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German Pages [308] Year 2012
Robert H. Pflanzl
Grüß Gott, Herr Kammersänger! Der Salzburger Heinrich Pflanzl in der Welt der Oper
Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http ://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78839-3 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von A bbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ä hnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2012 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG, Wien · Köln · Weimar http ://www.boehlau-verlag.com Umschlaggestaltung: Michael Haderer Umschlagabbildung: Künstlerpostkarte „Heinrich Pflanzl“, Breslau 1931 Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Druck : Dimograf, Poland
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Salzburg 1903–1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Musikalische Heimat – Schulzeit – Der Lieblingsbruder – Dichterfreundschaft – Das Tagebuch – Der junge Sänger Wien 1924–1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Sonnenfelsburse – In der Akademie – Erste Bühnenschritte – Das letzte Studienjahr Das Vorbild Richard Mayr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Bern 1929–1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Das erste Bühnenjahr Breslau 1930–1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Am laufenden Band – Theater in der Krise – Familiengründung Nürnberg 1936–1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Alltag eines Stadttheaters Pferdestärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Kassel 1939–1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Kriegsbeginn – Schwierige Entscheidung Dresden 1942–1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Enttäuschungen Breslau 1944–1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Das bittere Ende
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Inhalt
Dresden 1945–1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
Das Leben geht weiter – Doppelte Belastung Berlin 1950–1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Die besten Jahre – Bayreuth – Reisefreuden – Altersgedanken – Der Abschied Heimweh nach Salzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Salzburg 1961–1978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Wieder daheim – Geschreibsel – Am Mozarteum – Lebensabend Ausklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
Lebensdaten – Gesungene Partien – Gastspiele – Diskographie Heinrich Pflanzl – Quellen- und Literaturverzeichnis – Personenregister
Einleitung Die ehemaligen Zollbeamten vom Grenzübergang Großgmain erinnern sich auch nach dreißig Jahren noch genau an den Herren, der mehrmals in der Woche mit seinem Cockerspaniel „Esso“ vorbei kam. Er musste keinen Pass zeigen und er wurde auch nicht kontrolliert, denn er holte nur ein paar Zigaretten in Bayern für seine Frau. Aber er wurde stets mit einem kräftigen „Grüß Gott, Herr Kammersänger!“ empfangen und für eine kleine Plauderei war dann immer Zeit. Heinrich Pflanzl war sehr beliebt in Großgmain, jeder kannte ihn, für jeden hatte er ein paar freundliche Worte übrig. Dreizehn Jahre lang hat er hier gelebt, seinen Lebensabend genossen in dem freundlichen Ort mit der herrlichen Umgebung. Es war der Ausklang eines aufregenden Lebens, das er seiner Kunst, dem Gesang, gewidmet hatte, und das doch immer wieder durch die politischen Ereignisse seiner Zeit bestimmt wurde. Zu den rund 150 Opernrollen, die Heinrich Pflanzl auf der Bühne verkörpert hat, gehört auch der Musiklehrer in „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss. Hugo von Hofmannsthal hat ihm den Satz gegeben: „Auf die Scene, wenn ich bitten darf!“ Es ist ein Satz, mit dem heute noch in dieser oder ähnlicher Form von den Inspizienten aller Theater allabendlich die Künstler zu ihrem Auftritt gerufen werden. Bei Hofmannsthal ist es allerdings noch etwas komplizierter, denn die Oper läuft schon seit etwa zwanzig Minuten, alle Darsteller sind längst in Aktion. Aber nun soll die „richtige“ Oper beginnen, die Oper in der Oper. Das war immer schon ein Lieblingsthema der Oper, in den vier Jahrhunderten ihrer Geschichte hat sie sich immer wieder gerne mit sich selbst beschäftigt, mit ihren musikalischen und literarischen Problemen, vor allem aber mit dem Opernvolk, den Primadonnen und Kammersängern, den Direktoren und Agenten, den Autoren und Komponisten, den Dirigenten und Regisseuren, ihren Schwächen und Stärken, aber auch ihren Allüren. Dies ist kein Buch über die Oper in der Oper, es ist ein Buch über die Oper und das Leben, das Leben des Salzburgers Heinrich Pflanzl, der im Verlauf seiner Karriere überall in der Welt gesungen hat, nur nicht in Salzburg, der in den politischen und kriegerischen Wirbeln des 20. Jahrhunderts seinen Weg suchen musste. So wie die
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Einleitung
Personen im Vorspiel der „Ariadne“ ihre private Befindlichkeit auch auf der „richtigen“ Bühne nicht ablegen können, so spielt auch im Leben eines Sängers die Umwelt eine entscheidende Rolle. Private Ideale und Vorbilder, die das persönliche Erscheinungsbild beeinflussen, verändern sich im Laufe der Zeit, entsprechend ändern sich dann auch die Masken des Sängers. Ein Georg Trakl, ein Franz Schubert bestimmen die Jugendzeit, dann wird der Kammersänger Richard Mayr zum Vorbild für den Gesangsstudenten. Die Anfängerjahre am Theater sind noch geprägt von der Freude an der Maske, an der Verkleidung. Mit wachsender Lebens- und Bühnenerfahrung tritt dann das Interesse an der Darstellung von menschlichen Schicksalen immer stärker in den Vordergrund, das Kriegserlebnis endlich bringt einen völlig neuen, ernsten Bühnenkünstler hervor. In den letzten Berufsjahren als Lehrer schließlich wird die eigene Persönlichkeit zurückgenommen, es soll nur noch das Wesentliche aus den eigenen Erfahrungen vermittelt werden. Ich habe versucht, diese Entwicklung meines Vaters in der Welt des Theaters und gleichzeitig auch den großen Einfluss der Außenwelt auf diese Entwicklung so weit wie möglich aus seinen eigenen Zeugnissen darzustellen, aus Interviews, Notizen, Tagebüchern und Briefen. Damit ist dies aber auch ein Buch über Vater und Sohn geworden, über das in den einzelnen Lebensabschnitten durchaus ambivalente Verhältnis zwischen zwei Menschen, die als Opernsänger (der Vater) und als Opernregisseur (der Sohn) zwar in der gleichen Welt, aber doch in sehr unterschiedlichen Positionen kreativ tätig sind. Ein Sänger, der sich auf der Bühne immer wieder in andere Menschen verwandeln und dabei deren Gefühle zum Ausdruck bringen soll, der sieht auch die Welt um sich mit anderen Augen, als der aus der Distanz beobachtende Regisseur. Vielleicht ist es an dieser Stelle nicht ganz uninteressant, das Motiv meiner Entscheidung für den Beruf des Regisseurs zu erfahren. Es war im Jahre 1947 in Dresden, ich war dreizehn Jahre alt. An der Staatsoper begannen im Herbst die Proben für die neue Spielzeit, Ausweichquartier für das zerstörte Stammhaus war das Kurhaus Bühlau. Dort wurde im Gastgarten geprobt und da ich Schulferien hatte, durfte ich bei den Proben zusehen. Hier machte ich die Entdeckung meines Lebens: Es gab da einen Mann, der meinem Vater sagte, was er zu tun hatte, ganz freundlich und ruhig, und mein Vater folgte ihm, er setzte sich, stand auf, ging nach rechts, ging nach links, war lustig oder traurig, wie es von ihm verlangt wurde. Das war für mich eine gewaltige Entdeckung und mir wurde sofort klar, dass ich hier meinen zukünftigen Beruf entdeckt hatte, ich wollte auch Regisseur werden!
Einleitung
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In vier Jahrzehnten durfte ich meinen Vater auf der Bühne erleben, zunächst nur als Zuschauer, später haben sich dann aber unsere Bühnenwege mehrfach gekreuzt. Vielleicht aber ergibt gerade unsere durchaus unterschiedliche Sichtweise eine lebendige Momentaufnahme dieser heute längst vergangenen Theaterepoche. Robert H. Pflanzl
Die Erinnerung an herrliche Stunden des Friedens: fast kommt es mir so vor, als hätte ich das in einem Roman gelesen. So weit liegt das alles und so schön war das. Es ist immer wieder ein großer Reichtum spürbar, wenn man so in diesen Tagen blättert, wie in einem Buch der Erinnerung. Oft ist es mir, als ob ich mich hinsetzen müßte und das festhalten sollte, denn im Alter wird das Gedächtnis leiser und stiller. Was wäre schöner, die Tage der eigenen Jugend, sozusagen, in der Hand zu halten, statt mühsam im Kopf zu suchen nach dem „Wo“ und „Wie-war-es“. Heinrich Pflanzl am 9. Februar 1942
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Musikalische Heimat Ein Gstättengassler mit Ehrgeiz, der es im Leben zu etwas bringen wollte, der musste früh beginnen. Sie haben schon sehr früh begonnen, die Knaben aus der Gstättengasse, noch vor der Schulzeit, und sie konnten sich fast immer durchsetzen, vor allem gegen ihre Erzfeinde, die Kaigassler. Es wird wohl nicht so dramatisch gewesen sein wie im New York der „West Side Story“, aber auch Salzburg hatte seine Straßenkämpfe, am Beginn des 20. Jahrhunderts. Ach, Sie wissen nicht, was ein Gstättengassler ist? Dann sind Sie wohl auch nicht in Salzburg geboren, denn hier weiß das jeder. Also noch einmal von vorne: Im Zentrum der Altstadt von Salzburg gibt es keine Straßen, sondern nur Gassen, weil alles so dicht gedrängt und eng beisammen ist, die Häuser und die Menschen, eingezwängt zwischen Mönchsberg und Kapuzinerberg. Die großen, weiten Plätze, die sind ja erst sehr viel später entstanden, die sind nicht salzburgisch, sie sind den Fürsterzbischöfen zu verdanken und deren Sehnsucht nach Italien und der Renaissance. Eine der engsten Gassen in der Altstadt ist die Gstättengasse. Der Name kommt vom Gestade, da sie ursprünglich in den Sandbänken der Salzach endete. Heute steht an ihrem Ende die vom Verfall bedrohte, weil auf Schwemmsand gebaute, wunderbare Ursulinenkirche des Fischer von Erlach, außerdem steht dort auch die Bronzeskulptur „Mozart – Eine Hommage“ von Markus Lüpertz, die nach ihrer Aufstellung im Mozartjahr 2006 die Einheimischen so aufgebracht hat, dass sie von einem Fanatiker sogar geteert und gefedert wurde. Mozart als Papageno, warum nicht? Wenn man, vom Festspielbezirk kommend, an der Steilkante des Mönchsbergs entlang durch die Gstättengasse geht, dann hat man den Eindruck, die Häuser auf der linken Seite wären direkt in den Berg hineingebaut. Das ist auch fast so, und es gab hier im 17. Jahrhundert einen schrecklichen Bergsturz, bei dem 13 Häuser und 2 Kirchen zerstört wurden und 200 Menschen den Tod fanden. Seitdem sind in jedem
