Grundbegriffe der Architektur: Das Vokabular räumlicher Situationen 9783034608848, 9783034612456

Dictionary of architectural experience Architecture is an experience – with the intellect and with all our senses, in

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German Pages 396 Year 2013

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Grundbegriffe der Architektur: Das Vokabular räumlicher Situationen
 9783034608848, 9783034612456

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Grundbegriffe der Architektur

Alban Janson Florian Tigges

Grundbegriffe der Architektur

Das Vokabular räumlicher Situationen

Birkhäuser . Basel

Der Architektur von Balthasar Neumanns Treppenhaus im Schloss von Bruchsal wird man allein durch eine Beschreibung von Formen, Maßen, Konstruktion und Materialien nicht gerecht. Auch in der treffendsten Schilderung der Baugeschichte, des Kontextes, der ursprünglichen und aktuellen Nutzung verfehlt man das spezifisch Architektonische, solange nicht bedacht wird, wie man diese Architektur als konkrete Situation erlebt: Die erste Annäherung führt ins Dunkel, zugleich aber bietet sich als Alternative zur Höhlenatmosphäre unten der Anstieg rechts und links an, vom Licht nach oben geleitet, zwischen dunklem Abgrund und hellem Außenlicht zunächst fast tänzerisch ausschwingend, noch ohne zu zeigen, wohin er führt. Schließlich schwingt die Bewegung wieder ein, und man erreicht am Ende eine ovale Plattform mitten im Raum, abgelöst von den Wänden, ohne deren Halt und von der geheimnisvoll erhellten farbigen Himmelsdarstellung an der Decke überwölbt, dem Gegenpol zur dunklen Höhle darunter. Das Architektonische der Architektur, um das es hier geht, betrifft die Artikulation aller denkbaren räumlichen Verhältnisse durch architektonische Mittel. Weder in technischer noch in formaler Hinsicht ist die Herstellung von Objekten die Hauptaufgabe der Architektur, sondern sie hat vor allem für den Aufenthalt an unterschiedlichen Orten, für Bewegung und Handeln angemessene räumliche Situationen zu schaffen. Die entscheidende Rolle spielt dabei die Wechselwirkung zwischen den räumlichen Eigenschaften baulicher Elemente und den Bedingungen, unter denen sie wahrgenommen, gebraucht und erlebt werden.

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Die Grundbegriffe der Architektur erfassen diese architektonischen Situationen nicht aus der Perspektive des Entwurfs, sondern aus der des Erlebens. Denn auch im architektonischen Entwurf ist als Wichtigstes zu berücksichtigen, wie die Menschen die Architektur erleben, die für sie entworfen wird. Die einzelnen Grundbegriffe verweisen in erster Linie weder auf einen konstruktiven Zusammenhang, auch wenn darin etwa „Dach“, „Sockel“ oder „Wand“ vorkommen, noch stellen sie eine kunstwissenschaftliche Bauformenlehre dar, auch wenn „Achse“, „Enfilade“ und „Proportion“ behandelt werden, genauso wenig ist ihre historische Begründung in der Architekturgeschichte beabsichtigt. Und sie werden schließlich auch nicht im Sinne einer breiten soziokulturellen Bedeutung verallgemeinert. Vielmehr steht die konkrete architektonische Erscheinung im Vordergrund, indem die Beschreibung sich auf den situativen Gehalt des jeweiligen Begriffs in enger Fühlung mit der konkreten baulich-räumlichen Gestalt konzentriert. Die Grundbegriffe der Architektur bieten keine wissenschaftlichen Definitionen oder Handbuchwissen im herkömmlichen Sinn, sondern laden zum Nachvollzug in der gebauten Wirklichkeit ein. Dem Leser soll anhand der Beobachtung von architektonischen Situationen unter Maßgabe der Grundbegriffe ein Instrument der Ausrichtung, Sensibilisierung und Ausweitung seiner Wahrnehmung an die Hand gegeben werden, das es ihm ermöglicht, die in den Grundbegriffen geronnenen Erfahrungen im konkreten Architekturerlebnis nachzuvollziehen. Dass der Inhalt dieser Begriffe nur unter Berücksichtigung des subjektiven Erlebens adäquat erfasst werden kann, bedeutet nicht, dass sie nur individuelle Gültigkeit hätten. Sobald subjektive Wahrnehmungen, Erlebnisse und Erfahrungen präzise und verständlich beschrieben werden, sind sie prinzipiell für jeden überprüfbar, der sich den angegebenen Bedingungen aussetzt. Mit Josef König könnte man hinzufügen: Dass solche Aussagen „unmittelbar als treffend“

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empfunden werden, kann nicht bewiesen, sondern nur im gegebenen Fall anerkannt werden (1957, 284). Es wäre jedenfalls eine sträfliche Vernachlässigung wesentlicher Merkmale von Architektur, wollte man sich bei deren Beschreibung auf die mess- und zählbaren, vermeintlich objektiven Fakten beschränken, man würde das Beste, was Architektur zu bieten hat, ausschließen. Denn unsere Befindlichkeit hängt von Bedeutung und geistiger Beanspruchung durch die physische Umwelt, von Anmutungen und Atmosphären mindestens ebenso ab wie von „Straßenspülung“ und „Haustürschlüssel“ (Karl Kraus), auch wenn uns für Erstere oft die Begriffe fehlen. Die präzise und ausführliche Beschreibung von Phänomenen des architektonischen Erlebens übersteigt allerdings in der Regel das Maß an differenzierter Aufmerksamkeit, das ein Architekturkonsument in der gewöhnlich beiläufigen Wahrnehmung aufbringt. Da für ihn aber die unterschwellige Wirkung genauso entscheidend ist, müssen Architekten, die für die Erzeugung dieser Phänomene verantwortlich sind, deren Wirkmechanismen genau kennen. Für die Nebendisziplinen der Architektur wie Bautechnologie, Bau- und Kunstgeschichte, Baurecht oder Planungstheorie gibt es kodifizierte Begriffsbestimmungen von großer Genauigkeit. Ungleich schwieriger scheint es zu sein, für die Verständigung im Kerngebiet der Architektur, die oft unpräzise und klischeehaft bleibt, begriffliche Klarheit zu schaffen. Was eine Dampfsperre, ein Wimperg oder eine Baunutzungsverordnung ist, scheint eindeutig bestimmbar. Viel schwerer ist es, begrifflich klar zu fassen, was räumliche > Gestik ist oder was eine räumliche > Sequenz ausmacht. Tatsächlich lässt sich das Spezifische architektonischer Situationen weniger durch eine technische oder formale, historische oder planungstheoretische Begrifflichkeit erfassen als durch ihre phänomenologische Beschreibung, auf die sich die Grundbegriffe der Architektur hier stützen. Auch wenn diese Grundbegriffe nicht den Anspruch eines vollständigen, in sich geschlossenen Begriffssystems erheben,

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stellt gerade die Form des Wörterbuchs mit ihrer hypertextuellen Verweisstruktur dar, wie ein Begriff nicht nur innerhalb eines Lemmas definiert wird, sondern sein Profil gerade auch durch Aufzeigen von Differenzen und Anschlussmöglichkeiten im Verweis auf andere Begriffe gewinnt. Durch den komplexen und damit eng verwobenen Zusammenhang bildet sich so die Struktur eines Begriffsnetzes heraus, in dem das Wesentliche des Architekturerlebnisses eingefangen werden kann. Wie man Architektur erlebt, kann beschrieben, aber nur bedingt durch Abbildungen illustriert werden. Die beigegebenen Skizzen zeigen daher im Wesentlichen nur einige bauliche Randbedingungen exemplarisch auf.

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Abschirmung

Das Wechselspiel von Trennung und Verbindung zwischen Räumen ist für die Architektur konstitutiv und wird in der Abschirmung konkret. Es umfasst zwei komplementäre Teilvorgänge, die Möglichkeit, hineinzugehen und herauszukommen. Das setzt die Abgrenzung zwischen verschiedenen Räumen voraus und zugleich die Möglichkeit, die Grenze zu überwinden. Dieser in der Abschirmung aufgehobene Gegensatz von Trennen und Verbinden betrifft vor allem die Beziehung zwischen > innen und außen und lässt sich auf einen der Urakte der Architektur zurückführen, die Eingrenzung eines menschlichen Erfahrungsraums durch eine Hülle und dessen Ausgrenzung aus dem räumlichen Kontinuum des Naturraums. Generell zeigt sich das Phänomen aber auch in der Beziehung zwischen jeder Art von Räumen und Raumteilen, die sich graduell gegeneinander abschließen oder öffnen. Nicht nur die Raumhülle wird als Abschirmung wirksam, auch Einfriedungen verschiedenster Art, ebenso > Schwellen, Stufen oder Grenzlinien, die überschritten werden. Die Abschirmung eines > Territoriums kann weich und fließend sein, sich z. B. nur durch eine verschliffene Niveaudifferenz abzeichnen, in einer subtilen Zonierung durch Licht und Schatten oder Materialwechsel, in extremen Fällen sogar nur als Klang- oder Klimainsel. Das architektonische Mittel der Abschirmung ist jedoch in erster Linie die > Wand mit > Öffnungen. Wände, als geschlossene vertikale Flächen, bilden für unsere Bewegung und unsere Wahrnehmung zunächst Hindernisse, sie trennen den Raum, in dem wir uns befinden, von einem äußeren Raum, unseren aktuellen Aufenthaltsbereich von einem zunächst nicht zugänglichen Bereich. Was wir als Wand identifizieren, hat gewöhnlich eine Rückseite, verweist damit auf den anderen Raum und verbindet so bereits durch die Zweiseitigkeit beide Bereiche. Vor allem aber im Zusammenspiel mit Öffnungen, wie > Tür und Tor oder > Fenster, zeigt die Wand ihre Ambivalenz von Trennung und Verbindung. In Abhängigkeit von Konstruktion und Material bestimmen unterschiedliche

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Grade an Durchlässigkeit für Blicke, Licht, Schall oder Bewegung in verschiedenen Kombinationen ihre Funktion als kommunikativer > Filter. Auf einer Skala von hermetischer > Geschlossenheit bis zu weitgehender Offenheit lassen sich die Anforderungen an Schutz etwa vor widrigem Klima, Licht oder Geräuschen, Sicherung der Privatheit oder Wehrhaftigkeit auf der einen Seite mit dem Bedürfnis nach Ausblick, Kontakt und Selbstdarstellung auf der anderen in unterschiedlichen Anteilen des Trennenden und des Verbindenden gegeneinander ausbalancieren. Die trennend-verbindende Doppelfunktion der Abschirmung ermöglicht schließlich auch das szenische oder voyeuristische Wechselspiel von Verhüllen und Sehenlassen oder Vorenthalten und Zeigen (> Szene). An Dingen oder Personen, die hinter der abschirmenden Wand nur partiell oder als Andeutung wahrgenommen werden, haftet häufig der Reiz des Verborgenen. Ihr Sichtbarwerden oder Hervortreten durch die Durchlässigkeit oder Öffnung der Wand wird dann zur Enthüllung oder zum > Auftritt, unterstützt durch die emblematische Wirkung der vom umgebenden Wandfeld gerahmten Öffnung. Literatur: Baecker 1990; Feldtkeller 1989

Abstoßung

> Feld, Formcharakter, Körper (architektonischer), Konkavität

Abstrahlung

und Konvexität, Kräftefeld, Raumschatten, Zirkulieren > Formcharakter, Kräftefeld, Raumschatten

Achse

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Sind Räume oder Baumassen auf beiden Seiten einer zentralen geraden Ordnungslinie aufgereiht, die in der Regel durch ein Anfangselement und/oder durch ein abschließendes Hauptelement markiert ist, bezeichnet man die Linie als Achse und die Markierung ihrer Enden als Pole. Das Organisationsprinzip der axialen Anlage erzielt sowohl im Gebäudemaßstab als auch im städtebaulichen Kontext durch die Strenge der

Korrespondenz von Anfangspunkt und entferntem Endpunkt und der symmetrischen Anordnung der flankierenden Elemente eine dominante ordnende Wirkung, der sich selbst einzelne Unregelmäßigkeiten der aufgereihten Räume oder Häuser unterordnen. Sie wird unterstützt durch die Ausformung der Achse selbst, sowohl durch Freihalten von Räumen oder Flächen als auch durch Betonung, z. B. in Form von Säulenreihen, Alleen, Wasserflächen oder eines homogenen Feldes, das von der Achse durchlaufen wird. Die Pole werden mit besonderen Raumeigenschaften, Objekten oder Gebäuden betont. Anfangspunkt und weit entfernter Endpunkt werden durch den Gegensatz von Zusammengehörigkeit und zugleich vorhandener Distanz einer räumlichen Spannung ausgesetzt. Durch das Freiräumen der Achse und die Bindung an ein Ziel wird die schrittweise Annäherung zu einer inszenatorisch aufgeladenen Bewegungsbahn mit allmählicher Bedeutungszunahme des Zielpunkts. Das Prinzip wurde mit seiner Tendenz zu monumentaler Wirkung, dem Hierarchiegefälle von den begleitenden Flanken zu den beherrschenden Polen und dem auf ganzer Länge erfahrbaren allmählichen Entfernungs- oder Annäherungsprozess vielfach als Steigerungsmittel der räumlichen Bewegung innerhalb religiöser oder politischer Inszenierungen eingesetzt (> Monument). Im Städtebau ermöglicht es das axiale Prinzip, besondere räumliche Beziehungen herzustellen. Sieht man in den Polen Zielpunkte, dann dienen die Achsenbezüge in der Stadt, wie etwa im Barock, der weiträumigen Organisation von Räumen und > Wegen oder der > Orientierung und Wegeführung zu wichtigen Orten. Als regionale Vernetzung greifen sie über die Stadt hinaus. Eine ähnliche Wirkung hat die Sichtachse für die Landschaftsarchitektur, etwa im englischen Landschaftspark. Hier wird durch plötzliches Sichtbarwerden weit entfernter Objekte ein dramaturgisches Netz unerwarteter, doch wohlkalkulierter Verbindungen über den naturartig unregelmäßig erscheinenden Park gespannt.

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Der Begriff der „Achse“ hat daneben verschiedene andere Bedeutungen: Von der durch Pole aufgespannten axialen Ordnung zu unterscheiden ist das Prinzip der Axialsymmetrie als spiegelsymmetrische Gliederung von Räumen und flächigen oder plastischen Bauformen (> Symmetrie). Davon unterscheidet sich wiederum der Begriff der „Achse“ als Mittel der Gliederung von Bauwerken und der konstruktiven Organisation von > Reihung und Raster. Als räumliche Koordinatenachsen schließlich bildet das Körperschema von Oben–Unten, Rechts–Links und Vorne–Hinten das Gerüst der > Bewegung und Orientierung des menschlichen > Leibes.

Ästhetik Akustik Alter/Alterung Aneignung Angemessenheit Ankommen

Ankündigung

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> Bild, Erleben, Gebrauch, Malerisch, Schönheit, Sinneswahr-

nehmung, Szene > Klang > Monument, Patina, Stofflichkeit, Zeit > Kapazität, Komplexität, Ordnung, Ornament, Städtebau, Territorium, Wohnung > Bedeutung, Größe, Komplexität, Licht, Ornament, Proportion > Dramaturgie, Eintritt und Austritt, Introduktion, Weg, Zwischenraum

Eine räumliche Ankündigung weist auf Stellen im Raum hin, die zunächst außer Reichweite sind, aber in der Regel im Laufe einer Bewegung durch den Raum erreicht werden können. Durchblicke, > Ein- oder Ausblicke, eventuell auch akustische Ankündigungen lenken die Aufmerksamkeit auf etwas, was sich hinter einer Wand oder um die Ecke herum verbirgt. Oder ein > Inneres scheint durch Lücken in der > Abschirmung auf, deren materielle Durchlässigkeit dahinterliegende Formen erahnen lässt. Ein den Blick versperrendes Hindernis, das mit seiner Stellung zugleich die Richtung zu seiner Überwindung weist, wie z. B. eine Front in Schrägsicht oder die konvex gekurvte Wand eines Baukörpers, deren Form

quasi den Blick um die Rundung herum bis auf seine Rückseite mitnimmt, sind Varianten dieses verzögernden und zugleich verheißenden Spiels. Manchmal bleibt das, worauf die Ankündigung verweist, ganz im Verborgenen. Lediglich die Andeutung, dass es am Ende des Weges weitergeht, dass um die Ecke herum noch etwas kommt oder das Licht am Ende einer dunklen Gasse wecken unbestimmte Erwartungen, machen uns neugierig, lassen im Extremfall aber alles Weitere im Unklaren.

Anmutung

Das Wort „Anmutung“ ist begriffsgeschichtlich mit dem Wort „Zumutung“ verwandt. Und so sind die Anmutungen unter den Formen architektonischen > Ausdrucks auch diejenigen, durch die wir uns besonders beeinflusst fühlen. Sie werden in der Architektur durch bauliche und räumliche Situationen vermittelt, die den Menschen in einer ersten Wahrnehmungsphase unmittelbar ansprechen, in der sich Stimmungen und Gefühle einstellen, unterschwellige Erwartungen geweckt und entsprechende Reaktionen ausgelöst werden. Unter den Ausdrucksqualitäten von > Formcharakteren und > Atmosphären heben sich die Anmutungen dadurch ab, dass sie sich zu suggestiven Wirkungen verdichten, denen man sich nicht leicht entziehen kann. Beispielsweise wird der Charakter konkaver Formen in ihrer Anmutung häufig als empfangend erlebt oder der Ausdruck eines aufragenden Turms als beherrschend, wenn nicht gar drohend. Viele Anmutungen sprechen uns in unserem räumlichen Verhalten an, z. B. wenn Formen oder Situationen verlockend oder abweisend, unnahbar oder beengend erscheinen. Die Anmutung dynamischer Ausdrucksqualitäten zeigt sich vor allem in der räumlichen > Gestik, eine niedrige dunkle Decke etwa mutet drückend an, eine Kuppel bergend und eine aufstrebende Raumform hebend. Stimmungsqualitäten erscheinen in Anmutungen besonders eindringlich, indem sie

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auf unser eigenes Befinden einwirken, auf suggestive Weise können heitere Atmosphären uns aufmuntern oder anziehen und düstere feindselig oder deprimierend wirken. Stärker als bei anderen architektonischen Formen des Ausdrucks wird der Mensch durch die Anmutung zu einer emotionalen Auseinandersetzung mit der jeweiligen Situation herausgefordert. Seine Reaktion hängt von der persönlichen Prädisposition ab, unwillkürlich findet ein Abgleich zwischen der Anmutung und den eigenen Bedürfnissen, Erwartungen und Erfahrungen statt. Räumliche Verhaltensimpulse, die von einer Anmutung ausgehen, z. B. in einer Kirche nicht zu hasten, werden als dringlich empfunden, unabhängig davon, ob man sie gutheißt oder ablehnt. Für das konkrete Erleben ist jedenfalls von Belang, wie weit eine Anmutung bei aller Unbestimmtheit Bewegungen wie Sichannähern, Eintreten, Durchqueren nahelegt oder das Einnehmen bestimmter Haltungen und Positionen im Raum empfiehlt. Literatur: Arnheim 1980; Böhme 1998; Dürckheim 2005

Annäherung Anschauungsform/-kraft Anzeichen Arbeitsplatz Archetyp Architecture parlante

Architektur

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> Ankündigung, Introduktion, Sequenz > Dichte (räumliche), Feld, Körper (architektonischer), Kräfte-

feld, Schwere und Leichtigkeit, Sinneswahrnehmung > Zeichen > Einrichten > Behausung, Typus > Bild, Lesbarkeit

Der Architekturbegriff ist dehnbar – bis hin zu Hans Holleins Behauptung: „Alles ist Architektur“. Sieht man die Rolle der Architektur aber vor allem darin, „Räume zu artikulieren“ (Umberto Eco), dann lässt sich das „Architektonische“ der Architektur durch ihre Verwendung spezifischer Mittel charakterisieren (1), durch ihre strukturelle Systematik (2) und durch die besondere Art, wie sie erlebt wird (3).

1. An den architektonischen Mitteln ist zwar eine Vielzahl von Faktoren (Form, Konstruktion, Material, Licht, Farbe) beteiligt, die auch in anderen Sachgebieten mitspielen. Eine Reihe von Komponenten ist dagegen für die Architektur so wesentlich wie für keine andere Disziplin. Dazu gehört die sich wechselseitig bedingende Verwendung von plastischer Masse (konvex) und umschlossenem Volumen (konkav), also das komplementäre Verhältnis von > Körper und > Raum. Raum ist nur dann für unseren Aufenthalt gestalt- und erlebbar, wenn er von körperhaften Elementen gefasst und geformt wird, Baukörper und -massen wiederum sind es nur dann, wenn sie von Raum umgeben sind. Körperhafte Massen bieten unserem eigenen Körper Widerstand, die Leere dazwischen lässt uns Spielraum für Bewegung und Sicht. Im Verhältnis von Körper und Raum artikuliert die Architektur das für unsere Wahrnehmung grundlegende Verhältnis von Figur und Grund (> Raum-Körper-Kontinuum). Auch das Mittel der > Abschirmung beruht auf einer komplementären Wechselwirkung. Sie regelt das für die Architektur konstitutive Verhältnis von > innen und außen, indem sie zwischen beiden trennt und sie zugleich verbindet. Ein Urakt der Architektur ist die Schaffung eines Innenraums durch Abtrennung vom umgebenden Außenraum der Natur oder der Stadt. Die Bedingung seiner Brauchbarkeit wiederum ist die Überwindung der Trennung durch die Öffnung zwischen innen und außen. Auf entsprechende Weise regelt die Abschirmung auch die Beziehungen zwischen verschiedenen Innenräumen oder zwischen separaten Stadträumen. Damit gibt uns die Architektur trotz der Gegensätzlichkeit von innen und außen, von Trennung und Verbindung eine Vorstellung von deren Einheit. Schließlich ist die Auseinandersetzung mit dem konkreten > Ort eine originäre Aufgabe der Architektur. Aus der Besonderheit des Ortes entwickelt die Architektur ihre Identität, und sie bezieht aus der Ortsgebundenheit stabile Präsenz. Sobald das Bauwerk einen Standort besetzt, spielt es im lo-

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kalen Kontext mit und verändert ihn. Sein dauerhafter Bestand erfordert Standfestigkeit und solide Konstruktion. Doch wird die räumliche Ganzheit nie aus einer statischen Position wahrgenommen, sondern ist für die Wahrnehmung und den Gebrauch auf das Durchqueren und auf wiederholte Positionswechsel angelegt. Daher besteht Architektur trotz dauerhafter Ortsbezogenheit immer auch aus > Sequenzen von räumlichen Einheiten, die über zeitliche Abfolgen in der > Bewegung verkettet werden. Sie verleiht damit dem prinzipiellen Verhältnis von Gleichzeitigkeit und Nacheinander konkreten Ausdruck (> Zeit). 2. Unter „Architektur“ in einem verallgemeinerten Sinne versteht man den planvollen Aufbau, in dem die Teile einer Anordnung ein Ganzes bilden, z. B. die Bestandteile eines Vertragswerks oder die Komponenten eines Gerätesystems. Auch die durchdachte Strukturierung einer Theorie, die wohlgefügte Komposition eines Bildes oder eines Musikstücks bezeichnet man in diesem übertragenen Sinn als deren „Architektur“. Es liegt auf der Hand, dass diese Eigenschaft, anders als in den außerarchitektonischen Fällen, auf die der Begriff gleichermaßen angewendet wird, weil er etwas spezifisch Architektonisches bezeichnet, für die Architektur selbst ein notwendiges Wesensmerkmal sein muss. Man wird daher nur bauliche Anlagen, die dieses Merkmal aufweisen, zur Architektur im engeren Sinne rechnen. Sie geht über das Bauen als technischen Vorgang insbesondere dadurch hinaus, dass sie dieses planvolle Zusammenwirken von Teilen und Ganzem auch unserer Wahrnehmung nachvollziehbar mitteilt (> Lesbarkeit). Indem sie die vorhandene strukturelle > Ordnung in ihrer architektonischen Gestalt auch zum > Ausdruck bringt, schafft sie eine Voraussetzung für unsere intellektuelle Befriedigung. Ein hoher Anspruch würde von der Architektur sogar erwarten, über die Mittel der räumlichen Strukturierung Welt begreifbar zu machen. 3. Architektur beschränkt sich nicht auf die Errichtung von Bauwerken, sondern ist für das Leben in Räumen da und

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gestaltet unser Erleben im Umgang mit ihnen. Sie lässt durch > Atmosphären geprägte räumliche > Situationen entstehen, die wir mit allen Sinnen erleben, im Zusammenspiel der baulich-räumlichen Beschaffenheit mit unserer Bewegung, unserem gebrauchenden Handeln und unserer Befindlichkeit. Anders als die objektive Wirklichkeit, die einem Bauwerk als bloßem Objekt zukommt, anders auch als die ideelle Wirklichkeit eines bildnerischen Kunstwerks, ist die situative Wirklichkeit der Architektur, während ich sie wahrnehme, zugleich meine subjektive Wirklichkeit. In einem performativen Akt erleben wir unseren Umgang mit dem Raum auch im praktischen > Gebrauch aus einer selbstbezüglichen Perspektive – wenngleich oft nur unterschwellig. Eine Parallele zur > Szene auf dem Theater bietet sich an. Wir sehen uns selbst bei unseren Aktivitäten in einem dafür gestalteten räumlichen Rahmen zu oder werden dessen beiläufig gewahr. Aber anders als in einer Aufführung mit Akteuren und Zuschauern sind wir dabei zugleich die Akteure und unsere eigenen Zuschauer. Wir erleben daher sowohl die genannten räumlichen Verhältnisse wie das von Körper und Raum, innen und außen, Ort und Bewegung als auch die strukturelle Ordnung des Ganzen als Situationen, in denen wir selbst mitspielen.

Arkade

Dem Haus vorgelagert, bildet die Arkade einen > Zwischenraum, der sowohl zum Haus als auch zum Außenraum gehört. Die Arkade ist eine Bogenstellung, die sich in der Arkatur zur Reihe vervielfacht. Sie bezeichnet aber auch den ganzen Raum, der ebenso wie in Laubengängen, Laubenhallen, Loggien, Kolonnaden oder > Galerien eine eigene Raumkategorie bildet, die aus der Überlagerung von Außenraum und Innenraum hervorgeht (> Transparenz). Für alle gilt sinngemäß, was im Folgenden über den Raum der Arkade gesagt wird. Als überdeckte, zu wenigstens einer Seite hin offene, in der Regel nur durch eine Reihe von Stützen, Säulen oder Pfeilern begrenzte Gänge oder Hallen haben diese Räume öffentlichen

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Charakter, ermöglichen zugleich geschützten Aufenthalt und erlauben es, Funktionen des Gebäudeinneren in den Arkadenraum auszudehnen. In der sparsamsten Form übernimmt diese Aufgabe bereits jede nach außen geöffnete > raumhaltige Wand einer > Fassade. Während man solche Distanz schaffenden, durchlässigen Raumschichten auf dem Weg zwischen > innen- und außen durchquert, beeinflussen sie als Interaktions- und Umschaltzone die Art des Übertritts. Weite offene Arkaden machen das Durchqueren leicht, gedrungene Lauben mit dicken Pfeilern scheinen in dunkle und kühle Höhlen zu führen, der Säulenportikus ist nach wie vor eine besondere Würdeform. In Städten mit großräumig von Arkaden gesäumten Straßenzügen erscheinen die Straßenfronten wie von einer durchlässigen, porösen Schicht überzogen, welche die Konturen der Fassaden auflockert. In der Längserweiterung über das einzelne Haus hinaus stellt die Arkade eine kontinuierliche Verbindung der Häuser einer Straße her und vereinheitlicht die Verschiedenheit der einzelnen Häuser. Im Arkadengang bewegt man sich auf der raumhaltigen Grenze zwischen innen und außen, kann jederzeit zur einen Seite in den Außenraum hinaus-, zur anderen in das Gebäude eintreten. Arkaden erlauben so das schier ununterbrochene Durchlaufen der Stadt in einer wettergeschützten „Schattenfuge“ entlang der Baumasse. Der Schwung jedes Bogens (arcus), der von einem Feld zum anderen immer weiter führt, sowie die kontinuierliche > Reihung der Stützen verleihen dem Gehen einen > Rhythmus. Im Längsblick entsteht durch die optische Verengung der Interkolumnien der Eindruck eines geschlossenen Innenraums. Durch die aus den Stützen gebildete „Wand“ treten unversehens Passanten ein; zu ihr gelangt man aber nie hin, nähert man sich, hat sie sich vorher schon aufgelöst. Die gleichförmige Wiederholung von Bögen, Pfeilern und Raumeinheiten begünstigt das kontemplative > Zirkulieren oder Lustwandeln. Der Passant wird von außen als immerfort Verschwindender und Wiedererscheinender wahrgenommen,

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ebenso verschwindet für ihn dauernd rhythmisch die außerhalb der Arkade liegende Außenwelt und erscheint wieder. Bei Sonnenschein taucht er im stetigen Wechsel in Schattenfelder ein und in Lichtbahnen wieder auf. Solche für Arkaden typischen, harten Licht- und Schattenkontraste haben in ihrem steten Wechsel offenbar ein magisches Potenzial, wie es sich etwa in Giorgio de Chiricos Malerei zeigt, jener pittura metafisica, in der Arkaden als Rahmung und Kulissen eines rätselhaften, verborgenen Geschehens dienen (> Malerisch). In überdachten Pilgerwegen, Pergolen und Wandelhallen verselbstständigen sich Arkaden als eigene Bauwerke. Wenn sie nach innen gewendet, als Peristyl oder Kreuzgang, den Umgang um einen > Hof oder Garten bilden, können sie als Umstülpung (> Inversion) von Straßenarkaden betrachtet werden, ähnlich wie die Seitenschiffe einer Basilika, die das Hauptschiff flankieren. Literatur: Schmalscheidt 1987

Atmosphäre

Architektur erlebt man vor allem durch die Atmosphären, die sie erzeugt. Wovon wir in der Architektur umgeben sind, ist nicht nur das Bauwerk mit seinen Bau- und Raumformen, sondern die Atmosphäre einer ganzen > Situation. So haben Landschaften eine atmosphärische Identität, die Stadt gliedert sich nicht nur in eine Abfolge von Bauwerken und Straßen, sondern vor allem von charakteristischen Atmosphären, auch der Wechsel zwischen Innen- und Außenraum oder einzelnen Innenräumen ist ein Wechsel zwischen unterschiedlichen Atmosphären. Die Atmosphäre ist diejenige Ausdruckskraft, mit der eine durch die Architektur geschaffene Situation uns in ihrer Gesamtheit auf Anhieb affektiv ergreift. Dagegen geht der Ausdruck der einzelnen daran beteiligten Formen, ihr > Formcharakter, zunächst in der Gesamtatmosphäre einer Situation auf und kommt erst in zweiter Linie zur Wirkung. Atmosphären bilden eine eigentümliche Beziehung zwischen Objekt und Subjekt. Einerseits gehen sie von den räum-

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lichen Situationen und ihren Bestandteilen aus, andererseits sind es Charaktere, die unsere eigene Befindlichkeit prägen und die wir prinzipiell subjektiv erleben, auch wenn wir sie mit anderen teilen. Wir können Atmosphären bewusst wahrnehmen, sind aber besonders empfänglich für sie im Zustand ungerichteter Aufmerksamkeit. Es gibt kein spezielles Sinnesorgan für die Wahrnehmung von Raumatmosphären, sie werden nicht gesehen, gehört oder getastet, sondern leiblich umfassend gespürt, indem wir in sie eintauchen, von ihr ergriffen und in unserer Stimmung beeinflusst werden. Es kann jedoch auch vorkommen, dass wir mit unserem eigenen Gemütszustand in Gegensatz geraten zu einer Raumatmosphäre, die wir in einer Situation vorfinden, ohne dass wir uns auf sie einlassen wollen. Wir spüren diese Atmosphäre dann zwar ebenfalls deutlich, empfinden den Kontrast zur eigenen Verfassung aber als Spannung. Folgende Arten räumlicher Atmosphären sind die häufigsten: Das dynamische Moment der räumlichen > Gestik prägt eine Situation, indem sie etwa beengend und erdrückend, weitend und entgrenzend oder aufrichtend und erhebend wirkt. Die > Orientierung, durch die Räumlichkeiten sich nach innen, nach außen oder zu einem Ziel hin wenden, ist oft Bestandteil des gestischen Ausdrucks. Sinnesqualitäten prägen einen atmosphärischen Charakter häufig durch synästhetische Übertragung ins Räumliche, wenn eine Situation z. B. als rau oder frostig, schrill oder dumpf, muffig oder frisch empfunden wird. Auch Stimmungsqualitäten, wie melancholisch, heroisch, gemütlich oder festlich, drücken zwar vordergründig keine räumliche Qualität aus, sind aber in vielen Fällen für räumliche Situationen charakteristisch. Durch den suggestiven Charakter von > Anmutungen, indem wir etwa die einladende und anziehende oder abstoßende und feindselige Atmosphäre einer Situation spüren, werden wir von ihr unmittelbar in unserem Verhalten beeinflusst und zu einer Reaktion herausgefordert. Anmutungen sind mit den > Aufforderungscharakteren verwandt, durch die eine Situ-

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ation uns zu einem bestimmten Verhalten oder Handeln veranlasst, wie uns niederzulassen oder zu schweigen. Über Metaphern, bildhafte oder symbolische Verweise werden Atmosphären indirekt lebendig. Wenn etwa durch die entsprechenden Formen und Details ein militärischer oder bäuerlicher, ein vornehmer oder unseriöser Eindruck erzeugt wird, spüren wir die jeweilige Atmosphäre unmittelbar, wir müssen sie nicht erst in eine Situation hineininterpretieren; ähnlich verhält es sich mit der Atmosphäre einer Weltgegend, einer Epoche oder Stilrichtung, wie einer exotisch, orientalisch, mittelalterlich oder biedermeierlich wirkenden Umgebung. Häufig vermischen sich die genannten Kategorien, z. B. gestische mit Sinnesqualitäten oder eine Metapher mit gewissen Stimmungen. Fast alle wahrnehmbaren Eigenschaften der Architektur sind an der Erzeugung von Atmosphären beteiligt. Neben Lage, > Größe und Form von Bauwerken und Räumen geht eine besonders starke atmosphärische Wirkung von den > Oberflächen aus. Nach Gottfried Semper prägen in der Architektur die > Bekleidung der Raumabschlüsse und die Dekorationsschicht die „wahre Atmosphäre“. Die daran beteiligte > Stofflichkeit spielt eine maßgebliche Rolle sowohl durch sinnliche als auch assoziative Wirkungen. Ebenso entscheidende atmosphärische Komponenten sind die ungegenständlichen Faktoren von > Klang, > Geruch und besonders von > Licht und > Dunkelheit. Als Ausdruck von ganzen Situationen werden Atmosphären aber auch vom Gebrauch durch die Menschen geprägt und vom Wissen über den Ort beeinflusst. Der atmosphärische Charakter ist ein Wesenszug jeder räumlichen Situation, er ist nie völlig neutral. Als konkretes architektonisches Beispiel beschreibt Gernot Böhme eine sakrale Atmosphäre und die sie erzeugenden Faktoren. Dazu gehört eine Form der Dämmerung, die sich nicht wie draußen in der Weite verliert, sondern durch den Raum begrenzt wird und die Anwesenden umschließt. In dieser „heiligen“ Dämmerung ahnt man etwas Verborgenes,

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Unsichtbares, ganz besonders wenn hie und da ein hintergründiger Schimmer im Dunkel aufscheint. Die Dämmerung lichtet sich manchmal nach oben, aufgehellt durch den Schein eines Lichts ungewisser Herkunft, der einzelne erleuchtete Gegenstände aus dem Dunkel hervortreten lässt. Hohe gotische Kirchenräume erzeugen durch die aufsteigende Geste ihrer Raumform eine Dynamik, die den Eintretenden durch die ungewohnten Dimensionen überwältigt. Das > Erhabene trägt so zum Sakralen bei, das „Ausgleiten des Leibgefühls ins Unendliche“ alterniert mit dem „Zurückgeworfen-Werden auf die eigene Körperlichkeit“ (Gernot Böhme). Diese Empfindung verbindet sich mit der Stille, die für den Einzelnen besonders durch das verhallende Geräusch seiner eigenen Schritte spürbar wird, das ihn seine „eigene Verlorenheit im Raum“ erleben lässt. Manche würden es vielleicht auch als Aufgehobenheit beschreiben. Analog zur sakralen ließen sich viele andere typische Atmosphären wie etwa die einer Bibliothek, eines Kindergartens oder Bahnhofs durch die beteiligten Faktoren beschreiben. Atmosphären hängen zwar von unserer aktuellen Beziehung zu der Situation ab, sie lassen sich durch Architektur nicht kontrollieren, aber weitgehend beeinflussen. Darauf stützen sich auch die heiklen Manipulationstechniken, die im gesamten Spektrum der Werbestrategien beispielsweise von Stadtmarketing, Shopping-Mall-Design oder Messebau als suggestive Mittel eingesetzt werden. Die affektive Kraft kann so auch durch fremde Zwecke usurpiert werden, und Atmosphärenerzeugung wird damit zu einer Form der Machtausübung. Literatur: Böhme 1995a, 1998, 2006

Atrium

> Hof, Innenhof, Inversion, Zentrierung

Aufforderungscharakter

Im Normalfall bewegen wir uns mit Selbstverständlichkeit in einem architektonischen Gebilde. Wo wir welche Positionen

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einnehmen können oder müssen, wo sich Möglichkeiten des Aufenthalts, des Niveauwechsels oder des Ausblicks bieten, wissen wir meist, ohne bewusst darüber nachzudenken. Wir haben Schemata entwickelt, die auf die verschiedenen Situationen passen und uns eine schnelle Orientierung ermöglichen. Sie sind aber entscheidend durch jene appellativen Eigenschaften der Dinge und Situationen mitbestimmt, die man ihren Aufforderungs- oder Angebotscharakter nennt. Ohne weitere Erklärungen versteht die Architektur sehr genau zu vermitteln, welches spezifische Angebot sie uns macht. Zum Beispiel fordert uns ein Stuhl allein durch seine typischen Formen und Abmessungen, die das Einnehmen einer Sitzhaltung durch entsprechende Positionierung unserer Gliedmaßen vorzeichnen, zum Sitzen auf, genauso, wenngleich in etwas anderer Haltung, ein Sessel, eine Bank, aber auch ein Mauersockel. Die Aufforderung wird durch den > Kontext, etwa den Tisch, an dem der Stuhl zu einer bestimmten Tätigkeit einlädt, erweitert. Als weniger suggestiv, aber dennoch von appellativem Charakter erleben wir eine Situation, in der beispielsweise an einer Treppenanlage ein „Grußbalkon“ dazu auffordert, hinauszutreten und eine Teilsequenz der Annäherung aus einer anderen Perspektive zu betrachten. In diesem Fall macht die Architektur ein attraktives Angebot mit erheblicher Bereicherung und Vertiefung des Raumerlebens, ohne dass der Nutzer gezwungen wäre, dieses Angebot anzunehmen. Aufforderung und Angebot werden durch die Ausdrucksqualitäten einer bestimmten > Gestik präzisiert, z. B. durch die Formen eines Durchgangs, die zum Eintreten auffordern und das Eintreten zusätzlich auf bestimmte Weise modulieren, durch die Bedingungen der Annäherung, die Form der Öffnung, die Rahmung, einen Bodenbelag, der zum Betreten reizt, die Tiefe des Durchtritts, bis hin zum Detailmaßstab. So kann etwa durch das verwendete Material ein glatt gekachelter Durchgang, sogar im Widerspruch zu einer tatsächlich bestehenden Enge,

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dem Benutzer eine Bewegung reibungslosen Hindurchgleitens eher nahelegen als grob rustiziertes Mauerwerk. Solche Erlebnis- und Nutzungsvorschläge durch Architektur können von sehr unterschiedlicher Prägnanz und Attraktivität oder auch Dringlichkeit sein. Fordern sie auf allzu suggestive Art zu sehr bestimmten Bewegungen auf, liegt ein Grenzfall vor, der gegen eine zwanghafte Konstellation abgegrenzt werden muss, die den Nutzer nicht einlädt, sondern zu einem Verhalten nötigt, dessen Sinn er nicht einsieht.

Aufrichtung

> Ausdruck, Bewegung, Erstrecktheit, Formcharakter, Gestik

(räumliche), Haltungen, Schwere und Leichtigkeit, Turm

Auftritt

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Im Theater wird mit „Auftritt“ das Erscheinen eines Akteurs auf der Bühne bezeichnet. Er betritt die Bühne und zeigt sich damit öffentlich. Genauso zeigt sich öffentlich, wer einen städtischen Platz betritt, wenn die Architektur dafür den entsprechenden Rahmen liefert. Einen Auftritt hat aber auch derjenige, der im Haus einen Raum betritt, wobei die Architektur die szenischen Bedingungen dafür schafft. Der > Eintritt wird zum Auftritt, indem das Erscheinen einer Person mehr ist als ein belangloser Vorgang, wenn stattdessen der szenische Rahmen dem Eintreten eine Bedeutsamkeit verleiht, die entweder nur beiläufig oder aber dramatisch erlebt werden kann. Die Anordnung von > Treppen in Räumen oder an Plätzen, die Art und Weise, wie sie in den Raum hineinführen, die Lage von Podesten, die räumliche Lenkung und Fassung durch > Achsen, Bahnen und Rahmungen oder die Auftrittsmöglichkeiten auf Balkonen oder an besonders gerahmten > Fenstern sind architektonische Mittel, die zu solchen Wirkungen beitragen. Im Unterschied zum Theater aber treten wir in der Architektur nicht nur vor anderen auf oder sehen andere auftreten. Das prinzipielle Vermögen der Architektur, einer Situation

den Charakter einer > Szene zu geben, erfordert nicht unbedingt ein Publikum, sondern der Auftritt lässt uns der > Situation auch im Selbstgenuss gewahr werden. Literatur: Janson/Bürklin 2002

Ausblick

> Einblick und Ausblick, Fenster, Steigen, Treppe, Turm

Ausdruck

Wir nehmen nicht primär Rechtecke, Kreise, Kuben, Zylinder, gerade oder gekrümmte Linien wahr, sondern Türen, Fenster, Treppen, Wände und Dächer. In diesen Elementen drücken sich sofort weitere Eigenschaften aus: der einladende Charakter des Eingangs, die Mühe verheißende Steilheit einer Treppe, die verschlossen wirkende Erscheinung einer Fassade, die schützende Geste eines Daches etc. Wir erfassen sofort, was architektonische Formen und Situationen ausdrücken, nicht als ein verborgenes Wesen, sondern als Eindruck, den sie auf uns machen. Der Ausdruck von einzelnen baulichen und räumlichen Formen äußert sich in deren > Formcharakter. Was man dagegen als Ausdrucksgehalt einer ganzen räumlichen > Situation erlebt, ist ihre > Atmosphäre. Formcharaktere als unmittelbare Ausdrucksqualitäten von Bau- und Raumformen erscheinen im Unterschied zu den > Bedeutungen, auf die mittelbar verwiesen wird, wie Eigenschaften der architektonischen Elemente und Formen selbst. Der Ausdrucksgehalt offenbart keinen verdeckten Inhalt, der aus der Form erschlossen werden muss, sondern der Charakter eines Bauwerks oder einer Form kommt zum Ausdruck, indem er in der Gestalt unmittelbar vernehmlich wird. Die Architektur unterscheidet sich aber von anderen Bereichen dadurch, dass der Ausdruck hier selten von der bloßen Bauform ausgeht, sondern meistens von einer umfassenden räumlichen Situation, in der auch die Menschen mitwirken. Auch den ausdruckshaften Charakter einer Situation, ihre Atmosphäre, erfassen wir auf Anhieb, ohne nachzudenken, an

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ihr sind die einzelnen Formcharaktere von Bau- und Raumformen mitbeteiligt. Formcharaktere sind von Atmosphären oft nicht klar zu trennen, der aufwärtsstrebende Charakter einer SpitzbogenArkatur etwa und die aufrichtende und erhebende Atmosphäre eines gotischen Kirchenraums überschneiden sich in ihrem Ausdruck. Beide setzen sich aus verschiedenen Ausdrucksqualitäten zusammen. An den Formcharakteren etwa sind die eigentlichen Formmerkmale, aber auch Eigenschaften wie > Stofflichkeit oder > Farbe beteiligt. Die Atmosphäre der ganzen Situation dagegen umfasst weitere kommunikative Funktionen wie > Orientierung oder räumliche > Gestik. Vor allem die Atmosphären, aber auch die Formcharaktere werden außerdem durch allgemeine Sinnesempfindungen mit ihren synästhetischen Erweiterungen sowie durch Stimmungsqualitäten und > Anmutungen geprägt. Andere Bedeutungen, die etwa über > Bilder oder > Symbole vermittelt werden, können als zusätzliche Komponenten von Formcharakteren oder Atmosphären ausdruckshaft wirksam werden. Im Unterschied zu zeichenhaften Bedeutungen, die sich auch unabhängig von der konkreten Situation mitteilen und sachlich registriert, ikonografisch identifiziert oder typologisch klassifiziert werden können, bleiben die unmittelbaren Ausdrucksqualitäten mitunter diffus und lassen sich weniger gut kontrollieren. Als untrennbare Bestandteile von baulichen Formen und architektonischen Situationen beeinflussen sie uns aber unweigerlich und haben auf das konkrete Erleben von Architektur direkteren Einfluss als diejenigen Bedeutungen, die wir in einem bewussten Akt den Dingen zuordnen oder aus ihnen herauslesen müssen. Ausdrucksqualitäten können selbst wieder > Zeichen für etwas sein, so ist etwa eine kühl-sachliche Gestaltung unmittelbarer Ausdruck von Nüchternheit, aber zugleich ein Zeichen für Modernität.

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Ausrichtung Außenraum

Ausstattung Austritt Axialität

Bad Balkon Bauen Baukörper Baum

Bedeutung

> Feld, Gerichtetheit, Haltungen > Einblick und Ausblick, Eintritt und Austritt, Fenster, Garten,

Hof, Innen und außen, Inversion, Platz und Straße, Städtebau, Zwischenraum > Einrichten, Inneres, Wohnung > Eintritt und Austritt, Fenster, Tür und Tor > Achse, Leib, Symmetrie

> Einrichten > Einblick und Ausblick, Eintritt und Austritt, Fassade, Galerie, Zwischenraum > Architektur, Ausdruck, Bedeutung, Stofflichkeit, Tektonik > Körper (architektonischer), Platz und Straße, Raum-KörperKontinuum > Garten, Säule

Architektur trägt Bedeutungen. Dadurch geht sie über die physische und technische Faktizität des Bauens hinaus. Mit der „Bedeutung“ von Architektur kann einerseits ihre Bekanntheit gemeint sein, ihr kultureller Rang oder ihre einflussreiche Rolle in der Geschichte. Andererseits transportiert Architektur immer auch Bedeutungen als Verweise auf bestimmten Sinn und Gehalt. Wir sind nicht nur von Baukörpern und Wänden umgeben, sondern werden von allen Seiten mit dem konfrontiert, was die Formen im Einzelnen und im Zusammenwirken bedeuten und ausdrücken oder worauf sie verweisen, offen oder unterschwellig, gewollt oder versehentlich. Dabei wirken individuelle und kollektive Interpretationsmuster mit, die durch kulturelle Deutungsrahmen und gesellschaftliche Normen bedingt sind. Die Beziehungen zwischen architektonischen Formen und Bedeutungen sind von unterschiedlicher Art. Zum einen können Bedeutungen in der Architektur nach der Art von > Zeichen vermittelt werden, für deren Verständlichkeit kultu-

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relle Konventionen oder ein bestimmtes Wissen den Schlüssel liefern. In diesem Fall muss man gelernt haben, die Zeichen zu lesen, um ihre Bedeutung zu verstehen. Von der Stadt oder dem Bauwerk wird > Lesbarkeit erwartet, z. B. um Organisation und Gebäudenutzungen zu erkennen oder auch um bildhafte Aussagen und ikonografische Inhalte zu verstehen. Indem sie darüber Auskunft geben, weisen die zeichenhaften Formen auf Zusammenhänge hin, die hinter der Oberfläche liegen und in einer gegebenen Situation nicht unmittelbar erlebt werden. So lässt sich etwa die Lage von Treppenhäusern an den Öffnungen in der Fassade und die Datierung eines Bauwerks an den Ornamenten ablesen. Solche Hinweise können aber auch in Raum und Zeit noch weiter über die jeweilige Situation hinausgehen und schließlich auch etwas bezeichnen, abbilden oder erzählen, was außerhalb der Architektur liegt und worauf sie nur zeichenhaft verweist. Anekdotische Anspielungen beispielsweise, narrative Illustrationen einer Story, einer Geschäftsidee oder Hinweise auf die Persönlichkeit ehemaliger Bewohner haben mitunter nur einen untergeordneten Bezug zur vorliegenden Situation selbst. Zum anderen erfassen wir bereits unmittelbar in der Wahrnehmung, ohne dass wir erst Bedeutungen ablesen und aus der architektonischen Form erschließen müssen, den ausdruckshaften Charakter von Bauformen, vor allem derjenigen, von deren Wirkung wir in der gegebenen Situation betroffen sind: den unmittelbaren > Ausdruck von Eigenschaften, die wir den Bauformen, Räumen oder Situationen selbst zusprechen wie etwa Sammeln, Zerstreuen, Ausrichten oder Umschließen, vor allem als dynamische Qualitäten der architektonischen > Gestik. Auch die > Aufforderungscharaktere gehören dazu, die bestimmte Verhaltensweisen oder Haltungen nahelegen, und die > Anmutungen, welche Stimmungen vermitteln, Erwartungen wecken oder auch bestimmte Reaktionen hervorrufen. Solche Ausdruckswerte bezeichnen nicht nur etwas, sondern spielen eine unstrittige Rolle für

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die jeweilige Situation selbst. Die funktionale Organisation muss nicht zeichenhaft vermittelt und gelesen werden, etwa die Unterscheidung von Raumnutzungen durch eine spezielle Kennzeichnung der Zugangstüren, die Orientierung in Parkhäusern durch Farbsignaturen der Geschosse oder der Hinweis auf Sanitärräume durch Piktogramme, sondern sie lässt sich ebenso sinnfällig in Form, Anordnung und Atmosphäre der Räume ausdrücken. Zwischen zeichenhaften Bedeutungen und unmittelbarem Ausdruck bestehen in vielen Fällen Verbindungen oder fließende Übergänge. Das ist vor allem der Fall bei > Symbolen, Metaphern oder > Bildern, die zwar etwas darstellen, was außerhalb der gegebenen Situation liegt, zugleich aber durch ihre Gestalt zum konkreten Raumerlebnis beitragen. Wenn eine Gewölbeform einem Segel gleicht oder an einen Palmenhain erinnert, verweist sie auf etwas Außerarchitektonisches, kann aber zugleich durch diese Gestalt auch ein beabsichtigtes Raumgefühl vermitteln. Rudolf Arnheim spricht von der doppelten Aufgabe der Architektur, „Selbst-Bild“ und Abbild zu sein. Gebäude verweisen durch ihre Form auf sich selbst, also auf ihren konkreten Gebrauch, und machen zugleich eine symbolische Aussage über ihr allgemeines Verhältnis zur Welt, zum lokalen oder historischen Kontext, drücken eine bestimmte Vorstellung von Wohnen aus, einen bestimmten Lebensstil, eine Haltung oder auch eine soziale Stellung. Es kommt jedoch zwischen den beiden Bedeutungsarten zum Konflikt, wenn der unmittelbare Ausdruck einer Raumform durch eine aufgesetzte Bedeutung überlagert wird, die in ihrer abweichenden Aussage die primäre Wirkung verfälscht, z. B. wenn einem Konferenzraum, der durch die Ausdruckskraft einer zentrierenden Bau- und Raumform eigentlich nur zur Versammlung einladen soll, eine Pyramide aufgesetzt und damit die unangemessene Zeichenhaftigkeit eines imperialen Monuments übergestülpt wird. Bauliche und räumliche Formen können durch gestalterische Prägnanz aber auch eine offene Bedeutsamkeit entfalten und damit eine semantische

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> Kapazität bereitstellen, die es ihnen gestattet, wechselnde

Bedeutungen anzunehmen.

Bedienter Raum

> Raumhaltige Wand

Behaglichkeit

Der Ausdruck für ein Gefühl leiblicher Zufriedenheit leitet sich von dem Begriff „Hag“ (Umfriedung) ab, der ursprünglich einen abgeschlossenen, für menschliche Bedürfnisse zugerichteten Ausschnitt der Wildnis bezeichnet. Daher rührt eine Bedeutungstendenz in Richtung auf Überschaubarkeit und situative Vertrautheit. Man denkt bei „Behaglichkeit“ zuerst an die vom Individuum selbst eingerichtete unmittelbare Umwelt der Wohnung. Grundsätzlich sind als Bedingungen, unter denen Behaglichkeit wirksam hergestellt werden kann, eine Fülle von Einzelfaktoren in ihrem Zusammenwirken zu berücksichtigen. Die Beschränkung auf vermeintlich objektive physikalische Messwerte beruht dagegen auf einem fragwürdigen Behaglichkeitsbegriff. Die Bauphysik erforscht und kodifiziert „Behaglichkeit“ durch physikalisch messbare Mindestvoraussetzungen wie Lichtintensität, Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Luftaustausch oder Lärmintensität. Die > Atmosphäre jedoch, auf die es bei der Behaglichkeit ankommt, ergibt sich aus der Herstellung dieser physikalischen bzw. physiologischen Bedingungen noch lange nicht. So kann etwa eine zu bestimmten Tätigkeiten notwendige Helligkeit, wie sie den bauphysikalischen Normen entspricht, wenn sie zum alleinigen Standard gemacht wird, die Herstellung von Behaglichkeit sogar verhindern. Tatsächlich sind für die Behaglichkeit in einer räumlichen Situation neben dem physiologischen Wohlbefinden fast alle gestalterischen Merkmale von Bedeutung, insbesondere die Faktoren einer angemessenen Raumgröße, der Raumproportionen und -gestik, der Orientierung, der Material- und

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Farbwirkung sowie der Lichtstimmung. Die Übergänge zu Begriffen wie „Gemütlichkeit“ oder „Geborgenheit“ sind fließend.

Behausung

Architektur ist stets Behausung. Neben anderen Funktionen hat sie immer die Aufgabe, Raum so abzuschirmen und zu artikulieren, dass er den Menschen ganz allgemein zum Bewohnen der Erde, also zum geschützten Aufenthalt und für die Entfaltung ihrer Tätigkeiten zur Verfügung steht. Deshalb dient nicht nur die > Wohnung der Behausung. Wenn man, wie Martin Heidegger (1953), das Wohnen existenziell begreift und jedes Bauen als Wohnen versteht, kann man sogar von Kraftwerk, Spinnerei und Autobahn sagen: „Die genannten Bauten behausen den Menschen.“ Die fundamentale Bedeutung der Behausung leitet sich in verschiedenen existenziellen Vorstellungen vom Haus ab. Es gilt als Inbegriff von Schutz und Geborgenheit gegenüber einer feindlichen Außenwelt. Als umfriedeter Bereich soll es einen dem Menschen zugehörigen Eigenraum schaffen, der ihm im Inneren Ruhe und Frieden sichert, damit er sich nach außen in der Welt behaupten kann. So sieht Otto Friedrich Bollnow den Menschen in seinem Haus „inkarniert“, das er als erweiterten Leib betrachtet. Gaston Bachelard spricht von der „Mütterlichkeit“ des Hauses. Peter Sloterdijk hat auf die Ambivalenz dieser Vorstellungen hingewiesen, wonach etwa die „Immersion“ zur „Raumversiegelung“ wird und die Wohnung zur „Ignoranzmaschine“. Die Behausung bietet dann nicht nur die nötige Stetigkeit für das tägliche Leben, die störende Zufälligkeiten ausschließt, sondern erzeugt als „Redundanzgenerator“ vor allem Trivialität. Die Verfügungsmacht wiederum über das Haus als Inbegriff von Eigentum und Besitzstand schlägt gelegentlich in Herrschsucht um. Der Charakter der Behausung zeigt sich in der archetypischen Vorstellung vom Haus z. B. im Kinderbild, in dem das

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Bild der Fassade allein zu ausdrucksschwach wäre und das schützende > Dach als Sinnbild der Behausung braucht. Die Vertrautheit mit dem Haus als Heimat tritt in den Hintergrund, wenn sich in der Architektur nur eine originelle Form interessant machen will oder eine singuläre Botschaft vorgetragen werden soll. Falls es darauf ankommt, in der Architektur die Erfahrung der schützenden Behausung zu machen, dann müssen die architektonischen Mittel den emotionalen Gehalt dieser Erfahrung stützen. Dazu ist das richtige Verhältnis von Geschlossenheit und Offenheit im Haus maßgebend, es muss Schutz und Sicherheit bieten, aber auch Weltzuwendung ermöglichen. Literatur: Bachelard 1975; Bollnow 1963; Sloterdijk 2004

Beiläufigkeit

> Architektur, Erleben, Szene

Bekleidung

Architektur kann als Raumbildung mittels der Bekleidung eines Gerüstes verstanden werden. Die entscheidende Rolle spielt dabei die Raumhülle, die in Analogie zur menschlichen Kleidung Schutz bietet und zugleich Ausdrucks- und Schmuckfunktionen übernimmt, während die Konstruktion die Aufgabe des Aufrichtens und Tragens hat. Zum architektonischen > Thema wird dieses Phänomen, indem es durch die Gestaltung, z. B. durch wiederholtes und mehrschichtiges Bekleiden oder durch die Artikulation der Differenz zwischen der Bekleidung und dem Bekleideten, veranschaulicht wird. Nach Gottfried Semper ist die Architektur im Wesentlichen eine Bekleidungskunst. Danach ist es ihre primäre Aufgabe, eine Raumhülle zu schaffen; nicht der konstruktive Kern, sondern die Hülle ist das wesentliche Element der Architektur. Tatsächlich nehmen wir in der Architektur vor allem die > Oberflächen von Wänden wahr. Die > Wand, deren Wortverwandtschaft mit „Gewand“ bereits ihre Aufgabe als Hülle andeutet, lässt sich als flächiges Element betrachten,

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das, ausfachend oder vorgehängt und von der Funktion des Tragens befreit, neben der Begrenzung primär der gestalterischen Verfeinerung und der Kommunikation dient. Die körperhafte Mauer erhält ebenfalls Wandcharakter, wenn sie verkleidet wird, wozu oft schon eine Farbschicht genügt. Für Anmutung und Raumstimmung ist die Wirkung der Oberflächen entscheidend. Die Auskleidung von Räumen und die Verkleidung der > Fassade geben sowohl dem Tastsinn etwas in der Nähe und im Detail zu greifen und zu entdecken als auch dem Auge etwas aus der Distanz und im Überblick zu sehen. Die unterschiedlichen Arten der Bekleidung sorgen durch ihre > Stofflichkeit, Farben und > Ornamente, von den Oberflächen ausgehend, für > Atmosphäre und szenografische Effekte – von puristischer Eleganz oder Sprödigkeit bis zu schwelgerischer Üppigkeit. Unser Körper ist durch die Haut geschützt, unsere Kleidung ist der Schutz des Körpers, die Raumhülle der Architektur ist gleichsam unsere dritte Haut. Der Schutz des Körpers durch die architektonische Hülle intensiviert sich als gestalteter Ausdruck ein weiteres Mal, wenn auch das Bauwerk nochmals bekleidet wird. So wie wir die Bedeutung von Schutz unterstreichen, welche die Kleidung für den Körper hat, indem wir ihn nach Bedarf mehrfach umhüllen, so drücken wir unsere Vorstellung von einem abgeschirmten Lebensraum besonders deutlich aus, wenn wir uns mit der Raumhülle der Architektur in mehreren Schichten umgeben (> Inkorporation). Der Baukörper, der durch seine Formhülle in Erscheinung tritt, wird entweder durch die Beschaffenheit der Hülle selbst bemerkenswert, etwa in der Verkleidung durch ein kostbar schillerndes Gewand, unter dem nur an wenigen Stellen der Körper selbst geheimnisvoll auftaucht. Oder es entsteht eine Spannung zwischen der Form der Hülle und der unsichtbaren, nur über die Bekleidung erahnbaren Gestalt des verborgenen Kerns. Die Hülle muss nicht anhaftend den Körper nachzeichnen, sondern kann lose und unabhängig den Körper umgeben und von dessen Form abweichen. Wie bei der mensch-

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lichen Bekleidung umspielt die architektonische Bekleidung z. B. mehr oder weniger eng, etwa durch > Faltung, den darunterliegenden konstruktiven Körper. Sie lässt aber auch die Möglichkeit von > Zwischenräumen und Leerschichten zu, die bewusst als Puffer, > Resonanz- und Spielräume eingesetzt werden können. So bieten sich viele Möglichkeiten der indirekten, durch Oberflächen vermittelten Wahrnehmung von > Tiefe, die von der vollkommenen Camouflage bis zur getreuen Nachzeichnung reichen kann. Dabei geht es nicht vornehmlich um die Frage von Wahrhaftigkeit oder uneigentlicher Maskerade, sondern um die subtilen Möglichkeiten, das Spiel von Verdecken und Enthüllen als uraltes menschliches Thema räumlich zu entfalten. Das identitätsstiftende, selbstdarstellerische Potenzial der Bekleidung erlaubt es aber auch, durch die architektonische Hülle zu zeigen, wer oder was man ist. Literatur: Loos 1997a; Semper 1860

Belichtung/Beleuchtung Bett

> Fenster, Licht, Öffnung

Bewegung

Gebäude nennt man Immobilien, man hält sie für unbeweglich, statisch und rechnet mit ihrer Beständigkeit und Ortsfestigkeit. Für die Architektur ist es jedoch wesentlich, dass sie erst in der Bewegung adäquat erlebt wird. Ein Haus mag noch so fest gegründet dastehen, es liegt im Wesen der Räumlichkeit jeder baulichen Anlage, dass sie sich als Gesamtheit nur im Wechsel verschiedener Positionen und Perspektiven fassen lässt. Architektur und Bewegung bedingen sich gegenseitig. Von der räumlichen > Struktur eines Bauwerks hängt die Bewegung ab, die seine Wahrnehmung erfordert, von der Bewegungsart wiederum, wie es wahrgenommen wird. Die > Sinneswahrnehmung umfasst dabei insbesondere den (propriozeptiven) Lagesinn und den (kinästhetischen) Bewegungssinn. Das Spektrum von Bewegungsarten reicht bis zum

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> Boden, Innen und außen, Einrichten

Extrem der Ruhestellung, zu der das Einnehmen bestimmter Positionen und > Haltungen wie Sitzen, Liegen oder Stehen gehört. Der Einfluss unterschiedlicher Bewegungsarten kann so weit gehen, dass wir ein Bauwerk, abhängig davon, aus welcher Bewegung oder Haltung wir es wahrnehmen, jeweils als ein anderes erleben. Im Vergleich zur Perspektive des Fußgängers verändert die Fortbewegung im Fahrzeug je nach Vehikel, Geschwindigkeit und Verkehrswegen die Erscheinung von Architektur, Stadt und Landschaft noch mehr. Die Stadt des genießerisch schlendernden Flaneurs unterscheidet sich von der des Autofahrers, der sie zielgerichtet durchquert, oder des Skaters, der sie experimentell umdeutet. Die elementaren Bewegungsvorgänge lassen sich durch (Prä-)Positionen kennzeichnen wie Gegenüber-Treten, Hinein-Gehen, Drinnen-Sein, Durch-Queren, Herum-Gehen, mit denen wir durch unsere Bewegung Räume in ihrer Grundstruktur sondieren und sie dadurch begreifen, dass wir sie zu unserer eigenen leiblichen Raumdisposition in Beziehung setzen. Unsere Körpersymmetrie, die Ausrichtung der Wahrnehmungsorgane nach vorne und die Mechanik der Beinbewegung geben als überwiegende Bewegungsrichtung die Tiefenachse vom eigenen Körper zu einem Ziel vor. Ein Gefühl für räumliche > Tiefe erlangen wir durch die Spannung, welche die Tiefendistanz überbrückt, und durch die virtuelle Bewegung, die ihre Überwindung erfordert. Für unsere Bewegungen, die in der Architektur vorrangig horizontal verlaufen und auf Wände treffen, die uns leiten, bremsen und umschließen, ist der Grundriss entscheidend. Er weist Bewegungen an, dirigiert Akteure und Handlungen. Um keinen Zwang auszuüben, macht die Architektur bei der Führung durch den Raum Bewegungsvorschläge, deren Spektrum jedoch sehr weit reicht. Sie bringt eine Bewegung in Gang, indem sie Öffnungen und Durchlässe anbietet. Sie lenkt durch strenge Kanalisierung oder deutet nur durch Leitwände und Durchblicke weitere Etappen an, sie nimmt Umlenkungen durch Achsenschwenks, Drehungen oder Verformungen

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vor, erzeugt – Strömungsgesetzen folgend – Druckauf- und Druckabbau durch Engstellen und Weitungen. Eine > Sequenz wird durch die Zäsuren kleiner Durchlässe interpunktiert oder nur durch Verengungen, die auch ohne Türen ein fließendes Raumkontinuum gliedern. Eine Route lässt sich durch Aufspaltungen verzweigen, verschiedene Richtungen können konkurrieren, Längs- und Querbewegungen sich überlagern. Schließlich wird die Bewegung durch „Reibung“ verlangsamt, gebremst oder gar blockiert, z. B. durch eine plastisch modellierte begleitende Wand, durch Barrieren oder Hindernisse, bis sie mit einem Raumabschluss endet. Bewegungen werden nicht nur seitlich durch Wände geführt, sondern durch plötzliche Veränderung der Raumhöhe nach oben gerichtet, sie leiten den Blick hinauf und werden, z. B. im Sog von Kuppelräumen, als Aufrichtung in Höhen empfunden, in die > Treppen und Rampen uns reizen, hinaufzusteigen. Durch die Mittel der > Dramaturgie lassen sich in jeder Bewegungsphase expressive Wirkungen erzielen, Erwartungen wecken, Geheimnisse andeuten. Sie können das Versinken in einem dunklen Schlund androhen, den feierlichen Empfang im glanzvollen > Licht versprechen oder auch durch endlose > Reihung ein Gefühl der Unendlichkeit hervorrufen. Die Bewegungsführung durch die Bauform wird unterstützt durch das taktile Netzwerk z. B. von Handläufen, Türgriffen und > Details, vor allem durch die Behandlung der Oberflächen, die Differenzierung in > Farbe und > Stofflichkeit, indem z. B. Bodenbeläge entweder Kontinuität oder einen Wechsel von Bewegungsetappen und -richtungen anzeigen, Räume trennen oder verbinden. Aus dem Blickwinkel des praktischen Handelns sind Bewegungen als Verbindung von > Orten durch > Wege erforderlich. Als hodologischer Raum (Weg-Raum) betrachtet, sind Bauwerk und Stadt primär mit einem Netz von Wegen durchwoben. Bewegung spielt jedoch in der Architektur nicht nur als Fortbewegung eine Rolle, sondern jeder gebrauchende Umgang mit dem Raum und den Dingen in ihm beruht auf zweckhaften Bewegungen, sodass man wie Paul Frankl im tä-

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tigen > Gebrauch geradezu die „Seele“ der Architektur und in der Bewegung „die Brücke dafür“ sehen könnte. Über praktische Zwecke hinaus sorgt eine Architektur mit vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten für eine Reichhaltigkeit des räumlichen Erlebens, wie sie etwa Le Corbusier mit der promenade architecturale anstrebte, und fördert möglicherweise damit die geistige Beweglichkeit. Als Ausdrucksqualität von Bauformen suggerieren der dynamische > Formcharakter und die > Gestik von Architektur oftmals eine Bewegtheit des Bauwerks, etwa wenn sich eine Brücke über den Fluss schwingt oder eine Raumform rhythmisiert erscheint. Hierbei kommt eine nicht nur bildhafte, sondern spezifisch architektonische Erfahrung insbesondere durch den realen Nachvollzug der Geste zustande. So wird etwa ein architektonischer > Rhythmus, anders als im Bild, wo sich Formrhythmen auch visuell adäquat erfassen lassen, erst durch die eigene rhythmisierte Fortbewegung räumlich intensiv erlebt. Durch Wiederholung und Vertrautheit mit einem Raum verdichten sich Bewegungen oftmals zu gestalthaften > Bewegungsfiguren, prägen sich der leiblichen Erfahrung ein, bleiben abrufbar und bieten eine Basis für > Rituale des alltäglichen Handelns.

Bewegungsfigur

Ein performatives Gegenstück zu bestimmten räumlichen Konfigurationen sind die entsprechenden Bewegungsfiguren. Ähnlich wie sich, durch die Musik geführt, ein Muster von Tanzschritten der leiblichen Erfahrung als Figur einprägt, wird in der Architektur eine charakteristische Abfolge von > Bewegungen, geleitet durch die bauliche Gestalt, vom Leibgedächtnis gleichfalls als > Gestaltschema erfasst, gespeichert und bei Gelegenheit wieder ausgeführt. Die über die visuelle Wahrnehmung hinausgehende Bedeutung von Bewegungsfiguren für die Architektur betont Goethe, wenn er sagt: „Wir fühlen eine angenehme Empfindung wenn wir uns im Tanze nach gewissen Gesetzen bewe-

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gen; eine ähnliche Empfindung sollten wir bei jemand erregen können den wir mit verbundenen Augen durch ein wohlgebautes Haus hindurch führen“ (1795, 670). Besonders im > Gebrauch ist Architektur vorwiegend durch bestimmte häufig wiederkehrende Tätigkeitsmuster und Bewegungsschemata geprägt, die visuelle Form bleibt im Hintergrund. Grundsätzlich bildet jedes räumliche Gefüge, wie Graf Karlfried von Dürckheim gezeigt hat, eine „Gegenform“ realer oder potenzieller Bewegungen, die sich in der für den jeweiligen Raum charakteristischen „Bewegungsformel“ niederschlägt. Durch allmähliche Vertrautheit erworben, gibt sie Bewegungssicherheit. Als Bestandteile von Bewegungsfiguren lassen sich schon kleinste Einheiten identifizieren. Das Besteigen einer > Treppe etwa setzt bereits eine gestalthafte Auffassung des einzelnen Steigevorgangs einer Stufe voraus, die dessen automatische Ausführung und Wiederholung erlaubt. So auch das Durchschreiten einer > Tür, wobei eine Abfolge von stereotypen Bewegungsschritten durchlaufen wird, die man fast blind ausführen könnte. Angesichts des jeweiligen baulichen Elements erinnert sich der > Leib gleichsam an das Repertoire seiner Bewegungsschemata. Mit der offenen Form eines > Feldes oder der gleichmäßig gestreuten Verteilung von Stützen in einer hypostylen > Halle etwa korrespondiert das > Schweifen. Unter den förmlicheren Bewegungen gehören lineare Bahnen zu den einfachen Figuren. Durch eine gereihte Abfolge von Formelementen, z. B. eine Stützenfolge, wird die Bewegung getaktet. Oder sie erhält im Wechsel von engen und weiten Raumabschnitten rhythmischen Bewegungscharakter, wie ihn z. B. August Schmarsow am Durchschreiten der Basilika untersucht hat. (1915, 33–46) Eine Erweiterung der Bahnfigur ist das pendelnde Aufund Abgehen, eine Bewegungsfigur, die den Fortgang des Denkens und Meditierens oder des Diskutierens und Verhandelns unterstützt. Ihre Gestalt bietet die Sicherheit der Richtung und eine feste Regel für die beliebige Wieder-

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holung, sodass keine Wegentscheidungen erforderlich sind und der Kopf frei bleibt für das Denken oder Reden. Ähnlich stabilisiert sich auch die kreisende Bewegung des > Zirkulierens in der Wiederholung, z. B. in einem Kreuzgang. Aus einfachen Figurbestandteilen setzen sich > Sequenzen zusammen. Beim Verlassen des Hauses etwa geht man ein paar Schritte durch den Korridor, öffnet die Tür, macht eine Wendung nach links, nimmt ein paar Stufen, macht eine Wendung nach rechts, öffnet eine weitere Tür und tritt auf die Straße. Solche alltäglichen Bewegungsabläufe gerinnen nach kurzer Zeit zu Figuren, die man wie im Schlaf beherrscht. Der > Orientierung dient eine Bewegungsfigur, wenn sie als prägnante Konfiguration der > Erschließung, etwa in der charakteristischen Figur einer Schlaufe oder einer anderen prägnanten Gestalt, das > Raumgefüge einer baulichen Anlage anschaulich werden lässt. Die Wechselwirkung von Bewegungsfigur und baulicher Gestalt ist konstitutiv für die architektonische > Gestik. Es gibt Situationen, die in ihrer ganzen > Atmosphäre von einem gestischen Impuls getragen sind, sodass durch den dynamischen Ausdruck der baulichen Gestalt bestimmte Bewegungen angeregt werden. Die gestalthafte Prägnanz solcher architektonischen Gesten beruht auf der besonders sinnfälligen Korrespondenz von Bewegungsfigur und Raumgestalt. Als zentrales Element eines Zeremoniells werden Bewegungsfiguren als Bedeutungsträger zusätzlicher, z. B. herrschaftlicher oder sakraler Inhalte eingesetzt. Die architektonische Unterstützung solcher rituellen Vorgänge findet man etwa in Gestalt der Stützenfolge von Prozessionswegen, im dramaturgischen Potenzial barocker Treppenanlagen oder im Stop-and-go-Charakter des Akropoliszugangs durch die Propyläen, wie er von Jürgen Joedicke beschrieben wurde. (1985) Literatur: Dürckheim 2005; Jäkel 2012

Bewegungssuggestion

> Anmutung, Formcharakter, Gestik (räumliche)

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Bild

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Bilder stehen für etwas, was sie selbst nicht sind. Mit diesem gewohnten Bildverständnis lassen sich in der Architektur zweierlei Bildfunktionen begreifen: Bilder am Bau (1) und Bauten als Bilder (2). Versteht man Architektur aber als > Situation, dann muss in einer weiteren Art von Bildauffassung anstelle des Baus die Situation als Bild begriffen werden. Dazu ist ein spezifisch architektonischer Bildbegriff erforderlich (3). 1. Bilder am Bau, z. B. Malereien oder Skulpturen, tragen als Bemalung von Oberflächen und illusionistische Behandlung von Wand und Decke zur > Atmosphäre oder zur > Gestik räumlicher Situationen bei oder eröffnen wie im Barock zusätzliche virtuelle Räume. Ob als integraler Teil des Bauwerks oder als Zutat, im Rahmen eines Gesamtkunstwerks wirken sie neben Musik und anderen Darbietungen entscheidend am Raumerlebnis mit. 2. Bauten als Bilder zu betrachten, ist in der Architekturgeschichte gang und gäbe. Bauwerke und zuweilen ganze Städte werden als Bilder gelesen: die ägyptischen Pylonen als Himmelstor, turmreiche mittelalterliche Kirchenbauten als vieltürmiges himmlisches Jerusalem und das vogelgestaltige TWA-Flugterminal als Bild von Abflug und Landung. Dabei vermischen sich oftmals Bild- und Symbolfunktionen. Für die Architektur besonders charakteristisch sind Bauformen, deren > Formcharakter unmittelbar dasselbe zum > Ausdruck bringt, was sie mittelbar durch das Bild darstellen, wie etwa die Dynamik der Schiffsmetapher in der Moderne (> Symbol). In der sogenannten französischen Revolutionsarchitektur sollten Gebäude ihren Zweck und Charakter durch bildhafte Elemente und Formen ausdrücken. Solche „sprechende Architektur“ (franz. architecture parlante) stellt seit der Postmoderne auch der Bildtyp der „Ente“ dar, der nach dem Beispiel eines Geflügelrestaurants in Entenform (Robert Venturi u. a.) seinen Inhalt gleichfalls durch die bildhafte Gebäudegestalt ausdrückt. Abbilden und Darstellen sind zwar nicht die

Hauptaufgaben der Architektur, aber sie rufen Assoziationen des Vertrauten, etwa bekannte Bilder vergangener Epochen oder sozialer Milieus, wach. Bauten als Bilder zu betrachten, muss aber nicht heißen, dass sie etwas abbilden. Der Bildcharakter im Sinne einer emblematischen Einprägsamkeit von Bauformen trägt zur Intensität architektonischen Erlebens bei, so etwa das klassische Bild vom Haus mit dem schrägen Dach als Inbegriff der > Behausung. Im gerahmten Durchblick hingegen, im Kamerasucher oder auf dem Monitor wird die Architektur zum Bild im Sinne einer Isolierung durch den Ausschnitt und die Blickfixierung von einem bestimmten Standpunkt her. Sie wird nicht im Handeln und in der Bewegung als konkrete Situation erlebt, sondern die durch den Rahmen gefasste Bildkomposition bringt die Architektur auf Distanz, macht sie zum Objekt der Betrachtung. Der Tourist erlebt den realen Ort oft nur aus der Perspektive des Bildbetrachters. Das > malerische Bild der Architektur, die sich vor allem in der Fassade von ihrer fotogenen Seite zeigt, stützt sich auf Flächenproportionen und Maßverhältnisse, attraktive Farbigkeit und Oberflächeneffekte, interessante Formüberschneidungen, das Spiel von Fläche und Tiefe, oft plakative Zeichenhaftigkeit. Es wird fast ausschließlich visuell wahrgenommen und eignet sich für die kontemplative Betrachtung. Es bietet aber auch den Vorteil einer weitgehenden Kontrollierbarkeit, lässt sich leicht reproduzieren und anschließend global verbreiten, als plakatives Image eignet es sich gut zur Vermarktung. In all diesen Fällen tendiert der Bildinhalt zu einer gewissen Künstlichkeit, die sich von der gegebenen Situation löst und nicht ganz zur Wirklichkeit des Betrachters gehört. 3. Diese Bildsicht kann aber umschlagen in eine andere, spezifisch architektonische Bilderfahrung, die sich aus der Fixierung eines Blickwinkels löst. Sobald der Raum der Architektur uns in die Tiefe hineinzieht und umfängt oder durch körperhafte Konfrontation ein räumliches Spannungsfeld aufbaut, erwacht möglicherweise das „architektonische Bild“.

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Die visuellen Qualitäten des vorherigen Zustands mögen am Rande noch mitspielen, aber nun wird die ganze Situation zum Bild. Wir haben es nicht zur Betrachtung vor Augen, sondern es reicht um uns herum, wir sind in ihm enthalten und nehmen uns in ihm wahr. Obwohl dieses architektonische Bild weder eine außerhalb liegende Wirklichkeit repräsentiert noch einen malerischen Inhalt darbietet wie andere Bilder, kann es gleichwohl als Bild gelten: Dass reale räumliche Situationen samt Akteuren etwas darstellen, kennt man vom Theater. Jede Szene erzeugt dort ein suggestives Bild, ist die Inszenierung von „etwas“, indem sie ein fiktives Geschehen nicht nur darstellt, sondern es in ein besonderes Licht rückt, eine imaginäre Bildmagie erzeugt. Das Medium dafür ist nicht nur das Bühnenbild, sondern das situative Zusammenspiel von Raumgestalt, Atmosphäre und Handlung, vergleichbar dem der Architektur. Durch ebenso eindringliche Mittel, Raumgestalt, Atmosphäre, Bewegungs- oder Handlungsfigur, lässt sich nun auch in der Architektur ein szenisches Bild herstellen, nur ohne Theaterstück. In diesem architektonischen Bild finden wir uns stattdessen selbst. Es ist nicht die Inszenierung einer fiktiven, sondern einer aktuellen Wirklichkeit, für die das architektonische Bild ebenfalls eine imaginäre Bildmagie erzeugt. Tatsächlich fühlt man sich ja durch die Architektur mitunter wie in ein Bild versetzt. Zudem korrespondiert der pikturale Akt, in dem der Mensch ein stabiles Bildfeld aus dem diffusen Wahrnehmungsfluss ausgrenzt, mit der fundamentalen architektonischen Funktion, eine Situation räumlich zu konturieren und in Analogie zum Bilderrahmen im weitesten Sinne ein Innen gegen ein Außen abzuschirmen. Durch seinen performativen Charakter wird ein solches Bild der Stadt oder der Architektur obendrein selbst zur > Szene. Die Auffassung von Architektur als „architektonisches Bild“ hat verschiedene Konsequenzen: Durch die Architektur können räumliche Situationen so durchstrukturiert werden, dass sie eine Bildprägekraft erlangen, die es uns erleichtert, uns ein „Bild“ von ihr zu machen, also über einen vereinzelten

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Standpunkt hinaus den situativen Gesamtzusammenhang treffend zu erfassen, in dem auch der – wechselnde – Einzelstandpunkt seinen Platz findet. Das, worauf das Bild anspielt, liegt nicht außerhalb der architektonischen Wirklichkeit, sondern reflektiert sie durch selbstbezügliche Aufmerksamkeit. Wenn die architektonische Gestaltung es darauf anlegt, gewinnt auch die Alltagswirklichkeit der Stadt und der Architektur durch den Bildstatus an schillernder Bedeutsamkeit und Bedeutung. In der Bildperspektive erleben wir durch Heraustreten aus dem rein funktionalen Raumgebrauch unser Handeln als etwas Bemerkenswertes. Sie macht fremd, schärft unser Interesse und lässt uns unerwartet wahrnehmen, was uns vorher unwichtig schien. Unsere Wahrnehmung wird entregelt, von der Fixierung auf das rein Dienliche befreit und kann sich mit gestreuter Aufmerksamkeit von der Fülle des Ganzen gefangen nehmen lassen, und zwar auch von dessen > Schönheit.

Blick

Unter den Sinneswahrnehmungen hat das Sehen ein Übergewicht. Der Blick scheint die räumliche Wirklichkeit vollständiger und zuverlässiger zu erfassen als die anderen Sinne. Im Sehen allein ist die Wahrnehmung von Architektur jedoch eingeschränkt. Während wir > Klang und > Geruch aus allen Richtungen gleichzeitig wahrnehmen, ist unser Sehfeld nach vorne ausgerichtet und auf einen Blickwinkel von ca. 180 Grad beschränkt, von beiden Augen zugleich wird nur ein Bereich von etwa 110 Grad wahrgenommen. Um vom Raum mehr als einen flachen Bildeindruck zu erhalten, müssen wir uns bewegen. Dennoch können wir durch einen einzigen Blick immer nur einen Ausschnitt von 25 bis 30 Grad klar erfassen, mit dem wir nach und nach den Raum abtasten. Die Folge dieser Einschränkung ist z. B., dass der Eindruck der > Geschlossenheit von Stadtplätzen oder die drückende Wirkung einer Decke davon abhängen, ob die Oberkante der Platz- oder Zimmerwand innerhalb oder außerhalb dieses

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Blickwinkels liegt. Die Einschätzung der > Größe von Bauwerken und Räumen ist durch ihre Überschaubarkeit, also durch das Verhältnis des Sehwinkels zum Betrachtungsabstand bedingt. Auch die Fassadengliederung eines großen Bauwerks ist nur aus genügender Distanz vollständig zu überblicken und lässt sich aus der Nähe nicht adäquat erfassen. Aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit von Sehabstand und architektonischer Gliederung auf den verschiedenen Maßstabsebenen steht das Fernbild eines Gebäudes im Kontrast zu seiner Wahrnehmung aus der Nähe. Bauglieder können aus der Ferne zierlich und elegant wirken, während sie aus der Nähe wuchtig erscheinen, wie z. B. die Pylone des Zeltdaches am Münchner Olympiastadion. Aus der Distanz lassen Bauwerke sich eher als flächiges Bild, Landschaften und Städte als Ansicht (Panorama) betrachten. Auf kürzere Distanz dagegen tastet der Blick die körperhafte Gliederung und das Oberflächenrelief des Bauwerks ab, nähert sich damit der haptischen Wahrnehmung und ergänzt diese schließlich durch das Greifen, z. B. des Türgriffs. Bereits das Sehen ergreift gleichsam die Dinge. Für Helmut Plessner „eilt, sozusagen, der Blickstrahl zu dem Dinge hin, umfaßt es wie eine menschliche Hand“ und nimmt so bereits mögliches Handeln vorweg. (1923, 247) Damit greift der Blick auch der > Erstrecktheit der ganzen persönlichen > Raumsphäre vor. Durch Einengung und Rahmung, > Filterung und Reflexion werden der Blick und das, was er zeigt, beschnitten, zerlegt oder verschleiert. Durch informationsreiche, gleichsam aufgeraute > Oberflächen und Reizfelder wird seine Dynamik verlangsamt. Wie die anderen Sinne tendiert auch das Sehen von sich aus zur vereinfachten Auffassung von Formkomplexen. Im Sehen werden z. B. aus der Fülle optischer Reize bestimmte Formen als > Gestalt ausgegliedert. Ebenso werden im visuellen Wahrnehmungsvorgang selbst – ohne bewusste Interpretation – Deutungen vorgenommen, so wird etwa die Vertikale überbetont, daher erscheint z. B. eine quadratische Wandfläche höher als breit, Türme wirken höher, als sie sind.

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Eine Blickbewegung nach oben wird bevorzugt, sie gibt dem oben Liegenden eine größere Bedeutung (> Monument). Wie bei allen räumlich-plastischen Dingen reicht der Blick von einem einzigen Standpunkt auch im Bereich der Architektur nicht zur vollständigen Wahrnehmung aus, sondern muss durch eine Blickserie aus verschiedenen Positionen ergänzt werden; das räumliche Vorstellungsbild wird aus Teilansichten erschlossen. Das architekturadäquate Sehen aus der > Bewegung (Kinästhesie) hängt in seinen Ergebnissen von Bewegungsbedingungen ab, wie dem Tempo, der > Dramaturgie einer > Sequenz oder der eigentümlichen Steuerung durch bestimmte Handlungsabläufe. Blickführungen sind meistens zugleich Wegführungen. Wir können um die Ecke herum hören und riechen, aber nicht sehen, daher müssen wir uns (herum-)bewegen, um dem Blick zu folgen. Neben den gewöhnlichen Leitwirkungen gerichteter Räume und saugender Trichterformen lassen konvexe Formen den Blick abprallen oder führen ihn um Hindernisse herum in zuvor nicht einsehbare Bereiche (> Ankündigung). Mitunter weist die Blickführung aber auch ins Ungewisse, weckt vage Erwartungen oder baut Spannungen auf. Der wiederholte kontrastreiche Wechsel von einem bestehenden zu einem auftauchenden Bild ist die Grundlage für ein lebendiges Erscheinungsbild der Stadt. Auch im klassischen Landschaftsgarten sollen wechselnde Stimmungen, Erwartungen und Illusionen durch die Kontraste unterschiedlicher Ausblicke und überraschender Perspektiven erzeugt werden. Der Blick sucht am Ende einer räumlichen Sequenz Halt in einem Blickziel. Er führt hingegen kontinuierlich durch die Räume hindurch, indem er durch Sichtachsen und Durchblicke immer weitergeleitet, von hintereinander gestaffelten Rahmen allenfalls verzögert, durch das Entgegentreten einer Kante aufgespaltet, dann aber wieder durch Schrägen, Kurven und Bögen in Fluss gehalten wird. Der Blick gibt in der Architektur allerdings selten die tatsächliche räumliche Ordnung zu erkennen, da wir fast immer nur Teile im Aufriss sehen. Dagegen offenbart nur

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der Grundriss, den wir aber nie erblicken, sondern nur sukzessive durchlaufen können, den vollständigen Zusammenhang von Raumgefüge und Bewegungsmöglichkeiten im Raum. Literatur: Klopfer 1919

Blickfeld Blickziel

> Blick, Geschlossenheit, Maß, Perspektive

Boden

Was es bedeutet, „Boden unter den Füßen zu haben“, erfahren wir am eigenen Leib. Die Gewissheit, dass der Boden die Last unseres Körpers trägt und es uns mit unnachgiebiger Festigkeit ermöglicht, uns gegen den Widerstand der Schwerkraft aufzurichten, abzustoßen und zu bewegen, hinterfragen wir selten. Daher gibt es kaum etwas so tief Verstörendes wie das Unsicherwerden des Bodens bei einem Erdbeben oder wie der Verlust des festen Bodens unter den Füßen beim Einsinken im Morast. Sobald wir aufgerichtet sind, müssen wir unseren labilen Stand gegen die Schwerkraft verteidigen, indem wir notfalls dynamische Ausgleichsbewegungen machen oder durch breitbeiniges Stehen die Basis verbreitern. Unser Verhältnis zum Boden ist zwiespältig. Man berührt ihn gewöhnlich nur, indem man ihn mit Füßen tritt, dort sammelt sich der Schmutz, Zu-Boden-Gehen ist eine Form der Niederlage und in der Erde begräbt man die Toten. Andererseits sucht man Schutz, indem man sich am Boden niederkauert, man lässt sich auf ihm entspannt zur Ruhe nieder und gewinnt Nahrung aus der Erde. Die allmähliche historische Verlagerung der Funktionen von Bett, Tisch und Herd von der Bodenebene auf eine mittlere Raumhöhe lässt sich als Ablösung vom Leben am Boden deuten, mit der die Räume in einer anderen Perspektive erscheinen. Gleichwohl ist der Boden die Grundlage unseres Handlungsraums, unser ganzes Leben spielt sich auf dem Boden als Aktions- oder Spielfeld und Bezugsebene unserer hauptsächlich horizontal

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> Achse, Blick, Gerichtetheit, Sequenz, Tiefe (räumliche), Weg

orientierten Wahrnehmung ab (> Feld). Wenn die Sicht nicht durch Hindernisse verstellt ist, bildet der Boden als Horizont auch die unerreichbare Grenze für die Reichweite des Blicks. Architektur spielt in vielfältigen Variationen durch, wie man das Auf-den-Boden-Kommen artikulieren kann. Sie betont die Arbeit des Tragens und ihre eigene Standfestigkeit durch breites Lasten auf dem Grund, etwa durch Podeste oder Sockelzonen, oder sie versucht im Gegensatz dazu der > Schwere durch leichtgewichtige Konstruktionen zu entkommen, die an möglichst wenigen Punkten die geringstmögliche Fläche zur Abstützung auf dem Grund einnehmen. Der Grund selbst wird durch eine Einfriedung als > Territorium (Grund und Boden) kenntlich. Doch bereits der Rand einer begrenzten Bodenfläche, vor allem wenn sie sich durch den Belag abhebt, deutet eine Grenze zwischen > innen und außen an. Man spürt, dass man einen Raum betritt, sobald man beim Über-Treten der Kante mit den Füßen auf einen bestimmten Boden tritt. Genauso vielfältig wie für unseren Körper die Modalitäten des Bodenkontaktes – man denke nur an die vielfältigen Körpertechniken wie Liegen, Hocken, Gehen, Hüpfen oder die unterschiedlichen Kontaktschichten wie Socken, Schuhe, Sohlen – sind die Möglichkeiten der gestalterischen Modifikation des Bodens in der Architektur. Ein Platzboden wirkt wie eine gespannte Membran, wenn er konvex gewölbt ist wie die Erdkugel; konkav ausgemuldet erscheint er zusammen mit den Wänden als Teil eines Hohlraums. In Innenräumen lassen sich über wechselnde Bodenniveaus, korrespondierend mit der Höhenlage der > Decke, die Raumhöhe und damit die Raumzonierung steuern. Dazu trägt auch die flächige Durchgliederung von Bodenbelägen bei. Vor allem auf dem Boden der Stadt lenkt eine Vielfalt von Linien, Kanten, Teilungen und Feldern unsere Bewegungen, weist Bahnen und Aufenthaltszonen aus, zieht Grenzen und weist Terrains aus. Eine besondere > Oberfläche des Bodens, ein empfindlicher oder kostbarer Belag erzeugt eine Scheu, ihn zu betreten, be-

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einflusst die Bewegung und verleiht dem ganzen Raum eine Exklusivität. Rauigkeit oder Glätte eines Bodenbelags beeinflussen die Fortbewegungsqualität, die akustischen Eigenschaften den Raumklang. Auch durch Härte, Elastizität oder Plastizität (Sand) und Schwingungsverhalten sowie durch ein eventuelles Gefälle wird die Bewegungsart teils gravierend, teils subtil mitbestimmt. Schließlich wirken diese Faktoren im Zusammenspiel auch erheblich auf die > Atmosphäre ein, von der Distinguiertheit eines Marmorbodens mit Inkrustationen, auf dem man sich gemessenen Schrittes bewegt, bis zum knarzenden Dielenboden als Bestandteil einer herkömmlichen Stube oder dem durch Teppiche oder Matten bedeckten Boden, der dazu auffordert, die Schuhe auszuziehen und sich niederzulassen.

Bogen Bühne

> Arkade

Chora Code Concinnitas

> Körper (architektonischer), Raum-Körper-Kontinuum

Dach

Als Pars pro Toto, steht das Dach für die > Behausung. „Ein Dach überm Kopf“ zu haben, ist die Mindestvoraussetzung einer Bleibe. Im separaten Dach, als Unterstand oder Regendach, kommt dessen schützender Charakter in Reinform zum Ausdruck. Dagegen vermittelt das Flachdach als unauffällige horizontale Platte, die sich nach innen zugleich als > Decke zeigt, seine bergende Funktion mit geringerer Ausdruckskraft. Es verschafft dem Dach stattdessen die zusätzliche Funktion als Aufenthaltsbereich. Seit der Moderne werden Dächer mit ihren Dachterrassen und Dachgärten daher zum Bestandteil der Wohnung im Freien und stellen zudem eine weitere

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> Auftritt, Bild, Szene, Treppe

> Lesbarkeit, Zeichen > Ordnung, Schönheit

> Fassade dar. Le Corbusier wollte mit der Dachterrasse den

Landverbrauch des Hauses auf der Erde kompensieren und schuf auf den Flachdächern seiner Häuser wertvolle Aufenthaltsräume, die nicht nur die Dachoberfläche als Boden haben, sondern deren Volumen auch durch die Einfassung mit einzelnen Wänden und Rahmenkonstruktionen markiert sind. Die für das Dach eigentümliche Erlebnisintensität bietet es aber vor allem in seiner traditionellen Gestalt mit der Differenz von Außen- und Innenform. Nach innen gibt es seine Form an die Decke ab, während es sich in der charakteristischen Gestalt von Neigung, Faltung, Wölbung und Überstand nach außen wendet. So transportiert es auch die notorischen Bedeutungen. Auch nach der Einführung des Flachdaches gehört das Satteldach immer noch zu unserem vertrauten Bild vom Haus, wie es die Kinderzeichnung zeigt, und ist für die meisten ein Zeichen für Heimat und Behausung. Durch seine Form ist das Dach in der Lage, Verbindung aufzunehmen zu den benachbarten Häusern, sie durch die Kontinuität von Dachflächen zusammenzubinden, ihre Volumen zu verschmelzen oder durch Wiederholung der Form einen gemeinsamen > Rhythmus zu erzeugen. Die Topografie einer Landschaft zeichnet sich als „Dachlandschaft“ in den Dachformationen ab. Form, Stellung und Anordnung von Dächern verleihen einer Stadt oder Region oftmals ihren Charakter und ihre Unverwechselbarkeit. Durch die eigenwillige Gestalt einer besonderen Dachform separiert sich ein Haus dagegen aus dem örtlichen > Kontext. In jedem Fall aber sind die Dächer an der Formierung von Stadträumen beteiligt. Zu deren Homogenität und Geschlossenheit tragen einheitliche Dachformen und -stellungen bei, indem z. B. die Häuserfronten nur Traufen (traufständig) oder nur Giebel (giebelständig) aufweisen. Durch kontrastierende Dachformen indessen treten die Häuser einander mit individueller > Gestik entgegen, wenden sich etwa durch Pultform oder große Dachöffnungen einander zu oder voneinander ab, greifen mit großen Vordächern in den Raum aus oder zentrieren ihn mit der Kuppel

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um sich. Dabei ist die Form des Daches nicht nur aus der Distanz zu erkennen, sondern zeigt sich aus der Nähe im Giebel oder an der Traufe und dem Dachüberstand. Mit Gesims und Überstand deutet die Dachkante zugleich einen virtuellen oberen Abschluss des Platzraums an und bildet gleichsam den Rand eines imaginären Platz-Daches. Der Dachrand ist aber auch der obere Abschluss, den die äußere Gebäudeform selbst benötigt, sogar das Flachdach zeigt sich als Abschluss in der Attika. Ein elementares Merkmal der > Tektonik ist die Unterscheidung von unten und oben, die in dem Gegensatz von fest auf dem Baugrund ruhendem Sockel und aufgesetzter Haube oder aufgelegtem Deckel des Daches zum Ausdruck kommt. Während das Flachdach aus gewöhnlichem Blickwinkel zur Plastizität eines Hauses nicht beiträgt, lässt sich die schräge Dachform als eine kontinuierliche Weiterführung der Außenwand ins Dach deuten, welche die (konvexe) Körpergestalt eines Hauses nach oben vervollständigt. Die Geschlossenheit der Dachflächen unterstützt die körperhafte Erscheinung und trägt zur skulpturalen Wirkung eines Baukörpers bei. Allerdings wird die konkrete Beschaffenheit der Dacheindeckung in Form der Schuppung durch Dachziegel, Schindeln, durch die Bedeckung mit einer dünnen Metallschicht oder die Fellstruktur von Stroh oder Reet auch als eigene hautartige Schicht wahrgenommen. Das Dach bietet die Möglichkeit, mit seiner differenzierten Durchgliederung den Grundriss oder die Zusammensetzung des Hauses aus verschiedenen Gebäudeteilen außen ablesbar zu machen. Die Formen des Inneren spiegeln sich in der Komposition verschiedener Dachelemente wider. Andererseits kann das einheitliche Dach auch ein mehrgliedriges Gebäude als Ganzheit zusammenfassen. Die besondere Gestik eines Hauses gipfelt meistens in der Dachform, manchmal ruft sie physiognomische Assoziationen zu Lebewesen hervor, zu Gesichtern oder skurrilen Frisuren. In ihrer eigentümlichen Gestalt reflektiert sie die äußere Form im Inneren des Hauses, wenn Innenräume von der Dachform mitgeprägt werden.

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Von Schutzdach, offener Halle oder Pavillon abgesehen, sieht man allerdings dem Haus von außen in der Regel nicht an, wie es unter seinem Dach aussieht. Es kündigt den geschützten Raum im Inneren nur an, weckt Erwartungen und fordert zum Eintreten auf. Ein großer Dachüberstand oder eine weit heruntergezogene Traufe lassen außen schon die Introversion des Inneren erahnen. Sie bilden Vorstufen, indem man bereits ein „Inneres“, zumindest einen > Zwischenraum, erreicht, wenn man unter der äußeren Kante hindurch unter das Vordach tritt. Innen angekommen aber sieht man vom Dach normalerweise nichts mehr. Seine Gestalt wird zwar von außen kommend als Erwartung in den Innenraum mit hineingenommen, in den meisten Fällen aber zunächst von der Erdgeschossdecke vertreten. Nur in besonderen Fällen, besonders in überwölbten oder überkuppelten Räumen, Hallen oder Scheunen, kommt es vor, dass das Erlebnis des Inneren mit dem Eindruck von der Dachgestalt des Äußeren zusammenfällt. Dann wird der Raum durch die Gestik der Dachform gerichtet, zentriert oder gegliedert, dehnt sich nach oben oder wird gestaucht und legt bestimmte Bewegungsfiguren nahe. Die Differenz zwischen Dach und Decke hingegen reflektiert deren unterschiedliche Aufgaben als äußere Bauform und als innere Raumhülle. Während das Dach nach außen Masse suggeriert, repräsentiert die Decke den Himmel. In ihrem Zwischenraum, einer Form von > Poché des Querschnitts, befindet man sich „im“ Dach, das dort nicht der überdachte Innenraum des Hauses ist, sondern ein abgesonderter, kaum belichteter und schwer einsehbarer Bereich. Im offenen Dachstuhl gibt das Haus die Rationalität seiner Konstruktion zu erkennen, zugleich bildet aber das staubige Gewebe von Balken und Streben im Dämmerlicht einen geheimen Rückzugsort. Dessen Räume, Dachboden, Speicher, Dachkammer erreicht, wer ins Dach hinaufsteigt, um etwas zu verstecken oder sich zu verbergen, und sich dabei auch versteigen kann. Literatur: Burren/Tschanz/Vogt 2008

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Dämmerung Dauer Dazwischen

> Atmosphäre, Dunkelheit, Licht, Weite und Enge

Decke

Im Haus vertritt die Decke den Himmel, draußen bildet der Himmel die Decke. Den Himmel nimmt man kaum zur Kenntnis, wenn er nicht durch besonderes Aussehen auf sich aufmerksam macht. Ähnlich ist es mit der Decke. Während die Menschen hauptsächlich auf die Wände orientiert leben und daneben vor allem der Boden noch Beachtung findet, bleibt die Decke weitgehend außer Acht, wenn sie nicht durch ungewöhnliche Höhe, Färbung, Öffnungen oder andere Eigenheiten auffällt. Das liegt auch daran, dass sie sich bei üblichen Raumhöhen erst aus größerem Abstand innerhalb des normalen Sehwinkels befindet. In eng umschlossenen Außenräumen vermisst man die fehlende Decke kaum, der mangelnden Aufmerksamkeit sind Himmel oder Decke einerlei, Dachgesimse deuten die Auflager einer imaginären Decke an, Blätterdächer und Rankgerüste sorgen für eine gewisse Materialisierung. Auf großen Plätzen aber umfasst der Sehwinkel so viel Himmel, dass sie sich nach oben öffnen. Der Ausdruck „Decke“ wird vornehmlich für den mehr oder weniger horizontalen Abschluss verwendet, der sich von den vertikalen Raumbegrenzungen wie Wänden und Stützen deutlich unterscheidet. Diese Unterscheidung fällt dagegen schwer, wenn die Decke, wie bei Kuppeln, Gewölben und frei geformten Raumabschlüssen, allmählich in die Senkrechte übergeht und dabei fast bis zum Boden reicht. Auch wenn die Decke unmittelbar oder indirekt eine Vorstellung vom > Dach vermittelt, ist sie nicht mit ihm identisch, denn sie wird als die Innenseite eines Hohlraums, das Dach dagegen als die Außenseite eines Körpers wahrgenommen. Selbst wenn das Dach mit seiner Konstruktion im Inneren unverkleidet sichtbar ist, hat es als Decke für die Hohlform des Innenraums

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> Architektur, Ereignis, Monument, Tektonik, Zeit > Zwischenraum

eine andere Wirkung als in seiner bekrönenden Rolle eines äußeren Bauwerksabschlusses. Während die Wände die Räume trennen, hat die Decke eher eine zusammenfassende und gliedernde Wirkung. Einem Raum, der bereits durch die Wände begrenzt, bemessen und geformt ist, verschafft sie die ergänzende Abdeckung. Sie lässt sich aber auch als das primäre Element betrachten, mit dem das Urbedürfnis des Zudeckens befriedigt wird, wie es auch das Wort „Decke“ ausdrückt. Tatsächlich kann ein Raum ohne begrenzende Wände, etwa im Skelettbau, allein durch den Umriss und die Höhenlage einer Deckenplatte definiert werden, wobei das von ihr überdeckte Volumen als Innenraum erscheint und die Projektion ihrer Kontur auf den Boden die Begrenzung durch die Wände ersetzt. Die Decken- und Raumhöhe fügt dem Grundriss die dritte Dimension hinzu. Während der Grundriss vornehmlich für die Organisation des > Raumgefüges sorgt, entscheidet erst die Kombination mit der Raumhöhe und deren Variation über die Ausdrucksqualitäten der Räume. Unsere persönliche > Raumsphäre dehnt sich je nach sozialer Situation anders aus, im intimen Zusammensein nimmt sie geringen, bei öffentlichen Anlässen weiten Raum ein. Der Ausdehnungsspielraum erfordert zur Grundfläche auch die entsprechende Raumhöhe. Dem entspricht auch, dass eine niedrige Decke Stimmen und Schall näher erscheinen lässt, unter hohen Decken klingen Stimmen und Personen weiter entfernt. So schafft der Wechsel von Deckenhöhen in einem Haus ein differenziertes Angebot von Räumen, deren niedrige Höhe sich für zurückgezogene Situationen eignet, und von anderen Räumen, deren größere Höhe geselligen Aktivitäten entspricht. Diese Anforderungen berücksichtigt beispielsweise der Loos’sche > Raumplan. Eine Variation der Raumhöhe lässt sich auch durch eine Anhebung des Bodenniveaus in Korrelation zur Deckenhöhe erzielen oder durch den Einbau von > Galerien oder Podesten.

