Grundlagen der Hochschullehre: Teaching in Higher Education [1. Aufl.] 9783658281809, 9783658281816

Der Band widmet sich grundlegenden Themenbereichen der Hochschullehre. Dabei sind die Schwerpunkte so gewählt, dass sie

183 12 3MB

German Pages XV, 241 [251] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XV
Grundlagen der Hochschullehre (Sandra Hummel)....Pages 1-5
Was heißt „akademisch tätig sein“? Überlegungen zur Lehrtätigkeit an Hochschulen (Peter Tremp)....Pages 7-18
Österreichische Hochschullehre im Diskurs: Gesellschaftliche, institutionelle und personale Anforderungen (Birgit Phillips, Sarah Aldrian)....Pages 19-53
Pädagogische Professionalisierung und Aneignung von Lehrkompetenz (Gudrun Salmhofer)....Pages 55-82
Rollengestaltung in der Hochschullehre (Markus Weil)....Pages 83-108
Reflective Practice in der Hochschullehre (Silke Kruse-Weber, Nazfar Hadji)....Pages 109-137
Lehren und Lernen in der Hochschule (Marlies Matischek-Jauk, Elisabeth Amtmann)....Pages 139-163
Lehre im Kontext von Wissenschaftssozialisation (Angela Pilch Ortega)....Pages 165-186
Der Qualitätsanspruch an Hochschullehre (Lukas Schulze-Vorberg, Carmen Heckmann, Immanuel Ulrich, Holger Horz)....Pages 187-211
Wer macht die Hochschullehre digital? (Jutta Pauschenwein)....Pages 213-241
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Grundlagen der Hochschullehre: Teaching in Higher Education [1. Aufl.]
 9783658281809, 9783658281816

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Doing Higher Education

Sandra Hummel Hrsg.

Grundlagen der Hochschullehre Teaching in Higher Education

Doing Higher Education Reihe herausgegeben von Rudolf Egger, Karl-Franzens-Universität Graz, Graz, Österreich Tobina Brinker, Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik, Fachhochschule Bielefeld, Bielefeld, Deutschland Balthasar Eugster, Hochschuldidaktik, Universität Zürich, Zürich, Schweiz Jan Frederiksen, Institut for Medier, Erkendelse & Formidling, Københavns Universitet, Kopenhagen, Dänemark

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/16187

Sandra Hummel (Hrsg.)

Grundlagen der Hochschullehre Teaching in Higher Education

Hrsg. Sandra Hummel Graz, Steiermark, Österreich

ISSN 2524-6380 ISSN 2524-6399  (electronic) Doing Higher Education ISBN 978-3-658-28180-9 ISBN 978-3-658-28181-6  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Laux Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Das Wort Hochschuldidaktik erweckt im Großteil der Lehrenden an Universitäten heute längst keine negativen Assoziationen in Richtung Nachhilfeunterricht oder Strafarbeit mehr. War die Skepsis gegenüber dem Didaktikbegriff in der Hochschulehre lange Zeit getragen von einem (vor allem gremial hierarchisch) geprägten Wissenschaftsprimat, so ist dieses Selbstbild langsam einer Auffassung gewichen, dass die in der Lehre gemachten Erfahrungen und die dafür zu entwickelnden Fähigkeiten sorgsam systematisch institutionell zu fördern und individuell zu entwickeln sind. Die hierbei in den letzten Jahren an Universitäten entstandenen Initiativen haben ein beachtenswertes Potenzial an hochschuldidaktischen Zentren, Ausbildungsgängen und institutionellen Fördermaßnahmen entstehen lassen. Heute ist die Frage deshalb nicht mehr, ob hochschuldidaktische Bemühungen unumgänglich und sinnvoll sind, sondern welche Formen und Ansätze für welche Ziele geeignet sind. An den Universitäten werden dazu derzeit recht unterschiedliche Aspekte von Förderungsmaßnahmen in der Lehrentwicklung diskutiert und eingerichtet. Vielfach wird hier vor allem von den Hochschulleitungen (und auch von den politisch dafür verantwortlichen Entscheidungsträgern) eine Form der Hochschuldidaktik gefordert, die „evidenzbasierte Verfahren“ für eine qualitätsvolle Hochschullehre benötigen. Dabei geht es vor allem um quantifizierbare Aussagen darüber, welche Lehrformate und -methoden bei den Lernenden am besten zu vorab definierten Lernergebnissen führen. So sollen etwa die auf der Grundlage von Massendaten (z. B. im Bereich der Learning Analytics) durchgeführten Analysen und Interpretationen der Zusammenhänge von Lern- und Lehrsettings dazu beitragen, dass Lehrende und Lernende ihr Lehr- bzw. Lernverhalten besser verstehen und unmittelbar verändern können. Solcherart gemessene Effektivität der Lehre und des Lernens will die Lehr- und Lernprozesse sowie die Lernumgebung im Sinne

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Vorwort

bestmöglicher (Learning)Outcomes optimieren. Die dabei eingesetzten Messinstrumente der empirischen Lehr- und Lernforschungsprojekte hinsichtlich einer effektiven Hochschullehre und die sich daraus ergebenden Empfehlungen bzw. Rankings fußen in der Regel auf einem Qualitätsbegriff, der sich auf leicht messbare Leistungsindikatoren, Prozesse und Verfahren beschränkt. Das dahinterstehend formulierte Verlangen, Lern- und Bildungsprozesse gleichsam über die eingesetzten Methoden steuern und kontrollieren zu können, verkürzt für viele Hochschuldidaktiker*innen dabei aber die Diskussion über Inhalte und Ziele von Bildungsprozessen meist derart, dass hierbei vor allem das Verlangen nach Vereindeutigung des Lehr-Lerngeschehens im Mittelpunkt steht. War es aus einer kritischen bildungswissenschaftlichen Sicht schon immer verführerisch, dort nach den Schlüsseln zu suchen, wo das Licht am hellsten ist, so wird diese Form, die Bildungsrealität wahrzunehmen, zunehmend infrage gestellt: Sollen tatsächlich nur noch die Leistungen, „der Outcome“ der Lernenden, im Mittelpunkt stehen, während Fragen der Sozialisierung oder der Subjektwerdung kaum mehr eine Rolle spielen? Außerdem wird dagegen eingewandt, dass keine didaktische Theorie jede Lehr-/Lernsituation gänzlich im Vorhinein klären kann. Niemand kann Lehr- und Lernkontexte derart umfassend gestalten, sondern es kann stets nur etwas, das Lernen (in der Institution und in der Lebenswelt) ermöglichen hilft, angeboten werden. Lehren und Lernen wird in diesem Sinne als ein hochgradig kontextualisiertes und situationsgebundenes Geschehen definiert, dessen pädagogische Wirklichkeit stets etwas „Unstabiles“, etwas Fließendes, permanent Herzustellendes, ist, das sich noch dazu auf eine unvollständig kategorisierbare Wirklichkeit bezieht. Methoden und Lehr-/Lernstrategien steuern ohne Zweifel ihren Teil dazu bei, dass wir Menschen etwas als sinnvoll Erkanntes weitergeben und aneignen können. Zwischen der Methode und dem „Stoff“ gibt es aber immer eine Person in einer bestimmten Situation, in einem bestimmten Kontext und mit einem bestimmten lernkulturellen Hintergrund. „What works“ ist deshalb stets zwar von didaktischen Entscheidungen abhängig (gleichwohl wie in institutionalisierten Lehrsettings niemals nicht-didaktisch gehandelt werden kann). Diese Wahlmöglichkeiten können aber nicht allein datengetrieben oder aus Metaanalysen abgeleitet erfolgen. Das „Lesen“ einer Situation, die praktische Passung und das „Planbare“ in institutionalisierten Bildungsräumen sind die zwei Seiten einer Medaille. Keines davon kann wie eine Maschine gesteuert werden, denn jeder Plan ist in der Lehrsituation letztlich nur der Entwurf eines situativen Geschehens. Was hier vonnöten ist, sind Lehrende, die dieses Spannungsverhältnis zwischen Sach- und Subjektbezug, zwischen Inhalten und Kontexten aktivierend kommunizieren können. Die Aufsätze dieses

Vorwort

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Bandes zeigen auf anschauliche Weise, wie voraussetzungsvoll diese wichtige Rolle von universitär Lehrenden ist. Dabei geht es eben nicht um Macht, sondern Autorität, um Lernenden zu helfen, sich in einer wissenschaftszentrierten Form in der Welt zu entwickeln. Das Großartige und auch das Verbindende an hochschulischer Lehre ist dann nicht die professorale Einzigartigkeit des Wissens, das man „besitzt“, sondern eher eine Haltung im lehrenden Handeln, die den Studierenden exemplarisch das vorzuleben und vorzustellen ermöglicht, was der „eigene Gegenstand“ zur Verständigung über Form, Funktion und Zielen auf dem Weg zu Erkenntnis ermöglicht. Die hier gesammelten Artikel geben dazu einen guten Einblick in das „Wesen“ des universitären Lehrens und Lernens und zeigen Möglichkeiten auf, wie Studierenden dadurch zeitgemäße Gestaltungsmöglichkeiten in die Hand gegeben werden können. Rudolf Egger

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen der Hochschullehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Sandra Hummel Was heißt „akademisch tätig sein“? Überlegungen zur Lehrtätigkeit an Hochschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Peter Tremp Österreichische Hochschullehre im Diskurs: Gesellschaftliche, institutionelle und personale Anforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Birgit Phillips und Sarah Aldrian Pädagogische Professionalisierung und Aneignung von Lehrkompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Gudrun Salmhofer Rollengestaltung in der Hochschullehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Markus Weil Reflective Practice in der Hochschullehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Silke Kruse-Weber und Nazfar Hadji Lehren und Lernen in der Hochschule. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Marlies Matischek-Jauk und Elisabeth Amtmann

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Inhaltsverzeichnis

Lehre im Kontext von Wissenschaftssozialisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Angela Pilch Ortega Der Qualitätsanspruch an Hochschullehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Lukas Schulze-Vorberg, Carmen Heckmann, Immanuel Ulrich und Holger Horz Wer macht die Hochschullehre digital? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Jutta Pauschenwein

Autorenverzeichnis

Sarah Aldrian, M.A., M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Empirische Lernweltforschung und Hochschuldidaktik, Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der KF-Universität Graz. Mag.a Elisabeth Amtmann, Bakk.a  ist Professorin an der Pädagogischen Hoch­ schule Steiermark und leitet das Zentrum für Personal- und Hochschulentwicklung. Nazfar Hadji ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Musikpädagogik am Institut für musikpädagogische Forschung (ifmpf) der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Dr.in Carmen Heckmann  ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie und operative Leitung des Interdisziplinären Kolleg Hochschuldidaktik an der Goethe-Universität Frankfurt. Prof. Dr. Holger Horz ist Professor im Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt, Geschäftsführender Direktor der Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung, Leiter der Abteilung Psychologie des Lehrens und Lernens im Erwachsenenalter, des Interdisziplinären Kolleg Hochschuldidaktik und der Arbeitsstelle Service Learning. Dr.in Sandra Hummel  ist PostDoc Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Empirische Lernweltforschung und Hochschuldidaktik an der Universität Graz. Prof.in Dr.in Silke Kruse-Weber ist Professorin für Instrumental- und Gesangspädagogik an der Kunstuniversität Graz und leitet dort das Institut für Musikpädagogik. Zugleich ist sie Vorsitzende der Curriculakommission für Instrumental- und Gesangspädagogik.

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Autorenverzeichnis

Mag.a Dr.in Marlies Matischek-Jauk ist Hochschulprofessorin an der Pädagogischen Hochschule Steiermark und stellvertretende Leiterin des Zentrums für Personal- und Hochschulentwicklung. Mag.a Dr.in Jutta Pauschenwein  ist Online-Lernerin & Lehrende sowie OnlineNetzwerkerin und leitet das ZML-Innovative Lernszenarien der FH JOANNEUM. Dr.in Birgit Phillips ist PostDoc Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Empirische Lernweltforschung und Hochschuldidaktik an der Universität Graz und Hochschullehrende an der FH Burgenland. Assoz. Prof.in Dr.in phil. Angela Pilch Ortega ist assoziierte Professorin im Arbeitsbereich empirische Lernweltforschung und Hochschuldidaktik, am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft an der Universität Graz. Dr.in phil. Gudrun Salmhofer  ist Leiterin der Lehr- und Studienservices sowie stellvertretende Leiterin des Zentrums für Lehrkompetenz an der Universität Graz. Lukas Schulze-Vorberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie im Interdisziplinären Kolleg Hochschuldidaktik an der Goethe-Universität Frankfurt und Lehrpreisträger des 1822-Lehrpreises für exzellente Lehre. Prof. Dr. Peter Tremp ist Professor für Bildungswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Luzern und Leiter des Zentrums für Hochschuldidaktik. Dr. Immanuel Ulrich  ist Professor für Hochschuldidaktik und Psychologie an der IUBH Internationale Hochschule. Prof. Dr. Markus Weil leitet das Zentrum für organisationsbezogene Weiterbildung und Beratung an der Pädagogischen Hochschule sowie das ­Weiterbildungs-Programm „Hochschullehre“ an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).

Abbildungsverzeichnis

Pädagogische Professionalisierung und Aneignung von Lehrkompetenz. Abb. 1

Lehrkompetenzmodell; grafische Realisierung: Simone Lindner (Universität Graz). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Rollengestaltung in der Hochschullehre Abb. 1

Didaktisches Dreieck mit strukturellem Kontext und Rollen von Hochschullehrenden in Bezug auf den Lernprozess Studierender. . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Reflective Practice in der Hochschullehre Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3

Einflussfaktoren auf die individuelle Reflexionskompetenz nach LI Hamburg (2018). . . . . . . . . . . . . . . 113 Reflective Practice als Überbegriff und Verbindung zwischen Reflexion und Praxis (Ghaye and Ghaye 1998, S. 1). . . . . . . . . . . 115 Reflexionsebenen nach Bräuer (2016) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Der Qualitätsanspruch an Hochschullehre Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5

Spiralmodell zur Verknüpfung von Forschung und Hochschuldidaktischer Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Constructive Alignment. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Lernzieltaxonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Prozesszyklus des forschenden Lernens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Bewertungskriterien für die Notengebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

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Abbildungsverzeichnis

Wer macht die Hochschullehre digital? Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3

Basierend auf Informationen aus Fadel et al. (2015), Figur 2.10 (S. 43) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Stufen nach Gilly Salmon. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Footprint of Emergence. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

Tabellenverzeichnis

Reflective Practice in der Hochschullehre Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4 Tab. 5 Tab. 6

Critical Response Process nach Liz Lerman und Borstel (2003). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Fragen im kollaborativen Kontext zum gemeinsamen Austausch über autobiografische Reflexionen. . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Ebenen der reflexiven Praxis: In Anlehnung an Gibbs (1988), Bräuer (2016), Filipiak et al. (2016). . . . . . . . . . . . . 129 Leitende Fragen zur Metareflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 S.M.A.R.T.-Kriterien für Zielsetzungen (vgl. Doran 1981). . . . . . . 131 Learning Alignment von Gerald Jones (2005). . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Lehren und Lernen in der Hochschule Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4

Lehre an Universitäten in Semesterwochenstunden (SSt) je Studienjahr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Lehre an Pädagogischen Hochschulen in Semesterwochenstunden (SSt) je Studienjahr. . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Unterscheidung von Lernkonzepten Studierender (Pfäffli 2015, S. 32–33). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Bausteine zum professionellen didaktischen Handeln. . . . . . . . . . . 157

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Grundlagen der Hochschullehre Sandra Hummel

Zusammenfassung

Im Band Grundlagen der Hochschullehre. Teaching in Higher Education geraten hochschulsozialisatorische und hochschuldidaktische Dimensionen in den Blick, die zentrale Basisthemen für Lehrkompetenzentwicklung darstellen. Die eingehende Diskussion struktureller Merkmale von Lehr- Lernkontexten lässt Lehr-Lerngeschehen in seinen unterschiedlichen Facetten dechiffrierbar werden. Dabei werden Relevanzstrukturen des Handlungsfeldes, Gütekriterien hochschuldidaktischen Tätigkeitsvollzugs, spezifische Wissens- und Könnensordnungen wie auch Reflexivität im Hinblick auf den Eigen-Sinn des Handlungsfeldes verdeutlicht. Professionalität wird als an strukturbedingten Anforderungen orientierte, transpersonale Artikulationsform diskutiert, die sich in einem sachkundigen Verrichten von Lehrtätigkeit widerspiegelt. Aus dieser Perspektive wird die Komplexität von Lehre in ihren Voraussetzungen und Gelingensbedingungen theoretisch modelliert und Handlungsoptionen in der Gestaltung von Lehr- Lern-Situationen werden herausgearbeitet. Die Autor*innen liefern differenzierte Einblicke in diese Thematik und entwerfen Hochschuldidaktik als Raum der reflektierenden Bearbeitung lehrpraktischer Perspektiven. Hochschuldidaktische Professionalisierungsstrategien halten seit geraumer Zeit systematisch Einzug in den Third Space. Insbesondere seit Mitte der 90er-Jahre hat sich der Diskurs über Lehrkompetenz maßgeblich weiterentwickelt, was S. Hummel (*)  Graz, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_1

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sich an den Konjunkturen der Hochschuldidaktik ablesen lässt, auf die etwa die Errichtung von dafür zuständigen Zentren und einem immer größer werdenden Spektrum an Beratungsangeboten an Hochschulstandorten wie auch die vermehrte Entstehung hochschuldidaktischer Netzwerke verweisen. Damit Lehrkompetenzentwicklung sich nicht in einem selbstüberlassenen „Learning by doing“ vollzieht (wenn auch dieses als informelles Lernen mit nachhaltiger Wirkung Teil einer jeden Lehrkompetenzentwicklung ist), wurden im Zuge von Qualitätssicherungsmaßnahmen im Bereich der Lehre zunehmend hochschuldidaktische Weiterbildungsangebote implementiert, die insbesondere verpflichtend für jene Hochschullehrenden sind, die erstmals mit einem Lehrdeputat betraut werden. Diese Qualifizierungsmaßnahmen sollen eine reflektierte Einsozialisierung in Lehrpraktiken und der damit verbundenen Habitualisierung von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmustern, mit denen Lehrpraxis reproduziert wird, unterstützen und eine umfassende, forschungsbasierte Lehrkompetenzentwicklung anregen. Dabei hat die Hochschullehre die Aufgabe, Wissenschaft mit ihrer disziplinenspezifischen Methodik und Methodologie sowie ihren Erkenntnisinteressen zum Gegenstand lehrender Vermittlung und Aneignung zu machen, sodass Lernprozesse angeregt und unterstützt werden. Die Entwicklung von Lehrkompetenz braucht ein reflexiv-aufgeklärtes Verhältnis zu den Bedingungsfaktoren hochschulischen Lehrhandelns, wie etwa die zugrunde gelegte Vorstellung von Hochschulbildung, der Modus der Pädagogisierung wissenschaftlicher Lehre oder die immanente Strukturlogik von Lehr-LernSituationen. Der damit verbundene Professionalisierungsprozess kann dabei nicht der Rationalität des Forschungs- und Erkenntnisprozesses gleichgesetzt werden, sondern verfolgt das Ziel des verstehenden Nachvollzuges eben dieser Rationalität. Gerade die Frage, wie sich die wissenschaftlichen Lehrinhalte im Studium auf eine Art und Weise thematisieren lassen, die dieses Verstehen ermöglicht, ist im Rahmen der Professionalisierung der Hochschuldidaktik zentral. Hochschullehre heißt konkret, Teilhabeoptionen zu eröffnen, durch die Wissenschaft als spezifische Praxis nicht nur eingeübt, sondern auch ausgeübt werden kann. Damit bedeutet Lehrhandeln, studentisches Aneignungshandeln in soziale Situationen und Tätigkeitshorizonte einzubinden, in denen wissenschaftliches Handeln als relevante Praxis erlebbar wird (Helsper 2011; Rhein 2016). Der vorliegende Sammelband ist der erste Teil eines mehrbändigen Einführungswerkes in die Hochschullehre mit dem Untertitel Teaching in Higher Education. Einzeln betrachtet sollen die Bände dieser Reihe grundlegende Gestaltungselemente für Lehr-Lernszenarien im Hochschulkontext und für die Weiterentwicklung von Lehrkompetenz bereitstellen, in ihrer Zusammenschau bilden sie ein Kompendium hochschuldidaktischer Professionalisierungsfelder

Grundlagen der Hochschullehre

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und bieten damit ein umfassendes Rahmenprogramm hochschuldidaktischer Weiterbildung. Die Bände widmen sich daher grundlegenden Themenschwerpunkten hochschuldidaktischer Weiterbildung wie Planung, Durchführung und Evaluation von Lehre, Formate für eine ausdifferenzierte und studierendenorientierte Gestaltung von Lehr-Lernszenarien, digitale universitäre LehrLernarrangements oder Möglichkeiten für die Weiterentwicklung eigener Lehrkompetenz. Dabei werden die Schwerpunkte der einzelnen Bände so gewählt, dass sie in hochschuldidaktisches Basiswissen theoriebasiert und praxisorientiert einführen, Anwendungsbezüge herstellen und Handlungsempfehlungen für den Einsatz in der Lehre geben. Mit diesem ersten Band Grundlagen der Hochschullehre geraten Kompetenzbereiche in den Blick, die zentrale Basisthemen für Lehrkompetenzentwicklung darstellen. Die eingehende Diskussion struktureller Merkmale von Lehr- Lernkontexten lässt Lehr-Lerngeschehen in seinen unterschiedlichen Facetten dechiffrierbar werden. Dabei werden Relevanzstrukturen des Handlungsfeldes, Gütekriterien hochschuldidaktischen Tätigkeitsvollzugs, spezifische Wissensund Könnensordnungen wie auch Reflexivität im Hinblick auf den Eigen-Sinn des Handlungsfeldes verdeutlicht. Professionalität wird als an strukturbedingten Anforderungen orientierte, transpersonale Artikulationsform diskutiert, die sich in einem sachkundigen Verrichten von Lehrtätigkeit widerspiegelt. Aus dieser Perspektive wird die Komplexität von Lehre in ihren Voraussetzungen und Gelingensbedingungen theoretisch modelliert und Handlungsoptionen in der Gestaltung von Lehr- Lern-Situationen werden herausgearbeitet. Die Autor*innen liefern differenzierte Einblicke in diese Thematik und entwerfen Hochschuldidaktik als Raum der reflektierenden Bearbeitung lehrpraktischer Perspektiven. Peter Tremp betrachtet Charakteristika akademischer Tätigkeit in Bezug auf Grundregeln, Gepflogenheiten und Wertvorstellungen. Die Verbindung von Forschung und Lehre, Verwendungsformen des Wissens im akademischen Bereich sowie der Qualitätsanspruch an die Lehre und deren Validierung für die Scientific Community stehen im zentralen Fokus dieses Beitrags. Der Beitrag von Birgit Phillips und Sarah Aldrian beleuchtet Anforderungsstrukturen an die Hochschullehre vor dem Hintergrund bildungspolitischer Bestrebungen. Der Stellenwert der Lehre, deren Sichtbarmachung und die unterschiedlichen Professionalisierungstendenzen an Universitäten und Fachhochschulen sind hier von zentralem Interesse. Gudrun Salmhofer beschreibt den Einfluss europäischer und nationaler Entwicklungen auf Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Hochschullehre. Daraus resultierende Orientierungslinien und erforderliche Unterstützungsmaßnahmen für die Professionalisierung von Lehrkompetenz werden hinsichtlich einer not-

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wendigen Verschränkung von Lehr- und Organisationsentwicklung eingehend betrachtet. Markus Weil setzt sich mit Rollenausprägungen in der Hochschullehre und deren Gestaltungsmöglichkeiten auseinander. Es wird verdeutlicht, dass Reflexion, der Abgleich von Selbst- und Fremdbild und Rollenexplizierung zentrale Aspekte eines bewussten Role Takings sind. Silke Kruse-Weber und Nazfar Hadji diskutieren Reflexivität als zentrale erlernbare Schlüsselkompetenz guter (Hochschul-)Lehre, die sie als konstitutiv für professionelles pädagogisches Handeln erachten. Im Zentrum der Betrachtungen stehen Hochschullehrende als Reflective Practitioners, die ihre Lehre als Interaktion von Planung, Analyse situativer Anforderungen und Adaption an die jeweilige Lehr- Lernsituation entwickeln. Dabei zeigen die Autorinnen konkrete Perspektiven auf, die Reflective Practice anregen und verstärken können. Marlies Matischek-Jauk und Elisabeth Amtmann nehmen institutionenspezifische Rahmenbedingungen für die Lehre und ihre historischen Entwicklungsverläufen in den Blick. Insbesondere das Zusammenwirken struktureller Einflussfaktoren mit individueller Lehr- und Lernprozessgestaltung sowie (Weiter-)Entwicklungsmöglichkeiten für die Hochschullehre stehen im Vordergrund. Angela Pilch Ortega stellt eine eingehende Betrachtung der Hochschule als Sozialisationsraum und ihrer wissenschaftssozialisatorischen Funktion an. Sie zeigt, dass die explorative Auseinandersetzung mit fachrelevanten Themengebieten im Rahmen forschenden Lehrens Möglichkeiten des eigenständigen Lernens und Arbeitens von Studierenden eröffnet und damit auch die Möglichkeiten der Entwicklung einer eigenen Forschungspraxis. Lukas Schulze-Vorberg, Carmen Heckmann, Immanuel Ulrich und Holger Horz setzen sich mit evidenzbasierter Lehr-Lernforschung und den daraus resultierenden Implikationen für hochschuldidaktische Weiterbildungsmaßnahmen eingehend auseinander. Die Notwendigkeit eines erweiterten Aufgabenspektrums hochschuldidaktischer Zentren von reinen Serviceleistungen hin zu Forschungseinrichtungen für die Erarbeitung bedarfs- und bedürfnisorientierter Weiterbildungsangebote wird betont. Jutta Pauschenwein widmet sich schließlich onlinebasierten und digitalen Medien und deren Einsatzmöglichkeiten in der Hochschullehre. Supportsysteme, die Zuständigkeitsbereiche von E-Learning Servicezentren wie auch sich verändernde Rollenbilder, Aufgaben und Funktionen, die durch digitale Lehr- Lernarrangements eine maßgebliche Änderung erfahren, werden eingehend diskutiert.

Grundlagen der Hochschullehre

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Ich danke den Autorinnen und Autoren der Beiträge. Ein besonderer Dank geht zudem an Sarah Reichenstein, die an der Fertigstellung des Bandes mitgewirkt hat. Den Leserinnen und Lesern wünsche ich viele neue und inspirierende Anregungen für ihre eigene Arbeit! Graz, im Mai 2020 Sandra Hummel

Literatur Rhein, R. (2016). Theorieperspektiven zur Professionalität der Hochschuldidaktik. In M. Merkt, C. Wetzel & N. Schaper (Hrsg.), Professionalisierung der Hochschuldidaktik (S. 103–111). Bielefeld: Bertelsmann. Helsper, W. (2011). Lehren. In J. Kade, W. Helsper, C. Lüders, B. Egloff, F.-O. Radtke & W. Thole (Hrsg.), Pädagogisches Wissen. Erziehungswissenschaft in Grundbegriffen (S. 125–132). Stuttgart: Kohlhammer.

Was heißt „akademisch tätig sein“? Überlegungen zur Lehrtätigkeit an Hochschulen Peter Tremp

Zusammenfassung

„Akademische Tätigkeit“ umfasst ein Bündel von Aufgaben. Im traditionellen Selbstverständnis von Professor*innen stehen Forschung und Lehre und ihre Verknüpfung im Zentrum. Der Beitrag diskutiert die Lehre als akademische Tätigkeit, nimmt dabei Bezug zu Grundregeln, Gepflogenheiten und Werten, welche die Academia insgesamt ausmachen, und plädiert für Explizierung und Validierung der eigenen Lehrtätigkeit für und in der Scientific Community.

1 Was tun Akademiker*innen? 1.1 Verknüpfung von Forschung und Lehre: traditionelles Selbstverständnis „Warum betreibt man etwas, das in der Wirklichkeit nie zu Ende kommt und kommen kann?“ (Weber 2018, S. 57) Max Weber stellt diese Frage in seiner berühmten Rede „Wissenschaft als Beruf“. Die wissenschaftliche Arbeit sei „eingespannt in den Ablauf des Fortschritts“ (Weber 2018, S. 55). Und: „Wissenschaftlich aber überholt zu werden, ist (…) nicht nur unser aller Schicksal, sondern unser aller Zweck“ (Weber 2018, S. 56). Das daraus entstehende „Sinnproblem der Wissenschaft“ (Weber 2018, S. 56), das sich aus dem Forschungsfortschritt ergibt,

P. Tremp (*)  Pädagogische Hochschule Luzern, Luzern, Schweiz E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_2

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und die konkrete Frage, was „denn nun eigentlich die Wissenschaft Positives für das praktische und ‚persönliche‘ Leben?“ (Weber 2018, S. 83) leiste, beantwortet Weber mit der Bedeutung der Lehrtätigkeit: Den Studierenden zur Klarheit zu verhelfen durch Kenntnisse, durch „Methoden des Denkens, das Handwerkszeug und die Schulung dazu“ (Weber 2018, S. 83). In dieser Verknüpfung von Forschung und Lehre wird Lehre damit zur sinnstiftenden Tätigkeit. Und gleichzeitig gibt Max Weber hier eine Antwort, die dem Selbstverständnis der modernen Universität entspricht: Akademische Tätigkeit ist Tätigkeit in Forschung und Lehre. Damit schafft er einen Bezug auf eine Universitätskonzeption, die sich heute oftmals mit den Namen Humboldt oder Schleiermacher verbindet und Forschung und Lehre als miteinander verbundene Aufgaben einer Hochschule betrachtet, was sich auch in der Aufgabenpalette der Professor*innen spiegelt. Forschung und Lehre sind unterschiedliche Verwendungsformen des Wissens1, sie setzen je unterschiedliche Kompetenzen voraus – in der Kombination auf personaler Ebene ein hoher Anspruch. So heißt es bereits warnend bei Max Weber: „Jeder junge Mann, der sich zum Gelehrten berufen fühlt, muss sich vielmehr klarmachen, dass die Aufgabe, die ihn erwartet, ein Doppelgesicht hat. Er soll qualifiziert sein als Gelehrter nicht nur, sondern auch: als Lehrer. Und beides fällt ganz und gar nicht zusammen. Es kann jemand ein ganz hervorragender Gelehrter und ein geradezu entsetzlich schlechter Lehrer sein“ (Weber 2018, S. 45). Dennoch: Diese „Verknüpfung von Forschung und Lehre“ ist Kern eines akademischen Selbstverständnisses geworden resp. geblieben, auch wenn oftmals unklar bleibt, was mit „Verknüpfung“ denn gemeint sein soll: Was bedeutet sie für die konkrete Realisierung von Forschung einerseits und Lehre andererseits? Wie wird diese Verknüpfung sichtbar und erfahrbar? Welche Vorteile (und für wen?) werden erwartet, welche Implikationen sind damit verbunden?

1In

Anlehnung an Boyer (1990) können – bezogen auf den akademischen Kontext – drei zentrale Verwendungsformen des Wissens unterschieden werden: Vermittlung von Wissen (Lehre), Generierung neuen Wissens (Forschung) und Anwendung des Wissens (Entwicklung, Beratung) (Tremp et al. 2014).

Was heißt „akademisch tätig sein“? Überlegungen …

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1.2 Klagender Grundton Empirische Studien, welche die akademische Tätigkeit beobachtend begleiten, sind denn oftmals auch auf diese beiden Aufgabenfelder Forschung und Lehre fokussiert. Gefragt wird beispielsweise nach der individuell je zugeschriebenen Bedeutung dieser Tätigkeiten oder – so auch die großangelegte, wiederholte und international ausgerichtete Befragung zum „Wandel des Hochschullehrerberufs“2 – nach der wöchentlichen Arbeitszeit und ihrer Verwendung in Forschung und Lehre (Jacob und Teichler 2012). Damit bestätigen sie ein akademisches Selbstverständnis, das seinen Kern in diesen beiden Tätigkeiten sieht. Entsprechend werden dann auch Verschiebungen in weitere Aufgabenfelder bewertet. So zeigen diese Studien in den letzten Jahrzehnten eine Zunahme an Aufgaben und Ansprüchen der Selbstorganisation von Hochschulen und Wissenschaft. In Beschreibungen der akademischen Tätigkeit mischt sich dabei oft ein leise klagender Grundton bei, was nicht zuletzt mit neuen Steuerungskonzepten in Hochschulen und damit mit den wahrgenommenen Veränderungen in der Rolle der einzelnen Akademiker*innen zusammenhängt.3 Pointiert zusammengefasst kann diese Wahrnehmung mit dem Titel einer englischen Studie illustriert werden: „The managed academic“ (Fanghanel 2012)4. In dieser Studie werden Ergebnisse von Befragungen und Interviews mit Wissenschaftler*innen an Universitäten referiert. Berichtet wird nicht nur über die angestiegene Arbeitszeit insgesamt, sondern auch – und teilweise damit zusammenhängend – über die eingeforderte Transparenz und Sichtbarmachung von Leistungen und Leistungserbringung (Fanghanel 2012; Clarke et al. 2015). Betreffend Lehre wird hier moniert, diese würde dadurch stromlinienförmiger, und die Betonung der

2Interessant

bereits die deutsche Übersetzung: „Academic Profession“ wird zum „Hochschullehrerberuf“. 3Ergänzend kann wohl festgehalten werden, dass Professor*innen traditionell konservativ sind: Einmal angekommen auf ihrer Position wird diese verteidigt, Neuerungen wird eher skeptisch begegnet. 4Auch im deutschen Sprachraum finden sich viele Beiträge, welche im Kontext neuer Governance-Modelle Veränderungen in der Tätigkeit der einzelnen Akademiker*innen aufgreifen, die Wertung dieser Entwicklung wird teilweise bereits in den Aufsatztiteln deutlich. Als Beispiele seien zwei Beiträge von Uwe Wilkesmann erwähnt: „Auf dem Weg vom Gelehrten zum abhängig Beschäftigten?“ (2012) und „Professorenvielfalt und Universitätszusammenhalt. Der Versuch, Individualisten auf ein gemeinsames Ziel zu verpflichten“ (2013).

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P. Tremp

­erformanz sei mit einem Verlust an Authentizität verbunden. Gleichzeitig P wird aber – gewissermaßen als positive Kehrseite der Medaille – festgehalten, dass dies auch als Teil einer Professionalisierung beschrieben werden könne (Fanghanel 2012)5.

2 Bedeutsame Lehre, aber kaum reputabel 2.1 Keine Wettbewerbsarena Bei aller Betonung einer Verknüpfung von Forschung und Lehre: Die akademische Reputation hängt im Wesentlichen von der Forschungsleistung ab. Hier haben sich auch hochschulübergreifend Mess- und damit Vergleichsinstrumente etabliert – so umstritten diese auch geblieben sind. Dies zeigt sich auf individueller ebenso wie auf institutioneller Ebene: Die wichtigsten Rankings von Hochschulen gewichten die Forschungsleistung sehr stark, die Qualität der Lehre ist nebensächlich. Diese Betonung der Forschungstätigkeit zeigt sich auch in der Gestaltung akademischer Laufbahnen: Forschungsleistungen stehen im Vordergrund, sie prägen die Qualifikationsschritte, Lehrleistungen und Lehrqualität werden in Berufungsverfahren nach wie vor kaum gleichwertig berücksichtigt.6 Lehre, so lässt sich zusammenfassen, fungiert nicht als Wettbewerbsarena: Die Qualität der erbrachten Lehrleistungen wird auch kaum über den Hörsaal resp. Seminarraum hinaus sichtbar, Publikationen aus den Fachdisziplinen zu Lehrfragen sind weiterhin selten. Allerdings haben sich in den letzten Jahrzehnten an den meisten deutschsprachigen Hochschulen Anreiz- und Auszeichnungssysteme für gute Lehre etabliert. Dazu gehören beispielsweise Lehrpreise. Diese prämieren Lehrleistungen 5Zudem

wird zum Beispiel festgehalten, dass die Lehrtätigkeit insgesamt heterogener, diverser geworden sei. Die klassischen Formen (Vorlesung, Seminar, Labor, …) hätten sich differenziert – in letzter Zeit nicht zuletzt auch dank digitalen Möglichkeiten und einer gesteigerten Sensibilisierung für die Heterogenität der Studierenden (Clarke et al. 2015). 6Allerdings zeigen sich bedeutsame Unterschiede zwischen den verschiedenen Hochschultypen resp. Hochschulkonzepten und ihrer Gewichtung von Forschung und Lehre. So sind beispielsweise Fachhochschulen oder Pädagogische Hochschulen stark lehrorientiert, was sich dann sowohl in den personalen Ansprüchen als auch beispielsweise in Laufbahnwegen zeigt. Und selbst für universitäre Hochschulen lässt sich feststellen, dass sich die Stellenausschreibungen und die dort sichtbare Wertung der Leistungsbereiche verändert haben (Bloch et al. 2014).

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und honorieren damit Personen, die sich in diesem Leistungsbereich besonders verdient gemacht haben (Tremp 2010). Lehrpreise zielen insbesondere auf erhöhte Aufmerksamkeit auf die Lehre beziehungsweise Sichtbarmachung guter Lehrpraxis, Lehrpreisen gelingt es aber kaum, tatsächlich als Anreize zu fungieren (Wilkesmann und Schmid 2010). Dies dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass Lehrpreise – und andere etablierte Anreizsysteme – nicht die Handlungsautonomie erhöhen, was aber wesentliches Element der akademischen Motivation darstellt. Zudem werden Lehrpreise in den meisten Fällen im Rahmen der eigenen Organisation vergeben, selten im Rahmen der eigenen Disziplin. Akademische Reputation ist traditionellerweise aber vor allem disziplingebunden, die Ausrichtung auf die eigene Organisation ist sekundär.

2.2 Becoming an Academic Die Lehre hat allerdings eine große Bedeutung bei der (Weiter-)Entwicklung einer akademischen Identität. So ist es für Nachwuchswissenschaftler*innen wichtig, in die Lehre eingebunden zu sein. Und viele Hochschulen verfügen dann auch über ein elaboriertes hochschuldidaktisches Weiterbildungs- und Beratungsprogramm – teilweise sogar in Doktoratsprogramme integriert –, das sich insbesondere an Nachwuchswissenschaftler*innen richtet. Zwar hat die Lehrleistung und Lehrqualität gerade in den Laufbahnphasen vor der Professur für die weitere Laufbahn deutlich weniger Relevanz als Forschungsleistungen, die Beteiligung an der Lehre ist aber bedeutsam für die Internalisierung eines professionellen, akademischen Selbstverständnisses und damit zentraler Aspekt der wissenschaftlichen Sozialisation. Dies unterstreicht die Bedeutung dieser Qualifizierungsphase, weil damit die „Verknüpfung von Forschung und Lehre“ gerade auch im Berufsbild von Professor*innen illustriert und verstärkt wird. Es geht also weniger um die „gute“ oder „engagierte“ Lehrtätigkeit als vielmehr um die Tatsache, dass überhaupt gelehrt wird (Bloch et al. 2014)7. Dies aber geschieht durchaus motiviert:

7Bereits

vor einigen Jahrzehnten und damit begleitend zur Etablierung der Hochschuldidaktik im deutschsprachigen Raum hat Carol Hageman-White festgehalten: „Man kann die Verhältnisse nur pervers nennen. Es gibt keine andere Möglichkeit, den Beruf eines Hochschuldozenten zu erlernen, als die, eine zeitlich befristete Stelle zur Ausübung dieses Berufs zu übernehmen. Wer aber während dieser Zeit tatsächlich seine Kräfte den Aufgaben eines Lehrenden widmet (…), wird mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Beruf nicht ausüben können“ (Hagemann-White 1976, S. 90).

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P. Tremp Die Motivation zu lehren resultiert aus der Verinnerlichung eines professionellen Selbstverständnisses, zu dem Lehre und Forschung gleichermaßen gehören. Dieses eignen sich die Lehrenden im Laufe ihrer wissenschaftlichen Sozialisation an. Die Lehrenden sind mit der Lehre trotz struktureller Widrigkeiten so lange zufrieden, wie sie den Eindruck haben, im Rahmen ihrer professionsethischen Vorstellungen selbstbestimmt zu lehren, Forschung und Lehre miteinander zu verbinden und in der Lehre kollegiales wie studentisches Feedback zu erfahren (Bloch et al. 2014, S. 13).

3 Differenzierung der Hochschullandschaft Die Verknüpfung von Forschung und Lehre ist ein Kennzeichen der modernen Universität, gilt also lediglich für eine bestimmte Phase der Universitätsgeschichte. Über viele Jahrhunderte stand die Lehre im Zentrum der Hochschultätigkeit. Die „vormodernen“ Universitäten waren im Wesentlichen Lehreinrichtungen, Professoren waren hauptsächlich Universitätslehrer. In der „forschungsorientierten Universität“ verändern sich die Verhältnisse, Forschung wird zum Imperativ (Tenorth 2012), was sich in verschiedenen Merkmalen äußert: Von der Betonung von Veröffentlichungen bis zu den Verfahren der Personalrekrutierung. Die Formel der „Verknüpfung von Forschung und Lehre“ entwickelt sich zu einer Leitformel, die interessanterweise trotz deutlich veränderten Rahmenbedingungen und Unklarheit der konkreten Realisierung in der Lehre weiterhin wirksam ist und einen wesentlichen Teil eines identitätsstiftenden Selbstverständnisses ausmacht (Groppe 2012).

3.1 Lehrhochschulen, Lehrprofessuren? Die Wirkmächtigkeit der Formel der „Verknüpfung von Forschung und Lehre“ zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass sie selbst für (neue) Hochschultypen gilt, die deutlich andere strukturelle Voraussetzungen kennen und viele Wissenschaftler*innen gar nicht an Forschung beteiligen können. Mit der Differenzierung der Hochschullandschaft – hochschulrechtlich insbesondere mit der Unterscheidung in die Hochschultypen „Universitäre Hochschulen“, „Fachhochschulen“ und „Pädagogische Hochschulen“ geregelt – und den unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen unterscheiden sich nämlich die Aufgabenprofile der einzelnen Wissenschaftler*innen der jeweiligen Hochschulen. Auf die Formel wird zwar weiterhin Bezug genommen, die „Verbindung von Forschung und Lehre“ auf personaler Ebene löst sich aber auf: In Fachhochschulen

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sind die meisten Wissenschaftler*innen ausschließlich im Leistungsbereich Lehre tätig. Dies bedeutet aber auch: Die „Verknüpfung von Forschung und Lehre“ als Verknüpfung zweier unterschiedlicher Tätigkeiten auf personaler Ebene ist kein notwendiges Charakteristikum akademischen Tuns.8 Veränderte Aufgabenprofile zeigen sich aber nicht nur in den lehrorientierten Hochschultypen „Fachhochschulen“ und „Pädagogische Hochschulen“, sie zeigen sich auch in den sporadisch wiederkehrenden Vorschlägen zur Einführung von Lehrprofessuren an Universitäten. So hat beispielsweise der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zu einer lehrorientierten Reform der Personalstruktur an Universitäten (2007) vorgeschlagen, es seien „Hochschullehrerpositionen mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in der Lehre einzuführen“ (Wissenschaftsrat 2007, S. 35). Festgehalten wurde aber auch: „Die enge Verbindung von Forschung und Lehre bleibt das Kennzeichen der Universität wie auch des universitären Studienangebotes. Für die einzelnen Hochschullehrer können unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte gelten“ (Wissenschaftsrat 2007, S. 31). Explizit wurde dann auch die unterhalb der Professur stehende Position eines „Lecturer“ verworfen (Wissenschaftsrat 2007, S. 33). In der Begründung zu seinem Vorschlag verweist der Wissenschaftsrat einerseits auf das problematische Betreuungsverhältnis an Universitäten, andererseits auf die angestrebte Lehrqualität. Von einer „didaktischen Profilierung“, der Fokussierung auf eine spezifische Aufgabe und damit der Aufgabendifferenzierung in der Organisation Hochschule wird eine Qualitätssteigerung und damit ein Gewinn für das gesamte Hochschulsystem erwartet. Dass aber kaum eine Hochschule dieser Empfehlung gefolgt ist, dürfte nicht zuletzt der geringen akademischen Wertschätzung von Lehre geschuldet sein. Bereits die Bezeichnung „Lehrprofessur“ mit der damit verbundenen Betonung widerspricht einem grundsätzlichen Selbstverständnis von Akademiker*innen: Dass nämlich Forschung und Lehre zusammengehören, also auch im Portfolio der einzelnen Wissenschaftler*innen9. Offensichtlich ist hier selbst ein Forschungsanteil von 30 % – dies der Vorschlag des Wissenschaftsrats – zu wenig attraktiv.

8Ein

Blick über den deutschsprachigen Hochschulraum bestätigt dies. Damit haben sich dort auch andere Laufbahnwege etabliert. 9Interessanterweise findet der traditionelle Begriff des „Lehrstuhls“ keine derartige Ablehnung.

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3.2 Neue Aufgaben, neue Portfolios? Die Aufgabenverteilung innerhalb einer Hochschule und die für die einzelnen Aufgaben vorausgesetzten Kompetenzen werden im Rahmen der wettbewerblichen Profilbildung der Einzelhochschulen über die hochschulrechtliche Typologie hinaus zunehmend bedeutsamer. Wenn beispielsweise im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren vermehrt diskutiert wird, wie sich Hochschulen – in Verbindung zu ihren Kernaufgaben Lehre und Forschung – gesellschaftlich engagieren können, so wird auch das Aufgabenfeld von Akademiker*innen neu geprägt. Unter dem Begriff der „Third mission“10 werden hier Aktivitäten einer Hochschule zum Thema, welche außerhochschulische Initiativen unterstützen oder anregen, welche also das Wirksamwerden der Wissenschaft unmittelbar (und also nicht vermittelt über die Lehre) in außerwissenschaftliche Kontexte betreffen – seien dies nun spezifische Weiterbildungsangebote für Berufsgruppen, kulturelle Einrichtungen oder die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, welche an der Expertise der Hochschule partizipieren wollen.11 Zwar bleibt fraglich, ob und wie diese Dritte Mission – wird denn das dahinter liegende Konzept einer Hochschule geteilt – Teil eines akademischen Selbstverständnisses wird, als solches aber würde es das Aufgabenfeld von Wissenschaftler*innen ebenso verändern wie es auch andere – erweiterte – Kompetenzen verlangt. Das Beispiel illustriert, dass die Frage, was es heißt, akademisch tätig zu sein, zentral mit Hochschulkonzepten zusammenhängt (Pasternack et al. 2018). Was macht Hochschulen aus, wie verstehen diese ihre Aufgaben, welche Leistungen gehören zum Kern, welche tragen zur individuellen akademischen Reputation bei?

10„Die

Aktivitäten sind dadurch charakterisiert, dass sie Interaktionen mit Akteuren außerhalb der akademischen Sphäre darstellen, gesellschaftliche Entwicklungsinteressen bedienen, die mit der herkömmlichen Leistungserbringung in Lehre und Forschung allein nicht zu bedienen sind, und dabei Ressourcen aus Forschung und/oder Lehre nutzen“ (Henke et al., Handreichung 8, S. 13). Die „Dritte Mission“ kann in gewissem Sinne auch als Antwort auf Vorbehalte verstanden werden, welche der akademischen Tätigkeit eine „Weltfremdheit“ unterstellen und dieser den „Imperativ der Nützlichkeit“ (Füssel 2017) entgegenhalten. 11Insgesamt kann festgestellt werden: Die Aufgaben von Hochschulen haben sich deutlich vermehrt. „Bereits vor anderthalb Jahrzehnten war eine Auffächerung des Zielkatalogs der Hochschulen von zwei auf zehn Ziele innerhalb von 20 Jahren identifiziert worden (…), was seither nicht zum Stillstand gekommen ist.“ (Henke et al. 2016, S. 32–33).

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4 Grundwerte des Akademischen? Die Frage der akademischen Identität geht allerdings über die Aufzählung von Aufgabenbereichen und Tätigkeiten hinaus (Rosewell und Ashwin 2018). Neben der Betonung der Beteiligung in Forschung und Lehre – und damit zusammenhängend einer disziplinären Verankerung12 – wird nämlich auch die Autonomie wissenschaftlicher Tätigkeit und die akademische Freiheit betont. Akademiker*innen sind demnach Personen, die etwas zu sagen haben und dies auch sagen dürfen! Damit sind Grundwerte angesprochen, welche die akademische Tätigkeit fundieren.

4.1 Lehrfreiheit, Redlichkeit und Authentizität Zu diesen Grundwerten gehört die akademische Freiheit. Diese ist sogar grundgesetzlich geregelt. So heißt es beispielsweise in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft in Artikel 20: „Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.“ Akademische Freiheit gehört zu den ‚core values‘ von Hochschulen. Sie ist vergleichbar mit dem Hippokratischen Eid für Mediziner (Scott 2014): Sowohl akademische Freiheit als auch der Hippokratische Eid sind zentrale berufsethische Referenzpunkte (Tremp und Tresch 2016). Auch für die Lehre gilt das Postulat der akademischen Freiheit. Diese ist insbesondere eine Errungenschaft des 17. Jahrhunderts, wenn auch bereits die mittelalterliche Universität einige Gestaltungsräume kennt13. Anfänglich eng mit „Lernfreiheit“ verknüpft, wird die Lehrfreiheit dann – ähnlich der Passage in der zitierten grundrechtlichen Bestimmung – stark mit der Freiheit der Forschung verbunden (Tremp 2016). Die Reichweite akademischer Freiheit bleibt allerdings in der konkreten Auslegung umstritten und wird in komplexen Situationen begründet strapaziert. Auch die Lehrfreiheit. So wird in den letzten Jahren beispielsweise vermehrt betont, 12Die

Disziplin ist bedeutsamer Bezugspunkt akademischer Identität, auch weil sich über Disziplinen akademische Qualifizierungen und Laufbahnen strukturieren. Allerdings werden Disziplinen dort problematisch, wo diese hinter Anwendungs- resp. Professionsbezügen verschwinden. Damit stellen sich Fragen nach der künftigen Strukturierung der akademischen Welt, ihren Studienangeboten und Laufbahnwegen. 13In den Worten von Jürgen Miethke: Es gab bereits im Mittelalter „keine verbotenen Fragen, allenfalls verbotene Antworten“ (zit. nach Weber 2008, S. 49).

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dass Lehre als gemeinsame Aufgabe in gemeinsamer Verantwortung gesehen werden müsse (u. a. Wissenschaftsrat 2017). Und in professionsorientierten Studiengängen, in denen der erfolgreiche Studienabschluss eng mit einer Berufsberechtigung verknüpft ist, wird gefragt, inwiefern ein traditionelles Verständnis einer individuellen Lehrfreiheit der heutigen Situation noch gerecht werde (Fabry und Schirlo 2016). Eng verwandt mit den akademischen Freiheiten und gewissermaßen ergänzendes Pendant ist der Anspruch an Redlichkeit, an „academic integrity“. Diese Redlichkeit wird heute hauptsächlich im Zusammenhang mit Forschungsund Publikationstätigkeit diskutiert. Doch was heißt dieser Grundwert in der Lehre, was ist damit gemeint? In der hochschuldidaktischen Diskussion wird der Anspruch in enger Verbindung mit Authentizität diskutiert. Authentisch wird dabei in verschiedene Dimensionen gegliedert. Für Studierende bedeutsam ist insbesondere die Wahrnehmung der Ehrlichkeit: Ein redliches Interesse an der Sache verbunden mit der wahrgenommenen Absicht, Studierende ebenfalls für diese Sache zu interessieren.

4.2 Akademisch: Ein Qualitätsanspruch? „Akademisch tätig sein“ kann sodann auch bedeuten, dass damit bestimmte Qualitätsansprüche an diese Tätigkeiten gestellt sind. Solche Qualitätsansprüche sind beispielsweise im Leistungsbereich Forschung etabliert, ihre Missachtung ist mit einem Reputationsverlust verknüpft. Auch die Lehre kennt Qualitätsansprüche, der Einblick bleibt aber oftmals auf die Studierenden beschränkt und schließt die Fachkolleg*innen weitgehend aus. In der Forschung hingegen gehört der Austausch in der scientific community zur Verpflichtung – nur für sich allein zu forschen, ohne die Erkenntnisse zu teilen, gilt nicht als Forschung –, die Vorgehensweisen und Ergebnisse müssen dargelegt werden, sie werden gewissermaßen der scientific community zur Validierung vorgelegt. Entsprechend haben sich einige Austauschformate etabliert: von Zeitschriftenartikeln bis zur Tagung. Im Leistungsbereich Lehre demgegenüber wird kaum expliziert, was wir hier eigentlich machen – auch nicht an lehrorientierten Hochschultypen. Die Diskussionen finden allenfalls mit den Kolleg*innen nebenan statt, verlässt aber selten die Grenzen der eigenen Hochschule, der eigenen Organisation. Verbinden wir „akademisch tätig sein“ mit dem Grundanspruch „Explizierung“, so wäre zu prüfen, wie dies in der Lehre gelingen kann. Wie explizieren wir Lehrkonzepte? Welches sind Formate der Debatte, welche Foren

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des Austauschs können etabliert werden? Wie gelingt die Validierung in der Community, welche Qualitätskriterien gelten? Dieses Postulat der Explizierung schließt in gewissem Sinne an die hochschuldidaktische Debatte um „Scholarship of Teaching and Learning“ an (Huber 2018). Auch hier geht es darum, die eigene Lehre zum Gegenstand von Untersuchungen und systematischen Reflexionen zu machen in der Absicht, diese Erkenntnisse einer Diskussion zugänglich zu machen. Dieser Anspruch der Explizierung hat eine enge Verknüpfung zur Frage, wie denn Fortschritt zustande kommt: Wie werden Erkenntnisse systematisch erweitert? Dabei geht es insbesondere auch um fachbezogene Lehrfragen: Von den disziplinären Zielsetzungen eines Studiums über Modularisierungskonzepte bis hin zur konkreten Realisierung von Lehrveranstaltungen. Der Austausch in der Fachcommunity, die Explizierung von Lehrkonzepten und die anschließende Prüfung resp. Selektion dürfte nicht nur die Handlungsbasis systematisch erweitern, sondern würde auch – so wäre zu vermuten – die Frage der Laufbahnrelevanz von Lehre neu akzentuieren.

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Österreichische Hochschullehre im Diskurs: Gesellschaftliche, institutionelle und personale Anforderungen Birgit Phillips und Sarah Aldrian

Zusammenfassung

Dieser Beitrag beleuchtet die Frage, was Hochschullehre in Österreichs tertiärem Bildungssektor leisten soll. Neben Aspekten wie der gesellschaftlichen Verantwortung und den Zielen von Hochschulbildung werden die strukturellen Rahmenbedingungen der Lehrpraxis vor dem Hintergrund vergangener, aktueller und künftiger bildungspolitischer Bestrebungen analysiert und die Anforderungen verschiedenster Interessensgruppen skizziert. Herausforderungen an die Hochschullehre wie die zunehmende Studierendenheterogenität und bildungstechnologische Entwicklungen werden thematisiert, ebenso wie der Stellenwert der Lehre, deren Sichtbarmachung und Professionalisierung. Schließlich werden die Anforderungen an die Hochschullehre aus der Perspektive von Lehrenden an Universitäten und Fachhochschulen in den Blick genommen und Gestaltungsmöglichkeiten von Hochschullehre dargestellt.

B. Phillips (*) · S. Aldrian  Universität Graz, Graz, Österreich E-Mail: [email protected] S. Aldrian E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_3

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1 Strukturelle Rahmenbedingungen des österreichischen Hochschulwesens Der europäische und damit auch der österreichische Hochschulbereich hat in den vergangenen Jahren grundlegende Veränderungen durchlaufen. Mit der vor mehr als 20 Jahren in Gang gesetzten Bologna-Reform begann eine tief greifende Umstrukturierung des gesamten europäischen Hochschulwesens, mit dem Kernziel einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum (EHEA) zu schaffen. Basierend auf der langfristigen Verpflichtung der EU, lebenslanges Lernen zu fördern und den europäischen Hochschulraum um die internationale Dimension zu bereichern, sollen unter „Bologna“ u. a. die Studierenden- und Lehrendenmobilität gesteigert, bürokratische Hürden verringert und Abschlüsse und Qualifikationen vergleichbar und wechselseitig anerkannt werden. Mit der Bologna-Reform, an der sich mittlerweile 48 Mitgliedsstaaten beteiligen, wurden dem österreichischen Hochschulwesen eine Reihe neuer hochschulpolitischer Vorgaben auferlegt, deren Umsetzung allerdings auf freiwilliger Basis erfolgt, da die Entscheidungskompetenzen bei den einzelnen Mitgliedsstaaten liegen. Neben der Einführung des dreistufigen Studiensystems (Bachelor, Master, Doktor/PhD), sowie des European Credit Transfer und Accumulation Systems (ECTS) ist die Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden ein vorrangiges Ziel der Bologna-Reform. Die „Ausrichtung der Kompetenzentwicklung von Hochschulen am Bedarf des Arbeitsmarktes“ (Europa Parlament 2019, S. 2) wurde als einer von vier Schwerpunkten in der von der Europäischen Kommission im Jahr 2017 veröffentlichten „Europäischen Erneuerungsagenda für die Hochschulbildung“ (COM(2017) 247) erneut bekräftigt. Als Richtschnur für die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit dient die „Strategie Europa 2020“, welche den Bevölkerungsanteil mit abgeschlossenem Hochschulstudium in der Alterskategorie 30 bis 34 Jahre auf mindestens 40 % erhöhen will (Europäische Kommission o. J.). Die Auswirkungen dieser Akademisierungsbestrebungen sind in Österreich bereits klar ersichtlich. Seit 1971 hat sich die Anzahl der Hochschulabschlüsse innerhalb der österreichischen Bevölkerung um 11,6 Prozentpunkte erhöht. Bei den 30 bis 34-jährigen in Österreich hat die Tertiärquote im Jahr 2018 mit 40,7 % bereits den EU-Schnitt erreicht (Statistik Austria o. J.). Die zunehmende Akademisierung der österreichischen Bevölkerung ist nicht zuletzt auf die Überführung einiger Berufsgruppen in den tertiären Bereich (z. B. Soziale Arbeit, Pflege- und Gesundheitsberufe, Lehrer*innenausbildung) sowie nichttraditionelle Zugänge zu Hochschulbildung (z. B. über Berufsbildende Höhere Schulen, Berufsreifeprüfung, Studienberechtigungsprüfung) zurückzuführen.

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Die politisch vorgegebene Marschrichtung der vergangenen Jahre resultierte mitunter in einer Diversifizierung und Differenzierung des tertiären Bildungssektors in Österreich, welcher sich ergänzende Institutionen mit unterschiedlichen Ausprägungen, eingebettet in den regionalen, nationalen und europäischen Hochschulraum (EHEA), umfasst. Während Universitäten lange Zeit die Bildungshoheit im tertiären Bildungsbereich hatten, wurde mit der Einführung der Fachhochschulstudiengänge eine weitere Ausbildungsschiene eröffnet. Darüber hinaus drängen vermehrt Privatuniversitäten, Fernstudieninstitute, Fernhochschulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen (z. B. Wifi, Bfi), mit tertiären Weiterbildungsangeboten auf Bachelor- und Masterniveau auf den immer stärker konkurrierenden Weiterbildungsmarkt. So setzt sich die österreichische Hochschullandschaft derzeit aus 22 öffentlichen Universitäten, 21 Fachhochschulen, 14 Pädagogischen Hochschulen und 14 Privatuniversitäten zusammen. Während Privatuniversitäten erst seit wenigen Jahren vermehrt Zuspruch finden, erfreuen sich Fachhochschulen seit ihrer Etablierung im Jahr 1994 an ungebrochener Beliebtheit und verzeichnen im Vergleich zu Universitäten seit Jahren überdurchschnittliche Zuwachsraten (Statistik Austria, o. J.). Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben Fachhochschulen den gesetzlichen Auftrag, „Studiengänge auf Hochschulniveau anzubieten, die einer wissenschaftlich fundierten Berufsausbildung dienen“ (vgl. § 3 Abs. 1 FHstG 2018). Das bedeutet vor allem, dass sie Praxisnähe gewährleisten müssen, weshalb sie zumeist sehr eng mit dem Unternehmenssektor vernetzt sind (z. B. durch duale Ausbildungen, Pflichtpraktika, Auftragsforschung und Kooperationen mit Wirtschafts- und Industriepartnern). Darüber hinaus sind Studiengänge häufig fächerübergreifend aufgebaut (z.  B. Kombinationen wie Gesundheit/Wirtschaft oder Technik/ Umwelt/Recht), und können aufgrund ihrer Organisationsform flexibler als Universitäten auf soziale, wirtschaftliche und rechtliche Entwicklungen reagieren und Curricula in Kooperation mit Wirtschafts- und Industriepartner*innen adaptieren oder entwickeln. So wurden in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe neuer Studiengänge entwickelt (z. B. Umwelttechnik, E-Health, Wissensmanagement, Logistik und Transportmanagement, Musiktherapie), um den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Nicht zuletzt fördern das hohe Angebot an berufsbegleitend und berufsermöglichend organisierter Studiengänge sowie alternative Hochschulzugänge die soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems, indem sie vertikale Bildungschancen verringern, die Vereinbarkeit von Studium und Beruf erleichtern, und erwerbstätigen Menschen den Wiedereinstieg in formale Bildungsprozesse ermöglichen.

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Obwohl Fachhochschulen Jahr für Jahr in den Beliebtheitsrankings der Studierendenumfragen vorne liegen, sieht sich das System Fachhochschule mitunter auch harter Kritik ausgesetzt. Der Hauptkritikpunkt gilt dem vorherrschenden Konzept von Bildung, welches sich ganz im Sinne der BolognaReform an wirtschaftlicher Verwertbarkeit orientiert, und daher vor allem praxisnah und anwendungsorientiert sein muss. Dabei, so die Kritik, bleibt eine der Hauptsäulen der akademischen Bildung auf der Strecke, nämlich der Anspruch auf freie und unabhängige Lehre und Forschung. Die Nähe und Zusammenarbeit von Fachhochschulen mit Unternehmen aus der Wirtschaft wirft mitunter ethische Fragen auf wie „Welche Möglichkeiten und Einschränkungen bringen Drittmittel aus der Wirtschaft für häufig unterfinanzierte Hochschulen mit sich?“, „Wo liegt die Grenze zwischen Kooperation und Einflussnahme?“ „Wie schränken diese die Forschungstätigkeit ein?“. Ein weiterer und assoziierter Kritikpunkt bezieht sich auf die starren Lehrpläne mit eng geschnürten Wissenspaketen, wenig Wahlmöglichkeiten, streng durchgetakteten Stundenplänen und Studienzeitvorgaben, welche die Studierenden durch den Bachelor führen. Im Positionspapier der Österreichischen FachhochschulKonferenz (FHK) wird dies als serviceorientierter und studierendenzentrierter Ansatz in der Lehre beschrieben, und weiter ausgeführt: „Organisatorisch und didaktisch sind die Studien in einer Form organisiert, die einen Studienabschluss in der vorgegebenen Zeit ermöglicht“ (FHK 2016, S. 6). Kritische Stimmen heben in diesem Zusammenhang hervor, dass Studierende zwar in kurzer Zeit Basiswissen für einen raschen Berufseinstieg erwerben und somit rasch ökonomisch „verwertbar“ sind, jedoch wenig Raum für individuelle Entfaltung und selbstständige Gestaltung der Lernprozesse bleibt. Der Schreibforscher und Psychologe Otto Kruse (2010) ortet ein Problem bei Hochschulen, die sich rein am Wortlaut der Bologna-Direktiven ausrichten, denn durch sie „ist eine entmündigende intellektuelle Fürsorgestruktur entstanden, die Studierende in eine akademische Konsumhaltung manövriert“ die „mundgerechtes Wissen serviert, ohne von den Studierenden eigene Erkenntnisleistung zu verlangen“ und sie so zu „akademischen Pauschaltouristen“ verkommen lässt. (S. 84). Er fordert daher von Hochschulen, sich auf ihre Grundaufgabe zu besinnen, anstatt ihre Konsumhaltung zu befriedigen, und kritisiert gleichzeitig Zufriedenheitsabfragen der Studierenden über die Qualität von Studiengängen, da diese meist nur ihre „Reisebüromentalität“ untermauerten (Kruse 2010, S. 85). Der Philosoph Paul Liessmann (2014), ein starker Verfechter der humanistischen Bildungstradition, schließt sich Kruse (2010) an und konstatiert, dass Bologna gescheitert und echte Bildung im Sinne einer Entfaltung des Geistes heute nicht mehr möglich ist. Er spricht von einer vorherrschenden „Praxis akademischer Unbildung“ (Liessmann

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2014, S. 157) und lamentiert die „Verschulung und Entwissenschaftlichung der Bachelor-Studiengänge“ (S. 20), welche zu einer Entakademisierung der Hochschulen führt, die zwar zweifellos die von der Politik geforderten Akademikerquoten steigen lässt und die OECD Vergleichstabellen und Ranglisten verschönert, aber im Grunde einer Dequalifizierung gleich kommt, die weder der wirtschaftlichen noch der gesellschaftlichen Entwicklung Österreichs Gutes tut (Liessmann 2014, S. 20). Auch in der Studie von Rudolf Egger (2012) wird dieser Prozess mit der Entwicklung der Massenuniversitäten und der Bologna-Reform in Verbindung gebracht. Problematisch wird hier vor allem die Einschränkung der Studierenden bei deren „eigenständigen Aneignung von Inhalten und Sozialwelten“ (S. 98) gesehen. Unabhängig davon, ob man die Bologna-Architektur und die damit einhergehenden wettbewerbsorientierten Entwicklungen gut heißt oder nicht, hat sich bereits in dieser kurzen Auseinandersetzung mit der derzeitigen Bildungspolitik gezeigt, dass diese maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat. In weiterer Konsequenz gilt es nun einen Blick auf die gesellschaftliche Verantwortung der Hochschule zu werfen, da dies Aufschluss über die Anforderungen an Hochschullehre gibt.

2 Welche gesellschaftliche Verantwortung trägt die Hochschule? Der gesellschaftliche Wert von Hochschulbildung hat mit den bildungspolitischen Bestrebungen der vergangenen Jahre enorm an Bedeutung gewonnen. So wird heute in vielen Berufssparten mehr Bildung vorausgesetzt als noch vor wenigen Jahren, denn die im Zuge der Bologna-Reform stattgefundene Tertiärisierung und verstärkte Akademisierung der Bevölkerung hat zu einem rasanten Anstieg und einer Pluralisierung von akademischen Abschlüssen geführt. Akademische Abschlüsse sind immer häufiger Voraussetzungen für berufliche Tätigkeiten, für die vor einigen Jahren noch die Matura, ein Lehrabschluss oder ein vergleichbarer Abschluss auf Sekundarstufe ausreichte. Mit der Einführung der gestuften Studienstruktur hat man mit dem Bachelor nach mindestens drei Jahren die erste Qualifizierungsstufe auf tertiärem Niveau erreicht, wobei Berufseinstiegsund aufstiegschancen bei Personen mit Masterabschluss tendenziell besser sind (Dietrich und Abraham 2018; Grotheer 2019). Darüber hinaus stellt die zunehmende und immer komplexer werdende digitale Transformation, welche nahezu alle Bereiche unserer Lebenswelt und

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des menschlichen Handelns durchdringt, die Gesellschaft vor neue Herausforderungen – von Veränderungen im Zusammenleben der Menschen und der Kommunikation untereinander, bis hin zu veränderten Bildungs- und Arbeitswelten. Dieser rasante Wandel von Lebenswelten hat den gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bedarf an hochqualifizierten Absolvent*innen am österreichischen Arbeitsmarkt erhöht. Diese müssen nicht nur über spezialisiertes Know-how, sondern auch über inter- und transdisziplinäres Wissen sowie vielfältige Kompetenzen verfügen, um den immer komplexer werdenden Arbeitsanforderungen gerecht zu werden. Die steigenden Anforderungen am Arbeitsmarkt gehen einher mit einer Differenzierung der Beschäftigungsformen. Während Ende der 1970er-Jahre in Österreich vor allem unter Männern Vollbeschäftigung bei Normalarbeitsverhältnissen vorherrschte (Mühlberger 2000), finden sich heute mehr und mehr Hochschulabsolvent*innen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen (Geringfügigkeit, Freier Dienstnehmer, Werkverträge und dergleichen) wieder (Teitzer 2014). Begriffe wie „Gig Economy“ und „Generation Praktikum“ haben sich längst in den Köpfen der jüngsten Absolvent*innen festgesetzt und der Job fürs Leben wurde der Vergangenheit zugeschrieben. In Zeiten von sinkendem Vertrauen in den Arbeitgeber zeigen Millennials und die Generation Z eine hohe Jobwechselbereitschaft. Das zeigt einmal mehr der Deloitte Millennial Survey, der 2020 bereits zum neunten Mal erschienen ist und besagt, dass österreichische Millennials im internationalen Vergleich besonders pessimistisch in die Zukunft blicken. Dauerstress, ein hohes Sicherheitsbedürfnis, unzureichende Qualifizierung insbesondere hinsichtlich digitaler Herausforderungen und eine verbreitete Zukunftsangst welche durch die Corona Pandemie und den Klimawandel verstärkt werden, fassen die zentralen Ergebnisse der Studie zusammen und bringen das Stimmungsbild der österreichischen Millennials auf den Punkt (Deloitte 2020). Trotz und vielleicht gerade wegen dieser stark im Wandel begriffenen Lebenswelten gilt heute mehr denn je zuvor: Bildung ist ein Garant für einen höheren sozialen Status, berufliche Aufstiegschancen, Einkommensvorteile und einen besseren Lebensstandard. Akademische Bildung wird so zum Sprungbrett in eine bessere Zukunft. Angesichts der skizzierten sozio-politischen Rahmenbedingungen sind Hochschulen gefordert, stets ihre gesellschaftliche Verantwortung im Blickfeld zu haben und Überlegungen zur Gestaltung der Hochschule der Zukunft anzustellen. Dazu wurde 2011 der Prozess des Hochschulplans als strategisches Gesamtkonzept zur koordinierten Steuerung des österreichischen Hochschulraumes ins Leben gerufen, mit dem Ziel, eine abgestimmte und differenzierte Profilbildung und Schwerpunktsetzung in Forschung und Lehre im gesamten Hochschulsektor sicherzustellen.