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Jahr die Bergputzer am Werk, um loses Gestein zu entfernen und ähnliches Unheil zu verhindern. Hier, im Haus Nr. 23, wird Heinrich Pflanzl am 9. Oktober 1903 geboren. Die Rückseite des Hauses ist der Berg, und es geht sogar noch weiter hinein. Große Höhlen hat man aus dem Berg herausgeschlagen, und hier lagerte die Salzburger Stieglbrauerei ihr Bier. Der Vater Otto Pflanzl, im Nebenberuf ein zu seiner Zeit sehr populärer Mundartdichter, leitet das Stadtbüro der Brauerei in diesem Hause, die Familie wohnt im zweiten Stock. Es ist eine große Familie, denn nach dem Tode seiner ersten Frau hat Otto als Witwer mit vier minderjährigen Kindern sehr schnell wieder geheiratet. In der zweiten Ehe mit Berta Köckerannerl sind dann noch einmal sechs Kinder dazugekommen. Es ist nicht immer einfach, eine so große Familie zu erhalten, denn die Zeiten sind schwierig in Österreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Erster Weltkrieg, Hungersnot, Zusammenbruch der Monarchie, politische Unruhen, Inflation, Arbeitslosigkeit. Aber trotz aller Sorgen und Nöte verbringt die Kinderschar fröhliche Stunden im Kreis der Familie. Gemeinsame Ausflüge in die herrliche Umgebung, rege Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Stadt und daheim dann Musizieren, Singen, Theaterspielen. Der dreijährige Heinrich wird zur großen Mozartfeier 1906 mitgenommen, er geht schon sehr früh auch in die Vorstellungen des Stadttheaters, wie überhaupt in der Familie das gemeinsame Singen und Musizieren, Theater und die Freude am Spielen, am Sichverkleiden eine große Rolle spielen. Fünfzig Jahre später erinnert er sich:
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Ach, Salzburg! Viele von Ihnen werden diese Stadt ja kennen, sie lieben, die alten Gassen durchwandert und in einer glücklichen Stunde etwas von dem Zauber gespürt haben, dieser Stadt, in der jedes Jahr bei den Festspielen dem größten Sohn gehuldigt wird, dem unsterblichen Genius Mozart, dort habe ich meine Kindheit, meine Jugend verbracht. Dieser süddeutsche Raum mit seinem kulturgesättigten Boden, im Berührungsschnitt zwischen Nord und Süd, zwischen Ost und West, der hat mich junges Pflänzlein genährt und meinem Leben die Straße gewiesen. Die führte mich zur Musik und da wieder in eines der vielen Reiche, zum Singen. Ja, das begann schon als kleiner Junge. Als ich bei einem Volksfest den Herrn Taufpaten traf, der seinen größten Spaß daran fand, mich auf ein großes Faß in einem der Bierzelte zu stellen. Begleitet von einer Bauernkapelle sang ich dann aus voller Brust ein damaliges Schlagerlied: „Ja, da trink ma nu a
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Flascherl Wein“ und bekam dann vom Herrn Taufpaten ein nobles Honorar in Form eines goldenen 20-Kronen-Stückes, sozusagen meine erste Gage. Der Herr Taufpate war übrigens Heinrich Kiener, Direktor der Stiegl-Brauerei in Salzburg, Vorgesetzter und Freund des Vaters Otto Pflanzl. Er wird auch später noch dafür sorgen, dass seinem Patenkind die Freude am Gesang erhalten bleibt und schließlich zur Grundlage einer großen Sängerkarriere wird. Aber noch ist es nicht so weit, für das Kind zählt nur der Spaß am Sich-Produzieren, am Singen und am Vortragen, im Familienkreis wie in der Öffentlichkeit. Als Sopranist bei der Messe, als Pianist und auch schon als Gesangssolist. Auf einem alten Notenblatt mit dem Lied „Ich hab’ ein Hüglein im Polenland“ (Musik Karl Fürnschuß, Text Karl Dankwart Zwerger) hat die Mutter notiert:
„Dieses Lied sang Heini das erste Mal bei dem Abend des Roten Kreuzes für die Verwundeten des Weltkrieges; damals war er 12 Jahre alt und trug seinen Matrosenanzug.“ Dieser Freude am Präsentieren, die ja gleichzeitig auch Lebensfreude ist und sich den Menschen mitteilen möchte, dieser Freude steht ein anderer Charakterzug gegenüber, der eher die notwendige Ergänzung ist als ein Gegensatz und der das Leben des Heinrich Pflanzl ganz wesentlich geformt hat: eine sehr große Sensibilität, ein feines Gespür vor allem für negative Gefühle. Sein Vater hat das schon erkannt und dem Zehnjährigen sehr diplomatisch in ein kleines Gedicht verpackt:
6. August 1913 Otto Pflanzl an seinen Sohn Heinrich Mei Hoanale is leicht beleidigt und mockt, Daß a oft lang in an Winkl wo hockt, Do ’s Herzerl dös kloa is wia Buda so lind, Drum is a halt do a mei herzigs, liabs Kind! Von deinem dich liebenden Vater Und so bleibt es in diesen frühen Jahren vor allem bei der Freude am gemeinsamen Musizieren, wie sie in den Tagebüchern der Mutter immer wieder dokumentiert wird:
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4. September 1917 Abends alle daheim. Vater sang lustige Lieder zur Gitarre. 10. Oktober 1917 Abends acht Uhr Ottos Freunde hier bis ½ 12 Uhr. Sehr lustig und nett. Heini spielte fleißig Klavier und sangen alle recht lieb verschiedene Studentenlieder.
Schulzeit Von der Kunst allein kann auch ein Kind nicht leben. Bald beginnt die Schulzeit und da sich die Eltern trotz beschränkter finanzieller Möglichkeiten für eine anspruchsvollere Schulform entschieden haben, gibt es für den jungen Künstler einige Hürden, die in der Familie für viel Ärger sorgen.
14. Januar 1915 Tagebuch der Mutter Heinis erste französische Schularbeit ist „Nicht genügend“. Darüber große Aufregung. 4. Februar 1915 Heini wieder ein „Nicht genügend“ in französischer Schularbeit bekommen. Furchtbarer Verdruß. Man hat vom ganzen Leben nichts als Kummer und Sorgen. 13. Februar 1915 Fürchterliche Angst wegen Zeugnissen von Heini. Er ist sicher nicht durchgekommen. 4. Januar 1916 Mit Heini geärgert wegen „nicht genügend“ in Mathematik. 28. Juni 1916 Zu allen Professoren von Heini. Er hat drei „Genügend“.
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7. Juni 1917 Bei Professor Schönstetter nachfragen, Heini ist sehr schlecht in Geometrie. Das sind Sorgen, aber in Gottes Namen, es wird ihm schon mal der Knopf aufgehen, sagt der Vater, wir müssen es eben erwarten können. Professor Schönstetter meint, er wäre sonst sehr brav und anständig. 12. Juni 1917 In der Schule nachfragen wegen Heini, es geht in Mathematik schlecht. 14. Juni 1917 Heini Versetzungsprüfung in Mathes. Gott mit ihm. In Angst und Sorge, wie es ihm gehen wird. 21. August 1917 Heini hatte Prüfung, Gott sei Dank alles gut bestanden. 30. August 1917 Mit Heini zu Fachlehrer Schmid wegen Stunden in Mathematik und darstellende Geometrie. 17. Oktober 1917 Heini ist schon länger im Mutieren, darf deshalb weniger singen, um seine Stimme zu schonen. Das ist noch der Einzige, von dem ich mir eine Freude erwarte im späteren Leben! Vielleicht! --19. November 1917 Heini hat bei der Konferenz folgende Noten: Deutsch 2, Französisch 3, Geschichte 4, Geographie 3, Mathematik 4, Physik 4. Furchtbarer Kummer darüber.
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Der Lieblingsbruder Heinrichs Lieblingsbruder, der um drei Jahre ältere Otto, hat seine Schulprobleme schon hinter sich. Aber er ist ein ständiger Mahner und als er 1918 mit gerade einmal achtzehn Jahren freiwillig in den Krieg zieht, entwickelt sich eine intensive Korrespondenz zwischen den Brüdern.
7. Mai 1918 Feldpostbriefe zwischen Heinrich und Otto Mein lieber Otto! Wie geht es Dir im Land, wo die Zitronen blühen? Ich tue alles, um mein Versprechen, das ich Dir bei der Abfahrt gab, zu erfüllen. Ich hoffe, daß alles gut in Erfüllung geht. 7. Mai 1918 Mein lieber, böser Heini! Vor allem bitte ich Dich, das was ich Dir jetzt schreibe, Dir recht ins Gewissen schreiben zu wollen, wenn Du das nicht tust kannst den Brief überhaupts gleich wegwerfen. Schau, ich lieg jetzt hier auf einem Holzbett, über mir ganz knapp die Holzstämme, auf denen Erdreich liegt. Manchmal, wenn es in der nächsten Nähe einschlägt, daß der ganze Laden zittert, fällt Erde durch die Bäume auf mich herab und Regen tropft sekundenweise nieder, ganz leise und furchtbar monoton und da denk ich an Dich und Gedanken gehen durch meinen Kopf… Die Schule ist aus, wir hatten Schularbeit retour bekommen. Ich geh nach Haus und antworte auf die Frage der Mutter, ob wir die Schularbeit retour bekommen haben mit Nein! Weißt Du, was diese öfteren „Nein“ verursacht haben? Durch sie wurde mir das freie und schöne Bewußtsein der Pflichterfüllung geraubt, durch sie habe ich mein Leben verpatzt, durch sie bin ich unglücklich geworden! Durch diese „Nein“ ist die Mutter an ihren Nerven um Jahre gealtert und unseren Vater hat’s manche schwere Sorge gekostet! Ich selbst aber? Bin am schlechtesten dabei weggekommen! Schau, und bei Dir scheint es auch so zu werden. Heini, ändere Dich solange noch Zeit ist. Ich stehe hier im Feld, unter feindlichem Feuer. Mein Gott, Ihr alle, die Ihr hinten seid, könnt gar nicht begreifen, was dies heißt. Zehn, ja zwanzig Kronen hätte ich schon für ein Glas Wasser hergegeben, vom Hunger nicht zu reden! Und Du könntest die kleine
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Bitte mir nicht erfüllen? Heini, ich bitte Dich, sei fleißig, dann gibst Du mir den besten Lohn für alles, was ich Dir bisher getan habe. Sei aufs Herzlichste gegrüßt und geküßt von Deinem Otto 13. Mai 1918 Mein lieber Otto! Besten Dank für Deinen, mir so wohlmeinenden Kartenbrief. Ja, lieber Otto, ich will lernen, will Vater und Mutter Freude machen. Jeden Tag „stuck“ ich fleißig, jeden Tag melde ich mich zur Prüfung. So hoffe ich, nicht nur hoffe, sondern muß ich durchkommen. Wie schwer, daß es mir ist, draußen lachender Frühlingstag, im Zimmer heiße, schwüle Luft, die Kinder spielen im Garten, da muß ich mich schon recht zusammennehmen, um mich im Zimmer zu halten. Da denke ich an Dich, mein lieber Otto, wie Du Dich hast plagen müssen die ganze Zeit her. Und dann halte ich mir meine Zukunft vor Augen, ich muß. Ein eisernes: „Du mußt lernen!!!“ halte ich mir vor Augen und dann, mein lieber Otto, geht es. Gestern hätte ich nach Freilassing fahren können, aber ich stuckte den ganzen schönen Nachmittag auf heute, da französische Schularbeit war. Siehe! Ich hoffe mir wohl ein „Sehr gut“! Ein erster Erfolg meines neuen Lebens. 22. Mai 1918 Mein lieber Otto! Oft sitze ich beim Klavier, abends, wenn die Sonne das Speiszimmer glührot beleuchtet, dann spiele ich Deine Lieblingslieder und summe leise mit. Dann ist mir, als ob Du hinter mir am „Großvaterstuhl“ säßest und mitsingen würdest: „Gib mir Deine Hand, Mädchen mit dem roten Mündchen“ oder die herrliche Weise „Für mich gibt’s keinen Frühling mehr“. Oder wir singen die Geschichte oder Moritat vom Sokrates und seiner bösen Xantippe und noch viele andere. 25. Mai 1918 Heinrich an Otto Du fragst mich, was ich in der französischen Schularbeit bekommen habe? Ein „bon“. Das wirst Du aber nicht lesen können, so schreibe ich es auf gut Deutsch: gut. Habe nur zwei Fehler gehabt, einen Accent vergessen und einen Buchstaben. Sonst nichts. Na also, wenigstens ein „Gut“. Hoffentlich fällt die Zensur gut aus; in Mathematik fuxt’s mich halt.