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Auch der atmosphärische Charakter eines Raumes hängt von der Raumhöhe ab. So kann eine sehr niedrige Decke neben dem Eindruck von intimer Geborgenheit auch den dumpfer, erdrückender Enge erzeugen, während eine sehr hohe Decke Großzügigkeit und Feierlichkeit vermitteln, aber auch ein Gefühl von Verlorenheit hervorrufen kann. Mit den unterschiedlichen Formen der Decke verbindet sich eine reiche Symbolik, wie etwa die Bedeutung als Himmelsgewölbe oder -zelt, als Baumhain oder Schiffsbauch. Auch wenn die Decke in der Regel nur beiläufig wahrgenommen wird, zieht eine deutliche Veränderung der Deckenhöhe oder deren besondere Form den Blick unwillkürlich nach oben. Die Gestalt der Decke ist vor allem für den gestischen Charakter von Räumen entscheidend. Sie hebt oder drückt den Raum, richtet oder zentriert ihn und verbindet oder gliedert Räume. Während sich etwa der Raum eines Zimmers mit flacher Decke gleichmäßig horizontal erstreckt, dehnt er sich in der konkaven Schale einer Kuppel aufsteigend nach oben aus. Im Kontrast zur ruhig-bergenden Wirkung einer geradlinig gerichteten Tonnenwölbung steht die expressiv aufragende > Gestik eines spitzbogigen gotischen Gewölbes. Die konkave Deckenform hält den Raum zusammen, die Decke unter einem ausschwingenden Dach lässt ihn nach außen fließen, wie z. B. an der Stazione Termini in Rom. Das > Licht kommt unter freiem Himmel von oben, so weist eine Lichtöffnung in der Decke zum Himmel, suggeriert als opaion entweder die übernatürliche Herkunft des Zenitallichts oder lässt den Himmel durchscheinen und öffnet den Raum. Dagegen scheint die Decke sich abzuheben, wenn zwischen Wänden und Decke Licht einfällt, zum einen weil ihr das Auflager zu fehlen scheint, zum anderen weil sie, vom Streiflicht erhellt, leicht wirkt, während Decken sonst fast immer im Schatten des Fenstersturzes liegen. Leicht und etwas fern erscheint die Decke auch durch einen hellblauen Anstrich, einen textilen Zelthimmel oder durch eine entmaterialisierende Deckenmalerei, vor allem wenn diese den Himmel darstellt.

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An den Nacht- oder Gewitterhimmel dagegen erinnern dunkle > Farben; sie machen die Decke schwer, was beschützend oder aber bedrückend wirkt. Zwischen dem Dach als oberer Begrenzung eines Hauses und der darunterliegenden Decke besteht meistens ein > Zwischenraum, dessen Dimension von leichten räumlichen Differenzen bis zu großen Dachräumen schwankt. Dieser dunkle Dachraum mit der offenen Dachkonstruktion wird zum > Resonanzraum, wenn sich die Decke zu ihm öffnet. Bleibt er verborgen, so ahnt man dennoch meistens, dass zwischen Decke und Dach noch Raum sein muss, von dem man aber nicht viel weiß.

Dekor

> Atmosphäre, Bekleidung, Ornament, Wand

Detail

Nirgends wird in der Architektur das zentrale Problem des Fügens verschiedener Teile und des Ausdrucks ihrer jeweiligen Rolle für das Ganze deutlicher als im „Detail“. Eine integrale Detaillierung ist der besonders offensichtliche Ausdruck von Logik und Konsequenz in der Architektur. Sie trägt dazu bei, das große Ganze im Kleinen zu spiegeln und den gesamten baulichen Zusammenhang im > Maßstab des Details fasslich und erlebbar zu machen. In der Architektur versteht man unter Detail nicht irgendeine beliebige Einzelheit, sondern vor allem die gesonderte Ausformung derjenigen Stellen, an denen ein Bauelement abschließt oder mit einem anderen zusammentrifft, womit sich das Gesamtgefüge der Teile artikuliert. Dazu gehören z. B. Rahmen, > Schwellen, Gesimse, > Sockel und Materialverbindungen. Stellen der Berührung durch die Benutzer werden besonders detailliert. Die Detaillierung kann verschiedene Strategien verfolgen, indem sie die Stelle des Zusammenkommens akzentuiert, umspielt, verdeckt oder, wie im Fall der Schattenfuge, im Dunkeln lässt. Damit dient die Detailgestaltung nicht nur der

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Konstruktion, sondern verleiht der Zusammensetzung von Bauteilen sinnfälligen Ausdruck. Ihr Deutungspotenzial reicht vom graduellen Übergang oder nahtlosen Verschleifen über die Distanzbildung bis zu Konflikt und Abstoßung, sie kann das Ineinandergreifen der Teile als Verzahnung, Durchdringung oder Umschließung kenntlich machen. In der gestalterischen Ausdeutung des Gefüges macht sich die sprichwörtliche Liebe zum Detail für den Benutzer als unmittelbar ausdrucksvolle Zuwendung bemerkbar. Indem ein Detail darüber entscheidet, wie ein Material zwischen innen und außen oder zwischen Boden, Wand und Decke wechselt, werden Raumgefüge und -form jeweils verschieden gedeutet. So machen Details die Architektur oftmals erst lesbar. Ein Gebäudesockel verdeutlicht die Bodenberührung zugleich als Loslösung und Versöhnung mit dem Grund. Eine Fuge zwischen Decke und aufstrebender Wand etwa kann dazu beitragen, dass ein Raum nicht als allseits verschlossener Behälter, sondern als Raum erscheint, über dem eine Decke „schwebt“. Wandbündig eingelassene Fensterrahmen, die nach innen unsichtbar sind und keinen Schatten werfen, lassen das Fenster verschwinden und den Raum ohne Hindernis hindurchfließen. Bei einer > Säule machen Basis, Kapitell und die Gestalt des Säulenschafts die Lastabtragung in Verbindung mit Boden und Träger auf eine Art verständlich, die eine rohe Stahlstütze oder der ungestaltete Holzbalken nicht bieten. Das Detail als besondere Einzelform lädt zur intensiven Erfahrung des Tastens (> Haptik) und der Nahsicht ein, insbesondere wenn es sich um diejenigen Detailformen handelt, die Architektur handgreiflich benutzbar machen, wie etwa Geländer, Handläufe, > Fenster und > Türen oder Hebel und Schalter. Für die Handhabung kommt es besonders auf die Sinnfälligkeit der Gestaltung an. Die Verständlichkeit, die solche Elemente als einfache Gegenstände besitzen, verlieren sie, wenn sie zu komplizierten Apparaturen werden. Gegenüber der Möglichkeit, in einem Detail verschiedene Funktionen zur

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Deckung zu bringen, besteht eine andere Strategie darin, seine verschiedenen Aufgaben voneinander zu trennen und damit zu verdeutlichen. So kann man etwa den Handlauf von einer Betonbrüstung abheben, um die Funktionen der Absturzsicherung und des Halts für die Hand deutlich voneinander zu unterscheiden. Eine Sonderfunktion haben Details, die als bedeutungstragende Zeichen, als decorum, auftreten. Sie sorgen dafür, die > Bedeutung von Eigentümer, Zweck oder gesellschaftlicher Rolle eines Bauwerks richtig einzuschätzen, sie spiegeln einen symbolischen Gehalt wider oder dienen als > Ornament. Ein gestalterisch kohärentes System von Details kann auch als eine Art Sprache verstanden werden, der Charakter eines Baues zeigt sich dabei in einer spezifischen Auswahl von Details, die der sorgfältigen und stimmigen Wortwahl in der Literatur entspricht. Manche Architekten haben insbesondere am Detail eine hervorstechende Inspiration und einen spezifischen Eigensinn bewiesen. So gibt es etwa die berühmte „Mies-Ecke“, die neben vielen weiteren Eigenheiten im Detail die Handschrift des Architekten erkennbar macht und, wiederholt angewendet, wie dessen persönliche Signatur wirkt. Literatur: Kemp 2009; Weston 2003

Dichte, räumliche

Ein Raum von besonders hoher Dichte erscheint undurchdringlich für den Blick und hemmt die Fortbewegung, man frisst sich fest. Der Eindruck solcher Dichte kommt dadurch zustande, dass in einem gegebenen Raumvolumen sicht- oder raumhohe Elemente, Stützen, Pfeiler, Wandscheiben oder Massenkörper in großer Zahl und geringen Abständen so angeordnet sind, dass man sich zwar zwischen ihnen bewegen kann, aber für den > Blick kein oder wenig Durchkommen ist. Der Raum ist also weiter ausgedehnt, als die Sicht reicht, denn der Blick dringt nicht bis zu den Raumgrenzen vor. Man sieht nicht, ob der Raum überhaupt Wände hat, ob er nach außen offen oder geschlossen ist. Die Fortbewegung ist zwar

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durch Hindernisse eingeschränkt, führt aber zwischen ihnen immer weiter, ohne dass der Blick jedoch vorauszueilen vermag. Für das Erleben extremer Dichte, wie z. B. im Säulensaal des Amenophis III. in Luxor, trifft Otto Friedrich Bollnows Beschreibung der Erfahrung zu, die jemand im dichten Wald macht: „Aber sobald er nach der einen Seite hin in ihn eindringt, entgeht er nicht der Gefangenschaft seines Blicks und gewinnt nicht das Freie, sondern der enge übersehbare Bereich wandert mit ihm mit, wie sein Schatten; er wird seine Enge nicht los, sondern bleibt darin eingeschlossen.“ (1963, 218) Die gleichmäßige dichte Verteilung der Säulen behindert die > Orientierung, da keine Richtung vor der anderen ausgezeichnet ist. Nicht nur wenn bauliche Elemente in geringem Abstand zueinander im Raum verteilt sind, kommt Dichte zustande, sondern auch aufgrund ihrer Masse und Form entsteht als Anschauungskraft ein „Druck“ zwischen ihnen. (Arnheim 1980) Dichte entsteht in einer baulichen Anlage mit hohem Anteil von Massen im Verhältnis zum Hohlraumvolumen, so etwa bei Wehrbauten mit kleinen Räumen und dicken Mauern, die nur von Nischen und Schlitzen ausgehöhlt sind. Die Festigkeit schwerer, undurchdringlicher Körpermassen lässt Räume zugleich eng erscheinen. Indessen lässt sich Raumdichte auch durch die Anordnung dünner Stützen oder Wandscheiben erzielen. Sie ist gering, wenn ein Raum sich unverstellt und ungegliedert in die > Weite ausdehnt. Durch die Anfüllung mit Elementen nimmt die Dichte zu, dabei wird die Untergliederung in der > Tiefe des Raumes für die Sinne fassbar. Durch Engstellung und versetzte Anordnung der Elemente lässt die Dichte sich weiter steigern. Nach Jürgen Joedicke (1985) bezeichnet „Dichte“ eine Eigenschaft des architektonischen Raums, die zwischen den Extremen von Leere und Massivität einzuordnen ist. Einen Raum mit einer lediglich äußeren (peripheren) Dichte der Raumbegrenzung nennt er „Behälter“; kommt vollständige innere Dichte dazu, wird er zum „Körper“, wohingegen ein

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„Raumfeld“ zwischen bloßen Eckmarkierungen weder äußere noch innere Dichte besitzt. Je nach Art der Dichtestruktur hat unsere persönliche > Raumsphäre die Tendenz, sich in ihrer Ausdehnung gleichsam zwischen die Hindernisse zu drängen. Räume mit hoher Dichte vermitteln einen Eindruck von Festigkeit und Halt. In ihnen fühlt man sich wie in ein Gewebe eingebettet, im Extremfall hat man das Gefühl, dazwischen stecken zu bleiben. Dieser Effekt kann im ungünstigen Fall in Bedrängnis oder einen Verlust der Orientierung umschlagen. Räume mit geringer Dichte wirken dagegen klar und überschaubar. Wenn sie zu groß und karg werden, kommt man sich in ihnen vielleicht verloren vor, andererseits stellen sie unserem Ausdehnungsdrang keine Hindernisse in den Weg und zeichnen sich aufgrund ihrer ungegliederten Einheitlichkeit durch Entschiedenheit aus. In ihrer Bedeutung geht über die räumliche Dichte jene ganz andere Form einer Erlebnisdichte deutlich hinaus, in der eine ästhetische Verdichtung auf verschiedenen Sinnesebenen sich mit einem Reichtum an weiteren emotionalen, leiblichen und intellektuellen Bezügen verbindet. So ist Dichte auch im Städtebau für die Erfahrung von Urbanität hauptsächlich im Sinne einer Ereignisdichte maßgebend, die weniger durch bauliche Dichte, als durch das Zusammentreffen verschiedenartiger sozialer und kultureller Welten zustande kommt.

Dienender/bedienter Raum

> Raumhaltige Wand

Dramaturgie

Architektur muss nicht dramatisch sein, das heißt mit Spannung geladen und das Gemüt erregend. Aber schon die architektonische Wirkung einer gewöhnlichen > Introduktion wird nur verständlich, wenn man außer der Abfolge von Räumen auch die Dramaturgie der Bewegungsetappen berücksichtigt, aus denen sich Ankunft und Eintritt ins Haus zusammensetzen. In besonderen Fällen kann jedoch die Dramaturgie deutlicher

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auf die Herstellung eines Spannungsbogens, auf eine Folge von Spannungsaufbau und Entspannung zielen, um erneute Spannung aufzubauen, oder kann auf einen Höhepunkt hinführen. Verschiedene Wahrnehmungsgesetze zeigen die Wichtigkeit von Abwechslung, um das schweifende, immer nur momentan zu engagierende Bewusstsein zu faszinieren und zu lenken. Ursprünglich im Theater verwendet, bezeichnet der Ausdruck „Dramaturgie“ im Allgemeinen die Bearbeitung unter den Aspekten von Dynamik oder ruhiger Dauer, Kontinuität und Abschnittsbildung. Sie verleiht der Handlung Intensität, vermeidet ermüdende Monotonie und versucht, eine innere Notwendigkeit zu erzielen, welche eine > Sequenz als Ganzheit oder eine > Bewegungsfigur schlüssig zusammenbindet. In der Architektur geht es dabei um das Wecken von Erwartungen und den von ihnen ausgehenden Spannungsaufbau, das anschließende Einlösen der Erwartung oder aber eine unverhoffte Wendung. Die einzelnen Situationen werden aber auch im Blick auf eine raumzeitliche Gesamtfolge konzipiert, die ihren Wert als geschlossene Einheit behauptet. Eine spannungsvolle Abfolge entsteht zum Beispiel dann, wenn die Struktur eines Bauwerks sich nicht auf den ersten Blick zu erkennen gibt, sondern erst über Umwege entdeckt wird, wenn das Äußere einen Gegensatz zum Inneren bildet, der beim Eintreten überrascht, aber sich im weiteren Gebrauch doch wieder als Zusammenhang erweist. Dramaturgisch durchdacht sind auch die Raumfolgen in barocken Gärten, wo auf der zentralen Sichtachse Hindernisse immer wieder Umwege erzwingen, auf denen man das Ziel aus den Augen verliert, um es schließlich unerwartet wiederzufinden, erneut zu verlieren, aber dann triumphal zu erreichen. Für geradezu dramatische Wirkungen sind > Treppen besonders gut geeignet, sie versperren zunächst den Blick in die Räume des anderen Stockwerks, geben ihn erst nach den Mühen des > Steigens frei, indem sie die Anstrengung durch überraschende Ein- und Überblicke belohnen, etwa im Fall von Balthasar Neumanns Bruchsaler Treppenhaus noch gesteigert durch den

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Gegensatz der dämonischen Höhle unten zu der unerwarteten Leichtigkeit der Himmelszone oben.

Druck

> Bewegung, Dichte (räumliche), Feld, Körper (architektonischer), Kräftefeld, Weite und Enge

Dunkelheit

Dunkle Räume sprechen unser atmosphärisches Empfinden in besonderer Weise an. Es geht hier nicht um den scharfen Kontrast von Dunkelheit und > Licht, sondern um einen Gewinn differenzierter Wahrnehmungsmöglichkeiten, die sich erst bei starker Herabsetzung der Grundhelligkeit ergeben. Man wird Räume in der Architektur selten in absolute Finsternis versetzen, weil ihre visuelle Wahrnehmbarkeit damit nahezu aufgehoben würde. Dunkelheit von Räumen muss nicht einen Mangel an Helligkeit bedeuten, sondern schafft eine eigene Erlebnisqualität. Schon im Dämmerlicht haben Räume oftmals einen geheimnisvollen, zwielichtig-schwebenden Charakter, teils verunsichernd, teils bergend. Je dunkler ein Raum ist, desto stärker öffnet er sich für andere Ebenen der > Sinneswahrnehmung, etwa Gehör, Geruchssinn und haptische Wahrnehmungen. Die eigene Verortung im Raum wird unscharf, wenn die Raumgrenze sich im diffusen Dunkel auflöst. Dafür verstärken sehr dunkle Räume die eigenleibliche Wahrnehmung im Raum. Der Einzelne fühlt zwar eine Ausdehnung seiner > Raumsphäre ins Dunkel, doch zugleich empfindet er sich stärker auf sich selbst zentriert. Ein extrem dunkler Raum hat eine eigene Dichte und unbestimmbare > Tiefe, die nicht seiner tatsächlichen Ausdehnung bei Helligkeit entsprechen. Im Hellen wird der Raum als die Leere zwischen den Objekten selbst nicht wahrgenommen. Im Dunkeln dagegen kommt uns der Raum vor wie angefüllt von Dunkelheit. Wir haben das Gefühl, von ihm berührt und eingehüllt zu werden, manchmal scheint er uns zu

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durchdringen. Die Unterschiede zwischen innen und außen sind im Dunkeln geringer als im Hellen. Aufgrund der Dichte und Undurchdringlichkeit des Dunkels bewegen wir uns im dunklen Raum nur langsam und tastend. Die Dinge in ihm sind in ihrem Abstand nur schwer einzuschätzen, sie tauchen nach der Gewöhnung der Augen nur allmählich aus der Dunkelheit auf. Das Erblicken des einzelnen schwach erhellten Objekts oder der kleinen Lichtöffnung erhält dadurch eine erhöhte Bedeutung. Die Dinge bleiben eingebettet ins Dunkel. Manchmal nur undeutlich erkennbar und rätselhaft, ziehen sie uns an. Das spärliche Licht auf den Oberflächen erscheint als etwas Kostbares. Man hat diese Phänomene vor allem in Kirchen und Kulträumen vielfach ausgenutzt, um sakrale Stimmungen zu erzeugen. Im Extremfall ist die tiefe Schwärze großer dunkler Räume imstande, einen Sog zu erzeugen, der uns zu verschlucken droht und der, aus der ästhetischen Distanz erlebt, uns das Gefühl der > Erhabenheit vermittelt. Im westlichen Kulturkreis sind besonders differenzierte Wahrnehmungen solcher Phänomene aus niederländischen Interieurs in der Malerei des 16.–18. Jahrhunderts nachvollziehbar. Insgesamt ist der Effekt des chiaroscuro in der Malerei oft nicht so sehr dem polaren Kontrast zwischen Licht und Dunkel, sondern vielmehr der in Dunkelheit getauchten Grundstimmung und der Nutzung sehr differenzierter Helligkeitswerte zuzuschreiben. Besonders hervorgehoben wird die Bedeutung der Dunkelheit und einer differenzierten Helligkeitsverteilung durch Jun’Ichiro Tanizaki am Beispiel der traditionellen japanischen Architektur. Dunkelheit und Schwärze sind in der japanischen Tradition Phänomene, die – anders als im Westen – auf subtile Weise kultiviert werden und mit reichen Bedeutungen aufgeladen sind. Nicht strahlende Helligkeit soll Klarheit schaffen, sondern das differenzierte Spiel von Schatten und Dämmerlicht, von matt oder leicht schimmernden dunklen Materialien soll die wahren Eigenschaften der Dinge erahnen

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lassen. Durch weit überkragende, niedrige Dächer und große Raumtiefe entsteht in deren Innerem eine starke Verdunkelung. Das durch Papierfenster (shoji) einfallende, verschiedenartig gefilterte Licht erscheint wie durch eine feine Dispersion gleichmäßig in kleinste Lichtpartikel zerstäubt. Durch diese Einflüsse entstehen im Inneren für den Benutzer sehr weiche und fein differenzierte Helligkeitsübergänge. Subtilste Helligkeitsdifferenzen werden erst in der Herabsetzung der Helligkeit auf ein Minimalmaß zum fein abstimmbaren Instrument, das den Raum auch ohne eine Trennung durch Abschirmungen zu gliedern erlaubt. Andererseits schafft das Dunkel eine starke atmosphärische Einfassung und Bindung der gesamten Situation. Durch die dunkle Grundierung bekommen auch > Stofflichkeit, > Oberflächen und > Farben ein neues, sehr differenziertes Wirkungsspektrum. Reflektorische Glanzlichter von Gold, leuchtenden Farben und glänzend lackierten Oberflächen setzen im Rahmen der dunklen Grundierung herausragende Akzente. Literatur: Janson 2003; Tanizaki 1933

Durchblick Durchdringung Durchlässigkeit Durchscheinen

Ebene

> Blick, Ankündigung, Perspektive, Sequenz, Tiefe (räumliche) > Formcharakter, Transparenz > Ankündigung, Filter, Porosität, Transparenz, Zugänglichkeit und Exklusivität > Blick, Filter, Oberfläche, Transparenz

Unsere Bewegung wird durch die Schwerkraft an die horizontale Ebene des > Bodens gebunden und durch die parallele Ebene der > Decke nach oben abgeschirmt. Boden und Decke, Gelände und Dach als einander zugeordnete Ebenen formen einen Zwischenraum für die freie Bewegung, unterbrochen von den vertikalen Ebenen der Wände. Eine Räumlichkeit, die vorwiegend durch Ebenen organisiert ist, die den Raum eher anschneiden oder exponieren und nicht ein- oder ausschließen,

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steht im Gegensatz zur klaren Fassung durch ein Raumgefäß. Herman Hertzberger behauptet, im einen Fall bleibe der Raum intakt, werde gar so erzeugt, im anderen werde er beansprucht oder verbraucht (2000). Häuser lassen sich vollständig aus ebenen Flächen, Platten (horizontal) und Scheiben (vertikal) zusammensetzen. Die Wände können selbst wieder in eine > Schichtung von Ebenen zerlegt werden. Solche Häuser wirken leicht und ephemer, wie etwa das traditionelle japanische Haus mit seinen einzelnen Wandebenen, der vom Grund abgehobenen Bodenebene und den beweglichen Schiebewänden. Stoßen Boden, Wand und Decke als reine (farbige) Flächenelemente an den Ecken in Kontrasten zusammen oder treffen sich gar nicht, wie in Bauwerken von de Stijl, erscheint das Haus wie eine Demonstration kompositorischer Möglichkeiten, tendiert dabei allerdings zu einer gewissen Abstraktheit. Genau genommen sind aber auch einzelne Wandscheiben und Deckenplatten keine zweidimensionalen Flächen, sondern immer auch > Körper. Indem sie über die Ebenen ihrer Oberflächen zueinander, z. B. durch > Winkel oder > Konfrontation, in Beziehung treten, gliedern sie den Raum, als einzelne im Raum verteilte Flächenelemente halten sie zugleich durch ihre Leit- und Führungswirkung die Bewegung in Fluss. Eine besondere Rolle spielt die Ebene des Bodens. Im Außenraum, wo vertikale Ebenen fehlen, sind durch Stufen artikulierte Differenzen des Bodenniveaus das Mittel der Raumgliederung. Bauwerke erfordern zur räumlichen Erweiterung in der Höhe eine Vervielfältigung von Ebenen durch die Stapelung von Geschossen auf Kosten des Grundkontakts. Zwischenebenen auf weniger als der vollen Geschosshöhe erlauben gestufte Übergänge, Blickverbindungen und Kontakte zwischen oben und unten (> Raumplan). Treppen, Podeste oder einzelne Stufen erzeugen selbst wieder eine Zerlegung in kleinere Auftrittsebenen. Zwischen verschiedenen horizontalen Ebenen vermittelt die schiefe Ebene. Durch ein kaum merkliches Gefälle wird man veranlasst, sich abwärtszube-

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wegen, ohne recht zu wissen, warum. Eine stärkere Neigung erschwert aber das Stehen und taugt daher kaum zum Verweilen oder fordert dazu auf, sich niederzulassen, wie z. B. im Rolex Learning Center von SANAA in Lausanne. Mit den verschiedenen Ebenen verbinden sich jeweils allgemeine Bedeutungen. Mit dem Erreichen einer oberen Ebene etwa assoziiert man das Hinter-sich-Lassen von Hindernissen (> Steigen), das Anheben des Lebensniveaus, eine Steigerung, Überblick und Macht, während man auf dem unteren staubigen Niveau der Erde verhaftet bleibt und sich unterordnet. Die gesellschaftliche Bedeutung, nach der die Unterscheidung einer höheren von einer unteren Ebene eine soziale Hierarchie zum Ausdruck bringt, gilt nicht ohne Weiteres für die Architektur. Gleichwohl gliedern sich übereinanderliegende Zonen des Wohnens in der Stadt in das auf der Erde (parterre) liegende, meist etwas dunklere Bodenniveau, das durch > Ein- und Austritt die Verbindung mit dem Umraum, Versorgung und Handel aufnimmt, in die abgehobene Wohnebene, die historisch als bel étage oder piano dei nobili das Niveau für das vornehme Leben darstellte, und in eine obere Ebene, nahe dem Himmel und der Luft, mit Ausblick und Bezug zur Ferne oder als Dachterrasse. Jede Ebene dient als Grundlage für die adäquate Entfaltung von Aktivitäten.

Ecke

> Winkel und Ecke

Einblick und Ausblick

Neben der Belichtung liegt der architektonische Sinn von > Fenstern und einigen anderen Öffnungen darin, Einblick und Ausblick zu gewähren, doppelsinnige Wege der Überwindung einer räumlichen Trennung. Den Vorgängen von Einblick und Ausblick liegt nicht nur der Gegensatz von innen und außen, Geschlossenheit und Offenheit zugrunde, sondern vor allem die Gegensätzlichkeit der zwei Richtungen: hinein und hinaus. Jede von ihnen wird selbst wiederum als zwie-

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spältig erfahren. Der Einblick in ein Haus oder einen Innenraum folgt der Neugier, wird vom Kitzel der Fantasie gereizt, enthält aber auch ein Moment der Zudringlichkeit, der Bedrohung oder Aggressivität. Mit dem Ausblick beansprucht man aktiven Anteil an der äußeren Umgebung, wagt sich aber vielleicht auch nur zaghaft aus der Deckung hervor, um einen vorsichtigen Blick zu riskieren. Dem entsprechen jeweils die gegensätzlichen Haltungen desjenigen, der blickt, und desjenigen, der dem Blick ausgesetzt ist. Der Einblick ins Innere eines Wohnhauses durch eine > Öffnung, welche die Trennung und den Schutz des Privaten durchbricht, ist selbst ein Durchbrechen dieser Schranke und riskiert, eine intime Sphäre zu verletzen. Die Einschränkung der Sicht durch Verengung der Öffnung, Verhängen und > Filtern kann die Fantasie anregen, sich hinter Rahmen und Vorhängen ein Bild und ein Geschehen vorzustellen. Der Einblick wird zum schleichenden Eindringen mit dem heimlichen Blick in eine verborgene innere Szenerie, die vom Fenster wie ein > Bild gerahmt erscheint. Für den Bewohner heißt Privatheit in der Regel, Ausblick zu haben, ohne selbst gesehen zu werden. Die Raumöffnung stellt für ihn eine zwiespältige Form der Verbindung dar. Den Einblick zuzulassen, setzt entweder unbekümmerte Offenheit voraus wie etwa in der holländischen Kultur oder eine Haltung zwischen Zurschaustellung und Schamlosigkeit. Die große Öffnung tendiert dazu, das Innere zu exponieren, gleichsam hinter großen Scheiben auszustellen. Wie im Schaufenster wird etwas offen gezeigt und angeschaut, doch ohne Möglichkeit der realen Verbindung und des Zugriffs. Der Einblick kann aber auch der gewollten > Ankündigung des Inneren vor dem Eintritt dienen, das entweder, durch blickleitende Rahmung unterstützt, offen präsentiert wird oder aber nur als kleine Kostprobe durch eine enge Öffnung hervorlugt. Beim Blick ins Innere von Räumen öffentlichen Charakters ist der Einblick jedenfalls eine Form der Teilhabe an internen Akti-

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vitäten und verbindet Bereiche unterschiedlicher Grade des Öffentlichen. Für Ein- und Ausblick gleichermaßen spielt der Kontrast der Lichtverhältnisse eine Rolle. Bei hellem Tage wirkt von außen gesehen selbst ein relativ heller Innenraum wie eine dunkle Kammer, bei Nacht dagegen erscheint ein erleuchteter Innenraum dem Blick von außen wie vom > Licht konzentriert. Für den Blick aus dem Zimmer weitet sich der vom Tageslicht erhellte Außenraum, während beim Blick hinaus in den dunklen, kompakten und dichten Unraum der Nacht der helle Innenraum geradezu weit erscheint. Extreme Formen des Ausblicks sind einerseits der demonstrative Auftritt, andererseits das Beobachten aus dem Versteck. Das Spektrum der Situationen reicht von der Geste des Sichöffnens zur Welt, zu einem neuen Tag am Morgen, zur Anteilnahme am öffentlichen Geschehen oder dem behaglichen, geschützten Im-Fenster-Liegen bis zum vorsichtig zurückhaltenden Lauern aus dem Verborgenen auf Ankunft oder Ereignis. Grundsätzlich fühlen wir uns in Räumen des alltäglichen Aufenthalts ohne die Möglichkeit eines bequemen Ausblicks eingeschlossen. Der Blick zum Himmel durch ein Oberlicht entspricht nicht unserer prinzipiell horizontalen Orientierung. Maßgeblich für die Qualität des Ausblicks ist, was man sieht, nach welcher Richtung sich die Öffnungen orientieren und welche Aussicht der > Kontext von Stadt und Landschaft bietet. Die Lebensumwelt einer > Wohnung etwa ist entscheidend durch das Bild geprägt, das der Ausblick als ausgewählten Ausschnitt der Außenwelt in den Raum projiziert. Auch die Ausblicksposition im Gebäude und deren bauliche Ausformung spielen eine Rolle für die Möglichkeit der Teilhabe an der Öffentlichkeit, für Überblick oder Rückzugsmöglichkeit: ob man aus der Tiefe des Raumes bereits Sicht nach außen hat oder ob man an das Fenster oder auf einen Balkon tritt, ob man von oben herab einen weiten Blick hat oder auf Straßenniveau hinaussieht, aber auch Brüstungshöhe, Fenstergröße und -format (Hoch-, Langfenster) oder Filter

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lenken den Blick. Die Dramatik des Ausblicks steigert sich von der Dachterrasse über den Aussichtsturm bis zum Berggipfel in immer exponierteren Situationen durch die zunehmende Aufweitung des überblickten Raums. Manchmal erscheint der Ausblick auf eine sehenswerte Umgebung wertvoller, wenn die Sicht zunächst abgeschirmt wird und erst durch eine kleine Öffnung an abgelegener Stelle der dramaturgisch gesteigerten Aufmerksamkeit dargeboten wird.

Einfachheit

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Die Intensität des Erlebens anstelle einer Vielfalt von Erlebnissen lässt sich durch räumliche Einfachheit steigern. In gestaltpsychologischer Hinsicht erhöht eine einfache > Gestalt die Fasslichkeit der Grundform, sodass die Wahrnehmung sich intensiver auf Einzelheiten einlassen kann. Ihren Wert offenbart die Einfachheit indessen oft nur komplementär zur > Komplexität. Einfachheit unterstreicht die dienende Funktion der Architektur, die den unauffälligen Rahmen für das Alltagsleben bietet, das selbst mit genügend Verwirrung und Varietät aufwartet. Das in der Architektur Aufbewahrte, sich in ihr Abspielende wird damit in den Mittelpunkt gestellt. Als Grundhaltung ermöglicht die Einfachheit, wie Walter Benjamin sie in dem Essay „Erfahrung und Armut“ entwickelt, die Situation der „Tabula rasa“. Ein Wohnen, das diese Maxime befolgt, findet in reduzierten Räumen statt, in denen wir keine Spuren antreffen und „in denen es schwer ist, Spuren zu hinterlassen“ (1977), die unsere Gewohnheiten zementieren könnten und uns und andere einschränken. Das Ideal dieser Einfachheit ermöglicht es, jederzeit und immer wieder von Neuem zu beginnen, ohne durch eine Geschichte festgelegt zu sein. Aber die reduzierte Form dient in anderen Zusammenhängen auch einer Empfänglichkeit für die Nuancen und der Steigerung differenzierter Wahrnehmung, z. B. der Konzentration auf Proportionen, Oberflächen oder die Abstufung von Farbtönen, räumliche Qualitäten, die nicht durch belanglose

Details verunklärt werden. Vor allem aber respektiert das Einfache als Hintergrund den Wert dessen, was vor ihm stattfindet. Wenn das Einfache jedoch nicht gelingt, zu simpel ist, läuft es leicht Gefahr, banal und plump zu wirken. Dann treten daran auch die Mängel besonders deutlich hervor. Einfachheit als Qualität einer Situation ist nicht identisch mit der einfachen Form: Einfachheit zu praktizieren kann z. B. darin bestehen, reinen Tisch zu machen, um neu anfangen zu können. Wichtiger als der einfache, vielleicht leere Raum als architektonische Voraussetzung dafür ist dann etwa das Vorhandensein von vielen Schränken und Fächern, in denen man seine Sachen ordentlich verstauen kann, um den Tisch wirklich rein zu machen. Räume ohne überflüssige Nebensächlichkeiten schaffen den Rahmen für Rituale der Konzentration und Beschränkung. Die Erzeugung ebenso wie die Wahrnehmung von Einfachheit setzen einen geistig anspruchsvollen Prozess voraus, der eine einfache > Ordnung gegen die Anfechtungen durch widersprechende Forderungen einer chaotischen Welt herstellt und erhält. Oswald Mathias Ungers ging sogar so weit, das Ideal der Einfachheit durch ein abstraktes Begreifen und Denken von Raum zu begründen, das nur in der Reduktion auf „archaische Klarheit und Einfachheit“ entsteht: „Der Architekt baut, damit er etwas zu denken hat.“ Doch schon der Philosoph Spinoza hat am Ende seiner Ethik angemerkt dass das Einfache, Durchsichtige zugleich das Schwierigste ist: Sed omnia praeclara tam difficilia, quam rara sunt. „Aber alles sehr klare ist ebenso schwierig wie selten.“(1967, 556)

Einfriedung

> Abschirmung, Territorium

Einfühlung

„Unsere leibliche Organisation ist die Form, unter der wir alles Körperliche auffassen.“ (1886, 15) Mit dieser Feststellung beanspruchte Heinrich Wölfflin zu erklären, wie es kommt, dass

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Objekte und Formen der Architektur für uns einen leiblich empfundenen Ausdruck haben. Durch Einfühlung wird Architektur als Objekt gleichsam verlebendigt, indem ihr der Ausdruck bestimmter leiblicher Zustände, Gefühle, Regungen oder auch charakterlicher Eigenschaften zugerechnet wird, die wir normalerweise nur anderen Lebewesen zugestehen. Das Erlebnis der Einfühlung setzt dabei voraus, dass wir analoge Erfahrungen in unserem leiblich-motorischen Empfinden bereits verinnerlicht haben. „Ich traue also der leblosen Form mein individuelles Leben zu“, so Robert Vischer. (1927, 21) Allerdings ist nach Ansicht von Theodor Lipps das Wort „einfühlen“ transitiv und nicht reflexiv zu verstehen, sodass ein bestimmtes menschliches Verhalten in die wahrgenommene Bau- oder Raumform projiziert, also „hineingefühlt“ wird, und zwar als Eigenverhalten der Bauform, nicht jedoch als Nachahmung durch den Betrachter. Allenfalls regt die Einfühlung von bestimmten Haltungen zusätzlich zum Einnehmen einer entsprechenden eigenen Körperhaltung an, etwa wenn in einer großen Halle sich die Brust weitet oder die aufrechte Haltung einer Stele einem nahelegt, sich gleichfalls aufzurichten. Auch von Assoziationen unterscheidet sich die Einfühlung, da sie in dem aufgeht, was baulich-räumlich gegeben ist, während Assoziationen weiterführen können und mit der gegebenen Situation nur lose verbunden sein müssen. Neben virtuellen Bewegungen wie Aufrichtung, Kontraktion oder Expansion können auch passive Zustände wie Gedrungenheit oder Schwere in eine Bauform eingefühlt werden. Wahrnehmungen durch Einfühlung finden ihren Ausdruck auch in vielen sprachlichen Wendungen, die räumliche > Formcharaktere und vor allem räumliche > Gestik durch körperliche Eigenschaften und Vorgänge beschreiben. So „schwingt sich“ etwa eine Brücke über den Fluss, „schlängelt sich“ ein Weg, oder ein Bauwerk mit seiner Fassadenfront „tritt mir entgegen“, wir sprechen vom „Fuß“ einer Stütze und vom „Kopf“ einer Gebäudezeile. Häufig wurde auch auf die Verbindung der > Tektonik mit Vorgängen der Einfühlung

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hingewiesen, die das statische Geschehen von Lasten und Tragen erlebbar und nachvollziehbar machen, so erklärt z. B. Wölfflin die Ausdrucksqualitäten von Architektur weitgehend über Körperanalogien, von der Schwere und ihrer Überwindung bis zu verschiedenen Gliederungen und Rhythmen. Anders als das tradierte Verständnis von „Einfühlung“ ist das Sichausdehnen in eine räumliche Form oder Gegend aufzufassen, das Dortsein bei den Dingen. So erstreckt sich etwa das leibliche Selbst in die Formen hinein (> Erstrecktheit) durch Einschmiegen in eine Rundung, durch Aufschwingen oder Steigen in eine Wölbung oder Kuppel, oder es sickert gleichsam in räumliche Kammerungen und Verästelungen ein (> Porosität). Literatur: Lipps 1912; Wölfflin 1886; Vischer 1927

Eingang/Ausgang

> Eintritt und Austritt, Schwelle, Tür und Tor, Zwischenraum

Einrichten

Der Charakter von Räumen hängt oft weniger von der Baulichkeit ab als davon, wie man sie einrichtet. Gegenüber der starren baulichen Struktur sind Einrichtung und Ausstattung die flexibleren Bestandteile von > Situationen, die trotz unveränderter Architektur grundlegenden Wandlungen durch die sekundären Elemente unterworfen sind. Ein und derselbe Raum wird durch die Couchgarnitur zum gemütlichen Wohnzimmer, durch Büromöbel dagegen zum Arbeitsraum, ein Platz wird durch Marktstände zum Marktplatz, durch Stellplatzmarkierung und Absperrung zum Parkplatz. Durch Einbauten wird dem Bauwerk eine für die räumliche Wirkung und den > Gebrauch entscheidende Schicht langfristig hinzugefügt, Innenarchitektur ist ein Teil der > Architektur. Kurzfristig verändert sich dagegen der Charakter von Räumen durch mobile Elemente. Durch ihre Zusammenstellung und Positionierung lässt sich das Geschehen wie in einer Versuchsanordnung steuern oder wie in einem Schauspiel dirigieren.

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Wie sich Menschen zueinander verhalten, kommt vielfach durch Abstände, Ausrichtung oder Gruppierung der Möbel zum Ausdruck, die sie gemeinsam benutzen; man kommuniziert durch deren gezielte Platzierung, schrittweise Verschiebung und wechselnde Zu- und Abwendung. Der Charakter von Architektur als > Ereignis tritt in den Vordergrund. Indem man sich einrichtet, entwirft man sein Verhältnis zur Welt. Man sagt: „Ich richte mir eine > Wohnung ein“, oder: „Ich richte mich ein“, und drückt darin seine Identifikation mit der Wohnung aus. Die Objekte in ihr bilden ein Gegenüber, das einen empfängt, wenn man heimkommt, und mit dem man zusammenlebt wie mit einem vertrauten anderen, und können schließlich zu einer Erweiterung des eigenen Leibraumes werden. Als Speicher der > Erinnerung mit Spiegelung und Spuren des individuellen oder kollektiven Gebrauchs bilden sie eine Raumschicht, in der die Identität der Bewohner eingezeichnet ist. Die Auskleidung mit Regalen, Bildern, Nischen und Einbauten macht die Wände zu introvertierten Projektionsflächen persönlicher Lebensprozesse. Angesichts einer zunehmenden Selbstreflexion und -konditionierung durch Spiegel, Fitnessgeräte und Medien spricht Peter Sloterdijk vom Single-Apartment als „Selbstpaarungsort“. Als Verräumlichung fest eingeschliffener, routinierter, nicht mehr hinterfragter Alltagshandlungen wird die Einrichtung Teil des ritualisierten Alltags. Alles hat seinen Platz, bestimmte Abläufe finden in ihrer idiosynkratischen Form immer wieder statt und werden durch die individuelle Einrichtung vergegenständlicht, mitgeprägt und getragen. Auch wenn darin eine Abstumpfungstendenz oder Zwanghaftigkeit liegen mag, stellt das Alltagsritual vor allem eine psychisch notwendige Reduktion und Entlastung von Weltkomplexität dar, etwa von der Anforderung, auf immer Neues reagieren und sich einstellen zu müssen (> Ritual). In der Zuhandenheit der eigenen Dinge an den bekannten Orten liegt eine stete Quelle der Selbstvergewisserung.

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Jeder einzelnen Tätigkeit und Ausstattungskomponente, Bett (1), Tisch (2), Stuhl (3) und Schrank (4) sowie Wasserstelle (5) und Feuerstelle (6), entspricht ihre differenzierte räumliche Ausformulierung. 1. Das Bett verkörpert eine Urform des alltäglichen Lebensvollzugs. Es lässt sich als ein Ineinander von intimen Räumen erleben. Der Leib wird von der schützenden Bettdecke, dem Bettzeug umhüllt, dann vom Bettgestell. Traditionelle Bettformen wie das Himmelbett oder der Alkoven stellen einen eigenen Raum im Raum dar. Auch der Raum um das Bett herum mit Stuhl, Nachttisch und Bettvorleger umfasst einen weiteren Bezirk, der dem Schläfer oder dem Kranken gehört, etwa als kleiner Privatbereich im Mehrbettzimmer des Spitals. Das Schlafzimmer schließlich ist traditionell den Besuchern verschlossen, während in der > Zelle als Inbegriff des Individualraums Schlafen und Arbeiten zusammenfallen. 2. Mit dem Tisch wird der öffentlichste Raum eingerichtet, so wie mit dem Bett der intimste, Aktivität und Ruhe bilden die grundlegende Polarität des Wohnens. Traditionell ist der Esstisch das Zentrum der Wohnung. Als Fokus des > Versammelns bringt der Tisch eine Gruppe zusammen. In welcher Anordnung die Mitglieder am Tisch Platz nehmen, drückt spontan oder nach festen Regeln die Beziehungen zwischen ihnen aus. Beim Ess- wie beim Arbeitstisch bildet die Tischebene ein Feld der Aufmerksamkeit, sie dient als Grundlage für die Ausbreitung von Aktivitäten. Als Verdoppelung der Bodenebene in bequemer Höhe erlaubt sie es, Dinge überschaubar abzustellen und griffbereit anzuordnen. Sie begünstigt Überblick, Kontrolle und die Herstellung von Ordnung. Das Format der Tischplatte lässt sich als Tableau für die Anordnung von Gegenständen und als Bühne für die Tätigkeiten der Hände begreifen. 3. Stühle werden in der Regel komplementär zum Tisch benötigt. Der Rahmen des Stuhls zieht Grenzen, weist auch am Tisch einer Person den ihr zustehenden Platz und Raumabschnitt zu. Sitzen in einem Sessel gehört zu den > Haltun-

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gen, bei denen der Körper vom Möbel umfasst wird, die Schale gibt Sicherheit und ein gewisses Maß an Geborgenheit. Eingebaute Sitze an Stellen, wo man gerne sitzt, mit guter Sichtposition bieten eine Form der persönlichen Introversion. Durch gezielte Positionierung eines Stuhls oder Sessels hingegen lassen sich in einem Raum strategische Stellungen beziehen und kommunikative Funktionen steuern. Bestimmte Sitzmöbelformen, etwa zwei- oder mehrsitzige Sofas, beeinflussen die Formen des Kontakts zwischen Personen oder regen zu Mischformen zwischen Sitzen und Liegen an. In der Couchecke finden sich verschiedene Sitzgelegenheiten zu einer geschlossenen Einheit mit der Sitzgarnitur, dem Teppich und dem Hauptbild an der Rückwand im Schein der Stehlampe zusammen. (Warnke 1979) 4. Schränke, Regale, Kommoden und Truhen sind Innenräume im Innenraum. Innerhalb von ihnen setzt sich die Verschachtelung weiter fort in Form von Schubladen, Schatullen, Kästchen oder Dosen. Je nach Ausführung, als massiver, geschlossener Schrank und oder als verglaste Vitrine, verbirgt das Möbel seinen Inhalt oder stellt ihn zur Schau. Offene Regale sind Erweiterungen des Raums, in denen sich dessen Volumen in Fächer unterteilt fortsetzt und hinter Klappen und Schubladen in der > Porosität feinerer Kammerungen oder noch kleinerer Hohlräume verästelt. Öffnungen, Nischen und Ablagen in Sicht- und Hüfthöhe gewähren durch Projektion der Körperzonen die Möglichkeit des Einblicks oder die Ausweitung der Greifregion. 5. Die Wasserstelle ist der funktionale Anlass für die vielfältigen Ausformungen, denen sanitäre Einrichtungen unterzogen werden, sei es in der Beschränkung auf reine Hygieneaufgaben, sei es in schwelgerischen Inszenierungen von Wohnbädern oder geradezu sakral anmutenden Badetempeln. Traditionell ist die geheizte Badestube ein Ort der Wärme, der Entspannung und bietet die Voraussetzungen einer ungestörten Pflege seiner selbst. Dem Wasser kommt dabei eine besondere Rolle zu: entweder als Guss von oben wie der Regen bzw.

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ein Wasserfall oder in einem Becken, wo es sich zur Benetzung sammelt, schließlich mit großer horizontaler Wasseroberfläche zum Eintauchen. Jede dieser Formen gibt Anlass zu einer eigenen räumlichen Ausgestaltung der Situation. 6. Auf die ehemalige Feuerstelle gehen sowohl der Kamin als auch der Herd zurück. Beide sind Zentren des Wohnens. Um das offene Feuer sitzt man herum, es bildet den buchstäblichen Brennpunkt der Geselligkeit und beherrscht die Situation zugleich als Blickziel, durch Geräusche, Geruch und Wärme. Mit oder ohne offene Flamme bildet auch die Kochstelle, der Herd in der Küche einen Fokus. Seit die voll funktionalisierte Laborküche wieder von der Wohnküche verdrängt wird, zieht auch diese Bewohner und Gäste an und wird dazu so eingerichtet, dass alle um den Herd herumstehen können. Mit dem Herd wird die Küche so vorübergehend zum zentralen Raum der Wohnung. Selten sind alle Sinne so vollständig am Erleben einer Situation beteiligt. Literatur: Alexander 1977; Bollnow 1963; Selle 1993

Eintritt und Austritt

Man weiß nur dann, dass „es sich um Architektur handelt, wenn man hineingehen und wieder herauskommen kann und wenn sich bei diesem Hineingehen-und-wieder-herauskommen-Können die Verhältnisse ändern“, so der Systemtheoretiker Dirk Baecker. (1990, 83) Eintritt und Austritt gehören zu den grundlegenden Vorgängen des Wechselspiels zwischen > innen und außen, von Trennung und Verbindung (> Abschirmung). Im Unterschied zu > Einblick und Ausblick und zu > Öffnungen, die eher einem abgesicherten und verhaltenen Außenbezug dienen, sind Eintritt und Austritt Vorgänge des aktiven Handelns mit allen Konsequenzen von Überraschung und Wagnis. Ähnlich wie jene aber sind auch Eintritt und Austritt nicht nur durch die Überwindung einer Grenze gekennzeichnet, sondern auch durch die Ambivalenz und Gegensätzlichkeit der zwei Richtungen: hinein und heraus. Sie be-

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inhalten eine weitreichende Symbolik von oft existenzieller Bedeutung. Eintritt und Austritt sind Vorgänge, für die gewöhnlich dasselbe architektonische Element, die > Tür, vorgesehen ist, die Eingang und Ausgang zugleich ist. Sie sind nicht nur gegensätzlich, sondern auch komplementär aufeinander bezogen. Um hineinzugehen, muss man draußen sein, oder man muss hineingehen, damit man herauskommen kann. Die allgemeine Zwiespältigkeit dieser Bewegung mit doppeltem Richtungssinn repräsentiert der doppelgesichtige römische Gott Janus, der nicht nur als Gott der Ein- und Ausgänge, sondern auch von Anfang und Ende, Ankunft und Aufbruch, Vergangenheit und Zukunft gilt. In der Architektur sind Eintritt und Austritt als Wechsel zwischen innen und außen zugleich Übertritte zwischen gegensätzlichen Umgebungen mit einer Fülle von Kontrasten hinsichtlich Geräuschkulisse, Wärme, Licht, Weite und Stofflichkeit sowie von unterschiedlicher > Zugänglichkeit. Die Öffnungen drücken eine Aufforderung zum Übertritt zwischen diesen Umwelten aus, aber signalisieren auch die Einschränkung dieser Vorgänge durch die Enge oder Verschließbarkeit der Öffnungen. Auch in der baulichen Erscheinung haben Eintritt und Austritt eine gewisse Doppelgesichtigkeit. Wer ins Haus eintritt, nimmt den Eingang als Schlüsselelement im Rahmen der ganzen Fassade wahr, was man der Haustür jedoch selten von innen ansieht. Der Austritt hat nicht die Bedeutsamkeit des Eintritts. Durch sehr offene bauliche Strukturen aber wird die mit dem Übertritt verbundene Spannung fast ganz aufgehoben, etwa in Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon. Einzelne Wandscheiben deuten eine Trennung von innen und außen nur noch an, und während man eben noch hineingeht, geht man schon wieder hinaus. Bereits beim Eintreten ist die Architektur in der Lage, einen Vorgeschmack vom Charakter des > Inneren zu geben, kann locken oder einschüchtern. Bestimmte architektonische Elemente und Vorgänge sind speziell für den Eingang cha-

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rakteristisch. Die Trichterform etwa ist am mittelalterlichen Kirchenportal ein Führungselement für den Eintretenden, mit dem der weitere Verlauf des Prozessionswegs im Inneren angekündigt wird, während sie in der kommerziellen Architektur die Kundschaft unterschwellig-zwanghaft ins Ladeninnere saugt. Der Säulenportikus stellt primär eine weithin sichtbare Empfangsgeste für den Eintretenden dar, aber kündigt zugleich Würde und Status des Hauses an. Durch eine Einlasskontrolle, instrumentiert durch Klingel, Sprechanlage und Guckloch oder durch den Pförtner, wird der Eingang zum kontrollierten > Filter. Auf den ersten Übertritt folgen weitere Eintrittsschritte, Sichumschauen, Begrüßung und Empfang, wofür > Zwischenraum und > Schwelle als räumliche Etappen ausgeformt sein müssen. Kleidung kann abgelegt werden, man reinigt sich vom Straßenschmutz. Diese Vorgänge werden entweder formlos oder als > Rituale in einem Zeremoniell durchgeführt und erfordern entsprechende Vorrichtungen wie Garderobe, Fußabstreifer oder Waschgelegenheit. Das Haus zu verlassen, bedeutet, dass man die Sicherheit des geschützten Inneren aufgibt oder aber sich von dessen Enge befreit. Man zögert also vielleicht auf der Schwelle, auch um zu prüfen, wie das Wetter draußen ist. Das französische Fenster und der Balkon gestatten gleichsam probeweise und noch gesichert den kleinen Austritt. Andere architektonische Elemente wie etwa das Podest vor der Haustür oder kanzelartige Vorbauten bieten einen Überblick. Literatur: Alexander 1977; Baecker 1990; Mäckler 2008

Empore

> Galerie

Enfilade

Eine durch viele Räume in die Tiefe fluchtende > Perspektive scheint uns zunächst einen großen Überblick zu verschaffen. Doch erst beim Durchlaufen der ganzen Raumfolge zeigt sich, was jeder einzelne Raum enthält und womöglich an Über-

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raschungen zu bieten hat. Werden gereihte Räume durch Öffnungen von einem Raum zum anderen verbunden, die in einer Flucht liegen, spricht man von einer Raumflucht oder Enfilade (dt. Auffädelung). Als „Faden“ erscheint in diesem Fall die Sichtlinie durch alle Öffnungen hindurch, die zugleich potenzielle Bewegungslinie ist und den linearen Raumzusammenhang zu antizipieren erlaubt. Der Längsblick zeigt eine Staffelung von (Tür-)Rahmen. Die Perspektive der in die > Tiefe gestaffelten Trennwände mit ihren Türen vermittelt den szenografischen Effekt von seitlich herangeschobenen Kulissenwänden mit einer für > Auftritte freigelassenen Mitte und erzeugt bei offenen Türen eine extreme Tiefenwirkung, die sich noch erweitert, wenn an den Enden Fenster in der Blickachse liegen oder durch Spiegel eine Verlängerung der Flucht suggeriert wird. Die Raumflucht unterstützt die Vorstellung, die ganze Raumkette auf einen Schlag einnehmen zu können. Im Unterschied zu räumlichen > Achsen spielt bei der Enfilade aber die deutliche Gliederung in Raumabschnitte eine entscheidende Rolle. Beim Durchschreiten werden die dramaturgischen Effekte der > Sequenz durch die Kontraste von wechselnden Raumhöhen und -breiten und durch unterschiedliche Raumcharaktere wirksam (> Rhythmus). Im Längsblick erscheinen die Trennwände durch die Öffnungen als eine Folge von ineinandergeschachtelten Bildern, von denen jedes, wenn auch nur als unterschiedlich gestalteter Rahmen, etwas vom Charakter des einzelnen Raums zum Überblick beiträgt. Liegen die Durchgänge nahe bei der Fensterwand, während sich die Räume vor allem nach der anderen Seite ausdehnen, dann läuft man mit dem Licht im Rücken gleichsam an Gefachen vorbei; durch dieses Entlangstreifen wirkt die Enfilade fast so, als wäre sie besonders für Schlossbesichtigungen gedacht. Bei der Organisation eines Appartements lässt sich mit der Enfilade aber auch ein Privatheitsgefälle herstellen, etwa wie dereinst in Fürstenresidenzen mit der Abfolge von Vorgemach, Audienzzimmer, Schlafgemach, Kabinett

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und Garderobe, wobei die Einteilung in Raumabschnitte eine Skala für unterschiedliche Grade der > Zugänglichkeit bildete. Andererseits ist jeder einzelne Raum auch bei geschlossenen Türen dem Zutritt aus den Nachbarräumen ausgesetzt (> Erschließung) und damit in seiner Privatheit eingeschränkt bzw. besonderen Kommunikationsbedingungen unterworfen.

Enge Entwerfen

> Weite und Enge

Ereignis

Zum Haus als gegenständlichem Gebilde von Dauer steht die Vorstellung von einer Architektur als Ereignis in doppeltem Gegensatz. Einerseits wird sie danach nicht als Objekt, sondern als Prozess begriffen, andererseits beruht ihre Ereignishaftigkeit auf dem singulären Charakter einzelner Zustände im ständigen Fluss der > Zeit. Zum einen ist an jeder > Situation, die man in der Architektur erlebt, über die statische Präsenz des Bauwerks hinaus eine Vielzahl von dynamischen Vorgängen und Einflüssen beteiligt, wie > Bewegungen und > Gebrauch, Erweiterungen, Umwidmungen und Eingriffe. Innerhalb des Hauses gehört dazu das > Einrichten mit Möbeln und Gebrauchsgegenständen, die mit immer neuen Konstellationen das Alltagsleben ebenso stark bestimmen wie der gebaute Raum. Unter den Einflüssen des übergeordneten > Kontexts nehmen architektonische Situationen als Interaktionsfelder gesellschaftlicher Praxis ebenfalls wechselnde Zustände an. Derart von diversen Praktiken abhängig, erscheint die Architektur als veränderliche Substanz, die nicht im Objekt verkörpert ist, sondern sich nur momenthaft verwirklicht. Das Objekt selbst bildet vielmehr eine Art „Scharnier“ (Sanford Kwinter) der Relationen. Zum anderen zeigt sich die Ereignishaftigkeit von Architektur darin, dass man eine Situation in ihr immer nur als singulär erlebt. Das Bauwerk legt bestimmte Rahmenbedingungen

> Konzept (architektonisches), Thema (architektonisches)

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fest. Aber welchen Anteil die genannten dynamischen Faktoren an dem jedesmal verschiedenen, niemals vollständig voraussagbaren Zustandekommen von Situationen, ihrer „Emergenz“ haben und welches Erlebnis daraus hervorgeht, lässt sich durch Architektur nicht umfassend determinieren. Diese Sichtweise steht im Gegensatz zu einer funktionalistischen Architektur, die zu einem eindeutigen Gebrauch zwingt. Als Ereignis ergeben sich Nutzungen stattdessen aus Szenarien durch zufällige und wechselnde Überlagerungen von unterschiedlichen Aktivitäten, äußeren Einflüssen und Interaktionen. Der Raum wird zum kontingenten Möglichkeitsraum in Erwartung eines Gebrauchs, der ihm auch widersprechen kann. Widersprüchliche Funktionen können sich kreuzen und hybride Kombinationen erzeugen. Grundlegend ist dabei, dass eine räumliche Situation erst durch den aktuellen Gebrauch zu dem wird, was sie ist. Doch deswegen ist die architektonische Gestalt für das Ereignis nicht unerheblich. Den Grat zwischen funktionaler Determinierung und einer Architektur als gesichtsloser Hülle, in der alles stattfinden könnte, beschreibt der Begriff der „architektonischen > Kapazität“. Sie ist eine Eigenschaft, die dem Gebrauch als Ereignis Spielraum gibt, indem sie ihn baulich nicht auf bestimmte Zwecke festlegt, aber zugleich durch Prägnanz, wie z. B. durch den > Typus, dem möglichen Ereignis eine offene, aber durchaus gerichtete Bedeutsamkeit gibt. Umgangssprachlich wird als Ereignis meistens ein durch seine Besonderheit aus dem alltäglichen Leben herausgehobenes, singuläres Moment bezeichnet, das dem sich Ereignenden eine spezielle Aufmerksamkeit sichert. Diesen Reiz des Nichtalltäglichen, Außergewöhnlichen erwartet man auch von einer „Eventarchitektur“, die uns durch spektakuläres Auftreten für einen Moment aus der vorgeblichen Eintönigkeit des architektonischen Alltags reißen und in eine andere Erlebniswelt versetzen soll, etwa die einer toskanischen Kleinstadt in einem nordeuropäischen Shoppingcenter. Diese Forderung nach unbedingter Auffälligkeit und die plakativen

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Mittel machen freilich den Ereignisbegriff und die Architektur, die ihn bemüht, ziemlich fragwürdig. Eine dauernde Überforderung der Architektur mit Aufreizcharakter unterminiert die Reizwirkung und führt zum chaotischen Rauschen. Der Zwang zur dauernden Verausgabung durch kulissenhaftes Spektakel unterschlägt, dass Architektur als Bühne auch als dienender Hintergrund in der Beiläufigkeit ihre Erfüllung findet. Das öffnet wiederum die Aufmerksamkeit für subtilere Vorgehensweisen, welche die Kapazitäten einer Raumsituation für vielfältigen Gebrauch und Ereignisse verschiedener Art berücksichtigen. Literatur: Kwinter 1993; Tschumi 1993

Erfahrung

> Erleben

Erhabenheit

Das Gefühl des Erhabenen ist in sich widersprüchlich. Es beinhaltet die Überwältigung durch das eigentlich nicht mehr Zumutbare und zugleich dessen Bewältigung durch die ästhetische und geistige Verarbeitung. Was uns erschüttert oder verstört, wirkt stärker als das, was uns überzeugt oder gefällt. Anders als die > Bedeutung, die ein Bauwerk ausdrückt, oder die > Schönheit, die wir in kontemplativer Interesselosigkeit erfahren, versetzt das Erhabene uns in innere Bewegung. Von einem erhabenen Bauwerk, einem überwältigenden Raum werden wir nicht nur durch den bloßen Anblick beeindruckt, sondern wir werden selbst mit einbezogen. Wenn wir durch die unabsehbare Leere riesiger Räume oder die extreme Fülle von > Licht überwältigt werden, finden wir uns selbst in einer Grenzsituation vor. In der Ästhetik gibt es die Vorstellung der besonderen Wirkung des Gewaltigen oder Unermesslichen, das ursprünglich in der Natur, etwa beim Anblick eines Gebirgsmassivs, empfunden wird und das Gefühl des Erhabenen weckt. Auch große Bauwerke erscheinen unermesslich, wenn ihre Größe

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nicht mehr mit den Sinnen zu erfassen ist. Da dem Denken die Unermesslichkeit aber trotzdem zugänglich ist, reizt sie zur geistigen Auseinandersetzung. Weil das Erhabene die sinnliche Wahrnehmbarkeit übersteigt, ist es genau genommen auch nicht darstellbar, es fordert aber umso mehr die Kunst heraus. Gerade weil unsere Sinneserfahrung an eine Grenze stößt, werden wir durch diese oft verstörende Erfahrung unseres sinnlichen Unvermögens gereizt und sogar angezogen. Das Alltagsverständnis von „Erhabenheit“ schwankt allerdings meist zwischen hohlem Pathos und einer verflachten Bedeutung im Sinne von vornehm, ehrwürdig, feierlich. Tatsächlich schlägt das Erhabene leicht von höchster Feierlichkeit in größte Lächerlichkeit um. Ihre Bedeutung hat erhabene Architektur hingegen vor allem im Bereich des Religiösen, wo sie der majestätischen Würde des Überirdischen Ausdruck verschaffen soll, der wir angesichts unserer irdischen Beschränktheit gewahr werden. Ins Politische übertragen, riskiert die Überwältigung durch erhabene Architektur zum Instrument totalitären Terrors zu werden, spielt aber umgekehrt auch für die aufwühlende oder irritierende Wirkung von Gedenkstätten eine Rolle. Unter den architektonischen Mitteln der Erzeugung von erhabenen Gefühlen wird oft zuerst extreme > Größe genannt. Der Effekt der Erhabenheit kommt dabei vor allem durch den Eindruck der Unendlichkeit zustande, der durch Unüberschaubarkeit entsteht. Neben der Größe selbst trägt dazu die Gleichartigkeit gereihter Elemente bei, etwa sehr dichter und unübersehbar langer Säulenreihen, wie Étienne-Louis Boullée sie vorgeschlagen hat. Wirksam ist dabei nicht nur der Anblick, sondern das Gefühl, mit der > Reihung in eine schier unerreichbare Ferne geführt zu werden. Räume von unabsehbarer Weite oder strengster Kargheit sowie das Eintauchen in absolute Stille, extreme Finsternis oder blendende Helligkeit rufen das Gefühl der Erhabenheit durch die Konfrontation des Individuums mit dem scheinbaren Nichts hervor. Neben den großen gebauten Gesten, wie etwa in den steil aufschießen-

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den Räumen gotischer Kathedralen und in den dynamischen Wirbeln des Barock, lassen sich durch Licht und Klang auch subtile atmosphärische Suggestionen des Erhabenen erzeugen. Der Bedrängung und Irritation solcher Grenzerfahrungen sollen wir uns aber nicht schutzlos ausgeliefert fühlen. Damit sie stattdessen zu einem faszinierenden Schaudern werden, ist ästhetische Distanz nötig. Wenn auch im Sog von uferloser Weite und Leere schier verloren oder von der Finsternis eines dunklen Raums verschluckt, können wir sicher sein, dennoch unversehrt zu bleiben. Wirft uns das Erhabene auch durch Größe nieder, dann sollen wir uns zwar klein vorkommen, aber doch zugleich am Gefühl der Großartigkeit der ganzen Situation selbst teilhaben. Literatur: Boullée 1987

Erinnnerung

Die ursprüngliche Wortbedeutung von „erinnern“ ist: erreichen, dass jemand „einer Sache inne wird“. Einer architektonischen Situation als Ganzheit, also auch in ihrer zeitlichen Abfolge inne zu werden, verlangt, die einzelnen Eindrücke, welche nebeneinander und nacheinander auftreten, zusammenzufassen. Das Erinnern beginnt also genau genommen schon mit der Verknüpfung kleiner, zeitlich auseinanderliegender Wahrnehmungsschritte. Bereits im Zeitmaßstab eines Blickschwenks müssen wir uns beim Blick in die eine Richtung erinnern können, was wir unmittelbar davor beim Blick in die andere Richtung gesehen haben, um einen Gesamteindruck daraus zu formen. So erhalten wir beim Durchqueren von Räumen, einer Stadt oder einer Landschaft nur dann eine Vorstellung vom Ganzen, wenn wir uns gut genug daran erinnern, welche Räume und Gegenden wir schon durchlaufen haben und wie sie miteinander zusammenhängen. Zu diesem Zweck konstruieren wir uns automatisch ein komplettes Vorstellungsbild, an dem wir uns bei der Koordination der verschiedenen Erinnerungen orientieren. Das Gedächtnisbild erlaubt uns dann, uns

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zurechtzufinden. Es kann aber auch Diskrepanzen offenbaren, wenn Teile eines Bauwerks, etwa sein Äußeres und sein Inneres, aus Unzulänglichkeit oder aus dramaturgischer Absicht unvereinbar erscheinen. Für die Einprägsamkeit ist aber nicht nur der visuelle Eindruck entscheidend. An bestimmte Situationen erinnern wir uns vielmehr mit unserem Körper, weil sich eine bestimmte Bewegung, etwa beim Treppensteigen, dem Greifen eines Handlaufs oder dem Öffnen einer schweren Tür, unserem Gedächtnis als markante > Bewegungsfigur eingeprägt hat. Unsere persönlichen Lebensäußerungen und Gewohnheiten schlagen sich in der Überformung der architektonischen Gestalt unseres Lebensraums als eine Art Abdruck unseres Handelns nieder. Sie sind vor allem an der Einrichtung alltäglich ablesbar, werden aber auch durch bleibende Identitätsspuren in der baulichen Substanz gespeichert. Da wir Handlungen und Geschehnisse an Orte und Räume knüpfen und im Gedächtnis verankern, etwa so wie die antike Mnemotechnik verfährt, können wir sie beim erneuten Durchlaufen zu späteren Zeiten wieder aus der Erinnerung abrufen und lebendig werden lassen oder auch Veränderungen registrieren. In einem anderen zeitlichen Maßstab spielt die Erinnerung eine Rolle, wenn wir die Architektur als Zeugnis der Geschichte lesen, wozu sie so gut wie kaum eine andere kulturelle Gattung geeignet ist. Diese Funktion verdichtet sich in den > Monumenten, aber nicht nur dort. Architektur und Stadt als kollektives Gedächtnis unterstützen durch ihre Permanenz und Beständigkeit einerseits die Erinnerung, geben unserer Wahrnehmung zeitliche Tiefe und bieten damit Gelegenheit zum Dialog mit der Geschichte. Andererseits ist Erinnerung immer Interpretation. Dem im architektonischen Gedächtnis Gespeicherten können wir eine aktuelle Bedeutung zuschreiben, um die Vergangenheit neu zu deuten, sodass sie nicht erstarrt. Allerdings verblasst das Erinnern durch Vertrautheit und Gewöhnung an die ständige Präsenz der Gegenstände und Bauwerke, und die Dinge werden unsichtbar.

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Erker

> Raumhaltige Wand, Zwischenraum

Erleben

Entscheidend ist, wie man Architektur erlebt. Jemand, der beispielsweise ein Café betritt, nimmt beiläufig die auffällige Farbe der Theke wahr. Doch was er wirklich sieht, ist nicht nur die Farbe, auch nicht die kubische Form, sondern er nimmt sofort eine Theke wahr. Genau genommen, kann er die Theke aber auf Anhieb gar nicht von den anderen Elementen, die den weiteren Raum bilden, den Wänden, den Vorhängen, dem Fußboden, in ihrer jeweiligen Form und Farbe isolieren. Doch auch diese Elemente sieht er zwar alle, aber was er hauptsächlich erlebt, ist der Raum als Gesamterscheinung, und zwar nicht nur als geformtes Volumen, sondern auch in einem bestimmten Charakter, mit den beteiligten Personen und der besonderen Atmosphäre, der er sogleich beim Betreten des Raumes, ohne Einzelheiten zu unterscheiden, als Gesamteindruck ausgesetzt ist. Jeder kann spüren, wenn er einen Raum betritt, wie sein Raumgefühl, seine persönliche Raumsphäre sich mit dem Raum einzulassen versucht, sich zögernd ausdehnt oder gleich ausgreift, den Raum einnimmt und durch die räumliche > Erstrecktheit des eigenen Ich den Raum in seinen verschiedenen Richtungen und Formen ausfühlt und ausfüllt. Ein Großteil architektonischer Phänomene lässt sich durch einen bestimmten Verlauf dieser Vorgänge beschreiben. Es wird zwar behauptet, architektonischer Raum sei eine Fiktion (Christoph Feldtkeller), im Unterschied etwa zu Elementen wie > Abschirmungen, Wänden und > Öffnungen. Tatsächlich aber erleben wir deren Gesamtheit als Raum, vor allem als leibliches Im-Raum-Sein. Dieses „als“, das in der Phänomenologie die Intentionalität zum Ausdruck bringt, mit der wir jeder Wahrnehmung ihren Inhalt zuweisen, gibt auch an, „als“ was für einen Raum wir ihn erleben, nämlich z. B. als Raum mit einer bestimmten Funktion (Coffeeshop), einer Aufforderung (konsumieren!), einer Zeichenwirkung (brand) und einer emotionalen Anmutung (gemütlich).

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Dass er indessen als architektonischer Raum erlebt wird, liegt nicht an seinen Eigenschaften und Elementen, sondern an der Art des Erlebens selbst. Dagobert Frey hat als „Wesensbestimmung von Architektur“ die spezifische Art, in der wir sie erleben, vor allem durch den Unterschied gegenüber dem ästhetischen Erleben von Bildobjekten charakterisiert. Architektur hat man nicht vor sich, wie ein Bildwerk, sondern man gehört selbst zur architektonischen Wirklichkeit dazu, statt Betrachter ist man „Mitspieler“. Architektur erzeugt als soziale Disziplin komplexe Situationen, an denen wir auf der einen Seite mit unseren unterschiedlichen Befindlichkeiten und Motivationen und durch individuelles und gemeinschaftliches Handeln teilnehmen. Auf der anderen Seite werden die Situationen durch die Architektur beeinflusst, artikuliert und reflektiert in Gestalt ihrer Formen und Räume, durch ihre Atmosphären und Bedeutungen. Indem diese Situationen ein selbstreflexives Moment enthalten – wir nehmen uns selbst in ihnen wahr –, kommt eine ästhetische Perspektive ins Spiel, das distanzierte Innewerden der Situation um ihrer selbst willen. Diese ästhetische Sicht bleibt zwar in der gewohnheitsmäßig beiläufigen Alltagswahrnehmung meist unterschwellig, kommt aber schon zum Ausdruck, wenn man sich danach fragt, wie man sich an einem Ort „vorkommt“, oder feststellt, dass man sich in bestimmten Räumen aufgehoben oder aber ausgesetzt, angeregt oder einfach „gut“ fühlt. Immerhin sagt uns Helmut Plessners generelle Deutung menschlicher Weltbezüge als „Exzentrizität“, dass Menschen grundsätzlich zur Selbstwahrnehmung ihres Handelns disponiert sind: „Was ist mein Leib, der meinem Willen gehorcht, anderes als eine bewegte Figur, die ich sehe wie die Figur eines anderen [...] Akteur auf der Szene und Zuschauer zugleich.“ (1923, 41) Für diesen szenischen Charakter selbstreflexiven Erlebens bietet die Architektur gleichsam die Bühne (> Szene). Da wir Architektur immer als Situationen erleben, wird die Rolle von baulichen Elementen durch eine Beschreibung unseres Umgangs mit ihnen besser

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erklärt als durch eine Objektbeschreibung. Die Darstellung von Ein- und Ausblick etwa erklärt, worum es bei einem > Fenster geht, während die > Tür durch Öffnen, Schließen und Durchgehen architektonisch erlebbar wird. Ein „Erlebnis“ hingegen ist ein einzelnes Ereignis des Erlebens mit besonderer Bedeutung. Während künstliche Erlebniswelten in unserer „Erlebnisgesellschaft“ als Gegenwelten zum Alltag unter anderem durch die Architektur inszeniert werden, wie etwa „Erlebnisrestaurants“ oder „Erlebnisbäder“, ist große Architektur eigentlich immer ein Erlebnis. „Erfahrung“ wiederum unterscheidet sich von Erleben und Erlebnis dadurch, dass man sie zwar „am eigenen Leib gemacht hat“, aber das Erlebte und Erfahrene auch in den Erfahrungsschatz einfügt, wo es mit anderen Erfahrungen verknüpft und verarbeitet wird und wieder abgerufen werden kann. Literatur: Baier 1996; Dürckheim 2005; Frey 1925; Kruse 1974; Rasmussen 1959

Erschließung

Straßen und Wege, Flure und Treppen bilden nicht nur das System der Erschließung, sondern sind auch ein Schlüssel für das Zusammenleben der Bewohner. Indem die Konfiguration des Erschließungssystems und die Gestalt der Erschließungsräume Aufschluss geben über die Verteilung von Räumen und die Bewegungsmuster zu ihrer Verbindung, sind sie Bedingung und Ausdruck sozialer Strukturen. Struktur und Entwicklung eines Quartiers oder einer ganzen Stadt lassen sich an der Erschließung durch die Verkehrswege erkennen, Nachbarschaftsverhältnisse spiegeln sich im Typ der vertikalen Erschließung eines Geschossbaus, die Formen des Wohnens zeigen sich in der Erschließung der Wohnungsgrundrisse. Alle Erschließungsarten reflektieren und beeinflussen zugleich die Lebensverhältnisse: Ob eine Familie nahe am Freiraum oder auf einer oberen Etage lebt, ob sie dort alleine wohnt, mit wenigen Nachbarn im Zweispänner oder mit vielen am Laubengang, spielt für den Alltag eine Rolle. Ebenso ist für

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den Arbeitsalltag entscheidend, ob sich ein Arbeitsplatz im Zellenbüro am Gang oder in einem Großraumbüro befindet. Korridore wurden erfunden, um als unabhängige Verteilerräume Störungen aus den Aufenthaltsräumen heraus zu halten, die daher möglichst nur eine einzige Tür haben sollten. Voraussetzung ist eine strenge Unterscheidung von Korridor als > Weg und Zimmer als dem Ziel, zu dem er führt. Die Korridorerschließung als primäres Wegesystem vereinfacht zwar die Verbindung zwischen den Räumen, reduziert jedoch die Kontakte. Zweckgebundene, geregelte Kommunikation wird erleichtert, zufällige aber reduziert. Wie Robin Evans gezeigt hat, determiniert diese Erschließungsstruktur die Rolle und den Raum der Privatsphäre in hohem Maße. Sie steht im Gegensatz zu einer Erschließung, die informelle Kontakte durch einen Grundriss erleichtert, bei dem die Räume nicht durch Flure als Verteiler erschlossen werden, sondern nach Art von Durchgangszimmern mit mehreren Türen, wie es noch bis ins 17. Jahrhundert üblich war. In diesem Fall ist die Grundvorstellung vom Haus die eines offenen Gebildes, einer „Matrix miteinander verbundener Räume“ (Robin Evans), die der nuancierten Steuerung von Kontaktwünschen und -gewohnheiten dient und die Geselligkeit fördert. Die Konfiguration der Erschließung gibt Aufschluss über das architektonische > Konzept, in ihr konzentriert sich die Struktur des > Raumgefüges. In den Typologien der Gebäudekunde ist die Erschließung einer der gebräuchlichsten Parameter. Oft werden die architektonische Komposition eines Gebäudes und sein Erscheinungsbild weitgehend von der Erschließungskonfiguration geprägt. Markante Beispiele sind Andrea Palladios Villa Rotonda, das Guggenheimmuseum von Frank Lloyd Wright oder Hans Scharouns Ledigenwohnheim. Auch einzelne Erschließungsräume wie Hausflur, Treppenhaus oder Eingangshalle können so ausgebildet werden, dass sie durch > Orientierung und Überblick (> Galerie) oder als > Introduktion die Gebäudestruktur aufschließen, statt als Sekundärräume gestalterisch vernachlässigt zu werden.

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Theaterfoyers oder Hotelhallen dienen nicht nur der Erschließung, sondern auch der informellen Begegnung, die Lobby von Forschungseinrichtungen ebenfalls, denn beiläufige Kommunikation wirkt sich auch produktiv und erkenntnisfördernd aus. Auch in Wohnhäusern lassen sich Erschließungsräume neben ihrer Verkehrsfunktion so ausgestalten, dass sie zufällige Kontakte erleichtern. Diese Aufgabe übernimmt auch der gefasste Außenraum, beispielsweise der > Hof des Atriumoder Hofhauses, in bestimmten Kulturen auch der eingefriedete oder offene > Zwischenraum zwischen kleinen Häusern für die Mitglieder der Familie, der Wohngemeinschaft oder für Einzelfunktionen. Beim Moriyama House von SANAA geht der Freiraum, zwischen öffentlich und privat changierend, in den Stadtraum über. Berücksichtigt man, dass die Erschließung nicht nur zwischen öffentlichen und privaten Bereichen zu vermitteln, sondern zwischen verschiedenen Stufen der > Zugänglichkeit zu differenzieren hat, dann stellt sie nach Dorothea und Georg Franck eine Hierarchie mit fraktaler Struktur dar, in der jeder Raum sowohl erschließt als auch erschlossen wird. Sie bildet eine kontinuierliche Abfolge, die von der Gesamtstadt bis zum Zimmer als „Erschließungsraum für Schränke und Fächer“ reicht. Literatur: Evans 1996; Franck/Franck 2008

Erstrecktheit

Wir reichen nicht nur mit dem Blick zu den Dingen hin, sondern unsere ganze leibliche Sphäre dehnt sich in die Räume aus. In der Wahrnehmung reicht das Bewusstsein so weit wie die Sinne, dabei dehnt sich unsere leibliche Präsenz mit aus. Nicht in dem Sinne, dass ich hier bin, und dort ist der dunkle Raum unter den Bäumen, den ich von hier sehen kann, sondern so, als würde ich selbst bis unter die Bäume reichen. Aber auch nicht derart, dass ich mir nur vorstelle, ich wäre, statt hier zu sein, am anderen Flussufer, dort unter den Bäumen,

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sondern ich bin hier und reiche dabei mit meinem leiblichen Ich doch bis unter die Bäume drüben. Wir richten zwar den Blick auf Dinge im Raum, nicht nur „der Sehstrahl trifft jedoch das Ding an seinem Ort selbst“, wie Helmut Plessner sagt, greift nach ihm „und gibt mit diesem Griff dem Organismus den Radius seines Spielraums“ (1923, 247). Die Räumlichkeit der Architektur mit ihren Hohlformen, Zwischenräumen und Öffnungen erfassen wir vielmehr durch die Vorstellung, leiblich einzudringen oder uns einzuschmiegen, Wege erleben wir durch gleichsam vorauseilendes Begehen: „Einschmiegung, Mitgehen, Abtasten, Ausgefülltsein, die tausend Arten, in Haltungen zu leben [...] sind die Wege, Architektur zu verstehen.“ (249) Während die Ausdehnung unserer persönlichen > Raumsphäre in der > Konfrontation mit den Wänden auf Widerstand trifft, geben Nischen, Öffnungen und Raumerweiterungen ihr nach, sodass das Vor und Zurück der Raumhülle wie eine Abformung des eigenen Ich-Raums empfunden wird, er ergießt sich gleichsam in die Form. Allerdings wird dieses virtuelle Hingelangen in der Regel nicht als widerstandsloses Ineinanderfließen erlebt, sondern als eine die Distanz überbrückende Spannung oder als das Überwindenwollen eines „zähflüssigen“ Mediums. (Gosztonyi 1976, 1249) Diese Spannung hängt auch von den Formgegensätzen, Widerständen und Diskrepanzen der geometrischen Raumgestalt zur eigenen leiblichen Disposition ab. Der gebaute Blob bildet dagegen die persönliche Raum-„Blase“ eher spannungslos nach. Auch für unsere Bewegung bilden Form und Gliederung von Räumen mit Bewegungshindernissen und Durchlässen eine Gegenform, gegen die sich die Spielräume abzeichnen, die als potenzielle > Bewegungsfiguren leiblich imaginiert werden. Das Phänomen der Erstrecktheit ist von immenser Tragweite im Hinblick auf die meisten architektonischen Situationen. Was man in der > Konkavität und Introversion von Räumen spürt oder in deren > Gerichtetheit, > Gestik und

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> Weite, wie man > Formcharakter oder > Porosität von Bau-

formen und viele andere Raumwirkungen erlebt, ist oftmals nur durch eine Vorstellung von der Ausdehnung der persönlichen Raumsphäre und deren Erstrecktheit richtig zu begreifen. Schon aus der Distanz sehe ich den Sessel dort nicht bloß als Objekt, sondern als gefäßartige Gegenform zur Aufnahme meines Körpers in einer Sitzhaltung, in der ich mich virtuell bereits sitzend fühle, spüre schon, wie bequem mein Körper Platz finden wird oder ob er aneckt. Auf Wegen bin ich meinen Schritten leiblich immer schon ein Stück voraus, merke eine Weile vorher schon, mit welchem Fuß ich auf eine Kante treffen werde, und sehe mich bereits am Ziel, sobald es auftaucht. Die Weitung und Engung von Räumen, etwa im > Rhythmus der Pfeilerintervalle eines Kirchenschiffs, erlebe ich als Weitung und Engung meiner leiblichen Sphäre. Die Aufrichtung meiner Haltung reicht bis in die Kuppel. In der Höhlung der Exedra fängt und fokussiert sich mein imaginierter Ausdehnungsdrang. Die ausschwingenden Volumen barocker Räume vollziehe ich durch das Ausschwingen der Konturen meiner Raumsphäre nach. In die Kammerungen kleiner Nischen dagegen muss ich viele Fühler ausstrecken. Literatur: Gosztonyi 1976; Merleau-Ponty 1966

Event Exklusivität

> Ereignis

Fahrstuhl

> Steigen, Treppe, Zelle, Zwischenraum

Faltung

Beim Falten einer Fläche wird jeweils deren eine Seite zur anderen umgeschlagen. Jedes Mal wird dabei ein gewisses Raumvolumen mit eingeschlagen. Bei mehrfacher Faltung wechseln konvexe und konkave Abschnitte sich ab, sodass der Raum auf der einen Seite sich mit dem Raum auf der an-

> Zugänglichkeit und Exklusivität

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deren Seite verzahnt. Der eine wird in den anderen eingestülpt und umgekehrt. Die Faltung ist daher ein Vorgang, durch den prinzipiell > innen und außen oder oben und unten mittels einer gefalteten Trennfläche ineinandergreifen. Der dadurch erzielte Zusammenhang zwischen Räumen bietet insbesondere die Grundlage für räumliche > Inversion. Wenn man sich in den Falten selbst aufhält, befindet man sich in derjenigen Zone eines Raums, die jeweils in den benachbarten Raum hineinragt, an mehreren Seiten von ihm umgeben ist, ohne ihm bereits anzugehören. Das Verhältnis zwischen solchen ineinandergefalteten Räumen stellt eine kom-pli-zierte (franz. le pli, die Falte) Form der > Abschirmung dar. Vielfältige Fältelungen bilden > raumhaltige Wände. Bei Raumübergängen in vertikaler Richtung können Fußbodenebenen oder Geschossdecken so gefaltet werden, dass anstelle horizontaler Ebenen fließende Übergänge zwischen den Niveaus entstehen und die diskrete Trennung der Geschosse zugunsten einer kontinuierlichen Bewegung aufgehoben wird, wie etwa im Bibliotheksentwurf für die Pariser Universität Jussieu von OMA. Faltung ist ein Vorgang, durch den Formen geschmeidig aufeinander reagieren, fließend ineinander übergehen oder ganz allgemein untereinander und im Verhältnis zu den Inhalten Spielräume lassen. Analog dazu, wie Falten in der Kleidung nachgeben, zwischen Kleidung und Körper Luft lassen, kann auch in der Architektur die Art, wie ein Bauwerk schwierigen physischen und programmatischen Rahmenbedingungen entspricht, im übertragenen Sinn die Geschmeidigkeit von Falten aufweisen, „sich biegen, statt zu brechen“ (Greg Lynn). Literatur: Lynn 1996

Farbe

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Die Intensität, mit der räumliche Situationen in ihrer Struktur und Atmosphäre durch Farben geprägt werden, steht hinter dem Einfluss der baulichen Form nicht zurück. Farbigkeit hat vor allem, ähnlich wie Klänge und Gerüche, eine unterschwellige Wirkung. Sie ist zwar auch assoziativ wirksam, vorrangig

aber durch Ausdrucksqualitäten, die den Farben selbst zukommen und uns unmittelbar ansprechen. Über objektive Wahrnehmungskonstanten hinaus hat die Farbigkeit einen tief reichenden Einfluss auf die Raumstimmung, sie kann beruhigen oder belasten, erregen und dramatische Spannung erzeugen. Neben den unmittelbaren Gefühlswerten wirken Farben vielfach über > Synästhesien und können so etwa Eindrücke von warm und kalt, feucht und trocken oder laut und leise hervorrufen. Über Assoziationen kommen Farbwirkungen wie die Erdhaftigkeit von Brauntönen oder die Luftigkeit und Weite von Himmelblau zustande. Auch kulturelle Kodierungen und farbliche Symbolfunktionen werden architektonisch relevant, wenn etwa der rote Teppich in Europa traditionell mit Herrschaft und Würde konnotiert wird. Es gibt dagegen keine grundsätzlich hässlichen Farben. Auch wenn sie zunächst als unschön erlebt werden, gewöhnt man sich an sie. Alle Farben können schließlich zur Identifikation mit dem eigenen Zimmer, dem Quartier, der Stadt oder der Landschaft beitragen. Eine differenzierte Farbwirkung kommt nur bei ausreichender Helligkeit zustande. Im Dämmerlicht vergrauen die Farben, während Helligkeitsunterschiede wahrnehmbar bleiben. Die Abhängigkeit der Farbwirkung von der Lichtfarbe ist durch das jeweilige Farbspektrum der Lichtquelle bedingt, z. B. durch das wechselnde Tageslicht bei verschiedenen Wetterlagen und Jahreszeiten, in verschiedenen Himmelsrichtungen und geografischen Breiten oder durch fehlende Farbanteile in Spektren künstlicher Lichtquellen, und wird oft durch Filterschichten und Reflexionen beeinflusst. Die Lichtfarbe wirkt auf die Farbstimmung ganzer Räume ein. Einzelne Elemente indessen, Flächen und Körper, sind durch die Eigenfarbe des Materials oder durch den Farbauftrag charakterisiert. Dabei wird die Farbwirkung durch matten Glanz, Rauigkeit oder Glätte der > Oberfläche beeinflusst oder verändert, die sandhafte Wirkung von Ocker etwa kommt auf glatten Flächen nicht zur Geltung, Gelb wirkt in

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groben, durch Streiflicht verschatteten Wandstrukturen weniger erregend. Zudem wirkt eine Farbe auf einer großen Fläche mit geringerer Intensität als auf einer kleinen Fläche. Entscheidender als die Wahrnehmung von einzelnen Farben ist das Zusammenwirken mehrerer gleichzeitig im Raum auftretender Farben. Sie beeinflussen sich gegenseitig, z. B. können sich Komplementärfarben gegenseitig zu statischem Gleichgewicht ergänzen, durch den Simultankontrast erscheinen die Schatten farbiger Flächen nicht farblos grau, sondern in ihrer Komplementärfarbe getönt. Das alles sind Gründe für die Unterscheidung von materieller Beschaffenheit der Farbe (Lokalfarbe) und aktueller Farbwirkung. Für die räumlichen Wirkungen von Farben ist entscheidend, an welchen Stellen sie im Raum auftreten. Nach Untersuchungen des Farbpsychologen Heinrich Frieling suchen wir beim Betreten eines Raumes zuerst am Fußboden Halt, wo das kraftvolle Rot eines Teppichs oder die naturhafte Holzfarbe von Dielen uns eine größere Sicherheit vermittelt als das distanzierende Blau eines Linoleums. Doch die geläufige Regel: Rot kommt uns entgegen, Blau weicht zurück, gilt nicht pauschal. Sie lässt sich zwar prinzipiell durch die Physiologie des Sehvorgangs begründen, ist aber, wie alle einfachen Zuordnungen von Farbe und Wirkung, eine unzulässige Vereinfachung, was das konkrete Erleben angeht. Nicht nur die Wechselwirkung mit anderen Farben und Umgebungsfaktoren ist in jeder Situation verschieden, außerdem ist Rot nicht Rot, sondern hat je nach Farbton, Helligkeit und Sättigung eine andere Wirkung. Einmal hält es sich eher zurück, ein anderes Mal kommt es uns allzu laut entgegen. Blau wiederum kann den Raum erweitern und ihn sogar fern und kalt erscheinen lassen, die himmelblaue Decke hebt sich, doch im dunklen Ton schirmt sie ab, kann lastend, aber auch behütend wirken. Tätigkeiten und Aufenthaltsqualitäten lassen sich durch die Farbstimmung unterstützen, nicht nur wenn eine Farbe den ganzen Raum beherrscht, wie z. B. der „gelbe Saal“ in Goethes Haus in Weimar, der durch die „regsam, lebhaft, stre-

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bend“ wirkende Farbe die Geselligkeit bei Empfängen und Mahlzeiten fördern sollte. Grundsätzlich ist die dynamische und gestische Wirkung von Farben, vor allem wenn sie gesättigt auftreten, für die Architektur besonders maßgeblich. Sie ziehen an oder stoßen zurück, erheben oder drücken nieder, nehmen mit und führen durch Weitung, Engung und Tiefenentwicklung durch die Räume. Einheitliche Farbgebung unterstreicht die plastische Einheit eines Baukörpers, während durch unterschiedliche Farbgebung einzelner Wände oder Bauteile das Körpergebilde als Addition von Einzelelementen erscheint. Verknüpfungen werden erreicht, indem etwa eine Wand und die Decke im gleichen oder ähnlichen Farbton einen > Winkel bilden, der eine abschirmende Wirkung hervorbringt. Durch das Zusammentreffen verschiedener Farbflächen an einer Kante hingegen tendiert ein plastischer Körper zur optischen Auflösung. Wände oder Bauteile können aber auch so behandelt werden, dass sie wie aus farbigen Körpern geschnitten erscheinen. Wenn die Innenfarbe eines Körpers sichtbar gegen die Außenfarbe gesetzt wird, erscheinen z. B. Eingänge wie der Einblick in eine aufgeschnittene Frucht. Das Spektrum struktureller Wirkungen der Farbgebung reicht von einer Gliederung und unterstützenden Ausdeutung des räumlichen Gefüges bis zum Extrem einer weitgehenden Zersplitterung in selbstständige Farbflächen und einzelne Farbkörper. Im Außenraum ist die Farbe entscheidend für das Herausheben eines Gebäudes aus der Umgebung oder die Einbindung in den > Kontext. Dafür sind nicht nur die Fassadenfarben der Umgebung entscheidend, z. B. bei vorwiegender Verwendung lokaler Baustoffe wie etwa dem roten MainSandstein, auch die Erdfarbe des Geländes und die Farbigkeit der Vegetation sind am Zusammenspiel beteiligt. Grundsätzlich lassen sich durch Farbe großräumige Zusammenhänge herstellen. Viele Landschaften und Städtebilder werden durch eine charakteristische Farbigkeit der Architektur geprägt. Literatur: Frieling 1969; Meerwein/Rodeck/Mahnke 2007

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Fassade

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Das Wort kommt von facies (lat. Gesicht) und bezeichnet die dem Außenraum zugewandte Außenwand eines Gebäudes. Seine anthropomorphe Herkunft verweist auf verschiedene naheliegende Analogien, die sich alle darauf beziehen, was die Fassade einem Außenstehenden gegenüber mitteilt. Von ihrer Mitteilungsfunktion ist die raumbildende Aufgabe der Fassade nicht zu trennen, besonders relevant sind ihre nach innen und außen wirksame eigene Raumhaltigkeit, die Projektion eines räumlichen Einflussbereichs in den Außenraum und ihre Beteiligung an der Umschließung von Straßen und Platzräumen. Fassaden sind diejenigen Außenwände, die, gut sichtbar, in der Lage sind, ein Gegenüber anzusprechen, eine Adresse zu bilden und die Einheit eines Gebäudes widerzuspiegeln. Dazu verlangen sie eine sorgfältige Durchgestaltung, die als Gesamtbild dem Überblick und in den Details der Betrachtung aus der Nähe gerecht wird. Durch die Betonung der Geschossgliederung etwa und die Artikulation von Sockelzone und Attika wird die > Lesbarkeit der tektonischen Struktur erleichtert. Die Fassade ist aber auch der Ort des kunstvollen Umgangs mit der Flächigkeit der Außenwand, wofür bei Lochfassaden die Gewichtung und die > Proportionen von Wandflächen und Öffnungen, bei Vorhangfassaden die Art und Struktur der Fassadenrasterung entscheidend sind. So kommt beispielsweise durch das Verhältnis von Höhe und Breite im Ganzen oder in der Anordnung der Teile eine aufstrebende > Gerichtetheit zur Geltung, während eine liegende > Gestik eher das horizontale Entlanggleiten nahelegt. Mit der flächigen > Komposition, der plastischen Durchgliederung und der > Schichtung von Wandebenen, den Konfigurationen und Rhythmen der einzelnen Elemente bietet sich die Fassade der ersten Betrachtung als durchkomponiertes Flächen- oder Reliefbild dar, das dann mit dem Haus dahinter in Verbindung gebracht wird. Die Medienfassade dagegen, die sich als Abbild oder Bildschirm verselbstständigt, verliert diesen Bezug.

Die Wahrnehmung von Fassaden hängt von Lage und Umgebung ab. In der Frontalstellung kommt es zur > Konfrontation, die eine beiläufige Wahrnehmung meist nicht zulässt, sondern entweder einladend oder aggressiv, provozierend oder abwartend wirkt. Die Annäherung in Schrägstellung hat eine eher weiterführende Wirkung, die von horizontalen Elementen betont und von anschließenden Gebäuden aufgenommen werden kann. Die jeweilige Blickdistanz ermöglicht entweder den vollständigen Überblick oder verlangt wegen einer nur partiellen Sichtbarkeit eine sukzessiv-abtastende Wahrnehmung. Je nach den dort vorherrschenden Verkehrsarten entfalten Fassaden gegenüber den auf einem Platz verweilenden Fußgängern eine andere Wirkung als für Autofahrer, die abhängig von ihrer Geschwindigkeit eine gleichsam geraffte Gestalt oder nur ein zeichenhaftes Image erfassen. Von oben, also aus dem Flugzeug, vom Berg oder vom benachbarten Hochhaus, wird die Dachfläche als „fünfte Fassade“ wichtig. Die Fassade drückt entweder zurückhaltend den Charakter des Bauwerks aus oder sie erregt Aufmerksamkeit. Wie ein Gesicht ist die Fassade Ausdruck personaler Identität und Wiedererkennbarkeit und zeigt eine bestimmte innere Verfassung an, bisweilen auch als Maske, die dem Gebäude spielerisch oder in täuschender Absicht wechselnde Identitäten verpasst. Die Analogie reicht bis hin zu physiognomischen Ausdruckswerten eines individuellen Charakters oder anthropomorphen Entsprechungen ihrer Elemente, etwa eines Eingangs als Mund, der Fenster als Augen. Wer im Haus lebt, weiß, was für ein Gesicht er der Stadt mit der Fassade zeigt. Die Fassade kündigt den Innenraum an, initiiert den Eintritt und bereitet hier bereits auf das vor, was man später im Inneren erfährt. Statt zu zeigen, was den Besucher erwartet, kann sie auch durch verhüllendes Nicht-Zeigen oder durch Andeutung eine Spannung aufbauen, die erst nach dem Eintreten abgebaut wird. Für die Annäherung wesentlich sind die Elemente, die dem Betrachter aus der Fassadenebene entge-

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genkommen. Ein vorgesetzter Portikus, ein vorgelagertes Podest, ein auskragendes Vordach, aber auch eine Eingangsnische weisen auf den Eingang hin und statten ihn mit Komfort aus. Auf den unmittelbar vor ihr liegenden Raum wirft die Fassade ihren > Raumschatten. Sie wirkt als direkte Kulisse oder Bühnenrückwand für das Schauspiel des städtischen Alltagslebens. Sie selbst ist ebenfalls eine Bühne mit Auftrittsmöglichkeiten an Fenstern und Türen, auf Dachterrassen oder Balkonen. Als > raumhaltige Wand in einem „durchschichteten“ (Paul Hofer) Stadtraum ausgebildet, gehört sie dem Innenraum des Hauses und dem Außenraum zugleich an und bietet verräumlichte Interaktionsmöglichkeiten zwischen > innen und außen. Bauliche Vorrichtungen dafür sind z. B. offene Vorbauten wie > Arkaden, > Galerien, Balkone, Rankgerüste und eine > Schichtung der Wand. Durch Raumhaltigkeit und > Poché in der Fassade kann auch eine Diskrepanz zwischen den Konturen von Außen- und Innenraum ausgeglichen und jedem der beiden Bereiche seine eigene räumliche Identität zugesichert werden. Für das Zusammenwirken mit den Nachbarfassaden und für die Nah- und Fernwirkung im weiteren städtebaulichlandschaftlichen > Kontext hat die Fassadengestaltung meist unterschiedliche Ordnungen und Maßstäbe zu berücksichtigen. Die > Oberflächen mehrerer zueinander in Beziehung gesetzter Fassaden konturieren und bilden wiederum die Räume der Stadt, deren Straßen und Plätze. Der Straßenraum lässt sich auch als kontinuierlicher, mit veredelten Oberflächen ausgekleideter Raum unabhängig von den dahinterliegenden Gebäuden lesen. Die Fassade kann sich sogar durch eine weitgehend autonome, vom Gebäude abgelöste Plastizität verselbstständigen, wie etwa bei den in Wellen geschwungenen Kirchenfassaden des Spätbarock. Die Fülle von räumlichen Bezügen und Formen des räumlichen Erlebens, die sich im Element der Fassade vergegenständlichen, verlangt von ihr die vielfältige Vermittlung

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von Gegensätzen: zwischen Flächenkomposition und flachem Raum, zwischen Hervortreten und Hineinführen, zwischen Konfrontation und Durchlässigkeit. Insbesondere die Funktion einer sozialen Aussage der Architektur im Dialog zwischen dem privaten Raum des Hauses und dem öffentlichen Raum der Stadt wird vorzugsweise von der Fassade übernommen. Literatur: Kemp 2009; Neumeyer 1995; Stephan 2009

Feld

Zwei Arten des Feldcharakters sind zu unterscheiden, im einen Fall ist eine Art „Gravitation“ zwischen Massen (> Kräftefeld) wirksam (1), im anderen Fall ist vor allem die Position von Figuren auf einem „Spielfeld“ entscheidend (2). 1. „Eine von Räumen in der Architektur handelnde Feldtheorie“ beschreibt das Wirken von Anschauungskräften zwischen architektonischen Formen. Rudolf Arnheim (1980, 39) verwendet den Begriff „Feld“ für die Architektur hier analog zu anderen Feldtheorien. Danach ist ein Feld nicht nur ein flächenhaftes Territorium, sondern in ihm treten außerdem Potenziale, Kräfte und andere Feldgrößen auf. So werden etwa in der Anschauungsform von Architektur Anziehungs- und Abstoßungskräfte zwischen Baukörpern oder Druck- und Spannungszustände zwischen den Wänden eines Raumes als Feld von Energiegradienten empfunden. Dieses Kräftespiel durchdringt als wesentlicher Bestandteil der Wahrnehmung das Feld, in dem Formen, Baukörper und Räume zueinander in Beziehung treten. Man stelle sich die Beziehungen zwischen ihnen als ein dynamisches Gefüge vor, in dem jedes einzelne Element durch seine Form, Größe und Ausrichtung im Feld Stellung bezieht und anderen Elementen mit seiner eigenen Masse gegenübertritt. Dominanz, Verbundenheit, Konfrontation oder Ausdehnungsdrang sind Anschauungskräfte, die im Feld zwischen den baulichen Elementen wirksam sind. In diesem Kräftefeld nimmt jedes Element Einfluss auf andere, vor allem aber auf die räumlichen Verhältnisse zwischen den Elementen.

