PROFIsafe-Softwarelayer realisiert wird. Da es sich bei PROFIsafe um ein allgemeines Profibus-Profil handelt, kann es auf alle spezialisierten Profile wie ProfiDrive oder Profibus-PA angewendet werden. Als Übertragungsphysik sind die spezifizierten Profibus-Kanäle mit RS-485, LWL oder MBP-Übertragungstechnik verwendbar.
3 Industrielle Feldbusse
Safety Safety Layer Layer
SicherheitslogikSicherheitslogikVerarbeitung Verarbeitung
Diagnose Diagnose
Diagnose Diagnose
Diagnose Diagnose
Sicherheits Sicherheits Eingabe Eingabe
Safety Safety Layer Layer
SicherheitsSicherheitsAusgabe Ausgabe Safety Safety Layer Layer
Profibs-DP Profibs-DP Schicht Schicht77
Profibs-DP Profibs-DP Schicht Schicht77
Profibs-DP Profibs-DP Schicht Schicht77
Profibus ProfibusDP DPIEC IEC61158 61158
Profibus ProfibusDP DPIEC IEC61158 61158
Profibus ProfibusDP DPIEC IEC61158 61158
LWL RS-485 MBP MBP LWL RS-485
LWL LWL RS-485 RS-485 MBP MBP
LWL LWL RS-485 RS-485 MBP MBP
SD2
LE
LEr
SD2
DA
SA
FC
1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte
Profibus-Telegramm
F-Nutzdaten
DATA
FCS
1 … 246 Byte
Quellbasierter Zähler Max. 12 bzw. 122 Bytes
1 Byte
ED
1 Byte 1 Byte
Status / Laufende Steuerbyte Nummer
Safety-LayerTelegramm
581
CRC2
StandardNutzdaten
F-Nutzdaten und F-Parameter
1 Byte
2 / 4 Bytes *) 240 / 238 - F-Nutz
Max. 244 Bytes DP-Nutzdaten
Abb. 3.78. Profisafe nutzt eine Software- und Protokollerweiterung für die Sicherheitsanwendungen
3.5.6 SafetyBUS P Der SafetyBUS P ist einer der ersten erfolgreichen Sicherheitsbusse für Kategorie 4-Anwendungen und basiert auf Entwicklungen der Firma PILZ. Heute ist SafetyBUS ein offener Standard, der von verschiedenen Herstellern wie ABB, Leuze, Pepperl+Fuchs und PILZ unterstützt wird. SafetyBus P basiert auf Standard-CAN. Um den Anforderungen an einen Sicherheitsbus gerecht zu werden, wurde ein neuer Anwendungslayer (ISO-/OSI-Schicht 7) entwickelt, der die Sicherheitsfunktionen und das Netzwerkmanagement übernimmt. Bis zu 64 Teilnehmer können in 32 Gruppen gegliedert werden. An den multimasterfähigen Bus können I/OModule (DIO), Datenkoppler (Bridge) und Sicherheitssteuerungen (PSS) angeschlossen werden. Wie bei CAN üblich, ist SafetyBus P ereignisgesteuert. Es können typische Reaktionszeiten von 25 ms erreicht werden. Die Sicherheitssteuerungen sind je nach Anforderungen zwei- oder dreikanalig ausgelegt [3.27], [3.28].
3.6 Prozessindustrie Die Prozessindustrie stellt besondere Anforderungen an die elektronische Ausrüstung der Komponenten. In vielen Bereichen kommen explosionsfähige Stoffe als Gase, Staube oder Fasern vor. Es ist nur zu offensichtlich, dass in diesen Bereichen eine besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Technologien walten muss.
582
Teil E
Bussysteme
Prozessnahe Komponente Prozessnahe Komponente E/A Baugruppe
Prozessnahe Komponente Prozessnahe Komponente Versorgung Versorgungund undKopplung Kopplung mit Netz EX[i] mit Netz EX[i]
Rangierverteiler Rangierverteiler U/IU/IVersorgung Versorgung
EX[i] EX[i]
Rangierverteiler Rangierverteiler Verteilerkasten Verteilerkasten FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
Schaltraum
FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
Feldbereich
FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
FeldFeldgerät gerät
Abb. 3.79. Systeme in der Prozessindustrie sind häufig von der Notwendigkeit des EX-Schutz geprägt
Darüber hinaus sind auch die eigentlichen Prozesselemente von der klassischen Produktions- oder Fabrikautomation deutlich verschieden. Während in der Automatisierungstechnik digitale Daten eine dominante Rolle spielen, sind in der Prozessindustrie Analogwerte in konventioneller 4 ... 20 mA-Technik zum Steuern und Regeln von Systemen prägend. Doch auch hier sind die Vorteile einer Feldbusvernetzung im Vergleich zu der konventionellen Analogtechnik gravierend. In einer Studie wurde gezeigt, dass im Mittel ein Einsparungspotenzial von 15 % bezogen auf den Anlagenpreis erreicht werden kann. Eine wesentliche Rolle spielen in der Prozessindustrie die Feldbusse ProfibusPA und der Foundation Fieldbus. Sie sind für die Anforderungen in der Verfahrenstechnik optimiert und ermöglichen nicht nur die Austauschbarkeit von Geräten unterschiedlicher Hersteller, sondern bieten gleichzeitig die Möglichkeit des Einsatzes in explosionsgefährdeten Bereichen [3.29, 3.30]. 3.6.1 MBP und IEC 61158-2 Sowohl der Profibus-PA als auch der Foundation-Fieldbus setzen auf ein eigensicheres Buskonzept des Physical Layer nach der IEC 61158-2. In die endgültige Spezifikation der IEC-Norm wurden mehrere Verbindungstechnologien aufgenommen, so dass die Begrifflichkeit des eigensicheren Bussystems 61158-2 nicht mehr eindeutig ist. Das bisherige busgespeiste eigensichere Bussystem in 2-Leiter-Technik wird nun als MBP (Manchester Coded Bus Powered) bezeichnet.
3 Industrielle Feldbusse
SpeiseMax. Max. Max. Spannung Strom mA Leistung W Teilnehmer
Typ
Einsatzgebiet
I
Eex ia/ib IIC
13,5
110
1,8
9
II
Eex ib IIC
13,5
110
1,8
9
III
Eex ib IIB
13,5
250
4,2
22
IV
Eex ib IIA
24
500
12
32
583
Stromgrenzwert Gruppe IIC
[mA] 300
Induktive Begrenzung Stromgrenzwert Gruppe IIB
200
Gültiger Betriebsbereich
100
0
10
20
Leistungsbegrenzung Kapazitive Begrenzung
30
[V]
Abb. 3.80. Das Einsatzgebiet definiert die maximale Anzahl der Teilnehmer
Eigensichere Busse beziehen sich i. d. R. auf Netzsegmente. Der Übergang von sicheren Bereichen zum EX-Bereich erfolgt durch sog. Segmentkoppler oder Links, die für die notwendige Entkopplung sorgen. Die elektrische Spezifikation des Netzwerks ist durch die in dem Einsatzgebiet maximal zulässige Leistung bestimmt, die auch die Anzahl der Teilnehmer begrenzt. Zur Umsetzung des eigensicheren Betriebsverhaltens kommen die Spezifikationen des FISCO-Modells (Field Intrinsically Safe Concept) der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) zur Anwendung. Dieses sagt aus, dass sich jedes Feldgerät wie eine passive Stromsenke verhalten soll. Das Gerät nimmt im eingeschwungenen Zustand einen Ruhestrom von mindestens 10 mA auf. Damit beim Senden der Teilnehmer keine Leistung in den Bus eingespeist wird, erfolgt die Signalmodulation durch ein manchestercodiertes Stromsignal von +/- 9 mA. In einem IEC 61158-2-Netzwerk sind beliebige Linien- und Baum-Topologien mit Stichleitungen möglich. Die Signalübertragung und Fernspeisung erfolgt über verdrillte 2-Draht-Leiter, die je nach Güte eine maximale Ausdehnung von 1.900 m inklusive Stichleitungen zulassen. Im Ex-Bereich sind bis zu 32 Geräte je nach Einsatzgebiet möglich. Die Datenrate ist auf 31,25 kbps festgelegt. Die Busleitung muss an beiden Enden mit einem passiven RC-Netzwerk abgeschlossen werden.
Abb. 3.81. Kodierung und Kabeltypen der MBP-Spezifikation
584
Teil E
Bussysteme
Abb. 3.82. Die IEC 61158-2 spezifiziert eine eigensichere physikalische Anschaltung für Busse im EX-Bereich
3.6.2 FF – Foundation Fieldbus Der Foundation Fieldbus (FF) hat seinen Schwerpunkt in der Prozessautomation und ist neben LON der populärste offene amerikanische Feldbusstandard. 1992 hatte sich eine international besetzte Gruppe zusammengefunden, um einen einheitlichen Feldbusstandard für die Prozessindustrie unter dem „Interoperable Systems Project“ (ISP) zu schaffen. Während zur Zeit seiner Gründung ISP als direkter Wettbewerber zu WorldFIP auftrat, führte man die Standardisierungsbemühungen 1994 zusammen und gründete die Fieldbus Foundation. Sie ist heute eine der erfolgreichsten offenen Organisationen und hat eine weite Verbreitung in der Prozessindustrie vor allem im amerikanischen und asiatischen Wirtschaftsraum. Die wesentlichen Vorteile des Foundation Fieldbus liegen in der speziellen Ausrichtung auf das Anwendungsfeld Prozessindustrie mit einer eigensicheren Bitübertragungsschicht für den Ex-Bereich und Busspeisung der Feldgeräte sowie einem standardisierten Anwendungslayer mit einheitlichen Gerätebeschreibungen und -schnittstellen. 3.6.2.1 Physik Zur Übertragung der Rohdaten kommt in den feldnahen Bereichen ein eigensicheres Bussystem in Anlehnung an IEC61158-2 mit einer Datenrate von 31,25 kbps zur Anwendung (H1). Die Vorteile liegen unmittelbar auf der Hand. Es sind komplexere Stern-, Baum- oder gemischte Topologien möglich und die Speisung der Geräte erfolgt unmittelbar aus dem Bus, so dass keine weiteren Spannungsquellen notwendig sind. Ohne Repeater sind Entfernungen bis 1.900 m zu überbrücken. Bei einem Einsatz der maximal fünf zulässigen Repeater sind Reichweiten bis zu 9.500 m mög-
3 Industrielle Feldbusse
585
Abb. 3.83. Protocol-Stack im Foundation Fieldbus (H1, HSE)
Abb. 3.84. Topologie eines FF-Netzwerks
lich. Die Anzahl der zulässigen Busteilnehmer hängt stark von der jeweiligen Schutzklasse ab. Prinzipiell sind bis zu 32 Teilnehmer möglich. FF unterstützt nicht das FISCO-Modell für eigensichere Bussysteme. Der Anwender ist daher selbst in der Verantwortung, dass die Anforderungen in Hinblick auf die Eigensicherheit eingehalten werden.
586
Teil E
Bussysteme
Für den High-Speed-Datenaustausch wird als übergeordnetes Bussystem HSE (High Speed Ethernet) eingesetzt. HSE basiert auf einem konventionellen Ethernet und ist nicht echtzeitfähig. Aus der Sicht der Prozessindustrie kann jedoch von einer hinreichenden Antwortzeit ausgegangen werden. Für die Kopplung zwischen H1 und HSE sind Koppelbausteine, sog. Bridges, erforderlich. 3.6.2.2 Sicherungsschicht Der Foundation Fieldbus unterstützt eine zentrale Kommunikationssteuerung nach dem Master-Slave-Prinzip mit einem überlagerten Producer-ConsumerVerfahren. Während die bekannten Producer-Consumer-Verfahren wie bei CAN auf Nachrichtenobjekte angewendet werden, nutzt FF eine gerätebasierte Sicht. Das bedeutet, dass jeder Knoten gleichzeitig zu einer Geräteklasse gehört, die direkt in einen Funktionsbaustein abgebildet werden kann (AI Analog Input, AO Analog Output, PID PID-Regler, PD PD-Regler, …). Zentrales Steuerelement ist der LAS (Link Active Scheduler). Er kontrolliert den gesamten Buszugriff. Anhand von Übertragungslisten werden die angeschlossenen Knoten mit einer Compel-Data-Meldung (CD) aufgefordert, ihre Daten auf den Bus zu legen. Der aufgerufene Knoten sendet dann unmittelbar seine Daten als Broadcast, so dass alle angeschlossenen Subscriber die Nachricht verarbeiten können. Geräte mit LAS-Fähigkeit werden als „Link Master“ bezeichnet. Einfache Geräte müssen kein LAS unterstützen. Es ist durchaus erlaubt, auch mehrere Link Master in einem FF-Netzwerk zu betreiben, die jedoch im Stand-by für ein „failoperational-Design“ verwendet werden. Zur Steuerung der Kommunikation unterscheidet der Foundation Fieldbus zwischen getakteter und ungetakteter Kommunikation.
LAS Übertragungsliste A B C
CD(a) Wert 1 Knoten A Publisher
Wert 1 Knoten B Subscriber 1
Wert 1 Knoten C Subscriber 2
Abb. 3.85. Der Systemmaster (LAS) gibt die Kommunikation im Netzwerk vor
3 Industrielle Feldbusse
587
3.6.2.2.1 Getaktete Kommunikation
Alle zeitkritischen Anwendungen sind in einem festen Bearbeitungszeitplan abzuwickeln. Dieser legt fest, wann die Geräte ihre Funktionsblöcke bearbeiten und wann die Daten übertragen werden. Die zeitliche Synchronisation erfolgt durch ein periodisches Synchronisationssignal (TD: Time Distribution) des LAS. Auf der Basis des Bearbeitungszeitplans wird eine Übertragungsliste generiert, die der LAS innerhalb eines festen Zeitrahmens abarbeitet. Jedes Feldgerät besitzt seinen eigenen Bearbeitungszeitplan. 3.6.2.2.2 Ungetaktete Kommunikation
Daten und Nachrichten, die nicht für den Prozess relevant sind und damit nicht als Echtzeitdaten angesehen werden, können in der ungetakteten Kommunikation übertragen werden. Das sind i. d. R. Geräteparameter und Diagnoseinformationen. Die ungetaktete Datenübertragung findet ausschließlich in Zeitlücken der getakteten Kommunikation statt. Für den Zugriff auf den Bus vergibt der LAS mit einer PT-Meldung (Pass Token) ein Token an die Teilnehmer seiner Live-List, die solange den Bus belegen dürfen, bis die Tokenhaltezeit abgelaufen ist. Die LiveListe wird ständig durch den LAS aufgefrischt, so dass neue und verloren gegan-
Zyklischer Ablauf AI(1) Gerät 1 Gerät 2 AI(2)
Getaktete Übertragung AE(1) und AE(2)
LAS PID (3) AO(3)
PID (3) AO(3)
Gerät 3 Gerät 4 PD (4) AO(4) Ungetaktete Kommunikation in den Lücken der getakteten Übertragung)
Zeitplanzyklus n
Zeitplanzyklus n+1
Abb. 3.86. Echtzeitbearbeitung erfolgt in der getakteten Übertragung, für alles andere gibt es die ungetaktete Kommunikation
588
Teil E
Bussysteme
gene Geräte erkannt werden. Sind mehrere Link Master im System, werden die Live-Listen zwischen den Mastern ausgetauscht. 3.6.2.3 Anwendungsprotokoll Die Schnittstelle zur Applikation bildet die FAS- (Fieldbus Access Layer) und FMS (Fieldbus Message Specification)-Schnittstelle. Die Dienste dieser Schnittstellen sind für den Anwender i. d. R. nicht sichtbar, da der Foundation Fieldbus mit einem Blockmodell hinterlegt ist, in dem alle Geräte als Funktionsblöcke definiert sind. 3.6.3 Profibus PA Profibus PA ist eine Variante von Profibus, die speziell auf die Anforderungen in der Prozessindustrie zugeschnitten ist. Hierzu gehört in erster Linie die Verwendung einer eigensicheren Signalübertragung für den EX-Bereich mit einer physikalischen Anschaltung nach IEC 61158-2. Sowohl Profibus-DP als auch -PA benutzen dieselben Kommunikations-Layer und besitzen dadurch auch ein einheitliches Bedieninterface. 3.6.3.1 Physik Profibus PA lässt eine Instrumentierung nach dem RS-485-Standard oder nach der IEC 61158-2 zu. Wird ein Betrieb nach RS-485 bevorzugt, ist ein gemischter Profile Userinterface DDLM
Verarbeitung Verarbeitung
6
Darstellung Darstellung
5
Sitzung Sitzung
4
Transport Transport
3
Vermittlung Vermittlung
2 1
Sicherung Sicherung
7
Logical Link Control Logical Link Control Media MediaAccess AccessControl Control
Bitübertragung Bitübertragung
FMS FMS
DP DP
PA PA DPV1-FunktionsDPV1-Funktionserweiterungen erweiterungen
DP-Grundfunktionen DP-Grundfunktionen
FMS FMS
Fieldbus FieldbusData DataLink Link(FDL) (FDL) IEC Interface IEC Interface
RS RS485 485
Abb. 3.87. Profibus-PA ist Profibus-DP mit IEC 61158-2-Interface
IEC IEC61158-2 61158-2
3 Industrielle Feldbusse
589
Abb. 3.88. Profibus-PA und Profibus-DP können durch Segmentkoppler einfach verbunden werden
Betrieb der Profibusprofile DP und PA möglich. Für den eigensicheren Bereich ist zwingend die IEC 61158-2-Technik zu verwenden. Für den Übergang zwischen RS-485 und IEC werden Segmentkoppler oder PA-Links verwendet, die einerseits die Daten puffern, um den unterschiedlichen Geschwindigkeiten gerecht zu werden und andererseits die Speisung des PA-Bussegements übernehmen. Segmentkoppler arbeiten vollkommen transparent. Das bedeutet, dass die Geräte sich auf der PA-Seite so verhalten, als ob sie auf der DP-Seite angeschlossen wären. Eine Adressüberschneidung ist damit nicht statthaft. Typische Segmentkoppler unterstützen auf der RS-484-Seite Datenraten von 45,45 kbps oder 94,75 kbps. Anders sieht es mit PA-Links aus. Sie erhalten eine eigene Geräteadresse im DP-Netz und verhalten sich dort wie ein Slave. Auf der PA-Seite fungieren sie als Master und können bis zu 30 Geräte verwalten. Da PA-Links das Prozessabbild enthalten, kann eine Geschwindigkeitsanpassung bis in den Mbps-Bereich erfolgen. 3.6.3.2 Sicherungsschicht Profibus PA verwendet dasselbe multimasterfähige hybride Kommunikationssystem wie Profibus-DP. Die Zugriffssteuerung arbeitet mit einem Token-PassingVerfahren zwischen den Mastern und als Master-Slave-System zu den passiven Busteilnehmern. PA-Geräte werden i. d. R. passiv sein. Bis zu 126 Geräte können innerhalb des Netzwerks adressiert werden. Zentrales Steuerelement ist der DP1-Master, der i. d. R. die Steuerfunktionen übernimmt und durch die Adresse 0 gekennzeichnet ist. Broadcasts sind über die Adresse 127 möglich. Die Telegrammstruktur ist identisch mit der Fieldbus Data Link-Spezifikation von Profibus-DP.
590
Teil E
Bussysteme
Aufgrund der deutlich geringeren Busgeschwindigkeit im Vergleich zu DP muss mit deutlich größeren Zykluszeiten gerechnet werden. Ein Anhaltswert sind ca. 210 ms für 10 Regelkreise. Eine genauere Abschätzung lässt die folgende Formel zu. Zykluszeit
10 ms Anzahl der Geräte + 10 ms (für azyklische Klasse-2-Master Dienste) + 1,3 ms (für jeden weiteren zyklischen Wert)
Abb. 3.89. Profibus-Zykluszeiten in Profibus-PA Netzwerken
3.6.3.3 Anwendungsprotokoll In der Prozessindustrie ist es üblich, Eigenschaften und Funktionen von Messstellen in Funktionsblöcken zu kapseln, in dem man standardisierte PLT-Stellen definiert. Diese PLT-Stellen können durch Konfiguration zu automatisierungstechnischen Anwendungen entwickelt werden. Profibus PA beschreibt in der Profildefinition, wie diese Bausteine definiert sind. Auf der unteren Anwendungsebene benutzen sie dieselben DDLM(Direct Data Link Mapper)-Funktionen wie auch Profibus-DP. Diese primitiven Dienste werden durch Funktionsblöcke gekapselt. Der Funktionsblock besteht aus einem oder mehreren Eingängen, Ausgängen oder Parametern zur Beeinflussung eines Prozesses und abstrahiert das physikalische Gerät und das Bussystem. Transducer-Blöcke steuern den Zugriff auf die E/A-Hardware
Profibus PA Profil
Sensor
Aktor
Transducer Measurement Blocks Actuator TB temp, Pressure, Flow, Level
Physical Block
Function Logbook Blocks FB
User UserInterface Interface DDLM DDLM Fieldbus FieldbusData DataLink Link(FDL) (FDL) IEC Interface IEC Interface
RS RS485 485
TB
IEC IEC61158-2 61158-2
Discrete Valve Control TB
Analyser and Transfer TB
Control TB
Limit TB
Alarm TB
Totalizer FB
Analog Input FB
Analog Output FB
Digital Input FB
Digital Output FB
Zyklischer Dienste: Daten und Statusmeldungen
Azyklische Dienste: - Steuerung - Alarmfunktionen - Diagnose - Upload - Parameter - Download
Zyklische und azyklische Kommunikationsdienste Spezifikation der Datenrahmen und des Datenzugriffs FDL – Fieldbus Data Link FMA - Fieldbus Management
Abb. 3.90. Profibus PA beschreibt eine umfassende Anwendungsschicht
Profibus-PA- -Klasse KlasseBB Profibus-PA
3 Industrielle Feldbusse
DDL/ DDL/ FDT FDT
ProzessProzessparameter parameter
BetriebsBetriebsparameter parameter
HerstellerHerstellerspezifische spezifische Parameter Parameter
Führungsgröße Führungsgröße Regelgröße Regelgröße Gerätestatus Gerätestatus Bewegungsrichtung Bewegungsrichtung Betriebsart Betriebsart Sicherheitsaktion Sicherheitsaktion Sicherheitswert Sicherheitswert Messstellenkennzeichen Messstellenkennzeichen …… Erweiterung Erweiterungfür für Parametrierung, Parametrierung, Diagnose und Wartung Diagnose und Wartung
Profibus PA Profil-Klassen
591
Klasse A Klasse B
Physical Block
M
M
Analog Output FB
M
M
Transducer Block
-
M
Electro-pneumatic TB
-
S
Electric TB
-
S
Electro-hydraulic TB
-
S
Weitere FB
-
O
Weitere TB
-
O
Abb. 3.91. Profibus-PA-Geräte werden in Geräteklassen eingeteilt
und die Software durch eine geräteunabhängige Schnittstelle. Der Physical Block definiert die spezifischen Hard- und Softwareeigenschaften eines realen Geräts. Die Anwendungsschnittstelle von Profibus PA beschreiben zwei Grundtypen von Geräten. Die Profilklasse A definiert Kenngrößen für die Grundfunktionen. Hierzu gehören nur die wesentlichen Parameter wie z. B. Prozessgröße, MesswertStatus, physikalische Einheit und Messstellennummer (TAG), die für den Prozessbetrieb notwendig sind. Geräte der Profilklasse B erweitern den Funktionsumfang um weitere Betriebsparameter, die typischerweise im Transducer-Block oder in weiteren optionalen Funktionsblöcken definiert sind. Profibusgeräte werden durch sog. Gerätestammdaten-Dateien (GSD) beschrieben. Während der Projektierung müssen die GSDs über ein Konfigurationswerkzeug in den Klasse 1–DP-Master geladen werden. GSD-Dateien enthalten alle relevanten Kommunikationsdaten. Ein PA-Gerät ist durch seine Kapselung als Baustein wesentlich komplexer, so dass auch diese Informationen standardisiert bereitgestellt werden. Die PNO (Profibus Nutzer Organisation) arbeitet mit der EDD (Electronic Device Description) und der FDT (Field Device Tool Specification) an zwei verschiedenen Spezifikationen zur Beschreibung auch herstellerspezifischer Merkmale. Die Spezifikation stützt sich auf der Definition der Gerätebeschreibungssprache DDL (Device Definition Language) ab, die durch das ISP-Konsortium festgelegt wurde. Hierdurch wird es möglich, die herstellerspezifischen Eigenschaften korrekt zu interpretieren. 3.6.4 HART High Adressable Remote Transducer Bei HART handelt es sich um eine Erweiterung der klassischen 4 ... 20 mA-Analogtechnik, die in der Prozessindustrie weit verbreitet ist. HART wurde ursprünglich von Rosemount, USA entwickelt und ist heute als digitaler Instrumentierungsbus auf der konventionellen Analogleitung weit verbreitet. Zur Übertragung der digitalen Daten wird dem analogen Stromsignal ein mittelwertfreies digitales Signal überlagert, was verbunden mit einer Master-Slave-Kommunikation einen bidi-
592
Teil E
Bussysteme
HART HART Messumformer # 01 Messumformer FSK-Modem FSK-Modem
FSK-Modem FSK-Modem 4 .. 20 mA
Feldgerät Feldgerät
HART HART Feldgerät Feldgerät
RB 4 incl. HART Speisegerät
HART - Standardanschluss
HART - Multidrop
HART HART Messumformer # 02 Messumformer HART HART Messumformer # 03 Messumformer
HART HART # 15 Messumformer Messumformer
Abb. 3.92. HART kann in bestehende Peer-to-Peer-Verbindungen eingesetzt werden oder sogar komplexe Netzwerke aufbauen
rektionalen Datenaustausch ermöglicht. HART lässt bis zu zwei Master zu. I. d. R. sind dies die Engineering-Konsole in der Leitstation sowie ein sekundäres Gerät vor Ort wie z. B. ein Handterminal oder Laptop. Hart wurde zur Parametrierung von Feldgeräten entwickelt. Das bedeutet, dass eine übergeordnete Station (Master) auf das passive Feldgerät zugreift. Zur Datenaufbereitung wird das digitale Signal mit einem HART-FSK-Modem auf den 2Draht-Leiter geschaltet und die Steuerbefehle werden dem Stromsignal aufmoduliert. Neben diesem Punkt-zu-Punkt-Betrieb ist auch ein Multidrop-Betrieb möglich, wobei bis zu 15 Feldgeräte wie in einem Feldbus betrieben werden. Hierzu ist es jedoch erforderlich, auf die analoge Datenübertragung der Messumformer zu verzichten. Die Multidrop-Betriebsart ist ohnehin nur für Messumformer und nicht für Stellsignale zu verwenden, da der Bus hierfür zu langsam ist. Stellsignale werden prinzipiell als 4 ... 20 mA-Einheitssignale übertragen. HART wird durch die HCF (HART Communication Foundation) vertreten, die als herstellerunabhängige Non-Profit-Organisation den Einsatz von HART sowie seine Spezifikation weiter vorantreibt [3.31]. 3.6.4.1 Physik Die Datenübertragung der HART-Komponenten erfolgt nach der Spezifikation Bell 202. Dem analogen Signal wird ein mittelwertfreies digitales Signal in FSKKodierung (Frequency Shift Keying) überlagert. Dabei wird eine logische „1“ als 1200 Hz-Signal, eine logische „0“ als 2200 Hz-Signal ausgegeben mit einer Amplitude von ± 0,5 mA. Die Spezifikation legt fest, dass ein Master ein Spannungssignal sendet, während die Slaves die Nachrichten über eingeprägte Ströme absetzen. Für einen ordnungsgemäßen Betrieb muss die Gesamtbürde der Stromschleife zwischen 230 und 1.100 Ohm liegen.
3 Industrielle Feldbusse
593
Abb. 3.93. HART kann im ISO-/ OSI-Schema eingeordnet werden
Nach Spezifikation eignen sich für kurze Entfernungen ungeschirmte 0,2 mm² Zweidrahtleitungen. Mit verdrillten und paarweise geschirmten Leitungen sind Entfernungen von bis zu 3000 m möglich. Verschiedene herstellerspezifische Erweiterungen ermöglichen wie z. B. beim FSK-Bus (Hartmann & Braun) die Verwendung von HART als Gerätebus mit bis zu 100 Teilnehmern. Durch den Einsatz von Trennverstärkern und die damit vollziehbare galvanische Entkopplung der Analogsignale wird es möglich, dass Regler und Stellglieder weiterhin im Analogmodus miteinander arbeiten, ohne sich gegenseitig zu stören. Bei geeigneter Auslegung der Trennverstärker ist auch ein Einsatz im Ex-Bereich möglich.