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27. Mai 1918 Otto an Heinrich Dass Du ein „Gut“ in der Schularbeit bekommen hast, zeugt von einem erfreulichen Fortschritte! Ich sehe daraus, daß Dein Versprechen vom Bahnhof kein leeres war! 31. Mai 1918 Heinrich an Otto Die Karte mit dem Matrosenlied gefiel mir sehr gut und freute mich recht. Ist es doch ein Zeichen, daß Du noch oft und gerne meines „zimperlichen“ Klavierspieles gedenkst. 4. Juni 1918 Otto an Heinrich Es freut mich sehr zu hören von Deiner Schularbeit, mir scheint aber, Du hast schon wieder nachgelassen und Dein Eifer ist schon wieder beim Teufel, was? Das erkenne ich aus Deinem leisen Zweifel an der bevorstehenden Zensur! Na, wollen wir’s Beste hoffen. Tät mir sehr wehe, wenn Du nicht mehr die Energie aufbrächtest, Dein Wort, gegeben in ernster Stunde, zu halten, oder was würdest Du sagen, wenn ich fahnenflüchtig würde? Auch Wort und Pflicht! 13. Juni 1918 Heinrich an Otto Heute habe ich in Geographie den Versatz bestanden. Nun kommt noch Mathes dran. Bin aber voll Glauben an ein Durchkommen in die 5. Klasse. Wenn Du kommst, bin ich ganz sicher ein k.k. Oberrealschüler. 22. Juni 1918 Otto an Heinrich Deinen lieben Brief dankend erhalten und ich ersehe daraus, daß es Dir ziemlich schnuppe ist, ob durch oder nicht! Wenn Du aber sitzen bleibst, so hast Du Dein Wort gebrochen und mich schwer beleidigt! Ich hoffe noch, daß das Gegenteil der Fall ist, was mich unendlich erfreuen würde! Na, wir werden ja sehen, aber enttäuscht und angelogen hast Du mich jetzt schon, wie ich bei Euch war! 2. Juli 1918 Heinrich an Otto Otto, bitte, verzeih mir alles was ich Dir angetan, ich habe die letzte Zeit in der Schule wirklich gerungen, daß ich durchkomm. Aber Herr Professor Spatzenegger allein gab mir ein Nichtgenügend und so? Verzeih es mir, ich tat es nicht gern und bereue es jetzt bitter.
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Die Reue kommt zu spät, am 12. Juli 1918 stirbt der Bruder Otto im Lazarett in Folgaria. Der Schock über den Verlust des geliebten Bruders ist wohl sehr groß, aber auch heilsam. Von diesem Zeitpunkt an gibt es keine Probleme mehr mit den Leistungen in der Schule bis zum Abschluss mit der Matura im Jahre 1924.
Dichterfreundschaft Der Besuch der Realschule am Hanuschplatz führt aber nun zu einer ganz anderen Entwicklung. Eine Generation früher hatte Georg Trakl diese Schule besucht, der geniale Dichter und so tragisch Frühverstorbene. Unter dem Einfluss seines Werkes finden sich nun einige Schüler zusammen, die selber schreiben, dichten, komponieren. Auf dem Grundstück seiner Eltern, in einem alten Waggon der Salzburger Lokalbahn, hat Georg Rendl1 eine „Dichterbude“ installiert, wo er mit seinen Schulfreunden ungestört hausen kann um zu arbeiten, zu diskutieren und zu feiern. Aus dieser Jugendfreundschaft wird eine lebenslange Verbindung, denn erst der Tod trennt die Freunde des harten Kerns, zu denen neben Josef Kaut, dem Journalisten, Politiker und späteren Festspiel-Präsidenten, der Mozartforscher Erich Schenk, der Schauspieler Richard Tomaselli, der Maler Wilhelm Kaufmann und auch Heinrich Pflanzl gehören. Man gründet sogar eine Zeitschrift, „Der Blaue Föhn“, um die eigenen Werke zu veröffentlichen. Die „Sitzungen“ der jungen Genies müssen wohl sehr zeitraubend gewesen sein, vor allem in den Nachtstunden, denn eines Tages bekommt Heinrich Pflanzl von seiner Mutter strengen Hausarrest verordnet. Dies veranlasst dann wiederum Georg Rendl zu einem umfangreichen Bittgedicht:
27. Mai 1919
Georg Rendl an Berta Pflanzl
Hochgeschätzte Mutter! Ei, ei, so streng Frau Mütterlein So gut und doch so necken Was sperrt Ihr Euren Heinrich ein? Was wollt Ihr da bezwecken?
Ich bitte, höret den Gesang Der mir vom Herzen dringet, Und ob ich fröhlich oder bang, Mir in der Seele klinget:
1 Georg Rendl (1903–1972), Schriftsteller, Maler, bekanntestes Werk „Der Bienenroman“ (1931).
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O Jugendzeit, o Jugendzeit, Wie kurz ist deine Dauer, Da Freuden sind und Lust gestreut Und nirgends, nirgends Trauer!
Wie schnell, wie schnell fließt sie dahin, Kaum glaubt man sich zu freuen, Da wird so weh, so trüb der Sinn, Da fliegt der sel’ge Maien.
Drum schütze unser Leben wohl! O Mutter Deine Liebe! O Gott, wie schlägt das Herz so toll, Daß sie nur ewig bliebe!
Komm Heinrich, trink mit mir den Wein, Den Götter uns gebrauet. Wir wollen jung und jünger sein, Wenn auch das Alter grauet!
O sel’ger, sel’ger Heinerich Du darfst mir nicht verschmachten, O blick herum und schau in dich, Sollst zu den Sternen trachten.
Was sich auf Erden göttlich fand Bleibt ewig auch verbunden. Was Herz zu Herzen ewig band Das war im Glück gefunden.
O gute Mutter, glaubt mir wohl, Aufbauschend hab ich oft gedacht, Wie Euren Sohn ich liebe, Wie irdisches schnell schwindet Die Freundschaft bleibt mir wundervoll Und wie sich göttlich, über Nacht, Wenn alles öd und trübe! Ein neues Leben findet. Ein neues Leben voller Glück Ein Leben voll von Liebe Auch wenn ein höllisches Geschick Uns zu den Zweifeln triebe.
Wie bald, wie bald ist unser Weg Daran sich zu entzweien, Drum laß in Feldern und Geheg Mitsammen uns erfreuen.
O Vater, Mutter, gut und traut, Luftschlösser laßt uns bauen; Und sei’s mit Freunden, mit der Laut, Auf Heinrich könnt ihr bauen!
Wie kann aus edlen Eltern auch Unedler Sprosse werden?! Er nimmt der Mutter Segenshauch Mit sich auf dieser Erden. Nikolaus Ardens1
Ihr ganz ergebener Georg Rendl 1 Rendls Künstlername, zusammengesetzt aus dem Vornamen des verehrten Nikolaus Lenau und dem lat. ardens im Sinne von „feurig, leidenschaftlich“.
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Donnerstag, 5. Juni 1919 Tagebuch der Mutter Heini hat eine poetische Ader, alle Augenblicke finde ich Gedichte von ihm, aber meist alle schwermütigen Inhaltes. Wie gut wärs, wenn er nicht so wäre, phlegmatisch und leichtsinnig ist im praktischen Leben das Vernünftigste. Er ist halt in vielem mir gleich und wird sich auch schwer durch die Welt bringen. Es gibt nur wenige Zeugnisse aus dieser Sturm-und-Drang-Periode, das meiste ist verloren gegangen oder nach selbstkritischer Durchsicht vernichtet worden. Die folgende kleine Auswahl aus den noch erhaltenen Gedichten des Achtzehnjährigen zeigt den sehr deutlichen Salzburg-Bezug, Erinnerungen an den ersten „Jedermann“, die Selbstmörder vom Mönchsberg und die traklsche November-Einsamkeit.
Jedermann Ein Meer von Menschen, Leuchtendes Grün und grelles Rot Zwischen der lachenden Menge Bitterkalt grinsend der Tod. Ein tötender Faustschlag. Die Blumen zerfallen. Und in der Luft Wirbelnd durchrissen Tanzt das letzte Blüh’n.
Ein irres Lachen. – Aus einer Kirche Tönt grau bemalen Grabgesang. Die Rose dort Am Grabe weint. Und vom Himmel, Der gleißend zuletzt noch schien Stiebt eisiger Regen herab.
Dämmerung Grünblau und grau durchwoben Schickt sich der Nebel an zum Tanz. Das Licht der Sonne ist schon lang zerstoben, Auf meine Haare sinkt ein feuchter Kranz. So schreit ich in der stillen Dämmerstunde Vorbei an Wiesen, zart beschneit, Da klingt in meiner Seele tiefstem Grunde Das wehe Lied der Einsamkeit.