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Auf diesem Feld sind wir körperliche Figuren, die mit ihrem Körper gleichermaßen am Kräftespiel teilnehmen. Große Baumassen üben eine Art von Gravitation auf andere Massen, aber auch auf unseren eigenen Körper aus. Zwischen einander zugewandten Gebäudefronten bestehen Spannungsfelder, denen man im Zwischenraum ausgesetzt ist. Konvexe Baukörper sind von konzentrischen Kraftfeldern umgeben, mit denen sie uns entgegendrängen. Konkave Formen nehmen uns in ihren Umgriff auf. Auf diesem Feld sind neben den menschlichen Akteuren auch die Bauwerke gleichsam als Mitwirkende aktiv. Wird ein Gebäude entfernt oder ein neues hinzugefügt, kann es passieren, dass alle Relationen sich verschieben wie auf einem Schachbrett, wenn ein Bauer gegen eine andere Figur eingetauscht wird. Die Funktion, Spielfeld für unsere eigene Bewegung zu sein, wird in der anderen Art des Feldes zum Hauptmerkmal. 2. In den Fällen, in denen die Bauwerke keine nennenswerte Rolle als Akteure auf dem Spielfeld übernehmen, geht es weniger um das Kräftespiel von Druckauf- und -abbau, Anziehung und Abstoßung zwischen Massen, sondern stattdessen um Positionen, die man im Feld einnimmt, durchläuft oder anstrebt. Die durch die eigene Bewegung nach einer individuellen oder kollektiven Alltagschoreografie ausgeführten räumlichen Bewegungsfiguren werden dem Feld im Durchlaufen von Positionen eingeschrieben. Ohne starke Gebäudepräsenz kommt das charakteristische Felderlebnis nur durch das eigene Handeln, durch Standortwahl, Ausrichtung und Bewegungen in Relation zur Feldgeometrie zustande. Baulich ist ein solcher Feldcharakter davon abhängig, dass im Unterschied zum Kräftefeld die Baumassen nur geringen räumlichen Einfluss auf das Feld ausüben, z. B. aufgrund unscheinbarer, neutraler Gestalt oder großer Abstände voneinander, wie auf weiten, ungegliederten Platzflächen, aber auch in ungerichteten, homogenen und sehr lockeren Strukturen, wie etwa den Betsälen von Moscheen mit ihrer uniformen Verteilung von Säulen.

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In der reduziertesten Form ist dieses Feld nur durch körperlose Grenzen festgelegt wie ein Fußballplatz. Der Boden ist hier die Ebene, auf der Positionen mit unterschiedlichen Eigenschaften verortet sind. Doch gewisse Eigenschaften eines Kräftefelds hat auch die Fläche dieses Spielfelds. Selbst auf einer freien Rechteckfläche gehen Gradienten von Rändern, Ecken, Diagonalen, Mittellinien und Zentrum aus. An diesen sind alle Stellen im Feld durch Abstand und Ausrichtung orientiert. Sie werden überlagert durch individuelle oder kollektive Positionierungen und Bewegungen der Menschen, die wiederum unterschiedliche Ordnungen ins Spiel bringen können. Auf dieser Bühne ist unser Körper bloße Spielfigur, er bezieht Stellung und stellt Richtungsbezüge her oder bewegt sich im freien > Schweifen. Im Unterschied zu einem Spannungsgefüge zwischen Massen, in dem unser eigener Körper mit anderen Körpern im Raum konfrontiert wird, treten wir mit dem Körper hinter unsere Rolle als Spieler zurück. Ungezwungen und befreit von den Gravitationskräften jeglicher Baumassen und der Leitwirkung von Wänden, ohne eine Führung durch Wege oder Kanäle folgt man den eigenen Bewegungsimpulsen. Darin ist das Spielfeld auch einer Tanzfläche verwandt. Spielregeln für die Bewegung auf freien Plätzen und in großen Sälen liefert in einigen Fällen das Zeremoniell.

Fenster

Neben der vorrangigen Bedeutung des Fensters für > Ein- und Ausblick und für das > Licht im Raum tragen auch seine gegenständlichen Eigenschaften zu den Erfahrungen bei, die man mit ihm macht, etwa die Rolle einer Membran der Fensterscheibe (1), die Bedeutung des Rahmens und seiner Erweiterungen (2), die Position des Fensters im Raum (3) und die aktive Betätigung des Öffnens und Schließens (4). 1. Die Fensterebene bestimmt die Stelle des trennenden und verbindenden Umschlags von innen und außen und bildet mit der Glasscheibe eine Membran, an der Ein- und Ausblick zugleich aufeinandertreffen und geschieden werden. Für beide

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ist sie das Diaphragma, die materialisierte und gerahmte Bildebene, die sich trennend zwischen Ein- und Ausblick schiebt, auf der sich aber wie auf einem Bildschirm das ausschnitthafte Bild des Außen- oder Innenraums zeigt. Das Fenster entrückt den jenseitigen Raum, indem es ihn sehen lässt, aber keinen Weg dorthin öffnet. Fenster aus Glas besitzen die Ambivalenz zwischen Durchlässigkeit und Reflexion (> Transparenz), sie können entweder als dunkle Flächen, als schwarze, geheimnisvolle Löcher in der Fassade erscheinen oder aber die Umgebung spiegeln, womit sie das Haus in das Umfeld einbinden und Ansichten anderer Häuser einblenden. Erleuchtete Fenster wirken bei Nacht wie Augen und verlebendigen die Straßen mit einem eigenen Leben. Die Rolle der Fensterfläche als Projektionsebene wird durch das Fensterkreuz betont, wenn man es als Konstruktionsgerüst der Perspektive in der Bildebene oder als Koordinaten einer Matrix auffasst. Eine kleinteiligere Sprossenteilung vergittert den Ausblick und zerlegt ihn in Facetten, die Membran wird zum > Filter, erst recht wenn noch Jalousie, Gardinen oder farbige Verglasung hinzukommen. 2. Je nach Format erzeugt die Gesichtsfeldbegrenzung durch den Rahmen eine andere > Perspektive. Die über das Fenster nur indirekt erreichbare Außenwelt wird durch den jeweiligen Ausschnitt selektiv interpretiert: Das hochkant stehende Rechteck des Türfensters (franz. porte-fenêtre) erlaubt es, den Blick vom Vordergrund der Straße über das Gegenüber bis zum Himmel schweifen zu lassen, und bietet damit einen quasi repräsentativen Querschnitt des gestaffelten Außenraums. In seiner Proportion den Umrissen einer stehenden Person entsprechend (Auguste Perret: „une fenêtre c’est un homme, c’est debout“) erlaubt es uns, ohne den Standort zu verlassen, hinauszutreten, wo man auf dem winzigen Austritt halb draußen steht, aber zugleich noch hinter der Absturzsicherung geschützt bleibt; der Rahmen umfasst die Person wie ein Bilderrahmen, isoliert und stellt sie aus. Dagegen lässt das horizontal gestreckte Panorama- oder Langfenster, Le Corbusiers fenêtre en longueur, den Blick bereits von innen heraus

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schweifen (Le Corbusier: „L‘œil regarde horizontalement“). Dabei können die seitlichen Begrenzungen außerhalb des Sehfeldes liegen, sodass das distanzierende Gefühl, drinnen zu sein, verloren geht, der Außenraum übergangslos hereindrängt und sich mit dem Innenraum verbindet. Das vom Fenster gerahmte > Bild erfährt eine Bedeutungszuweisung durch die Rahmung: von außen gesehen, wie beim Papstfenster oder den Bildern einer belauschten Intimität, dem Sujet der Gattung des Fensterbilds in der Malerei; von innen als Bild einer gerahmten Landschaft, die durch die Wahl des Ausschnitts und bei geeigneter Positionierung im Raum etwas Inszeniertes bekommt, wozu die theatralische Draperie von Vorhängen noch beitragen kann. Über den Inhalt dieser Bilder entscheidet die Lage des Fensters, einerseits zum Außenraum (Straßenfront, unerfreuliche Rückseite oder Landschaft), andererseits zu den Handlungsabläufen im Inneren (abhängig vom Grundriss) und den daraus resultierenden Bedingungen des Ausblicks. Jedenfalls bestimmt in einer permanenten Wohnstätte das Bild des Ausblicks als Ausschnitt von der Welt nicht unerheblich die Vorstellung, die man von seiner Umwelt hat. Das bemerkt man schon, wenn man im selben Haus oder in derselben Wohnung den Raum seines ständigen Aufenthalts wechselt. 3. Die Beziehung des Fensters zum Raum beginnt bei der > Wand. Es kann darin eine > Öffnung als scharfen Einschnitt bilden oder kontinuierlich in die Wand eingewoben sein, durch schräge Gewände, die einen kontrastarmen Helligkeitsverlauf bieten, oder über Vorhänge, die zur bekleideten Wand einen fließenden Übergang bilden. In jedem Fall verlangt die Verengung des Blickfeldes, entweder an das Fenster heranzutreten oder abhängig von Lage und Größe des Fensters eine geeignete Position im Raum zu suchen, um die Blickbedingungen zu optimieren. Es kommt darauf an, ob man nur hinaussehen oder auch gesehen werden will, vielleicht auch die Möglichkeit bevorzugt, am Fenster zu sitzen, ohne wirklich hinauszuschauen. Da es uns zu Licht und Ausblick zieht, su-

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chen wir eine direkte Verbindung zum Fenster. Um sie störungsfrei mit einer Sitzmöglichkeit zu verbinden, braucht man einen Fensterplatz als festen Aufenthaltsort, womöglich in einer tiefen Nische als eigenen Fenster-Raum. Ein angehobener Fenstersitz mit erhöhter Brüstung erlaubt es, auch im Erdgeschoss hinauszuschauen, ohne den Einblick zuzulassen. Der Erker, das bay window, oder eine > Galerie als vorgehängte „Vitrine“ ermöglichen es zudem, seitlich am Haus die Straße entlangzuschauen. Wie das Eckfenster bieten sie den Vorteil, Licht von mehr als einer Seite zu erhalten, in einer räumlichen > Inversion ist man innen und zugleich von Licht und Außenraum umgeben. 4. Man erlebt das Öffnen und Schließen unterschiedlich, je nachdem, wie das Fenster angeschlagen ist und bedient wird. Ein zweiflügeliges Fenster, das nach außen aufgeht, veranlasst uns zu einer Bewegung, bei der wir beide Arme wie in einer empfangenden Geste zur Außenwelt vorstrecken und ausbreiten. Man schließt das Fenster ähnlich wie ein vorne geknöpftes Kleidungsstück. Geht es nach innen auf, dann holt man, während man beim Öffnen die Flügel zu sich heranzieht, mit dieser Geste gleichsam die Außenwelt zu sich herein. Die Flügel ragen dann meist schräg in den Raum hinein und bilden eine Art Tryptichon, dessen Mittelteil den Ausschnitt des Ausblicks festlegt, der durch die Seitenteile ergänzt wird, die jeweils zwei weitere Teilbilder der Außenwelt einspiegeln. Hier hält man beim Schließen in der umgekehrten Geste gleichsam durch Druck Wind und Wetter fern. Große einflügelige Fensterflügel hingegen ragen in den Raum oft so weit hinein, dass sie ihn teilen und die Bewegung im Raum beeinträchtigen. Zu den Vorgängen des Öffnens und Schließens bekommt man ein vertrautes Verhältnis, wenn die Mechanik der Bedienung einfach ist. Bei einer komplizierten Mechanik wird man dagegen leicht zum Sklaven einer Apparatur und verliert den unmittelbaren Zugang zu den elementaren Gesten des Öffnens und Schließens. Literatur: Hasler 1997; Mäckler 2006; Posener 1981; Selle 2004

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Ferne/Fernwirkung

> Blick, Fassade, Größe, Komplexität, Maßstab, Reihung,

Feuerstelle Figur-Grund-Verhältnis

Turm, Weite und Enge > Einrichten > Gestalt, Körper (architektonischer), Kontext, Poché, RaumKörper-Kontinuum, Städtebau

Filter

Durch einen Filter werden zwei Sphären getrennt und infolge seiner Durchlässigkeit zugleich wieder miteinander verbunden. So wie in der Wortherkunft von „filtern“, also etwas durch Filz laufen lassen, eine Selektion zum Ausdruck kommt ähnlich wie beim Sieb, ist auch in der Architektur ein Filter zwischen innen und außen oder zwischen einzelnen Räumen partiell durchlässig für Licht, Luft, Schall oder Bewegung. Diese Filterwirkung wird in der Architektur auf vielfältige Weise artikuliert. Beispiele dafür sind Säulenstellungen und Stützenreihen, Gitter- und Lamellenstrukturen oder das Sprossenwerk von unterteilten Fenstern, mehr oder weniger durchlässige Glasarten, aber auch Textilien oder Papier (shoji). Die Filterschicht selbst kann unterschiedliche Dimensionen annehmen und eine > Schichtung mit eigener räumlicher Ausdehnung (> raumhaltige Wand) bilden. Filter markieren einerseits eine Trennung, andererseits machen sie die andere Seite modifiziert wahrnehmbar, je nach der Beschaffenheit des Filters werden einzelne Wahrnehmungsmodi ausgefiltert: sehen, ohne zu hören, durch Glas; hören, ohne zu sehen, durch dünne Wandschirme. Der Fensterladen reguliert als Modulator in verschiedenen Stellungen die Durchlässigkeit der Fensteröffnung. Abgestufte Differenzierungen lassen z. B. das Licht ein, schließen aber den > Blick aus oder erlauben die schemenhafte Sicht, welche noch Privatheit sichert, aber durch Schattenspiele Andeutungen macht. Der Gardineneffekt, der auch durch Lamellen, Gitter und Netze erreicht werden kann, gestattet die Durchsicht nur in der Richtung vom Dunkeln ins Helle. Damit wird nicht nur der Blick verschleiert, sondern auch das einfallende Licht

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weich gemacht oder in Vibration versetzt. So lässt z. B. die Jalousie den Blick fein gesteuert von innen nach außen, ohne dass man von außen gesehen wird. Frische Luft kommt in den Raum, während die Öffentlichkeit ausgeblendet ist. Innen sorgt die vereinheitlichende Wirkung des in Streifen zerlegten Lichts für eine Verwischung der Raumgrenze und eine flirrende atmosphärische Wirkung. Durch die Zerlegung der Sinneseindrücke können differenzierte Filtersysteme die Anteile der einzelnen Sinnesmodi gezielt aktivieren und entfalten. Gegenüber der eindeutigen Festlegung der > Öffnungsfunktion in der westlichen Kultur, > Tür = Durchgehen, > Fenster = Durchsehen, > Wand = Trennung, sind etwa im traditionellen japanischen Haus Tür- und Fensterfunktionen voneinander und von der Trennfunktion der Wand nicht geschieden, sondern Wandschirme, Schiebewände und -läden werden zu graduell verstellbaren Filtern. Generell haben Filter, von innen gesehen, die ambivalente Wirkung von Gittern und Zäunen: Sie schaffen als Barrieren nach außen trotz Durchlässigkeit ein Sicherheitsgefühl, können aber auch zu einem Gefühl des Eingesperrtseins beitragen. Von außen wirken sie wie jede Verschleierung suggestiv, geheimnisvoll und üben einen anziehenden Reiz aus. Der Vorhang erzeugt zugleich szenografische Effekte. Genau genommen ist auch die Haus- oder Wohnungstür ein Filter. Sie ist nur für den durchlässig, der ins Haus gehört, er kann (freiwillig) abschließen und die Verriegelung nach Belieben aufheben. Für den Ein- und Austritt bilden jedoch die meisten Filterarten keine scharfe Raumgrenze, sondern machen ihn diffus, verzögern ihn, ermöglichen eine Form des fließenden Übergangs (> Zwischenraum). Dem Überschreiten einer > Schwelle setzen Filter einen Widerstand entgegen. Für einen Beobachter auf der anderen Seite bieten sie den Effekt der Überraschung, unerwartet tritt jemand hervor. Literatur: Auer 1989; Beyer/Huber 2000; Stalder 2009

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Fläche

> Boden, Decke, Ebene, Fassade, Feld, Oberfläche, Wand

Fließender Raum

Seit der Zerstörung der Schachtel (destruction of the box) durch Frank Lloyd Wright leckt der Raumbehälter. Gerade das Aufbrechen des konkaven Elements der Raumecke nimmt der Umschließung den Halt. Vor allem mit den von innen nach außen durchgehenden, raumverschränkenden Boden-, Decken- und Wandflächen anstelle von raumumschließenden Außenwänden (Mies van der Rohe, de Stijl), den im Inneren frei stehenden einzelnen Wandscheiben (> Ebene) oder Stützen, schließlich durch > Transparenz in ihren verschiedenen Definitionen verschmelzen Innenräume miteinander und mit der Weite des Außenraums. Die Rede vom „fließenden Raum“ unterstellt dem Raum als Ausdrucksqualität eine scheinbare Bewegung. Genauer betrachtet erleben wir das „Fließen“ vielmehr in der eigenen Bewegung, es führt zur Entgrenzung der eigenen > Raumsphäre, die immer weiter ausgreifen kann, wenn unser Bewegungsspielraum nicht durch die Raumbegrenzungen eingeengt wird. Räume, deren Grenzen aufgebrochen sind, deren Wände keine geschlossene Kontur, keinen Behälter bilden, stoppen mit ihrer offenen oder gestaffelten Anordnung die räumliche Ausdehnung zwar an manchen Stellen, blockieren sie aber nie ganz. Zu der metaphorischen Vorstellung des Fließens trägt als gleichfalls „fließendes“, sichtbares Raummedium das > Licht entscheidend bei, das über die Zwischenräume den Raum durchdringt, durch Wände scheint, reflektiert wird und den Betrachter visuell mit sich führt, auch wenn er diese Bewegung selbst nicht ausführt. Das Zusammenspiel von kontinuierlichem Raum, Licht und Weite in einem dynamisch strukturierten Gefüge vermittelt das Erlebnis einer lustvollen, freien und dennoch geleiteten Bewegung durch den Raum. Dass der Raum aber nicht völlig „wegfließt“, lässt sich dadurch erreichen, dass die separaten körper- oder flächen-

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haften Elemente sich stellenweise wieder verdichten, sodass sich auch im fließenden Raum Zonen mit angedeuteter Umschließung verfestigen. Das ist vor allem für die erkennbare Fassung von Stadträumen mit Aufenthaltsqualitäten entscheidend, die sonst in eine Ansammlung von isolierten Objekten zwischen räumlicher Leere und Verkehr umzukippen drohen. Literatur: Zurfluh 2009

Form

> Formcharakter, Gestalt, Körper (architektonischer)

Formcharakter

Meistens drücken vermeintlich sachliche Beschreibungen der Form zugleich deren expressiven Charakter aus. Auch wenn dessen Erwähnung gar nicht beabsichtigt ist, verrät ihn die Sprache. Formen lassen sich oft gar nicht anders beschreiben. Nennt man eine Form etwa zackig, eine andere verschlungen, dann sagt die Bezeichnung nicht nur etwas über Winkel und Kurven, sondern das Zackige und das Verschlungene sind der > Ausdruck dieser Form, sind ihr Formcharakter. Wird dieser Charakter gestalterisch herausgearbeitet, sodass man ihn der Form deutlich ansieht, dann treten Räume, bauliche Elemente oder ganze Gebäude mit einem deutlichen Gepräge gleichsam aus sich heraus und dem Betrachter entgegen. Als „Ekstasen“ der Dinge bezeichnet Gernot Böhme daher solche Ausdrucksqualitäten. Damit lassen sie jedoch kein inneres verborgenes Wesen nach außen hervortreten, sondern ihr Ausdruck entspricht eher dem Eindruck, den sie mit ihrem Charakter erwecken. Caractère war in der Charakterlehre der französischen Architekturtheorie des 18. Jahrhunderts die Bezeichnung für die Ausdrucksfunktion eines Gebäudes. Bauform, räumliche Disposition, Proportionen und Dekor sollten die Bestimmung des Bauwerks zum Ausdruck bringen. Der allgemeinere Begriff des „Formcharakters“ hingegen soll die Ausdrucksfunktion von einzelnen baulichen oder räumlichen Elementen bezeichnen, die > „Atmosphäre“ wiederum

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den Ausdruck und Charakter der ganzen architektonischen Situation. Formcharaktere sind Bestandteile von Atmosphären, beide umfassen daher gemeinsame Ausdrucksqualitäten. In der Wahrnehmung sehen wir den Dingen diese Eigenschaften unmittelbar an, wir legen sie den wahrgenommenen Formen nicht etwa nachträglich durch Interpretationen oder Assoziationen bei, sondern nehmen sie unmittelbar als ihre Anschauungsformen wahr. Sie lassen sich unterscheiden nach Formeigenschaften im engeren Sinn (1), sonstiger Dingbeschaffenheit (2), dynamischer Wirkungen (3), Sinnesempfindungen (4), Stimmungsqualitäten und Anmutungen (5) sowie indirekt vermittelten Ausdrucksqualitäten (6). 1. Durch reine Formmerkmale wird beispielsweise ein rundlicher, spitziger oder kompakter Charakter erzeugt. Kompositorische Qualitäten entscheiden, ob eine Bau- oder Raumform einen einheitlichen oder zergliederten Eindruck macht, oder lassen eine bestimmte Formzusammensetzung erkennen. Für den Eindruck von > Größe sind Form und Maße gleichermaßen entscheidend, ein großes Volumen etwa kommt durch die gestalterische Erzeugung einer prallen Wirkung zur Geltung, während Maßverhältnisse und > Proportionen eine Form z. B. gestreckt, gedrungen oder eher ausgewogen wirken lassen. 2. Gewicht, Material und Konstruktion gehören im engeren Sinne nicht zu den Formeigenschaften, aber der Ausdruck von Formen wird oftmals deutlich von solchen Faktoren beeinflusst. Durch die Betonung ihres gewichtigen Charakters kommt die > Schwere einer Form zur Geltung. Auf der > Stofflichkeit beruht z. B. der Ausdruck von > Porosität oder von > Dichte, während die > Tektonik als Ausdruck der Konstruktion darüber entscheidet, ob eine Bauform beispielsweise tragend, hängend oder lagernd wirkt. 3. Nach Rudolf Arnheim sind bei allen Wahrnehmungen dynamische „Anschauungskräfte“ wirksam, auf denen zu einem großen Teil ihr Formcharakter beruht. Wenn ein Gebäude „aufragt“ oder ein Platz „sich weitet“, dichtet die Sprache

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dem Gebäude und dem Platz ein eigenes aktives Verhalten an. Doch nicht jedes Gebäude ragt auf, es kann sich auch lagern, ducken, krümmen, anlehnen oder irgendwo dazwischenklemmen, der Platz muss sich nicht weiten, sondern kann sich hinziehen, ausrichten, um ein Bauwerk herumlegen oder sich abkapseln. In unserer Vorstellung kommt das Verhalten jedoch nicht als eine Aktivität zur Form hinzu, sondern wird als eine weitere Eigenschaft der Form selbst aufgefasst. Bereits einfachste Elemente wie Hauskanten erscheinen steigend oder fallend, führen herum oder schließen ab. Wände laufen parallel, nähern sich einander, knicken ab oder biegen sich. Die Decke hängt durch oder lässt durch eine Wölbung den Raum nach oben wachsen. Häufig drückt die Form auch ihr Verhalten gegenüber dem Umraum aus. Konvexe Hohlformen schwellen an oder dehnen sich aus und stoßen andere Formen ab, konkave Formen öffnen sich, saugen, schließen ein (> Konkavität), während ebene Oberflächen geeignet sind, sich aneinander anzulagern. Benachbarte Formelemente verbinden sich miteinander, indem durchlaufende Kanten oder Oberflächen sich fortzusetzen scheinen, z. B. das steile Dach in der vertikalen Wand oder die kontinuierliche Form verbindender Dachflächen. Einzelne Elemente und Teilformen verschieben sich zueinander, senken oder heben sich im Verhältnis zu anderen, Räume und Bauteile durchdringen, überschneiden sich oder verschmelzen. Auch die Bewegungsmomente eines Bauwerks, das als belebter Organismus aufgefasst wird, prägen dessen Formcharakter. Grenzfälle der Dynamik sind der Charakter von Unbewegtheit und expressiver Ruhe. Alle diese dynamischen Merkmale sind zunächst Ausdruckseigenschaften einer einzelnen baulichen oder räumlichen Form. Man wird sie aber oft nicht von einer gesamträumlichen > Gestik trennen können, obwohl diese sich erst in der Atmosphäre einer ganzen Situation entfaltet, wobei sie uns auch in unserem Verhalten anspricht. 4. Eine maßgebliche Rolle für den Formcharakter spielen Ausdrucksqualitäten, die auf Sinnesempfindungen beruhen

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und die häufig über > Synästhesie vermittelt werden. Weich ist z. B. eine Ausdrucksqualität, die am Charakter einer Bauform zunächst durch taktile Oberflächenqualitäten beteiligt ist. Eine weiche Kontur kann aber auch den Ausdruck einer ganzen Raumform oder eines Baukörpers auszeichnen, ebenso wie „weiches“ Licht, eine entsprechende Färbung oder ein Klang. 5. Stimmungsqualitäten haben zunächst mit Formeigenschaften nichts zu tun, aber trotzdem gibt es Gebäudeformen von ernstem oder lustigem Charakter. Fühlt man sich durch Ausdrucksqualitäten unmittelbar angesprochen und betroffen, wie etwa durch aggressive, erregende oder einladende Formen von Bauwerken oder Räumen, dann spricht man von > Anmutungen. 6. Manchmal kommt ein Formcharakter nicht der Bauoder Raumform selbst zu, sondern dem, was sie darstellt oder worauf sie über den Umweg von > Bildern, > Symbolen oder Metaphern verweist. Der Formcharakter eines gotischen Netzgewölbes etwa wird metaphorisch durch ein Bild von Wachstum und Verzweigungen erzeugt. Eine Erklärung für die Ausdrucksqualität von Formcharakteren liefert die Theorie der > Einfühlung. In engeren anthropomorphen Parallelen wirken breit lastende Formen, wie bei einem Menschen, als behäbig, schwerfällig, versprechen aber auch Solidität. Dünne Stützen erwecken dagegen mitunter die Assoziation eines dürren, langen Menschen und vermitteln Beweglichkeit, Eleganz, aber auch Labilität. Oder eine Fassade wird physiognomisch als Gesicht gedeutet, dem dann ein bestimmter Ausdruck wie streng, traurig, böse oder erschrocken zugeschrieben wird. In einem allgemeineren Sinne spricht man auch von der Physiognomie einer Landschaft. Graf Karlfried von Dürckheim führt unter anderem das Beispiel eines Weges an, der sich durch die Felder „schlängelt“ und „in gleichsam verhaltener Bewegung“ einen individuellen Charakter zum Ausdruck bringt. Literatur: Arnheim 1980; Seyler 2004

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Freiraum Fügen Führung Funktion Fußboden

Galerie

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> Garten, Hof, Landschaft, Platz und Straße, Städtebau > Detail, Komposition, Raumgefüge, Struktur > Bewegung, Blick, Ebene, Eintritt und Austritt, Gerichtetheit, Treppe, Wand, Weg > Einrichten, Erschließung, Gebrauch, Lesbarkeit, Typus > Boden

Einen Gang oder Umgang, der sich nach einer Seite zu einem höheren Raum öffnet, bezeichnet man als Galerie. Auch eine Passage oder > Arkade, eine Veranda oder einen überdachten Hofumgang nennt man Galerie; als Gang, in dem Bilder oder Objekte einer Sammlung aufgereiht sind, gibt sie der Kunstgalerie ihren Namen. Die besonders charakteristische Form der Raumerfahrung aber, um die es hier geht, bietet die Galerie in den Fällen, in denen sie eine obere > Ebene einnimmt und es durch ihre Öffnung zu einem hohen Raum ermöglicht, in exponierter Position an der Höhenausdehnung des Raums über mehrere Geschosse teilzuhaben. Die Lage auf halber Höhe macht sie zu einem vieldeutigen Standort. Als Empore in Versammlungsräumen bietet sie einerseits den eher abgelegenen und untergeordneten Plätzen Raum, doch andererseits auch den Ehrenlogen. Der Aufenthalt in den engen Räumen der Logen wiederum wäre meistens unerträglich, wie Adolf Loos bemerkt hat, ohne die Öffnung in den großen Hauptraum. Die Erkenntnis, dass man durch Verbindung eines höheren Raums mit einem niedrigeren Annex Raum sparen kann, nutzte er für den > Raumplan. Ist die Galerie hingegen als Balkon oder schmaler Laufsteg ausgebildet, gleichsam über der Tiefe schwebend, wird man mit dem Abgrund konfrontiert. Doch man hat gute Sicht und wird gut gesehen. Ist sie tief genug, kann man sich in ihren Hintergrund zurückziehen und nimmt, ohne vom angrenzenden hohen Raum aus gesehen zu werden, dennoch am dortigen Leben (indirekt) teil.

Die meisten Galerien sind Räume mit untergeordneten Nutzungen oder dienen der > Erschließung. Die im englischen Landhaus häufig anzutreffende Halle (hall) beispielsweise ist ein zweigeschossiger Raum mit einer Galerie, von dem aus alle Räume des Hauses erschlossen werden. Durch diese Einrichtung, die sich als Eingangshalle weit verbreitet hat, versammelt sich gleichsam das ganze Haus um die Halle. Die räumliche Konzeption der Galerie mit der typischen Koppelung horizontaler und vertikaler Raumverbindungen lässt sich auf vielfältige Art variieren, in exzessiver Form führen Giovanni Battista Piranesis carceri deren dramatische Möglichkeiten vor. Zum Grundzug eines Wohnhauses wurde das Galerieprinzip durch Le Corbusier in seinen Häusern des Typs Citrohan gemacht. Es beruht auf der Gliederung des Raumvolumens in einen zweigeschossigen Wohnraum und die auf zwei Stockwerke verteilten Zimmer und Nebenräume, die sich zum Hauptraum teilweise über eine Galerie öffnen. Der zweigeschossige Teil öffnet sich wiederum in seiner gesamten Höhe meist nach außen zu Straße oder Garten. Die Seitenwände (Tragwände) bleiben in der Regel weitgehend geschlossen. Es entsteht ein Kontrast zwischen dem besonders hellen Raum doppelter Höhe mit öffentlichem Charakter und den gestapelten, niedrigeren, eher privaten Räumen, die über den hohen Raum indirekt belichtet werden, aber auch nach der Rückseite Öffnungen haben können. Von der Galerie aus gesehen, öffnet sich der Raum nicht nur nach vorne und über die hohe Fensterfront nach außen in die Ferne, sondern auch nach unten, was in einem Wohnhaus eher ungewöhnlich ist. Man ist an dieser Position einerseits ausgesetzt, hat aber im Darüberstehen gleichsam auch den Überblick. Wer unten von dem niedrigen rückwärtigen Bereich unter der Galerie in den höheren Raum tritt, mag die abrupte Ausdehnung nach oben mit einer Geste des Sichaufrichtens verbinden, während in umgekehrter Richtung der geschützte Bereich unter der Galerie die Möglichkeit des Rückzugs aus dem hohen Raum bietet.

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Gang

> Erschließung, Galerie, Hof, Weg

Garten

Auch der Garten und der Park sind Architektur, doch zugleich sind sie das andere der Architektur und der Stadt. Ursprünglich der Natur abgerungen, durch Rodung gelichtet, durch Erdbewegung eingeebnet, durch Trockenlegung von Sümpfen oder durch Bewässerung kultiviert, ist der Garten das Ergebnis einer Domestizierung. Er bildet nicht nur im eingezäunten oder ummauerten hortus conclusus einen architektonischen Raum; zur Architektur machen ihn seine räumliche Durchdachtheit, die sich etwa in der Form idealisierter Natur des Landschaftsgartens zeigen kann, und sein szenisches Potenzial. Gärten in der Stadt sind indessen nicht nur der Natur abgerungen, sondern in ihnen tritt umgekehrt der Künstlichkeit des Städtischen ein Stück Natur als Gegenpol entgegen. Auch als Ort des Draußenseins definiert sich der Freiraum der Gärten im Gegensatz zu den Innenräumen der Häuser. Aber gerade als gestalteter Außenraum ist er wiederum ein Stück Architektur. Das gilt auch für den Landschaftsgarten, etwa im englischen Stourhead, in dem ein Bild von ursprünglicher bukolischer Idylle gestalterisch erzeugt wird, dessen scheinbarer Natürlichkeit man die ständige Pflege nicht immer ansieht. Dichte, dunkle Bepflanzung kontrastiert mit weiten, bildhaften Panoramen, die > Dramaturgie räumlicher > Sequenzen aus versteckten Wegen, Gewässern, kleinen Gartentempeln und überraschenden Ausblicken und Sichtachsen wird wie die Begehung eines sorgsam komponierten Landschaftsbildes erlebt. Das gilt erst recht für den formalen Garten. Seinen Boden bildet die geebnete Erde, er gliedert sich in Kompartimente, wenn er durch leichte Niveausprünge in einzelne > Ebenen zerlegt wird, durch wenige Stufen getrennt und verbunden. Am Hang lässt sich die Staffelung in terrassierte Niveaus mit größeren Treppenanlagen dramatisieren. Die To-

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pografie der > Landschaft bildet die Grundlage für eine dem Ortscharakter entsprechende Modellierung des Geländes. Die Aufgabe der weiteren Raumbildung haben im Garten vor allem die Pflanzen. So ist ein einzelner Baum bereits in der Lage, Raum um sich zu konzentrieren und mit einer breiten Krone zu überdachen. Als Paar bilden Bäume Tore, zu vieren können sie die > Gestalt eines Karrees formen. Als > Reihung lenken Bäume die Bewegung, in der Allee entsprechen sie einem Säulengang oder werden mit dem Laubdach zusammen zu einem Tunnel. In engen Abständen werden sie als Wand wahrgenommen, wobei es auf die Baumart und ihre Behandlung ankommt, z. B. als „Lindenstück“ geschnitten oder im Spalier gezogen. Die Aufgabe von Wänden übernehmen im Garten auch Hecken, Zäune oder Mauern. Stufen, Kanten oder Rinnen stellen schwächere Konturen dar. Das Ha-Ha, ein aus der Distanz nicht sichtbarer Graben, der den Garten etwa von der Viehweide abgrenzt, ohne den Blick zu behindern, ist das typische Mittel der Raumtrennung im Landschaftsgarten. Neben Pergolen und Treillagen übernehmen die Kronen von im engen Raster gepflanzten Bäumen die Funktion von Dächern, die sich im Sommer mit ihrer dichten Belaubung schließen und im Winter als durchlässiges Gitterwerk öffnen. Die Stämme solcher Haine erinnern an hypostyle Hallen, so bildet der Orangenhain der Mezquita in Córdoba das Gartenpendant zur Säulenhalle der angrenzenden Moschee. Gebäude- und Gartenarchitektur verschränken sich noch mehr, wenn die Mauern des Hauses wie eine Fassung des Außenraums angeordnet sind wie z. B. bei den Landhäusern von Edwin Lutyens mit Gertrude Jekylls Gärten. Geschützte Aufenthaltsorte im Garten sind der überdachte, oft halb verborgene Garten-Sitzplatz oder andere kleine Architekturelemente wie Pavillons, Grotten oder Heckenkammern. Verdichten sich Baumpflanzungen und Hecken zu kompakten Massen, wirken sie selbst wie Baukörper. Eine dichte Verflechtung von architektonischen und natürlichen Elementen, Gittern, Mauern, Veranden oder Brücken einerseits und Pflanzen, Tei-

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chen, Felsen oder Hügel andererseits, nimmt man im traditionellen chinesischen Garten als vielfache Staffelung und Überlagerung der Ebenen von Vorder-, Mittel- und Hintergrund wahr. Beim Umhergehen auf verschlungenen Wegen entsteht in Verbindung mit dem Kontrast von Enge und Weite auf verhältnismäßig kleinem Raum der Eindruck einer verwickelten > Schichtung in nicht absehbare räumliche > Tiefe (oku). Gärten sollen entweder ein Stück Natur kultivieren oder ein Stück Natur in die Stadt bringen. In jedem Fall aber ist der Garten ein Stück Kultur. Mit dem Anspruch, einen Bereich unversehrter und idealisierter Umwelt zu schaffen, stellt selbst der „wilde“ Garten eine besondere Form kultureller Erfahrung dar. In Gärten konzentriert sich gleichsam die Suggestion von Natur in einer räumlichen Verdichtung und wird je nach Gartentyp unterschiedlich interpretiert, vom SelbstversorgerNutzgarten, der dekorativen Grünfläche oder dem bunten Blumengarten bis zum Landschaftspark und vom streng formalen Garten bis zum städtischen guerilla gardening. Gärten zeichnen sich durch besondere Atmosphären aus. Die Beschaulichkeit des Paradiesgartens entspricht der kontemplativen Stimmung des Klosterkreuzgangs, der ihn umgibt. Die malerische Wirkung des Landschaftsgartens als Bild einer idealen unversehrten Natur sollte schon für seine Schöpfer die unter gesellschaftlichen Zwängen stehende Seele trösten. Unter den Stimmungsbeschreibungen des Gartentheoretikers Christian Cay Laurenz Hirschfeld beeindruckt besonders die „sanftmelancholische Gegend“, für die eine versteckte Lage entscheidend ist, tief herabhängende Blätter und überall verbreitete Schatten, Stille und Einsamkeit. Atmosphärisch wirksam sind dabei auch bestimmte Klänge, Hirschfeld nennt „Bäume, in deren Gipfel ein hohles Geräusch schwebt“, oder „dumpfmurmelndes Gewässer“. Der formale Garten, der auf einer weitgehenden Beherrschung der Natur beruht, wird dagegen vergleichsweise rational aufgefasst. Der Charakter von Gärten und Parks wird aber auf besonders unverwechselbare Weise geprägt, indem sie die Besonderheit der örtlichen Topo-

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grafie steigern und typische Merkmale der > Landschaft erlebbar machen, z. B. vorhandenes Gefälle als Terrassierung gestalten, eine Anhöhe für den Blick oder ein Bachtal für einen Platz am Wasser nutzen. Literatur: Hirschfeld 1779; Rombach 1991

Geborgenheit

> Behaglichkeit, Behausung, Inneres, Wärme und Kälte, Wohnung, Zugänglichkeit und Exklusivität

Gebrauch

Der spezifische „Inhalt“ architektonischer Formen ist ihr Gebrauch. Daher wird ein Gebäude auch unterschiedlich wahrgenommen, je nachdem, „als was“ es gebraucht wird, z. B. ob es bewohnbar ist oder nicht. Der intendierte Gebrauch gehört zu den vorrangigen Motivationen, die eine > Situation definieren. An einem leeren Zimmer nimmt man ganz verschiedene Eigenschaften wahr, je nachdem, ob es ein Arbeitsraum oder ein Kinderzimmer werden soll. Ein und dieselbe Landschaft sieht als Park wahrgenommen anders aus, als wenn man sie als Baugelände betrachtet. In Abhängigkeit davon treten diejenigen Merkmale in den Vordergrund, welche die jeweilige Verwendung begünstigen oder behindern. Selbst zweckfreie Elemente können sich als Gegenstände des Gebrauchs anbieten, Gesimse etwa als Ablage oder Säulenbasen als Sitzgelegenheit. Aus der Perspektive des Gebrauchs, erleben wir unsere räumliche Umgebung als „Zweckraum“ oder „Handlungsraum“ (Graf Karlfried von Dürckheim). In ihm sind nicht Form und Maß vorrangige Eigenschaften, sondern die Erreichbarkeit und Auffindbarkeit von Orten und Dingen in einem geordneten räumlichen Zusammenhang, der sich nach ihrer Verwendung richtet. Als was Architektur sich indessen durch den Gebrauch erweist, wird nicht nur durch Funktionen im Sinne rein praktischer Zwecke oder spezieller technischer Anforderungen festgelegt. Vielmehr haben die Funktionen der Architektur auch eine geistige und emotionale Dimension.

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Abgesehen von sehr spezialisierten Funktionen beruhen Zwecke in einem erweiterten Verständnis hauptsächlich auf allgemeinen, immer wiederkehrenden Handlungsmustern. Die dabei vorkommenden thematisch geschlossenen Einheiten wie Hinsetzen, Hinaufgehen, Eintreten nennt Angelika Jäkel „Handlungsfiguren“ (2012) und ordnet ihnen in einer gestischen Entsprechung Raumgestalten zu. So korrespondiert etwa eine bestimmte Form des Eingangs mit der entsprechenden Art, einzutreten, eine bestimmte Treppenform oder eine besondere Sitzgelegenheit mit der Art, hinaufzusteigen oder sich hinzusetzen. Bestandteile der Handlungsfiguren wiederum sind einzelne Bewegungsschritte und Handgriffe wie z. B. Tür oder Fenster öffnen, Schrank ein- und ausräumen. Auf diese Bewegungselemente gehen architektonische Formen und Details durch sinnfällige Gestalt und buchstäbliche Handhabbarkeit ein. Eine funktionale Gestaltung lädt zum Gebrauch ein, macht ihn angenehm und effizient. Für „funktionalistisches“ Design gilt das nicht immer, mitunter behindert es den Gebrauch sogar und drückt durch das funktionale Aussehen eher ein bestimmtes Forminteresse aus. Dass die meisten Handlungsfiguren sich vornehmlich durch charakteristische > Bewegungsfiguren oder -strukturen auszeichnen, gilt, wie Paul Zucker feststellt, auch für komplexere Formen architektonischen Gebrauchs: Ziel der architektonischen Gestaltung ist nicht der Kirchenraum, sondern die Zeremonie, nicht der Verkaufsraum, sondern das Warenanbieten und Zuströmen der Käufer. „Immer ist ein Verlauf im Zeitlichen, ein Nacheinander einzelner räumlicher Komponenten. Die Regelung der Verknüpfung dieser Komponenten, die räumliche Fixierung ihres zeitlichen Rhythmus, ist die eigentliche Aufgabe des Architekten, das Objekt seiner Gestaltungskraft.“ (1925, 87) Auch umfassende Raumnutzungen bestehen aus wenigen, stets wiederkehrenden universellen Handlungsmustern, die mit entsprechenden Raumgestalten und Formcharakteren korrespondieren. Um sich zu versammeln, sei es zu Mahlzeiten,

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Konferenzen, zum Feiern oder zum Spiel, wählt man vorzugsweise eine zentrierende Raumordnung; wird einem Publikum etwas vorgetragen, ob Kino, Konzert, Vorlesung oder Predigt, ist in der Regel eine gerichtete Raumstruktur dienlich; um zwischen ausgestellten Objekten herumzugehen, im Warenhaus, im Museum, auf einer Messe oder im Blumengarten, findet man gewöhnlich eine gestreute räumliche Anordnung geeignet. Wenn ein umfassendes Nutzungsprogramm mit seinen charakteristischen Bewegungsabläufen das gesamte Gebäude durchdringt und dabei auch durch die Baugestalt gestisch zum Ausdruck kommt, ist es imstande, dessen ganze Architektur zu prägen. Dagobert Frey weist darauf hin, dass das „Zweckmäßige“ des Gebrauchs als „Inhalt“ des architektonischen Werks in der Lage ist, „ästhetisch wertvoll zu werden.“ (1925) An einem Bahnhof etwa, einer Bibliothek oder einer einer Küche ist nicht primär der Anblick architektonisch entscheidend. Vielmehr erhält auch deren Gebrauchsvorgang einen ästhetischen Wert, sofern wir ihn in einem gestalteten Bewegungsduktus erleben, einer akzentuierenden Belichtung, mit orientierenden Blickbezügen und einer passenden Raumstimmung. In der Architektur ist indessen jeder Gebrauch zunächst ganz allgemein > Behausung, differenziert sich dann aber in verschiedene Richtungen. Eine monofunktionale Gestaltung dagegen muss damit rechnen, dass jede vermeintlich funktionale Form immer wieder andere Funktionen hervorruft oder auch zum kreativen Missbrauch reizt. Form und Gebrauch bringen einander wechselseitig hervor. Gebäude, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben, erweisen sich oft als geeignet für unerwartete neue Nutzungen, sie regen Umwidmungen umso eher an, wenn sie nicht auf einen eindeutig ablesbaren Gebrauch festgelegt waren. Allerdings entspricht der neutrale Mehrzweckraum nicht der Komplexität des Gebrauchs in der Architektur. Architektonische > Kapazität zeigt sich vielmehr im Zusammenspiel der beiden Faktoren Spielraum und Prägnanz. Räume mit funkti-

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onaler Kapazität lassen einerseits dem Gebrauch eine Auswahl von Möglichkeiten, andererseits nehmen sie eine Abgrenzung dieser Auswahl vor, sie eignen sich nicht für jeden Zweck, fixieren den Gebrauch aber nicht nach Nutzungsstandards, sondern verleihen ihm einen besonderen räumlichen Charakter. Literatur: Alexander 1977; Führ 2002

Gedächtnis Gefüge Gehen

Gelenk

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> Erinnerung, Monument, Ort, Zeit > Detail, Gelenk, Komposition, Konzept (architektonisches), Raumgefüge, Struktur, Tektonik > Arkade, Bewegung, Rhythmus (räumlicher), Sequenz, Weg

Ein Gelenk stellt die bewegliche Verbindung zwischen zwei oder mehr Gliedern her. Auch Teile von Bauwerken und von Räumen oder Plätzen können durch ein Gelenk verbunden werden. Während sie selbst nicht beweglich sind, wird der Gelenkcharakter durch die Bewegung von Personen hergestellt und wahrgenommen. Eine solche Verbindung wird dann als beweglich erfahren, wenn Formverlauf und Raumanschluss an der Verbindungsstelle nicht stetig, sondern zunächst gestört oder unterbrochen sind und durch architektonische Mittel in veränderter Weise wieder hergestellt werden. Der Übergang wird gelenkartig artikuliert, indem ein Zwischenglied (lat. articulum, kleines Gelenk, Glied) eingefügt wird, das ein räumliches oder körperhaftes Element sein kann. Ein sehr einfaches Gelenk bildet bereits die > Tür mit dem Raum der > Schwelle. Meistens beinhaltet das Gelenk einen Richtungswechsel oder eine Raumaufspaltung oder ist als eigener Gelenkraum, Hof oder Platzraum ausgebildet. Benutzer oder Passanten werden dadurch in ihrer > Bewegung zum Innehalten und einer Veränderung der Bewegungsform oder des Bewegungsverlaufs veranlasst. Die durch das Gelenk artikulierte Änderung erfährt so eine Aufmerk-

samkeit, die ein ungehinderter Raum- und Bewegungsverlauf nicht beanspruchen würde. Tritt das Gelenk an Schlüsselstellen und Knotenpunkten eines > Raumgefüges auf, dann kann es der entscheidende Ansatzpunkt für den intellektuellen Nachvollzug der räumlichen > Ordnung sein, indem es den Aufbau des Gefüges von diesem Punkt her lesbar macht.

Gemeinschaft Gemütlichkeit Genius Loci Geometrie Geräusch

Gerichtetheit

> Hof, Raumgefüge, Ritual, Territorium, Wohnung, Zugäng-

lichkeit und Exklusivität > Behaglichkeit, Behausung, Wärme und Kälte, Wohnung > Erinnerung, Ort > Konzept (architektonisches), Maßstab, Ordnung, Perspektive, Proportion > Klang

In der Architektur hat ein würfelförmiger Raum keine einheitlichen Seitenverhältnisse, denn im architektonischen Raum werden die Raumrichtungen unterschiedlich wahrgenommen. Da wir durch die Schwerkraft an den Boden gebunden, aber selbst aufgerichtet sind, ist die Vertikale für unseren elementaren Halt entscheidend. Längs- und Querrichtung konkurrieren jedoch unter dem Einfluss von Öffnungen, Wandgliederung und Lichtverteilung. Wir sind ständig wechselnden Richtungsimpulsen ausgesetzt. Deutlicher als am Kubus zeigt sich die Gerichtetheit bei oblongen Raumformen, die von vornherein durch die Längsrichtung geprägt erscheinen. An einem Stadtplatz lenkt aber eine dominante Gebäudefassade die Ausrichtung auf sich und auf ihre Position am > Platz. Wenn das Gebäude an der Schmalseite steht, scheint sich der Platz in die Tiefe, wenn es an der Breitseite steht, in die Breite zu richten. Camillo Sitte spricht daher von einem Tiefenplatz oder einem Breitenplatz. Räume jeden Maßstabs wirken also gerichtet, wenn sie sich nach einem beherrschenden Element hin orientieren, nach

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einer Seite oder nach einer Richtung, die bereits vorgezeichnet ist. Auch in der Landschaft erscheinen Räume z. B. auf den Wald ausgerichtet, aufs Meer oder Gebirge, erstrecken sich auf die Stadt zu oder aufs Land hinaus, flussauf- oder -abwärts. Gerichtetheit ist eine Ausdrucksqualität, die bei einzelnen Bauwerken vor allem durch den > Formcharakter der Fassaden- oder Dachformen, Giebel- oder Traufständigkeit und besonders durch Form und Lage ihrer Öffnungen hervorgerufen wird, indem sie hin- oder abgewendet, aufgeklappt oder aber zentriert erscheinen. Durch ein Moment der > Gestik erhält die räumliche Situation eine eigene Dynamik. Bekannt ist die vertikale Tendenz des Wachsens und der Verzweigung, die das gotische Bauwerk und seinen Raum nach oben ausrichtet, während z. B. Oval, Trapez und Dreiecksformen im Grundriss dafür sorgen, dass der Raum in der Horizontalen als gerichtet erscheint. Gerichtetheit sprechen wir architektonischen Formen aber nicht nur aufgrund von baulichen Merkmalen zu, sondern wir erleben Gerichtetheit auch aufgrund der Disposition unseres > Leibes. Unsere körperliche Ausstattung ist einseitig ausgerichtet auf den Raum, der vor uns liegt. Etwas in den > Blick zu nehmen, den Blick darauf durch zwei nach vorne gerichtete Augen auszurichten und es damit fokussiert wahrzunehmen, ist ein Grundmodus unseres Erlebens. Auch unsere Beinmotorik weist im Wesentlichen nach vorne. Diese richtunggebende Grundverfassung führt uns dazu, einen vor uns liegenden Zielpunkt zu suchen, und schließt uns ein potenzielles Vorne als mögliche Bewegungsrichtung auf. Auch das oben Befindliche wird bereits in der Wahrnehmung besonders bewertet, wahrscheinlich weil die aufsteigende Richtung dem Wachstum folgt und die > Schwere überwindet. Die Architektur geht auf verschiedene Weisen auf unseren Richtungssinn ein. Ein maßgebliches Mittel des Ausrichtens ist die Führung und Weiterleitung durch eine Folge gleichartiger Elemente wie z. B. eine Kolonnade. Das Führen gelingt

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umso besser, je mehr der Raum durch seine Proportionen orientierend wirkt. Die Korridorcharakteristik eines länglichen Raums etwa wird nicht nur durch flankierende Wände, wie bei einer Straßenschlucht, sondern z. B. auch durch eine > Reihung von Elementen erzeugt. Dabei trägt auch das perspektivische Zusammenrücken der Wände oder Säulenreihen, die dramatische Zuspitzung durch ihre in der Ferne zunehmende Verengung, wesentlich zur ausrichtenden Gestik dieser Anordnung bei. Sie „führen uns hin, gestatten kein Schwanken“, wie Georg Simmel es ausdrückt. Mit der Leitfunktion der Wände kann der Raum seine Gerichtetheit allmählich oder plötzlich und wiederholt ändern. Das Extrem einer so erzeugten Richtungsvielfalt ist das Labyrinth. Ein anderes Mittel des Ausrichtens ist das Setzen von markanten Zielpunkten, etwa durch Tore oder > Türme unter Anwendung des Prinzips der > Achse oder durch Akzentuierung der Mitte als > Zentrierung eines Raums oder Platzes. Da wir uns als fototrope Lebewesen dem > Licht zuwenden, hat auch die Lichtführung eine ausrichtende Wirkung in Innenräumen. Wir streben in dunklen Räumen zum Licht von Fenstern, zu beleuchteten Objekten oder helleren Zonen und lassen uns durch Zenitallicht nach oben aufrichten. Durch die vielfältigen Steuerungsmöglichkeiten der Helligkeitsverteilung ist Licht ein besonders wirksames Ausrichtungsmittel.

Geruch

Die heimliche Gefühlsmacht des Geruchs entgeht meistens der Kontrolle unseres Bewusstseins, doch werden viele Situationen unerwartet stark und umfassend durch Gerüche geprägt und affektiv besetzt. Sie können eine Vielfalt von Stimmungen vermitteln, haben jedoch keinen räumlichen oder architektonischen Charakter, sondern die Räumlichkeit des Geruchs beruht auf leiblichen Vorgängen, besonders in Verbindung mit der Atmung: Sowohl im Innenraum als auch im Außenraum, etwa im Garten, kann ein angenehmer Geruch, ein frischer oder attraktiver Duft, uns den Eindruck vermitteln, beim tie-

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fen Einatmen durch die Nase mit dem Luftvolumen gleichsam den Raum einzusaugen. Wir spüren dabei ein Gefühl von Weite und haben den Eindruck, im Raum aufzugehen. Umgekehrt setzt ein unangenehmer Geruch von Ausdünstungen in stickigen Räumen dem Einatmen einen Widerstand entgegen, der uns in räumliche Bedrängnis bringt. Gerüche ermöglichen dagegen keine Identifikation von einzelnen Formen wie andere Sinne, sondern erscheinen auf immaterielle Weise zwischen den Dingen. Gerüche liegen in der Luft, sind aus der Distanz nicht wahrnehmbar und bilden kein Gegenüber, sie breiten sich aus, sind aber ohne Grenzen und Gerichtetheit. Dennoch spielen baulich-räumliche Eigenschaften eine Rolle für Geruchswirkungen. Außer der weitenden oder beengenden Wirkung der Raumluftqualität gehen bestimmte einzelne Gerüche vom Baumaterial aus, von Anstrichen oder von der Einrichtung, im Freiraum von Pflanzen und Erde. Sie werden dabei multisensorisch durch Sehen und Tasten ergänzt. Hinzu kommen die Geruchsspuren des Bewohnens und Gebrauchens, sodass Orte, Bauwerke und Räume aus der Gesamtheit dieser Komponenten einen spezifischen Geruchscharakter beziehen, der sie unverwechselbar macht und über den Geruch zu identifizieren erlaubt, zum Beispiel U-Bahnstationen, Kaufhäuser, Handwerksbetriebe oder Krankenhäuser. Individuelle Wohnungen lassen sich häufig am Geruch erkennen, sofern sich eine Art Geruchsprofil der Lebensgewohnheiten (wie Einrichtung, Speisen, Kosmetik) in den Räumen festsetzt. Im Treppenhaus von Mehrfamilienhäusern tritt so die jeweilige Privatsphäre hervor. Ganze Stadtviertel vermögen sich durch eine stabile Geruchsidentität stark voneinander zu unterscheiden. Geruch dringt mit seiner Ausbreitung von Raum zu Raum und kann durch Belästigung territoriale Konflikte verursachen. Geruch ist besonders erinnerungsbeständig. Eine Spur davon genügt, um Situationen auch nach langer Zeit wieder aufleben zu lassen. Der Geruchscharakter eines Raumes wird atmosphärisch als Gesamtheit verschiedener Geruchsanteile

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intuitiv ganzheitlich erfasst und ist mit allen Konnotationen auf einen Schlag da. Obwohl er meistens unterschwellig wirksam wird, kann er manchmal auch unabweisbar aufdringlich werden, intensiver als jeder visuelle Eindruck, und sogar jemanden aus dem Raum vertreiben. Da aber Düfte uns ebenso anziehen können und bestimmte Raumstimmungen erzeugen, werden sie im Geruchsdesign von Räumen zur gezielten Beduftung, etwa im kirchlichen Zeremoniell (Weihrauch) oder in der Warenästhetik (Frischeduft), eingesetzt. Der Geruch ist ein Mittel, das traditionell auch in der Gartenkunst zur Erzeugung von unterschiedlichen > Atmosphären angewendet wird. Aufgrund ihrer Eindringlichkeit und unterschwelligen Wirkung sind Gerüche besonders zur verdeckten Gefühlsmanipulation geeignet. Hält man sich aber länger in einem Raum auf, wird man dort aufgrund der Gewöhnung olfaktorisch heimisch, und die Geruchseffekte verlieren bald an Intensität. Literatur: Bischoff 2006

Geschichte

> Erinnerung, Monument, Ort, Zeit

Geschlossenheit

Zwischen absoluter Undurchlässigkeit und vollständiger Offenheit lässt sich Geschlossenheit nur graduell angeben. Das Maß der Geschlossenheit definiert sich immer komplementär zum gleichzeitig vorhandenen Maß an Offenheit. Zugleich mit dem Bedürfnis nach Umschließung ist ein Ausgleich durch hinreichende Öffnung erforderlich; nur wenn Sicht, Bewegung und Zugänglichkeit zuvor durch die Umschließung eingeschränkt werden, können > Öffnungen ihnen gezielt den Weg bahnen. Geschlossenheit und Offenheit der städtischen Bebauung und jedes einzelnen Gebäudes werden als „Teil dieses großen Wechselspiels zwischen Zugänglichkeit und Behinderung“ erfahren. (Arnheim 1980, 231) Im Vergleich zur „offenen“ > Landschaft engen Gebäude in der „geschlossenen“ Ortschaft und mehr noch in geschlos-

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sener Bebauung und bei zunehmender > Dichte Sicht und Bewegungen durch die Kanalisierung in Zwischenräumen ein. Die Räume von Straßen und > Plätzen werden schließlich von einer geschlossenen Häuserfront gefasst. Durch einen Knick in der Frontebene oder einen Visierbruch in der Höhe schließt sich ein Straßenraum für die Wahrnehmung auch in Längsrichtung. Die Lücken in den Ecken eines Platzes wirken geschlossen, wenn die dort einmündenden Straßen in Form von Windmühlenflügeln angeordnet sind, sodass man nicht hinaussehen kann. (Sitte 1889, 40f) Sind aber die Platzfronten nicht geschlossen, kommt dennoch eine gewisse Geschlossenheit der Platzfigur dadurch zustande, dass im Wahrnehmungsvorgang durch > Gestaltbildung auch lückenhafte Konturfragmente zur vollständigen Gestalt einer Figur ergänzt werden. Im Extremfall genügen vier Hausecken, damit wir einen viereckigen Platz wahrnehmen. Die Abschrägung der Ecken, wie z. B. am Quadrivio delle Quattro Fontane in Rom, verleiht der Figur eine gewisse > Konkavität, die zur Geschlossenheit beiträgt. Wie geschlossen ein Platz erscheint, hängt indessen sehr vom Maßverhältnis zwischen Platzfläche und Höhe der Platzwand ab. Gewöhnlich erfasst unser > Blick, ohne dass wir den Kopf bewegen, nur ein begrenztes Sichtfeld. Nach oben reicht es in der Regel etwa so hoch, dass wir eine Platzwand ungefähr bis zum Dachgesims überblicken, wenn wir uns beim Blick quer über den Platz im doppelten Abstand ihrer Höhe befinden. Der Platzraum wirkt dann sehr geschlossen. Beträgt der Abstand das Dreifache der Platzwandhöhe, gerät ein Stück Himmelsausschnitt in den Blick und der Platz beginnt, sich zu öffnen, ohne schon seine Kompaktheit zu verlieren. Wenn die Distanzen zwischen den Platzwänden also das Doppelte bis Dreifache der durchschnittlichen Platzwandhöhen betragen, überwiegt der Eindruck von Geschlossenheit bei zugleich maßvoller Weite. (Maertens 1877) Wird der Abstand zwischen den Platzwänden zu groß, sichern sie nicht mehr den Zusammenhalt der Platzfigur, und deren Geschlossenheit geht verloren.

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Das einzelne Haus braucht geschlossene Wände, wenn es den Gegensatz zwischen Zurückhaltung in der äußeren Erscheinung und räumlicher Entfaltung im Inneren ausspielen will. Die Geschlossenheit der > Wand ist auch die Voraussetzung dafür, dass die Öffnungen als Überwindung der Trennung zur Geltung kommen, indem sie in der Figur von Tür und Fenster das Hinein und Hinaus thematisieren. Das Gegenstück zur Geschlossenheit ist die Offenheit einer Architektur des > fließenden Raums, in der durch Platten, Scheiben und Stäbe eine Modulation des Raumkontinuums zwischen > innen und außen organisiert wird, in der es keine Öffnungen, sondern nur Fugen, Abstände und Zwischenräume gibt. Aber auch bei aufgelöster Raumhülle lässt sich eine gewisse Geschlossenheit von Raumgrenzen erzielen. Infolge der Gestaltwahrnehmung wirken z. B. eine Reihe von Stützen oder > Säulen ebenso wie die > Arkaden einer Hausfront oder die brise soleil einer Fassade, vor allem in der Schrägsicht, geschlossen. Die > Schichtung von perforierten Wandebenen oder die versetzte Anordnung von trennenden Elementen im Wechsel mit Durchlässen erzeugen Überlappungswirkungen und lassen eine brüchige Geschlossenheit entstehen. Durch die Wechselwirkung von Geschlossenheit und Offenheit, von Blockierung und Durchlass kommt ein gegliederter Übergang zwischen innen und außen zustande. Literatur: Arnheim 1980, Sitte 1889

Geschwindigkeit

> Bewegung, Blick, Landschaft, Städtebau, Weg

Gestalt

Da unsere Wahrnehmung die Sinnesreize schon zu Ganzheiten strukturiert, erscheint ein Bauwerk uns nicht als zusammenhanglose Ansammlung von Einzelformen. Deshalb sind die Figur eines Bauwerks, die Form des Raumes um uns, die räumlichen Strukturen der Stadt und die Formen der Landschaft, sogar die Figur eines Bewegungsablaufs (> Bewegungsfigur)

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in konsistenter Gestalt erfassbar. Im Unterschied zu dem oft gleichbedeutend verwendeten, aber allgemeineren Ausdruck „Form“ bezeichnet „Gestalt“ ein ganzheitliches Prinzip, nach dem das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Die Sinne können gar nicht anders, als die Wahrnehmungsreize in geordneter Gestalt zu vermitteln, nie als amorphe Reizmannigfaltigkeit. Bereits im Wahrnehmungsvorgang schließen sich die Teile einer Form zu einer Ganzheit zusammen, die sich als Figur gegenüber dem Grund, also aus einem Komplex von Wahrnehmungsreizen abhebt. Auch die Einheitlichkeit der räumlichen Wahrnehmung wird nicht erst nachträglich durch Denken oder Urteilen, sondern durch die Sinne selbst sichergestellt. In der Architektur sind viele der Regeln wirksam, nach denen solche Zusammenschlüsse erlebt werden und die von der Gestaltpsychologie als Gestaltgesetze beschrieben werden: So kommt beispielsweise der Wandeffekt von in einer Linie angeordneten Säulen durch ein Wahrnehmungsprinzip zustande, das als Gesetz der Nähe, der Ähnlichkeit oder der Kontinuität bezeichnet wird. Manchmal genügen dafür schon zwei Säulen, wie an der Piazzetta in Venedig. Das Gesetz der Geschlossenheit sorgt für die Ergänzung partieller, punktförmiger Raummarkierungen zu einer vollständigen Raumfigur. So erkennen wir etwa in der Anordnung von vier Bäumen im Karree, von vier kleinen Fassadenabschnitten oder Hausecken eine vollständige viereckige Platzgestalt (> Geschlossenheit, > Platz und Straße). Umgekehrt wirkt eine Raumform erst dann geschlossen, wenn Elemente vorhanden sind, die sich in der Wahrnehmung zu einer Figur vervollständigen lassen, etwa indem Reihungen oder Gänge durch eine Stirnwand, ein Blickziel oder Endglied abgeschlossen werden, sodass sie nicht beliebig fortsetzbar erscheinen. Nach dem Gesetz der Prägnanz und der einfachen Gestalt vollzieht sich die räumliche Deutung eines Liniengefüges als Figur immer dann, wenn die Wahrnehmung dadurch vereinfacht wird. Das Gesetz der Innenseite sorgt dafür, dass die > Konkavität einer Form dem

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Raum und die Konvexität dem > Körper Gestalt gibt. An einem Platz können beide in Konkurrenz treten. Solange eine Fassade sich in die konkave Platzkontur einfügt, unterstützt sie die Raumfigur. Wenn dagegen die konvexe Körperhaftigkeit des Bauwerks erkennbar wird, tendiert es dazu, sich aus einer konkaven Platzwand als Körperfigur hervorzudrängen. Wenn im Sehfeld symmetrische und unsymmetrische Gebilde miteinander abwechseln, nehmen nach dem Gesetz der Symmetrie die symmetrischen besonders leicht Figureigenschaft an – ein Prinzip, das die > Symmetrie in der Architektur zu einem so rigorosen Ordnungsmittel macht. Die Kraft, mit der Gestalten sich gegen ein Reizumfeld behaupten, erlaubt es, in der Architektur mit Andeutungen zu arbeiten. Baukörperkonturen und Raumgrenzen müssen nicht vollständig materialisiert sein, Kanten, Ecken, Flächenfragmente genügen oft, um eine bauliche Konfiguration erkennen zu lassen. Auch Unregelmäßigkeiten werden durch die ordnende Kraft der Wahrnehmungsprinzipien bereinigt, wir sehen z. B. rechte Winkel auch trotz kleiner Abweichungen. Gerade die Fähigkeit, Unregelmäßigkeiten wahrnehmend auszugleichen, die Sinnesaktivität der Angleichung zum Einfachen, Regelmäßigen hin, ist eine Kraft, die wir spüren, wenn wir uns in einer Art psychischen Tätigkeit die Gestalterfassung gegen die Abweichungen gleichsam aktiv „erarbeiten“. Die störungsfrei vorliegende perfekte Gestalt bleibt dagegen unlebendig. Dieses aktive Erarbeiten wird oftmals als Gewinn empfunden. Der wahrnehmungstheoretische Begriff der „Gestalt“ im Sinne der Gestaltpsychologie ist zu unterscheiden vom Begriff der „architektonischen Gestaltung“. Wenn ein Bauwerk, ein Raumgefüge oder eine Stadtstruktur erkennen lässt, dass sich seine Erscheinung nicht aus äußeren Zwängen ergeben hat, sondern einer gezielten Gestaltungsabsicht folgt, erleben wir das als besondere Qualität (> Architektur), als eine Form der absichtsvollen Zuwendung und Wertschätzung. Eine wechselseitige Verknüpfung zwischen den beiden Begriffen besteht

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jedoch, sofern die Gestaltwahrnehmung durch eine prägnante architektonische Gestaltung begünstigt wird, die sich selbst umgekehrt auf die Gestaltgesetze stützen kann. Literatur: Arnheim 1980; Gosztonyi 1976; Seyler 2004

Gestik, räumliche

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Auch wenn Architektur größtenteils unbeweglich ist, haben Menschen die Gewohnheit, Bewegungen auch in unbewegte Bauformen als deren > Formcharakter hineinzudeuten. Durch solche Bewegungssuggestionen erscheinen bestimmte Bewegungen uns als Eigenschaften der Formen selbst, gleichsam als ihr Verhalten: längliche Gebäude, die sich strecken, bauchige Formen, die sich ausdehnen, Bauwerke, die sich öffnen, nach einer Seite ausrichten, zu anderen Gebäuden hinwenden oder mit ihnen in einen Dialog treten. Als räumliche Gesten indessen erleben wir solche architektonischen Formen dann, wenn wir in unserem eigenen Verhalten angesprochen und zu einer performativen Reaktion angeregt werden. Analog zum Verständnis von Gesten als Körperbewegungen, die etwas ausdrücken, kann Architektur gestisch kommunizieren. Wenn man einer architektonischen Geste virtuell kommunikatives Verhalten unterstellt, folgt daraus, dass die Architektur damit implizit auch ein Verstehen der Geste und womöglich eine adäquate Erwiderung durch unser Handeln hervorrufen kann. Die architektonische Geste legt uns nahe, einem dynamischen Impuls zu folgen, mit dem eine baulich-räumliche Situation unsere Bewegung vorzeichnet oder uns eine Haltung empfiehlt. Beispiele für die Wirkung architektonischer Gesten sind Panoramafenster, die den Blick schweifen lassen, Stützenreihen, die uns entlangführen, oder Übertritte von einem niedrigen in einen höheren Raumteil, die uns veranlassen, uns aufzurichten. Die gestische Kraft solcher Konfigurationen ist umso wirkungsvoller, je prägnanter sie als Gestalt wahrgenommen werden, je mehr sie unsere verschiedenen Sinne ansprechen und eine spezifische Gestimmtheit erzielen. Die architektonische Geste kann so bestimmend

werden, dass sie Baukörpergliederung und Raumgefüge eines ganzen Gebäudes beherrscht. So löste in der Moderne häufig eine autonome Geste als Grundlage des ganzen Entwurfs, z. B. in Form langer rhythmischer Reihungen oder dynamisch gekurvter Baukörper, die tradierten architektonischen Ordnungen ab. Gewöhnlich führt die Gestik Erlebnismöglichkeiten suggestiv vor, die erst im tatsächlichen Nachvollzug der gestisch angelegten Form verwirklicht werden. Oft nehmen wir gestische Bewegungseindrücke nicht nur auf dem Weg des Sehens wahr, sondern indem wir selbst uns bereits in einer durch die räumlichen Bedingungen vorgezeichneten Weise (real oder virtuell) bewegen. Dadurch kommt es zwischen der Wahrnehmung von architektonischen Gesten und der Reaktion auf sie zu einer Verschränkung, in der die bauliche Gestalt der Architektur und die performative > Bewegungsfigur des Bewohners in eine wechselseitige Beziehung treten, die letztlich das Wesen der Geste ist. Allerdings handelt es sich dabei manchmal auch um Bewegungshinweise, die wir gar nicht realisieren, sondern nur imaginieren können, wie etwa zu fliegen. Barocke Architektur versteht es zum Beispiel, eine ekstatische Bewegtheit bis ins kleinste Detail zu vermitteln. So fühlt der Mensch sich bisweilen durch die räumliche Gestik der ganzen Situation angesprochen und spricht seinerseits in spezifischer Weise an, nicht nur indem er der beschriebenen Geste in einer realen Bewegung nachkommt oder die vorgezeichnete Haltung einnimmt, sondern bereits wenn er ihr in seiner Vorstellung folgt. Darin liegt mithin jene besondere Qualität von Architektur, die den Philosophen Ludwig Wittgenstein zu dem Satz veranlasste: „Erinnere Dich an den Eindruck guter Architektur, daß sie einen Gedanken ausdrückt. Man möchte auch ihr mit einer Geste folgen.“ (1984, 481) Literatur: Jäkel 2012

Gestimmtheit

> Anmutung, Atmosphäre

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Gewebe Gewicht Gewölbe Gleichgewicht Grenze

Größe

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> Dichte (räumliche), Raum-Körper-Kontinuum, Städtebau > Formcharakter, Schwere und Leichtigkeit > Dach, Decke, Halle > Komposition, Kräftefeld, Ordnung, Schwere und Leichtig-

keit, Sinneswahrnehmung, Symmetrie > Abschirmung, Innen und außen, Oberfläche, Schwelle, Territorium, Tür und Tor, Wand, Zwischenraum

In der Architektur spricht Größe sowohl den Verstand als auch das Gefühl an. Der Verstand begreift Größe als Quantität und > Maß. Er kann räumliche Größe zwar nicht direkt erfassen, sie wird aber anschaulich durch die Größenverhältnisse zu einer bekannten Einheit, welche dafür als maßstabgebend wahrnehmbar sein muss. Mit dem Gefühl indessen vergleicht man nicht Zahlen, sondern nimmt die Größe eines Bauwerks im Vergleich zum eigenen Körper, zu Dingen in der Nachbarschaft und im Rahmen einer ganzen Situation wahr (> Maßstab). Die angemessene Größe eines Raums hängt vom Nähe- und Distanzbedarf der Menschen ab und wird gemäß der räumlichen Gliederung in Tätigkeitsorte unterschiedlich eingeschätzt. Große Bauwerke vermögen zwar auch oder gerade aus der Enge heraus groß zu wirken, brauchen aber einen angemessenen Raum, um ganz erfasst zu werden. Ein antiker Tempel wirkt in einer kargen Ebene größer als in einer Stadt im Ensemble mit anderen großen Gebäuden. Da der Betrachtungsabstand im städtischen Raum oft durch Bebauung begrenzt ist, benötigen große Gebäude häufig einen vorgelagerten eigenen Platz als Freiraum, um Raum zu schaffen, der ihre ganze Größe respektiert. Da es bei sehr großen Objekten bei näherer Betrachtung trotzdem nicht immer gelingt, sie ganz zu übersehen, ohne Kopf und Blick zu heben oder zu schwenken, sind wir auf eine abtastende Wahrnehmung angewiesen. Das große Raumobjekt konstituiert sich in der Wahrnehmung also durch Bewegung. Im Allgemeinen lässt beim Abtasten der

einzelnen Formelemente eine kleinteilige Gliederung Gebäude oder Bauglieder, so etwa die kannelierten dorischen Säulen, nicht nur feingliedrig, sondern auch größer wirken, Formen mit großformatiger Gliederung erscheinen dagegen kleiner, aber zugleich grobförmig. Wenn das Auge sich dabei von kleineren über größere Einheiten zum Ganzen vortastet, baut sich die Größe dabei allmählich aus inneren Beziehungen auf. „Man könnte sagen, daß ein Gebäude als Wahrnehmungsgegenstand nicht einfach Größe hat, sondern vielmehr Größe gewinnt.“ (Arnheim 1980, 137) Durch diesen Aufbau der Gliederung können selbst Bauwerke mit geringen Abmessungen eine gewisse Größe als > Monument gewinnen. Monumentale Wirkung durch eine Größe aber, die uns überwältigen soll, lässt sich nicht einfach dadurch erreichen, dass man das Volumen eines Bauwerks immer weiter ausdehnt. Denn nach dem Gesetz der Allometrie wächst die Oberfläche nicht im gleichen Maße mit. Das hat eigentümliche Folgen für das Verhältnis der Wände zum Raum, die man beim Vergleich zwischen Bauten mit großem und kleinem Volumen entdeckt: Bei gleicher Wandstärke erscheinen die Wände eines großen Raumes schwächer als die eines kleinen. Zugleich scheinen sie aber den Raum einzuengen, weil sie sein unverhältnismäßig großes Volumen nur mit Mühe fassen, obwohl andererseits in ihm die Bewegungsfreiheit größer ist. (Arnheim 1980) Da der Eindruck von architektonischer Größe nicht einfach mit der schieren Dimension identisch ist, gilt es, den Eindruck des Großen durch besondere architektonische Vorkehrungen zu erzeugen, ohne in plumpen Gigantismus zu verfallen. So rät Étienne-Louis Boullée, die Teile eines Bauwerks so zahlreich wie möglich zu machen, um das Gefühl der Unermesslichkeit zu erzeugen. Er empfiehlt beispielsweise, Säulenreihen zu verwenden, die sich in alle Richtungen entwickeln und die sich so weit ausdehnen, dass man sie nicht mehr zählen kann, oder eine Allee so zu verlängern, dass man ihr Ende nicht mehr sehen kann, um den Eindruck der Unendlichkeit zu erzeugen. Durch die > Erhabenheit, die durch die Größe des nicht mehr

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Vergleichbaren entsteht, soll der Mensch erschüttert werden. Er schwärmt: „Das Bild des Großen gefällt uns in jeder Hinsicht, denn unser Wesen, immer bestrebt, sein Lebensgefühl zu erhöhen, möchte das ganze Universum umfangen.“ (1987, 58) Erst in der Moderne ist die Maßstabsausdehnung bei Wolkenkratzern, Flughäfen, Messeanlagen oder Bahnhöfen durch technologische Meisterung alltäglich geworden. Nach Rem Koolhaas hat das Große seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, die bisherige Kriterien der Architektur wie Komposition, Maßstab, Proportion, Detail, Ablesbarkeit und Überschaubarkeit eines Objektes sowie die Wichtigkeit des Kontextes infrage stellen oder sogar außer Kraft setzen: Größe fördert nach Rem Koolhaas das Prinzip der Heterogenität, der komplexen Überlagerung und erweitert die Autonomie der Teile. Das bedeutet für ihn keineswegs eine Fragmentierung. Das Auseinanderziehen von Kern und Hülle wird so weit ausgedehnt, dass an der Gebäudehülle nicht mehr abzulesen ist, was einen im Innern erwartet. Die Verpflichtung zu > Lesbarkeit und Wahrhaftigkeit wird damit aufgegeben. Innen und außen werden zu getrennten Aufgaben: Nach außen muss die scheinbare Stabilität eines Objektes vermittelt werden, während innen die Instabilität komplexer programmatischer und gestalterischer Notwendigkeiten zu bewältigen ist. Das große Raumobjekt folgt damit einer eigenen Logik und entzieht sich dem traditionellen Geflecht urbaner und kontextueller Bezüge. Es wird selbst zur Stadt, braucht die Stadt aber nicht mehr. Literatur: Arnheim 1980; Boullée 1987; Koolhaas 1995

Grund Grundriss

> Boden, Ebene, Gestalt, Sockel, Territorium

Halle

Zwei Eigenschaften sind charakteristisch für eine Halle: Sie ist erstens der Inbegriff eines großen Raums, in der Regel besitzt sie eine gewisse Weite; selbst eine gestreckte Wandelhalle

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> Erschließung, Gebrauch, Raumgefüge, Struktur, Wohnung

kann nicht nur ein Gang sein. Und sie ist zweitens ein Raum, der typischerweise, wenn auch nicht zwingend, ein eigenständiges Gebäude ausmacht, allenfalls von ein paar Nebenräumen begleitet. Beide Merkmale zusammen empfehlen die Halle nicht zuletzt für eine Rolle als öffentlicher Raum in der Stadt. Dann hat sie oftmals große Öffnungen oder sogar überhaupt keine Wände. Das Entscheidende ist somit ihr > Dach, das wegen seiner notwendigen Größe entweder große Spannweiten überbrücken muss oder auf Stützen ruht. Im einen Fall bietet der Raum große Freiheit für Bewegung und Nutzung. Im anderen lenken die Stützen – manchmal in sehr großer Zahl – die Bewegung auf jeweils spezifische Weise durch die Halle und geben ihr damit einen besonderen > Rhythmus. In lang gestreckten Wandelhallen, wie der antiken Stoa oder der Trinkhalle eines Kurorts, ist die Bewegungsart, auch wenn von allen Seiten der Zutritt möglich ist, eher das Auf- und Abgehen und damit eine > Bewegungsfigur, die dem Gespräch oder der Kontemplation förderlich ist. Vor allem nicht öffentliche Funktionshallen, wie Hangars, Fabrik- oder Lagerhallen, haben meistens mit der architektonischen Bewältigung eines oft riesigen gestaltlosen Volumens zu kämpfen. Durch ein optimiertes Maßverhältnis zwischen Raumhöhe und Grundfläche oder eine spezifische Gliederung von Dach und Decke lässt sich vermeiden, dass stützenfreie Hallen nur wie unstrukturierte, blasenartige Behälter wirken. Die großen Raumvolumen von Hallen lassen sich indessen nutzen, um ein befreiendes Gefühl von Weite spürbar zu machen. Das weitgespannte, manchmal auch weit auskragende Dach, die Rhythmisierung durch Gewölbe oder Deckenfelder, vielleicht auch der Nachhall dynamisieren einen solchen Eindruck. In einer > Säulen- oder Pfeilerhalle geben Anzahl, Form und Anordnung der Stützen dem Raum eine Struktur und die Bewegung wird durch die entstandenen Felder, Bahnen oder Schiffe geführt. Säulen und Pfeiler wirken bei einer gewissen > Dichte als Hindernisse, die zu einem richtungs-

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losen, sich schlängelnden > Schweifen führen. Je nach Achsabstand wird der Hallenraum durch sie in seiner Weite eingeschränkt oder auch unüberschaubar. Es kann der Eindruck entstehen, zwischen den Stämmen eines Säulenwalds zu wandeln wie in einem schattigen Hain. Scheint die Sonne hinein, vermitteln offene Säulenhallen durch die starken Hell-Dunkel-Kontraste der Schlagschatten und die Materialisierung des > Lichts auf den Säulenschäften eine solche Stimmung. Angefangen bei der hall des englischen Wohnhauses bis zur Empfangshalle oder Treppenhalle, der Hotellobby oder dem Theaterfoyer, dienen Hallen neben der > Erschließung eines großen Hauses auch als Orte des (öffentlichen) Auftritts, des repräsentativen Empfangs und Zeremoniells. Geschlossene Versammlungshallen, wie Sport-, Konzert-, Markt- oder Ausstellungshallen, sind öffentliche Räume, die sich wiederum mit ihren Vor- und Eingangshallen auch zum Raum der Stadt orientieren. Die Verwandtschaft und der Übergang zwischen dem Portikus als offener Säulenvorhalle und der offenen Halle der Stadtloggia oder Gerichtslaube zeigt, wie solche Hallen sich mit dem öffentlichen Außenraum der Stadt verweben können.

Haltungen

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Stehen (1), Sitzen (2) oder Liegen (3) sind die häufigsten Haltungen, die Bauwerke uns in ihrer räumlichen Fassung nahelegen. In ihrem > Formcharakter scheinen sie mitunter selbst solche Haltungen einzunehmen. 1. Stehen erfordert den Widerstand des > Bodens, die waagerechte > Ebene ermöglicht den stabilen Stand. Die Füße schaffen eine Verbreiterung der Basis, ihnen entsprechen in der Architektur das Fundament und der > Sockel. Unebener Grund erschwert dagegen das Stehen oder macht es gar unmöglich. Die dynamisierende Wirkung einer schrägen Ebene kommt zustande, weil sie die Statik der aufrechten Haltung gefährdet. Die Aufrichtung eines Gebäudes und seinen aufrechten Stand erleben wir als Geste, die dem Hinstellen und Stehen unseres

aufgerichteten Körpers entspricht. Mauer und > Säule, Stütze, Pfeiler und > Turm stehen auf dem Boden, sie erheben sich senkrecht und sind damit ein direktes Gegenüber für den stehenden Menschen. Manchmal wird das noch durch anthropomorphe Formen (Choren, Atlanten) oder eine analoge Gliederung (Fuß/Rumpf/Kopf) verdeutlicht. Häufig suggeriert die > Gestik ganzer Raumformen das Aufrichten und die stehende Haltung, so etwa hoch aufragende Räume wie ein Kuppelraum über einer Vierung oder hohe spitzbogige Gewölbe, während im Kontrast dazu breit lagernde, niedrige Raumformen dem Stand entgegenzuwirken scheinen. Während die Maße des aufrecht stehenden und gehenden Menschen das Format der Tür bestimmen, muss das Fenster, um einen Ausblick zu gewähren, sowohl am Augpunkt des Stehenden als auch des Sitzenden ausgerichtet werden. Da das Stehen, anders als das Sitzen, jederzeit unvermittelt in Bewegung übergehen kann, ermöglicht es, einen aktiven Bezug zum Raum und zu den Dingen herzustellen, den Raum „auszustehen“. Sofern man sich im Stehen nicht „niederlässt“, begünstigt es die Vorstellung, trotz räumlicher Distanz auch an entfernten Orten zu sein. Das Stehen ist damit auch ein „Ruhen im Gehen“ (Tomás Valena), das sich immerzu mit „Vor-Sicht“ einen zukünftigen festen Standort als Zielpunkt sucht. 2. Sitzen ist die dauerhaftere Fixierung an einer Stelle im Raum. Während zum Stehen auch das Gehen gehört, erfordert der Sitz im Raum eine Entscheidung über den bevorzugten Platz. Die Lage zur Wand, zum Fenster und zum Licht, der Überblick im Raum und die Verbindung mit dem Tisch werden dafür optimiert, oft erst nach einer langfristigen Festlegung von immer wieder im Raum aufgesuchten Positionen. Was sitzt, das passt. In der Bewegung eingeschränkt, aber dennoch aktiv, sind Sitzhaltungen häufig die Entlastungshaltungen zu den dauerhaften Tätigkeiten oder ermöglichen das Ausruhen vom Gehen und Stehen. Zum bequemen Sitzen gehört in unserer Kultur ein Möbelstück, wie eine Bank, ein Stuhl oder ein Sessel (> Einrich-

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ten). Stärker als andere Architekturelemente und Möbelformen verkörpert der Stuhl dabei die Figur dieser Haltung. Er ist als Winkel mit angesetztem Rücken Abbild oder Gegenform des Sitzens. Wenn Armlehne und Kopfstütze dazukommen, spiegelt er sogar die komplette Sitzfigur eines Menschen wider. Das Sitzen auf Stühlen ist in unserer Kultur zwar vorrangig, aber weltweit viel seltener anzutreffen als das Sitzen mit angewinkelten Beinen auf dem Boden. Letzteres verbindet sich unmittelbar mit dem Boden, auf dem es stattfindet. Statt eines Tisches dient die gesamte Bodenfläche als Aktionsfläche. Das gemeinsame Sitzen auf der durchgehenden Ebene des Bodens stiftet eine besondere soziale Nähe und macht flexibler in der Wahl des Sitzplatzes. Auch in unserer Kultur gab es Versuche, diese spontanere Form des sitzenden Raumerlebens zu rehabilitieren, die in der Gestaltung des Wohnraums als „Sitzlandschaft“ kulminierten. Es gibt kleine architektonische Raumeinheiten, deren eigene Erlebnisqualität maßgeblich aus der Form des Sitzens hervorgeht. So etwa Fensternischen, in die Sitzbänke eingebaut sind, sodass der Sitzende in der Mauer oder im Fenster sitzt und direkt auf der Grenzlinie der Abschirmung in den Raum hinein oder aus dem > Fenster blicken kann. Der Beichtstuhl oder das mittelalterliche „Gehäuse“ sind andere Formen, bei denen das Sitzarrangement einen eigenen Raum im Raum (> Inkorporation) hervorbringt. Auch ohne eine eigene architektonische Form zu bilden, werden viele Räume wesentlich vom Sitzen oder der Bestuhlung beeinflusst, oft mit dem Tisch als dazugehöriger Aktionsfläche. Der Fensterplatz im Innenraum nimmt durch die Brüstungshöhe auf die Sitzhaltung Bezug. Restaurant- und Caféräume werden durch die Anordnung und Größe der Tische und Stühle geprägt. In Sitzungssaal, Theater oder Kino wird durch die Ausrichtung der Sitze eine besondere Beziehung oder Hierarchie zwischen Zuhörern und Zuschauern sowie Rednerpult, Bühne oder Leinwand hergestellt. Das Publikum sitzt ausgerichtet in Reihen und ist ausschließlich auf die Bühne bezogen, sodass der Raum damit

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eine starke > Gerichtetheit erfährt. Andere Sitzordnungen, wie etwa die eines Chorgestühls oder des britischen Unterhauses, sorgen durch ihre Ausrichtung für die grundverschiedenen Haltungen gegenseitiger Zuwendung oder Opposition. Historisch gesehen ist das Sitzen eine privilegierte Haltung. Bei der Amtshandlung sitzt der Würdenträger auf einem besonderen Stuhl, dem Thron, der seine Würde verdeutlicht. Ein Untergebener dagegen steht oder kniet davor. 3. Liegen ist ein ortsfestes, ausgebreitetes Ruhen und Lasten auf einer Oberfläche: Eine Stadt liegt, ein See oder Grundstück liegen unbeweglich an einem Ort. Liegen ist für Menschen die stärkste Form der Immobilität und zugleich die bequemste und stabilste Haltung, bei der alle Muskeln vollkommen entspannt sein können. Es ist die bevorzugte Ruhelage, in der man schläft, sich erholt, nachdenkt oder gesundet und schließlich bestattet wird. Der Liegende zieht sich auf sich selbst zurück und empfindet die besondere Introversion in dieser Haltung. Die persönliche > Raumsphäre hat eine andere Ausdehnung als in anderen Haltungen. Das Blickfeld ist ein anderes. Wenn der Körper auf dem Rücken liegt, ist das architektonische Gegenüber plötzlich die Decke oder der Himmel, die sonst wenig Beachtung finden. Die Erreichbarkeit der Dinge, der dazu nötige Kraftaufwand verändern sich, und auch die Gedanken entfernen sich von der konkreten Umgebung, die Welt verkleinert sich. Der im Bett liegende Mensch „hat einen anderen Raum als der sich aufrecht bewegende“. (Bollnow 1963, 173) Im Liegen fühlt der Mensch den Boden oder die Unterlage, er nimmt seine ganze leibliche Schwere wahr oder hat das Gefühl, mit der Ebene, auf der er liegt, zu verschmelzen und in ihr aufzugehen. Es gibt Räume, die das Liegen geradezu inszenieren, ihm besonderes architektonisches Gewicht verleihen, indem ein Liegeraum beispielsweise als Koje oder überdachter Raum im Raum differenziert wird, wie etwa in der Bettform des Alkovens oder des Himmelbetts. Um den Liegenden herum wird

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ein weiterer Schutzraum für ein intensiviertes Innensein und dabei oft auch die eigene Decke, der namengebende eigene „Himmel“, geschaffen. Literatur: Bollnow 1963; Eickhoff 1993

Haptik

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Da Räumlichkeit mit dem gesamten Leib wahrgenommen wird, kommt dem Tast- und Berührungssinn wesentliche Bedeutung zu. Der sinnliche Eindruck, den uns das Abtasten von > Oberflächen liefert, ist unser erster Umweltkontakt. Das Tasten und das Berührungsgefühl können sogar als ursprüngliche Bedingung für das Sehen von Formen angenommen werden, denn wir sehen eigentlich nur etwas, was wir schon einmal „begriffen“ haben oder in eine analoge Tasterfahrung übersetzen können. Im Visuellen ist das Haptische darum immer gleichsam präsent. Gegenüber der Abstraktion des Sehens repräsentiert das Tasterleben das Konkrete. Denn nur das, was man berühren kann, wird aus der Vermitteltheit des Sehens in die unmittelbare Wirklichkeit aufgenommen und ermöglicht damit die leibliche Verortung des Subjekts in einer durch den Tastsinn beglaubigten körperlich-realen Welt als zugleich berührender und berührbarer Körper. „Der Mensch artikuliert die Welt durch den Körper (...). Wenn das Ich den Beton als etwas Kaltes und Hartes wahrnimmt, empfindet das Ich den Körper als etwas Warmes und Weiches.“ (Ando 1988) Für unseren Bewegungssinn (Kinästhesie) und die darauf aufbauende Raumerfahrung ist das Tasterleben eine unverzichtbare Grundlage, die sowohl durch die Wahrnehmung von Eigenbewegung und Lage (Propriozeption) als auch durch die Berührung von Oberflächen gebildet wird. Das Tasterleben ist aufgrund seiner Ursprünglichkeit auch unserem emotionalen Erleben besonders nah. So sagen wir etwas „berührt uns“, wenn es uns unmittelbar betrifft und unser Gefühl anspricht. Die leibliche Konstitution des Tastens vor allem mittels unserer beiden Arme und der spezifischen Ausformung unserer Hände lässt uns die Dinge gemäß dieser Ausstattung erfahren

und verinnerlichen. Darin sind bestimmte Wahrnehmungsmuster und Gesten, z. B. das „Begreifen“ und „Umfassen“, eingeschlossen. Durch das Betasten kann eine Vielzahl spezifischer Eigenschaften von > Stofflichkeit und Oberflächen wahrgenommen werden: Temperatur, Feuchtigkeit, Reliefformen, aber auch Beschaffenheiten wie Klebrigkeit, Glitschigkeit, Rauheit. Auch Bewegungen von Gegenständen, Vibrationen und sogar die Schallwellen von Klängen und Geräuschen können ertastet oder erspürt werden. Dabei erweist sich die Haut als unser größtes Wahrnehmungsorgan. Nur das zu sehen, was man „begriffen“ hat, gilt nicht nur für den Tasteindruck von Oberflächenreliefs, sondern auch für größere plastische Formen. So laden zum Beispiel bei einer barocken Balustrade Bauchung und Einschnürung der Balusterform förmlich zum tastenden Nachvollzug ein. Glätte, Härte, Rundungen oder scharfe Kanten „spüren“ wir auch dann, wenn unsere Augen die Dinge abtasten. Durch aufgeraute Flächen lässt sich auch das visuelle Raumerleben durch Einzelheiten „aufrauen“, indem der tastende Blick sich gleichsam an ihnen reibt. Ähnlich fordert > Porosität zum Eindringen auf und verursacht damit eine Verzögerung und Intensivierung des Sehens. Insbesondere die Art, wie der Blick abtastend über Dinge gleitet, ist dem Abtasten mit den Händen sehr verwandt. Diese visuell-taktile Anmutung macht einen Gutteil der Anziehungskraft, aber auch der Abschreckung von Formen und Stoffen aus: Sie wird zur Aufforderung oder Warnung, etwas zu berühren, um sich der tatsächlichen Beschaffenheit zu vergewissern. Auch der Berührung nicht zugängliche Elemente wie z. B. ein Gewölbe können „haptisch“ wahrgenommen werden, indem unser Blick und unsere leibliche Sphäre sich in die Rundung einschmiegen (> Erstrecktheit). Kalte und warme Bereiche, die sich etwa im zugigen Bereich vor einem Fenster oder in der Wärmezone eines Kamins befinden, lassen sich als räumlich ausgebreitete Zonen erspüren (> Wärme). Aber auch das Ausmessen eines Raumes mit den eigenen Schritten und das mes-

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send-tastende Einfühlen des eigenen > Maßstabs in eine räumliche Situation haben oft eine starke haptische Komponente. Bestimmte Elemente der Architektur sprechen uns in besonderer Weise an, fordern uns zum Berühren und Anfassen auf: Schalter, Griffe, Schlüssel, Klinken oder Handläufe. Die „Greifgestalt“ eines Griffs zeichnet nicht nur visuell das Greifen vor, sondern bietet sich auch zum beiläufigen und vertrauten Anfassen mit der Hand an, ohne Beanspruchung großer Aufmerksamkeit. Durch Zugreifen, Herunterdrücken und Entlanggleiten erschließen wir uns das Haus an einem taktilen Leitfaden. Wenn der haptische Vollzug dieser Vorgänge nicht durch die homogene Glätte einer abstrakten Automatik unterdrückt wird, kann der Körper sich an sie als gestalthafte Bewegungsfiguren erinnern. Sie werden unterstützt durch sorgsam entworfene > Details, wie etwa das Eindrehen des Handlaufs am Ende eines Geländers, das Anwendeln oder Herausschieben einer Stufe am Treppenantritt, die plastische Differenzierung von Drück- und Schiebebeschlägen an > Fenstern und > Türen oder die Differenzierung von Tritteigenschaften des Bodenbelags. „Die Gegenstände, die meinen Leib umgeben, reflektieren seinen möglichen Umgang mit ihnen.“ (Bergson 1964, 55) Literatur: Hajek 2009; Pallasmaa 1994, 1996

Harmonie Haus Heimat Helligkeit Hierarchie Höhe Hören Hohlraum

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> Proportion, Schönheit > Behausung, Bild > Behausung, Wohnung > Behaglichkeit, Dunkelheit, Erhabenheit, Licht > Achse, Raumgefüge, Zentrierung > Decke, Ebenen, Galerie, Raumplan, Schichtung, Steigen,

Treppe, Turm > Klang, Sinneswahrnehmung > Inkorporation, Körper (architektonischer), Konkavität und Konvexität, Porosität, Raumhaltige Wand, Raum-KörperKontinuum, Zelle

Hof

Der Innenhof ist ein Raum des Hauses unter freiem Himmel. Dort hält man sich draußen auf und kann bestimmte Tätigkeiten ins Freie verlegen, ohne das Haus wirklich zu verlassen. Nach Art einer räumlichen > Inversion lässt sich der Hof als ein ins Innere des Hauses gestülpter Außenraum begreifen. Tadao Ando beschränkt den Kontakt mit der Natur in seinen Häusern auf die Berührung mit Luft, Kälte, Regen, Schnee und bestimmte Klänge (Vogelstimmen, Windrauschen) als Essenz des Draußenseins und öffnet dazu den Außenraum als Hof nur nach oben. Der Hof ist zwar einerseits ein Außenraum, aber eine Reihe von Eigenschaften macht ihn ebenso zum Innenraum: Ein in der Mitte des Hauses liegender Innenhof etwa besetzt zwischen den Innenräumen die zentrale Position und ist dort gegen Einblick, Wind und Lärm aus dem Außenraum der Stadt geschützt. Geeignete Querschnittsproportionen verleihen ihm > Geschlossenheit, eine regelmäßige Gestalt zeichnet ihn als eigene Raumfigur aus, und durch sorgsame Gestaltung wird er zu einem passenden Ort für das > Versammeln der Hausgemeinschaft unter freiem Himmel. Man spricht auch dann von Höfen, wenn sie diese prägnante Fassung nicht haben, etwa im Fall von Vorhöfen, die im Übergang zum öffentlichen Stadtraum eher > Zwischenräume sind, bei Wirtschaftshöfen, die oft nur im > Winkel umbaut sind, oder Kasernenhöfen, deren Weite sie zum Grenzfall des Hofs macht. Der Gartenhof kombiniert als hortus conclusus, etwa in einem Kreuzgang, Eigenschaften von Hof und > Garten. Gemeinsam ist allen aber eine gewisse Geschlossenheit, alle vermitteln trotz ihrer Offenheit den Eindruck eines eingegrenzten inneren Bereichs. Den > Platz unterscheiden hingegen vor allem seine Lage und die eindeutige Zuordnung zum öffentlichen Raum vom Hof. Doch ähnlich wie zwischen Gebäudemassen und Platzräumen besteht auch zwischen Haus und Hof ein FigurGrund-Verhältnis von > Körper und Raum. Im > Raum-Körper-Kontinuum überschneiden sich einerseits Innenraum und Außenraum, andererseits ist der Hof ein Glied in der Verket-

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tung von Außenräumen, sei es in der > Sequenz von Höfen, wie etwa bei den Hackeschen Höfen in Berlin, sei es durch die > Inkorporation von ineinander geschachtelten Höfen unterschiedlicher Größe, wie z. B. im Kaiserpalast von Peking, wo man die eigentümliche Erfahrung macht, aus dem Hof hinauszugehen, um draußen wieder drinnen zu sein. Viele Gebäude benötigen Höfe zur Belichtung. Fenster und Türen, die auf einen Hof gehen, auch wenn er noch so klein oder als glasüberdachter Lichthof gar kein Außenraum ist, machen dennoch den Eindruck von Öffnungen nach außen. Die Außenwelt wirkt nicht ausgesperrt wie bei einer Belichtung durch reine Oberlichter. Hinterhöfe von Geschossbauten sind allerdings manchmal bis zu Lichtschächten verengt und belasten das Zusammenleben mitunter durch unentrinnbare Kommunikation. Haus und Hof gehen dagegen eine bewährte Verbindung im Hofhaus ein, das etwa als Patio- oder Atriumhaus zu den prägnantesten architektonischen > Typen gehört. Hofraum und Hausräume bilden in einer sinnfälligen Entsprechung zwischen Form und Lebensweise ein zusammenhängendes Gefüge. Beispiele sind das römische Atriumhaus oder das traditionelle Hofhaus (hutong) in Peking. Bei Hofanlagen im Geschossbau wie den Wiener Wohnhöfen gehört der Hofraum als halböffentlicher Ort der Gemeinschaft. Das compluvium, die rechteckige Öffnung im Dach des römischen Wohnhauses, von dem das Regenwasser von allen Seiten nach innen in ein Becken (impluvium) zusammenfließt, lässt sich als bewegtes Sinnbild für eine zentripetale oder introvertierte > Bewegungsfigur lesen: Als Raum der > Erschließung ist der Hof zugleich das Zentrum, wo sich die Bewohner, aus dem Kranz der umliegenden Räume kommend, zu Aktivitäten einfinden, die Licht, Luft und Bewegungsspielraum beanspruchen, und wo Gäste empfangen werden. Umgekehrt lässt sich das > Raumgefüge auch zentrifugal auffassen, indem die Bewegung vom Hof als Raum der Gemeinschaft bei abnehmender > Zugänglichkeit in die Indi-

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vidualbereiche führt. In Hofhäusern, bei denen als Erschließung zwischen dem Hof und den umliegenden Räumen ein Gang umläuft, insbesondere als Säulengang (Peristylhof), kommt das konzentrische > Zirkulieren als charakteristische Bewegung hinzu. Der Säulenkranz drückt als durchlässige innere > Fassade die Introversion des Hauses aus, während etwa das römische Haus zur Straße meistens keine gestaltete Fassade besaß. Der Peristylhof erscheint durch die dreifache > Schichtung von Kolonnade (> Arkade), Ring der Gemächer und Außenmauer nach außen besonders abgeschirmt. Im Gegensatz zur Verschiedenheit der Fassaden, die gewöhnlich einen städtischen Platz umschließen, sticht die Einheitlichkeit der Raumgrenzen von Innenhöfen besonders hervor, wenn sie durch umlaufende Säulenreihen oder andere sehr gleichförmige Fassaden gebildet werden. Wer sich in ihnen aufhält, hat den Eindruck einer gleichmäßigen Zuwendung von allen Seiten oder sogar das Gefühl, von dort angeblickt zu werden. Jederzeit könnte jemand zwischen den Säulen hervortreten. Das > Oszillieren, die für Zentralräume typische Bewegung, reicht hier vom Zentrum bis in den Säulenumgang hinein, wie etwa im kreisrunden Hof des Palasts von Karl V. in Granada. Eine gestreckte Grundform von Innenhöfen zeichnet dagegen eine gerichtete Bewegung vor, entweder auf ein Kopfbauwerk hin, als Durchgang oder im pendelnden Auf und Ab.