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Die gesellschaftliche Aufgabe des tertiären Sektors besteht demzufolge darin, „altbekannte wie auch neu auftretende gesellschaftlich wichtige Fragestellungen (…) kritisch aufzugreifen und in die Gesellschaft hineinzuwirken“ (BMBWF 2011, o. S.). Diese gesellschaftlich relevanten Fragestellungen sollen wissenschaftsbasiert behandelt und mit Studierenden inhaltlich bearbeitet werden. In ähnlicher Weise, allerdings in Bezug auf den Kompetenzerwerb der Studierenden, weist der Universitätsbericht 2017 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung darauf hin, dass Hochschullehre darauf abzielt, „Studierende zu eigenständig und interdisziplinär denkenden, kritischen AbsolventInnen mit hoher fachlicher und sozialer Kompetenz heranzubilden“ (BMBWF 2017, S. 153). Die Ausbildung von Studierenden soll dabei unter der Berücksichtigung von Studierendenbedürfnissen, sowie gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen erfolgen (BMBWF 2017). Hochschulbildung hat somit auch den sozialen Auftrag, kritisches Bewusstsein zu fördern und Studierende zu befähigen, sich in der modernen Gesellschaft zu orientieren, politische, gesellschaftliche und ökonomische Probleme und Fragen zu erkennen, zu beurteilen und zu überlegen, ob und wie diese zu bewältigen sind. Dabei sollen sie ermutigt werden, für Freiheit und Demokratie, Menschenrechte, Solidarität, wirtschaftliche Sicherheit und Frieden einzutreten. Bildung in diesem Sinn bedeutet nicht nur die Förderung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, sondern auch Emanzipation, also Verantwortung für das eigene Denken und Handeln zu übernehmen, vorgegebene Weltanschauungen kritisch zu beleuchten, Urteilskraft zu entwickeln und größere Zusammenhänge der Welt zu erkennen. In diesem Diskurs nimmt die Hochschullehre eine Schlüsselposition ein, denn akademische Lehre bedeutet nicht nur den Transfer von Wissen und die Vermittlung von Erkenntnissen, sondern sie nimmt Einfluss auf die sozialen, politischen, ökonomischen aber auch ethischen Haltungen der Studierenden, welche die Gesellschaft im 21.  Jahrhundert maßgeblich mitgestalten. Als Multiplikator*innen wissenschaftlicher Erkenntnisse nehmen Hochschulabsolvent*innen Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen und bestimmen diese mit. So wird die Verbesserung der Qualität und Effizienz der universitären Lehre als eines der Systemziele im Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan 2022-2027 hervorgehoben: „Der gesellschaftliche Wert der hochschulischen Bildung und Ausbildung hängt wesentlich von der Lehre ab, weil Absolventinnen und Absolventen maßgebliche Trägerinnen und Träger des Wissenstransfers von der Hochschule in die Gesellschaft sind“ (BMBWF 2019). Aus diesen Faktoren ergeben sich aber noch eine Reihe weiterer Anforderungen, die im Folgenden näher beleuchtet werden.

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3 Welche Herausforderungen stellen sich an die Hochschullehre? In den vergangenen Jahren hat das Interesse an Hochschullehre zunehmend an Bedeutung gewonnen. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung leistete natürlich die bessere Vergleichbarkeit von Hochschulen durch den BolognaProzess. Gleichzeitig beeinflusst aber auch der entstandene Konkurrenzkampf zwischen den Universitäten und Fachhochschulen, sei es um Studierende, Fördermittel, oder Listenplätze internationaler Rankings, die Bemühungen, die Sichtbarkeit und Qualität der Hochschullehre zu steigern (Lübeck 2009, S. 2).

3.1 Der Stellenwert der Lehre und deren Qualitätssicherung Institutionelle Vorgaben und Rahmenbedingungen spiegeln die organisationale Identität einer Hochschule wider und sind zugleich Orientierungspunkte zur Ausrichtung und Ausgestaltung von Hochschullehre. Die Folgen zeigen sich in der Kontroversität von Forschungsleistungen und Lehranforderungen oder von Wissensgenerierung und Wissensvermittlung (Egger 2012). Lehrende stehen in der Regel vor der Herausforderung, innerhalb struktureller Rahmenbedingungen und mit individuellen Lehrerfahrungen die Spannungen zwischen Wissenschaft und Lehre selbstständig zu überwinden. Auch wenn die Lehre als eine der beiden traditionellen Kernaufgaben der tertiären Weiterbildung auf formaler Ebene gleichwertig mit der Forschung ist, sieht die Realität im gegenwärtigen Hochschulbetrieb anders aus. Während Studierende die Hochschule vor allem als einen Ort der Lehre wahrnehmen, hängen die beruflichen Karrierechancen an Hochschulen nicht von Erfolgen in der Lehre, sondern vielmehr vom persönlichen Impact Factor, den erzielten Forschungsleistungen und eingeworbenen Drittmitteln ab. Ebenso steigt die Reputation der Hochschulen proportional zum Output von qualitativ hochwertiger Forschungstätigkeit, und weniger mit individuell erzielten Lehrerfolgen oder deren Sichtbarkeit. Es ist tatsächlich ein Paradoxon in der tertiären Weiterbildung, sei es an Universitäten oder an Fachhochschulen, dass mit der fachlichen Qualifikation (beispielsweise durch Erfahrungen in der Praxis oder der Wissenschaft) auch die pädagogische Eignung verbunden ist, diese Expertise an Studierende weiterzugeben. Denn die venia docendi, also die Lehrbefugnis an Universitäten, die mit der Habilitationsurkunde erworben wird, wird nicht durch den Nachweis exzellenter Lehrleistung verliehen, sondern aufgrund wissenschaftlicher Qualifikationsarbeit(en), die intensive Forschungs- und Publikationstätigkeit erfordert.

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Während Lehrende sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen zwar zumeist über eine fundierte fachwissenschaftliche Ausbildung oder über einschlägige Erfahrung in der Praxis verfügen, darf nicht davon ausgegangen werden, dass diese auch mit pädagogischen Konzepten vertraut sind (Paetz et al. 2011). Vielmehr müssen didaktische Kompetenzen häufig selbst erarbeitet werden, was mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann (Ulrich 2016, S. 2). Hochschullehrende brauchen nicht nur fachliche, sondern auch didaktische Expertise, denn neben dem Vermitteln von Fachwissen müssen sie fundierte und gut begründete hochschuldidaktische Entscheidungen treffen, um den individuellen Anforderungen und Bedürfnissen der Studierenden gerecht zu werden. Hochschullehre umfasst allerdings sowohl inhaltliche als auch didaktische Expertise, denn die größte wissenschaftliche oder praktische Expertise ist vergeblich, wenn diese nicht studierendenadäquat vermittelt werden kann.

3.2 Sichtbarmachen der Lehre Auch wenn der Weg zur Gleichwertigkeit zwischen Forschung und Lehre noch ein weiter ist, hat die Lehre in den vergangenen Jahren vermehrt Aufmerksamkeit erhalten, und eine Reihe von Maßnahmen zur Sichtbarmachung der Lehre und Steigerung der Lehrqualität wurde ins Leben gerufen. Richtungsweisend sind die von der Hochschulkonferenz (HSK) veröffentlichten Empfehlungen zur „Stärkung der Qualität der hochschulischen Lehre“ (BMBWF 2015), welche festhalten, dass sich die Relevanz der Lehrtätigkeit für eine Hochschulkarriere in Personalauswahlund entwicklungsverfahren widerspiegeln und ein integraler Bestandteil von Entscheidungen in allen Hochschulsektoren sein soll (BMBWF 2015, S. 16). Damit hat sich auch das Anforderungsprofil bei Rekrutierungen verändert. So wird in Berufungsverfahren mittlerweile verstärkt darauf geachtet, die Qualität der Hochschullehre durch zukünftige Angestellte zu sichern, indem nicht nur die fachliche, sondern auch die pädagogische Eignung in den Blick genommen wird. Als Beispiel sei hier das „Teaching Skills Assessment“ der Karl-FranzensUniversität genannt, welches anhand messbarer Kriterien die Bewertung der hochschuldidaktischen Eignung von Bewerber*innen in Berufungsverfahren von Professuren der Universität ermöglicht. Die Auswahl geeigneten Hochschulpersonals an Fachhochschulen ist weniger transparent und österreichweit nicht einheitlich geregelt. Bei Stellenausschreibungen ist im Anforderungsprofil von hauptberuflich Lehrenden auch heute noch zu lesen, dass Lehrerfahrung „erwünscht“ aber nicht verpflichtend nachzuweisen ist. Die pädagogische Eignung wird bei Bewerbungsverfahren an Fachhochschulen vorwiegend durch einen kurzen Fachvortrag und mancherorts auch durch einen Lehrvortrag überprüft.

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Der HSK gehen diese Schritte noch nicht weit genug, zumal die gelebte Praxis sich häufig anders darstellt. Sie fordert daher bei Berufungsverfahren die Lehrleistung in gleichem Maße wie die Forschungsleistung zu bewerten, um ein hohes Niveau in der Lehre sicherzustellen. Zur adäquaten Bewertung der Lehrleistung (und nicht allein der Lehrerfahrung) wird darüber hinaus empfohlen, von den Bewerber*innen Lehrkonzepte bzw. Lehrportfolios einzufordern, und zumindest ein Lehrveranstaltungskonzept für den ausgeschriebenen Lehrbereich vorzulegen (BMBWF 2015, S. 16). Über die Bewertung und Vergleichbarkeit der Lehrqualität gibt es im hochschulischen Diskurs allerdings keine einheitlichen Parameter, nicht zuletzt, weil Hochschulen die Auswahl ihrer Lehrenden unterschiedlich handhaben. Das liegt an den zum Teil sehr unterschiedlichen Anforderungsprofilen von Hochschullehrenden in den einzelnen Bildungseinrichtungen, die sich dementsprechend in den Berufungsverfahren widerspiegeln. Die wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale von Hochschullehrenden an Universität und Fachhochschule umfassen die berufliche Praxis sowie die wissenschaftlichen Leistungen. Während facheinschlägige Berufspraxis außerhalb der Hochschule in den meisten Fachhochschulen für eine Anstellung vorausgesetzt wird, wird diese von Lehrenden an den Universitäten nicht gefordert. Im Gegenzug müssen letztere umfassende wissenschaftliche Leistungen vorweisen, welche für Fachhochschullehrende wiederum nicht zwingend notwendig sind. So sind an Fachhochschulen auch Lehrende tätig, die weder über einen akademischen Abschluss verfügen noch wissenschaftliche Leistungen vorweisen können. Ein weiterer Unterschied liegt im Ausmaß der Lehrverpflichtung, die für Lehrende an Fachhochschulen durchschnittlich höher ist als die von Lehrenden an Universitäten. Im hochschulischen Diskurs herrscht längst Konsens darüber, dass fachliche Kompetenzen und Lehrerfahrungen allein nicht ausreichen, denn Lehre hat „immer auch mit didaktischem Wissen und didaktischer Fantasie zu tun“ (Reinmann 2012, S. 5). Nicht alle in der tertiären Weiterbildung tätigen Lehrenden haben sich je mit den Theorien auseinandergesetzt, die den bekanntesten didaktischen Modellen zugrunde liegen, können Lehrentscheidungen begründen oder durch methodische Vielfalt multiple Zugänge zu einem Thema schaffen (Fahr und Zacherl 2019). Viele Hochschulen haben daher Initiativen zur ­Sichtbarmachung und Verbesserung der Qualität in der Lehre gesetzt. Zu diesen zählen regelmäßig stattfindende Didaktik Veranstaltungen, Vernetzungstreffen oder die Vergabe von Lehrpreisen (auf nationaler Ebene z. B. der „Ars DocendiStaatspreis für exzellente Lehre“), welche besondere Leistungen in der Lehre hervorheben. Eine nennenswerte Initiative ist der von der „Arbeitsgruppe zur Stärkung der Qualität der hochschulischen Lehre“ der HSK ins Leben gerufene „Atlas der Guten Lehre“ (www.gutelehre.at). Die öffentlich zugängliche Inter-

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netplattform dient als Online-Nachschlagewerk mit einer laufend aktualisierten Sammlung von Good Practice Beispielen. Die Plattform soll zum gegenseitigen Informationsaustausch anregen, die Verbesserung der Lehrqualität unterstützen und erfolgreiche Aktivitäten sichtbar machen.

3.3 Professionalisierung der Hochschullehre Hochschullehre bedarf, ebenso wie die Lehre an Schulen, der Professionalisierung durch entsprechende Weiterbildungsprogramme. Ein zentrales Element in der Professionalisierung der Lehre und ein wichtiges Instrument in der Personalentwicklung sind hochschuldidaktische Weiterbildungen (HWB), welche mittlerweile in unterschiedlichem Umfang und Themenbreite an vielen Universitäten und Fachhochschulen zur systematischen Steigerung der Lehrkompetenz fest etabliert sind. Das nachhaltige Potenzial der universitären Strategie ist jedoch fraglich, da insbesondere an Universitäten die Fluktuation sehr hoch ist, und viele der ausgebildeten Wissenschaftler*innen aufgrund kurzfristiger Verträge, prekärer Arbeitsverhältnissen und fehlender Karrierewege relativ bald die Universitäten wieder verlassen müssen (Egger 2012, S. 148). Trotz dieser Hürden auf struktureller Ebene liegt diesen genannten Entwicklungen in der tertiären Weiterbildungslandschaft der allgemeine Konsens an Universitäten und Fachhochschulen zugrunde, dass Lehren erlernbar ist. Hochschuldidaktische Weiterbildungen, welche zumeist über Fakultäts-, Disziplin- und Fachgrenzen hinweg angeboten werden, stellen eine Möglichkeit dar, den Austausch über hochschuldidaktische Professionalisierungsprozesse an Hochschulen anzuregen. Dabei werden Lehrende aufgefordert, die eigene Lehrpraxis zu durchleuchten und zu hinterfragen, mit dem Ziel eine Verbesserung der Prozessqualität zu erwirken. Aus diesem Grund umfassen die Weiterbildungsangebote zumeist auch bildungswissenschaftliche Grundlagen, mit Hilfe derer Lehrende in die Lage versetzt werden, die eigenen Lehrpraktiken, die Rolle und das Selbstverständnis von Hochschullehrenden sowie die eigene Vorstellung von Bildung zu reflektieren. Das Repertoire an hochschuldidaktischen Interventionen ist groß und umfasst kollegiale Hospitationen, Microteaching, Simulationen, Rollenspiele, (Video-) Feedback, Lehrportfolios, u. v. m. Widrige Umstände wie die Vorbereitung der Lehre unter Zeitmangel werden dabei in das Blickfeld genommen, ebenso wie der Umgang mit zu großen Studierendengruppen, Belastung durch Prüfungen, Bewertungsmöglichkeiten, Gruppendynamik, Einbindung und Aktivierung der Studierenden, die Vor- und Nachteile von neuen Medien und deren Anwendungsmöglichkeiten.

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Hochschuldidaktische Weiterbildungen werden aber nicht von allen Lehrenden mit Freude begrüßt. Viele Lehrende empfinden sie als unbequem, anstrengend, und mit viel Aufwand verbunden. Gabi Reinmann spricht sogar von einer „Zumutung für alle Beteiligten“, welche eher „Fluchtreflexe als Tatendrang“ erzeugt (Reinmann 2012, S. 1). Sie argumentiert, dass viele Lehrende hochschuldidaktische Weiterbildungen als persönliche Bevormundung empfinden, denn es „widerspricht dem Expertentum und erarbeiteten Status“ und ist ein „Angriff auf die Autonomie des Wissenschaftlers“ (S. 5). Darüber hinaus ist die Bereitschaft, sich in didaktisches Neuland zu begeben und neue Methoden auszuprobieren, nicht automatisch gegeben und auch immer mit einem gewissen Maß an Risiko und Verunsicherung verbunden. Reinmann (2012) fordert daher, dass hochschuldidaktische Weiterbildungen nicht schulmeisterlich, autoritär und belehrend wirken, sondern als Instrument im Sinne des Coachings verstanden werden sollen (Reinmann 2012, S. 5). Darüber hinaus ist es wichtig, die Beweggründe und Bedürfnisse von Lehrenden ernst zu nehmen, um die Prozessqualität in der Lehre zu verbessern (Kenneweg und Wunderlich 2019). Die Hochschuldidaktische Kompetenzentwicklung ist allerdings nur dann ein sinnvolles Instrument zur systematischen Professionalisierung von Hochschullehre, wenn die strategische Ausrichtung der Hochschule nicht nur wissenschaftliche Leistungen (u. a. Publikationen, Einwerben von Drittmitteln) würdigt, sondern auch besondere Lehrleistungen anerkennt. Zur Darstellung der Lehrleistung braucht es daher weit umfassendere Anreizsysteme als bereits vielerorts etablierte Initiativen wie den Teaching Award oder Zertifikate über abgeschlossene DidaktikVeranstaltungen. Solange es für die Qualität der Lehre in der Wissensbilanz keine Kennzahl gibt, wird die Hochschullehre wie bisher ein eher stiefmütterliches Dasein fristen, denn die Entscheidung zur hochschuldidaktischen Weiterbildung hängt letztendlich immer von den Lehrpersonen und deren individueller Motivationslage und Bereitschaft zur Verbesserung der Lehrqualität ab.

3.4 Digitalisierung in Hochschulen und Mediendidaktik Die Österreichische Forschungsgemeinschaft hat zum Thema „Hochschullehre in Zeiten der Digitalisierung“ (ÖFG 2017) Stellung genommen: Der Trend der Digitalisierung führe zu Veränderungen in technologischen, beruflichen und sozialen Bereichen und damit zu neuen Anforderungen an das Hochschulsystem und deren beteiligte Akteur*innen (ÖFG 2017). Die Diskussion rund um dieses Thema in der Hochschullehre wird von zwei divergierenden

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Positionen beherrscht. Zum einen wird postuliert, dass aufgrund des technischen Wandels ein gesellschaftlicher Transformationsprozess ausgelöst wurde, auf den die verschiedensten Bereiche wie Wirtschaft, Politik und natürlich auch der Bildungssektor reagieren und an dem sich Akteur*innen aktiv beteiligen müssen, schließlich könne man sich diesem Trend nicht entziehen. Zudem tragen Institutionen im tertiären Bildungssektor auch die gesellschaftliche Verantwortung, Studierende mit Kompetenzen für die digitalisierte, berufliche Welt auszustatten, wodurch Hochschullehrende gefordert sind, ihre Lehrveranstaltungen mit digitalen Medien zumindest anzureichern (BMBWF 2018, S. 2). Zum anderen wird in erster Linie im wissenschaftlichen Diskurs angeregt, den Digitalisierungsprozess nicht nur zu thematisieren, sondern auch kritisch zu hinterfragen, und den artikulierten Status Quo nicht einfach unreflektiert anzunehmen (Kühl 2017; Reinmann 2019). Eine differenzierte Betrachtung der zunehmenden Digitalisierung von Hochschulbildung, welche nicht nur die Chancen und Möglichkeiten, sondern auch deren Risiken und Gefahren in den Blick nimmt, wäre hier wünschenswert. Man denke hier beispielsweise an die fehlende digitale Expertise der Lehrenden, juristische Fragen zu Urheberrecht und Datenschutz, mangelhafte digitale Infrastruktur usw. Der Universitätsbericht 2017 fordert daher die Verbreiterung von Curricula durch die verpflichtende Verankerung von Computational Thinking und digitalen Basistechniken in allen Studienrichtungen, und die verpflichtende Auseinandersetzung mit philosophisch-epistemologischen sowie ethischen und rechtlichen Fragestellungen und Technologiefolgenabschätzung in den technisch-naturwissenschaftlichen Studienrichtungen (S. 80). Fest steht, dass diese Herausforderungen kaum im Alleingang zu bewältigen sein werden, sondern sie erfordern einen breit angesetzten und interdisziplinären Dialog verschiedener Fachbereiche wie der Erziehungs- und Sozialwissenschaften, der Informatik, der Hochschul- und Mediendidaktik. Für Hochschullehrende bedeuten diese Entwicklungen eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit neuen Lehr- und Lernszenarien und e-didaktischen Möglichkeiten, denn Lernarrangements können heutzutage sehr vielfältig gestaltet werden. Verschiedene Lernplattformen bieten eine ganze Reihe an medialen Tools wie Wikis, Online Lexika, synchrone Chatrooms, Abstimmungsund Feedbackfunktionen. Daneben bieten computergestützte Lernformate wie online Lernerfolgskontrollen, Tutorials, Computersimulationen, online Zusammenarbeit in Gruppen oder Meinungsaustausch in Diskussionsforen, Chaträumen sehr vielfältige und differenzierte Lernmöglichkeiten. Die effiziente Gestaltung von online Lehr- und Lernprozessen erfordert neben technischer Kompetenz auch fundierte Kenntnisse im Bereich e-Didaktik. So müssen nicht

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nur Präsenz- und Onlinephasen gut aufeinander abgestimmt sein, sondern Hochschullehrende verfügen im Idealfall über fundiertes bildungswissenschaftliches Hintergrundwissen, über Mediendidaktik und vernetztes Lehren und Lernen. Hochschullehrende im digitalen Zeitalter sind zudem gut beraten, sich eingehend mit den Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung auf die Lehre auseinanderzusetzen. Die Aneignung dieser Kompetenzen ist sowohl für erfahrene Hochschullehrende als auch für Berufseinsteiger*innen im Vergleich zur prädigitalen Ära mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Auf institutioneller Ebene sind Hochschulen gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Lehrenden erlauben, digitale Lehrkonzepte bedarfsorientiert zu entwickeln und umzusetzen. Mit der Einführung von Servicestellen für Neue Medien und Lehr- und Lerntechnologien und dem kontinuierlichen Ausbau von Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich mediengestützte Lehre haben tertiäre Weiterbildungsinstitutionen auf die Digitalisierungsprozesse, und insbesondere auf deren Auswirkungen auf Lehr- und Lernprozesse reagiert. Servicestellen für mediengestützte Lehre bieten neben Fortbildungsangeboten auch häufig intensive e-didaktische Beratung und Begleitung, sowohl in Bezug auf die technische Unterstützung als auch hinsichtlich der didaktischen Methoden beim Einsatz neuer Medien. Strategische Bausteine zur Förderung mediengestützter Lehre beinhalten neben der Bereitstellung von adäquater Infrastruktur, Fortbildungs- und Beratungsangeboten auch Aktivitäten zur Vernetzung von Bildungseinrichtungen im tertiären Sektor. Eine Vernetzungsplattform ist der Verein Forum neue Medien in der Lehre Austria (fnma), welche als einzige landesweite und hochschulübergreifende Interessenvertretung im tertiären Bildungsbereich im deutschsprachigen Raum eine Plattform zur Stärkung des interdisziplinären Gedanken- und Erfahrungsaustauschs bietet und einen effizienten Einsatz neuer Medien in der Lehre propagiert.

3.5 Studierendenstrukturen im Wandel Nicht nur das System Hochschule hat sich in den letzten Jahren radikal verändert, sondern auch die Studierenden selbst. Neben der Erhöhung der Studierendenzahlen und Studienangebote ging die Öffnung der Hochschulen mit einer veränderten Studierendenstruktur und verstärkten Diversität der Studierendenpopulation einher (Szczyrba und Treeck 2015; Reinmann 2015; Nairz-Wirth und Feldmann 2018). Obwohl der Hochschulzugang in Österreich im Vergleich zu den meisten anderen Industriestaaten sozial sehr ungleich verteilt ist, und

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die Chancen auf eine erfolgreiche tertiäre Bildungslaufbahn für Personen aus bildungsnahen Elternhäusern doppelt so hoch ist wie für Personen aus bildungsfernen Milieus (OECD 2018), ist der Anteil an nicht-traditionellen Studierenden aufgrund der andauernden Bildungsexpansion im Steigen. Zu nicht-traditionellen Studierenden zählen Studierende mit geringem sozio-ökonomischem Status, ältere Studierende (im Vergleich zur Mehrheit der Studierenden), Studierende mit alternativen Hochschulzugängen (z. B. Studienberechtigungsprüfung, Werkmeisterzeugnis), berufsbegleitend Studierende oder Studierende mit Betreuungsverpflichtungen, Studierende mit Erkrankung und/oder Behinderung, sowie Studierende aus unterschiedlichen Herkunftsländern und/oder mit unterschiedlicher Muttersprache (Nairz-Wirth und Feldmann 2018). Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung aus dem Jahr 2015 haben gezeigt, dass Fachhochschulen eine höhere Rekrutierungsquote bei den bildungsfernen Schichten haben als traditionelle Universitäten (IHS 2016). Die Heterogenität von Studierenden zeigt sich aber auch in ihren individuellen Vorerfahrungen, ihren Lernzugängen, Lernmotivationen und Bildungsbiografien, oder ihren Erwartungen und Vorstellungen von Hochschulbildung an einer Universität oder Fachhochschule. Die wachsende Heterogenität und die veränderten Strukturen der Studierendenschaft stellen Hochschullehrende vor die Herausforderung, didaktisch im Sinne einer heterogenitäts- und diversitätssensiblen Lehre vorzugehen, und dies bei der Planung der Lehrveranstaltung und dem Einsatz von Lehr- und Lernmethoden zu berücksichtigen. Lehrende sind demnach angehalten, ihre Lehrveranstaltungen so zu gestalten, dass Unterschiede nicht nur als Diversität begriffen werden, sondern diese Diversität als Potential und Bereicherung und weniger als Herausforderung verstanden wird (Bonillo 2015, S. 240). Maßgeblich beigetragen zu dieser Entwicklung hat die im Jahr 2017 ins Leben gerufene „Nationale Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung“ (BMBWF 2017). Diese hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 konkrete Maßnahmen für eine breitere Teilhabe auf allen Ebenen (Zugang, Teilhabe, Abschluss) und einen integrativeren Zugang zu Hochschullehre sicherzustellen (BMBWF 2017, S. 55). Eine der wichtigsten Aufgaben der Hochschule ist es demnach, den „Auf- und Ausbau einer sozial inklusiven Kultur“ mit „diversifizierten Lehr- und Lernangeboten, die imstande sind, die Heterogenität der Studierendenschaft sowie die Einbeziehung von unterrepräsentierten Gruppen in die Hochschulbildung als wertvolle Ressource zu begreifen und alle Begabungen zu fördern“ (S. 8). Beispielsweise verfügen nicht-traditionelle Studierende oder berufsbegleitende Studierende über wertvolle Erfahrungen, die als wichtige Ressource in den Lehrveranstaltungen nutzbar gemacht werden kann. Diversitätssensible Lehre bedeutet auch, dass Lehrende

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Bewusstsein und Verständnis für lernrelevante Diversitätsmerkmale wie beispielsweise unterschiedliche Motivationslagen entwickeln müssen. Diese Entwicklungen gehen einher mit der Herausbildung einer zielgruppenspezifischen und vor allem studierendenzentrierten Didaktik und der Gestaltung von Lernarrangements, die sich an der Vermittlung von fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen orientieren. Hochschullehre ist ein kommunikativer Prozess, der auch immer mit bestimmten Interessen und Absichten verknüpft ist. Diese Absichten beziehen sich zumeist auf das Erreichen bestimmter Lernziele. Der Lernerfolg der Studierenden hängt maßgeblich davon ab, wie etwas kommuniziert wird. Wissenschaftskommunikation hat daher auch immer mit rhetorischer Kompetenz zu tun, denn Hochschullehrende müssen in der Lage sein, komplexe Inhalte klar strukturiert, verständlich und ausdrucksstark zu kommunizieren. Darüber hinaus brauchen sie die Fähigkeit, die eigenen Kommunikationsangebote zu variieren, und sich an studentische Anforderungen anzupassen. Kenneweg und Wunderlich (2019) halten fest, wie wichtig die Sensibilisierung für die Pluralität von Wirklichkeitskonstruktionen ist, denn es darf nicht davon ausgegangen werden, dass ein bestimmtes Verhalten der Lehrperson automatisch ein bestimmtes Verhalten der Lernenden erzeugt (S. 107). „Wenn Prozesse gut gelingen sollen, erfordert das einen offenen Umgang mit Erwartungen, eine Neugier darauf, wie andere ihre Wirklichkeit konstruieren, um (…) in einen erkenntnisfördernden Dialog zu treten“ (Kenneweg und Wunderlich 2019, S. 108). Anders ausgedrückt können Lehrende zu einem Lernprozess nur beitragen, diesen aber nicht bestimmen, denn Wissen kann nicht einfach übertragen werden. Was bei den Lernenden ankommt und in welchen bestehenden Referenzrahmen diese Information integriert wird, ist von Person zu Person unterschiedlich und kann nicht von der Lehrperson gesteuert werden. Diese Erkenntnis ist im Hinblick auf die zunehmende Heterogenität der Studierenden von umso größerer Bedeutung.

4 Anforderungen an die Hochschullehre aus der Perspektive von Lehrenden an Universitäten und Fachhochschulen Die beschriebenen institutionellen und gesellschaftlichen Anforderungen und Herausforderungen an die Hochschullehre beeinflussen auf unterschiedlichste Art und Weise die Lehreinstellungen von Hochschullehrenden. Wie aus den Interviews hervorgeht, führt das dazu, dass top-down eingeführte Vorgaben

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individuell wahrgenommen werden und mehr oder weniger in der eigenen Lehrpraxis Berücksichtigung finden. Zu den vorgegebenen Strukturen und Rahmenbedingungen von Hochschullehre kommen auch persönliche Anforderungen, die sich Lehrende aufgrund ihrer eigenen Lehrbiografien und Erfahrungen in hochschulischen Einrichtungen stellen. Es ist daher sinnvoll, bei der Diskussion der Anforderungen an Hochschullehre auch die subjektiven Ansichten der unmittelbar Betroffenen einzubinden. Auf diese Aspekte wird im Folgenden näher eingegangen. Im Rahmen einer explorativen Vorstudie wurden fünf Interviews mit Hochschullehrenden an der Karl-Franzens-Universität Graz und fünf Interviews mit Lehrenden der Fachhochschulen Burgenland und JOANNEUM durchgeführt und unter Zuhilfenahme der Software MaxQDA ausgewertet. In den im April und Mai 2019 durchgeführten Interviews wurden in erster Linie gesellschaftliche, institutionelle und persönliche Anforderungen an die Hochschullehre erörtert. Die zehn interviewten Hochschullehrenden (sechs Männer, vier Frauen) stammen aus verschiedenen fachlichen Disziplinen verschiedener Karrierestufen, von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen (z. B. Praedocs), bis hauptberuflich Fachochschullehrende, Senior Lecturers, Universitätsprofessor*innen und Studiengangsleiter*innen. Die hochschulische Lehrerfahrung reicht von wenigen Monaten bis sechzehn Jahre.

4.1 Was ist gute Hochschullehre? Die Frage nach den Anforderungen an Hochschullehre erfordert die Auseinandersetzung mit der Frage, was überhaupt gute Hochschullehre ist, bzw. wie diese idealerweise aussehen soll. Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten, zumal auch im wissenschaftlichen Diskurs kein Konsens hinsichtlich guter Hochschullehre besteht (Ulrich 2016, S. 42 f.). Auch unter den für diesen Beitrag interviewten Hochschullehrenden herrscht wenig Übereinstimmung darüber, was gute Hochschullehre ausmacht. Gemeinsam ist jedoch allen Aussagen, dass der Fokus auf die Studierenden gerichtet ist: Gute Hochschullehre zeige Studierenden (neue) Möglichkeiten auf, unterstütze sie dabei, ihren Horizont zu erweitern und eröffne ihnen Zugänge zur Wissenschaft. Hochschullehre habe des Weiteren die Aufgabe, Studierenden Möglichkeiten des Austausches mit anderen Studierenden, mit Lehrenden, mit Expert*innen, aber auch mit anderen Hochschulen und Unternehmen anzubieten. Lehrende sehen sich heutzutage nicht selten mit Anforderungen konfrontiert, die abseits traditioneller Wissensvermittlung liegen und weit darüber hinausgehen. Damit wird auch nach sich verändernden

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Lehrendenrollen gefragt, welche in den darauffolgenden Kapiteln noch ausführlich beleuchtet werden. Aus den Interviews geht hervor, dass Lehrende, die sich mit ihrem Rollenverständnis auseinandergesetzt haben (z. B. im Zuge von hochschuldidaktischen Weiterbildungen), eine Veränderung in ihrer Lehrpraxis erfuhren. Sowohl Lehrende mit wenig als auch Lehrende mit umfassender Lehrerfahrung sehen sich mehr und mehr in der Rolle als Lernbegleiter*in oder auch als Mentor*in. Studierende sollen ihre Lernprozesse großteils selbst bestimmen können und damit steht der Lernprozess als solcher und das selbstständige Arbeiten von Studierenden im Mittelpunkt guter Hochschullehre. Damit einher geht auch, dass gute Hochschullehre mit der Einbindung der Erfahrungen und Biografien der Studierenden assoziiert wird, was aufgrund der beschriebenen Veränderungen der Studierendenstrukturen ein wichtiger Faktor innerhalb der Hochschuldidaktik ist, aber auch große Herausforderungen für die Lehrenden mit sich bringt. Zusätzlich zur Rolle der/des Lernbegleiter*in sehen sich viele Lehrende in einer Art Vorbildfunktion. Damit verbunden ist einerseits die Erfüllung formaler Kriterien wie die Bereitstellung gut aufbereiteter Lehrmaterialien und die Gewährleistung von Transparenz hinsichtlich Ablauf, Vorgaben, Richtlinien, Beurteilungskriterien und Erwartungen an die Studierenden. „Und was jetzt auch ein Anspruch ist, ist die Transparenz, also ich schau, dass ich wirklich alles transparent mache. Ich entwickle Lehr-, Lernziele am Anfang für die Lehrveranstaltung allgemein und für die einzelnen Einheiten, (…) und auch bei der Benotung bin ich ganz transparent, also ich gebe vorher bekannt was ich benote, ich gebe die Beurteilungsraster bekannt, sie bekommen auch jeden Arbeitsauftrag zurück mit Feedback, (…) Aber es ist schon anstrengend (…) das durchzuschauen und jedem (…) eine halbe Seite Feedback zu geben, ist halt einfach zeitlich bei einer 20 Stunden Anstellung nicht drinnen. Ich glaube, das ist auch bei 40 Stunden Anstellung nicht drinnen, weil man ja noch andere Sachen zu tun hat. (…)“ (Interview 02, 2019, Universität)

Transparenz im Rahmen von Lehrveranstaltungen ist ein wichtiger Bestandteil guter Lehre. Darin sind sich die meisten interviewten Hochschullehrenden einig. Ebenso wichtig ist es, Studierenden Rückmeldung zu ihren Lernleistungen zu geben. Feedbackmethoden unterstützen Studierende in ihren Lernprozessen, sind aber häufig mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Vielen Lehrenden würden diese zeitlichen Ressourcen fehlen, was sich wiederum negativ auf „gute Lehre“ auswirkt.

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Nicht nur Studierende sollen Feedback über ihre Lernleistungen erhalten, auch Hochschullehrende sollen umgekehrt Rückmeldungen über ihre Lehrpraxis bekommen. Viele Hochschulen ziehen daher Lehrveranstaltungsevaluierungen zur Beurteilung von Lehrleistungen heran. Obwohl Feedback seitens der Studierenden von allen interviewten Personen grundsätzlich als sehr wichtig eingestuft wird, werden die von den Institutionen durchgeführten standardisierten Evaluierungen eher kritisch gesehen. Diese Form der Qualitätssicherung stößt bei vielen Lehrenden auf Ablehnung, schließlich sei dadurch nicht unbedingt nachvollziehbar ob „gute Lehre“ stattgefunden hat, sondern eher, ob die Lehrveranstaltung den Erwartungen der Studierenden entspricht. „Was die Studierenden betrifft, da wünsche ich mir mehr Bewusstsein für das, was du eigentlich machst, bzw. mehr Wertschätzung. Wie gesagt, im Unterricht selber ist das überhaupt kein Problem, aber im Nachhinein schaust du dir dann die Evaluierungen an und denkst dir „OK, wir haben alles miteinander besprochen, sind alles gemeinsam durchgegangen, sie haben alle gesagt super, und es hat ihnen viel gebracht,“ und dann wird man erst schlecht beurteilt. Also eigentlich wünsche ich mir mehr Selbstreflexion bei den Studierenden.“ (Interview 08, 2019, Fachhochschule)

Der Wunsch nach einer objektiven Beurteilung der Lehrveranstaltung seitens der Studierenden wurde in den Interviews zwar mehrmals geäußert, die Interviews haben allerdings gezeigt, dass sich die Erwartungen der Studierenden an die Lehrveranstaltung häufig nicht mit den Anforderungen an die Lehre seitens der Lehrenden und der Institution decken. Die Interviews veranschaulichen unterschiedliche Vorstellungen und Meinungen betreffend „guter Hochschullehre“, welche häufig von fachspezifischen Prägungen, individuellen Präferenzen, Kompetenzen und Vorerfahrungen geprägt sind (Egger 2012, S. 20 ff.). Quindel (2015) fasst in seinem Beitrag die verschiedenen Positionen folgendermaßen zusammen: Gute Lehre ist „weit mehr als die individuelle Kompetenz eines Lehrenden. Sie ist unter anderem von der Heterogenität der Studierenden, den institutionellen Rahmenbedingungen, den jeweiligen fachlichen Inhalten, dem Studiengangskonzept und anderen Faktoren abhängig“ (Quindel 2015, S. 40 f.). Die unterschiedlichen Auffassungen von guter Hochschullehre sind nicht zuletzt auf verschiedene epistemologische Überzeugungen von Hochschulbildungszielen zurückzuführen. Diese Ziele von Hochschulbildung werden auch in den Interviews thematisiert. Die Ergebnisse werden im Folgenden erläutert.

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4.2 Ziele von Hochschulbildung Ebenso wie die Vorstellungen von guter Hochschullehre auseinandergehen, gibt es bei den Lehrenden keinen Konsens über die Ziele von Hochschulbildung. Die Interviewpartner*innen sind sich einig, dass Hochschulbildung in erster Linie darauf abzielt, Wissen, Fähig- und Fertigkeiten zu vermitteln und das Interesse am Fach zu wecken. Unterschiedliche Auffassungen bestehen bei der Frage, inwiefern dieses Wissen, diese Fertigkeiten und Fähigkeiten „praxisorientiert“ bzw. „arbeitsmarktorientiert“ im Sinne von „Employability“ sein sollten: „Die Ziele von allgemeiner Hochschulbildung sind ja, den Studierenden Wissen zu vermitteln, oder, dass die Studierenden sich Fertigkeiten, Fähigkeiten aneignen und Kompetenzen entwickeln, die nicht notwendigerweise auf einen Ziel-Arbeitsmarkt ausgerichtet sind. Also ich bin der Meinung, dass allgemeine Hochschulbildung die Studierenden dazu befähigen sollte, sich flexibel und selbstgesteuert und selbst verantwortlich am Arbeitsmarkt zu positionieren.“ (Interview 01, 2019, Universität)

Diese, und weitere Interviewpartner*innen plädieren für ein breites, umfassendes Bildungsverständnis, welches sich weniger an den Anforderungen des Arbeitsmarktes orientiert, sondern Absolvent*innen befähigt, diesen mitzugestalten und sich dort zu positionieren. Im Gegensatz dazu wird von anderen Hochschullehrenden die rasche Beschäftigungsfähigkeit als primäres Ziel von Hochschulbildung hervorgehoben: „Unsere Zielsetzung ist ganz klar unsere Absolventen und Absolventinnen so auszubilden, dass sie am Arbeitsmarkt mit möglichst wenig Zusatzaufwand so schnell wie möglich produktiv werden können. Also unsere Zielsetzung ist dahingehend auch sehr einfach. Wir wollen Personen ausbilden, die in der Praxis schnell handlungsfähig sind.“ (Interview 06, 2019, Fachhochschule)

Auch viele Studierende verbinden mittlerweile Qualität der Hochschullehre mit dem Grad der angemessenen, beruflichen Orientierung des jeweiligen Studiums bzw. dessen Lehrveranstaltungsinhalte (Quindel 2015, S. 40). Wie eingangs näher ausgeführt, unterscheiden sich auf institutioneller Ebene Universitäten von Fachhochschulen dahingehend, dass erstere den Schwerpunkt auf eine wissenschaftliche Berufsvorbildung legen, während letztere den Anspruch einer Berufsausbildung haben, welche mit einem genauen Berufsbild verbunden und durch einen hohen Praxisbezug gekennzeichnet ist. Unterschiedliche Wertehaltungen und Einstellungen der Hochschullehrenden hinsichtlich der Ziele von Hochschulbildung zeigen sich allerdings nicht nur

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zwischen Lehrenden an Universitäten und an Fachhochschulen, sondern auch in den Ansichten von Lehrenden gleicher Einrichtungen. So äußerte ein*e Fachhochschul-Lehrende*r Kritik an der eng getakteten praxisorientierten Ausrichtung der Fachhochschule, die wenig Wahlmöglichkeiten lässt und zwar „ein Vorteil für die Wirtschaft, aber nicht für die Bildung“ (Interview 06, 2019, Fachhochschule) sei und erklärt weiter: „Bildung ist für mich etwas wesentlich weiter Gestecktes als das, was wir hier an der FH (…) betreiben. Also was wir hier betreiben, da gehen wir schon sehr stark in Richtung einer Ausbildung würd ich jetzt mal sagen, also ein ganz spezifisches Hinarbeiten auf ein Berufsfeld“ (Interview 06, 2019, Fachhochschule.)

Die Spannbreite der Ziele von Hochschulbildung reicht von der Vermittlung von hochspezialisierten und auf den Arbeitsmarkt zugeschnittenen Inhalten bis zur Vermittlung von Inhalten, die zu einem erweiterten Verständnis des Fachs führen sollen. „Weil die Tiefe zu vermitteln braucht enorm viel Vorwissen, und um das Vorwissen einmal den Studierenden mitzugeben braucht es viel Zeit, und die haben wir nicht. (…) Deswegen ist es in der Lehre wichtig, glaube ich, dass man die Zusammenhänge erklärt und einfach Breite darstellt und das hat wieder meiner Meinung nach mit der Persönlichkeit der Lehrenden zu tun.“ (Interview 01, 2019, Universität)

Unabhängig von der jeweiligen Auslegung der Ziele von Bildung sind sich die Interviewpartner*innen einig, dass eine der Hauptaufgaben von Hochschullehre darin besteht, aktuelles Wissen an Studierende so weiterzugeben, dass dieses im Sinne eines Theorie-Praxis-Transfers angewendet werden kann. Die unterschiedlichen Ansichten lassen sich in drei Gruppen unterteilen: entweder handle es sich erstens bei Hochschulbildung nicht nur um Bildung, sondern auch um Ausbildung, oder ist es zweitens vorrangig eine Ausbildung, aber weil diese an einer universitären Einrichtung stattfinde, „geht es eben auch um mehr“ (Interview 10, 2019, Fachhochschule). Drittens wird die Position vertreten, dass beide Felder nicht getrennt voneinander betrachtet werden sollten, sondern „Bildung und Ausbildung muss (sic!) zusammen sein“ (Interview 09, 2019, Fachhochschule).

4.3 Zusammenspiel von Forschung und Lehre Im Unterschied zur allgemeinen Didaktik und der Didaktik wie sie an Schulen praktiziert wird, beinhaltet Hochschuldidaktik auch die Vermittlung akademischer

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Kompetenzen und die Berücksichtigung wissenschaftlicher Forschung in der Gestaltung der Lehr- und Lernarrangements (Reinmann 2015). Demnach verfolgt die Hochschuldidaktik das Ziel dem Ideal „der Bildung (…) ebenso wie der Wissenschaft“ (Reinmann 2015, S. 3) zu dienen. Das viel diskutierte Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Praxis und/oder Forschung und Lehre (u. a. Egger 2012; Bonillo 2015; Ferrin et al. 2015; Jenert et al. 2019) ist zum einen zurückzuführen auf institutionelle Strukturen, Strategien, Ziele und Schwerpunkte der verschiedenen Hochschulen, zum anderen auf die beschriebenen Reformen im Bologna-Prozess und gesellschaftlichen Entwicklungen wie der zunehmenden Digitalisierung (Reinmann 2018, S. 188). Ähnlich wie schon in der Studie von Egger (2012) wurden auch in den hier durchgeführten Interviews unterschiedliche Perspektiven bezüglich des Zusammenspiels von Forschung und Lehre thematisiert. Zum einen, wenn es darum geht zu begründen, wie sich Hochschulbildung von Schulbildung unterscheidet. Dabei wird Forschung als zentrales Kriterium genannt und die Bedeutung der wissenschaftsbasierten Wissensvermittlung in der Lehre, sowie Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis in den Lehrveranstaltungen betont. „Sprache. (…) Mir ist es wichtig, die Studierenden zu sensibilisieren für ein gewisses Vokabular. Wissenschaftssprache, Begrifflichkeiten, dass sie da differenziert mit Begriffen umgehen und da nicht gleich alles so einfach verwenden, wie sie glauben, dass es richtig wäre, sondern auch sich Gedanken machen, was ein Begriff oder ein Konzept bedeutet. Und, dass sie, auch wenn sie präsentieren oder schreiben (…), dass diese Wissenschaftssprache auch da drinnen ist, ich glaube das unterscheidet die Universität auch von anderen Bildungseinrichtungen.“ (Interview 01, 2019, Universität)

Zum anderen geht es darum herauszufinden, wie Lehrveranstaltungen als Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Praxis dienen und auch als Raum begriffen werden können, wo Forschung und Lehre aufeinandertreffen und wechselseitig in Beziehung gesetzt werden. „Forschung heißt natürlich auch kreative, geistige Herausforderung. Und ohne geht’s auch nicht. Also, das muss eine Hochschule von einer Mittelschule unterscheiden, dass die Leute in der Forschung aktiv sind. Das Ausmaß kann man diskutieren, aber Hochschullehre ohne Forschung sollte es eigentlich nicht geben.“ (Interview 09, 2019, Fachhochschule)

Reinmann (2018) beschreibt in ihrem Beitrag „Die Rolle der Forschung für eine zukunftsorientierte Gestaltung der universitären Lehre“ (S. 187) das Verhältnis zwischen Bildungsphilosophie und verschiedenen Forschungszugängen.

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Forschung und Praxis sind demnach komplementär und dementsprechend unterschiedlich in der Lehre einsetzbar bzw. tragen unterschiedlich dazu bei, die Lehre zu gestalten. Die Autorin weist explizit darauf hin, dass „ohne gemeinsam getragene Sinnhorizonte (…) alle (…) Forschungstypen stets affirmativ, reflexartig und/oder unreflektiert einfach nur auf das (…) reagieren, was von außen auf die Universität einströmt“ (S. 198). Dieser Transfer muss nicht unbedingt von Hochschullehrenden initiiert werden. Wie in diesem Artikel bereits ausgeführt, hat sich die Hochschulbildung dahingehend verändert, dass dieser Transfer Teil des Lebenslangen Lernens ist und damit auch Studierende, die durch berufliche Tätigkeiten Praxisbezüge in die Lehrveranstaltung mitbringen, in die Verantwortung nimmt. Dass dies eine Möglichkeit des akademischen Wissenstransfers in die Praxis ist, konnte im Rahmen einer Studie nachgewiesen werden. Studierende zeigen demnach eine hohe Bereitschaft, eigene Praxisbezüge zu den Lehrveranstaltungsinhalten herzustellen (Ferrin et al. 2015). Dennoch ist die Forderung nach mehr Praxisbezug an Universitäten für Lehrende mit Schwierigkeiten und teilweise unüberwindbaren Hürden verbunden. So ging aus den Interviews hervor, dass vor allem jenen, die wissenschaftliche Karrierewege eingeschlagen haben, oft vorgeworfen wird, dass sie mit typischen Berufen zukünftiger Absolvent*innen kaum Anknüpfungspunkte haben. „Naja es beeinflusst die Lehre insofern, als dass die Studierenden ja auch das mitbekommen und Forderungen an uns stellen, die oft schwer einzulösen sind. (…) Also ich kann über viele Dinge der Praxis gar nichts sagen, weil ich da nie war. Ich kenne die Praxis in großen Teilen nur über Dritte vermittelt, von Tagungen, von Besprechungen, von Interviews, von Erhebungen oder Sonstiges. (…). Und diese Forderung kann ich einfach nicht erfüllen.“ (Interview 01, 2019, Universität)

Personen, die auch beruflichen Tätigkeiten nachgehen, die den zukünftigen Berufsrealitäten von Studierenden näher sind, tun sich hier vermutlich leichter, Bezüge zur Praxis herzustellen, haben aber ebenso mit Herausforderungen wie beispielsweise der zeitlichen Organisation von Paralleljobs zu kämpfen. „Ich würde beides nicht aufgeben wollen, weil mir beides Spaß macht und es auch wichtig ist, dass man auch einen Fuß in der Forschung hat, und auch den Kontakt mit den Firmen draußen hat, die diese Thematiken anwenden. (…) Und es ist halt organisatorisch so, dass es dann gewisse Rückschritte gibt oder man nicht 100% alles so machen kann, wie man sich das vorstellt, aber mit dem lebt man.“ (Interview 05, 2019, Fachhochschule)

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Lehre und Forschung sind aufeinander bezogene Tätigkeiten und deren Verknüpfung stellt für Hochschullehrende eine didaktische Herausforderung dar. Institutionelle Rahmenbedingungen, zeitliche Ressourcen und Prioritätensetzung führen noch immer häufig dazu, dass Lehre und Forschung keine Einheit bilden, sondern ein Paralleldasein fristen. Dies zu überwinden scheint zum einen in der Verantwortung der Institutionen, die mit ihren Vorgaben, Strategien und Zielen die Grundlage für Lehre bilden, zu liegen, zum anderen an den einzelnen Lehrenden selbst. Die „Einheit von Lehre und Forschung“ (Tremp 2005, S. 340) war schon bei Humboldt ein wesentliches Ziel seiner Reform und ist auch ein wesentlicher Bestandteil des Bologna Prozesses. Hochschulen arbeiten mit und durch Wissenschaft, was diese auch von anderen Bildungseinrichtungen unterscheidet: „Für den Lehrenden bedeutete dies die Verpflichtung, sein Programm so vorzustellen und durchzuführen, dass der forschende Blick auf das Thema immer deutlich blieb“ (Brinckmann et al. 2002, S. 21, zitiert nach Tremp 2005, S. 340).

4.4 Kritisches Denken und Reflexionsfähigkeit Ein erklärtes Ziel der tertiären Weiterbildung liegt seit Humboldt nicht nur bei der Vermittlung von Wissen, sondern auch beim kritischen Umgang damit (Jahn 2012, 2013; Kruse 2010). Nicht nur in der deutschsprachigen Lehr- und Lernforschung fehlt Konsens darüber, wie kritischer Umgang mit Wissen gelehrt, gelernt und didaktisch sinnvoll gefördert werden kann, und welche Kriterien, Methoden oder Konzepte dabei zur Anwendung kommen (Jahn 2019). Auch im angelsächsischen Raum, wo kritisches Denken im Bildungskontext eine lange Tradition aufweist, werden eine ganze Reihe von unterschiedlichen Konzepten wie higher-order thinking (Williams 2003), reflective thinking (Dewey 2010), complex critical thinking (Kincheloe 2004), etc. unter dem Deckmantel „kritisches Denken“ zusammengefasst (Kincheloe 2004). Eine detaillierte Darstellung der einzelnen Konzepte überschreitet den Rahmen dieses Beitrags, dennoch kann festgestellt werden, dass die konzeptionellen Übereinkünfte größer sind als die Unterschiede. So liegt der Schwerpunkt des kritischen Denkens in der Bewusstmachung und Evaluierung von Annahmen, die als Grundlage für das tägliche Handeln und Urteilen dienen (Brookfield 2019; Jahn 2019). Es gilt also „eine kritische Haltung gegenüber Annahmen zu entwickeln und diese Annahmen durch eine wissenschaftliche Haltung in Frage zu stellen“ (Fahr und Zacherl 2019, S. 290). Unter den interviewten Hochschullehrenden herrscht breiter Konsens darüber, dass die wissenschaftliche Haltung immer auch eine kritische Haltung ist und

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dem tertiären Bildungssektor eine besondere Verantwortung zukommt, diese zu fördern: „Ich glaube, dass es auch ganz wichtig ist so eine kritische konstruktive Auseinandersetzung mit Inhalten, die vielleicht in anderen Ausbildungen nicht so gelernt oder gelehrt wird. (…) Den Raum muss es geben, sich ausprobieren zu können, weil es gibt keine Experten, die von Anfang an Expertinnen waren und ich glaube, dass das ganz wichtig ist so eine gute Atmosphäre zu schaffen, (…) dass so eine kritische Auseinandersetzung, Diskussion auf jeden Fall ermöglicht wird und, dass nicht alles als gut befunden werden muss.“ (Interview 03, 2019, Universität)

Die Hochschule wird hier als Raum zum Experimentieren verstanden, der Studierenden die Gelegenheit bietet, Sachverhalte systematisch zu hinterfragen, andere Perspektiven einzunehmen, sich auszuprobieren und Neues zu denken. Letztendlich geht es darum, einen Sachverhalt oder einen Themenbereich in seiner Komplexität zu erfassen und die Methoden, die zum aktuellen Wissenstand geführt haben, zu hinterfragen. Dabei muss stets bedacht werden, dass der Weg zu einem vertieften Verständnis eines Gegenstandes immer länger, und die Methoden immer differenzierter werden, und dass der aktuelle Erkenntnisstand nicht der letztmögliche Erkenntnisstand ist (Fahr und Zacherl 2019). Der Raum zum Experimentieren bietet sich demnach nicht nur für Studierende, sondern auch für Lehrende. Hochschullehrende verfügen über die in Artikel 17 des österreichischen Staatsgrundgesetzes gesetzlich verankerte akademische Freiheit in der Lehre. Diese Freiheit erfordert von Hochschullehrenden ein hohes Maß an Reflexionsfähigkeit, nicht nur in Bezug auf die eigene Rolle als Lehrende*r, sondern auch auf die Wissenschaft, deren Grenzen und die zu vermittelnden Inhalte selbst. „Die Lehre auch als Raum zu sehen, wo man sich mit Dingen auch auseinandersetzen kann. Das heißt, ich schau natürlich zu welchem Thema auch immer, dass es quasi den aktuellen Diskussionsstand widerspiegelt, ich schau aber auch natürlich, dass ich meine Forschung da mithineinnehmen kann, dieser forschende Zugang auch in dieser grundsätzlichen Wissensproduktion auch natürlich wichtig ist. Also so ein Grundverständnis zu entwickeln, Dinge nicht einfach als gegeben hinzunehmen, weil das halt irgendwer sagt, sondern auch das zu hinterfragen. Da sind wir dann wieder vielleicht bei dieser kritischen, reflexiven Haltung, die (…) gerade in unserem Feld eine Schlüsselqualifikation ist.“ (Interview 04, 2019, Universität)

Kritisches Denken rückt daher auch stets den (selbst-)reflexiven Bezug des Denkens in den Mittelpunkt. Kritische Hochschullehrende sind stets gefordert, den aktuellen Wissensstand, deren größere Auswirkungen auf die Gesellschaft

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und die Methoden, die zu den Erkenntnissen geführt haben, zu hinterfragen, denn „erst eine selbstreflexiv gewordene Wissenschaft wird ihrem eigenen Begriff gerecht“ (Fahr und Zacherl 2019, S. 283). Sie sind aber auch gefordert, einen kritischen Blick auf ihr lehrbezogenes Handlungsrepertoire und die eigene Lehrkultur zu werfen, implizit gelebte Überzeugungen und Selbstverständlichkeiten explizit zu machen, und die eigene Vorstellung davon, was gute Lehre eigentlich ist, einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Um die blinden Flecken der eigenen Lehrpraxis zu analysieren und diskutieren, müssen diese zuallererst wahrgenommen und bewusst gemacht werden. In diesem Zusammenhang spielt hochschuldidaktische Weiterbildung eine zentrale Rolle, da diese u. a. darauf abzielt, die Selbstreflexionsfähigkeit der Lehrenden zu fördern, sodass diese eine kritische Distanz zur eigenen Lehre gewinnen können. Erst durch diese kritische Distanz können sie die eigene Lehrtätigkeit reflektieren, Handlungsmuster erkennen und die eigenen Stärken und Schwächen ins Blickfeld rücken und analysieren. Für kritisches Denken ist aber nicht nur die (Selbst-) Reflexion zentral, auch der kommunikative Austausch mit anderen ist elementar für kritischen Erkenntnisgewinn. Oft werden erst in der Interaktion mit anderen implizit gelebte und zumeist auf Bewertungsimpulsen basierte Überzeugungen und Hypothesen wahrgenommen und infrage gestellt. Wenn wir in einem Gespräch erkennen, dass wir eine völlig andere Sicht auf ein Thema oder eine Erfahrung haben als unsere Gesprächspartner*innen, treten die unterschiedlichsten Perspektiven und dahinterliegenden Annahmen zum Vorschein. In der Auseinandersetzung mit anderen Vorannahmen und Wahrnehmungsmustern wird es möglich, die eigenen Denkgewohnheiten zu erkennen, zu erweitern oder zu verändern. Eine der effektivsten Methoden zur Förderung kritischen Denkens ist die Diskussion (Brookfield 2019, S. 150), deren Bedeutung in der Hochschullehre auch in den Interviews mehrmals thematisiert wurde: „Also mein Selbstverständnis ist eher nicht das, Monologe zu halten, (…) sondern eher stärker auch in die Diskussion zu gehen und dann aber auch zu schauen, welche Themen sind für die Studierenden wichtig, aber auch damit zu arbeiten und gleichzeitig aber auch die Reflexion anzuleiten, weil es das einfach auch braucht.“ (Interview 04, 2019, Universität)

Bei einer Didaktik des kritischen Denkens nehmen Lehrende eine Schlüsselfunktion wahr, denn Diskussionen müssen gezielt moderiert werden, um kritisches Denken zu fördern. Brookfield (2019) warnt vor schlecht geführten Diskussionen, denn diese können weit vom Thema abschweifen, als manipulativ

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empfunden werden, oder Studierende ungehört oder geschmäht zurücklassen (S. 150). Für Hochschullehrende ist das mitunter herausfordernd, denn der Verlauf von Diskussionen ist kaum vorhersehbar, schwer planbar und immer ergebnisoffen. Es kann daher nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass Hochschullehrende, die zwar Expert*innen in ihren Fachdisziplinen sind, gleichzeitig auch über die kommunikative und (selbst-) reflexive Kompetenz verfügen, Studierende durch einen kritisch-dialektischen Diskurs zu begleiten. Zudem ist der viel geforderte Übergang von lehr- zu lernzentrierten Unterrichtssettings in vielen Köpfen noch nicht angekommen, wie Fahr und Zacherl (2019) in ihrem Beitrag über Hochschullehre und Reflexion resümieren. Sie beschreiben, dass insbesondere Lehrende technischer Studiengänge, denen das Seminar als Unterrichtsform weniger bekannt ist, die Diskussionen und Reflexionen im Zuge von hochschuldidaktischen Weiterbildungen häufig als befremdlich, ineffizient und möglicherweise sogar als Zeitverschwendung und daher frustrierend wahrnehmen. Da am Ende einer Diskussion kein fertiges Produkt, kein Rechenergebnis, oder durchgeführtes Experiment steht, müssen sie „vorerst mit einer gewissen Ergebnisoffenheit umgehen können und sich damit abfinden, dass ihnen am Ende des Tages keine universelle Strategie präsentiert wird, die aufgegriffen und genutzt werden kann“ (Fahr und Zacherl 2019, S. 295). Die über die Jahre verfestigten Traditionen von lehrzentrierten Unterrichtsformaten drücken sich auch in gewissen Erwartungen auf Studierendenseite aus. So wird für Studierende das passive Konsumieren von lehrzentrierten Lehrveranstaltungen häufig zur Selbstverständlichkeit, und wird mitunter sogar eingefordert (Fahr und Zacherl 2019). Genauso wenig, wie man Selbstreflexionskompetenz von Lehrenden voraussetzen kann, ist die Bereitschaft Studierender immer gegeben, sich auf Reflexionsprozesse einzulassen. Daher muss ausreichend Zeit eingeplant werden, Studierende auch dahingehend zu sensibilisieren, dass kritische Reflexionsfähigkeit als überfachliche Persönlichkeitsentwicklung ein fundamentales Kernziel tertiärer Weiterbildung ist.

4.5 Heterogenität der Studierendengruppen Wie eingangs berichtet haben gesellschaftlich-strukturelle Veränderungen der letzten Jahre auch zu Veränderungen innerhalb der Studierendenstrukturen an Hochschulen geführt. Die Beachtung der studentischen Vielfalt im europäischen Hochschulraum ist nicht zuletzt der sozialen Dimension der Bologna Reform

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geschuldet, welche einen Kernbereich der Reform darstellt (Peschke 2019, S. 138 f.). Was als grundsätzlich positiv in Hinblick auf den derzeit noch sozial ungleich verteilten Hochschulzugang in Österreich (vgl. Kapitel Studierendenstrukturen im Wandel) gesehen werden kann, bringt auch enorme Herausforderungen für den Lehralltag an Hochschulen mit sich. Nicht nur für Einsteiger*innen, sondern auch für erfahrene Hochschullehrende können heterogene Studierendengruppen eine große Herausforderung sein. Insbesondere auch an Universitäten, an denen einzelne Lehrende nicht nur in Vorlesungen einer hohen Anzahl an Studierenden gegenüberstehen, können Faktoren wie Altersunterschiede, Erwerbs- und Familienstatus, soziale Hintergründe, körperlich benachteiligte Studierende und Studierende mit Migrationshintergrund die didaktischen Fähigkeiten vieler Lehrender überschreiten. Beispielsweise kann Lehre in berufsbegleitenden Studiengängen und der Umgang mit berufstätigen Studierenden besonders herausfordernd sein: „Gerade bei den berufsbegleitenden Studierenden ist es extrem herausfordernd, gute Lehre zu machen. Nicht jetzt im fachlichen Sinne, sondern mehr aus didaktischer Sicht. Weil wenn die am Freitag am Abend eine 50 Stunden Woche hinter sich haben und du musst sie am Freitag um halb 9 am Abend noch irgendwie abholen, mit einem reinen Monolog schafft man das nicht.“ (Interview 10, 2019, Fachhochschule)

Für andere wiederum stellen unterschiedliche soziale Hintergründe, internationale Biografien, oder Behinderungen von Studierenden Schwierigkeiten bei der Gestaltung von Lehrveranstaltungen dar (siehe dazu auch Egger 2012, S. 95 f.). Das reicht von der Integration älterer Studierender in die Gruppe, der Entwicklung von Aufgabenstellungen für behinderte Studierende bis hin zur Leistungsbeurteilungen von Studierenden mit wenig Deutschkenntnissen (Incomings, ERASMUS-Studierende, Studierende mit Migrationshintergrund). Ada Pellert (2018) ist der Ansicht, dass die „wissensbasierte moderne Gesellschaft impliziert, dass Lebenslanges Lernen zu einer Notwendigkeit für alle Bevölkerungsteile wird“ (S. 101). Den demografischen Entwicklungen entsprechend befinden sich Personen im erwerbsfähigen Alter im Laufe ihres Lebens mehrmals in „wiederkehrenden Bildungsphasen“ (S. 101). Gesellschaftliche Herausforderungen (Migration, Klima, Digitalisierung) erfordern die Weiterentwicklung des persönlichen Wissensstandes bis ins hohe Alter, um den Anforderungen am Arbeitsmarkt und des gesellschaftlichen Zusammenlebens aufrechterhalten zu können. Diese Entwicklungen sind an Hochschulen und

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mittlerweile auch in den einzelnen Lehrveranstaltungen von Hochschullehrenden spürbar. „Das ist jetzt nicht nur darauf bezogen, dass die Studierendenorientierungen sich verändert haben, sondern auch die Zusammensetzung selbst verändert sich. Also wir haben nicht mehr so die Vollzeitstudierenden, sondern eben Studierende die arbeiten, Familien gründen, auch Mehrfachstudien haben. Das muss man auch dazu sagen, ja das wirkt sich sicher auch aus auf das Setting selbst.“ (Interview 04, 2019, Universität)

Auffällig ist für Hochschullehrende vor allem die generationenübergreifende Zusammensetzung der Studierendengruppen. Viele Lehrveranstaltungen werden von Studierenden unterschiedlichen Alters besucht, die dementsprechend stark variierende Erfahrungen und Vorwissen mitbringen. Lehrende haben hier die herausfordernde Aufgabe, Studierende dort abzuholen, wo sie „gerade stehen“, und ihnen die Aneignung neuen Wissens und dessen praktische Umsetzung zu ermöglichen. „Und dann kommen immer mehr auch ältere Kursteilnehmer, also externe, was für die hochschulische Lehre auch bedeutet, dass ich vielleicht auch 60- oder 70-Jährige gut integrieren muss in die Gruppe, ganz anders als Mitte 20-Jährige.“ (Interview 07, 2019, Fachhochschule)

Die didaktische Konzeption und Methodenwahl der Lehrveranstaltung zur Erreichung der curricular festgelegten Lehrziele, aber auch um den Erwartungen der Studierenden und der Institution gerecht zu werden, ist häufig mit beträchtlichem Mehraufwand verbunden. Dabei spielen vor allem die didaktischen Fähigkeiten und Kenntnisse der Lehrenden eine wichtige Rolle, denn so wie es ein Interiviewpartner ausdrückte, „die aktuelle Generation kann mit dem Klischee der Tweet-tragenden Vortragenden, die vorne in der ersten Reihe am Rednerpult stehen, nichts mehr anfangen“ (Interview 06, 2019, Fachhochschule). Die Verantwortung für eine diversitätsorientierte Lehrkultur obliegt allerdings nicht allein den Lehrenden. Auch die notwendigen institutionellen Rahmenbedingungen müssen vorhanden sein, um sich einer reinen „Homogenisierungslogik“ (Spelsberg-Papazoglou 2017, S. 29, 41) zu widersetzen. Dementsprechend sind auch wieder hochschuldidaktische Weiterbildungszentren gefragt, Lehrenden die dafür notwendigen Fortbildungsmöglichkeiten anzubieten und sie dabei zu unterstützen, qualitätsvolle Lehre umzusetzen.

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5 Fazit und Ausblick Die Struktur und Strategie des österreichischen Hochschulwesens, insbesondere die Akademisierungsbestrebungen der letzten Jahre, haben Einfluss auf die Hochschullehre, die Hochschullehrenden und deren didaktische Zugänge genommen. Neben höheren Studierendenzahlen in Seminaren und Vorlesungen, heterogenen Studierendengruppen, bedingt u. a. durch demographische Entwicklungen und nicht-traditionelle Zugänge zur Hochschulbildung, wirkt sich auch die Entstehung unzähliger neuer berufsbezogener Studiengänge und tertiärer Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten auf diverse Hochschulbildungsreformen aus. Diese Reformen, welche eingebettet sind in breitere gesellschaftliche Entwicklungen hin zu einer neoliberal geprägten Konkurrenzwirtschaft, haben zur Ökonomisierung des Hochschulbereichs beigetragen, was sich wiederum in der Forderung, Bildung müsse einem ökonomischen Zweck dienen, niederschlägt. Die Bedeutung der Theorie-Praxis-Verknüpfung von Hochschullehre ist keinesfalls von der Hand zu weisen, ebenso wenig wie die Tatsache, dass ein Hochschulstudium gute Arbeitsplatzchancen ermöglichen soll. Damit Hochschullehre aber ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden kann, und sich den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen (u. a. Digitalisierung der Lebensbereiche, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, Klima- und Umweltprobleme, Migrationsbewegungen) zuwenden kann, muss sie mehr leisten, als die kompetenzorientierten Bologna-Vorgaben zu erfüllen. Sowohl für Hochschulen als auch für die Gesellschaft selbst, in deren Auftrag Lehre und Forschung letztendlich stattfindet, ist ein theoretischer, praktischer und realitätsnaher Dialog notwendig, um Wissen, Ressourcen und Fähigkeiten auszutauschen und in weiterer Folge gesellschaftliche Herausforderungen bewältigen zu können. Hochschullehre hat hier die bedeutungsvolle Aufgabe, kritisches und wissenschaftliches Denken zu fördern. Durch die kollektive Einsicht in die Notwendigkeit der kritischen Auseinandersetzung mit Wissen, Wertvorstellungen und Weltanschauungen kann ein überfachlicher Kompetenzerwerb und mündige Bürgerschaft ermöglicht werden. Für Hochschulen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen haben sich in den letzten Jahren neue Möglichkeiten und Formen der Kooperation entwickelt, die diesem gesellschaftlichen Anspruch entgegenkommen. Für die Hochschullehre scheint diesbezüglich vor allem die Lehrform „Service Learning“ (Hochschulnetzwerk Bildung durch Verantwortung e. V. 2013, S. 4) eine wichtige Funktion zu erfüllen. Gesellschaftlich relevante Problemstellungen werden gemeinsam mit Studierenden und Lehrenden im Rahmen von Lehrveranstaltungen bearbeitet.