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Du … Ich ging die Wege über Wiesen, durch Wälder Und ging sie allein. Und dann kamst du.Nicht himmelstürmend, flammenlodernd, wie zur Sonnenwende hell die Feuer in die Täler leuchten – war dein Kommen. Es war damals … Ein Käfer irrte über taurieselndes Moos. Zu seinem Wandern murmelte der Bach seine frohe, schöne Weise. Und in unseren Augen fing sich leis ein Sonnenkuß. Es war kein Chor von tausend Stimmen, der in wunderbarer Wucht hin zur hellen Flamme jauchzte! Nein … o nein! Es war ein kleines, stilles Lied, Wie da staubigmüde Wandrer singen, Wenn sie so nach bangen Tagen Gott und Heimat wiederfinden. Und nun summte diese Weise, Schlicht in ihres Sehnens Klang Summte, sonnte sich und sang. … und sie sang sich fort und weiter Singt in unserm Innern nach. Laß sie singen, laß sie klingen Lang, noch lange … Denn es lag in diesem Singen Unseres eigenen Lebens Klang. Erinnerung Über der Stadt hängt Abendschweigen. Aus dämmernden Kreisen greifen Türme. In Kirchen, wo müde Lichter in Nischen blinken,
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Graue Weiber sich neigen, in geistlosem Beten versinken, schwillt heiliger Atem und Weihe. Es war die Stunde, da die Geliebte kam. Am Tische stand ein farbentrunkener Strauß von späterwachten Blüten. Und über ihre bloßen Schultern wiegte ein hauchfernes Rieseln weißer Spitzen. Und in den Augen ein dürstendes Blitzen! Leise fiel ein weicher Schleier. Und ihre Haare zitterten in meinen Händen. Von der Straße tönte Lärm. So weither, daß wir ihn nicht vernahmen. Ich sah nur noch die Lampe jäh verlöschen. Über ihren weißen Körper rann ein Beben, ihre Lippen hauchten heiße Züge. Eine alte Spieluhrweise Tönte auf, verebbte leise … Eine alte Spieluhrweise. Abends Breit zu Füßen liegt die alte Stadt. Verhüllte Silhouetten greifen tastend Finger in die schweren Nebel. Ach, der Himmel schweigt so düster, Aus den Felsen stürzen Äste Nackt gepeitscht von kalten Winden. Durch die Stille heil’ger Höhen Schrillt ein Schrei, ein weher Schrei. Und dann grinst die bleiche Ruhe. Hände tasten kühl vorbei. Was war der Schrei, nicht weit von mir Ein Mensch hat, müde und matt geschunden Den Weg des Vergessens gesucht – gefunden.
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Das Tagebuch Als weiteres Zeugnis schriftstellerischer Versuche des jungen Heinrich hat ein kleines schwarzes Heft überlebt, tagebuchartige Eintragungen einer Studienfahrt im Sommer 1921.
Motto: Das sind irre, wirre Blätter, die von Frühlingskämpfen sagen, manchmal mager, manchmal fetter … aber tief drinnen das schluchzende Klagen. …. 1. Juni 1921 Abfahrt um 1 Uhr 45 nach Steindorf. Braunau 7 Uhr 30 angekommen. Abends schweres Grau am Himmel. Regen. Strohlager in Kaserne. Erstickte Luft und Staub. Draußen Nacht, Regen und ein einsamer Schritt hallt in dem alten Gäßlein. Ein Bach rauscht. Und am Himmel nur Dunkel. Man hört nur ein schreiendes Pfeifen, … Räder stöhnen und ächzen … ein wirres Rufen. Der Regen peitscht sich über die Felder hin und eintönig singt sich sein Lied. Man lehnt sich an das Fenster, spürt die klatschenden Hiebe und … man müßte schlafen. Doch jetzt schlafen! Träumen will ich von den Stunden, die ich kostbar in mir trage; die Stunden, die ich mit dem Menschen erlebt, der mit mir eine Zeit gehen will und wird. – Und nun muß ich von dir eine Zeit lang gehen, kann dich nicht sehen mehr. – Es wandern Menschen mit mir, die lieb und freundlich zu mir sind; und die ich hasse. Warum ich hassen muß? … Muß! Nein! Verachten. Und warum das wieder! Nicht mit mir hadern will ich heute; will zu den Menschen so sein, wie sie zu mir sind. Doch um eine Ehrlichkeit noch mehr. Frei in’s Gesicht, lachend und sei’s manchmal mit Tränen im Auge. – das gilt Dir, ? ? ?. Mädl, Dir … und den Menschen, die mich verstehen wollen. – Hügel mit Bäumen, grün und rotgolden grau ist das Bild des Ankommens. Ein Marktplatz mit wandelnden Personen, alte Häuser der verschiedensten Stile und man hört ein „Gu’n Abend“. Ein grauer Fluß wälzt seine Wellen, auf denen Schiffe sich wiegen, in die leise summend der Regen gleitet. – Und nirgend Du! Allein unter lachenden Menschen. Man spürt Händedruck, suchende Augen …
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und ist einsam unter einer frohen Schar … Fein rieselt die Stille des Schlafraumes herab auf den Schläfer, der Heimweh spürt. Und man möchte weinen. - - - Der Schlaf küßt die müden Gedanken. Stille. Eine Türe knarrt. Und es ist Nacht. 2. Juni 1921 Braunau, – 11 Uhr 30 nach Ranshofen – Schwand. Ein gütiges Walten läßt die Sonne lachen und wir freuen uns ihres Seins. Man sah Häuser, Kirchen, hörte Vorträge; lachte ein wenig und freute sich, daß einige Stunden schon vergangen. Heimathaus, Kirche, Gotik mit Barock; alte Winkel, alte Dinge und verträumende Pracht des Landes. Ranshofen. – Schöne Kirche mit zu überladenem Innern. Das Auge sehnt sich nach nackten Wänden, die nur ein Kruzifix tragen. Ein dicker Pfarrherr wünscht mir Freude auf den Weg. Dank ihm, du unhöflicher Wanderer. Man wird näher dem Menschen, der ein Verstehen hat für die Narreteien des eigenen Seins. – Man fühlt sich im heißen Drange nach innerlichem Freisein, nach Reif- und Geklärtsein und man ist noch ein Kind. Das Leben heißt Erleben. Und meines wird verleuchten, wird vergeh’n und verlöschen in dem ringenden grausonnenden Lichte meines Lebens. Sind noch Jahre bis dorthin. Nur nicht sterben jetzt; o, diesen Traum träumen, diesen Traum des Lichts und der Freude. In Stille soll man das Leben küssen, mit leiser, feiner Liebe, nur sommerwiesensummend; wie gaukelnder Hummelflug, mit der Schönheit des Frühlings und mit dem vollen Sang einer Orgel. Staubige Straßen und Blumen mit Bienen. Ja, ein blauer Himmel mit Wölkchen; und in die taktmäßige Farbe des Tages ein heiseres Lied, grellrot und viola überhaucht von einem Sehnen. – Und in dieses Farbenwogen wie grünweißliche Flecken derbe Fluchworte, die Hitze des Nachmittags segnend. – Man freut sich der Rast und ich sinne zum lachenden Blau empor. --- Einmal wird der Tag der Rast kommen. Ein Chorgesang von Glocken, Totengräberflüchen und leierndem Gebet. Die Rast. Schwand. 7 h abends. Einquartiert bei einem Bauern. Himmelhohe Betten, liebe, freundliche Menschen. Und es kam der Abend, wo Alles in Schlaf versinkt. Vor dem Fenster steht ein blühender Stock von Nelken. Im dunklen Nachtweben seh ich das mögliche Rot
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oder Weiß nicht. Ich eratme nur den Duft. Und es plätschert der Brunnen so einsam und singt mir sein Leben. – Durch das Dorf klingt ein müdes Lied. 3. Juni 1921 Schwand 8 Uhr früh weg, – Gilgenberg, Hochburg, Ach, Burghausen 7 h angekommen. Wunderfeines Städtlein, alt und Salzburger Erinnerungen weckend. Burg wohl am schönsten. Man freute sich des Empfanges, der recht herzlich war. Und die Sonne brannte über uns. Weiter wandern, weiter wandern durch die Dörfer und Felder und immer in Gedanken daheim. Es liegt so ein seltenes Freuen darin, wenn ich mich hinein denke, es geht näher heimzu. – Man spürt dann immer so froh das Wort, das von daheim singt. – Einmal wird’s sein, daß ich hinausgestoßen werde, in das Leben. Und die Menschen werden mich einen Narren schelten, den mich ja so viele schon gescholten haben. Keine Furcht habe ich vor dem Leben; bringt es doch nur Schales außer dem Kampf um sein Sterben. Denn ein Kämpfen doch nur, daß der Tag des Scheidens vom Licht weiter hinausgerückt ist. – Und sei’s mir beschieden früh wegzuwandern; mit einem stillen, dankbaren Lachen werd ich gehen, mit gehen die schönen Stunden, vernichten ein Erinnern der häßlichen. Staubschluckend und öde geologische Bekenntnisse. Die Wälder sind nicht so wetterhart wie daheim. Und doch, sie singen so, rauschen dasselbe Lied vom Sommer wie daheim die Tannen … Im festen Schritt trotten wir auf der Landstraße dahin. Aus den Feldern nicken Kornblumen. Die Grillen summen so seltsam, der Vöglein sind recht viel, die da jubeln im Sonnenküssen. Es ist ein prächtiger Sommertag. O du, freu dich doch und lach mit den andern. Von den sonnumfluteten Hügeln herab in’s Tal des Flusses. Weit dahingestreckt eine Burg; abends unter ihrer Faust ein kleines Städtlein und eine Menge alter Giebel und dazwischen hinein häßliche Häuser von neuerem Leben. Mit hellem Gruß werden wir empfangen. Gebadet wird … und auf allen Gesichtern liegt ein frohes Leuchten. … Und wie’s gekommen ist, weiß ich selbst nicht. Sternennacht auf der Burg, allein und einsam. Der Erde Lichtchen. – Und die Sonne kam.