I [mA] 20
I [mA] Analogsignal
+ 0,5 Signal - 0,5
4 1
0
0
1
0
1
1
Zeit
FSK Freq. Logisch
1200 Hz. „1“
Abb. 3.94. HART überlagert dem Analogsignal ein FSK-kodiertes digitales Telegramm
2200 Hz. „0“
594
Teil E
Bussysteme Abb. 3.95. Komponenten und Verschaltung des FSK-Bus FSK FSK Modem Modem
FSK-Bus
Regler Regler FSK-Trennverstärker (Ex-i)
Regler Regler
Regler Regler
3.6.4.2 Sicherungsschicht HART verwendet ein reines Master-Slave-Protokoll. Alle Aktivitäten gehen vom Master aus. Ein primärer und ein sekundärer Master sind zugelassen. Der primäre Master ist i. d. R. das Leitsystem, der sekundäre Master könnte ein Bediengerät vor Ort sein. Alle HART-Feldgeräte sind passive Slaves. Als Kommunikationsdienste werden eine Standard-Master-Slave-Kommunikation, ein Master-Broadcast und ein Slave-Burstmodus unterstützt. Bei einer Standard-Kommunikation folgt einem Mastertelegramm umgehend die Antwort vom Slave mit den entsprechenden Daten. Der Burst-Modus ermöglicht einem Slave zyklisch Nachrichtentelegramme abzusetzen. Die Anzahl der möglichen Telegramme wird damit auf vier Telegramme pro Sekunde verdoppelt. Bei einem HART-Telegramm wird jedes Byte als UART-Zeichen mit 11 Bit Länge und einer Geschwindigkeit von 1.200 bps übertragen. Bei einem typischen Telegramm mit 10 Byte Protokoll und 25 Byte Nutzdaten werden für eine MasterSlave-Transaktion inklusive aller Synchronisationsmechanismen durchschnittlich 500 ms benötigt. Es ist offensichtlich, dass HART mit diesem Zeitverhalten keine Konkurrenz für „echte“ Feldbusse und ungeeignet für Regelungsaufgaben ist. 3.6.4.3 Anwendungsprotokoll Das Anwendungsprotokoll von HART stellt eine relativ einfache KommandoSchnittstelle dar. Mit vordefinierten Kommandos kann der Master Befehle oder
3 Industrielle Feldbusse
595
Abb. 3.96. Aufbau eines HART-Telegramms
Nachrichten an das Feldgerät absetzen. Für eine universelle und geräteübergreifende Kommunikation werden die HART-Kommandos in unterschiedliche Gruppen für Feldgeräte (Slaves) sowie Anzeige- und Bediengeräte gruppiert. Je nach Gerätetyp und Ausprägung sind die jeweiligen Anweisungs- bzw. Konformitätsklassen einzuhalten. Universelle Anweisungen werden durch alle HART-Feldgeräte verstanden. Standardanweisungen sind spezifisch für bestimmte Gerätegruppen und die gerätespezifischen Anweisungen ermöglichen den Zugriff auf spezielle Geräteeigenschaften. Damit eine unkomplizierte Anpassung der gerätespezifischen Eigenschaften möglich wird und damit eine wichtige Grundlage für die Interoperabilität von Geräten sichergestellt ist, werden HART-Geräte in DDL (Device Description Language) beschrieben. Häufig ist die Gerätebeschreibung im Gerät in binärer Form hinterlegt, so dass die Parametrierungswerkzeuge während des Konfigurationsvorgangs einen Zugriff auf die Datenbasis und damit den Funktionsumfang eines Feldgeräts haben.
Abb. 3.97. Anweisungs- und Konformitätsklassen ermöglichen eine Interoperabilität der HART-Geräte
596
Teil E
Bussysteme
Literatur 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.15 3.16 3.17 3.18 3.19 3.20 3.21 3.22 3.23 3.24 3.25 3.26 3.27 3.28 3.29 3.30 3.31
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4 Ethernet Automatisierungstechnik Jörg F. Wollert
4.1 Grundlagen Ethernet Automatisierungstechnik Ethernet in der Automatisierungstechnik ist das bestimmende Thema im Bereich industrieller Feldbusse. Spätestens seit der Hannover Messe 2003 wurde deutlich, dass sich Ethernet für die Übertragung von Echtzeitdaten in der Automation etablieren wird. Die Konvergenz vom klassischen Büronetzwerk hin zur Automatisierungslösung erscheint damit in greifbarer Nähe. Darüber hinaus sind die Anforderungen der vertikalen Integration offensichtlich und nur mit einem standardisierten und weit verbreiteten Bussystem realisierbar. In einer jüngeren Studie (2004) an der FH Südwestfalen wurde das Potenzial von Ethernet im Vergleich zu konventionellen Feldbussen bewertet. Interessant ist, dass die Mehrzahl der fast 350 befragten Unternehmen aus dem Maschinenund Steuerungsbau eine hohe Marktbedeutung, durchaus auf dem Niveau von Profibus, sehen. Problematisch erscheint eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf
Abb. 4.1. Entwicklungspotenzial von Feldbussen in Deutschland (Quelle: FH-Südwestfalen)
598
450
Teil E
Bussysteme
ROW Europa Nord Amerika Asien
400 Mio ? 400 Mio ? 8,0
400 350 132,0 300 42% p.a. 250 200
144,0
150
70 Mio ? 70 Mio ?
53% p.a. 100
30 Mio ? 30 Mio ? 19,0 8,0 3,0
50
2000
35,0 22,0 13,0 2002
116,0
Quelle: Frost & Sullivan
2007
Abb. 4.2. Marktpotenzial von Industrial-Ethernet nach Frost & Sullivan
die eingesetzten Protokolle oberhalb der Sicherungsschicht bei den befragten Unternehmen. Fast jeder Zweite hat vor allem Zweifel an der Echtzeitfähigkeit und der Verfügbarkeit der Officenetzwerke im Industrieumfeld. Im internationalen Vergleich ist der Trend hin zu Ethernet noch stärker bemerkbar. Bei einem Marktwachstum von über 50 % pro Jahr seit 2000 ist Ethernet das mit Abstand am stärksten wachsende Bussystem. Dieses Wachstum ist noch mindestens bis 2007 prognostiziert. Interessanterweise ist Ethernet in allen Ländern und allen Einsatzbereichen mit ähnlichen Wachstumsraten vertreten, nicht zuletzt weil kein spezielles technologisches Know-how wie bei den Feldbussen notwendig ist [4.1–4.5]. 4.1.1 Einsatzgebiete Traditionell wird Ethernet zur Ankopplung des MES (Manufacturing Execution Systems)-Bereichs an die Unternehmensebene (ERP – Enterprise Ressource Planning) verwendet. Hier gibt es zu Ethernet keine Alternative, da die im ERP-Bereich häufig eingesetzten Mainframes oder UNIX-Rechner keine klassische Feldbusschnittstelle unterstützen. Die logische Konsequenz ist eine 100 % Ethernetanbindung. Verallgemeinernd kann man feststellen, dass alle office-nahen Dienste am kostengünstigsten und effizientesten mit konventionellem Ethernet abgewickelt werden können. Hierzu gehört ebenfalls die Anbindung von Geräten an das Intra- und Internet sowie die Durchführung von Fernwartung.
4 Ethernet Automatisierungstechnik
maximaler Jitter
Eigenschaft von Standardprodukten RT-optimiert für aktuelle Feldbusanforderungen
> 1 ms 100 µs … 3 ms
3
Produkte mit neuen Funktionen in Software kombiniert mit Standard-Hardware
10 µs … 400 µs
4
Produkte mit neuen Funktionen in Hard- und Software
0.5 µs … 15 µs
IAONA Echtzeitklassen
ERP-Anbindung ERP-Anbindung
11
Internetanbindung Internetanbindung 1 1 Fernwartung Fernwartung
Vernetzung von Vernetzung von Maschinen Maschinen Vernetzung in Vernetzung in Maschinen Maschinen Antriebstechnik Antriebstechnik Verpackungsmaschinen Verpackungsmaschinen
2
1 2 1 2
ERP
Beschreibung
1 2
Enterprise Ressource Planning
11
MES
RTC
599
Manufacturing Execution System
2 3
3
4
Feldebene 4
Abb. 4.3. Einsatzgebiete von Ethernet
Erst in den maschinennahen Anlagenteilen des MES-Bereichs erzielen die Echtzeiteigenschaften von Feldbussen einen Vorteil gegenüber Office-Netzwerken. Die IANOA hat hierzu Echtzeitklassen wie in Abb. 4.3 dargestellt definiert. Der Einsatz von Ethernet ist dementsprechend den jeweiligen Anforderungsbereichen anzupassen bzw. es ist eine geeignete technologische Lösung zu verwenden. Aktuell sind unterschiedlichste Echtzeitvarianten für die Automatisierungstechnik verfügbar, so dass man heute von einer Verlagerung der kontroversen Feldbusdiskussionen in die Anwendungsschicht spricht. In den nachfolgenden Abschnitten wird auf die Thematik Ethernet und Echtzeit-Ethernet eingegangen und konkrete Echtzeit-Ethernet-Technologien werden vorgestellt. 4.1.2 Grundlagen Ethernet Ethernet beschreibt eigentlich nur einen Teil der Sicherungsschicht und die Bitübertragungsschicht im ISO-/OSI-Referenzmodell. Basierend auf dem von Norman Abrahmson entdeckten kollisionsbehafteten Aloha-Verfahren entwickelte Xerox 1976 ein CSMA/CD (Carrier Sense Multiple Access/Collision Detection)-System mit einer Übertragungsrate von 2,94 Mbps. Ziel war der Anschluss von etwa 100 Workstations an einem 1 km langen Kabel. Das System erhielt den Namen Ethernet nach dem Maxwellschen Lichtäther. Ethernet war derart erfolgreich, dass Xerox, DEC und Intel sich entschlossen, basierend auf diesem System einen echten Standard für 10-Mbps-Netzwerke zu schaffen. Dieses war die Geburtsstunde der Norm IEEE 802.3 (1985) [4.7]. Während Xerox ursprünglich nur ein spezielles Produkt für die Datenübertragung über ein 10 Mbps Basisband-Koaxialkabel mit einem Wellenwiderstand von 50 Ohm beschrieb, definiert die IEEE 802.3 Norm eine ganze Familie von 1-persistenten CSMA/CD-Systemen. Mittlerweile sind die amerikanischen IEEENormen in die internationale Variante ISO 8802.3 eingegangen und entsprechend den Anforderungen erweitert worden. ISO 8802.3u definiert beispiels-
600
Teil E
Bussysteme 802.2 - LLC Logical Link Control Stellt eine Dienstleistungsschicht für die Vermittlungsschicht bereit
Verarbeitung Verarbeitung Sitzung Sitzung Transport Transport Vermittlung Vermittlung Sicherung Sicherung Bitübertragung Bitübertragung
802.2 LLC
Stellt ein Konvergenzlayer für diverse Protokolle zur Verfügung (Ethernet / WLAN, ...)
802.1 PLCP
802.3 – MAC Medium Access Control
Data Link Layer
802.3 MAC
Physical Layer
802.3 PHY
Medienzugriff auf die Physik Protokollrahmen Rahmensicherung
802.3 – PHY Physical Layer
Ethernet
802.1 - PLCP Physical Layer Convergence Protocol
Darstellung Darstellung
Definieren die Hardwarezugriffe
Abb. 4.4. Ethernet beschreibt die Physik und den MAC-Layer der Sicherungsschicht
weise100-Mbps-Ethernet, 8802.3z Gigabit-Ethernet und 8802.3ae 10-Gbit-Ethernet. Bei der Entwicklung von Ethernet stand die konkurrierende Kommunikation von nahezu beliebig vielen Stationen im Vordergrund. CSMA (Carrier Sense Multiple Access) sagt aus, dass Stationen am Träger hören, ob eine Kommunikation stattfindet. Hierzu werden 0- und 1-Informationen manchesterkodiert, so dass ein Datentelegramm zweifelsfrei detektiert werden kann. Aufgrund der Laufzeiten von Daten auf Kabeln kann es dennoch zu Kollisionen von Datenpaketen kommen. Eine Mindestdatenlänge (im Fall von Ethernet von 64 Byte) bestimmt die größte Netzausdehnung. Tritt eine Kollision auf, bemerken die Stationen, dass die Datenpakete verändert worden sind und hören unmittelbar mit dem Senden auf. Um einen erneuten kollisionsfreien Zugriff zu ermöglichen, starten die entsprechenden Stationen einen Zufallszähler nach dessen Ablauf ein erneuter CSMAZugriff eingeleitet wird. Tritt wieder eine Kollision auf, wird das Intervall des Zufallszählers verdoppelt und der Prozess beginnt von neuem. Erst nach dem 16. Fehlversuch wird der Fehler an die darüber liegende Schicht gemeldet. Dieser Algorithmus wird auch als Backoff-Algorithmus bezeichnet und sorgt dafür, dass im Mittel alle Datenpakete auch bei Kollisionen versendet werden können. Im Laufe der Geschichte von Ethernet haben sich unterschiedliche Varianten der Norm herausgebildet. 10Base 5 beschreibt die Thick-Ethernet bzw. Yellow-Cable-Verkabelung. Diese Kabel waren für die 10-Mbps-Backboneverkabelung mit einer Segmentlänge von bis zu 500 m gebräuchlich. In Abständen von 2,5 m waren auf diesen Kabeln Markierungen angebracht, an denen Transceiver für die Netzwerkrechner mit Vampir-Abzweigen angeschlossen wurden. Mit der Hilfe von bis zu vier Repeatern konnten maximale Segmentlängen von 2,5 km erreicht werden. Aufgrund der mangelnden Flexibilität des Mediums findet man diese Variante vorwiegend in älteren Backbone-Verkabelungen. 10Base2 beschreibt das Thin-Ethernet bzw. das Cheapernet. Hierbei handelt es sich bei dem Übertragungsmedium um ein dünnes 50-Ohm-Koaxialkabel (RG
4 Ethernet Automatisierungstechnik
10 Base 5 Ethernet
10 Base 2 Cheapernet
Transceiver
50 Ω Abschlußwiderstand
Transceiver-Kabel
BNC T-Stück
VampirAbzweig
601
2,5 m
Schnittstellenkarte Netzwerkarte mit Transceiver
Starres Yellow-Cable mit Markierung für Vampirabzweig alle 2,5 m
Thinethernet hat den Transceiver auf der Schnittstellenkarte eingebaut und wird über RG58 Koaxialkabel mit BNC-Stecker oder über EAD-Dosen angeschlossen
Abb. 4.5. 10Base5 und 10Base2 definieren Ethernet auf der Basis von Koaxialkabeln
58). Der Kabelanschluss erfolgt über passive BNC-Stecker, die direkt über T-Stücke oder EAD-Dosen mit speziellen Verbindungskabeln an die jeweilige Netzwerkkarte angeschlossen werden. Der Transceiver liegt auf der Netzwerkkarte und ist nicht als getrennte Komponente ausgelegt. 10 Base2 ist die kostengünstige Alternative für Segmentlängen bis zu 200 m und hat in den 80er und 90er Jahren wesentlich zum Erfolg von Ethernet beigetragen. Base F beschreibt die Glasfaseralternative (F – Fibre) von Ethernet. Die Spezifikation beschreibt Varianten von 10 Mbps (10BaseF), 100 Mbps (100BaseF) bis hin zu 10 Gbps (10.000BaseF). Glasfasernetze werden heute typischerweise für die Backbone-Verkabelung eingesetzt. In industrieller Umgebung können Glasfasernetze ihre Vorteile durch eine optimale Störunanfälligkeit hinsichtlich elektrischer und magnetischer Störimpulse und Bursts ausspielen. 10BaseT bzw. 100BaseT ist heute Stand der Technik. Die T-Varianten beschreiben eine Netzwerkverkabelung mit Twisted-Pair-Kabeln unterschiedlicher Spezifikation. 10BaseT (10Mbps) und 100BaseT (Fast-Ethernet-100Mbps) verwenden dieselbe Infrastruktur und Anschlusstechnik. Fast-Ethernet (100BaseT) wurde 1995 als IEEE 802.3u offiziell verabschiedet. Bei den 100-Mbps-Versionen unterscheidet man zwischen 100BaseTX und 100BaseT4. Die letztere Variante begnügt sich mit UTP-Kabeln der Kategorie 3, d. h. einer Bandbreite von 25 MHz, was die Übertragung der Daten über ungeschirmte Leitungen ermöglicht. Der Tribut an diese Technik ist die Verwendung aller vier Kabelpaare. 100BaseTX verwendet Kabel der Kategorie 5 und ermöglicht die Full-Duplex-Übertragung über zwei verdrillte Kabelpaare, wobei ein Kabelpaar für das Senden und eines für das Empfangen genutzt wird. Die Gigahertzvariante 1000BaseT(X) (Gigabit-Ethernet)
602
Teil E
Bussysteme
verwendet zwar von der Anschlusstechnik her dieselben Kabel und Stecker, entspricht aber vom Anschluss her 100BaseT4, wobei hierbei Full-Duplex über ein Kabelpaar gefahren wird. Gigabit-Ethernet fordert damit auch eine aufwendigere Switchbeschaltung. Mit der BaseT-Technik verließ Ethernet die Linien-Topologie und ermöglichte wesentlich robustere und fehlertolerantere Stern-Strukturen. Als Sternkoppler werden entweder Hubs oder Switches eingesetzt. Heute üblich ist Fast-Ethernet mit 100 und 1000 Mbps. Neben den reinen Definitionen der Kabelphysik beschreibt Ethernet auch den grundlegenden Protokollrahmen des MAC-Layers. Wird generell IEEE 802.3 und Ethernet synonym verwendet, so findet sich bei den Protokollrahmen ein wichtiger Unterschied. Historisch gewachsen ist der IEEE 802.3-Rahmen. Die ersten 7 Bytes erhalten eine Präambel mit einer Magic-Number 1010101. Sie erzeugt bei 10 Mbps und Manchesterkodierung ein 10 MHz-Signal von 5,6 µs Länge und ermöglicht der hörenden Station die Synchronisation mit dem Sender. Das Signal wird auch zur Autodetektion von 10/100-MBit verwendet. Das folgende Startbit dient als Rahmenstart-Bit. Die Ziel- und Quelladresse beinhalten die MACAdresse des Senders und Empfängers. Die MAC-Adresse ist eine Eigenschaft der Netzwerkkarte und weltweit eindeutig. Bei 802.3-Netzen ist prinzipiell auch eine 2 Byte Adresse für Sender und Empfänger möglich, was jedoch keine praktische Bedeutung hat. Das folgende Feld beschreibt die Länge des Datenfeldes. Prinzipiell kann die Datenfeldlänge 0 bis 1500 Bytes betragen. Ist das Datenfeld so klein, dass die Mindesttelegrammlänge von 64 Bytes nicht erreicht wird, wird das PadFeld durch die Schicht 2 mit leeren Bytes belegt. Die Prüfsumme über das gesamte Protokoll ist 32 Bit lang und basiert auf einem Prüfsummenalgorithmus mit zyklischer Redundanz. Abweichend davon arbeitet ein Ethernet-II-Rahmen mit einer 8-Bit-Präambel und es wird eine 6-Byte-Adresse für Sender und Empfänger vorausgesetzt. Da das 10/100/1000 Base T - Ethernet Sternkoppler Hub Netzwerkcontroller TP-Verkabelung
Sternkoppler (Switch / Hub)
Sternkoppler Switch
Gemeinsame Kollisionsdomäne Keine Vorteile zu 10 Base 2 / 5
Getrennte Kollisionsdomäne Vollduplex Betrieb Punkt zu Punkt Verbindungen
Abb. 4.6. Base T-Ethernet ist heute Stand der Technik mit sternförmiger Verkabelung und aktiven Sternkopplern
4 Ethernet Automatisierungstechnik Präambel Präambel
Zieladresse Zieladresse
Quelladresse Quelladresse
Länge Länge
6
6
2
0 ... 1.500
8
6
6
2
46 ... 1.500
Präambel Präambel
Zieladresse Zieladresse
Quelladresse Quelladresse
Type Type
7
1
Datenfeld Datenfeld
Datenfeld Datenfeld
603
Pad Pad
Prüfsumme Prüfsumme
0 .. 46
4
IEEE 802.3
4
Ethernet II
Prüfsumme Prüfsumme
Abb. 4.7. Ethernet II- und 802.3-Datenrahmen können auf einer Hardware verwendet werden und haben eine Mindestrahmenlänge von 64 Bytes
Datenfeld auf 46…1.500 Byte definiert ist, kann das Pad-Feld entfallen und das Längenfeld wird durch einen Datentyp-Code ersetzt. Typische Codes sind beispielsweise 0x06 für DoD (Internet) oder 0xE0 für Netware und 0xF0 für Netbios. Ethernet II-Rahmen und 802.3-Rahmen können mit derselben Hardware verwendet werden. Typischerweise werden Ethernet II-Rahmen bevorzugt eingesetzt. 4.1.3 Switched-Ethernet Wie bereits im Abschnitt über Echtzeitfeldbussysteme beschrieben versteht man unter Echtzeit die genaue Vorhersagbarkeit der Kommunikation. Hierzu gehört Determinismus, also Vorhersagbarkeit der Kommunikation mit Jitter (Abweichung vom Mittelwert) und Latenzzeit (Verzögerungszeit). Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten das Ethernet, so muss man feststellen, dass in der ursprünglichen Linientopologie (Base5, Base2) in einem konkurrierenden Bussystem aufgrund des Backoff-Algorithmus keine Echtzeit möglich war. Das Gleiche gilt auch für ein Sternnetz mit einem Hub als Sternkoppler, da es sich hierbei formal um eine gefaltete Linienstruktur handelt. Als Konsequenz sind konkurrierende Zugriffe unter allen Umständen zu vermeiden, weil sonst keine definierten Antwortzeiten garantiert werden können. Anders sieht es in einer Sterntopologie aus, bei der als Sternkoppler ein Switch eingesetzt wird. Ein Switch ist ein Kreuzschienenverteiler, der es ermöglicht, eine Vollduplex-Kommunikation zwischen zwei Teilnehmern zu schalten. Solange nur eine Punkt-zu-Punkt-Kommunikation über den Switch abgebildet wird, ist alleine die Verzögerungszeit des Switches für die Echtzeit verantwortlich. Etwas komplizierter wird es, wenn mehrere Teilnehmer über einen Port kommunizieren. Zwar können keine Kollisionen stattfinden, da Switches die Datenpakete zwischenpuffern (Store-and-Foreward-Technologie), das Kommunikationsverhalten wird aber nachhaltig durch den Switch bestimmt. Prinzipiell kann aber das Warteschlangenverhalten des Sternkopplers genau beschrieben werden. In Veröffentlichungen der Firma Hirschmann werden beispielsweise typische Verzögerungszeiten von 150 µs für 1526 Byte Datenpakete bei 100 Mbps angegeben. Im Fall einer 1:m Kommunikation kann sich so die Verzögerungszeit bis in den Millisekundenbereich aufaddieren. Zusammenfassend wird deutlich, dass mit diesen aus dem Officebereich bekannten Techniken bestenfalls die Echtzeitklassen 1 und 2 erreicht werden. Gerade für Anwendungen der Klasse 2 müssen jedoch zusätzliche Randbedingungen eingehalten werden:
604
Teil E
Bussysteme Switch
Port 1 Port 2 Port n tp
tL
tgap
tgap Port 1
tges = tP +tL + n · tP + (n −1) · tgap
Port 2
Port n
tgap
Port n+1
Abb. 4.8. Verzögerungen in Switches sind determinierbar
– Die Netzlast ist soweit zu reduzieren, dass eine Kollision möglichst unwahrscheinlich wird. Alternativ kann auch eine zentrale Koordination bei der Verwaltung der Netzlast helfen. – Kollisionen treten bei der Vollduplex-Kommunikation nicht auf. Hierbei spielt nur die zeitliche Verzögerung eine Rolle. Eine deutlich verbesserte Vorhersagegenauigkeit schaffen hier gemanagte Switches, die eine definierte Datenrate für einen oder mehrere Ports reservieren können oder eine Priorisierung der Nachrichten ermöglichen. 4.1.4 IEEE 802.1Q – VLANS und priorisierte Nachrichten Aus den vorhergehenden Ausführungen wird deutlich, dass ein einfacher Storeand-Foreward-Switch nicht alle Probleme in der Verteilung der Datenpakete für eine definierte Zustellung garantieren kann. Diese Problematik ergibt sich nicht nur bei Echtzeitdaten in der Automatisierungstechnik, sondern auch bei OfficeAnwendungen wie z. B. IP-Telefonie oder bei der Verteilung von Videostreams. Dieses führte zu der Entwicklung von sog. VLANs, Gruppen von Netzwerkknoten, die in einer autonomen Domäne zusammengefasst sind und ein eigenständiges virtuelles Netzwerk bilden. Die Zugehörigkeiten der Knoten zu einem virtuellen Netzwerk sind alleine durch eine Softwarekonfiguration in den Switches definierbar und können entsprechend den unterschiedlichen Erfordernissen modifiziert werden [4.6]. VLAN-Konzepte können auf unterschiedlichen Ebenen des ISO-/OSI-Modells definiert werden. Layer-1-Switches ermöglichen eine Subnetz-Zuordnung durch die physikalische Zuordnung der jeweiligen Ports. Die Portzuordnung wird manuell durch den Administrator vorgenommen, was zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand beiträgt. Layer-2-VLAN-Switches sind nicht mehr am physikalischen Port orientiert, sondern ermöglichen eine Software-Zuordnung durch das Auslesen und Verwalten der MAC-Adressen der angeschlossenen Stationen. Jeder Knoten benötigt
4 Ethernet Automatisierungstechnik
605
Backbone
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
Node Node
VLAN 1
VLAN 2
VLAN 3
Node Node
Abb. 4.9. Virtuelle Netzwerke werden allein durch die Switchkonfiguration definiert
hierbei eine Zuordnung, zu welchem VLAN er gehört. Die durch den Switch gehaltenen Listen sind i. d. R. recht aufwendig und rechenintensiv, so dass nur kleinere Netztopologien mit diesem Verfahren gemanagt werden können. Ein Einsatz von zusätzlichen Routern ist demnach unabdingbar. Eine Vereinfachung der Switch-Verwaltung ermöglichen Layer-3-Switches. Hier wird die VLAN-Zuordnung nicht im Switch selbst, sondern durch eine Erweiterung des Protokolls oberhalb der Schicht 2 realisiert. Heute hat sich hierfür das 802.1Q/P-Protokoll herausgebildet. Nach der Ziel- und Quelladresse wird dem Ethernet-Datenrahmen durch sog. Tagging ein zusätzliches Schicht-3-Protokoll eingeschoben, welches die Zugehörigkeit zu einem VLAN und die Nachrichtenpriorität kennzeichnet. Die Protokollerweiterung wird für die Nachricht transparent durch den Schicht3-Switch realisiert. Wird ein Ethernet-Frame über einen sog. Trunked Port versendet, fügt der Switch dem Frame ein 802.1Q-Tag mit den VLAN- und Prioritätsinformationen hinzu.