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Neben fachlichen Kompetenzen von Hochschullehrenden spielt hierbei auch das mehr oder weniger aufgebrachte zivilgesellschaftliche Engagement von Hochschullehrenden eine wichtige Rolle. Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung an Hochschulen zeigt sich nicht nur in Lehre und Forschung, sondern auch in der allgemeinen Ausrichtung der Universitäten und Fachhochschulen und ihren Überlegungen zur Gestaltung der Hochschule der Zukunft (z. B. „Die nachhaltige Universität“). Sowohl die veränderten strukturellen Rahmenbedingungen als auch die (Weiter-) Entwicklung des Verantwortungsbereichs in Hinblick auf gesellschaftliche Herausforderungen von Hochschulen haben die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Professionalisierungsstrategie für die Hochschullehre aufgezeigt. Dementsprechend hat auch der Aspekt der Qualitätssicherung der Lehre an Aufmerksamkeit gewonnen. Qualitätssichernde Maßnahmen werden zunehmend eingesetzt und reichen von Lehrveranstaltungsevaluierungen, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, bis zu Lehrpraktika und der Erstellung von Lehrportfolios. Hochschullehrenden wird damit nicht nur die Möglichkeit geboten, ihre Lehre zu verbessern, auch das Bewusstsein für gute Hochschullehre wird geschärft. Anzumerken ist jedoch, dass nicht nur der Verantwortungsbereich, sondern auch der Aufwand für die Vor- und Nachbereitung der Lehre gestiegen ist. Darüber hinaus stehen vor allem Lehrende an Fachhochschulen den Evaluierungen von Lehrveranstaltungen kritisch gegenüber, da deren Ergebnisse Einfluss auf deren Lehrkarriere nehmen, und negative Evaluierungen zu einem Verlust des Lehrauftrags führen können. Angesichts der größtenteils prekären Beschäftigungsverhältnisse wird Hochschullehre hier zur dauerhaften Bewährungsprobe. Ein bedeutendes Instrument zur Erhöhung der Lehrqualität und der Professionalisierung der Lehre stellen die hochschuldidaktischen Weiterbildungsmöglichkeiten dar. Das Angebot dazu hat in den letzten Jahren enorm zugenommen, während der Stellenwert der Lehre besonders im Vergleich zum dem der Forschung kaum zugenommen hat. Damit die hochschuldidaktische Kompetenzentwicklung ein nachhaltiges Instrument der systematischen Professionalisierung von Hochschullehre darstellt, ist die Förderung von weiteren Maßnahmen (z. B. Lehrpreisen) zur Anerkennung von Lehrleistungen sicherlich auch zukünftig notwendig und wünschenswert. Die Entwicklung des hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildungsangebotes richtet sich u. a. auch nach den aktuellen und zukünftigen Anforderungen an die Hochschullehre und die Herausforderungen mit denen Lehrende diesbezüglich konfrontiert werden. Neben den genannten institutionellen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Ansprüchen spielen vor allem lehralltagsrelevante Faktoren

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wie Studierendenheterogenität, Studierendenzahlen, Diversität und Inklusion, Verbindung von Theorie und Praxis, Einsatz von digitalen Medien eine zentrale Rolle. Nicht immer gibt es seitens der Institution Unterstützung, wenn Lehrende mit diesen Themen konfrontiert werden. Oft liegt es an ihrem persönlichen Engagement, sich alternative Lehrszenarien zu überlegen und Methoden anzueignen, die ihnen dabei helfen, ihre Lehrziele zu erreichen. Für die Lehrstrategie von Universitäten und Fachhochschulen bedeutet dies, Lehrenden mehr Raum für individuelle Kompetenzerweiterung zu ermöglichen und sie nicht in ein hochschuldidaktisches Weiterbildungskorsett zu zwängen. Die Entwicklung von studierendenzentrierten Lehrmethoden ist ein kreativer Prozess, der neben unterstützenden Rahmenbedingungen auch Gestaltungsfreiraum und das Sammeln von Erfahrungswerten benötigt. Im Rahmen dieses Beitrags wurden die Anforderungen an die Hochschullehre ergänzend aus der Perspektive der Lehrenden analysiert. Dafür wurden zwölf qualitative Leitfadeninterviews mit Lehrenden an Universitäten und Fachhochschulen durchgeführt. Es zeigte sich, dass ein großer Handlungsbedarf darin besteht, die Rahmenbedingungen von Lehre zu verbessern und Lehrenden in der Ausübung ihrer Tätigkeit Ressourcen und Unterstützung zukommen zu lassen, die es ihnen ermöglichen „gute Lehre“ anzubieten. Zu den Rahmenbedingungen zählen u. a. die Aufwertung der Lehre im universitären Bereich, denn ohne diese wird Lehre immer eine Randerscheinung von Forschung und Universität bleiben. Zudem würde die Förderung informeller und non-formaler Austauschmöglichkeiten zu aktuellen Lehrthemen im Zuge von beispielsweise MentoringProzessen, Lehrende bei der Gestaltung ihrer Lehre unterstützen (Egger 2012, S. 153). Eine Weiterentwicklung des Evaluierungssystems von Hochschullehre, indem auch die Perspektive von Lehrenden und nicht nur jene der Studierenden einbezogen wird, könnte eine Möglichkeit sein die Qualitätsentwicklung von Lehre zu fördern und in weiterer Folge Lehrende motivieren ihre hochschuldidaktischen Kompetenzen zu erweitern und sich mit neuen Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Lehrveranstaltungen auseinanderzusetzen.

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Pädagogische Professionalisierung und Aneignung von Lehrkompetenz Entwicklungen, Rahmenbedingungen und Herausforderungen Gudrun Salmhofer Zusammenfassung

Europäische und nationale Entwicklungen haben nicht nur die Bedeutung der Lehre, sondern auch die Anforderungen an die Lehrenden verändert. Unter dem Schlagwort der „Qualität der Lehre“ rücken dabei zunehmend die Lehrkompetenz und Fragen der Professionalisierung in den Fokus. Was professionelle hochschulische Lehre ausmacht, wie diese entwickelt wird, wodurch und von wem die Entwicklung unterstützt werden kann, wird einer näheren Betrachtung unterzogen. Dazu werden sowohl die theoretischen Begrifflichkeiten hinterfragt als auch praktische Anwendungsbereiche präsentiert und diskutiert. Um eine nachhaltige Veränderung des Lehr- und Lernverhaltens an Hochschulen zu erreichen und damit die Qualität der Lehre zu befördern, greifen viele der gegenwärtigen Angebote zur Weiterentwicklung der individuellen Lehrkompetenz jedenfalls zu kurz. Vielmehr bedarf es einer stärkeren Verschränkung von Lehr- und Organisationsentwicklung und ein Hinterfragen bestehender hochschuldidaktischer Angebote.

G. Salmhofer (*)  Universität Graz, Graz, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_4

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1 Steigende Aufmerksamkeit für die Lehre: Entwicklungen und Trends Die europäische Bildungslandschaft ist im Wandel begriffen und stellt Universitäten vor große Herausforderungen: Bildungsexpansion und Massenuniversität, der Bologna-Prozess, der auch nach zwanzig Jahren noch nicht abgeschlossen ist und weit mehr als nur eine strukturelle Reform ist, beschäftigt die Hochschulen nachhaltig. Neue technologische Errungenschaften und der digitale Wandel sind Entwicklungen, die gegenwärtig stark in den Fokus von Strategiediskussionen gerückt sind. Die Diversifizierung und Ausdifferenzierung einzelner Studien prägen seit geraumer Zeit das Studienangebot und schaffen so einen noch nie da gewesenen Wettbewerb, der sich in Zukunft noch verstärken wird und neue Ambivalenzen schafft. Ansprüche nach höherem Arbeitsmarktbezug stehen einer unmittelbar verwertbaren Wissenschaft und der Ablehnung der Ökonomisierung der Bildung gegenüber (Elzholz 2019). Den Rahmen für diese Entwicklung bildet eine entsprechende nationale Gesetzgebung wie auch die Frage der Bildungsfinanzierung, welche gleichzeitig die Rolle einer (externen) Qualitätssicherung stärkt. Daneben sind die großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit wie Migrationsbewegungen, das Erstarken des Rechtspopulismus in Europa und das Hinterfragen demokratischer Grundrechte Themen, mit denen sich Universitäten auseinanderzusetzen haben. Diese Entwicklungen und Trends tragen zu einer Reflexion und einer Neujustierung der Ziele akademischer Bildung bei und rücken sukzessive die Lehre, deren Bedeutung in den letzten fünfzig Jahren wechselhafte Konjunkturen durchlaufen hat,1 (wieder) stärker in den Blick. Mit der höheren Aufmerksamkeit, die der Lehre entgegengebracht wird, geht die Frage nach der Entwicklung von hochschuldidaktischer Professionalisierung einher, die zunehmend Teil des Diskurses in der Hochschulentwicklung wird. Blickt man in die Vergangenheit, so lässt sich für Deutschland, aber auch für Österreich, eine erste Blüte der Hochschuldidaktik in den 1970er Jahren konstatieren. Das Pendel schlägt bald darauf jedoch wieder in die entgegengesetzte Richtung aus und so kam es im Zuge des in den 1980er Jahren aufkommenden New Public Management wieder zu einer Marginalisierung der Hochschuldidaktik. Staatliche Regulierung und Inputsteuerung wurden dabei von

1Zur

Geschichte und den Potenzialen der Hochschuldidaktik in Zusammenhang mit der Hochschulentwicklung vgl. z. B. Wildt (2013), Berendt (2011).

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Deregulierung und Outputsteuerung abgelöst. Fragen nach Qualität der Bildung und Ausbildung führten zu einer Entwicklung von Kennzahlen und Indikatoren, die auch die Lehre betreffen und heute noch relevant sind. Der Messung von Qualität kommt fortan höhere Wichtigkeit zu. In Österreich wurden etwa seit den 1990er Jahren Evaluationsstellen aufgebaut, um zunächst Lehrveranstaltungsevaluierungen durchzuführen. In Deutschland etablierten sich in dieser Zeit bereits externe Evaluations- und Akkreditierungsagenturen, deren Prüfbereiche stark auf die Lehre („Studiengangsakkreditierungen“) ausgerichtet waren. Mit der studierendenzentrierten Bologna-Reform, die Ende der 1990er Jahre ins Leben gerufen wurde, rückte die Lehre noch stärker ins Zentrum. Jorzik (2011) ist wohl recht zu geben, wenn sie konstatiert, dass der „im Zuge des Bologna Prozesses postulierte shift from teaching to learning (…) zwar keinesfalls überall vollzogen [ist], in jedem Fall führte er aber zu einer Rückbesinnung auf die (Qualität der) Lehre. (…) Wie auch immer man zum BolognaProzess stehen und seine Wirkungen beurteilen mag: Er hat sich als vorzügliches Vehikel erwiesen, um die Beschäftigung mit Fragen der Lehre aus dem Abseits der Hochschuldidaktik heraus in die Mitte der Hochschulen und den wissenschaftlichen Fokus zu holen“ (S. 16)

In Österreich waren es einerseits die Forderungen aus dem Bologna Prozess sowie das österreichische Universitätsgesetz 2002, welche Einfluss auf die Weiterentwicklung von Studien und Lehre nahmen. Im „Windschatten und parallel zur Bologna-Reform“ (Elzholz 2019, S. 9) gewann auch die Hochschuldidaktik wieder verstärkte Aufmerksamkeit. Der Bedeutungszuwachs der Hochschuldidaktik, die sich in Weiterbildung und Beratung auf das akademische Personal bezieht, ist aber keineswegs friktionsfrei zu sehen und bringt eine Reihe von Ambivalenzen mit sich. Mit der Erweiterung des Aufgabenspektrums werden neue Positionen2 etabliert, die im Spannungsfeld zwischen dem akademischen Bereich und der Verwaltung agieren. Als „bedürfnisnaher Support“ erwirbt sich die Hochschuldidaktik damit einerseits ihre Berechtigung, wird aber andererseits als „verlängerter Arm des Managements im akademischen Bereich wahrgenommen“ (Wildt 2013, S. 38).

2Zur

Anerkennung der Rolle der so genannten „Third Space Professionals“ siehe Whitchurch (2010).

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Elsholz (2019) macht in Zusammenhang mit den wahrgenommenen Aufgaben der Hochschuldidaktik in den vergangenen zwanzig Jahren3 im Bereich der Entwicklung von Lehrkompetenz und der Weiterbildung von Lehrenden darauf aufmerksam, dass diese sehr einseitig gewesen sei, weil dabei andere Aspekte hochschulischer Lehre, wie etwa curriculare Fragen, kaum in den Blick genommen wurden. Gegenwärtig scheint sich aber eine „Grenzöffnung“ hin zu anderen Aufgabenbereichen und Disziplinen anzubahnen, wie es einschlägige Veranstaltungen und Tagungen4 erwarten lassen. Das Interesse an der Lehre und in der Folge auch der Hochschuldidaktik firmiert dabei oftmals unter dem Schlagwort „Qualität der Lehre“. Der Lehrkompetenz wird in diesem Zusammenhang ein wesentlicher Einfluss eingeräumt (Merkt 2016). Daneben erleben wir eine Entwicklung hin zu einer verstärkten Evidenzbasierung. Die Frage der Wirksamkeit (des Impacts) von Maßnahmen, welche empirisch belegt werden soll, nimmt dabei einen zentralen Stellenwert ein. Im Hinblick auf die Situation an österreichischen Universitäten konstatiert Egger (2016) jedoch, dass die Parameter der Beschäftigung mit der Qualität der Lehre vor allem „unter den abwehrenden Auspizien einer Bewältigung von Massenstudiengängen, der Erreichung von Regelstudienzeiten, der Vermeidung von Studienabbrüchen, der Forcierung ‚günstiger‘ E-Learning-Einsätze zu sehen“ (S. 29) ist. Der Hochschuldidaktik kommt eine Rolle zu, diesen Herausforderungen konstruktiv und im Sinne der jeweiligen politischen Vorgaben auf nationaler wie auch institutioneller Ebene zu begegnen. Die Beschäftigung mit der Hochschuldidaktik steht demnach unter den Vorzeichen der Nützlichkeit und der Problemlösung. Diese heilsbringende Erwartung an die Hochschuldidaktik, die gekoppelt ist mit der raschen Lösung von gegenwärtigen Herausforderungen, lässt sich aktuell in der Umsetzung der Universitätenfinanzierung5 beobachten, die im Kern auf die Studien- bzw. Prüfungsaktivität der Studierenden zielt.

3Dieser

Zeitraum mag auf Deutschland zutreffen, in Österreich ist die Beschäftigung mit Fragen der Lehrkompetenz im hochschulischen Bereich aufgrund unterschiedlicher Gegebenheiten (fehlende Strukturen und Fachbereiche, keine entsprechende Projektfinanzierung etc.) meist erst zeitverzögert zu beobachten. 4Insbesondere die Bereiche Lehr-/Curricula-Entwicklung und Qualitätssicherung scheinen eine neue Allianz mit der Hochschuldidaktik eingehen zu wollen. Vgl. z. B. die Workshops auf der dghd 2019 in Leipzig. Vgl. auch Pohlenz (2014), Brahm et al. (2016). 5Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die Umsetzung der kapazitätsorientierten, studierendenbezogenen Universitätsfinanzierung (Universitätsfinanzierungsverordnung – UniFinV) StF: BGBl. II Nr. 202/2018.

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Die Aktivität der Studierenden innerhalb eines Studiums wird durch diese Verordnung zu einem budgetrelevanten Indikator. Um die Aktivität der Studierenden zu erhöhen und damit den Indikator zu erfüllen, werden verschiedene Maßnahmen ins Leben gerufen, von denen man sich eine positive Beeinflussung der Studienaktivität verspricht.6 Neben einer Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Erweiterung der Angebote zur Studienorientierung und Unterstützung bei der Studienwahl, werden auch Lehrveranstaltungen einer näheren Betrachtung unterzogen und Lehrende sind angehalten, ihren Beitrag zur Erhöhung der Prüfungsaktivität zu leisten. In dem Zusammenhang entsinnt man sich des Nutzens der Hochschuldidaktik, die als ein relevanter Ansatzpunkt zur Unterstützung der Zielerreichung ausfindig gemacht wurde: Die Professionalisierung beim Erwerb und der Weiterentwicklung von Lehrkompetenz wird zum zentralen Handlungsgegenstand. Welche Hürden, Hindernisse und Grenzen zu überwinden sein werden, bevor sich der von der Hochschuldidaktik erwartete „Nutzen“ entfalten kann, ob das überhaupt eingelöst werden kann, was Professionalisierung dabei bedeutet und welche Rahmenbedingungen es braucht, möchte ich im Folgenden behandeln.

2 Lehre im Fokus von Professionalisierungsstrategien 2.1 Hochschuldidaktik im Kontext organisationaler Rahmenbedingungen Die oben beschriebenen Entwicklungen machen deutlich, dass in den vergangenen Jahrzehnten sowohl der Lehre und als auch der Hochschuldidaktik verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Das „Wachsen der hochschuldidaktischen Community“ (Scholkmann et al. 2018, S. 11) ist in allen deutschsprachigen Ländern zu beobachten. An vielen Institutionen im tertiären Bereich entstanden und entstehen Zentren für Hochschuldidaktik und Lehrentwicklung, die jedoch meist eine starke Serviceorientierung im Sinne einer professionalisierten Dienstleistung (Beratung, Reflexion, Instruktion) inne

6„Prüfungsaktiv

sind Studien, wenn positive Studienerfolge im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten oder acht Semesterwochenstunden im Studienjahr erzielt wurden.“ (WIBI 2016, S. 86).

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haben.7 Es hat also eine gewisse „Institutionalisierung“ stattgefunden, die jedoch im Hinblick auf die Tiefen- und Breitenwirkung der Hochschuldidaktik nicht uneingeschränkt zufriedenstellend ist. Bevor in der Folge auf Aspekte der Professionalisierung auf institutioneller und individueller Ebene eingegangen wird und Forschungsergebnisse zur Aneignung und Entwicklung von Lehrkompetenz präsentiert werden, soll der Rahmen abgesteckt werden, in dem diese Entwicklungen vonstatten gehen. Diese Rahmung macht zum einen indirekt die hinderlichen Faktoren für eine wirksame Institutionalisierung deutlich, zum anderen zeigt sie mögliche Ansatzpunkte, wie dieser konstruktiv begegnet werden kann. Gabi Reinmann (2017) stellt einige kritische Überlegungen dazu an, warum die „Erfolgsgeschichte Hochschuldidaktik“ nicht nur ein Grund zum Jubeln ist und diskutiert Hindernisse für eine tatsächliche Institutionalisierung. Sie moniert, dass die damit verbundenen Begrifflichkeiten Institutionalisierung, Organisationswerdung und Professionalisierung nicht immer semantisch präzise verwendet werden. Basierend auf der These, dass die Hochschuldidaktik mehreren Zielen gleichzeitig dienen soll, obwohl ihre Aufgaben divers sind, plädiert sie für eine Differenzierung der Entwicklung und Verstetigung der Hochschuldidaktik, die sie als „institutionalisierte Disziplin, als professionalisierter Service und als enkulturierter Teil von Wissenschaft“ (Reinmann 2017, S. 6–7) verstanden wissen will. Diese drei Bereiche sollten strukturell getrennt und funktional in ihrem Verhältnis behandelt werden. Die Zukunft der Hochschuldidaktik sieht sie erstens in der Institutionalisierung als Disziplin und in der Verankerung der bildungswissenschaftlichen Forschungslandschaft. Zweitens ist die Professionalisierung der Hochschuldidaktik als Service organisational zu etablieren. Als dieses lässt sie sich seit einiger Zeit schon als Profession dem wissenschaftsnahen Third Space zuordnen und umfasst Dienstleistungen wie Information, Beratung, Coaching, Weiterbildung wie auch die Übernahme neuer, formal-administrativer Aufgaben für die Lehre. Drittens sollte die Hochschuldidaktik als integraler Bestandteil

7So

scheint es an Fachhochschulen aufgrund ihrer Organisationslogik von jeher eine größere Offenheit gegenüber der Hochschuldidaktik zu geben, weshalb es vielerorts gut funktionierende Einheiten gibt (z. B. FH St. Pölten, FH OÖ, FH Joanneum, FH CAMPUS 02 etc.). An Universitäten etablieren sich hochschuldidaktische Einrichtungen langsamer. Oft sind sie neben der Beschäftigung mit Themen der Hochschuldidaktik auch mit anderen Aufgaben betraut: z. B. Center for Teaching and Learning an der Universität Wien, Teaching and Learning Academy an der WU Wien, Zentrum für Lehrkompetenz an der Universität Graz, wo es seit 2016 mit Prof. Rudolf Egger österreichweit die einzige universitäre Professur für Hochschuldidaktik gibt.

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von Wissenschaft in die Disziplinen gebracht werden, womit sie Bestandteil der fachwissenschaftlichen Kultur wird, deren Funktionsweisen sie nunmehr unterliegt. Diese drei genannten „Qualitäten in der Entwicklung und Versteigung der Hochschuldidaktik“ (Reinmann 2017, S. 5), nämlich als Disziplin, als Service und als Teil von Wissenschaft, sind zunächst getrennt voneinander zu entwickeln und danach miteinander in Bezug zu setzen. Die Institutionalisierung der Hochschuldidaktik als wissenschaftliche, theorie- und evidenzbasierte Disziplin bildet die Grundlage für die Akzeptanz hochschuldidaktischer Dienstleistungen bei Lehrenden. Über die unbedingte Forschungsbasierung der Hochschuldidaktik herrscht im Wesentlichen Einigkeit, nicht nur aus Akzeptanzgründen bei den Wissenschafter*innen. Wie viele andere hat auch Wildt immer wieder auf diese Wichtigkeit hingewiesen und formuliert es so: „Eine Hochschuldidaktik, die nicht an wissenschaftliche Diskurse angeschlossen und in der Lage ist, Forschung in ihrem Arbeitsgebiet zu generieren, läuft Gefahr inhaltlich ‚auszubluten‘“ (Wildt 2013, S. 48). Ein weiterer wesentlicher Schlüssel zum Erfolg, der jedoch noch nicht gefunden ist, stellt für Reinmann (2017) die Enkulturation der Hochschuldidaktik im Sinne einer Wissenschaftsdidaktik dar. Die Auseinandersetzung mit der akademischen Lehre und dem didaktischen Handeln wird dabei nicht als Anspruch von außen erlebt, sondern kann identitätsstiftend innerhalb der fachwissenschaftlichen Kultur erfolgen. Die Professionalisierung der Hochschuldidaktik wurde allein schon durch die Zunahme der diversen Aufgaben, mit denen die Universitäten konfrontiert und die in ihrer Komplexität stark gestiegen sind, notwendig. Eine professionelle Unterstützung Lehrender ist vor diesem Hintergrund mehr als notwendig und sollte als Dienstleistung erfolgen, die didaktische Erkenntnisse aus Theorie und Empirie interpretiert und eng mit der Forschung kooperiert. Das bedeutet ein bewussteres und offenes Aufeinander-Zugehen und ein konstruktives Bearbeiten der vorhandenen Schnittstellen. Reinmanns Thesen sind gut nachvollziehbar und zeigen, wie den unterschiedlichen Ansprüchen, die an die Hochschuldidaktik herangetragen werden, konstruktiv begegnet werden kann. Institutionalisierung und Professionalisierung bedeutet in dem Zusammenhang zunächst die getrennte Bearbeitung und Entwicklung der verschiedenen Stränge, weil es nicht möglich ist, die komplexen und oft nicht miteinander zu vereinbarenden Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten. Über diese Handlungs- und Gestaltungsebene hinaus sollte die institutionelle Einbettung der Hochschuldidaktik berücksichtigt werden. Elsholz (2019) erweitert das Spektrum der Hochschuldidaktik im Hinblick auf die stärkere Involvierung in Fragen der Studien- und Curriculaentwicklung und weist nachdrücklich darauf

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hin, dass sich wirksame Hochschuldidaktik unabdingbar mit Fragen der Hochschulentwicklung auseinanderzusetzen habe. Er versteht sie nicht nur als Aufgabe der beteiligten Wissenschafter*innen, sondern essentiell als Aufgabe der Hochschulleitung.8 Dass eine nachhaltige Wirkung in der Weiterentwicklung des Lehrens und Lernens im Sinne einer „pädagogischen Hochschulentwicklung“ (Euler 2016) nur durch eine Verzahnung der individuellen Kompetenzentwicklung der Lehrenden mit der curricularen Entwicklung und der Organisationsentwicklung geschehen kann, darauf verweist auch Euler. Sein Modell für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Hochschullehre und Gestaltung pädagogischer Veränderungsprozesse besteht aus drei Ebenen, die in Interdependenzen zueinander stehen: • Ebene der Lernumgebungen: Kompetenzentwicklung der Lehrenden und Studierenden und – damit verbunden – Gestaltung von Lehr-/Lernumgebungen und Kursen, • Ebene der Studienprogramme: Gestaltung von Profil und Zusammenwirken der Kurse in einem Studiengang, • Ebene der Organisation: Gestaltung der strukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen der Lehre an der Hochschule. Initiativen, die operativ primär auf der individuellen Ebene ansetzen, müssen, um eine Wirkung auf die Qualitätsentwicklung von Lehre und Studium zu entfalten, auch die Gestaltung erfolgskritischer Rahmenbedingungen auf der curricularen und/ oder organisationalen Ebene in den Blick nehmen (Brahm et al. 2016). Das Konzept zielt auf eine Qualitätsentwicklung in der Lehre ab und verbindet verschiedene Stränge der Lehr- und Organisationsentwicklung an Hochschulen miteinander. Allein an der individuellen (Weiter-)Entwicklung von Lehrenden anzusetzen, wie dies an zahlreichen Hochschulen geschieht, greift zu kurz. Eine nachhaltige Institutionalisierung der Hochschuldidaktik und eine Professionalisierung der Lehrenden betrifft immer die gesamte Organisation, muss unterschiedliche Kontexte berücksichtigen, Ziele definieren und diese miteinander verhandeln. Die Komplexität der Herausforderungen macht eine Verankerung auf unterschiedlichen Ebenen nötig. Von übergeordneter Relevanz sind dafür jedenfalls strategische Ziele für Lehre und Studium, die den Rahmen für die jeweiligen Ebenen abstecken.

8Zu

Aufgaben der Governance und Fragen des Hochschulmanagements und Hochschullehre im Spannungsfeld von Organisation und Individuum vgl. auch Becker et al. (2012).

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2.2 Professionstheoretische Verortung der Hochschuldidaktik Der Frage der Professionalisierung9 der Hochschuldidaktik wurde in den letzten Jahren schon häufiger nachgespürt. Professionalisierung erfolgt dabei in einem doppelten Sinn: Eine Professionalisierung von Lehrenden ist ohne eine Professionalisierung von Personen (im Third Space), die hochschuldidaktische Weiterbildungen planen, abhalten und evaluieren, nicht durchführbar (vgl. dazu Rhein 2016; Hodapp und Nittel 2018). Auch wenn der Begriff der Profession im Text weiter oben schon gefallen ist, muss der Definition von Hochschuldidaktik als Profession, wie Hodapp und Nittel (2018) basierend auf einschlägigen theoretischen Grundlagentexten (Hughes 1993; Schütze 1996; Stichweh 1996) gezeigt haben, eine Abfuhr erteilt werden, weil etwa die Frage der Exklusivität des berufspraktischen Zugriffs nicht gegeben ist. Demnach beansprucht jede*r Professor*in aufgrund des persönlichen Status über eine gewisse Expertise in Vermittlungsfragen des eigenen Fachs. Es lässt sich auch keine Deutungshoheit ausmachen, was gute oder schlechte universitäre Lehre sei. Ebenso kann für die Hochschuldidaktik keine einzelne Bezugsdisziplin ausgemacht werden, sondern sie hat stark interdisziplinären Charakter. Darüber hinaus spricht gegen den Professionsbezug der Hochschuldidaktik, dass die postulierte „Freiheit von Forschung und Lehre“ die Autonomie der Hochschuldidaktik einschränkt und die Position einer Leitprofession im Wissenschaftssystem bereits mit Professor*innen besetzt ist (Hodapp und Nittel 2018). Dennoch kommen gewisse Prozesse der Professionalisierung zum Tragen und es lässt sich eine Erzeugung von Professionalisierung im Sinne einer gekonnten Beruflichkeit ausmachen. Dieser Zustand der Beruflichkeit ist jedoch sehr störanfällig, muss interaktiv erzeugt und aufrechterhalten werden und erfordert ein hohes Maß an Reflexivität und ­Begründungsfähigkeit

9Ein

allgemeiner Diskurs über Professionalisierung im Hochschulbereich wird seit einigen Jahren geführt (vgl. z. B. Urban und Meister 2010) – Eine diesbezügliche Auseinandersetzung betrifft auch die Hochschuldidaktik. Zu den Anfängen siehe Wildt et al. (2003). So wurde etwa die Jahrestagung der dghd 2013 diesem Thema gewidmet. Das gestiegene Interesse spiegelt sich auch in der Vielzahl an Literatur zum Thema: z. B. Schneider (2010): Pädagogische Professionalisierung in der universitären Lehrer- und Lehrerinnenausbildung; Heiner und Wildt (2013) (Hrsg.): Professionalisierung der Lehre; Merkt et al. (Hrsg.) (2016): Professionalisierung der Hochschuldidaktik; Hodapp und Nittel (2018): Zur Professionalisierung der Hochschuldidaktik; Stolz und Bücker (2018): Hochschuldidaktische Professionalität. Etc.

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seitens des jeweiligen Akteurs bzw. der Akteurin. Die hinter dem Begriff Professionalität steckende Kernaussage lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: „Ich weiß, was ich tue, ich kann darüber sprechen, es anderen mitteilen und begründen“ (2018, S. 81). Dieses professionelle Tun bzw. Handeln ist immer auch kontext- und situationsgebunden. „Professionalität ist nicht an die soziale Form der Profession gebunden, sondern beschreibt die besondere Qualität einer personenbezogenen Dienstleistung“, wie Hodapp und Nittel (2018, S. 81) verdeutlichen. Professionalisierung bedeutet, dass Mitglieder des jeweiligen sozialen Umfeldes über einen bestimmten Zeitverlauf eine Zunahme an Autonomie und Souveränität über die Belange des eigenen Berufs erlangen. Eine individuelle Professionalisierung stellt dabei den personengebundenen Prozess einer beruflichen Kompetenzentwicklung dar, die durch den Status quo bzw. der Dynamik der kollektiven Professionalisierung determiniert wird. Eine kollektive Professionalisierung weist viele Affinitäten zu sozialen Bewegungen auf und ist von bestimmten gesellschaftlich erzeugten Mechanismen abhängig. Idealtypisch ist der Prozess kollektiver Professionalisierung von Mechanismen wie Akademisierung, Verberuflichung, Verrechtlichung, Institutionalisierung oder Verwissenschaftlichung geprägt (Hodapp und Nittel 2018). Konkrete Realisierung erfahren diese Mechanismen etwa in der Etablierung wissenschaftlicher Lehrgänge an Hochschulen,10 in einer berufsspezifischen Netzwerkbildung, in der Herausbildung eines kanonisierten Berufsbildes, in der Verstetigung von Organisationsstrukturen und durch die finanzielle Absicherung. In Anlehnung an Rhein (2016) lässt sich Professionalität als eine auf das Handlungsfeld bezogene und durch dessen Eigenlogik geforderte Artikulationsform einer Tätigkeit beschreiben, die sich durch spezifische Attribute auszeichnet. Zu diesen spezifischen Attributen gehören die Relevanzstruktur des Handlungsfeldes („keine Jedermanns-Tätigkeit“), die Gütekriterien des Tätigkeitsvollzugs („Qualität“), der Rückgriff auf eine spezifische Wissens- und Könnensordnung („Expertise“) sowie die Reflexivität in Zusammenhang mit dem Eigen-Sinn des Handlungsfeldes. Professionalität unterscheidet sich nach Rhein als transpersonale Artikulationsform von professionellem Handeln als personaler Artikulationsform, die sich im sachkundigen Verrichten bei spezifischer und an ausgewiesenen Maßstäben orientierter Qualität unter expliziter Orientierung an den strukturbedingten Anforderungen des Handlungsfeldes darstellt (Rhein 2016).

10Für

die Hochschuldidaktik z. B. der Master Higher Education.

Pädagogische Professionalisierung und Aneignung von Lehrkompetenz

65

Unterzieht man hochschuldidaktische Professionalität einer näheren Betrachtung, also die Professionalität derjenigen, die in Dienstleistungs- und Serviceeinrichtungen begleiten und beraten, so gehören nach Stolz und Bücker (2018, S. 100) u. a. die „Fähigkeit zwischen Theorie und Praxis zu vermitteln sowie die individuelle und kollektive Handlungspraxis zu reflektieren“ zu einem notwendigen Handlungsrepertoire dieser Personen, die in einem komplexen Umfeld agieren. Als Merkmal und gleichzeitig auch Herausforderung bei der Vermittlung hochschuldidaktischer Expertise in die Praxis universitären Lehrens und Lernens ist die Differenz der unterschiedlichen Wissensformen zu sehen. Diese sind nach Stolz und Bücker (2018): a) hochschuldidaktisches Expert*innenwissen, b) praktisches Handlungswissen der Lehrenden, c) Rahmenbedingungen der konkreten Lehrpraxis. Die verschiedenen Wissensformen verlangen ständige Aushandlungsprozesse sowie einen Dialog zwischen den Hochschuldidaktiker*innen und den Lehrenden. Widerstände, Skepsis und Ambivalenzen sind dabei immanente Bestandteile einer Arbeitsbeziehung, die die Grundlage für einen gemeinsamen Transformationsprozess universitären Lehrens und Lernens darstellt. Hochschuldidaktische Professionalität präsentiert sich vor diesem Hintergrund als „Fähigkeit, ein und denselben Gegenstand aus unterschiedlichem Blickwinkel, unter Nutzung andersgelagerter Rationalitätsmuster anzuschauen und mit divergierenden, ja widersprüchlichen Wissens- und Urteilsformen souverän umzugehen. Produktiv umzugehen bedeutet, die damit verbundenen Ambiguitäten nicht nur auszuhalten, sondern sie produktiv zu nutzen“ (Nittel 2000, S. 82).

Diesen Standpunkt greift Rhein (2019) auf, wenn er darauf hinweist, dass Hochschuldidaktik aber nicht nur pädagogische, sondern auch wissenschaftsreflexive Perspektiven ausdrückt. Er streicht ihre Nähe zur Hochschul- und Wissenschaftsforschung heraus, da die Spezifik der Hochschuldidaktik gerade darin besteht, kognitives Lernen in epistemisches Lernen zu transformieren, also nicht nur Kenntnisse zu vermitteln, sondern Erkenntnisse anzuleiten. Grundsätzlich lassen sich zwei unterschiedliche Zugänge zur Professionalität unterscheiden: Auf der einen Seite beschäftigt sich der kompetenztheoretische Zugang damit, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten der bzw. die Rollenträger*in zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, also zum professionellen Lehrhandeln, benötigt. Der differenztheoretische Ansatz geht auf der anderen Seite von nur

66

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schwer aufzulösenden Spannungen innerhalb der heterogenen und ambivalenten Anforderungsstruktur der lehrenden Wissenschafter*innen aus, der Zielkonflikte innewohnen.11 Aus der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Ziele Forschung und Lehre resultieren Spannungen, die dadurch verschärft werden, dass weitere Ansprüche (wie Verwaltung, Einwerben von Drittmitteln) adressiert werden (Kloke und Krücken 2012). Der Hochschuldidaktik fällt damit auch die Aufgabe zu, das wissenschaftliche Personal in der Reflexion der widersprüchlichen Erwartungen und Ziele zu unterstützen. Was aber ist nun unter Professionalität der Lehrenden und professionellem Lehren zu verstehen? Professionalität der Hochschullehre basiert nach Rhein (2016) auf einem reflexiv-aufgeklärten Verhältnis zu den Bedingungsfaktoren hochschulischen Lehrhandelns, bei dem insbesondere folgende Kriterien wirksam werden: • eine zugrunde gelegte Idee von Hochschulbildung, • der Modus der Pädagogisierung wissenschaftlicher Lehre, • die immanente Strukturlogik von Lehr- und Lernsituationen. Strukturtheoretischer Professionskonzepte zufolge erscheint Lehren nicht als einsamer Akt einer mit Kompetenzen ausgestatteten Lehrperson, sondern Lehren selbst wird in komplexen sozialen Einbettungen hervorgebracht, in denen sich die Lehrkonzepte erst zu bewähren haben (Helsper 2011, zitiert nach Rhein 2016). Lehren lässt sich demnach nicht standardisieren, weil immer mit einer „Fallspezifik“ zu rechnen ist, die sich aus den unterschiedlichen Vorkenntnissen der Studierenden und ihren konkreten Motivlagen ergibt. Lehren ist sozial konstituiert und in seiner Form nur lose an die Intention des oder der Lehrenden gekoppelt. Demnach erzeugt nicht die oder der Lehrende das Lehren, sondern es erscheint als Resultat seiner „Lokalisierung und Formierung in sozialen Kontexten“ (Rhein 2016, S. 108). Der pädagogische Anspruch professionellen Lehrhandelns kann dann eingelöst werden, wenn die Erfordernisse des studentischen Lernens miteinbezogen werden. Wissenschaftliche Lehrinhalte

11Universitäten

sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Leistungsfähigkeit auf dem Nebeneinander einzelner Teilsysteme mit unterschiedlichen Funktions- und Ordnungsprinzipien beruht. Lose gekoppelte Systeme zeichnen sich durch ein Fehlen von zentraler Regulation und Koordination aus sowie durch ein Fehlen eines umfassenden Kontrollsystems. Das hat zur Folge, dass Zielkonflikte in Universitäten weitgehend dezentral, d. h. auf Ebene der Fakultäten oder auch des einzelnen Individuums, bewältigt werden (Becker et al. 2012).

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des Studiums sollen demnach so aufbereitet und thematisiert werden, dass sie Räume für eine aktive Teilhabe bieten. Professionelles Lehren bedeutet, sich über die spezifische Kontextgebundenheit der Lehre und die Kontingenz des LehrLerngeschehens bewusst zu sein. Dahinter steckt das Wissen, dass die gute Vermittlungsabsicht des oder der Lehrenden nicht automatisch zu einer erfolgreichen Aneignung des Dargebotenen seitens der Lernenden führt. Professionelles Lehren weiß vielmehr um all diese Kontextbedingungen, ermöglicht studentisches Lernen und macht Aneignung wahrscheinlich. Diese Wahrnehmung und Bewusstmachung der Lehr-/Lernbedingungen hängt mit einer entwickelten Lehrkompetenz zusammen, worauf ich in der Folge noch näher eingehen werde.

2.3 Erforschung und Entwicklung von Lehrkompetenz „Der wichtigste Schritt zur Professionalität in der Lehre ist die Verbreitung der Erkenntnis, dass Lehren erlernbar ist.“ So leitete Margret Bülow-Schramm (2008, o. S.) ihren Vortrag zur feierlichen Eröffnung des Hochschulnetzwerks Mittelhessen 2008 ein und argumentiert mit der Wichtigkeit der „Qualität der Lehre“. Etwas weniger euphorisch, aber in dieselbe Kerbe schlagen Heiner und Wildt (2013), die die Meinung vertreten, dass Lehren zumindest „in einem nennenswerten Umfang erlernbar ist“ (S. 7). Dass die Lehrkompetenz Dreh- und Angelpunkt für die Qualität von Lehre und Studium ist, stößt wohl auf allgemeine Zustimmung, nicht zuletzt durch die empirischen Forschungsarbeiten zur Entwicklung von Lehrkompetenz12, die die Öffentlichkeit in den letzten Jahren erreichten und den Beweis für ihre Relevanz angetreten haben. Lehrkompetenz ist aber nicht nur eine individuelle Disposition, sondern hat – worauf weiter oben im Text hingewiesen wurde – mit der gesamten Institution und deren Qualitätsauffassung zu tun (Wildt 2007). Akademische Lehre und studierendes Lernen ist immer durch die Organisation (und Institution) Universität bzw. Hochschule gerahmt und unterliegt in dieser Hinsicht den jeweiligen Organisationszielen, die jedoch oft nicht eindeutig sind (Huber 2012). Sowohl auf der individuellen Ebene als auch auf der Ebene von Organisationen sind Zielkonflikte eingeschrieben. Für Universitäten gilt, dass

12Für

einen Überblick vgl. z. B. Egger und Merkt (2012), Szczyrba und Gotzen (2012), Heiner und Wildt (2013). In diesen Bänden finden sich Beschreibungen der durch das deutsche BMBF geförderten Projekte zur empirischen Hochschulforschung (z. B. ProfiLe oder LehreProfi).

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sie als „Multifunktionseinrichtungen“ (Becker et al. 2012, S. 13) mit Lehre und Forschung zwei grundlegende und nicht hierarchisierbare Hauptziele verfolgen, was zu Spannungen führt. Auf individueller Ebene besteht ein zentraler Zielkonflikt darin, dass sich ein großer Teil von Lehrenden in erster Linie als Wissenschafter*innen begreift, deren Hauptaufgabe darin besteht, Forschungsarbeiten erfolgreich abzuschließen. Die Logik ist insofern nachvollziehbar, zumal Karrieren auf wissenschaftsimmanente Kriterien ausgerichtet sind und in der Regel nicht von erfolgreichen Lehrleistungen abhängen. Wie hinlänglich bekannt ist, werden Karriere und entsprechender Status über die Forschungsleistung definiert (Egger 2012). Von Lehrenden an Universitäten wird also eine eigene Wissenschafts- und Forschungsleistung erwartet, die im Sinne einer forschungsgeleiteten Lehre als fachwissenschaftlich-disziplinäres Wissen weitervermittelt wird. Dabei werden Lehrende mit einer breiten und komplexen Anforderungspalette und mit entsprechend hohen Erwartungen nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre konfrontiert. Wie Tremp (2012) ausführt, wünscht man sich von Lehrenden, dass sie sachlich kompetent, erfahren und geübt im sozialen Umgang sind und außerdem über ein breites methodisches Repertoire verfügen. Lehrende Wissenschafter*innen sollen also Lehrkompetenz besitzen. Bereits Terhart (2002) lieferte eine grundlegende Definition von Lehrkompetenz, die er als eine komplexe Kombination aus Wissen, Ethik, Handlungsfähigkeit und Praxisentwicklung fasst. Lehrkompetenz ist dabei mit der Fähigkeit und Bereitschaft verbunden, Wissen und Können verantwortungsbewusst und situationsangemessen in Übereinstimmung mit gesellschaftlichen und berufsethischen Grundsätzen einzusetzen. In der Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff wird oftmals auf die verbreitete Sicht Weinerts (2001) zurückgegriffen, in der Kompetenzen definiert sind als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (S. 27).

An diese Beschreibung knüpft auch Heiner an, der Kompetenz (im Hinblick auf die Konstruktion von Lehrkompetenz) als „die selbstreflexive, beobachtbare oder operationalisierbare Disposition von Wissen, Fähigkeiten oder Einstellung eine situative, generalisierte oder innovative Anforderung erfolgreich zu bewältigen“ (Heiner und Wildt 2013, S. 66). Dabei wird auf Wissen, Handlung oder Denken und deren wissenschaftliche Performanz in Kontexten des Wissenschaftssystems

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oder in akademischen Professionen zurückgegriffen. Kompetenz zeigt sich in diesem Kontext als reproduktiv, rekonstruktiv oder innovativ und kreativ. Sie ist situationsgebunden und schließt Selbstreflexion mit ein. Wie Heiner (2013) im Rahmen des ProfiLe-Projekts13 zu Bedingungen, Strategien und Problemen der Professionalisierung bei Lehrenden an Universitäten gezeigt hat, entwickelt sich Kompetenz in der Lehre höchst unterschiedlich. Dabei differenziert er zwischen Lehrkompetenz und didaktischer oder hochschuldidaktischer Kompetenz. Beide Aspekte gehören zusammen, wenngleich sie sich unterscheiden. Die Aneignung von Lehrkompetenz erfolgt in einem hohen Ausmaß autodidaktisch und selbstgesteuert, wobei sich informelles und formelles Lernen abwechseln. In der Regel geschieht der Kompetenzerwerb ohne didaktische oder hochschuldidaktische Reflexion und auch eine hochschuldidaktische Weiterbildung ist nur zum Teil Bestandteil von Lehrkompetenzentwicklung von Lehrenden an Universitäten. Eine wissenschaftliche Reflexion ist dabei nicht immer eingeschlossen. Die Projektergebnisse förderten eine grundlegende Dichotomie zutage: Hochschullehrende empfinden sich als kompetent in der Lehre, insbesondere und vor allem in fachlicher Perspektive. In der didaktischen Perspektive, fachlich wie allgemein hochschuldidaktisch, bleibt ihre Kompetenz hingegen unterstrukturiert und eher schwach ausdifferenziert. In der Selbstbeobachtung von Lehrenden wurde eine nicht lineare Entwicklung von Kompetenz deutlich, die Heiner als „mäandrierendes Verhalten zwischen informellen, eigenverantworteten Kompetenzenzentwicklungen und gelegentlichen formellen Koppelungen“ (Heiner und Wildt 2013, S.  17), die durch hochschuldidaktische Weiterbildungen strukturiert sein kann, beschreibt. Fehlen bei der Entwicklung von Lehrkompetenz die Selbstreflexivität, hochschuldidaktische Weiterbildung oder andere Reflexionsangebote (etwa durch eigene Lehr-Lernforschung), so kann dies eher eine Stagnation bewirken und zu einem verengten Verhalten mit starren Lösungen und Vorurteilsbestätigungen führen. Die Chance auf mehr Flexibilität

13Das

Projekt ProfiLe hat Bedingungen, Strategien und Probleme der Professionalisierung in der Lehre bei Lehrenden an Universitäten untersucht. Ziel war es, einen evidenzbasierten Beitrag zur wissenschaftlichen Fundierung der Entwicklung von Lehrkompetenz zu leisten. Mit Teilprojekten involviert waren das HDZ der TU Dortmund, das HUL der Universität Hamburg sowie das Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Freiburg. Das Projekt wurde durch das BMBF Förderprogramm „Hochschulforschung als Beitrag zur Professionalisierung der Hochschullehre“ im Rahmenprogramm „Empirische Bildungsforschung“ von 2008 bis 2011 gefördert.

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im Handeln, gesteigerte Interaktionen und ein größeres Maß an Diversifikation wäre damit vergeben. Aus den Erkenntnissen des Projekts leitet er ein Potenzial „für eine Modellierung und Konzeption von Lehrkompetenzentwicklung, die auf Diversität, Eigenverantwortung und wissenschaftsorientierte Selbststrukturierung setzt“ (Heiner und Wildt 2013, S. 17) ab. Demnach erscheint es überaus sinnvoll, Lehrkompetenzentwicklung sowohl individuell als auch durch Weiterbildung zu strukturieren. Konkreter als zuvor anhand der Professionalisierung der Lehrenden beschrieben, bedeutet Kompetenz in der Lehre den Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen zu meistern, Entscheidungen zu treffen, diese zu reflektieren und zu begründen. Hochschuldidaktische Weiterbildungen unterstützen die professionelle Weiterbildung von Lehrenden und können sich – so ein zentrales Ergebnis aus dem Freiburger Teilprojekt – dahin gehend auswirken, dass Lehrende sich stärker der Komplexität und der widersprüchlichen Aspekte von Lehrpraxis bewusst werden. In der Entwicklung individueller Lehrkompetenz an Universitäten streicht Heiner „vier grundlegende Zumutungen“ (2013, S. 63) heraus, die es zu berücksichtigen gilt: • Lehrkompetenz und hochschuldidaktische Kompetenz sind nicht in Eins zu setzen. • Lehrkompetenzentwicklung ist ein hoch differenzielles und auf bemerkenswerte Diversität von Lehrbiographien verteiltes Geschehen. • Lehrkompetenz wird mehrheitlich ohne hochschuldidaktische Reflexion entwickelt. • Lehrkompetenz ist nicht zugleich Expertise in der Lehre. Expertise in der Lehre ist nicht zu verwechseln mit Expertise im Fach. Überlegungen, Lehrkompetenz fassbar zu machen und in Form von Modellen darzustellen, gibt es schon seit mehr als zwanzig Jahren,14 doch die im ProfiLeProjekt auf empirischer Grundlage gewonnenen Erkenntnisse sind für die Modellierung von Lehrkompetenz äußerst bedeutsam und sollten bei der Konzeption hochschuldidaktischer Aus- und Weiterbildungen Berücksichtigung finden.

14In

der Beschreibung von Lehrkompetenz wurden von Seiten der Hochschuldidaktik unterschiedliche Systematiken entwickelt. (Vgl. dazu z. B. Egger und Merkt 2012).

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3 Implikationen für die Praxis Anknüpfend an die voran gestellten Überlegungen zur Entwicklung von Lehrkompetenz sollen in der Folge zwei praktische, aufeinander aufbauende Beispiele vorgestellt werden, die sich der Professionalisierung der Lehrenden anzunähern versuchen. Die Qualität der Lehre wurde 2014 von der Steirischen Hochschulkonferenz (SHK), der alle neun Hochschulen (Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen) der Steiermark angehören,15 zum gemeinsamen Handlungsfeld auserkoren. Drei Ziele der Bemühungen in der Hochschuldidaktik wurden dabei von den Rektor*innen hervorgehoben: den Stellenwert der Lehre heben, qualitätsvolle Lehre als Wert etablieren und steigern sowie die Qualität der Lehre in den Fokus rücken. Nach Auslotung möglicher Aktivitäten und Maßnahmen ergingen 2015 die Aufträge an eine Arbeitsgruppe (AG HSD), existierende hochschuldidaktische Angebote der einzelnen Institutionen sichtbar (Teilprojekt 1) und für alle Lehrenden des Steirischen Hochschulraums zugänglich zu machen und ein Lehrkompetenzmodell (Teilprojekt 2) zu konzipieren.16 Die erfolgreiche Zusammenarbeit der AG HSD wurde nach Abschluss der ersten Teilprojekte fortgesetzt und mündete – basierend auf dem zuvor entwickelten Lehrkompetenzmodell – in die gemeinsame Erstellung eines Fort- und Weiterbildungsangebots für Lehrende des Steirischen Hochschulraums, das im Studienjahr 2017/2018 erstmals unter Titel „Didaktik-Werkstatt: Prüfungs- und Beratungskompetenz“ durchgeführt wurde und sehr großen Zuspruch erfuhr.

3.1 Das Lehrkompetenzmodell des Steirischen Hochschulraums In die Entwicklung des Lehrkompetenzmodells,17 das auf einem kompetenztheoretischen Ansatz basiert, waren Kolleg*innen aller neun steirischen 15http://www.steirischerhochschulraum.at/die-steirische-hochschulkonferenz/ 16Zur

Initiative der SHK siehe Steirische Hochschulkonferenz (2016), zur Erarbeitung des Lehrkompetenzmodells vgl. Salmhofer (2016). 17Das Lehrkompetenzmodell ist unter http://www.steirischerhochschulraum.at/hochschuldidaktik/lehrkompetenzmodell/ abrufbar. An der Entwicklung beteiligt waren Thomas Antretter (MUL), Nicole Kapellari (FH Campus 02), Doris Kiendl (FH Joanneum), Silke Kruse-Weber (KUG), Marlies MatischekJauk (PhSt), Heide Neges (MUG), Katharina Ogris (KPH Graz), Jutta Pauschenwein (FH Joanneum), Johann Reitbauer (TU Graz), Gudrun Salmhofer (KFUG), Stefan Thum (KFUG), Karin Zach (KUG), Günter Zullus (FH Campus 02).

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­ ochschulen involviert. Die Herausforderung war es, trotz unterschiedlicher H gesetzlicher und gesellschaftlicher Aufträge von Universitäten, Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen sowie der unterschiedlichen fachlichen und strategischen Ausrichtungen der einzelnen steirischen Hochschulinstitutionen eine fach-, sektoren- und institutionenunabhängige Gültigkeit zu erlangen. Die am Beginn leitenden Fragestellungen zielten auf die Entwicklung individueller Kompetenzentwicklung ab und waren: • Was macht professionelle Lehrkompetenz aus? • Welche Voraussetzungen braucht man, um in der Lehre professionell handeln zu können? • Über welches Wissen, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten muss eine Person für professionelles Lehrhandeln verfügen? Entlang der Säulen Lehren, Prüfen und Beraten wurde professionelles Lehrhandeln, das mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion und das eigene Handeln in unterschiedlichen situativen Kontexten zu begründen zu tun hat, in diesem Modell in konkrete Kompetenzen und Handlungen übersetzt. In Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Webler (2003), Stahr (2009), Paetz et al. (2011) sowie Trautwein und Merkt (2012), die einen Teil des vorhin bereits erwähnten ProfiLe-Projekts verantworteten, entstand ein deskriptives Rahmenmodell mit vier nicht strikt voneinander abzugrenzenden Kompetenzbereichen, die in der Ausbildung professioneller Lehrkompetenz als relevant erachtet werden können. In der Präambel des Modells wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass das Modell den maßgeblichen Bezugsrahmen für professionelles hochschulisches Lehrhandeln in der Steiermark herstellt. Der erste Kompetenzbereich „Grundhaltungen und Werte“ versteht sich als Basis des Modells und umfasst Einstellungen, Zugänge und persönliche Relevanzstrukturen, die in der eigenen Lehr- und Lernerfahrung wurzeln und ist als individuelle und subjektive Disposition zu sehen, die sowohl Möglichkeiten als auch Grenzen für das eigene Lehrhandeln in verschiedenen Anforderungssituationen schafft. Die Grundhaltungen sind von der Fachdisziplin wie auch von der Identifikation mit der Hochschule und ihrer jeweiligen Kultur abhängig. Der zweite Bereich umfasst zentrale „methodisch-didaktische Fähigkeiten“ wie die Kenntnis diverser Lehr-/Lernmethoden und -theorien und präsentiert einen breiten Kompetenzkatalog, wie er in der hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildung zu finden ist.

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Der dritte Kompetenzbereich, das „Kontextwissen zur Hochschule“ stellt das organisationale Wissen sowie Wissen über Strategien, Ziele, Abläufe, Prozesse und Strukturen der jeweiligen Institution dar. Dazu gehören ebenso Kenntnisse über relevante europäische Entwicklungen und nationale Rahmenbedingungen zur Gestaltung von Hochschullehre. Die „Sozial- und Selbstkompetenz“ inkludiert als vierter Kompetenzbereich soziale Kompetenzen wie die Fähigkeit zur Kommunikation, die dazu notwendige Sprachkompetenz und die Selbstorganisation, wie sie oft in Programmen der Personalentwicklung zu finden sind. Den vier grafisch dargestellten Bereichen ist jeweils eine Reihe von spezifischen Teilkompetenzen, die lernergebnisorientiert ausformuliert wurden und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, zugeordnet. Professionelles Lehrhandeln kann nie nur für sich gesehen und entfaltet werden, sondern wird durch den fachlichen wie auch räumlich-kulturellen und sozialen Kontext beeinflusst bzw. determiniert (Abb. 1). Modelle haben immer einen normativen Charakter, in dem sie Handlungsbereiche definieren und festschreiben. Das Kompetenzmodell des Steirischen

Abb. 1   Lehrkompetenzmodell; grafische Realisierung: Simone Lindner (Universität Graz)

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Hochschulraums, das an den einzelnen Institutionen in der Weiterbildung genutzt wird, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht ausreicht, an der individuellen Lehrkompetenz anzusetzen, sondern, dass es – wie bereits dargelegt – eine Befassung mit dem jeweiligen institutionellen Kontext braucht, um die Qualität der Lehre nachhaltig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Tremp (2012) weist außerdem darauf hin, dass – unabhängig vom Lehrkompetenzmodell – die im Vorfeld zu stellenden Fragen nicht vernachlässigt werden sollten, nämlich von welchen Lehraufgaben und -situationen ausgegangen wird und welche Besonderheiten der universitären Lehre berücksichtigt werden. Auch das Spannungsfeld zwischen der Aufgabenteilung von Lehre, Forschung und Selbstverwaltung findet keine explizite Abbildung in solchen Modellen. Wenngleich das Lehrkompetenzmodell des Steirischen Hochschulraums mangels empirischer Entwicklung Schwächen18 aufweist, so benennt es dennoch wesentliche Bereiche der Lehr(kompetenz)entwicklung. Der Erfolg des Projekts kann außerdem darin gesehen werden, dass die Lehre durch dieses Modell an den einzelnen beteiligten Institutionen in den Fokus gerückt ist und darüber hinaus ein Folgeauftrag zur Entwicklung eines hochschuldidaktischen Weiterbildungsprogramms an die AG HSD erging. Dass sich die einzelnen Hochschulen in der gemeinsamen Bearbeitung eines zuvor abgestimmten Themas nähergekommen sind, dabei ein fachlicher Austausch erfolgt ist und eine Vernetzung gefördert wurde, ist ebenso als Gewinn zu verbuchen.

3.2 Von der Theorie zur Praxis: Die Didaktik-Werkstatt Ausgehend von der zweiten Säule des Lehrkompetenzmodells, der methodischdidaktischen Fähigkeiten, wurde im Auftrag der Hochschulkonferenz von der AG HSD ein Weiterbildungsprogramm für die Aufgabenbereiche Prüfen und Beraten konzipiert. Die Entscheidung für dieses Thema hatte durchaus pragmatische Gründe und basierte auf folgenden Überlegungen: Das Angebot musste Lehrende aller Hochschulen gleichermaßen ansprechen, eine Kernaufgabe bzw. einen wichtigen Baustein erfolgreichen Lehrens und Lernens betreffen, und es sollte gewissermaßen ein Desiderat darstellen, das keine intensive Behandlung im

18Vgl.

dazu Amtmann et al. (2018). In ihrer Längsschnittstudie haben die Autor*innen Wahrnehmungen und Erfahrungen mit universitärer Lehre an der Pädagogischen Hochschule Steiermark hinterfragt und dabei das Lehrkompetenzmodell als Referenzrahmen verwendet.

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Rahmen bestehender hochschuldidaktischer Angebote an den Hochschulen erfährt. Das Angebot an hochschuldidaktischer Aus- bzw. Weiterbildung sieht an den beteiligten Hochschulen sehr unterschiedlich aus. Kleinere Hochschulen kaufen einzelne Workshops extern zu, andere haben ein intensives Ausbildungsprogramm, das sich aber vor allem an neue Lehrende mit fixen Verträgen richtet. Das von der SHK in Auftrag gegebene Angebot sollte nun für alle Lehrenden aller Statusgruppen zugänglich sein. Die Didaktik-Werkstatt als hochschuldidaktisches Weiterbildungsprogramm verfolgte das Ziel, grundlegende Zugänge und Methoden der Hochschullehre differenziert zu behandeln. Die Befassung mit Prüfungs- und Beratungskompetenz19 schien ein derartiges Angebot darzustellen, in dem praxisnahe und handlungsbezogene Anregungen für die Planung, Durchführung und Evaluation didaktisch hochwertiger Lehre gegeben werden sollten. Die erste Veranstaltungsreihe fand im Studienjahr 2017/2018 statt und bestand aus einer Auftaktveranstaltung, fünf Halbtages-Workshops und einer abschließenden Online-Phase, die drei Wochen dauerte und der Reflexion und Vertiefung des Gelernten dienen sollte. Bei Absolvierung von mindestens drei Workshops, dem Besuch der Onlinephase und dem Führen eines so genannten Service-Heftes konnte ein Zertifikat über die hochschuldidaktische Fortbildung im Rahmen der Didaktik-Werkstatt erworben werden. Die Intentionen, die mit dem Service-Heftes verbunden waren, war die Unterstützung des Transfers von der Theorie zur Anwendung. Darüber hinaus diente es der persönlichen Reflexion und einer individuellen Dokumentation, die wiederum eine Grundlage für die vertiefte Auseinandersetzung in der Onlinephase darstellte. Im virtuellen Raum der Onlinephase wurde kollegiale Vernetzung ermöglicht und gegenseitige Anregungen für den Transfer der erarbeiteten didaktischen Konzepte in die eigene Lehre gefördert. An der Konzeption wie der Organisation der Didaktik-Werkstatt waren Vertreter*innen aller neun Hochschulen aktiv beteiligt, was sich auch im Angebot niederschlug. Um die hochschulübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, eine Kooperation zwischen den einzelnen Institutionen nicht nur auf organisatorischer, sondern ebenso auf inhaltlicher Ebene zu erreichen, wurde jede Veranstaltung von zwei Hochschulen gemeinsam organisiert und teilweise auch von mehreren Vortragenden unterschiedlicher Institutionen zusammen abgehalten. Die fünf halbtägigen Workshops und die Online-Phase umfassten folgende Themenbereiche: Mündliche Prüfungsgespräche führen und bewerten, Schriftliches

19Siehe dazu: http://www.steirischerhochschulraum.at/hochschuldidaktik/didaktik-werkstatt/.

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Prüfen, Feedback an Studierende, Alternative Prüfungsformen und Schriftliche Arbeiten betreuen. Bei den Veranstaltungen, die innerhalb kurzer Zeit ausgebucht waren und es notwendig machten, weitere Termine anzubieten, waren Teilnehmende aller Hochschulen und aller Statusgruppen vertreten. Insgesamt standen 240 Plätze in den Workshops, deren Besuch für die Teilnehmenden kostenlos war, zur Verfügung. Die Evaluation des ersten Durchgangs20 bestätigte die eingeschlagene Richtung. Die Rückmeldungen zum Inhalt der Veranstaltungsreihe und zu den Präsentationen in diesem Rahmen fielen sehr positiv aus. Die Mehrheit der Teilnehmenden gab an, dass die dargebotenen Inhalte relevant für ihre eigene Praxis seien und dass sie denken, das Gelernte gut anwenden zu können. Ebenso gaben fast alle der befragten Personen an, dass die erhaltenen Unterlagen für sie in hohem Ausmaß hilfreich seien. Besonders häufig wurden von den Teilnehmenden die Qualität der dargebotenen Inhalte und die sehr hoch eingeschätzte fachliche Kompetenz sowie die didaktischen Fähigkeiten der Vortragenden hervorgehoben. Die methodische Gestaltung der Seminare und Workshops, wobei hier vor allem die Möglichkeit in Gruppen zu arbeiten und sich mit anderen Lehrenden über eigene Erfahrungen austauschen zu können, genannt wurde, fand großen Anklang bei den Teilnehmenden. Immer wieder wurde auch der Praxisbezug der Inhalte und Übungen genauso, wie deren Anwendbarkeit für die eigene Lehre, erwähnt. Prinzipiell scheinen die Inhalte für die Teilnehmenden von großer Relevanz und von großem Interesse zu sein. Der Wunsch nach vertiefter Reflexion des Gelernten sowie nach Follow-up-Terminen wurde mehrfach geäußert. 26 Personen erlangten am Ende ein Zertifikat, das an den beteiligten Hochschulen als hochschuldidaktische Weiterbildung Anerkennung findet. Die positiven Rückmeldungen zur Reihe seitens der Teilnehmenden, die Zufriedenheit des Organisationsteams sowie der Rektor*innen stellt eine gute Ausgangsposition zur Weiterarbeit dar. Derzeit läuft der zweite Durchgang, der sich noch einmal desselben Themas widmet und wieder rasch ausgebucht war. An der Konzeption des dritten Durchgangs, der sich inhaltlich auf die dritte Säule des Lehrkompetenzmodells21 bezieht, wird gearbeitet. Die große Nachfrage sowie die positiven Rückmeldungen zeigen, dass es ein prinzipielles Interesse 20Vgl.

Bericht zur Didaktik-Werkstatt. Juli 2018 [Unveröffentlichtes Dokument]. Titel der Didaktik-Werkstatt 2020 lautet: „Lehrenden-Studierenden-Interaktion professionell gestalten“ und widmet sich den Themen Konfliktgespräche in der Lehre, Lehre mit hohen Studierendenzahlen, Interaktive Lehrsequenzen gestalten, Feedback von Studierenden einholen sowie Umgang mit heterogenen Studierendengruppen. Siehe dazu: http://www.steirischerhochschulraum.at/hochschuldidaktik/didaktik-werkstatt/.

21Der

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an hochschuldidaktischer Weiterbildung gibt und dass die Bereitschaft der Auseinandersetzung mit dem eigenen Lehrhandeln durchaus vorhanden ist. Dennoch ist dieses Angebot ein Tropfen auf dem heißen Stein, ein Impuls für eine kleine Gruppe eher zufällig auserwählter Personen, die an der individuellen Weiterentwicklung ihrer professionellen Rolle als Lehrende interessiert sind. Möchte man tatsächlich die Qualität der Lehre verbessern, wie das zu Beginn des Projekts formuliert wurde, so wird es nicht ausreichen, einige wenige Lehrende über einschlägige Workshops weiterzubilden. Dazu bräuchte es eine bessere Verankerung des Themas an den einzelnen Institutionen. Für eine grundlegende Veränderung der Lehr-/und Lernkultur an den Hochschulen erscheinen Veränderungsinitiativen, die ausschließlich auf der individuellen Ebene der Lehrenden bzw. deren Lehrveranstaltungen ansetzen, nur begrenzt wirksam und nachhaltig.

4 Fazit Die Ausführungen versuchten zu zeigen, wie sich die Aufmerksamkeit für die Lehre an Hochschulen durch bildungspolitische Entwicklungen über einen längeren Zeitraum immer wieder verschoben hat. Anknüpfend an Qualitätsdiskussionen rückten die Lehrkompetenz und Fragen ihrer professionellen Entwicklung in den letzten Jahren dabei immer mehr in den Fokus. Basierend auf den Ausführungen Heiners wurde die Entwicklung von Lehrkompetenz umrissen, bei der informelles und formelles Lernen in einer Wechselwirkung zueinander stehen, wobei individuelle Lernprozesse schon vor Aufnahme der Lehrtätigkeit anzusetzen sind. Lernprozesse verlaufen zudem hochgradig autodidaktisch und selbstverantwortet. Eine Herausforderung für die hochschuldidaktische Begleitung ist dabei die Unterstützung von Lehrenden an biografisch bedeutsamen Schnittstellen und eine lose Koppelung autonomer und gesteuerter Entwicklungen. Die Chancen für eine Kompetenzentwicklung vergrößern sich, je passgenauer das Service auf die jeweiligen Handlungskontexte bezogen ist. In der hochschuldidaktischen Weiterbildung und Beratung geht es wesentlich darum, „Erfahrungsrahmen der vorfindlichen Lehrpraxis zu öffnen, zu erweitern und experimentelle Lerngelegenheiten bereit zu stellen, die neue Handlungsmuster ermöglichen und reflexiven Diskursen zugänglich machen“ (Wildt und Heiner 2013, S. 266). Die Berücksichtigung dieser Bedingungen in der Aneignung von Lehrkompetenz legt es jedenfalls nahe, sich von den gängigen Aus- und Weiterbildungsformaten der Hochschuldidaktik, die von einer linearen Entwicklung ausgehen, zu verabschieden und andere Formen zu überlegen, welche diese

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spezifische Form der Kompetenzaneignung und Reflexion besser unterstützt. Mit der Didaktik-Werkstatt wird Lehrenden ein niederschwelliges Angebot einer strukturierten und formellen hochschuldidaktischen Weiterbildung unterbreitet, welches nach Bedarf genutzt werden kann. In den Workshops werden unterschiedliche Themen behandelt und Impulse für eine Weiterentwicklung des eigenen Lehrhandelns gegeben. Das Service-Heft und die Online-Phase unterstützen dabei die Selbstreflexion der Lehrenden, wobei zweitere auch dazu dient, Lehrende miteinander zu vernetzen und einen Peer-Austausch zu fördern, der sich (z. B. in Form einer kollegialen Hospitation) von einem virtuellen in einen realen Raum verlegen kann. Mit diesem Angebot wird versucht, an Erkenntnisse aus der Lehr-Lernforschung anzuknüpfen. Wichtig wäre es aber, dieses Angebot mit entsprechenden Unterstützungsformaten an den jeweiligen Institutionen zu begleiten, etwa in Form von Lehrcoachings oder anderen individuellen Beratungsleistungen. Auch der Einsatz von Lehrportfolios oder die Weiterentwicklung hin zu einem Scholarship of Teaching and Learning (SoTL) könnte die Weiterentwicklung von Lehrkompetenz sehr gut unterstützen. Voraussetzung für die Akzeptanz dieser Angebote ist das Vorhandensein entsprechender institutioneller Rahmenbedingungen, die Raum für experimentelle Lernmöglichkeiten schaffen und ein Klima der Wertschätzung hochschulischer Lehre gegenüber etablieren. Der Hochschuldidaktik kommt als Dienstleistungs- und Serviceeinrichtung u. a. die Aufgabe zu, zwischen Theorie und Praxis zu vermitteln und die Reflexion einer individuellen wie kollektiven Handlungspraxis professionell zu begleiten. Wie auch andere fordert Wildt (2013) von der Hochschuldidaktik, dass sie sich als Teil der Hochschulentwicklung im Hinblick auf die Verbesserung und Weiterentwicklung der Lehre verstärkt auch konzeptionell und theoretisch in den Diskurs einbringen sollte. Die Etablierung der Hochschuldidaktik als wissenschaftliche Disziplin ist dabei eine relevante Voraussetzung, um sich von der Methodenvermittlung und von einer Serviceeinrichtung zur Schulung der Lehrenden eine strategische Richtung einzuschlagen, die bei der Gestaltung von Studium und Lehre ihr Potenzial entfaltet. Eine reine Serviceeinrichtung ohne wissenschaftliche Fundierung und Kompetenz hat an einer Universität kaum Chancen, Maßstäbe für Professionalität zu setzen, gerade weil sich die Lehrenden an wissenschaftlicher Rationalität orientieren. Auch wenn in den vergangenen Jahren entsprechende Strukturen etabliert wurden, so sieht Wildt (2013) die Hochschuldidaktik im Prozess der Professionalisierung „on the road“ (S. 49). Dieser Prozess muss, um zu einem nachhaltigen Erfolg im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Lehre zu führen, über Bereichsgrenzen hinaus im Kontext der Hochschulentwicklung gedacht und als Verantwortung der Hochschulleitung

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wahrgenommen werden. Dass ein derartiges Unterfangen viele unterschiedliche Akteur*innen involvieren muss, Zeit in Anspruch nimmt und sich keineswegs für kurzfristigen Aktionismus mit schnellen Erfolgserlebnissen eignet, liegt auf der Hand. Der Nutzen, der mit der Hochschuldidaktik gestiftet werden kann, wenn ihre Institutionalisierung holistischer gedacht wird, könnte aber umso nachhaltiger sein.