Horizont/Horizontalität Hortus conclusus Hülle

> Boden, Ebene, Formcharakter, Haltungen, Leib > Garten, Hof > Abschirmung, Bekleidung, Filter, Inkorporation, Schichtung,

Tektonik, Transparenz, Wand

Idee Immersion Immobilie

> Konzept (architektonisches), Thema (architektonisches) > Behausung, Erleben, Inneres, Virtualität, Wohnung > Bewegung, Zeit

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Individualbereich

> Einrichten, Raumgefüge, Territorium, Wohnung, Zelle, Zu-

gänglichkeit und Exklusivität

Inkorporation

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Durch das Ineinanderschachteln von Räumen bei der Inkorporation vervielfältigen sich die Urvorgänge des Umschließens und des Durchdringens der Umschließung. Inkorporation heißt wörtlich „Einverleibung“. Auf Baukörper übertragen bedeutet der Begriff, dass ein Bauwerk oder Teil eines Bauwerks vom Körper eines anderen umfasst wird, im anderen „inkorporiert“ ist. Im Hinblick auf die beteiligten Räume handelt es sich um eine Ineinanderschachtelung. Inkorporation tritt in allen Maßstäben auf, von der Zelle bis zur ganzen Stadt. Jedes raumumschließende Objekt kann grundsätzlich von außen betrachtet als Körper wahrgenommen werden, von innen dagegen als Hohlraum oder als Ansammlung von Hohlräumen. Einen einfachen geschlossenen Raumbehälter kann man jedoch nicht gleichzeitig von innen als Hohlraum und von außen als Körper sehen, da man entweder innen oder aber außen ist. Anders dagegen das „Haus im Haus“, wo mehrere raumumschließende Körper ineinander enthalten (inkorporiert) sind: Bereits im einfachsten Fall einer Inkorporation nur eines Körpers in einem anderen ist es möglich, eine Position im > Zwischenraum zwischen diesem Körper und der umschließenden Schale einzunehmen. Hier befinde ich mich innen in Bezug auf den äußeren und außen in Bezug auf den inneren Körper, nehme den äußeren als Hohlraum und den inneren als Körper wahr. Diese ambivalente Wahrnehmung von > innen und außen sowie von Körper und Raum ist wesentlich für die Inkorporation. Manchmal finden wir in einer Raumhülle mehr als einen weiteren Körper vor. Die von einer Mauer umschlossene Stadt oder das umfriedete Gehöft beispielsweise – beide werden von außen als geschlossene Körper wahrgenommen – konfrontieren uns im Inneren mit mehreren Baukörpern nebeneinander. Diese können selbst wieder weitere Körper enthalten, die inei-

nander stecken. Dass Baukörper zugleich nebeneinander und ineinander angeordnet sind, ist vor allem für stadträumliche Strukturen charakteristisch und eine spezifisch stadträumliche Form des > Raum-Körper-Kontinuums. Der Raum zwischen den Körpern, in dem wir uns hier bewegen, kann als Zwischenraum im doppelten Sinn betrachtet werden. Einerseits befinden wir uns im Raum zwischen nebeneinanderliegenden Körpern, also außerhalb von ihnen, andererseits zwischen Körpern und umschließender Hülle, zwischen Kern und Mantel. Die Ambivalenz der Wahrnehmung schwankt zwischen diesen beiden Arten des Raumeindrucks. Im Laufe der Bewegung durch die Stadt etwa wechselt die vorherrschende Wirkung mit dem Standort. Entscheidender als das Nebeneinander ist für die Inkorporation das Ineinander von raumumschließenden Körpern. Das Verhältnis des Ineinandersteckens kann potenziell bis ins Unendliche weitergeführt werden, sodass jeder Körper immer noch einen nächsten Körper enthält, jede Hülle immer noch durch eine weitere Hülle umschlossen wird. Abhängig von der Blick- oder Bewegungsrichtung – von außen nach innen oder umgekehrt – steht entweder der Vorgang des stufenweise verzögerten Eindringens im Vordergrund oder aber die Vorstellung einer schichtenweise gestaffelten Umschließung. In der einen Bewegungsrichtung wiederholt sich das Eintreten von Schicht zu Schicht. Rein theoretisch können wir nie sicher sein, wie viele Stufen noch folgen. Oswald Mathias Ungers, der das Phänomen der Inkorporation als fundamentales architektonisches > Thema beschrieben hat, spricht von der „potenziellen Unendlichkeit“ eines „logisch nicht mehr erfassbaren“ Vorgangs. Für die Abfolge von innen nach außen dagegen wird die Inkorporation am besten durch die Intention beschrieben, ein Innerstes mit mehrfach geschichteten Hüllen zu umgeben, zum Schutz, zum Verbergen, zur Ausdehnung und für den Zuwachs an Raum, um Tätigkeiten auszulagern oder um Distanz und Bewegungsspielraum zu schaffen (> Inneres). Beispiele sind Städte oder Burgen, die sich mit

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mehrfachen Mauer- oder Festungsringen schützen, Wohnhäuser, die sich hinter Gartenmauern, Zäunen und Hecken verbergen, Bauwerke mit äußeren Raumschichten für zusätzliche Nutzungen, für die Zirkulation oder als Klimapuffer. Für den, der sich ganz im Inneren befindet, wird die Außenwelt durch die äußeren Raumschichten auf Distanz gehalten. Zugleich wird durch sie der direkte Zugang zur Außenwelt verwehrt und erst über Zwischenstufen wieder eröffnet. Mit der Staffelung von Raumschichten, die als > Schwellen wahrgenommen werden, lässt sich ein Spannungsaufbau mit einer bedeutungssteigernden Wirkung erzielen. Während der Weg klar vorgezeichnet ist, wenn die Übertritte auf einer Achse zum Zentrum liegen, kann er unvorhersehbar oder sogar labyrinthisch werden, wenn die Durchlässe versetzt sind. Vielleicht findet man den Übertritt in die nächste Raumschicht erst, nachdem man den inkorporierten Körper teilweise umrundet hat. Das Umkreisen des Zentrums zur vorsichtigen Annäherung ans Innerste bildet dann ein retardierendes Moment auf dem Weg von außen nach innen. Literatur: Ungers 1983

Innenarchitektur

> Einrichten, Inneres

Innen und außen

Das A und O der Architektur sind innen und außen. Deren Verhältnis zu organisieren und ihren Zusammenhang in der architektonischen Gestalt konkret erfahrbar zu machen, ist eine genuine Aufgabe der Architektur. Innenform und Außenform bedingen einander zwar immer wechselseitig, zwischen ihnen sind aber unterschiedliche Beziehungen möglich, angefangen von Entsprechungen (> Lesbarkeit) zwischen innen und außen mit nur feinsinnigen Abweichungen bis zu erheblichen Gegensätzen. Im einen Fall bildet sich das > Innere nach außen hin ab. Im anderen Fall kann ein völlig nüchternes Äußeres ein raffiniertes, komplexes und vielteiliges Inneres enthal-

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ten, gemäß den Worten von Adolf Loos: „Das haus sei nach außen verschwiegen, im inneren offenbare es seinen ganzen reichtum.“ (Loos 1997, 129) Das Äußere eines Hauses, das den Eindruck erweckt, etwas zu verschweigen hat, ist jedoch nicht stumm, sondern zeigt, dass es etwas zu verschweigen hat und erzeugt mit der Ambivalenz von Verbergen und Preisgabe eine besondere Spannung zwischen innen und außen. Verschiedenartige Übergänge drücken die Einwirkungen des Äußeren auf das Innere aus und umgekehrt. Robert Venturi führt beispielsweise Varianten einer verdoppelten Hülle an, von denen die eine inneren Bedingungen, die andere äußeren Einflüssen folgt. Die äußere Hülle kann selbst wieder nach außen konkav geformt sein und damit ein Inneres im Außenraum begrenzen (> Konkavität). Grundsätzlich ist eine Staffelung von innen und außen möglich, bei der die Außenseiten verschiedener Gebäude zusammen wieder einen äußeren Innenraum, z. B. einen Platz, formen, oder bei der im Inneren eines Gebäudes ein Außenraum, z. B. ein > Hof, herausgeschnitten wird. Die Innen-außen-Staffelung lässt sich durch > Inversion und > Inkorporation in beide Richtungen fortsetzen. Im Einzelnen organisiert die Architektur das Verhältnis von innen und außen nicht nur, indem sie > Abschirmungen von unterschiedlicher Beschaffenheit mit verschiedenen > Öffnungen für > Ein- und Austritt oder > Ein- und Ausblick versieht, sondern auch durch die detaillierte Ausbildung von > Schwellen, > Filtern und > Zwischenräumen mit dem Ziel differenzierter > Zugänglichkeit. Durch graduelle Veränderung von Lichtverhältnissen, > Stofflichkeit und Raumstimmung werden nuancierte Übergänge artikuliert (> Introduktion). Innenraum- und Außenraumcharakter können sich so überlagern, dass innen und außen als relativ empfunden werden. Die manigfaltigen Arten, durch die das Innen-außenVerhältnis die Architektur prägt, tauchen in den Beschreibungen vieler anderer architektonischer Begriffe auf. In einem sehr allgemeinen Sinn steht innen für Privatheit, Besitz oder Sammeln, außen für Öffentlichkeit, Verfügbarkeit oder Zer-

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streuen. Indessen wird der Kontrast von Geborgenheit und Vertrautheit im Inneren gegenüber dem Verlorensein, der Fremdheit oder Gefahr draußen mitunter zwiespältig erlebt. Das Verhaftetsein im Inneren kann auch als Enge oder Einschließung im Gegensatz zu befreiender Weite und Ungebundenheit draußen erfahren werden. Menschliche Entfaltungsbedürfnisse erfordern den begrenzten Raum ebenso wie die Ausdehnung ins Offene. Das Verhältnis von innen und außen transportiert schließlich unzählige weitere Bedeutungen alltäglicher und existenzieller Relevanz und speist eine üppige Metaphorik, angefangen von der Unterscheidung zwischen Ich und Welt bis zu dem, was gerade in oder out ist. Literatur: Baecker 1990; Van der Laan 1992, Venturi 1978, Waldenfels 1990

Innenhof

> Hof

Inneres

Innen sein beginnt im Schatten eines Baumes und reicht bis zur Enge einer Zelle. Im sparsamsten Fall wird Inneres nur angedeutet, z. B. in einer Dampfwolke, einem Lichtkegel, einer Klangzone oder wenn man in den Nähebereich eines Bauwerks, in seinen > Raumschatten eintritt. Wer eine besonders behandelte Bodenfläche betritt, in die geschützte Zone eines Wandwinkels oder unter ein Dach tritt, hat bereits den Eindruck, in ein Inneres zu kommen; vor dem Wetter geschützt, ist man im Trockenen, im Warmen, im Windschutz geborgen. Das Gefühl, innen zu sein, lässt sich von der Andeutung durch ein Minimum baulicher Mittel bis zum Extrem von ganz „nach innen gewendeten“, also introvertierten Räumen steigern. Der „in sich gekehrte“ Charakter entsteht zum einen durch bauliche Eigenschaften, z. B. durch weitgehende > Geschlossenheit, durch die umschließende Kontur der > Konkavität oder durch > Zentrierung, also die Orientierung zu einer das Innerste bildenden Mitte hin. Zum anderen sind

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Elemente der Ausstattung und des Materials entscheidend, durch die sich die Architektur dem Inneren und seinen Bewohnern „zuwendet“. Indem die Auskleidung der Raumhülle sich dem Blick und der Berührung durch ihre Feinheit anbietet, entspricht sie dem Innenfutter eines Kleidungsstückes (> Bekleidung). Überdies dienen die Innenwände als Projektionsfläche und Widerspiegelung des individuellen > Gebrauchs, indem sie dessen Spuren aufzeichnen und lesbar machen. Durch die Innenarchitektur von Nischen, eingebauten Sitzen und Alkoven werden die Innenwände zu nach innen gewendeten > raumhaltigen Wänden. Mit individuellen Anpassungen lässt sich schließlich das Innere als Futteral den Bewohnern geradezu auf den Leib schneidern. Eine vervielfachte Innenwendung bilden die separaten Kammerungen von Geheimplätzen und Verstecken, von chambres separées und Höhlen für Kinder. Die räumliche Verdichtung endet bei der einzelnen > Zelle oder dem Bett. Die Konzentration des Inneren auf einen Brennpunkt, nicht nur wörtlich genommen als Feuer oder Herd (lat. focus), sondern z. B. auch durch die zentrierende Nähezone des Lampenscheins, fordert zum > Versammeln um eine Mitte auf. Durch die Zwiespältigkeit von Geborgenheit und Gemütlichkeit einerseits und Eingesperrtsein oder Einsamkeit andererseits kann Introversion zu einer heiklen Erfahrung werden. In dem Intérieur, das nur die eigenen Erfahrungen spiegelt, bleibt man alleine und gefangen in der eigenen Biografie. Als Etui wird das Innere zum Abdruck einer unveränderlichen Lebensspur, wie Walter Benjamin sie charakterisiert: „Der Etuimensch sucht seine Bequemlichkeit, und das Gehäuse ist ihr Inbegriff. Das Innere des Gehäuses ist die mit Samt ausgeschlagene Spur, die er in die Welt gedrückt hat.“ (1977, 290) Dem Intérieur als Darstellung von Innerlichkeit hält Benjamin das Bild von Räumen aus hartem und glattem Material entgegen, „an dem sich nichts festsetzt“ und das immer von Neuem zu beginnen erlaubt.

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Der bergende und sammelnde Wert der > Behausung im Inneren beruht auf der Komplementarität zum Außen und zur Aktivität der Bewohner draußen. Häufig jedoch empfinden wir Innenräume wie Hohlräume, die keine Außenwände haben. So werden etwa an den Wänden der eigenen Wohnung nur die Innenseiten wahrgenommen, als wäre die Wohnung eine Höhle, die man nur durch die Wohnungstür betritt. Das Innere verselbstständigt sich als abgelöste, eigene Welt. Was außerhalb der Wände liegt, ist nicht erreichbar, als wäre es nicht vorhanden, selbst wenn in 20 Zentimetern Entfernung der Nachbar wohnt. Als Gegenstück zu dieser nur als Innenraum vorhandenen Wirklichkeit wäre eine Architektur zu betrachten, die das Äußere nach innen kehrt, einem „gewendeten“ Mantel vergleichbar, sodass durch > Inversion, wie etwa im Bautyp der Passage, eine Introversion der Außenseite zustande kommt. Literatur: Bollnow 1963

Inszenierung Intellektueller Genuss Intimität

Introduktion

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> Achse, Bild, Erleben, Licht, Ritual, Szene > Konzept (architektonisches), Lesbarkeit, Maß, Ordnung, Proportion, Thema (architektonisches) > Einblick und Ausblick, Einrichten, Inneres, Licht, Raumsphäre (persönliche), Zugänglichkeit und Exklusivität

Die Architektur hält geeignete Mittel dafür bereit, dass wir nicht mit der Tür ins Haus fallen. Mit ihnen werden wir in ein Gebäude oder eine bauliche Anlage durch mehrere Schritte hineingeführt, die uns auf das vorbereiten, was uns erwartet. Die räumliche Hinführung wird entweder durch eine allmähliche Einstimmung, > Ankündigung und partielle Vorwegnahme des Kommenden entwickelt, oder es wird durch Wechsel von Raumgröße, Licht und Atmosphäre, durch Steigungen und Richtungsschwenks Spannung aufgebaut, um die Ankunft zu einem Ereignis von unerwarteter Wirkung zu steigern.

Adolf Loos nennt Hinführungen durch dieses in seinen Entwürfen mehrfach eingesetzte Mittel „Introduktion“: eine > Sequenz von Raumelementen und -abschnitten, eine Wahrnehmungsabfolge, durch die man „langsam vorbereitet und dennoch überrascht“ werden soll, deren > Dramaturgie den Inhalt des Bauwerks, das Ziel der Sequenz bemerkenswert macht oder in einem bestimmten Licht erscheinen lässt. Die Introduktion kann sich aus einer Reihe von Phasen oder Abschnitten zusammensetzen, von denen jeder neue Erwartungen im Hinblick auf das Ziel weckt, die vom folgenden bestätigt oder aber effektsteigernd kontrastiert werden. So kommt die Gesamtwirkung schrittweise dem Eindruck nahe, den der Ankömmling letztendlich erhalten soll. Literatur: Kulka 1931

Introversion

> Dach, Einrichten, Haltungen, Inneres, Raumhaltige Wand,

Winkel und Ecke, Wohnung, Zentrierung

Inversion

Durch räumliche Inversion wird das Äußere nach innen oder das Innere nach außen gestülpt. Jeder Innenhof ist zwar eine Form der Inversion. Genau genommen reicht aber durch eine buchstäbliche Einstülpung der begehbare Außenraum kontinuierlich bis ins Innere des Hauses hinein, sodass man z. B. das Haus schon in seinem Zentrum ohne weitere Schwelle verlassen und übergangslos den Freiraum betreten kann. Durch Ausstülpung wiederum werden etwa einzelne Innenräume ganz aus dem Haus herausgeschoben, sie haben mit dem Inneren des Hauses noch Verbindung, sind aber zugleich allseits von Außenraum umgeben. Durch Wiederholung ermöglicht Inversion eine feinteilige Verfaltung von > innen und außen, sodass an vielen Stellen der Innenraum mit dem Freiraum in Tuchfühlung ist und das Gebäude mit seinen Innenräumen sich umgekehrt mit dem Außenraum vielfach verschränkt (> Faltung). Durch das gegenseitige Ineinanderstülpen besteht

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an vielen Stellen Gelegenheit zum unmittelbaren Übertritt zwischen innen und außen. Aufenthaltsorte und Tätigkeiten lassen sich durchgängig in einer kleinteiligen Zusammensetzung aus beiden Komponenten organisieren. In einem allgemeineren Sinne sind auch geschlossene und introvertierte, also wie Innenräume erlebte Außenräume oder Räume mit Außenraumcharakter im Inneren das Ergebnis einer Art von Inversion. Mehrfache Inversion entsteht, wenn z. B. ein Gebäudeannex auf einen > Platz oder > Hof hinausgestülpt wird, welcher wiederum selbst in einen Baublock eingestülpt ist. Das Verhältnis ist nicht immer eindeutig, denn was aus der einen Perspektive als Innenraum erlebt wird, erscheint aus der anderen als Außenraum (> Inkorporation). Im Grunde kommen aber in jeder dichten städtischen Baustruktur Inversionen unterschiedlichen Maßstabs vor, auf denen auch das > Raum-Körper-Kontinuum der städtebaulichen Raumbildung beruht: „Der Innenraum des Aussenraums ist Aussenraum des Innenraums.“ (Loderer 1981) Im kleineren Maßstab stellen bereits Erker oder plastisch ausgebildete Fensterkonstruktionen, die sich aus der Fassade schieben, Ausstülpungen dar. An ihnen zeigt sich, wie mit der baulich-räumlichen Inversion auch eine eigentümliche Invertierung von Befindlichkeiten einhergeht. Im Eckfenster oder Erker etwa ist man nicht nur auf mehreren Seiten vom Außenlicht umhüllt, sondern private Angelegenheiten des Wohnens werden dabei auch wie „ausgestellt“ und nach verschiedenen Seiten der Sicht dargeboten. Von einem wie ein Ausleger vorgestreckten Eingangspavillon werden Ankömmlinge zuvorkommend eingesammelt, abgeholt und ins Gebäude geführt. Auch der eingezogene Vorhof hilft Schwellenängste zu überwinden. Obwohl er schon innen liegt, bildet er als Außenraum noch eine verzögernde Zwischenstufe vor dem endgültigen Betreten des Hauses. Die Inversion erzeugt in diesen Fällen > Zwischenräume. Die Verschränkung von Innen- und Außenraum bezeichnet Aldo van Eyck als Reziprozität. Sein Waisenhaus in Ams-

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terdam soll, an Leon Battista Albertis berühmten Vergleich anknüpfend, „eine Stadt wie ein Haus, ein Haus wie eine Stadt“ sein. Zur Erschließung baut er Innenräume mit Straßencharakter, dem Licht der Straßenbeleuchtung angeglichen. Patios sollen Stadtplätzen gleichen, deren Außenraumcharakter sich, im Kontrast zu den weißen Innenwänden der Gruppenräume, in dunklen, rauen Wandoberflächen zeigt. Schon die frühchristliche Basilika lässt sich als von außen nach innen gestülpte römische Stadtstraße mit ihren Kolonnaden und Toren lesen. Ein Umschlag des Charakters von innen und außen findet in der anderen Richtung statt, wenn z. B. der Innenraum der Rotunde zum Außenraum wird, wie in James Stirlings Stuttgarter Staatsgalerie. Den Bautyp der Passagen wiederum beschreibt Walter Benjamin (1982, 513) als Straßen, die zum Intérieur werden, „Wohnungen des Kollektivs“. Aber „Passagen sind Häuser oder Gänge, welche keine Außenseite haben – wie der Traum.“ So wie die „Zweideutigkeit der Passagen als eine Zweideutigkeit des Raumes“ erscheint, ist die räumliche Inversion durch eine Ambiguität von > Innen-außen-Beziehungen gekennzeichnet, die bis zur Irritation mehrdeutiger Wahrnehmung führen kann, sodass man mitunter im Zweifel ist, ob man von drinnen hinaus- oder von draußen hineinblickt. Literatur: Van Eyck 1960

Kälte

> Wärme und Kälte

Kapazität

Der Begriff hat neben der quantitativen auch eine qualitative Bedeutung im Sinne einer Aufnahmefähigkeit für Eigenschaften, > Bedeutungen und Aufgaben. Als Beispiele für funktionale Kapazität bezogen auf die Architektur erscheinen aus heutiger Sicht die Wohnungen der Gründerzeit. Sie weisen in Raumanordnung und -gestalt einen prägnanten Charakter auf und machen ein großzügiges Raumangebot mit vielfäl-

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tigen Gebrauchsqualitäten für das Alltagsleben. Somit sind sie weder ausdruckslos neutral noch zwanghaft funktional determiniert. Man kann sie als Familie nutzen, als Wohngemeinschaft oder mit einem Büro. Sie lassen sich repräsentativ oder chaotisch, sparsam oder überbordend möblieren. Dass ehemalige Fabrikgebäude sich wiederum als Galerien oder Museen für moderne Kunst eignen, liegt nicht nur an ihrer flexibel nutzbaren Raumdisposition bei entsprechenden Flächengrößen, sondern auch an der zurückhaltenden Gestaltung der Industriearchitektur. Die zumeist schlichten, aber charakteristischen ästhetischen Merkmale machen die gleiche Architektur auch für Büros und Ateliers von Werbeagenturen, Designern oder dergleichen attraktiv. Hier gibt die funktionale Kapazität zwar eine andere Nutzungsrichtung an als bei den Gründerzeitwohnungen, aber in beiden Fällen – die um weitere Beispiele zu ergänzen wären – wirken zwei Faktoren zusammen: Der Umgang mit dem Raum wird einerseits durch dessen spezifische Eigenart geprägt, bietet aber andererseits eine Offenheit für unterschiedliche Fälle des konkreten > Gebrauchs. Räume mit funktionaler Kapazität sind für vieles, aber nicht für alles passend. Sie grenzen die Gebrauchsmöglichkeiten aber nicht im Sinne der geläufigen Nutzungsschemata ein, sondern lediglich der Richtung nach, indem sie – etwa durch Gestalt, Bewegungsstruktur und Gestimmtheit – jedem Gebrauch einen spezifischen Charakter verleihen und Abweichungen bedeutsam machen. Christian Norberg-Schulz hat darauf hingewiesen, dass „die Formen eine symbolisierende Kapazität besitzen, jedoch erst durch die semantische Wechselbeziehung mit den Bauaufgaben aktiv und wirklich werden“. (1968, 182) Bernhard Schneider hat mit dem Konzept der „semantischen Kapazität“ für die Architektur eine Rolle gefordert, die semantisch neutrale Architektur nicht besitzt. Denn wenn Systeme semantisch leer sind, erzeugen sie nur ein „Rauschen“ ästhetischer Beliebigkeit. Eine Architektur, die der Aneignung im Gebrauch der Nutzer entgegenkommen soll, verlangt im Gegenteil ein hohes

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Maß an ästhetischer Komplexität. „Semantische Kapazität“ bezeichnet also dasjenige Potenzial von Architektur, das dazu beiträgt, der Alltagspraxis unter wechselnden Bedingungen > Bedeutung zu geben und selbst Bedeutungen zu übernehmen. Dieses Potenzial kann die Architektur allerdings nicht entfalten, wenn sie zu neutralen Strukturen ausgedünnt wird. Zu meinen, je weniger Architektur, desto offener sei der Gebrauch, ist ein Trugschluss. Eine charakteristische Architektur ist geradezu notwendig, um die Anlagerung aktueller Interpretationen zuzulassen und gleichermaßen hervorzurufen. Obwohl die Bezeichnung „Kapazität“ erstmals durch die Semiotik (> Zeichen) in die Architektur eingeführt wurde, beschränkt sich die Idee einer Kapazität von Architektur aber ebenso wenig auf die Anlagerung von Bedeutungen wie auf die von praktischen Nutzungen. Architektur erleben wir nicht primär, indem wir Bedeutungen „ablesen“ oder Funktionen „zuordnen“, sondern wir vollziehen die architektonische Wirklichkeit durch unsere leibliche Beteiligung, wobei der performative oder besser „szenische“ Charakter unseres Umgangs mit Architektur deutlich wird (> Szene). So wäre szenische Kapazität der funktionalen und semantischen Kapazität noch übergeordnet. Auch für die „szenische“ Erfahrung stellt Architektur nicht nur neutrale Schauplätze bereit. Eine Wertschätzung erhalten unsere Bewegung, unser Handeln im Raum erst dann, wenn sie sich von Einerlei und Belanglosigkeit absetzen. Die architektonische Raumfassung kann uns für den Wert unseres Handelns sensibel machen, Architektur besitzt das Instrumentarium dafür. Ein Kranz von Räumen am Wandelgang rings um einen Gartenhof eignet sich für den Gebrauch durch ein Hotel, ein Studentenheim, ein Kloster oder einen Handwerkerhof. Er ist weder eine neutrale Mehrzweckanlage noch funktionalistisch festgelegt, jedoch legt er eine spezifische Dramaturgie für das Zusammenkommen, Zirkulieren und Kommunizieren nahe, die sich für alle genannten Nutzungen als charakteristische szenische Interpretation anbietet. Auch Junya Ishigamis fili-

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grane Halle in Kanagawa bietet ein breites Gebrauchsspektrum – Studieren, Ausstellen, Herumschlendern. Hier wird eine spezifische Interpretation dieses Spektrums an Nutzungen treffend durch den leichten Stützenschleier erreicht, der einen besonderen szenischen und atmosphärischen Rahmen schafft, ohne diffuse Neutralität zu erzeugen. Die genannten Eigenschaften, die der Architektur hier zugeschrieben werden, stehen in jenem Spannungsverhältnis von Substanz und Kontingenz, das „Kapazität“ definiert. Auf der Seite von Substanz stehen artikulierte Räume, dichte > Atmosphäre, ästhetische > Komplexität, charakteristische Bewegungsbedingungen, kurz gesagt: Prägnanz. Auf der Seite von Kontingenz stehen performativer Akt, Offenheit, Variabilität im Gebrauch, Verschiebung von Bedeutung: also Spielraum. Während die Architektur ein Repertoire von spezifischen Mitteln und Strukturen bereitstellt, zeigt sich erst im performativen Prozess eines konkreten Geschehens die angestrebte Offenheit als das Vermögen, eine Vielfalt von Aneignungsmöglichkeiten zu umspannen. Literatur: Hertzberger 1991; Janson/Wolfrum 2006

Keller

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Der Keller ist eigentlich eine Zumutung. Er scheint dem zu widersprechen, was man sonst von architektonischen Gebilden gewohnt ist. Als reines > Inneres ist er der Ort, wo die für Architektur grundlegende Differenz von außen und innen zusammenbricht. Vom Erdreich umgeben, wird der Keller nur von oben über eine steile Kellertreppe und nicht ebenerdig betreten. Allerdings beruht darauf auch seine fundamentale Rolle als Basis und Element der Verankerung des Hauses in der Erde (engl. basement), dessen Sicherheit und Unverrückbarkeit er unterstützt und dem er zugleich eine erdhafte Seite verleiht (> Sockel). Gaston Bachelard hat auf die vertikal angelegte Polarität des Hauses durch Dach und Keller hingewiesen: Die Rationalität des Daches mit seiner Verständlichkeit von Form und Konstruktion tritt dem Keller als dem

„dunklen Wesen des Hauses“ in seiner Irrationalität gegenüber. Zum Dachboden steigt man hinauf, zum Keller hinunter, wobei Assoziationen zu Himmel und Unterwelt naheliegen. Zusätzlich zu der Dunkelheit, die mit Kunstlicht oder mit Lichtschächten nur behelfsweise bekämpft wird, und zu der durch weitgehende akustische Abschirmung verursachten Stille spürt man die direkte Erdnähe durch ein kühles, feuchtes, oftmals modriges und dumpfes Raumklima. Durch Stille und > Dunkelheit wird die Wahrnehmung sensibilisiert, Schatten und Geräusche bekommen besondere Bedeutung und der Keller entfaltet den Reiz des Geheimnisses. Die Fantasie wird angeregt durch die Unergründlichkeit unterirdischer Gänge, die sich zu ganzen Städten auswachsen können. Weil der Keller unter dem Erdbodenniveau liegend kein Außen kennt, kann er klaustrophobische Stimmungen erzeugen. Der Mensch im Keller ist auf sich zurückgeworfen, weil der Kontakt zur Außenwelt unterbrochen ist und ihm auch zur Flucht nur der Weg nach oben offen ist. Der Keller ist eigentlich kein Raum zum alltäglichen Leben. Den dauernden Aufenthalt dort sucht nur, wer besondere Gründe hat. Entweder hat man etwas zu verbergen, gebraucht den Keller als Versteck oder als Ort des Verbrechens (Folterkeller) und hat „Leichen im Keller“, oder man gräbt sich ein, um ein abgesondertes Eigenleben zu führen (Katakomben). Der Keller bietet aber auch Schutz und Geborgenheit im Schoß der Erde, was durch das Gewölbe in seiner bergenden Form zum Ausdruck kommt, er ist deshalb auch Ort der Bestattung (Krypta). Das Wesen des Kellers entgeht allerdings all jenen modernen Kellern, die sich nicht als besondere Orte auszeichnen. Eine gewisse Normalität des Wohnens im Keller bietet dagegen die Souterrainwohnung, wenngleich unter besonderen Bedingungen. In der Regel halb eingegraben (sousterrain), stecken ihre Bewohner gleichsam bis zum Hals in der Erde. Der Blick aus der Froschperspektive streift den Grund und richtet sich außerdem nach oben, sodass Menschen und Dinge aus einem inferioren Verhältnis zur Außenwelt von un-

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ten gesehen werden. Das Hinausgehen ist ein Auftauchen in der Außenwelt, beim Nachhausekommen steigt man in seine Wohnung hinab wie in eine Grube. Gewöhnlich bietet der Keller indessen ideale Bedingungen für das Lagern und Reifen von haltbaren Lebensmitteln wie Gemüse, Käse, Wurst, Wein und Eingemachtem. Vor der Erfindung des Kühlschranks war er der einzige gleichmäßig kühle Lagerraum. In dieser Hinsicht wird er mit seiner Abgeschlossenheit und unmittelbaren Verfügbarkeit verschiedenster Genüsse paradoxerweise ganz das Gegenteil des zuerst Geschilderten – der Unort wird zum abgeschiedenen Schlaraffenland.

Kinästhesie

> Bewegung, Blick, Haptik, Leib, Raum, Sinneswahrnehmung

Klang

Der Gesichtssinn beherrscht die Wahrnehmung von Raum und verdrängt damit leicht die Rolle der Raumakustik für das Erleben von Architektur. Dabei ist der Raumklang besonders geeignet, Räumen einen ganzheitlich prägenden Charakter zu geben, Räume zu verbinden und zu unterscheiden. Die intensivste Wirkung entfalten die akustischen Eigenschaften der Architektur indessen auf der atmosphärischen Ebene, indem sie räumliche Situationen unterschwellig erstaunlich stark und umfassend in ihrer Gestimmtheit prägen. Anders als der Übersicht bietende Raum des Sehens erscheint der Raum des Hörens in vielen Fällen diffus und allseitig ausgebreitet. Das Hören hat keine feste Richtung wie der Sehstrahl, wir hören auch um die Ecke. Wenn räumliche Gliederungen erkennbar sind, z. B. Herkunftsort und Richtungen eines Klangs oder grobe Entfernungen, orientieren sie sich am eigenen Leib und werden in den Sehraum eingeordnet. Der Klang bietet kein so exaktes räumliches Sinnesfeld wie das Sehen, sondern wird primär zeitlich erlebt. Als dynamische Spur eines Geschehens verklingt er, wenn er nicht ständig wie-

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der erzeugt wird. Darüber hinaus haben Töne an sich gewisse Qualitäten, mit denen sie auch räumlich wirksam werden können, etwa den schweren, breit gelagerten Charakter tiefer Töne, im Unterschied zur spitzen Schärfe hoher Töne. Während ein reiner Ton oder eine diffuse Geräuschkulisse sich eher verselbstständigen, verweisen bestimmte Geräusche auf konkrete Raumeigenschaften und auf Gegenständliches. Aufgrund von Form, Größe, Oberflächen und Materialien hat jeder gebaute Raum einen spezifischen Raumklang. Nachhall, Reflexion, selektive Verstärkung oder Abschwächung bestimmter Klangspektren beeinflussen ihn, lassen ihn grell, dumpf oder sonor klingen und geben ihm damit einen eigenen ganzheitlichen Charakter, wie ihn das differenzierte Sehen nicht vermittelt. Mit unseren Bewegungen durch den Raum, unserem Auftreten auf den Fußboden oder dem Türöffnen etwa und durch unsere Tätigkeiten im Raum werden die Klangeigenschaften über das unterschiedliche Schwingungsverhalten und die Resonanz von Materialien und Oberflächen aktiviert. Charakteristische akustische Merkmale eines Bauwerks, Vibrationen, Knacken im Gebälk, Windpfeifen und dergleichen oder Eigengeräusche einzelner Elemente wie Surren des Lifts, Ins-Schloss-Fallen der Tür oder das Rascheln von Vorhängen tragen zum jeweiligen Klangcharakter ebenso bei wie die Immission von verschiedenen ortstypischen Geräuschen. Aufgrund verschiedenartiger Klangeigenschaften lassen Räume sich unterscheiden, gliedern und zonieren. Durch Kontraste können akustische Raumcharaktere wechselweise gesteigert werden, z. B. wenn ein Raum mit gedämpfter Akustik sich plötzlich zu einem Raum mit großem Nachhall öffnet oder wenn man aus dem Lärm der Umgebung in einen stillen Raum tritt, wo die eigenen Schritte wiederum die Stille verstärkt spürbar machen. Über Anmutungen werden mit dem klanglichen Charakter Ausdrucksgehalte wie Intimität, Nüchternheit oder Erhabenheit transportiert und entsprechende Verhaltensweisen nahegelegt. So prägt z. B. die typische Akustik von Kirchen-

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räumen mit ihrem Nachhall in Verbindung mit der Lichtstimmung die ganze Situation und fordert zu einer angemessenen Form des Sprechens (oder Singens) auf. Im Außenraum sind die klanglichen Gestaltungsmittel der Garten- und Landschaftsarchitektur das Knirschen von Kies, das Plätschern, Gluckern, Murmeln von Wasser, das Blätterrauschen unterschiedlicher Baumarten. Auch Stadträume, Passagen und Straßen sowie ganze Stadtteile, Städte, Landschaften und Regionen haben ihren eigenen akustischen Charakter. Schall ist in der Lage, Räume zu verbinden, zwischen innen und außen über die Wand und ihre Öffnungen, zwischen oben und unten über Decke und Boden, sowohl durch Körperschallübertragung als auch durch die Schalldurchlässigkeit der Raumbegrenzungen. Ob solche Verbindungen als absichtsvolle Kommunikation (Rufen, Einlass), als geduldete Geräusche, als willkommene Teilhabe am Leben von Mitmenschen oder aber als Störungen empfunden werden, hängt von kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen ab. Störungen können durch einen homogenisierenden Geräuschpegel (noise masking) gemildert werden. Neben der konkreten Räumlichkeit, die wir durch den Schall wahrnehmen, führt in der Architektur vor allem die durch Klang erzeugte > Atmosphäre zu intensiven Erlebnissen. Mit dem Klang nehmen wir dann nicht mehr etwas Bestimmtes in der Distanz als dort Vorhandenes wahr, sondern wir sind umhüllt, werden durchdrungen vom Klang, dessen identifizierende Eigenschaft nun hinter seiner vorwiegend unterschwellig atmosphärischen Wirkung zurücktritt. Trotz der Wirkung, die der Klang auf uns ausübt, sind wir uns seiner Existenz dabei manchmal gar nicht bewusst, sondern bemerken sein Vorhandensein erst nachträglich, wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten. Die Dominanz des Sehens hindert uns daran, die Rolle des Klangs – ähnlich wie die unterschwellige Wirkung des > Geruchs – für die situative Wirkung einzuschätzen oder zu kontrollieren, heimlich prägt der Klang die Stimmung. Auch

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die aufgezählten Indikatoren für konkrete Räumlichkeiten spielen nebenbei eine unbewusst wirkende atmosphärische Rolle. So teilt etwa der harte Klang von Schritten auf einem Steinboden nicht nur etwas über den Bodenbelag mit, sondern das regelmäßige Erklingen des harten Tons sickert ins Unterbewusstsein, färbt und durchtränkt die ganze Situation und versetzt uns unmerklich in eine Stimmung, der wir uns umso weniger entziehen können, je verborgener ihr Zustandekommen bleibt. Durch architektonische Mittel lassen sich auch diese Stimmungen beeinflussen. Unsere mangelnde Kontrolle über die emotionalen Wirkungen solcher Wahrnehmungen macht uns allerdings auch empfänglich für die Gefühlsmanipulationen durch Klangberieselung. Literatur: Schafer 1988

Körper, architektonischer

Bauwerke zu errichten und als körperhafte Objekte zu gestalten, galt in der Geschichte lange Zeit als Hauptaufgabe der Architektur, bevor die Gestaltung von Raum diese Rolle übernahm. Architektur wurde noch von Heinrich Wölfflin als die „Kunst körperlicher Massen“ definiert. Körper sind in der Architektur das komplementäre Gegenstück zum Raum. Raum lässt sich nur indirekt wahrnehmen; was wir unmittelbar sehen und tasten, was unsere Bewegung lenkt, sind Körper mit ihren unterschiedlichen Formen, Öffnungen und Anordnungen, also Mauern, Wandscheiben, Stützen und Baukörper bis hin zum Baublock und „Stadtkörper“. Auch Flächen sind > Oberflächen von – manchmal sehr dünnen – Körpern. Die Komplementarität von Körper und Raum gehört zu den konstituierenden Wechselbeziehungen in der Architektur. Da räumliche und plastische Form sich gegenseitig bedingen, Raumerfahrung durch Körpererfahrung zustande kommt, konnte Albert Erich Brinckmann die Architektur als „raumplastische Kunst“ bezeichnen. Wie Hans van der Laan darlegt, kann ein Raum sich nur als Form zeigen, „indem er seine Oberfläche dem Massiv entlehnt“. Die Wand eines In-

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nenraums ist die Oberfläche eines Körpers, der sichtbar wird, wo die Wand unterbrochen ist, sodass man die Wanddicke wahrnimmt. Ein Raum, der nur durch Flächen begrenzt wird, wirkt vergleichsweise unplastisch und abstrakt, man nimmt ihn nicht als Innenraum und Gegenstück eines Körpers wahr, weshalb der Höhle ein wesentliches architektonisches Merkmal fehlt. (Van der Laan 1992) Körper und Raum stehen zueinander in einem FigurGrund-Verhältnis, innerhalb des Hauses und im > Kontext der Stadt. Ein Körper wird von leerem Raum umgeben und begrenzt. Umgekehrt wird ein Raum, z. B. ein Zimmer oder ein Platz, durch Baumassen konturiert, gefasst und geformt. Deren Oberfläche ist die Außenseite der Baumassen und zugleich die Innenseite des Raums. Die körperhafte Masse enthält oft selbst wieder Raum. Als hohler Behälter etwa wirkt sie nur nach außen scheinbar massiv, als > Poché ist sie vor allem Ausgleichsmasse, oftmals durch > Porosität von Nebenräumen wie von Kavernen durchsetzt. Baukörper vermitteln in einem > Raum-Körper-Kontinuum zwischen zwei Arten von Räumen, da sie sowohl Innenräume enthalten als auch Außenräume formen. Besonders für die Aufenthaltsqualität von Stadträumen ist entscheidend, dass die Baukörper sich an der Raumfassung beteiligen und nicht als Solitäre absetzen. Erst oberhalb einer gewissen Bauwerkshöhe spielt der zwischen den Gebäuden umschlossene Raum keine Rolle mehr, Türme und Hochhäuser werden fast nur über plastische Körperwirkung erlebt. Baukörper werfen, wenn sie Platz dazu haben, einen > Raumschatten und erzeugen um sich herum einen Einflussbereich, in dem Abstoßungs- und Anziehungskräfte wirken. So erscheint etwa zwischen Baukörpern in der Stadt der Zwischenraum gestaucht oder gedehnt: Bei engen Abständen entsteht Druck zwischen den Körpern; sind sie weit voneinander entfernt, reicht ihre raumbildende Kraft nicht über den ganzen Zwischenraum hinweg. Da wir selbst einen Körper haben und uns mit ihm durch Räume bewegen, bildet die

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Konfrontation unseres Körpers mit den baulichen Körpern eine unmittelbare konkrete Erfahrung (> Leib). Druck, Dichte, Widerstand und Gewicht spüren wir im direkten haptischen Kontakt, aber Spannungen und Kräfte auch als Wahrnehmung eines virtuellen > Kräftefelds. Zwischen dicken Wänden hindurchzugehen, macht den Übertritt von dem einen in den anderen Raum zu einer Überwindung von Widerstand. Plastisch gegliederte und gestaffelte Körper geben dem Raum > Tiefe. Ein Raum, der von plastischen Massen besetzt und beherrscht wird, steht unter anderer Spannung als ein Raum, der nur von nicht körperhaften Grenzen, Linien oder glatten Oberflächen umschlossen ist (> Feld). Aus einer weniger architektonischen, sondern eher bildhaften Perspektive lassen sich Baukörper schließlich auch vorrangig als Skulptur betrachten. Dabei geht es um plastische Qualitäten wie z. B. den Ausgleich von Richtungsgegensätzen oder das (dynamische) Gleichgewicht von Massen, um kontrastreiche Kompositionen aus großen und kleinen Körperelementen und Hohlraumformen oder etwa darum, das Gebäude in einen Schwebezustand zu bringen. Meistens steht dabei die Baukörpergestalt der Außenform im Vordergrund und soll durch ihren > Formcharakter einen bestimmten Ausdruck oder als > Zeichen einen Signalwert erzielen. Das Gebäude wird dann häufig so platziert, dass es von allen Seiten gut gesehen und umschritten werden kann, wobei die Beziehung zum Kontext und die Formung eines einladenden Stadtraums oft vernachlässigt werden. Dabei wären gerade die Plastizität und Skulpturqualität eines Bauwerks geeignete Mittel, um den Umraum als Gegenform mitzuformen und zu gliedern. Literatur: Brinckmann 1924; Kemp 2009; Van der Laan 1992

Kollektives Gedächtnis Kolonnade

> Erinnerung, Monument, Zeit > Arkade, Hof, Reihung, Säule

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Komplexität

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Architektonische > Ordnung und > Einfachheit benötigen als komplementäres Gegenstück Komplexität. In Wahrnehmung und Ästhetik kommt es auf die Ausgewogenheit zwischen beiden Seiten an. Ein Zuviel an Komplexität überfordert, ein Zuwenig unterfordert und langweilt. Das richtige Maß selbst ist situationsabhängig. In manchen Fällen entsteht eine lustvolle Überforderung durch Komplexität etwa anlässlich des Vergnügens, sich in einer Stadt zu verirren, wie Walter Benjamin es für seine Kindheit beschrieben hat. Andererseits kommt es in einer Situation, in der man zu meditativer Ruhe kommen soll, auf eine Minimierung des Komplexitätsgrades an, der in anderen Situationen aber unpassend monoton erscheinen würde. Komplexität beginnt bei der Vielfalt und Reichhaltigkeit räumlicher Situationen, die durch architektonische Mittel, z. B. Kontraste von Größen, Formen, Farben, Materialien, Lichtverhältnissen und Bewegungsbedingungen, erzeugt werden, und reicht bis zu Mehrdeutigkeiten, Gegensätzlichkeiten und Widersprüchen. Die Wahrnehmung dieser Phänomene ist einigen maßgebenden Bedingungen unterworfen. So ist etwa die Komplexität einer baulichen Anlage entscheidend von > Maßstab und Blickwinkel abhängig. Was aus der Nähe komplexe Strukturen erkennen lässt, kann als Ganzes simpel wirken. Umgekehrt verliert sich die Komplexität der Gesamtkomposition, wenn man ihr näher kommt, falls sie in der Durcharbeitung der Einzelheiten nicht durchgehalten ist. Aus der Nähe muss sich Komplexität im > Detail zeigen. Über das Verhältnis von Inhalt und äußerer Erscheinung sagt Rudolf Arnheim: „Eine einfache Form kann zwar eine komplexe Struktur beherbergen, aber sie kann ihr keinen Ausdruck verleihen.“ (1980, 171) Andererseits liegt ein Spannungsmoment darin, wenn ein schlichtes Äußeres im Inneren einen unerwarteten räumlichen und formalen Reichtum entfaltet. Weitere Beispiele von Gegensätzlichkeiten führt Robert Venturi, der „Komplexität und Widerspruch“ als Qualitäten für die Architektur empfiehlt, in großer Zahl an: Ein > Inneres kann mit dem Au-

ßenraum zusammenfallen, > Geschlossenheit mit Offenheit, > Körper mit Raum, Dualität mit Einheit oder > Zentrierung mit > Gerichtetheit. Eine besondere Quelle der Komplexität von Architektur liegt in den unterschiedlichen Arten begründet, die Gestalt des Raums zu lesen; eine räumliche Anlage wird nicht aus einem einzigen Blickwinkel wahrgenommen. Auch einfache Räume können ein komplexes Bild bieten, sofern der Wechsel der Perspektive unterschiedliche Wahrnehmungsresultate hervorruft. Das wird dadurch erreicht, dass sich z. B. an unterschiedlichen Stellen unerwartete Durchblicke eröffnen, oder durch die Entdeckung, dass der eigene Standort verschiedenen, sich überlagernden räumlichen Bezugssystemen angehört (> Transparenz), die je nach Standort anders sichtbar werden. In der Wahrnehmung findet dabei ein komplexes Wechselspiel statt, das durch Simulation nicht zu ersetzen ist. Die einzelnen Teilwahrnehmungen aus unterschiedlichen Perspektiven werden in der kurzfristigen > Erinnerung zu einer Vorstellung von der räumlichen Ganzheit synthetisiert. Diese Komplexität möglicher Perspektiven muss mitunter durch die architektonische Ordnung, z. B. durch Überblick, unter Kontrolle gebracht werden, sonst wirkt sie nicht komplex, sondern lediglich kompliziert und erzeugt Verwirrung. So wie sich im Einfachen innerer Reichtum finden lässt, kann umgekehrt die Vielfältigkeit und Gegensätzlichkeit komplexer Gebilde durch die Einheit eines „schwierigen Ganzen“ (Venturi) zusammengehalten werden. Eine räumliche Situation wird nicht nur aufgrund der baulichen Struktur als komplex erlebt, sondern auch wenn sie eine Vielfalt an Handlungs- und Bewegungsmöglichkeiten zulässt oder anregt. Damit geht in der Regel die zunehmende Durchdringung einer Situation durch einen Beobachter einher, die, „unendlicher Deutung voll“ (Friedrich Hölderlin), allmählich zu einer Bereicherung und Vertiefung der Wahrnehmung führt. Ebenso erweisen sich durch den fortgesetzten > Gebrauch auch die Facetten und Varianten individueller

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oder gemeinschaftlicher Aneignung von Räumen als immer komplexer. Schließlich führt der Widerspruch eines Sowohl-als-auch, der die Durchdachtheit eines architektonischen > Konzepts zunächst infrage zu stellen scheint, zu stimulierender Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeiten. Im Übermaß oder unkontrolliert eingesetzt, führt Komplexität dagegen zu Unbestimmbarkeit oder fehlender > Orientierung und damit zu Überforderung, oder sie erweckt den Eindruck von gekünstelter Buntheit und beliebigem Allerlei. Wird sie gezielt verwendet, bereitet es aber ein besonderes Vergnügen, Umspielungen, Komplizierungen, Verunklärungen einer letztendlich doch erkennbaren Ordnung zu durchschauen, die dadurch eine eigene Expressivität erzeugen. Literatur: Venturi 1978

Komposition

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In der architektonischen Komposition teilt sich dem Betrachter mit der Fasslichkeit der Form zugleich eine Absicht des Urhebers mit. In der Angemessenheit und Stringenz des Kompositums spricht ein besonderer „Kompositionswille“ zu ihm, der über die Tatsache eines bloßen Zusammengesetztseins qualitativ hinausreicht. In der Komposition werden die Teile so zu einer gegliederten Einheit zusammengefügt, dass zwischen der Selbstständigkeit der Teile und der bindenden Kraft des Ganzen ein ausgeglichenes Verhältnis erreicht wird. Die Komposition ist ein entscheidender Aspekt des architektonischen Entwurfs in allen Maßstäben, im > Raumgefüge des Hauses, im Maßstab der Stadt und der Landschaft, aber auch in der Ausbildung und Verknüpfung einzelner Bauteile und konstruktiver Elemente, die selbst wiederum zusammengesetzt sind. Die Komposition als ein Mittel, um der Beliebigkeit zu entgehen, lässt nicht nur eine Absicht erkennen, die etwas entstehen ließ, sondern bringt dessen sorgsame Gemachtheit auch zum Ausdruck. Für die Architektur ist diese Intention so wesentlich, dass Le Corbusier sie mit dem Ausdruck architec-

turer, „architekturieren“ als eine Kernaufgabe kennzeichnete. Die Komposition weist nicht nur den Teilen des Bauwerks oder der Stadt die richtige Stelle zu, sondern bereitet die ganze Situation auch für die Bewohner so zu, dass sie den geeigneten Platz und den passenden Weg finden. Auf einen kompositorischen Anspruch des Ganzen verzichten jene Gruppierungen oder Cluster von baulichen Einheiten, bei denen es mehr auf Flexibilität und die Standardisierung der einzelnen Einheit ankommt. In Megastrukturen, die auf der Grundlage von > Reihung, Raster oder Raumgitter ein Gerüst bereitstellen, in dem das einzelne Element eine flexible Position bezieht, wie z. B. im japanischen Metabolismus, können fast beliebig Einheiten hinzugefügt oder weggenommen werden, ohne das Gesamtgefüge wesentlich zu beeinträchtigen. Bei einer Komposition denkt man dagegen an ein durchaus empfindliches Gebilde, welches in einem prekären Gleichgewicht steht, das nicht einfach zu haben war. Unter „Architektur“ in einem verallgemeinerten Sinne versteht man den durchdachten Aufbau, eine > Struktur, in der die Teile zu einem geordneten Ganzen gefügt sind. Als Voraussetzung dafür muss grundsätzlich erkennbar sein, dass und wie die Komposition sich durch Fügung einzelner baulicher und räumlicher Elemente (lat. articulus, Einzelglied) überhaupt artikuliert. In der Art der kompositorischen Fügung und in deren Verhältnis zu einer umfassenden Formidee artikuliert sich wiederum das architektonische > Konzept. Von Bruno Reichlin und Martin Steinmann (1976) wurden die genuinen formalen und kompositorischen Strukturen der Architektur als „innerarchitektonische Wirklichkeit“ beschrieben. Sie beruht demnach auf gewissen poetischen Verfahren, die für die Architektur spezifisch sind, z. B. einer Überlagerung von räumlichen Ordnungen (> Transparenz), bestimmten rhythmischen Gliederungen, und lenkt, vergleichbar mit den rhetorischen Figuren der Redekunst, die Aufmerksamkeit auf die absichtsvolle Gestaltung architektonischer Konfigurationen. Die Einsicht in die Gesetzmäßigkeit und den Eigenwert

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der Komposition schafft damit eine Art plaisir du texte, wie etwa Roland Barthes sie in der Textkunst schätzt. Die Vorhersehbarkeit einer architektonischen > Ordnung verschafft der Wahrnehmung zwar den Genuss der stetig erfüllten Erwartung, die durch die Modalitäten der Situation (Licht, Atmosphäre) ausreichend kontingente Variation erzeugt. Dennoch wird in der Wahrnehmung das Interesse für die Komposition oft verstärkt, wenn sie den Sinnen und dem Verstehen gerade nicht direkt offen liegt, sondern sich, zunächst noch nicht in allen Zusammenhängen erkennbar, erst über Umwege oder im Prozess erschließt. Literatur: Reichlin/Steinmann 1976; Wilkens 2000

Konfrontation

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Wände und Fassaden begrenzen nicht nur Räume und Plätze, sondern manchmal bieten sie einem geradezu die Stirn. Ein Gebäude macht den Eindruck, als träte es mit seinem Baukörper unserem eigenen Körper entgegen, wenn es frontal in den > Blick gerät oder im Weg steht. Die Front bietet Widerstand, fordert dazu auf, zunächst einen gewissen Abstand zu halten, der zugleich das Maß ihres räumlichen Einflussbereichs angibt (> Raumschatten). Bei der Konfrontation tritt man ins „Gesichtsfeld“ einer Fassade, im Lateinischen bezeichnen frons und facies beide das Gesicht. Während man das Gegenüber erblickt, wird man angeblickt, allerdings nur in der gegenseitigen Zuwendung, nicht im Vorbeigehen. Eine Front kann sich aber während der > Bewegung entlang einer Straße in den Weg hineinschieben und einem das Gesicht zuwenden, wenn die Straße einen Versatz oder Knick aufweist, oft genügt dazu ein kleiner Schwenk der Fassade aus der Flucht. Die Härte der Konfrontation hängt von der Stellung des Gegenübers ab. Die eindeutige Frontstellung blockiert die Bewegung; eine leichte Schrägstellung bremst nur, leitet dann weiter und löst die Konfrontation wieder auf, ebenso verhält es sich bei der Übereckstellung einer Keilform, die den Weg aufspaltet. Einen dramaturgischen

Endpunkt bildet die Konfrontation mit einem Blickziel, das eine Bewegungsbahn als Raumabschluss benötigt, um nicht ins Leere zu laufen. Von ihrem > Formcharakter, ihren > Details und ihrer > Farbe hängt ab, ob die Front einem entgegenkommt oder ob sie zurückweicht, ob sie Widerstand bietet oder Tuchfühlung sucht. Entweder lässt sie den Blick und damit die Bewegung abprallen, oder sie unterstützt die Annäherung und gibt unserer > Erstrecktheit ein Ziel; sie heißt uns als Gegenüber willkommen und bietet den Dialog an, oder aber sie sperrt sich dagegen und weist uns ab. Gebäude oder körperhafte Elemente stehen sich auch untereinander in Konfrontationen gegenüber, sei es in einem harmonischen Vis-à-vis von > Fassaden oder > Körpern, sei es als Konfrontation im Sinne eines Konflikts zwischen verschiedenen Architekturen. Solange man sich mit seinem eigenen Körper zwischen ihnen aufhält und umherbewegt, befindet man sich im Spannungsgefüge zwischen den im Raum verteilten plastischen Körpern und ist dem > Kräftefeld ausgesetzt, das ihre Massen und Fronten zueinander aufspannen. Es kann aber sein, dass die Gebäude sich nicht uns, sondern nur einander zuwenden, wie etwa auf der Akropolis, wo Rudolf Arnheim beobachtet, dass dem Besucher „zu verstehen gegeben wird, daß die Tempel füreinander, nicht für ihn, da sind“. (1998, 27)

Konkavität und Konvexität

Konkavität ist ein elementares Mittel, um das Phänomen der Räumlichkeit in der Architektur erlebbar zu machen. Die Wertschätzung der Gefäßform für die Aufnahme des architektonischen Raums wird z. B. in Rudolf Schwarz’ Huldigung deutlich: „Konstituierendes Element der Baukunst ist der architektonische Raum, also das, was in dem Gefäß der Wände und Decken, der Böden und Stützen eingeschlossen ist. Ein zartes, immer fließendes Gebilde von Licht und Leben.“ (Hasler 2000, 28)

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Im engeren Sinn beruht Konkavität auf einer Krümmung, kann sich aber in einem erweiterten Verständnis auch in eckigen Formen und geknickten Flächen zeigen. Die Innenseite einer Raum umfassenden Grenze ist aufs Ganze gesehen immer konkav, in sparsamster Form als > Winkel. Entsprechend wird die konkave Seite einer Kurve als Innenseite und damit als bevorzugte > Gestalt aufgefasst, die konvexe als Außenseite. Gegenüber einer konkaven Krümmung ist der Betrachter von allen Stellen gleich weit entfernt, sie umschließt ihn selber, der Blick findet seinen Abschluss in der auffangenden Wölbung. Man bemerkt diesen Zusammenhang vor allem aus einer Position im Mittelpunkt, er ist aber auch von anderen Stellen und im Herumgehen nachvollziehbar. Was in gleicher Entfernung liegt, ist am einfachsten zu erfassen. Weil dafür kein Einstellungswechsel des Auges nötig ist, entsteht der Eindruck von Ruhe und Einheitlichkeit. Mit der konzentrischen Form der konkaven Krümmung korrespondiert die radiale Struktur der Blickrichtungen nach Art von Speichen, die beim Betrachter zusammenlaufen oder von ihm ausgehen. Ein Tonnengewölbe erscheint dadurch als nach oben wachsender Raum, in das sich die Speichen zentrifugal erstrecken. (Schmitz 1966, 47) In der Vorstellung vom Himmelszelt oder Himmelsgewölbe ist im Außenraum auch der Himmel an der Konkavität beteiligt, unterstützt durch die Dachüberstände der Häuser. Formausdruck und > Formcharakter konkaver Formen sind Umhüllung und sich öffnendes Aufnehmen. Von konkaven Raumformen fühlt man sich umfasst. Konkave Wände, Körper oder bauliche Elemente hat man nicht nur als Gegenüber vor sich, sondern hat sie um sich herum, auch wenn man sich dreht und den Blick wandern lässt. Als bauliche Konkretisierung und Formentsprechung zur persönlichen > Raumsphäre bieten sie der eigenen > Erstrecktheit die Möglichkeit, sich einzuschmiegen. Man denkt an die von innen gerundete Höhle, Gaston Bachelard spricht vom „runden Dasein“ und erinnert an die Art, wie Vögel durch Anpressen und Drehung

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des eigenen Körpers die konkave Form ihres Nests erzeugen. (1975, 113) Während das Konkave das einräumende, hüllende Prinzip ist, stellt das Konvexe das abstoßende Prinzip einer uns entgegenstehenden bauchigen Rundung dar. Angesichts einer konvexen Krümmung ist der Betrachter von allen Stellen ungleich weit entfernt, ihre Wahrnehmung erfordert mehrere Standpunkte. Die konvexe Form schirmt gleichsam etwas ab, drängt sich vor und lässt die Bewegung abprallen. Zugleich krümmt sie sich vom Betrachter weg und zieht den > Blick in die Tiefe, indem sie ihn um die Form, den > Körper herumführt. Dabei kann er wiederum in eine konkave Form hineingeleitet werden, die sich aus benachbarten Körpern zusammensetzt, etwa eine Platzkontur. Das Verhältnis zwischen konkavem Raum und konvexen Körpern kann grundsätzlich von zweierlei Art sein: Hohlraum existiert innerhalb eines Körpers oder zwischen Körpern. Im einen Fall ist er aus einem Körper ausgehöhlt (lat. concavus), der nach außen hin konvex erscheint. Im anderen Fall formen mehrere (konvexe) Körper im Zusammenschluss den Hohlraum. Ein und derselbe konvexe Baukörper kann also im Inneren konkaven Raum enthalten und zugleich nach außen hin an der (konkaven) Raumbildung eines > Platzes beteiligt sein. Dieses Wechselspiel von Konkavität und Konvexität ist als „Janusgesicht“ des > Raum-Körper-Kontinuums grundlegend für die architektonische Raumbildung, wie etwa Herman Sörgel sie beschreibt: „Das Räumliche in der Architektur besteht nicht in einem inneren Hohlraum und einem äußeren Körper, sondern in einem inneren u n d äußeren Hohlraum.“ (1921, 243) Doch auch die Konvexität der Baukörper ist an diesem Wechselspiel beteiligt, worauf Fritz Schumacher hingewiesen hat. Die Umschließung durch die konkave Form kann in einzelnen Abschnitten unterbrochen werden durch sich vordrängende konvexe Figuren, die zu ihrer Umrundung auffordern oder aber dazu, in ihr konkaves Inneres einzutreten. Man zirkuliert etwa im konkaven Inneren eines Platzes, das von sepa-

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raten, rundum stehenden Baukörpern gebildet wird, dabei geben die Fronten der Zirkulation von außen Halt. Doch auch jeder einzelne der konvexen Baukörper lässt sich umschreiten und gibt dieser Umkreisung als deren Mitte Halt. Da, wo der Baukörper Teil der Platzwand ist, fallen aber beide Vorgänge zusammen, konkave und konvexe Wirkung überlagern sich. Nachdem man den Bau betreten hat, gibt die Konkavität der Wände, sofern das Innere ein großer Raum ist, einer zirkulierenden Bewegung wiederum die Fassung. Schließlich können konkave und konvexe Formen aber auch in einer eher rhythmisch gereihten Anordnung von Ein- und Ausfaltungen als Wechsel von Abstoßung und Einsaugung aufeinander folgen. Literatur: Bachelard 1975; Schumacher 1926; Sörgel 1921, 1925

Konstruktion

> Architektur, Detail, Struktur, Tektonik

Kontext

Architektur ist immer Teil eines Kontexts und bildet zugleich Kontext. Sie ist abhängig vom Kontext, aber verändert und interpretiert ihn zugleich. Während sie auf der einen Seite allgemeinen Prinzipien einer architektonischen > Ordnung oder eines > Typus folgt, ist sie auf der anderen Seite durch den Kontext den besonderen Bedingungen des > Ortes unterworfen. Den räumlichen Kontext des einzelnen Bauwerks, in den es eingewoben (contextus) ist, bildet zunächst die Umgebung der Stadt mit ihren Gebäuden, Straßen und Plätzen und der umgebenden > Landschaft mit ihrer Topografie und Vegetation. Im weiteren Sinne umfasst der Begriff soziale, kulturelle, wirtschaftliche, juristische oder historische Zusammenhänge und lässt sich in immer weitere, teilweise nicht mehr identifizierbare Abhängigkeits- und Einflusssphären verfolgen. In der umgekehrten Richtung kann man einen einzelnen Raum, ein Bauelement oder ein Detail in dem ihn umgebenden Kontext

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eines Bauwerks betrachten. So nimmt man jedes Objekt, jeden Raum in einem Kontext wahr, der wiederum in ein weiteres Umfeld eingebettet ist. Auf diese Art gelangt man, durch die Maßstäbe gleitend, von dem einen in den anderen Kontext. Der räumliche Kontext eines Bauwerks ist allerdings keine beliebige Überlagerung verschiedenster Umweltbedingungen, die man zur Bezugnahme frei auswählen kann. In der Stadt hat der Umraum selbst eine spezifische > Struktur mit Richtungen, Dimensionen, markanten Punkten und einer eigenen > Atmosphäre, von der die Wahrnehmung jeder einzelnen räumlichen Situation mitbestimmt wird. Eine als Kontextualismus bezeichnete gezielte Bezugnahme auf den Kontext interessiert sich jedoch nicht nur für die Eingliederung der Baugestalt in die unmittelbare Umgebung durch die Angleichung von Formensprache, Maßstäblichkeit oder Materialität oder auch durch Kontrastierung komplementärer Gegensätze. Den kontextuellen Zusammenhang im großen Maßstab bildet vielmehr das Beziehungsnetz zwischen städtebaulichen Bezugspunkten, öffentlichen Räumen und Bauten, die auch den historischen Kontext reflektieren. Auf kürzere Distanz aber entsteht durch das Zusammenspiel der Baumassen mit den inneren und äußeren Hohlräumen jene kontextuelle Verwebung, die Fritz Schumacher als „die Kunst doppelter Raumgestaltung durch Körpergestaltung“ bezeichnet hat. Dieses > Raum-Körper-Kontinuum besteht entweder in einer engen Verschränkung zwischen Baukörper und Umraum oder lockert sich mehr oder weniger, sodass es schließlich zerreißt und das Bauwerk isoliert erscheint. Da sich dieses ambivalente Figur-Grund-Verhältnis der städtischen Textur nicht prinzipiell von demjenigen zwischen den Masse- und Hohlraumelementen innerhalb des Hauses unterscheidet, kann aus dem kontextuellen Blickwinkel eine Stadt wie ein Haus und ein Haus wie eine Stadt betrachtet werden. So sieht etwa Aldo van Eyck zwischen Masse und Raum, innen und außen, offen und geschlossen weder eine Trennung noch einen fließenden Übergang, son-

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dern eine reziproke Beziehung, in der das eine durch das andere zustande kommt. Schließlich nehmen Gebäude mit einzelnen Elementen wie > Fassade, > Turm oder > Achsen Bezüge zu jeweils unterschiedlichen Nachbarschaften oder auch Fernbeziehungen auf. Öffentliche Gebäude verschränken sich mit dem Kontext, wenn sie sich mit ihren Nutzungen – vorwiegend im Erdgeschoss – zur Umgebung öffnen oder durchund überquert werden können. Auch der räumliche Kontext der Landschaft verschränkt sich mit dem Bauwerk, wenn beide der gleichen Ordnung angehören oder als komplementäre Figuren ineinandergreifen, z. B. indem die Mauern des Hauses wie eine Fassung des Außenraums angeordnet sind. Die Landschaft erscheint als Kontext jedoch vor allem dadurch komplementär zum Bauwerk, dass sie gegenüber dem Inneren des Hauses den Raum weitet, großräumige Blickperspektiven eröffnet und dem weiten Raum wieder Grenzen setzt. Jede Bezugnahme auf den Kontext setzt eine bestimmte Interpretation voraus, auf deren Grundlage entweder die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Kontext beruht oder aber das bewusste Ignorieren, indem die Aufmerksamkeit sich z. B. ganz auf eine freigestellte skulpturale Bauform konzentriert. Das demonstrative Nicht-Reagieren etwa von Megastrukturen auf den Kontext kennzeichnet Rem Koolhaas mit den Worten „Bigness is no longer part of any urban tissue. (...) Its subtext is fuck context.“ (Koolhaas/Mau 1995, 502) Doch selbst darin liegt immer noch eine kommunikative Reaktion auf den Kontext, die selbst Kontext erzeugt. Literatur: Van Eyck 1960; Kemp 2009; Rowe/Koetter 1994; Schumacher 1926

Kontinuierlicher Raum Konvexität

> Fließender Raum, Raum, Raum-Körper-Kontinuum > Formcharakter, Körper (architektonischer), Konkavität und

Konvexität

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Konzept, architektonisches

Das architektonische Konzept repräsentiert die raumschöpferische Leitidee, nach der ein Entwurf verfasst wird, und bietet zugleich den Schlüssel, um das realisierte Ergebnis adäquat zu erfassen. Die Wortherkunft (lat. concipere) besagt beides. Dabei hat das Konzept zu berücksichtigen, dass das Ergebnis nicht als Objekt, sondern als Situation erlebt wird. Eine Reihe von weiteren Begriffen, zwischen denen oft nicht unterschieden wird, Entwurfsprinzip, architektonisches > Thema, Grundidee, Leitgedanke oder Konzeption, hat ebenfalls die gedankliche Struktur des räumlichen Entwurfs zum Inhalt, die durch die Umsetzung ins Bauwerk erlebbar werden soll. Das architektonische Konzept geht über die Erfüllung der technischen Anforderungen und funktionalen Bedürfnisse hinaus, indem es das investiert, was Theodor W. Adorno „architektonische Phantasie“ nennt, orientiert sich aber zugleich an der Bauaufgabe, indem es der Forderung folgt, dass „man etwas aus dem Raum heraus sich einfallen lasse; nicht etwas Beliebiges im Raum, das gegen diesen indifferent wäre“. (1970, 119) Jede Konzeption ist zugleich Interpretation der Bauaufgabe, weshalb es für das Verständnis des gebauten Resultats nicht unerheblich ist, die Deutungsabsicht des Konzepts zu begreifen. Dazu trägt bei, wenn z. B. das > Raumgefüge in der Form einer anschaulichen Konfiguration erscheint, wenn das Konzept den Charakter des > Ortes reflektiert, mit nachvollziehbaren Analogien arbeitet, einer sinnfälligen > Gestik folgt, wenn die konzeptuelle Auslegung der Bauaufgabe als „typologische Entscheidung“ (Aldo Rossi) einen erkennbaren > Typus repräsentiert und wenn die bauliche Ganzheit als durchdachte > Komposition begreifbar wird. Klarheit und Stimmigkeit des Konzepts werden für die Wahrnehmung auch durch formale geometrische Operationen ersichtlich, soweit sie zentrale Ansprüche der Bauaufgabe einlösen. Die > Lesbarkeit oder Nachvollziehbarkeit der architektonischen Konzeption setzt eine Durchsichtigkeit der > Struktur voraus, die sich unter anderem in der Erschließungsfigur, z. B. in der Treppenanlage, zu erkennen gibt. Vor

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allem aber der Grundriss dirigiert die diskursive Logik des Raumgefüges, indem er durch die Räume führt, sie verteilt, gliedert und den Tätigkeiten ihren Ort anweist. Auf jeder weiteren Stufe der Durcharbeitung wird die Idee auf andere Art lesbar, sodass im Idealfall auch Entwurfsentscheidungen im > Detail vom Gesamtkonzept getragen werden und dieses widerspiegeln. Je differenzierter der Begründungszusammenhang bis in Detail und Ausführung ausgearbeitet ist, desto vielschichtiger erfahren Bewohner und Benutzer im Nachvollzug die Situation als für sie zubereitetes, durchdachtes und absichtsvolles Werk. Sie nehmen im Vollzug des Raumgebrauchs am kreativen Akt der Raumschöpfung teil oder „lernen das Staunen über die Verhältnisse“. (Reichlin/Steinmann) Literatur: Boudon 1991; Reichlin/Steinmann 1976

Kräftefeld

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Auch wenn man den architektonischen Raum nicht sieht, so Rudolf Arnheim, wird er doch durch „Anschauungskräfte“ wahrgenommen, und er beruht auf ihnen. (1980) Die Dynamik der Anschauungskräfte beschreibt Arnheim als einen wesentlichen Bestandteil jeder Wahrnehmung, der über die bloße Sinnesreizung hinausgeht: „Das Kräftespiel ist das Anschauungsobjekt“. Der Raum ist nicht leer, sondern wir nehmen Kräfte zwischen den Formen wahr, die den Raum zwischen Wänden und Baukörpern ebenso beeinflussen wie unseren eigenen Standort. Arnheim hat die Wirkung solcher Kräfte ausführlich beschrieben: Bereits die räumliche Beziehung zwischen einem Objekt, auf das man sich zubewegt, und dem eigenen Standort stellt man sich als geradlinige Verbindung vor, die sich gegenüber dem Umfeld abhebt. Zwischen drei isolierten Objekten nehmen wir die > Gestalt eines Dreiecks wahr. So bleibt der Raum zwischen Baukörpern nicht leer, sondern wird als Figur wahrgenommen. Ein Haus bildet mit dem Nachbarhaus ein gemeinsames „Anschauungsbild“, zu dem auch der Zwischenraum mit einer eigenen Wahrnehmungsgestalt ge-

hört. Zwischen Baukörpern nehmen wir unwillkürlich eine Beziehung wahr. Sie besteht nicht nur in einem dynamischen Verhältnis zwischen verschiedenen > Größen, sondern auch in der unterschiedlichen > Dichte des Zwischenraums. Je nach Abstand steigert oder verringert sich der Druck zwischen ihnen, sie ziehen sich an oder stoßen sich ab. Anlagerungsfähige Formen können aneinander anschließen, dynamische Formen benötigen Spielraum. Ein Zylinder hat abstoßende, sich vordrängende Wirkung, seine abstrahlende Kraft dehnt sich konzentrisch aus; ebenso nehmen andere Baukörper ihrem > Formcharakter entsprechend auf den Umraum Einfluss. Gebäude „besetzen“ einen Raum, markieren und verteidigen ihn. Auch ein Innenraum ist durch die Beziehungen zwischen Wänden, Ecken und Zentrum, durch die Lage von Öffnungen und Bewegungsbahnen durchgliedert von Gradienten in einem > Feld von Kräften. Der Raum um ein Gebäude, zwischen Baukörpern und innerhalb von Wänden ist also nicht homogen, sondern wird von den Energien eines Kräftefelds beherrscht. Eine Person, die sich in diesem Kräftefeld aufhält und bewegt, ist dessen Wirkungen ausgesetzt. Schon die raumbildende Figur einer Wand mit dem vor ihr liegenden Bodenfeld macht sich durch einen spürbaren Einflussbereich als > Raumschatten bemerkbar, ebenso der > Winkel einer Raumecke. In der > Konfrontation zwischen zwei Bauwerksfassaden gerät man in ein Spannungsfeld, das von den Bauwerken wie von gegnerischen Fronten beherrscht wird. Andere Gebäude fordern durch ihre Größe oder ihre Gestaltung einen Respektabstand. Von einer axialen Anlage erhält man Anweisungen für die Annäherung, bestimmte Bauwerke bieten einen Dialog an. Fehlt hingegen jegliches Strukturgerüst, etwa auf einer weiten ungegliederten Platzfläche oder inmitten einer verworrenen Verteilung von baulichen Elementen ohne Bezugssystem, dann kommt sich jemand dort leicht verloren vor – oder findet womöglich auch Gefallen am Umherstreunen (> Schweifen). Literatur: Arnheim 1980; Seyler 2004

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Küche Kuppel

> Einrichten

Lärm Lampe

> Behaglichkeit, Klang

Landschaft

Nicht nur als Landschaftsarchitektur gehört die Landschaft zur Architektur, sondern auch dadurch, dass sie uns in ihrer gestalterischen Kohärenz, ganz gleich, wie diese zustande kommt, zu einer charakteristischen räumlichen Erfahrung verhilft. Eine Voraussetzung dafür ist die ästhetische Erfahrung von Landschaft, welche sie – erste Ansätze dazu gibt es seit dem 14. Jahrhundert (Francesco Petrarca) – erst zu dem macht, was wir heute darunter verstehen. Wir können sie als Architektur betrachten, Raumbildungen und Raumstimmungen in ihr wahrnehmen, ohne dass sie landschaftsarchitektonisch bearbeitet sein muss. Neben den Elementen, die von Menschen gemacht sind, wenngleich ohne architektonische Absicht, treten Formen der Natur auf, die manchmal wie Architektur – als wären sie von Menschen gestaltet – erscheinen. Architektonisch interpretiert erscheinen Lichtungen oder Talkessel beispielsweise als Innenräume, Schluchten oder Alleen als Korridore, Engstellen als Tore oder Felsvorsprünge als Balkone. Die topografische Formation des Geländes mit ihren Massen, Kuppen, Kanten und Einschnitten bildet die landschaftliche Entsprechung zu Körpern und Hohlräumen von Gebäuden. Zur Trennung und Gliederung ihrer Räume verfügt die Landschaft über ihre eigene Art von Grenzen, etwa Seeufer, Waldränder oder Hangkanten, aber auch Kanäle, Straßen, Bahnlinien oder Grenzzäune. Den räumlichen > Sequenzen in der Architektur entspricht im Landschaftsmaßstab z. B. der Übergang von der dichten und dunklen Enge zur lockeren, hellen Offenheit eines Geländes, Wegbiegungen enthüllen unerwartete Ausblicke, die Stimmung schwingt um,

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> Dach, Decke

> Einrichten, Inneres, Licht, Versammeln

wenn Wasser ins Bild kommt, Flussläufe begleiten mit ihrer Fließbewegung den Weg. Hochbehälter, Masten oder große Bäume sind die Orientierungs- und Haltepunkte. Im Maßstab geht die Landschaft jedoch über das Haus und die Stadt weit hinaus. Sie kann uns daher das Erlebnis immenser > Weite verschaffen. Darum bewegt man sich auch in der Landschaft anders als im Haus oder in der Stadt, die Bewegung wird von einem eigenen Zeitmaß regiert, z. B. indem viel Zeit beim Durchqueren eines Forsts vergeht, bevor sich der Raum wieder lichtet, eine Autobahn sich endlos hinzieht, bevor das Ziel erreicht wird, oder sich nach einem endlosen Anstieg plötzlich der Ausblick öffnet. Auch das absichtslose Spazieren ist eine typische Form, in der man die Landschaft nicht „durchquert“, sondern sich von ihr im zwanglosen > Schweifen lenken lässt, ohne auf Ziel und Geschwindigkeit zu achten. Eine andere charakteristische Wahrnehmung der Landschaft bringt die Fortbewegung im Zug mit sich. Man bewegt sich nicht selbst, sondern im Blick aus dem Fenster, quer zur Bewegungsrichtung, scheint sich die Landschaft zu bewegen, indem sich Vorder-, Mittel und Hintergrund wie gestaffelte Kulissen in einem fort gegeneinander verschieben. Überdies zeichnen sich Landschaften durch eine spezifische räumliche Gestik aus, etwa durch den weit ausholenden Umgriff einer Hangmulde, die in die Ferne ziehenden Schwünge von Überlandkabeln und Strommasten oder die majestätisch kreiselnde Versammlung eines Windenergie-Parks. Schließlich herrschen in der Landschaft besondere Atmosphären, wie etwa die gedämpfte Stimmung einer weiten Wasserfläche bei Windstille, die beunruhigende, geheimnisvolle Wirkung in einem dichten Gehölz oder die flirrende Atmosphäre einer ausgeräumten Schotterebene mit feinem Gras. Prinzipiell sind das alles räumliche Potenziale des jeweiligen Geländes, welche sich durch die Landschaftsarchitektur ausschöpfen und steigern, aber auch eigensinnig deuten lassen. Durch sparsame punktuelle Eingriffe können Schlüsselstellen und verborgene räumliche Bezüge aufgezeigt und la-

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tente Strukturen herausgeschält werden, um einen bestimmten Charakter des > Ortes vernehmlich werden zu lassen. Durch einzelne Bauwerke lassen sich Eigenarten der Landschaft aufgreifen und verdeutlichen, indem sie z. B. den Geländeverlauf durch Einschmiegen und Ergänzen oder durch Kontrastierungen betonen. Wege und Straßen sind Mittel, so durch die Landschaft zu führen, dass deren typische Merkmale vor dem Blick ausgebreitet und der Bewegung mitgeteilt werden, wie z. B. durch die Autobahnplanungen von Alwin Seifert. Ein besonderer Fall ist der (englische) Landschaftsgarten, der gärtnerisch überformt und planvoll gestaltet wurde, um damit umso natürlicher zu erscheinen. Die Landschaft wird dabei zum Park oder > Garten. Wird Städtebau als Landschaftsarchitektur begriffen, dann profitiert die Gestalt der Stadt von den landschaftlichen Merkmalen und der Unverwechselbarkeit des Ortes. Während schematische Rasterstädte austauschbar erscheinen und die diffuse Zwischenstadt gegen ihre Gesichtslosigkeit zu kämpfen hat, kann die Lage am Fluss, in der Meeresbucht, auf der Kuppe oder im Talkessel das Erscheinungsbild ganzer Ortschaften und Städte auf jeweils spezifische Art unverkennbar machen.

Laube/Laubengang Lasten Leere

Leib

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> Arkade > Boden, Schichtung, Schwere und Leichtigkeit, Struktur,

Tektonik > Einfachheit, Erhabenheit, Körper (architektonischer), Weite und Enge

Für die Wahrnehmung und das Erleben räumlicher Situationen ist der Leib so unentbehrlich, dass „überhaupt kein Raum für mich wäre, hätte ich keinen Leib“ (Merleau-Ponty 1966, 127). Der im Alltag eher ungebräuchliche Begriff unterscheidet sich von dem des Körpers dadurch, dass ich den Leib als

meinen eigenen erlebe und spüre. Mit ihm bewege ich mich und handle, und durch ihn erlebe ich auch den Raum, er integriert die verschiedenen Sinneswahrnehmungen. Der Körper dagegen ist der auf einen Gegenstand reduzierte, gleichsam von außen betrachtete Leib, Leib bin ich – Körper habe ich (Dürckheim 2005). Da jeder Mensch seinen Leib so erlebt, ist Leiblichkeit ein intersubjektives Phänomen. Der Leib nimmt selbst Raum ein, er endet aber nicht an der Hautoberfläche, sondern erweitert sich um die Kleidung – man sagt: Ich stehe auf dem Boden (nicht auf den Socken) – oder um Instrumente, z. B. einen Stock, eine Brille, die Kapsel eines Fahrzeugs oder auch das Haus. Für Maurice MerleauPonty verwischt sich sogar die Grenze zwischen Leib und körperlicher Außenwelt so stark, dass „die Dinge in seinem Umkreis (...) eine Verlängerung seiner selbst“ bilden. Sie „sind seinem Fleisch eingeprägt und bilden einen Teil seiner vollen Definition, wie auch die Welt aus eben dem Stoff des Körpers gemacht ist.“ (1961, 280) Die leibliche Sphäre beansprucht auch den Raum, den wir für unsere Bewegungen und Handlungsradien benötigen, und bildet den Kern unserer persönlichen > Raumsphäre. Von ihr ausgehend baut sich für uns jede Situation auf und verankert so den Leib auch in der Gegenständlichkeit und Räumlichkeit der Architektur. Die räumliche Disposition des Leibes ist nach dem Körperschema durch die drei Raumachsen strukturiert: Die Vertikale entspricht der aufrechten Haltung des Körpers, die der Schwerkraft als unveränderliche Richtung folgt und damit die Grundorientierung sichert; sie bildet die Symmetrieachse zur paarigen Anordnung von Körperorganen und Gliedmaßen in der horizontalen Querrichtung; die horizontale Tiefenachse entspricht der vorrangigen Bewegungs- und Blickrichtung. Der sich so ergebende Nullpunkt der > Zentrierung ist zwar Ausgangs- und Bezugspunkt der Raumwahrnehmung, wird aber relativiert durch die Orientierung an anderen räumlichen Zentrierungen. Im Zimmer nehmen wir dessen Mitte als Zen-

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trum wahr, von dem aus wir den Raum erfahren, auch wenn wir uns nicht dort aufhalten, genauso die Platzmitte draußen, wenn wir aus dem Fenster sehen. Der Nullpunkt wandert mit unserem Blick. „Unmittelbar zentrierend wirkt das Ziel und nicht der Ausgangspunkt der Erfahrung. Von diesem Ziel her wird der Leib in entsprechender Perspektive erfahren.“ (Holenstein 1985, 35) Durch die leibliche Bedingtheit nehmen wir Räume auf eine spezifische Weise wahr. Weil wir hinten keine Augen haben und weil die Füße das Vorwärtsgehen bevorzugen, kommen ganz bestimmte Formen der Bewegung durch den Raum zustande. Raumsequenzen staffeln sich linear als Abfolge vorausliegender Etappen. Zentralräume legen das > Oszillieren nahe, da unsere Augen nicht zur Rundumsicht fähig sind. Der trennende Charakter bestimmter Wandhöhen ist durch unsere Augenhöhe als kritische Grenze bedingt. Weil wir nicht vom Boden wegkommen, leben wir primär gegen die Wände und können den Grundriss nicht sehen. Zum Erfassen eines komplexen > Raumgefüges benötigen wir unsere räumliche > Erinnerung. Auch der Leib selbst besitzt ein Gedächtnis. Bewegungsfiguren werden durch ihn im Gebrauch verinnerlicht und wieder erinnert, so etwa Treppen- oder Wegverläufe. Das Steigungsmaß einer Treppe ermessen wir nicht mit dem Metermaß, sondern mit unseren Schritten. Wie schwer eine Tür ist, beurteilen wir nicht nach ihrem Gewicht, sondern nach ihrem Widerstand gegen die eigene Körperkraft. Die Gestalt einer Türklinke stellen wir durch den Griff der Hand fest. Die haptischen und räumlichen Eigenschaften von Formen werden durch ein präreflexives Abgleichen mit der eigenen Leiblichkeit bewertet und gedeutet. Zudem wird die Art, wie der Raum uns erscheint, durch > Haltungen und > Bewegung beeinflusst: Wir erleben ihn im Gehen anders als im Sitzen oder Stehen und ganz anders als im Liegen. Das kinästhetische Empfinden durch den Leib bedingt jede Wahrnehmung. Die Wahrnehmung der räumlichen Umgebung muss als eine Form leiblicher > Erstrecktheit betrachtet werden.

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Die leibliche Sphäre dehnt sich bis zu den Dingen und in die Tiefe des Raums aus. Wir projizieren unseren Körper in die baulichen Formen, die wir vor uns haben, ihre Vertiefungen, Vorsprünge und Öffnungen. Auch für die > Einfühlung in bauliche Formen ist der Leib die Grundlage, etwa dann, wenn wir die Schwellung einer Säule unter Druck am eigenen Leib nachempfinden. In der Einfühlung wird die Architektur gleichsam verlebendigt, insoweit ihr der Ausdruck bestimmter leiblicher Zustände gemäß unserem eigenen leiblichen Empfinden zugesprochen wird. Literatur: Holenstein 1985; Meisenheimer 2004; MerleauPonty 1961, 1966

Leichtigkeit Leiten

> Schwere und Leichtigkeit

Lesbarkeit

Architektur lässt sich einerseits wie ein Text lesen, andererseits aber auch so, wie man in Mienen liest. Bauformen oder ganze Bauwerke können die Funktion von > Zeichen übernehmen, die man, meistens auf kulturelle Chiffren gestützt, zu lesen lernt. Das zeichenvermittelte Ablesen umfasst aber nur einen Teil der architektonischen Kommunikation. Hauptsächlich teilt Architektur sich durch den unmittelbar anschaulichen > Ausdruck mit, der wiederum als Eindruck direkt auf uns wirkt. Liest man Architektur wie einen Text, dann mag sie inhärente Sachverhalte mitteilen oder aber Geschichten erzählen, in luzider Durchschaubarkeit den Intellekt befriedigen oder mit divergierenden Lesarten ihr Spiel treiben. Immer kommt es auf Ablesbarkeit an, jene Eigenschaft, die es erlaubt, bestimmte Inhalte durch das zutreffende Deuten bzw. Lesen der baulichen Gestalt zu identifizieren, und so z. B. eine räumliche Struktur oder ein konstruktives Prinzip, eine Maßordnung oder ein Erschließungssystem rational nachvollziehbar macht.

> Bewegung, Blick, Ebene, Gerichtetheit, Wand, Weg

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Nach der funktionalistischen Maxime soll vor allem die Funktion eines Gebäudes an seiner Form abzulesen sein, der praktische > Gebrauch soll in der „Leistungsform“ zum Ausdruck kommen. Zu den Funktionen gehören jedoch auch kulturelle und politische Aufgaben von Architektur, deren Ablesbarkeit eigenen Leseregeln folgt. Neben den inhärenten Eigenschaften eines Bauwerks lässt sich aus dessen Struktur oftmals auch seine Stellung im > Kontext von Landschaft oder Stadt ablesen, die sich selbst wiederum wie ein Text lesen lassen. Einerseits ist Ablesbarkeit eine unverzichtbare Voraussetzung für die Verständlichkeit von Architektur, und deren rationale Transparenz ist die Grundlage für den intellektuellen Genuss bei der Entschlüsselung einer architektonischen > Komposition. Doch andererseits erweist sich das Ideal der Befriedigung durch eine Form, die ganz auf ihren Inhalt hin durchsichtig und damit schlüssig wäre, wie im Rationalismus des 18. Jahrhunderts (architecture parlante) oder im Funktionalismus des 20. Jahrhunderts gefordert, als illusorisch. Keine Bauform lässt sich als unmissverständlich eindeutige Lektüre beanspruchen. Auch wenn sie gewisse unbestrittene Deutungen zulässt, verfügt jede Form über ein darüber hinausreichendes erweitertes Aussagespektrum, legt sich im Laufe der Zeit neue Bedeutungen zu und zieht damit auch neue Funktionen an. Zudem stellt auch das einfachste Bauwerk eine so komplexe > Situation dar, dass sich zwar bestimmte Eigenschaften ablesen lassen, die Situation aber nur in einer ganzheitlichen Erfahrung begreifbar wird. Gerade die Vielschichtigkeit von Bedeutungen, die gar nicht klar abgelesen werden müssen, ist für die architektonische Erfahrung wesentlich. Immerhin macht die Ablesbarkeit von Funktionsverteilungen oder Wegen einige Hinweisschilder überflüssig. Die Architektur muss dazu aber nicht statt der Schriftzeichen selbst zum Zeichen werden, dessen Code man kennen muss, um sie lesen zu können, sondern Form und Anordnung können viele ihrer Inhalte unmittelbar anschaulich machen. Wohl sagt man zwar, die Ausbildung etwa eines räumlichen

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> Gelenks mache einen Richtungswechsel lesbar oder die

Ausformung eines Gewändes den > Eintritt, tatsächlich wird man dabei aber sinnfällig in eine Richtung geführt, ohne dass es eines kodifizierten Zeichens bedarf. Ausdrucksarten wie > Anmutung, > Aufforderungscharakter oder > Gestik führen Verhaltens-, Handlungs- oder Bewegungsmöglichkeiten unmittelbar anschaulich vor. Während Formalismus und Abstraktion uns vom selbstverständlichen Umgang mit den Dingen entfremden und eine Kompensation durch die Lektüre zeichenhafter Information erforderlich machen, erklärt sich der Umgang mit einer unmittelbar ausdruckshaft gestalteten Architektur aus ihrer Gestalt selbst. Mitunter wird allerdings das, was ein Bauwerk ist und wodurch seine Architektur unvermittelt auf unser Verhalten einwirkt, Aktivitäten ermöglicht, verhindert oder etwa Zwang ausübt, durch all das überlagert und verschleiert, was seine Form zu lesen vorgibt, was sie an Bedeutungen ausbreitet oder an Geschichten erzählt.

Licht

Licht und Schatten sind für die Architektur so wesentlich wie Form und Material. Dabei geht es nicht nur um die geeigneten Sehbedingungen bei bestimmten Tätigkeiten, sondern vor allem um die strukturelle, dynamische und atmosphärische Rolle von Licht. Licht tritt immer im Wechselspiel mit dem Schatten auf und wird komplementär zum Dunkel wahrgenommen. Daher kommt es in der Architektur gleichzeitig auf den richtigen Umgang mit der > Dunkelheit und auf deren Verhältnis zum Licht an. Das Licht übernimmt in der Architektur verschiedene Aufgaben: Es lässt die körperhaften Elemente der Architektur plastisch erscheinen und prägt den Raumcharakter durch die Art der Öffnungen (1). Helligkeit und Dunkelheit sind maßgebliche Gliederungsmittel des Raums und Führungselemente der Bewegung durch den Raum (2). Art und Behandlung des Lichts in Verbindung mit der Stofflichkeit sind besonders ausschlaggebend für die Erzeugung von Raumstimmungen (3).