Layer
Verarbeitung Verarbeitung
Switching
Darstellung Darstellung Sitzung Sitzung
44
Transport Transport
33
Vermittlung Vermittlung
- Ermöglicht MAC-Zuordnung des Layers 2 - Verwaltung über Netzwerk-Management - Erweiterung des Layer 3 durch 802.1Q - Virtuelle Router Funktion
22
Sicherung Sicherung
- Zuordnung auf MAC-Adressebene - Benötigt Speicher und Rechenleistung im Switch
11
Bitübertragung Bitübertragung
- Physikalische Zuordnung der Ports - Komplizierte Verwaltung
Abb. 4.10. Switching ist auf unterschiedlichen Ebenen des ISO-/OSI-Modells möglich
606
Teil E
Bussysteme
Ethernet II / 802.3 Datenrahmen Präambel Präambel 77 Byte Byte
Zieladresse Zieladresse 66 Byte Byte
Quelladresse Quelladresse L/T L/T 66 Byte 22 Byte Byte Byte
Datenfeld Datenfeld 46 46 … … 1500 1500 Byte Byte
Prüfsumme Prüfsumme 44 Byte Byte
Ethernet 802.1 Q Datenrahmen Präambel Präambel 77 Byte Byte
Zieladresse Zieladresse 66 Byte Byte
Quelladresse Quelladresse 66 Byte Byte
L/T L/T Type Prio CFI CFI VLAN VLAN ID ID 22 Byte Type Prio Byte 22 Byte Bit Bit Bit 12 12 Bit Bit Byte 33 Bit
Datenfeld Datenfeld 46 46 … … 1500 1500 Byte Byte
Prüfsumme Prüfsumme 44 Byte Byte
12 Bit-Adresse des zugehörigen VLANs Gibt die Wertigkeitsreihenfolge der Bits an User Priority gibt die Wertigkeit der Nachricht an Ethertype 0x8100 für 802.1Q Telegramm
Abb. 4.11. 802.1Q ermöglicht durch „Tagging“ eine Priorisierung und VLAN-Zuordnung von Nachrichten
Empfängt ein Schicht-3-Switch auf einem Trunked Port (802.1Q) einen Ethernet-Frame, wird dieser nach dem Ethertype für ein 802.1Q-Telegramm durchsucht. Handelt es sich um einen 802.1Q-Frame, erfolgt die Zuordnung des Ausgangsports durch die 12-Bit VLAN-ID. Neben der VLAN-Zuordnung ist die Nachricht durch die Auswertung des User-Priority-Fields in bis zu 8 Stufen priorisierbar. Da es sich bei 802.1Q um eine Protokollerweiterung für Layer-3-Switches handelt, müssen zumindest alle Endgeräte an einem 802.1Q-fähigen Switch angeschlossen sein. In der weiteren Baumstruktur sind optional auch konventionelle Switches verwendbar. Aktuell werden von vielen Automatisierungsherstellern managebare Switches für einen optimierten Datendurchsatz angeboten. Als Standard hat sich in der Officewelt 802.1Q herauskristallisiert, was auch für die Automatisierungswelt zu erwarten ist. 4.1.5 IEEE 1588 – Precision Time Protocol Bei dezentral organisierten Netzwerken wie Ethernet ist eine genaue Vorhersagbarkeit schwierig, weil keine zentrale Koordinierungsinstanz verfügbar ist. Der Kollisionsfall oder die Warteschlangen in Sternkopplern stören alle Echtzeitbemühungen. Bei den klassischen Feldbussystemen haben sich sog. zeitgetriggerte Protokolle (TTP – Time Triggert Protocol) als universelle Lösung herausgebildet. Voraussetzung für eine zeitliche Koordination der Datenpakete ist eine äußerst präzise Uhrzeit, die möglichst auf allen Stationen zur Verfügung steht. Hier gibt es aus der Datentechnik mit NTP (Network Time Protocol) und SNTP (Simple Network Time Protocol) bereits bewährte Ansätze für die zentrale Steuerung der Uhrzeit. Diese haben jedoch den Nachteil, dass Laufzeiten im Netzwerk keine Berücksichtigung finden und deshalb für eine genaue Zeit im µs-Bereich für die Automatisierungstechnik ungeeignet sind [4.8]. Eine deutliche Verbesserung verspricht der IEEE 1588-Standard zur Erzeugung von höchstpräzisen Uhrzeiten über paketvermittelte Netze mit dem sog. PTP (Precision Time Protocol). Der Grundgedanke besteht darin, alle angeschlossenen Stationen mit einer selbst laufenden hochgenauen Echtzeituhr zu versehen und diese
4 Ethernet Automatisierungstechnik
Station StationAA
Station B Station B
NTP SNTP
Station C Station C
Station StationWW
Uhrzeit-Broadcast
Station D Station D
Network Time Protocol Simple Network Time Protocol
Broadcast der Uhrzeit eines Masters zur Synchronisation der Stationen
Station X Station X
PTP
607
Synchronisations-Broadcast
Station Y Station Y
Station Z Station Z
Precision Time Protocol
Synchronisation der hochgenauen Echtzeituhren der einzelnen Stationen
Abb. 4.12. PTP synchronisiert hochpräzise Echtzeituhren
Uhren zu synchronisieren. Daten können so mit einem exakten Zeitstempel übertragen werden, so dass eine empfangende Station auch bei einer nur isochronen Übertragung die Daten richtig zuordnen kann. Der Standard definiert Methoden und Verfahren zum Finden der besten Echtzeituhr im System als Uhrenmaster und zur Synchronisation der verteilten Echtzeituhren. Der IEEE 1588-Standard ist optimiert für kleine Netzwerke mit wenigen Teilnetzen, geringen Ressourcenverbrauch und minimalen Verwaltungsaufwand. Während in den bekannten Zeitprotokollen die Zeit selbst als Broadcast versendet wird, erfolgt im PTP eine Versendung von Synchronisationssignalen der Echtzeituhren. Hierdurch können die Laufzeiten auf dem Medium und innerhalb des Prozessors berücksichtigt werden und erlauben eine Zeitgenauigkeit bis in den µs-Bereich. PTP steckt noch in den Kinderschuhen. Die aktuellen Entwicklungen lassen jedoch die Vermutung aufkommen, dass sich IEEE 1588 als der Synchronisationsmechanismus für verschiedene Echtzeit-Ethernet-Varianten herausbilden wird. 4.1.6 Topologie und Verkabelungstechnologie Wie bereits in vorhergehenden Abschnitten angesprochen ist das Design eines Ethernet-Netzwerks für die Vorhersagbarkeit von besonderer Bedeutung. In einem vorhergehenden Abschnitt über strukturierte Netzwerkverkabelung wurde bereits auf die Empfehlungen der IAONA eingegangen. In Anlehnung an die einschlägigen Normen der Gebäudetechnik wurde empfohlen, ein hierarchisches Netzwerk basierend auf Switchtechnologie aufzubauen. Doch gerade in der Automatisierungstechnik orientiert sich die Topologie stark an den Anforderungen der Applikation. Während in der Officewelt eine klare Sternstrukturierung problemlos realisierbar ist, weisen reale Netze in der Automation Mischformen von Baum-, Stern- und Ringstrukturen auf. Bei besonderen Anlagen wie z. B. weit verteilten Logistikanlagen wären sogar Linienstrukturen von besonderem Vorteil. Diesen Anforderungen werden industrielle Ethernetkomponenten häufig durch die Integration von Switches innerhalb einer Automatisierungskomponente gerecht. Hierdurch sind auch Linientopologien und Misch-
608
Teil E
Bussysteme
TA
MV Maschinenverteilung
Patchfeld
Switch EV Etagenverteilung
Zur Gebäudeverteilung
Abb. 4.13. Aufbau einer auf Ethernet-basierenden Maschinenverteilung
formen problemlos möglich. In Hinblick auf die Echtzeiteigenschaften ist jedoch ein besonderes Augenmerk auf die Timingeigenschaften wie Latenzzeiten und Jitter zu legen. Im Weiteren muss davon ausgegangen werden, dass die Installation im industriellen Umfeld nicht mit konventioneller Verkabelungstechnik durchgeführt werden kann. Die mechanischen Eigenschaften eines RJ45-Steckers genügen in keiner Form den Anforderungen im industriellen Umfeld. Von der Hardwareseite aus sind die konventionellen Officekomponenten wie Switches und Hubs für die Industrieumgebung ebenfalls ungeeignet. Bestenfalls sind sie in Leitwarten und Schaltschränken verwendbar. Die thermischen Anforderungen und die EMV-Bedürfnisse werden häufig nicht abgedeckt. Für die Installation im Feld unter der Schutzart IP65/67 sind die Officekomponenten vollkommen ungeeignet. Mittler-
Baumstruktur
Redundante Ringstruktur
Abb. 4.14. In der Automation sind häufig redundante Ringstrukturen sinnvoll
4 Ethernet Automatisierungstechnik
609
Abb. 4.15. Übersicht der durch die IAONA empfohlenen Heavy-Duty-Verbinder
weile hat sich jedoch eine Vielzahl von Anbietern auf industrialisierte Komponenten spezialisiert. In Abb. 4.15 sind einige Varianten aufgezeigt.
4.2 Industrielles Echtzeit-Ethernet Bisher wurden eher allgemeine Aussagen zu Ethernet für den Automatisierungsbereich gemacht. Es gibt viele Optionen und Möglichkeiten, die jedoch mit einer realen Implementierung nichts zu tun haben. Im Folgenden werden einige System
Organisation
Hardware
SW-Stack
RT-Klasse
Topologie
Info
Stand. Spezi. TCP UDP RT Anwend. 1 2 3 4 S B L M Modbus/TCP
Modbus-IDA
X
-
X
-
-
Modbus
X O -
- X X
-
-
Ethernet/IP
X
-
X
X
O
CIP
X O -
- X X
-
-
www.odva.org
X
-
X
X
-
FF
X -
-
-
-
www.fieldbus.org
Powerlink
ODVA Fieldbus Foundation EPSG
X
O
X
X
X
EPSG
X X X O X X X
- www.ethernet-powerlink.org
Profinet
PNO
X
O
O
O
X
Profinet
X X O O X X
-
www.profibus.de
EtherCAT
ETG
(X)
X
O
O
X
ETG
X X X X X X X X
www.ethervat.org
SERCOS III
IGS
(X)
X
O
O
X
Sercos
HSE
X - Zutreffend O - mit Einschränkung - - nicht möglich
Abb. 4.16. Übersicht industrieller Ethernet-Varianten
-
x
X X X X -
1 – größer 1 ms 2 – 100 µs bis 3 ms 3 – 10 µs bis 400 µs 4 – 0,5 µs bis 15 µs
x
-
-
X
-
S – Stern B – Baum L – Linie M – Meshed
www.Modbus-ida.org
www.sercos.de
610
Teil E
Bussysteme
Ethernet-basierende Bussysteme in Hinblick auf ihre Technologie näher vorgestellt [4.9]. 4.2.1 ModbusTCP ModbusTCP basiert auf dem MODICON Modbus-Protokoll aus dem Jahr 1979 und gehört damit zu den Dinosauriern unter den Busprotokollen. Ursprünglich definierte es eine funktionale Client-Server-Kommunikation für serielle Systeme nach den RS-232-, RS 422- oder RS 485-Standards. Seit dem Herbst 2004 sind IDA und ModbusTCP als Interessengemeinschaft Modbus-IDA zusammengeschlossen und werden als offener Standard von vielen, typischerweise mittelständischen Unternehmen unterstützt. Bei Modbus handelt es sich um eine funktionale Client-Server-Schnittstelle. Hierdurch war die Integration in das Ethernet-Umfeld vergleichsweise einfach. Das ursprüngliche Kommunikationsmodell konnte nahezu unverändert übernommen werden. Modbus verwendet einen unveränderten TCP/IP-Protokollstack und stellt seine Dienste über den Kommunikationsendpunkt Port 502 oberhalb von TCP zur Verfügung. ModbusTCP ist nicht echtzeitfähig und sollte deshalb nur für zeitunkritische Systeme verwendet werden. Zur Verbesserung der Kommunikation gegenüber konventioneller TCP/IPKommunikation wird ein einfaches Socket-basiertes Verbindungsmanagement umgesetzt. Hierzu gehören Funktionen und Maßnahmen zur Verbindungsüberwachung und Verbindungssteuerung. Es wird zwischen einem Modbus-Client und Modbus-Server unterschieden. Ein Server stellt Daten zur Verfügung, ein Client konsumiert sie. Ein Rechner oder Kommunikationsgerät kann sowohl Client als auch Server sein. Um eine Interoperabilität zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller sicherzustellen, wurde sowohl ein einheitliches Datenmodell mit
Anwendung
Applikation Applikation Client ClientInterface Interface
Backend BackendInterface Interface
Modbus ModbusClient Client
Modbus ModbusServer Server
Stack Stack
Parameterization Parameterization
Connection Connection Management Management
Access Access CTI CTI
Communication Application Layer Modbus TCP Management
Port: 502
Transport Transport
TCP
Vermittlung Vermittlung
IP
Sicherung Sicherung Bitübertragung Bitübertragung
Ethernet
Abb. 4.17. Aufbau des Modbus-KommunikationsStacks
4 Ethernet Automatisierungstechnik
611
genau definierten Datentypen als auch eine Funktions-API definiert. Die Funktionsbibliotheken und Programmierschnittstellen sind für C, C++ und Java auf den unterschiedlichsten Plattformen als freie Quellen zugänglich. ModbusTCP wird heute als universelle Kommunikationsschnittstelle für den Austausch von Automatisierungsdaten einfacher Ethernet-Geräte ohne Echtzeitanforderungen verwendet. Gerade für die Gebäudeautomation ist der Leistungsumfang hinreichend. Eine Vielzahl von Produkten ist mit ModbusTCP verfügbar [4.10]. 4.2.2 Ethernet/IP Ethernet/IP ist ein offener, durch die ODVA (Open DeviceNet Vendor Association) getriebener Ethernet-basierter Kommunikationsstandard für die Automatisierungstechnik. Ethernet/IP verwendet Ethernet und die darauf aufsetzenden Protokolle IP und TCP bzw. UDP vollkommen unverändert. Oberhalb der Transportschicht werden die Dienste und Programmierschnittstellen von CIP (Control & Information Protocol) verwendet. CIP bietet Standarddienste für den Zugriff auf Steuerungsgeräte über implizite und explizite Nachrichten. Explizite Nachrichten sind individuelle Nachrichten zwischen zwei Teilnehmern mit einem Request- und Response-Antwortpaar, die i. d. R. für Objekt-Steuerbefehle verwendet werden. Der Austausch von Prozessdaten erfolgt als implizite Nachrichten über ein effizientes Producer-Consumer-Verfahren. Implizite Nachrichten können ereignis-, zeit-, applikationsgesteuert oder pollend sein. Neben dem CIP-Protokoll sind alle aus der Internetwelt bekannten Protokolle wie http und ftp vorgesehen. Bei der Implementierung von Ethernet/IP wurde auf die unterschiedlichen Kommunikationsanforderungen von Office- und Automatisierungsnetzwerken
CIP CIPApplikation Applikation HTTP HTTP Webservices Webservices Explizite Nachrichten
TCP TCP
IEEE1588 Erweiterung
Factory FactoryAutomation Automation Application Application Protocol Protocol(CIP) (CIP)
Abb. 4.18. Ethernet/IP nutzt CIP für die Kommunikation über Ethernet
Anwendung CIP
Echtzeit-EA-Steuerung
UDP UDP Vermittlung Vermittlung Sicherung Sicherung Bitübertragung Bitübertragung
TCP - UDP IP Ethernet
612
Teil E
Bussysteme
eingegangen. Im Wesentlichen können drei verschiedene Klassen von Nachrichten identifiziert werden, bei denen die Qualitätsparameter wie Determinismus, Anzahl aktiver Knoten, Antwortzeit und Fehlerantwortzeit unterschiedlich bewertet werden müssen. 1. Steuerungsnachrichten Steuerungsnachrichten machen die Mehrheit des Kommunikationsaufkommens in einem Automatisierungsnetzwerk aus. Man kann davon ausgehen, dass um die 90 % aller Nachrichten für Steuerungszwecke verwendet werden. Hierzu gehören die zyklischen Prozessdaten für IO-Punkte von Sensoren und Aktoren sowie komplexen Steuerungsgeräten. In Ethernet/IP wird hierfür das Producer-Consumer-basierende CIP-Protokoll verwendet. Es ermöglicht einen effizienten Datenverkehr mit geringem Overhead. Für die Kommunikation auf Transportebene werden implizite Telegramme über UDP verwendet. Typische Reaktionszeiten liegen im Bereich einiger Millisekunden, was bestenfalls für Lösungen der Echtzeitklasse 1 ausreicht. 2. Informations- und Identifikationsnachrichten Azyklische Informationsnachrichten mit geringer Priorität können bevorzugt über das standardisierte TCP-Protokoll transferiert werden. Informationsnachrichten sind i. d. R. nicht echtzeit-kritisch und bedürfen keiner weiteren besonderen Behandlung. Sie kennzeichnen damit das untere Ende der Anforderungen. Um den Datenfluss der Informationsnachrichten zu kontrollieren, bietet CIP Dienste für eine gezielte Datenflusssteuerung an, so dass die relevanten Echtzeitdienste nicht behindert werden.
n
-
Abb. 4.19. Ethernet/IP-Kommunikationsklassifizierung
4 Ethernet Automatisierungstechnik
613
3. Diagnose und Konfigurationsnachrichten Mittlere Anforderungen stellen Diagnose- und Konfigurationsdienste an das Netzwerk. Nachrichten sollten typischerweise innerhalb weniger 100 Millisekunden verarbeitet werden, wozu das konventionelle TCP-Protokoll hinreichend ist. Die vorhergehenden Ausführungen machen deutlich, dass Ethernet/IP nur geringe Echtzeitanforderungen erfüllen kann. Selbst um diese Leistungen zu erfüllen, sind geeignete Infrastrukturkomponenten eine wesentliche Voraussetzung. Die ODVA empfiehlt zur Erreichung der genannten Echtzeitkriterien ein geswitchtes Ethernet einzusetzen, bei dem die Komponenten eine Paket-Priorisierung nach 802.1Q/p unterstützen. Etliche Komponenten für Ethernet/IP werden durch Rockwell Automation und andere Firmen bereits am Markt angeboten. Aus der Sicht von Rockwell ist Ethernet/IP die ideale Ethernet-Ergänzung zu DeviceNet und ControlNet, da alle Systeme auf CIP als Anwendungsprotokoll setzen. 4.2.2.1 CIPsync Zur Verbesserung der Echtzeiteigenschaften arbeitet die ODVA an der Integration der hochgenauen Zeitbasis nach dem IEEE 1588-Standard unter der Bezeichnung CIPsync. Hierbei handelt es sich um spezielle Hardwarebausteine, in denen die IEEE 1588-Uhren realisiert werden. Integriert in das CIP-Protokoll werden jede Sekunde die Uhrenbausteine abgeglichen, wodurch eine mittlere Zeitabweichung der Geräte (Jitter) von besser als 500 Nanosekunden erreicht werden soll. Rockwell gibt an, dass die Steuerdaten von 30 Achsen etwa 300 µs benötigen, 100 Achsen sind innerhalb einer Millisekunde abgleichbar. 4.2.3 HSE – High Speed Ethernet HSE (High Speed Ethernet) ist die Ethernet-Spezifikation der Fieldbus Foundation und verwendet konventionelle Ethernet-Technologie und den unveränderten TCP-/IP-Protokollstack. Die FF-Telegramme werden formal über UDP übertragen. Eine Anpassung erfolgt über die Benutzerschicht FFB (Fieldbus Function Block). Im großen Ganzen werden die oberen Protokoll-Layer unverändert von der Fieldbus Foundation übernommen. 4.2.4 PowerLink Die österreichische Firma B&R (Bernecker & Rainer Industrie Elektronik) stellte bereits im Herbst 2001 ihre erste eigene Lösung für Echtzeit-Ethernet, basierend auf einem optimierten Protokollstack ab Layer 2, vor. Die Spezifikation wurde 2002 offen gelegt und seit 2003 als offener Standard in der EPSG (Ethernet Powerlink Standardization Group) weiter gepflegt. Viele renommierte Firmen, vorwiegend aus dem Bereich der Antriebstechnik, sind der offenen Arbeitsgruppe beige-
614
Teil E
Bussysteme
Abb. 4.20. Powerlink nutzt einen modifizierten Softwarestack im Master
treten. Nach Angaben von B&R waren in 2004 bereits über 15.000 Geräte im Einsatz [4.11]. Powerlink nutzt konventionelle Ethernet-Hardware und verwendet ein überlagertes Master-Slave-Kommunikationsverfahren. Die Echtzeitanforderungen werden durch einen optimierten Protokollstack, der sowohl Echtzeitkommunikation als auch azyklische Dienste über TCP/IP zulässt, erfüllt. Zur Vermeidung von Kollisionen wird ein isochrones Zeitscheibenverfahren (SCNM – Slot Communication Network Management) verwendet. Eine ausgezeichnete Station übernimmt die Funktion des Managers (Master), der den Zeittakt für das Netzwerk vorgibt. Die angeschlossenen Geräte senden nur auf eine Masteranfrage. Zur Identifikation von Powerlink-Nachrichten wird im Ethernet II-Datenrahmen eine spezielle Ethertype definiert. Das eigentliche Telegramm befindet sich im Nutzdatenfeld. Eine Besonderheit findet sich in der Vernetzungstechnologie von Powerlink. Während alle anderen Ethernet-basierenden Netzwerke auf Switchtechnologie
Ethernet Powerlink SID SID Rahmenformat Ethernet II Präambel Präambel 8
DA DA
SA SA
Data Data
Ethertype
Zieladresse Zieladresse
Quelladresse Quelladresse
L/T L/T
Datenfeld Datenfeld
Prüfsumme Prüfsumme
6
6
2
46 ... 1.500
4
Abb. 4.21. Powerlink nutzt konventionelle Ethernet II-Rahmen mit eigenem Ethertype
4 Ethernet Automatisierungstechnik Start Managing Node
Gerät A Gerät B
Start
Isochronous Req A
Asynchronous
Req B
Req X
End
615 Idle
Invite
RespA RespB Send
Gerät C RespX
Gerät X
Gesamtzykluszeit
Abb. 4.22. Master-Slave-Kommunikation bei Powerlink
setzen, verwendet Powerlink als Sternkoppler Hubs. Da Hubs eingehende Nachrichten auf allen Ports „fluten“, sind die Laufzeiten geringer und eine Nachricht wird so in geringster Zeit an die angeschlossenen Stationen weitergeleitet. Erkauft wird dieser Vorteil mit dem Verlust der Vollduplex-Fähigkeit und der getrennten Kollisionsdomänen. Von einem kooperativen Betrieb von Powerlink-Geräten und konventionellen Geräten der EDV-Technik ist damit dringend abzuraten. Der zeitscheibengesteuerte Betriebsmodus wird als sog. „Protected Mode“ bezeichnet. Für eine offene Kommunikation mit Nicht-Powerlink-Geräten und Switches als Sternkoppler wird durch die EPSG an dem „Open-Mode“ gearbeitet, der eine Echtzeitperformance nach Klasse 3 zulässt und das Zugriffsverfahren durch eine Nachrichtensteuerung mit einem Zeitstempel nach IEEE 1588 zulässt. Der Protected-Mode lässt eine Echtzeitkommunikation der Klasse 4 mit einem Jitter kleiner 400 ns zu. Der Managing Node (Master) gibt den Zeittakt mit einem Broadcast-Start-Frame vor. Bis auf die Hub-Verzögerung werden hierdurch alle angeschlossenen Geräte mit einer zentralen Zeitbasis versehen. Nach dieser einleitenden Startphase erfolgt ein durch den Master gesteuertes Polling der angeschlossenen Geräte. Alle Frames sind ereignisgesteuert und werden lediglich mit Timeouts überwacht. Um den Querverkehr zwischen den Geräten zu minimieren, werden alle Slave-Antworten als Broadcast versendet, so dass die Responsetelegramme durch jedes Gerät ausgewertet werden können. Die Kommunikation folgt somit einem Publisher-Subscriber-Modell. Nachdem alle zyklischen Geräte abgefragt worden sind, wird die asynchrone Phase durch ein Invite-Telegramm des Masters eingeleitet. In dieser Kommunikationsphase können zeitunkritische asynchrone Nachrichten wie z. B. konventionelle TCP-/IP-Pakete ausgetauscht werden. Damit ein Teilnehmer an dieser Phase teilnehmen kann, muss er sich zuvor in der isochronen Phase anmelden. Die zeitliche Zuordnung der asynchronen Zeitscheibe erfolgt durch das Invite-Telegramm des Masters. Nach Abschluss dieser Phase sollte noch ein wenig Restzeit für die Idle-Phase zur Verfügung stehen, damit der Gesamtzyklus eine exakt gleiche Zeitdauer bildet. Um den Kommunikationsbedürfnissen der einzelnen Geräte gerecht zu werden, definiert Powerlink zwei verschiedene Teilnehmerklassen.