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4. Juni 1921 Und ich hatte mich heimgeschlichen. - - In meinem Innern glühte ein Danken der Nacht nach, für ihr Geschenk. – Die Stunden verrinnen. Man kommt näher dem Daheim zu. O du grau dahineilendes Wasser, du flossest an dem Mädel vorbei, – o du, sagte sie dir nicht Grüße? Du schüttelst deine krausen Haare, sollst Nein sagen. – und bist schon wieder davon … Jetzt wird sie über den Platz wandern, die Leute werden gehen und sie wird unter ihnen sein und ich? Schrumm, heißa ho, auf staubiger Landstraße geht es dahin und verhöhnend grinst ein grauer Kirchturm her, immer weiter in der Ferne sich verlierend … – Wie schön wär’s, sich in die grellende grüne Wiese hinein zu schnorren und sich in einem Gedanken versenken. – Auf der Landstraße. Empfang in Tittmoning überaus innig. Man fühlt sich so wohl. Man war im letzten Halt. Es ging eine Nacht auf leisen Sohlen vorüber und atmete nur ganz warm. 5. Juni 1921 Tittmoning. – (Bürmoos). Oberndorf – SALZBURG: Es geht heim. Ein Freuen, golden und seelig. Die Glocken schlugen, Hunde bellten und immer klang eine müde Stimme, verloren im Dunkel. Und der Himmel war voll Sterne. Orgelklang in der Kirche. Heisere Kehlen mühen sich ab, zu einem Gottesdienst zu – sagen wir halt – singen. Es war mehr ein Gejohle. Ade – ade! Abschied Man sah Sachen, Heimatsachen, sah eine Burg, die stark an die in der Heimat ein Erinnern neu leben ließ. Blonde Kinder, blaue, ehrliche Augen … … In einigen Stunden wird das Alte seinen Lauf nehmen, so wie’s war. Lebt wohl, ihr grauen Mauern, ihr Hügel und Kirchtürme, du Sonnenland! Viel Dank für das, was ihr vielleicht an mir Gutes getan. Hinein geht’s wieder in die dumpfe Schulkammer, hinein in das Wogen von öden Reden und Erklärungen, fort aus Eurem Schönsein. Fort – o, zu dir Mädel, hinauf in das kleine Städtlein. Abends, wenn die Sonne ihre rotgoldigen Arme hebt, wenn ihr Hauch
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leise über die Blumen führt, dann werden wir uns wieder in die Augen sehen und unser Sehnen wird ein Klang sein, weich und voll. Letztes Trollen: eins zwei! Links zwei, links zwei! Blumen! O du, es wird so still sein auf unserm Wiesenplatz. O du, die Leuchtkäferchen zeigen uns den Weg in’s Traumland hinein; - - Träumen, hörst du’s und küssen, nur wieder küssen und sagen.Du wirst mich rufen und ich dich.- Wird es ein Abend sein? - Man ist zum letzten Male am Marsch durch das Land, die Sonne brennt und die Augen gleiten suchend in die Ferne. Salzburg Lebende Erde, vollgrüne Felder, Staubige Straßen, blaudunkle Wälder, Dazwischen Dörfer, – höhenentlang Flattert und irrt der summende Sang. Die Räder ächzen und man wird hin- und hergestoßen. Berge, die Berge! Über Stiegen stürmt man hinauf und – überraschte Augen und dann das Freuen! Ja, ein Sonntag! Sonnentag, überquellend von Helle und Licht. … daheim, o wieder daheim! … Und man schlief müde ein, träumend … Landstraßen … Staub…. Schlaf Schlaf. Es sind viele Eindrücke, die es zu verarbeiten gilt, darunter wohl ein Motiv von besonderer Anziehungskraft, das vor allem die Mutter schon seit einiger Zeit beunruhigt:
17. November 1920 Tagebuch der Mutter Heini macht mir viele Sorgen. Mit seinem Verliebtsein ist gar nichts mehr zu richten mit ihm. 29. November 1920 Das hätte ich nie gedacht, daß Heini mit solchen Geschichten schon so früh beginnt. Rauben sie ihm doch die Lust zum Lernen und sein Kopf ist immer dort, wo er nicht sein soll.
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5. Dezember 1920 Heini war in sehr schwermütiger Stimmung, er saß und grübelte ganze Stunden lang, wahrscheinlich geht ihm die Geschichte mit Gretl sehr nah. 26. Dezember 1920 Mit Heini ist gar nicht mehr auszukommen, nervös und überreizt ist der ganze Bursch. Es ist ein rechtes Kreuz mit ihm. So fing es an und so ging es wohl auch eine ganze Zeit dahin:
15. August 1923 Heini scheint ein neues Liebchen gefunden zu haben, da er soviel fortläuft und sehr stark in Anspruch genommen zu sein scheint. Es ist ein Kreuz mit dem Burschen und oft bin ich in großer Angst, was aus ihm werden wird, wenn er so fort macht. Immer auf leichten Füßen nach den Weibern, das ist sein Hauptinteresse. Sommer 1924 Oft denke ich so nach, mit wie vielen Mädchen Heini schon gegangen ist; da war als erste die Rotbart, dann kam Gretl Suitner, Lotte Ertl von Breitbrunn, Hilde Wohlmann, Gretl Kraus, die Oberndorferin, Ilse Eisner, Gretl Raisigl schwärmte er an und Erika Hoffmann, Gretl Ostermeier, Mitzl Herites, Herta Ritzberger, Hilda Böhm, Inge Terenteff, die schöne Russin, Paula Schmidt und nun geht er mit Paula Moschigg. Wie lang wird sich das halten? 8. August 1924 Heinrich Pflanzl an Paula Moschigg von Schloss Aistershaim Im Schloßhof, arkadenbekränzt, singt ein Springbrunnen sein müdes Abendlied, der Teich zieht seine rotperlenden Kreise, bald sich in das Weite verlierend und dann sich in aller Übereinstimmung treffend. So ziehe man seine Parallele des Lebenswanderns, immer den festen Mittelpunkt im Auge, aber doch den Blick nicht verlierend für das Ferne, immer aber auch verschönt von sonnenhellen Stunden. Grüße aus dieser selten schönen Abendstunde. Den festen Mittelpunkt hat er immer im Auge behalten und neben der Liebe zu den anderen schönen Dingen gibt es jetzt nur noch ein Ziel: Singen. Die Entscheidung ist gefallen, und so tritt – leider – das Schreiben nach wenigen Jahren in den Hintergrund.
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Der junge Sänger Nun aber kommt die Musik wieder zu ihrem Recht. Heinrich Pflanzl besucht inzwischen das Mozarteum und hat auch schon regelmäßig öffentliche Auftritte als Sänger: im Salzburger Marionettentheater bei Anton Aicher, wo damals Oper noch live gesungen wird und in den bunten Abenden, die der Pianist Franz Ledwinka1 veranstaltet.
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Musik begleitete mich durch eine unvergeßliche, herrliche Kindheit und ehe ich noch mein Abitur machte, zog ich durch das österreichische Land und sang unternehmungslustig und hemmungslos Schuberts „Winterreise“. Ich hatte kaum Ahnung von einer Gesangstechnik, trotzdem, wenn ich in Kritiken aus dieser Zeit lese, das „ein herrlicher Bariton und ein tief ergreifender Vortrag“ gewürdigt wurde, muß ich sagen, na, so ganz schlecht scheint es doch nicht gewesen zu sein. Und dabei lächele ich aber, denn heute weiß ich, was das für eine Frechheit war, eine richtige Frechheit. 11. November 1923 Tagebuch der Mutter Mein Mann mit Heini im Kreuzbrückl Turnverein, Heini sang sehr schöne Sachen, hatte riesigen Applaus. 9. Februar 1924 Heini Konzert, sang im „Märchenland Salzburg“ und ging dann mit Ledwinka zur „Traube“, dort in Gesellschaft von Clemens Krauss, dem Dirigenten der Staatsoper von Wien, ein ebenso interessanter wie genialer Mensch. Kam gegen 11 Uhr heim. 22. März 1924 Heini hat mit Frau Moschigg einen Konzertabend im Mozarteum: „Für Herz und Gemüt“.
1 Franz Ledwinka (1883–1972), Komponist, Pianist und Leiter einer Klavierklasse am Mozarteum von 1907–1949.
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23. März 1924 An dem Abend soll Heini herrlich gesungen haben, alle gratulierten meinem Mann. Hofrat Gehmacher ist ganz verliebt in ihn und darum ist er halt auch schon verwöhnt und eingebildet. – Am Nachmittag singt er im Marionettentheater bei Aicher. 2. April 1924 Heini 5 Uhr früh von Gmunden gekommen, bekam 100.000 Kronen für das Singen. Großer Aufruhr mit dem Wegfahren, daß er nichts vergißt. Nachmittags schnell in die Stadt, alles besorgen. Kaufte noch lila Hemd und Manschetten und Krägen und Knöpfe und alles Mögliche. 6 Uhr fuhr Heini weg in die Tschechoslowakei. Gott mit Ihm! - 5. April 1924 Heinrich Pflanzl aus Prag an die Eltern Die Fahrt war gut, besonders im tschechischen Teil, D-Zug vortrefflich. Donnerstag wurde geschlafen und abends zum Konzert marschiert. Unser Manager ist leider in unsaubere Hände geraten, die keine Reklame machten, weder durch Plakate noch durch Zeitungen. So waren in dem prächtigen und 6000 Personen fassenden Saal nur etwa 250 Personen. Besser war es am nächsten Tag. Wir haben brav bestanden und die schönste Kritik im Prager Tagblatt. 23. Mai 1924 Tagebuch der Mutter Heini fährt zum Konzert nach Amstetten und Steyr und Waidhofen an der Ybbs. Aufregung über Aufregung, da wir das Fahrgeld nicht mehr hatten und mußte Pepi in die Brauerei schicken um einen Vorschuß. War ganz krank vor Aufregung und Sorgen. 12. Juni 1924 Sorgen wegen Heinis Matura. Wie wird es ihm gehen. Wird er durchkommen? Neue Sorgen, neuer Kummer. Wie wird es in Wien mit ihm sein? Werden wir wohl die Mittel aufbringen, um ihm das Studium zu ermöglichen? Werden wir wohl beide erleben, was aus ihm wird? Das alles geht und schwirrt durch meinen Kopf. Der Schulabschluss ist erfolgreich absolviert und nun soll es nach Wien gehen. Als Starthilfe gibt es von dem Schriftsteller Franz Karl Ginzkey ein Empfehlungsschreiben an den Rektor der Musik-Akademie, den Komponisten Joseph Marx:
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Ein junger, hoffnungsvoller Mann namens Pflanzl wird dieses Handschreiben mit allerergebensten Grüßen von mir überbringen. Er ist der Sohn des Salzburger Volksdichters gleichen Namens, den ich als Dialektdichter und originellsten Mann des ganzen Kronlandes hoch schätze und er hat von seinem Vater sicher einige urwüchsige und lebensbrauchbare Eigenschaften übernommen. Ich kenne ihn persönlich, er wird jetzt als Gesangsschüler ins Konservatorium eintreten und ich erlaube mir, ihm diesen Empfehlungsbrief mitzugeben, damit das Auge des Allgewaltigen nicht allzu ungnädig auf ihm ruhe. Insoweit ich überhaupt ein Gehör und Verständnis für Tonschwingungen habe, halte ich diesen jungen, strebsamen Pflanzl für eine sehr große Begabung. Er hat meiner Ansicht nach irgendeinen goldenen Faden in der Stimme, der auch bei Berufssängern nur ganz selten zu finden ist und an dem er meiner Ansicht nach bei entsprechendem Fleiße ganz gewaltige Höhen des Erfolges erklimmen könnte. Doch will ich dem Urteile des Fachmannes nicht vorgreifen, nachdem ich nur als Lyriker dem Musenreiche angehöre und die Poesie bekanntlich die Musik der unmusikalischen Menschen ist, dürfte ich kaum berechtigt sein in solchen Fragen ernstlich mitzusprechen. (…)
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Ehe ich nach Wien ging, hätte mein Lebensweg fast eine andere Richtung genommen durch keinen Geringeren als durch Max Reinhardt. Das kam so: mein Vater, ein bekannter Salzburger Heimatdichter, war aus einer angeborenen komödiantischen Begabung auch ein sehr beliebter Vortragsmeister, den zum Beispiel Peter Rosegger als besten Interpreten seiner Werke bezeichnete. Für das „Große Salzburger Welttheater“ holte sich nun Max Reinhardt meinen Vater für die Rolle des „Vorwitz“, den in späteren Jahren Hans Moser spielte. Für meinen Vater, der damals ein Fünfziger war, theaterungewohnt, beruflich Beamter in einer Salzburger Brauerei, war das auf die Dauer denn doch zuviel. Immerhin bestand er neben Wilhelm Dieterle, Alexander Moissi und vielen anderen großen Schauspielern. Ich, ja, ich spielte auch mit, eine kleinwinzige Rolle als Mönch. Bei der ersten Probe mit Reinhardt, sein Oberspielleiter hatte das Stück vorgeprobt und eingerichtet, fand Reinhardt Interesse an mir. Er rief mich zu sich und meinte: „Junger Mann, was wollen Sie einmal werden?“ Ich erzählte ihm, daß ich nach Wien gehen werde und zur Oper. „Hm“, meinte er, „ja, ihr Vater ist leider zu alt, er müßte zwanzig Jahre jünger sein. Kommen Sie doch zu mir. Schlechte
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Opernsänger gibt es genug.“ Wer Max Reinhardt aus dieser Zeit kennt, der weiß, was diese Einladung für mich bedeutete. Aber ich entschloß mich doch, das Wagnis einzugehen und vielleicht ein „schlechter“ Opernsänger zu werden. Oft aber denke ich daran zurück und sehe Reinhardt vor mir, wie er an dem kleinen Regietisch saß und mich zu sich rief.