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Rollengestaltung in der Hochschullehre Markus Weil

Zusammenfassung

Das Thema der Rollengestaltung für Hochschullehrende ist in Zeiten der Fokussierung auf Kompetenzen der Studierenden eher in den Hintergrund getreten. Bei der Übernahme von Lehrtätigkeiten an Hochschulen bedarf es zunächst einer bewussten Auseinandersetzung mit der Rollengestaltung, um die Beziehung zwischen Studierenden und Lehrenden an Hochschulen bearbeitbar zu machen (vgl. Houben 2013). Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, verschiedene Rollenausprägungen in der Hochschullehre zu erörtern und Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies geschieht anhand von Modellen, konzeptionellen Zugängen und Beispielen einer hochschuldidaktischen Bearbeitung der Rollenthematik. Der vorliegende Beitrag ergreift eine lehrendenzentrierte Perspektive und konkretisiert diese anhand der Rollengestaltung. Dabei geht es vorrangig um den Anspruch an Lehrende zur eigenen Rollenexplizierung und -gestaltung sowohl in der konkreten Lehrsituation als auch im institutionellen Kontext. Rollenexplizierung heißt dabei die Definition von Handlungserwartungen durch die Lehrenden gegenüber sich selbst und den Studierenden. Außerdem wird die Ausgestaltung der Lehrendenrolle im institutionellen Kontext der Hochschule thematisiert.

M. Weil (*)  Pädagogische Hochschule FHNW, Solothurn, Schweiz E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_5

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Neben einem hochschuldidaktischen Methodenrepertoire steht damit ein hochschuldidaktisches Rollenrepertoire zur Verfügung. Diesbezüglich zeigen sich unterschiedliche Erwartungen im Verhältnis von Lehrenden und Studierenden bei der Einnahme von beispielsweise eher vermittelnden oder eher begleitenden Rollen. In der Beziehung zwischen Lehrenden, Lernenden und Gegenstand im Modell des Didaktischen Dreiecks liegen sowohl grundsätzliche als auch situative Potenziale zur Gestaltung von Hochschullehre. Die aktive Rolleneinnahme (Role Taking) durch Hochschullehrende wird folglich als eines der zentralen Gestaltungsoptionen dargestellt (vgl. zur aktiven Rollengestaltung von Lehrenden Reusser 2000, S. 85 f.; zur empirischen Relevanz der Lehrendenrolle Hattie 2013, S. 39).

1 Einleitung Dem Rollenbegriff kann man sich über verschiedenste theoretische Zugänge, Modelle und Definitionen nähern. Ebenso zahlreich sind die hochschuldidaktischen Anwendungsfelder bei der Gestaltung von Lehre. Im folgenden Beitrag wird bewusst der Begriff Rolle verwendet, und dies durchaus in Abgrenzung zu eher fachwissenschaftlich geprägten Begriffen, die eine stärker theoriebezogene Einbettung bedingen (so zum Beispiel Habitus, vgl. Bourdieu und Wacquant 2006; Elias 1992 oder Akteur, vgl. Mayntz und Scharpf 1995). Der Rollenbegriff wird im Folgenden als anwendungsorientierter Begriff verwendet, der zum Beispiel im Schauspiel oder auch in Prozess- und Projektmodellen seine Anwendung findet. Im Rahmen von Doing Higher Education scheint diese Ausrichtung passend, um Lehrhandeln im sozialen Kontext der Hochschule als Bildungs- und Forschungseinrichtung zu thematisieren.1 Die Prämisse der Anwendungsorientierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Rollen durch Hochschullehrende benannt und aktiv eingenommen werden können. Im einleitenden konzeptionellen Teil dieses Artikels geht es zunächst um ausgewählte Zugänge zur Rollenthematik. Diese sind zum einen die soziale Rolle Hochschullehrer*in, zum anderen das Didaktische Dreieck als Verhältnis der drei in der Lehre zentralen Bezugspunkte Lehrenden, Lernenden und Gegenstand

1Im

Zusammenhang mit der eigenen Rollengestaltung wird zudem der Begriff der Selbstkonzeption eingeführt. Bezogen auf institutionalisierte Rollen wird zudem der Begriff der Funktion verwendet.

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(vgl. Reusser 2000, 2006). Die damit verbundenen lehrbezogenen und hochschuldidaktischen Perspektiven führen zu Vorschlägen der eigenen Rollenbearbeitung. Angelehnt an das Modell des Didaktischen Dreiecks geht es für die Umsetzung um die bewusste Rolleneinnahme (Role Taking) sowie um den Abgleich von Rollenselbst- und Fremdbild. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass eine Passung von Selbst- und Fremdbild förderlich für die Gestaltung der Hochschullehre ist. Umgekehrt entsteht Klärungsbedarf, wenn beispielsweise die Studierenden eine Rolle erwarten, die sich auf die Darstellung des Lerngegenstands konzentriert, während die lehrende Person sich aber eher als Lernbegleiter*in sieht. Weiterhin geht es um eine institutionelle Verortung der Lehrendenrolle, beispielsweise über Funktionsbeschreibungen. Auch hier stellt sich die Frage nach dem Abgleich des Selbstbilds mit den institutionell zugewiesenen Funktionen an einer Hochschule. In einem abschliessenden Teil des Artikels kommen Anregungen für die weitere Bearbeitung der Rollenthematik zur Sprache. Die geschieht anhand der eingeführten Prüfschablone des Didaktischen Dreiecks mit Ausführungen zu Lehrenden, Lernenden, Gegenstand sowie bezogen auf strukturelle Settings an Hochschulen. Dabei geht es vor allem darum, die Rollenthematik für sich selbst und für Studierende zu bearbeiten. Der Artikel zum Thema Rollengestaltung für Hochschullehrende endet mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick zur Gestaltung der eigenen Rolle als Hochschullehrer*in.

2 Konzeptionelle Zugänge Als konzeptionelle Zugänge dienen zwei sich ergänzende Perspektiven, welche die Rollen von Hochschullehrenden im erwähnten anwendungsorientierten Sinne thematisieren: die soziale Rolle und das didaktische Dreieck.

2.1 Hochschullehrer*in als soziale Rolle Der Rollenbegriff konstituiert sich erst aus dem Sozialen, also im Miteinander mit entsprechenden Rollenerwartungen an Hochschullehrende. Die Rolle ist zwar auch situativ, kann aber im Kontext der Hochschullehre auch stabil konstituiert werden.

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Eine dahin gehend wichtige Unterscheidung benannte bereits Max Weber 1919: Jede Person, die «sich zum Gelehrten berufen fühlt, muß sich vielmehr klarmachen, daß die Aufgabe, die [sie …] erwartet, ein Doppelgesicht hat. [Sie …] soll qualifiziert sein als Gelehrter nicht nur, sondern auch: als Lehrer. Und beides fällt ganz und gar nicht zusammen.» (Weber 2002, S. 479)

Demnach unterscheidet sich die Rolle Gelehrte*r von der Rolle Hochschullehrer*in: Mit gelehrt wird auf die Expertise, Fachlichkeit und damit auf den Forschungsbezug an Hochschulen referenziert. Lehren bezieht sich auf Wissensvermittlung, die Gestaltung von Lernumgebungen und Begleitung von Lernprozessen Studierender. In den heutigen Kontext übersetzt, könnte man sagen: Als Wissenschaftler*in an einer Hochschule bedarf es neben fachlichem Wissen und Können auch der Fähigkeit der Gestaltung von Lehr-Lernsettings, in denen Studierende Wissen und Können erwerben können. Gelehrt zu sein ist diesbezüglich eine notwenige, aber keine hinreichende Bedingung für die Rolle Hochschullehrer*in. In der Unterscheidung von Gelehrte*r und Lehrer*in schwingt auch das Verhältnis des Lehrens und Forschens mit. Im Hochschulkontext nehmen Lehrende oftmals auch Forschendentätigkeiten wahr (zur konzeptionellen Verknüpfung von Forschung und Lehre vgl. auch Tremp 2005, S. 339 f.; Healey und Jenkins 2009, S. 7). Hierbei lassen sich grob Wissensgenerierung und wissenschaftliche Auseinandersetzung (Forschungsbezug) von Wissensvermittlung und Kompetenzentwicklung der Studierenden (Lehrbezug) differenzieren (vgl. Frank und Iller 2013). Für die Bearbeitung der Rolle als Hochschullehrer*in scheinen diese Unterscheidungen insofern produktiv, als dass auch das Verhältnis zur Forschung in der Hochschullehre geklärt und bearbeitet werden kann. Die vorliegenden Ausführungen fokussieren auf das Lehrhandeln – im Bewusstsein, dass im Hochschulkontext Forschung und gegebenenfalls auch weitere Tätigkeitsgebiete hinzukommen, wie beispielsweise die Gestaltung von Curricula oder die Vertretung in Fachgruppen. Die Rolle als Hochschullehrer*in lässt sich in neueren Diskussionen durchaus verknüpfen mit Lehrkompetenz oder Professionalisierung des Lehrhandelns (vgl. auch Wissenschaftsrat 2017, S. 25). Die Einnahme der Lehrendenrolle leitet sich zwar aus dem sozialen Verhältnis zu den Studierenden ab, stützt sich in diesem aber auch auf die professionelle Selbstkonzeption (vgl. Roche und Marsh 2002; Diaz-Maggioli 2004; Korhonen und Weil 2015). Hier kommt ein Aspekt der Lehrkompetenz im Sinne einer kritisch-reflexiven, wissenschaftlich fundierten

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Tätigkeit hinzu (vgl. auch Pädagogische Professionalität Vanderstraeten 2008, S. 102). Aus diesem Grund ist das Lehrhandeln unter Gesichtspunkten der Professionalisierung um Lehrreflexion zu erweitern. Während Handeln nach Versuch- und Irrtums-Prinzipien funktionieren kann, beinhaltet reflektiertes Handeln auch die Fähigkeit das eigene Handeln zu beschreiben und kriteriengeleitet zu erklären, zu bewerten und für zukünftige Handlungssituationen gegebenenfalls anzupassen. Lehreflexion ermöglicht in diesem Sinne erst professionelles Lehrhandeln. Zusammenfassend lässt sich die soziale Rolle von Hochschullehrenden unter verschiedenen Perspektiven betrachten: Zum einen ist das Lehrhandeln nur ein Aspekt in einem Set von Rollen, die im Hochschulkontext zusammentreffen. Die lehrende Tätigkeit ist zum Beispiel mit der forschenden Tätigkeit in Beziehung zu setzen. Selbstkonzeption und die reflexive Rollenbearbeitung sind dabei zentrale Aspekte, um als Hochschullehrer*in aktiv mit der Gestaltung von Lehre umzugehen und ein Repertoire unterschiedlicher Rollen aufbauen zu können.

2.2 Rollendefinitionen im Didaktischen Dreieck Bezogen auf die konkrete didaktische Situation bietet sich ein in der Pädagogik weit verbreitetes Modell für die Rollenthematik an: das Didaktische Dreieck. Dieses greift das Verhältnis von Hochschullehrenden und Studierenden auf und setzt es zusätzlich in Beziehung mit dem Lerngegenstand. Im ursprünglichen Sinne geht es darum, wie Lehrende die Studierenden mit einem Lehrgegenstand in Verbindung bringen. Dabei haben Lehrende zum einen selbst den Lehrgegenstand bereits erfasst, andererseits orientieren sie sich in ihrem Lehrhandeln auch an ihrer Beziehung zu den Studierenden. Dabei ist für Lehrende auch das Verhältnis von Studierenden zum Gegenstand im Blick. In einer Erweiterung des klassischen Modells bedeutet das, dass sich Lehrende beispielsweise eher am Gegenstand orientieren (Stichwort: „Wissensvermittlung“) oder mehr an den Studierenden (Stichwort: „Begleitung der selbstständigen Erarbeitung“). Das Modell geht stark von Wissen als Lerngegenstand aus, lässt sich aber in der Orientierung des Lehrhandelns am Lernprozess der Studierenden gut mit heutigen Kompetenzmodellen an Hochschulen in Verbindung bringen. Kompetenzen beschreiben Handlungsfähigkeiten der Studierenden, zum Beispiel die Fähigkeit ein bestimmtes Phänomen anhand eines erlernten Modells erklären zu können. In diesem Beispiel können Lehrende ihre Rolle nun eher in der Vermittlung der entsprechenden Theorien und Modelle sehen oder in der Lernbegleitung der Studierenden, damit sie in der Lage sind ihren Lernprozess so zu

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Abb. 1   Didaktisches Dreieck mit strukturellem Kontext und Rollen von Hochschullehrenden in Bezug auf den Lernprozess Studierender. (Quelle: erweitert nach Wernke und Zierer 2017, S. 10)

gestalten, dass sie die genannte Kompetenz zeigen können. Wenn Lehrende beide Ausprägungen adressieren möchten, sind Rollenwechsel in der Lehre notwendig. Genau um diese Rollengestaltung wird es im Folgenden gehen. Abb. 1 zeigt das Dreiecksverhältnis eines bzw. einer Hochschullehrenden zu Studierenden und Gegenstand. Erweitert ist das Modell um Strukturkomponenten des hochschulischen Kontexts (kreisförmig dargestellt). Ein weiterer wichtigerer Aspekt ist die Orientierung der Lehrenden am Lernprozess der Studierenden, also daran, wie sich Studierende mit dem Gegenstand auseinandersetzen (Pfeil: Darsteller*in, Coach, Lernberater*in). Zunächst zur Erweiterung des ursprünglichen Didaktischen Dreiecks (Lehrer*in, Schüler*in, Gegenstand) um Rollen: Reusser (2000) unterschied verschiedene Rollen wie Lehrende sich zu Studierenden in ihrem Verhältnis zum Gegenstand positionieren: Darsteller*in Die Rolle des/der Darsteller*in ist näher am Gegenstand orientiert, zum Beispiel bei der Präsentation von Wissen und Erkenntnissen in Form einer Vorlesung oder eines Vortrags. Verwendet werden auch die Begriffe (Wissens-)Vermittler*in oder Vortragende*r. Es geht dabei vor allem um die Darstellung des Gegenstands zu Lernzwecken.

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Es gibt zahlreiche hochschuldidaktische Ausführungen und Weiterbildungsangebote, welche diese Rolle adressieren, wie etwa Rhetorik, Präsentationstechniken, etc. Sie zielen auf die professionelle Gestaltung der Darstellungsform (vgl. in Verbindung mit theoretischen Konzepten dazu auch Regier et al. 2019). In einem erweiterten Verständnis der Lehrreflexion kann hier generell das Verhältnis zur Forschung und zur Wissensgenerierung an Hochschulen bestimmt werden, da diese sich ebenfalls stark an den Ergebnissen orientiert sind. Coach Die coachende Rolle von Hochschullehrenden ist gleichermaßen am Gegenstand und an den Lernenden orientiert. Da zahlreiche Coaching-Konzepte sehr nah bei den Studierenden ansetzen, würde Moderator*in begrifflich eine mittlere Orientierung zwischen Gegenstand und Studierenden besser abbilden. Im LehrLernsettings geht es meist um das Zusammentragen von Wissen und Erkenntnissen (z. B. auch in betrieblichen Settings vgl. Freimuth 2010). Zum Beispiel zeigt sich in kooperativen Lehr-Lernsettings die Lehre durchaus gegenstandsorientiert, bezieht aber gleichzeitig in hohem Maße die Lernenden mit ihren Einschätzungen oder Wissensbeständen ein. Die hochschuldidaktischen Angebote und Konzepte fokussieren auf Moderationstechniken, wie etwa Umgang mit Fragen, Reformulieren, Visualisieren, Bündeln, Ordnen. In einem erweiterten Verständnis der Lehrreflexion kommen Fragestellungen der Scientific Community, der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und der Multiperspektivität ins Spiel (vgl. Weil 2018, S. 124 f.). Hierbei kommen in der sozialen Interaktion mit Peers reflexive Ausprägungen zum Tragen, die sowohl den Gegenstand als auch den Lernprozess der Studierenden betreffen. Lernberater*in Die Rolle Lernberater*in ist nahe bei den Studierenden positioniert. Lernberatung geht von den Lernprozessen Studierender aus. Lernende sind dabei noch mehr in der Akteur*innenrolle und werden bei der selbstgesteuerten Gegenstandserfassung und Kompetenzentwicklung unterstützt. Die Rolle des/der Lernberater*in ist damit eher studierendenzentriert. Lernprozesse und Lernstrategien stehen im Vordergrund. Hochschuldidaktische Angebote setzen sich beispielsweise mit Betreuungssituationen oder der Beziehungsebene zwischen Lehrenden und Studierenden auseinander. In einem erweiterten Verständnis der Lehrreflexion können Konzepte der Lernbegleitung aus der Lehrerinnen- und Lehrerbildung auf die Hochschullehre

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übertragen werden (vgl. Eschelmüller 2008; Perkhofer-Czapek und Potzmann 2016). Diese Konzepte stellen ebenfalls die Lernprozesse und die Lernenden mit starker Fokussierung auf die pädagogische Kompetenz in den Vordergrund. Diese schematische Darstellung erlaubt eine Nuancierung von Lehrendenrollen näher am Gegenstand oder näher am Lernprozess der Studierenden. Diese bleiben aber auch offen für Erweiterungen in Kontextdimensionen.2 Als zweite Erweiterung widmen sich Wernke und Zierer (2017) in ihren Ausführungen ausgehend vom Didaktischen Dreieck der Unterrichtsplanung. Die Autoren fügen die Strukturdimension als Kontext des Lehrhandelns – in unserem Fall der Hochschule – ein. Sie unterscheiden zudem folgende Kompetenzbereiche von Hochschullehrenden: Systematische Kompetenz Systematische Kompetenz bezieht sich auf gesellschaftliche und institutionelle Bedingungen und auf die Gestaltung der Gegebenheiten vor Ort. Für Lehrende bedeutet dies konkret, dass sie sich im systematischen Kontext der Hochschule verorten können, zum Beispiel in den Leistungsaufträgen Lehre, Forschung und Dienstleistung oder im akademischen Setting mit den entsprechenden Selektionsmechanismen. Je nach Funktion innerhalb der Hochschule kommen zum Beispiel Studiengangsplanung oder Modulverantwortung hinzu. Fachliche Kompetenz Die fachliche Kompetenz fokussiert auf das Fachwissen und -können der Hochschullehrenden. Dieser Kompetenzbereich ist stark am Gegenstand orientiert. Lehrende an Hochschulen benötigen die auch von Weber genannte Expertise als Gelehrte, um überhaupt in Vermittlungs- und Begleitungsprozesse professionell gestaltend eingreifen zu können.

2Eine

weitere Erweiterung des Didaktischen Dreiecks wird von Reusser et al. (2015) über kulturelle Aspekte geliefert. Im Kontext von Lehrenden – Gegenstand die Ziel- und Stoffkultur: Personale und kulturelle Signifikanz der Inhalte, Aufgabenqualität und Lehrstofforganisation. Im Verhältnis von Lernenden – Gegenstand die Lehr-Lernkultur: Qualität der Lernprozesse, Verstehen, Kompetenzaufbau, Kognitive (Ko-)Konstruktion, Strukturaufbau. Im Verhältnis von Lehrenden – Lernenden die Interaktions- und Beziehungskultur: Kommunikations- Interaktions- und Unterstützungsqualität, Lerndialog und Lernklima (vgl. Reusser et al. 2015).

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Didaktische Kompetenz Die didaktische Kompetenz thematisiert die Gestaltung der Lernumgebung mit angemessenen Arbeitsformen für das Lehr-Lernsetting mit Studierenden. Für Lehrende geht es hier um die Fähigkeit den Prozess zu initiieren und zu gestalten, damit Studierende sich mit dem Gegenstand oder den zu erwerbenden Kompetenzen auseinandersetzen. Pädagogische Kompetenz Die pädagogische Kompetenz bedeutet, dass Hochschullehrende in der Lage sind, im Lehrkontext mit Studierenden in Interaktion zu treten. Die Unterscheidungen der Rollen nach Reusser hat hier bereits konkretere Hinweise über mögliche Unterschiede in dieser Gestaltung gegeben. Die Thematik der Rollengestaltung in der Hochschullehre fußt auf dieser pädagogischen Kompetenz, welche im Verhältnis zu den Studierenden stattfindet. Die Rolle von Hochschullehrenden umfasst demnach die Gestaltung der LehrLernsituation in ihrer eigenen Fachlichkeit, als pädagogische Beziehung und als didaktische Gestaltung. Darüber hinaus ist die systematische Kompetenz relevant – in unserem Fall als Kontextbedingung der Hochschule definiert (vgl. dazu auch Reinmann 2013). Wernke & Zierer leiten von dieser Ausgangslage die Notwenigkeit einer Planungskompetenz für Lehrende ab. Im Modell des Constructive Alignments kann neben Lehrhandeln auch die Lehrplanung mit entsprechender Setzung von Lernergebnissen sowie das Überprüfungshandeln unterschieden werden. Das Modell des Constructive Alignment (vgl. Biggs und Tang 2007) sieht eine möglichst hohe Kongruenz von geplanten Lernergebnissen, dem Lernprozess und der Überprüfung der Lernergebnisse vor. Wildt und Wildt (2011) betonen dabei die zentrale Funktion von Aufgabenstellungen, welche Lehrende entwickeln. Daraus abgeleitet lassen sich hierin auch unterschiedliche Referenzpunkte für die Rolle von Lehrenden identifizieren. Zum einen die gesellschaftlichen Aufgaben, welche eher auf die strukturelle Dimension in Abb. 1 hindeuten, sowie Lernaufgaben, welche an den Lernprozessen der Studierenden orientiert sind sowie Prüfungsaufgaben, welche zur Überprüfung der Kompetenz von Studierenden dienen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zum einen in der Hochschullehre die wissenschaftlichen Tätigkeit zentral ist (Stichwort: Gelehrte*r), zum anderen lassen sich für das Lehren grundsätzliche Kompetenzbereiche differenzieren, wovon die pädagogische Kompetenz für die Rollengestaltung gegenüber Studierenden zentral ist (Stichwort: Lehrer*in). Durch die unterschiedlichen Nuancierungen im Didaktischen Dreieck werden insbesondere in Bezug auf die pädagogischen und didaktischen Kompetenzbereiche Rollenaspekte explizier-

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und bearbeitbar, indem sie zum Beispiel ein Spannungsfeld zwischen Gegenstands- und Studierendenorientierung eröffnen.

3 Anwendungs- und Gestaltungsmöglichkeiten Es gehört zum professionellen Auftrag von Lehrenden, die entsprechenden Rollen und Rollenklärungsprozesse zu gestalten. Die eingangs genannten konzeptionellen Überlegungen bieten zahlreiche Umsetzungsmöglichkeiten in der Hochschullehre, die im Folgenden anhand von drei Bereichen skizziert werden: Dabei geht es zunächst um die eigene Rollengestaltung (Role Taking) in der Hochschullehre, in einem zweiten Teil eine Erweiterung dieser Perspektive im Abgleich von Selbst- und Fremdbild sowie im abschliessenden Teil um institutionelle Kontextfaktoren bei der Rollengestaltung. Die Unterscheidungen in Abb. 1 sind dafür geeignet, da hier ebenfalls lehrbezogene Kompetenzen (insbesondere pädagogisch und didaktisch, aber auch fachlich) von strukturellen Rahmenbedingungen (systematisch) unterschieden werden. Die folgenden Abschnitte gliedern sich in eine konzeptionelle Einführung zur jeweiligen Perspektive sowie in eine kurze Darstellung von je drei Umsetzungsbeispielen in hochschuldidaktischen Settings.

3.1 Rolleneinnahme (Role Taking) Für die weitere Bearbeitung sind funktionsbezogene Zugänge zur sozialen Rolle von interaktionsbezogenen Zugängen zu unterscheiden. Funktionsbezogene Zugänge referieren auf die Integration in ein soziales Umfeld anhand von symbolischen und normierenden Elementen. Davon zu unterscheiden sind interaktionsbezogene Zugänge, die besonders interessiert an den Interpretationsund Zuordnungsprozessen sind, die zwischen den Beteiligten ausgehandelt werden. Verallgemeinert wäre hier demnach zu unterscheiden, welche Rollen Hochschullehrende innerhalb eines sozialen Settings selbst einnehmen, von den zugeschriebenen, interaktiv in der Lehrsituationen konstruierten Rollenerwartungen. Mit der aktiven Rolleneinnahme kommt demnach eine Interdependenz zum Tragen, indem Studierende Hochschullehrenden deren aktiv eingenommene Rolle auch eher zuschreiben. Außerdem bedeutet diese Rolleneinnahme eine zumindest ansatzweise flexible und willentliche Selbstkontrolle über das eigene Verhalten. Es wird dabei aber immer auch unkontrollierbare und implizite Aspekte geben. In dieser Perspektive ist Rolleneinnahme ein sozialer

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Mechanismus, da es die Reaktion des Rollengegenübers ebenfalls antizipiert. Hierbei wird davon ausgegangen, dass das Rollengegenüber – im Fall der Lehre Studierende – ihre Rolle umso klarer wahrnehmen können, je dezidierter die Lehrenden ihre eigene komplementäre Rolle einnehmen (vgl. Dandaneau 2007, S. 3956 f.). Sobald Lehrende aktiv ihre Rolle gestalten, wird das Gegenüber dadurch für die Rolle der Lernenden vorgesehen. Dahingegen können Studierende die Rolle der Lernenden durchaus auch ohne Lehrende ausführen, zum Beispiel im Selbststudium. Zu Beginn der eigenen Lehrtätigkeit an Hochschulen erfolgt ein Rollenwechsel. Lehrende sind in der Regel mit der Rolle von Studierenden im LehrLernsetting bereits vertraut (vgl. Weil 2011, S. 29). Die Phase des Rollenwechsels ist anfällig für Rollenkonflikte, wenn sich die Personen ihrer eigenen neuen Rolle (noch) nicht bewusst sind oder wenn ihnen diese Rolle von der Umwelt (noch) nicht in gleichem Maße zugesprochen wird. In diesen Fällen kann es im Selbstbild zu konträren Erwartungshaltungen kommen (z. B: Gleichzeitigkeit, selbst noch PhD-Student*in zu sein und bereits die Lehrendenrolle für Bachelor-Studierende zu übernehmen). Oder auch im Abgleich von Selbst- und Fremdbild (z. B. sich selbst noch als Peer zu den Studierenden sehen, von den Studierenden aber nicht mehr als Peer, sondern in der Lehrendenrolle wahrgenommen zu werden). Diese Situationen sind anspruchsvoll und beeinflussen die eigene Rollengestaltung in der Lehre. Folgende drei Unterscheidungen bei konfligierender Rollengestaltung können in der Bearbeitung hilfreich sein: Rollenüberlastung Damit ist gemeint, dass mehrere Rollen gleichzeitig nicht adäquat ausgeführt werden können, da zu viele Ansprüche aus den verschiedenen Rollen erwachsen. Im akademischen Kontext können dies zum Beispiel die Ansprüche an die Lehre und die gleichzeitigen Ansprüche an die wissenschaftlichen Tätigkeiten, wie Publizieren, betreffen. Hierbei entsteht für Lehrende die herausfordernde Aufgabe mit mehreren Rollenansprüchen gleichzeitig umzugehen und allenfalls Prioritäten zu setzen. Rollenkonflikt Auch können Rollenerwartungen in einem klaren Gegensatz zueinander stehen und damit nicht vereinbar sein. Ein Beispiel im akademischen Kontext findet sich im Zeitmanagement: wenn die sorgfältige Gestaltung der Lehre viel Zeit beansprucht, gleichzeitig aber effizientes Handeln mit starker Priorisierung der Forschungsarbeit gefordert ist.

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Rollenambiguität Wenn die Rolleneinnahme als Lehrende*r nicht eindeutig ist, sondern vage bleibt, spricht man von Rollenambiguität. Zum Beispiel diskutieren Ryan und Louie (2007) insbesondere in internationalen Hochschulsettings, dass viele Lehrende an Universitäten sich unsicher sind, wie sie mit der Diversität der Bedürfnisse von Studierenden umgehen sollen. Role Taking bietet demnach zum einen die Möglichkeit, Rollen klarer zu fassen (Vermeidung von Rollenambiguität). Damit einher gehen kann die Explizierung von Rollenüberlastung und Rollenkonflikten, welche meist innerhalb der strukturellen Kontexte bearbeitet werden müssen. Wenn Rollenüberlastung oder -konflikte direkt das Lehr-Lernsetting betreffen, empfiehlt sich der Abgleich von Erwartungen im Fremd- und Selbstbild (vgl. folgendes Unterkapitel). Ein weiterer Diskursstrang im Rahmen der Rolleneinnahme als Lehrende*r bietet das Konzept der Selbstkonzeption (vgl. Roche und Marsh 2002). Selbstkonzeption kann als Selbstbild in der jeweiligen sozialen Rolle verstanden werden. Es ist ein multidimensionales Modell, welches verschiedene Faktoren der Lehrpraxis und der Selbstwahrnehmung in diesem Kontext berücksichtigt. Im Englischen ist dafür auch der Begriff Teachership geprägt, welcher die Frage der Selbstkonzeption in der Lehrendenrolle im sozialen und professionellen Kontext aufnimmt (vgl. Kreber 2010). In Hochschulsettings kann die Selbstkonzeption als Entwicklung verstanden werden – in diesem Sinne geht es wie beim Role Taking um den Prozess des Lehrenden-Werdens. Die Selbstkonzeption basiert auf persönlichen Theorien über die eigene Rolle und das entsprechende Lehrhandeln (vgl. Fox 1983; Kreber 2010). Das Thema der Selbstkonzeption eröffnet für hochschuldidaktische Settings Möglichkeiten, die eigene Lehrpraxis zu analysieren. Beispiele für Rolleneinnahme (Role Taking): Lehrbezogenes Setting Video-Aufzeichnung: Eine Lehrsequenz wird aufgezeichnet und von der lehrenden Person dahingehend ausgewertet, welche beobachteten Aspekte ein bestimmtes Rollenbild widerspiegeln. Diese Auswertungen bieten die Möglichkeit, dass Lehrende die Lehrsequenz nochmals ansehen und die Videosequenz mit ihrem Selbstbild abgleichen. Hochschuldidaktisches Setting Visualisierung: In einer hochschuldidaktischen Aufgabenstellung sind verschiedene Situationen im Lehr- und Betreuungskontext in einem Satz zu

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beschreiben. Die Teilnehmenden positionieren diese Situationen zunächst selbst in drei Verantwortungszonen (hohe, mittlere und niedrige Verantwortung für die weitere Gestaltung). In einem zweiten Schritt diskutieren die Teilnehmenden ihre Positionierungen der Situationen in Partner*innenarbeit. Die nachfolgende Plenumsdiskussion wird dafür genutzt beispielsweise das Thema Verantwortung übernehmen im Sinne des Role Taking genauer zu fassen und die individuellen Unterschiede bei der Auslegung aufzugreifen. Durch die Visualisierung der Verantwortungszonen werden Rollenüberlastung oder Rollenambiguität thematisierbar. Institutionelles Setting Lehrportfolio/Lehrphilosophie: Reflexionsprozesse werden häufig in hochschuldidaktischen Weiterbildungs- und Beratungsangeboten thematisiert. Diese sind nicht nur auf Reflexion von konkreten Lehr-Lernsettings an Hochschulen zu beziehen, sondern auch auf die institutionellen Begebenheiten ausgelegt. Hier ist insbesondere das Lehrportfolio eine Möglichkeit, das eigene Lehrhandeln kontextbezogen aufzugreifen. Wie Futter (2009) ausführt, geht es dabei zum Beispiel um eine Einordnung der eigenen Lehrphilosophie oder der eigenen Qualitätsansprüche an die Lehre im Kontext der Hochschule. Die bisherigen Ausführungen und Beispiele haben zunächst die eigene Rolle aus der Perspektive der Lehrenden selbst thematisiert. Im folgenden Abschnitt geht es um die Kohärenz dieses Selbstbildes mit Fremdbildern seitens der Studierenden.

3.2 Rollenkohärenz (Selbst- und Fremdbild) Wie oben ausgeführt geht es zunächst um den Abgleich des Selbstbilds mit dem Fremdbild aus Sicht der Studierenden (interaktionale Komponente). Der Bezug zur institutionellen Struktur wird im nächsten Abschnitt behandelt (funktionale Komponente). Als Pendant zum Selbstbild Hochschullehrer*in kommt die Sicht der Zielgruppe hinzu, an welche sich die Lehre richtet. Dies sind Studierende in Bachelor-, Master- oder PhD-Programmen sowie Weiterbildungsteilnehmende (vgl. Exkurs Weiterbildung). Damit einher geht bei einer gewissen Grundstabilität ein dynamisches Rollenverhältnis, welches sich (immer wieder neu) in der Lehrsituation konstituiert. Dies stellt eine Herausforderung für die an den Lehr-Lernsettings Beteiligten dar, da die Rollenthematik kein klassischer Bestandteil innerhalb der Lehre ist, insbesondere nicht, wenn sie stärker am Gegenstand orientiert ist. Um die Rollenerwartungen der Studierenden mit den eigenen Vorstellungen in Verbindung bringen zu können, gilt es zunächst

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­ ückmeldungsverfahren zu finden, die Auskunft über Fremdbilder zu geben verR mögen. Eine naheliegende Form ist die Befragung von Studierenden. Hierbei ist jeweils die soziale Erwünschtheit der Antworten oder auch die antizipierte Fähigkeit der Studierenden zur Formulierung von Rollenerwartungen zu beachten. Neben der Befragung als Form der Explizierung kommen Reflexionsmöglichkeiten hinzu, die als formative Rückmeldungen zur Rollengestaltung ausgeführt werden. Für viele Lehrende an Hochschulen stellt es eine Herausforderung dar, die eigene Rolle als Lehrende den Bedürfnissen, unterschiedlichen Ansprüchen und der jeweiligen Lernumgebungen anzupassen (vgl. Bodycott und Walker 2000). Je nach Verständnis etwa als Darsteller*in, Coach oder Lernberater*in ist diese Klärung für die Lernprozessgestaltung zentral. Rollenkohärenz ist dabei kein zwingendes Ziel, aber eine Möglichkeit, die eigenen Erwartungen mit jenen von Studierenden abzugleichen und damit Rollenkonflikte oder Rollenambiguität zu reduzieren. Das soll heißen, dass die Rolle als Lehrende*r sich nicht per Definition oder per persönlichem Entscheid festlegen lässt, sondern sich jeweils auch in Abhängigkeit zur Umgebung und zum Rollengegenüber konstituiert. Gleichzeitig kann eine lehrende Person durch soziale und gesellschaftliche Normen an der Aushandlung der genannten Rollenansprüche gehindert werden oder sich gehindert fühlen (vgl. Franks 2007, S. 3953 f.). Bezogen auf das Lehrhandeln können außerdem Rollenausprägungen auf ihre Lernförderlichkeit untersucht werden. Hierbei stellt sich zum Beispiel die Frage, wie viel Unterstützung und Begleitung für Studierende das richtige Maß sei. Dies lässt sich einerseits anhand der ausgeführten unterschiedlichen Rollen (Darsteller*in, Coach, Lernberate*in) differenzieren oder auch mikro-didaktisch analysieren: Bereits Aebli konstatierte, dass eine zu starke Führung und Hilfestellung bei Studierenden im Sinne des Lernprozesses und der Problemlösefähigkeit hinderlich seien (vgl. Aebli 1961). Das aus diesen Überlegungen generierte Prinzip der minimalen Hilfe impliziert eine graduelle Steigerung und Spezifizierung der benötigten Hilfestellungen. Dabei zielt diese auf die größtmögliche Eigenaktivität der Studierenden (vgl. Perrenet und Groen 1993; Hofmann-Zang 2011, S. 134 f.). Ein Abgleich von Selbst- und Fremdbild bedarf demnach immer auch einer pädagogischen und didaktischen Kompetenz der Lehrenden, die in Lernumgebungen und Lernprozesse gestaltend eingreifen. Hierbei müssen sich Selbstund Fremdbild der Lehrendenrolle nicht zwingend decken, eine Explizierung kann aber die unterschiedlichen Perspektiven aufzeigen. Der Abgleich von Fremd- und Selbstbild – sofern größere Kohärenz hergestellt werden soll – bringt Implikationen für die Gestaltung von Lehr-/Lernprozessen mit sich.

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Beispiele für Rollenkongruenz (Selbst- und Fremdbild): Lehrbezogenes Setting Classroom Assessment Techniques (CATs): In der Selbst- und Fremderwartung gibt es mit den CATs Möglichkeiten des formativen Studierendenfeedbacks, die in den Kapiteln „Assessing Learner Reactions to Teachers and Teaching“ sowie „Assessing Learner Reactions to Class Activities, Assignments, and Materials“ erläutert werden (vgl. Angelo und Cross 1993). Hier werden 10 in kurzer Zeit durchführbare Methoden vorgestellt, um die Aktivitäten von Studierenden in ihrer Rolle zu befragen, so zum Beispiel Lehrqualitätszyklen (Classroom Quality Cycles) oder Prüfungsevaluation (Exam Evaluation). Mit diesen situationsspezifisch abänderbaren Feedbackmethoden geben Studierende Auskunft über Rolleneinnahme in der Hochschullehre. Bei den ausgewählten CATs geht es um ein formatives Feedback zur eigenen Rolle. Dies kann dann mit den eigenen Erwartungen und Zielsetzungen abgeglichen werden. Hochschuldidaktisches Setting Rollenspiel: Eine Gesprächssituation zwischen Lehrenden und Studierenden wird nachgestellt. Weitere Teilnehmende im hochschuldidaktischen Setting beobachten die Gesprächssituation anhand ausgewählter Kriterien. Es erfolgt ein Feedback zum Rollenverhalten des/der Lehrenden. Hierbei gibt es auch Varianten, so etwa die Bearbeitung in 3er-Gruppen im Rotationsprinzip mit einer Lehrenden-, einer Studierenden- und einer Beobachtendenrolle durchzuführen und die Interpretation von Verhalten bezogen auf das Rollenbild der Lehrenden zu thematisieren. Institutionelles Setting Kollegiale Hospitation: Ein Lehrsetting wird durch eine Kollegin, einen Kollegen anhand von vorab abgesprochenen Kriterien beobachtet. Dazu gehört ein strukturiertes Vorgespräch, die Durchführung der kollegialen Hospitation sowie ein Auswertungsgespräch. Hier kann durch Beobachtung eine Außensicht auf die Lehrsituation formuliert werden, die mit dem Selbstbild abgeglichen wird (vgl. Hochschuldidaktik UZH 2011).

3.3 Funktionsdefinition Neben dem Selbst- und dem Fremdbild gibt es wie im vorangehenden Abschnitt ausgeführt auch das institutionelle Setting, das die Rollengestaltung beeinflusst. In Abb. 1 kann dies mit der systematischen Kompetenz von Hochschullehrenden

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bearbeitbar gemacht werden. Die Hochschulen formulieren je nach Funktion unterschiedliche Ansprüche an Lehr-, Forschungs- und Dienstleistungen. Während Rollen sich auf Verhaltenserwartungen beziehen, bezeichnet die Funktion den institutionellen Zweck der Tätigkeit. Hochschullehre hat demnach einen institutionell zugeschriebenen Zweck, der sich beispielsweise auch in Stellen- oder Funktionsbeschreibungen ausdrückt. Als Kontextbedingungen sind die Einbettung von Lehre in Wissenschaft sowie das institutionelle Setting der Hochschule zu berücksichtigen. Im Wissenschaftskontext sind Lehrende in der Regel auch Forschende und tragen diesen Umstand als qualitative Komponente in die Lehre hinein. Zum Verhältnis von Forschung und Lehre gibt es zahlreiche Abhandlungen, die sich teilweise auf die didaktische Gestaltung von Lehre, teilweise aber auch auf Fragestellungen zur Rolle von Lehrenden übertragen lassen (vgl. Healey 2005; Tremp 2005; Healey und Jenkins 2009, S. 7; Tremp und Tettenborn 2013). Healey und Jenkins nutzen einerseits die Orientierung an Forschungsergebnissen und Forschungsprozessen mit der rollenrelevanten Aufteilung von zuhörenden oder teilnehmenden Studierenden, um eine Vierfelder-Matrix mit dem Forschungsbezug in der Lehre zu erstellen (vgl. Healey und Jenkins 2009). Hier kommen wiederum die reziproken Rollenerwartungen an Lehrende zum Tragen, welche die Studierenden beim Vortragen in die Rolle der Zuhörenden und beim Begleiten in die Rolle der Teilnehmenden versetzen können. Healey und Jenkins unterscheiden damit folgende vier Felder für die Hochschullehre: 1. Research-tutored: mit Forschungsergebnissen agierend 2. Research-based: am Forschungsprozess teilnehmend 3. Research-led: über Forschungsergebnisse informierend 4. Research-oriented: über Forschungsprozesse informierend Diese Unterteilung bietet die Möglichkeit, Rollenerwartungen in der Lehre mit Forschung in Beziehung zu setzen. Eine eher ökonomische Sichtweise auf Hochschule bringt ebenfalls Möglichkeiten zur aktiven Auseinandersetzung mit den Rollenerwartungen mit sich. So geben etwa Anstellungsverhältnisse, personalrechtliche Fragestellungen oder Stellen- und Prozessbeschreibungen Auskunft über die Funktion der Lehrenden. Teilweise finden hier Quantifizierungen statt, z. B. zum Umfang von Lehre, Weiterqualifikation oder Forschungs- und Drittmittelanteile, etc. Hierbei gilt es, institutionelle Zuschreibungen an die Funktion von Lehrenden von denen anderer Funktion (z. B. Vorgesetztenfunktion, Forschungsfunktion, …) zu unterscheiden.

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Wenn Lehrende einen Abgleich von Rollenerwartungen der Hochschule an sie anstreben, ist die institutionelle Setzung von Funktionen ein guter Ausgangspunkt, um Verhaltenserwartungen abzuleiten. Sollten keine expliziten Funktionsbeschreibungen zur Verfügung stehen, wäre eine erste Lektüre die jeweiligen Studien- und Prüfungsordnungen, aber auch Mission Statements oder Geschäftsordnungen hilfreich. Für die Kenntnis von institutionellen Rollenerwartungen scheint dieser Abgleich von eher funktionalen Zuschreibungen mit dem Rollenselbstbild fruchtbar, um allfällige Rollenkonflikte oder Handlungsspielräume explizieren zu können. Im Zuge des Role Taking identifizieren Lehrende, welche institutionellen Verantwortungen sie tragen. Dies kann die Lehre betreffen, aber auch erweiterte Aufgaben, so zum Beispiel das Sicherstellen von Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit bei Prüfungen oder die Leadrolle bei Lehrevaluation- und Lehrentwicklung. Dies mag sich je nach Hierarchiestufe unterscheiden, kann aber teilweise direkten Einfluss auf das Lehrhandeln haben. Beispiele für Funktionsdefinition: Lehrbezogenes Setting Vier-Felder-Matrix: Die eingeführte Matrix mit der X-Achse Lehre orientiert sich an Forschungsprozessen und Forschungsergebnissen. Die Y-Achse Lehre orientiert sich an zuhörenden Studierenden bis mitwirkenden Studierenden und kann gegenüber den Studierenden benannt oder auch gemeinsam bearbeitet werden. Frameworkarbeit: Im Zürcher Framework zur Verknüpfung von Forschung und Lehre, sind zunächst einzelne Forschungsschritte differenziert. Diese werden dann mit Lehrformaten und Leistungsnachweisen ins Verhältnis gesetzt (vgl. Tremp und Hildbrand 2012, S. 101 f.). Damit ergeben sich in hochschuldidaktischen Settings für die Lehrplanung unterschiedlichste Bezugsmöglichkeiten von Hochschullehre auf Forschung. Deren Benennung beleuchtet den institutionellen Kontext und damit die strukturellen Rahmenbedingungen von Hochschulen für die Lehre. Institutionelles Setting Funktionsbeschreibungen: Dokumente, die in der Selbstreflexion erstellt wurden, können mit Darstellungen von Vorgesetzten oder einer institutionellen Dokumentenanalyse abgeglichen werden. Hier sind auch erweiterte Lehrfunktionen wie Curriculumentwicklung, Studiengangsverantwortung etc. zu verorten. Es bietet sich an, eine Funktionsbeschreibung für die Lehre zu erstellen, um darauf basierend die Ressourcen für die Lehrtätigkeit abschätzen zu können.

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Abschließend lässt sich zu den Anwendungsmöglichkeiten konstatieren, dass die verschiedenen Perspektiven nicht gleichzeitig behandelt werden können, dass sie aber jeweils unter einem ausgewählten Aspekt die Bearbeitung der eigenen Rolle zulassen. Namentlich zeigen sich die Entwicklung eines eigenen Rollenbildes sowie der entsprechende Abgleich mit Fremdbildern der Studierenden sowie den institutionellen Rahmenbedingungen als mögliche Bearbeitungsformen. Der Begriff Lehrende erfährt dabei eine erweiterte Definition, da die Ausgestaltung durchaus eine Tendenz zu Darsteller*in, Coach oder Lernberater*in beinhaltet. Diese Positionierung gegenüber den Studierenden sowie gegenüber dem Gegenstand ermöglicht eine stabile soziale, aber auch durchaus aktive situative Gestaltung von Rollen mit der Zielsetzung einer hohen Kongruenz von Selbstund Fremdbild sowie der Vermeidung der erwähnten Herausforderungen wie Rollenüberlastung, -konflikt oder -ambiguität. Ein mehrperspektivischer Zugang ermöglicht eine datengestützte, aktive Weiterentwicklung der eigenen Rollengestaltung in einer professionalisierten Hochschullehre. Demgegenüber ist die Haupttätigkeit in der Lehre nicht nur in Reflexionsprozessen zur Rollengestaltung zu sehen, da die Kompetenzentwicklung von Studierenden im Vordergrund steht. Die Rollenklarheit von Lehrenden kann je nach Ausgangslage auch Studierenden bei ihrer Rolleneinnahme helfen und damit Lehr-Lernsettings gestaltbarer – in jedem Fall aber benennbar machen.

4 Anregungen für die weitere Bearbeitung In diesem Abschnitt sollen Anregungen für die weitere Bearbeitung der Rollenthematik für Lehrende skizziert werden. Gemäß des eingangs entworfenen Didaktischen Dreiecks beziehen sich die Anregungen und Handlungsempfehlungen auf Lehrende, Studierende, Gegenstand und Struktur. Bei den Lehrenden geht es um die bewusste Rollenexplizierung und -gestaltung, den Prozess des Role Taking sowie um Reflexionsmechanismen zur Überprüfung. Auf der Seite der Studierenden gibt es ebenfalls Handlungsoptionen der Explizierung der Rollenerwartung sowie der Verbindung dieser Rollenerwartungen mit Lernprozessen. Des Weiteren geht es um das Verhältnis zum Gegenstand durch Expertise und Forschungsbezüge die Hochschullehrende mitbringen. Hinzu kommt der mit Struktur bezeichnete Bereich des Hochschulkontexts, in dem das Lehr-Lernsetting gestaltet und mit funktionalen Rollenerwartungen ins Verhältnis gesetzt wird.

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4.1 Lehrende Die im vorherigen Punkt erwähnte Rollenexplizierung kann dazu beitragen, Rollen bewusster einzunehmen und andere Beteiligte über Erwartungen zu informieren. Dabei geht es nicht darum, rein über formale Aspekte Signale der Rolleneinnahme zu setzen. Sondern umgekehrt bedeutet eine bewusste Rolleneinnahme unter Umständen Veränderungen im Auftreten oder Prozesssteuerung. Daran angelehnt lassen sich zahlreiche konkrete Fragestellungen im situationsspezifischen Kontext bearbeiten, so zum Beispiel Siezen oder Duzen, sitzend oder stehend vortragen, Classroom-Management, etc. Die jeweilige Entscheidung für eine bestimmte äußere Form sollte abgestimmt auf das Role Taking sein. Es ist anzunehmen, dass diese in der Situation als Darsteller*in, Coach oder Lernberater*in jeweils unterschiedlich ausfallen. Hochschuldidaktische Weiterbildung bietet in diesem Zusammenhang vor allem Reflexionsmechanismen für Lehrende an. In entsprechenden Angeboten kann mit einer Lehrphilosophie oder einer persönlichen Rollenbeschreibung gearbeitet werde, um zunächst Rollenbilder für die Lehrenden selbst deutlich zu machen (vgl. auch Futter 2009; Hochschuldidaktik UZH 2011; Korhonen und Weil 2015). Dieser Prozess kann mit anderen Lehrenden als Reflexionsmöglichkeit diskutiert und mit Ist- und Soll-Vorstellungen abgeglichen werden. Korhonen und Weil haben in hochschuldidaktischen Settings zum Thema Internationalisierung der Lehre mit Frame Stories gearbeitet, indem sie eine Situationsbeschreibung vorgegeben haben, welche durch die Teilnehmenden möglichst positiv fortgeschrieben werden sollte. Dieses Idealbild ließ sich dann mit der realen Situation in ein Verhältnis setzen (vgl. Korhonen und Weil 2015). Aus solchen Ergebnissen lässt sich die beschriebene Selbstkonzeption für Lehrende ableiten und in Abstimmung mit der jeweiligen Lehrsituation bringen.

4.2 Studierende Studierende bringen im Lehrkontext Fremdbilder als Ressource mit in die Rollengestaltung von Hochschullehrenden. In Lehr-Lernsettings gilt es zu erkennen, wann Erwartungen geklärt werden müssen, damit der Lernprozess optimal unterstützt werden kann. Insbesondere wenn die institutionellen Settings, wie zum Beispiel bei Erstsemestrigen oder bei internationalen Studierendengruppen noch nicht bekannt sind. In der Rolle als Lernberater*in oder Coach wären Rollenklärungen hingegen Teil des professionellen Verständnisses von B ­eratungs-

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und Coachingprozessen. Mit den CATs als formatives Feedback besteht eine Möglichkeit, ein Meinungsbild von den Studierenden einzuholen. Interessant ist die Rollenfragestellung auch in Verbindung mit Lernprozessen. In der Lernzielformulierung sind neben fachlichen Zielen auch überfachliche Zielsetzungen möglich. Hier können Rollengestaltungsfragen, Persönlichkeitsmerkmale und soziale Merkmale insbesondere als Selbst- und Sozialkompetenz aufgenommen werden (vgl. Hochschuldidaktik UZH 2013, S. 10 f.). In der hochschuldidaktischen Weiterbildung ist die Perspektive der Studierenden mangels Anwesenheit nur indirekt bearbeitbar, so zum Beispiel in Rollenspielen oder in der Auswertung von Lehrsequenzen. Solche Übungsanlagen dienen mit Blick auf die reale Lehrsituation als Reflexionsanlass zur eigenen Rollengestaltung mit Studierenden. Der kollegiale Austausch zu den simulierten Szenen kann verschiedene Sichtweisen auf die Lehrsituation verdeutlichen und damit die Antizipation von Fremdbildern deutlich machen. Auch kollegiale Fallbesprechungen können eine solche Funktion erfüllen. Die Selbstreflexion und der kollegiale Austausch zu diesen Fragestellungen werden in einem geschützten Rahmen ohne die Studierenden thematisierbar, ohne bereits die interaktive Rollenaushandlung direkt vornehmen zu müssen.

4.3 Gegenstand In der Lehre selbst lassen sich über den Gegenstand nur bedingt Rollendefinitionen vornehmen. Dennoch kann einerseits die Orientierung der Lehrenden am Gegenstand thematisiert werden. Damit kommt zum Beispiel zur Sprache, welche fachliche Kompetenz Lehrende in der Rolle als Darsteller*in, Coach oder Lernberater*in jeweils benötigen. Andererseits ist auch der erwähnte Forschungsbezug zentral und damit verbunden die stärkere Ausrichtung auf Forschungsergebnisse oder -prozesse, bzw. auf Studierende als Zuhörende oder als Teilnehmende (vgl. Healey und Jenkins 2009). Für das hochschuldidaktische Setting ist das Verhältnis von Lehrende*r und Gegenstand mit der Fragestellung der fachspezifischen Ausprägung der Lehr-Lernsettings interessant. Disziplinäre und fachbezogene Zugänge sind als Kombination von hochschuldidaktischer Kompetenzentwicklung und der jeweiligen Fachlichkeit zu sehen (vgl. z. B. für Medizin Schirlo 2011, S. 175 f.; für Naturwissenschaften Maurer 2017; für Geschichte Füssel 2018, S. 97 f.).

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4.4 Strukturelle Bedingungen Bereits aus den konzeptionellen Ausführungen wurde deutlich, dass sich einige Rollenproblematiken mangels Einflussmöglichkeiten auf den strukturellen Kontext kaum verändern lassen. Das vorgeschlagene Konzept des Role Taking bedeutet das Einnehmen von bestimmten Rollenattributen unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen an Hochschulen. In der Lehre kann demnach eine Aufgabenerweiterung, welche Gestaltungsmöglichkeiten für die Struktur mit sich bringt, oder die Thematisierung mit entsprechenden Verantwortlichen, zu Strukturänderungen beitragen. Hochschuldidaktischen Settings bleibt die Möglichkeit strukturelle Fragestellungen aktiv aufzugreifen, indem sie zum einen zur Institutionskunde anregen und Lehrende dazu ermuntern, wichtige institutionelle Dokumente zur Kenntnis zu nehmen und ihre Lehrpraxis daran zu orientieren. Andererseits kann Hochschuldidaktik im Verständnis als Lehrentwicklung auch zur Gestaltung von strukturellen Rahmenbedingungen befähigen, indem die systematische Kompetenz der Lehrenden adressiert wird. Dabei kann es zum Beispiel um die Gegenüberstellung von Forschenden- und Lehrendenrollen gehen, die in entsprechenden Funktionsbeschreibungen ihren Ausdruck finden. Diese vier aufgeführten Bereiche für Handlungsempfehlungen in der Lehre und in der Hochschuldidaktik sind in das Beziehungsgefüge des Didaktischen Dreiecks eingebettet und bieten eine erste Differenzierung zur weiteren Bearbeitung der Rollengestaltung an Hochschulen. Sie setzen Lehrende in die zentrale Rolle hochschuldidaktischer Überlegungen jeweils in Bezug zu Studierenden, Gegenstand und Struktur. Damit steht auch die pädagogische Kompetenz im Fokus, durchaus mit den entsprechenden Fortführungen in der didaktischen, der fachlichen und der strukturellen Kompetenz (vgl. Wernke und Zierer 2017). Exkurs: Weiterbildungssettings an Hochschulen In den bisherigen Ausführungen wurde der Fokus auf Lehr-Settings in Bachelor-, Master- und PhD-Programmen der Hochschullehre gelegt. Für Weiterbildung an Hochschulen braucht es entsprechende Anpassungen. Lehr-Lernsettings in der Hochschule befinden sich strukturell auf der Tertiärstufe des Bildungssystems und haben damit anderen Funktionen von Auswahl, Gestaltung und Überprüfung als Lehr-Lernsettings in der Weiterbildung. Weiterbildung ist weniger stark abschlussbezogen, basiert tendenziell auf Freiwilligkeit und ist von der Zielgruppe anders gelagert: Hier nehmen in der Regel

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Personen mit Master-Abschluss und/oder mit mehrjähriger Berufserfahrung teil. Neben dem institutionell verorteten Forschungsbezug sollte demnach der Berufsfeldbezug aktiver adressiert werden (vgl. Eugster und Weil 2015). In einer explorativen Studie von Fischer (2014) in der Schweiz wurden die Bereiche Personalgewinnung, Personalentwicklung und didaktische Unterstützung für Lehrende in der Weiterbildung als besonders wichtig hervorgehoben. Neben Zielgruppe der Weiterbildungsteilnehmenden gilt es Bedingungen im institutionellen Kontext zu identifizieren, die einen Einfluss auf das Rollenverhältnis haben können. So kann es bei kostenpflichtigen Programmen durchaus neben der Lehrendenrolle auch eine Kundenbeziehung geben. Dieser Exkurs soll aufzeigen, dass der jeweilige strukturelle Kontext einen starken Einfluss auf die Rollengestaltung haben kann. Die systematische Kompetenz von Hochschullehrenden bedeutet hierbei, dass sie die Lehrtätigkeit für Studierende und für Weiterbildungsteilnehmende unterscheiden können. Weiterbildungsteilnehmende bewegen sich in einem anderen institutionellen Kontext als Studierende, da sie in der Regel bereits mehr Berufserfahrung haben und für sie der Forschungskontext in Bezug auf die angestrebte Qualifikation eine andere Rolle spielt als das im Gefüge von Bachelor, Master und Doktorat in Studienprogrammen der Fall ist.

5 Zusammenfassung und Ausblick Es konnte aufgezeigt werden, dass die Rollengestaltung von Lehrenden an Hochschulen ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten erfasst, je nach Zugang geht es dabei um Rollengestaltung (Role Taking) oder in weiteren Schritten um den Abgleich von Selbst- und Fremdbild. Hochschuldidaktik kann dabei als Angebot zur Reflexion und Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle verstanden werden. Im Didaktischen Dreieck fand eine Fokussierung auf Lehrende im jeweiligen Verhältnis zu Lernenden, Gegenstand und Struktur statt. Je nach Perspektive ergeben sich verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten für die Rolle von Hochschullehrenden. Als erster Schritt für Lehrende steht dabei die Benennung von Rollenvorstellungen. Dies ist besonders zum Beginn der Lehrtätigkeit zentral, da hier eine veränderte Rolle im Kontext der Hochschullehre eingenommen wird. Zur eigenen Rollengestaltung gehört auch die Kommunikation mit den Studierenden sowie im institutionellen Kontext. Studierende können im aufgezeigten Spektrum von Darsteller*in, Coach oder Lernberater*in entsprechende reziproke Rollen einnehmen

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oder verhandeln. Role Taking wird damit zu einem zentralen Moment, das in auch in der hochschuldidaktischen Weiterbildung bearbeitet werden kann. Die Zielsetzung, ein Spektrum zur Rollengestaltung zu eröffnen, könnte noch weitergeführt werden, so zum Beispiel mit bewussten Peer- oder Community-Bezügen (vgl. Weil 2018) oder mit Fokus auf Beruflichkeit und Professionalisierung (vgl. Wissenschaftsrat 2017). Mit der vorliegenden Auslegeordnung, die sich nah an der Lehrtätigkeit orientiert, sollte ein umsetzungsorientierter Beitrag zu Doing Higher Education und zur Verbindung mit der Hochschuldidaktik als Weiterbildungsangebot geleistet werden.

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Reflective Practice in der Hochschullehre Silke Kruse-Weber und Nazfar Hadji

Zusammenfassung

Es ist hinreichend dokumentiert, dass Reflexivität eine Schlüsselkompetenz guter (Hochschul-)Lehre und konstitutiv für professionelles pädagogisches Handeln ist. Reflexion ist eine erlernbare Kompetenz und gibt die Möglichkeit, Unterricht weiter zu entwickeln. Sie gründet in einer inneren Haltung, mit der sich Lehrende auf sich sowie ihren beruflichen Kontext und seine Rahmenbedingungen beziehen können. Der vorliegende Beitrag möchte im Rekurs auf einschlägige Literatur Dimensionen aufzeigen, Unterricht zu reflektieren und illustrieren wie Hochschullehrende als Reflective Practitioners ihren Unterricht (weiter-)entwickeln können. Hierbei steht zunächst der Begriff der Reflection-on-Action (Schön 1983) im Zentrum, als ein vom Handlungsdruck entlasteter Reflexionsmodus. Es soll zudem dargestellt werden, wie dieser mit Reflection in Action und Reflection for Action in Beziehung steht. Die Haltung des Reflective Practitioner beschreibt idealtypisch pädagogisches Handeln als Interaktion von Planung, Analyse situativer Anforderung und Adaption an die gegebene komplexe Unterrichtssituation und lässt im reziproken Prozess zwischen Theorie und Praxis eine enge Verzahnung entstehen. Durch Wissen, Offenheit, Erfahrung und vor allem eine lebenslang forschende Haltung können Reflective Practitioners S. Kruse-Weber (*)  Institut für Musikpädagogik, Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz, Graz, Österreich E-Mail: [email protected] N. Hadji  Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH), Hannover, Deutschland © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_6

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S. Kruse-Weber und N. Hadji

die durch zunehmende Heterogenität gekennzeichneten Lern- und Lehrsituationen im Hinblick auf die jeweils spezifischen Bedürfnisse hin analysieren sowie konstruktiv gestalten. Der Beitrag zeigt Perspektiven auf, die Reflective Practice anregen und verstärken können. Diese sind kollaborativer Austausch, Hospitationen sowie ein Feedback, welches die selbstregulativen Kompetenzen der Lernenden und damit Autonomie unterstützt. Reflective Practice wird als eine Kompetenz beschrieben, die es ermöglicht, nicht nur defizitorientiert den eigenen Unterricht zu verbessern. Vielmehr können Lehrende sich durch eine ressourcenorientierte reflexive Haltung auch ihrer Stärken bewusst werden. Dies ist wesentlich auch im Hinblick auf die Berufszufriedenheit von Hochschullehrenden.

1 Einleitung Reflexionsfähigkeit nimmt in den Schriften zum Lernen und Lehren einen hohen Stellenwert ein und wird derzeit als eine Schlüsselkompetenz guter (Hochschul-) Lehre gesehen (vgl. Hilzensauer 2008). Der vorliegende Beitrag möchte im Rekurs auf einschlägige Definitionen und theoretische Zugänge aufzeigen (Kap. 2), vor welchem theoretischen Hintergrund sowie mit welchen Ansätzen und Formaten Unterricht bzw. Hochschullehre reflektiert werden kann. Hiermit soll erreicht werden, dass Hochschullehrende und Reflective Practitioners (Schön 1983) die eigene Lehre und berufliche Identität (weiter-)entwickeln können. Weiterhin werden verschiedene Formen einer strukturierten Reflexion dargestellt (Kap. 3) und darüber hinaus Anwendungsmöglichkeiten sowohl im kollaborativen Ansatz des Peer-Feedback sowie für die Selbstreflexion vorgestellt (Kap. 4). Hier werden Möglichkeiten zur Reflexion über die eigene Lernbiografie, über das eigene professionelle Handeln, dann über die eigenen Lehrstrategien vor dem Hintergrund der Lerntheorien und schließlich auch die Möglichkeit zur Metareflexion aufgezeigt. Mit John Dewey Anfang des 20. Jahrhunderts und schließlich seit den 1980er Jahren mit Donald A. Schön (1983, 1987) ist ein enormer Zuwachs an Literatur über Reflective Practice zu verzeichnen (u. a. Kolb und Fry 1975; Korthagen und Vasalos 2009; Ghaye 2011; Brandenburg et al. 2017) und es wurden entsprechende Feedbackmodelle entwickelt (Lerman und Borstel 2003; Hattie und Timperley 2007). Die aktuell diskutierten Ansätze stimmen darin überein, dass Reflexivität lebenslang konstitutiv für professionelles Handeln und Denken ist. Das Konzept des Reflective Practitioners (Schön 1983) ist in diesem

Reflective Practice in der Hochschullehre

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­ usammenhang insbesondere in der Lehrerbildung seit einigen Jahren leitend Z (vgl. z. B. Neuweg 2000; Bromme und Haag 2008, S. 811; Häcker und Winter 2008, S. 229). Die Sichtung der einschlägigen Literatur zeigt, dass unter dem Begriff Reflexion Verschiedenes verstanden wird. So sind die meisten Definitionen stark durch die westliche Kultur beeinflusst, die Analyse und Problemlösung hervorhebt. Reflexion (von lateinisch reflexio = sich zurückbeugen) entstammt ursprünglich aus der Optik und bedeutet Rückstrahlung von Licht, Schall oder Wärme und erst im weiteren Sinn die Vertiefung in einen Gedankengang, eine Überlegung oder Betrachtung. Nach Wolf Hilzensauer (2008) bedeutet Reflexion im übertragenen Sinne „eine Position oder Haltung einzunehmen, die es einem ermöglicht, Dinge von einem anderen Standpunkt oder aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten“ (S. 2). Wie mit einer Lupe werden eigene Annahmen und Überzeugungen aus verschiedenen Perspektiven angeschaut und in Frage gestellt. Reflexion bezieht die Betrachtung auf sich selbst ein, um sich als Urheber*in und Grund von Handlungen zu erfahren. Man geht also mit anderen und mit sich selbst in einen Diskurs (Smilde 2018). Mit Reflexivität verbunden ist zudem die Bewertung des eigenen Tuns als misslungen oder gelungen, erfolgreich oder vergeblich, angemessen oder unangemessen (Roth 1991). Reflexivität ist die Voraussetzung für Reflexion. Sie ermöglicht, das eigene Denken und Tun fortwährend auf Situationsangemessenheit hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern (Pachner 2013). Peter Renshaw (2009) differenziert zwischen Reflective und Reflexive Practice. Reflective Practice bezieht eine kritische Perspektive in Bezug auf Gründe und Konsequenzen in verschiedenen Kontexten ein. Handlungen werden also neu bewertet. Reflexive Praxis konzentriert sich darauf, wie die Qualität des Inneren einer Person im Hinblick auf Zuhören, Aufmerksamkeit und Bewusstsein ist (Renshaw 2009). Diese Haltung unterstützt uns, die Sinnhaftigkeit von Situationen, Handlungen und Phänomenen zu erfahren. Weiterhin ermöglicht die Fähigkeit zur Reflexion den Lehrenden, ihr Denken, Fühlen und Handeln in einen begründeten, sinnstiftenden sowie authentischen Zusammenhang zu bringen. Hochschullehrende haben alle – unabhängig von ihrem Fach – bereits eigene Erfahrungen als Schüler*innen, als Lernende und Studierende gemacht. Diese Erfahrungen wirken oftmals unbewusst und ungewollt auf die Hochschullehre ein, weil Lehrende selbst durch Rückgriffe auf früher entwickelte Handlungsmuster und durch die Erfahrungen aus dem eigenen

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Lernen geprägt sind. „Teachers teach as they were taught, not as they were taught to teach“ (Altmann 1983, S. 24). Nur ein reflexiver Umgang mit den Ausgangserfahrungen ermöglicht eine gelingende Professionalisierung unter neuen und veränderten Bedingungen von Lehren und Lernen (LI Hamburg1 2018). Professionelles Handeln findet in komplexen Situationen statt, die zwar geplant werden müssen, faktisch aber nur bedingt vorherzusehen sind. Durch Wissen, Offenheit, Erfahrung und nicht zuletzt durch eine lebenslang forschende Haltung können Reflective Practitioners, die durch Heterogenität und Änderung gekennzeichneten Lern- und Lehrsituationen im Hinblick auf die jeweils spezifischen Bedürfnisse hin analysieren und konstruktiv gestalten. Reflective Practice ermöglicht in Verbindung mit den jeweiligen Fachkontexten und einer Didaktik- und Methodenkompetenz eine fortwährende Erweiterung von pädagogischer Professionalität. Hiervon profitiert die universitäre Organisation auf der Makroebene, wenn diese z. B. auf die Entwicklung eines Faches angewandt wird. Wenn reflektiert wird, entsteht Raum für Veränderung und damit auch für Fortentwicklung und Verbesserung. Horst Siebert weist auf Ergebnisse der Unterrichtsforschung hin, denen zufolge der Rekurs auf langjährige Praxiserfahrung Reflexion sogar behindern kann (Siebert 2011, S. 16). Vielmehr wird ein systematisches Reflektieren als wichtig erachtet, damit es auch in die Tiefe eindringen kann und so Kompetenzen und Perspektiven nachhaltig erweitert werden können (Ghaye und Ghaye 1998, S. 3; Korthagen und Vasalos 2005). In der Hochschullehre wird das Fachwissen meist als vorrangig gegenüber den Vermittlungskompetenzen betrachtet, obwohl die Verknüpfung von Forschung und Lehre hier zu den konstitutiven Elementen gehört (Tremp 2005, S. 339). Während einige Autor*innen Reflexion als eine personalisierte kognitive und metakognitive Aktivität betrachten, in der die eigene Person, das eigene Denken und Handeln zum Objekt der Betrachtung gemacht werden, kann diese Praxis auch als soziale Aktivität gesehen werden (Loughran 2002). Reflexion bereitet Handeln vor, begleitet, betrachtet und beurteilt es rückblickend. Sie ist keineswegs auf das eigene praktische Handeln als Gegenstandsbereich beschränkt, sondern kann sich auf alle Aspekte des Berufs, als Selbstreflexion auf die eigene Person aber auch auf andere Personen beziehen. Nina B. Dohn (2011) beobachtet, dass Lehrende zwar von sich annehmen, relativ viel über ihre Praxis zu reflektieren. Diese Beobachtungen beziehen sich aber

1Landesinstitut

für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg.