616
Teil E
Bussysteme
– Klasse 1 – Geräte senden in jedem Powerlink-Zyklus und werden als „cyclic“ bezeichnet. – Klasse 2 – Geräte senden nur in jedem n-ten-Zyklus, wobei die Periode einstellbar ist. Man bezeichnet diese Klasse auch als „Prescaled“. 4.2.5 ProfiNet ProfiNet ist ein offener und herstellerübergreifender Standard für industrielles Ethernet und Bestandteil der IEC 61158. ProfiNet basiert auf Entwicklungen von Siemens und kann als die Ethernet-basierte Variante von Profibus verstanden werden. ProfiNet nur als Bussystem zu verstehen, wäre zu kurz gefasst. Unter ProfiNet wird eine ganzheitliche Systematik verstanden, die einen Entwicklungszyklus vom Engineering über die komponentenbasierte Automation bis hin zur Integration, Diagnose und Wartung der Systeme umfasst. Schwerpunkte der ProfiNet-Technologie umfassen die Bereiche IT-Integration, verteilte Automatisierung, Nutzung von Wireless-Verbindungen und Echtzeit-Ethernet. Um den unterschiedlichen Anforderungen zu entsprechen, sind unterschiedliche Echtzeitleistungsstufen für verschiedene Anwendungsbereiche verfügbar. Hier sollen im Wesentlichen die Aspekte der Echtzeitdatenübertragung Berücksichtigung finden. 4.2.5.1 Standard-Ethernet ProfiNet verwendet Standard-Ethernet mit dem TCP-/IP-Protokoll für zeitunkritische Dienste. Hierzu gehört beispielsweise die Integration von EngineeringWerkzeugen oder die Parametrierung und Konfiguration von Geräten. Durch die Nutzung der De-facto-Standards der Datentechnik sind darüber hinaus die Integration von ERP-Systemen und die Fernwartung über das Internet problemlos möglich. Da Standard-Ethernet explizit nur für zeitunkritische Dienste verwendet wird, sind besondere Vorkehrungen nicht notwendig. Standard Ethernet Applikation Applikation
TCP TCP
RT Realtime Automation Automation Application Application
IRT Isochronous Realtime IEEE IEEE1588 1588 Realtime Application Realtime Application
802.3 802.3MAC MAC
Anwendung Transport
UDP UDP IPIP
Dienstschicht
Vermittlung Profinet ProfinetRT RT––802.1Q 802.1Q
Profinet ProfinetIRT IRT
Ethernet
Ethernet EthernetMAC MACCSMA/CD CSMA/CD100 100Base BaseTT
100 ms
10 ms
Abb. 4.23. Profinet unterstützt verschiedene Kommunikationsprofile
< 1 ms
Reaktionszeit
4 Ethernet Automatisierungstechnik
617
4.2.5.2 Real-Time-Ethernet Die Echtzeitvariante RT wurde bisher als V2 bzw. SRT (Soft Real Time) bezeichnet. RT wird für zeitkritische Prozessdaten und ereignisgesteuerte Alarme verwendet. Um den Anforderungen hinsichtlich Echtzeit gerecht zu werden, nutzt ProfiNetRT einen Echtzeit-Datenkanal auf Treiberebene. Zum Aufbau komplexer Netzwerkstrukturen ist mit der Hilfe von Schicht-3-Switches eine priorisierte Nachrichtenübermittlung nach dem IEEE 802.1Q-Standard möglich. Als Standard-Priorität für Echtzeitdaten wird die zweithöchste Prioritätsstufe (6) gewählt, die eine vorrangige Bearbeitung beispielsweise vor Diagnosedaten (Prioritätsstufe 5) oder IP-Telefonie ermöglicht. Mit Profibus-RT sind typischerweise Zykluszeiten im Bereich einiger Millisekunden realisierbar, wobei ein Jitter von wenigen Millisekunden in Kauf genommen werden muss. RT liegt mit seiner Echtzeitperformance auf dem gleichen Niveau wie gängige Feldbusse und ist damit typischerweise für die Fabrikautomation geeignet. 4.2.5.3 Isochronous Ethernet Ist eine harte Echtzeit mit Zykluszeiten von einer Millisekunde und einer Jittergenauigkeit von wenigen Mikrosekunden erforderlich, so können die bisher vorgestellten Verfahren nicht die notwendige Performance vorweisen. Bei ProfiNet IRT wird mit der Hilfe spezieller ASICs harte Echtzeit auf MAC-Rahmenebene erzwungen. Die Hardwareunterstützung wird als ERTEC (Enhanced Realtime Ethernet Controller) bezeichnet. Hierbei handelt es sich um spezielle ASICs mit einem 2- bzw. 4-Port-Switch, ARM9-Core und einer IEEE-1588-Echtzeit-Erweiterung, die eine taktsynchrone Nutzdatenübermittlung zulässt. Durch die hohe Integration der ERTEC-ASICs wird ein wirtschaftlicher Einsatz bis hin zu einfachen Feldgeräten möglich. Durch die integrierten Switches kann auf die in der Automatisierungstechnik bewährte Linientopologie zurückgegriffen werden und es sind kürzere Zykluszeiten durch eine Durchleitezeit von knapp 3 µs erreichbar. Da der isochrone Datenkanal für konventionelle Ethernet-Teilnehmer transparent ist, können beliebige Teilnehmer für die Diagnose und Parametrierung von Geräten eingebunden werden, ohne das Echtzeitverhalten zu verändern. Mit den Ethernet II / 802.3 Datenrahmen
Profinet RT-Telegramm 0x8892
FrameID FrameID Process Process Data Data StatusInfo StatusInfo 22 Byte Byte Bis Bis zu zu 1440 1440 Byte Byte 44 Byte Byte Prüfsumme Prüfsumme 44 Byte Byte Datenfeld Datenfeld 46 46 … … 1500 1500 Byte Byte 0x0800
Präambel L/T Präambel Zieladresse Zieladresse Quelladresse Quelladresse L/T Type Type Prio Prio CFI CFI VLAN VLAN ID ID 22 Byte 77 Byte 66 Byte 66 Byte Byte Byte Byte Byte 22 Byte Byte 33 Bit Bit Bit Bit 12 12 Bit Bit 0x8100
802.1Q Tag
Abb. 4.24. Profinet-/Ethernet-Datenrahmen
IP-Telegramm
618
Teil E
Bussysteme
--
-- -
Abb. 4.25. Profinet IRT sorgt für einen hardware-getriggerten Echtzeitkanal
drei unterschiedlichen Leistungsklassen deckt ProfiNet alle relevanten Anforderungen der Automatisierungstechnik ab. Die Echtzeitkommunikation stellt nur einen Baustein von ProfiNet dar. Eine wesentliche Erweiterung sind die Anwendungsprofile ProfiNet-IO und ProfiNetCBA. ProfiNet-IO ist die Ethernet-Variante von Profibus-DP. Es wird die gewohnte Anwenderschicht beibehalten. Aufgrund der Broadcast-Fähigkeit wird jedoch die bisherige Master-Slave-Kommunikation in ein Producer-Consumer-Modell überführt. Gerätetypen für Profinet-IO sind: – IO-Controller : Steuerungen, in denen das Automatisierungsprogramm abläuft. – IO-Devices : Dezentrale Feldgeräte, die einem Controller zugeordnet sind. – IO-Supervisor : Programmiersysteme und Computer mit Inbetriebnahmeoder Diagnosefunktionen bzw. Geräte für die Mensch-Maschine-Schnittstelle. ProfiNet-CBA (Component Based Automation) basiert auf dem Standard ProfiNet und definiert komplexe mechatronische Systeme und deren Verschaltung. Zu einer Komponente gehören Mechanik, Elektrik, Elektronik und Anwendersoftware, die durch eine Softwarekomponente repräsentiert werden. Technologiesteuerungen können so in Softwarekomponenten gekapselt werden und ermöglichen eine gute Wiederverwendung. Die Kommunikation erfolgt ausschließlich über Komponentenschnittstellen und verbirgt die Komplexität der Komponente. Eine detaillierte Darstellung von CBA würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. 4.2.6 EtherCAT EtherCAT ist ein neuer Ethernet-basierender Feldbus, der durch die Firma Beckhoff Industrieelektronik 2003 entwickelt wurde. Mittlerweile ist die Spezifikation für Mitglieder der ETG (Ethernet Technology Group) als offener Standard verfügbar. EtherCAT hat einige Besonderheiten gegenüber anderen Ethernet-basierenden Ansätzen, da es im Wesentlichen nur die Ethernet-Physik verwendet und nicht das Zugriffsverfahren CSMA/CD der Sicherungsschicht [4.12].
4 Ethernet Automatisierungstechnik
Windows Time Slot
619
Realtime Slot Echtzeit-Anwendung Echtzeit-Anwendung
Anwendung Anwendung Transport TransportDriver DriverInterface Interface
Prozessabbild Prozessabbild
Transport TransportProtocol ProtocolTreiber Treiber(TCP/IP, (TCP/IP,Netbui) Netbui) FIFO
NDIS NDISSchnittstelle Schnittstelle
Echtzeit EchtzeitEthernet EthernetIO-Treiber IO-Treiber
Echtzeit EchtzeitMiniport-Treiber Miniport-Treiber Windows Windows Miniport MiniportTreiber Treiber Ethernet EthernetPhysical PhysicalLayer LayerCSMA/CD CSMA/CD
Abb. 4.26. Auf dem Master wird auf einer Standard-Ethernetkarte ein Echtzeittreiber verwendet
Beckhoff wählt bei der Realisierung von EtherCAT einen deutlich anderen Ansatz als andere Automatisierungshersteller, um konsequent die Performance-Vorteile eines 100-MBit-Netzwerks auszunutzen. Nur der Master enthält eine konventionelle Ethernet-Karte, die mit einem Echtzeittreiber im Polling-Mode betrieben werden muss. Der Echtzeittreiber ist verantwortlich für das Scheduling der konventionellen Ethernet-Pakete sowie die Zuordnung des Prozessabbilds für die Echtzeitaufgaben. Die Ethernetkarte sendet quasi ein Loopback-Telegramm an sich selbst. Die angeschlossenen Slaves empfangen das serielle Telegramm und werten dieses unmittelbar in einem speziellen ASIC, der FMMU (Fieldbus Memory Management Unit), aus. Aufseiten der Slaves wird damit eine vollständig eigene Feldbusanschaltung vorgenommen, bei der nur die Ethernetphysik und die Datenrahmen Slave
RX
Ethernet
802.3 MAC
Ethercat Telegramm Bearbeitung
TX
RX
TX
Slave Telegramm Bearbeitung
RX
TX
RX
FMMU
Telegramm Bearbeitung
FMMU
FMMU
Slave
TX
RX TX
NDIS
Master Abb. 4.27. EtherCAT verwendet nur den 802.3 MAC mit speziellen ASICS im Slave
Telegramm Bearbeitung
RX
TX
RX
TX
620
Teil E
Bussysteme EtherCAT Telegramm 0x88A4
Präambel Zieladresse Quelladresse Quelladresse L/T L/T Präambel Zieladresse 77 Byte 66 Byte 66 Byte 22 Byte Byte Byte Byte Byte
FrameHDR FrameHDR EtherCAT EtherCAT HDR HDR 22 Byte 10 Byte 10 Byte Byte
Konstanter Header in EtherCAT-Netzwerken
Process Process Data Data 00 … … 1486 1486 Byte Byte
Sortierte Prozessdaten
Ethernet II / 802.3 Datenrahmen
CTR CTR Prüfsumme (2) (2) Prüfsumme 44 Byte Byte
Counter Ethernet CRC
Abb. 4.28. EtherCAT nutzt einen Ethernet-II-Frame für die Datenübertragung
erhalten bleiben. Auf der Basis der Ethernetphysik wird logisch ein Ringsystem, vergleichbar zum Summenrahmenverfahren von Interbus, aufgebaut. Der Verlust der Standardhardware in den Slaves ermöglicht die Realisierung von kostengünstigen ASICS, die für die Telegrammbearbeitung keinen Prozessor benötigen und eine Durchlaufverzögerung von ca. 60 ns ermöglichen. Hierdurch ergeben sich Zykluszeiten, die um Größenordnungen schneller sind als bei bisherigen Ethernetlösungen (100 Servoachsen in 100 µs, 1000 digitale EAs in 30 µs). Für die Datenübertragung wird ein Standard-Ethernet-II-Frame mit einem eigenen Ethertype (0x88A4) verwendet. Innerhalb der Nutzdaten wird das sortierte Prozessabbild übertragen. Die FMMUs der Slaves sorgen selbst für den Abgleich der Prozessdaten mit der aktuellen Komponente. Durch die Verwendung des Ethernet-II-Rahmens kann konventionelle Ethernet-Infrastruktur zum Aufbau von Stern- oder Ring-Strukturen benutzt werden. Da Laufzeiten auf Kabeln nicht zu vernachlässigen sind, ist für eine exakte Synchronisierung der Prozesse eine verteilte Uhrenhaltung unumgänglich. Aufgrund der reinen Hardwarebearbeitung des Protokolls und der Voll-Duplex-Ringstruktur kann der Zeitversatz zwischen den Echtzeituhren exakt bestimmt und geeignet nachgeführt werden. Der Jitter beträgt deutlich unter 1 µs.
RT-Clock
Abb. 4.29. EtherCAT unterstützt unterschiedliche Anwendungsprofile
4 Ethernet Automatisierungstechnik
621
Zur Beschreibung der funktionalen Anwendungsschicht nutzt EtherCAT bereits bewährte Anwendungsprofile. Im Schwerpunkt werden die CANopen Geräteprofile als CoE (CANopen over EtherCAT) verwendet, die für eine große Anzahl unterschiedlichster Applikationen zur Verfügung stehen. Für den Bereich der Antriebssteuerung adaptiert EtherCAT die Sercos-Anwendungsschicht (IEC 61491) als SoE (Sercos over EtherCAT). Für das Tunneln EtherCAT-eigener Daten wird ein File-Transfer unterstützt und die Tunnelung von Diagnose und Informationsdaten erfolgt über EoE (Ethernet oder EtherCAT), bei dem konventionelle Ethernet-Frames segmentiert über EtherCAT übertragen werden. 4.2.7 SERCOS-III Basierend auf den Kommunikationsmechanismen des aktuellen SERCOS-Interface hat die IGS (Interessengemeinschaft SERCOS Interface e.V.) eine Arbeitsgruppe für die Entwicklung der dritten SERCOS-Generation auf Ethernet-Hardware etabliert. Die Spezifikation wurde im Herbst 2004 veröffentlicht. Ziel von SERCOS-III ist die Optimierung der bisherigen Anwendungsperformance bei gleichzeitiger Integration eines asynchronen Kommunikationskanals auf der Basis der TCP-/IP-Kommunikation. Schwerpunkte der Verbesserung lagen damit auf der Nutzung einer bewährten Physik, einer möglichst kostengünstigen Systemanschaltung, einer Querkommunikation zwischen den Geräten, der Übertragung von Safety-Daten sowie der Integration von Office-Diensten. SERCOS-III nutzt die Ethernet-Physik, ohne für die Echtzeitkommunikation auf die Dienste der Ethernet-Sicherungsschicht zurückzugreifen. Entsprechend der bisherigen Glasfasertopologie wird an einer Ringstruktur für den Datenaustausch festgehalten. Da die Ethernet-Physik als Voll-Duplex-Broadcast-Medium verwendet wird, entsteht durch die impliziten Hin- und Rückleiter eine Doppelring-Struktur, die eine echte Hardwareredundanz ermöglicht. Optional ist auch
Realtime RealtimeApplication Application Sercos SercosLibrary Library
Azyklische Dienste Applikation Applikation
TCP TCP
UDP UDP IPIP
SERCOS SERCOSIIIIII
Dienstschicht
802.3 802.3MAC MAC
Anwendung SERCOS
Zyklische Dienste
Transport Vermittlung Ethernet
Ethernet EthernetMAC MACCSMA/CD CSMA/CD100 100Base BaseTT
Abb. 4.30. SERCOS III nutzt oberhalb der Ethernet-Physik SERCOS und einen 802.3-Protokollstack
622
Teil E
Bussysteme
M1
Master Master M2
M1
Slave Slave11 Slave Slave22 Slave Slavenn
Master Master M2
Slave Slave11 Slave Slave22 Slave Slavenn
Doppel-Ring-Struktur mit Hardware-Redundanz
Linien-Struktur ohne Hardware-Redundanz
Abb. 4.31. SERCOS III ermöglicht Linien- und Ringstrukturen auf Ethernet-Physik
eine Linienstruktur möglich. Auf Switches oder Hubs als Sternkoppler wird vollständig verzichtet, alle Geräte haben eine Repeaterfunktion. Die Verzögerungszeiten der aktiven Komponenten werden hierdurch wesentlich reduziert. Ein SERCOS-III Kommunikationszyklus verwendet unverändert die bisherigen Strukturen. Ein Master-Sync-Telegramm leitet den Echtzeitzyklus ein. Anschließend senden die angeschlossenen Geräte in Antriebstelegrammen ihre aktuellen Daten. Da alle Geräte mithören, ist so auch eine Querkommunikation möglich. Anschließend legt der Master die neu berechneten Daten in einem Master-Daten-Telegramm als Broadcast auf den Bus. Nach Abschluss des Mastertelegramms wird der Rest der Zykluszeit für die azyklische Kommunikation zur Verfügung gestellt. Im zyklischen Betrieb wird ein modifizierter SERCOS-III Frame für das Versenden der Datagramme verwendet. Eingeleitet von einem 12-Byte-langen Inter-Packet-Gap folgen eine Ethernetpräambel und das eigentliche Nutzdatentelegramm, was durch eine 2-Byte-Prüfsumme ergänzt wird. Der Rahmen wird mit einem End of Frame Delimiter (EFD) abgeschlossen. Eine Adressierung der Stationen ist nicht erforderlich, da es sich um einen reinen Master-Slave-Broadcast
Zyklische Kommunikation (Sercos Frame) MST
Master
A B C X
Master-Sync.-Tgr. Gerät A Gerät B Gerät C Gerät X
Azyklisch (IP-Frame)
Master-Daten.-Tgr.
A B
Antriebs-Telegramme der Slaves
C X
Kommunikationszyklus
Abb. 4.32. SERCOS III erweitert die Kommunikation um einen Slot für azyklische Kommunikation
4 Ethernet Automatisierungstechnik Optimierter SERCOS III Frame
Master Master Sercos III
802.3 MAC Inter Inter Packet Packet Gap Gap
Sercos III
623
802.3 MAC
Slave Slave11
Sercos III
Präambel Präambel
802.3 MAC
Slave Slave22
Datenfeld Datenfeld
Sercos III
Prüfsumme Prüfsumme
EFD EFD
802.3 MAC
Slave Slavenn
Abb. 4.33. Im zyklischen Betrieb werden verkürzte SERCOS-III-Frames verwendet
Rahmenformat Ethernet II
Master Master Sercos III
802.3 MAC Inter Inter Packet Packet Gap Gap
Sercos III
802.3 MAC
Slave Slave11
Sercos III
Präambel Zieladresse Quelladresse Quelladresse L/T Präambel Zieladresse L/T
802.3 MAC
Slave Slave22
Sercos III
Datenfeld Datenfeld
Prüfsumme Prüfsumme
EFD EFD
802.3 MAC
Slave Slavenn
Abb. 4.34. Für azyklische Kommunikation nutzt SERCOS III Ethernet-II-Frames
handelt. Die Bearbeitung des SERCOS-Frames erfolgt durch ein spezielles SERCOS-III-Asic bzw. einen SERCOS-III-Controller. Für den azyklischen Datenaustausch wird ein konventioneller Ethernet-MACController verwendet, der physikalisch umgeschaltet wird. Eingebettet zwischen Inter-Packet-Gap und EFD wird so ein Ethernet-II-Rahmen unverändert übertragen. Hierdurch ist eine Kompatibilität zu bestehenden Ethernet-Systemen sicher gestellt. SERCOS-III ermöglicht bei 8 Antrieben eine Zykluszeit von 31,25 µs und ist damit mehr als doppelt so schnell wie das bisherige System. Das Erreichen der Echtzeitklasse 4 macht diese Lösung besonders für die schnelle Antriebstechnik interessant.
624
Teil E
Bussysteme
Literatur 4.1 4.2
Larisch D (2000), Netzwerkpraxis für Anwender. Hanser, München Rech J (2002) Ethernet – Technologien und Protokolle für die Computervernetzung. dpunkt Verlag, Heidelberg 4.3 Furrer F J (2003) Industrieautomation mit Ethernet-TCP/IP und Web-Technologie. 3. Aufl. Hüthig, Heidelberg 4.4 Pigan R, Metter M (2005) Automatisieren mit Profinet. Publicis Corporate Publishing, Erlangen 4.5 Wollert J F (2004) VDI-Seminar „Ethernet in der Automatisierungstechnik“ 4.6 IEEE 802.1 Q 4.7 IEEE 802.3 4.8 IEEE 1588 4.9 www.real-time-ethernet.de 4.10 www.modbus.org 4.11 www.ethernet-powerlink.org 4.12 www.ethercat.org
5 Drahtlose Netzwerke Jörg F. Wollert
5.1 Einleitung Drahtlose Netzwerke werden im Bereich der Automatisierungstechnik kontrovers diskutiert. In der Office-Automation ist ganz klar ein Trend in Richtung Wireless erkennbar, doch die Freiheit von Stecker und Kabel bringt offensichtlich nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken mit sich, die bisher nicht gekannt oder beachtet wurden. Durch den Verzicht auf das Kabel kann ein deutlicher Zuwachs an Komfort, Flexibilität und Unabhängigkeit erreicht werden, was einen Innovationsschub für die Mensch-Maschine-Schnittstelle zur Folge hat. Der Einsatz von Funktechnologie ist immer dann interessant, wenn durch die hohe Mobilität Kosten reduziert werden können wie beispielsweise durch verkürzte Inbetriebnahmezeiten, schnellere Servicefähigkeit, kürzere Installationszeiten oder einen verbesserten Bedienkomfort. Ein Einsatz in Hochsicherheitsanwendungen mit alleiniger Funkanbindung, also der kabellose „Notaus-Schalter“, verbietet sich zurzeit noch von selbst. Eine häufig geführte Diskussion in 1000
Ethernet
10
WLAN
1
UMTS
Bluetooth 0,1
IrDA
Datenrate [Mbps]
100
ZigBee
Büro / Raum
GSM Gebäude
10 m
stationär 100 m
Mobil langsam 1000 m
Abb. 5.1. Datenrate und Reichweite von Wireless-Technologien
Mobil schnell
626
Teil E
Bussysteme
diesem Zusammenhang ist die einfache Erweiterung der bisherigen EthernetNetzwerke durch WLAN nach 802.11a, b, g oder zukünftige Technologien. Dieses ist eine mögliche Erweiterung der klassischen Ethernet-Technik, deckt aber nur einen Aspekt der kabellosen Freiheit ab, der die speziellen Bereiche MES (Manufacturing Execution Systems) und ERP (Enterprise Ressource Planning) betrifft. Eine wichtige Rolle für die Automatisierungstechnik spielt die Sensor-AktorEbene, die im Wesentlichen für die Echtzeitbearbeitung verantwortlich ist. Hier muss der Einsatz von kabelloser Technik sehr behutsam und verantwortungsvoll geplant und umgesetzt werden. Es wird sofort ersichtlich, ohne detailliert auf die Technologie einzugehen, dass der Einsatz von Funktechnik vielschichtig ist. Fasst man die groben Anforderungen zusammen, so kann man unterschiedliche Anwendungsbereiche für kabellose Geräte identifizieren [5.1–5.3]. Installation Installation betrifft den Anschluss von Sensoren und Aktoren bzw. feldnahen Bediengeräten. Bewegliche oder mobile Geräte müssen i. d. R. über schleppkettentaugliche Kabel und Steckverbindungen installiert werden. Bei schnellen oder örtlich flexiblen Geräten ist dieses häufig problematisch. Darüber hinaus haben Displays oder Bedienterminals einen häufig wechselnden Arbeitsplatz, so dass hier „Kabelfreiheit“ eine wichtige Rolle spielt. Inbetriebnahme Technische Geräte sind vielfach mit Service-Schnittstellen versehen, die eine komfortable Inbetriebnahme ermöglichen. Leider sind die elektrischen und logischen Spezifikationen so vielfältig wie die am Markt anzutreffenden Geräte. Der Einsatz mobiler Kommunikation mit einer einheitlichen Schnittstelle könnte die Inbetriebnahme deutlich verkürzen. Darüber hinaus könnten Diagnose- und Überwachungsgeräte abgesetzt von den Maschinen betrieben werden. Service Im Fehlerfall können Geräte über kabellose Verbindungen sofort Interventionskräfte oder sonstiges Servicepersonal alarmieren. Über eine kabelfreie Serviceschnittstelle ist das Servicepersonal in der Lage, an Ort und Stelle das Problem zu analysieren und ggf. eine Verbindung zu einem Service-Desktop oder zur Ersatzteilversorgung herzustellen. Mobile Datenerfassung Ein wichtiger Punkt für den Einsatz kabelloser Endgeräte ist die mobile Datenerfassung. In allen Bereichen der Logistik, aber auch in der Produktion und bei Service-Dienstleistern ist der mobile kabellose Datenaustausch von besonderer Bedeutung. Nur so ist eine integrierte umfassende und papierlose Datenverarbei-
5 Drahtlose Netzwerke
627
tung möglich, bei der das aufwändige und fehlerträchtige Übertragen von Papier in den zentralen Datenbestand entfällt. Fertigungs- und Produktionssteuerung Heute werden auch flexible Produktions- und Fertigungsanlagen hart verdrahtet. Eine Umrüstung auf neue Anforderungen zieht i. d. R. teure Umrüstarbeiten nach sich. Die Aufweichung der starren Strukturen durch eine starke Modularisierung und ein Datenaustausch über kabellose Verbindungen ermöglichen eine deutliche Vereinfachung der Kommunikationsstruktur und eine flexible Anlagengestaltung. Nicht alle Anwendungsbereiche haben die gleiche Bedeutung. Vernachlässigt man die mobile Integration von Office-Geräten, die unstrittig über WLAN erfolgt und betrachtet man das untere Ende der Automatisierungspyramide, so kann man feststellen, dass der Fokus offensichtlich auf der sog. Short-Range-Kommunikation bzw. im Kabelersatz liegt.
5.2 Wireless Technologie Drahtlose Netzwerke verwenden als Übertragungsmedium den freien Raum. Die Signale werden als elektromagnetische Wellen übermittelt. Dabei wird die Übertragungsleistung durch die Bandbreite, das Kodierungsverfahren, die Sendeleistung und die Empfangsempfindlichkeit bestimmt. Da das Frequenzspektrum Allgemeingut ist, wird es durch staatliche Behörden reglementiert, d. h., dass diverse Frequenzbänder durch die zuständigen Behörden für bestimmte Dienste zur kostenpflichtigen oder kostenfreien Benutzung unter bestimmten Randbedingungen freigegeben werden.
Abb. 5.2. Einsatzbereiche von Wireless-Technologien
628
Teil E
Bussysteme
Tabelle 5.1. Frequenzspektrum Wellenlänge
Frequenz
Verwendung
10–1 m
30–300 MHz
UKW
1–0,1 m
0,3–3 GHz
10–1 cm
3–30 GHz
Mikrowellen ISM 433 MHz SRD 868 MHz D-Netz 890–960 MHz E-Netz 1710–1880 MHz DECT 1,8–1,9 GHz UMTS 1,97–2,2 GHz ISM, Bluetooth, WLAN 2,4 GHz WLAN 5,7 GHz
300–0,72 mm
1–417 THz
Infrarot
417–789 THz
Sichtbares Licht
0,72–0,38 mm
Grundsätzlich kann man feststellen, dass es unglaublich viele landesspezifische Reglementierungen gibt, so dass man kaum von einem globalen Funkstandard sprechen kann. Eine Ausnahme bilden die sog. ISM-Bänder. Diese speziell für den industriellen (Industrial), wissenschaftlichen (Scientific) und medizinischen (Medical) Bereich freigegebenen Bänder sind weitestgehend weltweit einheitlich reglementiert und bilden damit die Grundlage für weltweit einheitliche Produkte. Eine besondere Bedeutung haben die ISM-Bänder um 433 MHz, 2.4 GHz und 5 GHz. Es ist nicht nebensächlich, in welchem Frequenzbereich eine Station arbeitet. Unwissenschaftlich, stark vereinfacht ausgedrückt kann man feststellen, dass je höher die Frequenz ist, desto schlechter Hindernisse wie z. B. Wände durchdrungen werden können. Leider sind es aber gerade die hohen Frequenzen, die für eine große Bandbreite notwendig sind. Generell kann man behaupten, dass sich ein 433-MHz-System gutmütiger in geschlossenen Räumen verhält als ein System im 2,4- bzw. 5-GHz-Bereich bei gleicher Leistung. Betrachtet man die Regularien kann man feststellen, dass heute das 2,4-GHz-ISM-Band aufgrund der weltweiten Offenheit und Verfügbarkeit die attraktivste Alternative für eine universelle Funklösung bietet. 5.2.1 Funktopologie Ein wichtiger Punkt beim Einsatz von Funktechnologien stellt die Konfiguration der möglichen Netzwerktopologien dar. In der Regel wünscht man sich ein infrastrukturfreies Netz, bei dem mobile Einheiten einfach und unkompliziert miteinander kommunizieren können. Aber sind strukturfreie Netze wirklich optimal? Ein gutes Beispiel gibt die Mobiltelefonie. Der Vorgang von Handy zu Handy zu telefonieren, wird in der Realität durch ein komplexes gemanagtes Netzwerk rea-
5 Drahtlose Netzwerke
629
lisiert. Die Funkverbindung wird nur zwischen den Basisstationen und den mobilen Geräten gehalten, der Rest der Kommunikation wird über klassische Infrastrukturnetze abgewickelt. Eine optimale Struktur liegt folglich in der richtigen Kombination von direkter Verkabelung und infrastrukturfreier Verkabelung. 5.2.1.1 Stationäre Infrastruktur Klassische stationäre, kabelgebundene Netzwerke weisen gegenüber funkbasierten Systemen entscheidende Vorteile auf. Die Struktur ist fest und nur noch von den angeschlossenen Systemen abhängig. Hierdurch ist das Verhalten bei bekannter Topologie und Technologie vorhersagbar. Feldbussysteme und Ethernet-Netzwerke zeigen, dass eine stationäre Infrastruktur relativ problemlos beherrschbar ist.