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1. Die Plastizität eines Baukörpers und körperhafter Elemente wird erst dann fassbar, wenn sie durch die Verteilung von Licht und Schatten herausmodelliert wird. Über Helligkeitswechsel und -verläufe lassen sich Kanten, Richtungswechsel und Krümmungen ablesen, abhängig von der plastischen Durchbildung der Bauformen und vom Lichteinfall. Vertiefungen, Hohlräume, Fugen und Oberflächenreliefs werden erst durch Seitenlicht sichtbar, während die Formen, frontal belichtet, flach bleiben. Im wechselnden Tageslicht, das flächig oder in Streifen und Flecken über die > Oberfläche streicht, mit dem wandernden Sonnenstand und der veränderlichen Belichtung aufgrund von Wolken, Wetter oder wechselnder Vegetation werden die Formen lebendig. Ihre an sich stumpfe Masse wandelt sich mit dem veränderlichen Hell-Dunkel, das auf ihren Oberflächen wandert, vibriert oder flackert. Dabei spielt das natürliche Tageslicht die Hauptrolle. „Ein Raum ohne natürliches Licht kann nicht wirklich seinen Platz in der Architektur finden“, behauptete Louis I. Kahn. (Büttiker, 1993, 24) Nur das Tageslicht erzeugt die Dynamik von Bewegung, wechselnder Farbe und schwankender Intensität. Es geht vornehmlich darum, wo es eingelassen wird, wie es dosiert, gefiltert, gestreut oder gesammelt wird. Entweder bricht es mit reißender Kraft durch die Öffnungen der Wände, fließt oder streift an ihnen entlang oder sickert durch Fugen und Löcher ein. Fenster als Mittler zwischen > innen und außen, hell und dunkel entscheiden durch Größe und Format, ob das Licht den Raum durch einzelne > Öffnungen in helle Fensterzonen und dunkle Schattenzonen teilt oder durch großflächige Verglasung den Raum gleichmäßig erhellt. Charakter und > Gestik eines Raums hängen wesentlich von der Lage der Lichtöffnungen ab. Ein Fenster in einer Raumecke oder ein Lichtschlitz, der selbst nicht sichtbar sein muss, erhellt die angrenzende Seitenwand durch Streiflicht, das eine Kontinuität mit dem Außenraum suggeriert. Es modelliert auf der Oberfläche ein feines Relief heraus und gibt der Wand damit lebendige Substanz. Erhält die Decke

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Streiflicht durch eine Lichtfuge, scheint sie abzuheben. Fenster in Bodennähe erhellen vor allem den Boden und geben der Bodenzone eine besondere Aufenthaltsqualität, die auch als Aufforderung gelesen werden kann, sich am Boden niederzulassen. Sehr hohe > Fenster hingegen geben dem Raum eine aufrichtende Gestik, zugleich wird eine große Belichtungstiefe erreicht. Ein Fenster als Loch in der Decke und insbesondere ein Glasdach deuten durch das intensive zenitale Licht zwar Außenraumcharakter an, im Raum wirkt das gleichförmige Licht aber eher flau und eintönig. Wenn es nicht mit Fenstern für den Ausblick kombiniert wird, fühlt man sich von der Außenwelt abgeschnitten. Licht hingegen, das von einem sehr hellen Boden reflektiert wird, gibt Dingen und Menschen mitunter den Anschein, zu schweben. Ein verglastes Volumen gleicht einer Laterne, die nach außen gestülpt als Lichtfänger wirkt, während es eingestülpt als kompakter Lichtkörper erscheint, wie bei der Kirche St. Anna in Düren von Rudolf Schwarz. Fenster in Form von Schlitzen und Löchern schützen vor Einblick und lassen doch Licht und Luft ein, sie verbinden, ohne dass sich der Raum wirklich öffnet. Durch eine Kombination von Lichtöffnungen auf verschiedenen Seiten wird vermieden, dass Menschen und Dinge im Gegenlicht nur als Silhouetten erscheinen. Neben großen Fenstern für die Grundhelligkeit setzen zusätzliche kleinere Öffnungen Akzente und rücken einzelne Tätigkeiten an Arbeits- oder Sitzplätzen ins richtige Licht. Andere überraschende Raumwirkungen werden durch eine zweischalige Struktur mit versetzten Öffnungen erzielt, in der das Licht wie in Kanälen geführt und verteilt wird, wie etwa im Barock. In der Basilika Vierzehnheiligen von Balthasar Neumann z. B. ist der Hauptraum von einer durchscheinenden Raumschicht umgeben. Scheint Licht durch Öffnungen aus verschiedenen Himmelsrichtungen herein, lässt sich die vergehende Zeit anhand der wandernden Lichtfelder, Schatten und Lichtstimmungen über den Tag verfolgen, wie etwa die rotierenden Son-

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nenstrahlen in Erik Gunnar Asplunds Bibliothekszylinder in Stockholm. Licht macht bauliche und räumliche Strukturen identifizierbar. Im Figur-Grund-Verhältnis zeichnen sich beleuchtete Gestalten vor dunklem und verschattete Figuren vor hellem Hintergrund ab. Durch die schattige Zone eines offenen Erdgeschosses löst sich eine Gebäudemasse vom Grund. Der Schattenrand der Traufe begrenzt das Gebäude nach oben. Durch den Schattenwurf, den Fensterrahmen, Profile und Fugen erzeugen, lässt sich die bauliche Struktur gliedern. Die Helligkeitsabstufung von außen nach innen beginnt mit der Dunkelheit unter dem Dachüberstand und setzt sich in die Tiefe des Hauses mit der Staffelung von Ebenen fort, die besonders im traditionellen japanischen Haus durch die fein regulierte > Filterung mit Gittern, Wandschirmen und Papierwänden (shoji) kultiviert wurde. Manchmal verunklärt allerdings die Licht- und Schattenverteilung auch die bauliche und räumliche Form, z. B. durch die Nebligkeit eines diffusen, transluzenten Materials oder wenn das von Lamellen gefilterte Licht alles mit einem vereinheitlichenden Streifenmuster überzieht. 2. Der > Gebrauch von und der Aufenthalt in Räumen werden durch Licht und Schatten ebenso stark beeinflusst wie durch ihre Größe und Form. Der Wechsel zwischen Zonen von Licht und Schatten ist ein Mittel zur Gliederung und Unterscheidung von Orten im Haus und zur internen Zonierung von Tätigkeitsbereichen. Durch Lichtkegel oder -felder, sei es im Schein einer Lampe, sei es an einem Platz, wo Wand und Boden von der Sonne beschienen sind, werden Lichtinseln geformt, die sich gegen den umgebenden dunkleren Raum abheben. Sie bilden entweder einen Bereich des Rückzugs oder des Zusammenseins, der ein Volumen ohne weitere Grenzziehung als räumliche Einheit definiert. Oder sie zeichnen Schauplätze aus, wo sie auf erleuchteter „Bühne“ ein besonderes Geschehen in Szene setzen. Völlig gleichmäßig und neutral ausgeleuchtete Räume dagegen gehen auf differenziertes Verhalten

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weniger ein und ermüden oft durch mangelnde Stimulation. Die Gegenstände verlieren dann Substanz und Plastizität. Der Raum verliert seine Tiefe, wenn die Beleuchtung die Dunkelheit aus jeder Ecke vertreibt. Auch der Ausdehnungsspielraum der persönlichen > Raumsphäre erscheint abgeflacht. Räumliche Rhythmen leben von Lichtkontrasten, wie sie z. B. Louis I. Kahn schildert: „Eine Säule plus eine Säule schaffen Licht zwischen ihnen. Aus der ursprünglichen Wand eine Säule zu erschaffen, die ihren Rhythmus von Nicht-Licht, Licht, Nicht-Licht, Licht hervorbringt – das ist für den Künstler wie ein Wunder.“ (Büttiker 1993, 13) Ebenso führt der Wechsel der Lichtverhältnisse in einer > Sequenz von Räumen von einem zum anderen. Dramatisch eingesetzte Kontraste von hell und dunkel müssen aber beim Übertritt verarbeitet werden. Tritt man etwa aus der blendenden Helligkeit in einen dunklen Raum, ändert sich schlagartig die ganze Befindlichkeit, bis sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt hat. Der Gegensatz lässt sich durch > Zwischenräume im Zwielicht mildern. Graduelle Übergänge vermitteln auch zwischen der Intimität des Innenraums und dem öffentlichen Charakter des Außenraums. Menschen sind fototrope Lebewesen, sie bewegen sich vorzugsweise zum Licht hin. Damit kann man sie um eine Ecke herumführen und zu einem Ziel locken, ein heller Raum am Ende des Dunkels erscheint wie eine bedeutsame, erleuchtete Szene. Jede Raumgestalt hat ihre eigene Lichtform und erhält durch sie eine spezifische Gestik. Räume werden durch Licht zentriert oder ausgerichtet, sie erhalten Dynamik durch gerichtete Lichtbahnen oder Helligkeitsverläufe, z. B. durch Streiflicht, das von oben herabrieselt, sich nach unten abschwächt und damit eine erwartende Geste nach oben richtet. 3. Vom grellen weißen Licht bis zum warmen Lampenlicht lässt sich die Qualität des Lichts in seiner Farbe beeinflussen. Louis I. Kahn aber wendet ein: „Künstliches Licht ist das Licht der Nacht. Es kommt aus fest plazierten Beleuchtungskörpern, und es ist nicht zu vergleichen mit dem unvor-

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hersehbaren Spiel des natürlichen Lichts.“ (Büttiker 1993, 24) Die Qualität des Tageslichts hingegen ist abhängig von der Himmelsrichtung: Das aus geringer Höhe einfallende, graugelbe Ostlicht mit langen, weichen Schatten ist mit seiner Frische zum Aufwachen geeignet; das Südlicht zeigt reine Farben, wirft starke, scharfe Schatten und reizt zur Aktivität; das goldorange Westlicht dringt tief ins Haus und erinnert an zu Ende gehende Zeit; das leicht graue Nordlicht wirkt dagegen nüchtern, neutral und diffus. Allerdings hat das Tageslicht regional verschiedene Eigenschaften. So unterscheidet sich das mediterrane Licht aufallend vom Licht des Nordens, beide prägen den eigentümlichen Charakter von Städten und Landschaften. Die Steuerung der Lichtintensität lässt unendliche Schattierungen im Übergang zwischen Helligkeit und Dunkel zu. Doch Louis I. Kahn findet: „Selbst der Raum, der eigentlich dunkel zu sein hat, sollte aus einer verborgenen Öffnung wenigstens soviel Licht erhalten, daß man weiß, wie dunkel es innen ist.“ (Büttiker 1993, 26) Abstufungen der Intensität lassen sich durch gefiltertes oder reflektiertes Licht erzielen, etwa durch Gitter und Lamellen, brise soleil, die das Sonnenlicht brechen, ohne es auszuschließen, durch transluzente Hüllen wie Vorhänge oder shoji, die zugleich Projektionsflächen für das Schattenspiel von der anderen Seite sind. Undurchsichtige Fenster wie die diaphanen Flächen der Gotik wirken wie leuchtende Wände, durch die der Kirchenraum „wie von einer Lichthülle ummantelt“ ist (Hans Jantzen). Durch Umlenkung gelangt Licht indirekt in den Raum, indem es von Flächen oder Körpern reflektiert wird, die dadurch selbst in ihrer plastischen Form hervorgehoben werden. Die Flächen, auf die das Licht trifft, absorbieren es entweder weitgehend oder reflektieren es in verringerter Intensität und teilen ihm dabei etwas von Farbe und Charakter ihrer Oberfläche mit. Das Licht arbeitet die stofflichen Eigenschaften von Körpern und Oberflächen heraus. Sehen heißt dann mit den Augen berühren, weil der Anblick den taktilen Eindruck in der

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Vorstellung hervorruft. Für die Schattenbildung von Texturen ist Streiflicht am besten geeignet, für das Schillern von stucco lustro dagegen Tiefenlicht. Hinter Glanz oder mattem Schimmer können Dinge verschwimmen, aber auch stärker konturiert und aufgewertet werden. Blattgold kann Licht auch im Dunkeln auffangen und aus der Tiefe des Raumes wieder aufglimmen lassen. Lichtdiffusion entmaterialisiert die Oberfläche eines Materials, macht sie weich und löst sie auf, indem eine räumliche Tiefe aufscheint, in die das Licht eindringt. Das scheinbare Eigenleuchten des Gegenstandes erweckt manchmal den Eindruck einer rätselhaften, fast übernatürlichen Erscheinung. Die Anmutung von Stoffen und Oberflächen hängt weitgehend von ihrem Erscheinen im Licht ab. Peter Zumthor schlägt daher vor, Materialien in der Architektur vorrangig nach der Reflexion ihrer Oberflächen auszusuchen und einzusetzen. Lichtstrahlen oder Lichtkegel werden anhand ihrer Reflexionen, ihres Widerscheins wahrgenommen, sind in ihrer Form aber selbst nicht sichtbar. Sie können aber sichtbar gemacht und trotz ihrer Immaterialität gleichsam materialisiert werden. In staubiger Luft, Rauch oder Dampf werden sie als geformtes Lichtvolumen sichtbar. Statt der Staubkörner oder Wassertropfen können auch „Schwärme“ größerer Materiepartikel durch ihre Reflexion dem Licht eine Form geben, wie z. B. die Metallplättchen in Harry Bertoias Lichtzylinder der MIT Chapel. In filigranem Stabwerk und in Gitterstrukturen verfängt sich das Licht der Sonne. Stützen oder Pfeiler unmittelbar unter Oberlichtern, wie in Axel Schultes Treptower Krematorium, sind materielle Rezeptoren, die das von oben einfallende Licht in den Raum überführen. Das Spektrum der Raumstimmungen, die sich durch Licht erzielen lassen, reicht von der dämmerigen Gemütlichkeit im abendlichen Wohnzimmer bis zum strahlenden Glanz eines Festes, vom mystischen Dunkel einer Kultstätte bis zur nüchtern-sachlichen Ausleuchtung eines Arbeitsplatzes. Neben den schier unbegrenzten Möglichkeiten, durch künstli-

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ches Licht atmosphärische Wirkungen und Inszenierungen zu erzielen, hängen auch die durch Tageslicht erzeugten Stimmungen von dessen Konditionierung ab. Das Panoramafenster oder die großflächige Verglasung zeigen den Raum und die Gegenstände klar und entzaubert im hellen Licht, wohingegen Imagination und Tagträume durch Dämmerlicht und Schatten begünstigt werden. Im gebrochenen Licht erscheinen die Dinge unscharf. Mit abnehmenden Kontrasten und Farben verbindet sich die Stille. Wenn Dämmerung die Sicht behindert, wird der übersehbare Bereich enger. Dunkelheit schließlich birgt das Obskure, Abgründige. Das durch farbiges Glas stark gedämpfte Licht in sakralen Räumen beschreibt Gernot Böhme als eine umschließende und bergende Art der Dämmerung, als einen Schein ohne Quelle auf dem Hintergrund von ahnungsvoller Dunkelheit. Die für das liturgische > Ritual angemessene Stimmung wird indessen durch feierliche Illumination erzeugt. In der Dämmerung ist eindringendes helles Licht ein Ereignis. Ein punktuelles Zenitallicht hat als direkter Sonnenstrahl eine numinose Wirkung. Auch wenn, wie Étienne-Louis Boullée vermutet, „Licht eindringt, ohne daß der Betrachter sieht, woher es kommt, wird die Wirkung eines geheimnisvollen Tageslichtes einen unfaßbaren Eindruck machen und in gewisser Weise eine echte Verzauberung bewirken.“ (1987, 195) Durch die harten Licht- und Schattenkontraste hingegen, die in südlichen Ländern beispielsweise in > Arkaden entstehen, kommt mitunter jene seltsam unergründliche Stimmung zustande, wie die Architektur auf den Bildern von Giorgio de Chirico sie hervorruft. Literatur: Böhme 1998, 2006; Büttiker 1993; Plummer 2003

Liegen Loggia

> Boden, Formcharakter, Haltungen, Leib > Arkade, Halle, Platz und Straße, Raumhaltige Wand, Zwi-

schenraum

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Malerisch

Man kann Architektur architektonisch auffassen oder aber malerisch. Ein Werk der Architektur muss durchaus nicht architektonisch betrachtet werden. Dagobert Frey hat darauf hingewiesen, „daß der Laie vielfach mehr zu einer malerischen Auffassung neigt, daß er mehr die zufälligen Gruppierungen und Überschneidungen, die bildmäßigen Ausschnitte, die »malerischen Winkel« sucht und bevorzugt“ (1925, 99). Die Malerei unterscheidet sich von der Architektur dadurch, dass sie eine „abgeschlossene“ ideelle ästhetische Wirklichkeit darstellt, an der wir als Betrachter nicht in der gleichen Weise teilhaben wie an der architektonischen Wirklichkeit, sondern der wir als Zuschauer gegenüberstehen. Unsere malerische Sicht der Architektur suspendiert daher tendenziell die architektonische Auffassung, sodass wir der Architektur ebenfalls distanziert gegenübertreten und sie wie ein flaches > Bild betrachten. Diese illusionistische, die Wirklichkeit reduzierende Sicht bietet insbesondere der Blick durch den Sucher der Fotokamera, der an einen festen Standpunkt gebunden ist und nicht durch die Verräumlichung einer Ortsbewegung ergänzt wird. Was uns an der malerischen Auffassung von Architektur reizt, sind ähnliche Eigenschaften, wie wir sie von der Malerei kennen und schätzen. Anders als eine identifizierende Darstellung durch die Zeichnung erzeugt die Malerei dynamische Farbbeziehungen. Daher erwartet man auch von malerischer Architektur bildhaft komponierte Bewegtheit, Farbigkeit und Licht-Schatten-Kontraste, Vielfalt und Unregelmäßigkeit – zugleich mit einer Geschlossenheit des Eindrucks. Das Malerische ist gerade das absichtsvoll scheinbar Unbeabsichtigte einer Situation, das scheinbar zufällige Zusammentreffen von Größen, Richtungen oder Farben, die aber erkennbar austariert und in Beziehung gesetzt sind. Das Verständnis von malerischer Architektur beruht auf Inhalten, die sich im Laufe der Geschichte vor allem seit dem 18. Jahrhundert und in der Romantik entwickelt haben. Inzwischen ist die kulturkritisch nostalgische Kultivierung der gleichsam naturhaften,

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wenn auch komponierten Unordnung oder des scheinbar Ursprünglichen, Echten vielfach fragwürdig geworden und unter Kitschverdacht geraten. An deren Stelle ist inzwischen allenfalls die bis zum pittoresken Bild des Elends reichende Poesie cooler Sprödigkeit eines dirty realism getreten, die gleichfalls vor dem Abgleiten in den Kitsch nicht sicher ist. Die malerische Auffassung bringt die Architektur auf Distanz, befreit gemäß der Vorstellung von August Schmarsow den Betrachter von den physischen Zwängen der unmittelbaren räumlichen Gegenwart und erleichtert es ihm damit, die „Einheit von Körper und Raum in der Fläche des Fernbildes“ im „ruhigen Schauen“ geistig zu verarbeiten (1897). Auf die individuelle > Perspektive reduziert, wird die räumliche Wirklichkeit zum Gegenstand eines vorwiegend ästhetischen Genießens. Trotz des nicht architektonischen Charakters dieser beschränkten Bildsicht bieten malerische Bauwerkskompositionen und Stadtbilder durch die ästhetische Verdichtung von räumlichen Überlagerungen, Durchblicken und Farbkompositionen oft eine Bereicherung des Architekturerlebens. Räumliche Tiefe regt dabei weniger zur Bewegung an, sondern dient eher der spannungsreichen Bildkomposition in einem Tableau von Formüberschneidungen und Richtungskontrasten. Auch in der faktischen Bewegung wechseln die malerischen Teilbilder kaleidoskopartig ab und reihen sich wie in einem Film aneinander. Die Attraktivität eines malerischen Stadtbilds ist nicht nur Ausdruck einer Rückwärtsgewandtheit, die sich nostalgisch an mittelalterlichen Beispielen gewachsener Ortschaften und Stadtstrukturen orientiert. Die Unregelmäßigkeit gekurvter statt geradliniger Straßenverläufe ist vielmehr ein zeitloses Mittel der städtebaulichen Raumbildung. Der Versatz in der Straßenfront und die horizontale oder vertikale Richtungsverschwenkung eines Visierbruchs sind im Unterschied zu geradlinig in endlose Tiefe fluchtende Straßen ein Mittel, um den Raum von > Platz und Straße zu schließen, aber auch um sein Bild in der Fläche zu halten. Auch Landschaftsarchitektur steht

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explizit in Bezug zur Landschaftsmalerei. Der englische Landschaftsgarten sollte es jedenfalls erlauben, in einem idealen Bild umhergehen zu können. Vermeintlich unberührte Natur wurde in ein künstlich gebautes Bild der > Landschaft übersetzt, das man von bestimmten Sichtpositionen wie ein komponiertes Landschaftsgemälde wahrnehmen kann, gerahmt z. B. durch einen Grottenausgang oder den Gehölzrand einer Lichtung. Beim Gang durch den Park wird gleichsam eine Montage solcher Einzelbilder, unterbrochen von bildfreien Passagen, als malerischer Bilderbogen vorgeführt. Literatur: Frey 1925; Schmarsow 1897

Maß

Es ist nicht sicher, ob die Architektur menschlicher wird, wenn die Körpermaße des Menschen zu ihrem > Maßstab gemacht werden. Für das räumliche Erleben spielen Maße jedenfalls eine Rolle, allerdings nicht nur durch objektive Messbarkeit, sondern durch das Zusammenwirken mit Wahrnehmungs-, Bewegungsbedingungen und subjektiven Einstellungen. Als Grundlage von > Ordnung und > Komposition haben Maße darüber hinaus eine Bedeutung für das intellektuelle Erfassen. Systematische Maßordnungen, wie etwa Le Corbusiers Modulor gehen davon aus, dass durch die Berücksichtigung menschlicher Körper-, Greif- oder Schrittmaße der Mensch die Möglichkeit erhält, sich selbst im räumlichen Erleben der jeweiligen Situation mit den konsistenten Maßverhältnissen eines Gebäudes in Beziehung zu setzen. Die menschlichen Körpermaße spielen in der Tat eine Rolle für viele Bewegungen und Verrichtungen. Die Kopfhöhe ist entscheidend für Decken und Türstürze, die Augenhöhe für Sichtverbindungen und Blickschutz. Das Erreichen der Türklinke oder das Schrittmaß einer Treppe hängen von den Abmessungen und der Reichweite der Gliedmaßen ab. Der Sehwinkel mit einem Öffnungsmaß von ca. 60 Grad bestimmt das Blickfeld. Dessen Öffnungswinkel in der Höhe (nach Hermann Maertens ca. 27 Grad) hat Konsequenzen für die Wirkung der

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> Geschlossenheit von Räumen und Plätzen. Auch der über-

schlägige Platzbedarf für bestimmte Tätigkeiten lässt sich maßlich ermitteln. Sogar unsere Beziehungen zu Mitmenschen und dem sozialen Umfeld werden von räumlichen Maßen bestimmt, vom Augenabstand zu einem Gegenüber, abhängig etwa von der Esstischbreite, bis zu stadträumlichen Distanzen als Voraussetzung für unseren täglichen Aktionsradius. Unsere leibliche Raumbeanspruchung geht jedoch über diese messbaren Größen hinaus. Was wir als Platzbedarf für unsere verschiedenen Alltagstätigkeiten benötigen, lässt sich daher nicht durch die rein funktionalen Planungsstandards der einschlägigen Handbücher (Neufert) angeben, sondern muss auch den Puffer- oder > Resonanzraum mit einbeziehen, den unsere persönliche > Raumsphäre aufgrund von wechselnden Haltungen, Ausdehnungstendenzen und Bewegungsgewohnheiten beansprucht. Die für einen Aufenthaltsraum erforderliche Kopfhöhe etwa ergibt sich nicht aus der physischen Körpergröße der Benutzer, sondern der „aufrechte Gang“ braucht Spielraum durch zusätzliche Höhe. Distanzen werden im gelebten Raum subjektiv erlebt: Dinge und Menschen, die einem nahestehen, rücken näher, ebenso können fern liegende Gegenden als benachbart empfunden werden. Also können Begriffe wie „Größe“, „Weite“ oder „Distanz“ zwar maßlich aufgefasst werden, sind aber als qualitative Eigenschaften erlebter Situationen nicht durch Mess- und Zählbarkeit definiert. Das betrifft auch Gebäudemaße. Einen Eindruck von der > Größe eines Bauwerks oder Raums erhält man nicht nur durch Feststellung seiner Abmessungen, sondern auch durch das Verhältnis des > Details zum Ganzen und die Lage zum Betrachter. Die > Weite und Enge von Räumen hängt nicht nur von den Abständen zwischen den Wänden ab, sondern vom perspektivisch wahrgenommenen Zusammenspiel aller den Raum begrenzenden Bauglieder und den aktuellen Sichtbedingungen. Allerdings bieten nachvollziehbare Maßverhältnisse neben der physischen Erfahrung des Raumes und der sinnlichen

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Wahrnehmung der Form einen weiteren Zugang zum architektonischen Raum, der den Intellekt befriedigt, so Hans van der Laan, der den Zusammenhang zwischen diesen drei „Ebenen des menschlichen Daseins“ beschreibt. Denn „der Verstand will über die räumliche Ausdehnung informiert werden, und das geschieht durch ihre Quantität“, die sich aber nicht unmittelbar, sondern nur mittels der Zahl erfassen lässt. (Van der Laan 1992, 19) Räumliche Ausdehnung wird wahrnehmbar, indem die Größe der körperhaften Massen, aus denen Räume geformt sind, mit einer erkennbaren Größeneinheit (Modul) verglichen wird. So wie in der Musik die Grundeinheit des Taktes es erlaubt, den Aufbau und die rhythmische Struktur einer Komposition nachzuvollziehen, lässt die Zählbarkeit einer maßlichen Grundeinheit das Gleichmaß von > Reihung und Raster erkennen oder macht den Rhythmus einer räumlichen Anordnung als gestalterische Absicht deutlich. Die aus einer Maßordnung entwickelten > Proportionen, die wiederum den daraus gebildeten Raum beherrschen, bieten eine Befriedigung im intellektuellen Nachvollzug. Allerdings bringt perfekte maßliche Ordnung, im Modus der Beiläufigkeit erlebt, nicht denselben Erlebnisgehalt, den sie einem maßlich sensibilisierten, aufmerksamen Nutzer vermittelt. Beim bewegten Beobachter liegt die Schwierigkeit darin, Maße und Maßverhältnisse in sich schnell ändernden Raumsituationen mit hinreichender Bestimmtheit wahrzunehmen. Zwar wird maßliche Konsistenz auch beiläufig und intuitiv erlebt. Um den Zusammenhang der Maßverhältnisse aber vollständig zu erfassen, muss das Betrachtete wie ein Gedicht als beziehungsreicher, „dichter Text“ wiederholt bedachtsam gelesen werden, was eine Intensivierung bewirkt, aber Kontemplation erfordert. Literatur: Van der Laan 1992

Masse/Massivität

> Dichte (räumliche), Körper (architektonischer), Poché, Po-

rosität, Raum-Körper-Kontinuum, Schwere und Leichtigkeit, Stofflichkeit

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Maßstab

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Durch die Wahl eines Maßstabs wird ein gedankliches räumliches > Konzept mit der konkreten Wirklichkeit in Beziehung gesetzt. Durch die Maßstäblichkeit unterscheidet sich nach Philippe Boudon daher die Architektur von der Geometrie. Der Maßstab gibt nicht nur das Verhältnis einer Darstellung zur Wirklichkeit an, sondern liefert das grundlegende Gesetz der Übertragung aus dem gedachten Raum des architektonischen Entwurfes in den realen Raum des Gebauten, wo er mit der Realisierung dem konkreten Erleben ausgesetzt wird. Im Gegensatz zur > Proportion, die das Maßverhältnis zwischen verschiedenen Teilen eines Objekts bezeichnet, bestimmt der Maßstab die relative Größe im Verhältnis zu etwas anderem, zu einer üblichen Bezugsgröße, einem äußeren Bezugsraum oder Bezugssystem. Der menschliche Maßstab bezieht sich z. B. auf die menschlichen Körpermaße. Diesbezüglich kann die Rede sein von „Maßstabssprung“, „maßstabsgerecht“ oder der Irritation durch einen „Maßstabsfehler“. Unterschiedliche Bezugsräume sind auch die Wahrnehmungsräume, die sich aus verschiedenen Distanzen ergeben. Aufgabe der Architektur ist es, diese verschiedenen Maßstäblichkeiten innerhalb einer baulichen Anlage aufeinander abzustimmen. So entspricht der Detailmaßstab zum Beispiel der Wahrnehmung im Nahbereich, wo Profile, Fugen, Ornamente oder Mauerwerksverband die Größenordnung bestimmen (> Detail). Im weiteren Wahrnehmungsraum erfasst man das gesamte Gebäude aus der Distanz, in der Zusammensetzung des Ganzen aus größeren Teilen und im räumlichen Kontext. Ein und dieselbe Form, z. B. eine Sockelgliederung, kann je nach Bezugssystem und Wahrnehmungsdistanz in unterschiedlichen Maßstäben gelesen werden und dabei unterschiedlich wirken. Bei der Annäherung an ein Gebäude verändert sich mit der Distanz und dem Wechsel vom flachen Fernbild zum dreidimensionalen Baukörper auch die Maßstäblichkeit. Zuletzt schlägt sie vom Visuellen ins Haptische um. Architektur liefert dazu Wahrnehmungsangebote im großen und im kleinen Maßstab. Während allzu großen Flächenfor-

maten die Binnenstruktur fehlt, die einer Wahrnehmung aus geringem Abstand ausreichend Information liefern sollte, dient eine Gliederung durch Vor- und Rücksprünge oder Vorbauten als Empfang und Blickziel einer verfeinerten Körnigkeit und lässt großflächige Objekte dadurch, dass man sich maßstäblich wiederfindet, zugänglicher erscheinen. Wenn dagegen homogene Baukörper und Oberflächen nur kleinteilige Strukturen oder Muster ohne übergreifende Gliederung der Gesamtgestalt aufweisen, erzeugen sie das maßstabslose Bild eines künstlich anmutenden, selbstgenügsamen Körpers. Je nach > Kontext kann die Reaktion auf Nah- und Fernbezüge in unterschiedlichen Richtungen verlangen, verschiedene Maßstäbe zu berücksichtigen. Welcher städtebauliche oder landschaftliche Maßstab gilt, richtet sich danach, ob der Platz- und Straßenraum, die Gesamtstadt oder die Landschaft in der Fernsicht den Bezug bilden. So können in der Stadt z. B. > Türme, die aus der Nähe als einzelne Körper erscheinen, durch die Beziehungen zwischen ihren Standorten ein System eigener Maßstäblichkeit aufbauen, durch das sie auf größere Entfernung als Orientierungspunkte zusammenwirken. Vom menschlichen Maßstab spricht man vor allem dann, wenn die > Maße des menschlichen Körpers die Bezugsgrößen bilden. Als Maßsystem, das mit menschlichen Körpermaßen oder derem Vielfachem arbeitet sind diese Bezüge, abgesehen von genereller gestalterischer Konsistenz, nicht leicht wahrnehmbar. Konkret fassbar sind die Bezüge vor allem als Verhältnis zwischen den Körpermaßen und der Raumbeanspruchung oder Reichweite im Gebrauch von Türen, Sitzen, Tischen, Treppen oder Schrankfächern, sie werden hauptsächlich im Nahbereich wirksam. Daran gemessen sind Bauwerk und Bauform nicht in allen Teilen beliebig vergrößer- oder verkleinerbar, da die Bewohner sich nicht mitskalieren lassen, Schulterbreite und Kopfhöhe, Augenhöhe und Schrittmaß bilden Bezugswerte. Wenn Gebäudemaße das menschliche Maß weit überschreiten, Raum- oder Türhöhen z. B. weit über Kopfhöhe

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hinausgehen, wird damit oft vorschnell und klischeehaft ein Überwältigungs- oder Erniedrigungseffekt assoziiert. Es muss dabei aber bedacht werden, wer unter welchen Bedingungen mit solchen Maßen konfrontiert wird. Je nach Situation kann eine unmaßstäbliche Größe genauso gut den Effekt der Großzügigkeit oder der Erhebung bewirken. Der Maßstab für die Hundehütte ist zwar der Hundekörper, der Mensch aber dehnt sich über seine Körpermaße hinaus mit der persönlichen > Raumsphäre in den Raum aus (> Leib), der größere Maßstab macht ihn selbst vielleicht größer und freier. Goethe beobachtete in Verona, dass erst das Publikum der Arena ihren Maßstab gibt, den sie im leeren Zustand nicht hat. Da aber jeder Kopf zum Maß diene, das Ganze jedem fühlbar zu machen, sei „so ein Amphitheater recht gemacht, dem Volk mit sich selbst zu imponieren“. (1786, 80) Wie groß ein Gebäude unabhängig von seiner tatsächlichen > Größe erscheint, hängt häufig von der Beziehung zu den Bezugselementen ab, deren übliche Größe man zu kennen meint, z. B. gewohnte Stockwerkshöhen, Tür- oder Fenstergrößen, deren Metrum macht Abstände und Größen intelligibel. Weichen diese Elemente vom Üblichen ab, ändern sie den Maßstab des Hauses. Während Maßstab und Größe ungegliederter Bauformen schwer einschätzbar sind, macht die Zusammensetzung aus Teilen sie lesbar, Gliederungen ohne Zusammenhang mit der inneren Raumstruktur wirken jedoch aufgesetzt. Unterschiedliche Proportionen und Gliederungen eines Gebäudes durch Säulenordnungen, Gesimse und Fassadenteilungen lassen ein Gebäude gedrungen, gestaucht oder gestreckt und damit in verschiedenen Maßstäben erscheinen. „Andererseits ist es möglich, dass ein Gebäude, das groß aussieht, es nicht schafft, ein Gefühl von Größe zu vermitteln“, gibt Geoffrey Scott zu bedenken. (1914, 380) Den »Maßstab« sieht er im Verhältnis des Ornaments oder untergeordneter Details zu den großen Elementen: Indem wir instinktiv die Detaillierung des Gebäudes als unseren Vergleichsmaßstab annehmen, machen

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im Verhältnis dazu Größe und Einfachheit ungebrochener Bauteilmassen einen umso stärkeren Eindruck auf uns. Bei Maßstabsvergrößerungen können nicht alle Teile eines Bauwerks proportional mitwachsen. Bei der Vergrößerung der Spannweiten von Trägern etwa muss die Trägerhöhe überproportional zunehmen. Aber auch die Raumwahrnehmung verändert sich bei einer Maßstabsvergrößerung, wie Rudolf Arnheim feststellt. Weil das Volumen schneller wächst als die Oberfläche der Hülle, erscheint bei proportional mitwachsender Wandstärke die Raumhülle großer Bauten schwächer und bietet weniger Halt. Aus dem gleichen Grund bedrängen die Wände in einem großen Raum das Innere stärker als in einem kleineren Maßstab, obwohl die Bewegungsfreiheit durch den gewonnenen Raum eigentlich wächst. „Die Form geht nicht einfach mit, wenn sie zunimmt“, lässt Paul Valéry den Eupalinos sagen, „und weder die Festigkeit der Stoffe, noch die Organe, die die Richtung bewirken, würden ein solches Zunehmen der Größenverhältnisse aushalten. Wenn eine bestimmte Eigenschaft des Dinges wächst in arithmetischem Verhältnis, so verschieben sich die anderen in anderer Weise.“ (1962, 144) Literatur: Boudon 1991

Material Mauer Metapher Mitte Modul Möbel Monotonie

> Stofflichkeit

Monument

In Monumenten verdichtet sich die Aufgabe der Architektur als Bedeutungsträger auf zweierlei Art. Zum einen sind sie Baudenkmäler, in denen sich historische Zeugenschaft, Genius

> Körper (architektonischer), Poché, Schichtung, Wand > Bedeutung, Bild, Formcharakter, Innen und außen, Symbol > Zentrierung, Zirkulieren > Komposition, Maß, Maßstab, Ordnung > Einrichten > Dramaturgie, Einfachheit, Komplexität, Ordnung, Reihung

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Loci und gesellschaftliche Repräsentation überlagern. Zum anderen haben Monumente eine strukturelle Funktion für die Stadt, die über die historische Bedeutung hinaus aktuelle Gültigkeit besitzt, sie sind Schlüsselelemente der Stadtstruktur oder Landmarken von prägnanter Gestalt. Als unwiederholbare historische Zeugnisse, an denen sich die Spuren der Zeitläufe abgelagert haben, strahlen Monumente das aus, was Walter Benjamin als die Einzigartigkeit der Aura bezeichnet hat. Ein Monument (lat. monere, erinnern, mahnen) macht als sinnliches Substrat historische Ereignisse, das ursprüngliche Milieu eines > Ortes oder die Kultur vergangener Epochen unmittelbar zugänglich und atmosphärisch erlebbar. Viele Monumente sind durch verschiedene Epochen sehr unterschiedlich gedeutet und genutzt worden, die Schichten der Geschichte überlagern sich an ihnen. Die Bedeutung von Monumenten beruht auf ihrer Aufgabe im sozialen Leben, ein Rathaus etwa verkörpert das Gemeinwesen, ein Schloss die Herrschaft, eine Kathedrale die Rolle der Religion und der Kirche. Als politisch-weltanschauliche Manifestation bringen Monumente die Beziehungen der Menschen zu ihrer Epoche und Gesellschaft konzentriert und ästhetisch wirksam zum Ausdruck. Aus ihnen sprechen sowohl Alltagsrituale als auch der Repräsentationsbedarf vergangener Zeiten. Diese Funktion übernehmen in der Gegenwart jene öffentlichen Gebäude, welche die Monumente von morgen sein werden. Heute wären etwa Banken als Monumente der Finanzmacht, Museen als Denkmäler des Kulturbetriebs zu betrachten. Gegenüber historischen Monumenten kann man unterschiedliche Haltungen einnehmen, sich einer elegischen Stimmung der Vergänglichkeit hingeben, von der verlogenen Monumentalität quasi sakraler Machtdemonstration abgestoßen werden oder ihnen als „unsichtbar“ gewordenen Relikten der Vergangenheit die Aufmerksamkeit entziehen. Monumente sprechen uns jedoch an, sofern sie uns sinnfällig mit der Geschichte, teilweise unserer eigenen, konfrontieren. Sie bieten

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Gelegenheit, den Lauf der > Zeit zu betrachten, in einen Dialog mit der Geschichte und mit dem Gelände eines historischen Geschehens zu treten (> Erinnerung). Wir können durch sie unsere eigene Situation einordnen, deuten und uns durch adäquate Eingriffe in Beziehung zu ihnen setzen. Einerseits kann man ein Monument in seiner historischen Bedeutung lesen, andererseits ihm aktuelle Bedeutung zuschreiben, es umdeuten und damit sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart neu interpretieren. Aber die Erinnerung wird durch Monumente auch eingegrenzt, man kann um sie herumgehen und sich von ihnen wieder entfernen. Das Adjektiv „monumental“ im Sinne von „kolossal“ deutet darauf hin, dass Monumente oft besonders imposante und wehrhafte Bauwerke sind, die, auf Dauerhaftigkeit angelegt, wegen ihrer Solidität und > Größe nicht einfach zerstörbar sind. Doch auf eine solche monumentale Erscheinung sind Monumente, zu denen neben den Bauwerken auch rein künstlerische Denkmäler (Skulpturen) gehören, nicht unbedingt angewiesen, wie die jüngere Geschichte zeigt. Eine formale Voraussetzung für die Geltung als Monument sind vielmehr Gestalteigenschaften, die eine besondere semantische > Kapazität bereitstellen. Diese Fähigkeit, Bedeutungen aufzunehmen und Bedeutsamkeit auszustrahlen, beruht vor allem auf gestalthafter Prägnanz, die durch einen Distanz schaffenden Umraum noch verstärkt zur Geltung kommt. Über ausgeprägte semantische Kapazität verfügen jene historisch bedeutungsvollen Formen, die ihren Inhalt verloren haben und sich zur Anlagerung neuer Bedeutungen anbieten (> Typus). Die überwältigend-erhabene Wirkung von Monumenten kommt zumeist auch durch die Würde ihres Alters und die Herkunft aus einer Welt zustande, die wir nicht mehr verstehen und mit Worten kaum erklären können. In ihrer archaischen Kraft und historischen Ferne wirken sie oft rätselhaft und fremd, aber auch besonders bedeutungsträchtig. Eine ebenso große Bedeutung haben Monumente aufgrund ihrer städtebaulichen Funktion im räumlichen Gefüge

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der Stadt. Auch dafür spielen ihr Denkmalcharakter, ihre repräsentative Funktion und ihre gestalterische Prägnanz eine entscheidende Rolle. Anhand der Monumente orientieren wir uns in der Stadt nicht nur räumlich, sondern zugleich in ihrer Geschichte und gesellschaftlichen Struktur. Aldo Rossi (1966) hat die Baudenkmäler als die „primären Elemente“ der Stadt beschrieben, als deren „konstituierende Bestandteile“, die durch ihren kollektiven und öffentlichen Charakter mit dem Bezug zu einem bestimmten Standort „die eigentliche Struktur einer Stadt“ bilden. Aus dem gleichmäßigen Bebauungsgewebe der Stadt als homogenem Grund heben sich Monumente in der Gestalt von markanten Objekten, Bauwerken, Treppenanlagen oder > Plätzen ab und geben der Stadt als Gerüst von Schlüsselstellen ihre Unverwechselbarkeit. Wenn sie an strategisch wichtigen Positionen platziert sind, etwa als Stadteingang, an topografisch markanter Stelle oder als Pol und Zielpunkt von > Achsen, dann entsteht zwischen ihnen ein charakteristisches Netz räumlicher Bezüge, wie z. B. Papst Sixtus V. es für Rom anlegen ließ. Das stadträumliche Gerüst lässt sich zum einen als Spur der Stadtentwicklung lesen, zum anderen stiftet es Bezugspunkte für die weitere Entwicklung der Stadt. Literatur: Rossi 1966

Nachbarschaft Nähe/Nahwirkung Natur Netz/Vernetzung Nische Nutzung

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> Erschließung, Kontext, Ort > Blick, Detail, Fassade, Komplexität, Maßstab, Ornament, Säule, Weite und Enge > Garten, Hof, Landschaft > Achse, Erschließung, Kontext, Platz und Straße, Städtebau, Struktur > Einrichten, Inneres, Oberfläche, Raumhaltige Wand, RaumKörper-Kontinuum, Winkel und Ecke, Zwischenraum > Einrichten, Gebrauch, Kapazität, Typus

Oberfläche

In der Architektur haben Oberflächen eine zweifache Aufgabe. Die Oberflächen von Wänden und raumbildenden Elementen sind die Grenzflächen von deren körperhafter Masse und zugleich die Grenzflächen des Raums, den sie bilden. Sie sind die Stellen, an denen > Körper und Raum sich berühren und die von beiden als Grenze beansprucht werden. Die Umrisskonkurrenz wird in den Oberflächen ausgetragen. Dort werden Körper und Raum mit den Sinnen wahrnehmbar. Wir betasten Oberflächen mit den Augen, folgen ihnen in ihrem Relief, ihren Vor- und Rücksprüngen. Dabei wandert der Blick z. B. über die konvexe Außenseite eines Baukörpers, geht um ihn herum, gleitet dabei aber ebenso zu den Oberflächen der Nachbarhäuser hinüber, die mit ihm die Kontur eines Platzes bilden, und wandert nun auf der konkaven Innenseite der Platzbegrenzung weiter. Die Oberflächen stellen so in einem > Raum-Körper-Kontinuum die Verbindung von > Konkavität und Konvexität sowie von > innen und außen her. Ähnlich wird durch die Oberfläche etwa die konkave Innenseite einer Nische über die konvexe Außenseite eines sie rahmenden Pfeilers in die angrenzende Wand überführt. In allen Maßstäben gehen Körper und Raum durch die fortgesetzte plastische Modellierung der Oberflächen oder durch deren > Faltung ineinander über. Oberflächen spielen in der Architektur aber nicht nur als Grenzflächen von Körpern und Räumen eine Rolle, sondern liefern der Wahrnehmung unmittelbar das Reizmaterial, das haptisch, visuell und auch durch Klang die Sinne anspricht. Die Oberfläche bestimmt den Farb- und Materialeindruck, entscheidet über optisches und akustisches Reflexionsverhalten. Die sinnliche Wirkung von Architektur beruht zum großen Teil auf der Beschaffenheit ihrer Oberflächen. Der tastende Blick vermittelt haptische Eindrücke, stellvertretend für die Berührung, über > Synästhesien werden weitere Sinne angesprochen. In der Oberfläche geben sich vor allem die unterschiedlichen Charaktere der > Stofflichkeit zu erkennen und entfalten

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dort ihre Wirkungen für die Räumlichkeit. Hier zeigen sich aber auch spezielle Effekte, die durch die Beschaffenheit der Oberfläche selbst erzeugt werden. So führen etwa, bedingt durch die jeweilige Eindringtiefe des > Lichts, starke Transluzenz und Lichtdiffusion dazu, dass Oberflächen weich erscheinen, wohingegen sie ohne Diffusion hart wirken. Verschiedene Reflexionsarten erzeugen Glanz, mattes Leuchten oder andere optische Veränderungen im Licht. Durch ein Schimmern oder Changieren der Oberfläche kann im ganzen Raum der Eindruck einer Art Vibration erweckt werden. Farblasuren und transparente Putzschichten wie etwa der stucco lustro geben durch das Tiefenlicht der Oberfläche auch dem Raum zusätzliche > Tiefe. Oberflächen mit grobem Putz verschatten sich im Streiflicht selbst, wirken samtig und verdunkeln die Farbe. Während deckende Anstriche Materialwechsel und Bauteilnähte verwischen, verraten die originalen Oberflächenstrukturen das zugrunde liegende Material und deuten dessen größere Tiefe und innere Struktur an. Körnungen der Oberfläche etwa erzeugen den Eindruck von durchgehender > Porosität. Im „Durchscheinen“ wird die Oberfläche zur „flachen Tiefe“ bzw. zum „untiefen Raum“. Wenn durch einen speziellen Wandaufbau ein virtueller > Zwischenraum zwischen Oberfläche und räumlicher Tiefe suggeriert wird, kommen teilweise irritierende visuelle Reize zustande. Viele expressive Wirkungen gehen von den Oberflächen aus, sie sind z. B. für den Eindruck verantwortlich, den > Fassaden auf den Betrachter machen, etwa wenn sie durch Rustizierung, polierte Natursteinverkleidung oder einen farbigen Anstrich sehr verschiedene Hinweise auf den Charakter des Hauses geben. Auch für die Erzeugung von > Atmosphären spielen die Oberflächen eine besondere Rolle. Glatte Flächen reflektieren hart den Schall und das Licht oder spiegeln die Umgebung, sie lassen Regen abperlen, und man kommt auf ihnen leicht ins Rutschen. Ihr atmosphärischer Charakter bildet das Gegenstück zu Texturen aus Geflecht oder Gewebe von weichem Material mit hoher Schallabsorption und

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Griffigkeit. Dabei ist oft nur schwer zwischen unleugbaren Wirkungen und vordergründigen Klischees zu unterscheiden. Mit der Glätte von kühlen Oberflächen wird oft vorschnell eine Sterilität wie von Operationssälen assoziiert, mit Teppichboden Gemütlichkeit, doch erst die differenzierte Wahrnehmung besonders durch die Berührung enthüllt die zutreffende Wirkung. Der > Aufforderungscharakter von Oberflächen zeigt sich vor allem am > Boden. Holprige, glitschige, steinerne oder weiche Fußböden fordern jeweils eine andere Art, zu gehen. Die Oberflächen von Innenräumen werden häufig durch > Bekleidungen nach den individuellen Vorstellungen der Bewohner zur Reflexionsfläche ihrer Persönlichkeit. Persönliche Accessoires verteilen sich vorrangig auf den Oberflächen. Hier schlagen sich die Spuren des > Gebrauchs nieder, als Ablagerungen, Verschleißspuren oder als Glätte, poliert durch fortwährende Berührung.

Öffnung

Räume und Häuser brauchen Öffnungen, damit sie sich abschließen lassen, aber auch damit die Architektur im wechselnden > Licht lebendig wird. Öffnen und Schließen bedingen sich wechselseitig, ihr Zusammenspiel bildet die Entsprechung zur Wechselwirkung von Trennung und Verbindung oder > innen und außen. Deshalb ist für eine architektonische Vielfalt auch der variantenreiche Umgang mit Öffnungen entscheidend, bei denen es sich keineswegs nur um > Fenster und > Türen handelt. Wenn ein Innenraum sich nach außen öffnet, geht es grundsätzlich um die Art des Übergangs oder Umschlags zwischen räumlichen Charakteren, von eng zu weit, dunkel zu hell, warm zu kühl oder privat zu öffentlich. Bestimmte Tür- und Fensterformen oder Öffnungsfiguren verleihen ihrem Gebrauch einen spezifischen Ausdruck, sie drücken z. B. die Möglichkeit des Eindringens von außen, des Ausbruchs von innen, oder auch die Einschränkung dieser Vorgänge durch ihre Enge und Verschließbarkeit aus oder bilden Rahmungen. Durch die Auftrennung an den Ecken im

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Sinne der destruction of the box (Frank Lloyd Wright) oder durch die Auflösung in einzelne Wandscheiben entstehen jedoch anstelle gezielter Öffnungen eher Unterbrechungen, Abstände und Zwischenräume, durch die das Fließen des Raums in einem räumlichen Kontinuum begünstigt wird. Die Rolle von Öffnungen für > Ein- und Ausblick oder > Ein- und Austritt lässt sich durch > Filter in ihrer Funktion des Trennens und Verbindens graduell variieren. Je nach Form und Lage geben Öffnungen dem Raum eine unterschiedliche Ausrichtung und Gestik. Dachöffnungen von Räumen, wie etwa das Opaion des Pantheons, stellen durch die Orientierung nach oben eine vertikale Verbindung zum Himmel her, die sehr unvermittelt wirkt, wenn durch das Loch nicht nur das starke Zenitallicht, sondern als Element der Natur auch der Regen hereinfällt. Schlitze unmittelbar unter der Decke lassen die Decke „abheben“, wenn sie die ganze Wandbreite einnehmen, wie etwa beim Dach der Kirche in Ronchamp von Le Corbusier. Da unsere Wahrnehmungsorgane aber vor allem in der Horizontalen ausgerichtet sind, fühlen wir uns in Räumen mit Öffnungen ausschließlich oberhalb unserer Augenhöhe der Verbindung zur Außenwelt beraubt. Öffnungen direkt über dem Fußboden erhellen vor allem die Bodenzone und geben ihr eine besondere Aufenthaltsqualität mit der Aufforderung, sich am Boden niederzulassen, wie z. B. im japanischen Tatamiraum. Auch hier scheint sich die > Wand zu lösen, diesmal jedoch vom > Boden, vor allem wenn das Bodenniveau sich im Außenraum fortsetzt. Vertikale Wandschlitze in der Raumecke wiederum werfen Streiflicht auf die angrenzende Wandfläche, die mit dem Licht den Außenraum hereinfließen lässt. Kleine Löcher und Luken ermöglichen es indessen, einem Raum durch gezielte Lichtwirkungen unterschiedliche > Atmosphären zu verschaffen, ohne dass der Raum sich wirklich öffnet und ohne dass dabei Aus- und Einblickserfordernisse berücksichtigt werden müssen. So lässt sich beispielsweise auch > Dunkelheit als Element der Raumstimmung erzeugen,

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indem durch winzige Öffnungen nur ein schwacher Lichtschimmer in den Raum gelangt. Über die Wände wandernde Sonnenstrahlen, die durch einzelne Löcher einfallen, zeigen an, wie die > Zeit vergeht. In der Kombination mit großen Öffnungen, die dem Raum eine Grundhelligkeit geben, dienen kleine Lichtlöcher oder -schlitze der Ergänzung durch gezielte Belichtung und Akzentuierung von dunkleren Raumzonen. Durch differenzierte Verteilung von besonderen Durchbrüchen und Einzelöffnungen, wie Guckloch, Durchreiche, Bodenklappe oder Durchstieg, werden spezielle Bewegungen und Handlungsabläufe im Haus organisiert. Die Vielfalt an Öffnungsarten, -größen und -positionen zeigt sich auf der Außenseite von Bauwerken nicht nur im Gestaltungsreichtum von > Fassaden, sondern die plastische Bearbeitung, durch die der Baukörper aufgeschlitzt, gespickt und perforiert wird, gibt mit ihren Nischen, Erkern, Gauben, Lichtkanonen, Schießscharten oder anderen Aus- und Durchbrüchen die verschiedenen Absichten und Hintergründe des Öffnens und Schließens zu erkennen. Literatur: Selle 2004

Offenheit Öffentlichkeit

Öffnen/Schließen

Ordnung

> Abschirmung, Geschlossenheit, Hof, Kapazität, Landschaft,

Öffnung > Abschirmung, Arkade, Einblick und Ausblick, Fassade, Halle, Innen und außen, Städtebau, Wohnung, Zugänglichkeit und Exklusivität > Fenster, Öffnung, Tür und Tor

Durch Architektur kommt Ordnung in die Welt. Sie ordnet die Tätigkeiten im Haus, die räumlichen Verhältnisse der Stadt und formt auch die Landschaft nach menschlichen Vorstellungen. Ordnung ist für die Architektur fundamental, „architecturer, c‘est mettre en ordre“, so drückt es Le Corbusier aus (1933). Die Realität der Architektur ist vom ständigen

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Kampf mit der Unordnung gezeichnet. Im Haus muss sie mit der Eigensinnigkeit individueller Lebensprozesse fertigwerden, in der Stadt mit den divergierenden gesellschaftlichen Interessen unzähliger Akteure und in der Landschaft mit dem ungezügelten Wuchern der Natur. Nur in der Auseinandersetzung mit der Unordnung hat die Ordnung ihren Wert. Oft definiert sie sich erst im Verlauf der Aneignung. Auch wenn eine bestimmte Art von Architektur die Unordnung selbst zum Thema macht und sich zunächst in anarchischer Attitüde gefällt, kommt sie, um fassbar zu werden, meist auf einer übergeordneten ästhetischen Ebene wieder zu einer anderen Art von Ordnung. Die > Sinneswahrnehmung selbst geht bereits ordnend vor, indem sie das Reizmaterial nach den Formgesetzen und Prinzipien der > Gestalt organisiert. In allen weiteren Schritten des räumlichen Erlebens machen sich Ordnungsprinzipien bemerkbar. Für die räumliche Orientierung muss man durchschauen, wie die Räume eines > Raumgefüges geordnet sind, ebenso werden die > Erschließung und die Verteilung von Nutzungen durch die > Lesbarkeit ihrer organisatorischen Ordnung einsichtig. Soll Architektur verständlich sein, müssen in ihr schließlich auch die ordnenden Prinzipien der architektonischen > Komposition und des entwerferischen > Konzepts anschaulich werden. Ordnung in der Architektur erlebt man besonders dann, wenn man sie verstandesmäßig nachvollzieht. Auf den verschiedenen Maßstabsebenen gemäß durchschaubarer Regeln das Zusammenspiel der Teile mit dem Ganzen zu verfolgen, erzeugt das Gefühl der Sicherheit, bereitet eine geistige Befriedigung und bietet in besonders gelungenen Fällen geradezu intellektuellen Genuss. Zu allen Zeiten hat man darin eine genuine Aufgabe der Architektur gesehen. Während rationale Durchsichtigkeit in der Geschichte der Architektur als Kriterium architektonischer Qualität generell eine Rolle spielt, bildet sie in einigen Fällen sogar das eigentliche Thema, etwa für Idealstadtplanungen wie bei der Stadt Karlsruhe, die durch

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Heinrich von Kleist gepriesen wurde: „Sie ist klar und lichtvoll wie eine Regel, und wenn man hineintritt, so ist es, als ob ein geordneter Verstand uns anspräche.“ (1801, 283) Die Bedeutung der strengen Ordnung als absolutistisches Herrschaftssymbol und als Mittel der Disziplinierung ist freilich von der ästhetischen Wirkung nur schwer zu trennen. Neben den klassischen Säulenordnungen bilden in der Geschichte vor allem geometrische Regelmäßigkeit und Maßordnungen die Grundlage jeder architektonischen Ordnung, etwa im Sinne der eurythmia bei Vitruv oder der concinnitas bei Leon Battista Alberti (> Schönheit). Die Geometrie gehört zu den zeitlos wirksamen Mitteln, architektonische Formen nach erkennbaren Regeln und Prinzipien zu organisieren, etwa durch > Symmetrie, Wiederholung und > Reihung gleicher Elemente, durch ihre hierarchisch-zentrische Anordnung (> Zentrierung), die konvergente Ausrichtung an einem (fiktiven) Punkt oder die Organisation entlang einer > Achse. Die verstandesmäßige Erfassung der Formordnung wird durch eine Maßordnung unterstützt, welche die > Proportionen von Elementen und die formale Konsistenz ihrer Verhältnisse regelt. Während einfache Form und Regelmäßigkeit die gewohnten Voraussetzungen des Ordnens sind, lässt sich auch mit Gliederungen in einer freien Form Ordnung erzielen. Sie müssen dazu eine eigene Prägnanz besitzen, eine Spannung, die imstande ist, die einzelnen Elemente zusammenzubinden. In der geordneten Erscheinung einer Konstruktion wird gewohntermaßen die technische Rationalität des Bauens erkennbar: Lange Zeit verlangte wirtschaftliches Bauen die Vereinfachung und Vereinheitlichung von Bauteilen und konstruktivem Gefüge. Mit der zunehmend digitalisierten Planung und Realisierung von Projekten hingegen riskiert die Konstruktion von Bauwerken, unanschaulich zu werden, da hochentwickelte Rechenprogramme beliebige Formentscheidungen und komplizierteste Konstruktionen ermöglichen. Algorithmische Ordnungen zeigen sich indessen auf andere Art als die tradierten konstruktiven Strukturen.

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Ordnung beschränkt sich in der Architektur nicht auf Eigenschaften statischer Objekte und deren adäquate Lesbarkeit. Neben Ordnungen, die einer vorgegebenen Idee folgen, gibt es andere, die sich erst unter dem Einfluss vielfältiger Parameter herstellen und wieder verändern, etwa des individuellen Gebrauchs oder der sozialen Aneignung, und die manchmal erst aus dem Konflikt mit einem starren Ordnungsrahmen hervorgehen. Solche prozessualen Ordnungen manifestieren sich eher in veränderlichen Elementen der Architektur, wie z. B. im ständigen Umbau der Stadt oder der > Einrichtung des Hauses. Sie unterliegen zudem Einflüssen aus dem > Kontext und werden als Teil einer Ordnung wahrgenommen, der sie auf einer übergeordneten Ebene angehören. Während der „Lebensdauer“ eines Gebäudes ordnet es sich in unterschiedliche Nutzungssysteme ein und greift dabei auf jeweils andere örtliche oder soziale Kontextbezüge zurück. Starke Ordnungen setzen sich gegen Störungen durch, drohen aber auch starr zu werden, wenn sie keinen Widrigkeiten ausgesetzt werden. Bereits in der Wahrnehmung stellt man fest, dass Winkel, die leicht vom rechten Winkel abweichen, ein aktiveres Sehen begünstigen. (Seyler 2004) Im Barock wurde die Symmetrie durch eine asymmetrische Bewegungsführung gebrochen, in der Moderne ersetzt das labile Gleichgewicht die unbewegte Balance. So stehen Ordnung und Erwartbarkeit immer in einem komplementären Verhältnis zu > Komplexität und Überraschung. Eine zu rigide Ordnung hingegen droht in Repression, Regelmäßigkeit in Monotonie, Einfachheit in Banalität umzuschlagen.

Organisch

> Formcharakter, Raumgefüge

Orientierung

Durch Orientierung verankert der Mensch seine eigene räumliche Disposition in der räumlichen Struktur der Umgebung. Weil er darauf angewiesen ist, sich im Raum zurechtzufinden,

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ist die Orientierung einerseits Voraussetzung für das Gefühl von Sicherheit und > Behaglichkeit, sie gibt Antwort auf die fundamentale Frage: „Wo bin ich eigentlich?“ Andererseits bildet sie die Basis für räumliche Entdeckungen und neue Erfahrungen. Die Orientiertheit des > Leibes beruht, ausgehend von seinem Lagesinn (Propriozeption) als Grundlage für die weitere Positionierung im Raum, auf der Unterscheidung seiner existenziellen Orientierungsrichtungen oben/unten, vorne/hinten und rechts/links. Der Mensch orientiert sich von seiner eigenen leiblichen und zugleich von der gegenständlichen Struktur des umgebenden Raumes her. Er erschließt eine Raumstruktur, indem er Richtungen und Anhaltspunkte einer gegebenen räumlichen Situation für seine eigene Orientierung verwertet. Die Himmelsrichtungen, insbesondere der Orient, die Ausrichtung zum Sonnenaufgang im Osten, haben in der Architektur noch eine wörtliche Bedeutung, vor allem für die Anordnung der Räume und ihren Gebrauch. Abhängig von den Tageszeiten sorgt das wechselnde Tageslicht für unterschiedliche > Atmosphären in den nach den Himmelsrichtungen orientierten Räumen. Auch ihr Gebrauch wird durch die Lichtverhältnisse begünstigt, die vom Sonnenstand und der wechselnden Lichtfarbe abhängen. In die verschiedenen Richtungen, aus denen das > Licht hereinkommt, geht der > Blick hinaus. Mit ihm orientieren sich das Haus und seine Bewohner ebenfalls am Himmel und seinen unterschiedlichen Erscheinungen, aber vor allem richtet sich das Haus mit dem Ausblick auf die Umgebung aus. Wie man in einem Haus lebt, hängt stark davon ab, ob es sich zur Straße orientiert, auf eine charakteristische Landschaft hin oder zu einer bestimmten Nachbarschaft. Wohin die einzelnen Häuser sich orientieren, bestimmt auch ihr Zusammenspiel im städtischen Raum und in der Landschaft. Ein architektonisches > Konzept reagiert auf diesen > Kontext, indem die Orientierung etwa an einem Flusslauf, auf einen Platz oder zu einer Aussicht sich in der Gestik

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des Bauwerks und in der Lage der Räume, ihren Öffnungen oder ihrer > Gerichtetheit niederschlägt. Die Art, wie die Architektur in ihrer Umgebung orientiert wird, ist eine der Voraussetzungen dafür, wie die Bewohner sich ihrerseits in der Architektur orientieren, seien es die Räume eines Hauses oder die Räume der Stadt. Dazu muss es ihnen möglich sein, sich eine Vorstellung vom ganzen > Raumgefüge zu verschaffen. Das geschieht in der Regel durch Herstellen einer kognitiven Karte (mental map), und zwar auf zweierlei Art. Entweder imaginiert man den Raum als mehr oder weniger vollständiges Gefüge. Oder man stellt sich den Zusammenhang der Räume, da der Grundriss nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, ersatzweise als lineare Abfolge von Bewegungsabschnitten oder Handlungsschritten zwischen einzelnen Stationen vor. Der Lebensraum orientiert sich an der Gegenstandswelt, indem er nur bestimmte Struktureigenschaften des Raumes verwertet und der > Erinnerung einprägt, z. B. für häufige Tätigkeiten wesentliche Zugangs- oder Ausstattungsmerkmale. Dabei werden auch bestimmte Bewegungsabläufe als > Bewegungsfiguren im Gedächtnis gespeichert, die zur Orientierung aufgerufen werden, auch wenn sie nicht real ausgeführt werden. So „weiß“ der Leib etwa, wo eine Tür, eine Wand ist und wie viele Schritte er zum Durchqueren eines Raums braucht. Durch architektonische Gestaltung lässt sich die Orientierung im Raum des Hauses und der Stadt erleichtern, z. B. durch einprägsame räumliche > Strukturen und > Ordnungen, Durchblicke, > Achsen und > Wege. Wiederkehrende Schemata der Raumordnung erlauben es, sich auch in fremden Gebäuden zurechtzufinden. Es fragt sich aber, ob das Ideal eine räumliche Ordnung wäre, die sich auf Anhieb vollständig offenbart, oder ob sich ein Raumgefüge, der > Dramaturgie eines Spannungsbogens folgend, erst allmählich erschließen sollte. Grundsätzlich ist die Notwendigkeit, sich im Raum zurechtzufinden, von existenzieller Bedeutung, denn außer der Ebene konkreter Räumlichkeit umfasst sie auch diejenige der

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sozialen Orientierung. Wer eine fremde Stadt oder Wohnung betritt, muss nicht nur den richtigen Weg wählen, sondern auch das richtige Verhalten, muss nicht nur die Gefüge der Räume, sondern auch das soziale Gefüge durchschauen, das sich in Struktur und Beschaffenheit der Räume abzeichnet. Neben der baulichen entscheidet die soziale Struktur über die richtige Orientierung in einer Situation. Räumliche Verhaltensmuster sind Orientierungshilfen.

Ornament

Außer zu schmücken, macht das Ornament wesentliche Strukturen der Architektur überhaupt erst sichtbar – vor dem „Schmücken“ ist die hauptsächliche Wortbedeutung des lateinischen ornare das „Ausstatten“. Nachdem das Ornament innerhalb der modernen Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts als überflüssige Verunklärung struktureller > Lesbarkeit oder Instrument semantischer Überlagerung architektonischer (nackter) Wahrhaftigkeit abgelehnt worden war, hat es inzwischen seine eigenständige Stellung als Bereicherung und Modulation der Wahrnehmung wiedererlangt. Was retrospektiv betrachtet der Bruch der Moderne mit dem Ornament leistete, war vor allem die Freistellung der Ornamentfunktion für die Akzentuierung architektonischer Wirkung jenseits rein dekorativer Aufgaben oder symbolischer Bezugnahmen. Solche Funktionen hatte bereits Karl Friedrich Schinkel in seinem Aufsatz „Architektonische Glieder“ angeführt: „das Ganze oder die Teile zu begrenzen, zu endigen und zu vollenden, das Einzelne zu scheiden, es kräftiger hervorzuheben, oft das Breite der Masse zu teilen, oft geteilte Massen durch Gürtungen zu verbinden“ (1979, 83). Das Ornament kann die bauliche Struktur zwar auch ignorieren, wenn es sie aber verdeutlicht, verbindet es sich mit dem konstruktiven Detail. Die Bearbeitung von Fugen, Nähten und Verbindungen zwischen Bauteilen erscheint dann nicht nur als technische Notwendigkeit, sondern ist Anlass, das Bauwerk durch kontinuierliche ornamentale Überformung

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einer strukturierten und zugleich ganzheitlichen Wahrnehmung darzubieten. So ist das Ornament auch ein geeignetes Instrument, um die architektonische Ordnung großmaßstäblicher Strukturen auf einer dem Nahbereich zugeordneten Maßstabsebene fasslich zu machen. Dies wird vom Ornament insbesondere auch in taktilem und haptischem Sinne geleistet, indem es durch seine kleinmaßstäbliche Plastizität, seine hohe Dichte die Wahrnehmung fasziniert und dem flüchtigen Hinübergleiten des Blickes einen gewissen Widerstand entgegensetzt. Dabei können auch Eigenstrukturen und Texturen von Materialien eine ornamentale Wirkung haben, etwa die Maserung von Holz oder Naturstein, Gewebearten oder die Faktur bestimmter Bearbeitungen. Unabhängig vom Material wird indessen durch das Ornament selbst der Eindruck von > Stofflichkeit hervorgerufen, z. B. die weiche Wärme eines fein ziselierten Objekts, wenn man sie mit der kalten Härte vergleicht, welche eine glatte Oberfläche suggeriert (> Synästhesie). Ein besonderes Interesse der zeitgenössischen Architektur richtet sich auf die Tiefenwirkung von überlagerten Ornamentschichten als raumbegrenzende oder raumauflösende, mit optischen Effekten, z. B. Moiré, spielende Grenzschicht. Ornamenteigenschaften übertragen sich oftmals auf den ganzen Gegenstand. So verleiht eine subtile Fassadenornamentierung dem ganzen Bau eine Feinheit, während ein grobschlächtiges Ornament ihn rustikal erscheinen lässt. Dynamische Ornamentfiguren teilen sich in ihrer > Gerichtetheit oder Rhythmik der räumlichen Gestik eines Bauwerks mit. Das Ornament erlaubt es, Zusammenhänge, aber auch Differenzierungen herauszuarbeiten, Konturen oder Übergänge nachzuvollziehen, die andernfalls übersehen würden, schließlich durch das Wechselspiel der Teile den architektonischen Aufbau einer ganzen > Komposition zu verdeutlichen oder sogar kontextuelle Bezüge im Maßstab der Stadt herzustellen. So wie bislang architektonische Ordnungen und Techniken des Fügens durch das Ornament zum Sprechen gebracht

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wurden, sind es neuerdings die Techniken des Entwerfens und Planens, die sich im Ornament niederschlagen. Ganze Gebäude und Stadtquartiere wirken wie wucherndes Ornament und verraten damit ihre konzeptionelle Herkunft aus digitalisierten Entwurfsverfahren und parametrischen Modellen. Die ornamentierte Bauform stellt, indem sie je nach > Maßstab eine bestimmte Distanz empfiehlt, eine konkrete Beziehung zum Betrachter her. Die Belebung der Architektur durch das Ornament bietet ihm einen Anreiz, sich einzufühlen, und ist eine Hilfestellung bei der Aneignung und affektiven Besetzung der baulichen Umgebung im alltäglichen Umgang. Entgegen dem Bestreben der Warenästhetik, Ornamente immer wieder zu wechseln, um bestimmte Gegenstände veralten zu lassen und diejenigen mit dem Ornament der neuen Mode verkaufen zu können, sollen Ornamente die Grundlage für eine emotionale > Wärme und Vertrautheit mit der unmittelbaren räumlichen Umgebung bieten. Dem steht die Forderung nach der Kälte der „Erfahrungsarmut“ durch Ornamentlosigkeit in der Moderne (Walter Benjamin) gegenüber. In jedem Fall trägt das Ornament zur räumlichen Atmosphäre und zum jeweils angemessenen emotionalen Charakter einer Situation bei. Demgemäß enthält der verwandte Begriff des „Dekors“ die ethische Komponente der Angemessenheit (lat. decorum) und bezeichnet bereits seit der Antike das, was ein Gegenstand oder ein Mensch braucht, damit er die ihm zukommende Aufgabe angemessen erfüllen und passend zum Ausdruck bringen kann. Literatur: Gleiter 2002

Ort

Selbst eine vorwiegend prozessual aufgefasste Architektur ereignet sich an einem Ort; sie wird durch ihn nicht nur lokalisiert, sondern in einem umfassenden Zusammenhang situiert und bedingt. Ein Ort lässt sich zwar durch Markierung einer bestimmten Stelle auf der Erdoberfläche bestimmen, kann aber in seiner rein geometrischen Definition nicht erlebt wer-

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den. Dagegen erhalten Orte durch die Verhaftung in einem unverwechselbaren Geflecht geschichtlicher, landschaftlicher und architektonischer Eigentümlichkeiten eine konkret erfahrbare Identität, die sich auch in den Räumen am Ort niederschlägt. Die durch solche Identität ausgezeichneten „Orte“ unterscheidet Marc Augé von den austauschbaren „Räumen“ der Konsumwelt wie Flughafenterminals oder Supermärkten, die er deshalb „Nicht-Orte“ nennt. Nach Michel de Certeau wiederum werden „Orte“ durch Aneignung und konkretes Bespielen zu „Räumen“. Der unverwechselbare Charakter eines Ortes macht sich auf Anhieb intuitiv als „Geist“ des Ortes bemerkbar. Im Genius Loci, der ursprünglich den römischen Schutzgeist eines bestimmten Ortes oder Hauses bezeichnet, lassen sich aber auch konkrete Ortseigenschaften identifizieren, die landschaftliche Formation, ihre Prägung durch Topografie, Gewässer und Vegetation, ortsübliche Bauformen und Baumaterialien und eine spezifische Beziehung zwischen Bebauung und Erschließung, ebenso ein ortstypisches Klima mit regionalen Wetterlagen und einem charakteristischen Himmelslicht. Auch Gerüche und Geräusche markieren Orte und ermöglichen es, sie zu identifizieren. Sodann verkörpern Orte ein kulturelles Gedächtnis. Jeder über lange > Zeit besiedelte Ort ist eine Ansammlung von Geschichte und Geschichten, von dort heimischen Mythen und Kulturen, von historischen und kulturellen Ereignissen, aber auch des Alltagslebens. Das Gesamterlebnis von Orten wird schließlich in der jeweiligen > Atmosphäre gebündelt, die oft auch in den Gebräuchen, der Lebensform und Mentalität der Bewohner spürbar wird. Im Ausdruck Genius Loci kommt die Verfassung eines individuellen Ortscharakters zum Ausdruck, der sich nur unter Verlust seiner Ganzheit in die einzelnen Wirkkomponenten zergliedern lässt. Architektur vermag die natürlichen und künstlichen Eigenschaften eines Ortes verdichtet zum Ausdruck zu bringen und sinnlich erlebbar zu machen. Sie „versammelt“ in Bauwerken die Eigentümlichkeit eines Ortes, wie Martin Hei-

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degger sagt und anhand der berühmten Beschreibung einer Brücke illustriert. „Sie bringt Strom und Ufer und Land in die wechselseitige Nachbarschaft. Die Brücke ver­sammelt die Erde als Landschaft um den Strom.“ (1953, 146) Durch das einfühlsame Aufgreifen der spezifischen Merkmale eines Ortes im architektonischen > Konzept lässt sich dessen Charakter, etwa im Konzentrieren, Verdeutlichen und Ergänzen, anschaulich machen. Es ist möglich, dass ein architektonisches Konzept, unabhängig davon, ob es > Landschaft, > Städtebau oder ein Haus betrifft, sich fast ganz aus der Artikulation spezifischer Ortseigenschaften herleitet. Dazu gehören die sensible Weiterentwicklung und Akzentuierung der landschaftlichen Formation und der topografischen Eigenheiten, die Ausrichtung nach vorhandenen baulichen Elementen, der Anschluss an Wegeverbindungen und die Verbindung von Innenräumen mit ihren Nutzungen zu den jeweiligen Außenräumen. Eine bauliche Anlage interpretiert den Genius Loci jedoch nicht nur dadurch angemessen, dass sie sich durch Einfügung und Übernahme von Maßen, Formen und Materialien anpasst, sondern auch wenn sie die am Ort bestehenden Strukturen durch eine kontrastierende Setzung deutlich werden lässt. Ein besonders ausdrucksstarkes Element, um die Beziehung zum örtlichen Kontext zu manifestieren, ist beispielsweise das Dach. Es nimmt Richtungen auf, greift in den Raum aus, stellt Verbindungen her, verschmilzt mit der Umgebung oder setzt Akzente. Als Dachlandschaft bildet es zusammen mit den anderen Dächern eine Fortschreibung der Landschaft, übersteigert die Topografie; es kann aber auch durch eine Gegenbewegung adäquat auf die Geländeform reagieren. Eine herausgehobene Stellung mit weitem Blick, wie sie etwa eine Bergkuppe bietet, wird auch in einer Ortschaft zur prägenden Erfahrung, welche die Kuppe bekrönt. Die konkave Umschließung einer Bucht erlebt man in ihrer baulichen Umfassung nach Art eines Amphitheaters, den Tribünencharakter einer Hanglandschaft durch deren Terrassierung. Ein

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Haus, das sich wie die Casa Malaparte auf Capri aus der Formation der Felsen entwickelt, erlaubt es, wie auf oder in einem Felsen zu wohnen. Erwin Heerichs Lange Galerie in Hombroich inszeniert als Schwellenbauwerk den verzögerten Übertritt auf eine Insel. In der räumlichen Auseinandersetzung mit der Stadt dagegen schaffen Plätze oder Bauten innere Brennpunkte oder treten in Dialog zu einem ortsprägenden Gegenüber wie etwa Rafael Moneos Rathaus in Murcia zur Kathedrale. Die bewusste oder intuitive Vorstellung von unserer aktuellen Ortsposition ist Grundlage unserer > Orientierung im Raum, sie wird permanent vollzogen und bei jeder Bewegung nachgeführt. Die Ungewissheit darüber, wo man ist, verunsichert das ganze Befinden, während die architektonische Artikulation der Identität eines Ortes dessen Wiedererkennbarkeit sichert. Selbst eine von Mobilität gekennzeichnete Lebensweise braucht lokale Verankerungspunkte. Wer sich hingegen dauerhaft an einem Ort niederlässt, für den trägt dessen architektonische Ausformulierung zu der Vertrautheit bei, die eine Grundlage der persönlichen räumlichen Entfaltung ist. Dem Extrem einer ganz am ephemeren Ereignis interessierten Raum- und Lebenspraxis steht als Gegensatz das Verlangen nach einer stabilitas loci gegenüber, nach Lebensvorgängen, die durch Ortsfestigkeit eine Absicherung und manchmal eine Bedeutungssteigerung erfahren. Literatur: Augé 1994; Bloomer/Moore 1980; Norberg-Schulz 1982; Valena 1994

Ortraum

> Bewegung, Raumgefüge, Sequenz, Weg

Oszillieren

In zentrierten Räumen sind wir häufig eigentümlich oszillierenden Bewegungsimpulsen ausgesetzt. Diese für kreisförmige, ovale oder polygonale Räume charakteristische > Bewegungsfigur besteht in einem wiederholten Positionswechsel

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zwischen Zentrum und Peripherie. Nach dem Betreten eines Zentralraums zieht es uns über kurz oder lang in die Mitte, um die Schlüsselposition, die der Raum dort bietet, selbst einzunehmen. Dort fühlen wir uns zwar von der Raumschale in einer umgreifenden Geste aufgenommen, aber auch verunsichert. Denn wie wir uns auch drehen und wenden, wegen unserer einseitig nach vorne orientierten leiblichen Disposition finden wir keine stabile Stellung, die uns von der Mitte her den ganzen Raum erfassen lässt, wie es der beherrschenden Rolle des Zentrums in der Geometrie entspräche. Weil die Raumwände in ihrem kontinuierlichen Verlauf nach den Seiten aus unserem Blickfeld hinausreichen, können wir ihnen nur durch fortgesetzte Körperdrehung folgen. Einen befriedigenden Überblick haben wir nur, wenn wir wieder eine Position im Randbereich des Raumes aufsuchen, von wo uns aber die Attraktivität der Mitte erneut ins Zentrum lockt. Bei der Wiederholung dieser Bewegung zwischen der Mitte und verschiedenen Stellen der Peripherie durchqueren wir einen solchen Raum in einer eigentümlich oszillierenden Pendel- oder Schlingerbewegung.

Park Passage

> Garten, Landschaft, Malerisch

Patina

Spuren der Benutzung und der Verwitterung geben vom Alter eines Bauwerks, seinem langen Gebrauch und den Einflüssen der Umwelt beredte Auskunft. Patina macht die Dimension der > Zeit in der Architektur sichtbar und ist eine der Komponenten, denen im Erzeugen spezifischer > Atmosphären besondere Bedeutung zukommt. Das Phänomen umfasst die Veränderung der > Oberflächen durch Oxidation, natürliche Farbabweichungen durch Nachdunkeln oder Ausbleichen, das Ansetzen von Schmutz oder Ruß, Moos und Flechten, aber auch Auswaschungen,

> Galerie, Inversion, Raum-Körper-Kontinuum, Zwischenraum

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Risse und Abplatzungen. Wenn sich dunkle Ablagerungen in Vertiefungen sammeln, während exponierte Oberflächen poliert und gebleicht werden, entsteht ein charakteristischer Hell-Dunkel-Kontrast, der die Plastizität durch „Höhung“ und „Tiefung“ verstärkt zur Geltung bringt. Zum einen wird dadurch eine allgemeine Charakteristik der Lage oder Orientierung zum Ausdruck gebracht. In dem Maße, wie einzelne Stellen der Witterung ausgesetzt sind, werden die Unterschiede zwischen horizontalen und vertikalen Flächen, geschützten Stellen und der Wetterseite sichtbar. Zum anderen werden die spezifischen Struktureigenschaften der > Stofflichkeit deutlicher wahrnehmbar. So zeichnen sich etwa die Wachstumsschichten von Weichholz mit der zunehmenden Alterung als Relief ab. Oxidierende Metalle hingegen entwickeln eine spezifische Farbigkeit und bilden wie z. B. Rost auch ihre eigenen Oberflächenstrukturen. Naturstein wird je nach Härte und Zusammensetzung ausgewaschen, bemoost oder poliert. Durch solche Veränderungen wird Zeit nicht nur in der Vergänglichkeit von Bauwerken wahrnehmbar, sondern diese ermöglichen es ihrerseits sogar, das Vergehen der Zeit aufzuzeichnen. Patina hat neben der kontrastierenden Wirkung oft auch eine vermittelnde Funktion. Als Einbruch der Natur mildert sie mit Bewachsungen und anderen natürlichen Veränderungen die Künstlichkeit einer neuen Oberfläche, belebt sie und verbindet verschiedene Oberflächen durch gleichartige Einflüsse miteinander sowie mit der Umgebung. Die Vertrautheit mit neuen Siedlungen wird durch ihr „Einwachsen“ bei zunehmender Vegetation erleichtert. Außerdem entsteht Patina durch Spuren des > Gebrauchs. Als Ausdrucksträger erzählt sie etwa von Konsumgewohnheiten, z. B. durch Nikotinablagerungen. Vom Anfassen polierte Türgriffe, ausgetretene Stufen, Schwellen oder abgenutzte Bodenbeläge machen Art und Intensität der Benutzung sichtbar, einst von Bildern bedeckte Stellen werden durch hellere Flächen an einer Wand angezeigt. Diese Spuren gehören zu den

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individuellen Prägungen, die wir dauerhaft an den Oberflächen der Architektur hinterlassen. Im weitesten Sinne gehören zu diesen Spuren auch die mehr oder weniger kunstvollen Reparaturen schadhafter Stellen, die Bauwerken und Gegenständen als dokumentarische Collage oder improvisierte bricolage einen persönlichen Charakter verleihen. Die Erscheinung echter Patina lässt sich nicht einfach technisch imitieren, sondern zeugt als authentische Spur von der Würde selbstverständlichen Gebrauchs. Abhängig vom Kulturkreis oder Gegenstand erfährt die Patina eine sehr unterschiedliche Wertschätzung. Während Alters- und Gebrauchsspuren in der westlichen Kultur manchmal als Makel wahrgenommen werden, existiert in der japanischen Kultur mit dem Begriff wabi-sabi eine eigene subtile Ästhetik der Patina. Sie wird dort als Ausdruck einer unscheinbaren, gebrochenen oder verhüllten > Schönheit geschätzt. Reife und Autorität des Alten nobilitieren einen Gegenstand, sodass authentische Gebrauchsspuren ihn umso wertvoller erscheinen lassen. Dabei verweist man auch darauf, dass ein patinierter Gegenstand sich besser in eine Situation einfügt und mit der Umwelt verschmelzend das besondere Fluidum der Atmosphäre hervorbringt. Manchmal führt allerdings ein Zuviel an Patina dazu, dass Oberflächen und Körperumrisse verunklärt werden, Detailformen sich verlieren, sodass die Wirkung räumlicher Gestalt entdifferenziert und wesentliche architektonische Aussagen beeinträchtigt werden, etwa dann, wenn Fassadenbewuchs das charakteristische Aussehen eines Hauses durch eine extreme „Verpelzung“ weitgehend vermummt. Der morbide Charme, den man aus sentimentaler Vergangenheitssehnsucht an der Patina schätzen mag, kann auch in Moder übergehen. Und so wie die klassische Moderne mit ihrer Bevorzugung weißer Baukörper der geschichtslosen „Spurenlosigkeit“ (Walter Benjamin) den Vorzug gab, sind auch viele zeitgenössische Fassadenmaterialien, wie Glas oder lackierte, emaillier-

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te oder eloxierte Metalltafeln, darauf angelegt, ihren zeitlosen Oberflächencharakter nicht zu verändern. Durch Fassadenreinigung gleichen sich die Bauwerke aller Epochen einander an. Auch historische Gebäude wirken dann oft geschichtslos und wie neu, in gleichgültiger Verfügbarkeit für die Gegenwart. Die Schichten der Geschichte scheinen abwaschbar. Literatur: Koren 1995; Weston 2003

Pendeln Performativ Peristyl Persönliche Raumsphäre Personal Space

Perspektive

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> Hof, Oszillieren, Zirkulieren > Bewegungsfigur, Erleben, Gestik (räumliche), Kapazität, Situation, Städtebau, Szene > Arkade, Hof, Säule, Zentrierung > Raumsphäre (persönliche) > Raumsphäre (persönliche)

Die perspektivische Wahrnehmung verschafft uns einen doppelten Zugang zur räumlichen Umwelt, eine subjektive Sicht steht einer objektiven Norm gegenüber. Die Perspektivität individueller Weltwahrnehmung einerseits und das geometrische Regelwerk perspektivischer Darstellung andererseits entsprechen verschiedenen Bedeutungsrichtungen des Begriffs, die aber in der perspektivischen Wahrnehmung von Architektur zusammentreffen. Im perspektivischen Sehen werden räumliche Situationen von uns in einzelnen Ansichten abhängig vom jeweiligen Standpunkt wahrgenommen. Dem trägt die Perspektivkonstruktion zwar durch die Projektion von einem Blickpunkt Rechnung. Doch zugleich überwindet sie die Bindung an den subjektiven Blick durch die Verallgemeinerung in einer objektiven Norm. Während die Perspektivität menschlicher Wahrnehmung den Dingen ihre Raumlage in einem inhomogenen Raum je nach persönlichem Blickwinkel zuweist, konstruiert die mathematische Perspektive einen homogenen Raum und ordnet alles in ein rationales geometrisches System ein, sie

ist „eine Objektivierung des Subjektiven“ (Erwin Panofsky). Wie die Perspektive in der Architektur im einzelnen Fall erlebt wird, schwankt zwischen diesen beiden Vorstellungen. Im Unterschied zu einer bis ins Mittelalter vorherrschenden Sicht, die sich auf das Bauwerk als Objekt und Körper richtet, wird seit der frühen Neuzeit mit der Konstruktion der Perspektive der > Raum als Schema sichtbar, als Gerüst oder Bühne, noch bevor Körper in ihm auftreten. Wir haben seitdem das rationale, normierte System der Perspektive, das unsere Kultur von der Malerei bis zur Fotografie, zur Architektur und zum Städtebau beherrscht, verinnerlicht, es gehört zu unserem Raumverständnis, unserem Raumgefühl. Doch gleichzeitig ist diese Raumerfahrung perspektivisch in dem anderen Sinne einer Abhängigkeit von individueller Einstellung, aktueller Verfassung und leiblichen Bedingungen der Wahrnehmung. In der Architektur trifft die objektivierende Tendenz der Perspektive mit der Perspektivität aus einem subjektiven Blickwinkel zusammen. Für die subjektive Position bildet die Aussicht von einem bestimmten Betrachterstandpunkt aus eine typische Voraussetzung, die z. B. mit der Lenkung des > Blicks durch einen begrenzenden Rahmen geschaffen wird. Als Durchblick (lat. perspicere, durchblicken) macht das, wo der Blick hindurchgeht, also etwa das > Fenster – durch das immer auch etwas ausgeblendet wird –, zugleich das Gerahmte zum > Bild, mit der Glasscheibe als materialisierter Bildebene. Als Nebeneffekt dieser Bedeutungssteigerung lässt die Bildhaftigkeit den Durchblick > malerisch erscheinen, aber damit unarchitektonisch. Mit der Zentrierung der Blickrichtung durch einen Rahmen oder durch die räumliche Positionierung des Betrachters, etwa in einer Raumachse, macht sich die zentralperspektivische Wirkung der Tiefenstaffelung und der Konvergenz von Fluchtlinien als Führung oder Sog in die Raumtiefe bemerkbar (> Tiefe). Durch bauliche Elemente oder durch Farbperspektive (> Farbe) wird sie unterstützt. Die Konvergenz steigert sich durch gestufte Trichterformen, wel-

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che beispielsweise den Übergangsraum einer Portalarchitektur in die Länge zu dehnen scheinen und damit den Übertritt perspektivisch verlängern und verzögern. Das sich zur Fassade hin weitende Trapez eines Gebäudevorplatzes wie vor dem Petersdom hat den gegenteiligen Effekt. So lassen perspektivische Wirkungen sich zur subtilen oder in Extremfällen auch zur massiven optischen Täuschung einsetzen. In bestimmten räumlichen Situationen, z. B. bei Stadt- und Platzanlagen des Barock, tritt die Perspektive beherrschend auf, indem sie dem Betrachter seinen Platz anweist, damit er die Architektur aus einem bestimmten Blickwinkel und damit einer vorgesehenen Absicht folgend wahrnimmt und interpretiert. Mit diesem Ziel wurde sie auch immer wieder für Herrschaftsarchitektur, für absolutistische und autoritäre Planungen verwendet. Seit die perspektivische Zentrierung von Blick und Denken aber ihre bindende Kraft verliert, weil kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen ein anderes Raumverständnis mit sich bringen, ändern sich auch in der Architektur die Formen räumlicher Erfahrung. Konvergenz und Frontalität werden umgangen, wenn die Schrägstellung von Baukörpern und Wänden den Blick ablenkt. Der Rahmen des ausschnitthaften Durchblicks wird gesprengt, die Bildebene wird durchbrochen, indem fluchtende Wandscheiben innen und außen verschleifen, und das Panoramafenster dehnt sich so weit zu den Seiten aus, dass die sichtbegrenzenden Ränder aus dem Blickfeld entschwinden. Die perspektivische Wirkung der Architektur bindet den Betrachter nicht mehr durch gezielte Positionierung und Fokussierung seines Blicks, sondern diese Bindungen lösen sich. Stattdessen tritt die andere Rolle der Perspektive in den Vordergrund, ihre systemische Funktion, das heißt für die Sichtbarkeit des Raumes und für die Ordnungen innerhalb des Raumes ein neutrales Gerüst zu liefern. Darin gleicht sie im Übrigen der Sichtweise anderer Projektionsarten, wie der Axonometrie. Die Konstruktionslinien und Achsen der Perspektive dienen ursprünglich zwar dem Aufbau der zeichneri-

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schen Darstellung, man kann sie aber auch im Ordnungsraster der baulichen Struktur, etwa eines modernen Skelettbaus, gleichsam als das isotrope Raumgitter eines homogenen Koordinatenraums materialisiert sehen. In solchen prinzipiell homogenen Räumen geht der perspektivische Blick zwar weiterhin von einem Blickpunkt aus, dessen Lage und Ausrichtung sind aber beliebig. Während die primär subjektbezogene Perspektive in der Architektur darauf angelegt war, bevorzugte Richtungen, bestimmte Zentren, Blickziele, Bildausschnitte und Durchblicke zu akzentuieren, bietet die objektivierende Perspektive als Wahrnehmung eines „homogenen, aber zersplitterten Raums“ (Henri Lefèbvre) dem Blick austauschbare Sichtkomponenten und Bildbestandteile dar. Kam in der einen Auffassung alles auf den Standpunkt an, wird er in der anderen beliebig. Diese erscheint, verglichen mit jener, geradezu als aperspektivisch oder besser als multiperspektivisch. Tatsächlich kommt eine möglichst vollständige Wahrnehmung von Architektur erst durch einen Komplex wechselnder, aber nicht beliebiger Blickwinkel zustande. Elmar Holenstein hat darauf hingewiesen, dass der Ursprung unserer Ichzentrierung nicht mit unserem Leib und mit dem Augpunkt unserer Wahrnehmungsperspektive zusammenfallen muss. Das heißt aber nicht, dass wir den Raum deswegen aus einer beliebigen Menge von auswechselbaren Blickwinkeln erleben. Vielmehr haben verschiedene im Raum vorhandene Systeme ihr eigenes Zentrum, in das wir uns hineinversetzen, ohne es real einzunehmen. Als Ziel unserer wandernden Aufmerksamkeit und Orientierung bildet es einen wechselnden Fokus. Von dorther ergibt sich die Perspektive, aus der wiederum der eigene > Leib erfahren wird. Literatur: Holenstein 1985; Pahl 1963; Panofsky 1964

Pfeiler Physiognomie

> Arkade, Dichte (räumliche), Halle, Säule, Sockel > Dach, Fassade, Formcharakter

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Plastizität

> Dach, Fassade, Körper (architektonischer), Licht, Oberflä-

Platte

che, Sinneswahrnehmung > Decke, Ebene, Geschlossenheit

Platz und Straße

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Plätze und Straßen sind die Innenräume der Stadt. So wie die körperhaften Massen der Wände einen Innenraum im Haus umschließen, so umfassen die Baukörper der Häuser den Platz und den Straßenraum in der Stadt. Im Figur-Grund-Verhältnis heben sich nicht nur die markanten Gebäudeobjekte aus der Textur des homogenen städtischen Gewebes heraus, sondern bei ausreichender Dichte auch die prägnanten Platzfiguren und Straßenräume. Durch ihren individuellen baulichen Charakter verleihen sie einer Stadt ihre Unverwechselbarkeit. Historische Bedeutungen eines Ortes machen sie vielfach zu > Monumenten, wodurch sie wiederum als Orte des öffentlichen Lebens einer Stadt und für aktuelles Geschehen bedeutsam werden. Plätze sind in der Regel nicht vollständig durch eine umlaufende Raumgrenze geschlossen, sondern nur partiell durch Gebäude, zwischen denen Lücken bestehen. Wenn dennoch von einem Platz die Rede sein kann, liegt es an der Gestaltwahrnehmung, die durch eine Ergänzung über die Lücken hinweg die Kontur zur > Gestalt vervollständigt. Dafür dürfen die Lücken nicht zu groß und nicht zu tief sein. Radiale Straßeneinmündungen etwa bilden weit offene Löcher, winkelig ansetzende Straßen dagegen fangen den Blick aus dem Platzinneren auf und sichern die > Geschlossenheit. Im Frontverlauf von Platz- und Straßenfassaden lässt sich durch Visierbrüche, seitlich oder in der Höhe, der > Blick so auffangen, dass der Raum sich vorübergehend schließt, um erst nach einer Annäherung wieder weiterzuführen. Eine vergleichbare Wirkung wird durch versetzte Straßeneinmündungen an der Stelle einer Straßenkreuzung erzielt. Nur in der dicht bebauten Stadt besteht die Begrenzung von Platz- und Straßenräumen hauptsächlich aus den Gebäu-

defronten. In anderen Fällen bilden Hecken, Mauern oder geschlossene Zäune halbhohe Raumgrenzen, wobei die Augenhöhe eine kritische Marke für die Geschlossenheit ist. Stufen, Kanten, Rinnen und Mäuerchen deuten die Raumgrenze nur an. Baumreihen können eine Platzkontur ersetzen, doch meistens haben sie eher den Effekt eines Schleiers oder einer Grenzverdoppelung zu den zurückgesetzten Hausfronten. Als Allee lassen sie den Vergleich mit den Säulenreihen und deren Leitwirkung in einer Basilika zu, das gilt mehr noch für (beidseitige) Arkaden. In Form der Stadtloggia gehen Säulenhalle und Platzraum ineinander über. Schließlich ist auch die Beleuchtung an der Formierung von Außenräumen beteiligt, etwa wenn Leuchten in einheitlicher Höhe ein Dach andeuten, Lichtkegel Räume ausgrenzen, Raumzonen durch Licht- und Schatteninseln gegliedert werden oder angestrahlte Gebäude als Orientierung und Quelle von > Raumschatten dienen. Während die Disziplinierung durch die Konstruktion eine regelmäßige Form von Innenräumen im Haus bedingt, beziehen Straßen und Plätze ihre freiere Form aus der Verschränkung mit der jeweiligen Bebauungsstruktur. Ihre unregelmäßige, oft ungeplante Gestalt „ergibt sich“ manchmal als Zwischenraum zwischen Baumassen, sie wurde aber auch oft in einer differenzierten Reaktion auf Wahrnehmungsanforderungen entworfen. So bildet die Platzfläche etwa als Vorplatz eine Referenzzone vor bedeutenden Bauwerken, die es erlaubt, vor ihnen zurückzutreten; eine Platzwand kann die konkav rahmende Schale bilden, in die ein Gebäude sich konvex hineinwölbt, wie z. B. Santa Maria della Pace in Rom. Oder der Platz gleicht einer Bühne, auf der ein Gebäude auftritt, wie z. B. die Kirche Santa Maria Formosa in Venedig, die sich in den gleichnamigen Campo gleichsam von der Seite effektvoll hineinschiebt. Plätze und Straßen sind Orte, an denen wichtige Bauwerke sich begegnen, einander (frontal) gegenübertreten, so wie etwa Weinbrenners Stadtkirche und Rathaus am Marktplatz von Karlsruhe. Durch ihre > Gerichtetheit orientiert sich nach Camillo Sitte eine gestreckte Platzform z. B.

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als „Tiefenplatz“ nach einer bestimmten Bauwerksfront an der Schmalseite, als „Breitenplatz“ nach einer Hauptfassade an der Breitseite. L-förmige Plätze präsentieren ein Gebäude von zwei Seiten, mit einer Gliederung in Haupt- und Nebenplatz greifen Gebäudeteile und Platzteile ineinander, sodass verschiedene > Fassaden eines Bauwerks eigene Vorplätze erhalten. Manchmal entsteht durch das Wechselspiel von Figur und Grund ein Patchwork aus mehreren Bauwerks- und Platzfiguren nebeneinander, wie z. B. um den Salzburger Dom herum. Rudolf Arnheim beschreibt das Verhältnis der zentrifugalen Ausdehnungskraft einer Platzfigur zur Gegenkraft der sie begrenzenden Baumassen als empfindliche Kräftebalance. Intime Platzräume von großer Geschlossenheit und geringer Größe wirken wie Stadtzimmer, brauchen aber eine Mindestausdehnung, um sich als Raumfigur mit ausreichendem Gegendruck gegen die Massen der Randbebauung behaupten zu können. Umgekehrt verlieren zu große Plätze den Zusammenhalt, wenn die Ränder gegenüber der Ausdehnung zu schwach werden. Die Prägnanz und Ausdehnungsmacht eines runden Platzes ist in der Regel so stark, dass die Platzumrandung nur passiven Widerstand leistet (> Kräftefeld). Die Rundform bietet aufgrund ihrer deutlichen > Konkavität die größte Geschlossenheit. Die konkave Raumwirkung wird zusätzlich im Querschnitt verstärkt, wenn der Platzboden sich zur Mitte senkt und große Dachüberstände den Raum auch nach oben leicht umschließen. Wölbt sich der > Boden eines Platzes nach oben, dann setzt er dem Betreten eine eigentümliche Spannung entgegen. Als > Inneres empfindet man einen Platz- oder Straßenraum auch besonders dann, wenn die Fassaden, etwa durch die Spuren des Bewohnens, wie die Wände von Innenräumen gestaltet sind oder wenn das Pflaster, im > Ornament verlegt, einem Teppich gleicht. Anders als die Innenräume im Haus sind Plätze und Straßen ineinander übergehende Stadträume, die mehr der Bewegung als dem dauernden Aufenthalt dienen. Maßgeblich für ihre Form ist daher, wie sie Bewegungen lenken und sich mit-

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einander zu > Sequenzen verbinden. Den Auftakt von historischen Platzfolgen bilden häufig (ehemalige) Eingangsplätze in die Stadt, gleich hinter dem Tor, wie etwa die Piazza del Popolo in Rom und der Königsplatz in München, oder am Wasser, wie die Piazzetta in Venedig oder die Piazza dell’Unità d’Italia in Triest. Als Stadtvorplätze haben sie die Bedeutung eines > Zwischenraums, analog zum Foyer eines Gebäudes. Im weiteren Verlauf setzen sich Platz- und Straßenfolgen aus Einheiten zusammen, die ineinandergreifen oder sich voneinander separieren, teilweise > Gelenke bilden und durch Kontraste in Größe, Form und Charakter die > Dramaturgie des städtebaulichen Raumgefüges bestimmen. Die Trennung und den Übergang von einem Raum zum anderen bilden entweder Engstellen zwischen Gebäudekanten, Toren vergleichbar, oder aber mehr oder weniger fließende Verbindungen. Die unregelmäßige Platzform selbst legt durch ihre > Gestik oft eine bestimmte Form des Durchquerens nahe. Platzwände bilden häufig keinen eindeutigen Raumabschluss, sondern versperren den Blick nur vorläufig, lenken ihn aber, sobald man sie erreicht, durch Schrägstellung in eine neue Richtung und führen die Bewegung damit zur nächsten Raumeinheit. In anderen Fällen führen Wege an einer kontinuierlichen Fassadenfront entlangfließend in den Platz hinein und hinaus, oder Straßen lassen einen Platz gleichsam an den Ecken auslaufen und binden ihn ins weitere Straßennetz ein. Straßenverläufe wiederum gliedern sich in abgeschlossene Raumabschnitte, wenn ihre Fronten abknicken oder sich krümmen, verengen oder zueinander versetzen. Die Kunst, mit diesen Mitteln eine lebendige Raumbildung zu erzielen, beherrschte besonders Theodor Fischer, dessen städtebauliche Planungen für München vor allem eine bestimmte „Bewegungsform“ erzielen sollten. Plätze und Straßen sind die Räume des öffentlichen Lebens einer Stadt und zugleich deren Verkehrsflächen. Daher müssen sie so beschaffen sein, dass man sich auf ihnen zu verschiedenen Zwecken und Tätigkeiten aufhalten, vor allem aber in der Bewegung beiläufig begegnen kann. Die Tren-

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nung von Bereichen für den Fahrzeugverkehr und solchen für die Fußgänger begünstigt zwar die ungestörte Bewegung von beiden. In gemeinsam genutzten Räumen (shared spaces) hingegen werden Vorschriften und Verbote durch Blickkontakt und gegenseitige Rücksichtnahme ersetzt. Statt der Trennung durch Bordsteine und der Kanalisierung des Verkehrs in normierten Fahrbahnen ermöglicht die > Orientierung an der ganzen räumlichen Situation ein angemessenes Verhalten. Damit treten auch die architektonischen Merkmale solcher Stadträume stärker in den Vordergrund. Anstelle von Zeichen weisen sie durch den unmittelbaren Ausdruck ihrer räumlichen Gestalt Aufenthaltsorte und Bewegungszonen aus und geben Richtungen an. Literatur: Cullen 1961; Janson/Bürklin 2002; Rauda 1957; Sitte 1889

Poché

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Dicke, oft unregelmäßig geformte Mauermassen, durch die Räume eingepackt und abgepuffert erscheinen wie durch eine gepolsterte Tasche (franz. poché), nennt man Poché. Solche Polster oder Füllsel kommen vor allem dann zustande, wenn die Anordnung von Räumen im Grundriss „nicht aufgeht“, weil einzelne Innenräume sich in Form und Richtung so voneinander unterscheiden, dass die Trennung zwischen ihnen nicht aus einfachen Wandscheiben bestehen kann. Wo sie aneinandergrenzen, wird der verbleibende unregelmäßige Rest deshalb durch Poché ausgeglichen. Im Französischen bezeichnet das Wort poché ursprünglich die Schwärzung oder Schraffur der geschnittenen Teile in einer Grundriss- oder Schnittzeichnung. So wird vor allem im Schwarzplan – dagegen in der erlebten Situation meist nur eingeschränkt – erkennbar, dass im Figur-Grund-Verhältnis von > Körper und Raum durch Poché die Figurfunktion dem Raum zugewiesen wird. Die körperhaften Massen bleiben untergeordnet im Hintergrund und stützen die Raumform. Der einzelne Raum erscheint tendenziell von den anderen und

vom Gefüge separiert, indem der Zusammenhang zwischen den Räumen durch Wechsel der Raumgeometrie oder unerwartete Richtungswechsel unterbrochen und durch Poché nur formlos geflickt wird. Dadurch ermöglicht die Verwendung von Poché jedoch eine freie Disposition der Innenräume hinsichtlich Form, Richtung und Anordnung, ohne dass sich benachbarte Räume in Lage und Form beeinflussen müssen. So lässt sich z. B. in den Räumen auf beiden Seiten einer modellierten Wandmasse gleichermaßen > Konkavität herstellen. Der Einsatz von Poché stärkt die Präsenz des einzelnen Raums im Vergleich zur übergeordneten Einheit des Raumgefüges. Poché lässt sich als zusammenhängender Hintergrund, als eine Art Stützgewebe betrachten, durch das die einzelnen Räume verpackt, verbunden und in ihrer Selbstständigkeit und Prägnanz gesichert werden. Innerhalb eines komplexen Raumsystems ermöglicht es den Zusammenhalt zwischen unterschiedlichen Formen und Richtungen. Durch die modellierte Baumasse der Fassade erlaubt es Poché, zwischen Innenund Außenraum zu vermitteln. Damit ist diese Interferenzzone auch ein Mittel des Ausgleichs, das es erlaubt, auf jeder Seite differenziert zu reagieren, ohne dem Zwang zu folgen, der bei gleichbleibender Wanddicke eine Entsprechung zwischen Innenkontur und Außenkontur verlangen würde. In der Regel erscheint die Mauermasse des Poché zwar als unregelmäßig geformter Rest, als sekundär gegenüber den primären Raumformen und als deren negativer Abdruck, die Wahrnehmung kann aber auch umschlagen und die Masse zur Figur werden lassen, wie z. B. in den Pfeilern von Donato Bramantes Grundriss für St. Peter. Poché wird meistens im Grundriss wirksam, kann aber auch im Schnitt mitspielen, vor allem als Zwischenzone zwischen > Decke und > Dach. Die als Poché wirksame gebaute Masse kann durch > Porosität oder als > raumhaltige Wand selbst wiederum Innenräume enthalten, die gegenüber den Haupträumen indessen als untergeordnete Kammern, Nebenräume, Schränke und Ähnliches im Hintergrund bleiben. Im Maßstab der Stadt können ganze Ge-

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bäude oder Baublöcke als bewohntes Poché aufgefasst werden. Literatur: Hoesli 1997; Rowe/Koetter 1994

Pole

> Achse

Porosität

Manchmal sind die raumbegrenzenden baulichen Massen eines Bauwerks so löcherig und voller Hohlräume, dass seine ganze Architektur einen nachgiebigen, porösen Eindruck macht. Im Allgemeinen wird ein Stoff als porös bezeichnet, wenn er durchgängig von einer Vielzahl kleiner Luftkammern in der Masse durchsetzt ist. Analog lässt sich Porosität als architektonisches Merkmal auf verschiedenen Maßstabsebenen feststellen, wenn ein Bauwerk oder einzelne Teile nicht fest, glatt und undurchdringlich erscheinen, sondern ebenfalls dicht mit vielen kleinen Hohlräumen durchsetzt oder von Furchen und Spalten durchzogen sind. Eine solche Porigkeit setzt der Tendenz unserer persönlichen Raumsphäre, sich auszudehnen oder einzudringen, keinen entschiedenen Widerstand entgegen, sondern reagiert offen und durchlässig. Sie schränkt unseren räumlichen Spielraum nicht mit einer harten Raumgrenze ein, sondern gibt uns das Gefühl, dem einsickernden Blick folgend, selbst in unterschiedlicher Form und > Tiefe vorzudringen. Grundsätzlich bieten > raumhaltige Wände solche Ausdehnungsspielräume, indem sie durch > Resonanz- und > Zwischenräume die Raumbegrenzung abfedern. Auch im Maßstab der Stadt lässt sich eine Bebauung mit kleinräumiger Aufteilung und großer Durchlässigkeit als porös bezeichnen. Doch meistens beruht Porosität auf einer kleineren Maßstäblichkeit. Kammerungen von Nischen, Alkoven und Kabinetten sind zwar noch verhältnismäßig große „Poren“, können aber in enger Anordnung Baukörper oder Wände bereits in eine durchlässige Struktur auflösen. Dabei bieten sie eine Vielfalt von Möglichkeiten des Betretens, Aufenthalts, Ver-

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steckens und Verkriechens. Deutlicher wird die Porosität in der feineren Körnung von Borden, Ablagen, Fächern und offenen Einbauten. Auch wenn Wandgliederungen mit Schlitzen, Fugen und kleinen Öffnungen als dichtes Gewebe auftreten, kann sich der Blick in ihnen verklammern und verhaken. Auf der Maßstabsebene von Oberflächenstruktur und > Stofflichkeit sind faseriges Holz, poriger Stein, grobes Geflecht und Gewebe die typischen Beispiele, sogar das dicke Japanpapier der shoji hat eine weiche Porigkeit. Auch durch flächendeckendes Ornament und Skulptierung kann der Eindruck entstehen, die Oberfläche körperhafter Massen bräche wuchernd auf, z. B. in den Stuckierungen des Rokoko, dem plateresken Ornament in Spanien oder der skulpturalen Auflösung baulicher Elemente in Hindutempeln. In besonderen Fällen, z. B. bei den fein skulptierten Alabastersäulen im Adinathtempel von Ranakpur, erzeugt die plastische Struktur nicht nur den Anblick von Porigkeit, sondern diese Poren sind auch für das Licht von verschiedenen Seiten offen. Mit einer kapillaren Verästelung in kleine und kleinste Kavernen scheinen sie Licht und Blicke aufzusaugen. Einem Schwamm ähnlich, offenbaren sie eine Durchlässigkeit, die sich irgendwo in der Tiefe der Masse oder des Raumes verliert.

Portikus Prägnanz Privatheit

Projektion Promenade architecturale

> Arkade, Eintritt und Austritt, Fassade, Halle, Säule, Tür und

Tor > Gestalt, Kapazität, Monument, Raum-Körper-Kontinuum, Typus > Abschirmung, Einblick und Ausblick, Fassade, Innen und außen, Territorium, Wohnung, Zelle, Zugänglichkeit und Exklusivität > Einrichten, Fenster, Inneres, Perspektive, Raumhaltige Wand, Raumschatten, Wand > Bewegung, Sequenz

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Proportion

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„Architektur ist die Kunst der Proportion“. Damit meint Bruno Taut, dass die > Architektur einer beliebigen Sache auf ihrem durchdachten, stimmigen Aufbau beruht. Bei einem Bauwerk zählen für ihn dazu die richtigen Verhältnisse aller Teile untereinander, das angemessene Verhältnis der Inhalte zur Form sowie des Bauwerks zu seinen Voraussetzungen einschließlich Klima, Kostenrahmen und der Beziehungen unter den Menschen. So gesehen wäre das Architektonische in einem sehr allgemeinen, nicht unbedingt räumlichen Sinn die Verhältnismäßigkeit, der Logos. Donald Judd spricht deswegen auch von der „sichtbar gemachten Vernunft“. Gewöhnlich werden in der Architektur aber unter „Proportionen“ im engeren Sinne die Maßverhältnisse der Teile untereinander und zum Ganzen verstanden, was voraussetzt, dass das Ganze als gefügt und zusammengesetzt betrachtet wird. Der Begriff der „Proportion“ ist zu unterscheiden vom > Maßstab, bei dem es sich um das Verhältnis der Maße eines Bauwerks zu den Maßen von etwas anderem, z. B. einem Nachbargebäude, dem Menschen oder bestimmten Normen, handelt. Die Proportionen vermitteln bestimmte Ausdruckswerte und lassen sich so optimieren, dass sie dem Verstand befriedigende Klarheit bieten und einem Gebäude eine harmonische Ordnung verleihen. Die seit der Antike geläufige, auf Tonintervallen in der Musik beruhende Harmonievorstellung mit ihrer Verankerung im Kosmischen erscheint allerdings wegen der großen Präzisionsabhängigkeit der Klangverhältnisse nicht auf das Visuelle in der Architektur übertragbar. Auch der Wert einer Übersetzung von Maßverhältnissen des menschlichen Körpers auf bauliche Maße, wie in Le Corbusiers Modulor-System, ist umstritten. Einfache ganzzahlige Verhältnisse der Seiten eines Rechtecks sind aber für das Auge meist leicht zu erkennen und werden als verstandesmäßig fassbar empfunden. In der Proportion „sind Denken und Fühlen nicht voneinander getrennt (...) 1 : 2 ist genauso speziell, ist – nicht ‚hat‘ – genauso eine

eigene Qualität wie rot“, sagt Donald Judd (1989, 144). Schrägsicht verändert die Wirkung der Proportionen nicht, wir identifizieren ein Rechteck als solches auch noch in der Verzerrung. Als Maße, deren Verhältnis die Proportion ausmacht, wurden traditionell meist Flächenmaße, Länge und Breite von Bauteilen, Wandfeldern oder der Gebäudekontur herangezogen. Sie verleihen zwar indirekt auch der Proportion ganzer Räume eine maßliche Ordnung, für das räumliche Erleben ausschlaggebend sind aber auch die Maßbeziehungen in der dritten Raumachse. Unser Raumgefühl wird nur dann berücksichtigt, wenn die Raumlänge und -breite mit der Raumhöhe in Beziehung treten, Andrea Palladio wählte dafür den Mittelwert zwischen Längen- und Breitenmaß. Erst durch die Übertragung der Maßverhältnisse von einer Geometrie der Fläche zu einer von Körpermassen und Raumvolumen werden auch maßliche Bezüge zwischen Gebäuden, Innenräumen und dem Raum der Stadt kontrollierbar. Dafür sorgen vor allem die wechselseitigen maßlichen Bezüge einer tiefen, raumhaltigen Fassade nach > innen und außen. Unabhängig vom Wert der einzelnen Proportion werden Rechtecke gleicher Proportion als ähnlich wahrgenommen. Proportionalität heißt daher auch, dass sich im Bauwerk eine Grundform wiederholt, wobei die einzelnen Bauwerksteile in Form und Anordnung ähnliche Figuren bilden oder die Hauptfigur eines Bauwerks in seinen Unterabteilungen wiederkehrt. „Harmonie in der Baukunst ist eben die Analogie der Teile mit dem Ganzen, um mit Vitruv zu reden.“ (Thiersch 1926, 116) Durch solche und ähnliche Formverwandtschaften wird eine Formordnung unmittelbar als konsistent empfunden. Die Wahrnehmung von Proportionen gilt zwar als rationale Komponente des räumlichen Erlebens, als Mittel, durch das Bau- und Raumformen primär verstandesmäßig erfasst werden. Proportionen werden jedoch nicht nur durch analysierendes Abschätzen der jeweiligen Maße, sondern auch als unmittelbarer Ausdruck der Form erlebt. Durch geeignete

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Maßverhältnisse lassen sich nicht nur „gute“ Proportionen erzielen, sondern auch eine unterschiedliche Dynamik des > Formcharakters und eine bestimmte räumliche > Gestik, die wiederum zur > Atmosphäre einer Situation beiträgt. Bestimmte Maßverhältnisse von Bauteilen, wie Wänden oder Bodenfeldern, und Raumvolumen drücken ruhende Kompaktheit aus, andere suggerieren vertikale oder horizontale Bewegung. Theodor Fischer ordnet den Proportionen bestimmte emotionale Ausdruckswerte zu, liegende Formate beschreibt er, je nach Maßverhältnis, etwa als demütig, behaglich, ruhig, stehende Formate als stark, stolz oder übermütig. Literatur: Boudon 1991; Van der Laan 1992; Naredi-Rainer 1982

Propriozeption Proxemik Prozess

> Bewegung, Haptik, Orientierung, Sinneswahrnehmung > Kräftefeld, Maß, Raumsphäre (persönliche), Weite und Enge > Bewegung, Ereignis, Kapazität, Ordnung, Ritual, Situation,

Puffer

Zeit > Bekleidung, Resonanzraum, Zwischenraum

Quartier

> Städtebau, Territorium

Radialität Rahmen

> Formcharakter, Raumgefüge, Typus

Rampe Raster

Raum

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> Auftritt, Bild, Blick, Einblick und Ausblick, Enfilade, Fenster, Malerisch, Perspektive, Schwelle, Tiefe (räumliche), Tür und Tor > Steigen, Treppe > Ordnung, Raumgefüge, Reihung, Typus

Man hat behauptet, der architektonische Raum sei eine Fiktion (Christoph Feldtkeller). Da Raum der bloßen Sinneswahrnehmung nicht unmittelbar zugänglich ist, lässt sich

architektonischer Raum in der Tat nur schwer beschreiben, wahrnehmen und kontrollieren. Stattdessen hat man es mit baulichen Elementen zu tun, durch die architektonischer Raum zustande kommt. Wir sehen zwar Wände, Boden und Decke, intentional aber erleben wir sie sehr wohl als Raum. So besteht die Faszination von Architektur darin, dass sie in der Lage ist, „das an sich unbegreifliche Phänomen des Raumes für die menschliche Vorstellung wenigstens annäherungsweise begreiflich zu machen.“ (Meyer 1998, 349) Was aber architektonischer Raum ist, lässt sich nur angeben, wenn man berücksichtigt, was das Architektonische ausmacht (> Architektur). „Raum“ gilt zwar seit gut hundert Jahren als zentraler Begriff der Architektur und Raumgestaltung als ihr Inhalt (August Schmarsow). Dennoch ist Raum nicht schlechthin das Medium der Architektur, dafür hat der Begriff eine viel zu allgemeine Bedeutung, die für Architektur nicht spezifisch ist. Daher die berechtigte Warnung vor der verwaschenen Begrifflichkeit eines fiktiven „architektonischen Raums“. Die Auffassungen, die unter den zahllosen Definitionen von „Raum“ speziell für die > Architektur von Bedeutung sind, betreffen zum einen die Gegenständlichkeit realer, gebauter Räume, zum anderen das Erleben von Raum als komplexe > Situation und schließlich, die beiden verbindend, das gedankliche, im Entwurf enthaltene räumliche > Konzept. Der „architektonische Raum“ wird auf „physische“, „sinnliche“ und „verstandesmäßige“ Weise aufgefasst, formuliert Hans van der Laan (1992). Das Medium der Architektur ist nicht einfach Raum, sondern die differenzierte Umschließung und Gliederung von räumlichen Bereichen für Bewegung, Aufenthalt und die generelle Lebensentfaltung der Menschen. Die Architektur nimmt diese Umschließung und Gliederung zwar nicht auf rein zeichenhafte Weise vor, sondern durch die bauliche Errichtung von Räumen, die aus dem allgemeinen Raum als Einheiten ausgegliedert werden. Doch auch diese Räume bestehen physisch nicht aus „Raum“, sondern kommen durch

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bauliche Elemente zustande, welche die Räume begrenzen, formen und durch ihre Öffnungen miteinander verbinden. In China und Japan wird jenes Phänomen mit ma bezeichnet, wonach Raum und Ort ihr Wesen aus dem Dazwischen, aus der Leere zwischen den greifbaren, materiellen Elementen gewinnen. Während Raum in der Leere seinen Wert hat, besitzen die baulichen Elemente, auch wenn sie flach sind, einen aus Masse bestehenden > Körper. So entsteht der für die Räume wesentliche leere Raum durch sein komplementäres Verhältnis zu den Körpermassen. Fasst man die Räume zwischen Körpern und die Räume innerhalb von Körpern als einheitliches Medium auf, dann spricht man vom „kontinuierlichen Raum“ (Bernhard Hoesli) oder vom > Raum-Körper-Kontinuum der Architektur. Doch man hat den gebauten Raum nicht als eine separate Wirklichkeit vor sich, sondern architektonischer Raum umfasst als ganzheitliche Situation bauliche Elemente und Bewohner gleichermaßen. Raum tritt dabei, von unterschiedlichen Theorien thematisiert, auf vielfältige Art in Erscheinung. So ist etwa die Vorstellung von Raum als einer erweiterten Sphäre des > Leibes für die Beanspruchung eines bestimmten Raumvolumens als Bewegungsradius maßgeblich. Die Ausdehnung des Wahrnehmungsraums hängt von der materiellen Raumbegrenzung ab, welche die Reichweite der Sinne eingrenzt und der > Erstrecktheit der persönlichen > Raumsphäre Halt bietet. In der Anschauung erleben wir den Raum nicht als neutral, sondern von > Kräftefeldern beeinflusst. Da > Bewegung ein wesentliches Moment architektonischen Erlebens ist, spielt der Bewegungsraum, den wir durch die Kinästhesie wahrnehmen, eine besondere Rolle. Betrachtet man Raum als ein Gefüge von > Orten, dann werden die > Wege zu einem Verbindungsnetz von Orten, das einen hodologischen Raum (Wegraum) konstituiert. Aus der Perspektive des > Gebrauchs erscheint der Handlungsraum als ein System von Raumstellen, die für das Handeln bedeutsam sind. Er erweitert sich in den sozialen und politischen Raum, der durch

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Handlungen von Menschen in ihren sozialen Beziehungen entsteht. Die > Atmosphäre, von der wir im architektonischen Raum durchdrungen werden, macht diesen zum gestimmten Raum. Trotz der Unterschiede in der inhaltlichen Betonung ist den genannten Raumauffassungen gemeinsam, dass zwischen Raum und Bewohnern nicht ein Verhältnis von Behälter und Inhalt besteht, sondern eher von > Szene und Akteuren. Architektonischer Raum gehört zu dem, was Graf Karlfried von Dürckheim als „gelebten“ Raum bezeichnet. Auf diese Art ist der architektonische Raum wesentlich als Räumlichkeit wahrnehmbar, als Sphäre, die wir durch unsere Lebensvorgänge im Wechselspiel mit der Architektur erst erzeugen. Zwischen der gebauten Realität und dem situativen Erleben vermittelt der architektonische Entwurf. Was architektonischen Raum ausmacht, zeigt sich somit auch in der Durchdachtheit des > Raumgefüges. Sowohl das gestaltende Verfassen als auch das verstandesmäßige Erfassen einer räumlichen > Ordnung setzt deren gedankliches > Konzept voraus. Nach Philippe Boudon ist der Gegenstand von Architektur der „gedachte Raum“, dessen Übertragung in den gebauten Raum durch den > Maßstab geregelt wird. Literatur: Dürckheim 2005; Gosztonyi 1976; Kruse 1974; Meisenheimer 1964

Raumakustik Raumatmosphäre Raumblase Raumdichte Raumfaltung Raumflucht

> Klang

Raumgefüge

Jeder Raum wird gemeinhin als Teil eines größeren Ganzen wahrgenommen, in dem das Raumgefüge die Anordnung und Verbindung der Räume bestimmt. Die durchdachte Fügung

> Atmosphäre > Raumsphäre (persönliche) > Dichte (räumliche) > Faltung > Enfilade, Perspektive, Tiefe (räumliche)

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der Teile zu einem Ganzen ist eine konstitutive Qualität von Architektur, die in der > Komposition als Ergebnis absichtsvoller Gestaltung zum Ausdruck kommt (> Konzept). In ihr wird eine architektonische > Ordnung erkennbar, wenn das Raumgefüge einer nachvollziehbaren rationalen Regel unterworfen ist. Viele räumliche Gefüge, die sich in der Geschichte bewährt haben, werden durch einen architektonischen > Typus repräsentiert. Ein Raumgefüge ist immer struktureller Bestandteil einer ganzen Situation, in der es den Beteiligten ermöglicht, ihre Position innerhalb des Gefüges zu bestimmen, um ihr Handeln zu organisieren, sich entweder darin einzufügen oder aber auf die Fügung Einfluss zu nehmen. Die Mittel des räumlichen Fügens beruhen auf einfachen Verknüpfungen und daraus entwickelten Konfigurationen. Entweder sind Räume unverbunden und stehen nur durch Ähnlichkeit, Kontrast oder Komplementarität ihrer Formen in Beziehung. Oder sie sind miteinander verbunden, wobei sich die Art ihrer Verbindung nach Lage und Größe der > Öffnungen, Richtungswechsel, Verzweigungen oder > Gelenken unterscheidet und durch besondere Bearbeitung der Fügung durch Rahmung, Gewände, Raumpuffer oder vermittelndes > Poché variiert sein kann. Durchdringen sich Räume gegenseitig, dann ist die Fügung oft kaum wahrnehmbar, wie z. B. im > fließenden Raum oder bei der barocken Verschmelzung von Zentral- und Längsraum. Schließlich stellt auch die interne Gliederung einzelner Räume eine Form des Raumgefüges dar, etwa in Form einer Zonierung durch unterschiedliche Raumhöhen oder durch > raumhaltige Wände und die Kombination von dienenden und bedienten Raumkomponenten, wie in der Architektur von Louis I. Kahn. Nicht nur von der absoluten Flächengröße, sondern besonders von der differenzierten Gliederung hängt die optimale Ausnutzung von Räumen ab, indem sie unterschiedliche Interpretationen, Fokussierungen und Aneignungsarten zulässt. Durch geschickte Gliederung können Räume geräumiger erscheinen.