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Die Sonnenfelsburse Nun geht es also nach Wien zum Studium an die Akademie für Musik und darstellende Kunst. Es ist der schwere Schritt in die Fremde, die Trennung von der Familie und von Salzburg, auch wenn in Wien eine Stiefschwester lebt, Maria Herzog, die „Mitzl“, von der noch oft die Rede sein wird. Sie hat ein Heurigenlokal und da zieht es den hungrigen Studenten mit der Schubert-Brille natürlich hin. Aber wie erinnert man sich 30 Jahre später an diese Zeit?
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Von 1924 bis 1929 s��������������������������������������������������������� tudierte ich in Wien. Georg Hann, der unvergessene, vielseitige Bassist der Münchner Staatsoper war mein Kollege, Erich Kunz, der großartige Wiener Sänger, ebenfalls Schüler meines Lehrers, und der bekannte Negertenor Roland Hayes, ein wunderbarer Schubert-Sänger. An der Akademie besuchte damals Herbert von Karajan die Kapellmeisterschule. Ich erinnere mich noch sehr gut, als ich in ihm meinen ersten „Rosenkavalier“-Korrepetitor fand, der mit Exaktheit und Können die schwere Partie des Ochs von Lerchenau mit mir paukte. Ach, war das eine herrliche Zeit, jung, fröhlich, unbeschwert. Ich hatte in Dr. Lierhammer1 einen guten Lehrer gefunden und in Wien selbst die Erfüllung für alle Wünsche, Vorbilder zu hören, in der Wiener Staatsoper unvergeßliche Aufführungen zu erleben, Studienjahre, wie ich sie jedem wünschen möchte, der den gleichen Weg geht. Neben dem Osmin in „Entführung“ sang ich in vollständigen Opernaufführungen im Akademietheater den Sarastro in der „Zauberflöte“ und den Falstaff in „Die Lustigen Weiber von Windsor“. Neben der Vorbereitung auf den Beruf des Opernsängers konnte ich mich auch in Oratorien 1 Theo Lierhammer (1865–1937), Sänger und Gesangspädagoge an der Musik-Akademie in Wien.
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erproben. Der Christus in der Matthäuspassion, den ich in meiner Dresdener Zeit oft mit Professor Rudolf Mauersberger und dem wunderbaren Kreuzchor sang, war meine erste Wiener Aufgabe. Damals schrieb ein sehr freundlicher Kritiker, ich würde an Richard Mayr erinnern, den berühmten Bassisten der Wiener Oper. Ich war etwas beschämt und fand diese Feststellung doch übertrieben. Wir Jungen von damals hatten ja noch den ungeheueren Respekt vor den großen Sängern der Staatsoper, Respekt und Verehrung für dieses Ensemble, das einmalig in der Welt war. So rosig, wie die späten Erinnerungen es darstellen, war es in Wirklichkeit wohl nicht am neuen Wohnsitz, der Sonnenfelsburse in der Sonnenfelsgasse 15 im 1. Bezirk. Rund dreißig Studenten, überwiegend aus dem Land Salzburg, lebten in diesem Heim unter sehr bescheidenen Bedingungen.
22. September 1924 Tagebuch der Mutter Berta Pflanzl Ein schwerer Tag nimmt seinen Anfang. Heini geht fort von daheim. Hab es gewußt die langen Monate und kann mich noch nicht hineinfinden, so schwer ist mir. Ein Tagebuch nahm Heini mit und auf der ersten Seite schrieb er: „Alles Frohe, Freudige und Trübe nimm in dir auf vom Spätherbst, angefangen September 1924. Gott sei mit mir und helfe mir auf meinem Weg!“ 1. Oktober 1924 Heinrich Pflanzl in Wien Sitze jetzt im Zimmer, ein Wecker tickt gemütlich seine Stundenteile, die Fenster herein strömt kühler Nachtatem, Lärm auch, da nachts größter Verkehr ist, – wenn nur nicht die Flöhe so beißen möchten, zu Mittag war ich baden im „Dianabad“ – der Körper ist ziemlich angebissen und man bringt die holden Gäste nicht los. Es fällt einem immer „Faust“ ein, in dem es doch heißt: „Es war einmal ein König, der hatte einen Floh“. Und jetzt? Jetzt krieche ich in mein Flohtrücherl. 10. Oktober 1924 Nachmittag gehe ich jetzt immer in eine Milchhalle beim Belvedere, in der man herrliche fette Milch bekommt (1 Glas 1.700 Kronen, also nicht zu teuer). Die Tage sind so schön voll Herbstfreude, aber es leuchten in allem Nebel die Herbstzeitlosen; wie große kranke Augen schauen sie mich an.
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13. Oktober 1924 Gestern waren wir im Wienerwald. Alles in goldener Herbstpracht, die Menge an Farben und Bäumen, die goldene Luft, die Leute alles in Sonntagskleidern, Musik, – alles dulliöh! Aber schön. Heimweh hab ich nicht mehr so. Kommt ja so oft, aber … jetzt kann man’s ganz unterdrücken. 24. Oktober 1924 Heute ist es schon arg kalt, die Zähne klappern. Husten tun wir alle. Heute habe ich Bursendienst. 6 Uhr früh aufgestanden, Tee gekocht für alle 30 u.s.w. Das Bett wäre ja schöner gewesen, aber bevor man 6000 Kronen Strafe zahlt, steht man lieber auf. Jetzt habe ich für September die Burse bezahlt. 50.000 Kronen, dann Nachzahlung für Oktober: 50.000 Kronen (erhöht auf 100.000 Kronen). Akademie Heizbetrag 75.000 Kronen – jetzt soll ich mir Bücher kaufen, es geht aber nicht; denn für Mittagessen hab ich mir Abonnementkarten zu 9000 Kronen genommen, ist ohnehin mager. Wir haben heute früh 2° gehabt, Mittags waren es auch nur 8°, keine Sonne, nur dicker Nebel. Bin gerade von der Akademie heimgekommen, habe Abend gegessen (Stück Gselchts und ein Weckerl Brot). So, jetzt ist es 8 Uhr abends. Jetzt bleibe ich noch auf, Italienisch lernen, die andern sind oben in der Küche, weil dort geheizt ist, so hab ich meine Ruhe. 9 Uhr Dienstgang: Gas und Licht abdrehen und Gott sei dank in’s Bett. Um 6 Uhr morgen wieder auf. 12. November 1924 Meine Kapital-Aufstellung: Burse Miete 100.000 Kronen Klaviergeld (30 x 3) 90.000 Kronen Essen (30 x 9.000 und 30 x 1.200 für Brot) 300.000 Kronen Brot für einen Monat (15 x 8.000) 120.000 Kronen Tee, 1 Packerl für 10 Tage á 10.000 30.000 Kronen Macht 640.000 Kronen, also schon über die Schnur gehaut mit der Berechnung, denn Zucker kommt noch zum Abendessen und Frühstück. Aber ich bin trotzdem recht froh und fidel, ich laß mir’s gar nicht stieren, alles ist ja einmal vorbei, gesundheitlich geht es mir auch nicht mies, also, Mensch, sei froh und grinse!