Node NodeAA
Node NodeKK
Node NodeLL
Node NodeBB
Node NodeCC
Node NodeMM
Abb. 5.3. Stationäre Linienverkabelung ist problemlos beherrschbar
Node NodeNN
5.2.1.2 Mobile Infrastrukturnetzwerke Eine Flexibilisierung der starren Struktur ermöglichen Infrastrukturnetzwerke für die mobile Anwendung. Hier wird eine starre Verbindung zwischen zentralen Kommunikationspunkten realisiert, wobei die Aufstellung der stationären Kommunikationspunkte durch unterschiedliche Anforderungen motiviert sein kann. Im Fall der zellularen GSM-Netze spielt die vollständige Abdeckung der Umgebung mit aneinandergrenzenden Funkzellen eine bedeutende Rolle. Für individuelle Anwendungen sind aber auch lückenhaft zellulare Strukturen denkbar, da die Funkzellen untereinander ohnehin statisch verbunden sind. Entscheidender Vorteil einer derartigen Struktur ist das relativ sicher vorhersagbare Verhalten der Systeme. Durch den Single-Hop der mobilen Teile zur Feststation ist mit der Streckenkenntnis der stationären Infrastruktur das Kommunikationsverhalten vorhersagbar. Auch Datensicherheit (Security) und Abrechnungsverfahren sind in einem Infrastrukturnetzwerk verhältnismäßig einfach zu handhaben. Besondere Anforderungen ergeben sich für die mobilen Kommunikationsknoten. Das Anbinden von mobilen Geräten an einer einzelnen stationären Station ist trivial. Bewegt sich das mobile Gerät aber durch das gesamte Netz über Funkzellengrenzen hinweg, ergeben sich neue Herausforderungen. Einerseits muss
630
Teil E
Bussysteme
KK
NN OO
Node NodeAA
LL
Node NodeXX
XX
Node NodeBB
Node NodeCC
MM
Stationärer Kommunikationsknoten
Funkzelle einer Feststation
Mobiler Kommunikationsknoten
Funkreichweite eines mobilen Knotens
Abb. 5.4. Infrastrukturnetzwerke sind gut beherrschbar und finden in verschiedenen Funktechnologien Anwendung
das mobile Gerät an jeder beliebigen Stelle des Netzwerks gefunden und mit dem Netzwerk verbunden werden. Man spricht hier auch von Roaming. Andererseits sollte die Kommunikation eines bewegten Geräts auch beim Verlassen von Netzzellengrenzen nicht abgebrochen werden. Das Gerät sollte also von einer stationären Zelle zur anderen vollkommen transparent weitergereicht werden. In diesem Fall spricht man von Handover. Beide Verhaltensmuster sind i. d. R. für mobile Geräte gewünscht. In der technischen Praxis ist dieses Verhalten sowohl in GSM-Netzen als auch bei WLAN 802.11 nach der WIFI-Spezifikation vorgesehen und umgesetzt. 5.2.1.3 Peer-to-Peer und Ad-hoc-Netzwerke Verzichtet man auf die Infrastrukturkomponenten spricht man von sog. Peer-toPeer-Netzwerken. Hierbei kommunizieren die mobilen Geräte unmittelbar miteinander, ohne auf Infrastrukturkomponenten zurückgreifen zu müssen. Dieses Verhalten wird heute typischerweise bei Bluetooth- und WLAN 802.11-Netzwerken angewendet. Der Vorteil beim Verzicht auf Infrastrukturkomponenten liegt in dem daraus resultierenden nicht unerheblichen Kosteneinsparungspotenzial. Problematisch ist in diesem Fall die Sicherheit des Netzzugangs, da i. d. R. nicht bekannt ist, welcher Rechner auf der anderen Seite bereitsteht. Eine besondere Form dieser Peer-to-Peer-Netze ist das Ad-hoc-Netzwerk, bei dem sich die Stationen selbst untereinander organisieren und ggf. Nachrichten zu anderen Stationen innerhalb des Netzverbundes weiterreichen, ohne selbst die volle Reichweite zu besitzen. Diese besondere Form der sich selbst organi-
5 Drahtlose Netzwerke
Abb. 5.5. Ad-hoc-Netzwerke ermöglichen in Zukunft die infrastrukturfreie Kommunikation über pikozellulare Strukturen hinweg
LL NN AA
631
CC MM KK BB
XX
Kommunikationsknoten Funkreichweite eines Knotens Virtueller Datenpfad durch Funkkopplung
sierenden Netze ist Gegenstand der Forschung und lässt interessante Anwendungsszenarien erwarten. Der besondere Unterschied zu Peer-to-Peer-Netzen ist die Tatsache, dass bei Ad-hoc-Netzwerken die mobilen Geräte selbst Teilfunktionen wie Router und Gateway besitzen und Nachrichten vollkommen transparent weiterreichen. Die Nachrichtenverteilung wird damit vollständig in die Endgeräte delegiert, die nicht nur den eigenen Datenverkehr abwickeln, sondern in einer Tandemfunktion auch den Verkehr anderer Stationen vermitteln. Im Weiteren bilden sich Ad-hoc-Netzwerke dynamisch. Das bedeutet, dass ein Netzwerk nur für inkrementelle Zeiten als statisch angesehen werden kann. Bisher sind noch nicht alle Probleme im Bereich der Ad-hoc-Netzwerke gelöst. Im wissenschaftlichen Bereich findet man Ansätze unter den Stichworten autonome mobile Plattform und Multi-Hop-Netzwerke. Unter der RFC 2501 ist bereits ein Standard für derartige Netzwerke unter MANET (Mobile Ad Hoc Networking) definiert. 5.2.2 Funkausbreitung Generell muss man feststellen, dass alle Funktechniken Probleme mit ihrem Datenkanal, der Luftschnittstelle, haben. Eine Diskussion, ob Bluetooth von Mikrowellen gestört wird und WLAN nach 802.11 nicht, ist hinfällig, da sie im selben Frequenzband arbeiten. Auch GSM-Netze sind mit 1800 oder 2000 MHz nicht weit von diesem Band entfernt. Folglich geht es nur um eine Objektivierung der möglichen Übertragungsprobleme. Allen Techniken gemeinsam ist die prinzipielle Abschattungsproblematik. Sind mehrere Funksysteme in einem Raum untergebracht und belegen sie denselben Kanal, so sind Interferenzen zwischen den Systemen niemals auszuschließen.
632
Teil E
Bussysteme
Eine andere systembedingte Eigenschaft aller Funksysteme ist deren Beeinflussung durch die Umgebung. Funkwellen werden an Oberflächen reflektiert und von beliebigen Gegenständen mehr oder weniger absorbiert. Grad und Ausmaß der Reflexion oder Absorption sind für jedes Material bei jedem Frequenzbereich charakteristisch. Daraus resultiert ein Übertragungskanal, der sowohl von der Zeit als auch vom Ort abhängig ist. Gerade inhomogene Umgebungen beeinflussen den Funkbetrieb durch Mehrwegausbreitung der Funksignale bis hin zur totalen Auslöschung nachhaltig. Bekannte und in der Literatur geschilderte Problematiken sind das Exposedund Hidden-Station-Problem. Beim Hidden-Station-Problem kommuniziert eine Station A mit einer Station B. Möchte eine Station C auch mit Station B Verbindung aufnehmen, so kann C nicht erkennen, dass A mit B redet, weil es außerhalb der Funkreichweite ist. In diesem Fall könnte die Station C die Kommunikation zwischen A und B stören. Das Exposed-Station-Problem tritt auf, wenn eine Station durch die Kommunikation anderer Geräte beeinflusst wird. In dem dargestellten Fall (Abb. 5.7) kommuniziert Station B aktiv mit Station A. Station C möchte eine Verbindung mit D eingehen. C bemerkt, dass der Kanal durch B belegt ist, obwohl eine Kommunikation prinzipiell zu D aufgebaut werden könnte. Ein Verbindungsaufbau kommt nicht zustande.
Abb. 5.6. Das Hidden-StationProblem betrifft Stationen außerhalb der Funkreichweite
A
B
C
D
Funkbereich
Abb. 5.7. Das Exposed-Station-Problem begrenzt die Anzahl möglicher Verbindungen
A
B
C
D
5 Drahtlose Netzwerke
633
Alles in allem können aus den vorhergehenden Überlegungen folgende Annahmen abgeleitet werden: 1. Nur der Einsatz von standardisierten ISM-Band-Frequenzen ermöglicht ein weltweit zugelassenes einheitliches Produktspektrum. 2. Funktechnologie birgt immer die Gefahr des nicht Erreichens von potenziellen Kommunikationsteilnehmern. 3. Eine hohe Funkreichweite birgt ein hohes Interferenzrisiko. 4. Man muss prinzipiell zwischen infrastrukturfreien und infrastrukturbehafteten Netzwerken unterscheiden. Aus diesen Gründen muss eine Diskussion über den Einsatz von kabellosen Übertragungssystemen im Vorfeld losgelöst von der eventuell später verwendeten Funktechnologie erfolgen, da die Funktechnik systembedingt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. 5.2.3 Kategorien Die unterschiedlichen Sendeleistungen, die eingesetzten Kodierungsverfahren und die Bandbreite eines Kanals bestimmen die Reichweite und den Datendurchsatz bei Funktechnologien. Gerade in diesen Punkten unterscheiden sich die verfügbaren Funktechnologien deutlich. Eine Diskussion, ob Bluetooth oder WLAN eingesetzt werden sollte, ist unter diesem Aspekt in keiner Weise Ziel führend. Diese gesamte Problematik verdeutlicht ein Blick auf die vorliegende Normungssituation. Das IEEE spielt dabei als normungsgebendes Institut eine wichtige Rolle. In der Arbeitsgruppe 802 arbeiten unterschiedliche Organisationen an der Standardisierung von kabelloser und kabelgebundener Kommunikation. Die als WLAN bekannten Spezifikationen der Arbeitsgruppe 802.11 spiegeln nur einen Teil der kabelfreien Kommunikation wieder. Um nicht zu weit auszuholen, sollen folgende Klassifizierungen ausreichen: 802.11 WLAN – unter dieser Arbeitsgruppe werden im Wesentlichen Aktivitäten für ein kabelloses Ethernet zusammengefasst. Die Standardisierung ist in vollem Gang und es werden unterschiedlichste PHY- und MAC-Layer für eine Kommunikation mit hoher Geschwindigkeit im 2,4-GHz- und 5-GHz-Band definiert. Die Aktivität dieser Arbeitsgruppe wird dokumentiert durch das Buchstabeninkrement, das mittlerweile bei 802.11n angekommen ist. 802.16 WMAN – bezeichnet das Wireless Metropolitan Area Network. Diese Art von Netzwerk beschreibt einen Standard für die Weitverkehrskommunikation, die zumindest in Europa durch die GSM- und UMTS-Funktechnik abgedeckt wird. 802.15 WPAN – Wireless Personal Area Network beschreibt Netzwerke für die Kommunikation im Nahbereich. WPANs spielen eine besondere Rolle für das Ad-hoc-Networking und den Datenaustausch zwischen mobilen Endgeräten wie PDAs (Personal Data Assistant) oder Mobiltelefonen. Dieser Bereich wird heute durch Bluetooth abgedeckt. In der Arbeitsgruppe 802.15.1 bemüht man sich um die Akzeptanz von Bluetooth als IEEE-Standard. Bluetooth-MAC und -PHY wird bereits von IEEE spezifiziert. Aufgrund der hohen Komplexität und des damit
634
Teil E
Bussysteme Abb. 5.8. Wireless-Technologien nach IEEE 802
IEEE 802 LAN / MAN Standards Committee (Wireless Areas)
WLAN™
WPAN™
WMAN™
802.11
802.15
802.16
TG 15.1 Bluetooth™
TG 15.2
TG 15.3 High Data Rate MAC & 2.4 GHz PHY
Coexistence
TG 15.4 ZigBee™
WIMEDIA
verbundenen nicht optimalen Low-Power-Verhaltens sorgt 802.15.4 mit ZigBee für eine Abrundung der Wireless-Kommunikation nach unten hin. ZigBee ist als reines Master-Slave-System mit Datenraten bis zu 128 kBit optimiert in Hinblick auf Low-Power und die Übertragung auch kleinster Datenpakete. Darüber hinaus beschäftigt sich die Arbeitsgruppe mit der Interoperabilität der unterschiedlichen Funktechniken in 802.15.2 und der optionalen Steigerung der Datenrate in der Untergruppe 802.15.3. Die häufig anzutreffende Meinung, WLAN, Bluetooth und ZigBee seien austauschbare Technologien ist demnach nicht richtig. Vielmehr verbergen sich hierunter Standards, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Features ergänzen bzw. für spezialisierte Anwendungsfälle individuell besonders gut eignen. Dieser Erkenntnis folgt auch die Industrie, die sich bemüht, durch die WIMEDIA-Allianz (www.wimedia.org) eine Plattform zu schaffen, um eine zukünftige Interoperabilität zwischen den einzelnen Systemen sicherzustellen.
5.3 WLAN 802.11 Spricht man von WLAN, dann ist zumeist Wireless-LAN nach IEEE 802.11 gemeint. Hinter dieser Zahlenabkürzung findet sich heute ein ganzer Zoo unterschiedlichster und zum Teil nicht einmal kompatibler Technologien wieder. Historisch gesehen entwickelte sich WLAN aus dem Anfang der 90er Jahre freigegebenen 2,4-GHz-ISM-Band und den Bemühungen des IEEE, einen Standard für den MAC- und PHY-Layer zu entwickeln. 1997 wurde schließlich der 802.11Standard verabschiedet, der neben einer diffusen Infrarot-Übertragung ein technisch wenig anspruchsvolles Frequenzsprungverfahren (FHSS – Frequency Hopping Spread Spectrum) beinhaltete, das eine Datenrate von 1 bzw. 2 Mbps ermöglichte. Durch ein geändertes Modulationsverfahren, das DSSS (Direct Sequence Spread Spectrum), wurde schließlich 1999 unter der 802.11b eine am Markt äußerst erfolgreiche WLAN-Alternative mit Datenraten von 11 Mbps im 2,4-GHzBand entwickelt. Dieser Standard ist heute die Mutter aller WLAN-Implementie-
5 Drahtlose Netzwerke
h
r von schied
n
635
-
Abb. 5.9. Entwicklung der 802.11-Technologien
rungen. Schnell wurde deutlich, dass die erreichbare Nettodatenrate für hochwertige Anwendungen nicht ausreicht und dass gerade das 2,4-GHz-Band zu wenig Kanalkapazität für eine hohe Anzahl von Funkknoten bereitstellt. In Europa arbeitete man daraufhin an den HyperLAN-Standards und im amerikanischen Sprachraum an dem 802.11a-Standard. Durch die Nutzung des 5-GHzISM-Bands, verbunden mit einer OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing)-Modulation konnten Datenraten von typisch 54 MBps erreicht werden. Aufgrund der schwierigen Harmonisierung des 5-GHz-Bandes wurde das Modulationsverfahren in den 2,4-GHz-Bereich übertragen und als 802.11g-Norm festgeschrieben. 802.11g repräsentiert damit den Stand der Technik bei der WLANTechnologie der 802.11-Gruppe. Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte des 802.11-Alphabets in Kürze beschrieben, wobei die Reihenfolge der Buchstaben nichts mit der zeitlichen Entwicklung zu tun hat. Heute aktuell sind 802.11g und -h für die Übertragung sowie 802.11i für die Sicherheit und 802.11d, -e und -f für die Koordinierung von WLAN-Systemen. Zunächst sind noch einige grundsätzliche Verfahren zum Kanalzugriff in 802.11 Netzwerken vorangestellt, welche die grundlegende Funktionsweise beschreiben. IEEE 802.11-Netzwerke können unterschiedliche MAC-Zugriffe implementieren. Standard bei WLAN ist die Bereitstellung von asynchronen Datendiensten. Anstehende Datenpakete werden nach dem „Best-Effort“-Prinzip versendet. Prinzipiell ist zusätzlich sowohl Broadcast als auch Multicast möglich. Für die asynchronen Datendienste wird ein DFWMAC-DCF-CSMA/CA-Verfahren für den Kanalzugriff implementiert. Eine sendewillige Station stellt durch Beobachtung der Luftschnittstelle fest, ob ein Träger vorhanden ist. Ist für eine Zeit größer DIFS (Distributed Coordination
636
Teil E
Bussysteme
Tabelle 5.2. Übersicht der wesentlichen 802.11-Technologien Funktion
Layer
802.11
1–2 Mbit, FHSS, DSSS, IR
MAC, PHY
802.11a
Bis 54 Mbit, OFDM, 5 GHz
PHY
802.11b
Bis 11 Mbit, DSSS, 2,4 GHz
PHY
802.11c
MAC-Bridge
MAC
802.11d
International Roaming
MAC
802.11e
QoS Quality of Services
MAC
802.11f
Interaccess Point Protocol
MAC
802.11g
Bis 54 Mbit, DSSS/OFDM, 2,4 GHz
PHY
802.11h
Transmit Power Control/Dynamic Frequency Selection
MAC
802.11i
Security
MAC
802.11k
Radio Ressource Management
PHY
802.11m
Maintenance of Standard
MAC, PHY
802.11n
High Throughput (>100 Mbit)
MAC, PHY
m
Abb. 5.10. 802.11 bietet optional unterschiedliche Zugriffsmodi auf MAC-Ebene
m
-
Abb. 5.11. Medien-Zugriff mit CSMA/CA-Verfahren
5 Drahtlose Netzwerke
637
Function Interframe Spacing) der Kanal nicht belegt, kann sofort mit dem Senden begonnen werden. Ist das Medium belegt, warten die Stationen, bis der Kanal frei ist. Für eine zerstörungsfreie Arbitrierung warten die konkurrierenden Stationen den SIFS (Short Interframe Space) ab, der für Arbitrierungsnachrichten wie Bestätigungsmeldungen reserviert ist. Dann können zeitlich begrenzte Dienste mittels PCF (Point Coordination Function) innerhalb des PIFS (Point Coordination Function Interframe Space) gestartet werden. Anschließend beginnt nach Ablauf des DIFS (Distributed Coordination Function Interframe Space) die Konkurrenzphase der niedrig priorisierten Stationen. Um ein gleichzeitiges Senden zu vermeiden, wird ein Zufallszähler gestartet (Backoff-Algorithmus), der einen zufälligen Medienzugriff garantiert. Neben dieser Standard-Zugriffsart können optional noch RTS-CTS gesteuerte CSMA-CA-Zugriffe oder Polling-Verfahren (MAC-PCF) implementiert sein, die jedoch nicht in jeder Hardware verfügbar sind. Das DFWMAC-DCF-Verfahren mit RTS-CTS-Steuerung dient der Vermeidung des Hidden-Station-Problems. Möchte eine Station Daten transferieren, sendet sie zuerst ein RTS-Signal (Ready To Send) aus. Innerhalb des SIFS sendet der empfangswillige Knoten dann ein CTS-Signal (Clear To Send) aus, wodurch alle in Reichweite der beiden Knoten befindlichen Stationen über den Datentransfer unterrichtet werden. Nach dem Empfang des CTS gehen die Stationen in den NAVCTS-Mode, in dem sie nur noch ein Acknowledge (ACK) der Kommunikation abwarten und erst dann wieder aktiv werden. Beim MAC-PCF (Point Coordination Function) handelt es sich um ein optionales Verfahren für die Bearbeitung von zeitkritischen Diensten mit einem priorisierten Zugriff. PCF ist nur im Infrastrukturmodus verfügbar. Der Access-Point koordiniert den Zugriff auf das Medium in festen Zeitintervallen. Innerhalb des CFP-Zeitrahmens arbeitet der Access-Point eine Polling-Liste mit verschiedenen explizit angemeldeten Knoten innerhalb eines priorisierten Zeitrahmens ab. Für die Dauer des Pollzyklus sind die anderen Stationen von der aktiven Kommunikation ausgeschlossen. Nach Abschluss des PCF können die untereinander im Wettbewerb stehenden Knoten am Datenaustausch teilnehmen. Die MAC-PCF-Funktion wird nicht von allen Geräten unterstützt und muss explizit angewendet werden.
SIFS
Node A Node B Node D
RTS RTS
SIFS
CTS CTS
SIFS
Daten Daten
CTS
ACK ACK ACK
NAV - CTS Abb. 5.12. Vermeidung von Hidden-Station-Problem durch RTS-CTS-Signale
638
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Bussysteme
Abb. 5.13. PCF ermöglicht eine Bearbeitung priorisierter zyklischer Nachrichten
5.3.1 802.11 a – 5-GHz-Band Die 802.11a-Norm für bis zu 54 Mbps im 5-GHz-Band wurde 2002 ratifiziert. Erste Produkte waren ab Mitte 2003 verfügbar. Der besondere Charme von 802.11a liegt im wenig benutzen 5-GHz-Band, das weitaus weniger belastet ist als das 2,4GHz-Band, und im OFDM-Modulationsverfahren, was eine bis zu 5 mal höhere Symbolrate als DSSS zulässt. Darüber hinaus bietet die Norm weitaus mehr parallel existierende Datenkanäle als die 802.11b-Norm mit nur drei nicht überlappenden Kanälen. Doch auch hier ergeben sich einige Probleme. In den Hauptmärkten USA und Europa sind die Kanäle und Sendeleistungen nicht harmonisiert, so dass mit sehr starken Unterschieden in den Produkteigenschaften innerhalb der jeweiligen Produktzonen gerechnet werden muss. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die Datenrate stark entfernungsabhängig ist. Eine wohlgemerkte Brutto-Datenrate von 54 Mbps ist nur in einem Umfeld von wenigen Metern erreichbar. Bei großen Entfernungen (größer 70 m) ist ohnehin nur noch mit einer Datenrate von wenigen Mbps zu rechnen.
70 m 53 m 40 m 27 m 25 m 11 m 7m 54 Mbps 48 Mbps
5 GHz U-NII
18 Mbps
UNII-2
4 Ch.
4 Ch.
30 mW
200 mW
US 12 Kanäle
36 Mbps 24 Mbps
UNII-1
Europa 19 Kanäle
UNII-3 11 Ch.
4 Ch. 1000 mW
1000 mW
200 mW
12 Mbps 9 Mbps
Frequenz 5,15
5,35
6 Mbps
Abb. 5.14. Frequenzbereiche und Datenraten bei IEEE 802.11a-Netzwerken
5,470
5,725
5 Drahtlose Netzwerke
639
Schließlich darf auch nicht nur die Brutto-Datenrate betrachtet werden. 802.11a bietet eine maximale Netto-Datenrate von 15 Mbps im Hochgeschwindigkeitsmodus. Betrachtet man die Entwicklungen, so steht 802.11a deutlich im Wettbewerb zu den Highspeed-Varianten 802.11g und dem europäischen HyperLAN2, das bei gleicher Symbolrate einen wesentlich höheren Nettodatendurchsatz von bis zu 40 Mbps zulässt. 5.3.2 802.11 b – 2.4-GHz-Band 802.11b stellt den De-facto-Standard für Wireless-LAN dar und wurde 1999 fertig gestellt. Heute findet man WLAN-Komponenten nach 802.11b standardmäßig in mobilen Endgeräten mit Centrino-Technologie oder in vielen kompakten Endgeräten bis hin zum PDA und Mobiltelefon. Die Datenübertragung erfolgt in bis zu 14 überlappenden 25-MHz-breiten Kanälen im 2,4-GHz-ISM-Band. Je nach Modulationsverfahren können Datenraten von bis zu 11 Mbps erreicht werden. Erweiterungen der Spezifikation lassen auch Übertragungsraten bis zu 22 Mbps zu. Für eine große Störfestigkeit werden die Signale im DSSS-Verfahren übertragen. Das bedeutet, dass die Nutzinformationen mit einer 11-Bit Pseudo-Zufallsfolge aufgespreizt werden, so dass potentielle Störungen beim Empfänger sicher ausgeblendet werden können. Dem Vorteil der Kanalspreizung steht die Einschränkung aufgrund von nur drei überlappungsfreien Kanälen gegenüber. Ein häufig erwähnter Vorteil von WLAN ist die hohe Datenrate und die große Reichweite. Hier muss man sehr vorsichtig sein. Auch bei WLAN nach 802.11b ist die Datenrate sehr stark von dem verwendeten Modulationsverfahren und der Entfernung abhängig. Darüber hinaus ist auch die Nettodatenrate wesentlich von der Modulation abhängig. Ein wesentlicher Vorteil von 802.11b ist die Möglichkeit der Zertifizierung der Interoperabilität von Geräten unterschiedlicher Hersteller. Hierzu haben sich etliche WLAN-Hersteller zur WECA (Wireless Ethernet Compatibility Alliance) zusammengeschlossen. Die WECA ermöglicht durch genau definierte Testszenarien den Nachweis der Interoperabilität und weist diese durch das WiFi-Logo aus (WiFi – Wireless Fidelity). WiFi wird häufig synonym zu 802.11b verwendet, was aber definitiv nicht richtig ist.
Schmalbandsignal Breitbandsignal
Nutzinformation
Pseudo-Zufallsfolge 11 Chips
Abb. 5.15. IEEE 802.11b nutzt ein 22-MHz-DSSS-Signal
XOR
640 1 MBps
Teil E
Bussysteme 11 Mbps 5 Mbps 2 Mbps 1 Mbps
DBPSK Differential Binary Phase Shift Keying DBQSK Differential Quadrature Phase Shift Keying
Freifeld
150 m
250 m
300 m
400 m
5,5 MBps
CCK Complementary Code Keying
Gebäude
30 m
35 m
40 m
50 m
11 MBps
CCK +DQPSK
22 MBps
OFDM Orthogonal Frequency Division Multiplexing
2 MBps
Nettorate 5,04 Mbps 4,33 Mbps 1,59 Mbps 0,82 Mbps Effizienz
46%
62%
79%
82%
Abb. 5.16. Modulation und Nettodatenraten bei IEEE 802.11b
Neuere Entwicklungen werden aktuell in den 802.11b+-Standards definiert. Hierbei werden rückwärts kompatible Übertragungsstandards mit einer Datenrate bis hin zu 108 Mbps definiert. 5.3.3 802.11 d – World Mode Um die nationalen Besonderheiten hinsichtlich der Frequenzeinteilung und der Sendeleistung zu berücksichtigen, wurde der d-Standard formuliert. Ziel ist es, weltweit dieselben Access-Points durch Länderkennung zu parametrieren, so dass nur durch eine Softwareanpassung die regional zulässigen Betriebsparameter eingehalten werden. 5.3.4 802.11 e – QoS Quality of Service Die 802.11e-Spezifikation ist eine geplante Erweiterung für die Bereitstellung von definierten Dienstgüten für Voice over IP oder andere zeitkritische Dienste, die einen isochronen Datentransfer benötigen. Die MAC-Erweiterung 802.11e ermöglicht eine erweiterte PCF-Funktionalität, wobei den Stationen eine definierte Bandbreite zugewiesen wird. Im Wesentlichen erfolgt die Adaption der ETSI-Hiperlan/2-Spezifikation auf die IEEE 802.11-Standards. 5.3.5 802.11 f – Roaming Das Finden von mobilen Stationen in einem Infrastrukturnetzwerk war lange Zeit der Implementierung einzelner Hersteller vorbehalten. Erst der 802.11f-Standard ermöglicht dies durch die Definition eines Inter-Access-Point-Protokolls (IAPP), welches den standardisierten Datenaustausch zwischen den Infrastrukturkomponenten sicherstellt. 5.3.6 802.11 g – 2.4-GHz-Band OFDM Eine bedeutende Entwicklung zeichnete sich Mitte 2003 durch die Verabschiedung des 802.1g-Standards ab. Es hat sich gezeigt, dass eine Kompatibilität zu dem
5 Drahtlose Netzwerke
641
bisherigen 802.11b-Standard uneingeschränkt notwendig ist. Hierzu gehört sowohl die Rückwärtskompatibilität zu den bisherigen Infrastrukturkomponenten als auch die Nutzung des weltweit verfügbaren 2,4-GHz-ISM-Bands. 802.11g übernimmt Signalkodierungsverfahren aus der 802.11a-Welt (OFDM) und ermöglicht damit zusätzliche 22 bis 54 Mbps-Betriebsmodi. 5.3.7 802.11 h – 5-GHz-Band HyperLAN Bei dem 802.11h-Standard handelt es sich im Wesentlichen um eine Erweiterung des bisherigen 802.11a-Standards im 5-GHz-Band um die technischen Eigenschaften der europäischen ETSI HiperLAN/2-Spezifikation. In erster Linie werden zusätzliche Modulationsverfahren mit einer höheren Kanaleffizienz sowie ein Spektrum-Management für das Ausblenden von Radarfrequenzen als auch das Management der Sendeleistung vorgesehen. 5.3.8 802.11 i – Sicherheit nach WEP Der Sicherheit von WLAN könnte man ein eigenes Buch widmen. So viel wird über Sicherheitslücken und Gegenmaßnahmen diskutiert. Generell lässt sich feststellen, dass es mit der WLAN-Sicherheit nicht zum Besten steht. Hierzu tragen im Wesentlichen zwei Aspekte bei: – Die Zugriffskontrolle ist unsicher, da die MAC-Adressen bei der Kommunikation unverschlüsselt übertragen werden und damit eine eindeutige SenderEmpfänger-Zuordnung identifizierbar ist. Angreifer können sich durch das Vorspielen „richtiger“ MAC-Adressen in ein Netz einschleichen. – WEP-Schlüssel können mit verhältnismäßig wenig Aufwand erschnüffelt werden, da sie statisch sind. Durch das Mitschneiden mit entsprechenden Tools ist der Schlüssel ohne großen Aufwand innerhalb weniger Minuten rekonstruierbar. Die 802.11i beschreibt eine Erweiterung der Standards 802.11a, -b und -g, um die Lücken des WEP-Verfahrens (Wired Equivalent Privacy) zu schließen. Hierzu gehört die Authentifizierung der Stationen mittels EAP (Extensible Authentication Protocol). EAP verwendet verschiedene Authentifizierungsmechanismen, wobei ein RADIUS-Server (Remote Authentication Dial In User Service) erforderlich ist. Für die Sicherung der Schlüssel wird in 802.11i die Verwendung von TKIP (Temporary-Key-Integrity-Protocol) empfohlen. Hierbei wird der statische Schlüssel umgangen, in dem pro Datenpaket ein neuer Schlüssel erzeugt wird. Ein Abhören ist zwar weiterhin möglich, nicht jedoch die Rekonstruktion des Schlüssels. WiFi-konforme Systeme setzen eine Sicherung nach 802.11i voraus. Sie muss jedoch auch eingeschaltet werden, denn diese Sicherung ist immer optional.