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Für die Konfiguration des Raumgefüges, die Zu- und Unterordnung der Räume, spielt der Grundriss eine entscheidende Rolle. Für jedes Geschoss zeichnet er nach Art einer Choreografie die Raumverknüpfungen vor, lenkt die Bewegungen der Bewohner und bindet die einzelnen Orte in ein kohärentes Ganzes ein. Als Verkörperung der kompositorischen Intention des Entwurfs gibt der Grundriss gleichsam Regieanweisungen für die Organisation des > Gebrauchs, indem er Trennung und Zusammengehörigkeit von Nutzungen regelt und den verschiedenen Tätigkeiten die geeigneten Räume zuweist. Aber das Raumgefüge umfasst neben den Grundrissen auch die Verteilung der Räume auf unterschiedlichen Ebenen. Die Form der vertikalen > Erschließung bildet dafür eine Schlüsselfigur, so ist etwa die anschauliche Struktur einer Treppenanlage imstande, die Raumanordnung in einem Gebäude verständlich zu machen. Im Raumgefüge des Loos’schen > Raumplans wird die raffinierte Verschränkung in der Höhe durch ihre Überblicks- und Durchblicksmöglichkeiten erkennbar. Ein besonders charakteristisches Merkmal vieler Raumgefüge in der Architektur ist die hierarchische Struktur von erschließenden und erschlossenen Räumen, die auf verschiedenen Maßstabsebenen zusammengefasst sind, die Zimmer in der Wohnung, die Wohnungen im Haus, die Häuser im Stadtraum und so fort, wobei die meisten Räume sowohl erschließend als auch erschlossen sind. Mit jeder Ebene korrespondieren Aufenthaltsdauer, Grad der Abschließung und bestimmte Formen der Tätigkeit. Auch das System der Bewegungsräume wie Straßen, Wege, Korridore bildet eine solche Hierarchie. In dieser „Kaskade der Ebenen“, die durch alle Maßstäbe hindurch von den Räumen der Stadt bis zu den Schränken und Fächern eines Zimmers reicht, sehen Dorothea und Georg Franck den „Inbegriff des architektonischen Raums“. Damit ist das Raumgefüge auch eine Funktion der > Zugänglichkeit, für die nach Bill Hillier die „Tiefe“ eines räumlichen Gefüges das Maß ist. Sie gibt die Anzahl der Räume an, die zu durch-

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queren sind, bis man die Struktur, z. B. vom Eingang bis zu seinem Zimmer, durchdrungen hat. Neben formalen Anordnungsprinzipien, etwa > Zentrierung (radial, ringförmig), > Reihung, Raster, Stapelung oder freier Gruppierung, ist für die Erfahrung im Gebrauch die Ausrichtung des Raumgefüges an konkreten Tätigkeiten und sozialen Beziehungen ausschlaggebend, wie etwa die Verteilung von Individual- und Gemeinschaftsräumen in der > Wohnung. Im Gegensatz zur geometrischen Komposition eines Raumgefüges geht eine von innen entwickelte, „organhafte“ Architektur, wie sie etwa Hugo Häring vertrat, „von den lebendigen Vorgängen des Wohnens“ aus. Deren Bewegungsabläufe werden durch die Räume so umfasst, dass sie sich darin frei entfalten können. „Man zieht wände um wohngruppen herum, man ordnet nicht wohngruppen in rechtecke ein.“ (Joedicke/Lauterbach 2001, 80) Nach dieser Vorstellung erfüllt der Bau seine Funktion als ein Organ des Menschen.

Raumgestik

> Gestik (räumliche)

Raumhaltige Wand

Wenn eine > Wand dick genug ist und Hohlräume enthält, kann man Dinge darin unterbringen und sich selbst in ihr aufhalten. Eine raumhaltige Wand besitzt zwischen innerer und äußerer Wandoberfläche Kammern, Nischen oder kleine Nebenräume, die nicht nur als > Porosität in Erscheinung treten, sondern die Wand zum Raum machen. Sie ist nicht nur Grenze eines Raums, sondern durch ihre Aushöhlung, > Schichtung oder > Faltung erweitert sie diesen durch ihren eigenen Hohlraum, macht die Raumgrenze weich, unscharf oder staffelt sie in der > Tiefe. Die Bandbreite reicht von der plastischen Modellierung eines Wandreliefs mit kleinen Nischen bis zur Tiefe einer mehrschichtigen Wand mit Loggien, Erkern, > Galerien oder > Arkaden. Im einfachsten Fall entsteht durch Verdoppelung ein Abstand zwischen zwei Wandschichten. Jede Seite

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der doppelten Wand lässt sich mehr oder weniger perforieren oder auflösen und öffnet sich damit auf jeweils verschiedene Art zu den angrenzenden Räumen. Durch den unterschiedlichen Verlauf der Kontur auf den beiden Seiten verändert auch der Hohlraum seine Form. Da die raumhaltige Schale auch ein eigenes Massenvolumen besitzt, Rudolf Schwarz nennt es „Kruste“, ist sie zugleich Wandkörper und Wandraum (> Raum-Körper-Kontinuum). Neben der raumhaltigen Wand können andere Bauteile wie Stützen oder > Decken gleichfalls als raumhaltig betrachtet werden, wenn sie nutzbare oder begehbare Hohlräume enthalten. Die Hohlräume raumhaltiger Bauteile stellen zwischen Innen- und Außenraum eine weitere Raumart dar, die meistens den Charakter eines > Zwischenraums hat. Sie gehört zugleich dem Innenraum und dem Außenraum an, bildet aber weder deren fließenden Raumübergang noch deren Trennung, sondern hat eine komplementäre Funktion für beide Seiten. Nach außen vermittelt die raumhaltige Wand zwischen dem Innenraum des Hauses und dem Außenraum der Stadt (> Fassade), stellt Formübergänge her und bietet Aufenthaltsmöglichkeiten, halb drinnen, halb draußen. Nach innen ist sie meistens als „dienende“ Raumzone einem Hauptaufenthaltsraum zugeordnet, indem sie ihn von seiner Peripherie her „bedient“. Diese hierarchische Beziehung ist als ein Charakteristikum der Architektur von Louis I. Kahn bekannt (servant spaces / served spaces). In dieser Position dient die raumhaltige Wand z. B. der Erschließung und Versorgung, als Stauraum und Rückzugsnische. Oder sie wird für eine gezielte Führung des Lichts genutzt, wie z. B. in vielen Varianten barocker Raumschalen. Sie unterstützt aber auch die Wahrnehmung der Raumhülle als > Abschirmung, Raumpuffer (> Resonanzraum) und sorgt durch Auskleidung der Raumhülle für die Introversion des Raums. Sofern eine raumhaltige Wand nicht nur Raum, sondern auch Masse enthält, ermöglicht sie als > Poché auch die Formvermittlung zwischen benachbarten Räumen.

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Manche Aushöhlungen in der Wand entsprechen in Lage und Form einer Projektion des menschlichen Körpers. So bietet der eingebaute Sitz die Möglichkeit, sich in die Wand zu setzen, der Alkoven eine Nische, um sich hinzulegen. Das hüfthohe Regal (sideboard) entspricht in seiner Höhe der menschlichen Greifregion. Die persönliche > Raumsphäre kann sich so in die Hohlräume der Raumschale ausdehnen. In letzter Konsequenz umgibt uns alles, was wir brauchen, unmittelbar in den Wänden des Hauses. Wo wir hingreifen, antwortet die raumhaltige Wand mit dem jeweils passenden Service. Das Resultat wäre ein Haus, das seine Nebenräume und -funktionen ganz in den Wänden unterbringt. Die raumhaltige Wand ließe sich wie eine plastische, nachgiebige Masse auffassen, die als negativer Abdruck der Raumbeanspruchung durch die Bewohner deren Spuren des > Gebrauchs verzeichnet. Was sich in den Nischen, Einbauten und plastischen Erweiterungen ablagert, speichert die > Erinnerung an durchlaufene Lebensphasen. Literatur: Alexander 1977; Stephan 2009

Raumhöhe Raumhülle Raumklang

Raum-Körper-Kontinuum

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> Boden, Decke, Halle, Raumplan > Abschirmung, Bekleidung, Filter, Inkorporation, Tektonik,

Transparenz, Wand > Boden, Klang

Architektur ist ein Wechselspiel von Masse und Hohlraum, voll und leer, > Körper und > Raum. Körper sind nur wahrnehmbar, wenn sie sich gegen den ungeformten Raum abzeichnen. Raum erlangt Figurqualität nur, indem seine Kontur von Körpern gebildet wird. Raum und Körper stehen aber zueinander nicht nur in einem komplementären Verhältnis, sondern gehen kontinuierlich ineinander über. Zunächst erscheinen zwar die Unterschiede klar: Der Körper wendet sich als konvexe Figur nach außen, der Raum als Figur dage-

gen konkav nach innen (> Konkavität und Konvexität). Doch Baukörper enthalten im Inneren Räume und bilden zugleich mit anderen Baukörpern auch nach außen hin Räume. „Architektur ist die Kunst doppelter Raumgestaltung durch Körpergestaltung.“ (Schumacher 1926, 28) Das Raum-Körper-Kontinuum lässt sich durch die zweifache Rolle der Oberfläche verdeutlichen (1), durch das Umkippen der Figur-Grund-Beziehung (2) und durch den Übergang von einem Maßstab zum anderen (3). 1. Die > Oberfläche spielt eine entscheidende Rolle, indem (konkave) Innenseiten zu (konvexen) Außenseiten werden und umgekehrt. Die konkave Rauminnenseite etwa weist oft konvexe Stellen auf, die im Raum körperhaft hervortreten, z. B. an Vorsprüngen oder Säulen; auf der Körperaußenseite wiederum können konkave Stellen auftreten, z. B. Rücksprünge oder Nischen, die nach außen Raum umgreifen. Auch wenn ein Baukörper zusammen mit anderen die konkave Kontur eines außen liegenden Inneren von > Hof oder > Platz bildet, treten konkave und konvexe Formen in ein Wechselverhältnis, bei dem das vermittelnde Element zwischen Körper- und Raumfiguren deren gemeinsame Oberfläche ist, die zugleich die Außenseite der einen Form und die Innenseite der anderen bildet. Beide beanspruchen die Oberfläche in einer Art „Konturrivalität“ als gemeinsame Grenze für sich. Diese lässt sich als stetiger Verlauf wahrnehmen, obwohl die Situation unvermittelt zwischen konkav und konvex umschlagen kann, etwa wenn man sich um einen „Hauskörper“ herumbewegt, der wiederum mit seiner Wand einen Platz begrenzt. Die beherrschende Figurqualität liegt entweder bei der Körper- oder bei der Raumform. Dominiert die Körperfigur, wird die Prägnanz der Umraumgestalt verringert, dabei sieht man dem Körper von außen an, wenn er als Behälter eine prägende innere Raumgestalt einschließt. Tritt dagegen die Körperfigur ganz hinter ihrer Rolle als Raumkontur zurück, dann verliert die Körpergestalt an Prägnanz und der Körper wird als > Poché dann allenfalls untergeordnete Raumeinheiten

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enthalten. Man kann sich Bauformen vorstellen, die in dieser Hinsicht ambivalent und unentschieden bleiben, sowohl Körperfigur als auch Raumkontur sind oder keins von beiden (Chora), z. B. die L-Formen, aus denen sich das Haus Guardiola von Peter Eisenman zusammensetzt: „Es durchbricht die Idee der Unterscheidung von Figur und Rahmen, da es gleichermaßen Figur wie Rahmen ist (...) Bausubstanz, die weder umschließt noch umschlossen ist.“ (1989) 2. In der Regel bildet die städtische Bebauung, vor allem durch Wohn- und Arbeitsstätten, als Textur den homogenen Grund der Stadt, vor dem sich die > Gestalt einzelner Bauwerke oder Räume, z. B. > Monumente oder prägnante Plätze, als Figur abheben. Im Raum-Körper-Kontinuum kommt dieses Figur-Grund-Verhältnis zum Kippen. Es gibt weder einen durchgehenden Hintergrund noch eine klare Vorherrschaft der Figur von Körper oder Raum. Vielmehr gilt das, was Aldo van Eyck als „Reziprozität“ bezeichnet hat: Das eine wird mithilfe des anderen erreicht. Reziprozität kommt in der Darstellung des städtebaulichen Raumgefüges als Schwarzplan nach Art von Giambattista Nollis Romplan zum Ausdruck. Innerhalb der Baumasse (schwarz) sind die öffentlichen Innenräume genauso dargestellt (weiß) wie die Plätze und Straßen. In einem Kirchenraum etwa hält man sich zugleich im Objekt (schwarz) und im Raum (weiß) auf, die Wandgestaltung im Inneren gleicht häufig der Fassadengliederung. Plätze und Innenräume haben oft höhere Gestaltprägnanz als Baukörper. In einer „durchschichteten“ (Paul Hofer) städtebaulichen Struktur überlagern sich Objektfigur (schwarz) und Raumfigur (weiß). In ihr sind Platz- und Straßenräume von den Gebäuden nicht durch scharfe Konturen geschieden, sondern der ambivalenten Zuordnung von Schwarz und Weiß im Schwarzplan entspricht die grundsätzliche Möglichkeit, sich in einer Position verorten zu können, die im Körper und zugleich im Innen- und Außenraum liegt (> Transparenz). Das Prinzip lässt sich von der städtebaulichen Dimension bis zum innenarchitektonischen Maßstab von Wandnischen,

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-aussparungen, Fenster- und Türlaibungen verfolgen. Bauteile und Raumeinheiten, die sich mehrfach zuordnen lassen, machen die entsprechenden Erfahrungen besonders erlebbar. Durch sie wird die strenge Einteilung aufgebrochen, wonach sich Außenraum außerhalb von Baukörpern und Innenraum innerhalb von Baukörpern befinden müsse. Passagen oder > Arkaden etwa, Veranden, > Galerien oder Höfe sind > Zwischenräume in Baukörpern, die nicht scharf mit deren Außenwand abschließen, sondern nur teilweise umbaut, überbaut oder durch Perforation nur partiell geschlossen sind, halb drinnen und halb draußen liegen. Damit einher gehen der fließende Übergang oder die Überlagerung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Charakter dieser Raumschnittmengen. 3. Eine weitere Art des Raum-Körper-Kontinuums wird im Verhältnis unterschiedlicher Maßstäbe zueinander erkennbar. Der Stadtkörper ist auf einer oberen Maßstabsebene die Figur, die vom Außenraum der freien Landschaft umgeben ist, ein Phänomen, das sich besonders prägnant in der militärischen Befestigung historischer Städte zeigt. Auf einer niedrigeren Maßstabsebene bilden Garten, Platz und Straße den Außenraum, der dem Körper eines Gebäudekomplexes, etwa eines Baublocks oder frei stehenden > Monuments, als Hintergrund dient. Innerhalb dessen wiederum bildet der Hof den Außenraum, der dem einzelnen Baukörper oder Bauteil gegenübersteht. Innerhalb des Hauses setzt sich die Sequenz fort, wenn durch > Inkorporation und > Inversion einzelne umbaute Raumgruppen als körperhafte Massen sich mit Leerräumen abwechseln. Die einzelnen umschlossenen Räume und Raumkomplexe in ihren verschiedenen Dimensionen treten immer zugleich als körperhafte Massen auf und miteinander in Beziehung. Beim Durchqueren der Stadt und ihrer Bauwerke wechselt der Passant von Maßstab zu Maßstab zwischen Körpern und Räumen. Literatur: Hoesli 1997; Hofer 1979; Merrill 2010; Schumacher 1926

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Raumplan

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Im Raumplan, wie Adolf Loos ihn prägte, geht es um die Gliederung des architektonischen Raums in der Höhe. Unser Körper erlaubt uns kein Abheben von der Grundfläche, mit dem Raumplan aber beginnt ein freies Spiel mit den Höhen. „Denn das ist die große revolution in der architektur: das lösen eines grundrisses im raum! Vor Immanuel Kant konnte die menschheit noch nicht im raum denken und die architekten waren gezwungen, die toilette so hoch zu machen wie den saal. (...) Und wie es einmal der menschheit gelingen wird, im kubus schach zu spielen, so werden auch die anderen architekten den grundriß im raume lösen“, heißt es bei Adolf Loos. (Rukschcio/Schachel 1982, 31) Loos beklagte, dass die meiste Architektur zu sehr im Grundrissentwurf und einer Übereinanderschichtung einfacher > Ebenen verharre. In seinen Entwürfen entwickelte er darum ein virtuoses und differenziertes Spiel mit Niveausprüngen zwischen den einzelnen Wohnräumen, die statt konventioneller ebenerdiger Übergänge um einige Stufen angehoben oder abgesenkt werden. Dies schafft komplexere > Raumgefüge und eine Vielfalt neuer Perspektiven zwischen den einzelnen Räumen. Gegeneinander versetzte offene Niveaus erlauben eine nuancierte Steuerung von Trennung und Verbindung. Die Höhe eines Raums so auf Länge und Breite abzustimmen, dass seine Proportionen für den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Wirkung optimiert werden, würde verlangen, dass bei gegebener Grundfläche die Raumhöhe entsprechend gewählt werden kann. Das wird jedoch ausgeschlossen, wenn die Geschossdecken in jedem Geschoss durchlaufen. Erlaubt man der Geschossdecke aber, von Raum zu Raum in ihrer Höhe zu springen, lässt sich durch eine raffinierte Verschachtelung, in der jeder Raum die angemessene Höhe erhält, ein gegebenes einfaches Außenvolumen optimal ausnutzen. Grundsätzlich erlaubt es auch eine > Galerie, Räume in der Vertikalen offen miteinander zu verbinden. Die Raumak-

tivierung in allen Richtungen lässt sich durch frei in einem großen Volumen verteilte Raumeinheiten und Verbindungen wie etwa im Entwurf von OMA für die Bibliothèque de France noch weitertreiben. Durch den Raumplan gelingt es, beliebige Stellen im Raum aufzusuchen, sich nicht nur auf der Fläche, sondern gleichsam durch den Raum zu bewegen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei zwangsläufig Stufen und > Treppen. Wenn sie nicht als Verbindung ganzer Geschosse in unbewohnbaren Treppenhäusern untergebracht, sondern in den Randbereich der Aufenthaltsräume integriert und in kurze Abschnitte gegliedert werden, zwischen denen die Richtung wechselt, empfindet man das beiläufige > Steigen als abwechslungsreiches Raumerlebnis und wenig beschwerlich. Größere Treppenpodeste eignen sich zum Innehalten und für den Überblick. Sind diese zugleich die Zugänge zu den verschiedenen Raumebenen, wird der Wechsel zwischen den Räumen gleichzeitig zu einem Wechsel der Höhenverhältnisse. Vielfältige Treppenführungen und Niveaugliederungen ermöglichen es, im Raum des Hauses, das nach außen sehr einfach und klar gegliedert sein kann (etwa ein Kubus), prinzipiell überallhin zu steigen. Sie eröffnen im Rahmen einer wohlkalkulierten > szenischen Regie dramaturgische Möglichkeiten, welche an die Raumfantasien der carceri von Giovanni Battista Piranesi denken lassen. Literatur: Kulka 1931

Raumpuffer

> Poché, Raumschatten, Resonanzraum, Zwischenraum

Raumschatten

Jedes Bauwerk besitzt einen eigenen räumlichen Einflussbereich, einem Schattenwurf vergleichbar. In Analogie zur Schattenfläche, die ein Bauwerk im Licht erzeugt, soll dieser Einflussbereich „Raumschatten“ heißen. Ähnlich wie das Wesen des Schattens nicht in der Abwesenheit des Lichts, sondern

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in der Erzeugung einer eigenen Raumzone liegt, schafft auch der Raumschatten eine eigene räumliche Sphäre. So wie Eigenschatten und Schlagschatten auf Wand- und Bodenfläche im räumlichen Zusammenwirken die konkave Begrenzung eines räumlichen Volumens andeuten, wirft gewissermaßen die Fassade eines Hauses einen Raumschatten auf die davor liegende Bodenebene. Die Wirkung ist die eines > Kräftefeldes im Einflussbereich der Raumschatten werfenden Wand. Architektonische Raumbildung beginnt beim Zusammenwirken von zwei Flächen, die einen > Winkel bilden, und so schließen auch Wand und Boden in dem konkaven Winkel, den sie miteinander bilden, ein Raumvolumen ein. Eine angenäherte Vorstellung von der Ausdehnung dieser Zone gibt die Figur, welche die vertikale Außenwandfläche eines Hauses beim Umklappen in die Bodenfläche beschreibt. Trotz der Unschärfe seiner Konturen deutet sich in diesem schattengleichen Einflussbereich ein Volumen an, in das man ähnlich wie in den Schatten eintauchen und in dem man sich aufhalten kann. Der Einfluss von Baukörper und Fassade auf dieses Volumen hat den Charakter einer Abstrahlung. So wie die tagsüber von der Sonne aufgeheizte Hauswand bis in den Abend in den unmittelbar vor ihr liegenden Raum Wärme abstrahlt, so teilen Bauwerke dem Umraum, Fassaden dem Vorfeld etwas von ihrer raumprägenden Kraft mit. Wenn der Raumschatten gerade nicht im Dunkeln liegt, sondern von der Sonne beschienen wird, erwärmt sich tatsächlich das ganze Raumvolumen durch die Aufheizung der Wand. Neben der Temperaturempfindung ist auch die Akustik in solchen Einflusszonen oft durch eine bestimmte Art der Schallabsorption oder -reflexion getönt. Je nachdem, in welche Richtung man sich wendet und welche Position man in dieser Zone einnimmt, gewährt die Wand Rückendeckung oder führt zur > Konfrontation, sie bietet virtuelle oder reale Anlehnungsmöglichkeiten, Nähe, Halt, Schutz oder seitliche Begleitung. Als Folie und Hintergrund wird die Wand zur Projektionsebene für das Geschehen und

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die Personen auf der Vorfläche, der Raumschatten wird zur > Szene. Durch Dachüberstände, Risalite oder Nischen wird die Konkavität des Schattenraums verstärkt, an seinem äußeren Rand mag er durch Stufen oder Mäuerchen gefasst werden. Die Projektion der Fassade in die Vorfläche wird durch deren korrespondierende Gliederung unterstützt, wie etwa zwischen Dom und Piazza Communale in Pienza. Falls die > Fassade auf eine bestimmte Wirkung angelegt ist, bietet der Schattenraum den Wirkungsrahmen. Handelt es sich nicht um eine ebene Fassadenfläche, sondern beispielsweise um einen Rundbau, dann richtet sich die Abstrahlung des Einflussbereichs nach allen Seiten und bildet ein radiales > Kräftefeld mit Ausbreitungsdrang und Abstoßungswirkung, die mit der Entfernung abnehmen.

Raumschichtung

> Schichtung

Raumsphäre, persönliche

Jeder Mensch hat Raum um sich, den er als seine persönliche Sphäre erlebt. Von dieser Raumsphäre sind wir auf unterschiedliche Weise immer umgeben. Martin Heidegger drückt es so aus: „So wie ich nie über meinen Schatten springen kann, weil er vor mir weg mitspringt, kann ich in der primären Umwelträumlichkeit, in der ich ständig bin, nicht umherwandern, weil ich sie ständig mitnehme und gleichsam aus dem objektiven Weltraum überall herausschneide.“ (1979, 221) Ausdehnung und Form dieses Raums hängen eng mit der Sinneswahrnehmung zusammen. Sie decken sich aber nicht einfach mit dem Sehraum oder einem anderen Sinnesbereich, sondern sind von verschiedenen Arten der Intentionalität abhängig. Welche Ausdehnung dieser Eigenraum hat und woran er sich orientiert, reicht von der unmittelbaren Raumbeanspruchung des Einzelnen bis zur sozialen Raumsphäre. Die verschiedenen Reichweiten korrespondieren mehr oder weniger mit gebauten Raumgrenzen.

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Um die Beziehung zwischen architektonischem Raum und der persönlichen Raumsphäre seiner Bewohner zu beschreiben, muss zwischen verschiedenen Reichweiten der persönlichen Raumsphäre unterschieden werden: Die rein physische Beanspruchung eines Raumvolumens lässt sich als die Verdrängung von Raum durch den menschlichen Körper und die Raumbeanspruchung durch dessen Bewegung beschreiben, z. B. als Abdruck, den er durch seine Bewegung in einer plastischen Masse hinterlassen würde. Die „Raumlineatur“ von Oskar Schlemmer und die Schwungkreise der „Kinesphäre“ Rudolf von Labans hielten die Bewegungsradien der Gliedmaßen als charakteristische Raumfiguren fest. Das beanspruchte Raumvolumen reicht nicht immer bis zu den Wänden des Umraums (> Inneres). Aber > Treppenstufen und -formen sind wie Matrizen für den treppensteigenden Körper, ein Sessel stellt die Negativform der Sitzhaltung dar, und Nischen in Wänden oder Möbeln sind oft Abformungen des Greifraums. In der Wahrnehmung tasten wir die Bewegungsmöglichkeiten in einem Raum über den ersten Sehkontakt im virtuellen Vorgriff ab und speichern sie in der Körperbewegung. Was wir als unsere persönliche Raumsphäre erleben, geht aber in einer Erweiterung der Leiblichkeit über die Haut hinaus. So empfinden wir etwa unsere Kleidung als zum > Leib gehörig und erweitern dessen Peripherie durch Prothesen, Instrumente oder bis zur Außenseite des Fahrzeugs, das wir steuern. In der Wahrnehmung erstreckt sich die persönliche Raumsphäre zunächst so weit wie die Sinne. Ausgehend vom Raum des Leibes reicht ihre > Erstrecktheit bis zu den Dingen, denen wir uns zuwenden, und ist dementsprechend unterschiedlich gerichtet und ausgedehnt. In der Wahrnehmung richten wir nicht nur unseren > Blick auf die Dinge, sondern sind mit unserer persönlichen Raumsphäre bei ihnen, sodass Medard Boss feststellt: „Nicht die geringste Wahrnehmung von irgend etwas wäre möglich, (...) wenn ich nicht als Wahrnehmender schon im Vorhinein bei dem Wahrgenommenen mich aufhielte.“ (1975, 245)

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Doch der persönliche Raum existiert für uns auch unabhängig von der aktuellen Wahrnehmung als ein vom „Herumraum“ abgegrenzter „Selbstraum“, wie ihn Graf Karlfried von Dürckheim anhand der Wohnung charakterisiert: „In unserer Wohnung erleben wir uns abgeschlossen gegen das Außen, und wie, wenn wir in ihr sind, wir bei uns selber sind, so tritt, wer sie betritt, gleichsam in uns selber ein.“ (2005, 93) Neben der Wohnung kann sich der Selbstraum auch auf beliebige Teile des Hauses oder auch auf dessen Umgebung erstrecken, so breite ich mich z. B. im Dachgeschoss aus, oder ich erlebe, dass etwa der Neubau des Nachbarn mich einengt. Die Grenze, wo der „Selbstraum“ in den „Herumraum“ übergeht, kann sich verschieben. In einem weiteren Sinne umfasst der persönliche Lebensraum die Räume, die dem Menschen im Rahmen seines persönlichen Lebens etwas bedeuten, z. B. die Arbeitsstätte, der Weg dorthin, häufig frequentierte Orte im Unterschied zu selten besuchten Gegenden der Stadt: „ein persönliches Stadtganzes entsteht, innerhalb dessen ihm besonders verbundene Zentren und durch eigenes Erleben erfüllte Räume sich abheben von relativ gleichgültigen Gründen“ (Dürckheim 2005, 97). Die soziale Dimension einer persönlichen Raumsphäre wurde von der Kulturanthropologie als Raumblase (personal reaction bubble) beschrieben. Die Proxemik untersucht, welche Distanzen die Menschen als ihre Eigensphäre (personal space) gegenüber anderen im sozialen Kontakt betrachten und wann sie deren Verletzung als störend empfinden (Hall 1966). Die Ausdehnung wechselt je nach Gegenüber und Anlass und ist kulturell determiniert. Man unterscheidet vier verschiedene Raumzonen, die sich konzentrisch vom Individuum ausgehend mit zunehmender Ausdehnung im Raum staffeln (intim, persönlich, sozial, öffentlich). Diese Beobachtungen erhellen, nach welchen Regeln etwa Menschen sich zusammen mit anderen in einem Raum niederlassen oder in welcher Dichte die räumliche Verteilung von Arbeitsplätzen oder Restauranttischen als angemessen oder als drangvoll empfunden wird.

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Für jede der unterschiedlichen Arten und Dimensionen der persönlichen Raumsphäre gilt, dass die bauliche Raumgestalt ihr durch > Weite und Enge, > Gerichtetheit und > Gestik mehr oder weniger entsprechen kann. Literatur: Dürckheim 2005; Gosztonyi 1976; Hall 1966

Raumstimmung Raum-Zeit-Verhältnis Raumzonierung Reflexion

Reihung

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> Atmosphäre > Bewegung, Zeit > Abschirmung, Boden, Decke, Dunkelheit, Fließender Raum,

Licht, Wärme und Kälte > Blick, Dunkelheit, Farbe, Licht, Oberfläche

Gleichförmig fortschreitend strebt die Reihung zu einem nicht immer erkennbaren Ziel. Als Gliederung eines Ganzen hingegen stellt sie eine starre Ordnung her. Ausgerichtet entlang einer stetigen Linie, gerade, gekrümmt oder zirkulär, ist sie eine Wiederholung gleicher Einzelelemente oder eine Teilung des Ganzen in gleiche Teile. Sie lässt sich im Nebeneinander einer statischen Anordnung oder im Nacheinander einer Bewegung begreifen, sei es als monotone Einförmigkeit oder als dynamischer Verlauf. Die alternierende Reihung von rechts und links, die wir im Gehen durch die Schritte setzen, erscheint in der einfachen Reihung abstrahiert. In der Architektur entspricht ihr z. B. die Folge von Stufen einer Treppe. Stützen- oder > Säulenreihen, > Arkaden, > Galerien oder die Bäume einer Allee begleiten das Gehen durch ihren gleichmäßigen Takt. Doch erst der > Rhythmus macht daraus eine lebendige Bewegung. Der gleichförmige Takt der reinen Reihung ist dagegen die einfachste visuelle und kinästhetische Artikulation eines zeitlichen Verlaufs, wie ihn das Ticken der Uhr anzeigt. Das serielle Prinzip lässt sich im Raster als Ausbreitung in die Fläche betrachten, im Raumgitter als Ausbreitung in der dritten Dimension. Ähnlich wie die Reihung schafft der Raster als neu-

trale Gliederung eines Feldes die vorerst inhaltsleere Grundlage für den ordnenden Überblick und für unterschiedliche Positionierungen. Er bietet zugleich die Freiheit, sehr individuelle „Füllungen“ einzufügen, sodass jeweils ein ganz verschiedenes Gesamterlebnis zustande kommt. Im Gegensatz zu der hierarchischen Ordnung einer Reihung, die auf einen Kopf, ein Ende zuläuft oder in einem Zentrum kulminiert, folgt die reine Reihung einer offenen, egalitären Ordnung. In beiden Fällen lässt die strenge Regel gleichwohl ein gewisses Maß an Ungleichartigkeit der Einzelelemente zu, etwa die wechselnden Wandfarben in einer > Enfilade oder den individuellen Dekor von Reihenhäusern, ohne dass das Prinzip der Reihung infrage gestellt wird. Vor dem Hintergrund einer seriellen Regel wird die Variation der Einzelelemente erst bemerkenswert. Im einen Fall als Ergebnis mechanischer Wiederholung durch einen rein technischen Vorgang entstanden, lässt sich die Reihung in anderen Fällen auch als bewusst wiederholte Setzung begreifen, durch die jede einzelne Position bekräftigt und fortschreitend in der Bedeutung gesteigert wird. Einerseits riskiert die Monotonie gleichförmiger Reihung zwar, ermüdend zu wirken, doch andererseits enthält gerade die endlose Fortsetzung des immer Gleichen ein Moment der Irritation oder Magie, hat die suggestive Wirkung einer Litanei oder eines beharrlichen Ostinatos. Durch die optische Überlagerung hintereinander gestaffelter Reihungen von Stäben in hoher Dichte lassen sich Interferenzen und der Eindruck von Vibration erzeugen. Durch den Schatten wird der Hintergrund in Streifen zerlegt. Während Giorgio de Chirico den gereihten Arkaden in seiner Malerei einen Ausdruck der Melancholie entlockte, legte Étienne-Louis Boullée besonderen Wert auf den mit endlosen Säulenreihen erzielten Effekt des > Erhabenen und der > Größe. Da sie mit ihren offenen Enden immer weiterführen könnten, drücken endlos wirkende Reihungen mitunter die Sehnsucht nach einer unendlichen Ferne aus. Literatur: Berndt u. a. 1977

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Repräsentation

> Monument, Ritual, Säule, Symbol, Zeichen

Resonanzraum

Über die physische Raumbeanspruchung hinaus verlangt das persönliche Wohlbefinden einen Spielraum für die räumliche Entfaltung, der dem Ausschwingen und Nachklingen von Bewegungen und Tätigkeiten dient. Eine funktional-pragmatische Bemessung von Raum gibt den Platzbedarf bei verschiedenen Körperstellungen und Tätigkeiten an oder, wie es in der Bauentwurfslehre von Ernst Neufert heißt, „welchen Platz der Mensch zwischen den Möbeln braucht, um die nötigen Handreichungen und Arbeiten bequem vornehmen zu können, ohne dass Raum verschwendet wird.“ (Neufert 1992, 24) Als Resonanzraum wird hingegen dasjenige Raumvolumen wirksam, das nicht unmittelbar durch körperliche Raumverdrängung und reale Bewegung oder durch die Ausführung von Tätigkeiten physisch beansprucht wird, sondern das den Raumbedarf um eine Raumreserve erweitert. Der Begriff „Resonanzraum“ (von lat. resonare, mitklingen, mitschwingen) ist in Analogie zum Resonanzkörper zu verstehen, der den Klang, indem er selbst zum Mitschwingen gebracht wird, verstärkt. So wird im Resonanzraum ein erweitertes Raumvolumen angeregt, das mitschwingt und das wir für ein Ausschwingen oder Amplifizieren des räumlichen Gefühls benötigen, das sonst gedämpft und in seinem Ausdehnungsdrang gebremst würde. Nicht selten fühlt man sich räumlich bedrängt, wenn der Aufenthalt und die Bewegung in einem Raum auf das praktisch Notwendige beschränkt sind. So wird eine Decke knapp über Kopfhöhe als erdrückend empfunden, weil sie nicht genügend Spielraum für Resonanz bietet. Selbst bei Tätigkeiten, die nur minimalen Raum benötigen, muss man ein paar Schritte ungezwungen auf und ab gehen können. Vor allem erfordern aber Gelegenheiten, bei denen man den Geist schweifen lässt, für die erweiterte > Erstrecktheit der persönlichen > Raumsphäre ein Raumvolumen, das Widerhall bietet, uns größer werden lässt, ohne dass wir uns in Grenzenlosigkeit verlie-

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ren. Resonanzräume erlauben das passive Nachklingen aber nur, wenn sie selbst homogen und ruhig wirken und nicht zu Anregern werden. Wenn sie daher im Dunkeln bleiben, lässt sich durch kleine Lichtöffnungen in der Tiefe des Volumens oder durch einen schwachen Widerschein vermeiden, dass sie gänzlich tot wirken. Auch die akustische Resonanzfähigkeit von Materialien unterstützt die nachschwingende Wirkung.

Reziprozität

> Inversion, Kontext, Raum-Körper-Kontinuum, Zwischen-

raum

Rhythmus, räumlicher

Musikalität zeigt sich in der Architektur weniger im „erstarrten“ (Friedrich Wilhelm Schelling) oder „gefrorenen“ Zustand (Arthur Schopenhauer) als vielmehr im Rhythmus des Durchlaufens und Durchschreitens. Jede serielle Anordnung im Bauen, von der Stützen- bis zur Häuserreihe, kann zunächst als rein mechanisch-gleichförmige Wiederholung, als Takt, aufgefasst werden (> Reihung). Ein Rhythmus dagegen entsteht, wenn man durch Variationen aus einem eintönig-strengen Wiederholungsschema eine lebendige Abfolge gewinnt. Der Rhythmus erscheint als wiederkehrende Akzentuierung, Ludwig Klages spricht von Polarisierung eines periodisch gegliederten Zusammenhangs. Während der Takt immer das Gleiche wiederholt, kehrt im Rhythmus das Ähnliche wieder. Er erlaubt also Veränderungen, die den fortlaufenden Zusammenhang der Folge nicht infrage stellen. Der Begriff ist aus ῥέω (rheo), dem griechischen Wort für das Fließen abgeleitet, sodass man ihn ursprungsbezogen mit „gegliederter Stetigkeit“, z. B. einer Wasserwelle, übersetzen könnte. Den Rhythmus als polarisierte Stetigkeit findet man im fortlaufenden Wechsel von Tag und Nacht, Ebbe und Flut, die serielle Wiederholung einer ungleichmäßigen Abfolge wiederum in periodischen Lebensphänomenen wie dem Gehen, der Atmung oder dem Herzschlag.

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Ein Takt erscheint in der Architektur als streng in immer gleichen Intervallen wiederholtes Element, z. B. in einer Folge von Stützen oder Fensteröffnungen. Der Rhythmus moduliert diese strenge Folge, indem er gruppiert und Ungleichgewichte schafft. Ein Takt muss manchmal zur Stetigkeit der Bewegung hinzukommen, damit Rhythmus im direkten Kontrast dazu erlebt wird. In der Architektur kommen vor allem zwei Arten von Rhythmus vor, die mitunter auch zusammenfallen. Erstens dienen Rhythmen als visuelle Gestaltungsmittel, die Bauformen gliedern, beleben und zusammenfassen. Zweitens bieten sich Rhythmen als Basis realer Bewegung an; das heißt, ein Rhythmus, der sich in räumlichen Formen artikuliert, kann auf unsere Bewegungen oder unser unmittelbares leibliches Empfinden einwirken. Im ersten Fall wird die Rhythmik von Architektur tatsächlich im erstarrten Zustand, also als rhythmische Suggestion wahrgenommen. Beispielsweise unterscheidet Heinrich Wölfflin am griechischen Tempel den streng gebundenen vom leichten und schwebenden Rhythmus, abhängig von der jeweiligen Verteilung der Triglyphen gegenüber der Säulenreihung. (1886, 32) Rhythmische Gliederungen in der visuellen Erscheinung, von einzelnen Ornamenten bis zur bewegten Kontur von Dachformen oder einer ganzen Stadtsilhouette, werden so gelesen. In solchen stehenden Bildern wird freilich der Rhythmus fast nur durch das Abtasten mit den Augen lebendig. Adäquat erlebt wird in der Architektur ein Rhythmus jedoch nur im realen Vollzug durch die eigene (zumindest vorgestellte) Bewegung. Bereits beim Gehen selbst ist die Bewegung mannigfach zusammengesetzt aus rhythmisch-polaren Elementen wie Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtsanteilen, aus Hebung und Senkung, dem Wechsel von rechts und links mit jeweils unterschiedlicher Dauer und Betonung. Schrittweite, Schrittrhythmus und Geschwindigkeit unseres Gehens überlagern sich im konkreten Fall mit den rhythmischen Ei-

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genschaften architektonisch aufeinander bezogener Räume. In einer bestimmten Abfolge von Raumformen und -größen, im Wechsel von eng und weit, auf und ab, hell und dunkel wird unsere Bewegung so beeinflusst, dass wir selbst uns auf diesen räumlichen Rhythmus einstellen, ihm folgen, ihn als Durchdringung unserer eigenen Bewegung empfinden. In rhythmischen Raumfolgen beeinflussen sich unterschiedliche miteinander verbundene Räume gegenseitig und lassen eine adäquate Gesamtvorstellung erst im sukzessiven Durchqueren zu, sei es in der Verkettung von Innenräumen, sei es als zusammenhängende Folge von > Platz- und Straßenräumen. Jürgen Joedicke beschreibt als Beispiel die Bewegungsfigur, die man beim Durchschreiten der Propyläen auf der Akropolis ausführt, als rhythmischen Wechsel von Auffangen und Weiterleiten durch die Quer- und Längsanordnung der unterschiedlichen Säulenstellungen in den aufeinanderfolgenden Abschnitten des Bauwerks. Grundrisse und Schnitte als „choreografische Partitur“, aber auch der Kontrast von Licht- und Schattenzonen, von Raumabschnitten mit unterschiedlichem Raumklang oder wechselnden Atmosphären sind Faktoren architektonischer Rhythmik. Die Verwandtschaft von architektonischem Rhythmus mit Tanz und Musik wird bei bestimmten Gelegenheiten besonders deutlich, z. B. in den mitunter fast tänzerischen > Bewegungsfiguren, die man auf Treppenanlagen ausführt, dem Wechsel von geraden Läufen, Schwenks und Drehungen, der durch Podeste als Verweilpunkte zusätzlich akzentuiert wird. Der Rhythmus wirkt allerdings nur auf den, der dafür empfänglich ist, davon „ergriffen“ wird und sich in der Folge von ihm tragen lässt. Literatur: Brinckmann 1956; Schmarsow 1915; Zucker 1924

Richtung Riechen

> Gerichtetheit > Geruch, Sinneswahrnehmung

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Ritual

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Zu ritualisierten Handlungen gehören die entsprechenden Räume. Sie sind nicht nur ein Bestandteil von Zeremonien im repräsentativen, gesellschaftlichen Rahmen oder von liturgischen Vorgängen im sakralen Kult, auch in Alltagssituationen werden Rituale räumlich artikuliert. Architektur ist dabei zugleich Schauplatz und Interaktionselement in einer Inszenierung von Handlungen, die nach bestimmten Regeln ablaufen. Schwellenrituale und Übergangsriten im allgemeineren Sinne sind Prozeduren, die komplexe, kritische oder grundsätzlich neue Lebenssituationen durch formalisierte Handlungsabläufe fassbar machen sollen. Sie kommen räumlich z. B. in Vorgängen der rituellen Schwellenüberschreitung anlässlich von Hochzeiten zum Ausdruck, dem feierlichen Öffnen von verschlossenen Türen bei Einweihungen und zu Weihnachten oder auch in der Beerdigungszeremonie. Bereits beim alltäglichen Überschreiten einer Schwelle sollen durch Rituale der Durchlasskontrolle, Begrüßungsund Empfangsrituale die Unsicherheiten aufgefangen werden, die beim Betreten von unbekannten Räumen oder von Räumen durch Unbekannte entstehen, oder aber sie sollen dem Übertritt besondere Würde verleihen. Für diese Zwecke wird der Schwellenbereich zum > Zwischenraum erweitert. Er ist entweder Sicherheitspuffer, in dem Grenzbeamte, Pförtner oder Türsteher nach bestimmten Regeln Einlass gewähren oder versagen. Während man in Vorräumen durch Kontrollprozeduren und Wartezeiten aufgehalten wird, unterwirft man sich einem Ritual, das die Abhängigkeit ausdrückt, in der sich Einlasswillige befinden. In anderen Fällen werden die Gäste willkommen geheißen und für Begrüßungsrituale in einen Empfangsbereich mit repräsentativem Anspruch und aufnehmender Geste eingelassen, in der einfachsten Form in den Hausflur oder die Diele. Zu den Gebräuchen bei > Ein- und Austritt gehören häufig auch Schuh- und Kleidungswechsel oder Reinigungsrituale mit den entsprechenden Anforderungen an die räumliche Ausstattung. Zeremoniell stärker aufgewertete Formen des Empfangs bieten etwa

Vestibül, Foyer oder Empfangshalle, wo man zur Begrüßung einen roten Teppich ausrollt und der Gast schon bei der Vorfahrt durch ein ausladendes Vordach abgeholt und ins Haus geführt wird. Repräsentative Treppenanlagen nehmen als inszenatorischer Ort der Begrüßung und der Zeremonien des Empfangens und Geleitens oft erhebliche Dimensionen an. Häufig setzen sich Schwellenrituale in Prozessionsformen wie Einzug, Auszug oder Umrundung fort. Im Typus des antiken Peripteros oder der basilikalen Anlage etwa werden solche Bewegungsformen durch einseitige oder beidseitige Säulenstellungen begleitet, die den Gang der Prozession rhythmisieren (> Rhythmus). Die Architektur legt in solchen Fällen ein Schreiten statt eines bloßen Gehens nahe. Vor allem bei Bewegungsabläufen über Treppen und Rampen werden die Schrittmaße und die Geschwindigkeit des Schreitens durch die jeweiligen Steigungsverhältnisse beeinflusst. So sind etwa der Tempel der Hatschepsut in Deir el-Bahari oder die römische Tempelanlage in Praeneste großartige Inszenierungen einer über Rampenanlagen gegliederten, aufwärtsgerichteten Prozessionsbewegung. Durch Zeremoniell oder Ritual werden soziale Beziehungen zum Ausdruck gebracht. Die „Schranken“ des Gerichts etwa zeigen die Linien der > Konfrontation an, die Sitzordnung im Parlament spiegelt die Machtverteilung wider, am „runden Tisch“ hingegen will man sich einigen. Auftritts- und Präsentationsmöglichkeiten werden durch erhöhte Bühnen, Altäre oder Treppenanlagen gebildet. Dabei entwickelt sich auch eine Hierarchie, bei der das Wichtigste sich oben präsentiert, Kultbild und Kulthandlung oder der Herrscher, während der Prozess der Annäherung über einen Höhengewinn und die damit verbundene Langsamkeit und Mühe (> Steigen) stattfindet. Die Enfilade in einer Fürstenresidenz gibt durch die Reihenfolge der Räume den Grad der > Zugänglichkeit für Personen unterschiedlichen Rangs bei Empfängen an. Der religiöse Kult verlangt von der Architektur zunächst die Herstellung einer sakralen Atmosphäre und der numino-

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sen Gestimmtheit, die eine respektvolle Form der Bewegung und des Sprechens nahelegt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die anderen zeremoniellen Komponenten von > Klang (Musik), > Geruch (Weihrauch) und rituellen Bewegungen in einem spezifisch sakral geprägten ganzheitlichen Zusammenspiel. Die Architektur von Kirchenbauten zeichnet in ihrer Raumstruktur die liturgischen Bewegungsabläufe vor, den feierlichen Einzug bei besonderen Anlässen durch das Hauptportal und über die zentrale Achse des Mittelschiffs zum Chor sowie über Stufen zum Altar. Die Bewegung wird oft durch > Zentrierung oder einen konkaven Raumabschluss aufgefangen; der Zelebrant umrundet den Altar und wendet sich zur Gemeinde, die ihm gegenübersteht oder sich um ihn versammelt hat. Nahezu jede Tätigkeit lässt sich zelebrieren, wenn man ihr Zeit widmet und eine gewisse Form gibt, wozu auch die räumliche Ausstattung gehört, ob das lever du roi als Zeremonie rund um das königliche Paradebett unter großer Prachtentfaltung inszeniert wird oder ob der individuelle Badevorgang neuerdings in der reduzierten Ästhetik eines Ritualbads als „Ort der Ruhe und Einkehr“ zu schwelgen erlaubt. Für die Reinigungsrituale im römischen oder türkischen Bad sind differenzierte Raumfolgen vorgesehen, für die Ritualisierung des Essens im Rahmen eines Festbanketts eine besondere Sitzund Tischordnung. Selbst in der gewöhnlichen Wohnung war lange Zeit die „gute Stube“ als symbolischer Ort tabu für den Alltag und in ihrer „kalten Pracht“ allenfalls für hohe Feiertage reserviert. Im Maßstab der Stadt vollziehen sich Brauchtumsrituale bevorzugt auf denjenigen öffentlichen Plätzen, deren Architektur das Geschehen durch ihre Geschichtsträchtigkeit atmosphärisch anreichert. Andere Bräuche werden auf speziellen Festplätzen zelebriert und beziehen durch Festzüge die ganze Stadt mit ein. Auch bei besonderen religiösen Feierlichkeiten wird das liturgische Geschehen aus den sakralen Räumen in den städtischen Außenraum hinausgetragen. Durch Prozes-

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sionen, deren Ausgangs- und Zielpunkt die Kultstätten sind, wie etwa in der spanischen semana santa, beansprucht das religiöse Ritual den Stadtraum gleichsam als erweiterte sakrale Sphäre. Erst der monumentale > Maßstab, vor allem wenn er ein Gefühl für > Größe vermittelt, bildet distanzschaffende Räume und sorgt für Distinktion und Exklusivität. Durch axiale Anlagen erfährt die Bewegung eine gezielte Ausrichtung, die unter anderem den Rahmen für Paraden, Aufmärsche und militärisches Zeremoniell bildet (> Achse). Ein rituelles Flanieren, das dem Sehen und Gesehenwerden dient, findet hingegen täglich auf dem Korso, den Promenaden und Esplanaden von vorwiegend südlichen Ländern statt, z. B. als allabendliche passegiata in italienischen Städten. In Kurorten ist die Promenade häufig durch weitläufige Wandelgänge baulich gefasst. Grundsätzlich fühlt sich jeder an ritualisierten Situationen Beteiligte zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert. Widersetzt man sich aber dem durch die Ganzheit von Architektur, rituellem Vorgang oder Zeremoniell ausgedrückten Anspruch, eine dazu passende Haltung einzunehmen, kann die ganze Situation auch zu einer Zumutung werden.

Rückzug Ruhe

Säule

> Galerie, Inneres, Raumhaltige Wand, Steigen, Territorium, Wohnung, Zelle, Zugänglichkeit und Exklusivität > Behausung, Bewegung, Formcharakter, Haltungen, Inneres, Ritual

Bereits ein in die Erde gesteckter Stock ordnet den Raum um ihn herum. Auf die Frage, womit die Architektur beginnt, könnte eine Antwort im Hinweis auf eine solche Marke liegen, die ein Zentrum bildet. Ein Pfosten, eine Stele, Säule oder ein anderes aufrecht stehendes Element bietet als schlanker Körper dem eigenen aufrechten Körper ein Gegenüber. Er weist auch schon als eindimensionale Setzung eine Richtung, die

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zu ihm hinführt oder von ihm ausgeht, und kann sogar das Gefühl vermitteln, in seinen räumlichen Einflussbereich wie in einen Raum der Nähe einzutreten und ihn auch wieder verlassen zu können. Das Element tritt einzeln auf (1), als Paar und zu vieren (2), in der Reihung (3) und als Säulenhalle (4). 1. Pfahl, Pflock und Stele stehen frei, Stütze, Stiel und Ständer indessen stützen in „neutraler“ Gestalt eine von oben kommende Last. Anders als die Stütze stemmt sich die Säule mit dem breiten Ende nach unten, jedenfalls im dorischen Stil, schwillt zur Mitte hin an (Entasis) und verjüngt sich schließlich nach oben. Ihre Gestalt zeigt die Anstrengung des Tragens, lässt sich aber auch als selbstständiges Aufwärtsstreben deuten. Die lebendige Dynamik des aktiven Tragens zeigt sich bildhaft an Säulen in Menschengestalt. In der Gegenwart verweist die Säule als Würdeform auf ihre Tradition. Im Unterschied zur Rundsäule nimmt der Pfeiler mit den vier Flächen eines Rechteckprismas räumliche Bezüge nach vier Seiten auf und kann damit auf Körper oder Wandfronten gegenüber reagieren. 2. Stehen zwei Säulen in nicht zu großem Abstand nebeneinander, dann definieren sie eine vertikale > Ebene, die wie eine Membran zwischen ihnen aufgespannt erscheint. Rahmen zwei Säulen einen Durchgang, wie z. B. an der Wasserseite der Piazzetta in Venedig, dann übernehmen sie die Rolle der Pylone eines Tores. Im Karree angeordnet, markieren Säulen die vier Kanten eines kubischen Raumvolumens, das wir als > Gestalt wahrnehmen, indem wir es in unserer Vorstellung um vier Seiten ergänzen und so leicht als räumliche Ganzheit auffassen. 3. Die Säulenreihe ist die Weiterentwicklung der von zwei Säulen aufgespannten Membran. Da ihr die Gestaltwahrnehmung Kontinuität verleiht, konnte Leon Battista Alberti sie als eine Form der aufgelösten > Wand bezeichnen. Doch sie mag in der Schrägsicht noch so geschlossen wirken, nähert man sich, hat sie sich vorher schon geöffnet, als Wand ist sie unnahbar. Im Unterschied zur geschlossenen Wand wirkt die

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Säulenreihe als > Filter, der nicht nur trennt, sondern auch Zugänglichkeit ausdrückt (> Arkade). Ihre weitere dynamische Wirkung beruht zum einen auf dem wiederholten Aufstreben jeder einzelnen Säule. Zum anderen suggeriert ihre > Reihung die Bewegung stetigen Fortschreitens, sie begleitet und rhythmisiert durch die Abwechslung von Säule und Säulenzwischenraum z. B. den Prozessionsweg in der Basilika, gibt ihm zugleich Halt und Richtung. Trotz ihrer Unbeweglichkeit scheinen die aufgereihten Säulen auf unsere Schrittfolge zu reagieren, so „scheint es uns, als ob diese sich mit uns bewegten und als ob wir sie zum Leben erweckt hätten“ (Boullée 1987, 74). Diese dynamisierende Wirkung wird unterstützt durch den Licht-SchattenRhythmus, der durch die graduelle Zu- und Abnahme der Helligkeit aufgrund der Säulenrundung den Eindruck eines gewellten Reliefs erzeugt. Lange Säulenreihen mit vielen Säulen und möglichst engen Abständen führen tief in den Raum und scheinen seine > Größe auszudehnen. 4. Geradezu unbegrenzt erscheint der Raum dagegen, wenn er von Säulen dicht angefüllt ist. Der Eindruck von undurchdringlicher > Dichte entsteht durch geringe Abstände zwischen den Säulen, insbesondere wenn sie in versetzten Reihen angeordnet sind (Quincunx) und der Blick nicht bis zu den Raumgrenzen reicht. Diese Anordnung, verstärkt durch die Rundung der Säulen, lädt zum Durchdringen des Raums in einer gekurvten Bewegungsbahn um die Säulen ein. Generell ist das freie, ungerichtete > Schweifen die charakteristische Bewegung in der Säulenhalle, erst recht bei größeren Säulenabständen, die anstelle der Undurchdringlichkeit eine offene > Weite bieten. Die Säulenhalle (Hypostylon, griech. für: auf Säulen ruhend) ist neben der Säulenvorhalle (Portikus), dem Säulenkranz rings um ein Gebäude (Peristasis) und der Umfassung eines Innenhofs durch Säulen (Peristyl) der am stärksten von Säulen geprägte Bautyp. Als > Halle mit großen Ausmaßen, die wegen der großen Spannweite gerade die Abstützung mit

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Säulen oder Pfeilern erfordert, bietet sie sich als öffentlicher Raum an. Die Säulen sind hier gleichsam selbst bereits versammelt, auch in der leeren Säulenhalle sind gewissermaßen immer schon viele da. In offenen Hallen mit gleichmäßiger Anordnung der Säulen ist keine Richtung vor der anderen ausgezeichnet, sodass beiläufiges Eintreten und unverbindliches Zirkulieren begünstigt werden. Aber auch wenn sie nach außen geschlossen ist, vermittelt die Säulenhalle den Eindruck von repräsentativer Großzügigkeit. Der Hain mit regelmäßig angeordneten Bäumen, wie etwa der Orangenhain der Mezquita von Cordoba, lässt sich wegen der Verwandtschaft von Baumstämmen und Säulen als Abwandlung oder Vorstufe des Hypostylons betrachten, in dem die Säulen wiederum den Eindruck von versteinerten Bäumen machen.

Sakral Schachtelung Schale Schall Schatten Scheibe

Schichtung

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> Atmosphäre, Dunkelheit, Klang, Licht, Monument, Ritual > Einrichten, Enfilade, Inkorporation, Schichtung > Inkorporation, Poché, Raumhaltige Wand, Schichtung, Wand > Decke, Klang, Sinneswahrnehmung, Stofflichkeit, Zugänglichkeit und Exklusivität > Arkade, Dunkelheit, Keller, Licht, Raumschatten > Ebene, Fließender Raum, Geschlossenheit, Wand

Das Schichten ist ein elementarer Vorgang des Bauens. Die Stapelung von Räumen auf verschiedenen > Ebenen ist daneben ein Gliederungsmittel der Architektur. Die horizontal in Lagen geschichteten Steine des Mauerwerks zeigen den Vorgang des Errichtens von Mauern durch Aufschichtung, in der Lagerung der Massen kommen Schwere und Pressung zum Ausdruck, die dem Bauwerk seine Stabilität verleihen. In der Schichtung von Balkenlagen, längs und quer, tritt die elementare > Tektonik des Überdeckens von Raum in Erscheinung. Die Überwindung von Höhe zeigt sich im Übereinan-

derschichten von Treppenstufen. Der Schutz gegen Regen und Schnee wird im mehrschichtigen Aufbau von Dach und Decke bis hin zu der besonders ausdrucksstarken Form der Schuppung von Dachziegeln anschaulich. Ebenso grundlegend wie die horizontale Schichtung ist die Schichtung der > Wand, angefangen bei der tektonischen Vorstellung Gottfried Sempers von der > Bekleidung eines tragenden Gerüsts durch Textilien bis zum vielschichtigen Aufbau von > Fassaden im heutigen Bauen. Durch Zerlegen der verschiedenen Wandfunktionen in Schichten werden besonders in der Moderne ihre unterschiedlichen Aufgaben ablesbar, die Tragfunktion, die Funktion als > Filter für verschiedene Medien wie Sicht, Luft, Lärm und Sonne und die Funktion als Schauwand. Nach innen übernimmt vor allem die Dekorationsschicht eine weitere Aufgabe für die Erzeugung bestimmter Atmosphären. Je weiter sich die Bekleidungsschicht von der Wand ablöst, desto mehr wird aus der Schichtung von Material eine Schichtung von Raum (> raumhaltige Wand). Durch den > Zwischenraum wird der Übertritt zwischen verschiedenen Räumen abgestuft. Die Wirkung liegt im Prozess der verzögerten Annäherung und des gedehnten Eindringens und bietet damit eine größere Anreicherung an räumlicher > Tiefe, selbst auf engem Raum. Im traditionellen chinesischen Garten vervielfacht sich die Schichtung von baulichen und natürlichen Elementen im Phänomen oku zu einer nur schrittweise überschaubaren Raumverdichtung. Handelt es sich um eine Schachtelung von konzentrischen Schichten, die voneinander jeweils durch mehr oder weniger klare Trennungen geschieden sind, entstehen die schalenförmigen Räume einer > Inkorporation.

Schleuse

> Schwelle, Zwischenraum

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Schönheit

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Dem Schönen begegnen wir in der Architektur nicht nur in den schönen Formen, sondern in der ganzen Situation. Im performativen Umgang mit ihr sind die ästhetischen Qualitäten von Bauformen mit eingeschlossen. Als Aisthetik aufgefasst (von griech. αἴσθησις, Wahrnehmung), also als allgemeine Wahrnehmungslehre verstanden, fragt eine Architekturästhetik danach, wie wir Architektur überhaupt wahrnehmen und erleben (> Sinneswahrnehmung, > Erleben). Doch im Unterschied zu Prädikaten aus dem Bereich der sinnlichen Wahrnehmung wie Klarheit, Vielfalt, Sinnenreiz oder dem Gebiet der verstandesmäßigen Einschätzung wie Regelmäßigkeit oder Authentizität ist Schönheit eine Sache des Gefallens um der Sache selbst willen. Dem Schönen begegnen wir dann, wenn wir Architektur in jener speziell ästhetischen Einstellung betrachten, die sich auf die phänomenale Wirklichkeit konzentriert, ohne diese gleich zur funktionalen Realität hin zu überspringen (Böhme 2001). Etwas wird dabei nicht begrifflich „als etwas“ eingeordnet, sondern es kommt darauf an, das Besondere in seiner Besonderheit und in der Fülle seiner Merkmale zu erleben (Seel 2000). „Schönheit“ definierte Immanuel Kant als eine wohltuende Qualität unserer Empfindung, die uns, ohne daß unsere Begierden gereizt werden, gefällt. (Kant 1971) Nach Immanuel Kant handelt es sich dabei um ein subjektives Urteil. Mit ihm stehen wir jedoch nicht allein, sondern das subjektive Urteil kann zumindest für eine Anzahl von anderen Menschen Gültigkeit beanspruchen. Die formalen baulichen Voraussetzungen hat man indessen immer wieder durch Schönheitskriterien zu bestimmen versucht. Ähnlich wie Vitruv „Schönheit“ im Begriff der venustas auf Proportions- und Ordnungseigenschaften stützte, begründete Leon Battista Alberti sie durch die concinnitas, die richtige Anzahl, Beziehung und Anordnung der Glieder eines Gebäudes. In Albertis berühmter Definition heißt es, dass an einem der concinnitas entsprechenden Bauwerk nichts hinzugefügt oder weggelassen werden kann, ohne jene zu zerstören. Sie ist für Alberti der Inbegriff natürlicher Vollkommenheit, einer

Ganzheit, deren harmonischem Gleichgewichtszustand die prekäre Fragilität dieser Harmonie entgegensteht. Während die französische Architekturtheorie des grand siècle in rationaler Verständlichkeit der Komposition die Grundlage architektonischer Schönheit sah, fordert die funktionalistische Auffassung von Architektur eine Übereinstimmung zwischen Erscheinung und Wesen des Gegenstandes. So wäre Schönheit schliesslich als der „Glanz des Wahren“ (Augustinus), aufzufassen, aber nicht nur dadurch zu erreichen, dass eine Form die Funktion ausdrückt, sondern erst durch sinnfällige Vervollkommnung dieses Ausdrucks. Da in der Architektur immer wieder divergierende Faktoren miteinander vereinbart werden müssen, lässt sich das ästhetische Gelingen auch auf Kontrast und Ausgleich von Gegensätzen zurückführen, analog zu Heraklits παλίντροπος ἁρμονίη (palintropos harmonië): „Das Widereinanderstehende zusammenstimmend und aus dem Unstimmigen die schönste Harmonie.“ (Heraklit 1965, Fragm. 8) Die Kunst, widerstreitende Anforderungen, Mannigfaltigkeit und Regelmäßigkeit, Originalität und Vertrautheit, Komplexität und Ordnung sinnfällig und selbstverständlich zu verschmelzen, gilt als immer wiederkehrende Schönheitsbedingung. Doch oft wird gerade das, was eigensinnig über alle vorgegebenen Kriterien hinausgeht, als schön empfunden. Es geht vor allem nicht um eine Entscheidung für einen bestimmten Schönheitsbegriff, indem man etwa Perfektion gegen das Unscheinbare (> Patina) oder eine tradierte Ordnung wie die der „europäischen Stadt“ gegen die ungeordnete Vielfalt der „Zwischenstadt“ (Thomas Sieverts) ausspielt. Man darf die Schönheit von Architektur nicht nur in ihren Formen suchen, obwohl das die gewohnte Perspektive ist. Denn für die Situationen, in denen wir Architektur alltäglich erleben, spielen sie nicht die Hauptrolle. In einer adäquaten ästhetischen Auffassung von Architektur schauen wir nicht nur Bauwerke oder architektonische Formen an, sondern lassen die lebhafte Erfahrung, in einer Stadt zu leben oder

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ein Haus zu bewohnen, als Gesamtheit auf uns wirken. Darin sind wir einer räumlichen Komplexität und Atmosphäre ausgesetzt, wir bewegen uns und handeln, unsere ganze Befindlichkeit ist betroffen. Wenn wir in der ästhetischen Einstellung eine Situation nicht auf ihre Zweckhaftigkeit reduzieren, sondern uns mit allen Sinnen ihr überlassen, wird das Erleben der Situation als solches zum Gegenstand der ästhetischen Erfahrung. Diese schließt dann sogar das zweckhafte Handeln wiederum mit ein (Frey 1925). Die Erfahrung von Schönheit kommt zustande, wenn wir eine architektonische Situation lustvoll auskosten und sie um des szenischen Erlebens willen genießen (> Szene). Was wir als schön empfinden, bezieht die ästhetischen Formeigenschaften der Stadt und des Bauwerks in diesen Vorgang mit ein. So trifft man das Schöne etwa in Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon nicht primär in der Betrachtung von Proportionen, Materialeffekten, Durchblicken oder Lichtführung an, sondern erst im selbstbezüglichen Erleben der zweckfreien, gelösten Bewegung und der Entgrenzung in dem räumlichen Gebilde.

Schrank Schutz Schweben

Schweifen

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> Einrichten > Behausung, Boden, Dach, Haltungen, Inneres, Keller, Wär-

me und Kälte, Wohnung > Licht, Schwere und Leichtigkeit

Ziellos und spontan umherzuschweifen, ist eines der Vergnügen, welche Architektur und Stadt zu bieten haben, und zwar auf zweierlei Art. Im einen Fall handelt es sich darum, durch ein Gewirr von Räumen und Wegen zu streunen, herumzuirren und sich womöglich darin zu verlaufen, im anderen Fall erlaubt es die Situation, frei und unbehindert über einen freien Platz zu schlendern oder sich über den Boden eines weiten Saals zu bewegen. In beiden Fällen ist der Bewegungsart gemeinsam, dass sie nicht durch entschiedene, von der

Architektur vorgegebene Richtungen gelenkt wird, sondern willkürlichen Impulsen folgt, teils absichtslos, teils individuell bestimmt. Über die Fortsetzung des Weges wird von einem Moment zum anderen spontan entschieden. In einer nicht zielgerichteten Bewegung mit beliebigen Richtungswechseln lässt man sich treiben und geht dabei ganz in der Gegenwart des räumlich erlebten Augenblicks auf. Im ersten Fall erfreut sich der Schweifende am schnellen unvorhersehbaren Umschwung, der durch immer neue Situationswechsel befeuert wird. In unüberschaubaren Situationen der Stadt oder einem Raumgefüge mit hoher räumlicher > Dichte ohne erkennbare Richtungen, Grenzen oder ein Zentrum lässt man sich in der Neugier auf unerwartete Entdeckungen davon überraschen, was hinter der nächsten Straßenecke, der Wandscheibe oder dem Pfeiler auftauchen wird. Diese Bewegungsart ist mehr als andere eine intensive Form des Erlebens, der Aneignung des architektonischen Raums und der Stadt. Darin ist sie dem situationistischen dérive (franz. für: Drift, Sich-treiben-Lassen) verwandt, das eine selbstbestimmte, freie Interpretation der städtischen Struktur sucht, zu der das Schweifen ein subjektives Bild der Stadt beisteuert. Schweifend erobert man auch einen unbekannten Raum und dringt in diffuse räumliche > Tiefe vor. Wird die Umgebung zu unübersichtlich, schlägt die Bewegungsart um in das Herumirren wie in einem Labyrinth, in dem man sich letztendlich genussvoll verirren mag, sich aber auch zu verlieren droht. Während man mit dem Herumschweifen die Vorstellung von einer > Bewegung in der Ebene verbindet, lässt sich das vagabundierende Streunen auch in die Höhe ausdehnen, wo man sich im besonderen Fall auch „versteigen“ kann. Im zweiten Fall ist das Schweifen eher ein Lustwandeln. Auf einer unverstellten Fläche wird die Bewegung nicht auf Bahnen gelenkt oder durch Hindernisse versperrt. Ohne Bewegungsziel oder vorgegebene Richtung folgt man nur seinen eigenen Bewegungsimpulsen. Die bauliche Voraussetzung dafür bieten leere Flächen und freie Ebenen, die Weite gro-

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ßer Plätze oder einer Landschaft, weite > Hallen, Säle und > fließende Räume ohne Hindernisse und mit beliebig veränderbarem Fokus. Räume des Schweifens als > Felder von unbestimmten Möglichkeiten sind auch hypostyle Hallen mit locker verteilten Säulen, die durch die hierarchielose Homogenität der Bewegung in keine eindeutige Richtung weisen. Dem schweifenden Blick folgt die schweifende Bewegung, in solchen Situationen dominiert die Horizontalität, sie regt dazu an, den Raum in weiten Schwüngen zu durchstreifen. Eine besondere Rolle spielt der > Boden, auf dem wie auf einem Spielfeld oder einer Tanzfläche die Schritte nur den Linien einer individuellen Choreografie folgen, durch die man in einer frei schwebenden Befindlichkeit seine Bewegung auslebt. Erwin Straus hat die Art eines Raumes, für den die ziellose Bewegung des Tanzes charakteristisch ist, „präsentisch“ genannt, sofern eine derart schweifende Bewegung, dem historischen Rahmen des Handelns und der Zeit enthoben, sich ganz dem Augenblick widmet. Sie ist keine Bewegung durch den Raum, sondern im Raum, welche auch Drehungen und Rückwärtsbewegungen einschließt, die normalerweise absurd wären. Als „gelebter Ausdruck der Bewegung des Lebens“ (Jürgen Hasse) genügt sie sich selbst. Literatur: Debord 1958; Straus 1960

Schwelle

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Auf der Schwelle ist man weder drinnen noch draußen. Sie ist zugleich Ort, Grenze, Übergang und Hindernis. Durch die Überwindung des Hindernisses wird man gewahr, dass man eine Grenze überschreitet. Der Ausdruck „Schwelle“ bezeichnet ursprünglich sowohl den am Boden liegenden Balken einer Fachwerkkonstruktion als auch die Türschwelle als unteres Element des Türrahmens. Als Versatz im Boden bildet die Schwelle den Anschlag des Türblatts. Damit grenzt sie innen und außen oder zwei Räume voneinander ab, als erhöhte Kante verlangt sie Aufmerksamkeit beim Überschreiten, damit man nicht auf der Schwelle stolpert. Zusammen mit dem

Türrahmen bildet sie einen flachen Raum, in dem man sich beim Übertritt für kurze Zeit befindet, wenn man nicht sogar zögernd auf der Schwelle verharrt. Weiter gefasst bezieht sich der Begriff der „Schwelle“ auf architektonische Konstellationen, in denen räumliche Begrenzung und Grenzüberschreitung sich gegenseitig bedingen. Ausgedehnt auf ein weiteres räumliches Volumen im Sinne eines Schwellenraums, hat man es mit einem > Zwischenraum zu tun, der eine maßgebliche Rolle in der Architektur des > Ein- und Austritts spielt. Der Sequenzcharakter des Schwellenüberschreitens zwischen öffentlicher und privater Sphäre wird durch die > Introduktion thematisiert. Das Wesen der Schwellenwirkung liegt im Zusammenspiel von Hemmung und Überwindung. Räume oder Zustände, die durch die nachdrückliche Überwindung einer Schwelle erreicht werden, erfahren eine gesteigerte Wertschätzung. Für die visuelle Wahrnehmung bildet die erhöhte Kante einer Schwelle den Teil eines Rahmens, meistens durch Türrahmen oder weitere Fassadenelemente vervollständigt, der als Bildrahmen für das wirkt, was er ankündigt, einrahmt und damit aufwertet. Je höher die Schwelle, desto zwiespältiger ist die Wirkung, sie sperrt zunächst aus, aber verschafft dann auch exklusiven Zutritt. Im Extremfall kommt die Anstrengung, eine sehr hohe Schwelle zu übersteigen, einer Demütigung gleich, da man unterm Sturz den Kopf einziehen muss, sie macht aber den Übertritt umso bedeutsamer. Wird die Schwellenwirkung durch einheitliche Bodenniveaus und die Angleichung des Materials nivelliert, etwa um Schwellenangst zu vermeiden, verzichtet man auf Distinktion. Für die Schwellenwirkung spielt auch der zu überwindende Widerstand in der Wandebene eine Rolle. Wer eine > Abschirmung aus dicken, harten Steinmauern durchdringt, erarbeitet sich gleichsam eine höhere Gunst, als wenn er nur durch eine Pappwand geht. Die Hemmung durch die Schwelle bewirkt ein Stoppen und Zögern vor dem Übertritt, teils erzwungen, teils aus Unsicherheit. Häufig muss man klingeln, rufen oder anklopfen,

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soll warten und erhält schließlich eine Antwort oder wird heimlich beobachtet und wortlos kontrolliert. Die bauliche Ausstattung für diese Situation wie Klingel, „Spion“, Türsprechanlage ist Ausdruck von Kommunikationswille und Aufforderung oder Kontrolle und Abwehr. Die Türnische und das Vordach umrahmen sparsam den Ort für die Zeit des Wartens und der versuchten Kontaktaufnahme. Die Fußmatte bildet den Boden für verlegenes Auf-der-Stelle-Treten, auch dann noch, wenn der Durchgang schon frei ist; an der fremden Wohnungstür hemmt uns eine kulturbedingte Scheu daran, einzutreten. Die ambivalente Bedeutung lässt die Schwelle der eigenen Wohnungstür nicht als Hindernis erscheinen, sondern als Sicherung der > Behausung, Hindernis ist sie nur für Fremde. Mit dem Überschreiten gibt die Schwelle Anlass zum Verhaltenswechsel, der vom nunmehr erkennbaren Charakter der Räume abhängt und damit von deren Architektur. Auch wenn unter der Bezeichnung „Schnittstelle“ oder „Interface“ heute überall von Schwellen geredet wird, ist die Schwelle in der Architektur gerade nicht nur Schnittstelle von Blackboxes, sondern durch die jeweiligen mitunter auch sich überschneidenden Raumcharaktere der angrenzenden Sphären mitbestimmt. „Die Grenze ist nicht das, wobei etwas aufhört, sondern, wie die Griechen es erkannten, die Grenze ist jenes, von woher etwas sein Wesen beginnt.“ (Heidegger 1953, 149) In der Gegenwart tendiert die Architektur vielfach zu schwellenlosen Räumen und einer räumlichen Vernetzung des Hauses mit seiner Umwelt. Gleichzeitig nehmen die Anlässe zu Einlass- oder Sicherheitskontrolle, Selektion oder Überwachung ständig zu und verlangen eine differenzierte Regelung von Durchlass und Ausschluss, also von Öffnen und Schließen. Daraus resultiert ein Widerspruch zwischen der Nivellierung von Raumübergängen und der vermehrten, immer differenzierteren Errichtung von Schwellen. Schwellen erfordern keine Wände und Türen, sondern nur einen Luftvorhang, jedenfalls wenn man den Begriff sehr weit fasst. Verlangt man dafür nicht die physische Überwindung eines Hindernisses,

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dann sind Schwellen sogar dort vorhanden, wo eine Dachkante eine überdachte Zone von dem Bereich unter freiem Himmel trennt, wo ein Schattenraum sich gegen den sonnenbeschienenen Umraum oder ein Bodenbelag sich gegen einen anderen absetzt. Klanginseln, die mit Muzak erzeugt werden, grenzen sich ebenso ab wie Licht- oder Geruchsinseln. Seit der Moderne werden bauliche Grenzen immer seltener durch monolithisches Mauerwerk hergestellt, das innen und außen mit einer einzigen Abschirmung voneinander trennt, deren Öffnungen einfache Schwellen enthalten. Stattdessen wird die Wand in Schichten zerlegt, die als > Filter unterschiedliche Funktionen haben, gegen Kälte, gegen Lärm und als Sonnenschutz, andere als Sichtschutz, für Hygiene oder Sicherheit. Die verschiedenen Wände sind teilweise im Raum gestaffelt und haben unterschiedliche Öffnungen. Jede bildet andere Schwellen aus, die zum Teil an unterschiedlichen Stellen liegen und dazwischen Schwellenräume bilden. Hinzu kommt eine Vielzahl von räumlichen Bereichsgrenzen und Anlässen, die eine besondere Art von Schwellen erfordern, z. B. die Supermarktkasse, die Ausleihe der Bibliothek, der Bank- oder Fahrkartenschalter und verschiedene Fälle der Ausweiskontrolle. Für den jeweiligen Zweck gibt es spezielle Schwellentypen, deren Vielfalt über den tradierten architektonischen Typ der Schwelle weit hinausgeht, wie etwa das Absperrgitter, das Drehkreuz oder die Personenschleuse. Laurent Stalder hat auf die Folgen dieser Verbreitung von Schwellensituationen für Gebrauch und Wahrnehmung hingewiesen. Wer sich fortwährend zwischen Schwellen bewegt„kennt kein Innen und Außen mehr, sondern nur noch ein dauerhaftes Mittendrin, keine Grenzen mehr, sondern nur noch mögliche Margen, keinen Übergang, sondern nur noch einen dauerhaften Durchgang.“ (Stalder 2009, 25) Literatur: Stalder 2009; Waldenfels 1990

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Schwere und Leichtigkeit

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Nach Georg Friedrich Wilhelm Hegel ist der Stoff der Architektur „die schwere und nur nach den Gesetzen der Schwere gestaltbare Materie“ (1955, 586). Tatsächlich ist das Aufrichten eines Bauwerks ein Kampf gegen die Schwerkraft, der in der Baugestalt für uns anschaulich nachvollziehbar wird, weil wir uns mit unserem Körper der Schwere gleichfalls widersetzen müssen. Aber nicht nur die Erde übt Anziehungskraft aus. Auch zwischen einzelnen Massen auf der Erde sind Gravitationskräfte wirksam. Dies ist zwar physikalisch nicht relevant, aber wir empfinden ebenfalls Kräfte, die von Massen ausgehen. Sie werden als Anschauungskräfte im Wahrnehmungsbild deutlich und gehen als eigenes > Kräftefeld nicht nur als Schwerkraft nach unten, sondern von jedem > Körper in verschiedene Richtungen aus. Wir bekommen Schwere und Trägheit in der Architektur teils unmittelbar leiblich zu spüren, teils nehmen wir sie als > Formcharakter in der Anschauung wahr (> Einfühlung). Das Gegenstück zur Schwere, die Leichtigkeit, wird vor allem als Überwindung der Schwere empfunden, entweder als reale Eigenschaft oder als Ausdrucksqualität. Schwer und leicht bedingen sich gegenseitig in ihrem Ausdruck. Wir wissen, was Schwere ist, weil wir das Gewicht und die Trägheit unseres eigenen Körpers spüren, z. B. wenn wir seinen Beharrungsdrang beim Treppensteigen überwinden müssen, und wir kennen den Widerstand, den schwere Massen unserer Bewegung entgegensetzen, z. B. beim Öffnen einer schweren Tür. Besonders die eigene Aufrichtung in die Vertikale macht den Widerstand gegen die abwärts ziehende Schwerkraft zu einer existenziellen Erfahrung. Die lagebestimmende vertikale Richtung stabilisiert als eindeutige Orientierungsachse im Raum zudem unsere ganze Raumwahrnehmung. Während geneigte Wände und schiefe Ebenen dadurch verunsichernd wirken, dass sie die Stabilität der Aufrichtung infrage stellen, lässt ein Bauwerk durch einen tektonischen Aufbau in > Schichten mit einem verankernden > Sockel als

Basis die auf der Erde lastende Schwere anschaulich werden (> Tektonik). Mit zunehmendem Bodenabstand erscheinen Bauteile in der Regel leichter, ihr „Anschauungsgewicht“ (Rudolf Arnheim) nimmt zugunsten anderer Gravitationsrichtungen ab. Es sei denn, die Form bringt eine Kopflastigkeit zum Ausdruck, so empfinden wir es als Fehler, wenn dünne Stützen zu viel, aber auch wenn dicke zu wenig zu tragen haben. Am optischen Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Formen eines zusammengesetzten Baukörpers ist die Schwerkraftvorstellung ebenfalls mitbeteiligt. Schwere kann man aber auch einer einzelnen Form ansehen. Geböschte oder bauchige Wände etwa machen eine massive Form „gewichtig“ und lassen sie besonders schwer erscheinen. Massivität wird durch Homogenität des Materials anschaulich, während ein „monolithisches“ Gebäude (wörtl. aus einem Stein) als kompaktes, hermetisch wirkendes Objekt seinen Inhalt verschweigt. Im Innenraum sind wir der Schwere unmittelbar unterworfen, sofern sie unsere eigene Befindlichkeit beeinflusst. Werden die Raumgrenzen beispielsweise durch eine undurchdringliche kompakte Körpermasse gebildet und durch eine dichte, schwere > Stofflichkeit unterstützt, fühlen wir uns einer Art allseitigem Druck ausgesetzt, der Enge erzeugt. Auf diese Art entsteht z. B. in romanischen Gewölben der Eindruck des Lastens, vor allem in der Krypta. Dabei wirkt eine Reihe von Eigenschaften zusammen, die in der Anschauung zum Gefühl der Schwere beitragen, der grobe Steinschnitt, seine Festigkeit und Härte sowie seine Schichtung in horizontalen Lagen. Dazu kommen noch die Dunkelheit des Raums und die harte Akustik. Die tektonischen Mittel, die durch den Ausdruck von Lasten und Tragen auch den der Schwere vermitteln, lassen sich zur Vermeidung der Schwerewirkung prinzipiell umkehren. Ohne den stabilisierenden Aufbau von Sockel, Wänden und Dach beispielsweise scheint ein Haus sein Gewicht weniger deutlich als Last in den Baugrund abzutragen. Eine offensichtliche Anschauungsdynamik in aufsteigender Richtung,

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analog etwa zum Pflanzenwachstum, läuft der Schwere entgegen, daher scheint auch dem Lastenden im gotischen Gewölbe die Schwere genommen. Im Unterschied zur Schwerewirkung von Lasten und Stützen erscheinen auch zugbeanspruchte Konstruktionen eher leicht und dynamisch. Wände, die aufgehängt sind oder keine Verbindung mit dem Boden haben, erscheinen schwerelos oder schwebend, vor allem wenn ihr Material geringe Dichte besitzt und bei Berührung nur geringen Widerstand bietet. Mit der Betonung der Horizontalität durch den > fließenden Raum treten die Vertikalität der Erdanziehung und die Verankerung im Boden in den Hintergrund. Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon etwa wirkt leicht und scheint wegzutreiben. Weiter noch löst sich der Aufbau der baulichen Formen von der Schwerkraft, wenn statt des Bezugs zum Grund die freie Positionierung von Volumen in einem neutralen Raumgerüst deren Anordnung bestimmt. Dann scheinen differenzierte Gravitationsfelder die nach unten gerichtete Schwerkraft zu ersetzen. Literatur: Hanimann 1999; Tschanz 1996; Vogt-Göknil 1951

Sehen Selbstbezüglichkeit

> Blick, Sinneswahrnehmung

Sequenz

„Architektur wird ‚durchwandert, durchschritten‘,“ betont Le Corbusier. Während der promenade architecturale soll der Mensch innere Bewegung empfinden, „das Ergebnis einander folgender Erschütterungen“. (1962, 29) Das Hauptmerkmal der Sequenz ist die lineare Abfolge, das eine folgt auf das andere. Doch im Unterschied zum Nebeneinander von Objekten oder zu einer Bilderfolge von interessanten Perspektiven und Durchblicken wird sie als charakteristische > Bewegungsfigur erlebt. Dazu gehört immer das Wechselspiel zwischen Gesamtordnung und kontrastierenden Einzelsituationen, der

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> Architektur, Erleben, Szene

räumliche Zusammenhang ist immer präsent. Tatsächlich ist die Sequenz kein Fortschreiten von Objekt zu Objekt, von einem Anblick zum anderen, sondern ein Wechsel zwischen kontrastierenden Situationen, der einen Wechsel der Befindlichkeit einschließt. Den Übertritt von einem engen, dunklen Raum in einen weiten, hellen erlebt man als Weitung der leiblichen Sphäre, die Zunahme der Raumhöhe als Aufrichtung, Wechsel in Material, Form und Farbigkeit verändern die Raumstimmung. Die Etappen einer Sequenz im Außenraum wechseln unter anderem mit der Gestik von Platzformen oder dem atmosphärischen Charakter des Stadtquartiers. Landschaftliche Sequenzen beruhen z. B. auf den Erlebniskontrasten von Ausblick und Lage im Tal, offener Gegend und dichtem Gehölz. Von der > Reihung unterscheidet sich die Sequenz (lat. sequi, folgen) durch die Verschiedenheit der aufeinanderfolgenden Situationen. Der einzelne Abschnitt ist einerseits eine in gewisser Weise abgeschlossene Einheit, andererseits aber durch den nicht beliebigen Zusammenhang und die Übergänge zum Vorhergehenden und dem Folgenden bestimmt. Eine Grundbedingung für ein sequenzielles Erleben ist ein Mindestmaß an Abwechslung, die eine folgende Situation als neue Szene kennzeichnet. Der Zusammenhang einer Sequenz wird durch die > Erinnerung hergestellt, die linear z. B. nach Bewegungs- und Tätigkeitsabläufen geordnete Vorstellungsbilder erzeugt. So wie die Sequenz sich in Richtung der Vergangenheit durch das Gedächtnis konstituiert, wird in jedem Moment der Sequenz ein Erwartungshorizont im Hinblick auf die noch ausstehenden Wahrnehmungen aufgespannt, für den alle Erfahrungen aus den bereits durchlaufenen Räumen mitspielen. Im Unterschied zum > Weg ist die Sequenz heterogen und enthält Unstetigkeitsstellen. Beim Fortschreiten von einer Raumeinheit zur anderen befindet man sich nicht in der fortdauernden Situation des Weges, sondern man gibt jedes Mal eine Situation auf, um eine andere aufzusuchen. Mit je-

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dem Schritt ist gleichsam ein Verlust oder eine Erleichterung verbunden und zugleich ein Gewinn, eine Überraschung oder die Einlösung einer Erwartung. Im einfachsten Fall lässt ein erster Eindruck eine bestimmte Qualität des Kommenden erwarten. Der zweite Schritt kann diese Erwartung zwar bestätigen, aber auch einen unerwarteten Gegensatz bieten. Im konkreten Raumerleben wird dann der eine Raumabschnitt den anderen durch den Kontrast verändern. So wird in einer Sequenz kontrastierender Räume jeder einzelne Raum innerhalb der Sequenz anders erlebt als außerhalb dieser Wahrnehmungsabfolge. Adolf Loos nutzt dieses Phänomen dramaturgisch: „Von einem niedrigen Raum kommend erscheint ein mittelhoher Raum hoch. Nichts ist groß oder klein, alles erhält seinen Sinn durch den Zusammenhang.“ (Kulka 1931, 36) Jeder Schritt lässt sich gezielt zur Vorbereitung auf gewisse Höhepunkte in der Raumabfolge und zur Dramatisierung einsetzen, vorausgesetzt, die Sequenz ist als Ganzes einem absichtsvollen Kompositionsprinzip unterworfen. Eine besondere Form der Sequenz folgt einer sich stetig verringernden oder wachsenden Größenordnung und Maßstäblichkeit. Sie beginnt etwa auf einem städtischen Platz und führt bei sukzessive verringerter > Zugänglichkeit und gesteigerter Intimität der durchlaufenen Räume bis in die privaten Zimmer. Ist eine Folge von der Annäherung bis ins Innere eines Hauses darauf angelegt, dass jeder einzelne Abschnitt als Ankündigung des schließlich erreichten Ziels und als Vorbereitung auf die adäquate Haltung beim Eintreffen verstanden wird, sprechen wir von > Introduktion. Literatur: Blum 1980; Cullen 1961

Sicherheit Sicht Sichtachse

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> Behausung, Orientierung, Ritual, Weg > Blick, Sinneswahrnehmung > Achse, Dramaturgie, Garten, Tiefe (räumliche)

Sinneswahrnehmung

Keiner der fünf Sinne lässt sich wie das Sehen für die Bildkunst oder das Hören für die Musik als der vorrangige Wahrnehmungssinn für Architektur identifizieren. Genau genommen lässt sich architektonischer Raum durch Sehen, Hören oder Greifen allein nicht wahrnehmen, man nimmt auf diese Art immer nur einzelne Qualitäten oder Elemente im Raum wahr. Für die Wahrnehmung unserer Situation im architektonischen Raum brauchen wir ein umfassenderes Sensorium, an dem alle Sinne beteiligt sind. Vordergründig wird die Wahrnehmung von Architektur durch das Sehen beherrscht. Da der Sehraum am klarsten strukturiert ist, liegt er der Gliederung des Wahrnehmungsraums aller Sinne zugrunde. Er bietet die Übersicht, die die anderen Sinne nicht leisten können, und lässt sich am leichtesten in eine abstrakte räumliche Ordnung und in deren objektive Darstellung übertragen. Dagegen ist der Hörraum immer am eigenen Leib orientiert. Während der gerichtete > Blick die Elemente des Raums identifiziert, wird der > Klang durch das Hören, ähnlich wie Helligkeit und Dunkelheit durch das Sehen oder der > Geruch durch das Riechen, als etwas wahrgenommen, was den Raum um uns ausfüllt und einfärbt. Durch die > Haptik spüren wir den eigenen Leib im Widerstand zu anderen Körpern, die Berührung bringt uns in Kontakt zur > Stofflichkeit von Gegenständen und tendiert im Unterschied zur distanzierenden Kontrollfunktion des Auges zu einer affektiven Teilhabe. Wenn die Haut, unser größtes Sinnesorgan, uns das sachte Streifen eines leichten Vorhangs, das Scheuern an einer rauen Putzoberfläche oder das Fächeln eines Luftzugs spüren lässt, sind weitere, über die fünf Sinne hinausgehende Wahrnehmungen beteiligt. Neben Geräusch und Geruch nehmen wir Klimareize wie Feuchtigkeit, Temperatur, Luftdruck und -bewegung wahr. Wir unterscheiden zwischen trocken-staubiger und dunstigschwüler Luft. Über > Synästhesien entstehen weitere Verbindungen zwischen den Sinnesmodi, sodass man, wie John Ruskin meinte, auch die Glätte von Marmor schmecken kann.

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Besondere Bedeutung für das > Erleben von Architektur haben aber die kinästhetischen Wahrnehmungen, in denen das aus der Bewegung Wahrgenommene und die > Bewegung selbst sich gegenseitig beeinflussen. In der propriozeptiven Wahrnehmung wiederum nehmen wir unsere Anwesenheit im Raum, unsere Position und Körperstellung wahr; in Verbindung mit dem Gleichgewichtssinn können wir aber auch durch Irritationen wie z. B. schiefe Wände verunsichert werden. In der Sinneswahrnehmung werden die physikalischen Daten der baulich-räumlichen Umwelt, ihre optischen, akustischen und materiellen Qualitäten nicht als bloße Reizmannigfaltigkeit bewusst, sondern durch vorbewusste psychische Prozesse der Gestaltbildung, durch Formprinzipien und Formgesetze zu geordneten Strukturen verarbeitet. (Gosztonyi 1976, 820) Deshalb müssen wir körperhafte Formen und räumliche Strukturen nicht in Architektur hineininterpretieren, sondern nehmen sie auf Anhieb wahr. Obwohl unser Auge z. B. eine Wandfläche in der Schrägsicht verzerrt sieht, erfassen wir ihre wahre Gestalt dabei als Rechteck, ohne dass wir bewusst auf Erfahrungen zurückgreifen oder eine Transformation vornehmen müssen. Wir sehen nicht nur, was sich auf der Netzhaut abbildet, sondern zu den Eigenschaften der „Anschauungsform“ (Rudolf Arnheim) gehören auch Kräfte, Spannung und Gewicht von Formen. Was wir als Raum erleben, deckt sich also weder mit den physiologischen Sinnesreizen noch mit der materiellen, baulichen Wirklichkeit, sondern stellt eine eigene Wirklichkeit des Erlebens dar, die vor allem durch > Gestalten, > Kräftefelder und > Gestik strukturiert ist. In der räumlichen Wahrnehmung reichen wir gleichsam über die Grenze unseres Leibes hinaus zu den Dingen, diese > Erstrecktheit unseres Erlebnisraums ist entscheidend für die Wahrnehmung von Architektur. In unserem Wahrnehmungsraum sind sogar Gegenden mit enthalten, die wir aktuell nicht wahrnehmen, etwa in unserem Rücken oder jenseits einer Wand, in die der unmittelbar wahrgenommene Raum aber eingeordnet ist.

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Literatur: Arnheim 1980; Gosztonyi 1976; Pallasmaa 1994, 1996; Seyler 2004

Situation

Was wir als Architektur > erleben, sind Situationen. Bereits der lateinische Begriff stellt einen Bezug sowohl zur Architektur (lat. situs, erbaut, gelegen, wohnend, hausend) als auch zum Ort (lat. situs, geografische Lage, Gegend) her. In Situationen sind Menschen und Dinge eingeschlossen, in architektonischen Situationen sind es vor allem die Bewohner mit ihren Häusern und Räumen. Das Geflecht aus situativen und kontextuellen Beziehungen zwischen ihnen ist durch die jeweilige „Situierung“ bedingt. Es hängt weitgehend von unserer aktuellen Motivation ab, wie oder als was wir eine Situation erleben. Ein und dieselbe räumliche Anordnung stellt je nach Handlungsrahmen, Interesse oder Blickwinkel eine andere Situation dar, ein Wohnhaus kann unter anderem als Bauprojekt, als Zuhause, als Verkaufs- oder Mietobjekt oder als Kunstwerk erlebt werden. Als Architektur wiederum erleben wir eine Situation dadurch, dass durch sie die räumlichen Bedingungen unserer Bewegungen und Tätigkeiten auf merkliche Weise gestaltet werden. Daher ist der performative Charakter der Situation ein entscheidender Bestandteil des architektonischen > Konzepts. Zwischen den unterschiedlichen > Bedeutungen und Motiven, die eine Situation definieren, treten allerdings in der Regel Überlagerungen, Differenzen oder Verschachtelungen auf, sodass sich eine „architektonische Situation“ meistens auch mit anderen Situationsbedingungen überschneidet. Die Situation Arbeitsplatz etwa kann zugleich eine Situation Ausblick aus dem Fenster enthalten, die ein Moment der Anregung oder aber Ablenkung ins Spiel bringt. Auf einem städtischen Platz überlagert sich womöglich die Situation politische Kundgebung mit der Situation von > Enge oder > Geschlossenheit des Platzraums, was wiederum zu einer aufgeheizten

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Stimmung beitragen und die Hörbarkeit von Zwischenrufen bedingen kann. Worauf es neben der Vielfalt der beteiligten Elemente und Faktoren ankommt, wenn Architektur als Situation beschrieben wird, ist deren performativer Charakter, der die prozess- und ereignishaften Qualitäten der jeweiligen Situationen einbezieht. In der Regel werden Situationen nicht rein statisch erlebt, sondern aus der Bewegung und dem aktiven Handeln. Dem wird eine Beschreibung nur gerecht, wenn sie architektonische Elemente in ihrem Gebrauch und in unserem verschiedenartigen Umgang mit ihnen erfasst, wenn sie die Beziehungen und Positionen berücksichtigt, die wir zu ihnen einnehmen, und die Gesten, die sie evozieren. An einer Stützenreihe etwa ist weniger die Form entscheidend als vielmehr die Art, wie wir aufgehalten, durchgelassen oder geführt werden, während für die > Treppe das Hinauf- und Hinuntersteigen mit seinen Erlebnismöglichkeiten wesentlich ist. Wenn Architektur sich als ganzheitlich gestaltete Situation gegen einen diffusen Hintergrund von Wahrnehmungsreizen abzeichnet, kann es geschehen, dass wir diese Situation als architektonisches > Bild wahrnehmen. Dadurch dass wir aber selbst Teil des Bildes sind, erleben wir die Situation zugleich als > Szene, in der wir gleichsam vor uns selber auftreten.

Sitzen Skulptur

Sockel

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> Bewegung, Einrichten, Haltungen, Inneres, Leib > Bild, Körper (architektonischer), Oberfläche, Sinneswahrnehmung

Durch den räumlichen Anschluss an das Gelände und durch die Notwendigkeit einer sicheren Fundierung unterscheiden sich Bauwerke von Objekten, die man auch umdrehen oder wegtragen könnte. Die Unterkanten, an denen das Gebäude auf dem Baugrund lastet, verlangen daher eine andere Behandlung als alle anderen Kanten und Flächen (> Tektonik).