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nicht unbedingt auf das eigene Handeln, sondern eher auf „schwierige“ andere Personen oder ungünstige Bedingungen in einer Institution (Siebert 2011). Reflexion gründet in einer inneren Haltung, die erlernbar ist. Das Potential zur Entwicklung reflexiver Kompetenzen und von Freiräumen zur Reflexion innerhalb des Hochschulkontextes besteht darin, bedeutsame Fragen zu stellen, Problemlösungsfertigkeiten zu entwickeln und den Blick mehr auf den Prozess und den Kontext des Lernens zu richten, als nur auf die Resultate. Reflexion ist eine Fähigkeit, die nicht nur gelernt, sondern auch geübt werden muss. Hochschullehrende haben die Möglichkeit, diese Reflexionsprozesse zu initiieren, indem sie die Fähigkeit zum Neugierig-sein, zur Wahrheitssuche, zum kritischen und präzisen Denken sowie begründeten Argumentieren praktizieren. Dieses Einüben in den wissenschaftlichen Denkstil ist ein „unverzichtbarer formalbildender Auftrag der Universität“ (Neuweg 2002, S. 22). Die Einflussfaktoren auf die individuelle Reflexionskompetenz werden in Abb. 1 veranschaulicht (LI Hamburg 2018). Die Autor*innen zeigen, dass Reflective Practice in einer komplexen Praxissituation von vier ­grundlegenden

Theorien Denkmodelle Inhalte

Subjekt Biografie

Kommunikation

Praxis Lernsituation Handeln

Abb. 1   Einflussfaktoren auf die individuelle Reflexionskompetenz nach LI Hamburg (2018)

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Einflussfaktoren abhängig ist. Die Wahrnehmung wird erstens durch die Biografie, von der eigenen Sozialisation und vom eigenen Lern- und Bildungshintergrund bestimmt. Zweitens wird sie durch Erfahrungen in der Kommunikation- bzw. Interaktion geprägt. Drittens wird Reflexion durch die bereits erlebte Vielzahl von Praxissituationen durchdrungen und viertens durch die der Person zur Verfügung stehenden Theorien beeinflusst. Diese Wahrnehmungen schließen gleichermaßen Emotionen, Denken und Handeln ein. Reflective Practice kann demnach als umfassender Terminus gesehen werden, weil Theorie mit Praxis, biografische Erfahrung mit einzelnen Situationen sowie persönliche und andere Sichtweisen miteinander verbunden werden.

2 Theoretische Zugänge Im Folgenden möchten wir einen Einblick in theoretische Ansätze zum erfahrungsbasierten Lernen und Reflektieren geben. Sie zeigen, mit welchen strukturellen Modellen grundsätzlich reflektiert werden kann. Die Ursprünge erfahrungsbasierten und reflexiven Lernens werden auf John Dewey zurückgeführt (Korthagen und Vasalos 2005; Cendon 2017). Nach John Dewey geht der Reflexion immer eine (Handlungs-)Blockade voraus, die im Anschluss von den Lernenden durch Reflexion gelöst werden soll. Hilzensauer (2008, S. 1) beschreibt fünf Reflexionsphasen nach John Dewey: Am Anfang steht die primäre Erfahrung durch eine praktische Tätigkeit. Im zweiten Schritt werden die dabei erfahrenen Probleme reflektiert und es wird versucht, diese besser zu verstehen. Danach werden im dritten Schritt die Möglichkeiten zur Problemlösung erkundet und im vierten Schritt versuchsweise bewertet. Schritt fünf ist die Überprüfung des Lösungsansatzes durch praktisches Handeln. „Learners must selectively reflect on their experience in a critical way rather than take experience for granted and assume that the experience on its own is sufficient“ (Gibbs 1988).

2.1 Zusammenspiel von Theorie und Praxis Für Dewey und schließlich auch alle weiteren Ansätze erfahrungsbasierten Reflektierens besteht Reflexion demnach immer aus der Verbindung von Denken und Erfahrung, also aus einem Zusammenspiel von Theorie und Praxis. Theorie kann in diesem Sinne als „reflektierte Praxis“ betrachtet werden (Bäßler 2005, S. 7). Die distanzierte Bezugnahme auf ein Thema oder Problem ermöglicht ein

Reflective Practice in der Hochschullehre

Reflection

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Practice

Abb. 2   Reflective Practice als Überbegriff und Verbindung zwischen Reflexion und Praxis (Ghaye and Ghaye 1998, S. 1)

Verknüpfen von Denken mit Erfahrungen und neuen Ideen. „Insofern lässt sich Reflexion auch als Denk-Handeln bezeichnen“ (Cendon 2017). Tony Ghaye (1998) entwickelt mehrere Schlüsselkonzepte, die Reflective Practice zugrunde liegen. Hierbei versteht er Reflective Practice als grundsätzliche Verbindung zwischen dem, was wir tun und der Reflexion, mit der wir unsere Praxis verbessern können (Abb. 2).

2.2 Konstruktivistischer Ansatz Wenn Reflexion ihren Ausgangspunkt in der Erfahrung nimmt, verweist dies auf zentrale Elemente eines konstruktivistischen Lehrens und Lernens (Jenert 2008; Cendon 2017). Lehren wird nicht als Wissenstransfer, sondern als Verstehen von Lernen aufgefasst. Dewey beschreibt Reflexion als sinnstiftende Praxis, die von einer überraschenden, problematischen Erfahrung ausgeht. Auch bei Piaget (1976) wird diese Art von Pertubation als Auslöser von Lernprozessen betont (Jenert 2008). So können eine problematische Erfahrung bzw. Unsicherheit und Zweifel Ausgangspunkte für Reflexion und damit Grundlage logisch-rationalen Denkens und Lernens sein. Der rationale Abgleich des Neuen mit bereits gemachten Erfahrungen, der Rückgriff auf vergangene Erlebnisse und erprobtes Wissen ermöglichen

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es, eine unklare „problematische Situation“ zu interpretieren und zu verstehen (Dewey 1938, S. 287). Umgekehrt führt die Auseinandersetzung mit der ­kritisch-reflexiven Überprüfung der Situation und ihrem Wissen zu neuen Einsichten und Erkenntnissen. Reflexion weist für Dewey in zwei Richtungen: „Als deduktive Aktivität bezeichnet sie das Rekurrieren auf bereits gemachte Erfahrungen und bestehendes Wissen. Als induktive Aktivität führt sie zu neuen Einsichten und Folgerungen“ (Jenert 2008, S. 5).

2.3 Reflective Practice nach Donald Schön Donald A. Schöns (1983) Konzept der Reflective Practice knüpft an Dewey an. Während bei Dewey jeweils eine Handlungsblockade Reflexionsprozesse auslöst, steht bei Schön die Bewältigung komplexer, divergenter Situationen und Handlungsanforderungen der Praxis im Fokus. Professionelles Fachwissen und professionelles Handeln erfordern angesichts zunehmender Komplexität, Unsicherheit, Unbeständigkeit, Einmaligkeit und im Widerspruch stehender Werte in beruflichen Handlungssituationen lebenslang eine Anpassung an die berufliche Praxis (Schön 1983, S. 13 ff.). Praxis wird heute auch als Creative Action verstanden (Regelski and Gates 2009, Vorwort VIII). Demnach ist Praxis kreativ, wenn jede Handlung jeweils als eine neue und einzigartige Situation betrachtet und geschaffen wird, unabhängig davon wie ähnlich sie vergangenen Handlungen auch scheinen mag. Eine Handlung erzeugt jeweils gänzlich neue Ergebnisse, weil auch die situativen Bedürfnisse stets anders sind und niemals einfach durch ein Replizieren von Handlungen der Vergangenheit bedient werden können. Die Haltung des Reflective Practitioner beschreibt idealtypisch pädagogisch kompetentes Handeln als Interaktion von Planung, Analyse situativer Anforderung und Adaption an die gegebene komplexe Unterrichtssituation und lässt im reziproken Prozess zwischen Theorie und Praxis eine enge Verzahnung entstehen (Ghaye 2011). Durch das Hinterfragen bewährter Annahmen, ein neues Verständnis der Situation sowie das Entwickeln und Ausprobieren von Handlungsalternativen unterstützt die Reflexion professionelles Handeln (Schön 1987, S. 35). Durch Reflective Practice gelingt es, Zusammenhänge zwischen dem, was wir tun und der Art und Weise, wie wir unsere Arbeitsweise verbessern können zu verstehen. Schön unterscheidet in seinem viel zitierten Buch The Reflective Practitioner – How Professionals Think in Action zwischen den Reflexionsebenen Knowingin-Action, Reflection-in-Action und Reflection-on-Action. Kinsella (2007)

Reflective Practice in der Hochschullehre

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differenziert mehrere Reflexionsmodi mit unterschiedlicher Distanz zum unmittelbaren praktischen Handeln, d. h. sowohl über die Praxis als auch in der Praxis lässt sich eine reflexive Haltung einnehmen. Schön spricht von Reflection-inAction (vgl. Schön 1983, S. 49 f.), wenn die Reflexion im Verlauf der Handlung stattfindet und von Reflection-on-Action, wenn sie im Nachhinein erfolgt (Schön 1987, S. 26). Ausgelöst werden beide Prozesse der Reflexion durch unerwartete Ergebnisse des eigenen Handelns bzw. das Auftreten eines überraschenden Ereignisses. Reflective Practice bezieht sich auf das kognitive, affektive sowie motivationale Verstehen. Die Richtung von Reflective Practice ist einerseits zeitlich rückwärts (Reflection-on-Action) und andererseits vorwärts auf die Planung gerichtet(Reflection-for-Action) (vgl. Grushka et al. 2005). Reflective Practitioners treten bei der Reflection-in-Action in einen Dialog mit der Situation und in der Reflection-on-Action analysieren sie ihr handlungsleitendes Wissen (Knowing-in-Action) und beziehen es auf einen theoretischen Kontext. Das Wissen, das sich im Handeln zeigt, nennt Schön mit Bezug auf Polanyi (1967) Knowing-in-Action bzw. Tacit Knowledge. Um nun mit komplexen, offenen Situationen erfolgreich und kompetent umgehen zu können, ist es erforderlich, über Knowing-in-Action zu reflektieren und zu versuchen, es dadurch zu explizieren und beschreibbar zu machen. Knowing-in-Action wird durch diese Beschreibung zum Knowledge-in-Action, es verliert gewissermaßen sein dynamisches Moment (Schön 1987, S. 26). Ähnlich wie Tietgens (1988) erachtet Schön systematisches, vornehmlich wissenschaftliches Wissen und seine Anwendung auf konkrete Situationen als charakteristisch für kompetentes, professionelles Handeln (Schön 1987, S. 33). Ausgehend von der Annahme, dass es aber nicht für jedes praktische Problem eine richtige Antwort oder Regel im Fundus professionellen Wissens gibt, wird die Fähigkeit zur Reflection-in-Action zur wichtigen Bedingung für adäquates Handeln gerade in offenen, unsicheren Situationen (ebd., S. 39). Lehrende stellen beispielsweise Studierenden eine Frage und lesen dann den Ausdruck auf deren Gesicht. Sie sehen schnell, wenn jemand nicht versteht, was gesagt wurde. Dies veranlasst zu einer neuen Fragestellung. Kurz gesagt: Während der Interaktion ermöglicht das Tacit Knowledge durch Reflection-in-Action auf die Komplexität der Unterrichtssituation adäquat zu reagieren. Reflection-in-Action ist also eine Reflexion mitten im Geschehen, ohne es zu unterbrechen; sie ist kein Stop-and-Think (Schön 1987). Es bezeichnet die Fähigkeit, spontan und intuitiv auf überraschende Wendungen in einer Situation zu reagieren, d. h. von bereits gemachten Erfahrungen zu profitieren. Dieses implizite Wissen ist häufig weit größer, als es mit Worten ausgedrückt werden kann. Erst im praktischen Handeln kommt dieses Wissen zutage.

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­ eflection-in-Action ist notwendig für das Agieren in einer komplexen Praxis, R da hier beständig unerwartete Ereignisse auftreten. Die unmittelbare Reflexion während des Handelns befähigt aufgrund von Erfahrung, Theorien und Gefühlen dazu, spontan in der Aktion reagieren zu können. Beim musikalischen Improvisieren zeigt sich beispielsweise, dass im Jazz Momente des einander Zuhörens, sich selbst Zuhörens, Spürens wo die Musik hinführt, um schließlich das Spiel entsprechend anzupassen, im Mittelpunkt stehen. Jedes Ensemblemitglied kreiert laufend Innovationen und reagiert selbst auf Veränderungen, die durch andere Musiker*innen angestoßen bzw. getriggert wurden. Reflection-on-Action beschreibt dahingegen die Reflexion nach der Handlung. Neben der Reflexion über praktische Tätigkeiten, bezieht sie auch die Reflexion über pädagogisches Handeln und das Nachdenken über Reflection-in-Action ein. Es wird darüber nachgedacht, welche Strategien zu einem Erfolg bzw. zu einem Misserfolg geführt haben. Reflexion-on-Action ermöglicht ein noch besseres Verstehen des Tacit Knowledge. Zusammenfassend beschreibt Reflection-on-Action, was das lateinische Wort re-flectere (zurückspiegeln) suggeriert: Analytisches Nachdenken über ein vergangenes Erlebnis. Reflective Practice bezieht sich auf die kognitive Vergegenwärtigung eines Zustands oder einer Aktivität, während reflexives Reflektieren eine intuitive Betrachtung einer Situation meint, die auf umfassender Erfahrung beruht, aber nicht expliziert werden kann. Sowohl Dewey als auch Schön legen ein konstruktivistisches Paradigma zugrunde, in welchem Realität durch das Handeln in der Situation konstruiert wird. Während Deweys Konzept von problematischen Situationen ausgeht, fokussiert sich Schön (1983) auf das Handeln von Reflective Practitioners in ihrer beruflichen Praxis im Allgemeinen (Jenert 2008). Inquiry bedeutet, dass Reflective Practitioners im Moment des Handelns reflektieren, über die Situation selbst und auch darüber, was zur Situation geführt hat. Durch eigene (Nach-)Forschung und Reflexion bildet man sich auf diese Weise selbst weiter. Bei Reflection-on-Action wird das Erfahrungswissen gewissermaßen zu einem Objekt. Es ist die Metaebene und das Nachdenken darüber, was getan wurde bzw. wie gehandelt wurde, um zu entdecken, wie Knowing-in-Action zu diesem unerwarteten Resultat beigetragen hat. Man kann entweder in Ruhe oder mitten im Geschehen innehalten (Stop-and-Think). Diese Reflexion hat keine direkte Verbindung zur Handlung; Reflection-in-Action kann man nicht beschreiben. Reflection-on-Action über bisherige Reflection-in-Action kann indirekt unser zukünftiges Handeln bereichern.

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2.4 Autobiografische Reflexion Die biografische Perspektive in der Lehrer*innenforschung gewinnt seit den 70er Jahren an Bedeutung. Die bewusste Auseinandersetzung mit den persönlichen Lernerfahrungen kann Aufschluss über das eigene Lehrer*innenhandeln geben. Dies ist immer auch aus der individuellen Lernbiografie zu verstehen und geprägt durch die persönliche Geschichte. Berufliches Selbstverständnis basiert auf einem sozialen Konstruktionsprozess, der sich im Laufe des Lebens weiterentwickelt (vgl. u. a. Kelchtermans 1992). Dies beschreibt Kelchtermans als ein „komplexes, multidimensionales und dynamisches System von Deutungen“, welches die „Wahrnehmung konkreter Situationen und damit das Handeln in ihnen“ beeinflusst (S. 252). Weiterhin geht er davon aus, dass die subjektive (implizite) Unterrichtstheorie sehr stark mit dem beruflichen Selbstverständnis zusammenhängt und einen Bestandteil dessen bildet. Die biografische Perspektive wird nach Kelchtermans (1993) theoretisch durch fünf Merkmale charakterisiert: narrativ, konstruktivistisch, kontextualistisch, interaktiv und dynamisch. Der biografische Ansatz konzentriert sich demnach nicht so sehr auf die Fakten, sondern vielmehr auf Bedeutungen von Ereignissen. Die Lehrenden fassen ihre beruflichen Erfahrungen aktiv in eine für sie bedeutsame Geschichte. Auch ihre Vorstellung vom Unterrichten und von sich selbst sind Deutungen und Interpretationen von Bedeutungen. Lehrer*innen, die über ihr Berufsleben und ihre Arbeitsweise sprechen, geraten hierbei sehr oft spontan in eine narrative Form. Sie erzählen in Anekdoten, Metaphern oder andere Arten des Geschichtenerzählens, um sich an ihre Erfahrungen aus der Schulzeit zu erinnern und auszutauschen. Die systematische Auseinandersetzung mit den persönlichen Lernerfahrungen kann dazu führen, subjektive Unterrichtstheorien und unbewusste Einstellungen neu zu überdenken. Das Potential liegt darin, Zusammenhänge zwischen früheren Erfahrungen und den gegenwärtigen Verhaltensweisen deutlich werden zu lassen. Diese werden dabei im Hinblick auf ihre Vorprägungen besser verstanden und durchschaut. Indem die aktuellen Verhaltensweisen, Einstellungen und Überzeugungen explizit werden, können sie besser bearbeitet und der eigene Handlungsspielraum erweitert werden. Ein weiterer Lernertrag kann beim gemeinsamen Erläutern von schriftlich verfassten Lernbiografien entstehen, indem Sichtweisen auf Lernen und Lehren transparent werden. Hierbei ergibt sich die Möglichkeit, dass verschiedenen biografisch bedingten Praktiken des Lehrens und Lernens nachgespürt wird und diese wertgeschätzt werden.

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2.5 Reflexion und Feedback Feedback als eine Rückmeldung von außen kann einerseits die eigene Wahrnehmung um eine Außenperspektive ergänzen und andererseits die eigene Reflexion zu einem vertieften Lernen anregen. Feedback ist also am besten wirksam in der Kombination mit einer bewussten Auseinandersetzung des eigenen Verhaltens, um das Potenzial für die Weiterentwicklung zu nutzen. Es kann einerseits wertvolle Informationen über den Stand des Arbeits- und Lernprozesses geben und andererseits aufzeigen, worüber genau die Feedbacknehmer*innen reflektieren und für welche Probleme und neuen Herausforderungen sie mögliche Lösungen und Alternativen suchen sollten. Die eigene Reflexion ermöglicht im Anschluss, diese Informationen eines Feedbacks tiefer zu verarbeiten und im weiteren Arbeitsprozess auch umzusetzen. Auch Forschungsergebnisse zeigen, dass Reflexion in Kombination mit Feedback zur Leistungsverbesserung wirksamer als nur Feedback allein ist. Einige Studien berichten über keine oder negative Auswirkungen von Feedback (Anseel et al. 2009). Neuere Forschungsergebnisse zur formativen Bewertung und zum Feedback zeigen, wie Lernende unterstützt werden können, die Kontrolle über ihr eigenes Lernen zu übernehmen, d. h. selbstregulierte Lernende zu werden (vgl. ebd.). Als wichtig wird erachtet, dass Studierende ihre eigene Arbeit sowie ihren eigenen Lernprozess beurteilen, ihr eigenes Feedback generieren und dass die Hochschullehre auf diesen Prinzipien aufbauen sollte. Dieser Paradigmenwechsel, bei der die Lernenden eher eine proaktive als eine reaktive Rolle bei der Erzeugung und Nutzung von Feedback spielen, hat tief greifende Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Hochschullehrende das Lernen unterstützen. Ursprünglich bezieht sich der Begriff Feedback meist auf kybernetische Vorgänge (Buhren 2015, S. 11). Feedback dient in der Kybernetik zur Kontrolle und Steuerung von Regelprozessen, um die Diskrepanz zwischen Soll und Ist zu überwinden. Das Problem des Feedbacks bei menschlichen Kommunikationsprozessen ist, dass Kommunikation nicht, wie die Kybernetik, eindeutig ist. In der Kommunikation von Menschen bezeichnet Feedback die Rückinformation oder Rückübermittelung von Informationen durch den*die Empfänger*innen einer Nachricht an den*die Sender*innen jener Nachricht. Diese Informationen melden dem*der Sender*in, was der*die Empfänger*in wahrgenommen bzw. verstanden hat und ermöglichen dem*der Sender*in durch etwaige Korrektur des Verhaltens auf die Rückmeldungen zu reagieren. Feedback ist quasi die Mitteilung an eine Person, wie ihr Verhalten oder die Auswirkungen ihres Verhaltens wahrgenommen wurden. Diese doppelte Subjektivität ist eingebettet in

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aufeinander bezogene, komplexe Kommunikations- und Handlungsketten unterschiedlicher Personen (Ditton und Miller 2014). Das gängige Sender-EmpfängerModell der Kommunikation (Shannon und Weaver 1964) ergänzt Schulz von Thun (2006) durch reziproke Abstimmungs- und Rückkopplungsschleifen, die ein gemeinsames Verständnis der übermittelten Inhalte sicherstellen sollen. Dementsprechend kann Feedback als „klärende Kommunikation“ oder als eine „gemeinsame Verständigungsleistung“ umschrieben werden (Ditton und Miller 2014). Feedback müsste demnach immer zwei Komponenten beinhalten und eine Gesprächsform zwischen Feedbackgeber*in und Feedbacknehmer*in zwei Richtungen darstellen. Es basiert jeweils auf einer Beurteilung des Gegenübers – nicht im Sinne einer vergleichenden Bewertung, als vielmehr einer selektionsfreien Beobachtung (ebd.). Reflective Practice ermöglicht nicht nur defizitorientiert zu evaluieren. Vielmehr können sich Lehrende durch eine ressourcenorientierte selbstreflexive Haltung auch ihrer Stärken bewusstwerden. Dies ist wesentlich im Hinblick auf die Berufszufriedenheit von (Hochschul)lehrenden. Die Basis hierfür bilden Theoreme der positiven Psychologie. Sie verfolgt das Ziel, die „Bedingungen und Konsequenzen des Wohlbefindens, menschlicher Stärken und positiv gestalteter Institutionen zu untersuchen und Interventionen zu entwickeln und zu evaluieren, die der Förderung einer positiven individuellen, institutionellen und gesellschaftlichen Entwicklung dienen“ (Seligman 2012, S. 9).

3 Anwendungsmöglichkeiten Reflexion hat eine diskursive und kommunikative Dimension. Im kollaborativen Kontext, also beispielsweise mit Kolleg*innen aus der (Hoch)schule, wird die Möglichkeit zu transformativem Lernen verstärkt (Gaunt und Westerlund 2013). So nutzen Lehrende Reflexion in dialogischen und sozialen Prozessen, um an Multiperspektivität zu gewinnen. Sie können dann im Austausch Annahmen hinterfragen, die ihren Überzeugungen, Gefühlen und Handlungen zugrunde liegen; schließlich bewerten sie die wahrscheinlichen Folgen ihrer Annahmen, um ggf. Alternativen zu entwickeln und sie im reflektierenden Dialog auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Auch beim kollaborativen Lernen steht das Erfahrungslernen im Mittelpunkt. Durch offene Fragestellungen, aktives Zuhören, Zurückspiegeln und Umformulieren von Erfahrungen und ein wertschätzendes Feedback kann die Kommunikation gefördert werden. Wenn Teams diese Formen anwenden, lassen sich hiernach langfristig auch Änderungen in Organisationen bewirken (Schön 1987; Renshaw 2009).

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3.1 Strukturierte kollaborative Reflexion und Feedback des Critical Response Process Es stellt sich die Frage, wie ein Feedback motivieren und optimal zum Lernen genutzt werden kann, ohne dass es ignoriert oder abgewehrt wird. Weiterhin wäre ein Feedback zu wünschen, welches die Lernenden anregt, über ihren Lern- und Arbeitsprozess zu reflektieren. Wie kann ein Feedback so gestaltet sein, dass Feedbacknehmende die Führung behalten und Eigenverantwortung für ihren Lernprozess übernehmen? Antwort auf diese Fragen gibt der Critical Response Process von der amerikanischen Choreographin, Tänzerin und Schriftstellerin Liz Lerman (Lerman und Borstel 2003). Er stellt eine Kombination aus Feedback und Reflexion sowie ein leitendes Strukturmodell für ein Peerfeedback im (Hoch-) Schulkontext dar – zum Beispiel nach einer Präsentation. Es bezieht sich auf die Weiterentwicklung von Produkten jeglicher Art, die sich in einem Arbeits- und Lernprozess befinden; „von der Tanzperformance bis hin zum Dessert“ (ebd.). Alle Teilnehmenden dieses Prozesses sind gefordert, einander wertschätzend persönliche Sichtweisen auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren. Es wird hierbei eine relativ hohe sprachliche Reflexionskompetenz erwartet, denn es geht im ersten Schritt nicht darum, Gefallen oder Missfallen auszudrücken. Dieses kann zwar für den Selbstwert von Feedbacknehmenden gelegentlich wertvoll sein, aber nicht für den eigentlichen Lern- und Arbeitsprozess. Grundlegend ist die aktive Rolle des Feedback-Empfangens: Um die Feedbackrezeption und das Lernen durch Feedback zu erhöhen, bleibt die Kontrolle über den Prozess bei den Feedbacknehmenden. Sie sind somit nicht den Urteilen der Feedbackgebenden ausgesetzt. Liz Lerman geht davon aus, dass Rechtfertigungen für Kritik ein Weiterlernen blockieren. Ihr Motto ist: Wenn Verteidigung anfängt, dann hört das Lernen auf (Lerman und Borstel 2003). Alle teilnehmenden Personen in der Feedbackrunde profitieren von Critical Response, indem die Gruppenmitglieder verschiedene, die Performance betreffende Werte feststellen sowie kreative Denkprozesse in Gang setzen. In diesem Modell sind drei Rollen vorgesehen: erstens die Feedbacknehmenden, zweitens die Feedbackgebenden (einer, einige oder viele) als Lehrkraft, Experte, Laie, Publikum, Kollege*Kollegin und drittens ein*e Facilitator bzw. Moderator*in, der*die die Schritte initiiert, den Prozess leitet und die*den Feedbacknehmende*n unterstützt, wirkungsvolle Fragen und Antworten zu finden. Der*die Moderator*in ist für die strukturierte Reflexion verantwortlich, achtet auf die Ausgewogenheit der Gesprächsanteile innerhalb einer

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Gruppe, fordert auf, Fragen zu generieren, die neue Aspekte bringen, klärt und differenziert Begriffe und sorgt dafür, dass die gestellten Fragen auch beantwortet werden. Der Prozess Critical Response umfasst insgesamt fünf Stufen (vgl. Tab. 1). Er bietet die Möglichkeit, dass einzelne Stufen näher ausdifferenziert oder auch nur Teile verwendet und so den notwendigen Gegebenheiten angepasst werden können (z. B. aus Zeitgründen). Vor dem ersten Schritt wird der*die Feedbacknehmende dazu angehalten, seine*ihre Arbeit – zu der er*sie sich Rückmeldung wünscht – zu präsentieren. Im ersten Schritt geht es darum, dass die Feedbacknehmenden erfahren, welche Bedeutung die Präsentation einer Arbeit für andere Menschen hat. Daher startet der*die Moderator*in mit Fragen an die Feedbackgebenden, wie z. B.: „Welche Aspekte dessen, was ihr gerade gesehen habt, hat eine persönliche Bedeutung für euch?“ oder „Was war stimulierend, überraschend, hervorrufend, berührend, einzigartig, bedeutungsvoll (etc.) für euch?“ Feedbackgebende fassen im ersten Schritt ihre persönlichen und subjektiven Sichtweisen in Worte. Hierbei geht es also nicht um persönliche Wertungen im Sinne eines „gefällt mir/nicht“. Das Bedeutsame des Erfahrenen und Wahrgenommenen wird kommentiert. Durch gezielte Fragen der Feedbackgebenden werden Feedbacknehmende im Critical Response Process ermuntert, Ideen für ihre Arbeit bzw. ihr Produkt weiter zu entwickeln. Besonderes Potential bietet diese Struktur, als hier auch der Umgang mit divergierendem Feedback von Bedeutung ist. Es ist also nicht empfohlen, ausschließlich nach Bestätigungen zu fragen. Eher neue Perspektiven ermutigen die Feedbackgebenden, spezifischer in ihren Äußerungen zu sein, Tab. 1   Critical Response Process nach Liz Lerman und Borstel (2003) Stufe 1: Persönliche Eindrücke: Wie erlebe ich das Erfahrene, und was bedeutet es für mich? Stufe 2: Fragen der Feedbacknehmenden Stufe 3: Fragen der Feedbackgebenden Stufe 4: Moderator*in lädt ein, Meinungen und Lösungsansätze zu formulieren, wenn von Feedbacknehmenden erwünscht. Feedbackgebende benennen zuerst das Thema ihres Meinungsstatements und fragen um Erlaubnis, dieses zu äußern. (Bsp.: „Ich habe eine Meinung zu deiner Struktur des Vortrags. Möchtest Du sie hören?“). Feedbacknehmende haben dann die Möglichkeit, selbst zu entscheiden und vielleicht auch „Nein“ oder „Nicht jetzt“ zu antworten. Meistens werden Feedbacknehmende „Ja“ sagen, weil durch die ­vorherige Kommunikation eine Vertrauensgrundlage geschaffen wurde Stufe 5: Frage des*der Moderators*Moderatorin: „Was sind die nächsten Schritte deiner Arbeit? Was kannst du mitnehmen aus unserem Gespräch?“

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ihre Erfahrungen mitzuteilen und die Feedbacknehmenden können dieses breite Spektrum an Feedback wertfrei aufnehmen. Feedback wird verstanden als eine bewusste persönliche Rückmeldung und nicht als Bewertung. Generell ist anzumerken, dass Fragen sich auf die Fakten einer Präsentation beziehen sollten und nicht in eine vorgegebene Richtung lenken, manipulativ oder wertend sein. Anstatt einer Wertung wie: „Dein Vortrag war zu schlecht“ würde eine offene Frage viel eher zu einer Rezeption und Reflexion anregen: „Was möchtest du mit dem Vortrag ausdrücken? Was möchtest du beim Publikum erreichen?“ Potential haben Fragen, die wertvolle Informationen über den Arbeitsprozess in den Antworten erwarten lassen. Fragen sollten also nicht zu allgemeinen oder zu spezifisch gestellt werden. Wir können annehmen, dass Lernende durch diesen Critical Response Process motiviert werden, ihre Arbeit mehr selbsttätig zu steuern und zu regulieren. Den Feedbacknehmenden wird ermöglicht, sich mit ihrer Arbeit zu identifizieren und in Folge eigene Perspektiven selbstbestimmt zu entwickeln. Aus Sicht unseres Bildungssystems wirkt dieses Strukturmodell auf den ersten Blick befremdlich, da die Verbesserungsvorschläge erst gegen Ende des Reflexionsprozesses, in der 4. Stufe der Reflexion, vorgesehen sind. Wir sind im deutschsprachigen Sprachraum als Lehrende seit jeher darauf hin ausgerichtet, dass Verbesserungsvorschläge an erster Stelle stehen; dies wird als Zeichen von Professionalität und Expertise gesehen. Das Feedback-System des Critical Response Process von Liz Lerman bietet jedoch Struktur und ein kreatives Werkzeug, um eine Growth-Mindset im Sinne von Carol Dweck zu fördern (Dweck 2013). Die Lernorientierung und eine symmetrische Kommunikation stehen hier in jeder Stufe im Vordergrund. Gerade hierin sehen die Autorinnen großes Potential für eine zukünftige Hochschullehre.

3.2 Selbstreflexion und Reflexives Schreiben Im Folgenden stellen wir drei sich jeweils ergänzende Formate schriftlicher Reflexion vor. In einem eigenen Seminar an der Kunstuniversität Graz zum Thema „Üben lernen und lehren“ beschäftigen wir uns mit verschiedenen Formen des reflektierenden Schreibens: Wir beginnen meist mit einer narrativen Biografie, in der die Studierenden gebeten werden, ihre musikalische Karriere und Entwicklung vor dem Studium zu beschreiben. Wir möchten sie zum Schreiben motivieren, dass sie ihre persönliche Entwicklung besser verstehen. Nach dieser

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ersten Aufgabe führen die Studierenden während des gesamten Semesters wöchentlich ein reflektierendes Übejournal. Am Ende des Semesters schreiben die Studierenden einen weiteren reflektierenden Aufsatz, eine Meta-Reflexion, in der sie ihre Erfahrungen und ihr Lernen während des gesamten Semesters anhand ihrer individuellen Übejournale reflektieren – kontinuierlich begleitet durch das Feedback der Lehrpersonen. Wir werden im Folgenden diese Instrumente vorstellen und sehen aus Platzgründen davon ab, empirische Ergebnisse dieses Projekts detailliert vorzustellen. Gerne kann dies im entsprechenden Beitrag nachgelesen werden (Kruse-Weber und Sari 2019).

3.2.1 Berufliche Biografie oder Laufbahngeschichte Um zu verstehen, was es heißt, Lehrende*r zu sein, das Leben einer Lehrperson zu führen bzw. sich im Laufe der Zeit zu entwickeln, resümiert Rineke Smilde (2009) aus ihren Studien, dass der Blick in die Erzählberichte, die Lehrende über ihre beruflichen Erfahrungen geben, einen wirkungsvollen Zugang bietet. Auch nach Geert Kelchtermans beinhaltet diese Laufbahngeschichte „Ereignisse, Erfahrungen und Situationen, von der Bedeutung ausgehend, die sie für den Betreffenden bekommen haben“ (Kelchtermans 1992, S. 253). Die Strukturierung erfolgt jeweils nach subjektiven Kriterien zu einem individuellen Zusammenhang. Um das eigene Lehrer*innenhandeln explizit zu verstehen, kann demnach ein Verschriftlichen hilfreich sein. Die Anregung für Lehrende, die ihre berufliche Biografie im Hinblick auf das Lernen und Lehren niederschreiben wollen, könnte folgendermaßen lauten:2 Bitte schreiben Sie über ihre Entwicklung als Lehrende, welche Rolle das Lehren und Lernen in Ihrer Kindheit spielte und welche Rolle es spielte, bis Sie professionell an der Hochschule lehrten. Vielleicht erinnern Sie sich an kritische Momente und kritische Phasen, die besondere Herausforderungen boten. Was hat Ihre Entwicklung geprägt? Was hat Sie dazu gebracht, Ihren Weg als Lehrer*in zu ändern? Versuchen Sie alles aufzuschreiben, was Ihnen in den Sinn kommt, versuchen Sie in einem Fluss zu schreiben. Was immer Sie schreiben, ist streng persönlich und muss nicht mit anderen geteilt werden. Beachten Sie, dass manchmal winzige Details wenig aussagekräftig erscheinen, aber doch wichtig sein können.

2Adaptiert

für die allgemeine Hochschullehre nach Smilde (2009).

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Mögliche Aspekte und Schlüsselkonzepte beim Verfassen einer beruflichen Biografie als Lehrende könnten sein: • Schlüsselerlebnisse • Erfahrungen im Unterricht • Verhältnis zwischen Lehrenden und Schüler*innen • Lernformen (Formelles Lernen, nicht formelles Lernen und informaler Unterricht) • Bedeutungsvolles Lernen • Motivation zum Lernen • Aufführungen, Konzerte, Vorträge etc. • Kritische Phasen und Ereignisse • Modelle, Vorbilder Weitere Möglichkeiten bieten autobiografische Niederschriften auch darin, dass ein sich anschließender Erfahrungstausch in Kleingruppen von vertiefenden und strukturierten Fragen geleitet werden kann. In dieser kollaborativen Reflexion geht es dann darum, anderen Biografien und damit auch anderen Bedürfnissen nachzuspüren. Empathie ist eine wesentliche Voraussetzung in einer guten Lehre, um individuelle Bedürfnisse der Lernenden zu diagnostizieren. Zusammenfassend anbei die leitenden Fragen für eine mögliche Gruppenarbeit sowohl für Studierende als auch Hochschullehrende (Tab. 2). Tab. 2   Fragen im kollaborativen Kontext zum gemeinsamen Austausch über autobiografische Reflexionen Standortbestimmung • Wie beschreiben Sie Ihre eigenen aktuellen Verhaltensweisen im (beruflichen) Handeln? • Wie beschreiben Sie ihre Einstellungen und Überzeugungen zu bestimmten Herausforderungen im (beruflichen) Handeln? • Welche Zusammenhänge erkennen Sie zwischen früheren Erfahrungen und Ihren gegenwärtigen Verhaltensweisen im (beruflichen) Handeln?

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3.2.2 Lerntagebuch Gerd Bräuer, der einschlägig zum schriftlichen Reflektieren gearbeitet hat, empfiehlt, dass dieses in einer Lehrveranstaltung unbedingt eines „roten Fadens“ und formativer Begleitung bedarf. Hochschullehrende sollten von Beginn an die Relevanz von Reflexionskompetenz für das eigene Lernen verdeutlichen (vgl. Bräuer 2016). Studien zum reflexiven Schreiben zeigen, dass Studierende Unterstützung zum Reflektieren benötigen (Coulson und Harvey 2013; Kruse-Weber und Sari 2019). So stellten Coulson und Harvey (2013) fest, dass „eine effektive Reflexion des Lernens durch Erfahrung ein hohes Maß an Selbstbeobachtung und aufgeschlossener Selbstanalyse, eine Fähigkeit zum abstrakten Lernen sowie Selbstregulierung und Entscheidungsfreiheit erfordert, die nur wenige Studierende von Haus aus besitzen“ (S. 1). Beim Verfassen eines Lerntagebuches geht es darum, ergebnisorientiert, d. h. zum Zwecke der Selbstregulation zu reflektieren (Greif 2008, S. 35 ff.). Die Selbstregulationstheorie von Barry Zimmermann (1986, 2002) besteht aus einem Dreierschritt, der grundlegend für die Steuerung von Aufmerksamkeit, Emotionen und Handlungen ist. Selbstregulierte Lernende strukturieren, wählen und gestalten ihre Lernumgebungen aktiv, um ihr Lernen jeweils zu verbessern. Das Verfassen eines Lerntagebuches kann diesen Prozess unterstützen, um Urteile zu analysieren, zu rationalisieren und effektive Lernergebnisse zu erzielen. Unter reflexivem Schreiben versteht Bräuer (2016) das Nachdenken über die vollzogene Tätigkeit sowie das Sichtbarmachen des Kontextes, in dem die Arbeit vollbracht wurde und das Entwerfen zukünftiger Tätigkeiten auf der Grundlage des bereits Geleisteten. Reflexives Schreiben hat zum Ziel das Aufsuchen, Bewusstwerden und Operationalisieren von Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schreibenden als sich sozialisierende Subjekte zu verdeutlichen (Bräuer 2000, S. 25 ff.). Um sich besser mit dem Schreiben zu identifizieren, sollte der Text in der ersten Person formuliert sein, und nicht – wie oft zunächst – in der dritten Person („man sollte…“). Weiterhin sollte der Fokus nicht kritisch defizitorientiert, sondern beschreibend und analytisch sein. An der Kunstuniversität Graz werden die Studierenden gebeten, mehrfach im Semester über ihre Lernaktivitäten zu schreiben; sie erhalten jeweils Feedback von den Lehrpersonen, um ihre Reflexionsfähigkeiten weiter zu verbessern. Basierend auf den Zyklen der Selbstregulierung und den Reflexionsstufen nach Bräuer (2016) konzentrieren wir uns auf Reflection-on-Action als eine Aktivität, die die Beziehungen zwischen den Absichten, Zielen, Mitteln, Wegen und Aktivitäten der Lernenden kritisch betrachtet, da produktive Reflexion zu Änderungen der Ziele oder Aktivitäten führen kann, um die Wirksamkeit des Lernens zu optimieren (vgl. Abb. 3).

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Fokus liegt auf einem Problem oder Anliegen. Die Aktivität wird in ihrem Verlauf dokumentiert

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Umstände werden analysiert und interpretiert

Abgeschlossene Aktivität wird evaluiert

Neue Aktivitäten und Handlungsstrategien werden geplant

Abb. 3   Reflexionsebenen nach Bräuer (2016)

Das folgende Modell der Reflexionsebenen nach Bräuer (Abb. 3) demonstriert den Stufengang von einer eher skizzenhaften Form der Reproduktion zu weiteren Ebenen der Selbstanalyse. In diesem vierstufigen Modell reflektieren die Lernenden zunächst eine Erfahrung, indem sie sie mental widerspiegeln und in einer beschreibenden, nicht wertenden Weise darstellen (Stufe 1). Im zweiten Schritt werden die Studierenden gebeten, die Gründe für ihr Handeln zu analysieren und die Umstände ihrer Erfahrung zu interpretieren (Stufe 2). Bei der Analyse und Interpretation wird die Qualität des eigenen Handelns hinterfragt und diskutiert, um ein Bewusstsein für die spezifische Bedeutung der Erfahrung zu schaffen. Neue Erkenntnisse können mit vorhandenem Wissen verknüpft und weitere Erkenntnisse gewonnen werden. Auf der dritten Reflexionsstufe vergleichen die Studierenden das Gelernte mit ihren eigenen Zielen und externen Erwartungen, indem sie die Erfahrungen bewerten. Schließlich sollen die Studierenden neue Strategien und Aktivitäten aus den Erfahrungen und Argumentationen der vorherigen Schritte heraus entwickeln (Stufe 4). Auf Grundlage dieses Modells werden die Studierenden aufgefordert, ihre Schriften kritisch zu prüfen, zu diskutieren und dann zu überarbeiten, indem sie ihre Annahmen in Frage stellen und verschiedene Ideen und Ansätze für ihr Denken und ihre Gefühle untersuchen. Da Studierende in der Regel nicht mit dem Schreiben und Führen eines reflektierenden Übejournals vertraut sind, stellen wir ihnen einige Leitfragen (Tab. 3).

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Tab. 3   Ebenen der reflexiven Praxis: In Anlehnung an Gibbs (1988), Bräuer (2016), Filipiak et al. (2016) Schritt 1: Eine zielorientierte Aktivität in ihrem Verlauf kurz und präzise dokumentieren bzw. beschreiben (schriftlich, sprechend oder Aufnahme) • Was ist geschehen? Schritt 2: Umstände werden analysiert und interpretiert. Die Handlung/Aktivität in den Kontext (Zeit, Entwicklung in Bezug auf langfristige Ziele, was würden meine Kolleg*innen/Peers sagen) und in Bezug zur Gesamthandlung analysieren und interpretieren • Wie habe ich die Aktivität gedanklich, körperlich und gefühlsmäßig erlebt? • Was war meine Strategie/Methode, um zu meinem Ziel zu gelangen? • Wie schätze ich meine Zielerreichung ein? Wie war mein Fokus? • Wie interpretiere ich die Analyseergebnisse? Schritt 3: Abgeschlossene Aktivität wird evaluiert • Warum habe ich welche Strategie/Methode gewählt? • Was weiß ich über meine Lernstrategien, um mein Ziel zu erreichen? Welche Methode hat gut funktioniert? • Wie kann ich das Erreichte mit meinen ursprünglichen Zielen in Beziehung setzen/vergleichen? • Was und wie kann ich aus dieser Aktivität lernen? • Benötige ich vielleicht (externe) Unterstützung oder Hilfe? (Wenn ja, wie und von wem?) • Gibt es alternative Sichtweisen auf meine Strategie? Was hätte ich noch tun können? Schritt 4: Aktionsstrategien sind geplant • Wie kann ich meine Ziele, Strategien und Methoden beim nächsten Mal optimieren? • Welche andere Maßnahme könnte ich ergreifen? • Was kann ich erwarten, wenn ich meine Vorgehensweise oder mein Ziel ändere?

3.2.3 Metareflexion Am Ende des Semesters schreiben die Studierenden einen weiteren reflektierenden Aufsatz, eine Meta-Reflexion, in der sie ihre Erfahrungen und ihr Lernen während des gesamten Semesters anhand ihrer individuellen ­Übungstagebücher, der behandelten Themen und ihrer persönlichen Erfahrungen im Seminar reflektieren. Anbei seien die leitenden Fragen vorgestellt (Tab. 4). Die Metareflexionen geben Aufschluss darüber, wie die Studierenden das reflektierende Schreiben erlebt haben. Für eine Analyse können folgende Forschungsfragen leitend sein: Was ist den Studierenden beim Schreiben wichtig? Was haben die Studierenden subjektiv gelernt? Hielten die Schüler*innen ihre Reflexions-Journale für ein nützliches Instrument, um ihr Üben zu verbessern?

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Tab. 4   Leitende Fragen zur Metareflexion • Was waren für mich die wesentlichen Aspekte der Lehrveranstaltung in Bezug auf die Inhalte und auf mich als Person? • Wo sehe ich meine Stärken? • Was habe ich gelernt? • Was möchte ich weiter anwenden? • Wofür kann ich das Gelernte gebrauchen? • Was ist mir unklar geblieben? Was will ich noch nachholen? • Welche Themenbereiche interessieren mich noch besonders? • Woran werde ich inhaltlich noch weiterarbeiten? Wann?

4 Handlungsempfehlungen. Tools zur Umsetzung von Reflective Practice 4.1 Empfehlungen zur Anwendung für schriftliche Reflexionsaufgaben • Eine wertschätzende Lehr- und Lernkultur im Seminar fördert die Umsetzung und Tiefe des schriftlichen Reflektierens • Reflexive Aufgaben fortlaufend über das ganze Semester als roten Faden in Lernarrangements anlegen • Reflexionsaufgaben sollten in das Bewertungssystem mit einfließen • Reflexives Schreiben braucht formatives Feedback • Produktiv ist kollaborativer Austausch und Feedback von wechselnden Bezugspersonen (Peers, Lehrpersonen, externe Expert*innen)

4.2 Smart-Kriterien für das Setzen von Zielen Reflective Practitioners analysieren ihr Handeln gezielt, bewusst und strukturiert. Wichtig ist beim ergebnisorientierten Reflektieren, dass Ziele formuliert werden. Diese Zielsetzungen können kurz, mittel – und langfristig ausgerichtet sein. Als recht hilfreich haben sich die „S.M.A.R.T“-Kriterien (Doran 1981) für die Zielsetzungen erwiesen (Tab. 5).

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Tab. 5    S.M.A.R.T.-Kriterien für Zielsetzungen (vgl. Doran 1981) Specific: spezifisch, klar und detailliert Meaningful: bedeutungsvoll, für dich persönlich relevant und wichtig Achievable: erreichbar, auf deinen aktuellen Fähigkeiten aufbauend Realistic: durchführbar im Hinblick auf die gegebenen Rahmenbedingungen Time-based: zeitlich festgelegt, du entscheidest, bis wann du das Ziel erreichen willst

4.3 Frageformen 4.3.1 Offene Fragen Im Verlauf des Beitrages wurde mehrfach hervorgehoben, dass Fragen eine Möglichkeit sind, um den Reflexionsprozess in Gang zu setzen. Kritische und kreative Fragen, die konstruktiv eingesetzt werden, können höhere kognitive reflexive Leistungen bringen und Lerninhalte bedeutsamer machen, weil sie den kommunikativen Aspekt betonen (Cecil und Pfeifer 2011). Eng verknüpft mit den verschiedenen Rollen, die Lehrkräfte einnehmen können, ist die Art der Fragen, die gestellt werden. Grob unterschieden werden kann zwischen offenen und geschlossenen Fragen. Anhand seines Gatekeeper-Midwife-Fellow Traveller Modells hat Gerald Jones (2005) eine Taxonomie von Fragetypen entwickelt, die jeweils eine Lerntheorie bzw. Lernorientierung spiegeln. Das Modell kann anregen, Frageformen im Hinblick auf ihre jeweiligen Einstellungen zum Lernen bewusst werden zu lassen. Weiterhin bietet es Orientierung, um die Fähigkeiten im Gute-Frage-Stellen zu stärken. Mit offenen Fragen bringen Sie Ihre*n Gesprächspartner*in zum Reden. W-Fragen: Wer, wenn, was, wo, welche(r), wie, warum etc. Durch offene Fragen kann Verborgenes erkennbar werden. Die geschlossene Frage bringt Ihnen zwar Entscheidungen, dafür aber knappe Antworten (Cecil und Pfeifer 2011, S. 8).

4.3.2 Frageformen in Bezug zu den Lerntheorien Das Learning Alignment von Gerald Jones (2005) kann mit Knowing-in-Action von Donald A. Schön (1987) verglichen werden. Hier werden an der Dreiecksbeziehung zwischen Lehrperson, Material und Lernenden die behavioristische, kognitivistische und konstruktivistische Lehr- und Lernsituation dargestellt. Die Lehrkraft kennt das Modell, die verschiedenen Auswirkungen auf das Lernen sowie Vor- und Nachteile der jeweiligen Lehrendenrolle und kann durch Reflection-in-Action herausfinden, wie die Stunde verläuft und ob die Rolle geändert werden sollte, damit das Lernen optimiert werden kann. In diesem Prozess stellen Lehrende laufend selbstreflexive Fragen: Sind die Studierenden

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noch konzentriert? Arbeiten sie in Richtung des Lernzieles? Welche Rolle ist in dieser Situation angemessen? Wohin soll ich die Rolle ändern? Dies können Fragen zur Reflection-in-Action während eines Prozesses sein, die eine spontane Planänderung ermöglichen. Jones beschreibt, wie er in Unterrichtsbeobachtungen einen sehr engen Fokus der Lehrenden auf ihr Material beobachtete. Das vorliegende Learning Alignment (Tab. 6) beschreibt die unterschiedlichen Haltungen von Lehrpersonen und die daraus resultierende Art ihrer Fragestellung. Das Modell bietet einen Orientierungsraum, wie didaktische Grundhaltungen zum Lernen im Hinblick

Tab. 6   Learning Alignment von Gerald Jones (2005) Art der Frage GATEKEEPER „Torhüter“

Indikatoren

Information

Fordert spezifische Details (darauf zielen geschlossene Fragen generell ab)

Bewertung

Prüft, wieviel der*die Lernende bislang weiß, was er*sie gelernt hat und woran er*sie sich erinnern kann

Gedanken der Lehrperson

Lehrperson kennt bereits die Antwort und wiederholt die Frage so lange, bis der*die Lernende die Antwort weiß

Rhetorisch MIDWIVES „Hebamme“

Antwort wird nicht gefordert oder erwartet

Sokratisch

Aufeinanderfolgend, führen die*den Lernende*n zu einer bestimmten Lösung

Folgernd

Lernende sind dazu angehalten, Verbindungen zu schaffen und erkennen, was aus ihrem Vorwissen resultieren kann

Transformativ

Lernende sind dazu angehalten, ihr Wissen in neue Situationen zu transferieren

Prozedural

Es wird bekräftigt, dass Lernende die Instruktionen verstanden haben, z. B. im Zuge einer Übung FELLOW TRAVELLER „Mitreisender“ Reflexiv

Lehrperson und Lernende nehmen Abstand zum Material, hinterfragen und prüfen die vom Material ausgehenden Annahmen

Empathisch

Lehrperson versucht zu verstehen, was Lernende denken, was sie meinen, was ihre Gedanken sind

Erfassend

Lehrperson kennt die Antwort nicht, möchte sie herausfinden

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auf die Fragestellungen operationalisiert werden können. Anders gesagt: die Frageformen können als Indikatoren für die jeweilige Lehr- und Lerneinstellung gesehen werden. Ausgangspunkt bilden die drei Elemente des Lernens: Lehrperson, Lernende*r, Lernmaterial. Als weitere Anregung, um die Unterrichtsbeobachtung anhand dieses Modells zu veranschaulichen, können Lehrende mit Studierenden jeweils Darstellungen für die drei Elemente auswählen. Gemeinsam wird versucht, die Gegenstände räumlich so anzuordnen, dass sie den Sinnbildern Gatekeeper-Midwife-Fellow Traveller des Modells entsprechen: Wo müssten der*die Lehrende sowie der*die Lernende stehen? Wo befände sich das Lernmaterial? In einer anschließenden Gruppenarbeit könnten folgende Fragen bearbeitet werden: Welche Art von Fragen könnten Gatekeeper-Midwife-Fellow Traveller Modells im Unterricht stellen?

5 Schlussfolgerung und Ausblick Eine konstruktiv(istisch)e Feedback-Kultur in Verbindung mit Reflective Practice in der Hochschuldidaktik kann als Schlüssel für erfolgreiches Lehren und Lernen gesehen werden. Im Kontext starker Umbrüche im Bildungswesen und bei einer zunehmenden Diversität der Lernenden sowie schließlich der Komplexität von Unterricht, dessen Situationen jeweils durch Unplanbarkeit, Instabilität und Einzigartigkeit charakterisiert sind, können Reflexionsprinzipien Adaption initiieren und befördern. So reflektieren Lehrende, um Modifikationen anhand der Bedürfnisse der Studierenden vorzunehmen. Ziele, Inhalte und Methoden von Unterricht sowie didaktische Materialien werden neu überdacht, um sie an den Unterricht anzupassen. Reflective Practitioners benötigen verschiedene Perspektiven, um ein Anders-Denken zu ermöglichen. Der kommunikative, dialogische bzw. kollaborative Aspekt ist in allen Reflexionsformen wesentlich. Reflective Practice in der Hochschullehre bezieht sich sowohl auf Studierende als auch auf Lehrende. Lehrende werden in diesem Kontext zu Lernenden. Im Idealfall wird dieser Prozess lebenslang weitergeführt, wenn Fortschritt erwünscht ist. Weiterentwicklung erfordert selbstreguliertes Lernen. Dieses kann entstehen, wenn Lernende offen und motiviert sind, um metakognitive Strategien für die Gestaltung ihres Lernprozesses anzuwenden (Zimmermann 1986, S. 308). Reflexion nimmt demnach eine wichtige Bedeutung in Lernprozessen ein. Strukturierte Modelle unterstützen darin, eine tiefere Reflexionsstufe für das Lernen durch Erfahrung zu erreichen. Feedback kommt kaum

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ohne Reflexion aus. Die Kunst der „richtigen“ Fragen ist ein wichtiger Bestandteil in den Reflexionsphasen. Liz Lerman’s Critical Response Process bietet ein strukturiertes Modell, indem symmetrische Kommunikation, Feedback, Reflexion und Fragestellungen vereint sind. Eine vertiefende Reflexion kann durch schriftliche Journale erlangt werden. Hierbei ermöglichen wieder offene Fragen Spielräume für wertvolle Informationen sowie für ein tieferes Verstehen von Lernen, Leistung und Lehren. Systematische Reflexion, also Reflection-on-Action nach der Handlung, ermöglicht, die eigene Perspektive selbstbestimmt zu reflektieren und zu regulieren. Ein spiralförmiger Prozess der Weiterentwicklung entsteht, indem die Erkenntnisse von Reflection-on-Action auf Knowing-in-Action und auf Reflection-in-Action einfließen können. Es konnten in den vorangegangenen Ausführungen einige Anregungen und Empfehlungen für Reflective Practice dargestellt werden. Wenn die Universitäten bzw. Hochschulen in diesem Sinne zeitliche Räume in der Hochschullehre zur Verfügung stellen, werden Veränderung, Weiterentwicklung und Innovation ermöglicht.

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Lehren und Lernen in der Hochschule Marlies Matischek-Jauk und Elisabeth Amtmann

Zusammenfassung

Hochschule ist nicht gleich Hochschule. Bei näherer Betrachtung der Hochschullandschaft wird deutlich, dass sich die Rahmenbedingungen für Lehrende je Hochschultyp strukturell und historisch bedingt durchaus unterscheiden. Diese liegen zwar außerhalb des persönlichen Einflussbereichs der Lehrperson, haben jedoch eine zentrale Bedeutung für das Aufgabenfeld der Hochschullehrenden und damit auch für die Qualität des Lehrens und Lernens. Was im Seminarraum oder Hörsaal tatsächlich passiert, hängt letztlich doch von fachlichen, methodisch-didaktischen Kompetenzen sowie vom Engagement der Lehrenden ab. Dieser Beitrag geht daher folgenden grundlegenden Fragen nach: Wie funktioniert hochschulisches Lernen? Was bedeutet gute Lehre und welche Bedingungen tragen zu einem unterstützenden, hochschulischen Lehrbzw. Lernprozess bei? In einem persönlichen Resümee soll abschließend gezeigt werden, warum es sich doch für Lehrende lohnen kann, die eigene Lehre (weiter) zu entwickeln.

M. Matischek-Jauk (*) · E. Amtmann  Pädagogische Hochschule Steiermark, Graz, Österreich E-Mail: [email protected] E. Amtmann E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_7

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1 Einleitung Hochschulen als Bildungsinstitutionen sind von besonderer gesellschaftlicher Relevanz. Sie bieten Lern- und Bildungsräume in denen individuelle Bildungsbedürfnisse und -bedarfe Platz haben. In einer Zeit des permanenten Wandels zählen Reformen in der Hochschullandschaft zum Alltagsgeschäft. Umstrukturierungen der Studienorganisation, Verbesserung der Durchlässigkeit des Hochschulzugangs, Anerkennung von extern erworbenen Abschlüssen und Kompetenzen oder auch die Bereitstellung berufsbegleitender, onlinebasierter Lehr- und Lernszenarien sind lediglich einige wenige Maßnahmen in einer umfangreichen Liste (Rhein 2015). Umso wichtiger erscheint es, den Fokus auf die Grundlagen des hochschulischen Lehrens und Lernens zu lenken. In diesem Überblicksbeitrag werden Grundlagen und Erkenntnisse aus der bildungswissenschaftlichen Hochschulforschung präsentiert. Zur Erläuterung der Ausgangslage und zum Verständnis interhochschulischer Zugänge werden Rahmenbedingungen für Lehre an Hochschulen beschrieben bzw. gegenübergestellt. Danach stehen Charakteristika und Konzepte des Lernens und Lehrens im Zentrum. Dabei wird insbesondere die Perspektive der Hochschullehrenden berücksichtigt, deren Schlüsselposition in Lehr- und Lernprozessen vielfach untersucht und belegt wurde (u. a. Wörner 2008; Paetz et al. 2011; Schneider und Mustafic 2015). Zum Abschluss werden die wesentlichen Aspekte in einem Resümee beschrieben und durch ein persönliches Fazit ergänzt.

2 Lehren und Lernen Sowohl Lehrende als auch Lernende sind geprägt durch ihre Bildungsbiografien, denn „die Erfahrungen, die mit Lernen und Lehren im Lebenslauf gemacht werden, hinterlassen Spuren“ (Kiehne 2015, S. 11). Lernprozesse sind äußerst individuell und können mehr oder weniger gut gelingen. Lehrende haben die Aufgabe, Lernarrangements zu gestalten, die das Lernen der Studierenden fördern (Stammermann 2014). Um ein professionelles Lehrangebot zu schaffen, ist es notwendig, eigene Zugänge zum Lernen zu reflektieren und Lehrzugänge zu ermöglichen, die über die persönlich erlebten Erfahrungen hinausgehen (Pfäffli 2015). In den letzten Jahren ist dies umso bedeutender geworden, als dass es klassische bzw. einheitliche Studierende nicht mehr gibt. Variationen und methodische Vielfalt in der Gestaltung von Lehrprozessen sind aktuell gefragt, um auch heterogene Studierendengruppen bestmöglich ansprechen

Lehren und Lernen in der Hochschule

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und unterstützen zu können. Studierende unterscheiden sich etwa hinsichtlich ihrer Interessen, Vorkenntnisse, kognitiven Fähigkeiten, motivationalen Orientierungen, kulturellen und sozialen Hintergründe, Nationalität, Berufserfahrung und Vorwissen in Bezug auf wissenschaftliches Denken und Handeln, Lern- und Praxiserfahrungen, (Bildungs-)Biografie und in Bezug auf ihre aktuelle Lebenssituation (Reinmann 2011; Greiner und Kracke 2018). Anders formuliert: nicht jede Lehrstrategie führt automatisch zum Erfolg. Genauso wenig ist jedes Lernverhalten gleichsam zielführend. Es benötigt somit eine Auseinandersetzung mit Lehr- und Lernprozessen auf unterschiedlichen Ebenen: 1) Lehrende mit sich selbst, 2) Studierende untereinander, 3) Lehrende und Studierende gemeinsam (Pfäffli 2015). In den letzten Jahrzehnten haben viele Hochschulen Grundbedingungen und Voraussetzungen für Lehre im Rahmen von Qualitätsoffensiven festgelegt (Policy der Lehre, Lehrkompetenzmodelle, hochschuldidaktische Zertifizierungsprogramme, etc.). Diese Standards sind ein Wegweiser für Lehrende, der zur Orientierung an der jeweiligen Hochschule bzw. im jeweiligen Hochschulraum verhilft. Die Modelle haben meist eine unterschiedliche Ausrichtung. Im Allgemeinen thematisieren Lehrkompetenzmodelle nachfolgende Bereiche (Reinmann 2011): • Pädagogische und didaktische Kenntnisse • Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Planung, Entwicklung und Umsetzung von Lehre • Inhaltswissen zum Gegenstand der Lehre • Persönliche Überzeugungen zum Lernen Wie bereits angedeutet, favorisiert jede Hochschule in der Regel ein bestimmtes Lehrkompetenzmodell, das in der Praxis mit dem jeweiligen Hochschultyp zusammenhängen kann. In weiterer Folge wird auf unterschiedliche Rahmenbedingungen in der Lehre – differenziert nach Hochschultyp – eingegangen.

3 Rahmenbedingungen hochschulischer Lehre Bedeutungsgebend für die Hochschullehre sind die jeweiligen Rahmenbedingungen, die in diesem Kapitel in Bezug auf die österreichische Hochschullandschaft näher beleuchtet werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Hochschulen als heterogenes und komplexes Feld zu betrachten sind (BaldaufBergmann und Cirulies 2014) und durch ihre jeweils spezifische institutionelle

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Gefasstheit geprägt werden. Dies zeigt sich etwa in den verschiedenen berufsbiographischen Hintergründen der Lehrenden, in den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an Hochschullehrende, welche unter anderem in Dienstrechten, Verordnungen, Kollektivverträgen oder auch internen Gehaltsschemata expliziert werden sowie in den vielfältigen Beschäftigungsverhältnissen des Lehrpersonals von Hochschulen. Zudem wird in der bereits seit mehreren Jahren laufenden Debatte über gute Lehre eine enge Verbindung mit dem Qualitätsmanagement sichtbar. Auch in diesem Zusammenhang wird auf das Erfordernis adäquater Rahmenbedingungen verwiesen (Merkt 2016). Um dieser Heterogenität und Komplexität gerecht werden zu können, werden in weiterer Folge drei Differenzierungslinien gezogen.

3.1 Institutionelle Spezifika Zentrale Aufgaben von Hochschulen allgemein sind die Wissensgenerierung und Entwicklung der Wissenschaften, der Kunst und/oder des Berufsfeldes durch Forschung einerseits und die Wissensvermittlung in Form der Lehre mit dem Ziel der wissenschaftlichen, künstlerischen bzw. praktischen Berufs(vor)bildung sowie Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten und auch der Heranbildung des wissenschaftlichen bzw. künstlerischen Nachwuchses andererseits (Pellert und Widmann 2008; Kasparovsky und Wadsack-Köchl 2016). Hochschulen stehen damit als Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen in einem Spannungsfeld dieser beiden Bereiche, die je Hochschultyp unterschiedlich stark ausgeprägt sind und den jeweiligen Stellenwert von Lehre beeinflussen. Universitäten, als ältester Hochschultyp und damit auch als jener mit der längsten Tradition, werden weitgehend als wissensgenerierende Institutionen mit starkem wissenschaftlichem Bezug wahrgenommen (Egger 2012b; Leišyte 2016). Fachhochschulen hingegen haben eine starke berufspraktische Perspektive. Die ersten Fachhochschulen wurden in Österreich Mitte der 1990er Jahre gegründet. Bei beiden Hochschultypen handelt es sich um autonome tertiäre Bildungseinrichtungen. Das jeweilige institutionelle Selbstverständnis spiegelt sich auch in den berufsbiografischen Bezügen der Hochschullehrenden wider, die an Universitäten stark wissenschaftlich geprägt sind, an Fachhochschulen hingegen stark berufspraktisch. Pädagogische Hochschulen sind die jüngsten Organisationen in Österreichs Hochschullandschaft. Entstanden sind diese im Jahr 2007 aus drei Vorgängerinstitutionen mit je spezifischen Aufgabengebieten: der Lehrerausbildung, der

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Fort- und Weiterbildung von Pädagog*innen sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrer*innen im Bereich der beruflichen Bildung. Durch die ausschließliche Verantwortung im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Pädagog*innen kommt auch dieser Institution eine große berufspraktische Orientierung zu. Dies zeigt sich auch in dem Umstand, dass bis zur Umsetzung der Dienstrechtsnovelle 2012 ein Lehramtsstudium Voraussetzung für die Aufnahme in den Personalstamm Pädagogischer Hochschulen war. Zudem unterscheiden sich die drei Hochschultypen hinsichtlich ihres dienstrechtlichen Rahmens. Wissenschaftliches Personal an Universitäten ist entsprechend des Kollektivvertrags für Arbeitnehmer*innen der Universitäten (Eintritt ab 01.01.2004) oder entsprechend dem Dienst- und Besoldungsrecht des Bundes eingestuft. Entsprechend dieser Einstufungen variieren auch die Lehrdeputate der jeweiligen Personengruppen. Die folgende Tab. 1 zeigt einen exemplarischen Vergleich der Lehrdeputate von Universitäts- und Assistenzprofessor*innen: Was das Agieren im Spannungsfeld zwischen Forschung und Lehre, zwischen Erkenntnisgewinn und Wissensvermittlung bzw. -kommunikation, anbelangt, so ist damit insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs konfrontiert (Egger 2013). Zudem ist dieser Personenkreis häufig von befristeten Beschäftigungsverhältnissen und unterschiedlichen Sperrklauseln betroffen, die einem Verbleib an der jeweiligen Universität entgegenstehen. So hat beispielsweise beinahe jede bzw. jeder zweite Postdoc-Mitarbeiter*in, die*der im Jahr 2010 beschäftigt war, bis 2016 die Universität wieder verlassen (BMBWF 2018a). Zahlen wie diese belegen, dass der Nachhaltigkeitseffekt in Hinblick auf die systemische Weiterentwicklung der Lehrkompetenz für die Institutionen selbst durch derartige Beschäftigungsbedingungen dramatisch eingeschränkt wird. Und dass, obwohl die akademische Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs, aufgrund der Monopolstellung hinsichtlich des Dissertations- und Habilitationsrechts, ausschließlich den Universitäten vorbehalten ist.