642
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Bussysteme
5.4 Bluetooth™ Bluetooth basiert auf einer Studie von Ericsson Mitte der 90er Jahre. Damals suchte man nach einer geeigneten kostengünstigen Lösung für die kabellose Übertragung von Daten im Short-Range-Bereich bis ca. 10 Meter, die den Anforderungen der Mobilität hinsichtlich Größe, Kosten und Energieverbrauch gerecht wurde. 1998 schlossen sich schließlich die Firmen Ericsson, Nokia, Intel, IBM und Toshiba in der SIG (Special Interest Group) zusammen, um einen einheitlichen Standard zu etablieren. Die erste Spezifikation von Bluetooth in der Version 1.0 wurde im Juli 1999 verabschiedet. Nach einigen Updates und Anpassungen konnte im Februar 2001 die Version 1.1 vorgestellt werden, welche die Basis für die Mehrzahl aller aktuell verfügbaren Produkte darstellt. Aktuell ist die Version 1.2, die im November 2003 vorgestellt wurde. Sie beinhaltet wesentliche Erweiterungen hinsichtlich eines schnelleren Verbindungsaufbaus, erweiterter SCO-Kanäle, einer verbesserten Fehlerbehandlung und Synchronisation sowie der Implementierung eines adaptiven Frequenz-Hoppings. Neueste Entwicklung ist die im November 2004 vorgestellte Bluetooth V. 2.0 + EDR Definition. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um eine überarbeitete 1.2 Version mit einer Erweiterung für die HighSpeed-Übertragung (EDR – Enhanced Data Rate) mit 2 und 3 Mbps. Bluetooth ist aktuell der erfolgreichste Wireless-Standard mit über 3 Mio. Funkmodulen pro Woche im Herbst 2004. Primär erfolgt die Integration von Bluetooth-Modulen in Mobiltelefone und Konsumergeräte. Durch die hohe Verbreitung bei einer gleichzeitig steigenden Integrationsdichte sind die Kosten auf unter 5 € pro Modul gefallen. Diese Entwicklungen machen die Bluetooth-Technologie auch für den Embedded-Bereich äußerst interessant, besonders dann, wenn die Integration zu bestehenden Konsumergeräten oder Geräten der IT-Technik erforderlich wird [5.4–5.6]. 5.4.1 Technologischer Überblick Technologisch unterscheidet sich Bluetooth wesentlich von anderen Funktechnologien, da schon bei der Spezifikation auf die Embedded-Integration geachtet wurde. Das bedeutet, dass nicht ein TCP-/IP-basierter Ansatz für die Datenübertragung gewählt wurde, sondern ein dienstleistungsorientiertes Framework ermöglicht eine skalierte Bereitstellung von Diensten. Über 30 unterschiedliche Profile sind bereits definiert oder stehen in Spezifikation, um spezielle Lösungen zu realisieren. Entsprechend der Vielzahl der unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten sind auch die technischen Randbedingungen. Die Bluetooth-Technologie kann in drei logische Abschnitte unterteilt werden: – Funktechnik und Basisband – stellen die Low-Level-Funktionalität des Systems bereit. Hier sind prinzipielle Funktionsweisen hinterlegt, die auf nahezu allen Geräten ausnahmslos identisch funktionieren müssen. – Linkmanager und Host-Controller-Interface – bilden die Schnittstelle zwischen Applikation und Funktechnik. Der Linkmanager ist für das Verbindungsma-
5 Drahtlose Netzwerke
643
Abb. 5.17. Übersicht des Bluetooth-Protokoll-Stacks
nagement verantwortlich, das HCI (Host Controller Interface) bietet eine standardisierte Schnittstelle zum Host-Computer. – Anwendungsschicht – Aufgrund der unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten werden in Bluetooth verschiedene Anwendungsmodelle, sog. Profile, definiert. Sie bilden die Anwendungsschnittstelle von Bluetooth. 5.4.2 Protokolle 5.4.2.1 Funktechnik und Basisband Aus der Sicht der Funktechnik verwendet Bluetooth ebenfalls das 2,4-GHz-ISMBand. Im Gegensatz zu WLAN wird jedoch ein Frequenz-Hopping-Verfahren mit bis zu 79 Kanälen von 1 MHz Bandbreite gewählt. Die Kanäle werden pseudozufällig mit einer Hopping-Rate von 1.600 Hops/sec durchlaufen. Die Hopsequenz ist für ein Piconet charakteristisch und im Wesentlichen von einer Clock und der Geräteadresse (Bluetooth MAC-ID) abhängig. Aufgrund des Hopping-Verfahrens ist Bluetooth im Vergleich zu anderen Funksystemen sehr robust gegenüber schmalbandigen Störern. Seit der Version 1.2 kommt noch ein adaptives Frequenz-Hopping hinzu, das Frequenzbereiche explizit ausblenden kann, so dass eine konfliktfreie Koexistenz von Störern bzw. anderen Funksystemen im selben Frequenzband möglich wird. Bluetooth definiert drei Leistungsklassen für Funkmodule. Klasse-3-Module kennzeichnen das untere Leistungsende mit einer Sendeleistung von 1 mW und einer typischen Reichweite von 10 Metern. Klasse-2-Module haben eine Sendeleistung von 2,5 mW bei einer Reichweite von ca. 30 Metern und das obere Leistungsspektrum wird durch 100 mW-Module mit Reichweiten bis zu 100 Metern
644
Teil E
Bussysteme
erreicht. Klasse-2- und Klasse-1-Module sind mit einer Leistungsregelung ausgestattet, so dass nur mit der maximal notwendigen Leistung gesendet wird. Die tatsächlich erreichbare Reichweite hängt wesentlich vom HF-Design, der verwendeten Antenne und der gesamten Qualität der Komponenten ab. Ein Bluetooth-Netzwerk formt sich als sog. Piconetz. Ein Knoten übernimmt hierbei die Rolle des Netzwerkmasters und prägt den angeschlossenen Slaves mit seiner Bluetooth-ID und seinem Timing die Hopsequenz ein. Bis zu sieben Slaves können aktiv mit dem Master kommunizieren, weitere 255 können je nach Implementierung als Parked-Member zu dem Piconetz gehören. Durch diese Form der Netzbildung können theoretisch fast 20.000 Teilnehmer in einer Funkzelle in 79 Piconetzen konfliktfrei koexistieren. Bluetooth bietet damit eine extrem hohe Dichte an Kommunikationsknoten. Durch das Master-Slave-Kommunikationsschema wird ein exakt durch den Master vorgegebenes Timing erreicht. Ein Kommunikationszeitslot beträgt 625 µs. Ein kompletter Datenrahmen bestehend aus Master-Anfrage und Slave-Antwort dauert 1,25 ms. Zur Steigerung der Nutzdatenrate sind auch 3- bzw- 5-SlotDatenpakete möglich. Hierdurch werden in Bluetooth bis V 1.2 maximale Datenraten von 433 kbps symmetrisch bzw. 723,2 / 57,6 kbps asymmetrisch erreicht. Bei der EDR-Definition ab Bluetooth V. 2.0 ist eine maximale Datenrate von asymmetrisch 2178,1 / 177,1 kbps möglich. Bluetooth verwendet bis zur Version 1.2 ein gaußsches Frequenz-Shift-KeyingVerfahren (GFSK) zur Modulation. Ab der Version 2.0 kommt für die Übertragung von EDR-Datenpaketen noch eine π/4-DQPSK (2-Mbps) und 8DPSK (3-Mbps)Modulation hinzu. Nur der Nutzdatenanteil der Daten wird mit der PSK-Modulation versendet.
Abb. 5.18. Bluetooth-Datenkanäle (BT V 2.0)
5 Drahtlose Netzwerke
645
Physikalisch werden im Bluetooth-Controller synchrone (SCO – Synchronous Connection Oriented) und asynchrone (ACL – Asynchronous Connection Less) Datenkanäle zur Verfügung gestellt. Synchrone Datenkanäle werden für das Versenden von Streamingdaten verwendet. SCO-Kanäle ermöglichen die getaktete Datenübertragung ohne Sendewiederholung. Erweiterte SCO-Kanäle (eSCO) lassen eine Sendewiederholung bis zu einem gewissen Grad zu. Die asynchronen Kanäle unterliegen im Wesentlichen einem ARQ-Schema (Automatic Repeat Request). 5.4.2.2 Linkmanager und Linkcontroller Der Linkmanager ist verantwortlich für das Aufsetzen der Verbindung und der Zuteilung der Kanalbandbreite. Für SCO- bzw. eSCO-Kanäle werden feste Zeitslots reserviert. Die übrig bleibenden Zeitschlitze können für die asynchrone Kommunikation verwendet werden. Neben der Verwaltung der Datenkanäle stellt der Linkmanager Dienste für die Synchronisation der Datenpakete, für die Definition und Überwachung von Dienstgüten (QoS – Quality of Service) sowie die Sicherheit zur Verfügung. Bluetooth unterstützt ein skalierbares mehrstufiges Sicherheitsmodell, welches neben drei unterschiedlichen Sicherheitsmodi verschiedene Sicherheitsmechanismen anwendet. Alle Mechanismen sind von Haus aus in den Bluetooth-Controllern integriert, so dass keine weitere Sicherheitshard- oder Firmware verwendet werden muss. Der schwächste Sicherheitsmodus ist der Security-Mode 1. Hier ist keine Authentifizierung erforderlich und die Daten werden generell unverschlüsselt übertragen. Bei Konsumergeräten am häufigsten anzutreffen ist der Mode 2. Die Sicherheitsprozeduren werden hierbei durch den Host abgehandelt, so dass in jeB
D
Ma
A
f(k)
f(k+2)
f(k+4)
f(k+6)
f(k+8)
f(k+10)
SCO ACL
E
C f(k+12)
f(k+14)
f(k+16)
f(k+18)
f(k+20)
f(k+22)
f(k+24)
A B C D E
t SCO 1
ACL
SCO 2
ACL
SCO 1
ACL
SCO 2
Abb. 5.19. Master- und Slave-Kommunikation in einem Piconetz
ACL
SCO 1
646
Teil E
Bussysteme
den Fall eine Verbindung zwischen Bluetooth-Controller und Host erforderlich wird. Dem Vorteil der skalierbaren Sicherheit auf Anwendungsebene stehen potenzielle Sicherheitslöcher gegenüber. Alle bekannten Löcher bei Bluetooth-Attacken basieren auf dieser (gewollten) Mode-2-Problematik. Eine Sicherheit auf Modulebene garantiert der Security-Mode 3. Hier werden alle Sicherheitsfunktionen des Bluetooth-Chips verwendet und es sind keine zusätzlichen Maßnahmen auf dem Host notwendig. Der Mode 3 stellt sicher, dass nur zuverlässige Quellen einen Zugang zum System erlangen. Die Sicherheitsmechanismen, die Bluetooth™ bereit stellt, bieten darüber hinaus auch die Etablierung von unsichtbaren Punkt-zuPunkt-Verbindungen, Authentifizierung durch Master und Slave sowie die Änderung des Verbindungscodes, wenn es sein muss nach jedem Datenpaket. Eine Verschlüsselung mit bis zu 128 Bit und ein Schlüsselmanagement sind in der Technologie integriert. 5.4.2.3 HCI – Host Controller Interface Die Anbindung der Bluetooth-Controller an das Host-System erfolgt über das sog. Host-Controller-Interface. Die HCI-Schicht stellt eine abstrakte Schnittstelle zur Verfügung, die alle relevanten Basisband- und Linkmanager-Funktionen in einer API dem Host anbietet. Typische physikalische Schnittstellen auf dieser Ebene sind USB (Universal Serial Bus) und UART. 5.4.2.4 High-Level-Host-Software Bluetooth bietet im Vergleich zu anderen Funksystemen einen sehr mächtigen Protokollstapel. Nicht nur der Datentransport, Dienstgüte und Sicherheit werden durch den Bluetooth-Controller implementiert, vielmehr ist auch der darüber liegende Protokollstapel auf hostseitiger Treiber- und Anwendungsebene definiert. Grundlegende Protokolle hierzu sind SDP, TCP, BNEP sowie AVCTP und AVDTP. Host (A)
Host (B)
Anwendung Anwendung Bluetooth Funkstrecke
High-Level-Treiber
HCI-Treiber
HCI HCI
Bus-Treiber
Physik Physik
Bluetooth-Hardware
Bluetooth-Hardware
Basisband Controller
Basisband Controller
HCI Firmware
Link Manager Firmware
Bus-Firmware
USB, PCMCIA, UART, I2C, ...
Link Manager Firmware
HCI Firmware
Bus-Firmware
High-Level-Treiber
HCI HCI
HCI-Treiber
Physik Physik
Bus-Treiber
USB, PCMCIA, UART, I2C, ...
Abb. 5.20. Die HCI-Schnittstelle abstrahiert die Bluetooth-Hardware zum Host
5 Drahtlose Netzwerke
... vCal
vNote
vCard
Profiles SDP
OBEX
HTTP SMTP OBEX
UDP
TCP IP PPP
IT-Protocols
ATAT-Bef. Bef.
BNEP
RFCOMM
RFCOMM
TCS bin
L2CAP Audio HCI
647
Link Manager Baseband
Bluetooth Host Protocols Bluetooth Core Protocols
RF
Abb. 5.21. Bluetooth-Anwendungsprofile ermöglichen eine Skalierung der Protokolle
Das Service Discovery Profile (SDP) stellt grundlegende Dienste für das Finden und Bereitstellen von Dienstmerkmalen auf einem Rechner zur Verfügung. Dieses ist notwendig, da nicht alle Bluetooth-Geräte alle Dienste zur Verfügung stellen müssen und in der Implementierung der einzelnen Ausprägungen gewisse Freiheitsgrade zur Verfügung stehen. SDP stellt so etwas wie die „Gelben-Seiten“ eines Bluetooth-Geräts dar und ist für alle Geräte verbindlich vorgeschrieben. TCP ist das Telephony Control Protocol, welches für die Verwaltung und Anwendung von Telefondiensten verantwortlich ist. Nur Geräte mit Telefondiensten benötigen dieses Protokoll. BNEP (Bluetooth Network Encapsulation Protocol) stellt grundlegende Dienste für die Übertragung von Layer-3-Protokollen über Bluetooth zur Verfügung. Dieses Protokoll ist notwendig in Access-Points und zur Ankopplung beispielsweise an das Ethernet. AVCTP (Audio Video Control Protocol) und AVDTP (Audio Video Distribution Transport Protocol) sind neuere Protokolle für den Transport und die Steuerung von Video und Audiodaten. Oberhalb dieser Bluetooth-Protokolle können etablierte IT-Protokolle wie OBEX oder TCP/IP angebunden werden und stellen dann den jeweiligen Anwendungslayer zur Verfügung. Wie die einzelnen Protokolle angewendet werden, wird in den Profilen geregelt. 5.4.3 Anwendungs-Profile Bluetooth ermöglicht eine weitgehende Skalierung der auf dem Gerät unterstützten Anwendungen. Hierzu werden spezielle Profile gebildet, die genau definieren, welche Features und Protokolle in einem Gerät unterstützt werden müssen und welche Optionen offen stehen. Über 30 unterschiedliche Profile sind bereits definiert worden oder sind in Spezifikation. Ein Gerät kann mehrere Profile unterstützen. Zumindest sind GAP (Generic Access Profile) und SDAP (Service Discovery Application Profile) sowie ein weiteres Profil zu implementieren. Die Vorstellung aller Profile würde den Umfang bei weitem sprengen, deshalb sei im Folgenden nur ein kleiner Überblick der wesentlichen Profile gegeben.
648
Teil E
Bussysteme
Tabelle 5.3. Notwendige Bluetooth-Profile Profil
Name
Beschreibung
GAP
Generic Access Profile
Das GAP beschreibt die grundlegenden Funktionen und Dienste, die ein Bluetooth-Gerät implementieren muss. Dazu gehören die verfügbaren Verbindungs- und Sicherheitsmodi. Alle Geräte müssen sich GAPkonform verhalten.
SDAP
Service Discovery Application Profile
Das SDAP definiert wie Bluetooth-Geräte ihre Profil-Informationen austauschen und in welcher Form die Daten dargestellt werden. Jedes Gerät muss SDAP implementieren. Es stellt mit GAP die Basis für die Interoperabilität von Geräten dar.
Tabelle 5.4. Grundlegende Bluetooth-Profile Profil
Name
Beschreibung
GOEP
Generic Object Exchange Profile
Das GOEP ist ein generisches Profil für den Datenaustausch über OBEX. OBEX ist das Object Exchange Protokoll, was einen transaktionsgesicherten binären Datenaustausch zwischen Geräten ermöglicht. Auf der Basis von GOEP sind weitere Profile, beispielsweise für Dateidienste und PIMAbgleich definiert.
DUN
Dialup Networking Profile
Das DUN definiert Dienste für die Einwahlverbindungen über das PPPProtokoll zwischen einem Datenterminal und einem Gateway. Das Gateway wird i. d. R. ein ISDN-Gerät oder ein Mobiltelefon sein.
OPP
Object Push Profile
Der Spontane Datenaustausch auf der Basis von OBEX wird über das OPP realisiert.
FAX
Fax Profile
Das FAX-Profile definiert den Zugriff von Datenterminals und Gateways für die Anwendung von FAX-Diensten. Das Gateway wird i. d. R. ein ISDNGerät oder ein Mobiltelefon sein.
SPP
Serial Port Profile
Das SPP ist ein sehr grundlegendes Profil für den Datenaustausch von Geräten über eine virtuelle serielle Kabelverbindung vom RS-232-Typ. SPP ist damit die Voraussetzung von Cabel-Replacement-Anwendungen und kabelfreie Ad-hoc-Kommunikation.
HID
Human Interface Device Profile
Das HID ermöglicht einen echtzeitfähigen Datenaustausch von Bluetooth-Geräten wie es beispielsweise bei Mäusen oder Tastaturen erforderlich ist.
5.4.4 Embedded Integration Aufgrund des mächtigen Protokollstacks erscheint Bluetooth oft als kompliziert. Dieses ist jedoch nicht der Fall. Hierfür gibt es zwei Gründe. Erstens ist durch die Bildung von Profilen eine saubere Abgrenzung von Funktionalität i. d. R. sehr einfach möglich. Zweitens ermöglichen heute viele Anbieter die Integration der Up-
5 Drahtlose Netzwerke
649
Application Serial Port Profile
Connect /Security Manager
COM
Setup
RFCOMM L2CAP
Scheduler
ATAT-Bef.
SDP
Link Manager Baseband RF
Abb. 5.22. Implementierung von Embedded-Geräten mit Embedded-Stack (Quelle: Lesswire AG)
per-Layer-Protokoll-Stacks auf dem Bluetooth-Controller. Hierdurch kann die gesamte Anwendung auf den Bluetooth-Controller gebracht werden bzw. das Embedded-Gerät benötigt nur eine einfache UART-Schnittstelle zum Prozessor zur Integration einer entsprechenden kabellosen Verbindung. Als bevorzugte Profile sind SPP und HID für einfache Embbeded-Geräte möglich.
5.5 Wireless-Sensornetzwerke Die generelle Forderung an die Integration von Funktechnologien in Embedded Systeme ist eine kostengünstige und einfache Integration der Funktechnik an das ohnehin vorhandene Hostsystem. Will man einen Zielpreis von wenigen Euro erreichen, wie es beispielsweise für Sensornetzwerke notwendig ist, war dieses bisher nur mit proprietären Lösungen erreichbar. Hier haben sich etliche Lösungen im 27 MHz, 433 MHz oder auch 868 MHz-Band etabliert. Doch auch hier ist durch weitere Standardisierungsbemühungen im Bereich der PANs (Personal Area Networks) ein weiterer Meilenstein durch den IEEE 802.15.4-Standard erreicht worden. Im Nachfolgenden werden einige kurze Aspekte zu 433- und 868-MHz-Band-Systemen und schließlich solche zur 802.15.4-Norm konforme Lösungen angesprochen. 5.5.1 868-MHz-/433-MHz-Band Funkanwendungen im 868-MHz-SRD-Band sind populär und ungeheuer vielfältig. Eine Klassifizierung nach einem bestimmten Anwendungsgebiet ist nicht mög-
650
Teil E
Bussysteme
lich. Die Geräte dienen als Funkmodem, Alarmanlage, Wetterstation oder werden für allgemeine Telemetrie-Aufgaben genutzt. Durch Sende- und Empfangssteuerungen können diese Geräte sehr stromsparend arbeiten und somit auch in batteriebetriebenen Geräten eingesetzt werden. Dies ist ein wesentlicher Vorteil dieser Module, so dass deren Einsatz als Temperaturfühler, Alarmmeldeeinrichtung oder Messwertaufnehmer möglich wird. Eine Sicherung der Daten gegenüber Fremdzugriff muss jedoch hard- oder softwareseitig gelöst werden. Da 868-MHz-Module immer auf einer festen Frequenz arbeiten, bieten sie darüber hinaus für einen potenziellen Lauschangriff einen Angriffspunkt. Die Aufteilung des Bandes nach Einsatzzwecken und die Anwendung von Duty Cycles sorgen dafür, dass Störungen z. B. durch Interferenzen weitgehend vermieden werden. Trotzdem ist die Verfügbarkeit der Datenübertragung nicht zu 100 % gewährleistet. Dies macht die 868-MHz-Module für die Übertragung von sicherheitsrelevanten oder zeitkritischen Daten bedenklich. Für allgemeine Anwendungen, bei denen diese Tatsache akzeptabel ist, spielt die Reichweite eines solchen Moduls die größere Rolle. Die Datenrate von Modulen in typischen industriellen Anwendungen liegt bei 38.400 Baud, wobei aber auch Varianten mit bis zu 115.200 Baud möglich sind. Da nur der physikalische Layer und die Sicherungsschicht definiert sind, bieten die 868-MHz-ISM-Module keine standardisierte Anwendungsschnittstelle bzw. ein standardisiertes Protokoll. Auch Adhoc-Netzwerke können nicht ohne einen erheblichen Aufwand umgesetzt werden. In der Regel wird ein eigener Microcontroller benötigt, der für die Protokolle, Verschlüsselung und sonstigen Sicherheitsmechanismen verantwortlich ist. Die 868 MHz-SRD-Technik ist damit eine typische Technologie für eine Low-Cost und Low-End-Sensor-/Aktor-Vernetzung auf firmenspezifischem Niveau. 5.5.2 ZigBee – IEEE 802.15.4 Die ZigBee-Aktivitäten entwickelten sich aus den HomeRF-Lite-Aktivitäten Anfang 2000. Der erste Zusammenschluss zur Definition eines tragfähigen interoperablen Standards erfolgte 2002 zur ZigBee-Alliance. Die Normung der Physik und des Mac-Layers erfolgte in der Arbeitsgruppe 802.15 des IEEE in der Untergruppe 4. Mit Stand Februar 2003 wurde die Spezifikation der IEEE 802.15.4 veröffentlicht, so dass eine zuverlässige Entwicklungsbasis für die unteren Layer existiert und eine Hardwareentwicklung möglich wurde [5.7]. Die Begriffe IEEE 802.15.4 und ZigBee werden oft synonym verwendet, was jedoch nicht richtig ist. Die IEEE-Norm beschreibt nur die unteren Layer (PHY und MAC), ein schlankes Netzwerklayer und ein IEEE 802.2-Adaptionslayer. Zu einem vollständigen ZigBee-Protokollstack gehört darüber hinaus noch ein SecurityLayer, ein Adaptionslayer für die Anwendungszwischenschicht sowie Geräteobjekte (ZDP Zigbee Device Objects) und deren Anwendungsdefinition in verschiedenen Profilen. Während die hardwarenahen Spezifikationen stabil sind, befinden sich die höheren Protokollschichten noch in Arbeit.
5 Drahtlose Netzwerke
651
Application Layer (APL)
UDP IP
802.15.4 Medium Access 802.15.4 PHY - Layer
IEEE 802.15.4
802.2LLC SSCS
Netzwerk Layer (NWK)
Silicon
Security Service Provider (SSP)
Application Convergence
App. Support SubSub-Layer (APS)
ZigBee Stack
ZigBee Alliance
ZigBee Device Objects (ZDO)
Abb. 5.23. ZigBee- und IEEE 802.15.4-Protokolllayer
5.5.2.1 PHY und MAC der 802.15.4
868/915 MHz
2.4 GHz
802.15.4 definiert eine Funkübertragung für das 2,4-GHz-ISM-Band, das europäische 868-MHz-SRD- und das amerikanischen 915-MHz-Band. Im 2,4-GHzBereich stehen weltweit 16 Kanäle mit einer maximalen Bandbreite von 250 kbps zur Verfügung. Aufgrund der Beschränkungen des SRD-Bandes ist in Europa nur ein Kanal bei 868,3 MHz mit 20 kbps freigegeben, auf dem amerikanischen Kontinent können immerhin 10 Kanäle mit einer Datenrate von 40 kbps benutzt werden. Innerhalb der Frequenzbänder werden unterschiedliche Modulationsverfahren verwendet, wobei immer ein DSSS (Direct Sequence Spread Spectrum)-Verfahren mit 15- bzw. 32-Bit-Spreizung zur Anwendung kommt. Für den Kanalzugriff verwendet 802.15.4 einen CSMA-CA-Algorithmus, vergleichbar zu dem von WLAN nach IEEE 802.11. Für einen optimierten Kanalzugriff können auch sog. Superframes verwendet werden, bei denen für zeitkritische Anwendungen Zeitschlitze reserviert werden. Um die Zeitschlitze bekannt zu ma-
PPDUBitstrom
PPDUBitstrom
Bit-to-Symbol Bit-to-Symbol
Symbol-to-Symbol Symbol-to-Symbol
Zusammenfassung Zusammenfassung von von jeweils jeweils 44 aufeinanderaufeinander folgenden PPDU-Bits folgenden PPDU-Bits
Spreizen Spreizen der der Symbole Symbole auf auf 32-Bit 32 Bit lange lange PN-Sequenzen PN-Sequenzen
Differential Differential Encoder Encoder
Symbol-to-Symbol Symbol-to-Symbol
BPSK-Modulator BPSK-Modulator
En = Rn ⊕ En −1
Spreizen Spreizen der der Symbole Symbole auf auf 15-Bit 15 Bit lange lange PN-Sequenzen PN-Sequenzen
πt πt sin ⎧ ⎧ cos⎧ ⎧ TC⎩ TC⎩ ⎩ ⎩ p(t ) = 2 πt ⎧4t ⎧ TC C 1 − ⎩T 2⎩ C
Abb. 5.24. IEEE 802.15.4-Modulationsverfahren
O-QPSK-Modulator O-QPSK-Modulator Aufteilung Aufteilung inin gerade gerade und und ungerade ungerade Chips, Chips, die die mit mit einer einer halben, halben, jeweils 90° versetzten Phase jeweils 90° versetzten Phase übertragen übertragen werden werden
Moduliertes Signal
Moduliertes Signal
652
Teil E
Bussysteme
chen, setzt ein Netzwerkkoordinator (PAN-Coordinator) Beacons in bestimmten Intervallen ab, auf die sich die angemeldeten Stationen registrieren können. Ein Kanalwechselmodus, vergleichbar zu Bluetooth, ist nicht implementiert, kann jedoch bei Bedarf durch die Netzwerkschicht realisiert werden. Eine Besonderheit ist die Netzwerktopologie selbst. Um kleine kostengünstige Sensoren und Aktoren zu realisieren, wird zwischen Full-Function-Devices (FFD) und Reduced-Function-Devices (RFD) unterschieden. RFDs können nur als Slave eines FFDs betrieben werden und sind nicht in der Lage, untereinander zu kommunizieren. Hierdurch lässt sich die Komplexität deutlich reduzieren, so dass RFDs schon auf einem kleinen 8-Bit-Prozessor mit wenig Speicher lauffähig sind. Die FFDs sind zentrale Netzknoten, die selbstständig agieren können und einen deutlich größeren Funktionsumfang beherrschen müssen. FFDs können untereinander oder zu RFDs in Verbindung treten. In einem Netzsegment muss ein FFD die Rolle des PAN-Koordinators übernehmen. Dieser Knoten ist für die Konfiguration des Netzwerks und das Verbindungsmanagement in einer PAN-Zelle verantwortlich. Alle zur Zelle gehörigen Knoten, sowohl FFDs als auch RFDs, müssen sich bei ihm anmelden, er vergibt kurze Adressen für das Routing innerhalb des Netzwerks. Ein PAN-Koordinator ist in der Lage den Nachrichtenverkehr zwischen RFDs zu managen. Durch die Möglichkeit mehrere FFDs über einen PAN-Koordinator zu vernetzen, kann man nahezu beliebig komplexe Netzwerkstrukturen aufbauen, wobei ein Routing von Nachrichten über Segmentgrenzen hinweg möglich ist. Man spricht hierbei auch von so genannten Mesh-Netzwerken. Zur Adressierung der einzelnen Knoten sieht der MAC-Frame sowohl Zielund Quelladressen für das Teilnetzwerk (PAN-Identifier – 2 Byte) als auch für den Knoten selbst vor (Address 2 / 8 Byte). Hierdurch können theoretisch in einer Netzwerkstruktur maximal 216 mal 264 Netzknoten erreicht werden.