Am Sockel zeigt sich das Verhältnis zwischen dem Haus und dem Grund: Es steckt in der Erde, ruht auf dem Grund oder löst sich von ihm. Ob es den Eindruck macht, aufrecht zu stehen, zu liegen oder zu schweben, hängt davon ab, ob es einen Sockel hat und wie er beschaffen ist. Die Verbindung des Hauses mit dem Grund entscheidet auch darüber, wie ein Baukörper an das Gelände des Außenraums anschließt und mit ihm einen räumlichen Zusammenhang bildet. Durch seine jeweilige Gestaltung zeigt der Sockel, wie ein Gebäude auf den > Boden kommt. Solidität und Robustheit sorgen für den tektonischen Ausdruck der Tragfähigkeit. Sie werden vor allem bei historischen Gebäuden oft mit grobem rustiziertem Mauerwerk oder der Verwendung von Naturstein in der Sockelzone erreicht, ebenso durch gedrungene Proportionen und durch kleinere Öffnungen als in den darüberliegenden Geschossen. Sockel sorgen auch bei einzelnen Bauteilen, z. B. > Säulen und Pfeilern, dafür, dass sie optisch weder in der Erde verschwinden noch abheben. Auch wenn der Sockel zum Gebäude gehört und nicht zur Erde, erfüllt er die Aufgabe der Verbindung zum Gelände, indem er sich durch Übergänge, Stufen, Podeste oder Terrassen verbreitert. Auch Materialien vermitteln, vergleichbar dem Schuhwerk an unseren Füßen, zwischen der Feinheit des Inneren und der Grobheit des Außenraums. Der Sockel lässt mit dem Haus auch seine Bewohner auf die Erde kommen, er bestimmt den direkten Kontakt zu den Passanten und Fahrzeugen, die sich um ein Gebäude bewegen. Durch seine greifbare Präsenz und taktile Qualität bildet der Sockel für die Annäherung aus dem Bewegungsraum der Umgebung die erste Kontaktzone und ist erster unmittelbarer Ausweis eines Gebäudes. Grundsätzlich erinnert er an die Rolle der Sockel, die antiken Tempeln als den ersten Inseln der Zivilisation im unwegsamen Gelände Halt verschafften. Die Aufgabe des Sockels, für Standfestigkeit und eine optische Basis zu sorgen, lässt sich unter besonderen Bedingungen mit seiner Nutzung als Sockelgeschoss verbinden.

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Räume, die der Sockel enthält, stecken mit reduzierten Öffnungen teilweise in der Erde. Die verbreitete Unart, zur besseren Belichtung von Wohnräumen den Sockel abzugraben, entzieht dem stabilen Stand des Hauses allerdings den Boden. Die Befindlichkeit der Bewohner einer massiven Sockelzone, die dem Haus als Basis dient (engl. basement), hat hingegen etwas von einer Verankerung des Wohnens im Boden.

Spannung

> Atmosphäre, Bewegung, Dramaturgie, Erstrecktheit, Feld,

Spiegelsymmetrie Spielfeld Spielraum Sprechende Architektur

Körper (architektonischer), Konfrontation, Kräftefeld, Tiefe (räumliche), Weite und Enge > Symmetrie > Boden, Feld, Schweifen > Bekleidung, Erstrecktheit, Faltung, Kapazität, Maß > Bild, Lesbarkeit

Städtebau

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„Es ist an der Zeit, die Architektur urbanistisch und die Urbanistik architektonisch zu denken (...) eine Stadt wie ein Haus, ein Haus wie eine Stadt.“ (Eyck 1960, 37) setzt seine Empfehlung, die schon auf Leon Battista Alberti zurückgeht, in seinem Waisenhaus in Amsterdam mit innen liegenden Plätzen und Straßen um. Doch die Architektur der Stadt ist der des Hauses nicht nur ähnlich, sondern unterscheidet sich zugleich deutlich von ihr: sowohl in den Mitteln, durch die das Verhältnis von > innen und außen, Körper und Raum sowie von Orten und Wegen organisiert ist (1), als auch in ihrer Gesamtgestalt (2) und der spezifischen Art performativen Erlebens (3). 1. Die Analogie zwischen den Räumen eines Hauses und einer Stadt zeigt sich nicht nur am Innenraumcharakter geschlossen wirkender Stadträume. Ganze Stadtteile oder auch Ortschaften erscheinen wie ein vertrautes Innen, wenn sie durch einheitliche architektonische Merkmale wie Baustil, Maßstab, Geschosszahl, Fassadendetails und Material,

durch gleiche Straßenbeläge und Bepflanzung sowie die daraus resultierende Atmosphäre zu einem räumlichen Ganzen werden. Dazu trägt ebenso die identitätsstiftende Rolle eines baulichen Zentrums oder zentralen Platzes bei. Zum einen spiegelt sich in den genannten Merkmalen die gemeinsame Geschichte eines Ortes, zum anderen manifestieren sich in ihnen auch die Aneignung und die Bespielung durch bestimmte soziale Gruppen. Grenzen und Unterschiede zwischen städtischen Räumen zeichnen sich nicht nur in Gestalt von Kanten oder Rändern, etwa trennenden Straßen, Grünstreifen oder Hangkanten, und durch den Wechsel der Bebauungsstruktur ab, sondern auch durch die Veränderung der ganzen Atmosphäre mit ihren typischen Gerüchen, Klängen und Geräuschen aus den Häusern und auf der Straße. Die Wechselwirkung von Masse und Hohlraum ist für die städtebauliche Raumbildung entscheidender als für das einzelne Haus. Vom Figur-Grund-Verhältnis zwischen > Körper und Raum hängt ab, in welchem Maße etwa ein öffentliches Bauwerk sich als prägnante Figur gegen einen leeren Umraum abhebt oder mit dem städtischen Gewebe verflochten ist. Es zeigt sich, wie man in Giambattista Nollis Romplan von 1748 erkennt, dass manche öffentlichen Außenräume den Baukörpern und (halb-)öffentlichen Innenräumen an Gestaltqualität und > Geschlossenheit nicht nachstehen und so zu Raumgefäßen des öffentlichen Lebens werden können. Anders aber als die Abhebung einer Raumfigur oder einer Körperfigur von ihrem jeweiligen Hintergrund lassen mehrdeutige Figur-Grund-Verhältnisse und gestufte Übergänge zwischen Baumassen und öffentlichen Räumen ein > RaumKörper-Kontinuum mit einer Vielfalt von > Zwischenräumen und abgestuften Aufenthalts- und Bewegungsmöglichkeiten entstehen. Im Städtebau der Moderne schränkt dagegen die Freistellung der einzelnen Baukörper die Aufenthaltsqualität im > Inneren von Außenräumen weitgehend ein. Doch mit kompositorischer Sorgfalt lässt sich auch durch Einzelgebäude eine erlebbare Innenraumfigur erzeugen, wie z. B. bei Mies

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van der Rohes Federal Center in Chicago oder dem Economist Building von Alison und Peter Smithson in London. Einzelne Bauwerke sind in der Lage, wichtige Orte und Schlüsselstellen der Stadt durch ein Netz von Beziehungen zu verbinden. Während Stadtareale und Wohnviertel ihre Identität durch die Struktur des Gewebes und den spezifischen Quartierscharakter erhalten, tragen die „primären Elemente“ (Aldo Rossi) besonders als > Monumente durch ihre historische und symbolische Bedeutung zur Identität der Stadt bei. Sie sind Orientierungs- und Angelpunkte der Stadtstruktur und bilden Leitelemente und Zielpunkte von > Wegen. Mehr als das einzelne Haus wird die Stadt aus der > Bewegung erfahren: Die Raumkanten von > Platz- und Straßenräumen leiten oder stoppen die Bewegung, führen sie in unterschiedlicher Richtung weiter oder lassen sie durch geschlossene Raumfassungen zur Ruhe kommen. Die zahllosen Mittel der städtebaulichen Raumbildung, der Kontrast von > Weite und Enge, > Ankündigung und > Konfrontation, die Verwendung von > Schwellen und > Gelenken, von > Achsen und > Sequenzen bilden das Instrumentarium einer > Dramaturgie der stadträumlichen Wegführung. 2. Die Stadt als „Architektur“ im Sinne einer konsistenten Struktur zu begreifen, setzt voraus, dass man sie nicht nur als Ansammlung von Häusern und Straßen, sondern zumindest partiell als planvoll gestaltete Ganzheit wahrnimmt. Das kann durch die regelmäßige Geometrie oder Figur von Idealstadtplanungen wie in Palmanova, Karlsruhe, Brasilia oder neuerdings etwa in chinesischen Städten wie Lingang geschehen. Anstelle strenger Geometrien und prägnanter Figuren können aber auch freiere formale Strukturen, wie z. B. das Netz oder das Geflecht, die durchdachte Gestaltung einer Stadt kenntlich machen. Eine Grundlage für die unverkennbare Gestalt bezieht die Stadt besonders aus ihrer Lage in der > Landschaft und deren Auswirkungen auf den Charakter der städtischen Räume. Städte zeichnen sich durch ein besonders unverwechselbares Erscheinungsbild aus, wenn

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sie das landschaftliche Potenzial im Stadtbild thematisieren, szenisch verwerten und bis ins Detail zur baulich-räumlichen Verarbeitung auch in den einzelnen Stadtteilen nutzen. Von der Höhenentwicklung der Topografie profitieren dann beispielsweise Terrassen und Plattformen, der Anstieg gibt Anlass, großzügige Treppenanlagen einzurichten, Hochpunkte werden zu theatralischen Ausblicksorten. Die Lage am Wasser kommt der Stadt zugute, wenn sie ihm ihr Gesicht zuwendet, sie findet durch eine öffentliche Uferpromenade gestalterischen Ausdruck, durch geeignete Wohnhaustypen profitiert man vom Wohnen am Wasser. Landschaftlich markante Punkte werden durch Stege, Brücken und Kanzeln zugänglich. Im städtebaulichen > Maßstab wird die Architektur anders wahrgenommen als die Architektur des Hauses, und zwar aus verschiedenen Perspektiven. Der erweiterte Umkreis der Stadtregion ist, besonders im Fall der Unüberschaubarkeit einer Megalopolis, gewöhnlich gar nicht erfassbar. Die Bewohner sind zur > Orientierung auf eine vereinfachende individuelle Vorstellung von der Stadt als mentales „Bild der Stadt“ (Kevin Lynch) angewiesen. Zu allen Zeiten aber gab es auch das offizielle Bild, das als Stadtansicht (Vedute) aus der Distanz einen gültigen Gesamtüberblick samt der landschaftlichen Lage bieten soll. Heute sind es > Bilder, die besonders im Stadtmarketing zirkulieren und die ebenfalls beanspruchen, die Stadt in ihrer charakteristischen Gestalt zu treffen, indem sie deren Komplexität zu Images komprimieren. 3. Der Stadt entspricht eine eigene Form situativen Erlebens. Sie wird im Zentrum anders wahrgenommen als im einzelnen Stadtquartier oder Vorstadtviertel. Generell wird sie als Komplex von Situationen unterschiedlichen Charakters, abhängig von Motivation und Bewegungsart, erlebt. Während die Architektur der Stadt aus dem fahrenden Verkehrsmittel auf spezifische Wahrnehmungsausschnitte reduziert wird, macht der Fußgänger sich die Stadt im Gehen durch die eigenwillige Auslegung ihrer räumlichen Struktur als persönliche Lesart vertraut. Eine städtische Bewegungsform ist das ziel-

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gerichtete Durchqueren auf dem Weg zu Erledigungen. Dabei orientiert man sich am Netz von Wegen, Straßen und Achsen, wird zwischen Knoten, Brennpunkten und Merkzeichen geleitet, wie sie etwa Kevin Lynch als Orientierungssystem in der Stadt beschrieben hat. Eine andere typische Bewegungsform in der Stadt ist das gemächliche Flanieren, bei dem der Fußgänger sich ziellos treiben lässt und durch das > Schweifen andersartige Möglichkeiten der räumlichen Ordnung einer Stadt aktualisiert. Grundsätzlich wird in der Stadt durch die individuelle Bewegungsentscheidung ein breiteres Spektrum an räumlicher Wirklichkeit aufgefächert, als es im einzelnen Gebäude möglich ist. Literatur: Certeau 1988; Janson/Wolfrum 2008; Lynch 1965; Rossi 1966; Rowe/Koetter 1994

Staffelung

> Enfilade, Fassade, Inkorporation, Innen und außen, Schich-

Stapelung Statik Stehen

tung, Tiefe (räumliche), Treppe, Zwischenraum > Ebene, Schichtung, Turm > Bewegung, Formcharakter, Struktur, Tektonik > Boden, Formcharakter, Haltungen, Leib, Symmetrie

Steigen

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Den eigenen Körper beim Steigen intensiv zu spüren, bereitet ein besonderes Vergnügen. Man muss sich anstrengen, den Körper hochstemmen, im Gleichgewicht halten und am Fallen hindern. Aber die Mühe wird belohnt, wenn man Höhe gewinnt. Deren magische Anziehungskraft scheint eine anthropologische Konstante zu sein. Sobald Kinder laufen können, versuchen sie, den Raum auch in der Vertikalen zu erobern und wo immer möglich hochzuklettern. Während wir den überwiegenden Teil unserer räumlichen Erfahrungen auf ebenen Flächen (> Boden) machen, verschafft uns das Steigen ein erweitertes Gefühl für Räumlichkeit, indem wir den Raum in allen Richtungen gleichzeitig vertikal und horizontal durchqueren. Durch Steigen erreichen wir neue > Ebenen,

neue Perspektiven und neue Möglichkeiten, die vorher visuell und motorisch nicht verfügbar waren. Die Hierarchie, also eine gestufte Ordnung von oben nach unten, ist ein allgemeines, kulturell und sozial fest verankertes Strukturprinzip. Nach ihrem Gesetz ist der positive Wert, also das Wichtigere und Wertvollere, das Mächtigere oder Heilige, immer oben angesiedelt, wo es zudem heller ist. Zu diesem steigt man aus den dunklen, erdhaften Niederungen hinauf. Dramaturgisch betrachtet liegt in der Steigung oft eine Steigerung von Bedeutsamkeit. Die Aussicht auf das Erreichen eines neuen Niveaus weckt besondere Erwartungen. Das Ankommen gleicht einem Triumph oder einer Befreiung, die Übersicht und neue Ausblicke ermöglicht. Dieses Erlebnis kennen wir etwa von Bergen oder Hügeln, auf denen der Höhepunkt durch Aussichtspunkt, Kapelle, Burg oder Gipfelkreuz markiert wird. Tempel werden oft auf Podeste gesetzt, sodass man sich durch Treppenanlagen Stufe für Stufe von unten dem Heiligtum nähert. Manche Kultanlagen bestehen sogar überwiegend aus der Steigevorrichtung, wie der babylonische Zikkurat, zu dem man sich das Zentrum umrundend hochschraubt. Auch Macht und Hoheit sitzen oben, mit vollem Überblick und guter Kontrollmöglichkeit, während man, der Herrschaft unterworfen, von unten abwartend heraufblickt. Im Wohnhaus steigt man auch zu den privaten Gemächern hinauf, jedenfalls wenn man zwischen einem Leben bei Tage und einem Leben bei Nacht durch die Stockwerkstrennung unterscheidet, wie Adolf Loos es empfiehlt. In der Höhe liegt mit dem Rückzug und der Abgeschiedenheit, etwa im Schlafzimmer oder dem persönlichen Arbeitsraum, meist auch eine Zunahme an Intimität. Die scharfe Trennung zwischen Etagen wird vermieden, wenn ihre Überwindung durch Verteilen von einzelnen kurzen Treppenabschnitten im Haus einen fast unmerklichen, mühelosen Anstieg ermöglicht, was Adolf Loos durch den > Raumplan erreicht. Gaston Bachelard bemerkt, dass die Form des Steigens auch eine Vorwegnahme

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der Örtlichkeit ist, zu der sie hinführt, die > Treppe zum Keller führt immer hinunter, zum Dachboden immer hinauf. Schließlich hat das Steigen im Ausdruck der Verstiegenheit auch eine zwiespältige Bedeutung von Absonderung oder Abwegigkeit. Das Hinaufsteigen geschieht langsam und mit Mühe, weil mindestens die Last des eigenen Körpers Schritt für Schritt hinaufgehoben werden muss, wobei die erhöhte Gewichtsbelastung auch den Fußkontakt intensiviert. Darin liegt das heroische Gefühl begründet, die Anfechtung durch die eigene Schwere zu überwinden und sich in der Höhe eine Freiheit zu erkämpfen. Hinaufzusteigen und oben anzukommen ist wie eine Abfolge von mühsamer Aufwärts- und triumphierender Vorwärtsbewegung. Durch langes steiles Steigen dagegen, z. B. in einem hohen > Turm, entsteht mitunter der Eindruck, an einen einsamen Ort zu gelangen, womöglich mit einem Anflug von Gefahr und Höhenschwindel verbunden. Beim Hinabsteigen muss das eigene Gewicht dagegen in ständigen kleinen Fallbewegungen immer wieder aufgefangen und abgefedert werden. Der Körper entspannt sich, um zu fallen, und festigt sich, um den Fall aufzufangen, von Stufe zu Stufe rhythmisch wiederholt, wobei er sich dem Rhythmus der Treppe anpasst. Bei einer mitklingenden, beispielsweise hölzernen Treppe wird dies durch die Perkussionsklänge der Schritte bekräftigt. Mit dem Hinabsteigen verbinden sich negative und positive Konnotationen des Erlebens. Es ist zwar ein Abstieg und Verlust an Höhe, hat aber auch etwas von Entlastung und erleichterndem Ankommen: Der Boden hat mich wieder und bietet freiere Möglichkeiten der Ausdehnung und Bewegung, während das, was auf der Höhe liegt (Bergspitze, Turm), immer viel enger ist als die Ebene, in der es steht. Der Raum, in dem man beim Herabsteigen landet, bekommt durch den mitunter unvermuteten > Auftritt der Personen unwillkürlich etwas Theatralisches. Die Art des jeweiligen Steigens hängt von Länge, Breite und Richtungswechseln der Rampen- oder Treppenläufe ab, ihrem Steigungsmaß und Material sowie davon, ob sie

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eine gerade oder geschwungene Form haben. Auch die Anzahl und Lage von Zwischenpodesten sowie die Beschaffenheit der begleitenden Geländer und Handläufe beeinflussen die Gangart, die Körperhaltung und das Steigegefühl. Sie legen z. B. ein rasches Hinauflaufen oder ein würdiges Schreiten nahe, durch flache Stufen wird die Anstrengung des Steigens durch die Lust an der Bewegung ersetzt, während steile Treppen eher zum Klettern auffordern und enge Wendeltreppen verlangen, sich hindurchzuwinden. Eine eigene Art des Steigens verlangen natürliche oder künstliche Hänge. Mit der Verschleifung von Höhensprüngen etwa durch die „hügelige“ Modellierung des Fußbodens im Rolex Learning Center von SANAA zerfließen die Höhenunterschiede, der Blick wandert wie in einer Landschaft. Zugleich drängt sich an den steilen Stellen, auch weil sie das Gehen verunsichern, ein intensiverer Bodenkontakt auf, der dazu anregt, sich niederzulassen. Beim Steigen auf der Treppe ist man unterwegs in einem > Zwischenraum, hat die eine Ebene verlassen und die andere noch nicht erreicht. Die Zwiespältigkeit dieses Vorgangs zeigt sich in anderer Form am ortsverändernden Stillstand im Fahrstuhl, bei geschlossener Kabine ist diese Bewegung fast nur noch virtueller Art. Einen Gegensatz dazu bildet die charakteristische Bewegung auf einer Rampe. Weil wir dort beim Steigen nicht auf Tritte achten müssen, sind wir frei zum Umherschauen. Außerdem dehnt die zwangsläufig gestreckte Lauflänge den Weg aus und macht ihn großzügig und weit im Raum ausholend zur Promenade. Mühelos dagegen und unter leisem Surren befördert uns die Rolltreppe wie Transportobjekte, vornehmlich passiv und in unumkehrbarer Richtung. Literatur: Giersch 1983; Mäckler 2009; Meisenheimer 1983

Stille Stimmung

> Atmosphäre, Erhabenheit, Keller, Klang > Anmutung, Atmosphäre, Dunkelheit, Farbe, Formcharakter, Geruch, Klang, Licht

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Stofflichkeit

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Dass Architektur bis ins Detail die Sinne erregen kann, verdankt sie ihrer Stofflichkeit. Architektur als „gedachter Raum“ (Philippe Boudon), als Konzept oder als gezeichneter Entwurf lässt zwar das Architektonische bereits auf einer intelligiblen Ebene erkennen. Als reine Form lässt sie sich abstrahiert in einem maßstäblichen Modell darstellen, doch erst verstofflicht berührt sie die Sinne. Ein reales Bauwerk wirkt ohne einfühlsame und differenzierte Materialisierung meist eigentümlich abstrakt, intellektualistisch oder formal. Mit „Stofflichkeit“ oder „Materialität“ wird nicht nur der Sachverhalt bezeichnet, dass Architektur mithilfe von Baustoffen und Materialien realisiert wird, sondern der Begriff besagt zudem, dass ein Material seine spezifische Eigenart in der Erscheinung zum Ausdruck bringt, sodass von ihr charakteristische > Anmutungen ausgehen können. Bei der Wahrnehmung der Stofflichkeit sind zwar alle Sinne mitbeteiligt, teilweise auch durch > Synästhesien. Die > Haptik hat jedoch Vorrang, aber auch > Klang und > Geruch sind entscheidend, sogar der Geschmack wird synästhetisch wirksam. Dagegen vermittelt das Sehen hier nicht die intensivste Erfahrung wie bei der Formwahrnehmung, sondern gibt visuelle Reize gleichsam an die haptische Wahrnehmungsfähigkeit weiter. Oberflächen lassen sich nicht nur berühren, sie können auch mit dem Auge als Erweiterung des Tastsinns abgetastet werden: Wir sehen, wie sich etwas anfühlt, manchmal auch, wie es riecht oder schmeckt. Eine spezifische Tasterfahrung bietet der Kontakt der Füße mit dem Boden, auch Schwingungsverhalten, Rauigkeit oder Glätte, Festigkeit oder Nachgiebigkeit beeinflussen die eigene Fortbewegung. Während bestimmte Stoffeigenschaften vor allem an der Oberfläche über Haptik, Absorption und Reflexion von Schall, Licht, Feuchtigkeit und Wärmeleitfähigkeit wahrgenommen werden, liegen einige Eigenschaften auch in der Tiefe des Materials und lassen sich z. B. durch Beklopfen feststellen. Dabei offenbart ein Stoff etwa seine Massivität oder > Porosität, seine > Schwere oder Leichtigkeit und seine Resonanz.

Je nach Verarbeitung haben > Oberflächen eine unterschiedliche stoffliche Wirkung. So unterscheidet sich etwa die spröde Anmutung einer sägerauen Holzoberfläche deutlich von der sorgfältig mit dünnen Schellackschichten bearbeiteten, polierten Oberfläche eines Biedermeiermöbels. Dabei zeigt sich, dass Holz, abweichend vom Klischee seines „warmen“ Charakters, ganz verschiedene Anmutungen haben kann. Auch die verbreitete Betonphobie beruht teilweise auf Klischees ohne Augenmerk auf die Verarbeitung. Eine subtil bearbeitete Betoninnenwand bei Tadao Ando kann einen intimen, samtigen Eindruck wie die Auskleidung einer Schmuckschatulle machen, während der béton brut einer brettgeschalten Betonaußenwand bei Le Corbusier in der rohen Wirkung an die Schichtung von Mauerwerk erinnert. Den Eindruck eines edlen Stoffes aber macht gerade erst die angemessene Verarbeitung aus, und im Fall nachlässiger Verarbeitung wirkt selbst das edelste Material falsch. Bestimmte Bearbeitungstechniken sind für manche Stoffe typisch und können deren besondere Eigenheiten hervorheben. In der Textur (Faktur, Schliff, Lichtbrechung) zeigt sich der Charakter eines Stoffs, seine Porigkeit, Maserung oder Äderung. Sie lässt sich als > Ornament zur Belebung einer Fläche nutzen und ist dem künstlich hervorgebrachten Ornament, wie Adolf Loos meint, „an Köstlichkeit weit überlegen“. Aus den für ein Material spezifischen Bearbeitungsmöglichkeiten lässt sich eine bestimmte Formensprache entwickeln. Materialien sprechen die Sinne unterschiedlich stark an, ziehen uns an, wollen berührt werden, bringen uns auf „Tuchfühlung“ mit der Architektur oder aber halten uns auf Distanz. Die Wirkung der Stofflichkeit kann Besonderes herausheben, wie die Mosaikauskleidung eines Mihrab, oder kann durch Einheitlichkeit Nachdruck erzeugen. Mehrere Sinneswahrnehmungen wirken zusammen. An der steinernen Ausstrahlung einer romanischen Kirche etwa sind die einheitliche geschlossene Masse, ihre Festigkeit, die Kühle im Inneren und der harte Klang alle im gleichen Sinne beteiligt und Ausdruck

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von Unangreifbarkeit und Dauer. Eine Berghütte aus Holz dagegen erweckt durch das Zusammenspiel der Faserigkeit des Materials, des harzigen Geruchs, des sonoren Knarrens und der Handwärme den Eindruck eines spröden Futterals. Die Eigenschaften einzelner Stoffe werden meist nicht isoliert wahrgenommen, sondern treten in Wechselwirkung mit denen der anderen Materialien, sie modulieren, kontrastieren oder akzentuieren sich gegenseitig. Durch die geeignete Zusammenstellung im richtigen Verhältnis lassen sich Materialkombinationen so komponieren, dass sie die Atmosphäre eines Raumes in einem charakteristischen Akkord von aufeinander abgestimmten Stoffen „erklingen“ lassen. „Es vibriert von Lustigkeit“, so kommentierte ein Zeitgenosse etwa das Damenzimmer der Villa Müller, in dem Adolf Loos die Auskleidung mit Zitronenholzfurnier und in feinem Cretonne mit Rosenmuster bezogene Polster kombinierte. Ein anderes Beispiel sind Erwin Heerichs Ausstellungspavillons in Hombroich, die raue Außenseite aus Abbruchklinkern stellt mit den strahlend weißen Putzflächen der Innenwände einen Kontrast her, der an das Verhältnis eines groben Wintermantelstoffs zum feinen Seidenfutter im Inneren erinnert. Die innen mit Blech beschlagenen Naturholztüren ergänzen diesen Zusammenklang durch modulierende Zwischentöne. Ein differenzierter Einsatz der Stofflichkeit dient der Verdeutlichung des baulichen Gefüges, durch Materialwechsel an signifikanten Stellen wie Sockel, Kanten, Öffnungen und Gesimsen, oder der Konkretisierung architektonischer Situationen mit > Aufforderungscharakter. So lässt sich ein Wechsel der Stofflichkeit von hart und kalt nach weich und warm zur Führung von außen nach innen verwenden, wenn z. B. Straßenpflaster für die Öffentlichkeit steht und der textile Charakter des Bodenbelags dazu auffordert, sich häuslich zu fühlen. Das Material verleiht dem Gebrauchszweck Ausdruck und zeichnet Gebrauchsspuren auf. Darin zeigt sich seine Alterung, aber es gewinnt durch die hinterlassenen Spuren und durch die > Patina auch eine eigene Würde. Es gibt Auskunft

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etwa über die Gediegenheit architektonischer Elemente, ihre gesellschaftliche Bedeutung, fügt sich durch die Verwendung ortstypischer Baustoffe in regionale Traditionen ein und trägt so zur Verwurzelung mit dem > Ort und dem > Kontext bei. In einigen Fällen transportieren Materialien in ihrer stofflichen Struktur Ausdrucksmerkmale eines Architekturstils. So drückt der im römischen Barock gern verwendete Travertin mit seinen Blasen und fließenden Strukturen dessen dynamisch fließenden und wuchtig-schwellenden > Formcharakter aus und wurde daher von Giorgio Vasari treffend als congelatione di terra e d’aqua, als erstarrte Vermischung von Wasser und Erde, bezeichnet. Die immense Bedeutung der Stofflichkeit in der Architektur brachte Adolf Loos zum Ausdruck: „Die Materie muß wieder vergöttlicht werden. Die Stoffe sind geradezu mysteriöse Substanzen. Wir müssen tief und ehrfürchtig staunen, daß etwas Ähnliches überhaupt geschaffen wurde.“ (Loos 1997c, 209) Literatur: Böhme 1995b; Roth 1995; Soentgen 1997; Weston 2003

Straße Streiflicht Streunen

> Achse, Bewegung, Platz und Straße, Städtebau, Weg

Struktur

Zur Beschreibung der Struktur blickt man gleichsam zwischen die Dinge. Es geht nicht um die Elemente und Formen an sich, nicht um die Räume, Bauteile oder Gebäude, sondern um die Beziehungen zwischen ihnen. Das Ganze setzt sich aus eigenständigen Teilen zusammen, zwischen denen erkennbare Beziehungen bestehen. In der Architektur ist eine typische Beziehungsform das Gefüge. Während das > Raumgefüge die Fügung der Räume im Haus oder auch von Plätzen in der Stadt beschreibt, ist für die Fügung der Bauteile die Konstruktion zuständig. Um die Fügung von Teilen gestalte-

> Decke, Licht, Öffnung > Schweifen

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risch zu verdeutlichen, werden die Stellen, an denen die Teile zusammentreffen, als Fugen, Gelenke, Zwischenglieder oder Verbindungsstücke betont und manchmal von einem Materialwechsel begleitet. Solche Maßnahmen veranschaulichen die Gefügtheit von Architektur auf unterschiedlichen Maßstabsebenen und machen sie differenziert lesbar. Auf einer abstrahierenden Ebene beschreibt die Struktur nicht die Übergänge zwischen den Elementen, sondern deren Beziehungen und ihre > Komposition. Gegenstand ist nicht die konkrete Form, sondern das ihrem Aufbau zugrunde liegende, nicht unmittelbar sichtbare Regelwerk der Beziehungen zwischen den Teilen. In diesem Sinne ist die Struktur eine Abstraktion. Eine strukturelle Herangehensweise bedeutet damit auch ein Bewusstsein für die Austauschbarkeit der einzelnen Positionen und Verknüpfungen innerhalb eines Gefüges. In der Struktur artikuliert sich ein Charakteristikum der baulichen Anlage, das nur indirekt in der Form und Beschaffenheit von Bauten wahrnehmbar ist. Ein und derselben Struktur können unterschiedliche konkrete Ausformulierungen der Form entsprechen, darin ist sie dem > Typus verwandt. Da sie sich, gleichsam verborgen hinter der konkreten Erscheinung der Architektur, dem unmittelbaren Erleben verschließt, muss eine Struktur zuerst aufgedeckt werden, bevor sie gelesen und verstanden werden kann. Selbst das System einer Tragstruktur ist vordergründig nicht immer wahrnehmbar. Erlebbar wird die Konstruktion zwar, sofern die > Tektonik die Fügung der Teile anschaulich macht. Ein klassisches Beispiel dafür sind die Übergänge der Tempelsäule zum Architrav und zum Unterbau, wenn sie nicht einfach zusammenstoßen, sondern durch das Kapitell bzw. durch Basis und Plinthe akzentuiert werden. Doch selbst wenn sowohl die Tatsache der Gefügtheit als auch die Fügestellen selbst sichtbar werden, bilden die einzelnen strukturellen Zusammenhänge der Konstruktion ein Regelwerk, das in der vordergründigen Erscheinung des Bauwerks für die Sinneswahrnehmung nicht immer zugänglich ist. So wird nicht

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einmal aus der simplen Tatsache, dass Häuser (traditionell) meistens viereckig sind, im konkreten Erleben unmittelbar ersichtlich, dass diese Form auf der strukturellen Eigenschaft einer bestimmten Dachkonstruktion beruht, nämlich dem Sachverhalt, dass Balken, Pfetten und Sparren als stabförmige Bauteile in der Regel gerade sind und auf die einfachste Weise so angeordnet werden, dass die eine Lage quer auf der anderen liegt. Die prinzipielle Übertragbarkeit dieser Struktur erlaubt es indessen, auf der Grundlage dieser „strukturellen Potenz“ (Michael Wilkens) sehr unterschiedliche Häuser zu bauen. Auch von einem Raumgefüge nehmen wir zunächst nur die einzelne Raumform aus Wänden und Öffnungen wahr, seine Struktur bleibt zunächst weitgehend verborgen. Sie als System von Beziehungen zu identifizieren, erfordert eine analytische Anstrengung. Selbst der Grundriss ist als Struktur nicht direkt sichtbar, man nimmt die einzelnen Räume, nicht ihre Beziehungen wahr. Die räumlichen Beziehungen als Verbindungen zwischen den Gebäudeteilen sind dagegen leichter aus dem Erschließungssystem, der „Infra-Struktur“ aus Korridoren, Treppenläufen und Gelenken, zu ersehen, das fast wie ein Diagramm aus Verbindungslinien und Knoten gelesen werden kann. Ganz unterschiedliche Häuser haben gleichwohl dieselbe räumliche Struktur. Die Stadt- oder Siedlungsstruktur prägt zwar das Leben in einem Stadtteil entscheidend. Dennoch nehmen wir die Struktur als solche nicht unmittelbar in der konkreten Situation der Stadträume, der Straßen und Plätze wahr. Anschaulich wird sie meistens erst auf dem Plan, wo Strukturparallelen zu Quartieren in anderen Städten erkennbar werden. Plan und Karte abstrahieren die Wirklichkeit, indem sie einzelne Strukturmerkmale isolieren, und stellen eine Matrix der Interpretation dar. Wir können sie als Schlüssel für den Charakter eines Stadtgebiets deuten, als die Art, wie sich historische und gesellschaftliche Strukturen in den Erschließungssystemen, den Bebauungstypen und in deren Wechsel von einem Quartier zu seiner Nachbarschaft abzeichnen. Einmal erkannt, lässt die

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Struktur sich dann auch in der Wirklichkeit vor Ort identifizieren. In der Denkrichtung des Strukturalismus hat man erkannt, dass architektonische Strukturen oft allgemeine Strukturen des Handelns, der sozialen Verhältnisse oder Strukturen des Denkens repräsentieren, als deren Ausdruck sie zu deuten sind. So stellt man fest, dass Häuser und Städte ihren Sinn oft nicht nur darin haben, dass sie gut zu bewohnen sind, sondern – nach dem berühmten Satz von Claude Lévi-Strauss – auch darin, dass sie „gut zu denken“ sind.

Stütze Stufe Stuhl

Symbol

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> Arkade, Dichte (räumliche), Halle, Säule, Schwere und Leichtigkeit, Struktur > Ebene, Raumplan, Steigen, Treppe, Zwischenraum > Einrichten, Haltungen

Symbolische Architektur verweist in der Regel auf eine > Bedeutung, die außerhalb ihrer selbst liegt. Eine spezifisch architektonische Symbolik ergibt sich indes, wenn zusätzlich die konkrete räumliche Erfahrung dieser Architektur mit der symbolischen Bedeutung korrespondiert oder bis zu einem gewissen Grade übereinstimmt und damit eine besonders lebhafte Symbolkraft entfaltet. Auch wenn der Symbolbegriff sehr uneinheitlich definiert wird, sind diese Bedingungen für Symbolkraft vor allem gegen den Begriff von konventionsabhängigen Zeichen mit reiner Verweisungsfunktion abzugrenzen. Wenn zwei sich kreuzende Striche den Buchstaben X bilden, handelt es sich um ein > Zeichen, das nur über den Code einer bestimmten Schrift entziffert werden kann, ohne den seine Bedeutung nicht aus der Form hervorgeht. Auch wenn der Kreuzgrundriss eines Bauwerks das Kreuz Christi symbolisiert, ist der Symbolwert auf einen verhältnismäßig engen Geltungsbereich christlicher Vorstellungen eingeschränkt. Hier spielt weder beim Lesen

der Form noch bei der Zuordnung der Bedeutung die sinnliche Raumerfahrung, die man im Bauwerk selbst macht, eine große Rolle. Eine weiter reichende Gültigkeit und Symbolkraft hat dagegen die Kreuzung von zwei Raumbahnen im Kreuzgrundriss dann, wenn die reale Bewegung entlang der sich kreuzenden Bahnen auf die inhärenten Bedeutungen verweist, die in der Situation ihrer Wahrnehmung selbst zum Tragen kommen: die Wegentscheidung am Kreuzweg, das Zusammentreffen gegensätzlicher Gerichtetheit, das Ausgreifen in vier Himmelsrichtungen. Ein Beispiel dafür ist der Kreuzgrundriss einer Basilika aufgrund seiner realen Bewegungsstruktur. Während der liturgische Prozessionsweg axial zum Hauptaltar im Osten hinführt, greift die Raumbahn des Querschiffs mit ihren Armen nach Norden und Süden aus und bietet der Gemeinde seitlichen Zutritt. In der räumlichen Erfahrung des Richtungsgegensatzes finden das Verhältnis von Priester und Gemeinde und die Analogie von Haupt und Gliedern konkreten Ausdruck. Ähnlich wie die gekreuzten Raumbahnen haben auch andere prägnante gestische Formeigenschaften (Aufrichtung/Verneigung, Geschlossenheit/Offenheit, Rückzug/Hinwendung) ebenso wie Metaphern und > Bilder mit verallgemeinerbarem Charakter dieses Potenzial, sofern die Bedeutung der symbolischen Form nicht nur zeichenhaft, sondern überdies in > Formcharakter oder > Atmosphäre unmittelbar wirksam zum Ausdruck kommt. Die gotischen Bündelpfeiler mit dem Rippengewölbe verweisen nicht nur auf einen Hain von Bäumen mit sich verzweigenden Ästen, sondern haben als Form an sich bereits die entsprechende schirmende Erlebniswirkung. Balthasar Neumanns Bruchsaler Treppenhaus symbolisiert nicht nur den Gegensatz von Hölle und Himmel, sondern lässt uns konkret aus dem Dunkel in die Helligkeit hinaufsteigen. Der spezifisch architektonische Charakter dieser Kommunikationsform beruht nicht nur auf der Anschauung, sondern auf einem komplexen Erlebnisvorgang. Nicht nur die

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Treppenform z. B. ist Symbol, sondern der Vorgang des > Steigens hat die symbolische Bedeutung des Überwindens der eigenen Schwere beim Hinaufsteigen und beinhaltet gleichsam einen Akt der Befreiung, das Erreichen einer unbehinderten Sicht, zudem werden weiter gehende allgemeine Erfahrungen aufgerufen. Wenn schließlich die Architektur als Symbolsystem gar das ganze Universum repräsentieren soll, muss sie sich nicht auf Bild oder Text stützen wie andere Zeichensysteme, z. B. die biblia pauperum der Figurenprogramme mittelalterlicher Kathedralen, sondern das Architektonische der Architektur müsste sich darin zeigen, wie sie diese Repräsentation durch spezifisch architektonische Mittel entfaltet. Auf der konkreten Erfahrung von Räumlichkeit aufbauend, lässt sich das Ganze der Welt von der spezifisch räumlichen Struktur der Architektur her begreifen: Durch die Erfahrung der Innen-außen-Differenz in der Architektur gelingt es, die Einheit von Trennung und Verbindung zu denken, die Einheit von Körper und Raum durch ihr Figur-Grund-Verhältnis, die Einheit von Stützen und Lasten in der Überwindung der Schwerkraft und die Einheit von Raum und Zeit durch die Strukturierung von räumlicher Bewegung.

Symmetrie

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Im Menschen selbst liegen die symmetrische Ordnung und zugleich deren Überwindung. Körperorgane und Gliedmaßen sind zwar symmetrisch angeordnet, aber dennoch in ihren Funktionen nicht starr symmetrisch veranlagt, analog dazu nehmen wir die Architektur wahr. Eine vertikale Spiegelachse hat zwar für die Wahrnehmung eine wichtige Aufgabe, ihre allzu beherrschende Rolle in der > Komposition wirkt jedoch lähmend. Dem Begriff der „Symmetrie“ liegt hier die heute übliche Definition als Axialsymmetrie zugrunde, für die ebenso wie für die Punkt- oder Rotationssymmetrie die Formengleichheit der durch Spiegelung oder Drehung wiederholten Elemente wesentlich ist. Eine heute nicht mehr gebräuchliche, differen-

ziertere Auffassung von „Symmetrie“ (wörtlich: ZusammenMaß) entspricht dem, was in der Antike Eurythmie hieß, und bezeichnet gerade nicht die Gleichheit von Elementen, sondern ein ausgewogenes Verhältnis einander entsprechender Teile, das einem bestimmten Rhythmus folgt und sich in den > Proportionen eines Bauwerks zeigt. Die Axialsymmetrie entspricht dagegen einigen Eigenschaften unserer leiblichen Organisation. Die vertikale Symmetrieachse tragen wir gleichsam in uns. In ihr treffen sich die gegen die Schwerkraft gerichtete aufrechte Haltung und die axiale Lage des Augpunktes beim Sehen mit zwei Augen; horizontale Symmetrieachsen haben für uns nicht diese Bedeutung. Der virtuellen Teilung des Sehbildes in zwei rechts und links des Hauptsehstrahls liegende symmetrische Hälften entspricht die Vorstellung einer symmetrischen Aufteilung des vor uns liegenden Raumes der Breite nach. Dass die vertikale Achse etwas mit dem aufrechten Stehen unseres Körpers zu tun hat, muss der Grund dafür sein, dass wir Bauwerke, die eine prägnante Symmetrieachse besitzen, als stehend empfinden, auch wenn sie breiter sind als hoch und eigentlich „liegende“ Proportionen haben. Der Tendenz, die Symmetrie von der Achse her zu lesen, entspricht die Vorstellung einer Breitenausdehnung symmetrischer Räume von der Mitte nach den zwei Seiten. So wirkt die Gestik von Flügelbauten empfangend, aber auch einfangend und beherrschend. Die in die Tiefe fluchtende Wirkung von Räumen und Wegen wird durch die Symmetrie z. B. von doppelten Pfeilerreihen oder einer Allee gesteigert, wobei die symmetrisch begleitenden Elemente auf der zentralen Bahn sich zur Achse hin mit einem Zug in die Tiefe perspektivisch verdichten. Dem Betrachter wird durch Symmetrie gleichsam ein Standort und eine > Achse der Annäherung zugewiesen. Die Bewegung auf der Achse wird mitunter bewusst durch Einbauten blockiert, um den Betrachter zwischen behinderter Annäherung und der reinen Idee einer axialen Wegbahn in Spannung zu versetzen, wie z. B. in barocken Parkanlagen.

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Auch punktsymmetrische Anlagen erzeugen einen Drang, der Symmetrie zu entsprechen, und lenken den Betrachter zum Zentrum, mit dem er aber seine leibliche Disposition nicht in Übereinstimmung bringen kann, sodass er zu einer Bewegung des > Oszillierens zwischen Zentrum und Peripherie veranlasst wird. Die Punktsymmetrie als umfassend zentrierende Form mehrfacher Symmetrie unterstützt meist kultische Funktionen oder wird in der vollendeten Form der Kugel als kosmisches Symbol verstanden, wie z. B. in Étienne-Louis Boullées Kenotaph für Newton. Sie tendiert damit zur Richtungslosigkeit und schwebenden Aufhebung aller Gegensätze. Symmetrie hat grundsätzlich eine hochgradig ordnende Wirkung. „Die Symmetrie gefällt der Seele auf Grund der Leichtigkeit, mit welcher der Gegenstand sofort in seiner Gesamtheit überschaubar ist.“ (Montesquieu, nach Kambartel 1972, 65) Die Spiegelsymmetrie beinhaltet nicht nur die Gegenüberstellung zweier identisch gespiegelter Seiten, sondern erzeugt eine dreigliedrige hierarchische Ordnung von linker Seite, zentraler Achse und rechter Seite. Durch die Gleichwertigkeit der Seiten gibt es keinen einseitig gerichteten Bewegungsimpuls. „Mit der Symmetrie tritt Ruhe ein“ (Frey 1976), daher ist Symmetrie oft der Ausdruck von Stillstand, Feierlichkeit, überzeitlicher Bedeutung und Macht (> Monument). Sich von einer symmetrischen Ordnung geleitet auf ein Zentrum hin zu bewegen, hat einen hohen Symbolwert. Die Kehrseite ist die Trivialisierung architektonischer Gestaltung durch die Spiegelsymmetrie. Zwar lässt sich auch ein reines Quadrat als symmetrisch deuten, doch eine gehäufte Wiederholung von Formspiegelungen wirkt leicht allzu plakativ. Sie ist zwar ein unmittelbar wirksames Rezept, das auch einer misslungenen Fassade noch zu einer gewissen Ansehnlichkeit verhilft, nimmt ihr aber häufig jede Spannung. Symmetrie muss jedoch nicht ganz offensichtlich sein, sondern kann auch unterschwellig als verborgener Widerpart der Asymmetrie wirksam werden. „Die Symmetrie ist um so besser, je schwerer man ihre Achse findet.“ (Tessenow 1998,

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29) Das Ergebnis lohnt die Mühe der Wahrnehmung. Als moderne Form einer infrage gestellten und in ihrer subtilen Fragilität wiederhergestellten „Quasi-Symmetrie“ könnte man die lebendige Balance der neoplastizistischen Architektur von de Stijl betrachten. Literatur: Frey 1976; Naredi-Rainer 1982

Synästhesie

Bezeichnungen wie rosa, glatt, klirrend, dumpf oder sanft benennen nicht nur eine Sinnesqualität, sondern stehen für ganze Empfindungskomplexe. Dass > Farben und Tasteindrücke oder > Klänge nicht nur die jeweilige Sinnesqualität besitzen, sondern auch eine weiter reichende Ausdrucksqualität und vor allem eine atmosphärische Wirkung, verdanken sie den Synästhesien oder intermodalen Qualitäten, also dem Zusammenwirken von Empfindungen aus unterschiedlichen Sinnesbereichen in einem gemeinsamen Sinneserlebnis. Das Rosa von Wänden etwa wird nicht nur als Farbe einer bestimmten Frequenz wahrgenommen, häufig vermittelt es auch eine lauwarme Temperatur- und eine weiche Tastempfindung oder hat sogar etwas von einem süßlichen Geruch oder Geschmack. Die Glätte von Fußboden und Möbeloberflächen besitzt nicht nur eine taktile Qualität, sondern auch ein dynamisches Moment, man spürt vielleicht eine gewisse Kühle oder glaubt einen harten Klang zu vernehmen. Im ersten Beispiel kommt eine charakteristische rosa, lauwarme, weichsüße Stimmung zustande, die in bestimmten Gebrauchszwecken, etwa Boudoir oder Konditorei, ihre Entsprechung findet. Das andere Mal schafft die glatte, dynamische, kühl-harte Mischung eine Atmosphäre von Sachlichkeit und Strenge. Im einen Fall von einer Farbempfindung ausgehend, im anderen von einem haptischen Eindruck, eröffnet sich offenbar ein Komplex von weiteren Empfindungen, die alle in dieselbe Richtung weisen. Ihnen liegt eine gemeinsame Erlebnisweise zugrunde, welche die ganze > Atmosphäre der jeweiligen Situation prägt, ohne dass eine einzelne Sinnesempfindung

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als eigentliche oder alleinige dafür maßgeblich wäre, die eine kann die andere vertreten. So steht in einem Fall beispielsweise der Klang des Klirrens für große Kälte und bläulich-grelles Licht, im anderen klangloses Rumpeln für dumpfes Klima und stumpfbraune Farbe, schließlich auch sanftes Vorhangrascheln für die sanfte Reliefstruktur einer Oberfläche und einen schwachen Lichtschimmer. Die einzelnen Sinnesempfindungen können zwar auch über assoziative Verbindungen miteinander verknüpft sein, z. B. ein Rotorange mit starker > Wärme, weil man dabei an Feuer denkt. Aber vor allem fußt ihr Zusammenwirken auf einer gemeinsamen Erlebnisqualität, die den atmosphärischen Charakter der jeweiligen Situation prägt und die auf dem leiblichen Erleben übereinstimmender Gefühle beruht. Doch wie eine Atmosphäre wirklich erlebt wird, zeigt sich nur im aktuellen Fall und lässt sich nicht durch stereotype Zuordnungen, etwa von stofflichen Qualitäten zu Temperaturempfindungen, angeben: Holz wird eben nicht immer als warm, Stahl nicht immer als kalt empfunden. Jede Konstellation ist anders, die konkrete Erfahrung hängt oft von Details ab und ändert sich mit dem Kontext. Die mit der Farbe Rosa einerseits und mit der Stofflichkeit von Granit andererseits verbundenen gewohnten Vorstellungen versagen, wenn beide in einer ägyptischen Grabkammer zusammentreffen. Literatur: Böhme 2001

Szene

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Szenografische Architektur bildet schon immer die Bühne, auf der man etwas oder sich selbst vorführt, um zu sehen oder gesehen zu werden. Sie verfügt über ein umfangreiches Instrumentarium der illusionistischen Zurschaustellung, etwa mittels perspektivischer Kunstgriffe und atmosphärischer Verfremdung. Sie stellt Podium und Kulissen bereit für das große Zeremoniell oder den kleinen > Auftritt, für theatralische Aufführungen oder die Inszenierung liturgischer Hand-

lungen, aber auch schon für alltägliche Geschehnisse, an denen Akteure und Zuschauer beteiligt sind. Dennoch geht es im Unterschied zu Theater und Szenografie bei der Architektur in der Regel nicht um eine Aufführung vor Publikum, sondern wir erleben Architektur hauptsächlich dadurch szenisch, dass wir Akteure und zugleich die eigenen Zuschauer sind. Dies ist möglich, weil der Mensch in der Lage ist, zu sich selbst und seiner Stellung in der Welt eine Distanz herzustellen. „Er lebt und erlebt nicht nur, sondern er erlebt sein Erleben“. (1928, 292) So hat Helmut Plessner diese spezifische Form menschlicher Welterfahrung beschrieben und dafür die Bezeichnung „Exzentrizität“ gewählt. „Ist das Leben des Tieres zentrisch, so ist das Leben des Menschen, ohne die Zentrierung durchbrechen zu können, zugleich aus ihr heraus, exzentrisch.“ (ebd.) Da unser Körper immer eine Position im Raum einnimmt, seine eigene Ausdehnung und Grenze hat und unsere Beziehung zur Welt immer räumlich geprägt ist, wird auch die beschriebene Eigentümlichkeit unseres exzentrischen Selbstverständnisses spezifisch räumlich erlebt. Seiner selbst innewerden, sich selbst zusehen heißt also seiner selbst im Raum innewerden, sich selbst mit und in einer räumlichen > Situation zusehen. In fundamentaler Weise ist menschliches > Erleben insofern immer szenisches Erleben, als der Ort, an dem wir uns aufhalten, in der für menschliches Selbstverständnis charakteristischen Distanz gesehen, zur Bühne unseres Auftretens vor allem vor uns selbst wird, manchmal, aber nicht notwendig auch vor anderen. Für den Menschen spielt daher in jeglichem Erlebnis der Raum, insbesondere der gestaltete Raum, eine elementare Rolle als Schauplatz für dieses szenische Erleben. Die exzentrische Disposition menschlichen Erlebens enthält bereits ein ästhetisches Moment. Auch die ästhetische Einstellung beruht auf einer Distanz gegenüber der konkreten Situation, hebt wie sie ein szenisches > Bild aus einer rein funktionalen Realität heraus. Architektur begünstigt diese ästhetischePerspektive durch die szenische Fassung von Alltagssituationen.

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Dabei geht es weder um Theaterarchitektur noch um theatralische Architektur oder szenografisch präparierte Schauplätze. Vielmehr kann uns jeder gestaltete Raum potenziell den Eindruck vermitteln, er sei für uns gemacht, als szenischer Rahmen, der unser Handeln zum Gegenstand unserer eigenen Aufmerksamkeit macht. Dabei können von der Architektur all jene Lebensvorgänge zum Thema gemacht werden, die sich räumlich artikulieren lassen. Im Unterschied zu künstlichen Erlebniswelten, durch die der Besucher in eine Fantasiewelt versetzt werden soll, die als Gegenwelt zur täglichen Normalität den Alltag vergessen lässt, setzt die Architektur bei den Grundlagen von Wahrnehmung und Bewegung und bei den elementaren Vorgängen unseres alltäglichen Umgangs mit dem Raum an. Eine > Treppe hinaufzusteigen beispielsweise, kann bei einer baulichen Ausgestaltung nach dramaturgischen Gesichtspunkten zu einer szenischen Erfahrung werden, bei der man seine eigene Bewegung durch den Raum wie eine Aufführung verfolgt. Analog zum Agieren der Schauspieler auf der Bühne, das in der Inszenierung des Stücks eine zweite Realität hervorbringt, kann die Realität des rein funktionalen Vorgangs „Treppensteigen“, der sich auch achtlos und unthematisch ausführen lässt, im selbstreflexiven Erleben und der damit veranlassten achtsamen Ausführung thematisch werden. Im Unterschied zum Theater muss das Treppensteigen aber keine „Geschichte“ erzählen, sondern der Architekt findet in der Bauaufgabe selbst bereits die entscheidende Begebenheit. In der architektonischen Gestaltung wird die reine Zweckrealität in eine Erlebniswirklichkeit verwandelt, die den Zweck selbst thematisiert. Der Zweck des Niveauwechsels lässt sich durch eine ausdrucksvolle > Gestik inszenieren; die rein zweckhafte Bewegung lässt sich durch einen bestimmten Rhythmus ausstatten; die Mühsal des > Steigens kann in eine dramatische Sequenz umgewandelt werden; Wahrnehmung und Orientierung werden durch eine charakteristische > Atmosphäre bereichert. Zwischen der dunklen Grotte unten

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und der schwebenden Plattform oben in Balthasar Neumanns Bruchsaler Treppenhaus sehe ich mich selbst unmittelbar in der Polarität der finsteren Tiefe zur hellen Weite in der Höhe hinaufsteigen. Die mythologische „Erzählung“ von Hölle und Himmel kommt erst auf der Ebene des > Symbols hinzu. Analog zur szenischen Bearbeitung des Treppensteigens können durch die Architektur schließlich räumliche Zusammenhänge jeder Art szenisch gestaltet werden, indem sie bei der spezifischen Bewegung und der Art des Handelns, also beim jeweiligen > Gebrauch der Räume ansetzt und ihn als szenischen Inhalt behandelt. Allerdings will man nicht unbedingt zu jeder Zeit die eigenen Tätigkeiten und Bewegungen szenisch erleben, sondern meistens lieber beiläufig ausführen und wahrnehmen. Doch das szenische Potenzial einer architektonisch gestalteten Situation bietet die Chance, bei beliebiger Gelegenheit die Intensität der räumlichen Erfahrung nach Bedarf durch Aufmerken zu steigern und auch im normalen Alltag von den durch die Architektur bereitgestellten Auftrittsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Aber auch im beiläufigen Erleben macht sich die szenische Kraft einer atmosphärisch dichten architektonischen Gestaltung dadurch unterschwellig bemerkbar, dass sie uns manchmal schlagartig der Besonderheit einer Situation innewerden lässt. Literatur: Frey 1925; Janson/Jäkel 2007; Plessner 1923, 1928

Tageslicht Takt Taktil Tanz Tasten Technik

> Atmosphäre, Licht > Rhythmus (räumlicher) > Haptik, Oberfläche, Sinneswahrnehmung, Stofflichkeit > Bewegungsfigur, Feld, Rhythmus (räumlicher), Schweifen,

Treppe > Haptik, Oberfläche, Sinneswahrnehmung, Stofflichkeit > Architektur, Detail, Stofflichkeit, Struktur, Tektonik

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Tektonik

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Karl Friedrich Schinkel bringt zum Ausdruck, worum es in der Tektonik geht, wenn er sagt, Architektur sei „zum Gefühl erhobene Konstruktion“. Das Konstruktive soll also nicht auf die Erfüllung physischer Anforderungen beschränkt, sondern auch durch die Form fühlbar ausgedrückt werden. Die konstruktiven Aufgaben von Säulen, Balken oder Fensterrahmen kommen anschaulich nur dann zum Ausdruck, wenn sie sinnlich fassbar gemacht werden. Das ist zunächst nicht leicht, weil beispielsweise Kräfteverlauf oder Materialbeanspruchung unseren Sinnen verborgen bleiben. Trotzdem verschafft uns der Vergleich mit ähnlichen Vorgängen an unserem eigenen Körper eine Vorstellung davon (> Einfühlung). „Wir haben Lasten getragen und erfahren, was Druck und Gegendruck ist, (...) darum wissen wir das stolze Glück einer Säule zu schätzen.“ (Wölfflin 1886) Die Tektonik wird durch die Körperanalogie zu einer Entsprechung unserer existenziellen Befindlichkeit, wenn sie die Aufrichtung in die Vertikale als Erlangen einer Selbstständigkeit gegen den Widerstand der abwärts ziehenden Schwerkraft zum Ausdruck bringt. Aus dem Kontrast zur Vertikalität unseres aufrecht stehenden Körpers und zur Horizontalität des Lagerns auf dem Erdboden bezieht auch die Dynamik freier Formen erst ihr dramatisches Potenzial. Unabhängig von der Körperanalogie sehen wir der > Säule ihre tektonische Funktion aber auch an, wenn sie so geformt ist, dass der Druck von oben sich in der Schwellung (Entasis) zeigt, mit der sie zugleich die Kraft ihres Widerstands ausdrückt. So zeigen sich im > Formcharakter tektonische Ausdrucksqualitäten unmittelbar, indem die Form das Tragen, Lagern, Hängen der Teile und das bauliche Gefüge als Ganzes durch Sinnfälligkeit anschaulich macht. Die grundlegende Bezugsbasis der Tektonik ist die Erde, auf der das Bauwerk entweder standfest ruht oder von der es sich bewusst abhebt. Die Art, wie es auf den Boden kommt (> Sockel), unterscheidet sich daher von seinem oberen Abschluss. Zwischen Erde und Himmel entfaltet sich die bauliche > Struktur

auf unterschiedlichste Art. Sie setzt sich aber fast immer aus verschiedenen Bestandteilen zusammen. Das ist entweder die modellierte oder behauene und geschichtete Masse, auf deren Grundlage sich nach Gottfried Semper die Tektonik im engeren Sinne, das Gerüst stabförmiger Teile zur Befestigung der eigentlichen Raumhülle, aufbaut. Oder sie umfasst wie in der zeitgenössischen Bautechnik die Montage einer Vielzahl von oft nicht mehr identifizierbaren Komponenten. Die Tektonik eines Bauwerks soll die strukturellen Funktionen veranschaulichen, welche die einzelnen Elemente im Gefüge des Bauwerks erfüllen, sie soll zeigen, wie sich das Haus durch seine Teile artikuliert (> Detail). Für unseren täglichen Umgang mit der Architektur, vor allem wenn es um die konkrete Handhabung ihrer Teile geht, wie Türen, Fenster, Treppen, Handläufe, ist eine Vertrautheit mit den Dingen entscheidend. Ob die Teile des Hauses als undurchschaubare „Apparate“ oder als verständliche „Gegenstände“ (Julius Posener) unseres Alltags erscheinen, ob sich ihre Funktionen den Sinnen erschließen oder ihre Form die Funktion hinter homogenisierendem Design verbirgt, ist für die Begreifbarkeit von Architektur wesentlich. Die Vertrautheit mit ihr wird erleichtert, wenn durch eine tektonische Auffassung von Architektur eher ein Ausdruck von Dauer und Substanz erzielt wird als der einer ephemeren Erscheinung. In der Antike war der τέκτων (tekton) zunächst der Zimmermann, später bezeichnete der Ausdruck generell den Baumeister, der bereits mit poetischen und ästhetischen Ansprüchen auftrat. Sehr früh taucht dabei die Frage nach echt und falsch auf, die sich schließlich in der Unterscheidung zwischen realer Konstruktion und Verkleidung konkretisiert. Wenn Mies van der Rohe in der Fassade ein nicht tragendes Stahlprofil die dahinter verborgene tragende Stütze vertreten lässt, dann schafft er eine sinnfällige Vorstellung der Tragstruktur, auch wenn sie nicht mit dem tatsächlichen Kräfteverlauf übereinstimmt. So übernimmt die > Bekleidung der Konstruktion

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und mit ihr das > Ornament in der Tektonik häufig die Aufgabe, die Konstruktion für das „Gefühl“ zu repräsentieren. Literatur: Frampton 1993; Kollhoff 1993; Posener 1981; Semper 1860; Wölfflin 1886

Temperatur

> Behaglichkeit, Sinneswahrnehmung, Stofflichkeit, Wärme

Terrasse

und Kälte > Dach, Ebene, Garten, Sockel, Treppe, Zwischenraum

Territorium

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Sobald wir auf der Welt sind, beginnen wir nicht nur im Raum zu sein, sondern auch Raum zu besetzen. Wir beanspruchen Platz, und wenn wir eine Einflusssphäre sichern wollen, müssen wir sie markieren, beispielsweise den Stuhl mit einem Kleidungsstück „reservieren“, und gegen Übergriffe anderer verteidigen. Diese Kennzeichnung eines Territoriums (lat. terra, Erdboden), als Anspruch auf die Gewährleistung einer geschützten Einflusssphäre, ist ein Grundbedürfnis des Menschen und reicht vom Individuum über die Familie und die Gemeinde bis zum Territorialstaat. Der Anspruch auf ein Territorium lässt sich ursprünglich mit dem Bedürfnis nach Ressourcengewinnung und Schutz vor verschiedenen Umwelteinflüssen begründen und ist schon immer aufgrund konkurrierender Raumansprüche ein Feld mit hohem Konfliktpotenzial. Die Architektur in ihrer Grundfunktion der > Abschirmung eines > Inneren nach Außen ist stets damit befasst, verschiedenen Territorien, wie dem Zimmer, der Wohnung, dem Haus oder der ummauerten Stadt, mit ihren Grenzziehungen sichtbar physischen Ausdruck zu verleihen. Wenn es stimmt, dass etwas sein Wesen von seinen Grenzen her beginnt, also von daher bestimmt wird, wie Martin Heidegger meint, ist das Territorium die Grundform von Raumbestimmung und die architektonische Äußerung der Grenzziehung wäre damit ein prädestinierter Akt der Wesensbestimmung.

Doch die Architektur zieht und verdeutlicht nicht nur Raumgrenzen durch Einfriedung mit Mauern, Wänden, Zäunen, Hecken und Gräben, sondern sie besetzt durch Bauwerke auch Grund, der vorher, als Grundstück, Stadtgebiet oder Grünland, frei war. Damit verändert sich das Gelände als Ganzes auch im > Kontext eines Gebietes. Nun steht da nicht nur ein Haus, sondern Wege sind abgeschnitten, der Ausblick ist verstellt, das Umfeld ist verschattet. Erschließung, Gerüche und Geräusche wirken sich auf die ganze Umgebung aus. Als Gegenstück des Territoriums existiert das Niemandsland, die Brache, das terrain vague, das von niemandem in territorialen Anspruch genommen wird. Als „unbestimmtes Gelände“ bietet es Nutzungsoffenheit und Aneignungsspielräume zur je individuellen Bestimmung. Das eigene Grundstück, der Acker, das Quartier, die Gemarkung und das Heimatland sind das Stück Land, das schon vor jeder Überbauung als persönlicher oder gemeinschaftlicher Raum beansprucht und affektiv besetzt wird. Auch ohne sichtbare Grenzziehung bildet es ein Inneres, wo man im Eigenen ist und andere zuerst fremd sind. Der begrenzte Raum eines Territoriums wird nicht nur als Einflusssphäre erlebt, sondern auch als Grenze des Selbst und nach Graf Karlfried von Dürckheim etwa durch die Haus- oder Wohnungstür markiert. „Wir erleben das Tor als eine persönliche Grenze. Wir öffnen es im vollen Sinne nur dem, der zu uns gehört; nimmt sich ein anderer die Freiheit des Eintretens, so erleben wir das als unbefugtes Überschreiten einer persönlichen Grenze und ebenso erleben wir jede Grenzverletzung des Raumes als Verletzung unserer selbst.“ (2005, 93) In unterschiedlichem Grade physisch wahrnehmbar, reicht das Territorium jedoch auch noch weiter, bis zur Grundstücksgrenze, zur Hecke, zum Zaun oder bis zum Waldrand. Im Blick aus dem Fenster wird die Umgebung in den Bereich des eigenen Wohnhauses einbezogen, was die Unterdrückung störender Elemente und die Behinderung unerwünschter Eingriffe mit sich bringen kann. Damit beginnt der Konflikt,

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dass das Individuum auch den Raum der Stadt als Eigenraum kontrollieren möchte, dieser aber als Raum aller nicht kontrolliert werden kann. Wenn die Wohnumgebung des Quartiers als Teil der persönlichen Raumsphäre oder derjenigen der eigenen Familie betrachtet wird, dann werden Gemeinschaftseinrichtungen, die das Privatleben – zum Teil schon durch ihren Anblick – stören könnten, wie Behindertenheime, Kindergärten oder Bolzplätze, aber auch der neue Carport des Nachbarn, als Beeinträchtigung für die Entfaltung des privaten Lebensraums empfunden und als vermeintlicher Eingriff in die Privatsphäre bekämpft. Das Konfliktpotenzial erhöht sich mit der in letzter Zeit zunehmenden Wertschätzung des Individuallebens und dem verstärkten Rückzug in die Privatheit. Die hohe Bedeutung von persönlicher Autonomie führt zu einer Abschottung des Individuums und seiner engeren sozialen Gemeinschaft in einem erweiterten sozialen Privatraum. Der soziale Privatraum wird zu einem zu verteidigenden Territorium, das vor Kriminalität, vor Fremden oder auch vor jeglicher Veränderung abgeschirmt werden muss. Diese Stabilität wird mit aller Macht erzwungen, der Zutritt kontrolliert und Homogenität erzeugt. Die zunehmende weltweite Ausbreitung von gated communities, in denen ganze Stadtviertel mit allen Wohnfolgeeinrichtungen zum kontrollierten Privatraum werden, aber auch die Privatisierung des vormals öffentlichen urbanen Raumes in Malls etc. sind nur die letzte Konsequenz. Aber schon die Gardinen dienen nach Gert Selle als „unüberschreitbare symbolische Grenze des eigenen Drinnen zum feindlichen Draußen“ vor allem dem „Schutz gegen den bösen Blick der Welt“ (1993, 10). Was Selle die „Zitadellen-Mentalität“ der Bewohner nennt, wird schließlich im bekannten englischen Ausdruck My home is my castle unübertroffen auf den Punkt gebracht.

Textur

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> Oberfläche, Ornament, Raum-Körper-Kontinuum, Sinneswahrnehmung, Stofflichkeit

Theater

> Architektur, Auftritt, Bild, Dramaturgie, Szene, Treppe

Thema, architektonisches

Im Unterschied zu der Vielzahl von möglichen architektonischen Konzepten und Entwurfsansätzen gibt es in der Architektur nur eine begrenzte Anzahl von Themen, die eine über die einzelne Bauaufgabe hinausgehende Bedeutung haben. Die Formulierung eines architektonischen Themas bewegt sich immer auf dem Grat zwischen allgemeiner Gültigkeit und einem spezifisch architektonischen Gehalt. Im Unterschied zu einer Entwurfsidee als individuellem Zugriff eines Entwerfers auf eine Bauaufgabe erhebt ein architektonisches Thema Anspruch auf einen geistigen Gehalt von allgemeiner Gültigkeit. Eine „Thematisierung der Architektur“, deren Unerlässlichkeit vor allem Oswald Mathias Ungers betont hat, verbindet die leibliche Erfahrung baulicher Wirklichkeit mit der Konfrontation einer „Welt der Ideen“ (1983). Architektonische Themen dürfen jedoch nicht verwechselt werden mit Themen allgemeiner Art, auch wenn sie von gesellschaftlicher Relevanz sind, wie etwa Demokratie, Nachhaltigkeit oder Authentizität. Ein architektonisches Thema behandelt vielmehr ein spezifisch architektonisches Phänomen, z. B. eine bestimmte räumliche Konfiguration. Es wird nicht nur gedanklich vorgetragen, sondern architektonisch entfaltet. So nennt Ungers etwa „Das Haus im Haus“ als architektonisches Thema, also die mehrfache Umhüllung eines Körpers, die in der Wiederholung des Hüllvorgangs durch die Architektur thematisch zum Ausdruck gebracht wird (> Inkorporation). Davon ausgehend lässt sich schließlich die verallgemeinerbare Idee des fortgesetzten Enthaltenseins von einem im anderen artikulieren. Damit besitzt ein architektonisches Thema eine große Affinität zum > Typus. Typen sind Themen, die sich bereits in der Praxis und im Laufe der Geschichte der Architektur etabliert haben. Ein Thema (griech. τίθημι, setzen, stellen, legen) beinhaltet andererseits eine Setzung, trägt eine Interpretation

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als These vor, etwa durch die Thematisierung des Hauses als Wand im Fall von Ralph Erskines „Wall“ in Byker. Architektonische Themen können ein architektonisches Phänomen in außerarchitektonischen Formen entdecken und durch Transformation, in Analogien oder Metaphern (Ungers 1977) zum Thema einer vorliegenden realen Bauaufgabe machen. Sie können unter aktuellen oder zukünftigen Bedingungen weiterentwickelt werden und in ihrer räumlichen Konkretisierung neue Erfahrungen ermöglichen. Die Ansätze des sogenannten theming, also die Gestaltung von Konsumeinrichtungen und Themenparks mit narrativen Inhalten, leisten das nur bedingt. Sie holen die „Themen“ ihrer Narration oft aus weit entfernten Bereichen und beziehen sie gerade nicht aus dem gegebenen Handlungsrahmen der realen Bauaufgabe, sondern stülpen sie ihr auf gekünstelte Weise über. In der Regel soll diese Form der Thematisierung die Besucher vor allem von der konkreten Alltagswirklichkeit ablenken und in eine reizgesättigte Fantasiewelt entführen. Literatur: Ungers 1977, 1983

Theming

> Thema (architektonisches)

Tiefe, räumliche

In der räumlichen Wahrnehmung wird eine in die Tiefe des Raums reichende Spannung aufgebaut. Blick und Bewegung reichen in die Tiefe, um die Distanz zu Gegenständen und Raumgrenzen zu überwinden, um den Raum einzunehmen und ihn in der Vorstellung auszuschreiten (> Erstrecktheit). Als dritte Dimension ist die Tiefe unter den drei Raumrichtungen für die Wahrnehmung von Architektur und die Bewegung im Raum entscheidend, weil sie mit der gewohnten Blick- und Bewegungsrichtung zusammenfällt. In Höhe und Breite ausgedehnte > Ebenen bieten dem > Blick ein flächiges Ziel und der > Bewegung eine Grenze, doch erst in der Tiefenrichtung dringen Blick und Vorwärtsbewegung in den Raum

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ein. August Schmarsow beschreibt daher die Tiefenbewegung als den Hauptbewegungsmodus für die adäquate Wahrnehmung von Architektur. Fassbar wird räumliche Tiefe durch Formen im Raum. Schichtungen von hintereinander gestaffelten Gebäuden und Gebäudeteilen, die sich teilweise verdecken, führen durch ihre partielle Sichtbarkeit in die Tiefe. Dabei kann unsere räumliche Vorstellung gewissermaßen um die Hindernisse herumgreifen und sich in den dahinterliegenden Teil des Raumes fortbewegen. Während die tiefenräumliche Wahrnehmung unterstützt wird, wenn Bauformen als körperhafte, plastische Elemente erkennbar sind, tendiert sie zu abstrakter Flächigkeit, wenn sie nur als Staffelung flacher Ebenen erscheinen. Der baulichen Verdeutlichung von räumlicher Tiefe dient beispielsweise eine Gliederung in nähere Bau- oder Raumteile, in denen alles greifbar bleibt, und weiter entfernte, die stufenweise abgerückt sind. Tiefe tut sich auch durch hintereinander angeordnete Rahmungen (> Enfilade), Durchblicke und Blickachsen auf. Besonders Treppenanlagen führen den Blick durch ihre Formdynamik in räumliche Tiefe. Zusätzlich lässt sich Tiefenwirkung im Zusammenspiel von Licht und Schatten erzielen, etwa durch das Verdämmern in den > Resonanzräumen von Kammern oder unter hohen Decken und Gewölben oder aber dadurch, dass in der dunklen Tiefe des Raums eine Lichtöffnung noch einmal Anziehung ausübt oder weiterzuführen scheint. Für die Wahrnehmung einer vielfältigen räumlichen Durchgliederung in der Tiefe ist das permanente Akkommodieren des Auges nötig, eine Sinnesaktivität, die mit geistiger Aktivität korrespondiert. „Der Begriff der Tiefgründigkeit stammt (...) von dem Erlebnis der physischen Tiefe ab.“ (Arnheim 1972, 219) Zwischen > innen und außen lässt die Tiefenstaffelung von Raumschichten durch eingeschobene > Zwischenräume, wie Loggien, Veranden oder > Arkaden, einen gestuften Übergang entstehen. Für die Bewegung wird die Erfahrung der Tiefe einer Raumstruktur durch das > Schichten und Hinter-

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einanderschalten von Räumen erzielt, die durchquert werden müssen, um an ein Ziel zu gelangen. Das Durchlaufen einer > Sequenz von Vorstufen steigert die Dramatik der Annäherung und die Bedeutung des schließlich erreichten Ziels. Beispiele liefert dafür die ägyptische Tempelarchitektur mit ihren Vorhallen und mehrfachen Umgängen, deren Zentrum das Allerheiligste bildet. Hier ist aber auch eine axiale Tiefenrichtung vorhanden. Tiefenstaffelungen, Tiefenachsen und Fluchten sind Gliederungen der Tiefenstruktur von Gebäuden und Städten, die auf Orte und Zentren hinführen und einen > Weg dorthin vorzeichnen. Aber es gibt auch eine räumliche Tiefenerfahrung, bei der man im zögernd tastenden Vordringen in eine nicht ersichtliche Tiefe gelangt. Die Richtung wird dabei weder auf einer Achse angegeben noch durch die geordnete Staffelung von Elementen. In diesem Fall werden nicht klare Grenzen überschritten, um das Bauwerk oder die Stadt in der Tiefe zu durchqueren, Schichten werden nicht durchdrungen, um zu einem Zentrum oder in ein Inneres zu gelangen. Stattdessen überwiegt ein „weicher“ oder fließender Übergang zwischen innen und außen. Die Tiefenentwicklung in Form einer > Faltung oder Wicklung sich überlappender Schichten kommt quasi nie zu einem Ende und führt zu keinem Zentrum hin. Sie läuft vielmehr in unbestimmter Tiefe aus und bietet stattdessen in den Falten eine größere Anreicherung an räumlicher Tiefe, selbst auf kleinem Raum. Fumihiko Maki beschreibt dieses Phänomen durch das Prinzip oku am Beispiel des traditionellen japanischen Hauses oder des Stadtplans historischer Teile von Tokio. Im Gegensatz zur Entschiedenheit, wie sie in der europäischen Kultur das Verhältnis von Zentrum und Grenze prägt, ist das Erreichen des Ziels kein Höhepunkt, sondern im Prozess der Annäherung selbst liegen Drama und Ritual. Die Bewegung ist nicht die zielgerichtete Führung durch einen Weg, sondern eher das suchende > Schweifen. Durch die verzögerte, behinderte und verunklärte Annäherung an eine geradezu unerreichbare Ferne erhält

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das Ziel dagegen eine Bedeutung von spiritueller Tiefe oder als geheimer Raum im Verborgenen. Literatur: Gosztonyi 1976; Maki 1979

Tisch Ton Topografie Topos Tor Tradition Tragwerk Transluzenz

> Ebene, Einrichten, Versammeln

Transparenz

Wörtlich bezeichnet „Transparenz“ die Eigenschaft des Durchscheinens. Meistens versteht man darunter Durchsichtigkeit. „Transparenz“ beschreibt die Eigenschaft von Elementen und Stoffen, durch die wir hindurchsehen können (1). Scheint aber nur das Licht hindurch, während für die Durchsicht nur schemenhafte Eindrücke entstehen, sprechen wir von Transluzenz (2), also Lichtdurchlässigkeit. Von besonderer Bedeutung ist für die Architektur allerdings ein anderes Begriffsverständnis von „Transparenz“, wonach durch mehrdeutige Überlagerung und Überschneidung von räumlichen Volumen Situationen mit mehrfacher Verortungsmöglichkeit entstehen (3). Transparenz meint in allen Fällen ein Überspielen, Verunklären oder Aufschieben von räumlichen Begrenzungen. 1. Auch die buchstäbliche Durchsichtigkeit, die am Bauwerk in der Regel durch Glas erzielt wird, ist eine ambivalente Eigenschaft. Zum einen schränken Reflexionen, Kondenswasser oder Schmutz oft die volle Durchsicht ein, vor allem aber macht man mit Glas ganz gegensätzliche Erfahrungen. Glas erscheint immateriell, sodass man es nicht wahrnimmt. Aber in der Berührung erweist es sich als hart und fest; seinen

> Klang > Dach, Garten, Landschaft, Ort, Städtebau, Treppe > Kontext, Ort > Tür und Tor > Erinnerung, Monument, Zeit > Bekleidung, Detail, Schichtung, Struktur, Tektonik > Blick, Filter, Licht, Oberfläche, Transparenz

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Widerstand zu unterschätzen, kann gefährlich sein. Auch seine Durchsichtigkeit ist eine widersprüchliche Qualität. Jean Baudrillard beschreibt die „Zwiespältigkeit in der Stimmung: gleichzeitig Nähe und Distanz, Vertraulichkeit und Kühle, Mitteilsamkeit und Zurückgezogenheit. Ob nun Verpackung, Fenster oder Wand, das Glas erweist sich als eine Transparenz ohne Übergang: man blickt hindurch, ohne fassen zu können. (...) Die Vitrine – Märchenland und Frustration in einem, die Strategie der Werbung selbst.“ (1968, 55) Durch vielfältige Spiegelungen, strukturiertes oder bedrucktes Glas oder andere weniger durchsichtige Materialien wird das Spiel von Zeigen und Entziehen um zusätzliche Irritationen erweitert und regt die Einbildungskraft noch mehr an. Gebäude mit großen Fensterflächen oder weitgehender Verglasung erscheinen im Ganzen transparent. Sie exponieren damit nach Art einer Zurschaustellung wie im Schaufenster das Innere einerseits bis zur Schamlosigkeit. Andererseits suggeriert Transparenz Offenheit. So gibt etwa die transparente Architektur von Günther Behnischs Parlamentsgebäude in Bonn vor, ein Prinzip demokratischer Entscheidungsfindung auszudrücken. Die Differenz von innen und außen als Basis des Architektonischen wird freilich durch zu große Durchsichtigkeit infrage gestellt. Architektur verliert dann das, was sie ausmacht. 2. Eine Raumhülle, die nicht den Blick, sondern nur das Licht durchlässt, es filtert oder streut, nennt man transluzent. Bereits die gotische Diaphanie (Hans Jantzen), wörtlich: Durchscheinen, ist solch ein Spiel mit flacher Tiefe und raumhaltigen Flächen, in denen sich das Licht fängt. Das Reliefgitter der Hochschiffwand wirkt als Architekturrelief, das mit optischem Dunkelgrund oder farbigem Lichtgrund hinterlegt ist. Das Phänomen wird in neuerer Zeit durch mehrschalige Membranen unterschiedlicher Durchlässigkeit und Strukturierung kultiviert. Durch Überlagerung entstehen Moiré-Effekte, die den Eindruck einer „virtuellen Materialität“ erwecken (Jörg Gleiter), indem zwischen den einzelnen Schichten Zwischenräume, etwa nach Art der japanischen Vorstellung

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von ma (ungreifbarer Zwischenraum), entstehen, die jedoch nicht dazu da sind, sich darin aufzuhalten. Es entstehen Neugier erregende Andeutungen durch schemenhaft Wahrnehmbares oder Schattenspiele. Mittels Filterung, Tönung und Strukturierung des Lichteinfalls oder von innen heraus leuchtenden Wandflächen werden weiche oder mit speziellen Effekten aufgeladene Lichtstimmungen erzeugt. 3. Im Unterschied zur Transparenz im wörtlichen Sinne von „Durchscheinen“ wird mit „Transparenz“ im „phänomenalen Sinn“ (Colin Rowe/Robert Slutzky) die Überlagerung verschiedener Raumfiguren oder räumlicher Systeme bezeichnet. Solche Überlagerungen können so erfahren werden, dass im übertragenen Sinne auch hier die eine Raumfigur durch die andere „durchscheint“, das heißt, mehrere Raumfiguren oder räumliche Systeme bilden zugleich die Verortungsbasis, das Bezugssystem für die Lokalisierung einer Position oder die Fassung eines Raums. Sie machen sich gegenseitig diese Rolle streitig oder lassen im Unklaren, welchem System welche Positionen oder Räume angehören, diese können also gleichzeitig zwei oder mehreren Systemen zugeordnet werden. Die Wahrnehmbarkeit von solchen Überlagerungen setzt voraus, dass die bauliche Manifestation von Raumfiguren oder räumlichen Systemen durch Raumgrenzen (etwa Wände, Stützen oder Kanten) die Zuordnung nicht eindeutig festlegen und an der räumlichen Fassung der Raumkonturen unterschiedlicher Systeme zugleich beteiligt sind. Die Art, wie diese Ambiguität erlebt wird, ist ein typisches Beispiel für Raumerfahrungen, die durch Computersimulation oder Film nicht ersetzt werden können. Solche „Transparenz“ hat besondere Bedeutung vor allem für > Schwellen- und > Zwischenräume, wo Innen- und Außenraum oder verschiedene innere Raumfiguren sich überlagern. Unterschiedliche historische Phasen oder stadträumliche Ordnungen bilden häufig den Hintergrund, aus dem sich die Überlagerung ergibt, mitunter in Korrelation mit einer Überlagerung von Ereignissen und Funktionen. Literatur: Auer 1989; Hoesli 1997; Rowe/Slutzky 1997

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Trennung

> Abschirmung, Einblick und Ausblick, Eintritt und Austritt,

Innen und außen, Öffnung, Schwelle, Tür und Tor, Wand, Zwischenraum

Treppe

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In Treppen und Treppenhäusern entfaltet sich die Räumlichkeit der Architektur zu Höhepunkten. Wie kaum ein anderes Element vermittelt die Treppenanlage ein Gefühl für den Raum, ist Erzeuger von und Führung durch den Raum. Mit der Treppe lässt sich der einfache Akt des > Steigens durch die Wahl von Schrittmaß und Steigungsverhältnis, den Rhythmus der Podestgliederung und der Richtungswechsel, durch Verengung und Weitung, die Ausblicke und die Lichtführung, durch den Klang und die Anmutung bei der Berührung der Oberflächen zu einer intensiven Erfahrung machen, die sich selbst in der beiläufigen Wahrnehmung bemerkbar macht. Der Vorgang lohnt die Aufmerksamkeit umso mehr, wenn man ihn nicht achtlos ausführt, sondern ihn verfolgt, wie eine Aufführung, deren Akteur man selber ist. Damit schafft die Architektur szenische Situationen, die auf der Treppe von einer Ebene zur anderen wechseln können. Treppen haben die Aufgabe von Schwellen oder Gelenken im Raumgefüge (1), sie fordern zu einer bestimmten Art der Bewegung auf (2), bilden eigene Räume oder Treppenhäuser (3) und formen durch Freitreppen und Terrassierung Stadt und Landschaft (4). 1. Bereits die einzelne Stufe unterscheidet zwischen oben und unten. Wenn Stufen an einer räumlichen Situation beteiligt sind, lässt sich die Kommunikation durch das Auf und Ab als Mittel der erweiterten Körpersprache unterstützen. Manchmal reicht es, nur eine Stufe hinaufzusteigen, damit man in einer Situation über der Sache steht. Als Grundelement ist die Stufe eine Art von Separator, der auch die Funktion einer > Schwelle ausübt. So genügt etwa die niedrige Stufe des Bordsteins zur eindeutigen Abgrenzung zwischen Straße und Gehweg, ein einstufiger Sockel ist bereits ein ausreichend

wirksames Mittel, um die Fassade von der Ebene abzuheben, auf der sie steht. Durch Stufen lässt sich die Trennwirkung und Bedeutung von Schwellen überhöhen. Treppen sind zudem selbst Schwellenräume, bereiten eine Umstellung vor oder wecken gezielt Erwartungen. Außerdem sind sie Brücken vergleichbar, welche die Kluft zwischen Stockwerken wie zwischen gesonderten Gegenden überwinden. Auf der Treppe ist man weder hier noch dort. Ein schwindelerregendes Moment entsteht denn auch bei Treppen ohne deutliche seitliche Fassung, wohingegen sie im Schacht zwischen engen Wänden wie in einen Abgrund führen. Im Zusammenhang des Bauwerks bilden Treppen vertikale > Gelenke, die in der > Erschließung die herausragende Rolle von Schlüsselstellen des > Raumgefüges übernehmen. Das Verständnis der räumlichen > Ordnung eines Bauwerks oder seines architektonischen > Konzepts wird oft durch die Treppenanlage erschlossen. Das Treppenauge, aufgeweitet zum Luftraum, schafft eine vertikale Verbindung, die den räumlichen Aufbau in der Höhe zu begreifen erlaubt. 2. Das Steigungsgebilde der Treppe verkörpert durch die abwechselnde Setzung waagerechter und senkrechter Elemente in Form der Tritt- und Setzstufen eine Grundkonstitution unserer physiologischen Existenz. Die Senkrechte entspricht dem Stehen und Gehen als Bedingungen unserer aufrechten Haltung, die horizontale Ebene bietet die dazu notwendige Stabilität des Grundes (> Boden). Sie bilden zusammen den als Regelmaß bevorzugten rechten Winkel. Im Unterschied zu einer schiefen Ebene oder einer Rampe als stetiger Verbindung von Ebenen bildet die Treppe diskrete, miteinander verbundene Zwischenniveaus, die eine Höhendistanz in gangbare Stufen zerlegen. Zugleich stellen sie im Verbund von Lagerung und Aufschichtung Grundelemente der > Tektonik dar. Gleichmaß und Rhythmus der Steigungsform einer Treppe sind wesentlich für unsere Gangart, in einem gewissen Beharrungswillen beim Hinauf- und Hinabsteigen bevorzugen wir eine Stetigkeit der Bewegung.

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So ist es eine wichtige Voraussetzung einer gangbaren Treppe, von Stufe zu Stufe ein gleichbleibendes Verhältnis von Stufenhöhe und Stufentiefe (Steigung und Auftritt), oder bei einer Rampe eine gleichbleibende Steigung einzuhalten. Bei dauernder Veränderung würde ein stetig sich wiederholender Schrittrhythmus oder Takt verhindert, wir würden aus dem Tritt kommen, straucheln und stürzen. In der Regel haben wir darum durch unsere Erfahrungen mit Treppen ein Steigeschema verinnerlicht, das uns zu einer Treppe die jeweils zu ihr passende Gangart wählen lässt. Mehr als andere architektonische Elemente zeichnet eine Treppe die auf ihr stattfindende Bewegung vor und lenkt sie: Sie nimmt uns am Antritt in Empfang, indem sie uns mit einigen verzogenen oder angewendelten Stufen entgegenkommt, gliedert die Etappen des Aufstiegs durch Zwischenpodeste, lenkt uns durch einen geschwungenen oder gedrehten Lauf, kehrt unsere Laufrichtung durch Richtungswechsel um und bestimmt nicht zuletzt durch ihr Steigungsverhältnis sowie die Ausformung von Stufen und Geländer die geeignete Art ihrer Benutzung. Eigenwillige Treppenführungen, wie etwa in einigen barocken Treppenhäusern, lassen uns beim Durchsteigen eine besonders charakteristische > Bewegungsfigur ausführen. 3. Treppenanlagen sind nicht nur Erschließungselemente für ein ganzes Gebäude, sondern beanspruchen meist eigene Treppenhäuser. Damit bilden sie entweder nur Treppenschächte oder > raumhaltige Wände, oder aber sie nehmen als repräsentative Treppenhäuser den Hauptteil eines Gebäudes ein, im Begriff, „alles an sich zu reißen, den ganzen Innenraum des Baues zu erobern“, wie Michel Tournier sagt, sie wecken „den Gedanken, auf den Stufen zu leben, auf den Zwischenabsätzen zu schlafen“ (45 f.). Ganz allgemein ist das Treppenhaus ein Verteiler, über den die Bewohner oder Benutzer ihre Räume erreichen, aber es ist auch der Ort, an dem sie sich begegnen, austauschen und wo man sicht- oder hörbare Spuren des Alltagslebens wahrnimmt. Die Architektur begünstigt diese kommunikative

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Funktion, wenn sie über die reine Kanalisierung von Bewegungen hinaus temporäre Aufenthaltsspielräume anbietet, als sparsame Raumerweiterung oder aber als sorgsam gestaltete Räume des Ankommens und Begegnens. Für den selbstdarstellerischen > Auftritt sind Details der Treppenform nicht unwichtig, etwa ob eine Person sich bei ihrem Erscheinen auf der Treppe von oben mit den Beinen ins Bild schiebt oder ob ihr ein Podest an der richtigen Stelle es erlaubt, mit dem ganzen Körper von der Seite aufzutreten. Die Architektur repräsentativer Treppenhäuser von Palästen, Gerichtsgebäuden oder Opernhäusern trägt dem Vergnügen Rechnung, das der Selbstgenuss der eigenen dramatisierten Bewegungsformen in Verbindung mit dem Anblick anderer bewegter Körper bieten kann. Dort wird die Treppe zur Bühne. Ihr szenisches Potenzial wurde z. B. im Barock ganz besonders prunkvoll und raffiniert ausgespielt, ausgedehnte Treppenhäuser dienten der Inszenierung überwältigender Zeremonien des Empfangens und Geleitens. In öffentlichen Gebäuden des 19. Jahrhunderts, z. B. in Charles Garniers Pariser Oper, wird der Treppenraum geradezu zum szenischen Gleichnis einer Gesellschaft, deren Mitglieder sich wie im gesellschaftlichen Leben wechselseitig bei Auf- und Abstieg und beim Beobachten ihres wechselseitigen Beobachtens kommentieren. Doch im Grunde lässt sich jede Treppe einer Wohnung, die in einen offenen, ausreichend großen Raum mündet, als Bühne für einen kleinen Auftritt nutzen. Die Treppe kann in diesem Fall aber ebenso gut als Sitztreppe genutzt werden, die einem Zuschauer freie Sicht gewährt. Im großen Maßstab hat sie so in der Form des antiken Amphitheaters weite Verbreitung gefunden, wobei der unterhalb von ihr liegende Platz (Orchestra) die Bühne darstellt. 4. Diese Möglichkeit bieten ansonsten Freitreppen, auf denen man aus dem Haus hinaustritt und das Geschehen im Außenraum von oben überblickt. Von dort kann man den Ankommenden, die hinaufsteigen, entgegenkommen und so die Begrüßung als Empfang aufführen. Außentreppen, Stufen

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und Terrassen verklammern ein Gebäude mit der Topografie und verschränken die Staffelung von Niveaus mit graduellen Übergängen von innen und außen. Wo Treppen auch im öffentlichen Raum starke Steigungen passierbar machen, verwandeln sie Stadtviertel mit bewegter Topografie oder ganze Städte durch die Zerlegung von Hängen in Stufen und Podeste mitunter zu Treppenlandschaften, wie z. B. an verschiedenen Orten der Mittelmeerküste. Die Bewegung durch die Stadt bekommt damit eine Dramatik, die sie gegenüber ebenen Stadtbereichen heraushebt. Großzügige Treppenanlagen bieten insbesondere im Barock geradezu theatralische Auftrittsgelegenheiten im Stadtraum, wie etwa die Spanische Treppe in Rom mit ihren verschiedenartigen Zwischenpodesten als Bühnen. Die eher flachen Stufen- und Treppenanlagen an Fluss- oder Meeresufern sind ein Mittel, um sich in Stufen vorsichtig dem Wasser zu nähern und den Grad des Eintauchens schrittweise zu kontrollieren, wie z. B. auf den ghats in Indien. Wasserkaskaden und Rasenstufen sind die einzige Art von Treppen, die im Landschaftsgarten vorkommen, da der Höhenverlauf hier möglichst natürlich wirken soll. Im formalen (französischen) Garten dagegen wird das Auf und Ab von bewegtem Gelände in eine streng geordnete Komposition aus Terrassen, Podesten, Geländestufen, Flachtreppen und Rampen umgeformt, sodass Gartengestaltungen nach Art von „hängenden Gärten“ ihren besonderen Charakter vor allem aus der > Dramaturgie einer vielgestaltigen Abfolge von gestuften Niveaus gewinnen. Literatur: Bachelard 1975; Giersch 1983; Meisenheimer 1983

Tür und Tor

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Nur weil die Tür geöffnet werden kann, ermöglicht sie die Schließung, und nur weil sie geschlossen werden kann, die Öffnung eines Raumes. Sie ist damit das bauliche Element, in dessen Beweglichkeit die wechselseitige Bedingtheit von Abschließen und Öffnen, von Trennen und Verbinden als Grundfunktion der Architektur (> Abschirmung) ihren deut-

lichen Ausdruck findet. Eine Tür markiert und regelt die Grenze zwischen innen und außen oder zwischen getrennten Räumen. In den Worten Georg Simmels ist die Tür ein verbindend-trennendes „Gelenk“, das den Gegensatz von innen und außen gegenüber dem Ausdruck einer bloß trennenden Wand sogar noch überbietet, denn „gerade weil sie auch geöffnet werden kann, gibt ihre Geschlossenheit das Gefühl eines stärkeren Abgeschlossenseins gegen alles Jenseits dieses Raumes, als die bloße ungegliederte Wand. Diese ist stumm, aber die Tür spricht.“ (2001, 58) Die „sprechende“ Tür steht in vielen sprachlichen Formeln stellvertretend für das ganze Haus, etwa wenn man mit jemandem „Tür an Tür“ wohnt, oder metaphorisch für jede Art von Zugang, wenn „Freundlichkeit (oder Geld) alle Türen öffnet“. Viele architektonische Phänomene wie > Öffnung, > Ein- und Austritt, > Schwelle oder > Filter werden durch die Tür als bauliches Element vergegenständlicht. Türnische, Gewände, Vorbau oder Portikus sind räumliche Erweiterungen, die das zunächst flache Türobjekt zu einem > Zwischenraum ausdehnen oder bis zu dem ganzen Torbau eines Burg- oder Stadttors. Neben der grundlegenden Bedeutung der Tür für den Ein- und Austritt (1) verdient ihre Bedienung (2) und ihre Beziehung zum angrenzenden Raum (3) besondere Aufmerksamkeit. 1. Ob man durch die Tür in ein Haus eintritt oder es verlässt, vom Wohnzimmer in die Küche geht, von einem Bürokorridor oder Hotelflur aus einen Raum betritt oder ein Gartentor öffnet, jedes Mal ist der Handelnde in einer anderen Situation, und die jeweilige Tür spielt eine andere Rolle. So vielfältig die Situationen, an denen Türen beteiligt sind, so unübersehbar die Formen, Details und architektonischen Arrangements des Raums der Schwelle sind, so unterschiedlich sind die Erfahrungen, die man mit ihnen macht. Eine besonders komplexe Situation erschließt die Tür des Haus- oder Wohnungseingangs durch ihre vielfältigen Modulationen von Aufforderung oder Abwehr, Orientierung, Kommunikation und Kontrolle. Vor geschlossenen fremden Türen

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signalisiert der Eintrittswillige, der entweder noch draußen steht oder sich schon in einer Art Übergangsraum, auf der Fußmatte, dem Abtretrost, unter einem Vordach oder in der schützenden Türnische, befindet, seinen Wunsch durch Anklopfen oder Klingeln. Er wird vielleicht durch den Türspalt, ein Fenster, den Spion oder eine Gegensprechanlage beobachtet oder befragt, bevor die Tür misstrauisch zögernd geöffnet oder freudig aufgerissen wird. Indem die Eingangstür an Knauf oder Klinke – gleich der Hand des Hauses – ergriffen wird, hat der Eintretende den ersten Kontakt mit dem Haus. Eine Türklinke kann groß oder klein, leicht- oder schwergängig, handschmeichlerisch gerundet oder kantig, poliert oder rostig sein und so den vorgeblichen Charakter des Hauses und seiner Außenbeziehungen wiedergeben. Genauso sprechend ist die Beschaffenheit der Eingangstür, ihre Materialität, Dicke oder Durchsichtigkeit und ihre Aufschlagsrichtung zum Eintretenden oder ins Haus hinein. Dazu gehören der Widerstand, den sie mit ihrer Trägheit dem Öffnen entgegensetzt und mit dem sie dem Eintreten auch entsprechendes Gewicht zumisst, schließlich auch die Geräusche, das verräterische Quietschen im Gegensatz zur Lautlosigkeit, die Kommen und Gehen unbemerkt lässt, oder der satte Klang, mit dem eine schwere Tür ins Schloss fällt, Gediegenheit und Sicherheit vermittelnd. All dies erlebt der Eintretende im Verlauf der ersten Schritte des Türöffnens als leiblich nachvollziehbare, unmittelbare Ausdrucksqualitäten, im Gegensatz zur Bild- und Zeichenhaftigkeit, deren sich manche Bewohner bei der Gestaltung der Eingangstür bedienen. Von außen gesehen ist die Tür ein Schlüsselelement in der Fassade eines Hauses, genauso vom Flur aus gesehen in Bezug auf ein Zimmer und seinen Inhalt. Anders ist es von innen, wo sie sich zwischen den anderen Öffnungen der Wände einordnet. Die Tür in der Wand wirkt als „Gegenüber“, als eine Art Platzhalter für den Ausoder Eintretenden. Diese Entsprechung verführt zu einem Spiel mit ihrer Gestik etwa durch besonders hohe schmale

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Türen, wie sie dem Eintretenden in repräsentativen Bauten begegnen und ihm das Gefühl der Wichtigkeit und Erhebung geben, während wir gewohnt sind, dass die Höhe einer Tür sonst der Größe des Benutzers entspricht. 2. Für das Erleben ist neben der strukturellen Beschaffenheit die räumliche Funktion und besonders die Art der Bedienung wichtig, da die Benutzung der Tür, neben den Fenstern eines der wenigen beweglichen Elemente der vornehmlich statischen Architektur, unsere besondere körperliche Betätigung erfordert. Jede Türform prägt die Vorgänge des Öffnens oder Schließens und die Situation des Eintretens und Verlassens auf ihre eigene Art. Die Schiebetür eher durch unauffälliges Gleiten, die Doppelflügeltür dagegen gibt zu einer auffälligen Gebärde Anlass, bei der man entweder beide Türflügel zu sich her zieht und dazu die Arme ausbreitet, um den geöffneten Raum zu sich herüberzulassen, oder aber die Türflügel aufstößt, um sich selbst mit dem Ausbreiten der Arme dem Raum zu öffnen. Im Gegensatz zur Großzügigkeit dieser Geste bringt eine Drehtür die Menschen in eine Art Zwangssituation, wo sie wegen der Verselbstständigung der Rotation in einer Trommel zu besonderer Rücksicht aufeinander aufgefordert sind. Als gängigste Türart verdient die Drehflügeltür eine eingehende Beachtung, kommt sie doch von der Zimmertür über die Wohnungs- und Haustür bis zu den repräsentativen Türen eines Portals oder auch bei Toren und Gattern zum Einsatz. Die Drehflügeltür ist eigentlich eine einseitig mit Türbändern befestigte Trennwand, die sich um diese Achse drehen lässt und an den Türrahmen anschlägt, der die Öffnung in der Wand rahmt und den Übergang zwischen Tür und Wand herstellt. Das Türöffnen als Ineinandergreifen von Haus und Benutzer selber kann als eigene kleine > Bewegungsfigur mit verlangsamender Wirkung und choreografischem Ausdruck beschrieben werden. Kommt uns das Türblatt infolge der Türaufschlagsrichtung entgegen, dann ziehen wir mit der Klinke die Kante des Türblattes zu uns heran, wobei sich der Spalt immer weiter öffnet, durch den wir in den anderen Raum

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gelangen. In einer gleichsam tänzerischen Bewegung drehen wir uns um das nun in den Raum hineinragende Türblatt wie um den Körper eines Tanzpartners, den wir bei der Hand nehmen, wechseln zur Klinke der anderen Seite des Türblattes, gehen über die Schwelle und ziehen das Türblatt wieder zu uns her, um den Spalt zu schließen, bis das Türschloss in der Falle einrastet und uns das Geschlossensein auch akustisch bestätigt. Wenn die Aufschlagsrichtung in den nächsten Raum weist, geht man dagegen mit der Tür hinein. Ihrer vorausweisenden Bewegungsgeste folgend treten wir über die Schwelle. Dann erst wenden wir uns ein wenig zurück, um die Tür zu schließen. Die je nach Aufschlagsrichtung unterschiedlichen Bewegungen des Schließens haben einen je unterschiedlichen gestischen Gehalt. Das Zudrücken der Tür von innen konnotiert z. B., Wind und Wetter oder unerwünschte Fremde hinaus- oder zurückzustoßen, während es dem Schließen eines Mantels ähnelt, wenn wir eine Tür hinter uns zuziehen. In beiden Fällen stellt die Tür Geste und rahmende Fassung für das Kommen und Gehen dar. 3. Liegen Türen in Wandmitte einander gegenüber, wird der Innenraum vom Verkehr durchquert, sitzen sie dagegen in benachbarten Ecken des Raumes, wird er durch die Bewegung nur tangiert. In dem Raum, in den hinein sie aufschlägt, liegt die Tür gewöhnlich in der Ebene der Wandoberfläche. Sie lässt sich nur in eine Richtung öffnen, da sich so durch Überfälzung ein dichter Abschluss gegen Luft, Schall, Sicht, Gerüche herstellen lässt. Auf der anderen Seite entsteht in der Türlaibung ein flacher Raum, der als sparsamste Form eines Übergangsraums aufgefasst werden kann. Abhängig davon, in welchen Raum die Tür aufschlägt, wird eine Richtung des Durchschreitens betont. Je nachdem, ob die Drehachse der Türbänder sich an der linken oder an der rechten Seite befindet, ergibt sich eine andere seitliche Aufschlagsrichtung. Für den Raum, in den die Tür aufschlägt, hat die Aufschlagsrichtung eine wesentliche Bedeutung, denn die Tür als beweglicher Wandteil verdeckt oder verdoppelt entweder die angren-

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zende Wand oder ragt in den Raum und gliedert ihn. Josef Frank stellt fest, dass dies auch atmosphärische und soziale Implikationen hat: Türen in der Raumecke schlagen entweder gegen die Ecke auf, geben die Zimmermitte preis, „und der Eintretende steht plötzlich da, Unruhe verbreitend. Wird aber der Türflügel gegen das Zimmer gedreht, so bildet sich beim Eintreten ein natürlicher Vorraum zwischen Tür und Wand und der Raum bleibt ungestört.“ (1995, 131)

Turm

Eine Art Höhentrieb macht das Hinaufsteigen auf Türme so attraktiv und erhebend. Die Mühe und der Reiz des > Steigens als Loslösung und Hinter-sich-Lassen des Erdentrubel und der Erdverhaftung, das allmähliche Höhe-Gewinnen und die Weitung von Ausblick und Raum sind zwar Etappen einer anstrengenden Bewegung. Aber sie werden belohnt durch das Gefühl der Befreiung des Überblicks und der Kontrolle über einen weiten Raum. Dabei vermittelt der sichere Stand auf der Plattform im latenten Bewusstsein einer Möglichkeit des Absturzes ein besonderes Gefühl der > Erhabenheit. Ein Turm ist ein Gebäude mit großer Höhe im Verhältnis zur Grundfläche. Die übereinanderliegenden Räume werden durch Hinaufsteigen oder -fahren erreicht und zu dem Zweck durch eine Steigevorrichtung (> Treppe, Rampe, Leiter, Lift) miteinander verbunden. Im Unterschied zu einem beliebigen Geschossbau ist beim Turmhaus die vertikale Erschließungsrichtung vorherrschend, die Räume liegen vorrangig übereinander statt nebeneinander, im Extremfall ist es nur ein Raum pro Geschoss. So sind der Aufenthalt und das Wohnen in einem Turm ausgezeichnet durch die Belichtung von allen Seiten und die (meist) ungehinderte Rundumsicht mit der entsprechenden allseitigen Weitung des Lebensraums. Das Wohnen im Turm erfordert eine Organisation des Alltags, wo der Ortswechsel zwischen Räumen jedes Mal mit Auf- oder Abstieg verbunden ist. Das Leben gliedert sich in > Ebenen, die einzelnen Tätig-

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keiten erhalten je nach Höhenlage unterschiedliche Wertigkeiten. Diese Erfahrungen lassen sich nur bedingt auf beliebige Hochhäuser übertragen. Hier wird das Steigen in der Regel durch das Fahren im Lift ersetzt. Bei großen Gebäudehöhen tritt an die Stelle der Belohnung für die Mühen des Aufstiegs die Verblüffung über die im bewegten Stillstand einer Kapsel ohne eigenes Zutun gewonnene unerwartete Höhe. Die verglaste Kabine eines im offenen Raum geführten Lifts bietet hingegen das für Menschen ungewohnte Erlebnis, vertikal durch den Raum zu gleiten. Sowohl das Wagnis und die Anmaßung des Turmbaus, von den Bauklötzen der Kinder bis zum Turm von Babylon, als auch der Ehrgeiz des Gipfelstrebens und die Männlichkeitssymbolik der Aufrichtung begründen die Bedeutung von Turmbauten als Imponiergeste. Sie können weithin sichtbar als Zeichen für Macht und Aggressivität gelesen werden, während die Häufung von Türmen in den Metropolen ihre symbolische Bedeutung schon wieder schmälert. Als einzelne Merkzeichen bilden sie räumliche Orientierungspunkte in Stadt und Landschaft, setzen Akzente und stellen in einem Netz von Orten Zusammenhänge her. Dabei müssen sie zweierlei Maßstab berücksichtigen, um in der Höhe Fernbeziehungen und im Sockelbereich Kontextbezüge in der Nähe aufzunehmen. Literatur: Meyer 1996

Typologie

> Typus

Typus

Das Charakteristische am Typus ist ein besonderes Verhältnis von Identität und Differenz oder von Schema und Variation. Ähnlich wie die > Struktur ist der Typus eine Abstraktion. Da er dem Bauwerk nur eine bestimmte räumliche Struktur vorgibt, ohne dessen konkrete Ausformung festzulegen, ist der

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Typus die Akkumulation und Abstraktion räumlicher Erfahrung in einem Schema, das unendliche Variationen der Konkretisierung erlaubt. Der Typusbegriff hat in der Architektur ein breites Bedeutungsspektrum. Die gängigen Typologien der Gebäudelehre sind vorwiegend Klassifikationen von Nutzungs-, Erschließungs- oder Grundrisstypen, die durch bestimmte funktionale Merkmale eines Bauwerks definiert sind, welche allen unter demselben Typus vereinten Bauwerken gemeinsam sind. Andere Typologien beziehen sich auf Konstruktions- und Gestaltmerkmale oder auf städtische Bebauungsarten. Deutlich davon zu unterscheiden ist ein Typusverständnis, das der Typisierung von Bauten oder Bauteilen zugrunde liegt und auf deren Vereinheitlichung und Normierung hinausläuft. Eine produktive Rolle für die Architektur spielt indessen der Typus, wenn er so verstanden wird, dass in ihm eine bestimmte baulich-räumliche Struktur mit einer spezifischen räumlichen Erfahrung durch ästhetische und erlebnishafte Verdichtung formelhaft verkoppelt ist. Mit dieser Koppelung geht die Typologie über die Morphologie hinaus. Ein Typus wird dabei nicht unbedingt durch ein ganzes Gebäude vertreten, sondern schon durch einzelne charakteristische Raumkombinationen. So repräsentiert die > Arkade eine bestimmte Form des Übergangs zwischen innen und außen, das Atrium ein besonderes Verhältnis des Äußeren im Inneren und die > Galerie eine bestimmte Verschränkung von oben und unten. Typen, die fundamentale menschliche Raumvorstellungen und Handlungsfiguren in einer Art Urgeste ausdrücken (Archetypen), besitzen ein besonders weit verallgemeinerbares Bedeutungspotenzial, das sich immer wieder aktualisieren lässt. Die meisten Typen haben sich aus Gewohnheiten des Gebrauchs, des handwerklichen Bauens und aus regionalen Wurzeln geschichtlich entwickelt, ihre spezifische Ursprungsbedeutung wurde aber im Laufe der Geschichte durch den Wechsel der Funktionen vielfach überlagert und ist mittler-

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weile in eine Art offener historischer Bedeutsamkeit übergegangen. Das Typische liegt nun vorrangig in der charakteristischen Raumfigur und der daran gekoppelten typischen Form räumlichen Erlebens, durch die sich etwa der Typus der Säulenhalle, der Rotunde oder der Passage auszeichnet. In diesem Sinne steht der Typus im Gegensatz zum Nutzungstyp, er repräsentiert kein Funktionsprogramm. Vielmehr beschreibt er ein prägnantes Schema, das gerade durch die Verbindung eines bestimmten Gestaltpotenzials mit einer charakteristischen Bewegungsstruktur ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Offenheit aufweist, eine > Kapazität, die es gestattet, dass sich im Rahmen dieser Prägung immer wieder neue Verwendungen und Bedeutungen anlagern. Aldo Rossi führt als bevorzugtes Beispiel den Palazzo della Ragione an, den man als Typus in Padua und anderen oberitalienischen Städten antrifft. Mit der offenen > Säulenhalle im Erdgeschoss und dem großen überwölbten Saal darüber ist er in der Verknüpfung der beiden Komponenten mit ihrer jeweils spezifischen Anmutung und > Gestik ein Beispiel für ein bestimmtes Zusammenwirken von Form, Bedeutung und Raumerfahrung. Im Lauf seiner Geschichte hat dieser Typus den unterschiedlichsten Funktionen in seiner räumlichen Kombination einen spezifischen Sinn verliehen: unten Markthalle, Gerichtshalle oder Gastronomie, oben Ratssaal, Pferdestall, Museum oder Konzertsaal. Einerseits dienen also historische Bauwerke, die einen bestimmten Typus vertreten, wechselnden Nutzungen, indem sie immer wieder aktuelle Bedeutung annehmen. Andererseits lassen sich aktuelle Bauaufgaben lösen, indem sie sich auf etablierte Typen stützen. Die Entscheidung für einen Typus impliziert die Auslegung der Bauaufgabe im Sinne der mit ihm verknüpften typischen Raumpraxis, das entwerferische > Konzept beinhaltet somit eine „typologische Entscheidung“ (Rossi). Die Typen liefern dafür ein Repertoire an Gestaltschemata hoher Prägnanz, die sich zur Entwicklung der unterschiedlichsten Bauaufgaben eignen. Literatur: Kemp 2009; Kuhnert 1979; Rossi 1977

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Überlagerung

> Innen und außen, Inkorporation, Raum-Körper-Kontinuum,

Transparenz, Zwischenraum

Verbergen Verbindung

Versammeln

> Abschirmung, Filter, Keller, Porosität, Raumhaltige Wand, Tiefe (räumliche), Transparenz > Einblick und Ausblick, Eintritt und Austritt, Formcharakter, Gelenk, Innen und außen, Öffnung, Schwelle, Tür und Tor, Zwischenraum

Architektur versammelt. Ein gut platziertes prägnantes Bauwerk oder ein zentraler Platz versammeln die ansonsten beliebig verteilten Gebäude eines Baugebiets als zusammengehörige Gruppe. Durch Bauwerk und Platz werden Orte entworfen, von denen her die Beziehungen zwischen den Bauten und Räumen fassbar werden. So versteht Martin Heidegger auch die Zusammengehörigkeit von Fluss und Uferlandschaft, wenn er sagt: „Die Brücke versammelt die Erde als Landschaft um den Strom.“ (1953, 146) Auf andere Art versammelt der Esstisch die Familie oder Gäste als Gemeinschaft um die Mitte der Wohnung. Durch architektonische Mittel wird die Form des Versammelns artikuliert. Radiale Straßen oder Zugänge stellen eine > Bewegungsfigur des Zusammenholens dar. Eine konzentrische Form der Raumfassung oder Möblierung schafft als Figur des Beisammenseins eine Mitte, den Ort einer Handlung, eines Geschehens, einer Verrichtung. Ein großer, schwerer Tisch, von der Lampe darüber als Lichtinsel aus dem dunklen Raum herausgehoben, steigert die Intimität, während die Arena dafür sorgt, „das Volk mit sich selbst zum besten zu haben“ (Goethe 1786). Andere Formen des Zusammenkommens finden in der jeweiligen Positionierung ihren Ausdruck: Kommen zwei Menschen zusammen, sitzen sie gern in einem Winkel zueinander, an einem langen Tisch versammelt man sich im Gegenüber. Als Formen der Versammlung einer Gemeinde beim Gottes-

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dienst hat Rudolf Schwarz in den Figuren der „Pläne“ neben der zentrischen Anlage („Ring“, „Kelch“) unter anderem die gereihte und gerichtete Ordnung („heilige Fahrt“) sowie die einen Weg aufnehmende, offene Hohlform („heiliger Wurf“) vorgeschlagen. Literatur: Schwarz 1947

Vertikalität

> Blick, Formcharakter, Gerichtetheit, Haltungen, Leib, Schwe-

Verweisung Verzögerung

re und Leichtigkeit, Symmetrie, Tektonik, Treppe, Turm > Bedeutung, Symbol, Zeichen > Ankündigung, Gelenk, Haptik, Inkorporation, Schwelle, Zwischenraum

Virtualität

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Eigentlich ist architektonischer Raum immer virtuell. Der architektonische Raum ist die Art, wie der gebaute Raum erlebt wird, wie er wirkt. Es ist die Vorstellung von ihm, die zunächst den Entwurf leitet und schließlich im realen Bauwerk eine räumliche > Konzeption und > Ordnung erkennen lässt. Virtualität (lat. virtus, Tüchtigkeit, Tauglichkeit) umfasst all jene Phänomene und Eigenschaften, die zwar nicht physisch greifbar, aber dennoch für die Architektur wesentlich sind, vor allem die räumliche > Atmosphäre, die > Gestik oder die Führung von > Bewegungen. Bereits auf dem elementaren Niveau einfacher Wahrnehmung erleben wir Architektur virtuell, indem sie uns eine Vorstellung von Greif- und Bewegungsmöglichkeiten und -räumen vermittelt, bevor wir sie real beanspruchen. Sie gibt uns Orientierungshilfen und eine Vorstellung von nicht sichtbaren Bereichen, etwa hinter unserem Rücken oder jenseits von Wänden. Alle > Formcharaktere, wie lastend, schwebend, empfangend oder abstoßend, sind virtuell. Virtuell sind schließlich alle Arten des Raumgefühls oder -charakters, der Eindruck von > Größe, Enge und > Weite, > Geschlossenheit und > Gerichtetheit und alle leiblichen Raumbezüge. Diese Formen von Virtualität prägen oftmals

stärker als die physische Beschaffenheit unseren Umgang mit Architektur. In ihnen liegt ein geradezu grundlegendes Vermögen der Architektur. Es handelt sich dagegen bereits um Überspitzungen, wenn virtuelle Effekte zu Wahrnehmungskorrekturen, Illusionen und Täuschungen benutzt werden. Dazu gehören die optischen Korrekturen an den Baugliedern der griechischen Tempel, wie Kurvaturen in der Horizontalen oder Inklination und Entasis der Säulen, wodurch die Architektur lebendiger wirken soll. Die illusionistischen Deckenfresken des Barock lassen einen geschlossenen Raum nach oben geöffnet erscheinen und reißen den Betrachter mit ekstatischer Gebärde in Himmelsräume empor. In Francesco Borrominis Kolonnade am Palazzo Spada in Rom besteht die Illusion darin, dass ein Gang, der sich nach hinten verjüngt und in allen Details stetig verkleinert, durch die perspektivische Täuschung verblüffend viel länger wirkt, als er ist. Beklemmung ruft die vorgebliche Unentrinnbarkeit in einem Labyrinth hervor, und irritierend wirkt es, wenn in einem Spiegelkabinett die Vervielfachung des Raumes durch Spiegelungen von Spiegelungen erreicht wird. Étienne-Louis Boullée wollte in seinem Projekt des Kenotaphs für Newton durch den dunklen Raum in einer gigantischen Sphäre mit perforierter Schale den Eindruck hervorrufen, bei Tag unter dem Sternenzelt des Nachthimmels zu stehen. Ganz anders erlebt wird dagegen die heute verbreitete virtuelle Realität. So bezeichnet man physisch nicht existierende (dreidimensionale) Räume, die im Computer berechnet und einem Probanden durch Raumbildprojektion als räumliches Seherlebnis zugänglich gemacht werden. Man spricht dabei auch von Immersion und meint damit das Gefühl, sich tatsächlich in einem physischen Raumzusammenhang zu befinden, obwohl er nur aus Bildpunkten auf Leinwänden oder Bildschirmen besteht. Die aktive Rolle des Benutzers besteht darin, dass seine Steuersignale oder Bewegungen simultan in adäquat sich ändernde räumliche Bilder umgerechnet werden. Bisher

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ist aber das Erleben wirklicher Architektur mit allen Sinnen und in der realen Bewegung, also das Gefühl, wie es ist, „im Raum zu sein“, durch virtuelle Realität nicht zu ersetzen. Indessen nimmt die Bedeutung von CAD-generierten Werbebildern zu, die der Realisierung der Bauwerke vorgreifen, sie im Voraus virtuell zu besuchen und zu begehen erlauben und in ihrer Perfektion durch das fertige Bauwerk schwerlich eingeholt werden können.