Tab. 1   Lehre an Universitäten in Semesterwochenstunden (SSt) je Studienjahr Einstufung

Beamtendienstrecht

Universitäts-KV

Universitätsprofessor*innen

Max. 12–24 SSt (§ 165b BDG, § 51 GehG)

Regelausmaß: 8 SSt Obergrenze: 12 SSt

Assistenzprofessor*innen

Max. 4–8 SSt (§ 180b BDG, § 52 GehG)

Regelausmaß: 8 SSt Obergrenze: 12 SSt

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Fachhochschulen beschäftigen ihre Mitarbeiter*innen auf Basis eines eigenen Kollektivvertrags oder aufgrund institutioneller Gehaltsschemata, die nicht öffentlich zugänglich sind. In diesen Regelungen findet die Festlegung des Lehrdeputats in Abhängigkeit des jeweiligen Berufsbildes (z. B. wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in, Associate Professor*in, Lektor*in), des Lehrveranstaltungstyps bzw. etwaiger lehrereduzierender Parameter, z. B. für die Akquise von Drittmittelprojekten, statt. Die Lehre an Fachhochschulen ist durch einen hohen Anteil an nebenberuflich Lehrenden gekennzeichnet, der mit der engen Verschränkung mit der Berufspraxis argumentiert wird. Dieser Anteil lag im Jahr 2015/2016 durchschnittlich bei 85 %, wie eine parlamentarische Anfrage an das Wissenschaftsressort (Parlament 2017) gezeigt hat. Im Gegensatz zu den anderen beiden Hochschultypen sind Pädagogische Hochschulen nachgeordnete Dienststellen des Bundes, und haben auch keine Personalhoheit bzw. -autonomie. Hochschullehrpersonen an Pädagogischen Hochschulen unterliegen dem Dienst- und Besoldungsrecht des Bundes. Auch hier ein Überblick (siehe Tab. 2) über die unterschiedlichen Lehrdeputate gem. den Durchführungsbestimmungen des Dienst- und Besoldungsrechts für (Vertrags-)Hochschullehrpersonen (BMBWF 2018b). Je nach Ausmaß der Forschungstätigkeit bzw. der Übernahme organisatorisch/administrativer Tätigkeiten orientiert sich das Lehrausmaß zwischen Regel- und Bedarfsfall bzw. an der Mindestlehre. Ein Vergleich zwischen den Lehrdeputaten von Universitäts- und Assistenzprofessuren auf der einen und Hochschulprofessuren auf der anderen Seite zeigt

Tab. 2    Lehre an Pädagogischen Hochschulen in Semesterwochenstunden (SSt) je Studienjahr Einstufung/Tätigkeitsbereich

Mindestlehre

Regelfall

Bedarfsfall ohne mit Zustimmung Zustimmung

PH1/ph1 (Hochschulprofessor*innen)

10,67 SSt

32,00 SSt

36,27 SSt

53,33 SSt

PH2/ph2, PH3/ph3 (Professor*innen)

21,33 SSt

32,00 SSt

42,67 SSt

53,33 SSt

PH2/ph2 (überwiegend Forschung)

10,67 SSt

32,00 SSt

36,27 SSt

53,33 SSt

Institutsleitungen

12,80 SSt

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das wesentlich höhere Lehrausmaß an Pädagogischen Hochschulen, das als Orientierungspunkt für den Regelfall herangezogen wird. Sichtbar werden die genannten Unterschiede in vielfältiger Weise auch auf formaler Ebene. Die abweichende bildungspolitische Zuordnung scheint Grund dafür zu sein, dass sich im hochschulstatistischen Informationssystem uni:data ausschließlich Daten zu Universitäten und Fachhochschulen finden. Zahlen zu Pädagogischen Hochschulen finden hier keine Berücksichtigung. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass auf der offiziellen Website des zuständigen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF 2019) unter dem Reiter Studieren in Österreich ausschließlich Universitäten, Privatuniversitäten und Fachhochschulen ausgewiesen werden. Pädagogische Hochschulen werden der Bildung zugeordnet und sind somit nicht auf den ersten Blick als Studienorte identifizierbar. Dies könnte ein Relikt aus einer Legislaturperiode sein, in der Pädagogische Hochschulen als einzige tertiäre Bildungseinrichtungen nicht dem Wissenschafts-, sondern dem Bildungsministerium zugeordnet waren. Darüber hinaus fällt auch die unterschiedliche Bezeichnung der Akteur*innen auf. Spricht man an Universitäten bei den Personalkategorien in uni:data von wissenschaftlichem und künstlerischem Personal, so wird für Fachhochschulen das Lehrpersonal erhoben, welches sich aus Lehr- und Forschungspersonal inkl. Studiengangsleiter*innen zusammensetzt. Bei Pädagogischen Hochschulen wird im Dienstrecht der Begriff Hochschullehrpersonen verwendet. Bei Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen wird begrifflich somit Lehre als generisch bedeutsam hervorgehoben, bei Universitäten hingegen wird auf den wissenschaftlichen/forschenden bzw. künstlerischen Bereich fokussiert und Lehre als darunter subsumierend aufgefasst. Im Wissenschaftsbericht Steiermark 2016– 2017 (Land Steiermark 2018) wird zwar für alle Hochschultypen das wissenschaftliche Personal angeführt, der wissenschaftliche Output und die Drittmittel werden jedoch nur von Universitäten genannt. Die Forschungsleistungen der Fachhochschulen sowie der Pädagogischen Hochschulen bleiben außer Acht. Die verwendeten Bezeichnungen der Mitarbeiter*innen und die Erwähnung bzw. Nichterwähnung einzelner Institutionen in unterschiedlichen Kontexten folgt somit den traditionellen Selbstkonzepten der einzelnen Institutionen, reproduziert und festigt diese. Neben diesen institutionellen Unterschieden zeigen sich auch Unterschiede im jeweiligen Stellenwert von Lehre.

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3.2 Stellenwert von Lehre Die Betrachtung des Stellenwerts der Lehre bedarf einer Differenzierung in Bezug auf die jeweilige institutionelle Rahmung. Universitäten sehen sich im deutschsprachigen Raum vorwiegend der Wissenschaft und somit der Forschung verpflichtet. Damit einher geht auch die Ausrichtung der Steuerungsinstrumente, wie Evaluationen oder Rankings, die ausschließlich oder vorrangig auf Forschung und auf damit verbundene Outputfaktoren (wie etwa Publikationsindizes, Anzahl und Umfang an Drittmittelprojekten) als Leistungsindikatoren für Hochschulen fokussieren. Für die wissenschaftlichen Akteur*innen wird die Forschungsproduktivität und Drittmittelförderung zum zentralen Kapital im Kontext ihrer Profession und Karriere. Die Lehrenden müssen somit im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Auftrag (Lehre) und eigener beruflicher Karriere über Forschung agieren (Egger 2012a, 2016; Leišyte 2016). Dies führt zu einer dichotomen Sichtweise, die häufig in der Fokussierung auf Forschungsaktivitäten und in einen damit verbundenen größeren Zeitaufwand mündet. Gleichzeitig wird im deutschsprachigen Raum die auf Humboldt zurückgehende enge Kopplung von Forschung und Lehre nach wie vor als akademisches Ideal hochgehalten. Forschungsbefunde bestätigen bis auf wenige Ausnahmen die starke Orientierung an diesem Ideal durch das wissenschaftliche, universitäre Personal, selbst wenn damit eine große individuelle Belastung verbunden ist. International wird mittlerweile eine Abkehr von diesem holistischen Rollenmodell hin zu einer Ausdifferenzierung der akademischen Rollen in Richtung reiner Lehr- bzw. Forschungspositionen wahrgenommen (Meier und Schimank 2009; Leišyte 2016). So werden ein wettbewerbsorientierter Forschungs- und Drittmittelbereich, das Primat der Fachkulturen und die geringe Entwicklung der Hochschuldidaktik als Gründe für die geringer ausgebildete Identität von Universitäten als Orte der Lehre gesehen (Mörth 2013). Verschärft wird dies auch durch die eingeschränkte Sichtbarkeit der erbrachten Lehrleistungen in universitären Karrieren (Egger 2013). An Pädagogischen Hochschulen in ihrer ausschließlichen Funktion als Institution der Lehrer*innen- bzw. Pädagog*innenbildung wird der Lehre im Sinne didaktischer Kompetenzen traditioneller Weise eine große Bedeutung beigemessen und diesem Bereich hohe Expertise zugeschrieben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Akteur*innen aufgrund ihrer überwiegend berufsbiografischen Verortung als ehemalige Lehrer*innen ihre Lehrkompetenz als

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identitätsstiftenden Kern ihrer Tätigkeit sehen. Entwicklungsbedarf wird sowohl auf institutioneller als auch auf individueller Ebene eher in Zusammenhang mit berufsfeldbezogener Forschung attestiert. Nichtsdestotrotz bedarf es einer Professionalisierung des Lehrhandelns an Pädagogischen Hochschulen und der Entwicklung hochschuldidaktischer Kompetenzen in Abgrenzung zu fachdidaktischer Kompetenz im Schulkontext. Fachhochschulen haben gem. §  3 Abs.  1 Fachhochschul-Studiengesetz (FHStG) 1993 idgF die Aufgabe, eine praxisbezogene Ausbildung auf Hochschulniveau zu gewährleisten und Fähigkeiten zur Lösung berufsfeldbezogener Aufgaben zu vermitteln. Dadurch sollen die Durchlässigkeit des Bildungssystems und die berufliche Flexibilität der Absolvent*innen gefördert werden. Somit ist dieser Hochschultyp von seiner Genese her weder in der Lehre noch in der Forschung begründet, sondern in der jeweiligen berufsfeldbezogenen Praxis. Beide Bereiche sind jedoch unerlässlich, um die gesetzlich verankerten Ziele erreichen zu können, weshalb beiden Bereichen großes Augenmerk geschenkt wird. In den letzten Jahren rücken die Qualität der Lehre bzw. die Vermittlungskompetenz und damit die Hochschuldidaktik stärker in den Fokus. In Deutschland wird etwa seit 2011 mit dem Bund-Länder-Programm Qualitätspakt Lehre (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2019) intensiv an der Verbesserung der Studienbedingungen und der Lehrqualität an deutschen Hochschulen gearbeitet. Insgesamt zwei Milliarden Euro wurden für die bessere Personalausstattung an Hochschulen und die Qualifizierung des Personals in Lehre, Betreuung und Beratung veranschlagt und den Universitäten zugewiesen. Auch an österreichischen Hochschulen ist zu beobachten, dass zahlreiche Initiativen umgesetzt werden, wie etwa die Implementierung hochschuldidaktischer Zentren, die Vergabe von Lehrpreisen, die Verankerung von Lehrportfolios in Berufungsverfahren oder die Durchführung von Tagen der Lehre, wenn auch weder vom Volumen noch von der bildungspolitischen Verbindlichkeit her mit dem Qualitätspakt Lehre vergleichbar. Kritisch ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass diese Initiativen häufig gar nicht an der Veränderung von Rahmenbedingungen ansetzen, sondern auf die Optimierung individuellen Lehrhandelns abzielen (Egger 2016).

3.3 Leistungsanforderungen an Hochschullehrende Eine Vielzahl von Studien verweist auf die Aufgabenvielfalt von Hochschullehrenden in Lehre, Forschung und den damit in enger Verbindung stehenden Publikations- und Disseminationstätigkeiten, Beratung sowie (Selbst)Verwaltung (Wildt et al. 2003; Böckelmann 2009; Meier und Schimank 2009;

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Egger 2013). Die Konstruktion dieses Allrounder-Anspruchs erweist sich für die Akteur*innen sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht als zunehmend problematisch. Eine hohe Gesamtarbeitszeit in Kombination mit hohen Kompetenzerwartungen stellt Hochschullehrende in unterschiedlichen Aufgabenbereichen vor enorme Herausforderungen, die aufgrund unterschiedlicher und teilweise sich widersprechender „Betriebslogiken“ zusätzlich verstärkt werden (Böckelmann 2009). Zudem wird an großen Hochschulen ein beträchtlicher Teil der Ressourcen durch die Bedingungen einer Massenuniversität mit verpflichtendem Lehrdeputat und hohen Betreuungsrelationen gebunden (Egger 2013). Gleichzeitig wird die Aufgabenvielfalt von den Betroffenen durchaus geschätzt und als sinnvoll und richtig erachtet, sodass es weniger darum zu gehen scheint, das vielfältige Leistungsspektrum einzuschränken, als Hochschullehrende vielmehr von institutioneller Seite her im konstruktiven Umgang mit den inhärenten Spannungsfeldern zu unterstützen. In diesem Zusammenhang werden etwa Schwerpunktsetzungen innerhalb der Leistungsbereiche, die Implementierung unterschiedlicher Laufbahnmodelle und unterschiedlicher Personalkategorien bzw. von Teamkompetenzmodellen, ein kompetenzorientiertes Personalmanagement sowie die Umsetzung von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge genannt (Böckelmann 2009). Hochschulen sind sich dieses Auftrags und der belastenden Situation ihrer Mitarbeiter*innen durchaus bewusst. So zeigt sich, dass Universitäten sich in den Leistungsvereinbarungen 2013–2015 sowie jenen der darauffolgenden Periode (2016–2018) die Verbesserung der Work-Life-Balance als Ziel gesetzt haben (BMBWF 2018a). Als Ursache für diese Veränderungen wird häufig auf die Implementierung veränderter Gouvernement-Strukturen und Steuerungskonzepte – Stichwort New Public Management (NPM) – seit Beginn der 2000er Jahre verwiesen, wodurch sich die Anforderungen an Hochschulen als System sowie an den akademischen Arbeitsbereich und seine Akteur*innen verändert, respektive erhöht haben. Dies gründet unter anderem in einem zunehmenden Wettbewerb, den durch die Outputsteuerung bedingten Leistungsüberprüfungen und den beiden damit verbundenen Leitprinzipien Effektivität und Effizienz (Lange 2008; Lenz 2015; Leišyte 2016). Die bislang erfolgten Ausführungen hinsichtlich der unterschiedlichen Rahmenbedingungen, zeigen die grundlegenden Strukturen je Hochschultyp auf. Diese sind von der (einzelnen) Lehrperson kaum beeinflussbar, stellen jedoch relevante Einflussfaktoren für das Aufgabenfeld von Hochschullehrenden und somit auch für die Qualität des Lehrens und Lernens dar. Der nachfolgende

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Teil widmet sich nun im Sinne der Lernendenzentrierung jenen grundlegenden Aspekten des Lernens, die auf individueller Ebene relevant sind, bevor in weiterer Folge das Lehren ins Blickfeld gerückt wird.

4 Das Lernen – Vielfalt als Herausforderung und Chance 4.1 Was bedeutet es, etwas zu lernen? „Lernen beinhaltet die aktive, denkerische Auseinandersetzung mit vorhandenem Wissen und die Konstruktion von Erkenntnissen und Problemlösungen“ (Pfäffli 2015, S. 21). Das Lernen kann nicht direkt beobachtet werden. Lediglich die Auswirkungen (konkretes Handeln und Verhalten im Sinne von Performanz) können Rückschlüsse auf Lernprozesse ermöglichen. Wissen ist daher ein Resultat des Lernens (Benischek und Beer 2015). In der Pädagogik können allgemein drei große Richtungen des Lernens unterschieden werden, die auf Denkschulen im 20. Jahrhundert zurück gehen. Verhaltenstheorien (behavioristische Theorien) betrachten Lernen als „beobachtbare Verknüpfung eines spezifischen Reizes mit einer ebenso spezifischen Reaktion des Organismus, deren Wahrscheinlichkeit durch Verstärkung sukzessive erhöht werden kann“ (Seel und Hanke 2015, S. 29).

In einer Unterrichtssituation sollte sofort Rückmeldung auf Erfolg durch positive Verstärkung (Lob, Belohnung, Erfolgserlebnisse) folgen. Gewünschtes Verhalten wird somit gefördert. Behavioristen experimentierten großteils mit Tieren (Stichwort „Pawlow’scher Hund“) und setzten als Verstärker Formen der Bestrafung mit der Überzeugung ein, die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens dadurch zu verringern. Konditionierung und Verstärkung galten bis zu den 1960er Jahren als pädagogisch relevant in der Lernpsychologie. Danach erfolgte ein Paradigmenwechsel und Kognitionen (Wissen, Einstellungen, Gedanken, Bewertungen und Überzeugungen) rückten in den Vordergrund. Lernen wurde damit nicht allein auf beobachtbare Lernprozesse reduziert, sondern als theoretisches Konstrukt, das sich auf verschiedene Phänomene beziehen kann. Lernen wird in kognitiven Theorien als „Prozess der Umorganisation von Erfahrungen, der so lange dauert, bis sich im Moment der Einsicht (Aha-Erlebnis) die vollständige Durchgliederung des Erfahrungsfeldes und somit die Lösung des Problems einstellt“ (ebd., S. 31).

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Lernen ist demnach stets bedeutungserzeugend und bewirkt die Einsicht in eine Situation oder das Verstehen einer Vorgehensweise. Für Unterrichtssituationen bedeutet dies, dass nachhaltiger Erfolg des kognitiven Lernens davon abhängt, ob sinnvoll-rezeptiv anstelle von mechanisch-auswendig und sinnvoll-entdeckend statt durch Versuch und Irrtum gelernt wird (Benischek und Beer 2015). Lernen im kognitivistischen Sinn bedeutet, an vorhandenes Wissen anzuknüpfen, dieses zu erweitern und neues Wissen anzueignen (Pfäffli 2015). Im Konstruktivismus wird Wissen als subjektiv angesehen, wobei davon ausgegangen wird, dass Lernende Informationen mit subjektiven Bedeutungen verknüpfen. Lernen ist dieser Theorie zufolge ein „(…) interaktiver Prozess des Individuums mit seiner Umgebung, der zum Aufbau höchst individueller Wissensstrukturen und Problemlösungen führt“ (Pfäffli 2015, S. 24).

Bei der konstruktivistisch orientierten Didaktik wird Wert auf die Eigenaktivität der Lernenden gelegt und es wird davon ausgegangen, dass Lernen in komplexen und realen Situationen stattfindet. Im Mittelpunkt stehen somit individuelle Lernprozesse in möglichst authentischen Lern- und Lebenssituationen. Lernumgebungen sollen so gestaltet sein, dass Lernende in ihrem Lernprozess aktivkonstruierend agieren können (Benischek und Peer 2015). Derartig gestaltete Lernarrangements sind Teil einer anregenden Lehr- und Lernkultur (Stammermann 2014). Diese Lerntheorien bilden auch die Basis für das Lernen an Hochschulen, da sie die Haltung von Lehrenden beeinflussen und didaktische Settings prägen.

4.2 Lernen an der Hochschule Die grundlegenden Erkenntnisse zum Lernen können auch auf den Hochschulkontext übertragen werden. Genauso wie beim schulischen Lernen sind motivationale und kognitive Faktoren wie auch Bedingungen der Lernumgebung (sozial, physikalisch) relevant. Das Lernen an Hochschulen fokussiert jedoch noch stärker die eigenverantwortliche Steuerung von Lernprozessen (Steinebach et al. 2016). Weiters zählt es zu den Herausforderungen von Lehrenden, die Diversität von Studierenden mit ihren unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und -stilen in der Lehre zu berücksichtigen. Ein paar ausgewählte Merkmale des hochschulischen Lernens sollen die wesentlichen Aspekte aufzeigen (Pfäffli 2015):

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Zielorientierung  Studierende sind motivierter Ziele zu erreichen, wenn sie diese erkennen, als erreichbar wahrnehmen und deren Bedeutung nachvollziehbar ist. Lehrende sollten daher Lernziele formulieren und transparent kommunizieren. Dies wiederum zu Beginn der Veranstaltung, damit die Studierenden Ideen bekommen, warum diese Inhalte für das Studium bzw. für die berufliche Praxis wichtig sind (Pfäffli 2015). Aktivität  Lernende sind geistig und/oder praktisch aktiv. Die Eigenaktivität der Studierenden sollte durch konkrete Auseinandersetzung mit Inhalten, Wissen und Problemstellungen von Lehrenden angeregt werden (Pfäffli 2015). Studierende können aktiv in das Lerngeschehen gebracht werden, indem sie lesen, denken, schreiben, diskutieren, Probleme lösen, Aufgaben bearbeiten, Bezüge herstellen, Informationen analysieren, Ideen illustrieren, usw. (Brauer 2014). Selbststeuerung und Selbstverantwortung Die Studierenden in einer Lehrveranstaltung nehmen das Lehrangebot mehr oder weniger intensiv an und sind letztlich selbst für ihren Lernprozess verantwortlich. Zu Studienbeginn ist die Fremdsteuerung durch Lehrende in der Regel größer – im weiteren Studienverlauf nimmt die Selbststeuerung immer mehr zu. Dies entbindet Lehrende jedoch nicht von ihrer Aufgabe, denn sie sollten trotzdem Inhalte verständlich aufbereiten, zielbezogene Lernanleitungen formulieren und sachlich-wertschätzende Rückmeldung an Studierende geben (Pfäffli 2015). Interaktion  Lernen bedeutet Interaktion im inneren Dialog mit sich selbst, mit anderen Lernenden im Team, mit dem*der Lehrenden oder mit anderen Expert*innen (Pfäffli 2015). Interaktionsprozesse zwischen Lernenden und/oder Lehrenden kann durch methodisch-didaktische Gestaltung mittels kooperativer Lehr- und Lernmethoden unterstützt werden, beispielsweise durch Peer-Tutoring oder die Methode Think-Paier-Share (Svinicki und McKeachie 2014). Wissensorientierte Lernprozesse Die ersten Schritte im Lernprozess finden meist über das Hören und das Sehen statt. Lernende selektieren wahrgenommene Informationen: Individuelle Interessen und vor allem Lernziele steuern die Aufmerksamkeit und damit auch, welche Informationen ins Gedächtnis aufgenommen werden. Das Anknüpfen an Vorwissen hilft dabei, Informationen nachhaltig weiterzuverarbeiten, wohingegen nicht verknüpfte Informationen in der Regel bereits nach wenigen Sekunden in Vergessenheit geraten. Lerninhalte können durch aktive Denkprozesse gefestigt werden. Lehrende können diesen Prozess unterstützen, indem sie die Lerninhalte in logische Portionen

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aufteilen und ausreichend Zeit und Übungsmöglichkeiten für die umfassende und komplexe Verarbeitung berücksichtigen. Der konstruktivistischen Lerntheorie entsprechend erfolgen Informationsverarbeitung und Wissensaufnahme bei Lernenden individuell und eben nicht exakt nach Vorstellung der Lehrenden. Didaktisches Handeln kann Lernenden den Aufnahmeprozess erleichtern, indem das Nachdenken, Einprägen, Wiederholen, Fragen, Vergleichen, Verknüpfen, Verbalisieren, Üben und Zusammenfassen angeregt wird (Pfäffli 2015). Vielfach wird der Ansatz des Forschenden Lernens diskutiert, um Lernprozesse von Studierenden nachhaltig zu unterstützen. Lehrende, die Forschung in ihre Lehre integrieren, ermöglichen den Lernenden, theoriebezogenes Wissen zu aktivieren, evidenzbasiertes Wissen zu entwickeln und zu festigen, sowie das praktische Können zu fördern (Steinebach et al. 2016). Studierende entwickeln über das Studium hinweg ein metakognitives Wissen. Dies beinhaltet das Wissen über die eigenen Kognitionen (z. B.: eigene Lernziele zu entwickeln oder Lerngewohnheiten zu kennen) und die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess zu steuern (Monitoringstrategien, Informationsverarbeitungsstrategien, Problemlösestrategien) (Benischek und Beer 2015). Zu den eben erörterten Punkten ist die Motivation von Studierenden ein weiterer Aspekt, denn motivierte Studierende lernen in der Regel ausdauernder, setzen sich vertieft mit Inhalten auseinander und nehmen Lernherausforderungen engagierter an (Svinicki und McKeachie 2014). Spezifische Bedingungen beeinflussen die Motivation: organisationale Merkmale der Hochschule, Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden, soziale Beziehungen zwischen Studierenden (Steinebach et al. 2016). Unterschiedliche Motivationen begründen Lernanlässe: In der Fachliteratur wird in der Regel zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation unterschieden, wobei diese Annahme zwei Pole beschreibt und in der Realität eine klare Zuordnung wohl kaum möglich ist. Intrinsisch motivierte Lernende sind interessiert an den Inhalten, möchten ihr Wissen erweitern und vertiefen. Intrinsische Motivation fördert das konzeptionelle Verstehen und die Kreativität. Intrinsisch motivierte Studierende wenden eher kognitive Strategien an (z. B. Methoden wie Lesetechniken), die zu wirkungsvollerem Lernen führen (Svinicki und McKeachie 2014). Äußerlich motivierte Studierende sind vorrangig an ihrem Abschluss interessiert und wollen zielgenau durch die Prüfung gelangen. Es ist möglich, aber weniger wahrscheinlich, dass diese Studierenden „aus sicher selbst heraus“ ein vertieftes Interesse am Thema entwickeln werden. Weiters haben das Interesse an sozialen Kontakten sowie kompetente und motivierende Lehrende Einfluss auf das Engagement der

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Studierenden (Pfäffli 2015, S. 31 f.). Es ist anzunehmen, dass dies einem unterschiedlichen Lernverständnis zugrunde liegt. Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick zu den Merkmalen eines oberflächlich orientierten Lernens im Gegensatz zu einem tiefenorientierten Lernen (Pfäffli 2015, S. 32–33; Tab. 3): Bei eingehender Auseinandersetzung mit den Merkmalen für oberflächen- und tiefenorientiertes Lernen wird die Notwendigkeit deutlich, dass sich Lehrende auf die unterschiedlichen Lernkonzepte ihrer Studierenden einstellen. Wenn Lehrende qualitativ hochwertige Lehrangebote machen wollen, gilt es, das tiefenorientierte Lernen der Studierenden zu fördern. Ein möglicher Schlüssel dazu ist die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden, die als entscheidend für gelingende Lehr-/Lernprozesse angesehen wird (Brauer 2014, S. 7 f.). Grundlegend dafür ist ein respektvoller und freundlicher Kommunikationsstil mit den Studierenden, der zum Ausdruck bringt, dass die*der Lehrende die Anliegen der Lernenden wahrnimmt und unterstützt (Chory und Offstein 2017). In der Lehre präsent zu sein und Studierenden gegenüber aufmerksam zu sein ist notwendig, um konkrete und hilfreiche Unterstützung im Lernprozess zu geben (Ashton und Stone 2018).

Tab. 3   Unterscheidung von Lernkonzepten Studierender (Pfäffli 2015, S. 32–33) Oberflächenorientiertes Lernen – Charakteristika • Leistungsorientierte Ziele • Richten ihre Leistungen nach Mitstudierenden aus • Betrachten Wissen, als etwas von außen Herangetragenes • Nehmen Wissen auf, um es später in Prüfungen reproduzieren zu können • Rezeptive Lernhaltung • Auswendiglernen als bevorzugte Lernstrategie • Wollen mit minimalem Aufwand einen maximalen Prüfungserfolg erzielen Tiefenorientiertes Lernen – Charakteristika

• Wissen anreichern • Wissen auswendig lernen • Wissen reproduzieren • Anwenden in der Praxis

• Verstehen • Sichtweise verändern • Sich als Person verändern

• Verfolgen könnensorientierte Ziele („mastery goals“) • Orientieren sich am Inhalt • Möchten Wissen begreifen • Wollen die Bedeutung von Wissen erkennen • Denken Inhalte durch • Erkennen sich selbst als aktive, erfolgreiche Lernende • Sind primär am Wissen und an den Aufgaben interessiert

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5 Das Lehren 5.1 Was kennzeichnet „gute Lehre“? Hochschulen haben sich in den letzten Jahrzehnten vermehrt der qualitätsvollen Lehre gewidmet. Sichtbar wurde dies etwa durch punktuelle Exzellenzinitiativen, hochschulinterne sowie nationale Preise für ausgezeichnete Lehre und hochschulübergreifende Exzellenzprogramme. An der Wirtschaftsuniversität Wien wird jedes Jahr ein Preis für exzellente Lehre verliehen, wobei im WS 2015/2016 erstmals ausschließlich Studierende ihre Lehrenden nominieren konnten. Im Online-Tool wurde nach einer kurzen Begründung gefragt, warum die*der Lehrende vorgeschlagen wird. Analysiert wurden 3141 frei formulierte Begründungen von 720 nominierten Lehrenden mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Warm und Vettori 2018). Exzellente Lehre ist aus Perspektive der Studierenden eng mit der Person der*des Lehrenden verknüpft. Folgende Eigenschaften werden genannt: humorvoll, hilfsbereit, verständnisvoll, geduldig, freundlich, motivierend, enthusiastisch, kompetent, erfahren. Die Studierenden haben jedoch auch Handlungen und „Taten“ von Lehrenden beschrieben: verständliche Erklärungen, Beispiele zur Veranschaulichung, faire und transparente Beurteilung, detailliertes Feedback mit Verbesserungsvorschlägen und Hinweisen, die zur aktiven Mitarbeit anregen. Weiters ist der subjektive Lernerfolg der Studierenden relevant. Hier unterscheiden die Studierenden zwischen dem vertieften Verständnis für den Gegenstandsbereich, das sie in der Lehrveranstaltung erworben haben, und ob sie mit dem Gelernten bei der Prüfung erfolgreich waren. Nachhaltig war der Lernerfolg für die Studierenden dann, wenn die Anforderungen über das alleinige Auswendiglernen hinausgingen. In Hinblick auf die Konzeption von Lehrveranstaltungen schätzen die Studierenden didaktische Elemente und Methoden, die zu klarer Struktur und abwechslungsreicher Gestaltung führen. Die Studierenden begründeten ihre Nominierungen auch mittels leicht verfügbarer und sinnvoller Lehrmaterialien. Zusätzliche Übungsmaterialien oder der Einsatz von Filmen wurden besonders gewürdigt. Aus den Gesamtergebnissen zieht das Forscherteam vor allem das Fazit, dass Studierende als Personen wahrgenommen werden wollen und dies erkennen sie insbesondere daran, dass sie mit Namen angesprochen werden (Warm und Vettori 2018). In einem weiteren Schritt erscheint es sinnvoll, weniger von „Exzellenz“ in der Lehre zu sprechen, sondern die Gelingensfaktoren „guter“ Lehre etwas näher zu betrachten. Quer durch die hochschuldidaktische Fachliteratur wird dabei

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deutlich, dass Ziele ein wesentlicher Faktor sind (u. a. Auferkorte-Michaelis et al. 2007; Macke et al. 2012; Biggs 2014; Fritzsche und Daumiller 2018): • Explizite Ziele in der Lehre sichtbar machen • Lernenden Wege eröffnen, um Ziele zu erreichen • Abstimmung von Lehr-/Lernzielen mit Lernaktivitäten und Prüfungsarrangements (Constructive alignment) Die prominente Metastudie Visible learning von John Haettie (2009) thematisiert schulisches Lernen und untersuchte Einflussfaktoren und deren Wirkungen für den Lernerfolg von Schüler*innen. Diese Wirkungsforschung wurde mittlerweile auch für den Hochschulkontext durchgeführt, wobei der Frage nachgegangen wurde: Was macht Hochschullehre effektiv? (Schneider und Preckel 2017). 105 Variablen wurden auf Basis eines Datensatzes von knapp zwei Millionen Studierenden untersucht. Die Autoren kommen zum Schluss, dass die Effektivität der Lehrveranstaltung stark vom Handeln der Lehrenden abhängt. Entscheidend wären demnach vor allem die Details, also die Mikroebene von Instruktionen, wie zum Beispiel: Diskussionen anzuregen, offene Fragen zu stellen oder nur wenige Keywords auf Präsentationen anzuführen. Es ist nicht nur wichtig, welche Lehrmethoden eingesetzt werden, sondern vor allem wie diese exakt umgesetzt werden. Lehrende benötigen dafür methodisch-didaktische Kompetenzen. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Vorbereitung und Organisation von Lehrveranstaltungen durch die*den Lehrende*n. Das Adaptieren von Lehrveranstaltungskonzepten und die Überlegungen zu Umsetzung, Methodik und Didaktik im Speziellen sind notwendig, um Lehre auf spezifische Studierendengruppen optimal abzustimmen. Die Lehr- und Lernziele sollten Studierenden transparent kommuniziert werden. Die soziale Interaktion scheint wesentlich und kann durch interaktive Lehr- und Lernsequenzen gefördert werden. Vorlesungen werden dahin gehend ebenso effektiv wie andere Lehrveranstaltungsformate eingeschätzt, sofern sie engagiert und interaktiv gestaltet werden. Neue Lehr-/Lerntechnologien können wirksam sein, wenn sie sinnvoll mit Präsenzphasen kombiniert werden. Das Assessment sollte sich nicht nur auf die Prüfung beziehen, sondern im optimalen Fall neben präzisen Lernzielen und klaren Leistungsanforderungen entwicklungsorientiertes Feedback für Studierende während des Semesters beinhalten (Schneider und Preckel 2017). Derzeit ist das Outcome-basierte Lehrdesign des „Constructive Alignment (CA)“ in der Hochschullandschaft besonders prominent vertreten (Biggs 1996). Das Konzept basiert auf konstruktivistischer Lerntheorie, verfolgt einen studierendenzentrierten Ansatz und wurde vom schulischen Kontext auf die

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Hochschule übertragen. Was die Lernenden aktiv und selbsttätig tun ist demnach viel wichtiger als die Aktivitäten der Lehrperson. Lehre kann nach dem Konzept des CA in einzelnen Lehrveranstaltungs-Einheiten in vier Schritten vorbereitet und geplant werden: 1) 5–6 learning-outcomes mit Hilfe von konkreten Verben formulieren, 2) Lernumgebung kreieren und Lehr-/Lernaktivitäten planen, 3) Prüfungsanforderungen beschreiben, 4) finale Benotung erstellen. Entscheidend ist, dass alle vier Schritte inhaltlich aufeinander abgestimmt sind und sich wie ein roter Faden durch die Lehrveranstaltung ziehen. Evaluierungen zeigten, dass bei stringenter Planung mit CA, die Lehrqualität gefördert wird, bessere Durchschnittsnoten erreicht werden, Studierende mit mehr Selbstvertrauen in Prüfungen gehen, sich die Zufriedenheit und das Engagement von Studierenden verbessern. Auf institutioneller Ebene (vorausgesetzt: hochschulweite, qualitätsvolle Implementierung von CA) ergaben Studien durch die höhere Standardisierung fairere und reliablere Prüfungen. Die höhere Transparenz führte zu leichterer inter-universitärer Vergleichbarkeit von Zielen, Modulen und Kursen. Schließlich überzeugten eine positive Lehr-/Lernkultur sowie die Ergebnisse von mit CA durchgeführten Lehrveranstaltungen immer mehr Lehrende an Fakultäten. Dem gegenüber steht der höhere Zeitaufwand für Lehrende, die das Konzept des CA umsetzten (Biggs 2014).

5.2 Was bedeutet es, didaktisch erfolgreich zu handeln? Als anschauliche Metapher kann die Didaktik als ein „Wissens“-Ballspiel zwischen Lehrenden und Studierenden bezeichnet werden, wobei das Gelingen vom mehr oder weniger guten Zusammenspiel der Beteiligten abhängt. Macke et al. (2012) beschreiben Bausteine, die das Fundament für professionelles, didaktisches Handeln bilden. Mit der Zeit eignen sich Lehrende unterschiedliche Gestaltungsaspekte und Umsetzungsmöglichkeiten an, die schließlich in einem persönlichen, aber doch professionellen Stil didaktischen Handelns münden (Tab. 4). Lehrende, die didaktisch sinnvoll handeln, stimmen Inhalte und didaktisches Vorgehen aufeinander ab. Sie zeigen Interesse an ihrem Fach, aber auch an Problemlösungen. Sie sind daran interessiert, wie Studierende denken und was sie denken, oder auch wie sie an Aufgaben herangehen. In Punkto lernförderliches Klima zeichnen sich gute Lehrende dadurch aus, dass sie einen Dialog auf Augenhöhe mit ihren Studierenden pflegen. Sie kommunizieren ihre Erwartungen und Ansprüche an Leistungen klar und geben auch ihren Emotionen Ausdruck

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Tab. 4   Bausteine zum professionellen didaktischen Handeln. (In Auszügen zusammengefasst aus Macke et al. 2012, S. 65–83) Das Selbstverständnis klären • Wie sehe ich mich selbst als Lehrende*r? • Wie möchte ich mich einbringen? • Welche (wissenschaftlichen) Standards sind in meinem didaktischen Handeln wichtig? • Wie möchte ich mein didaktisches Handeln professionalisieren? • Welche Standards, Regeln, Grenzen möchte ich setzen, um den Lernenden Orientierung zu geben? • Wie möchte ich mit meiner Macht umgehen? • Was will ich mit Lernenden aushandeln und wie? Ein förderliches Klima schaffen • Wie möchte ich die Beziehung zu den Lernenden gestalten? • Wie gehe ich mit Fehlern, Nachfragen und Unsicherheiten von Studierenden um? • Welche Werte sind mir wichtig? (Vertrauen? Orientierung? Offenheit? Respekt? Ermutigung?) Rückmeldung ermöglichen • Wie verständige ich mich darüber, wie das zuvor Gehörte, Gelernte und Geübte von den Lernenden wahrgenommen und erlebt wurde? • Wie gebe ich konstruktive Rückmeldung? • Wie gehe ich mit Rückmeldungen an mich um? Durch Fragen und Impulse lenken • Wie kann ich durch Fragen steuern und aktivieren? • Wie sollen „gute“ Fragen formuliert sein, damit sie das Denken der Lernenden anregen? • Wie kann ich Impulse, Aufforderungen, Aufgabenstellungen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden gestalten?

(z. B.: Bedauern über Bequemlichkeiten oder Nachlässigkeiten von Studierenden ansprechen; Freude über Mitarbeit und angeregte Diskussion ausdrücken). Solche Lehrende kommunizieren glaubwürdig und echt. Sie lassen Unsicherheiten von Studierenden zu, aber zeigen durch ihre fachliche Kompetenz und berufliche Erfahrung gleichzeitig Möglichkeiten, Wege und Lernräume auf (Pfäffli 2015).

5.3 Entwicklungsstufen von Lehrenden Die Hochschule als Lernort adressiert mündige Erwachsene im Kontext lebenslangen Lernens und bietet der Gesellschaft sowie Einzelnen spezifische Lern- und Bildungsräume (Rhein 2015). Lehrende sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Wissenschaft und Studium. Die vorhergehenden Ausführungen zum Lernen von Studierenden deuten bereits darauf hin, dass das Lehren an Hochschulen eine

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spannende, wie auch komplexe und herausfordernde Tätigkeit ist. Besonders Einsteiger*innen sollten sich vor Augen halten, dass man sich als Lehrende*r über die berufliche Laufbahn hinweg weiterentwickelt. Trautwein und Merkt (2013) betonen, dass der Entwicklungsprozess nicht linear anzusehen ist, sondern sehr komplex und dynamisch. Die Gültigkeit von Stufenmodellen sei kritisch zu hinterfragen, da die empirische Befundlage dazu (noch) recht dünn ist. Trotzdem erachten wir es als hilfreich, ein Entwicklungsstufenmodell an dieser Stelle herauszugreifen: Böss-Ostendorf und Senft (2014, S. 17–19) beschreiben fünf typische Entwicklungsphasen: In der Einstiegsphase (1) dreht sich fast alles um die eigene Person und die neue Rolle, die man gegenüber Studierenden einnimmt. Diese Phase ist mitunter von Unsicherheiten geprägt (Wunsch nach Akzeptanz bei den Studierenden; eventuelle Wissenslücken ausmerzen, etc.). In der Phase des dozentenzentrierten Informationstransfers (2) wird der Stoff stärker fokussiert und Lehrende nutzen dies mitunter, um sich hinter ihrem sachlichen Inhalt bzw. Thema zu verstecken. Erste Unsicherheiten sind zwar überwunden, jedoch noch nicht vollständig ausgeräumt. In der Phase Methodenkompetenz (3) erkennen Lehrende, dass das bloße Abarbeiten des Stoffs nicht ausreicht, um die Aufmerksamkeit der Studierenden zu halten. Anzeichen dafür sind etwa vermehrte Fehlzeiten von Studierenden oder dass diese es bevorzugen, sich ablenken zu lassen und/oder sich mit anderen Dingen während der Veranstaltung beschäftigen. Lehrende stellen sich in dieser Phase vermehrt die Frage, wie sie ihre Studierenden besser erreichen können und mit welchen Mitteln bzw. Methoden dies gelingen kann. Die Selbstfixierung wird ein Stück weit aufgegeben, die Präsentation der fachlichen Inhalte gelingt sicherer und allmählich nehmen Lehrende die Studierenden in den Fokus. Die Lernprozesse der Studierenden (4) werden zentral, der Lehrstil wird durch die Lehrerfahrungen kooperativer und entspannter. Lehrende können in dieser Entwicklungsphase besser einschätzen, wie die Studierenden lernen und wie viel Inhalt pro Lehreinheit sinnvoll ist. Die Qualität der Lehre rückt in den Vordergrund, die Lehre wird komplexer, dynamischer und anspruchsvoller. In der letzten Phase der persönlichen Lehrentwicklung wird erkannt, dass optimale Lehrangebote das selbstentdeckende Lernen (5) der Studierenden fördern. Die Lehrkonzepte berücksichtigen nun, wie die Studierenden beim Erreichen der Lernziele unterstützt werden können. Die Lehre zeichnet sich aus durch Methodenvielfalt, klugen Medieneinsatz und sinnstiftende Kommunikationsprozesse mit den Studierenden. Die Erwartungen an Hochschullehrende gehen damit deutlich über die reine Fachexpertise hinaus. Selbstverständlich ist es wichtig, die eigene Expertise fundiert und mit aktuellem Wissen aus dem Fachgebiet einzubringen. Die besten

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Forscher*innen sind jedoch nicht automatisch gute Hochschullehrende (Reinmann 2011). Dazu gehört etwa auch, eine persönliche Überzeugung und der Wille, mit allen Lernenden gesteckte Ziele bestmöglich zu erreichen. Hochschuldidaktisches Wissen kann dabei helfen, die Lernszenarien auf die Lernmöglichkeiten von Studierenden abzustimmen. Lehre auf Basis von evidenzbasierten Erkenntnissen bietet Möglichkeiten, tiefenorientierte und praxisbezogene Lernprozesse zu unterstützen. Didaktische Planung, entwicklungsorientiertes Feedback, faire Beurteilung und ein konstruktiver Umgang mit Fehlern sind weitere zentrale Elemente, die die Praxis einer guten Hochschullehre stützen (Pfäffli 2015).

6 Ausblick und Resümee Lehren bedeutet mehr als reine Wissensvermittlung. Lehrende sollen das Lernen ihrer Studierenden fördern, sodass diese Informationen verstehen, reflektieren und anwenden können (Wyss 2018). Wenn Lehrende ihre Lehre ausschließlich auf dem Fundament ihrer Fachexpertise heraus planen und umsetzen, kann es für Studierende schwieriger sein, die entsprechenden Lernziele zu erreichen. Lehrende sollten sich am Beginn ihrer Lehre vergegenwärtigen, wie hochschulisches Lernen funktioniert und wie sie Studierende in ihren Anfängen im Fach unterstützen können. Daher ist es durchaus sinnvoll, sich selbst als Expert*in herauszunehmen, das Lehrhandeln an Studierenden auszurichten und deren Unvollkommenheiten zumindest ansatzweise anzuerkennen (Macke et al. 2012). Lehrkompetenz entwickelt sich mit der Erfahrung und dem Aneignen von hochschuldidaktischem Wissen permanent weiter (Reinmann 2011). Lehrende steigen meist mit unterschiedlichem Basiswissen zum Lernen und Lehren in den Beruf ein. An Universitäten scheint die wissenschaftliche Expertise zunächst im Vordergrund zu sein, an Fachhochschulen in der Regel die fachliche Expertise und an Pädagogischen Hochschulen dominiert die methodisch-didaktische Kompetenz. Hochschulen bieten über ihre hochschuldidaktischen Lehr-/Lernzentren gezielte Programme an, um die (Weiter-)Entwicklung der Lehrkompetenz zu fördern (Anregungen zur Gestaltung von Beziehung mit konkreten Beispielen u. a. bei Pfäffli 2015). Das Lehr-/Lernklima ist ein wesentliches Gestaltungselement gelingender Hochschullehre. Dabei spielt die wertschätzende und respektvolle Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden eine wichtige Rolle. Studierende schätzen es, wenn Lehrende Interesse an ihnen und ihrem Lernen zeigen und sich nicht als „eine Nummer unter vielen anderen“ fühlen. Eine echte und glaubwürdige Beziehung zu Studierenden aufzubauen ist ob der knappen zeitlichen Ressourcen

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und der teilweise hohen Betreuungszahlen eine Herausforderung. Auch besteht die Gefahr, bei zu großem Engagement soziale Betreuungsfunktionen zu übernehmen, die über die Aufgaben einer*eines Lehrenden hinausgehen. Hochschuldidaktische Fort- und Weiterbildungen werden von Lehrenden eher mäßig angenommen. Reinmann (2011) vermutet, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit hochschuldidaktischer Inhalte und Konzepte eher gering ausgeprägt ist. Hinzu kommt ein chronischer Zeitmangel, der der Verbesserung der eigenen Lehrkompetenz ob der vielfältigen Aufgaben im Hochschulbetrieb konkurrierend gegenübersteht. Es ist Aufgabe der Hochschulen, entsprechende Freiräume für die Entwicklung der Lehre zu schaffen. Denn hochschuldidaktische Angebote sind der Nährboden für die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Lehre. Gepaart mit Erfahrungen aus der eigenen Lehrpraxis können Veränderungen angestoßen werden, die sich letztlich auch auf die Qualität der Lehre auswirken können (Trautwein und Merkt 2013). Warum mit Lehre beschäftigen? Individuell betrachtet, hat Lehre für viele Hochschullehrende einen geringeren Stellenwert als forschungsbezogene Aktivitäten. Publikationen und Drittmitteleinwerbungen sind nach wie vor Kennzahlen, an denen Universitäten und in Forschung Tätige gemessen werden. Warum sollten sich Lehrende also mit Lehre beschäftigen? Sie weiterentwickeln wollen? Zeit und Muße in Lehrkonzeptionen investieren? Studierende beraten, entwicklungsorientiertes Feedback auf eine Vielzahl von Arbeiten geben und umfangreiche organisatorische Aufgaben erledigen? Natürlich könnte argumentiert werden, dass es schlichtweg Aufgabe oder Dienstpflicht ist, als Forscher*in auch in der Lehre tätig zu sein. Bestimmt motivieren Anforderungsprofile für Stellen im Wissenschaftsbetrieb dazu, hochschuldidaktische Kompetenzen nachzuweisen. Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Aspekte, die in Betracht gezogen werden können. Lehre kann eine Bereicherung sein. Zum Beispiel, wenn man das Gefühl hat, mit der eigenen Lehre zufrieden zu sein. Wenn man Studierende für das eigene Fach, für die Inhalte begeistert und Momente wahrnimmt, in denen man etwas bewirken oder bewegen konnte. Erfahrungen im Hochschulbetrieb unterstützen weiters die sinnstiftende Integration von Studierenden in Forschungsprojekte. Zu Lehren bedeutet auch, Menschen auf ihrem Weg und zu ihren Zielen zu begleiten. Studierende durchlaufen eine für sie wichtige Lern- und Lebensphase. Lehre kann innovativ sein. Neue Lehrkonzepte auszuprobieren, alternative Wege der Wissensvermittlung und des Kompetenztrainings mit digitalen Medien zu ergründen. Dies kann eine spannende Herausforderung sein. Wenn Lehre als ein Prozess

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­ ahrgenommen wird, um sich selbst weiterzuentwickeln und nicht als lästige w Dienstpflicht, dann kann Lehre ein persönlicher Gewinn sein, eine Abwechslung zum Wissenschaftsbetrieb darstellen und zur eigenen Zufriedenheit beitragen.

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Lehre im Kontext von Wissenschaftssozialisation Angela Pilch Ortega

Zusammenfassung

Das forschende Lernen erfährt gegenwärtig eine Konjunktur an deutschsprachigen Universitäten. Im Rahmen der universitären Ausbildung soll Studierenden vermehrt die Möglichkeit geboten werden, sich explorativ mit fachrelevanten Themengebieten auseinanderzusetzen und die Forschungspraxis zu erkunden. Mit dem Ruf nach Lehrformaten des forschenden Lernens wird der Blick auch auf die wissenschaftssozialisatorische Funktion der Universitäten gelenkt, die dabei auf vielfältige ambivalente Herausforderungen trifft, die auch durch die veränderten Rahmenbedingungen der Hochschulen hervorgerufen werden. Der Beitrag setzt sich vor diesem Hintergrund mit der Hochschule als Sozialisationsraum auseinander und nimmt im Besonderen die Lehre sowie deren wissenschaftssozialisatorische Wirkung in den Fokus. Die Forderung nach einer verstärkten Förderung des eigenständigen Lernens und Arbeitens von Studierenden wird hierbei in Verbindung mit den aktuellen ambivalenten Dynamiken, die den Handlungsspielraum von Studierenden und Lehrenden grundlegend beeinflussen, beleuchtet. Darüber hinaus werden Möglichkeiten einer forschenden Lehre anhand konkreter Anwendungsfelder aufgezeigt und der damit verbundene Mehrwert sowohl für Studierende als auch für Lehrende ausgelotet.

A. Pilch Ortega (*)  Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Universität Graz, Graz, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_8

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1 Einleitung Gegenwärtig ist eine Konjunktur des forschenden Lernens an Universitäten im deutschsprachigen Raum zu verzeichnen, dem hierbei auch eine profilbildende Bedeutung zukommt (vgl. Müller 2017, S. 245 ff.). Mit der Idee des forschenden Lernens wird u. a. das Ziel verfolgt, im Rahmen der Hochschulausbildung (wieder) vermehrt Lernarrangements zu schaffen, die es Studierenden ermöglichen sollen, sich explorativ mit den für ein Fach relevanten Themengebieten und Herausforderungen auseinanderzusetzen. Das selbständige und eigensinnige Aneignen von Wissen als wesentliches Element einer universitären Ausbildung soll dabei explizit gefördert werden. Zudem wird dafür plädiert, Studierende in die Prozesse der Wissensproduktion aktiv einzubinden, um so – im Sinne eines Learning by Doing – zur Herausbildung zentraler wissenschaftsrelevanter Kompetenzen, wie etwa einer kritisch reflexiven Haltung (im Forschungsprozess), beizutragen. Damit wird der Blick auch auf die Sozialisationsfunktion von Hochschulen für Studierende gelenkt, im Besonderen auf die Wissenschaftssozialisation und die Bedingungen der Universitäten als institutionalisierte Handlungsumwelt für die Erprobung und Einübung eines „akademischen Habitus“ (Olbertz 2017, S. 107). Diese Rückbesinnung auf die wissenschaftssozialisatorische Funktion der Universitäten trifft hierbei auf vielfältige ambivalente Herausforderungen, die nicht zuletzt durch die veränderten Rahmenbedingungen der Hochschulen, die sich in den letzten Jahrzehnten radikal gewandelt haben, hervorgerufen werden. Von den umfassenden Umstrukturierungsprozessen sind Forschung und Lehre gleichermaßen betroffen. Die Anforderungen an das wissenschaftliche Personal, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre hochqualitative Leistungen zu erbringen, sind in den letzten Jahrzehnten immens gestiegen. Zudem hat sich aufgrund hochschulpolitischer Maßnahmen eine tendenzielle Trennung zwischen forschendem und lehrendem Handeln vollzogen. Die Förderung von „Exzellenz Initiativen“ hat zwar auch zu sogenannter Spitzenforschung bzw. zur Herausbildung von „Leuchtturmprofilen“ geführt, aber zugleich zu einer verstärkten Separierung von Forschung und Lehre beigetragen (vgl. Müller 2017, S. 245 ff.). Universitäten laufen hierbei Gefahr durch eine zu hohe Fokussierung auf Drittmittelressourcen bzw. Förderungspolitiken und der damit einhergehenden Spezialisierung der Forschungsthemen sowohl eine inhaltliche als auch eine strukturelle Trennung von Forschung und Lehre weiter voranzutreiben. Gleichermaßen haben sich die Bedingungen eines Hochschulstudiums sukzessive verändert. Dabei ist nicht nur eine zunehmende

Lehre im Kontext von Wissenschaftssozialisation

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„Verschulung“ und Reglementierung des universitären Studiums vor dem Hintergrund des Bologna-Prozesses zu verzeichnen, die besonders in den sogenannten Massenstudienrichtungen sowohl für Studierende als auch für Lehrende deutlich spürbar sind und wenig Handlungsspielraum lassen. Die dichte Taktung durch die Modularisierung und Hierarchisierung bestimmter Lerninhalte sowie die „angespannten“ Betreuungsrelationen angesichts einer „tertiäre[n] Massenbildung“ (Merkt 2017, S. 131) bei gleichzeitiger chronischer Mangelverwaltung universitärer Ressourcen (vgl. Egger 2015, S. 22) haben dazu beigetragen, dass genau jene Lernformen, die eine explizite kritisch-reflexive Selbstbildung fördern sollen, an den Rand der Hochschullehre gedrängt wurden. Komplexere Anforderungen an die Hochschullehrenden werden auch anhand der zunehmend heterogenen Studierendenstruktur deutlich. Die Zusammensetzung der Studierenden an den österreichischen Universitäten hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten verändert. So nimmt die Anzahl der sogenannten „Non Traditionals“, also jener Studierender, die die Berechtigung des Hochschulzuganges auf alternativen Wegen erwerben oder aber in unterschiedlichen Lebensphasen ein Studium absolvieren und hierbei bereits über Berufserfahrungen verfügen, stetig zu. Das ist durchaus eine begrüßenswerte Entwicklung. Die strukturelle Ausrichtung der Universitäten auf sogenannte Vollzeitstudierende, die gleich nach der Matura ein Studium absolvieren, wird daher hinsichtlich der Hochschullehre zunehmend fragwürdig und problematisch (vgl. Egger 2015, S. 19 ff.). Wissenschaftler*innen an Universitäten sehen sich vor diesem Hintergrund mit der Situation konfrontiert, dass die komplexen Herausforderungen der Lehre und der Anspruch, exzellente Forschung betreiben und sich erfolgreich in der Scientific Community etablieren zu wollen, auch aufgrund zeitlicher Ressourcen unvereinbar erscheinen. Die Hochschullehre wird hierbei institutionell keineswegs gleich gewichtet wie die zu erbringende Forschungsleistung. Auch wenn die (Pflicht-)Lehre je nach den Kriterien des Dienstvertrages bewerkstelligt werden muss, werden innovative Ansätze in der Lehre kaum anerkannt oder honoriert. Die Forschungsleistung hingegen stellt ein zentrales Kriterium für den Verbleib an einer Universität mit einer längerfristigen Anstellungsperspektive dar. Gerade für Nachwuchswissenschaftler*innen sind diese paradoxen Anforderungen der institutionellen Rahmenbedingungen eine große Herausforderung, die in Anbetracht befristeter Arbeitsverträge oft nur auf Kosten der Ausbeutung persönlicher Ressourcen bewältigt werden kann. Wie sich anhand einer Untersuchung zu Sozialisationsbedingungen von Forscher*innen an österreichischen Universitäten gezeigt hat, wird Lehre vielfach als „Beiwerk universitärer Arbeit“

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(Egger 2012, S. 30) verstanden. Als Hindernisse für die Herausbildung hochschulrelevanter didaktischer Kompetenzen werden von Lehrenden u. a. die Unvereinbarkeit von Forschung und Lehre artikuliert sowie die fehlende Anerkennung innovativer Lehrformen als relevantes Kriterium beklagt (ebd., S. 30 ff.). Ähnliche Entwicklungen zeigen sich auch seitens der Studierenden. Die vielfach überfrachteten Lehrpläne wie auch die enge Taktung von Lerninhalten aufgrund der Modularisierung tragen dazu bei, dass Studierende kaum noch Zeit finden, sich über das Geforderte hinaus für Themengebiete zu interessieren. Ebenso wirkt sich die angespannte Betreuungsrelation in Massenstudien auf diese Entwicklung nicht gerade günstig aus. Bei Prüfungsanforderungen herrscht oftmals das „Fakten-Pauken“ bzw. „Oberflächen-Lernen“ (Huber 1991, S. 423) anstelle des strukturellen Verstehens einer Thematik vor, auch um Voraussetzungsketten positiv bewältigen und damit die Kontinuität des Studiums gewährleisten zu können. Durch die in die Hochschulcurricula eingeschriebene Systemlogik wird ein möglichst schnelles Abarbeiten von geforderter Leistung gefördert. Die Haltung der Studierenden zum Studium und zur Universität als Sozialisationsraum wird hierdurch nachhaltig geprägt. Dies kann durchaus auch als Anpassungsleistung Studierender an das System Universität verstanden werden, die im Sinne eines „sens pratique“1 (Bourdieu 1980) die Spielregeln des Feldes intuitiv erspüren und ihr Lern- und Sozialverhalten an die gegebenen Verhältnisse zu adaptieren suchen. Vor dem Hintergrund der skizzierten Dynamiken und Entwicklungen richtet sich der Blick in diesem Beitrag auf die Hochschule als Sozialisationsraum und nimmt dabei im Besonderen die Lehre sowie ihre wissenschaftssozialisatorische Wirkung in den Fokus. Der Ruf nach einer verstärkten Förderung des eigenständigen Lernens und Arbeitens von Studierenden soll hierbei im Zusammenhang mit den aktuellen ambivalenten Dynamiken, die den Handlungsspielraum von Studierenden und Lehrenden grundlegend beeinflussen, thematisiert werden. Darüber hinaus werden Möglichkeiten einer forschenden Lehre anhand konkreter Anwendungsfelder eingehend beleuchtet sowie der damit verbundene Mehrwert sowohl für Studierende als auch für Lehrende ausgelotet.

1Merkt

(2017) thematisiert den „praktischen Sinn“ u. a. im Zusammenhang mit Studienwahlentscheidungen, die auf „pragmatische und machbare Entscheidungen“ (ebd., S. 138) von Studienbewerber*innen verweisen.

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2 Hochschule als Sozialisationsraum und wissenschaftlicher Professionshabitus Betrachten wir die Hochschule unter dem Gesichtspunkt eines Sozialisationsraumes so wird deutlich, dass sich die Universitäten in dieser Hinsicht mit unterschiedlichen, sich überlagernden und dabei auch paradox angelegten Anforderungen konfrontiert sehen. Allgemein betrachtet stellt die Lebensphase eines Studiums eine wichtige Statuspassage für den weiteren Lebensweg dar, die es zudem ermöglichen soll, die angeeignete Qualifikation am Arbeitsmarkt erfolgreich verwerten und somit eine entsprechende soziale Position im gesellschaftlichen Gesamtgefüge einnehmen zu können. Neben dieser möglicherweise auch zweckorientierten Qualifikations- und Professionalisierungsfunktion der Universitäten stellt jedoch der Anspruch, wesentlich zur Herausbildung eines fachspezifischen akademischen Habitus beizutragen, ebenso eine relevante Aufgabe der Hochschulen dar. Sozialisation kann allgemein betrachtet als Prozess beschrieben werden, bei dem „sich der Mensch als gesellschaftlich handlungsfähiges Subjekt in tätiger Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt entwickelt“ (Huber 1991, S. 417). Dabei kommt Sozialisation nicht nur eine persönlichkeitsbildende Funktion zu, im Sinne der Aneignung relevanten Wissens und Kompetenzen, sondern diese trägt auch „maßgeblich zur Normierung des sozialen Lebens bei“ (Grundmann 2009, S. 62). Diese Tradierung sozial erwünschten Verhaltens bildet hierbei eine wesentliche Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Mit der Hochschulsozialisationsforschung2 in den 1980er Jahren war die Idee verbunden, die Hochschulbildung nicht nur anhand zweckrationaler Kriterien im Sinne einer Ausbildungsstätte für den Arbeitsmarkt zu betrachten, sondern den Blick auch auf die sozialisatorische Wirkung von Universitäten zu richten, welche sich in Form eines „absichtslosen Lernens“ in der Hochschulumwelt vollzieht. Die Perspektive stützt sich auf die Annahme, dass sich durch die bloße Anwesenheit an einer Universität, aber auch durch die aktive Teilhabe an wissenschaftlichen Lebens- und Lernwelten Habitualisierungseffekte einstellen, die die Herausbildung spezifischer wissenschaftlicher und professionsrelevanter Einstellungen

2Die

Forschung zu Sozialisierungsprozessen von Studierenden im Hochschulraum wurde im deutschsprachigen Raum u. a. von Ludwig Huber im Rahmen eines von der DFG geförderten Forschungsprogramms der Hochschuldidaktik, zunächst an der Universität Hamburg und später an der Universität Bielefeld, entscheidend vorangetrieben (vgl. Merkt 2017, S. 129).

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und Dispositionen im Sinne eines „akademischen Habitus“ (Olbertz 2017, S. 107) fördern. Rekurriert wurde hierbei vor allem auf das Habituskonzept von Bourdieu und Passeron (1971, 1973). Universität wird demnach als ein sozialer Raum verstanden, der bestimmte typische Muster des Wahrnehmens, Denkens und Handelns erzeugt, die eine gemeinsam geteilte soziale Grammatik aller Beteiligten bilden. Bedeutsam erscheint hierbei, dass die für diesen Handlungsraum typischen Muster der Erfahrungsgenerierung ein implizites Wissensrepertoire darstellen, das als Orientierungshorizont den wissenschaftlichen Alltag sowie das wissenschaftliche Handeln grundlegend strukturiert. Huber (1991) plädiert in diesem Zusammenhang dafür, Wissenschaftssozialisation an Universitäten nicht als bloße „Aneignung und Tradierung kognitiver Inhalte“ zu betrachten, sondern diese als „Enkulturation“ (ebd., S. 421) in das Wissenschaftsfeld und die Wissenschaftspraxis zu verstehen. Wissenschaft beschreibt er als durchgängig sozialen Prozess, der einen gesellschaftlichen Subsinnkontext erzeugt, dessen typisch hervorgebrachte „Konstruktionen der Wirklichkeit“ auf den jeweiligen soziohistorischen und sozio-kulturellen Kontext verweisen. Seine Zugangsweise war dabei von der Annahme getragen, dass die in dem Handlungsfeld eingelagerten „hidden assumptions“ sowie das damit einhergehende „tacit knowledge“ (ebd.), wenn auch von zentraler Bedeutung für die Wissenschaftspraxis, nur in Krisenzeiten thematisiert bzw. nicht explizit gelehrt werde. Bedeutung erhalten in diesem Zusammenhang sowohl symbolische Kommunikationsordnungen als auch Erkenntnistraditionen, die Wissenschaft als hochgradig heterogenes Feld in Erscheinung treten lassen, das dabei ebenso kompetitiven Dynamiken unterliegt. Für den Kontext der Lehre erscheint es relevant, dass Habitualisierungseffekte vor allem durch die Praxis des Mittuns und der aktiven Beteiligung geprägt sind. Das „Einüben“ des wissenschaftlichen Handwerkszeugs und der akademischen Haltung ist demnach ein Kernelement der Habitualisierung wissenschaftsrelevanter Dispositionen. Dabei handelt es sich nicht um einen einseitigen Transfer von Wissen, Annahmen, impliziten Regeln und Routinen, sondern vielmehr um einen dialektischen Prozess, bei dem alle Beteiligten interaktiv in das (soziale) Geschehen eingebunden sind und dieses somit auch aktiv mitgestalten (vgl. Olbertz 2017, S. 109). Huber (1991) betont in dieser Hinsicht, dass Habitualisierungseffekte im Hochschulraum immer in Verbindung mit Dispositionen des sozialen Herkunftsmilieus bzw. der primären Sozialisation der Beteiligten zu betrachten sind, welche die Veränderungsmöglichkeiten der Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmatrix entscheidend eingrenzen (vgl. ebd.,

Lehre im Kontext von Wissenschaftssozialisation

171

S. 422) 3. Relevanz für die Frage der Wissenschaftssozialisation an Universitäten erhalten zudem die spezifischen Fach- und Professionskulturen sowie Selektionsprozesse, die als „Kehrseite der Sozialisation“ (ebd., S. 425) in die universitäre Handlungsumwelt eingelagert sind. Wissenschaft kann keineswegs als einheitliches Projekt betrachtet werden (vgl. Egger 2012, S. 29), sondern ist vielmehr von unterschiedlichen Fachkulturen geprägt, die dabei sowohl zueinander als auch zu externen gesellschaftlichen Funktionsbereichen in einem relationalen bzw. konkurrierenden Verhältnis stehen. Hochschulsozialisation wird in diesem Sinne stets auch als Sozialisierung in die jeweilige Fachkultur verstanden, die ihrerseits wiederum von typischen Interaktions- und Kommunikationsmustern sowie divergenten Wissenschaftsverständnissen getragen werden. Das Verhältnis der einzelnen wissenschaftlichen Fachbereiche zueinander kann durchaus als „akademische Hackordnung“ (Merkt 2017, S. 136) beschrieben werden, die im Sinne des sozialen Raums nach Bourdieu durch ein vermachtetes Kräftefeld gekennzeichnet ist, bei dem die Akteur*innen bestimmte Spielregeln befolgen und dabei über unterschiedliche Kapitalsorten und Mittel der Machtdurchsetzung verfügen. Die stattfindenden Distinktionsprozesse tragen zur Herausbildung von Gruppenzugehörigkeitsmustern sowie zu Ausgrenzungspolitiken gleichermaßen bei. Zum einen bringen die erzeugten „normativen Klimata“ (Huber 1991, S. 436), die die Basis für eine gemeinsam geteilte wissenschaftliche Handlungspraxis bilden, bestimmte Homogenisierungs- und Synchronisierungseffekte hervor. Zum anderen fördert die jeweils vorherrschende Fachkultur Distinktionsprozesse, auch um das eigene Selbstverständnis in Abgrenzung zu anderen Wissenschaftsorientierungen zu verorten. „Wer zu dieser Kultur nicht ‚passt‘ oder nicht zu passen glaubt“ (ebd., S. 425) wird zu einer entscheidenden Dimension der Zugehörigkeitspolitik und führt mitunter auch zu sozialem Ausschluss oder aber zu unterschiedlichen Formen der Selbstselektion. Selbstselektion beginnt bereits bei der Studienwahlentscheidung oder der Frage, ob ein Hochschulstudium für die eigene biografische Lebensplanung in Betracht gezogen wird bzw. möglich erscheint. Die soziale Position bestimmter Fachdisziplinen und das damit verbundene soziale Prestige spiegeln sich demnach auch in der Ausprägung der Studierendenpopulation wider und verdeutlichen die Reproduktion sozialer Positionen

3Den

fachspezifischen Habitus versteht er in diesem Sinne als „Amalgam der schon mitgebrachten mit den in der Fachkultur herrschenden und teils durch Einübung, teils durch Selektion verstärkten Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweisen“ (Huber 1991, S. 441).

172

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und Statusperspektiven4. Selektion im Hochschulbereich verstärkt demnach die jeweilige Ausprägung des Fach- und Professionsverständnisses durch Homogenisierungs- und Synchronisierungseffekte der beteiligten Akteur*innen. Richten wir den Blick auf die Hochschullehre und die einzelnen Professionskulturen, so zeigt sich ein sehr heterogenes Feld mit divergenten Ansprüchen, Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen. Auch das Verhältnis von Forschung und Lehre ist in den Fachbereichen sehr unterschiedlich und durch die jeweilige sozio-historische Entwicklung der Disziplinen geprägt. So spielt etwa die curriculare Orientierung an bestimmten Berufsfeldern in manchen Fächern eine größere Rolle als die Ausbildung anhand wissenschaftsrelevanter Kriterien. Universitäten bewegen sich hierbei in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Verständnis einer Hochschule als berufliche Ausbildungsstätte und dem Anspruch, wissenschaftsrelevante und erkenntnisgenerierende Kompetenzen zu „vermitteln“ und dabei auch den wissenschaftlichen Nachwuchs zu reproduzieren5 (vgl. Müller 2017, S. 249 f.). Die jeweiligen Lehr- und Lernkulturen spiegeln ebenso bestimmte „Traditionen“ auf Basis eines gemeinsam geteilten (wissenschaftlichen) Selbstverständnisses wider. So gestalten sich die Herangehensweisen an bestimmte Themen, die damit verbundenen Lehr- und Lernstile, die Interaktionsund Kommunikationsformen, aber auch die Prüfungsformate und die damit einhergehenden Anforderungen sehr unterschiedlich. In welcher Form es den Studierenden ermöglicht wird, an Themen diskursiv mitzuwirken und welche Freiräume und Partizipationsmöglichkeiten ihnen hierbei eingeräumt werden, ist dabei durch die jeweilige Fachkultur geprägt (vgl. Huber 1991, S. 437). In dem nun folgenden Abschnitt wird auf Wissenschaftssozialisation in Bezug auf die Lehre näher eingegangen. Zudem werden Möglichkeiten der Hochschullehre aufgezeigt, forschendes Lernen sinnvoll in die Lehrpraxis zu integrieren. In dieser Hinsicht wird das Lernarrangement einer Forschungswerkstätte zu qualitativen Methoden der Sozialforschung eingehender beleuchtet und damit in Verbindung stehende Umsetzungsmöglichkeiten und Herausforderungen thematisiert. Das von den Studierenden eingebrachte (Erfahrungs-)Wissen spielt hierbei ebenso eine zentrale Rolle wie Freiräume des explorativen Erkundens und Erprobens von forschendem Handeln. 4Siehe

hierzu ausführlicher Merkt (2017), die Sozialisationsprozesse sowie Selektionsmechanismen anhand des Erwerbs von Studierfähigkeit untersucht hat. 5Huber (1991) spricht sich in dieser Hinsicht explizit dagegen aus Hochschulsozialisation mit Wissenschaftssozialisation gleich zu setzten. Dies wäre seines Erachtens nur der Fall, wenn sich Universitäten ausschließlich der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftler*innen widmen würden (ebd., S. 423).