FFD – Full Function Device
PAN Coordinator
RFD – Reduced Function Device
Abb. 5.25. RFDs und FFDs können ein komplexes Netzwerk aufspannen
PAN Coordinator PAN Coordinator
Abb. 5.26. FFDs können zu einem komplexen Mesh-Netzwerk verbunden werden
5 Drahtlose Netzwerke
653
Upper Layer Protocol Data Unit
2
1
Frame Control
0/2
Destination Sequence PAN-Identifier Number
0/2/8
0/2
0/2/8
Destination Address
Source PAN-Identifier
Source Address
0 … 102 / 122
2
Payload
Frame Check Sequence
MAC Service Data Unit (MSDU)
MAC Footer
Address Fields (0.. 20 Bytes)
MAC Header MPDU MAC Protocol Data Unit
4
1
1
5 … 127
Frame Length (7 Bit)
Sync Header
PHY Header
reserved
Start of Präambel Frame 32 * ‚0‘ Delimiter
Payload PHY Service Data Unit (PSDU) PPDU PHY Protocol Data Unit
Abb. 5.27. IEEE 802.15.4-Protokollrahmen
5.5.2.2 ZigBee-Protokoll ZigBee verwendet den IEEE 802.15.4-Standard und setzt hierauf eine Dienstleistungsschicht auf. Schwerpunkt sind die Konfiguration und Administration von Kommunikationsknoten sowie das Routing von Nachrichten zwischen den Teilnehmern. Die Realisierung einer Anwendungsschicht wird nicht unmittelbar im ZigBee-Standard beschrieben, vielmehr erfolgt die Definition von Applikationsszenarien und Use-Cases in Profilen. Schwerpunkt ist hierbei eine Fokussierung auf ein bestimmtes Anwendungsumfeld. Aktuell sind die ersten Definitionen für die Gebäudeautomation, Haustechnik und Industriesteuerungen sowie die Fernsteuerung von Konsumergeräten in Arbeit. Im Laufe des Jahres 2005 wird mit den ersten Anwendungen gerechnet.
Literatur 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7
Wang X, Poor H V (2003) Wireless Communication Systems. Prentice Hall PTR, Schweiz Wollert J F (2004) VDI-Seminar „Mobile Netzwerke in der Automation” www.wimedia.org Wollert J F (2002) Das Bluetooth Handbuch. Franzis Verlag, Poing Muller N J (2001) Bluetooth. mitp-Verlag, Bonn www.bluetooth.org www.zigbee.org
Teil F Antriebstechnik 1
Elektrische Antriebstechnik
657
2
Pneumatische Antriebstechnik
3
Hydraulische Antriebstechnik
693 707
1 Elektrische Antriebstechnik Lothar Sack
Elektrische Antriebe sind wegen ihrer Leistungsbreite, ihrer Regelbarkeit und ihrer Anpassungsfähigkeit an die Umgebungsbedingungen für vielfältige Antriebsaufgaben geeignet. Entsprechend ihrer Funktion ist in der Automatisierungstechnik die Unterscheidung in Hauptantriebe und Stellantriebe sinnvoll. Bei Hauptantrieben liegt das Augenmerk auf der Erzeugung mechanischer Leistung; die grundlegenden Anforderungen im Betrieb sind durch Drehmoment, Drehzahl und Leistung definierbar. Bei Stellantrieben hingegen besteht die Antriebsaufgabe in der Erzeugung von Bewegungen, die durch die Vorgabe von Ortskoordinaten in Abhängigkeit von der Zeit festgelegt sind. Entsprechend ihrer Funktion werden die Komponenten elektrischer Antriebe gemäß Abb. 1.1 unterschieden. Es sind dies der Motor, der die elektrischen Größen Strom und Spannung in die mechanischen Größen Drehmoment und Drehzahl umformt, das Leistungsstellglied zur Bereitstellung von Spannung und Strom für den Motor und die Regeleinrichtung, die den durch einen oder mehrere Sollwerte vorgegebenen Betriebspunkt einstellt. Leistungsstellglied und Regeleinrichtung sind baulich im Antriebsstromrichter vereinigt; bei kleineren Leistungen ist auch die Integration von Motor und Antriebsstromrichter vorteilhaft, weil sie zu Platzersparnis im Schaltschrank führt und das Kabel zwischen Stromrichter und Motor entfällt. Als Motoren kommen in der Automatisierungstechnik der Gleichstrommotor, der Asynchronmotor und unterschiedliche Ausführungen des SynchronmoNetz
elektr. Leistungsstellglied
Stellgrößen
Leistung
M
Arbeitsmaschine
Istwerte Regelung
Sollwerte Abb. 1.1. Komponenten eines elektrischen Antriebssystems
Istwerte
658
Teil F
Antriebstechnik
tors (darunter auch der Schrittmotor) zum Einsatz. Bei den Leistungsstellgliedern stehen netzgeführte und selbstgeführte Stromrichter zur Verfügung. Zur Speisung von Gleichstrommotoren aus dem Drehstromnetz werden netzgeführte Stromrichter verwendet. Als Leistungshalbleiter sind in ihnen Thyristoren enthalten. Sie können im Sperrzustand zwischen Kathode und Anode Spannung mit beiden Polaritäten aufnehmen. Bei positiver Sperrspannung können Thyristoren durch einen Steuerstrom, der über den Gate-Anschluss und den Kathodenanschluss fließt, eingeschaltet werden (Abb. 1.2). Die Rückkehr des Thyristors in den Sperrzustand erfolgt, wenn der Strom über die Hauptanschlüsse null wird. Dies erfolgt im Rahmen der Stromrichterschaltung durch die Netzspannung, wenn der nächste Thyristor gezündet wird. Das unmittelbare Abschalten über die Gate-Ansteuerung ist nicht möglich. Wegen der guten Verfügbarkeit von Thyristoren in einem weiten Spannungs- und Strombereich werden netzgeführte Stromrichter auch bei Drehstromantrieben mit großer Leistung eingesetzt. Wird ein Antrieb aus einer Gleichspannungsquelle gespeist oder wird durch Gleichrichtung der Netzwechselspannung hierfür eine Zwischenkreisspannung gebildet, so werden abschaltbare Leistungshalbleiter (Transistoren) eingesetzt, die zusammen mit Dioden Transistorstellglieder bilden und für die Speisung von Gleichstrom- und Drehstrommotoren verwendet werden. Für kleine Leistungen, bei denen kleine Spannungen ( 0 uGS, uGE = 0
Sperren uT (vorwärts)
Abb. 1.2. Leistungshalbleiter in der elektrischen Antriebstechnik
uDS, uCE
uD
1 Elektrische Antriebstechnik
659
in Niederspannungsnetzen erforderlichen Werte ab (1200V, 1700V). Die Stromtragfähigkeit beträgt maximal einige 102 A bis 1kA pro Modul. Bei kleinen Leistungen (einige kW) beträgt die Schaltfrequenz bis zu ca. 16 kHz, bei großen Leistungen gehen die Schaltfrequenzen bis auf wenige kHz und unter 1 kHz zurück. Dioden werden in Antriebs-Umrichtern zur Gleichrichtung der Netzspannung eingesetzt (Hauptforderung: gutes Durchlassverhalten) und als Freilaufdioden in Verbindung mit Transistoren, um die Motorströme bei abgeschaltetem Transistor zu führen (Hauptforderung: gutes Ein- und Ausschaltverhalten).
1.1 Hauptantriebe Die hier behandelten Hauptantriebe decken einen Leistungsbereich von einigen 102 W bis zu ca. 1 MW ab. Bei den Gleichstromantrieben mit netzgeführten Stromrichtern liegt der Hauptaufwand auf der Motorseite, während der Stromrichteraufwand geringer ist. Bei den Drehstromantrieben liegt der Hauptaufwand auf der Umrichterseite, während besonders bei Verwendung des Asynchron-Drehstrommotors dessen Einfachheit, Robustheit und geringe Kosten dominieren. 1.1.1 Gleichstromantriebe Der Hauptvorteil von Gleichstromantrieben besteht in deren einfacher Regelbarkeit. Sie ist die Folge der im Gleichstrommotor voneinander getrennt stattfindenden Bildung des magnetischen Flusses durch den Feldstrom iF und der Erzeugung des Drehmomentes durch den Ankerstrom iA. 1.1.1.1 Gleichstrommotor Der Gleichstrommotor besitzt ein feststehendes Polsystem im Ständer, das durch den Feldstrom erzeugt wird. Weite Verbreitung besitzen vierpolige Gleichstrom-
Ständerjoch Wendepol +
-
Hauptpol
-
+
Kommutator und Bürsten Ankerwicklung
Abb. 1.3. Fremderregter, vierpoliger Gleichstrommotor in Viereckbauweise
660
Teil F
Antriebstechnik
motoren. Der Ankerstrom wird über die Bürsten und über den Kommutator der Ankerwicklung zugeführt, Abb. 1.3. Das Prinzipschaltbild stellt die elektrischen Klemmengrößen sowie das Drehmoment und die Drehzahl dar, Abb. 1.4. Aus diesen Größen ergibt sich der Motorwirkungsgrad: 2 S n M K Wirkungsgrad: (1.1) U I U I A A
F F
Stationäres Verhalten
Im stationären Betrieb gelten die folgenden Gleichungen: Magnetischer Fluss
) )(I F ),
(1.2)
Drehmoment
M c ) I A ,
(1.3)
Induzierte Motorspannung
EA 2S c ) n
Ankerspannung
U A EA RA I A .
,
(1.4) (1.5)
Hierin sind IF der Feldstrom, Φ der magnetische Fluss, M das Drehmoment, IA der Ankerstrom, EA die induzierte Ankerspannung, n die Drehzahl, RA der Wicklungswiderstand der Ankerwicklung, UA die Anker-Klemmenspannung und c die Motorkonstante, die Geometrie- und Wicklungsdaten des Motors enthält. Zwischen der Drehzahl n, dem Drehmoment M und der Ankerspannung UA besteht der Zusammenhang n(M ) n0 (1
RA 2S (c ))2
M)
(1.6)
ΙA
Abb. 1.4. Prinzipschaltbild des fremderregten Gleichstrommotors
M UA
M,n UF
ΙF
1 Elektrische Antriebstechnik
661
mit der Leerlaufdrehzahl n0
UA 2 S c )
.
(1.7)
Der gesamte Drehzahlbereich ist in den Grundbereich mit IF = IFN und folglich Φ = ΦN und in den Feldschwächbereich mit IF < IFN und folglich Φ < ΦN unterteilt. Im Grundbereich wird die Drehzahl mit der zugehörigen Ankerspannung eingestellt. In diesem Bereich verlaufen die Drehmoment-Drehzahlkennlinien gemäß Gl. (1.6) zueinander parallel mit großer Steilheit. Im Feldschwächbereich besitzt die Ankerspannung ihren Maximalwert; die Drehzahl wird durch den Feldstrom eingestellt. Die Drehmomenten-Drehzahlkennlinien sind Geraden, die mit abnehmendem Feldstrom eine zunehmende Leerlaufdrehzahl n0, abnehmende Steilheit und damit eine größere Drehmomentenabhängigkeit aufweisen, Abb. 1.5. Unter Einhaltung der Nennwerte von Feldstrom, Ankerspannung und Ankerstrom ergeben sich die Betriebsgrenzen hinsichtlich des verfügbaren Drehmomentes. Im Grundbereich sind die Betriebsgrenzen durch konstantes Maximaldrehmoment gekennzeichnet; im Feldschwächbereich durch konstante Maximalleistung. Eine dementsprechend zurückgehende Drehmomentanforderung der Last ist z. B. bei Wickelantrieben vorhanden und die Voraussetzung für die sinnvolle Nutzung des Feldschwächbereiches. Die Betriebsgrenzen in den weiteren Betriebsquadranten ergeben sich in gleicher Weise. Dynamisches Verhalten
Bei konstantem magnetischen Fluss gilt für die Beschreibung des dynamischen Verhaltens des Gleichstrommotors das folgende Gleichungssystem, das aus dem Gleichungssystem für den stationären Betrieb durch Verallgemeinerung hervorgeht:
U A, I A IF, M
Betriebsgrenzen
MN IAN
IA
IFN
UAN
UA
M IF
M(n)
Grundbereich
n0
Kennlinien
M(n)
Feldschwächbereich
n0
n
Abb. 1.5. Drehmoment-Drehzahl-Kennlinien und Betriebsgrenzen des fremderregten Gleichstrommotors
662
Teil F
Antriebstechnik
Drehmoment
m c ) i A ,
(1.8)
Induzierte Motorspannung
e A 2S c ) n ,
(1.9)
Ankerspannung
uA e A RA iA LA
Bewegung
dn 1 m mL . dt 2S J
diA dt
(1.10)
,
(1.11)
Die Zusammenhänge gemäß diesen Gleichungen werden in dem Strukturbild gemäß Abb. 1.6 wiedergegeben. Hierbei treten als Eingangsgrößen die Ankerspannung uA, der Feldstrom iF und das Lastmoment mL auf. Das Verzögerungsglied 1. Ordnung stellt hierbei den Ankerkreis dar und verknüpft den Ankerstrom iA mit der Ankerspannung uA und der induzierten Ankerspannung eA. Es besitzt als Proportionalbeiwert den Kehrwert des Ankerwiderstandes RA und als Zeitkonstante den Wert TA = LA / RA, hierbei ist LA die Ankerinduktivität. Das I-Glied gibt den Zusammenhang zwischen dem Beschleunigungsmoment m-mL und der Drehzahl n gemäß der dynamischen Bewegungsgleichung (1.11) wieder. Übliche Herstellerangaben von Gleichstrommotoren sind die Bemessungswerte der Ankerspannung UN, des Ankerstromes IN, des Drehmomentes MN, der Drehzahl nN und des Wirkungsgrades ηN; des weiteren die Ankerinduktivität LA, der Anker-Wicklungswiderstand RA und das Trägheitsmoment J; außerdem die maximale Drehzahl im Feldschwächbereich und die Verlustleistung der Feldwicklung, aus der der Feldstrom bei einer vorgegebenen Spannung des Feldkreises ersichtlich ist.
1 RA
uA
TA
c iA
m
mL -
1 2πJ n
eA
iF
2πc
Φ
Abb. 1.6. Strukturbild des fremderregten Gleichstrommotors mit der Ankerspannung uA, dem Feldstrom iF und dem Lastmoment mL als Eingangsgrößen
1 Elektrische Antriebstechnik
663
1.1.1.2 Sechspulsiger netzgeführter Stromrichter B6C Netzgeführte, mit Thyristoren als Leistungshalbleiter aufgebaute Stromrichter werden mit Wechsel- oder Drehspannungen gespeist und erzeugen als Ausgangsspannung die Ankerspannung für Gleichstrommotoren, die sich gut zur Beeinflussung der Drehzahl eignet. Die Ausgangsspannung setzt sich abschnittsweise aus den speisenden Netzspannungen zusammen. Der Mittelwert der Spannung ist durch typische Wechselanteile überlagert, die je nach Stromrichterschaltung z. B. die doppelte, dreifache oder die sechsfache Netzfrequenz enthalten. Durch die Induktivität der Ankerwicklung ergibt sich ein geglätteter Stromverlauf, der meistens keine weitere Glättungsinduktivität erfordert. Weite Verbreitung in einem großen Leistungsbereich besitzt die sechspulsige Drehstrombrückenschaltung (B6C), Abb. 1.7. Sie wird über den Phasenanschnitt gesteuert. Der am natürlichen Zündzeitpunkt orientierte Steuerwinkel α ist die Eingangsgröße des Stromrichters und Kenngröße für den Betriebspunkt. Der zulässige Bereich für den Steuerwinkel α beträgt 0° bis 150°. Die Ausgangsspannung des Stromrichters ud setzt sich abschnittsweise aus den verketteten Netzspannungen zusammen, Abb. 1.8. Eine solche Pulsperiode besitzt bei der sechspulsigen Schaltung die Dauer: TP
1 1 , 6 fN
(1.12)
hierbei ist fN die Netzfrequenz. Für den Betriebspunkt des angeschlossenen Gleichstrommotors ist der Mittelwert der Ausgangsspannung Udiα entscheidend (ideelle Gleichspannung). Sie hängt
i d iA uL1 uL2 uL3
~ ~ ~
LK LK M M,n
LK
UF
Netz
u d uA
ΙF
B6C Abb. 1.7. Netzgeführter Stromrichter in B6C-Schaltung, Anschluss an das Dreiphasennetz über Kommutierungsdrosseln LK, unmittelbare Speisung der Gleichstrommaschine bei ausreichender Glättungswirkung des Ankerkreises
664
Teil F
Antriebstechnik
ud
α
u
Udiα
Abb. 1.8. Spannungs- und Stromverlauf am Stromrichterausgang bei einem Steuerwinkel α ≈ 35° und idealer Kommutierung
EA 0
π id
i
0
2π
ωt
2π
ωt
Id
π
allgemein von der Höhe der Netzspannung, der Art der Stromrichterschaltung und dem Steuerwinkel α ab. Für die sechspulsige Drehstrombrückenschaltung (B6C) gilt: U diD U di cos D mit U di
3 2 U N . S
(1.13)
Die Ankerspannung kann somit positive Polarität (α < 90°, Gleichrichterbetrieb; Leistungsrichtung vom Netz zum Motor, Antreiben) oder negative Polarität (α > 90°, Wechselrichterbetrieb, Leistungsrichtung zum Netz, Bremsen bei umgekehrter Drehrichtung) besitzen. Dabei ist nur eine Stromrichtung und Momentenrichtung vorhanden. Der in Gl. (1.13) enthaltene nichtlineare Zusammenhang cos(α) wird meistens durch Vorschalten der hierzu inversen Funktion kompensiert. Für den Betrieb eines Gleichstrommotors in allen vier Quadranten der DrehmomentDrehzahl-Ebene sind zwei B6C-Schaltungen mit ihren Ausgängen antiparallel geschaltet. Jede Teilschaltung deckt eine Ankerstromrichtung und damit eine Drehmomentenrichtung ab. Von den beiden B6C-Schaltungen ist jeweils nur die in Betrieb, die den zu der gewünschten Drehmomentenrichtung passenden Strom liefern kann. Eine als Kommandostufe bezeichnete Einheit steuert den Wechsel der Ankerstromrichtung durch Sperrung und Freigabe der Zündimpulse der Teilstromrichter. Der Bereich für den Steuerwinkel α beträgt hierbei 30° bis 150°. Die Spannung Udiα stellt die Leerlaufspannung des Stromrichters dar. Als wesentlicher Spannungsabfall ist der Spannungsabfall DX an der vorgeschalteten Kommutierungsdrossel Lk zu berücksichtigen. Er beträgt DX
3 2 S f Lk Id . S
(1.14)
Die Auswahl der Kommutierungsdrossel erfolgt so, dass an ihr bei Nennstrom ca. 4 % der Netzphasenspannung abfallen. In der Ausgangsspannung des Stromrichters ist außer dem Gleichanteil ein Spannungsanteil mit sechsfacher Netzfre-
1 Elektrische Antriebstechnik
665
quenz enthalten, Abb. 1.8. Dies führt zu einem entsprechend welligen Strom in der Ankerwicklung des Gleichstrommotors. Die Ankerinduktivität ist bei modernen Gleichstrommotoren für die Glättung des Ankerstromes meistens ausreichend. Gleichstrommotoren werden mit Ankerspannungen ausgeführt, die an die jeweilige Stromrichterschaltung angepasst sind, z. B. 440 V für Einquadrantenbetrieb und 400 V für Vierquadrantenbetrieb bei einer Spannung des speisenden Netzes von 400 V. Die Angaben des Motorenherstellers enthalten Hinweise, ob eine zusätzliche Glättungsdrossel nötig ist. Die hohe Welligkeit des Ankerstromes führt zum Lücken des Stromes in einem weiten Teillastbereich. Das hier geänderte Steuerverhalten des Stromrichters wird durch eine Lückstromadaption berücksichtigt. Das dynamische Verhalten des Stromrichters ist durch die zeitdiskrete Einwirkung des Steuerwinkels α auf die Bildung der Ausgangsspannung charakterisiert. Für die überschlägige Berücksichtigung dieser Zusammenhänge bei der Reglerparametrierung ist die Modellierung des Zeitverhaltens näherungsweise durch ein Totzeitglied ausreichend. Die Totzeit ist hierbei etwa halb so groß wie die Pulsperiode des Stromrichters TP 1 Tt | TP . 2
(1.15)
Die Herstellerangaben eines Stromrichtergerätes enthalten Bemessungswerte für die Netzspannung, den Netzstrom und die Netzfrequenz sowie für die Ausgangsspannung und den Ausgangsstrom. Da meistens auch ein Stromrichter zur Versorgung des Feldkreises enthalten ist, liegen auch hierüber die entsprechenden Angaben vor. 1.1.1.3 Drehzahlgeregelter Gleichstromantrieb Die allgemeine Zielsetzung von Regelungen in der elektrischen Antriebstechnik umfasst die Optimierung des dynamischen Verhaltens und die Minimierung des Einflusses von Störgrößen, die im elektrischen Teil (z. B. Höhe der NetzspanmL kPn TNn
unw
u iw +
+ _
kPi
TNi
uSt
kt
Tt
1/RA TA
uA + _
_
StromsollwertBegrenzung
eA kMi ui
cΦ iA
m + 2πcΦ
(TGi ) iA
kMn (TGn ) un
n Stromrichtergerät
Abb. 1.9. Drehzahlregelung mit unterlagerter Ankerstromregelung
Gleichstrommotor
1 _ 2πJ
n
666
Teil F
Antriebstechnik
nung) oder im mechanischen Teil (z. B. Lastmoment) auftreten können. Unter den zahlreichen Regelgrößen kommt der Drehzahl und damit der Drehzahlregelung eine zentrale Bedeutung zu. Drehzahlregelungen werden mit unterlagerter Ankerstrom-Regelung ausgeführt, Abb. 1.9. Hiermit ist bei der Inbetriebnahme die schrittweise Einstellung der Reglerparameter und im Betrieb die Begrenzung des Ankerstromes entsprechend seinem Nennwert durch die Begrenzung des Ankerstrom-Sollwertsignals möglich. Für die regelungstechnische Behandlung wirkt es sich vereinfachend aus, wenn die interne eA-Rückführung des Gleichstrommotors infolge ausreichender Größe des Trägheitsmomentes hinsichtlich des dynamischen Verhaltens der Stromregelung vernachlässigt werden kann und wenn die Ankerkreis-Zeitkonstante TA gegenüber den weiteren Streckenzeitkonstanten Tt und TGi deutlich überwiegt. Diese Voraussetzungen sind meistens erfüllt. Die Glättungszeitkonstante für den Strom-Istwert orientiert sich an der Pulsperiode TP (TGi ≈ TP), da es das Ziel der Glättung ist, die mit der Arbeitsweise des Stromrichters zusammenhängende Welligkeit des Ankerstromes im Istwertsignal ausreichend zu dämpfen. Als Reglertyp wird sowohl für die Stromregelung als auch für die Drehzahlregelung der PIRegler eingesetzt, da er ein gutes dynamisches Verhalten des geschlossenen Regelkreises infolge des P-Anteils und hohe stationäre Genauigkeit infolge des I-Anteils gewährleistet. Die Charakteristik der jeweiligen Regelstrecke, die Wahl der Reglerparameter und Richtwerte für das Verhalten des geschlossenen Regelkreises gehen aus Tabelle 1.1 hervor. Ankerstromregelung: Die Regelstrecke besteht aus der Reihenschaltung eines PT1-Gliedes mit dominierender Zeitkonstanten TA und mehreren PT1-Gliedern mit kleinen Zeitkonstanten (Ersatz-Stromrichtertotzeit, Istwertglättung). Mit der Nachstellzeit des Stromreglers TNi wird die dominierende Streckenzeitkonstante TA durch die Einstellung TNi = TA kompensiert. Die Reglerverstärkung KPi wird so gewählt, dass eine Phasenreserve von 60° eingehalten wird. Damit ist eine überschwingungsfreie Sprungantwort der geschlossenen Stromregelschleife verbunden. Der stationäre Zusammenhang zwischen dem Stromsollwert und dem Ankerstrom ist durch den Strommessgeber festgelegt und beträgt: iA/uiw = 1/kMi. Eine Verbesserung des dynamischen Verhaltens der Ankerstromregelung kann durch Vorsteuerung und Lückstrom-Adaption erreicht werden. Für das erzielbare dynamische Verhalten des geschlossenen Ankerstrom-Regelkreises sind somit die kleinen, nicht kompensierbaren Zeitkonstanten der Stromregelstrecke (Stromrichtertotzeit Tt und Glättung des Stromistwertes TGi) entscheidend. Als Richtwert gilt für die Ersatzzeitkonstante des geschlossenen Stromregelkreises TS
1 1 . 2 fN
(1.16)
Drehzahlregelung nach dem Stromleitverfahren: Die Drehzahlregelung besitzt als Bestandteil der Regelstrecke als unterlagerte Regelung den geschlossenen Ankerstrom-Regelkreis (PT1-Glied). Das Ausgangssignal des Drehzahlreglers durch-
1 Elektrische Antriebstechnik
667
läuft eine Begrenzung und wird der Ankerstromregelung als Sollwert zugeführt. Durch diese Begrenzung des Ankerstromsollwertes wird der Schutz des Stromrichtergerätes, des Gleichstrommotors und der Last vor zu großer elektrischer und mechanischer Belastung gewährleistet. Die Regelstrecke besteht nun aus dem PT1-Glied, das das Verhalten des geschlossenen Ankerstrom-Regelkreises wiedergibt, einem Proportionalglied, das den Zusammenhang von Ankerstrom und Drehmoment darstellt, einem Integrierglied, an dessen Eingang das Beschleunigungsmoment und an dessen Ausgang die Drehzahl auftritt und einem PT1-Glied, das die Glättung des Drehzahlsignals enthält. Die Parameter des Drehzahlreglers werden so gewählt, dass sich die symmetrische Optimierung als Sonderfall der symmetrischen Stabilisierung ergibt. Dadurch ist das Störverhalten hinsichtlich des Lastmomentes als Störgröße optimiert, während das damit verbundene Überschwingen im Sollwertverhalten durch ein Sollwertfilter vermieden wird. Das resultierende dynamische Verhalten des geschlossenen Drehzahlregelkreises ist das eines Verzögerungsgliedes 2. Ordnung. Daraus folgen die weiteren dynamischen Kennwerte gemäß Tabelle 1.1. 1.1.2 Drehstromantriebe Der Hauptvorteil von Drehstromantrieben liegt in der Wartungsarmut und in dem niedrigen Aufwand für den einfachen und robusten Drehstrom-Asynchronmotor. Durch weitgehende Normung der Motoren (bis in den 102-kW-Bereich) besonders hinsichtlich der Anbaumaße ist außerdem die Austauschbarkeit unterschiedlicher Fabrikate gegeben. 1.1.2.1 Drehstrommotor Der Drehstrommotor besitzt im Ständer eine dreisträngige Wicklung und im Läufer eine in sich kurzgeschlossene Käfigwicklung, die aus Aluminium im Druck-
Tabelle 1.1. Übersicht über Strom- und Drehzahlregelung eines Gleichstromantriebs Ankerstrom-Regelung
Drehzahl-Regelung
Regelstrecke
PT1 + kleine Zeitkonstanten
PT1 + I+ kleine Zeitkonstanten
Reglertyp
PI
PI
Optimierungsverfahren, Einstellwerte
Betragsoptimum TNi = TA Phasenreserve 60°
Symmetrisches Optimum TNn = 4 · TS Sollwertfilter TNw
Verhalten und Parameter des geschlossenen Regelkreises
PT1 TS = 2 · ∑ kleine Zeitkonstanten KS = 1/KMi
PT2 1/KMn, ωOA, DA DA = 0,8 … 1,0
668
Teil F
Antriebstechnik Abb. 1.10. Blechschnitte von Ständer und Läufer des Asynchron-Drehstrommotors mit Käfigläufer
Ständerzahn
Läuferzahn
Läuferjoch
Nuten
Ständerjoch
gussverfahren hergestellt wird. In Kupfer hergestellte Käfigwicklungen stellen eine Besonderheit dar. Abbildung 1.10 zeigt die Blechschnitte von Ständer und Läufer. Über die Läufernutform wird besonders das Anlaufverhalten bei Netzbetrieb beeinflusst. Die schematische Darstellung der Wicklungen bei Sternschaltung im Ständer zeigt Abb. 1.11. Die elektrische Wirkung der Stromkreise im Ständer und im Läufer lässt sich durch die dreisträngige Ständerwicklung und eine beliebig-zahlige Strangwicklung zur Darstellung des Läufers wiedergeben, Abb. 1.11. a
b
c
Abb. 1.11. Darstellung der Ständer- und Läuferwicklung
1 Elektrische Antriebstechnik R1
Ι1
jωL1σ
jωL2σ
R2
Ι2
Ιµ jωLh
669
Abb. 1.12. Einphasiges Ersatzschaltbild des Asynchron-Drehstrommotors
1-s R s 2
U1
Wird die Gesamtwirkung von elektrischen und mechanischen Vorgängen vom Ständer aus gesehen, so ergibt sich bei vorliegender dreiphasiger Symmetrie das einphasige Ersatzschaltbild, bei dem ein galvanisch angekoppelter Läuferzweig als Ersatz der Läuferstromkreise vorhanden ist, Abb. 1.12. Der auf die Ständerseite umgerechnete Läuferstrom I2 durchfließt die Reihenschaltung von Wicklungswiderstand R2 (Läuferwicklungsverluste) und den fiktiven Widerstand (1-s) R2/s, an dem die mechanisch umgesetzte Leistung eines Stranges auftritt. Hierbei ist s der Schlupf gemäß der Definition s
ns n ns
.