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21. November 1924 Komme soeben vom Mittagessen, das ich mir heute selbst gekocht habe, nachdem es draußen so stürmt. 2 Schalen Kakao und 2 Buttersemmeln. Ich bin nicht sehr satt davon geworden, so daß ich noch eine Büchse Sardinen, die ich gestern bekam, aufaß. 26. November 1924 Bin in meiner kalten Bude, angetan mit Wollweste, Rock und Überzieher. Kalt ist’s und meine Bronchitis ist bald chronisch. Während ich das schreibe, geht draußen der Tag unter, das Zwielicht spinnt im Zimmer, aber es ist so schön, obwohl mir ein winziges Nasentröpfle geschenkt ist und die Hände steif sind. 27. November 1924 Daheim stucken ist scheußlich, wenn man da so sitzt mit allen möglichen Kleidungsstücken angetan, man wünscht sich sehnlichst einen glühenden Ofen. Morgen nachmittag bin ich wieder zu Frau Dr. Keidel geladen zur Jause; mein Gott, ich hab gar nicht viel Freude, wenn es auch recht gemütlich dort ist. Man spielt ja so die Wurzen, soll singen, wenn man am liebsten Ruhe haben möchte; lauter hochelegante Leute kommen hin, man fühlt sich nur – und ich bin da gleich so empfindlich – als ein „geduldeter“ Gast. Das ist mir ein allabendlicher Bursentee mit Butterbrot lieber. 23. Januar 1925 Otto Pflanzl an seinen Sohn Heinrich Der Verbleib in der Burse ist für dich nichts, das ist ja das reinste TuberkelZucht-Heer, diese Unreinheit, pfui Teuxl! 26. Januar 1925 Das Wetter ist heute, Gott sei Dank, besser, die Tage seit Sonntag her war es eine schreckliche Kälte und ein fortdauernder Schneesturm. Heute ist es schön blau und –7°. In der lieben Burse ist es auch verdammt kalt wieder, doch hab ich mir vorgestern eingeheizt (nachdem die Andern nicht mittun wollten) am Abend, da ich mir’s doch leisten konnte und kann. Es ist doch viel besser und mir lieber in der Burse. Man braucht keine Rücksicht zu nehmen und die Einfachheit des Lebens hier wirkt nur erzieherisch. Wenn es auch hundertmal feiner wäre, in einem noblen Zimmer zu schlafen und zu leben – es ist hier auch zum leben.
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27. Januar 1925 Gestern abends hat mich die Mitzl zum „Ronacher“ geführt; das war sehr „foin“ und nachher zahlte sie mir ein Gollasch, das war noch „foiner“. Bei uns ist von Schnee keine Spur, im Stadtpark grünt alles und die Sonne scheint prächtig warm. Mir machen sich jetzt die Flöhe ganz unliebsamst bemerkbar. 10. Februar 1925 Die Tage sind jetzt herrlich und wunderbar. Warm ist es, Gott sei Dank, so daß wir den ganzen Tag die Fenster offen haben können. Man rechnet immer noch in Kronen, doch als Folge der hohen Nachkriegs-Inflation muss die Republik Österreich eine Währungsreform durchführen. Seit dem 1. März 1925 gibt es den Schilling, der Umtauschkurs lautet 10 000 Kronen = 1 Schilling. Die finanziellen Probleme sind dadurch nicht kleiner geworden, auch für die Familie nicht, und so muss der verständliche Wunsch nach einer besseren Unterkunft zurückstehen.
2. März 1925 Habe mir zu Mittag eine Wohnung angesehen – doch es geht nicht. Kostenpunkt 300.000 Kronen, im 4. Bezirk – nicht weit weg. Ein kleines Kabinett, Divan zum Schlafen, einfachst natürlich. Blick in ein 8 m² großes Garterl in dem ein dürrer Baum steht, dann gegenüber Wände von Nebenhäusern. Sonne scheint keine hinein. – Die Frau ist klein, bucklig, ich müßte durch ihr Zimmer gehen immer. Die Kosten stellen sich gegenüber: In der Burse März bis September 1.180.000 K, dort 2.100.000 K, ohne Klavier. Und dann kommen ja die wärmeren Tage jetzt, Lysol halt ins Bett, es muß gehen. Warum noch mehr im Monat zahlen, wenn es nicht nötig ist. Es scheint zu Mittag die Sonne ganz prächtig in unser Zimmer und ich will mich auf den Winter vertrösten. Die Wanzen treiben wir uns schon aus. 5. März 1925 Heute haben wir das Zimmer zusammengeräumt, es sieht ganz wohnlich aus. 21. April 1925 Es ist ein wunderschöner Tag heute draußen, in den Gärten blüht der Flieder und alles ist in duftiges Grün gehüllt.
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12. Oktober 1925 Der Wienerwald ist eine Symphonie in Farben und wenn so ein bißchen die Sonne warm herguckt, wie es gestern war, so ist es eine schöne Lust und Freude dieses Bild zu sehen und darin zu wandern. Ende Oktober 1925 Es ist jetzt ganz schön kalt schon in der Burse und überhaupt in Wien, der scharfe Wind um’s Eck noch dazu. Hab mir zweimal schon Kalbsschnitzel a la nature gemacht, das war ausgezeichnet, Blunzen, Leberwurst, so geht es halt dahin, ist immerhin besser, weil ich mir’s mit viel Fett mache, als diese Gasthausfresserei. Ab und zu bei der Mitzl a Gollasch, neulich bekam ich ein Ganserl, das heißt kein ganzes, sondern ein Schenkerl davon, mein Gott, war das dulli! 30. November 1925 Am Samstag ist großes Stöbern in unserem Zimmer. Wir putzen uns selbst den Boden mit Bürste, Seife, Betten, Fenster. Tisch wird lackiert, Schreibtisch gehobelt, eingelassen, Kästen gestöbert und herausgeputzt, – ein jeder spart sich halt etwas und da wird gemeinsam gekauft und gearbeitet; dann haben wir nach den Feiertagen eine elegante Bude, hurra! 27. Mai 1926 An den Vater In der Beilage übermittle ich Dir zwei Gesuche an Landeshauptmann und Bürgermeister und wir Salzburger Bursianer bitten Dich herzlichst, daß Du Dir einmal Zeit nimmst, um die Gesuche persönlich den Herren zu übergeben. Es hat dann viel mehr Wirkung, eventuell auch noch, wenn Du einen Gemeinderat anspannst, daß sie sich um die Sache annehmen. Du kennst die Sauburse ja und weißt, daß diese Adaptierung wirklich notwendig war. – Wenn manche Sachen drinstehen, die nicht ganz den Tatsachen entsprechen (niedrigere Monatsmiete angegeben, um ja nicht arm zu erscheinen, was ja eigentlich wirklich wahr ist), so ist das ja nur politisch. – Also, lieber Vater, gell, Du bist recht gut. Es bat auch der Leiter darum und es ist sehr schwer, da nein zu sagen. Bieg halt das Rehrl1 ein bissel weich, je mehr Schilling desto besser, wir können’s brauchen.
1 Franz Rehrl, Landeshauptmann von Salzburg 1922–1938.
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Das Gesuch war offensichtlich erfolgreich und mit dem Geld aus Salzburg konnten die Wohnräume des Studentenheims in der Sonnenfelsgasse renoviert werden.
3. Oktober 1927 In der Burse, mein Gott, ist es ja beim alten geblieben; doch unser Zimmer ist nun so schön ausgemalt (für unsere bescheidenen Begriffe), daß es fast gemütlich ist. Gestern sah ich mir die ganz prächtige Hindenburgfeier an. Der Festzug ging zwei Stunden an mir vorüber, es war eine große Beruhigung, das bürgerliche Element so stramm (und auch im Zeitgeist) zu sehen. Allein 5 Regimenter Frontkämpfer. Nachmittags war ich bei Mitzl und wanderte gegen den Abend zu im Dämmern des schönen, untergehenden Tages ein Stück dann draußen umher. Ich darf darüber nicht nachdenken, daß es nun dem Ende zugeht, denn mit dieser Anhänglichkeit an eine kleine liebe Welt erscheint mir die vor dem Tore des Lebens gräßlich, roh und voll Grauen.
In der Akademie 26. September 1924 Otto Pflanzl an seinen Sohn Heinrich Also die Prüfung hast du gut bestanden, meine herzlichste Beglückwünschung, nun kanns losgehen, die Baß-Buffo Kanone. Leicht wird’s dir am Anfang nicht werden, denke immer an den Dieb, der erstmals einen Amboß gestohlen hat, ’s war auch schwer. Nun, wir werden schon auf dich schauen, daß uns das Hahna Gockerl net mager wird. 26. November 1924 Heinrich in Wien Im Singen mache ich schöne Fortschritte, nur verliere ich in der Tiefe sehr, Höhe ist schon schön, bin nun neugierig, ob nicht ein Sopran daraus wird. Die ganze Akademie ist nicht viel wert, am schönsten wäre es, privat zu studieren, aber … 15. Dezember 1924 An die Eltern Es ist 8 Uhr früh. Bekam jetzt das Zettelchen von der Akademie mit der Ablehnung der Befreiung vom Schulgeld. Oben in der kalten Küche bin ich gesessen, gezittert hab ich so und alle Fragen der Zukunft liegen vor mir offen: werd ich
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was erreichen? Jetzt hat Dr. Lierhammer mir eine so liebe Empfehlung geschrieben, Richard Mayr den Brief, und nichts hat geholfen. Gar nichts! Es vergeht soviel Zeit und ich fühle das in mir, daß ich viel früher fertig sein könnte. Wenn ich die Grundlagen habe zur Stimmbildung, möchte ich zu einem privatem Lehrer gehen. Das Geld treibe ich mir durch Stundengeben schon auf. - - - So kommt alles zusammen. Gehe jetzt in die Akademie und werde schauen, daß ich Dr. Lierhammer treffe, um mit ihm zu sprechen. Ich möchte am liebsten jetzt in Wien bleiben, alles Weihnachten, so sehr ich mich darauf gefreut habe, es ist seit Ottos Tod das Härteste. Und es wäre gut, diesen schönsten Abend, nach dem ich mich so gesehnt, in dieser Kammer zu verbringen, ganz allein. So hart ist das nun wieder, doppelt hart und wenn ich nicht jetzt selbst wüßte, daß ich meinen Weg machen und gehen werde, es gäbe so Manches, aus einem off’nen Munde. Nichts Schlechtes, nein, aber etwas, was einem in aller Einsamkeit und Bitternis das Schönste dünkt. – Werde Kammersänger Mayr schreiben oder besser hingehen. Und jetzt gehe ich müde, recht müde fort. Der Schädel ist ein Sausen und alles ist so kalt. Leb wohl, Mutter, wann ich heimkomme hab ich Euch gestern gesagt, ich habe nun gar keine Freude mehr. Und ich bitt’ Euch, kauft mir nichts, höchstens ein paar Lieder für tiefe Stimme von Pfitzner oder Brahms. Euer nun ganz trauriger Heini. So ist denn der Abend gekommen, mit ihm auch mehr Ruhe. Ich habe mit Dr. Lierhammer nachmittags gesprochen, er sagte, daß er in dem Kollegium am Freitag interpellieren werde. Denn kurz vor dem Zusammentritt des Senats wurde ihm mein Gesuch noch einmal unterbreitet und er sagte mir, daß er zu der von mir gelesenen Bemerkung „Sehr talentiert und wärmstens empfohlen“ noch hinzugefügt habe „Äußerster Fleiß, wertvolle musikalische Intelligenz und tüchtige Strebsamkeit, die ich im Verlaufe von September bis zum heutigen Datum beobachtete, unterstützen das Gesuch. Dr. L.“. Dr. Lierhammer kann sich nicht erklären, wieso das abgeschlagen wurde. Er ärgerte sich recht darüber. Und meinte in der Runde nachmittags vor den andern: „Gerade bei Ihnen war ich so sicher, da ich es bei niemand so hervorgehoben habe und so warm befürwortet.“ – Ich weiß es selbst nicht. Nur die Worte des Professors haben mich ein wenig aufgerichtet und gaben mir das Bewußtsein, daß es ein Unrecht sei und ich die Hoffnung auf einen Erfolg nicht verlieren soll.