Lehre im Kontext von Wissenschaftssozialisation

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3 Wissenschaftssozialisation und forschendes Lernen Wissenschaftssozialisation kann allgemein betrachtet als Prozess der Habitualisierung wissenschaftsrelevanter Kompetenzen und Haltungen im Zuge der Hochschulbildung beschrieben werden. Studierende sollen durch ein universitäres Studium „zum wissenschaftlichen Denken und Tun“ (Tremp 2012, S. 25) befähigt werden. Im Sinne einer Selbstbildung soll Studierenden eine Lernumwelt geboten werden, welche das explorative Lernen, das eigenständige Aneignen und Einüben forschungsrelevanter Praktiken fördert. Wissenschaftssozialisation soll dabei jedoch auch dazu beitragen, eine kritisch-reflexive Haltung herauszubilden und sich unterschiedliche Zugangsweisen und Erkenntnismöglichkeiten im Umgang mit sozialer Wirklichkeit anzueignen, auch um in den unterschiedlichen Berufsfeldern verantwortungsvoll und kritisch-reflexiv mit den jeweiligen Herausforderungen umgehen zu können. Besonders Formate des forschenden Lernens erscheinen in dieser Hinsicht vielversprechend zu sein, geht es ja bei der forschungsgeleiteten Lehre nicht primär nur um die Wissensvermittlung, sondern auch um das Ausprobieren und explorative Erkunden von Forschungsthemen und Forschungsmethoden. Darüber hinaus ist das didaktische Setting vielfach darauf ausgerichtet, auf Basis kooperativer und reflexiv-kritischer Herangehensweisen Wissensstrukturen sowie die Produktion von Wissen erfahrbar zu machen und dabei den Wissens- und Erfahrungshorizont aller Beteiligten in den Blick zu nehmen. Durch das sukzessive kritische Reflektieren persönlicher und alltagsweltlicher Annahmen sowie das kooperative Ausloten von Anschlussstellen von Wissen im Sinne eines vernetzten Lernens, kommt dem forschenden Lernen auch eine persönlichkeitsbildende Funktion zu. Diese offenen und lebensnahen Lernsettings sollen Neugier wecken, das eigenständige und -verantwortliche Tun fördern und Wissenschaft als Praxis sichtbar und erfahrbar machen. Das Vorwissen der Studierenden wird hierbei explizit als Ressource verstanden und eröffnet zudem vielfältige Anschlussmöglichkeiten für Bildungsprozesse. Wissenschaftssozialisation im Hochschulbereich beginnt bereits bei der Studieneingangsphase, die vielfach von Orientierungslehrveranstaltungen geprägt ist und dabei auch hochgradig selektiv wirksam wird, was seitens der universitären Verwaltung gerade in Massenstudien durchaus intendiert wird. Gerade Vorlesungsformate stehen hierbei unter Verdacht, das Vorwissen von Studierenden zu ignorieren und Studierende in diesem Sinne auch zu entmündigen (vgl. Egger 2015, S. 22). Dennoch kommt diesen die zentrale Aufgabe zu, Studierenden ein grundlegendes Verständnis einer Profession sowie einen Überblick über die

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Forschungsthemen und den aktuellen Wissensstand zu verschaffen. Studierende kommen mit der wissenschaftlichen Sprache in Kontakt, indem Lerninhalte angeeignet, reflektiert und differenziert dargelegt werden müssen. Das VertrautWerden mit der Wissenschaftssprache ist dabei durchaus mit dem Erlernen einer Fremdsprache vergleichbar. Das Lesen von Fachtexten, aber auch deren Diskussion erscheinen für die Wissenschaftssozialisation besonders bedeutsam. Das Aneignen der jeweiligen Wissenschaftssprache und die damit korrespondierenden Diskurse und Erkenntnistraditionen stellen wesentliche Kompetenzen des wissenschaftlichen Tuns dar, die seitens der Studierenden keineswegs vorausgesetzt werden können. Ein wesentlicher Baustein in der Wissenschaftssozialisation stellen zudem Lehrformate dar, die vielfach als „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ Eingang in die Curricula gefunden haben. Studierende werden in grundlegende Prinzipien und Techniken der Scientific Community eingeführt. Die jeweiligen Praktiken, Routinen und Regeln wissenschaftlichen Arbeitens unterscheiden sich oft grundlegend in den einzelnen Fachdisziplinen. So werden Zitierregeln geübt und erlernt, Techniken der Literaturrecherche erprobt, das Exzerpieren von Texten oftmals erstmalig praktiziert sowie erste Versuche unternommen, wissenschaftliche Texte zu verfassen. Die Einführung in die wesentlichen Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens ist vor allem zu Studienbeginn ein wichtiger Schritt, um mit dem wissenschaftlichen Arbeiten vertraut zu werden. Wesentlich erscheint jedoch, dass diese nicht nur als bloße Techniken verstanden und vermittelt werden, sondern dass die darin eingeschriebene Strukturlogik ebenso transparent gemacht wird. Zudem sollte im Rahmen dieser Lehrtools auch ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt werden, damit Studierende diese grundlegenden Arbeitsweisen in der Praxis erproben und damit in Verbindung stehende Schwierigkeiten und Herausforderungen gemeinsam diskutiert werden können. Seminararbeiten werden in dieser Hinsicht als wichtiges Übungstool betrachtet, um wissenschaftliche Herangehens- und Schreibweisen zu erproben und zu erlernen. Wichtig wären hier Feedbackmöglichkeiten für Studierende seitens der Lehrenden, die jedoch, aufgrund der knappen zeitlichen Ressourcen (besonders in Massenstudien), nicht immer ausreichend angeboten werden können. Jede Fachkultur rekurriert für ihr Wissenschaftsverständnis auf bestimmte, als relevant erachtete Grundlagentexte, die wiederum oftmals auf verschiedene Erkenntnistraditionen verweisen. Für eine praxisorientierte Wissenschaftssozialisation erscheint es sinnvoll, die in den aktuellen Wissensstand einer Profession eingelagerten Erkenntnistraditionen mit Studierenden gemeinsam zu erarbeiten und diese, als mögliche Lesarten der Konstruktion von sozialer Wirklichkeit, zur Diskussion zu stellen. Studierende sollten sich demnach nicht nur einen Überblick verschaffen können, sondern auch in die Lage versetzt werden,

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mit den divergent angelegten Wissensbeständen differenziert und kritisch-reflexiv zu arbeiten. Dabei wird auch eine Selbstverortung Studierender in die diversen „Landschaften“ erkenntnistheoretischer Zugänge zu sozialer Wirklichkeit eröffnet sowie ein kritisch-reflexiver Zugang zu diesen ermöglicht. Eine Lehrform, die sich für die forschungsorientierte Lehre besonders geeignet erwiesen hat, stellt das Format einer Forschungswerkstätte dar. Dabei wird ein Lernarrangement eröffnet, bei dem unterschiedliche, für die Wissenschaftssozialisation relevante Inhalte und Kompetenzen praxisorientiert erprobt und eingeübt werden. Studierende können Erfahrungen des wissenschaftlichen Forschens sammeln, eigenständig und kooperativ an selbstgewählten Themen arbeiten und dabei die Gruppe als wichtige Ressource für den Forschungsprozess sowie als wissenschaftliches Korrektiv nutzen. Im Folgenden wird zunächst auf das Verständnis des forschenden Lernens in der Hochschullehre eingegangen. Anhand des Beispiels einer Forschungswerkstätte zu qualitativen Methoden wird anschließend ein Anwendungsfeld forschenden Lernens eingehender beleuchtet sowie damit in Verbindung stehende Herausforderungen für die Hochschullehre diskutiert.

3.1 Forschungswerkstätten im Umfeld der qualitativen Sozialforschung Zentrales Anliegen des forschenden Lernens an Hochschulen ist es, forschendes Handeln stärker in unterschiedliche Lehrformate zu integrieren und somit für Studierende praxisnah erfahrbar zu machen. Wesentlich erscheint in dieser Hinsicht, dass Studierende nicht nur als Empfänger*innen von bereits objektiviertem Wissen verstanden werden, sondern dass diese in die Produktion von Wissen eingebunden werden. Wie Kossek (2009) betont gestaltet sich das Feld forschungsgeleiteter Lehre sehr heterogen, was auch mit den bereits skizzierten unterschiedlichen Fachkulturen in Verbindung steht. Die Bandbreite reicht von stärker vermittelnder Lehre bis hin zu Lehr- und Lernsettings, bei denen Studierende aktiv in den Forschungsprozess eingebunden werden (ebd., S. 9). Bedeutsam für die Idee des forschungsorientierten Lernens ist hierbei ein diskursives Verständnis von Wissen. Das „Generieren von Wissen und Erkenntnissen wird als kontinuierlicher, reflexiver und kontextualisierter Prozess verstanden, der unabgeschlossen bleibt“ (Pilch Ortega 2015, S. 202). Das hervorgebrachte Wissen steht immer in einem relationalen und dynamischen Verhältnis zu anderen sozialen (Um-)Feldern. Zudem wird die Produktion von Wissen als sozialer Prozess betrachtet, der sich durch Pluralität und Uneindeutigkeit auszeichnet.

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Dieses Verständnis von Wissen grenzt sich von der Auffassung ab, dass Wissen etwas objektiv Zugängliches sei, im Sinne einer prä-diskursiven Realität, die es zu beforschen gilt. Studierende werden in Lehrsettings, denen dieses Wissenschaftsverständnis zugrunde liegt, vermehrt als passive Adressat*innen von (objektiven) Wissen konzipiert (vgl. Kossek 2009, S. 3 f.). Ziel der forschungsorientierten Lehre ist es demnach, den Prozess der Erkenntnis- und Wissensgenerierung für Studierende zugänglich und somit auch erfahrbar zu machen und diese, wenn möglich auch aktiv in den Forschungsprozess einzubeziehen. Aus wissenschaftssozialisatorischer Sicht ist das Eröffnen eines (Lehr-)Raums für Studierende, bei dem wissenschaftsrelevante Kompetenzen explorativ erkundet, erprobt und angeeignet werden können, für die Herausbildung eines wissenschaftlichen Fachhabitus besonders bedeutsam. Das Lehrformat einer Forschungswerkstätte bietet für diese explorative und interaktive Struktur der Wissensgenerierung einen besonders geeigneten Rahmen. Erste Versuche, Forschungswerkstätten im deutschsprachigen Raum im Umfeld der qualitativen Sozialforschung umzusetzen, finden sich bereits in den 1970er Jahren. Die von Fritz Schütze und Werner Kallmeyer durchgeführten Forschungswerkstätten waren dabei entscheidend durch die sozialwissenschaftliche Werkstattkultur der Tradition der Chicago School geprägt6 (vgl. Reim und Riemann 1997, S. 225). Das Format der Forschungswerkstätte im Kontext qualitativer Sozialforschung konnte sich mittlerweile an vielen Universitäten im deutschsprachigen Raum etablieren. Die unterschiedlichen Formen der Forschungs- und Interpretationswerkstätten konnten hierbei zum einen institutionell verankert werden (im Sinne einer curricularen Verortung), zum anderen konnten sich diese in informellen Settings als Angebot für Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen etablieren. Anwendung finden Forschungswerkstätten auch im Rahmen praxisnaher Ausbildungen, die mit Professionalisierungsprozessen in Verbindung stehen (u. a. Feindt und Broszio 2008; Tiegens 1998) sowie im Zuge partizipativer Forschung, bei der – im Sinne einer Aktionsforschung – soziale Akteur*innen, die mit einem zu untersuchenden Phänomen in Beziehung stehen, aktiv in den Forschungsprozess eingebunden werden. Zum einen kann durch diese Herangehensweise sinnvoll an Erfahrungswissen und Alltagsperspektiven eines untersuchten Phänomenfeldes angeknüpft

6Wichtige

Impulse für die Weiterentwicklung des Forschungswerkstättenstils erhielten Fritz Schütze und Gerhard Riemann zudem im Rahmen eines einjährigen Forschungsaufenthaltes bei Anselm Strauss an der University of California, San Francisco.

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werden, zum anderen können theoretische Annahmen durch die aktive Einbindung von „Betroffenenperspektiven“ infrage gestellt werden (vgl. Heimgartner und Pilch Ortega 2012, S. 207 ff.). Trotz der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Settings von Forschungswerkstätten gibt es grundlegende Merkmale, die diese Formen der forschungsorientierten Lehre teilen und die diese auszeichnen. So kommt etwa der interaktiven und kommunikativen Struktur von Forschungswerkstätten eine zentrale Bedeutung zu. Der Forschungsprozess sowie insbesondere die Generierung von Wissen – das Theoretisieren sozialer Phänomene auf Basis empirischer Daten – wird hierbei als gemeinsame Aktivität verstanden, bei der die Interpretationsgruppe als reflexives Korrektiv eine wichtige Rolle einnimmt. In diesem Zusammenhang besteht die Annahme, dass „die Wirksamkeit der zentralen Aktivitäten der Datenanalyse dadurch gesteigert werden kann, daß sie sich in der Interaktion einer Arbeitsgruppe entfalten können“ (Reim und Riemann 1997, S. 228). Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen Riemann und Schütze (1987) auch in Bezug auf Forschungswerkstätten für Studierende: „The basic idea of the student research workshop is that the central procedures (not only of data collection but also of data analysis) are communicative. Biography analysis like other types of qualitative research depends on various communicative activities“ (ebd., S. 56).

Der interaktive und kommunikative Charakter des Forschungsprozesses stellt demnach ein zentrales Element des Forschungsverständnisses dar und erlaubt es, Perspektiven, Annahmen und Bedeutungszuschreibungen kritisch-reflexiv in einem dialogischen Prozess zu beleuchten und die darin enthaltene Vielschichtigkeit und Divergenz als konstitutives Element der Erkenntnisgenerierung zu begreifen. Durch die Praxis des permanenten Reflektierens im Forschungsprozess wird „nicht nur die eigene wissenschaftliche Position und Perspektive, sondern auch die eigene Positioniertheit im sozialen Raum und die damit verbundene Perspektivität der eigenen Forschung (…) in den Blick gerückt“ (Dausien 2007, S. 9).

Wesentlich ist die gemeinsame Praxis des forschenden Handelns, bei der die Beteiligten auch in eine bestimmte soziale Architektur eingebunden sind. Forschungswerkstättenkulturen sind hierbei bestrebt, möglichst egalitäre, solidarische sowie verlässliche Arbeitsbeziehungen zu schaffen, innerhalb welcher sich Perspektiven, Lesarten und Erkenntnisse ebenso kontrastiv entfalten können. Dabei gilt es allerdings auch Herrschaftsverhältnisse und Machtdynamiken in

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den Blick zu nehmen, um einer möglichen Deutungshoheit bereits erfahrener Forscher*innen im Austausch mit wissenschaftlichen Noviz*innen entgegen zu wirken. Dieses Verständnis stellt gerade bei Forschungswerkstätten als Lehrformat an Hochschulen eine besondere Herausforderung dar, da das hierarchische Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden angesichts universitärer Rahmenbedingungen und „Spielregeln“ klar festgelegt ist und nicht verschleiert werden sollte. Forschungswerkstätten für Studierende in ihrer institutionalisierten Form sollten vor allem als Übungsraum verstanden werden, in dessen Rahmen Studierende eigenständig forschendes Handeln explorativ erproben können, dabei jedoch auch von erfahrenen Forscher*innen begleitet und mitunter angeleitet werden. Dies erfordert seitens der Lehrenden eine besondere Sensibilität hinsichtlich der Frage, wann das Eröffnen von „Freiräumen“ für Lernprozesse sinnvoll erscheint und zu welchem Zeitpunkt es einer angeleiteten Reflexion bedarf. Das eigenständige autonome Forschen an einem selbstgewählten Thema ermöglicht es Studierenden, explorativ Erfahrungen zu sammeln und dabei auch aus „Fehlern“ lernen zu können. Das angeleitete Begleiten wiederrum fördert die Reflexion habitualisierter Vorannahmen im Forschungsprozess und unterstützt Studierende dabei, eine wissenschaftliche Reflexivität als forschungsrelevante Haltung herauszubilden. Das Wechselspiel exemplarischen Veranschaulichens seitens der Lehrenden und eigenständigen sowie selbstverantwortlichen Erprobens der Forschungspraxis bildet hierbei ein Arrangement, welches sich für das Format von Forschungswerkstätten mit Studierenden als besonders geeignet erwiesen hat. Nittel (1999) beschreibt diese Form der forschungsorientierten Lehre als „institutionalisierten Ort der erziehungs- und sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis, an dem zentrale Aspekte des Forschungshandwerks und der Organisation des Forschungsprozesses unter passiver oder aktiver Beteiligung von wissenschaftlichen Novizen und erfahrenen Wissenschaftlern mündlich verhandelt und bearbeitet werden“ (ebd., S. 98).

Die Forschungspraxis wird hierbei als wissenschaftliches Handwerk verstanden, das sich von dem Verständnis „eines rein technisch vermittelbaren Methodenrepertoires“ (Pilch Ortega 2015, S. 204) abgrenzt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass sich die Aneignung der komplexen Forschungspraxis „in einem längerfristigen Prozess des Erprobens und Einübens“ (ebd., S. 205) vollzieht (vgl. u. a. Knoblauch 2007). Für die Herausbildung eines fachspezifischen Habitus erscheint es relevant, dass durch das gezielte Erproben und Einüben der forschenden Praxis nicht nur grundlegende Kenntnisse wissenschaftlichen Forschens angeeignet und vertieft werden, sondern dass es Studierenden auch

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ermöglicht wird, Vertrauen und Selbstsicherheit in die eigene Deutungs- und Forschungspraxis zu gewinnen. Als längerfristiges Ziel wird durchaus angestrebt, dass Studierende lernen, sich in einer wissenschaftlichen Fachdisziplin zu verorten und dabei auch als Mitglieder einer Scientific Community zu erfahren (vgl. Dausien 2007, S. 12).

3.2 Die Forschungswerkstätte als Lehr- und Lernsetting: ein Anwendungsbeispiel Im Folgenden werden anhand eines Beispiels Umsetzungsmöglichkeiten einer Forschungswerkstätte mit Studierenden skizziert. Die konkrete Lehrveranstaltung ist im Curriculum des Masterstudiums Erwachsenen- und Weiterbildung des Instituts für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz verankert. Der thematische Fokus richtet sich dabei auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen im Bereich der Lernweltforschung. Als Beispiel kann die Erforschung von biografischen und zivilgesellschaftlichen Lernprozessen im Umfeld sozialer Initiativen und Bewegungen genannt werden. Die Studierenden arbeiten in Forschungsteams zusammen, die sich je nach Interessenlagen an einem Thema herausbilden. In diesem Sinne wird im Rahmen der Forschungswerkstätte ein Forschungsvorhaben von Studierenden eigenständig geplant, organisiert und umgesetzt. Im Zentrum steht dabei die „Aneignung von wissenschaftstheoretischem und methodologischem Grundwissen der Bildungsforschung sowie die Erprobung und Anwendung empirischer Forschungsmethoden“ (Uni Graz 2019). Folgende Themenschwerpunkte bilden den inhaltlichen Rahmen der Forschungswerkstätte. Zunächst erfolgt eine erste Annäherung an das zu beforschende Thema der Forschungswerkstätte. In dieser Hinsicht können verschiedene methodische Tools (z. B. Kurzfilme, Dokumentationen, wissenschaftliche Debatten oder Grundlagentexte) verwendet werden, die sich für einen ersten Themeneinstieg besonders eignen. Ziel dieser ersten Annäherung an das Forschungsthema ist es auch, die Studierenden dazu anzuregen, mögliche Schwerpunktsetzungen für sich auszuloten bzw. eigene Interessen an dem Thema zu artikulieren. Die selbstgewählten Themenschwerpunkte bilden dann auch die Ausgangsbasis, sich in Forschungsteams zu organisieren. Dabei ist es auch wesentlich, den Studierenden den Charakter bzw. die Arbeitsweise einer Forschungswerkstätte näher zu bringen sowie die Anforderungen und den Rahmen der Lehrveranstaltung zu klären. Ein weiteres relevantes Element dieser ersten Phase der Forschungswerkstätte bildet zudem das Sichtbarmachen der Erfahrungen und des Vorwissens der

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Teilnehmenden sowohl in Bezug auf die Forschungsmethode als auch hinsichtlich des gewählten Themas. Hier bietet sich beispielsweise das Erstellen einer Wissenslandkarte an, die auch im Austausch mit anderen erarbeitet werden kann. In einem weiteren Arbeitsschritt werden die Studierenden an die Konzeption eines Forschungsdesigns herangeführt. Dabei ist es m. E. sinnvoll, die einem Paradigma innewohnende Forschungslogik sowie grundlegende epistemologische Fragen mit den Studierenden ausreichend zu diskutieren. Zudem ist es wesentlich, die Identifizierung eines möglichen Forschungsgegenstandes sowie des forschungsleiteten Interesses als Konstruktionsprozess sichtbar zu machen, dem bestimmte Perspektiven und implizite Annahmen zugrunde liegen. Das Forschungsdesign wird in diesem ersten Planungsschritt keineswegs festgelegt, sondern die Reflexion sowie Adaptierung des Designs rahmt den gesamten Forschungsprozess. Dieses dialogische Verständnis des Forschungsstils gründet in der Annahme, dass theoretische Einsichten im Austausch mit den empirischen Daten gewonnen werden, die es unter Umständen erforderlich machen, das Design zu überdenken und zu überarbeiten. Im Sinne der Grounded Theory geht es hierbei um eine entdeckende Forschungshaltung, die mittels einer sich herausbildenden theoretischen Sensibilität reflexiv angeleitet wird. Dem Erarbeiten des theoretischen Rahmenkonzeptes kommt demnach in dieser Betrachtungsweise eine entscheidende Bedeutung zu. Je nach Themenstellung erarbeiten sich die Studierenden das gewählte soziale Feld, indem erste Feldexplorationen durchgeführt werden und gezielt Kontextwissen erhoben wird. Dabei geht es auch darum implizite Feldlogiken aufzudecken und damit einhergehende relevante Dynamiken des zu untersuchenden Feldes zu identifizieren. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden in das Forschungsdesign eingearbeitet. In dieser Phase wird auch nach geeigneten theoretischen Zugängen gesucht, die gemeinsam in der Gruppe diskutiert und reflektiert werden. Eine Herausforderung stellt hierbei die Verknüpfung unterschiedlicher, auch epistemologisch divergent angelegter theoretischer Zugänge dar. Zudem besteht bei Studierenden oft auch Unsicherheit darüber, was denn eigentlich das zu untersuchende Phänomen ist, in welchen sozialen Feldern es sich möglicherweise verortet und wie man sich Zugang zu diesen verschaffen könnte. Die Herausbildung einer wissenschaftlichen Reflexivität erscheint in dieser Hinsicht besonders bedeutsam. Die Reflexion der Forschungsperspektive und der eigenen sozialen Positioniertheit begleitet den gesamten Forschungsprozess. Als hilfreiches Instrument hat sich dabei auch das Führen eines Forschungstagebuches erwiesen. Bevor Studierende sich in die Erhebungs- und Analysephase der empirischen Daten begeben, werden im Rahmen der Forschungswerkstätte methodische und methodologische Fragen gemeinsam erarbeitet sowie die Anwendung

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(qualitativer) Methoden ausführlich diskutiert. Dabei geht es nicht nur um rein technische Fragen der Anwendung, sondern auch um die Herausbildung eines Grundverständnisses im Umgang mit empirischen Werkzeugen (wie z. B. die eigene soziale Rolle und ethische Haltung) sowie um das einer Methode zugrundeliegende erkenntnistheoretische Interesse, das in Bezug auf die Anwendbarkeit einer Methode reflektiert werden muss. Die erste Erhebungsphase wird zudem durch eine ausführliche Reflexion der gesammelten Erfahrungen begleitet, bei denen Herausforderungen bei der Durchführung (beispielsweise eines qualitativen Interviews) gemeinsam diskutiert werden. Das Kernstück eines qualitativen Forschungsprozesses bildet die Analyse der Daten. In dieser Hinsicht wurde bereits auf den kommunikativen und interaktiven Charakter dieser analytischen Arbeitsweise hingewiesen. Primär geht es bei dieser Herangehensweise darum, die diskursiv vorliegenden Daten7 nicht nur inhaltlich zu verdoppeln, sondern diese strukturell aufzubrechen. Im Zuge der Analyse narrativer Interviews werden beispielsweise anhand einer Line-by-Line Analyse (im Sinne eines open coding) möglichst viele kontrastierende Lesarten, zunächst ohne Rücksicht auf deren inhaltliche Konsistenz, entwickelt, Bedeutungen ausgelotet und die Perspektive des*der Erzählenden bzw. des Erzählten interpretativ rekonstruiert. In einem nächsten Schritt werden mittels einer komparativen Analyse entwickelte Kategorien anhand von Eigenschaften und Merkmalen um eine theoretische Achse geordnet, bis dann schließlich Kernkategorien zu einem Themenfeld identifiziert und herausgearbeitet werden. Ein Merkmal des Forschungsstils der Grounded Theorie ist zudem, dass die Erhebungs- und Analysephase ineinandergreifen. Auf Basis des aktuellen Erkenntnisstandes wird gezielt nach Kontrastfällen gesucht, um entwickelte Kategorien weiter verdichten und abstrahieren zu können. Theorie und Empirie stehen demnach in einem intensiven Dialog. In einem abschließenden Schritt geht es schließlich im Rahmen der Forschungswerkstätte auch um die Darlegung der Forschungsergebnisse. Die Verschriftlichung und Präsentation der Forschungsergebnisse sollte als eigener Arbeitsschritt nicht unterschätzt werden. Studierenden sollte in dieser Hinsicht ermöglicht werden, grundlegende Fragen der Darstellung sowie damit in

7Im

Rahmen der Forschungswerkstätte kommen unterschiedliche qualitative Methoden zur Anwendung, je nach Interessenslagen der Studierenden. In der skizzierten Forschungswerkstätte für Studierende wurde etwa mit narrativen sowie leitfadengestützten Interviews gearbeitet, ethnographische Felderkundungen durchgeführt, Bild- und Videomaterial qualitativ ausgewertet sowie andere (mediatisierte) Dokumente – etwa der medialen Berichterstattung oder diverser Plattformen sozialer Medien – für die Analyse herangezogen.

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Beziehung stehende Unsicherheiten zu thematisieren. Beispiele von Forschungsberichten bieten hier eine gute Orientierungshilfe, auch um die verschiedenen Möglichkeiten aufzuzeigen und deren Vor- und Nachteile mit den Studierenden zu diskutieren. Schließlich werden die Ergebnisse von den Mitgliedern der jeweiligen Forschungsgruppen präsentiert. Hierbei können unterschiedliche, mehr oder weniger formalisierte Settings gewählt werden, bei denen gegebenenfalls auch externe Interessierte (etwa in Form eines Symposiums) eingeladen werden. Formate der wissenschaftlichen Präsentation werden hierbei erprobt und die Herausforderung geübt, sich den kritischen Fragen eines Publikums zu stellen. Für die positive Absolvierung der Forschungswerkstätte muss jedes Projektteam einen Forschungsbericht verfassen, zu dem die Studierenden ein ausführliches Feedback von der Lehrveranstaltungsleiterin erhalten.

4 Schlussfolgerungen und Ausblick Im Rahmen dieses Beitrags wurde die Hochschule als Sozialisationskontext für Studierende in den Fokus gerückt. Im Besonderen richtete sich der Blick auf die Möglichkeiten und Bedingungen der Wissenschaftssozialisation in der Hochschullehre. In diesem Zusammenhang wurden auch aktuelle Dynamiken und Entwicklungen an Universitäten thematisiert, von denen Forscher*innen, Hochschullehrende und Studierende betroffen sind. Die tendenzielle Trennung zwischen Forschung und Lehre, die auch durch die Orientierung an Drittmittelakquise und Spitzenforschung vorangetrieben wird, sowie die mangelhafte Ressourcenausstattung angesichts steigender Studierendenzahlen stellen hierbei besondere Herausforderungen dar. Besonders in Massenstudienfächern erscheint vor diesem Hintergrund eine qualitätsvolle Lehre, die der Forderung nach forschendem Lernen gerecht werden möchte, aus ressourcentechnischen Gründen nur schwer umsetzbar. Ebenso haben sich die universitären Rahmenbedingungen für Studierende grundlegend verändert. Die durch den Bologna Prozess erzeugte Reglementierung und Modularisierung des Studiums hat zu einer verstärkten „Verschulung“ beigetragen, die wiederum eine zunehmend pragmatische Haltung seitens der Studierenden im Umgang mit Lehrinhalten fördert. Das Selbstverständnis einer Universität bewegt sich in einem Spannungsverhältnis. Zum einen gilt es den komplexen Ansprüchen einer beruflichen Ausbildungsstätte gerecht zu werden, zum anderen soll Hochschule als Sozialisationsraum für die Herausbildung eines wissenschaftlichen Professionshabitus fungieren. Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang die Annahme, dass die wissenschaftliche Sozialisation an Universitäten über eine bloße (kognitive) Aneignung von Wissen

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hinausreicht, und dass sich diese auch in Form eines absichtslosen Lernens vollzieht. In diesem Sinne nimmt die Hochschulsozialisationsforschung verstärkt den Enkulturationsprozess in Bezug auf eine wissenschaftliche Profession in den Blick, der auch wesentlich von den unterschiedlichen Fachkulturen getragen wird. Durch die Teilhabe an den wissenschaftlichen Lebens- und Lernwelten und durch das Erproben und Einüben wissenschaftlicher Praktiken stellen sich Habitualisierungseffekte ein (so die Annahme), die die Entwicklung eines akademischen Habitus unterstützen. Formate der forschungsorientierten Lehre erscheinen in dieser Hinsicht besonders geeignet für Studierende ein Lernarrangement zu eröffnen, in dessen Rahmen grundlegende wissenschaftsrelevante Praktiken erprobt, geübt und eigenständig angeeignet werden können. Wie anhand des Beitrages verdeutlicht werden sollte, liegt diesen Lernarrangements der forschenden Lehre ein diskursives Verständnis von Wissen zugrunde, bei dem Studierende eben nicht nur als passive Empfänger*innen von objektiviertem Wissen verstanden werden, sondern diese werden in den Prozess der Wissensproduktion auch aktiv eingebunden. Als Anwendungsbeispiel wurde in dieser Hinsicht eine Forschungswerkstätte im Umfeld der qualitativen Sozialforschung skizziert. Die kommunikative und interaktive Struktur bei Prozessen der Wissensgenerierung bildet ein wesentliches Merkmal von Forschungswerkstätten. Die soziale Architektur des kooperativen Forschens wird dabei von dem Bestreben getragen, möglichst egalitäre, solidarische und verlässliche Arbeitsbeziehungen für alle Beteiligten zu schaffen. Für Forschungswerkstätten im Kontext von Hochschullehre ergeben sich hierbei besondere Herausforderungen. Wie sich anhand eigener Erfahrung zeigt, sind Studierende im Rahmen von Forschungswerkstätte überwiegend hoch motiviert und auch bereit, sich über das geforderte Maß hinaus zu engagieren. Der durch das Lehrformat eröffnete Rahmen für die Erkundung und Erprobung von Zugängen qualitativer Forschung bildet einen Übungs- und Erfahrungsraum, der von den Studierenden als solcher nicht nur genutzt wird, sondern auch Neugier und Interesse an der wissenschaftlichen Praxis als Handwerk weckt. Herausforderungen für die Lehrenden ergeben sich zumeist aufgrund der hohen Teilnehmer*innenzahl, die der Möglichkeit, die Forschungsprojekte durchgängig aufmerksam zu begleiten sowie ausführliches Feedback zu den einzelnen Arbeitsschritten zu geben, klare Grenzen setzt. Forschungswerkstätten bieten Lehrenden jedoch auch die Gelegenheit, die eigene Forschung mit der Lehre stärker zu verbinden und gemeinsam mit Studierenden an aktuellen, gesellschaftlich relevanten Themenstellungen zu arbeiten. Der Arbeitsaufwand einer Forschungswerkstätte als Lehrformat sollte jedoch keineswegs unterschätzt werden. Zudem erscheint es m. E. sinnvoll die Lehrplanung im Vorfeld möglichst flexibel zu gestalten

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und diese am jeweiligen Wissens- und Interessensstand der Studierenden zu orientieren. Besonders anregend erscheinen in dieser Hinsicht die Einbindung des Vorwissens der Studierenden sowie die reflexiv-diskursive Auseinandersetzung mit alltagspraktischen Erfahrungs- und Wissensbeständen. Hierbei gelingt es alltags- und lebensnah Prozesse der Wissensgenerierung für Studierende erfahrbar und nachvollziehbar zu gestalten. Elemente des forschenden Lernens können ebenso in andere Lehrformate sinnvoll integriert und somit für Studierende zugänglich gemacht werden. Gerade für den Anspruch einer praxisnahen Wissenschaftssozialisation können dadurch wichtige Impulse gesetzt werden. Hier gilt es seitens der Universitäten entsprechende Rahmenbedingungen für Lehrende und Studierende zu schaffen und die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Um der zunehmenden Trennung von Forschung und Lehre entgegen zu wirken, sollten zudem Lehrformate des forschenden Lernens verstärkt in den jeweiligen Curricula (auch in den Bachelorstudien) verankert werden (vgl. Müller 2017, S. 248). Ebenso kann die institutionelle Anerkennung von innovativer Lehre einen wichtigen Beitrag leisten, die Hochschullehre gezielt aufzuwerten. Zu begrüßen wäre zudem, dass bereits existierende Praktiken, wie der reflexive Austausch zwischen Lehrenden oder unterschiedliche Formen der kollegialen Hospitation, nicht nur in einem informellen Rahmen stattfinden, sondern dass diese institutionell verankert und als wesentlicher Bestandteil einer Hochschulentwicklung verstanden werden.

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Der Qualitätsanspruch an Hochschullehre Lukas Schulze-Vorberg, Carmen Heckmann, Immanuel Ulrich und Holger Horz

Zusammenfassung

Durch den gesteigerten Stellenwert von Lehrleistungen in Hochschullehre rückt auch die Qualifizierung von Lehrpersonen und die Frage nach „guter Lehre“ an Hochschulen in den Vordergrund (z. B. Entwicklung von Leitbildern Lehre). Diese Entwicklung lässt sich unter anderem auch an bundesmittelgestützten Förderprogrammen ausmachen (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2011). Mit der zunehmenden Bedeutung von Hochschullehre hat auch die Anzahl hochschuldidaktischer Einrichtungen und der angebotenen Maßnahmen in den vergangenen Jahren zugenommen (Berendt 2005). Um auch die qualitative Weiterentwicklung der Hochschullehre sicherstellen zu können, ist es erforderlich, entsprechende Weiterbildungsangebote auf der Grundlage evidenzbasierter Lehr-/Lernforschung aufzubauen (Wild und Möller 2015). Daher sollten sich hochschuldidaktische Zentren nicht nur als Anbieter von Weiterbildungen und Dienstleitungen verstehen, sondern gleichsam als Forschungseinrichtungen, die – wie in vielen Leitbildern von L. Schulze-Vorberg (*) · C. Heckmann · H. Horz  Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt a. M., Deutschland E-Mail: [email protected] C. Heckmann E-Mail: [email protected] H. Horz E-Mail: [email protected] I. Ulrich  IUBH Internationale Hochschule, Frankfurt a. M., Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_9

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Hochschulen verankert – eine Verknüpfung von Forschung und Lehre gewährleisten (Goethe-Universität Frankfurt am Main 2015). Hochschuldidaktische Weiterbildungen sollten dementsprechend inhaltlich über die Vermittlung von Best-Practice Beispielen hinausgehen und empirisch fundierte Inhalte als Grundlage für die Gestaltung von Angeboten nutzen. Dieser Beitrag stellt daher basierend auf der Grundlage des Constructive Alignments (Biggs 1996) exemplarisch Konzepte (Service Learning, Forschendes Lernen und Einsatz digitaler Medien) und Möglichkeiten der Leistungsüberprüfung für die qualitativ hochwertige Konzeption und Durchführung von Hochschullehre vor.

1 Einleitung Um dem Anspruch an qualitativ hochwertige Hochschullehre gerecht zu werden, müssen innerhalb des Hochschulsystems viele Akteur*innen, wie beispielsweise Lehrende, Studierende, Studien- und Prüfungskommission und Verwaltung, berücksichtigt werden, die im besten Fall gut aufeinander abgestimmt agieren. Neben einer hohen fachlichen Qualität der Lehre wird auch an die didaktische Planung, Umsetzung und Kontrolle zunehmend ein ausformulierter Qualitätsanspruch gestellt. Während die fachliche Qualität durch entsprechende Qualifizierung in der Forschung (Promotion, Habilitation) und die Einheit von Forschung und Lehre gesichert werden soll (vgl. „Humboldt’sches Bildungsideal“ von Humboldt 1927), stellen hochschuldidaktische Angebote ein wichtiges Element dar, um die Qualifizierung der Lehrenden in der Lehre voranzutreiben. Die hochschuldidaktischen Angebote sollten dabei ebenso inhaltlich wissenschaftlichen Standards genügen, wie bewährte didaktische Konzepte berücksichtigen, weshalb Weiterbildungsangebote zunehmend auf der Grundlage evidenzbasierter Lehr-/Lernforschung aufgebaut werden (Wild und Möller 2015). Dieser Beitrag betrachtet zunächst die Entwicklung der Hochschullehre und -didaktik und stellt anschließend Modelle der Lehr-/Lehrforschung samt deren Bedeutsamkeit für die Entwicklung qualitativ hochwertiger Hochschullehre exemplarisch vor. Hierzu soll das Spiralmodell (Hansen und Horz 2013) für Entwicklungen in der Hochschuldidaktik näher erläutert werden sowie die Konzepte des Scholarship of Teaching and Learning (Huber 2014a) und des Forschenden Lehrens (Spinath et al. 2014) Anregungen für die Weiterentwicklung

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von individuellen, forschungsnahen Lehr- und Lernkonzepten geben. Das Constructive Alignment (z. B. vgl. Biggs und Tang 2011) wird dabei als mögliche Grundlage für die systematische Konzeption von Hochschullehre herangezogen. Durch die aufeinander abgestimmte Verbindung von Lern- und Kompetenzzielen, den damit verbundenen zeitgemäßen Lehr-Lernkonzepten und Prüfungsformen verbindet das Constructive Alignment diese zentralen Elemente sinnvoll miteinander. Exemplarisch soll daher eine mögliche Umsetzung dieses Ansatzes durch die systematische Entwicklung von Lehrzielen, die Umsetzung verschiedener Lehr-/Lernaktivitäten (Forschendes Lernen, Service Learning, Lernen mit Digitalen Medien) und Grundlagen einer qualitativ hochwertigen Leistungsüberprüfung näher erläutert werden.

1.1 Entwicklung der Hochschullehre und Hochschuldidaktik Die Lehre an deutschen Hochschulen unterlag jahrzehntelang nur einer geringen systematischen Qualitätskontrolle. Spätestens mit der Verleihung der Habilitation und der damit verbundenen Prüfung der „Lehrbefähigung“ wurde davon ausgegangen, dass diese Dozierenden gut geeignet sind, um in der akademischen Ausbildung eines Faches zu lehren. Bereits seit den 1960er Jahren existierten einzelne Initiativen zur Kontrolle und Erhöhung der Qualität der Hochschullehre über Lehrevaluationen durch Lehrende und/oder Studierende sowie durch hochschuldidaktische Weiterbildungen für Lehrende (Berendt 2005; Dany 2007). Aufgrund der zunehmenden Computerisierung wurden regelmäßige Lehrevaluationen seit den 1990er Jahren ökonomisch durchführbar und den Hochschulen über die vierte Novelle des Hochschulrahmengesetzes (Bundesgesetzblatt 1998) gesetzlich vorgeschrieben (Döring 2005). Ebenso fand im Rahmen des Bologna-Prozess eine Umstellung der Hochschulen von Input- auf Output-Steuerung statt (Bülow-Schramm 2006): Output-Faktoren wie beispielsweise die Anzahl der Absolvent*innen oder die durchschnittliche Studiendauer gewannen im Vergleich zu Inputfaktoren wie beispielsweise die Anzahl der Studierenden an Bedeutung. Zudem konnte in Deutschland in den letzten 15 Jahren ein Anstieg der Studierendenzahlen von 1,9 Mio. im Wintersemester 2002/2003 auf über 2,8 Mio. im Wintersemester 2018/2019 verzeichnet werden (Statista 2019). Die damit

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e­ inhergehende größere Heterogenität der Studierenden hinsichtlich ihrer Bildungsaffinität stellt höhere Anforderungen an die Qualität der Lehre als früher, da gleichzeitig sowohl lernstarke als auch Studierende mit einzelnen Defiziten in ihren Lernvoraussetzungen in der gleichen Lehrveranstaltung gefördert werden sollten. Diese Entwicklungen führten zu einer gesteigerten Bedeutung der Hochschuldidaktik (vgl. Ulrich et al. 2017). Es galt, neben der Messung der Lehrqualität über Evaluationen und Kennzahlen auch hochschuldidaktische Maßnahmen für Lehrende und Studierende zu etablieren, welche die Lehrqualität steigern. Seit 2011 hat der „Qualitätspakt Lehre“ umfangreiche Maßnahmen für die Lehre, vor allem hochschuldidaktische Weiterbildungs- und Beratungsangebote für Lehrende, an über 150 deutschen Universitäten und Hochschulen gefördert (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2011; Schmidt et al. 2015). Da auch die Kopplung der Finanzierung der Hochschulen an erfolgreiche Studienabschlüsse empfohlen wurde (Wissenschaftsrat 2013), stieg der Anreiz, Lehre anzubieten, bei der Studierende ohne Senkung des Leistungsniveaus erfolgreich zum Studienabschluss geleitet werden. Dies führte zu einem gesteigerten Weiterbildungsbedarf, insbesondere bei weniger erfahrenen Lehrenden. Mehrere wissenschaftliche Studien konnten inzwischen zeigen, dass hochschuldidaktische Weiterbildungen die Qualität der Lehre, meist erfasst über Lehrevaluationsergebnisse, erhöhen können (z. B. Steinert et al. 2006; Stes et al. 2010; Ulrich 2013). In den vergangenen Jahren wurden an Hochschulen zudem Lehrpreise ins Leben gerufen, um gute Hochschullehre stärker zu honorieren und zu fördern, sowie durch das Erstellen von Leitbildern von Hochschullehre gewisse Standards zu definieren (Goethe-Universität Frankfurt am Main 2002; Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst 2018). Einzelne Fachbereiche setzen inzwischen eine zertifizierte hochschuldidaktische Qualifizierung als Bedingung für eine Habilitation voraus (z. B. Goethe-Universität Frankfurt am Main 2003). Die Vervielfachung hochschuldidaktischer Akteur*innen durch die Qualitätspakt-Lehre-Projekte und der erhöhte Bedarf an hochschuldidaktischen Weiterbildungen hat auch zu einer Professionalisierung der Hochschuldidaktik in Forschung und Weiterbildung geführt (Paetz et al. 2011). Für Lehrende und Hochschuldidaktiker*innen liegen lehrpraxisnahe Fachbücher vor, welche die Grundlagen der Hochschuldidaktik bzw. „guter Lehre“ anschaulich darstellen (z. B. Schneider und Mustafić 2015; Macke et al. 2016; Ulrich 2016; Zumbach und Astleitner 2016). Lehrende und hochschuldidaktische Weiterbildner*innen aller Fachrichtungen haben somit die Möglichkeit, gute Lehre bzw. gute hochschuldidaktische Weiterbildungen auf Basis hochschuldidaktischer Forschung zu planen, durchzuführen und zu evaluieren.

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Um die Qualität von hochschuldidaktischen Zertifizierungsprogrammen zu sichern, müssen diese auf evidenzbasierter Lehr-/Lernforschung (Wild und Möller 2015) basieren. Im Folgenden werden daher Gestaltungsmöglichkeiten von Weiterbildungsangeboten sowie Möglichkeiten der Verknüpfung von Forschung und Lehre näher erläutert.

2 Theoretische Zugänge, Anwendungsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen von Hochschuldidaktik und -lehre 2.1 Möglichkeiten der Gestaltung von hochschuldidaktischen Zentren – Qualität durch die Verbindung von Forschung und Lehre sichern In den letzten Jahren wurden zunehmend Weiterbildungsangebote auf der Grundlage evidenzbasierter Lehr-/Lernforschung aufgebaut (vgl. Wild und Möller 2015), um bei der oben beschriebenen quantitativen Entwicklung auch die qualitative Weiterentwicklung der Hochschullehre voranzutreiben. Es wird der Anspruch an hochschuldidaktische Weiterbildungen gestellt, inhaltlich über die Vermittlung von Best-Practice Beispielen hinausgehend, empirisch fundierte Inhalte als Grundlage für die Gestaltung von Qualifizierungsangeboten zu nutzen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bieten hochschuldidaktische Zentren in der Regel zum einen ein breites Angebot an Weiterbildungen und Dienstleistungen an und betreiben zum anderen gleichzeitig eigene Forschungsprojekte rund um den Themenkomplex „Lehre und Lernen“. Darüber hinaus werden Teilnehmende hochschuldidaktischer Angebote zunehmend dabei angeleitet, ihre eigene Lehre zu beforschen. Auf diese Weise kann die in vielen Leitbildern von Hochschulen bereits verankerte Verknüpfung von Forschung und Lehre adressiert werden (Goethe-Universität Frankfurt am Main, Abteilung Lehre und Qualitätssicherung 2015). Für den Aufbau umfassender hochschuldidaktischer Zertifikatsprogramme empfehlen Fachgesellschaften für Hochschuldidaktik (Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik 2019) eine Orientierung an empirisch gesichertem Grundlagenwissen über didaktische Grundkonzeptionen (z. B. Marton und Säljö 1976; Cohn 1981; Gerstenmaier und Mandl 1995). Entsprechend der durch den Bologna-Prozess angestoßenen Veränderungen legt zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft der Hochschuldidaktik einen „Perspektivwechsel in der Lehr- und

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Lernforschung zur lernerzentrierten Perspektive“ (Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik 2019, o. S.) nahe, wobei die Lehrangebote auf die Lernprozesse der Lernenden ausgerichtet werden. Darüber hinaus rückt der internationale Austausch über erfolgreich implementierte Praxisbeispiele und erprobte Lösungswege für Herausforderungen in der Hochschullehre (International Consortium for Educational Development 2019) zunehmend stärker in den Fokus der hochschuldidaktischen Arbeit. Durch den Austausch soll individuelles und kollektives Wissen über alle Aspekte bildungswissenschaftlicher Entwicklungen in der Hochschullehre auf internationaler Ebene gefördert und aufrechterhalten werden. Darüber hinaus können Lehrende den internationalen Austausch nutzen, um sich auf die Herausforderungen der sich rasch verändernden Prozesse in der Lehre vorzubereiten. Ziel ist es, durch internationale, praxisbezogene Forschung innovative Lehr- und Lernmethoden sowie curriculare Neuerungen schneller und effektiver zur Weiterentwicklung der Hochschullehre zu nutzen (International Consortium for Educational Development 2019). Viele hochschuldidaktische Weiterbildungsprogramme adressieren zunächst Grundlagenwissen rund um die strategische Planung von Lehrveranstaltungen anhand von Lehrzielen, die durch studierendenzentrierte, aktivierende Lehrmethoden zur Erreichung der intendierten Lehrziele führen sollen. Der Lernerfolg der Studierenden sollte entsprechend in angemessenen Prüfungsformaten abgebildet werden können (Biggs 1996; Biggs und Tang 2011). So kann er von Lehrenden und Lernenden gleichzeitig als Feedback- beziehungsweise Assessment-Instrument über den Lernstand der Lernenden genutzt werden. Ergänzend ermöglichen vertiefende Weiterbildungsangebote eine Qualifizierung anhand individueller Bedürfnisse und fachlicher Herausforderungen (z. B. Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik 2015; Durham University 2019; La Trobe University 2019). In vielen Programmen werden, um individuell kommunizierte Weiterbildungsbedarfe zu adressieren, beispielsweise Angebote zu webbasierter Lehre, Diversität, Beratung von Studierenden oder Prüfungsgestaltung angeboten. Insgesamt kann das Angebot durch individuelle Beratungs- (Mendzheritskaya et al. 2018), Coaching- (Fahr 2017; Szczyrba et al. 2017) und Mentoringangebote (Pleschová und McAlpine 2015) sowie webbasierte Trainings (z. B. Australian Catholic University 2019) ergänzt werden. Um dem Arbeitsalltag der in Forschung und Lehre eingebundenen Teilnehmenden solcher Weiterbildungsangebote gerecht zu werden, sollten die Bestandteile flexibel aufeinander aufgebaut werden können. Der Transfer des neuen Wissens in das eigene Lehrhandeln kann durch Angebote sichergestellt werden, die Lehrenden ein Format bieten, in dem der Bezug zum eigenen Lehrhandeln durch Anwendung, Expertenfeedback, kollegiale Supervisionen und Self-Monitoring-Konzepte unterstützt wird (z. B. Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik 2015; Durham University 2019;

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La Trobe University 2019). So kann beispielsweise die Erstellung eines prozessbegleitenden Lehrportfolios, eine Expert*innenhospitation mit Feedbackgesprächen oder die Durchführung eines Lehrforschungsprojektes in der eigenen Lehre den Lernprozess von Lehrenden unterstützen (Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik 2015). Neben der gesteigerten Qualität der Angebote hat dieses Herangehen an die Konzeption von Weiterbildungsmaßnahmen auch den positiven Nebeneffekt, dass solche Angebote von etablierten Lehrpersonen eher angenommen werden. Wenn deutlich wird, dass die hochschuldidaktische Arbeit – orientiert am humboldtschen Bildungsideal der Einheit von Forschung und Lehre – auch in der Weiterbildung umsetzt wird, kann dies zu einer erhöhten Teilnahmebereitschaft und Akzeptanz der Angebote führen (Wissenschaftsrat 2008; Huber 2009). Eine weitere Möglichkeit, den Qualitätsanspruch an Hochschullehre zu adressieren, ist die Verzahnung von (eigener) Lehre, empirischer Lehr-/Lernforschung und Hochschuldidaktik, wie sie beispielsweise das Spiralmodell von Hansen und Horz (2013) beschreibt. Die Verknüpfung von hochschuldidaktischer Weiterbildung und Empirie soll hier erreicht werden, indem hochschuldidaktisch relevante Fragen und Themenbereiche identifiziert werden, die eine Rückkopplung der Erfahrungen von Lehrenden aus der Lehrpraxis und hochschuldidaktischen Weiterbildungen an die Forschung gewährleisten. Hochschuldidaktische Weiterbildungsmaßnahmen werden in diesem Sinne theorie- und empiriegeleitet entwickelt: Zunächst werden relevante Forschungsergebnisse identifiziert, für den hochschuldidaktischen Kontext adaptiert und in entsprechenden Weiterbildungsangeboten umgesetzt. Die anschließende Evaluation und der kritische Diskurs mit den Lehrenden über die Inhalte der Weiterbildungsmaßnahme generieren ein Feedback über die Relevanz und Anwendungsmöglichkeiten der Konzepte für die Lehrenden. Aus diesem Feedback können wieder neue Forschungsfragen abgeleitet und in weiteren Forschungsarbeiten untersucht werden (Hansen und Horz 2013; Abb. 1). Dieses Modell kann von in der Forschung tätigen Hochschuldidaktiker*innen angewendet werden, um die Arbeit hochschuldidaktischer Zentren weiterzuentwickeln. Darüber hinaus kann, der Idee des Qualitätsanspruchs an Hochschullehre folgend, das Konzept des Forschenden Lehrens (Spinath et al. 2014) oder Scholarship of Teaching and Learning (SoTL) als Bestandteil eines Zertifizierungsprogramms für Lehrende etabliert werden (Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik 2015). In Abgrenzung zur professionellen Lehr- und Lernforschung, die Hochschuldidaktiker*innen mit pädagogischem oder psychologischem Hintergrund betreiben, zielen Forschendes Lehren und SoTL darauf ab, dass Fachwissenschaftler*innen über den Austausch und die Reflexion über

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Abb. 1   Spiralmodell zur Verknüpfung von Forschung und Hochschuldidaktischer Weiterbildung. (Nach Hansen und Horz 2013)

Lehrerfahrungen hinaus Fragestellungen mit wissenschaftlichen Methoden betrachten. Abgeleitet aus allgemeinen Fragestellungen zur eigenen Lehre kann eine tiefergehende Beschäftigung mit dem eigenen Lehrhandeln und dem Lernen der Studierenden anhand spezieller Hypothesen durch die systematische Reflexion oder Anwendung empirischer Untersuchungsmethoden zu einer umfassenderen Erkenntnis über Lehr-/Lernprozesse führen (Huber 2014b). Idealerweise mündet diese Auseinandersetzung mit der eigenen Lehre in einen fundierten Erfahrungsaustausch mit anderen Lehrenden und führt – wo erforderlich – zu Veränderungen im eigenen Lehrhandeln. Dieses Vorgehen kann ebenfalls dazu beitragen, die Zweiteilung von Forschung und Lehre zu überwinden, indem die eigene Lehre selbst zum Forschungsgegenstand wird. Die kontinuierliche Verbesserung der Lehrqualität wird dabei als übergeordnetes Ziel betrachtet: Das Forschende Lehren „trägt zur professionellen Entwicklung der Lehrenden bei und macht diesbezügliche Fortschritte sichtbar“ (Spinath et al. 2014, S. 14).

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Im Idealfall generiert das Forschende Lehren einen Erkenntnisgewinn über fachnahe Lehr-/Lernprozesse hinaus, die für alle Hochschullehrenden generalisierbar sind. Durch eine breite öffentliche Bereitstellung von Lehrforschungsprojekten, beispielsweise durch das Hochladen auf einer Onlineplattform (Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik 2016) oder das Publizieren in einschlägiger hochschuldidaktischer Literatur, können auch andere Lehrpersonen von den Erkenntnissen profitieren und die Nachhaltigkeit von innovativen Lehrkonzepten sichern, indem diese weiteren Lehrveranstaltungen umgesetzt und geprüft werden. Neben einem besseren Lernerfolg, gesteigerter Motivation für die Lerninhalte und Zufriedenheit mit der Lehre auf Seiten der Studierenden erhöhen sich durch das Forschende Lehren auf Seiten der Hochschullehrenden auch der Lernerfolg hinsichtlich ihrer didaktischen Kompetenzen, der Lehrmotivation und die Zufriedenheit mit der eigenen Lehre. Auf diese Weise können Lehrende in Lehrforschungsprojekten auch fachnahe Fragestellungen adressieren und empiriegestützt beantworten. Die bereits beschriebenen Strukturen von hochschuldidaktischen Zentren und die Gestaltung der Zertifizierungsprogramme können somit einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung von Hochschullehre leisten. Verantwortlich für die Umsetzung qualitativ hochwertiger Lehre sind die Hochschullehrenden, die durch Gestaltungsansätze für gute Hochschullehre unterstützt werden müssen. Daher soll im nächsten Abschnitt exemplarisch ein hochschuldidaktisches Konzept mit Anregungen zur Planung und Durchführung von Lehrveranstaltungen sowie der Leistungsüberprüfung bei Studierenden gegeben werden.

2.2 Empfehlungen für qualitativ hochwertige Hochschullehre – Das Modell des Constructive Alignment als Grundlage für die Konzeption von Lehrveranstaltungen Wie die Planung, Durchführung und Evaluation von hochschuldidaktischen Weiterbildungsangeboten muss auch die Qualität der Gestaltung von Hochschullehre auf Modellen und Erkenntnissen der Lehr-/Lernforschung basierend konzipiert werden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen Lehrenden in hochschuldidaktischen Weiterbildungen didaktische Konzepte und Modelle der Lehrveranstaltungsplanung und -durchführung mitgegeben werden. Eine Möglichkeit bietet das Constructive Alignment, das die reziproke Beziehung von Lehrzielen, Lehr-/Lernaktivitäten und Prüfungen darstellt.

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Daher sollen aufbauend auf dem Ansatz des Constructive Alignment grundlegende Umsetzungshinweise zu den drei Elementen des Konzepts (Lehrzielen, Lehr-/Lernaktivitäten und Prüfungen) für eine qualitativ hochwertige Hochschullehre vorgestellt werden.

2.2.1 Abstimmung von Lehrzielen, Lehr-Lernaktivitäten und Prüfungen Eine Grundlage für eine systematische Veranstaltungsplanung und -durchführung bietet das Konzept des Constructive Alignment (Biggs und Tang 2011). Hierbei werden die drei zentralen Elemente einer Lehrveranstaltung, die Lehrziele, die Lehr-/Lernmethoden und die Leistungsüberprüfung, bereits bei der Planung einer Veranstaltung mitgedacht, um so die Konzeption einer Lehrveranstaltung aus „einem Guss“ zu ermöglichen (Abb. 2). Zunächst werden nach diesem Modell bei der Planung einer Veranstaltung die intendierten Lernergebnisse der Gesamtveranstaltung, aber auch der einzelnen Veranstaltungssitzungen formuliert. Die Lehrziele sollten dabei aus Studierendenperspektive die Frage beantworten, welches Wissen und welche Kompetenzen die Studierenden nach dem Besuch der Veranstaltung oder Einzelsitzung erworben haben sollten. In einem zweiten Schritt sollte die Ausgestaltung der Lehr-/Lernaktivitäten erfolgen, die das Erreichen der Lehrziele wahrscheinlich macht. Daran anknüpfend soll die Prüfungsumgebung mit Aufgaben konzipiert werden, die es ermöglichen, die erwarteten mit den tatsächlichen Lernergebnissen abgleichen zu können. Nachfolgend wird das

Abb. 2   Constructive Alignment. (Nach Biggs und Tang 2011)

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Constructive Alignment detaillierter beschrieben und Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Ausgestaltung der drei Elemente erfolgen kann.

2.2.2 Ausgestaltung und Formulierung von Lehrzielen Um die Lehrziele in einer Leistungsüberprüfung bestmöglich operationalisieren zu können, bietet es sich an, diese anhand geeigneter Verben und aus Studierendenperspektive zu formulieren. Die Formulierung der Lehrziele oder beabsichtigten Lernergebnisse sollte dabei anhand von unterschiedlichen kognitiven Operationen erfolgen, beispielsweise durch das Hinzuziehen von Lernzieltaxonomien (z. B. Bloom 1974; Anderson und Krathwohl 2001; Abb. 3). Die Lernzieltaxonomien bieten je nach Prozessdimensionen verhaltensnahe Verben, die eine Überführung in Aufgaben zur Leistungsüberprüfung ­vereinfachen. Beispielhaft wird die Formulierung von Lehrzielen für Lehramtsstudierende einer bildungswissenschaftlichen Service-Learning Lehrveranstaltung dargestellt. Die Gesamtveranstaltung zielt auf die Vermittlung der strategischen Planung von Lerninhalten in Klassen mit besonderem Förderbedarf ab. Ein Bestandteil der Veranstaltung ist die Vermittlung des Modells der Klassenführung. Die Lehrziele könnten exemplarisch sein: „Die Studierenden können die wesentlichen Elemente des Konzepts der Klassenführung von Kounin erklären“. (Ebene 2: Verstehen). „Die Studierenden wenden das Modell der Klassenführung von Kounin an, um ein Konzept für einen störungsarmen Unterricht zu entwerfen.“ (Ebene 3: Anwenden).

Abb. 3   Lernzieltaxonomie. (Nach Anderson und Krathwohl 2001)

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„Die Studierenden können nach der Durchführung einer Trainingsstunde im Klassenverband beurteilen, ob das Modell der Klassenführung von Kounin wie geplant umgesetzt werden konnte und über mögliche Ursachen von Störungen reflektieren.“ (Ebene 5: Evaluieren). Je nach intendiertem Lehrziel müssen in einem nächsten Schritt angemessene Lehr-/Lernaktivitäten gewählt werden, die bestmöglich für das Erreichen der Lehrziele geeignet sind. Nachfolgend sollen daher Beispiele für die konstruktivistische und kompetenzorientierte Gestaltung und Konzeption von Lehrveranstaltungen beschrieben werden.

2.2.3 Lehr-Lern-Aktivitäten: Möglichkeiten für die konstruktivistische Gestaltung und Konzeption von Lehrveranstaltungen Ausgehend von einer systematischen und auf Grundlagen der Lehr-Lernforschung basierenden Planung und Konzeption von Lehrveranstaltungen müssen Hochschullehrenden in hochschuldidaktischen Qualifizierungen auch Elemente für die Gestaltung von Lehr/-Lernaktivitäten mitgegeben werden. Um Expansives- bzw. Tiefenlernen (vgl. Marton und Säljö 1976) zu unterstützen, sollten aktivierende Lehrmethoden eingesetzt werden, die die Studierenden anregen, sich aktiv mit dem Lerninhalt auseinanderzusetzen (Trigwell et al. 1999; Wahl 2013). Durch den Einsatz von an Lehrzielen orientierten Lehrmethoden können die Unterschiede zwischen Studierenden hinsichtlich ihres Engagements, ihrer Lernaktivitäten und ihres Lernoutcomes verringert werden (Biggs und Tang 2007). Daher empfiehlt es sich, Lehrenden evidenzbasierte Konzepte für die Gestaltung von Lehrveranstaltungen in hochschuldidaktischen Weiterbildungen mitzugeben. Hierzu können die klassischen Referate-Seminare oder Frontalvorträge in Vorlesungen didaktisch sinnvoll überarbeitet werden. Zugleich eröffnet dies die Möglichkeit, handlungs- und kompetenzorientiertere Lehrveranstaltungsformate zu gestalten. Beispiele für solche Lehrformate sind das Forschende Lernen oder Service Learning. Auch lassen sich durch die Integration digitaler Medien in die Veranstaltungsplanung neue Lehr-Lernformate entwickeln, die orts- und zeitunabhängige Lernressourcen bereitstellen und den Studierenden damit einen nach individuellen Bedürfnissen angepassten Lernprozess ermöglichen und die Qualität von Hochschullehre fördern (Tamim et al. 2011). Daher sollen nachfolgend Möglichkeiten alternativer Konzeption exemplarisch dargestellt werden.

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Forschendes Lernen Im Lehr-Lernformat des Forschenden Lernens soll den Studierenden im thematischen Rahmen einer Lehrveranstaltung die Möglichkeit gegeben werden, eigenständig kleinere Forschungsprojekte zu betreiben. In diesem konstruktivistisch angelegten Lehrkonzept ist angedacht, dass die Studierenden einen vollständigen Forschungsprozess eigenständig planen und durchführen (Abb. 4). Hierfür bearbeiten die Studierenden selbstformulierte Fragestellungen und ermitteln so (auch für Dritte) relevante Forschungserkenntnisse (z. B. Huber 2009). Im Idealfall durchlaufen die Studierenden dabei einen kompletten Forschungszyklus von der Lokalisation eines Forschungsdesiderats und dem Definieren einer Fragestellung, der Operationalisierung der Fragestellung und Durchführung der Untersuchung bis hin zur Darstellung und Reflexion der Forschungsergebnisse (z. B. Huber 2014a; Sonntag et al. 2017). Den Studierenden ist es bei diesem Konzept bereits im Studienverlauf möglich, eigenständige Forschung zu betreiben und frühzeitig nötige Kompetenzen im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens (z. B. Literaturrecherche, eigenständige Versuchsplanung und Durchführung, Anwendung von wissenschaftlichen Forschungsmethoden und Evaluation) zu sammeln, die spätestens beim Erstellen von Abschlussarbeiten relevant werden. Auch können die Studierenden aus lerntheoretischer Sicht beim Ansatz des Forschenden Lernens durch den aktiven und eigenständigen Aneignungsprozesse von Wissen profitieren (Fichten 2010). Service Learning Eine weiteres konstruktivistisch und kompetenzorientiert ausgelegtes Lehr-/ Lernformat ist das Service Learning, das im deutschen Sprachraum häufig auch mit „Lernen durch Verantwortung“ übersetzt wird. Bei diesem Lehr-/Lernformat werden Lerninhalte (Learning) mit ehrenamtlichem, gesellschaftlichem Engagement der Lernenden (Service) verbunden (z. B. Seifert 2011; Reinders 2016). Studierende arbeiten mit Kooperationspartner*innen meist gemeinnützigen Organisationen, gemeinsam an Projekten, die ohne die Unterstützung der Studierenden nicht realisiert werden könnten. In den Projekten soll ein realer Unterstützungsbedarf in der Gesellschaft identifiziert und durch Handlungen von Studierenden unterstützt werden. Die Studierenden können auf diese Weise ihr fachbezogenes Wissen durch konkrete Anwendung in erfahrungsbasiertes Wissen und Können transformieren. Das gemeinsame Ziel für Studierende und Kooperationspartner*innen ist es, einen Mehrwert aus dem Engagement der Studierenden zu generieren. Das Engagement der Studierenden könnte dabei beispielsweise in Form von Unterstützung für Lehrer*innen, Klassen mit speziellem Förderbedarf oder durch die Erstellung eines kleinen Forschungsprojektes für

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Abb. 4   Prozesszyklus des forschenden Lernens. (Nach Wildt 2009, S. 5)

eine soziale Einrichtung umgesetzt werden, die sich einen solchen Service sonst nicht leisten könnte. So könnten Studierende beispielsweise die Umsetzung von Klassenführungstechniken theoretisch im Seminar erarbeiten und diese in Kooperation mit einer Lehrkraft in deren Klasse mit speziellem Förderbedarf als Ergänzung zum regulären Unterricht umsetzen. Den Verlauf der praktischen Tätigkeit können die Studierenden im Nachgang mit der Lehrkraft an der Schule und im Seminar an der Universität reflektieren. Aus dieser Reflektion können Implikationen für die Umsetzung von Klassenführungstechniken abgeleitet werden. Der Mehrwert für die Studierenden besteht in der Regel im Erwerb überfachlichen Wissens und der curricularen Anerkennung ihrer engagement-

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bezogenen Tätigkeit für das Studium. In einigen Forschungsarbeiten finden sich Hinweise darauf, dass die Reflexion über das soziale Engagement und die dabei gewonnenen Erfahrungen gepaart mit der intensiven Auseinandersetzung mit studienrelevanten Lerninhalten Studierende bei der Ausbildung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen unterstützt. So kann die Ausbildung von persönlichkeitsbildenden Kompetenzen wie beispielsweise Kommunikationsfähigkeit, Selbstwirksamkeit und Teamfähigkeit gestärkt werden (z. B. Eyler und Giles 1999). Service Learning-Lehrveranstaltungen können demnach die akademische Persönlichkeitsbildung der Studierenden unterstützen, fachliche und überfachliche Kompetenzen vermitteln und zugleich einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten (Bringle und Hatcher 1996). Für Lehrende stellt dieses Lehrformat aber auch besondere Anforderungen an die Planung und Durchführung, die durch entsprechende Weiterbildungs- und Kooperationsformate unterstützt werden können (Mordel et al. 2018). Möglichkeiten der Gestaltung von Lehr-Lernaktivitäten durch die Integration digitaler Medien Auch die Integration digitaler Medien in Lehr-Lernaktivitäten ist eine geeignete Möglichkeit, um die Qualität von Lehre zu sichern und zu steigern (Horz und Schulze-Vorberg 2017) und so den steigenden Studierendenzahlen und dem damit einhergehenden sinkenden Betreuungsschlüssel von Hochschullehrenden zu Studierenden entgegenzuwirken (Statistisches Bundesamt 2019). Auch mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung an Hochschulen (Schmid et al. 2017) und der damit verbundenen Forderung nach digitalen Kompetenzen sowohl bei Studierenden als auch bei Lehrenden (Kultusministerkonferenz 2016) bietet es sich an, digitale Medien mit in die Lehrveranstaltungsplanung und -durchführung einzubeziehen. So kann beispielsweise durch die Nutzung von Lernplattformen und dem dortigen Bereitstellen von Lerngelegenheiten mit automatisiertem Feedback (formatives Assessment, z. B. Black und Wiliam 2009) den Studierenden die Möglichkeit gegeben werden, ihren Leistungsstand zu überprüfen und so lernförderliches Feedback zu erhalten. Auch durch die Nutzung von Audience Response Systemen (ARS) werden Möglichkeiten eröffnet, aufgestellte Lehrziele der Veranstaltungssitzung abzuprüfen. Lehrende können über verschiedene Software Wissensfragen generieren und den Studierenden direkt in der Lehrveranstaltung zur Wissensüberprüfung zur Verfügung stellen. Die Studierenden können dann via digitalem Endgerät per Live-Voting direktes Feedback zur ihrem Wissensstand erhalten. Die Lehrperson kann die Ergebnisse nutzen, um zu eruieren, welcher Lernstoff von den Studierenden bereits ausreichend

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d­ urchdrungen wurde und an welchen Stellen noch Wiederholungsbedarf besteht. Das eröffnet die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen adaptiv an die Bedürfnisse und den Lernstand der Studierenden anzupassen. Auch beim Gestaltungsformat von Lehrveranstaltungen ergeben sich durch das Hinzuziehen digitaler Medien neue Möglichkeiten. Beispielhaft kann das Format des Flipped Classroom (O’Flaherty und Phillips 2015) angeführt werden. Wie der Name des Formats suggeriert, werden bei dieser Lehrmethode die Lernaktivitäten der Wissensaneignung und der Wissensvertiefung umgedreht. Dabei entwickeln die Lehrenden Lernmaterialien in Form von Vorlesungsaufzeichnungen, Podcasts oder anderem digitalen Begleitmaterial, welche die Studierenden asynchron, orts- und zeitflexibel, also nach individuellen Bedürfnissen, bearbeiten können. Im Unterschied zu „klassischen“ Seminaren wird die Präsenzzeit in der Hochschule für die gemeinsame Bearbeitung und Vertiefung der Inhalte der digitalen Phase genutzt. Ausgehend von der Gestaltung von Lehr- bzw. Kompetenzzielen und den auf deren Grundlage konzipierten Lernumgebungen zum Erreichen dieser müssen Prüfungsaufgaben erstellt und ausgewählt werden, die eine Leistungsüberprüfung der zu lernenden Inhalte ermöglichen.