(1.17)
Die darin enthaltene Synchrondrehzahl ns ergibt sich aus der Speisefrequenz der Ständerwicklung f und der Polpaarzahl des Motors p: 1 nS f . p
(1.18)
Bei Belastung ist die Drehzahl geringer als die Synchrondrehzahl und beträgt: n nS (1 s) .
(1.19)
Im Nennbetrieb besitzt der hier enthaltene Schlupf s Werte im Bereich von wenigen Prozent. Die mechanische Leistung beträgt: Pmech 2S n M 2S ns (1 s) M 1 s 3 R2 I22 s
(1.20)
Die Verluste im Läuferkreis betragen: P2V 3 R2 I22 2S s ns M
(1.21)
670
Teil F
Antriebstechnik
Die Summe der mechanischen Leistung Pmech und der Läuferverluste P2V stellt die Luftspaltleistung Pδ dar, die vom Ständer über den Luftspalt auf den Läufer übertragen wird: PG 2S ns M
(1.22)
Addiert man dazu die Verlustleistung P1V in der Ständerwicklung, so erhält man die aus dem Drehstromnetz aufgenommene Leistung P1:
(1.23) Durch die an die Ständerwicklung angelegte Spannung und Frequenz wird dem Asynchronmotor ein magnetischer Fluss vorgegeben, dem ein durch die Hauptreaktanz fließender Magnetisierungsstrom Iµ entspricht. Dieser Strom ist entsprechend den Ersatzschaltbildparametern (Ständerwicklungswiderstand R1 und Ständerstreureaktanz X1δ) nur geringfügig von der Belastung abhängig. Bei Speisung mit fester Frequenz und Spannung weist der Asynchronmotor die in Abb. 1.13 dargestellte Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie auf. Markante Punkte der Kennlinie sind außer der Synchrondrehzahl nS der Nennpunkt PN mit MN und nN, der Kipppunkt PK mit MK und nK und der Anzugspunkt mit dem Anzugsmoment MAnz. Die Kennlinie weist eine Einsattelung zwischen dem Kipppunkt und dem Anzugspunkt auf, die man durch die Läufergestaltung klein hält (Stromverdrängung). Der Drehmomentenverlauf wird vom Motorenhersteller durch die Angabe der Momentenklasse (KL) charakterisiert. Typische Werte der Kennlinie sind MK/MN = 2,0 ... Abb. 1.13. DrehmomentenKennlinie und Stromaufnahme
6 Ι
2
4
Ι/Ι N
5
M/MN
2,5
PK
Manz
1,5
3
1
2
0,5
1
M
PN
0 0
20
40
60
80 n/ns
100%
1 Elektrische Antriebstechnik
671
3,0 und MAnz/MN = 1,5 ... 2,0. Die Stromaufnahme ist bei Synchrondrehzahl minimal; sie beträgt 0,3 ... 0,4 IN und ist durch den Aufbau des magnetischen Feldes bedingt. Bei wachsender Belastung wächst die Stromaufnahme an, dies gilt bei abnehmender Drehzahl bis zum Stillstand. Der Blindanteil des Ständerstromes hat immer induktiven Charakter. Der Stillstandsstrom beträgt 5 ... 8 IN. Da die in der Läuferwicklung auftretenden Verluste sowohl dem Drehmoment als auch dem Schlupf proportional sind, ist bei nennenswertem Drehmoment M ein verlustarmer Betrieb des Motors nur möglich, wenn kleine Schlupfwerte s eingehalten werden. Bei Speisung des Motors mit fester Frequenz und Spannung ist also die Drehzahl in engen Grenzen gegeben und wegen der Steilheit der Drehmomenten-Drehzahl-Kennlinie nur geringfügig von der Höhe des Lastmomentes abhängig. 1.1.2.2 Umrichter Mit einem Umrichter ist die Speisung des Asynchronmotors mit variabler Frequenz und variabler Spannung möglich. Die durch Gleichrichtung der Netzspannung gewonnene Zwischenkreisspannung UZK wird mit den Schalttransistoren des motorseitigen Wechselrichters zu den Motorklemmen durchgeschaltet, Abb. 1.14. Hierzu wird als Steuerverfahren die dreiphasige Pulsbreitenmodulation (Raumzeigermodulation) angewendet. Hiermit ist über die Frequenz die Anpassung der Motordrehzahl an die Anforderungen von Seiten der Last möglich. Der dreiphasige Spannungszustand am Wechselrichterausgang und damit auch an den Motorklemmen wird durch Spannungsraumzeiger anschaulich dargestellt. Die durch den Wechselrichter erzeugbaren Spannungsraumzeiger sind der Mittelpunkt (zweifach: 7,8) und die Ecken (1 bis 6) des in Abb. 1.14 gezeigten Sechsecks.
b +
Im 3
sa
sb
sc c a b
sa
sb
ua
uc 4
UZK
ib 5
_ sa
t 1/fs
sb sc
c
t t
t8 t1 2
γ*
ia ub
sc
2 U*
t2 TP γ
ic
t 2 t 7 t 2 t1 t8 2
Abb. 1.14. Wechselrichterschaltbild mit Motorwicklung und Raumzeigerdiagramm
6
Re t1 1 a TP /1/ = 2 Uzk 3
672
Teil F
Antriebstechnik
Bei sinusförmiger Speisung des Motors verläuft die Zeigerspitze des gewünschten Spannungsraumzeigers auf einem Kreis gleichförmig um. Der Kreisradius ist der Spannungshöhe und die Winkelgeschwindigkeit des Spannungsraumzeigers der Ständerfrequenz proportional. Der gewünschte Spannungszeiger wird durch zeitanteiliges Schalten aus den benachbarten Spannungsraumzeigern des Wechselrichters (1 bis 8) als Mittelwert erzeugt. 1.1.2.3 Drehzahlgesteuerter Drehstromantrieb Bei Speisung eines Drehstrom-Asynchronmotors durch einen Umrichter ist ein frequenzvariabler Betrieb möglich. Dabei richtet sich die Speisefrequenz f nach der gewünschten Drehzahl, die infolge des geringen Schlupfes nahe bei der zur Speisefrequenz proportionalen Synchrondrehzahl liegt. Der magnetische Fluss des Motors wird in gleicher Höhe wie bei Speisung mit Nennwerten (UN, fN) erreicht, wenn für die Spannung U gilt: U UN
f fN
.
(1.24)
Damit ist die Verschiebung der ursprünglichen Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie entlang der Drehzahlachse verbunden, Abb. 1.15. Abb. 1.15. Drehmoment-Drehzahl-Kennlinien im Grund- und Feldschwächbereich
M MN 2,5 2
~
1 ns2
1,5 1 (konstante ~n s Leistung)
1 0,5 1
0 Grundbereich -0,5 -1 -1,5 -2 -2,5
2 Feldschwächbereich
3 n nsN
1 Elektrische Antriebstechnik
673
Die Kennlinie in sich bleibt unverändert, z. B. hinsichtlich des Nennmomentes und der Höhe des Kippmomentes und der zugehörigen Drehzahldifferenzen zur Synchrondrehzahl; entsprechendes gilt für die Stromaufnahme des Motors. Bei sehr kleinen Frequenzen (f < 0,1.fN) muss der Spannungsabfall am ohmschen Widerstand der Ständerwicklung durch Spannungsanhebung gegenüber Gl. (1.24) berücksichtigt werden. Bei Frequenzen f > fN lässt sich die Spannung U wegen des Erreichens der Spannungsgrenze des Wechselrichters nicht weiter steigern. Wegen der geringeren an den Klemmen wirksamen Spannungszeitfläche setzt Feldschwächung ein. Das verfügbare Drehmoment geht mit 1/ f 2 zurück. Es ergibt sich ein Drehzahlbereich, in dem der Betrieb mit konstanter Leistung möglich ist, soweit das abnehmende Kippmoment dafür ausreicht. Ein hohes Kippmoment und damit einen ausgedehnten Drehzahlbereich mit konstanter Leistung besitzen Motoren mit geringer magnetischer Streuung. Das Zusammenspiel von Leistungsteil und Signalverarbeitungsteil zeigt Abb. 1.16. Ein Steuersignal f stellt die zu erzeugende Motorfrequenz dar. Gemäß der ˆ gebildet und zusammen mit Kennlinie wird die zugehörige Soll-Spannung U der integrierten Sollfrequenz als Sollwinkel γ dem Raumzeiger-Steuersatz zugeführt. Durch einen Hochlaufgeber wird sichergestellt, dass Frequenzänderungen langsam vor sich gehen, damit der Motor mit seiner Drehzahl folgen kann und das Kippmoment nicht überschritten wird (M < 0,7.MK). Die Parametrierung des Hochlaufgebers geschieht entsprechend dem in der Anwendung vorhandenen Gesamtträgheitsmoment und Lastmoment. Dieses Prinzip der SpannungsFrequenz-Steuerung ist damit auf den stationären oder quasistationären Betrieb +
RB R S T U
U
ZK
< ZK >
_
1MW) ist der gegenüber Asynchronmotoren höhere Wirkungsgrad von Synchronmotoren ein wichtiger Vorteil. GroßSynchronantriebe werden mit Thyristor-Stromrichtern als Direktumrichter (niedrige Drehzahlen) oder mit Stromzwischenkreis-Umrichtern als Stromrichtermotoren (hohe Drehzahlen) ausgeführt. 1.1.3.2 Synchronmotor mit Direktumrichter Die Antiparallelschaltung von zwei Drehstrom-Brückenschaltungen stellt eine Spannungsquelle dar, deren über eine Pulsperiode gebildeter Mittelwert durch Abb. 1.21. Direktumrichter und Synchronmotor
678
Teil F
Antriebstechnik
den Steuerwinkel sinusförmig gesteuert werden kann. Beide Spannungs- und beide Stromrichtungen sind verfügbar. Drei solche Anordnungen bilden einen Direktumrichter zur Speisung eines Drehstrommotors. Da hierbei sehr große Leistungen realisiert werden können, steht hier der Synchronmotor wegen seines hohen Wirkungsgrades im Vordergrund. Da die Motorwicklung eine galvanische Verbindung zwischen den Ausgängen der Teilstromrichter bewirkt, ist zur Einspeisung ein Drehstromtransformator erforderlich, der drei Sekundärsysteme besitzt. Um die gewünschte sinusförmige Spannungsform gut genug anzunähern, ist eine Mindestanzahl von Spannungspulsen erforderlich. Dadurch ist die erreichbare Ausgangsfrequenz auf ca. ein Drittel der Speisefrequenz des Netzes begrenzt. Das Anwendungsgebiet liegt daher bei großen, langsamlaufenden Einzelantrieben. 1.1.3.3 Synchronmotor mit Stromzwischenkreis-Umrichter (Stromrichtermotor) Der Stromrichtermotor besteht aus einem Synchronmotor, der aus der Reihenschaltung von zwei spannungsgeführten Stromrichter-Drehstrombrücken besteht. Der netzseitige Teilstromrichter ist netzgeführt, der motorseitige ist motorgeführt. Dazu wird ein Polradlagegeber verwendet, um die Momentanphase der motorseitigen Kommutierungsspannung zu erfassen. Um die unterschiedlichen Spannungsmomentanwerte an den Gleichspannungsklemmen der Teilstromrichter aufzunehmen, befindet sich im Zwischenkreis eine Glättungsdrossel. Für den Anlauf steht keine ausreichende Spannung zur Kommutierung des motorseitigen ig 1
2
3 a
ia
b
ib
c
ic
udN udM 4
5
6
ii Steuersatz 1
nw ni -
n-Regler
mw
iw
α1
α2
Steuersatz 2
i-Regler -
α2mot
α2gen
Abb. 1.22. Stromzwischenkreisumrichter und Synchronmotor als Stromrichtermotor
RLG ϑ
TG ni
1 Elektrische Antriebstechnik
679
Teilstromrichters zur Verfügung. Deshalb sind hier Zusatzmaßnahmen (z. B. Zwischenkreistaktung) erforderlich. Wegen des blockförmigen Stromverlaufes in der Ständerwicklung ist das erzeugte Drehmoment von einer Welligkeit mit sechsfacher Grundfrequenz überlagert.
1.2 Stellantriebe An Stellantriebe werden bei vielen Anwendungen hohe Anforderungen hinsichtlich dynamischem Verhalten, Genauigkeit der erzeugten Bewegung und Überlastfähigkeit gestellt. Zur Unterscheidung von Hauptantrieben ist auch die Bezeichnung Servoantriebe üblich. 1.2.1 Stellantriebe mit Gleichstrommotoren Obwohl allgemein eine deutliche Tendenz zum Einsatz von Drehstrom-Stellantrieben vorliegt, haben Gleichstromservoantriebe besonders im Bereich kleiner Drehmomente einen festen Platz. 1.2.1.1 Gleichstrom-Stellmotoren Gleichstrom-Stellmotoren kommen hauptsächlich als Kleinmotoren vor. Sie sind zweipolig und mit Magnetsegmenten ausgestattet, Abb. 1.23. Wegen des großen wirksamen Luftspalts ist die Ankerrückwirkung sehr gering, so dass Wendepole nicht erforderlich sind. Zur Erzielung geringer Trägheitsmomente und Drehmomentwelligkeit sind hier auch eisenlose Läufer als Glockenläufer und Scheibenläufer anzutreffen.
Permanentmagnet Ständerjoch Kommutator und Bürsten Ankerwicklung
Abb. 1.23. Querschnitt eines zweipoligen Gleichstrom-Stellmotors mit permanent-magnetischer Erregung
680
Teil F
Antriebstechnik
1.2.1.2 Transistorsteller Wegen der kleinen Leistungen bei Gleichstrom-Stellantrieben werden meistens Kleinspannungen verwendet. Hierfür sind mit MOSFET (Metall-Oxyd-Semiconductor-Feldeffekt-Transistoren) ausgerüstete Transistorsteller wegen ihrer guten Durchlass- und Schalteigenschaften am besten geeignet, Abb. 1.24. Bei Zwischenkreisspannungen unter ca. 100 V können die in MOSFET enthaltenen Inversdioden die Funktion der Freilaufdioden übernehmen. Die Schaltfrequenz fS beträgt ca. 10 bis 50 kHz. Durch die hohe Schaltfrequenz und durch die versetzte Pulsbreitenmodulation werden sehr geringe Totzeiten des Stellers (Tt ≈ 1/(4.fS) und eine sehr geringe Welligkeit des Ausgangsstromes erreicht, Abb. 1.25. Dadurch sind nur kleine Glättungs-Zeitkonstanten erforderlich, um für die Regelung Istwerte durch Mittelung bereitzustellen. Damit sind hohe Antriebs-Kennkreisfrequenzen ωA0 erreichbar, bis zu denen der Antrieb dem vorgegebenen Sollwert ohne wesentliche Phasennacheilung und Amplitudenabsenkung folgen kann, vgl. Tabelle 1.1. 1.2.1.3 Gesamtanordnung Der für die Ausführung von Bewegungsvorgängen erforderliche Lageregelkreis, für den bei der Forderung nach überschwingungsfreiem Einschwingen als Regler ein P-Regler verwendet wird, kann folglich mit umso höherer Verstärkung ausgeführt werden, Abb. 1.26. Abb. 1.24. 4-QuadrantenTransistorsteller mit permanentmagnetisch erregtem Gleichstromstellmotor
+ T1
D1
uA
C
iA T2
UZK _
u
T3
D3
T4
D4
M
D2
uA UA EA t
i
iA IA 1/fs
t
Abb. 1.25. Spannungs- und Stromverläufe beim 4-Quadranten-Transistorsteller bei Aussteuerung auf positive Ausgangsspannung mit positivem Ausgangsstrom
1 Elektrische Antriebstechnik drehzahlgeregelter Antrieb
uxw
∆X _
kPx
nw
1 ,ω ,D kMn oA A
uxi
ni
hsp Xi
681
Abb. 1.26. Lagegeregelter Stellantrieb mit a P-Regler und b Normierung mit Einführung des kV-Faktors
kMx
a)
Xw
∆X _
kv
ωoA, DA Vi
Vw
Xi
1
Xi
Regelstrecke
b)
Für einen lagegeregelten Antrieb mit Umsetzung der rotierenden Motorbewegung in eine Linearbewegung z. B. mit einem Mutter-Spindelsystem (Spindelsteigung hsp) ergibt sich zunächst das Strukturbild gemäß Abb. 1.26a. Die Zusammenfassung aller Proportionalbeiwerte im sog. kV-Faktor erlaubt den Vergleich unterschiedlicher Ausführungen lageregelter Antriebe, Abb. 1.26b. Allgemein gilt hier für den erreichbaren kV-Faktor k V 0, 3 Z A 0
(1.29)
Hiermit ist bei rampenförmigem Sollwertverlauf ein umso kleinerer Schleppfehler erreichbar, je größer der kV-Faktor ist. Allgemein gilt für den Schleppfehler ∆x in Abhängigkeit von der Verfahrgeschwindigkeit v: (1.30) Eine erhebliche weitere Verbesserung ist möglich, wenn die Drehzahl und das Drehmoment durch eine übergeordnete Bewegungssteuerung vorgesteuert werden, Abb. 1.27. 1.2.2 Stellantriebe mit Synchronmotoren Stellantriebe mit Synchronmotoren haben eine große Verbreitung im Drehmomentenbereich von ca. 1 bis 100 Nm gefunden. Grundlage hierfür sind Hochleistungsmagnete wie SmCo und NeFeB, leistungselektronische Bauelemente mit ausreichendem Strom- und Spannungsbereich und eine leistungsfähige digitale Signalverarbeitung. Der Synchron-Servomotor ist im Läufer mit Permanentmag-
682
Teil F
Antriebstechnik
Führungs- und Vorsteuergrößenerzeugung
xw
+ -
xist
KPx
nw
nwv Kpn TNn +
+-
nist
+
mwv Ks
mL
Ts
-
m
+
mw
1/2πJ
1 n
x
+
KMn TGn
KMx TGx
Abb. 1.27. Lageregelung mit Vorsteuerung von Drehzahl und Drehmoment
neten versehen und besitzt im Ständer eine dreisträngige Wicklung, die zumeist in Stern-Schaltung vorliegt. 1.2.2.1 Blockförmiger Ständerstrom Hierbei ist die Mantelfläche des Läufers nahezu vollständig mit Permanentmagneten in Quaderform versehen. Üblich sind 2, 3 oder 4 Polpaare. Der Läufer kann Löcher enthalten, so dass nur das mechanisch oder magnetisch erforderliche Material vorhanden ist, Abb. 1.28. Dadurch verringert sich das Trägheitsmoment um ca. 30 % gegenüber dem Vollzylinder. Infolge der Magnetanordnung ist ein abschnittsweise konstanter Strom über jeweils zwei Ständerstränge erforderlich, um einen drehwinkelunabhängigen Drehmomentenverlauf zu erhalten. Der dritte Strang ist jeweils stromlos. In jedem Abb. 1.28. Querschnitt eines sechspoligen Synchron-Servomotors für blockförmige Ständerströme mit 2 Ständernuten pro Pol und Strang
1 Elektrische Antriebstechnik
683
Strang der Ständerwicklung treten daher bei gleichförmiger Drehbewegung und konstantem Drehmoment 120°el-Blöcke mit abwechselnder Polarität auf; sie sind durch 60°el-Pausen voneinander getrennt, Abb. 1.29. Hierbei hängen der Drehwinkel im elektrischen Gradmaß ϑel und im mechanischen Gradmaß ϑmech über die Polpaarzahl p voneinander ab: Die in den Ständersträngen infolge Drehbewegung induzierte Spannung ist trapezförmig mit einer Dachbreite von 120° el. als Folge der Schrägung des Motors, mit der die Rastmomente des Motors minimiert werden. Die verketteten induzierten Spannungen resultieren daraus ebenfalls trapezförmig, allerdings mit einer Dachbreite von nur 60° el. Das durch den durch zwei Stränge fließenden Strom I erzeugte Drehmoment M beträgt: M c ) I
(1.31)
mit der Drehmomenten-Konstanten c ) . Der Dachwert der induzierten Motorspannung zwischen zwei Motoranschlüssen ergibt sich bei Sternschaltung der Ständerwicklung durch Verdoppelung der in einem Strang induzierten Spannung E: 2·E = c·φ·2π·n (1.32) und ergibt nach Addition der ständerseitigen Spannungsabfälle die verkettete Klemmenspannung. Die Gesamtanordnung (Abb. 1.30) zeichnet sich durch besondere Einfachheit in der Signalverarbeitung aus. Eine Besonderheit ist der einfache Geber, mit dem Abb. 1.29. Strom- und Spannungsverläufe in der Ständerwicklung bei trapezförmigen Verläufen der induzierten Spannungen
eR
R
Ι = iR
E t
S
eS iS t
T
eT iT t
RS e RS
2E
t
684
Teil F
Antriebstechnik +
GT GS
GR
R S T UZ
PM SM
RLG
UZ < >
_
ns ni
nRegler
is
iRegler
PWM
ImpulsVerteilungslogik
ii ii Aufbereitung
ni Aufbereitung
G R,S,T
U TR,S,T
Abb. 1.30. Prinzipschaltbild eines Synchron-Servoantriebs mit blockförmigen Ständerströmen
die Lage des Läufers relativ zu den Ständerwicklungen erfasst wird. Seine Information wird verwendet, um die Ausgangssignale des Pulsbreitenmodulators den sechs Leistungstransistoren des Wechselrichters zuzuordnen, von denen jeweils vier in der Funktion einer H-Brücke (vgl. Abb. 1.24) betrieben werden. Die Gebersignale werden darüber hinaus für die Bildung des Stromistwertes aus zwei gemessenen Ständerströmen und für die Bildung des Drehzahlistwertes aus den induzierten Spannungen eines Drehstromtachogenerators verwendet. Der geringe Aufwand für diesen Geber zur Erfassung der Läuferlage stellt den wesentlichen Vorteil dieses Antriebkonzeptes dar. Wegen der erforderlichen schnellen Änderungen im Verlauf der blockförmigen Ständerströme sind der Gleichförmigkeit der Drehmomententwicklung in den 60°-Umschaltzeitpunkten jedoch infolge der Ständerinduktivitäten Grenzen gesetzt. 1.2.2.2 Sinusförmiger Ständerstrom Der Vorteil dieses Antriebskonzeptes besteht darin, dass sich sinusförmige Ströme mit hoher Genauigkeit erzeugen lassen. Der zugehörige Synchron-Servomotor weist einen sinusförmigen Flussverlauf in der Ständerwicklung auf. Dies wird durch eine daran angepasste Polbedeckung im Läufer (2/3) und durch eine darauf ausgelegte Ständerwicklung erreicht. Der sonstige Leistungsteil ist unverändert. Die Regelung der Ständerströme erfolgt in Läuferkoordinaten. Da durch den Einsatz von Permanent-Magneten eine feste Zuordnung von Magnetfeld und Läufer vorliegt, ist damit in einfacher Weise eine Feldorientierung auf das läuferfeste Permanent-Magnetfeld möglich. Für die Erfassung der Läuferlage ϑ ist hier ein hochauflösender Geber (optischer Encoder oder Resolver) erforderlich. Mit der Information über die Läuferlage ist die Transformation der gemessenen Ständerströme
1 Elektrische Antriebstechnik
S
q
β d
q
685
Abb. 1.31. Einführung des läuferfesten dq-Koordinatensystems. Dreisträngiges, ständerfestes Wicklungssystem: R, S, T; zweisträngiges, ständerfestes Wicklungsersatzsystem: α, β; zweisträngiges, läuferfestes Wicklungsersatzsystem: d, q
d
α R
T
in das läuferfeste dq-Koordinatensystem möglich. Dieses ist mit seiner d-Achse an der Polachse der Permanentmagnete orientiert. Die q-Achse verläuft senkrecht dazu, Abb. 1.31. Das Drehmoment m des Motors geht auf den Magnetfluss der Permanentmagnete und den Strom in der q-Achse zurück: m c )p iq .
(1.33)
Die Polradspannung in einem durch die Drehzahl n charakterisierten Betriebspunkt beträgt: e p 2S p n )p .
(1.34)
Die Ständerspannungsgleichungen lauten damit: ud R id 2S p n Lq iq uq R iq 2S p n (Lq iq )p )
(1.35)
Die Drehmomentbildung geschieht durch den Strom in der q-Richtung, Strom in der d-Richtung soll nicht auftreten. Demzufolge sind zwei Stromregelkreise vorhanden, Abb. 1.32. Der Stromsollwert für die d-Richtung wird mit null fest vorgegeben. Der Stromsollwert in q-Richtung wird durch den Drehzahlregler gebildet. Die Ausgangsgrößen der Stromregler sind in dq-Komponenten die Spannungen, die an den Motorklemmen erzeugt werden sollen. Dazu werden sie nach Transformation in das ständerfeste Koordinatensystem dem Raumzeigersteuersatz zugeführt. Durch ein Spannungsmodell werden darüber hinaus auf Grund des durch
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Teil F
Antriebstechnik +
RB
UZK
R S PMSM T
UZK < >
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