Visierbruch Vorhof/Vorplatz/Vorraum

> Geschlossenheit, Malerisch, Platz und Straße

Wärme und Kälte

Über die Bedeutung der Wärme in der Architektur entscheidet nicht der normgerecht zu ermittelnde Wärmebedarf. Er berücksichtigt zwar prinzipiell die Erwartung der Bewohner, die es für die wesensgemäße Aufgabe des Hauses halten, in Verbindung mit Schutz und Geborgenheit auch die nötige Wärme zu bieten. Indessen wurde gegen eine solche Wesensbestimmung von der modernistischen Avantgarde gerade auch die Kälte als Ideal für die Architektur gepriesen. Der Kältekult war, wie Helmut Lethen gezeigt hat, einerseits eine Metapher für das Verlassen der wärmenden Obhut von Familie, Religion und kulturellem Erbe, um sich kühn und ungeschützt den zivilisatorischen Umwälzungen der Moderne auszusetzen. Andererseits förderte das Kälteideal ganz real in der Architektur eine Einrichtungs- und Wohnkultur, die sich gegen das plüschig ausgepolsterte Interieur und das schwüle Klima in den überheizten Bürgerstuben des 19. Jahrhunderts wendete. Die konkrete physische und synästhetische Wirkung des Wärmeentzugs durch den Verzicht auf Bekleidung, durch nackte Wände, großflächige Verglasung, die Freilegung der Lichtquellen, die „Entblößung des Funktionskörpers“ (Helmut Lethen), auch durch die Wärmeleitfähigkeit etwa von Stahlrohrmöbeln und Glas, macht Kälte sinnlich und emo-

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> Hof, Inversion, Platz und Straße, Zwischenraum

tional erfahrbar. Auf diesem Wege wurde sie wiederum mit Wahrhaftigkeit, Wirklichkeitssinn und intellektueller Askese assoziiert. Diese Faszination der Kälte steht im Gegensatz zu verbreiteten Vorstellungen von einer Geborgenheit und Wärme spendenden Architektur. Doch auch unser Wärmebedürfnis heute hat keine absolute Geltung, sondern muss differenziert betrachtet werden. Abgesehen davon, dass es Zeiten gibt, wo jeder eher nach Kühlung verlangt, schätzen wir Wärme auch dann, wenn wir sie brauchen, nicht ununterbrochen und überall in gleichem Maße. So wie eine warme Stube umso angenehmer empfunden wird, je kälter es draußen ist, erhalten auch im Haus einzelne warme Räume oder Wärmeinseln ihren besondere Wert nur im Verhältnis zu kühleren Zonen. Das Kaminfeuer wird nur zur fokussierenden Wärmequelle, wenn es zum restlichen Raum einen Kontrast bildet, nur in einem etwas kühleren Raum genießt man es, sich an den Kachelofen zu schmiegen. Raumstellen, wo man sich vor sonnenbeschienenen Wandflächen in der abgestrahlten Wärme niederlässt, nutzen den Wärme- und Lichtinseleffekt gleichzeitig. So wie Architektur eine differenzierte Verteilung von hellen und dunklen Zonen braucht, schaffen auch nach Tätigkeiten und Bewegungsintensitäten abgestufte Temperaturen erst angemessene Aufenthaltsbedingungen. Wir nehmen Wärme und Kälte vor allem über die Haut (durch Wärme- und Kälterezeptoren) wahr. Bei Kälte krümmen wir uns oftmals zusammen, um unsere Körperoberfläche zu verringern, oder schmiegen uns an Mitmenschen und nehmen damit wenig Raum ein. Ein kleines Zimmer reicht uns. Dagegen exponieren wir bei Hitze viel Körperoberfläche, breiten uns aus, um viel Luft an uns heranzulassen, und ziehen Orte vor, wo wir viel Raum beanspruchen können. In der Architektur spüren wir die Temperatur neben Raumluft und Wärmestrahlung auch durch Berührung. Vor allem aufgrund des Materials vermitteln warme oder kalte Oberflächen durch den Kontrast zur eigenen Körpertemperatur Ausdrucksquali-

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täten, die zur räumlichen Atmosphäre und zu Objektanmutungen beitragen. Sie können z. B. dafür sorgen, dass es auch in warmen Räumen attraktive kühle Stellen gibt. Besonders wirksam sind die Wärmeanmutungen durch > Synästhesien, die von warmen und kalten Stoffen, > Licht- und > Farbtönen ausgehen. Das Klischee vom „warmen“ Holz oder dem „kalten“ Stahl trifft allerdings nicht immer zu. Holz hat zwar eine geringere Wärmeleitfähigkeit als Stahl, kann aber auch so verwendet werden, dass es nicht warm erscheint. Es kommt auf die Holzart und die Verarbeitung, etwa durch glatten Schliff, hochglänzende Lackierung oder scharfkantige Form, an. Die synästhetisch übertragenen Wärme- oder Kälteeffekte entfalten freilich erst mit der Unterstützung durch entsprechende reale Temperaturen ihre volle Wirksamkeit.

Wahrhaftigkeit Wahrnehmung

> Bekleidung, Lesbarkeit, Tektonik, Virtualität > Blick, Geruch, Gestalt, Klang, Perspektive, Sinneswahrneh-

mung, Virtualität

Wand

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Das Merkwürdige an Wänden ist, dass wir sie die meiste Zeit direkt vor Augen haben, ohne eine Vorstellung von dem zu besitzen, was ein paar Handbreit dahinter geschieht. Einerseits ist die Wand nur zweidimensionale Bildebene, auf der wir Licht und Schatten oder diverse Informationen wahrnehmen, auch als Raumhülle erscheinen Wände als etwas Flaches ohne eigene Tiefe. Doch andererseits werden mit ihnen dreidimensionale Räume jedweder Tiefe erzeugt. Wände umschließen und trennen Räume oder führen von einem zum anderen, je nach Blick und Bewegungsrichtung bieten sie massiven Widerstand oder begleiten unauffällig den Weg. Mitunter lösen sie sich in Einzelelemente, Stützen, > Säulen oder Pfeiler auf. Wände bieten uns ein Gegenüber (1), dafür ist ihre physische Beschaffenheit (2) und ihre Funktion als Raumgrenze (3) maßgebend, vielfältig dienen sie der Raumbildung (4).

1. Während der > Boden das Aktionsfeld unserer Bewegungen ist, sind vertikale Wände das unumgehbare Vis-à-vis für den schweifenden > Blick, die Bildebene, auf der, wenn sie leer ist, die Fantasie Figuren erscheinen lässt. Die Wand konfrontiert uns mit einem Gegenüber unseres Körpers, in ihr wird die Raumgrenze gegen-ständlich. Wände berührt man selten, dennoch entspricht der Projektion unserer Körperzonen eine virtuelle Unterteilung der Wand in Blickfelder auf Augenhöhe, Trittfelder im Beinbereich und Greiffelder von der Hüfthöhe bis über den Kopf. Dementsprechend werden Wandverkleidungen angebracht, Ablagen und Regale aufgestellt und Bilder gehängt. So wird die Wand zur Informationsfläche und zum Aufbewahrungsort und dadurch oft so verstellt und verhängt, dass man nicht mehr viel von ihr sieht. Wenn sie dagegen frei gehalten wird, kann sie zur Projektionswand für das Spiel von Licht und Schatten werden. Aber kahle Wände reizen auch die menschliche Fantasie, sie zu bemalen. Durch Wandbilder, Ornamente oder Inkrustationen werden sie zu Schauwänden. Als > Fassaden sind sie einerseits Informationstafeln, die Aussagen über das Innere des Hauses machen oder aber verweigern, andererseits sind sie Flächenkompositionen, die den Gesetzen der Proportion und Ponderation unterworfen sind, indem sie durch horizontale und vertikale Gliederung ruhendes Beharren oder gestische Bewegtheit zum Ausdruck bringen. Während man den Fußboden nicht verlassen und die Decke nicht erreichen kann, erlaubt es die Bewegungsfreiheit der Wand gegenüber, sich ihr zu nähern, sich von ihr zu entfernen und verschiedene Stellungen zu ihr einzunehmen. Sie wird zur Rückwand einer > Szene, indem sie den rahmenden Hintergrund für das bildet, was vor ihr geschieht, und Gelegenheit gibt, sich hinter ihr zu verbergen oder hervorzutreten. Im Mittelalter richteten primitive Wanderbühnen nur eine schlichte Vorhangwand auf dem Bretterboden auf. Zum Aufenthalt in einem Raum werden Stellen mit Rückendeckung bevorzugt, weil die Wand einem „den Rücken freihält“ und als Stüt-

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ze dient. Auch ohne sich anzulehnen, empfindet man ihren lotrechten Stand als Halt, der verloren geht, wenn sie schräg geneigt ist, weil man dann riskiert, entweder mit den Füßen oder dem Kopf anzustoßen. Durch ihre physische Masse bietet sie Stabilität. Indem sie körperlichen Widerstand leistet, kann sie daher auch zum Hindernis werden, wenn man sie vor sich hat. 2. Die Voraussetzung dafür ist eine Stabilität, die an eine Mauer denken lässt. Mauern sind massiv, dick und schwer, in der Regel aus Steinen gemauert oder geschichtet, sie stehen oder liegen, während Wände auch hängen können. Gottfried Semper sieht den tektonischen Ursprung der Wand in der Verkleidung eines Stabwerks durch Textilien oder Teppiche, worauf das Wort „Wand“ hinweist, das Semper von „Gewand“ ableitet. Somit kann auch die Mauer durch Ver- oder > Bekleidung zur Wand werden, wohingegen die Wand durch die Schichtung mehrerer Ebenen an Masse und Stärke zunimmt. Der Aufbau und die Körperhaftigkeit von Wand und Mauer werden in > Öffnungen und Laibungen als Wand- oder Mauerstärke sichtbar und erweitern sich mitunter zu einer > raumhaltigen Wand. 3. Sobald Wände ihre genuine Aufgabe übernehmen, Räume zu begrenzen, kommt ihre Doppelrolle ins Spiel: „Von innen gesehen, sind sie gegeben, von außen gesehen, sind sie vom Menschen gemacht.“ (Flusser 1993b, 77) Sie schließen aus und schließen ein, aber man ist immer nur auf einer Seite. Innenseite und Außenseite einer Wand sind in der Regel nicht einmal im selben Vorstellungsbild präsent. Die Innenseite einer Wand etwa als Rückseite einer Fassade zu identifizieren, fällt schwer. Verschwommen stellen wir uns trotzdem vor, was draußen jenseits geschlossener Innenwände oder innen hinter der Außenwand geschieht. Während wir zur Projektion einer virtuellen Räumlichkeit jenseits der Wand die Fantasie zu Hilfe nehmen, projizieren wir auf der diesseitigen Wandinnenseite durch Auskleidung und Dekoration Vorstellungen von unserem individuellen Leben und auf der Außenseite das

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Wunschbild unseres Auftretens in der Welt durch zeichenhafte Fassadengestaltung. Die Wand ist die universelle Folie für beides, solange sie für die unterschiedlichen Projektionen und Behandlungen unaufdringlich bereitsteht. Als vertikale > Ebene bildet sie dafür den selbstverständlichen Hintergrund. Verselbstständigt sie sich aber durch freie Formgebung oder plastische Zergliederung, beginnt sie, eigene Aufmerksamkeit als Skulptur zu beanspruchen. Ursprünglich undurchlässige Raumgrenze, verliert die Wand diese Funktion mit zunehmender Perforation oder Auflösung durch Öffnungen. Ein Haus ohne Wände verzichtet auf das spannungsreiche Wechselspiel von Verbergen und Preisgabe. Glasflächen lassen sich zwar als transparente Wandebenen betrachten und nehmen mit der Sprossenteilung die Erscheinung einer Bildebene mit Koordinatennetz an, haben aber eher die Aufgabe eines > Filters. Das gilt auch für die Säulenreihe, obwohl sie von Leon Battista Alberti nur als Mauer mit Unterbrechungen aufgefasst wurde. Für Louis I. Kahn sind diese Unterbrechungen indessen das entscheidende Mittel, um das Spiel von Licht und Dunkelheit zu ermöglichen. 4. Die einzelne Wand verliert ihre Selbstständigkeit, sobald sich mehrere Flächen zusammenschließen. Mit dem > Winkel beginnen zwei Wände, ein Inneres zu umfassen. Ein räumliches Spannungsfeld lässt sich zwischen ihnen aufbauen, wenn sie sich gegenüberstehen. Zwischen einer Wand und dem Bodenfeld entsteht ein > Raumschatten. Die sprichwörtlichen vier Wände verbinden sich in der sparsamsten Form zum introvertierten Behälter einer > Zelle, sind aber auch als Wände von > Platz und Straße für die Aufenthaltsqualität des Stadtraums wesentlich. Der Charakter eines Raums und unsere Befindlichkeit in seinem > Inneren werden von den Wänden beeinflusst (> Konkavität). Mit zunehmender Komplexität der Anordnung übernehmen Wände die vielfältigen Aufgaben, zu umschließen, zu gliedern und zu leiten, indem sie den Grundriss in die Vertika-

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le ausdehnen. Zugleich verschleiern sie ihn, denn unsere leibliche Disposition verwehrt uns den Überblick, wir finden uns immer nur den Wänden gegenüber, die unsere Bewegungen und Blicke auffangen. Sie verhindern die rationale Einsicht in den Plan, blockieren Durchblicke, verstellen Zugänge, führen hinters Licht, um sodann überraschende Verbindungen herzustellen und Perspektiven zu eröffnen, bis die Ordnung ihres Gefüges endlich doch erahnbar wird. Im Extremfall sind Wände das maßgebliche Bauelement eines Labyrinths. Einen schlichten Dienst erfüllen sie dagegen, wenn sie nur das > Licht in einem Raum auffangen, ihm Gelegenheit geben, sich im Wechsel mit dem Schatten auf den Wandflächen zu verteilen und damit sichtbar zu werden.

Wasser

> Einrichten, Garten, Landschaft, Städtebau

Weg

Durch Gehen entstehen Wege. In der unberührten Landschaft bilden sich Pfade aus den Spuren häufiger Begehung, die sich allmählich zu Wegen verfestigen, schließlich ausgebaut und zu Räumen mit eigener Gestalt werden. Wir erschließen den Raum durch das Gehen, unterschiedliche Formen des Gehens sind gestalthafter Ausdruck unserer Befindlichkeit. Grundsätzlich ist durch unsere leibliche Disposition mit einer Tiefenachse vorn/hinten unser Weg nach vorne gerichtet. Eine Linie geht vom Subjekt zu einem Ziel. Derselbe Weg ist auf dem Rückweg nicht identisch mit dem Hinweg, weil er ein anderes Ziel und eine entgegengesetzte Perspektive hat. Michel de Certeau hat das „Gehen in der Stadt“ als eine Form der Äußerung analog zum Sprechen der Sprache beschrieben. Mit den Wegen, die wir einschlagen, bespielen wir den Raum, indem wir unter den Möglichkeiten, den urbanen Raum zu nutzen, die einen aktualisieren, andere aussparen und wieder andere selbst hinzufügen. Das Gehen ist eine Form der Aneignung, der „räumlichen Realisierung des

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Ortes“. Darüber hinaus sind die gewählten Wege Lesepfade von Bedeutungen, mit denen wir außerdem Spuren legen, die in > Erinnerung bleiben, wieder gelesen werden können und zugleich Erinnerungen speichern. Handels- und Pilgerwege manifestieren sich im Maßstab der Landschaft. Im Haus gehören die Wege zu den > Bewegungsfiguren, in denen Handlungsspuren und Aktivitätsmuster Gestalt annehmen, die sich wiederum in der Einrichtung vergegenständlicht. Eine Raumvorstellung, die auf der Erschließung durch Wege, Zugänge und Verbindungen beruht, wird nach dem Psychologen Kurt Lewin als hodologischer Raum, als „Wegraum“ (griech. ὁδός,Weg), bezeichnet. In ihm treten Wegbeschreibungen an die Stelle von Form-, Richtungs- und Distanzangaben, er ist ganz von Wegen und Straßen durchzogen. Wege im hodologischen Raum verbinden nicht Punkte, sondern Orte von persönlicher Bedeutung, ihr Verlauf richtet sich nach persönlichen Vorlieben und Abneigungen und dient der allgemeinen > Orientierung des Lebensraums. Dafür ist nicht die geometrische Ordnung des Grundrisses maßgeblich, sondern die Erreichbarkeit der einzelnen Stellen, woraus sich eine besondere Wahrnehmung von Distanzen, Nachbarschaften und ein Gesamtbild vom > Raumgefüge einer Stadt oder eines Gebäudes ergeben. So ist beispielsweise der Weg von der einen Seite einer Wand der Wohnung zur anderen Seite dieser Wand (in der Nachbarwohnung) unverhältnismäßig viel weiter, als die Stärke der Mauer beträgt, vielleicht führt gar kein Weg dorthin. Allgemein unterscheidet man einen Wegraum, der vom Durchqueren beherrscht und davon in seiner Gestaltung geprägt wird, vom Ortraum, dessen Architektur auf den stationären Aufenthalt zugeschnitten ist. Als Wegraum lässt sich aber auch der Raum bezeichnen, den der Weg selbst darstellt. Wege sind den Orten untergeordnet, die sie verbinden, aber zugleich sind sie selbst > Orte, die eigene Erfahrungen bieten. Wegschnittpunkte bilden wiederum besondere Orte. Wege haben eine eigene Gestalt und bilden eigene Räume. Straßen

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zwischen Häuserfronten etwa sind als konkave Innenräume aufzufassen. In der Allee bilden Baumstämme die Wände und Blätter das Dach. Die Stabilität einer Weggestalt gibt Sicherheit, wir wissen, dass eine Straße sich kontinuierlich fortsetzt, ohne zu sehen, wohin sie führt. Die Identität ihrer Gestalt erübrigt die suchende Orientierung auf Schritt und Tritt. Von Entscheidungen enthoben, wird die Aufmerksamkeit für anderes frei, das Schlendern auf einer Promenade bietet Gelegenheit zum Gespräch, das > Zirkulieren im Wandelgang zur Kontemplation. Die Architektur gibt dem Weg eine Führung durch die Rhythmisierung des Raums, durch Blickziele, die anziehende Kraft des > Lichts, durch Führungselemente wie Leitwände und Wegbahnen, unterstützt durch Materialien, die besonders im Bodenbelag dem Gehen oder Fahren unterschiedliche Qualität verschaffen. Dabei ist die Wahrnehmung von den verschiedenen Geh- oder Fahrgeschwindigkeiten abhängig, gegebenenfalls auch vom Vehikel. Details etwa nimmt man nur im Gehen wahr, bei hohem Tempo erscheint der Weg gerafft, ist man mit Kinderwagen oder im Rollstuhl unterwegs, hat der Weg Hindernisse, die andere gar nicht wahrnehmen, auch der Skater erlebt ihn selektiv von den für ihn befahrbaren Stellen her. In einem System von Wegen bilden Orte in Gestalt von Räumen, Plätzen oder Zentren die Stellen des Umschlags vom Unterwegssein zum Ankommen und vom Aufbrechen zum Weggehen. Die Architektur artikuliert diesen Umschlag durch Ausformung von > Gelenken oder > Zwischenräumen. Aktualisiert werden Wege, Räume und Orte aber durch die konkrete > Bewegung, in den Worten von Michel de Certeau: „Die Spiele der Schritte sind Gestaltungen von Räumen. Sie weben die Grundstruktur von Orten.“ (1988, 188)

Wegraum

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> Bewegung, Raum, Raumgefüge, Sequenz, Weg

Weite und Enge

Ein besonders wirksamer räumlicher Kontrast kommt durch den Wechsel von Weite und Enge zustande. Im Unterschied zu Breite und Höhe, die sich auf eine > Ebene projizieren lassen, auf die wir senkrecht blicken, oder zur Tiefe, die sich in unserer Blick- und Bewegungsrichtung erstreckt, ist die Weite nicht gerichtet. Der Begriff unterscheidet sich auch von dem der Ferne, die sich im Zuge der Bewegung immer weiter verschiebt, dabei unerreichbar und als Spannung bestehen bleibt, während die Weite eingenommen und in der leiblichen Entfaltung dynamisch ausgelebt wird (> Erstrecktheit). Der Gegensatz zur Weite ist die Enge. Anders als die Nähe, die ein Distanzverhältnis bezeichnet, ist sie eine Eigenschaft von Räumen, führt zur Einengung unserer freien Bewegung durch enge Grenzen oder Hindernisse, von denen die Weitung uns wieder befreit. Heinrich Schmitz hat Enge und Weite als die elementaren Zustände jedes leiblichen Befindens, Engung und Weitung als Leibgefühle beschrieben. Leibliches Engegefühl macht nicht nur beklommen, sondern in abgeschwächter Form hält es den Leib auch als Einheit zusammen, vermittelt das Bewusstsein des eigenen Körpers. Im Gegenzug weitet sich die Brust, das Ich dehnt sich aus, es wird einem „weit ums Herz“. Für den Eindruck von Weite ist > Größe zwar mit entscheidend, er entsteht aber nicht einfach dadurch, dass ein Raum groß ist, sondern dass er sich über Grenzen hinweg fortsetzt, die sich aufzulösen scheinen, wie z. B. im „unbegrenzten Innenraum“ des Barock, wo man sich fragen kann, ob hinter den Schichtungen und Durchblicken noch etwas Festes ist. (Bollnow 1963) Ulya Vogt-Göknil beschreibt den Effekt, wie eine schwebende, flüchtige Atmosphäre entsteht, wenn alles Feste, Körperliche sich in reine Fläche verwandelt und die begrenzenden Wände eines Raums den Boden nur sachte berühren, ohne auf ihm zu lasten. Hängend erscheinende Wände haben keine > Schwere, sie scheinen zu schweben, und von der Körperschwere befreit, geben sie einer virtuellen Ausdehnung in die Weite nach. Im Maßstab der > Landschaft

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gehört Weite zu den prägenden Eindrücken. Eine zusätzliche Dimension von Weite erlebt man in Räumen, die sich wie auf den Bergen nicht nur nach allen Seiten, sondern auch nach unten ausdehnen. Die erhabene Wirkung von Gefährdung, Verlorenheit und Grenzenlosigkeit, die auch in der Dunkelheit oder Dämmerung zustande kommt, muss man sich wohl auch als Raumgefühl in Étienne-Loius Boullées Kenotaph für Newton vorstellen. Als eng empfindet man einen Raum nicht, weil er klein ist, sondern die Enge eines Raumes entsteht nach Vogt-Göknil durch die Verdichtung fester, überschwerer, undurchdringlicher Körpermassen und den extremen Eindruck des Lastens. Die > Dichte der > Stofflichkeit wird auch als Abschließung erlebt. Unter dem allseitigen Druck erscheint der Raum zusammengepresst. Wie weit die Raumabmessungen gleichfalls Einfluss darauf haben, was man als eng oder weit empfindet, hängt hingegen vom räumlichen Zusammenhang ab. So wirkt ein geringer Raumquerschnitt, der einen langen Korridor ausgesprochen eng erscheinen lässt, als punktuelle Engstelle oder kurze Passage nur wie die Zäsur einer Raumsequenz. Das Breitenmaß steht in Beziehung zur Höhe, die Straßenbreite, die bei einer Dorfstraße als normal empfunden wird, erscheint zwischen großen Gebäudehöhen als die einer enge Gasse. Den Kontrast von Enge und Weite erlebt man alternierend beim rhythmischen Wechsel von Raumverengung und Raumaufweitung. Beide stehen dabei in einer komplementären Beziehung, bedingen und steigern sich gegenseitig. Beim Entlanggehen in einer Pfeilerhalle etwa wiederholen sich die Verengung zwischen den Pfeilerpaaren und die Aufweitung zu den Zwischenräumen oder Seitenkapellen im regelmäßigen Wechsel, analog zur periodischen Engung und Weitung bei der Atmung. Lebhafter wird der > Rhythmus etwa im unregelmäßigen Raumfluss der Platzfolge einer historischen Stadt. Die > Dramaturgie von Bewegungsabläufen profitiert von den

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Kontrasten: Nachdem man durch die extreme Einengung eines Durchgangs unter Druck gesetzt wurde, empfindet man die folgende Aufweitung als befreiende Entspannung. Die Weiterführung in offene Weite gibt dem Expansionsdrang der persönlichen > Raumsphäre nach. Literatur: Schmitz 1966, 1967, 1998; Vogt-Göknil 1951

Wicklung

> Faltung, Tiefe (räumliche)

Winkel und Ecke

Eine einfache Form von > Konkavität entsteht, wenn zwei aufeinanderstoßende Flächen miteinander einen Winkel bilden. Seiner Herkunft nach bedeutet das Wort so viel wie Biegung, Krümmung oder Knick. Wenn Wandflächen abgewinkelt oder zwei Wände im Winkel zueinander angeordnet werden, nicht zu spitz und nicht zu stumpf, beginnen sie, Raum einzuschließen, indem das Volumen zwischen ihnen als > Inneres, als Zustand des Innenseins wahrgenommen wird. Auch der Winkel, der durch Umklappen einer Wand in das angrenzende Bodenfeld beschrieben wird, spannt nach Art eines Schattenwurfs (> Raumschatten) unscharf begrenzten Raum auf. Drei Wände im „U“ bilden eine Erweiterung des Winkels. Im spitzen Winkel wirken die Flächen einengend, im stumpfen weitend, während der rechte Winkel in seiner Gewohntheit eine neutrale, unauffällige Zwischenstellung einnimmt. Der Wandwinkel bildet als Paravent ein sehr einfaches Mittel des Sichtschutzes und der Absonderung. Im Freien dient er als Windschutz, in der Kombination aus Wand und Dach als primitiver Unterstand. Im Stadtraum, wo Räume durch das Zusammenspiel von Baukörpern entstehen, bildet der Winkel zwischen zwei Fassaden ein Grundelement der Stabilisierung von Raumfiguren, besonders als Platzecken, so werden etwa in Venedig viele Kirchenvorplätze im Wesentlichen von zwei Fassaden im Winkel (a canto), zwischen Kirchenfront und Nachbarhaus, gefasst.

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Im Innenraum sind die Raumecken Zonen einer gesteigerten Form der Introversion. Im Unterschied zu der geraden Wand und zum runden Raum wird es in der Ecke eng. Im Winkel wird der Raum verdichtet, gesammelt. Ähnlich wie die zu einer empfangenden Geste ausgebreiteten Arme einen kleinen Raum bilden, öffnet sich auch der Wandwinkel zur Aufnahme von Raum. Eine Position mit der Raumecke im Rücken bietet einen guten Überblick, der (rechte) Wandwinkel entspricht etwa dem Sehwinkel. Wer sich in die Ecke zurückzieht, gerät wegen der Geometrie des Winkels zunehmend in die Enge und entscheidet sich für eine freiwillige Bewegungseinschränkung, die sich aber mit wenigen Schritten wieder auflösen lässt. Die allgemeinere Bedeutung des Winkels als abgesonderter und geschützter Raum kommt in seiner Verwendung als individueller Rückzugsort zur Geltung, als Spielecke, Schmollwinkel, als intimer Zwischenraum zwischen Bett und Wand oder in der rituellen Steigerung zum Herrgottswinkel. Im Zusammenhang des ganzen Bauwerks zeigt sich an der Ecke, und zwar vor allem auf der Außenseite, in welcher Beziehung die beiden angrenzenden Wände stehen. Der > Blick wird an der Ecke um das Gebäude herumgeführt. Entweder soll rundum eine einheitliche Erscheinung erzielt werden, wobei an der Ecke als Folge der räumlichen Verdichtung für bestimmte Gliederungsrhythmen der seit der Antike bekannte Eckkonflikt gelöst werden muss. Oder an der Ecke stoßen Wände unterschiedlichen Charakters aneinander und machen damit deutlich, dass ein Gebäude sich durch unterschiedliche Wandgestaltung verschiedenen Nachbarschaften zuwendet. Auf diese Weise wird an der Ecke auch erkennbar, wenn eine Fassade vorgeblendet ist und damit die Priorität einer Schauseite anzeigt. Im Wechsel von konkaven und konvexen Ecken lässt sich eine > Faltung von Wänden erzielen, wodurch Übergänge von offenen Raumbereichen zu introvertierten Zonen entstehen. So kann Raum eingefaltet und ausgestülpt werden, und es kommt zu einer räumlichen > Inversion. Die entstehenden Nischen, Winkel und Ecken bieten sich zu differenzierten

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Einzelnutzungen an und können den Charakter einer > raumhaltigen Wand annehmen. Literatur: Bachelard 1975

Wohnung

Auf ein Minimum beschränkt, umfasst das Wohnen nur einen Platz, um „sein Haupt hinzulegen“, im weitesten Sinn ist es „die Weise, nach der wir Menschen auf der Erde sind“ (Heidegger 1953, 141). Wohnen reduziert sich einerseits auf das physische Existenzminimum, andererseits ist es ein allgemeiner Wesenszug unseres Daseins. Diesem weiten Bedeutungsspektrum trägt die Architektur der Wohnung Rechnung, indem sie zum einen nutzbaren Wohnraum schafft, zum anderen die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass die Wohnung auch zur universellen Lebensgrundlage für die Bewohner wird. In beiderlei Hinsicht soll sie sowohl Rückzugsmöglichkeit als auch Entfaltungsspielraum bieten. Deren Wechselwirkung prägt die unterschiedlichen Arten des Wohnens, sodass die Architektur der Wohnung zum Spiegel der Lebensweise ihrer Bewohner wird. Besonders ausschlaggebend sind für das Wohnen die Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft (1), das Verhältnis von Abschließung und Öffnung zur Welt (2), von Standard und Aneignungsspielraum (3) und die Bedeutung von Wohnlichkeit und Gewohnheit (4). 1. In der sparsamsten Form muss die Wohnung einen geschützten Ort für den sicheren Schlaf bieten. Dann ist das Bett oder Lager ihr Kernelement und lässt sich als intimster Privatraum, ergänzt durch den unmittelbaren Umraum (z. B. Nachttisch oder Bettvorleger), auffassen. Als Alkoven oder Himmelbett erscheint es wie ein kleines Haus. Es bildet die engste räumliche Manifestation der persönlichen > Raumsphäre, schalenförmig umhüllt durch das Zimmer und die weitere > Behausung, ergänzt durch diverse Funktionsräume und vervielfacht je nach Anzahl der Bewohner der Wohnung. Für das Wohnen im Kollektiv wird das Verhältnis von Pri-

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absatz rein

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vatsphäre und Zusammensein hauptsächlich durch die > Erschließung organisiert und artikuliert. Adolf Loos propagierte die Trennung in einen öffentlichen und einen privaten Wohnbereich auf verschiedenen Niveaus. „Der mensch im eigenheim wohnt in zwei stockwerken. Er trennt sein leben scharf in zwei teile. In das leben bei tage und in das leben bei nacht. In wohnen und schlafen.“ (1997b, 165) Tatsächlich begünstigt die getrennte Gruppierung von Räumen des individuellen Gebrauchs einerseits und gemeinschaftlicher Nutzung andererseits an separaten Fluren oder auf verschiedenen Ebenen eine störungsfreie Verteilung, reduziert aber auch beiläufige Begegnungen. Einen deutlichen Gegensatz dazu bildet etwa die Anordnung von Einzelzimmern, die einen Gemeinschaftsraum als Mitte der Wohnung umlagern oder sich gar zu ihm öffnen. Diese Anordnung regt ein hohes Maß an kommunikativer Interaktion unter den Bewohnern an, vermittelt dabei zugleich eine Vorstellung der Wohnung als Ganzheit, schränkt aber die Möglichkeiten ungestörten Rückzugs ein. Zwischen diesen Extremen liegen verschiedene Mischformen, in denen Trennung und > Zugänglichkeit graduell differenziert werden. So lässt sich etwa die Trennwirkung durch verschiedene Geschossebenen über eine > Galerie wieder vermindern, umgekehrt lassen sich auch in einem fließenden Raumgefüge durch die Gruppierung von Funktionen gestaffelte Privatheitsgrade unterscheiden. Da die Form des Rückzugs in die Privatsphäre, den das Einfamilienhaus ermöglicht, vielfach als Ideal des eigenen Heims angesehen wird, versuchen bestimmte Wohnungstypen, ihm auch im Geschossbau nahezukommen. Die separat an einer rue intérieur wie in Le Corbusiers Unité d’habitation oder an einem straßenähnlichen Laubengang liegende Wohnung muss sich nicht mit Nachbarn einen Treppenabsatz teilen. Die Maisonettewohnung (franz. maisonette, Häuschen) spielt durch die Niveaugliederung auf die Mehrgeschossigkeit eines echten Hauses an. Das eigene Haus gibt es auch als

mehrgeschossiges „Stadthaus“ in der dichteren Bebauung der Innenstadt. 2. Auch wenn in letzter Zeit in unserer Gesellschaft die zunehmende Tendenz, sich in der Wohnung einzuigeln (cocooning), eine Schrumpfung von Weltbezügen zum Ausdruck bringt, die nach Peter Sloterdijk aus der Wohnung eine „Abstumpfungsanlage für Ankommendes“ macht, müsste Wohnen keine vollständige Abkapselung des Privatlebens sein, sondern mit den Worten von Gert Selle eher eine „Abschließung vor der Welt mit einem Fenster zu ihr hinaus“. (1993, 13) Die Wohnung ist zwar verletzlich, verlangt eine Umfriedung, die Schutz und Geborgenheit bietet. Gäste können wir nur empfangen, weil wir nicht jeden einlassen und sicher sind, die Wohnung gegen Eindringlinge versperren zu können; Öffnen und Schließen sind daher zugleich elementare und korrelative Vorgänge des Wohnens. Der Möglichkeit zum Rückzug und zur Abwehr steht jedoch die Notwendigkeit gegenüber, die Bezüge zur Öffentlichkeit im Verhältnis zur Privatheit, zwischen Weltabwendung und Weltoffenheit, frei zu regeln. Das Verhältnis zur Umwelt in der nächsten Umgebung wird über den Ausblick von der Wohnung und deren Umfeld beeinflusst. Was man durchs Fenster sieht, ist an der Formung der persönlichen Lebenssphäre genauso beteiligt wie die vier Wände. Durch das dauerhafte Wohnen am selben Ort etwa verfestigt sich ein bestimmtes Bild von der Stadt, in der man wohnt, es wird von dem Ausschnitt beherrscht, der sich von der Wohnung aus auftut, sodass bei einem Wohnungswechsel innerhalb derselben Stadt diese ein anderes Gesicht bekommt. 3. Während in der Moderne die öffentliche Sphäre diejenige war, in der sich der Mensch entfalten konnte, wird er im gegenwärtigen Trend zunehmender Wertschätzung des Privaten erst er selbst, wenn er ganz bei sich sein kann. Die Wohnung ist also nicht nur Rückzugsort und geschützter Raum der Entspannung gegenüber den Zumutungen einer ge-

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sellschaftlichen Bewährung, sondern auch der Entfaltungsbereich der persönlichen Sphäre. Auch dafür hat die Architektur die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Zum Beispiel darf die Wohnung nicht nur ein Schlupfloch sein, sondern muss Bewegungsfreiheit bieten. Besonders der Grundriss artikuliert sowohl die individuellen Verhaltensmuster als auch die des sozialen Lebens. Das Standardraumprogramm von Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad wird schon lange nicht mehr allen Anforderungen des Gebrauchs gerecht, sondern kann ihn auch einengen. Heinrich Zille meinte, man könne Menschen mit der Wohnung erschlagen wie mit der Axt, jedenfalls greift die Architektur mit der Wohnung massiv in die Lebensabläufe der Menschen ein, ermöglicht, behindert und dirigiert die Vorgänge des täglichen Lebens. Le Corbusier etwa propagierte ausdrücklich mit seinen Wohnhäusern nicht nur eine neue Architektur, sondern eine neue Form des Wohnens und Lebens. Soll die Wohnung einen Beitrag zur Entfaltung der Identität ihrer Bewohner leisten, dann muss die Architektur ihnen Aneignungsspielraum geben, statt die Räume funktional festzulegen. Als architektonische Basis braucht man dazu jedoch keinen Mehrzweckraum, sondern eine charakteristische räumliche Struktur, die Eingriffen, Projektionen und Spuren des individuellen Lebens eine Bühne bietet. Wohnungsarchitektur mit prägnanter Gestalt bietet bei gleichzeitiger Offenheit für die individuelle Aneignung die > Kapazität dafür, dass sich persönliche Vorstellungen und Formen des Wohnens anlagern und bedeutsam werden können. Die größeren Spielräume für die Form der Selbstdarstellung bietet dabei freilich das > Einrichten als Spiegel der Individualität und des Abdrucks von individuellem oder gemeinsamem Gebrauch. 4. Worauf es ankommt, damit man sich in einer Wohnung zu Hause fühlt, sind weder der architektonische Aufwand noch die bloße Bewohnbarkeit. Goethe lobte zwar die Raumproportionen der Villa Rotonda, fand aber wohl bei allem „Luxus“ das Haus nicht bedürfnisgerecht für eine

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vornehme Familie, weshalb er schrieb: „Inwendig kann man es wohnbar, aber nicht wöhnlich nennen.“ (1786, 55) Was unter „Wohnlichkeit“ zu verstehen ist, hängt stark von den Vorstellungen einer Epoche oder dem sozialen Umfeld ab. Heute wird in unserer Kultur Wohnlichkeit meistens mit der > Behaglichkeit einer ruhigen und warmen Atmosphäre verbunden. Ob man diese Qualität aber eher mit einer üppigen Ausstattung oder mit den strengen Formen einer sparsamen Gestaltung erzielt, wird verschieden beurteilt. Walter Benjamin forderte sogar eine Architektur, in der es „schwer ist, Spuren zu hinterlassen“. (1977, 295) Obwohl sich nicht umfassend angeben lässt, welche Tätigkeiten und Einzelfunktionen alle zum Wohnen gehören, ist doch ein bestimmtes Repertoire an ständig wiederholten Verrichtungen für das Wohnen charakteristisch. Dessen Verräumlichung durch die Architektur und Ausstattung der Wohnung wird zum Bestandteil von > Ritualen des Alltags und ermöglicht durch die vertraute Präsenz an den gewohnten Stellen eine Form der Selbstvergewisserung. Daher ist Wohnen derjenige Gebrauch von Architektur, der mehr als andere dazu tendiert, nur noch beiläufig erlebt zu werden; die Architektur der Wohnung riskiert, in der Gewöhnung unsichtbar zu werden. Dennoch lässt sich durch architektonische Gestaltung eine szenische und atmosphärische Dichte herstellen, die man als Charakter der Wohnung auch in der beiläufigen Wahrnehmung unterschwellig und andauernd erlebt. Es widerspricht nicht dem vertrauten und reibungslosen Ablauf der alltäglichen Wohnvorgänge, wenn die Architektur den Bewohner ab und zu dadurch aufmerken lässt, dass trotz aller Routine plötzlich eine Blickperspektive, ein räumlicher Rhythmus oder die Lichtstimmung eine Alltagssituation bemerkenswert machen. Literatur: Bachelard 1975; Bollnow 1963; Selle 1993

Würde

> Haltungen, Monument, Patina, Ritual, Säule

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Zeichen

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Unsere Umwelt ist voll von Zeichen, sie wirken von allen Seiten auf uns ein, verdecken oft die unmittelbare Erlebniswirkung räumlicher Situationen und beeinflussen ihrerseits das Erleben. Alle Objekte, Elemente und Formen, mit denen Städte und Bauwerke uns konfrontieren, könnten wir prinzipiell als Zeichen auffassen. Im einen Fall zeigen Zeichen als Hinweise etwas an, eine bestimmte Form markiert z. B. als Anzeichen den > Eingang, ein Bauwerk bietet durch die Fernwirkung seiner Silhouette als physisches Merkzeichen eine > Orientierung in der Stadt, oder ein Gebäude macht durch seine zeichenhafte Gestaltung lediglich auf sich aufmerksam. In anderen Fällen transportieren Zeichen > Bedeutungen, die auch außerhalb der Architektur liegen können, wobei sie auf die Vermittlung durch Konventionen oder Wissen angewiesen sind. Oder sie weisen als „Selbst-Bild“ (Rudolf Arnheim) auf bestimmte Eigenschaften des Bauwerks hin, z. B. auf seine Konstruktion, seine Nutzung oder seinen gesellschaftlichen Status. Im Allgemeinen versteht man Zeichen so, dass sie für etwas stehen, was sie selbst nicht sind, und unsere Aufmerksamkeit auf eine Bedeutungsebene lenken, die jenseits der sinnlichen Erscheinung liegt. Wo solcher Zeichencharakter in der Architektur vorherrscht, tritt ihre raumbildende und stoffliche Greifbarkeit tendenziell in den Hintergrund, etwa zugunsten der ikonografischen Sinnschicht von mittelalterlichen Sakralbauten oder aber in einer Geschäftsstraße der Gegenwart, wo die räumlichen Eigenschaften der Architektur von Werbung, Marketing und Warencharakter vereinnahmt werden. Von Zeichen gilt nach der semiotischen Theorie: Form und unmittelbar wahrnehmbare Beschaffenheit weisen als das „Bezeichnende“ (Signifikant) auf etwas anderes hin, ein Objekt oder eine Bedeutung, das „Bezeichnete“ (Signifikat). Die Zuordnung zwischen beiden ist meist durch einen kulturellen Code geregelt, dessen Erlernung Teil der Sozialisation ist (> Lesbarkeit). Oft verweist die architektonische Form von der konkreten Situation ausgehend auf einen hinter oder au-

ßerhalb von ihr liegenden Zusammenhang, indem sie z. B. Formen oder Bauwerke anderer Orte zitiert, auf ein historisches Ereignis Bezug nimmt, eine Werbebotschaft aussendet oder ein politisches Programm verbildlicht. Die Situationsabhängigkeit von diesen Zeichenprozessen relativiert jedoch die eindeutige Zuordnung von Zeichen und Bedeutung. Häufig ist das, worauf ein Zeichen verweist, selbst wieder Ausgangspunkt für weitere Verweisungen, die sich in einer endlosen Verkettung fortsetzen können. Die Verweisung auf eine bestimmte Bedeutung (Denotation) wird durch teilweise diffuse Neben- und Zusatzbedeutungen (Konnotationen) überlagert. So werden etwa durch Jörn Utzons Opernhaus in Sydney bildhaft Segelschiffe oder Muschelschalen denotiert und überlagert durch die Konnotationen von schwebender Leichtigkeit und demonstrativer Öffnung. In der Architektur werden Bedeutungen aber nicht in erster Linie durch Zeichen vermittelt. Was die für Architektur charakteristische Verweisungsart angeht, sei vielmehr auf die Beschreibung des architektonischen > Symbols verwiesen. Die Begriffe „Zeichen“ und „Symbol“ werden zwar umgangssprachlich oft vermischt. Hier soll aber nur dann von einem architektonischen Symbol die Rede sein, wenn die Bedeutung der Form sich nicht auf einen zeichenhaft codierten Verweis beschränkt, sondern ebenso durch > Formcharakter oder > Atmosphäre unmittelbar zum > Ausdruck. Ähnlich wie durch > Gestik, > Bild oder > Aufforderungscharakter wird durch diese spezifisch architektonische Form der Symbolik vermieden, dass Zeichenhaftigkeit einen entfremdenden Abstand zur Wirklichkeit schafft, der entsteht, wenn man von der realen Welt gegenständlicher Signifikanten zu einer übertragenen Ausdrucksform der Signifikate wechselt. Grundsätzlich unbeschränkt ist indessen das Spektrum dessen, was Architektur zu bezeichnen, abzubilden oder zu erzählen imstande ist. Darin unterscheidet sie sich von anderen Zeichensystemen nur insofern, als architektonische Zeichen sich auf ihren spezifisch räumlichen Charakter stützen müs-

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sen, auch wenn sie wie besonders in vormoderner Zeit ein enzyklopädisches Gedankengebäude aufstellen.

Zeit

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Raum ist nur über die Zeit und Zeit nur über den Raum zu begreifen. Aufgrund ihrer konsekutiven Verlaufsform werden Zeit und Raum beide erst durch die Unterscheidung und Abfolge von Zeitstellen oder Ortsstellen erlebt, zwischen denen sich der jeweilige Raum, das Ereignis, die Situation aufspannt. Wegstrecken lassen sich durch Zeitangaben ausdrücken, Abstände zwischen Ereignissen werden als Zeit-Räume erlebt. Zu den konstituierenden Verhältnissen der Architektur gehört die Wechselwirkung von statischer Präsenz und zeitlichem Verlauf. Ein Bauwerk wird trotz unverzichtbarer Stabilität und Ortsfestigkeit nie aus einer rein statischen Position wahrgenommen. In der räumlichen Wahrnehmung stellen wir zu jeder Stelle im Raum eine Distanz fest, deren Überwindung als Zeitmoment empfunden wird. Aus räumlichem Hintereinander wird zeitliches Nacheinander. Zeit wird in der Architektur hauptsächlich mittelbar durch > Bewegung und > Gebrauch wahrgenommen, im „seriellen Sehen“ (Gordon Cullen), im Durchlaufen räumlicher > Sequenzen und in der Abfolge von Handlungsschritten. Als > Ereignis aufgefasst, konstituiert sich Architektur in ihrem räumlich-zeitlichen Verlauf aus dem Zusammenwirken vielfältiger Einflüsse, separater Entwicklungslinien und komplexer Prozesse. Das Bauwerk selbst ist kein rein statisches Objekt, sondern real wechselnden Zuständen und zeitlichen Abläufen unterworfen. Durch die Benutzung beweglicher Teile, wie Türen, Fenster oder Läden, verwandeln, öffnen und schließen sich Teile das Hauses ständig in geringem, in besonderen Fällen von Klapp- oder Schiebewänden auch in größerem Umfang, wie etwa in einem traditionellen japanischen Haus oder in Gerrit Rietvelds Haus Schröder. Durch verschiedene Konstellationen der > Abschirmung und > Zugänglichkeit verschiebt sich das Verhältnis von Rückzugs- und Gemeinschaftsberei-

chen. Vor allem im Wohnungsbau gab es Versuche, mit einer flexiblen Architektur und leicht veränderbaren Grundrissen, z. B. aufgrund von demontierbaren oder verschiebbaren Trennwänden, auf Veränderungen der Familiengröße oder der Lebensgewohnheiten zu reagieren. Mehr als die baulichen Elemente reflektieren jedoch die Veränderungen der > Einrichtung im zeitlichen Verlauf die Lebensvorgänge der Bewohner. Deren Entwicklungen führen oftmals zu radikalen Umdeutungen von Aufenthalts- und Bewegungsmöglichkeiten. Zeitliche Veränderungen durchläuft ein Haus auch im periodischen Wechsel von Tag und Nacht. Mit unterschiedlichem Sonnenstand werden Räume durch den Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit beeinflusst. Die variablen Verhältnisse von Wärme, Licht und Atmosphäre schaffen unterschiedliche Bedingungen für Tätigkeiten, auf die das Haus wiederum mit seinen Elementen und Eigenschaften reagiert, z. B. durch Vorhänge, Sonnenschutz oder die Erhellung mit künstlichem Licht. Im Zyklus der Jahreszeiten verändern z. B. der Schnee und die Belaubung der Bäume die räumlichen Verhältnisse vor allem in der Außenarchitektur. Eine besondere Art von Zeitlichkeit äußert sich in der Architektur auf imaginäre Weise. Gebäude erwecken durch ihren > Formcharakter den Eindruck von Bewegtheit, scheinen emporzuwachsen, einem entgegenzukommen und zeigen eine dynamische > Gestik. Darauf beruht auch der Ausdruck, der den Bewegungssuggestionen der expressionistischen Architektur oder den Geschwindigkeitsillusionen des Futurismus zugrunde liegt, die in der Gegenwart durch digitale Machbarkeit immer weiterentwickelt werden. In einem imaginären Sinn wurde Zeitlichkeit in der Architektur auch durch die Vorstellung einer Raum-Zeit aufgefasst, die in Anlehnung an den Kubismus mit der gleichzeitigen Wahrnehmung räumlicher Objekte von verschiedenen Standpunkten den Raum mit der Zeit vereinigen sollte. Durch Transparenz und räumliche Überlagerungen wie z. B. durch die umlaufende Verglasung des Bauhauses in Dessau wollte man in einer Form von

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Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen innen und außen zugleich sein können. Architektur speichert Zeit wie kaum ein anderes Medium (> Erinnerung). Nicht nur durch Alterung, die sich in > Patina und Verfall zeigt, oder durch Verschleiß, der seine Spuren in abgetretenen oder glatt polierten Stellen hinterlässt, sondern vor allem, indem sie mit den Gebrauchsspuren die Herstellung vertrauter Situationen unterstützt und durch ästhetische Nachhaltigkeit unserer Umgebung Dauer und Beständigkeit verleiht. Zugleich zeichnet Architektur die Veränderungen auf, registriert Eingriffe, die einerseits als Angriffe auf Vertrautes empfunden werden, es andererseits aber erlauben, im Raum die Zeit zu lesen (Karl Schlögel), und uns in der Gegenwart mit der Geschichte konfrontieren. Unterschiedliche Zeithorizonte überlagern sich dabei, von kurzfristigen, aber vorrangig wahrgenommenen Auswirkungen aktueller Aktivitäten und Ereignisse und dem Wechsel von Moden bis zur Sedimentierung historischer Entwicklungen im Stadtgrundriss. Zum „kollektiven Gedächtnis“ (Maurice Halbwachs) wird die Architektur dabei nicht nur als steinerne Chronik historischer Ereignisse und Verhältnisse (> Monument), sondern auch, indem sie die gedankliche Basis architektonischer Ideen und > Konzepte in der Permanenz von Bauwerken anschaulich konserviert. Die Regel ist allerdings, dass die Zeit eine Fülle von ideellen oder auch handfesten Umdeutungen mit sich bringt. An einem konkreten Ort lassen sich die geschichtlichen Vorgänge von Wachsen, Abbrechen und Erweitern an den baulichen und räumlichen Brüchen, Übergängen und Verschmelzungen im lebendigen Nachvollzug erleben. In der vergleichenden Wahrnehmung von Werken verschiedener Epochen wiederum wird das Verhältnis von Permanenz und Veränderung sichtbar. Gegen die ständige Verwandlung durch Stile, Formen, Stoffe und Konstruktionen zeichnen sich die überdauernden Ideen z. B. in immer wiederkehrenden räumlichen Konfigurationen ab. Aber man sollte auch nicht unterschätzen, wie sehr die Zeit dazu beiträgt, dass ein Bau-

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werk durch den Wechsel unserer Sehgewohnheiten sich in der Wahrnehmung völlig verändern kann. Auch die Gewöhnung spielt eine Rolle, sie kann etwa dazu führen, dass Häuser mit der Zeit gar nicht mehr wahrgenommen werden. Literatur: Giedion 1965; Weston 2003; Zucker 1924

Zelle

Als kleinste bewohnbare räumliche Einheit ist die Raumzelle in zweierlei Hinsicht eine materialisierte Form der Individualsphäre. Erstens lässt sie sich als Form höchster räumlicher Lebenskonzentration begreifen, in der ein Mensch seinen Umraum unter völliger Kontrolle hat, ausgestattet mit dem Notwendigsten, doch in Reichweite zu allem, was er braucht. Die unmittelbare Entsprechung von Raumbeanspruchung und Raumbegrenzung macht die Hülle zur Matrix, in der die freie räumliche Entfaltung von Tätigkeiten ohne andere Einflüsse ihre Spuren als Abdruck und Selbstausdruck hinterlassen kann. Zweitens hat die Zelle für Menschen, die sich etwa als Reaktion auf die Verunsicherung durch eine anstrengende, unübersichtliche oder bedrohliche Umwelt einigeln wollen, die Funktion eines Rückzugsortes aus der Welt. Eine solche Verpuppung im Kokon der eigenen Wohnung (cocooning) beschreibt auch den generellen gesellschaftlichen Trend eines Rückzugs ins Privatleben. Die Wortherkunft von lat. celare, verbergen, entspricht der Konnotation der Introvertiertheit. Auch für die biologische Zelle sind die Zellwände entscheidend, eine Zelle ist immer ein nach außen relativ abgeschlossener Raum. Ihr Außenbezug ist statt der Öffnung die Agglomeration zellularer Einheiten von ähnlicher Gestalt und Größe. Dem entspricht in der Architektur die Organisation von Kapselhotels, Notunterkünften, Arrest- und Gefängniszellen. In der Gleichheit der Zellen ist oftmals tatsächlich eine Identität von Funktion oder des Status der Benutzer angezeigt. Die additive Wiederholung des Gleichen ist ein häufig angewendetes Anordnungsprinzip. Es wird in der Architek-

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tur allerdings mitunter erweitert durch die komplementäre Ergänzung der individuellen Zelleinheiten um ein kollektives Gegenstück für die Gemeinschaft. Beispiele sind das Kloster, das Studentenheim oder der Ozeandampfer. Zellen- oder Wabenstrukturen, die ohne diese Komplementarität uniforme Agglomerationen bilden, drücken einerseits die egalitäre Ordnung individueller Lebensräume aus, tendieren aber andererseits zu monotoner Gleichförmigkeit. Betrachtet man Zellen als Materialisierung der von amerikanischen Anthropologen untersuchten Distanzzonen, die Menschen als ihre persönliche Sphäre (personal bubble) beanspruchen, könnte man von Schäumen aus solchen bubbles (Blasen) sprechen. Bauliche Anlagen mit dichten Ballungen besitzen eine Art großmaßstäblicher > Porosität. Das Potenzial der Zelle für eine intensive räumliche Erfahrung liegt in der geradezu archaischen Selbstbegrenzung auf einen Ort, wo man sich nur mit dem Wesentlichen umgibt, alles Überflüssige ausschließt, alle Ablenkung vermeidet (> Einfachheit). Umschlossen von einer gleichsam auf den Leib geschneiderten Hülle kann man sich einer Konzentration hingeben, wie sie kontemplative, kreative oder andere konzentrierte Tätigkeiten erfordern. Beispiele sind das Gehäus des hl. Hieronymus oder Le Corbusiers Cabanon. Die Zelle ist auch der geeignete Ort, um bestimmte einzelne Funktionen, in der Regel für eine Person, ungestört von allem anderen auszugliedern. Deshalb werden zu solchen Zwecken neben dem Studiolo für die geistige Arbeit z. B. Schlafzellen, Nassoder Duschzellen vorgesehen. Bizarre Zuspitzungen waren indessen die in den 1960er-Jahren von radikalen Architekten entwickelten Raumkapseln, tragbare Objekte zwischen Gerät und Organ, bei denen Körperfunktionen wie Puls- oder Atmung in die Hülle verlagert und die Verbindungen mit der Außenwelt durch Versorgungsschläuche und durch Telekommunikation hergestellt werden sollten. Ein Sonderfall sind jene Zellen, die sich absondern, indem sie sich fortbewegen, die Fahrgastzellen von Automobi-

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len, Wohnwagen, Seilbahnen, Fahrstühlen. Sie ermöglichen es, eine Ruhestellung bei gleichzeitiger Bewegung einzunehmen, sich dem Gegensatz zwischen Ortsveränderung und Ortsfestigkeit in der Zelle auszusetzen. Damit wird ein grundsätzliches Problem des Aufenthalts in der Zelle deutlich, die Beschneidung von nötiger Bewegungsfreiheit und der Zwang der Enge durch den beschränkten Raum. Wenn die Kompensation nicht durch die Fortbewegung der Zelle selbst geleistet wird, kann der Ausgleich nur im Wechsel zwischen verschiedenen Umgebungen bestehen, die sich gegenseitig hervorrufen: Die Enge der Zelle ruft irgendwann nach einem weiten Raum, in dem wir ausschreiten und das Gesichtsfeld erweitern können. Die Vielfalt offener Weite hingegen lässt uns schließlich wieder nach einem Raum verlangen, in dem wir zu uns selbst kommen und uns konzentrieren können.

Zentralraum

> Raumgefüge, Typus, Zentrierung

Zentrierung

Wir sind es gewohnt, den Raum in der Architektur durch seine Grenzen (Wände, Umfriedungen) zu definieren und von den Begrenzungen her zu betrachten, als dasjenige, das durch Grenzen aus dem kontinuierlichen Umraum ausgegliedert ist und von dort seine Bedeutung erhält. Es ist aber auch möglich, Raum nicht von den Grenzen, sondern vom Zentrum her zu bestimmen und zu erfassen. Im primitivsten Fall wird Raum artikuliert durch das Einschlagen eines Pflocks, der als Zentrum sein nächstes Umfeld in einen Bereich der Nähe und dessen Drumherum gliedert. Statt eines Objekts kann das Zentrum ein eigener Raum sein, umlagert von anderen Räumen. Daraus ergibt sich eine zentrische > Ordnung des > Raumgefüges und der entsprechenden Bewegungsmöglichkeiten. Die Betonung der Mitte und ihre Wertschätzung entspricht unserer Vorstellung von der Zentrierung unserer per-

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sönlichen Raumsphäre im eigenen > Leib. Wir können einen Raum aber auch von der Mitte her erleben und dessen zentrierende Kraft spüren, wenn wir uns nicht selbst dort befinden. Elmar Holenstein hat gezeigt, dass der „Nullpunkt unserer Orientierung“ mit dem Blick wandert. Die Mitte eines Raumes oder eines Platzes als Ziel und Zentrum der Wahrnehmung wird auch als zentrierend für das eigene Ich empfunden. Das Zentrum muss auch nicht im geometrischen Mittelpunkt eines Raums liegen, ein Beispiel ist die Sitz- oder Essecke als Ort des > Versammelns. Neben der Zentrierung des Raums spielt das Zentrum für die hierarchische Gliederung von Baukörpern und besonders von Fassaden eine Rolle, etwa indem sie den Mittelbau eines Flügelbauwerks oder einer weitläufigen Anlage repräsentativ hervortreten lässt. Für das Erleben einer räumlichen Situation ist aber vor allem die Zentrierung von Räumen ausschlaggebend. Der zentrale Grundriss, dem Leon Battista Alberti ideale Schönheit bescheinigt, wird als Innenraumgestalt unterschiedlich erlebt. Kreuz- oder Sternform führen radial zum Zentrum hin, Kreis und Oktogon umkreisen die Mitte konzentrisch. Solange das Zentrum leer bleibt, übt es zwar einen Sog aus, da man sich dort aber unsicher fühlt, kehrt man zur Peripherie zurück, bevor man sich der Mitte wieder zuwendet, sodass Wahrnehmung und Bewegung unentschieden zwischen Peripherie und Zentrum oszillieren. Erst wenn bestimmte Elemente oder Funktionen einen Brennpunkt schaffen, wird das Zentrum zum Attraktor. Feuerstelle (lat. focus), Altar oder Brunnen erfüllen diese Funktion von alters her. Die Aufgabe wird aber auch von allem übernommen, was der Anziehung von Aufmerksamkeit oder als Anlass des Versammelns um die Mitte dient, sei es ein Ausstellungsobjekt, der ins Licht gerückte Tisch oder ein gemeinsames Tun, in diesem Fall strebt man zur Mitte hin, in jenem wird sie eher umkreist (Zirkulieren). Durch zentrierte und zugleich gerichtete Räume gelingt es, einen doppelten Schwerpunkt zu berücksichtigen, etwa die

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beiden Altarpositionen im Chor und in der Vierung eines Kirchenraums. Eine besondere Wirkung erzielte man im Barock durch die Verschmelzung von Längs- und Zentralraum. Dabei fällt auf, dass in Räumen mit Kreisgrundriss die Umschließung weniger deutlich erlebt wird als in Räumen mit ovalem Grundriss, da in der optischen Wahrnehmung der Kreis durch die perspektivische Verkürzung so stark gestaucht erscheint, dass der Eindruck des Umschließens kaum zustande kommt. Betritt man dagegen einen Raum mit ovalem Grundriss in der Längsachse, erscheint er durch die perspektivische Verkürzung in Längsrichtung zum Kreis verformt, nach wenigen Schritten fühlt man sich merklich von den Wänden umschlossen und aufgenommen. Barockbaumeister wie Johann Michael Fischer setzten diesen Effekt in Kirchenbauten so ein, dass das Kirchenschiff die Gemeinde umschließt, während zugleich in der Längsachse auch der Altar im Zentrum erscheint. Die Gesamtkomposition eines Gebäudes lässt sich durch die Orientierung aller Räume auf den zentral liegenden Hauptraum hin hierarchisch organisieren, sodass der Charakter des ganzen Gebäudes von dessen zentraler Position und Bedeutung ausgeht. Selbst wenn das Zentrum als „leere Mitte“ in der Funktion hinter die peripheren Räume zurücktritt, wird seine latente räumliche Bedeutung für das Ganze spürbar. Die peripheren Räume beziehen in Orientierung, Zugang und funktionaler Zuordnung auf unterschiedliche Weise Stellung zur Mitte. Sie gehen entweder zentrifugal vom zentralen Innenraum aus oder umlagern ihn konzentrisch. Man nähert sich ihm dementsprechend durch radiale oder zirkulierende Bewegung. Im Verhältnis zum Zentralraum sind die peripheren Räume entweder in einer gestaffelten oder verzweigten Hierarchie angeordnet; oder sie bilden nur einen Kranz von untergeordneten peripheren Raumzonen, mitunter reduziert bis auf Wandnischen. Solche „dienenden“ Räume bieten nicht nur funktionale Unterstützung des „bedienten“ Raums, sondern verstärken auch als > raumhaltige Wände oder > Reso-

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nanzräume dessen Introversion, sie können > Zwischenräume für den verzögerten Übergang sein oder übernehmen nur die Aufgabe einer Auskleidung. Ist die dienende Raumschicht ein umlaufender Gang, wie z. B. die Kolonnade eines Peristyls, dann erlebt man beim Heraustreten aus dem Umgang in den Hauptraum hinein, wie man von der umschließenden Schale fühlbar umfasst wird. Der Eindruck lässt auf dem Weg in die Mitte allmählich nach, und die im Zentrum auftretende Unsicherheit veranlasst das erwähnte Oszillieren. Ein Zentralraum hat als Treppen- und Verteilerhalle oder auch nur als Diele zwar selbst lediglich eine Funktion für die > Erschließung. Er spielt dadurch aber doch eine für die > Orientierung und Kommunikation im Gebäude entscheidende Rolle, die noch unterstrichen wird, wenn er als glasüberdachter Lichthof ausgebildet und hervorgehoben ist. Im ganz unter freiem Himmel liegenden zentralen Atrium wird hingegen der Außenraum zur Mitte des Hauses und changiert in seinem Charakter zwischen zentralem Innen- und Außenraum (> Hof). Als Erschließungshof ist er ein Knotenpunkt interner, sich kreuzender oder zirkulierender Verkehrsströme, während er als Gartenhof die ruhige Mitte des Hauses oder einen Ort der Kontemplation wie im Kreuzgang bildet. Im städtischen Maßstab übernimmt der > Platz eine zentrierende Funktion im urbanen Raumgefüge. In der Rolle eines Quartiersmittelpunkts oder als Mitte einer ganzen Ortschaft ist er Orientierungspunkt, bündelt Wege und ist der Ort, an dem traditionell die Mitte auch durch aufragende öffentliche Gebäude kenntlich wird. In einer axialen Bebauungsordnung kommt zur Zentrumsfunktion des Platzraums noch die Zentrierung durch die > Achse. Achsen bilden selbst eine lineare Form des Zentrums und führen meistens zur Mitte eines Raumes hin. Als demonstrative Hinführung verbindet sich die Achse mit dem zentralen Raum oder Platz in einer zusammenhängenden Geste.

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Zeremoniell Ziel Zimmer

Zirkulieren

> Bewegungsfigur, Ritual, Szene, Zwischenraum > Achse, Bewegung, Blick, Gerichtetheit, Tiefe (räumliche),

Weg > Decke, Inneres, Raum, Zelle, Wohnung

Unter „Zirkulation“ versteht man im Allgemeinen den Bewegungskreislauf im Gebäudeorganismus. Sie umfasst den Umlauf, durch den ein Gebäude in all seinen Teilen über Treppenanlagen und Wege der > Erschließung durchlaufen wird. Im Speziellen ist das Zirkulieren indessen eine charakteristische > Bewegungsfigur. In ihrem andauernden Verlauf unterscheidet sie sich von einer Wegebahn mit Anfang und Ende, doch sie kann Unstetigkeiten und Höhepunkte aufweisen. Im Unterschied zur weitgehend freien Bewegung des > Schweifens steckt im Zirkulieren, analog etwa zu diversen zyklischen Lebensvorgängen, dem Sonnenlauf und dem Zyklus der Jahreszeiten, das Moment der Wiederkehr. Anders als der Spannungsbogen eines > Weges vom Start bis zum Ziel, hat das Zirkulieren den Charakter einer Kontinuität, die der Bewegung eine Dauerhaftigkeit verleiht, welche durch die erwartungsgemäße Wiederholung mehrerer Runden unterstützt wird. So fördert die in sich wiederkehrende, potenziell endlose Bewegungsfigur, etwa in einem Kreuzgang, diskursive oder kontemplative Tätigkeiten im Gehen. Mit dem Zirkulieren verwandt ist daher auch das pendelnde Auf und Ab einer Bewegung, die ebenfalls nicht zwei Punkte als Weg miteinander verbindet, sondern eher in sich zurückläuft, etwa in einer lang gestreckten Wandelhalle (Stoa). Kreisbewegungen wie die Umrundung eines Heiligtums manifestieren die Bewegungsfigur als rituelle Handlung. Beim Umkreisen eines Zentrums, an dem sich die Bewegung orientiert, kann es vorkommen, dass dessen unterschiedliche Formdynamik auf den verschiedenen Seiten die Bewegung in Phasen von Gleiten und Bremsen oder von Abstoßung und Anziehung unterteilt. Ein Rundgang durch die Stadt oder

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im Museum braucht hingegen kein Zentrum. Manchmal bildet die ausgedehnte leere Mitte eines Raumes oder Platzes einen Anlass zur Umkreisung eines imaginären Mittelpunkts, wenn nicht stattdessen das leere Zentrum in die Mitte lockt und zum > Oszillieren zwischen Zentrum und Peripherie auffordert. In einem Kranz von Räumen, wie etwa in Leo von Klenzes Münchener Glyptothek, wird die Zirkulation ringförmig geführt. Diese Charakteristik treffen wir manchmal auch im Typus von Wohnungen aus der Gründerzeit an, wo sie besondere Flexibilität in der Nutzung und differenzierte Erlebnismöglichkeiten bietet, weil man als Bewohner an dieselbe Stelle auf mindestens zwei verschiedenen Wegen gelangen kann und die Wahl hat, sich zu begegnen oder sich aus dem Weg zu gehen.

Zonierung

> Abschirmung, Fließender Raum, Wärme und Kälte

Zugänglichkeit und Exklusivität

Architektur lässt sich als komplexes System abgestufter Zugänglichkeit auffassen. Überall, wo Menschen zugleich als Einzelne und in Gemeinschaft zusammenleben, stellt sich die Aufgabe, die private Sphäre des Einzelnen gegenüber gemeinschaftlichen und öffentlichen Bereichen abzustufen. Dazu reicht es nicht, lediglich zwischen den beiden Polen von privat und öffentlich zu unterscheiden, sondern Zugänglichkeit und Exklusivität müssen graduell gestuft sein, entweder als > Sequenz von Räumen oder im > Raumgefüge eines ganzen Gebäudes. Diese Verhältnisse werden architektonisch durch die Aufteilung und Anordnung voneinander getrennter Räume organisiert, die sich selbst wiederum durch Größe, Belichtung und Ausstattung in ihrem Intimitäts- oder Öffentlichkeitscharakter unterscheiden, der das jeweils angemessene Verhalten nahelegt. Ihre Zugänglichkeit wird zusätzlich durch die Einschaltung von > Zwischenräumen oder die differenzierte Durchlässigkeit (> Filter) von > Abschirmungen gesteuert.

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Lage und Anordnung der Räume bilden dabei eine Stufenleiter von erschließenden und erschlossenen (abgeschirmten) Räumen mit einem zu den Räumen intimster Zurückgezogenheit hin allmählich verringerten Grad der Zugänglichkeit, also einer stufenweise eingeschränkten Zahl zugelassener Personen. Im weitesten Sinne reicht das Spektrum kontinuierlich von den Straßen und Plätzen über halböffentliche Zonen wie das Innere des Wohnblocks oder Eingangshallen bis zum einzelnen Zimmer. Innerhalb des Hauses kann es sich architektonisch um eine der Exklusivität gemäße Reihung handeln, wie etwa bei der > Enfilade in Fürstenschlössern. In anderen Grundrissen führt der Zugang der Privaträume über die (halb-)öffentlichen Räume des Hauses wie Atrium, Halle oder Salon, abhängig vom Typ der > Erschließung. Maßgebend sind der Grad der abgelegenen Position im Grundriss und die Erreichbarkeit oder Distanz zu den (halb-)öffentlichen Räumen des Hauses. Wird ein Raum anstelle einer Korridor-Erschließung über Durchgangsräume erschlossen, dann ist die Anzahl der zu durchquerenden Zimmer ein Maß seiner Zugänglichkeit (> Tiefe). Auf jeder Stufe verschiebt sich das Verhältnis von Geborgenheit zu Bewegungsfreiheit. Dafür ist außerdem die Beschaffenheit der Abschirmungen maßgeblich. Sie entscheidet über Geschlossenheit, Einblicksmöglichkeit und Schalltrennung. Eine graduelle Filterung ermöglicht verschiedene Abstufungen der Trennung, vom vollständigen Abschluss über halbdurchlässige Abschirmungen, die eine Trennung nur andeuten, bis zum leichten Wandschirm. Die Schiebewände im traditionellen japanischen Haus etwa regeln Zugänglichkeiten ohne scharfe Raumgrenzen und eindeutige Hierarchie, sie lassen z. B. die Möglichkeit zu, Personen hinter einer Wand schemenhaft wahrzunehmen, Stimmen und Geräusche zu hören, ohne selbst gesehen zu werden. Den Hintergrund für Zugänglichkeits- und Exklusivitätsbedürfnisse bilden kulturell bedingte, unterschiedliche Intimitätsvorstellungen.

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Es kommt nicht nur auf die Möglichkeit des Rückzugs für den Einzelnen oder die jeweilige Gemeinschaft am Ende der Privatheitsskala an, sondern auf jeder Stufe beeinflusst der Zugänglichkeits- und Exklusivitätsgrad auf subtile Weise die Bedingungen sozialer Interaktion. Einzelne Tätigkeiten lassen sich einem entsprechenden Platz auf der Skala zuordnen; möglich sind verschiedene Arten der Geselligkeit, diskrete Begegnungen, Konzentration beim Arbeiten oder die völlige Abkapselung. Die persönliche > Raumsphäre findet auf jeder Stufe ihre entsprechende Ausdehnung. Literatur: Evans 1996; Franck/Franck 2008

Zugang Zweck

> Eintritt und Austritt, Zugänglichkeit und Exklusivität

Zwischenraum

Das „Dazwischen“ im Übergang von einem Raum zum anderen, das weder dem einen noch dem anderen oder aber beiden zugleich angehört, ist ein elementares Phänomen der Architektur. Es tritt in vielen Varianten auf. Zwischenraum entsteht vor allem dort, wo die > Schwelle sich von der Grenzlinie zum Schwellenraum erweitert, nicht nur zwischen > innen und außen, sondern auch beim Übergang zwischen unterschiedlichen Innenräumen. Jede raumhaltige > Fassade mit Nischen, Laibungen, Erkern oder anderen „Raumtaschen“ stellt zwischen Haus und Stadt Zwischenraum her. Dabei bilden einzelne bauliche Elemente, > Arkade, > Galerie, Loggia, Veranda, Terrasse und Balkon, spezielle Zwischenraumtypen. Die Dachterrasse kann als Zwischenraum im Übergang zwischen Bauwerk und Himmel betrachtet werden, ebenso wie das Souterrain im Übergang zur Erde. Durch > Inversion entstehen „innere“ Zwischenräume, wie der Innenhof, die durch das Gebäude führende rue intérieur oder die Ladenpassage. In der extremen Dichte von Städten wie z. B. Tokio werden die Fugen in der städtischen Bebauung als Lebensraum genutzt,

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> Gebrauch

ohne zwischen öffentlichem und privatem Außenraum zu unterscheiden. Das Phänomen des Zwischenraums demonstriert, dass die Eigenschaften von > innen und außen, von > Körper und Raum, > Geschlossenheit und Offenheit, Kultur und Natur, Privatheit und Öffentlichkeit keine unvereinbaren Gegensätze bilden müssen, sondern dass das eine sich „reziprok“ (Aldo van Eyck) mithilfe des anderen erreichen lässt. Zu den Zwischenräumen gehören die Vorräume, die den Übertritt abstufen und verzögern. Der Übertritt kann aber auch im Zwischenraum enden, wie z. B. im Erker oder Wintergarten. Betritt man den Erker, hat man den Eindruck, sich aus dem Zimmer zurückzuziehen, um auf eine gewisse Art draußen zu sein. Von draußen gesehen wiederum sind Loggien, Terrassen, Veranden oder Balkons eine Art Bühne im öffentlichen Raum, auf denen man dem Leben der Bewohner zusieht. Analog stellen Arkaden oder Lauben ihre geschützte Lage halb im Inneren des Hauses für charakteristische öffentliche Aktivitäten bereit. Der Charakter von Zwischenräumen entsteht bereits durch die Überlagerung oder Vermischung von Eigenschaften, z. B. Temperaturen, Akustik und Lichtverhältnissen, die von den angrenzenden Räumen herrühren. Oberflächen und Materialien, die man der einen Seite zuordnet, setzen sich auf der anderen fort, typische Elemente des einen Raums tauchen im anderen auf. Die Verhaltensweisen vermischen und transformieren sich. Die baulichen Mittel umfassen die Staffelung oder > Schichtung von Wandebenen in der Tiefe, Faltungen, Ausund Einstülpungen der Raumhülle sowie Abstufungen im Grad der > Abschirmung oder Durchlässigkeit. Spezielle Konstellationen sind erstens die Überlagerung der Grundrisse beider angrenzender Raumsphären, deren Schnittmenge den Zwischenraum bildet (> Transparenz), und zweitens die Modellierung als dicke > raumhaltige Wand, die nicht nur eine Überschneidung von innen und außen, sondern auch von

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Körper und Raum darstellt. Durchgänge durch dicke Wände, die selbst Hohlräume, Nischen und Stauräume enthalten, bilden oft Passagen mit einem beträchtlichen eigenen Zwischenraum- oder Durchgangsraumvolumen. Durchquert man sie, wird eine deutliche Veränderung bemerkbar. Als Schleusen haben Zwischenräume die Eigenschaft einer dritten abgeschlossenen Einheit, die zwischen den unterschiedlichen Bedingungen in den angrenzenden zwei Räumen vermittelt. Die Fahrstuhlkabine hingegen ist eine bewegliche Art des Zwischenraums mit ganz unabhängigen Raumeigenschaften; in ihr ist man kurzfristig ganz sich selbst überlassen, oder aber es findet eine extreme soziale Verdichtung mit unmittelbar anschließender Auflösung statt. Vor allem > Ein- und Austritt werden durch eine Abfolge von Zwischenräumen gegliedert, damit man nicht „mit der Tür ins Haus fällt“: In der Annäherung an ein Haus etwa wird durch einen Richtungswechsel des Zuwegs ein Stück Außenraum umfasst und vor dem Haus „versammelt“ – eventuell in Verbindung mit der ausholenden Geste einer begleitenden Wand. Vorplätze, Vorhöfe oder Vorgärten, manchmal sind sie durch Gatter oder Gartentor abgetrennt, bewirken einen ersten Halt. Durch eine dem Haus vorgelagerte bauliche Erweiterung stülpt sich ein Teil des Innenraums nach außen. Vorhallen, Galerien oder Arkaden bilden wiederum eine Raumschicht, die noch außen liegt, aber durch das Vordach Schutz vor Regen und durch die sparsame seitliche Fassung vor Wind bietet. Ist der Vorbau auf einem Podest errichtet, dann bietet er Schutz vor den Gefahren der Straße. Man betritt das Haus gleichsam schon draußen, ist bereits angekommen und lässt sich vielleicht auf einer Sitzbank nieder. Wenn man das Haus verlässt, bietet diese Kanzel Aus- und Überblick, um sich zu orientieren. Be-treten wird das Haus, wie auch die einzelne Wohnung, spätestens auf der Fußmatte. Sie dient nicht nur der Reinigung und der Trennung der sauberen von der verschmutzten Sphäre, sondern auf ihr betritt der Ankommende schon ein Stück des Innenraumbodens. Die Tür

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selbst bildet, nicht nur als Drehtür oder mit dem Windfang, sondern schon durch ihre Laibung einen eigenen Zwischenraum. Dessen je nach Tiefe unterschiedlich großes Volumen wird durch das trichterförmige Gewände eines Portals in seiner Tiefe noch perspektivisch erweitert. Einen klassischen Zwischenraum stellt die Diele dar, das Vestibül, die Eingangshalle. Sie ist ein Innenraum, gleichzeitig befindet man sich aber immer noch im Vorbereich, über den nicht jeder Ankömmling hinausgelangt, weil spätestens hier entschieden wird, wer wie weit eintritt. In der aufwendigeren Variante der Vorhalle wird man hier vom Pförtner aufgehalten, Personen sammeln sich an, man muss womöglich warten, bis es weitergeht oder bis man abgeholt wird. Die zielgerichtete Bewegungsform draußen hat hier Gelegenheit, umzuschlagen in eine ruhigere Haltung und Bewegungsform, die dem Aufenthalt im Inneren entspricht. Der Zwischenraum ist auch der Ort für die > Rituale des Begrüßens und Verabschiedens, in besonderen Fällen auch für ein entsprechendes Zeremoniell. Man entledigt sich des warmen Mantels, da dessen Funktion als Körperhülle nun von der Raumhülle des Hauses übernommen wird. Hier besteht die Möglichkeit, sich über die weitere > Erschließung des Hauses zu orientieren, sofern das > Raumgefüge die Übersicht erlaubt und die räumliche > Ordnung von hier aus ablesbar ist. Die Architektur hat Einfluss auf die Rolle des Vorraums als Raum der ängstlichen Beklemmung, der gespannten Erwartung oder des verheißungsvollen Versprechens. Man weiß aber auch, dass Vor- und Zwischenräume häufig bedeutendere Aufgaben übernehmen als die eigentlichen Haupträume. Oft finden hier die maßgeblichen sozialen Kontakte und die folgenreichen Begegnungen statt. Die wichtigen Entscheidungen fallen oftmals in Übergangsräumen. Museums-, Theater- oder Hotelfoyers sind gesellschaftliche Treffpunkte, Korridore und Pausenräume von Hochschulen Orte des produktiven Austauschs. Die politische Bedeutung der Vor- und Durchgangsräume kommt in der zeremoniel-

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len Funktion repräsentativer Treppenhäuser zum Ausdruck (> Treppe), aber auch in der politischen Einflussnahme des „Antichambrierens“ und durch die sprichwörtliche Macht der Lobbyisten. Der Architektur kommt die Aufgabe zu, das „Dazwischen“ räumlich zu artikulieren, die Orte und Räume des Übergangs differenziert auszuformen. Ständig bewegen wir uns in Übergangsräumen oder halten uns dort auf, in Vorräumen, Schwellenräumen, Zwischenräumen. Im Grunde ist die Architektur eine Kunst des Zwischenraums. Literatur: Alexander 1977; Nitschke 1989; Stalder 2009; Waldenfels 1990

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Abbildungen

Für folgende Skizzen diente als Vorlage: S. 12

Sitzplatz im Garten der Villa „Le Lac“, Corseaux (Arch. Le Corbusier)

S. 23

Schloss Neuschwanstein (Arch. Eduard Riedel, Georg Dollmann)

S. 24

Entwurf für einen Kenotaph (Arch. Étienne-Louis Boullée)

S. 26

Eingangshalle im Haus Wiegand, Berlin (Arch. Peter Behrens)

S. 30

Entwurf für ein Haus der Flurwächter (Arch. Claude-Nicolas Ledoux)

S. 31

Kapitelsaal in der Marienburg

S. 33

Haus (nach einer Zeichnung von Max Willburger, 4 J.)

S. 42

TWA-Terminal, New York (Arch. Eero Saarinen) / Entwurf für ein Haus des Aufsehers der Loue-Quelle (Arch. Claude-Nicolas Ledoux) / „The Long Island Duckling“ aus: God‘s Own Junkyard von Peter Blake

S. 50

Wohnsiedlung in Pessac (Arch. Le Corbusier)

S. 51

Atelierhäuser, Zumikon (Arch. Ernst Gisel)

S. 52

Pfadfinderhütte, Lovön, Schweden (Arch. Ralph Erskine)

S. 56

Decke des Antecabildo der Kathedrale von Sevilla / Vordach der Stazione Termini, Rom (Arch. Eugenio Montuori u. a.)

S. 59

Eckdetail der Alumni Memorial Hall IIT, Chicago (Arch. Mies van der Rohe)

S. 60

Säulensaal des Amenophis III., Luxor

S. 62

Treppenhaus im Schloss, Bruchsal (Arch. Balthasar Neumann)

S. 66

Katsura-Palast, Kyoto

S. 71

Haus im Kämpchensweg, Köln (Arch. Oswald Mathias Ungers)

S. 77

Reihenhaus in der Weißenhofsiedlung, Stuttgart (Arch. Mart Stam)

S. 79

Wohnhaus im Herzogpark, München

S. 90

Palazzo Antonini, Udine (Arch. Andrea Palladio)

S. 91

Moriyama-Haus, Tokio (Arch. SANAA)

S. 93

Capella Contarini in Santa Maria dell’Orto, Venedig

S. 100

Wohnhaus in der Haid-und-Neu-Straße, Karlsruhe

S. 103

Plätze vor dem Papstpalast, Avignon

S. 105

Papstfenster im Vatikanischen Palast, Rom

S. 109

Pavillon im Kröller-Müller-Museum, Otterlo (Arch. Gerrit Rietveld)

S. 111

Baptisterium am Dom, Pisa

S. 112

Wallfahrtskirche, Ronchamp (Arch. Le Corbusier)

S. 122

Alter südlicher Friedhof, München (Arch. Gustav Vorherr und Friedrich von Gärtner)

S. 125

Kapellenhof in der Münchner Residenz

S. 132

Grüne Moschee, Bursa (Skizze nach Le Corbusier)

S. 137

Amr-Moschee, Kairo

392

S. 148

Naked House in Kawagoe, Saitama, Japan (Arch. Shigeru Ban)

S. 165

Anasazi-Wohnanlage, Chaco Canyon, New Mexico USA

S. 166

Therme, Vals (Arch. Peter Zumthor)

S. 167

Domumgebung, Florenz

S. 169

Kirche der „Unbefleckten Empfängnis“, Turin (Arch. Guarino Guarini)

S. 170

„Les 4 compositions“ (Skizze nach Le Corbusier)

S. 174

Konkavität des Außenraums (Schema nach Hermann Sörgel)

S. 176

Doppelte Raumgestaltung durch Körpergestaltung (Schema nach Fritz Schumacher)

S. 179

Wegverlauf in der Villa Savoye, Poissy (Arch. Le Corbusier, Schema nach Jürgen Joedicke)

S. 184

Scharnhauser Park, Ostfildern (Arch. Janson und Wolfrum)

S. 188

Viehhaus auf Gut Garkau bei Lübeck (Arch. Hugo Häring)

S. 190

Lüftungskamin der Unité d’habitation, Marseille (Arch. Le Corbusier)

S. 191

Soseikan-Yamaguchi House, Takarazuka (Arch. Tadao Ando) / Haus in Koi, Hiroshima (Arch. Toru Murakami)

S. 198

Villa Savoye, Poissy (Arch. Le Corbusier)

S. 199

Modulor (Schema nach Le Corbusier)

S. 203

Belfried und Tuchhallen, Brügge

S. 204

Fassade von San Francesco della Vigna, Venedig (Arch. Andrea Palladio)

S. 209

Säule und Gewölbe im Turmraum der Pauluskirche, Ulm (Arch. Theodor Fischer)

S. 212

Soseikan-Yamaguchi House, Takarazuka (Arch. Tadao Ando)

S. 216

Haus Schröder, Utrecht (Arch. Gerrit Rietveld)

S. 220

Campanile des Doms, Siena

S. 221

Haus der Nationalversammlung, Dhaka, Bangladesh (Arch. Louis I. Kahn)

S. 222

Stallgebäude in Corippo, Tessin

S. 223

Bergstation Nordkettenbahn, Innsbruck

S. 233

Portikus und Vorplatz von Santa Maria della Pace, Rom (Arch. Pietro da Cortona)

S. 234

Innenhof der Universität Catania (Arch. Giovanni Battista Vaccarini)

S. 236

Kirche St. Franziskus, Regensburg (Arch. Ulrich Königs)

S. 237

„The Ruin“ in Hackfall Wood, Grewelthorpe, GB / Entwurf für den Petersdom, Rom (Arch. Donato Bramante)

S. 239

Adinath-Tempel, Ranakpur, Indien

S. 241

Wandaufriss der Basilika Saint-Sernin, Toulouse

S. 243

Raumkonstruktion (Arch. Theo van Doesburg)

S. 246

Klosterkirche St. Anna, München (Arch. Johann Michael Fischer)

S. 249

Saddell Castle, Schottland

393

S. 250

Boudoir der Dame im Haus Müller, Prag (Arch. Adolf Loos)

S. 251

Campo Santa Maria Nova, Venedig

S. 252

Pantheon, Rom (nach dem Romplan von Giovanni Battista Nolli)

S. 253

„Kontinuierlicher Raum“ (Schema nach Bernhard Hoesli)

S. 254

Wohnhaus Hvitträsk, Kirkkonummi, Finnland (Arch. Eliel Saarinen)

S. 255

Haus NA, Tokio (Arch. Sou Fujimoto)

S. 257

Dom und Piazza communale, Pienza

S. 258

Schwungkreise (Schema nach Rudolf von Laban)

S. 262

Klosterkirche La Tourette (Arch. Le Corbusier)

S. 264

Große Moschee, Zabid, Jemen

S. 265

Propyläen der Akropolis, Athen (Schema nach Jürgen Joedicke)

S. 267

Hatschepsut-Tempel, Deir el-Bahari, Ägypten

S. 270

Piazzetta am Markusplatz, Venedig

S. 277

Krematorium Berlin-Treptow (Arch. Axel Schultes)

S. 278

Eingang von Haus Schützendorf, Koblenz (Arch. Johannes Götz und Guido Lohmann)

S. 279

Haus in der Werkbundsiedlung, Wien (Arch. Oskar Wlach)

S. 283

Kirche Saint Francis, Ranchos de Taos, New Mexico USA

S. 286

Höfe und Gärten im Alcázar, Sevilla

S. 294

Federal Center, Chicago (Arch. Mies van der Rohe)

S. 297

Wright Residence, Oak Park, Illinois (Arch. Frank Lloyd Wright)

S. 305

Figur-Grund-Plan von Wiesbaden

S. 311

Haus Schröder, Utrecht (Arch. Gerrit Rietveld)

S. 314

Brücke über einen Kanal, Venedig

S. 317

Die karaibische Hütte (Schema nach Gottfried Semper) / Stahlverbindung im Refektorium der Universität Stockholm (Arch. Ralph Erskine)

S. 321

Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main (Arch. Oswald Mathias Ungers)

S. 324

Horus-Tempel, Edfu, Ägypten / Straßennetz eines Wohnviertels in Tokio (Schema nach Fumihiko Maki)

S. 328

Kommentar zu „Transparenz“ (Schema nach Bernhard Hoesli)

S. 328

Philharmonie Berlin (Arch. Hans Scharoun)

S. 330

Villa in Mailand (Arch. Ignazio Gardella)

S. 332

Elbtreppe bei Schloss Pillnitz (Arch. Zacharias Longuelune)

S. 334

Grabbezirk von König Djoser, Sakkara, Ägypten

S. 339

Architektonische Typen (Schema nach Oswald Mathias Ungers)

S. 340

Palazzo della Ragione, Padua

S. 341

„Mae West“ am Effnerplatz, München (Skulptur von Rita McBride)

S. 343

Entwurf eines Kenotaphs für Newton (Arch. Étienne-Louis Boullée)

S. 347

Büro der Galerie La Polena, Genua (Arch. AG Fronzoni) / Haus Tugendhat, Brünn (Arch. Mies van der Rohe)

S. 350

394

„Sun in an Empty Room“ (Gemälde von Edward Hopper)

S. 352

Rue de Furstenberg, Paris

S. 355

Scuola Vecchia und Abbazia della Misericordia, Venedig

S. 356

Kirche Santa Maria del Rosario (I Gesuati), Venedig

S. 362

„Mascherone“ am Palazzo Zuccari, Rom (Arch. Federico Zuccari)

S. 364

Haus Schröder (zwei Zustände), Utrecht (Arch. Gerrit Rietveld)

S. 368

Capsule Tower, Tokio (Arch. Kisho Kurokawa)

S. 372

Kapitolsplatz, Rom

S. 376

Wohnhaus in Tanga, Tansania

S. 377

Strohhütte in Brauron, Attika / Antentempel

395

Impressum

Alban Janson Florian Tigges Grundbegriffe der Architektur Das Vokabular räumlicher Situationen

Lektorat: Karoline Müller-Stahl Projektkoordination: Annette Gref, Katharina Kulke Layout, Covergestaltung und Satz: Susanne Freibichler Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Dieses Buch erscheint auch in englischer Sprache (ISBN 978-3-0346-1261-6). © 2013 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen von De Gruyter

Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany ISBN 978-3-0346-1245-6

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