2.2.4 Prüfungen: Qualitäts- und Gütekriterien von Leistungsüberprüfungen als zentraler Bestandteil der Hochschullehre Spätestens seit der Bologna-Reform (Hochschulrektorenkonferenz 2004) und den damit einhergehenden Umstellungen auf die Bachelor- und Masterordnungen wurde die Frequenz und damit einhergehend auch die Relevanz von qualitativ hochwertigen Prüfungen für universitäre Lehrpersonen erhöht. Das Ziel von Leistungsüberprüfungen sollte es sein, möglichst fehlerfrei zwischen unterschiedlichen Kompetenzstufen der Studierenden im Hinblick auf aufgestellten Lernund Kompetenzzielen zu differenzieren (siehe Abschn. 2.2.2 „Ausgestaltung und Formulierung von Lehrzielen“) und damit einhergehend die Fähigkeit in diesen Inhaltsbereichen zu messen. Diese Prämissen beziehen sich nicht nur auf die inhaltlich-/fachlichen, sondern auch auf die überfachlichen Kompetenz- und Lehrziele (Schaper 2012). Durch das Modell des Constructive Alignement (Biggs und Tang 2011) soll neben einer systematischen, auf Lehrzielen basierenden Konzeption von LehrLernaktivitäten, auch die Operationalisierung der Leistungsüberprüfung an wissenschaftlichen Standards ausgerichtet werden. Wissenschaftlich fundierte leistungsdiagnostische Testverfahren zeichnen sich vor allem durch das Einhalten von Qualitäts- und Gütekriterien aus. Daher

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muss jede Form der Leistungsüberprüfung mindestens auch im Hinblick auf die drei Hauptgütekriterien 1) Objektivität, 2) Reliabilität und 3) Validität bestehen (Schaper und Hilkenmeier 2013). 1. Unter dem Kriterium der Objektivität wird dabei in die Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität untergliedert. Unter der Durchführungsobjektivität wird die Gleichbehandlung der Teilnehmenden im Hinblick auf Rahmenbedingungen (z.  B. Bearbeitungszeit, Räumlichkeiten) verstanden. Auswertungsobjektivität ist gegeben, wenn Auswerter*innen unabhängig voneinander zu gleichen Auswertungsergebnissen gelangen. Das kann bei offenen Frageformaten durch die Erstellung von Kriterienkatalogen oder -rastern (Abb. 5) erreicht werden. Auch durch die Nutzung von Onlineklausuren (Schulze-Vorberg et al. 2016) kann die Objektivität durch die automatisierte Auswertung von geschlossenen und halbgeschlossenen Fragen sowie durch das Vorliegen von offenen Antworten in Maschinenschrift erhöht werden. Interpretationsobjektivität ist gegeben, wenn beim Vorliegen der Testergebnisse die Auswertenden zum gleichen „Schluss“ kommen. 2. Unter der Reliabilität wird die Messgenauigkeit einer Prüfung verstanden. Die Prüfung ist reliabel, wenn sie möglichst den wahren Ausprägungsgrad einer Leistung repräsentiert und nicht durch Messfehler verfälscht ist. Die Reliabilität kann beispielsweise durch klare und eindeutige Aufgabenstellungen und

Abb. 5   Bewertungskriterien für die Notengebung. (Nach Werth und Sedlbauer 2011, S. 369)

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durch das Heranziehen mehrerer Aufgaben/Fragen als Entscheidungsgrundlage erhöht bzw. gesichert werden. 3. Eine Prüfung kann als valide bezeichnet werden, wenn sie tatsächlich die Inhalte und Kompetenzen misst, die gemessen werden sollen (und nicht etwas Anderes). Die Validität kann beispielsweise dadurch erhöht werden, dass in den entwickelten Prüfungen nur das abgefragt wird, was auch durch Lehr- und Kompetenzziele vorgegeben wurde und die Prüfungsfragen das Prüfungsthema angemessen repräsentieren. Neben den drei Hauptgütekriterien sollten auch die Nebengütekriterien wie Transparenz (z. B. Übungsitems, Bekanntheit der Aufgabenformate) oder Fairness (keine systematische Benachteiligung beispielsweise durch soziokulturelle Zugehörigkeit einer Person) bei der Gestaltung, Durchführung und Auswertung einer Klausur berücksichtigt werden (weiterführende Informationen hierzu in Moosbrugger und Kelava 2012). Die (wissenschaftliche) Qualität und die Gütekriterien von Prüfungsfragen und ganzen Prüfungen können durch die Kooperation von Lehrenden mit ähnlichen inhaltlichen Lehrveranstaltungen beispielsweise durch gegenseitige Reviews in Bezug auf Konstruktionskriterien und inhaltliche Richtigkeit von Prüfungsfragen verbessert werden. Auch können geeignete Vorlagen zur Gestaltung und zum Aufbau die Qualität von Prüfungen sichern (Krebs 2004). Für die Revision von Prüfungsaufgaben und/oder zum Erhalt von Hinweisen zur Adaption der eigenen Lehre können Lehrende Teststatistiken wie empirische Schwierigkeit und Trennschärfe verwenden. Die Trennschärfe gibt Hinweise darauf, ob eine Aufgabe, gemessen an der Gesamtpunktzahl eines Tests, von leistungsstarken Studierenden häufiger beantwortet wurde als von leistungsschwachen. Der Schwierigkeitsindex hingegen gibt, relativiert an der Gesamtzahl der Klausurschreiber*innen, Hinweise darüber, wie viele der Studierenden eine Aufgabe richtig gelöst haben. Die Kennwerte sowie Fragenbibliotheken zum vereinfachten Austausch und zur Nutzung von Prüfungsfragen liegen in gängigen elektronischen Prüfungssoftwares vor und können so den Anspruch an die Qualität von Klausuren, die hochwertigen und wissenschaftlichen Standards genügen, unterstützen (SchulzeVorberg et al. 2016).

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3 Schlussfolgerung und Ausblick Die Sicherung des Qualitätsanspruchs von Lehrveranstaltungen ist ein wichtiger Aspekt, um der Qualität von Hochschullehre und damit verbunden der humboldtschen Verknüpfung von Forschung und Lehre gerecht zu werden. Dabei kann und muss die Hochschuldidaktik durch die Bereitstellung von Beratungen, Workshops und Konzepten wie beispielsweise dem Forschenden Lehren einen wichtigen Beitrag in diesem Prozess leisten. Unumgänglich ist dabei, dass hochschuldidaktische Weiterbildungsangebote selbst diesem Anspruch gerecht werden und nicht auf Grundlage von reinem Anwendungs- und Praxiswissen konzipiert werden, sondern auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen begründet sind. Eine auf empirischer Lehr-Lernforschung basierende Gestaltung von Inhalten der Beratungs- und Weiterbildungsangebote kann dabei auch die Akzeptanz von Hochschullehrenden gegenüber den hochschuldidaktischen Angeboten erhöhen. Um die Qualität des hochschuldidaktischen Angebots kontinuierlich zu sichern und das Angebot an zeitgemäße Entwicklungen anzupassen, bieten sich Konzepte wie das Spiralmodell (Hansen und Horz 2013) an, welches theorie- und empiriegeleitet die Wissenschaftlichkeit und Aktualität und damit einhergehend auch die Qualität des Weiterbildungsprogramms gewährleistet und befördert. Durch eine an wissenschaftlichen Outcomes orientierte Hochschuldidaktik, beispielsweise in Form des Forschenden Lehrens, kann der nötige und mögliche Einklang von Forschung und Lehre den Lehrenden noch einmal verdeutlicht werden. Daher sollten hochschuldidaktische Einrichtungen versuchen, den Aspekt des Forschenden Lehrens als obligatorisches Element im Zertifizierungsprogramm zu verankern (Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik 2015). Als Resultate dieser Herangehensweise können beispielsweise Fördermittelanträge oder Publikationen aus den Lehrforschungsprojekten hervorgehen. Dieser an wissenschaftlichen Ergebnissen orientierte Ansatz kann dabei helfen, die Akzeptanz hochschuldidaktischer Angebote zu verbessern und die damit verbundene Weiterqualifizierung von Lehrenden zu fördern. Die hochschuldidaktischen Angebote sollten neben dem Forschenden Lehren auch wichtige Grundlagen der Lehr-Lernforschung, insbesondere der Lehrveranstaltungsplanung, -konzeption und -durchführung beinhalten, um die Qualität und damit verbunden den Qualitätsanspruch an Hochschullehre zu sichern. Dafür eignen sich vor allem Konzepte wie das Constructive Alignment (Biggs und Tang 2011), welches die zentralen Elemente von Hochschullehre systematisch betrachtet und verbindet und damit eine gute Grundlage für die Konzeption

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empirisch gesicherter und qualitativ hochwertiger Hochschullehre bietet. Die Sicherung der Qualität von Hochschullehre durch aufeinander abgestimmte Lehr- und Kompetenzziele und die damit verbundene Nutzung von zeitgemäßen Lehr-Lernkonzepten und Prüfungsformen ermöglicht die Vermittlung und Überprüfung von für den Studienabschluss relevanten Kompetenzen. Durch das Anbieten qualitativ hochwertiger Lehrveranstaltungen kann auch ein wichtiger Beitrag für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses geleistet werden. Eine auf empirischen Erkenntnissen und Modellen beruhende Hochschuldidaktik kann dabei helfen, den wahrgenommenen Nutzen von Weiterbildung sowie den Stellenwert und damit die Qualität von Hochschullehre bei den Lehrpersonen zu erhöhen und bietet damit auch eine Reflexionsbasis, um den Qualitätsanspruch der eigenen Hochschullehre zu überprüfen. Um die Qualität von Hochschullehre auch künftig zu sichern, sollten Lehrveranstaltungen und damit verbunden auch hochschuldidaktische Angebote im Bereich der durch die Kultusministerkonferenz (2016) geforderten Digitalisierung ausgebaut werden. Die fortschreitende Medialisierung ermöglicht didaktische Konzepte, die mobiles Lernen und damit eine orts- und zeitunabhängige Selbststeuerung des Lernprozesses realisieren. Durch die Nutzung von Lernplattformen können Studierenden auch adaptiv und angepasst auf den jeweiligen Lernstand Materialien für das Selbststudium angeboten werden. Durch adaptive, das heißt auf die Personenfähigkeit angepasste, Prüfungen können Lehrziele bei Studierenden schneller und frustfreier (weniger zu leichte oder zu schwere Aufgaben) überprüft werden. Die bei elektronischen Prüfungen mit ausgegebenen Kennwerte der empirischen Schwierigkeit und der Trennschärfte können von Lehrenden genutzt werden, um auch noch einmal die Passung von Lehrzielen, Lehr-Lernaktivitäten und Prüfung zu überprüfen und – wenn nötig – anzupassen. Perspektivisch sollten hochschuldidaktische Angebote daher verstärkt die Möglichkeiten qualitativer Verbesserung der Lehre durch die Nutzung des Potenzials digitalisierter Bildungsprozesse adressieren (Horz und Schulze-Vorberg 2017).

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Wer macht die Hochschullehre digital? Die Rolle von E-Learning Servicezentren an der Hochschule Jutta Pauschenwein

Zusammenfassung

In den letzten Jahrzehnten nahm der technologieunterstützte Unterricht an Hochschulen unter dem Einsatz von onlinebasierten und digitalen Medien zu. In diesem Kapitel ist dargestellt, wie sich die Hochschullehre dadurch veränderte. Heutige Studierende lernen nicht nur in realen Hörsälen oder Seminarräumen, sondern auch mithilfe von Lernplattformen, in denen die Lehrenden Inhalte, Aufgabenstellungen und Prüfungen vorbereitet haben. Die Inhalte sind oft multimedial aufbereitet und online abrufbar, wobei die Fülle an Angeboten die kritische Auswahl erschwert. Mitarbeiter*innen in E-Learning Servicezentren setzen sich mit Lehr- und Lerntrends auseinander, evaluieren die Nützlichkeit von Online-Werkzeugen und experimentieren mit neuen Lernszenarien. Ihre Erfahrungen setzen sie in Weiterbildungsangeboten und didaktischen Beratungen um. Ihre Aufgabe ist komplex und stößt häufig auf Widerstand. Als Angehörige einer Third Space Organisation zwischen Forschung, Lehre und Verwaltung ist ihre Rolle an der Hochschule oft unklar.

J. Pauschenwein (*)  FH JOANNEUM, Graz, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Hummel (Hrsg.), Grundlagen der Hochschullehre, Doing Higher Education, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28181-6_10

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1 Einleitung Seit dem Start des Internets in den Neunziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts denken Lehrende über die Verwendung des Web im Unterricht nach. „Since the early 1990s, Internet use has proliferated from a small group of scientists, engineers, and mathematicians to over 304 million users world-wide“ (Morohan-Martin 2001, S. 191). Doch bereits zuvor wurde Hochschullehre durch Technologie bereichert, etwa durch die Programmierung von kleinen Simulationen in der Physik (Seminar: IT für Lehramtskandidat*innen an der Universität Graz 1988) oder durch die Visualisierung von Daten in der Wissenschaft. Auf den ersten Hochschul-Webseiten wurden Informationen, Materialien und Forschungsergebnisse, manchmal auch Aufgabenstellungen für die Studierenden bereitgestellt. Diese Dokumente und die Darstellung der Lehre engagierter Lehrender wurden etwa an der Universität Graz ab 1993 öffentlich und für alle Interessierte zugänglich gemacht. Doch nicht alle Lehrenden wollten ihre Lernmaterialien veröffentlichen, daher entstand rasch der Wunsch nach geschützten Lernräumen im Netz. Technik-affine Lehrende setzten sich mit der Sprache des Internets HTML auseinander, an Instituten wurden Webserver aufgesetzt, einfache Online-Räume programmiert und den Kolleg*innen zur Verfügung gestellt. Die Professionalisierung dieser Online-Räume führte zur Entwicklung sogenannter Lernplattformen. Bereits 2003 wurde der didaktische Einsatz dieser Lernplattformen kritisch evaluiert (Schulmeister 2003), was die Aufmerksamkeit stärker auf die didaktischen Prozesse in den Lernplattformen richtete. Lernplattformen, auch Lernmanagement-Systeme genannt, dienen der Administration von Lehrveranstaltungen, bieten Inhalte an, unterstützen die Kommunikation sowohl zwischen Lehrenden und Studierenden als auch die der Studierenden untereinander, stellen für die Lehrenden Werkzeuge zur Erstellung von Aufgaben und Übungen zur Verfügung und geben Evaluations- und Bewertungshilfen (Kalz et al. 2013). Um die Jahrhundertwende floss nationales und internationales Fördergeld in die Entwicklung von hochwertigen Online-Lernmaterialien, etwa im Rahmen der Fördermaßnahme „Neue Medien in der Lehre“ in Österreich (BMBWK 2003). Bald stellte sich allerdings heraus, dass die entwickelten Materialien aufgrund der rasanten technischen Weiterentwicklung nur kurzfristig eingesetzt werden konnten. So wurde im EU-Projekt Virrad (Der Standard, 12. Mai 2004) etwa ein 3-D-Labor für Radiopharmazeut*innen entwickelt, das kurz nach Projektende nicht mehr genutzt werden konnte, da die eingesetzte Technologie zu Projektende bereits veraltet war. Aufgrund der technischen Weiterentwicklung der Internetwerkzeuge richtete sich im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts die Aufmerksamkeit auf gemeinsame

Wer macht die Hochschullehre digital?

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Online-Lernprozesse. Synchrone und asynchrone Online-Kommunikation und die weiterentwickelten Lernplattformen ermöglichten die Gestaltung kollektiver Lernprozesse. Lehrende als „Early Adopters“ experimentierten mit dem Einsatz von Social Media, wie etwa Twitter (gegründet 2006) oder Facebook (gegründet 2004) oder dem Unterricht in der virtuellen, dreidimensionalen Welt Second Life (gegründet 2003). Zunehmend mehr Personen erprobten den Einsatz elektronischer Werkzeuge, bis eine „Early Majority“, also eine erste größere Gruppe, die innovativen neuen Produkte einsetzte (Rogers 1983). Diese Lehrenden unterrichteten meist in Vollzeitstudiengängen, und die Online-Lernangebote wurden zur Unterstützung und Begleitung der Lernprozesse vor Ort eingesetzt. Studienangebote, die sich an Berufstätige richteten, veränderten die technologiegestützten Lehrangebote. An der FH Joanneum etwa startete der erste berufsbegleitende Studiengang im Jahr 2004 (Gögele und Krajnc 2011). Das bedeutete, dass die bisher entwickelten Modelle für jene Studierende adaptiert werden mussten, die nur wenig Zeit an der Hochschule verbrachten und nur einige Präsenz-Lehrveranstaltungen gemeinsam besuchten. Dies stellte die Lehrenden vor eine große Herausforderung. Primär ging es nicht mehr darum, die Qualität der eigenen Lehre durch ein wenig E-Learning in einem Vollzeitstudiengang zu steigern, sondern Lernprozesse online zu begleiten. In den letzten 10 Jahren veränderte sich die Hochschullehre weiter. E-Learning als Bezeichnung für technologiegestützte Lernangebote wurde unattraktiv und die „Neuen Medien“ waren schon lange nicht mehr neu (Dabringer und Reisner 2009). Heute werden häufig Begriffe wie Digitale Lehre und OnlineLehre verwendet, doch mitunter werden auch Bezeichnungen wie E-Learning, E-Didaktik oder andere Begriffe mit der Initiale „E“ wiederbelebt. Im Zuge der Konsolidierung der Bologna Reform wurden Lernprozesse in den Mittelpunkt gerückt. So geht es im aktuellen ECTS-Leitfaden (Europäische Union 2015) um „ … die Konsolidierung des lebenslangen Lernens, den Paradigmenwechsel von der lehrer*innenzentrierten zur studierendenzentrierten Hochschullehre, der stärkeren Nutzung von Lernergebnissen sowie der Entwicklung neuer Lern- und Lehrmodelle“. Bevor ein Blick auf moderne Lernprozesse geworfen wird, werden die in das Unterrichtsgeschehen Involvierten betrachtet.

1.1 Lernende und Lehrende Lehrende an Hochschulen nehmen wahr, dass sich die Studierendenkohorten im Lauf der Jahre verändern. Zwar muss die soziologische Definition der Generation als Erlebnisgemeinschaft kritisch hinterfragt werden (Parnes et  al. 2008),

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dennoch kann ein Generationenkonzept Ideen für den Umgang mit den heutigen Studierenden liefern. Bereits Schulze unterschied ausgehend vom Lebensalter das Niveaumilieu, das Integrationsmilieu, das Harmoniemilieu, das Selbstverwirklichungsmilieu und das Unterhaltungsmilieu (Schulze 2005). Er sah die Altersgruppe unter 40 Jahren eher in den beiden letzten Milieus angesiedelt, da sie in der Beziehung zwischen dem Ich und der Welt, dem Ich eine große Bedeutung zuschreiben. Die Berücksichtigung der Generationen ermöglicht, neben den spezifischen Notwendigkeiten der jeweiligen Unterrichtssituation und der konkreten Studierendengruppe, einen weiteren Blickwinkel auf den Unterricht. Ein Blick auf die Studierenden Erfolgt die Einschätzung der Studierenden nach einem Schema, kann dieses also – wenn vorsichtig angewendet – nützliche Zusatzinformationen bringen. Prensky bezeichnete 2001 die „Jungen“ als Digital Natives. Studierende der Generationen Y (zwischen 1980/1985 und 1995/2000 geboren) und Z (nach 1995/2000 geboren) können als Digital Natives gesehen werden, die in ihrer Kindheit und Jugendzeit Kompetenzen der Online-Kooperation und Kommunikation im Web erworben haben. Sie machen digitale Fotos, schreiben Online-Geschichten und produzieren Videos. In ihren Leben überlappen sich Face-to-Face und Online-Kontakte. Sie zeichnen sich durch Realismus aus, grenzen Beruf und Privatleben klar ab, wobei sie das Studium als Beruf erachten (Ewinger et al. 2016; Hurrelmann und Albrecht 2014). Sie werden von ihren Eltern beschützt und haben großen Bedarf an Sicherheit in einer Welt, die durch die Schlagworte Digitalisierung, Agilität, Globalisierung und Virtualisierung charakterisiert ist (Scholz 2014). Sie wünschen sich klare Strukturen und Lob und sie akzeptieren Kontrolle. Zugeschrieben wird ihnen eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und eine hohe Selbstreferenzialität. Mitglieder dieser Generationen werden als spontan und unverbindlich gesehen (Jeges 2014). Ein Blick auf die Lehrenden Lehrende sind zwar meist keine Vertreter*innen der Generation Y und eher Digital Immigrants (Prensky 2001). Als Trainerin der (Online-)Hochschuldidaktik nimmt die Autorin allerdings wahr, dass Lehrende den Studierenden ähnlich geworden sind. Auch sie fokussieren eher kurz auf ein Thema und wünschen sich vermehrt Anerkennung und Wertschätzung sowie Struktur und klare Rahmenbedingungen. Der Einsatz der Online-Lehre ist mittlerweile Teil vieler Studiengänge und von den Lehrenden wird erwartet, sich selbst und ihre Lehre weiterzuentwickeln, sich technisch und didaktisch auf Neuland zu wagen. Seit März 2020 und der „CoronaKrise“ müssen sich die meisten Lehrenden der digitalen Lehre stellen.

Wer macht die Hochschullehre digital?

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1.2 Herausforderungen Das 21. Jahrhundert, auch das digitale Zeitalter (digital age) genannt, zeichnet sich dadurch aus, dass die meisten Menschen in Industrieländern online vernetzt sind und On- und Offline-Kommunikation und Tätigkeiten ineinander übergehen. Viele nutzen Instant-Messaging-Dienste auf ihren Smartphones, um privat und beruflich rasch kommunizieren zu können. Sie informieren und unterhalten sich online, sie lernen online. Nach Ayad Al-Ani (2019) verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt aktuell und wird sie in den nächsten Jahren massiv weiter verändern. Zur Bewältigung des Arbeitsalltags in diesem Jahrhundert werden die 21th Century Skills „Kritisches Denken & Probleme lösen“, „Kreativität & Innovation“, sowie „Kommunikation & Kollaboration“ Wesentliches beitragen (Fadel 2008). Sie geben einen Rahmen vor für die nötigen Kompetenzen in den drei Dimensionen „Information“, „Kommunikation“ sowie „ethische und soziale Auswirkungen“ (Ananiadou und Claro 2009). Die Dimension „Information“ wird einmal als Quelle verstanden, die man sucht, auswählt, beurteilt und speichert, und andererseits als eigenes Produkt, das man restrukturiert, von dem man Modelle ableitet und aus dem sich eigene Ideen entwickeln können (Ananiadou und Claro 2009, S. 9). Diese Dimension enthält somit auch Aspekte der Forschungs- und Problemlösungskompetenzen. In der Dimension „Kommunikation“ werden effektive Kommunikation sowie Kollaboration und Online-Interaktion genannt. Heutige Kommunikation läuft auch global ab, in kultureller Vielfalt und mit zunehmender IT-Nutzung. In der dritten Dimension „ethische und soziale Auswirkungen“ ist festgehalten, dass Individuen eine soziale Verantwortung für ihr Online-Verhalten tragen und dass es notwendig sein wird, die Herausforderungen für die Gesellschaft kritisch zu reflektieren (Ananiadou und Claro 2009, S. 10 f.). In der Hochschullehre braucht es Raum, um diese 21th Century Skills zu üben. Im Modell der „Four Dimensional Education“ von Fadel et al. (2015) ist der Zusammenhang der 21st Century Skills mit Lehr- und Lernprozessen visualisiert. In Abb. 1 sind drei überschneidende Kreise dargestellt mit den Zuordnungen: • Knowledge: Was wissen wir eigentlich? Hier ist Fachwissen gemeint, wie etwa Mathematik, Entrepreneurship oder auch interdisziplinäre Themen. • Skills: Wie nutzen wir das, was wir wissen? Wie wenden wir unser Wissen an? Hier sind unter anderem auch die 21st Century Skills „Kreativität“, „Kritisches Denken“, „Kollaboration“ und „Kommunikation“ angeführt, wobei „Kritisches Denken“ auch „Problemlösen“ meint und „Kreativität“

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Abb. 1   Basierend auf Informationen aus Fadel et al. (2015), Figur 2.10 (S. 43)

auch „Innovation“. Chung et al. beschreiben diese Skills in der Web Literacy Map (2017) genauer. Sie setzen die Worte Lesen, Schreiben und Teilhaben (participate) als Überschriften für eine Fülle von Fähigkeiten, die sich alle mit den 21st Century Skills überlappen1. • Character: Wie verhalten wir uns? Wie nehmen wir an der digitalen Welt teil? Aspekte dieser Kategorie sind Neugier, Resilienz, sowie ethische Überlegungen. • Darüber hinaus gibt es die Ebene des „Metalearning“ für die Reflexion und Weiterentwicklung von Lehr- und Lernprozessen. Dem 21-ten Jahrhundert angemessene Lernprozesse umschließen all diese Aspekte. Lehrende in Bildungsinstitutionen benötigen Wissen aus den drei Feldern und die Bereitschaft zur Reflexion, um den Studierenden (und Schüler*innen) die Auseinandersetzung mit den 21st Century Skills zu

1Eine

übersichtliche Grafik findet sich hier: https://foundation.mozilla.org/de/opportunity/ web-literacy/

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e­ rmöglichen. Reflexion meint hier einen bewussten, kritischen Umgang mit der Technologie, der auch im Dialog mit Kolleg*innen und Studierenden geführt wird. Doch wie können Lehr- und Lernprozesse an Hochschulen gestaltet werden, die das Engagement der Studierenden hervorrufen? Wie können Lehrende gemeinsame Lern- und Austauschprozesse und damit die Interaktion in der sozialen Gruppe im Web unterstützen? Und wie können 21th Century Skills geübt und vertieft werden? Diesen Fragen wird im nächsten Kapitel nachgegangen.

2 Moderne Online-Lernprozesse (an Hochschulen) Über vier Milliarden Menschen, die mit Computern oder anderen mobilen Geräten online gehen (Kemp, 30. Januar 2018), steht ein umfassendes Angebot an Materialien und Lernangeboten zur Verfügung, mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten und in vielfältigen Medien. Dazu zählen auch didaktische Modelle und Konzepte, Aufgaben und Anleitungen, die manchmal auch als „Open Educational Resources“ (OER) aufbereitet werden (Zauchner und Baumgartner 2007). Viele Internet-Nutzer*innen sind heute fähig, eigene Materialien zu entwickeln, von Videos als Einführung in ein Thema oder als Handlungsanleitungen für einen Ablauf konzipiert, bis hin zu Portfolios, die selbsterstellte Produkte und erworbene Kompetenzen sichtbar machen und Reflexionen zum Wissenserwerb enthalten (Breuer 2009). Weller (2011) spricht in seiner Pädagogik des Überflusses die Überforderung an, auf Webinhalte, die kontinuierlich mehr werden, adäquat zu reagieren. Um sowohl beruflich als auch privat mit diesem Überfluss im Netz umgehen zu können, braucht es die Möglichkeit, bereits während des Studiums online Lern- und Kommunikationserfahrungen in der gewählten Disziplin zu machen. Mittlerweile gibt es viele Ansätze, wie (gemeinsame) Lernprozesse in Blended-Szenarien (einer Mischung aus Präsenz- und Online-Aktivitäten) (Pauschenwein 2016) oder in reinen Online-Szenarien ablaufen können (Salmon 2012). Die folgenden Beispiele bieten dabei vielfältige Perspektiven.

2.1 Die Online-Gruppe Salmon (2012), die als Online-Moderatorin bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts tätig war, identifizierte fünf Phasen der Entwicklung von OnlineGruppen (Salmon o. J.; siehe Abb. 2). In der ersten Phase steht das Ankommen

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Abb. 2   Stufen nach Gilly Salmon

und die Motivation der Studierenden (Access and Motivation) im Mittelpunkt. Hier ist es die Aufgabe der Moderatorin, die Gruppe im Blick zu behalten, Personen eventuell an den Online-Kurs zu erinnern und bei technischen Problemen zu helfen. Sind die Lernenden im Online-Raum angekommen, beginnt die Phase der Online-Sozialisierung (Online Socialisation). Einfache Aufgaben fördern den Austausch, die Studierenden lernen sich privat und professionell kennen. Wer gerne online kommuniziert, schätzt diese Phase, bei anderen stößt der „Online-Tratsch“ oft auf Widerstand. In der dritten Phase zum Wissensaustausch (Information Exchange) sind die Studierenden oft beeindruckt, wie rasch auch eine kleine Gruppe Material zu einem Thema zusammentragen kann. In der vierten Phase wird gemeinsam neues Wissen kreiert (Knowledge Construction). In einer Gruppe berufsbegleitender Studierender ist es etwa sehr interessant, wenn die einzelnen Erfahrungen der Studierenden zusammenfließen und anhand einer Aufgabenstellung gemeinsam neue Lösungen entwickelt werden. Mit der letzten Phase der Weiterentwicklung (Development) schließt der Gruppenbildungsprozess ab. Die Lernenden sind nun bereit, gemeinsam online zu lernen. Die Gruppe ist bereit für die kollaborative Arbeit und die Unterstützung durch die Moderatorin oder den Moderator ist nur mehr punktuell nötig.

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Werden Gruppen gemäß des E-Moderationsansatzes von Salmon (2013) moderiert und gibt es eine Reflexionsaufgabe nach jeder Phase, kann die OnlineInteraktion intensiv und sehr fruchtbar werden (Pauschenwein 2014). Gerade in der Online-Gruppe spielt auch die Reflexion der Gruppendynamik eine wesentliche Rolle (Pauschenwein et al. 2011; Hojnik und Pauschenwein 2015).

2.2 Online-Aufgaben Doch wie können die Online-Aufgaben nun konkret aussehen? Rhona Sharpe (2016) ergänzt Salmons Modell durch konkrete Aufgabenstellungen für unterschiedliche Lernphasen. Online-Aktivitäten können zu Beginn eines Lernprozesses eingesetzt werden, um zur aktiven Teilnahme zu ermutigen, um eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Inhalten hervorzurufen und um lebenslanges Lernen zu unterstützen. Beginn eines Lernprozesses Meist erhalten die Studierenden zu Semesterbeginn Informationen zur Lehrveranstaltung in Form eines strukturierten Textes, abgeleitet aus dem Curriculum. Sharpe (2016) schlägt vor, diese Information durch Online-Aktivitäten zu ergänzen. Anstelle der Angabe eines Themas, seiner Relevanz und der Literatur könnten Lehrende die Studierenden auffordern, ihre Erfahrungen zum Thema, in einem Forum zu teilen, nach der ersten Auseinandersetzung mit der Literatur eine erste Kritik zu posten oder auch eine Zusammenfassung der Literatur zu erstellen. In einem Blended Learning Szenario, in dem ein Teil der Lehre online abläuft, braucht es zusätzlich genaue Informationen, wie viel Zeit investiert werden muss (etwa drei Stunden für den kritischen Beitrag) und wie viel Inhalt erstellt werden sollte (etwa 500 Wörter zur Literatur). Aktive Teilnahme ermutigen Nach Salmon (2012) sollen Online-Lernende aktiv teilnehmen und eigene Beiträge einbringen. In Präsenzveranstaltungen ist es wichtig, anwesend zu sein; online werden nur die, die aktiv sind, wahrgenommen. Aktive Teilnahme zu Beginn kann durch Icebreaker Aktivitäten initiiert werden (Sharpe 2016). Eine Zeitliste zum Thema kann die Übersicht fördern und einzelnen Studierenden die Verortung ihrer Beiträge ermöglichen bzw. die Möglichkeiten neuer Beiträge sichtbar machen (Sharpe 2016).

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Lernerfahrungen personalisieren Für Studierende ist es oft eine Herausforderung, Übersicht über die Online-Aufgaben zu behalten. Dies betrifft vor allem berufsbegleitende Studierende, wenn sie in Blended Learning Angeboten studieren. Die Aufgabe der Lehrenden ist es, die Aktivitäten der Studierenden zu beobachten (Monitoring) und gegebenenfalls zu intervenieren. Eine der Gefahren von Online-Lernprozessen ist, dass die Studierenden sich online nicht gut genug integriert und fern von Kolleg*innen und den Lehrenden fühlen. Dies kann zur Reduktion von Engagement, geringer Zufriedenheit und schließlich zum Abbruch führen. Persönliches Feedback an einzelne kann hier entgegenwirken. Das Feedback kann innerhalb der OnlineGruppe gegeben werden oder auf einem privaten Kanal. Es kann schriftlich oder per Audio-Feedback erfolgen (Sharpe 2016). Vertiefte Auseinandersetzung mit den Inhalten Die Aneignung nützlicher, relevanter Inhalte stellt ein Grundbedürfnis der Lernenden dar. Ausgehend von den eigenen Fragestellungen können die Lernenden ihre eigenen Ressourcen zusammentragen (Learner-Generated Content). Das funktioniert besonders gut, wenn sie selbst die Medien wählen dürfen, in Gruppen arbeiten und ihr Thema festlegen und wenn genügend Zeit für diese Aufgabe gegeben ist (Sharpe 2016). Das gemeinsame Produkt kann in einer Liste oder in einem WIKI abgebildet sein bzw. möglicherweise als OER (Open Educational Resources) auch Anderen zur Verfügung gestellt werden.

2.3 Communities und Netzwerke Durch die Integration des Web in die Lehre ist es einfach, den Unterricht über das Klassenzimmer hinausreichen zu lassen. Expert*innen können etwa in Videokonferenzen befragt werden oder es kann mit Studierenden aus anderen Ländern gemeinsam gelernt werden. Lehrende, die sich diesen Herausforderungen stellen, bieten ihren Studierenden komplexe Lernerfahrungen. Hilfreiche Lerntheorien und Lernansätze, die Kooperation in Netzwerken fördern, reichen vom sozialen Konstruktivismus und Communities of Practice über Konnektivismus bis zu emergenten Lernprozessen. Im gemeinsamen Raum agieren Lernende nach ihren eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten (Vygotsky 1978). In der Gemeinschaft (community) wird etwas bearbeitet oder geübt (practice), Personen nehmen unterschiedliche Rollen ein (identity) und verhandeln Bedeutungen und Grenzen (Wenger 1998, 2010)3. Beim ­ Eintritt in Lerncommunities müssen Grenzen überwunden werden und oft ein neues

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Vokabular sowie informelle Regeln erlernt werden (Land et al. 2010). Im konnektivistischen Verständnis interagieren autonome und diverse Lernende in offenen Online-Lernprozessen, indem sie Inhalte sammeln und ordnen (aggregate), mischen (remix), „in den eigenen Kontext setzen“ (repurpose) und mit anderen teilen (feed forward) (Siemens 2005; Downes 2012). Offene Lernumgebungen fördern emergentes Lernen nahe an den eigenen Lernbedürfnissen, was auch zu Ergebnissen führen kann, die von den Lehrenden nicht geplant wurden (Williams et al. 2011). Diese Ansätze fördern auf unterschiedliche Weise die Kooperation und Kollaboration zwischen Studierenden und sind oft Teil des didaktischen Konzepts.

2.4 Visualisierung in der Lehre Kreativität ist eine weitere gefragte Fähigkeit im 21. Jahrhundert (Fadel 2008), wobei Visualisierung das Denken über den Text hinaus, die Auseinandersetzung mit dem Kontext, fördert. Im Bereich der medizinischen Forschung und Lehre werden graphische Abstracts bereits häufig eingefordert. Der graphische Abstract soll die wesentlichen Ergebnisse des Papers abbilden2. An der medizinischen Universität Wien werden jährlich im Rahmen eines PhD Symposium die besten „Artworks“ ausgezeichnet (Medical University of Vienna 2019). Grafisch aufbereitete Abläufe und Anleitungen, auch in Form von Comics (Sousanis 2015a; Sousanis 2015b; Pauschenwein 2019a), stoßen bei Studierenden auf viel Zuspruch und motivieren sie, Aufgaben zu erledigen. Ohne über eine besondere Zeichenkompetenz zu verfügen, bereiten Lehrende Aufgabenstellungen oder auch den ganzen Syllabus im Format eines Comics auf und laden ihre Studierenden ein, Fachthemen in einem Comic darzustellen. Bei den Studierenden stößt dieser Zugang häufig auf positive Resonanz. Videos spielen eine immer wichtigere Rolle an Hochschulen. In Workshops setzen sich Lehrende mit der Erstellung eigener Videos auseinander. Auch Studierende können aufgefordert werden, eigene Videos zu erstellen. Ein best practice Beispiel im Sommersemester 2019 entwickelte Gerhild JanserMunro (FH Joanneum, o. J. a) in ihrer Lehrveranstaltung zu Präsentationen. Die Studierenden bereiten ihre Präsentation vor, üben diese und nehmen sie als

2Der

Verlag Elsevier fordert graphische Abstracts ein, siehe auch https://www.elsevier.com/ authors/journal-authors/graphical-abstract.

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Video auf. Anhand des von der Lehrenden entwickelten Rasters bewerten sie ihre Video-Präsentation selbst. Diese Reflexion wird der Lehrenden online abgegeben. Videoreflexion spielt auch im künstlerischen Einzelunterricht eine wesentliche Rolle (Heiden 2018). Bildhaft dargestellte Reflexionsprozesse, wie etwa die „Footprints of Emergence“ (Williams et al. 2012; Pauschenwein et al. 2013), fördern die ganzheitliche Erfassung von Lernszenarien und visualisieren das komplexe Zusammenspiel von Studierenden, Lehrenden und Lehrdesign (Pauschenwein 2014). Abb. 3 zeigt einen Footprint of Emergence, bei dem die Trainerin in den Clustern „Offenheit/Struktur“, „Interaktive Lernumgebung“, „Persönliche Entwicklung“ sowie „Eigener Stil“ jeweils anhand von vier Fragen ihren Umgang mit Kontrolle und Freiheit als Trainerin einer Online-Gruppe reflektiert (eigene Darstellung 2019). Jedes Cluster enthält vier Faktoren, wobei der Blick im Cluster „Offenheit/Struktur“ mit größerer Distanz auf das Lernszenario gerichtet wird. Geht man im Uhrzeigersinn weiter, so wird im nächsten Cluster die Untersuchung spezifischer, indem die Lernumgebung genauer analysiert wird. Im dritten Cluster geht es um die persönliche Entwicklung der Lernenden, im vierten wird sichtbar, inwieweit der eigene Stil eingebracht werden kann. Ein Footprint visualisiert die Balance zwischen Offenheit und Enge in einem Lernsetting. Um ein intuitives Ausfüllen des Footprints zu unterstützen, gibt es eine Ausfüllhilfe, die einzelne Faktoren grob umschreibt. Absichtlich sind Fragen zu den einzelnen Faktoren recht offen formuliert, um eigene Betrachtungen der Ausfüllenden

Abb. 3   Footprint of Emergence

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zuzulassen. Pro Faktor wird ein Punkt auf die grafische Vorlage gesetzt. Ganz innen, im blauen Bereich ist das Lernsetting vorgeschrieben und lässt keinen Spielraum zu. Gibt es in der Lernumgebung etwa nur einen Lernweg, so wird der Punkt bei dem Faktor „Viele Lernwege“ aus dem Cluster „Offenheit/Struktur“ weit innen gesetzt. Faktoren, bei denen der Punkt weiter außen gesetzt wurde, werden als offener, auch herausfordernder wahrgenommen. Diese intuitive Herangehensweise ermöglicht eine neue Sicht auf Lernerfahrungen, die danach in der Gruppe, mit den Lehrenden oder unter Kolleg*innen besprochen werden können.

2.5 Online-Lernräume und Materialien Die Verbindung von Online- und Offline-Aktivitäten und die Vielfalt an Inhalten und Interaktionen bildet sich auch im Online-Lernraum ab, für den Kerres (2017) die Metapher eines Ökosystems verwendet. In der digitalen Umwelt kommt es zu einem komplexen Zusammenspiel vieler Einflussgrößen, die selbst in einem dynamischen Wechselspiel stehen (Goldgruber und Pauschenwein 2015). Es gibt Wachstum und Veränderungen, andere Teile sterben ab. Die Entwicklung ist nicht linear beschreibbar, sondern ein emergenter Prozess. Akteur*innen in diesem „Ökosystem“ sind Lehrende/Trainer*innen und Lernende sowie die digitale Technik selbst, wie es Siemens bereits 2005 festhielt, als er Computerprogramme und Algorithmen als Akteur*innen in einem konnektivistischen Lernraum „Learning may reside in non-human appliance“ beschrieb. Ein Ökosystem, das Online-Lernprozesse und den Online-Austausch fördert, besteht nach Pauschenwein (2018) aus zumindest drei Bausteinen: 1) einer klassischen Lernplattform, wie etwa Moodle3, die die Struktur des Kurses oder Trainings abbildet; 2) einer mobilen, strukturierbaren Kommunikationsplattform für die asynchrone, also zeitversetzte, Kommunikation wie etwa Slack4 (Pauschenwein 2019b) sowie, 3) einer Videokonferenzsoftware, die synchrone, also zeitgleiche, Abstimmungsprozesse und Diskussionen ermöglicht und den sozialen Zusammenhalt durch Bild und Ton stärkt. Manche Lehrende sind bereit, ihre Lehrkonzepte und Lernmaterialien auch als Open Educational Resources (OER) einer breiteren Öffentlichkeit zur ­Verfügung

3https://moodle.org/ 4Slack

– https://slack.com/- ist ein web-basiertes Instant Messaging Werkzeug, dessen benutzerfreundliche Bedienungsoberfläche eine schlanke und effiziente Kommunikationsstruktur für Teams anbietet.

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zu stellen (Ebner et al. 2015). Um Materialien als offene Lernmaterialien (OER) sichtbar zu machen, kann die Creative Commons (CC) Lizenz verwendet werden. Die Organisation Creative Commons ist ein seit 2001 weltweit tätiger Verein, welcher Lizenzen entwickelt und frei zur Verfügung stellt. Im Weiteren sind einige Lizenzen (Creative Commons o. J.) angeführt. Materialien unter der CC BY Lizenz dürfen verwendet, verändert und veröffentlicht werden, sofern der Name des*der Urheber*in angegeben ist. Dies ist die freieste Lizenz und fördert die weiteste Verbreitung des Materials Materialien unter der Lizenz CC BY-SA (Share alike) dürfen verwendet und verändert werden, wenn der Name der Urheber*innen genannt wird und die weiterentwickelten Materialien wieder unter derselben Lizenz veröffentlicht werden Die CC BY-ND Lizenz erlaubt Weitergabe unter Namensnennung, die Bearbeitung ist jedoch ausgeschlossen Diese Lizenz CC BY-NC erlaubt die Weitergabe unter Namensnennung und zu nicht kommerziellen Zwecken. Möchte man auch festlegen, dass verändertes Material immer noch nicht zu kommerziellen Zwecken verwendet werden sollte, kann man „Share alike“ hinzufügen

Für den Hochschulbereich empfiehlt es sich jedoch, die OER-Materialien mit einer einfachen CC BY Lizenz zu versehen. Die Nutzung von Materialien mit unterschiedlichen CC Lizenzen ist schwierig, da die Frage nach der Lizenz des Endproduktes mitunter schwierig zu beantworten ist. Auch die Einschränkung der „nicht kommerziellen Nutzung“ kann sich als schwierig erweisen, weil rechtlich nicht klar geregelt ist, was das bedeutet – wenn etwa die Studierenden einen Studienbeitrag zahlen oder die Hochschule sich in privater Trägerschaft befindet5. In MOOCs (Massive Open Online Courses) können diese offenen Lerninhalte didaktisch aufbereitet werden, mit einer Wochenstruktur und mit Aufgabenstellungen für hunderte, tausende, zehntausende Lernende (Mackness 2016; Schön und Ebner 2018). In der iMOOX-Plattform6 machen Lehrende ihre Lehrveranstaltung öffentlich zugänglich, stellen die Inhalte als OER zur Verfügung und ermöglichen ihren Studierenden gemeinsame Lernprozesse über die eigene Hochschule hinaus. 5Martin

Ebner, Technische Universität Graz sprach im Rahmen eines Online-Gastvortrags in der Hochschuldidaktischen Weiterbildung (HDW2) über OER und die CC-Lizenzen. https://youtu.be/OZ9fktdeDIM. 6https://imoox.at/mooc/

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2.6 Die Makroebene: eine Qualifizierungsmaßnahme In ihrer Dissertation entwickelte Verena Gerner (2019) eine Qualifizierungsmaßnahme, in der das Potential digitaler Medien zur methodischen Gestaltung von Lehr-/Lernszenarien erfahrbar gemacht wurde, die digitale Kompetenz der Lernenden gefördert sowie digitale Werkzeuge für virtuelle Kommunikation und Zusammenarbeit, für Selbstverwaltung und Arbeitsorganisation und die eigene Weiterentwicklung geübt wurden. Literaturrecherche und Expert*inneninterviews dienten der Entwicklung des theoretischen Rahmens, das Qualifizierungskonzept selbst wurde in einem Bachelorstudiengang und einer hochschuldidaktischen Weiterbildung erprobt. Ihre Empfehlungen in Bezug auf die Rahmenbedingungen sind, mit einer kleinen, homogenen Gruppe zu arbeiten, die nötige Medienausstattung an der Hochschule zur Verfügung zu stellen sowie die Lernenden ihre eigenen Geräte nutzen zu lassen („Bring Your Own Device“). Zur Umsetzung ist es wichtig, die Offenheit der Teilnehmer*innen für digitale Medien/ IT zu fördern, für sie relevante Werkzeuge zu verwenden und die Anzahl an Werkzeugen, Kanälen und Arten an Lernmaterialien zu begrenzen. Im Umgang mit den Lernenden ist es wichtig, Raum zum Üben der Werkzeuge zu geben und zu unterstützen im Umgang mit der Technik. Dabei spielen Erfahrungsaustausch und Reflexion eine zentrale Rolle (Gerner 2019).

2.7 Digitalisierung in der medizinischen Lehre Im Rahmen des interprofessionellen Symposiums zu „Digitalen Kompetenzen in den Gesundheitsberufen“ setzt sich Sissel Guttormsen Schär (2019) mit Ausbildung und Digitalisierung auseinander. In ihrem Vortrag hält sie fest, dass Studierende eine Triebkraft der digitalen Transformation sind und dass Lehrende herausgefordert sind, die digitale Wende positiv für die Weiterentwicklung erprobter didaktischer Prinzipien zu nützen (Schär 2019). Sie spricht die begrenzte Kapazität an, Informationen aufzunehmen, und sie empfiehlt Informationen zu reduzieren und zu ordnen. Gerade im medizinischen Bereich gibt es überladene Simulationen mit zu vielen Fachbegriffen, Kodierungen, zu komplexen Inhalten, die oft zusätzlich dynamisch dargestellt sind. Dies können die Studierenden nicht mehr aufnehmen. Sie plädiert dafür, die Aufmerksamkeit der Studierenden beim Inhalt zu lassen und nicht für Tools und komplexe Visualisierungen zu vergeuden. Die Art der Interaktion mit den digitalen Medien hat Auswirkungen auf die Lernstrategie. Eine Vergleichsstudie ergab etwa, dass Lernen mit Videos am besten funktioniert, wenn zusätzliche Hinweise per Text

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gegeben werden (Schmitz et al. 2018 zitiert nach Schär 2019). Ihr Fazit ist, die neuen Möglichkeiten durch Digitalisierung in der medizinischen Lehre zu fördern, aber konservativ umzusetzen.

2.8 Studieneingang im Masterstudiengang ContentStrategie Die Studierenden im berufsbegleitenden Masterstudiengang Content-Strategie (COS; FH Joanneum o. J. b) sind durch ihren beruflichen Hintergrund medienaffin. Die e-didaktische Konzeption der Lehre mit großen Online-Teilen orientiert sich an den in 2.1 bis und 2.3 herausgearbeiteten Empfehlungen. Das Studium beginnt mit einer vierwöchigen Online-Phase, in der die Bildung der Online-Gruppe unterstützt wird und die Studierenden Zeit haben, die im Studiengang verwendeten Werkzeuge zu erlernen. Die Online-Kommunikation läuft über Slack ab, die Syllabi und Online-Aufgaben sind in Trello7 abgebildet, für Videokonferenzen wird Zoom8 verwendet. Als Literaturverwaltungssystem kommt Zotero9 zum Einsatz, Projekt- und Masterarbeiten werden in der hochschuleigenen Lernplattform Moodle abgegeben (Wittenbrink und Pauschenwein 2019). Sind die Studierenden gut genug in der Online-Gruppe angekommen und sind sie in der Lage die nötigen Werkzeuge selbstständig zu nutzen, kann sich ihre Aufmerksamkeit auf die Lerninhalte selbst richten.

3 Supporteinrichtungen für E-Learning an Hochschulen Um Online-Lehre didaktisch und technisch zu unterstützen, gibt es an vielen Hochschulen eine unterstützende Organisationseinheit. Bereits 2013 prägte Euler den Begriff der „pädagogischen Hochschulentwicklung“ und setzt damit Pädagogik bzw. Didaktik in Bezug zur Hochschule selbst. 2016 schrieben Arnold und ihre Kolleg*innen, dass die zunehmende Digitalisierung von Hochschulprozessen und die Zunahme von E-Learning die Hochschuldidaktik aufwertet und

7Die

Projektmanagement Software https://trello.com/ermöglicht die Darstellung der Aufgaben im Semester. 8https://zoom.us/ 9https://www.zotero.org/

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sie mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Im Verständnis der Autor*innen umfasst Hochschuldidaktik auch die organisationale Hochschulentwicklung. „Im Sinn einer vernetzten Hochschulentwicklung gilt es passende Strukturen an der Hochschule für eine professionalisierte Hochschuldidaktik zu schaffen“ (Arnold et al. 2016, S. 146).

3.1 Supporteinrichtungen im Third Space An den Hochschulen bildete sich in den letzten Jahren/Jahrzehnten neben dem akademischen und dem administrativen Bereich ein weiterer Bereich heraus. Wissenschaftler*innen widmen sich ihrem Kerngeschäft Forschung und Lehre und werden dabei vom administrativen Personal unterstützt, welches sich um die Verwaltungsaufgaben wie Facility Management, Personalmanagement, Finanzen, IT Services und Ähnliches kümmert. Bereiche, die ein forschungsgeleitetes Service anbieten, werden von Whitchurch (2008) als „Third Space“ bezeichnet. Third Space Einrichtung in der Hochschule sind etwa das Forschungsservice, die Bibliothek sowie Abteilungen für Qualitätsmanagement, für Hochschuldidaktik, für E-Learning und für Internationale Beziehungen. Mitarbeiter*innen im Third Space sind nach Salden (2013) wissenschaftlich gebildete und reflektiert arbeitende Hochschulbedienstete, die sowohl über Fachkompetenzen verfügen, als auch über die Fähigkeiten, zu analysieren, zu beraten, zu vermitteln, Inhalte zwischen unterschiedlichen Statusgruppen zu übersetzen und in einer großen Organisation politisch zu handeln. Eine eigene wissenschaftliche Tätigkeit kann erwünscht sein oder geduldet werden. Mitarbeiter*innen von E-Learning Supporteinrichtungen müssen sich diesen Herausforderungen stellen. In ihrer Analyse der Services des E-Learning Centers der Hochschule München halten Arnold et al. (2015) fest, dass das Angebot von Coaching, Beratungen und Schulungsmaßnahmen in Bezug auf die Steigerung der Lehrkompetenz eine komplexe Herausforderung für eine Einheit des Third Space zwischen Wissenschaft und Verwaltung ist.

3.2 Wie ist nun das Selbstverständnis von Supporteinrichtungen? Um dieser Frage nachzugehen, werden beispielhaft einige österreichische Einrichtungen präsentiert, wobei sich die Autorin an der Darstellung der Einrichtung im Web orientiert und ihre persönlichen Erfahrungen aus Kooperationen mit diesen Zentren einfließen lässt.

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Zentrum für digitales Lehren und Lernen der Universität Graz10  Dieses Zentrum bezeichnet sich selbst als Third-Space-Einrichtung, die sowohl Lehrenden als auch Studierenden Serviceleistungen für den didaktisch motivierten Einsatz von Lehr-/Lerntechnologien bietet und strategische Maßnahmen im E-LearningBereich entwickelt. Das Team des Zentrums erforscht innovative Methoden und Technologien in Entwicklungspartnerschaften und Projekten, um die Zielgruppe kompetent zu beraten und zu unterstützen. Lehr- und Lerntechnologien an der Technischen Universität Graz11  An dieser Universität soll der Einsatz von Lehr- und Lerntechnologien die Präsenzlehre bereichern, mit dem Ziel, die Lehre mit Medien attraktiver zu gestalten, die Kommunikation zu verbessern, Materialien mehrmals nutzbar zu machen (Nachhaltigkeit) und eine Lehr- und Lerngemeinschaft in der Informationsgesellschaft von morgen zu ermöglichen. Das Team unterstützt beim Angebot an digitalen Lehr/Lernumgebungen, Lehr/Lernressourcen, bei Qualifizierungsmaßnahmen und Kompetenzentwicklung, nimmt an hochschulübergreifenden Kooperationen teil und forscht zu den technischen Aspekten von E-Learning. Service- und Kompetenzzentrum für innovatives Lehren & Lernen der FH St. Pölten12  Bei diesem Zentrum, kurz SKILL genannt, laufen die Themenbereiche „Lehren und Lernen“ an der FH St. Pölten zusammen. Durch Information, Qualifizierung und Beratung der Lehrenden setzt SKILL kontinuierlich Impulse sowohl für die Fachbereiche und Studiengänge in der Curriculum-Entwicklung als auch für die Konzeption und Umsetzung innovativer Lehr- und Lernszenarien. Darüber hinaus wird auch eine strategische Beratung zu Themen der Lehrentwicklung für die Kollegiumsleitung angeboten. Center for Teaching and Learning (CTL) an der Universität Wien13  Das „Center for Teaching and Learning“ unterstützt strategisch bei Studienprogrammen und Curricula-Entwicklung und verfolgt das Ziel, die Qualität der Lehre kontinuierlich zu steigern. Es entwickelt Maßnahmen zur Professionalisierung

10https://www.uni-graz.at/de/lehren/services/e-learning/zentrum-fuer-digitales-lehren-und-

lernen/ 11https://www.tugraz.at/oe/lehr-und-lerntechnologien/home/ 12https://www.fhstp.ac.at/de/campus/innovatives-lehren-und-lernen/innovatives-lehren-und-

lernen 13https://slw.univie.ac.at/wir-ueber-uns/center-for-teaching-and-learning/

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von Lehrkompetenz. E-Learning Angebote unterstützen im Umgang mit großen Studierendengruppen, etwa durch die Qualifizierung von Tutor*innen oder Unterstützung bei Multiple-Choice-Prüfungen in Großlehrveranstaltungen. ZML-Innovative Lernszenarien an der FH Joanneum14  Das als Dienstleistungsabteilung bezeichnete ZML ist eine typische Third Space-Einrichtung. Sein Team ist in Forschungsprojekten aktiv, entwickelt (e-)didaktische Weiterbildungsangebote (FH Joanneum 2020a) und unterstützt die Mitarbeiter*innen der eigenen Hochschule, wobei ein spezieller Fokus auf den berufsbegleitenden Studienangeboten liegt. Moderator*innen des ZML betreuen in der Hochschuldidaktischen Weiterbildung15 der FH Joanneum (HDW) die jeweilige OnlineGruppe (Pauschenwein et al. 2014). In dem von der Autorin entwickelten optionalen HDW-Modul zum Thema „Online Teaching“ geht es um das Design von Lernräumen, die Erweiterung des eigenen Methodenkoffers, die Erprobung innovativer, didaktischer Ansätze anhand von Online-Experimenten sowie der Auseinandersetzung mit Literatur und Praxisbeispielen im Rahmen von OnlineSessions.

4 Good practice: Der Virtuelle Campus der FH JOANNEUM In diesem Kapitel wird der Support der Online-Lehre an der FH Joanneum in größerem Detail dargestellt. Das interne Projekt „Virtueller Campus (VC)“ gibt es bereits seit 1998. Als 3-Jahresprojekt wird alle drei Jahre das Erreichte kritisch reflektiert und der nächste Projektzyklus geplant. Der Virtuelle Campus wird operativ von einer ZML-Mitarbeiterin gemanagt, die ZML-Teammitglieder bringen ihre Erfahrungen aus Projekten, Weiterbildungen und Lehre in den VC ein. Die Auseinandersetzung mit Forschungsthemen – aktuell sind dies Design von Lernräumen, Kompetenzaufbau und Vernetzung, MOOCs, Visualisierung und spielebasierte Didaktik – gewährleistet, dass sich die Mitarbeiter*innen in Bezug auf Trends und wissenschaftliche Literatur up-to-date halten. Häufig überlappen sich die eigenen Interessensgebiete mit der Arbeit in Projekten und so fließen auch die Erfahrungen aus privaten Weiterbildungen in den Kompetenzaufbau ein.

14https://fh-joanneum.at/zml 15https://www.fh-joanneum.at/weiterbildung/hochschuldidaktik/

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4.1 Strategische Planung und Vernetzung Das Service im „Virtuellen Campus“ wird kontinuierlich und auf unterschiedlichen Ebenen mit den Stakeholdern – Geschäftsführung, Kollegium, Studiengangsleitungen, Lehrenden und Studierenden – abgestimmt. Die Abstimmung mit der Geschäftsführung dient der groben Ausrichtung gemäß der Gesamtstrategie des Hauses. In einer eigenen Arbeitsgruppe wird mehrmals pro Jahr das zentrale Service mit dem Kollegium besprochen, wobei es um Trends, Ergebnisse aus themenbasierten Kooperationen, Planung zukünftiger Aktivitäten und Ähnlichem geht. In Departments- oder Studiengangssitzungen werden konkretere Unterstützungsaktivitäten besprochen und geplant. Darüber hinaus gibt es individuelle Kooperationen mit einzelnen Lehrenden zu ausgewählten Themen. Die interne Vernetzung der ZML-Mitarbeiter*innen ist für das Wahrnehmen des Bedarfs aus den Studien- und Lehrgängen und für die Kommunikation über neue Trends und Möglichkeiten von großer Bedeutung. Qualitätssicherung ist ein wichtiger Baustein im VC. Die entwickelten Schulungsmaßnahmen und die jährliche E-Learning Konferenz werden kontinuierlich mittels Fragebögen durch die Teilnehmer*innen evaluiert. Eine umfassende Evaluierung der technischen E-Learning Infrastruktur und des Supports im Allgemeinen findet in einer Periode von ca. drei Jahren.

4.2 E-Learning Infrastruktur und Support Das ZML-Team ist für den technischen und didaktischen Support zuständig. Die Plattform Moodle wird in eigenen Instanzen für Lehrveranstaltungen, Online-Prüfungen und Projekte bereitgestellt (FH Joanneum 2019a). Fast alle Studiengänge nutzen dieses zentrale Angebot. Nach dem Lifecycle für Lehrveranstaltungen werden zu Sommerbeginn zwei neue Instanzen für den Unterricht und die Online-Prüfungen mit der neuesten Moodle-Version für das kommende Studienjahr implementiert. Die vergangenen Studienjahre sind im Archiv weiter verfügbar. Support beim Einsatz der Plattform kann über den Helpdesk der Hochschule oder direkt per Mail angefragt werden. Eine weitere Möglichkeit, das Service des VC zu nutzen, bietet der Moodle Kurs „Helpcenter“. Hier können Lehrende auf wichtige Informationen, aktuelle Unterlagen zum Downloaden und ein FAQForum zugreifen. Die Software Skype for Business steht für die Online-Lehre zur Verfügung, Lehrende werden bei seiner Nutzung unterstützt. Das technische

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und didaktische Know-how des ZML-Teams steht auch in Form von Videos zur Verfügung, etwa die Moodle – Tipps&Tricks (ZML – Innovative Lernszenarien 2019) oder die E-Learning Box (ZML – Innovative Lernszenarien 2018) mit didaktischen Anregungen. Geht es um die Integration von Online-Elementen in der Lehre oder der Abbildung einer Lehrveranstaltung in der Lernplattform, nützen die Kolleg*innen gerne individuelle Beratungstermine oder besuchen Weiterbildungsmaßnahmen. In den monatlichen „Technisch-Didaktischen (TeDi)-Basics Schulungen“ erwerben die Teilnehmer*innen Kenntnisse über Nutzung der Plattform sowie ihre Einbettung in die technische Infrastruktur und über die Abläufe hinter der Plattform. Vertiefte TeDi Schulungen gibt es zu einzelnen Moodle-Werkzeugen, wie Peer Review, Tests, Lektionen, WIKI und Forum. Die speziellen Schulungen werden zweimal im Semester angeboten. Jährlich wird eine weitere TeDi Schulung entwickelt. Auf Anfrage werden spezielle didaktische Konzepte, die meist in Projekten entwickelt und erprobt wurden, in Kooperation mit Kolleg*innen für die Bedürfnisse einzelner Studiengänge angepasst. Darüber hinaus werden ausgehend von den Bedürfnissen einzelner Studiengänge didaktische Konzepte entwickelt, derzeit etwa in Bezug auf E-Learning für große Gruppen für den Studiengang „Gesundheits- und Krankenpflege“. Studierende erhalten bei Studienbeginn eine Einführung in Moodle, die entweder betreut vor Ort oder als Selbstlernaktivität angeboten wird. Über das Schulungsformat entscheiden die Studiengangsleitungen. Im Herbst 2018 wurden 800 Studierende vor Ort betreut. Im „Lernen lernen Workshop“ für Studierende setzen sich Studierende mit Lernmethoden, auch via Apps, sowie mit dem eigenen Lernmanagement auseinandersetzen. Berufsbegleitende Studiengänge werden vom ZML-Team bereits in der Antragsphase unterstützt, um die Online-Lehre gut im Curriculum zu verankern. Expert*innen des ZML unterstützen die Studiengänge bei der strategischen Planung und der Integration von didaktischen Methoden.

4.3 Weiterbildung und Öffentlichkeitsarbeit Das Wissen aus Projekten, der Forschung, den didaktischen Experimenten, den individuellen Lernerfahrungen in Online-Räumen und der Wahrnehmung und Beschäftigung mit Trends bildet die Basis für die Entwicklung von Weiterbildungsmaßnahmen des ZML. Online-Kurse finanzieren sich dabei über Teilnehmer*innenbeiträge. Workshops zu Themen der (Online-)Didaktik

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richten sich an die Lehrenden der FH Joanneum, sind jedoch auch für andere Interessierte frei zugänglich, um Vernetzung im weiteren Rahmen zu ermöglichen. Als Beispiel für einen Online-Kurs sei der vierwöchige Kurs zur E-Moderation genannt. Er beruht auf dem Originalkurs, der von Gilly Salmon entwickelt wurde. Er ist auch Teil der eDidactics-Ausbildung (eDidactics 2020) im Rahmen des Netzwerks der Steirischen Hochschulen. Zur Didaktik-Werkstatt (Science Space Styria 2020), einem gemeinsam entwickelten und durchgeführten Schulungsangebot der steirischen Hochschulen, trägt das ZML durch eine abschließende, dreiwöchige Online-Phase bei, in der das in den Workshops Gelernte reflektiert wird, die Teilnehmer*innen sich über die Hochschulen hinweg vernetzen und gemeinsam an konkreten Konzepten für den Transfer in die eigene Lehre arbeiten. Im Juni 2019 nahmen mehr als 50 Lehrende von steirischen Hochschulen an dieser Online-Phase teil. Themen der halbtätigen Workshops sind etwa die Auseinandersetzung mit Motivationstheorien (FH Joanneum 2019b) oder Schöns Ansatz (1983, 1987) der Reflection-in-Action (FH Joanneum 2018). Stark nachgefragt wurden in den letzten Jahren die Workshops zum Einsatz von Comics in der Lehre; hier wurden mittlerweile ein Einstiegsworkshop (FH Joanneum 2019c) und ein Workshop für Fortgeschrittene (FH Joanneum 2020b) entwickelt. In den Workshops folgen nach dem theoretischen Einstieg praktische Anwendungen sowie die Generierung von Ideen für den Transfer in die eigene Unterrichtspraxis. Im April 2020 wurden diese Workshop recht unproblematisch zu Online-Workshops umgewandelt. Seit 2001 organisiert das ZML-Team einen E-Learning Tag (FH Joanneum 2020c), in den letzten Jahren in Kooperation mit einem der Studiengänge der FH Joanneum. Die Konferenzteilnahme ist offen und gratis zugänglich und richtet sich an Unterrichtende und Trainer*innen von Universitäten, Schulen und Unternehmen. Die Ergebnisse der Konferenz werden auszugsweise im jeweiligen Tagungsband zusammengefasst (FH Joanneum 2019d). Jedes Quartal wird ein Newsletter ausgesendet, der über E-Learning Neuigkeiten an der FH Joanneum und über das kommende Schulungsangebot informiert.

5 Schlussfolgerung und Ausblick Im Weiteren wurden Supportorganisationen zur (E-)Didaktik beschrieben und der Virtuelle Campus der FH Joanneum näher dargestellt. Die Arbeit an einer Third Space Abteilung zwischen Forschung, Lehre und Verwaltung ist herausfordernd und oft schwierig, wenn die Rahmenbedingungen zu eng gesteckt und

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die Aufgabenstellungen komplex sind. In der Hochschuldidaktik Tätige können viele Rollen einnehmen, als Weiterbildner*in und Trainer*in, Berater*in und Coach, Netzwerker*in, Organisationsentwickler*in, Bildungs- und Programmmanager*in, Forscher*in sowie Leiter*in einer hochschuldidaktischen Einrichtung (Scholkmann et al. 2018). Die Teammitglieder einer Supporteinrichtung unterstützen viele engagierte Lehrende. Der Austausch mit ihnen sowie das Feedback nach der Umsetzung der erarbeiteten didaktischen Konzepte sind interessant und emotional bereichernd. Die kontinuierliche Qualitätssicherung des Service durch Evaluierung und Weiterentwicklung sind maßgeblich für die Weiterentwicklung der Lehre an der Hochschule. Doch was benötigt es, um Innovation in die Lehre zu bringen? Jütte et al. (2017) setzen sich mit dieser Frage intensiv auseinander und entwickelten ein Forschungsprojekt, in dem Projektanträge für Innovation in der Lehre einer Dokumentenanalyse unterzogen sowie qualitative Interviews mit Lehrenden und eine quantitative Studierendenbefragung durchgeführt wurden. Das Ziel war es, Lehrinnovationen multiperspektivisch und multimethodisch zu betrachten. Sie fanden heraus, dass innovative Lehre kontextgebunden ist, sich am Bedarf orientiert und in Abhängigkeit zu Fachdisziplin, Hochschultypus und Studienganggröße steht. Lehrende, die Neues in ihrer Lehre ausprobieren möchten, brauchen intermediäre Einrichtungen, Servicestellen und einen unterstützenden informellen Austausch. Befristete Drittmittelförderung kann Innovation vorantreiben, allerdings werden innovative Lehrprojekte selten nachhaltig implementiert. Der organisationale Handlungskontext zeigte sich in allen Teilstudien als wichtig für Lehrinnovationen, welche teilweise auch die Veränderung organisationaler und fachdisziplinärer Strukturen benötigen (Jütte et al. 2017). Moderne Lehre muss Digitales einschließen, weil heutige Studierende auf diese Art auch lernen möchten und viele von ihnen die zeitliche und örtliche Flexibilität in ihren jeweiligen Lebensumständen benötigen. Lernaufgaben müssen divers werden und zulassen, dass die Studierenden sie passend zu ihren Lebensumständen, ihren Kompetenzen und ihrem Interesse bearbeiten können. Die Hochschullehre muss sich öffnen, um Raum zu geben für kreative Prozesse, einen kritischen Diskurs, Kollaboration und Kommunikation auch über die Hochschule hinaus. Dem Trend, Hochschullehre zu verschulen, immer mehr zu kontrollieren und zu objektivieren, muss mit einer offenen Didaktik begegnet werden. In Online-Lernprozessen können die Lehrenden in der Rolle als E-Moderator*innen die Studierendenaktivitäten beobachten, ohne aktiv einzugreifen und Studierende individuell coachen. Um die Hochschullehre in diese Richtung weiterzuentwickeln ist es nötig, die Online-Lehre bereits bei der Entwicklung der Curricula maßgeblich zu berücksichtigen.

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Seit März 2020 wird an österreichischen Hochschulen ausschließlich online unterrichtet. Die „Corona-Krise“ fördert die disruptive Innovation in der Hochschullehre. Es ist zu hoffen, dass die didaktische Weiterentwicklung auch in Zukunft einen angemessenen Platz bekommt.

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Weiterführende Literaturempfehlungen Am OER-Blog des ZML werden Lernmaterialien und Konzepte zu den Schwerpunkten der Serviceabteilung ZML-Innovative Lernszenarien der FH Joanneum als offene Ressourcen zur Verfügung gestellt. Es empfiehlt sich dort von Zeit zu Zeit nachzusehen, was es an neuen Materialien gibt. https://oer.fh-joanneum.at/zml. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, c/o Verein Forum neue Medien in der Lehre Austria. https://www.zfhe.at/index.php/zfhe/issue/archive.