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In dieser auch für die Eltern finanziell schwierigen Situation sorgt Heinrich Kiener, der Direktor der Stieglbrauerei in Salzburg, für eine glückliche Lösung: Er wird nun das Studium seines Patenkindes finanzieren.
26. Januar 1925 An die Eltern Ich danke Euch schön für den innigen Brief und bin recht froh, daß sich „Heinrich“ an den anderen „Heinrich“ erinnert hat. 28. Januar 1925 Mit Geld ist mir’s recht schlecht gegangen, da ich 500.000 Kronen von daheim mitbekam: 80.000 die Fahrt, bei 100.000 die Noten, die ich brauchte, Seife, Zucker, Kakao, Tee, Brot, Zahncreme, Schuhcreme, zwei Hefte für Italienisch, man kann sich ausrechnen, was da übrig bleibt. Gerettet hat mich oft das Essen bei der Mitzl zu Mittag, war doch fünfmal draußen. Vater hat mir auch einen „Blauen“ geschickt, der aber mit Klavierstundengeld dazu und Konzertbesuch (nur für die Garderobe 3000 Kronen) auch versehen wurde und ich heute glücklicher Besitzer von 7000 Kronen bin. 29. Januar 1925 Nächste Woche habe ich Prüfung bei Prof. Marx wegen Vorrücken in den zweiten Vorbildungsabschnitt. Das Schulgeld werde ich zurückbekommen, obwohl mir das Fräulein sagte, daß die Befreiung nur für das 2. Semester Gültigkeit habe. Werde mich aber genau erkundigen, denn ich glaub das nicht. Ist ja eine solche Sauwirtschaft in der Akademie. 7. Februar 1925 War heute ½ 9 Uhr in der Akademie, um ¾ 11 Uhr zur Prüfung vorgelassen, bis ¾ 1 Uhr geschwitzt, dann gut essen gegangen, um 14.000 Kronen ausnahmsweise gegessen, jetzt heim, ½ 3 Uhr ist’s – so und nun gleich heimgeschrieben, daß die viel stierere Prüfung als ich mir vorgestellt ohne jeden Unfall vorüber gegangen ist und ich in die 2. Vorbildung eingereiht bin. So komm ich nächstes Jahr in die letzte Vorbildung – wieder ein Schritt weiter. Froh bin ich, denn geschwitzt habe ich genug. Im Februar 1925 An den Vater Mutter sagt, du verstehst das wegen meiner Prüfung nicht. Also, die Geschichte
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ist so: Semesterschluß ist am 15., am 16. beginnt sofort anschließend das 2. Semester, da wir keine Zeugnisse haben noch damit verbundene Ferien. Ich war bisher in der 1. Vorbildung. „Besonders talentierte Schüler können nun mit Bewilligung des Rektors und einer vor ihm und den Hauptfachlehrern abgelegten Prüfung (alle Lehrer in Gesang) nach einstimmigem Beschluß ein Jahr überspringen und in den vorhergehenden Jahrgang eingereiht werden.“ Diese Prüfung habe ich gemacht, habe damit ein Jahr gewonnen und bin nun in der 2. Vorbildung. Komme also Schuljahr 1925/26 in die 3. Vorbildung, dann sind noch drei Ausbildungsklassen. Durch ein Gesuch an das Unterrichtsministerium kann ich nun noch einmal ein Jahr überspringen, wenn ich die Prüfung bestehe. Verstehst Du es jetzt, Vater? 5. März 1925 Neulich kam ich zum Fechten, niemand da, kein Lehrer, wir warteten bis ½ 11 Uhr, kommt niemand. Dann gingen wir, um 11 Uhr hatten wir sowieso wieder anderen Gegenstand. Mittwoch geh ich beim Fechtsaal vorbei, steht der eklige Fechtlehrer Werdnik heraußen und brüllt mich an: „Warrrrumm waren Sie Montag nicht im Unterricht? Warum!!!!“ – „Ja, Herr Professor, warum schreien Sie mich denn so an? Wir waren alle da und warteten bis ½ 11 Uhr, da niemand kam gingen wir.“ – Es kam nun heraus, daß die Stunde auf den Nachmittag verschoben wurde und der Diener das von der Kanzlei nicht erfuhr. Er sagte dann gereizt: „Hab ich Sie denn angebrüllt?“ – „Ja, sagte ich, wie Sie sehen stehen rings die Kollegen und horchten zu, da Sie mit mir schrien, wo ich doch nichts dafür kann“ Er sagte nichts als nur: „Wir werden uns schon kennen lernen“. Ich machte meine korrekte Verbeugung und ging. Erzählte Lierhammer die Geschichte. Werdnik bildet sich scheußlich viel ein; da er doch nur Lehrer ist und wir ihn ab und zu „Lehrer“ titulieren, ist er auf die Hörer nicht gut zu sprechen. Lierhammer hat recht gelacht und gemeint, das sieht ihm ähnlich. – Mich hat es schon geärgert; wenn er ein Professor ist, der etwas zu sprechen hätte, aber so ist er nicht einmal bei den Konferenzen anwesend. Ein ekliges Gewächs. 21. April 1925 Nächste Woche gibt Lierhammer einen musikalischen Abend im Hotel Imperial, da darf ich auch singen. Gestern sagte er mir, ich soll für das Podium meinen Namen umändern. Er habe schon einige Male nachgedacht und meinte: Plan-
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tell, Planto, Planta. Denn es ist ihm mein Name zu wenig „kosmopolitisch“ (so sagte er); er habe in England große Schwierigkeiten gehabt, „Pflanzl“ klinge zu österreichisch. Ich grinste wohl recht und meinte, es sei noch lange Zeit bis dort, worauf er mir aber sehr entgegen trat. „Ihr Vater wird wohl da nicht beleidigt sein“, sagte er auch. Für Vater Otto Pflanzl war das nicht so selbstverständlich, es gab sicher eine heftige Diskussion im Familienkreise. So hat sich nur ein einziger Programmzettel aus der Wiener Studienzeit erhalten, auf dem ein „Henry Plantell“ angekündigt wird mit Wiener Liedern: am 27. November 1927 im 8. Capitol-Konzert. Das bleibt dann wohl die Ausnahme, für den Rest des Lebens reicht der richtige Familienname.
9. Oktober 1925 An die Eltern Heute an dem Tage, an dem wieder ein Neujahr meines Lebens beginnt ist es nicht Eure Pflicht mir zu wünschen, sondern vielmehr meine Pflicht, Euch für alles Liebe, für alle Güte zu danken, die Ihr mir immer dargebracht und darbringt. Und mein Wunsch ist’s, mein Leben in aller Ehrlichkeit und Geradheit zu gehen, wie Ihr mir’s gelehrt, immer die Augen offen für alles Schöne und Gute und Euch einmal diese Liebe, die für unsern Verstand, für den Verstand der Jugend so gar nicht faßbar ist, zu vergelten. 12. Oktober 1925 Letzten Donnerstag abends hörte ich den Negertenor Roland Hayes, den berühmten Schüler Lierhammers. Wie wunderschön der sang, deutsch, besonders Schubertlieder; ich war begeistert. Ich lernte ihn auch persönlich kennen und sprach mit ihm. 28. Januar 1926 Otto Pflanzl an seinen Sohn Heinrich Wie wir Deinem Brief entnehmen bist Du wieder einmal ganz verzagt, was der Unpäßlichkeit im Halse zur Last gelegt werden kann. Denn sonst hast Du keine Ursache, verzagt zu sein, Deine bisherigen Leistungen auf Dein kurzes Studium zurückkommend, sind derart zufriedenstellend, daß sich jeder, der ein solches Studium begonnen resp. erwählt hat, glücklich schätzen kann. Du wirst Dein Ziel erreichen, davon bin ich bis ins Innerste überzeugt, denn wenn jemand hiezu prädestiniert ist so bist es Du, nur mehr Lebensmut mußt Du aufbringen und
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nicht bei jeder Kleinigkeit zusammenschnappen wie ein Taschenfeitl. Nun, ich berücksichtige dabei auch Deine angeborene Gemütstiefe, welche die Nervenstränge in Deinem Inneren mit einer äußerst feinen und sehr leicht erregbaren Empfindlichkeit versehen hat, so daß Du eigentlich physisch nichts dafür kannst, wenn selbe zu heftig zu schwingen anheben und dann schwingt halt alles mit, es entstehen Töne in Deinem Seelenleben, die alle auf Moll eingestimmt sind und es braucht bei Dir dann immer eine Zeit bis sich ein Übergang in einen fröhlichen Dur-Accord findet und ein solches Stadium scheint Dich wieder befangen zu haben, als Du geschrieben hast. Hoffentlich klingt schon wieder der Dur-Accord in reinster Farbe, was ich Dir von ganzem Herzen als Vater wünsche. Du bist schon Jemand, mein lieber Heini, nur nicht den Kopf hängen lassen, die trüben Wolken, sie ziehen wieder fort. Es folgt wieder blauer Himmel, Du mußt nicht immer gleich die „Winterreise“-Stimmung einschalten, da hat es noch lange Zeit hin. Du mußt erst leben und andere mit Deiner schönen Kunst erfreuen, was Dir ja doch schon jetzt in Deinem Anfangsstadium so gut gelungen ist. Wenn Dir das Geld nicht ausreicht, müssen wir halt noch etwas dazulegen, aber nur ja nicht resignieren. Da bist Du noch viel zu jung und voll von Schätzen, die erst gehoben werden müssen. Die Mutter und ich, wir meinen es Dir ja so von Herzen gut und wir tun wohl, was wir tun können, damit Du den Berg erklimmst und wünschen, daß Du recht lange oben bleibst und die Aussicht genießen kannst, deren Bilder Dir in Deiner idealen Seele vorschweben. 29. Januar 1926 An den Vater Ich danke Dir recht innig für Deinen Brief mit den lieben Worten, die wie ein schönes Geschenk kamen und große Freude brachten. Du hast in allem recht, aber wie oft ich mich auch dagegen wehrte, der Willen dazu war zu schwach und versagte vor der Kraft des Trüben, die aus dem Innern floß und alles Denken mit einem dunklen Schleier umwob. Und wenn es auch wäre, Vater, daß dieses wohl schlimme Tage und Stunden bringt, – eigentlich möchte ich es nicht missen. Denn es ist immer ein Sich-selbst-besinnen, ein Rückblick halten, eine innere Einkehr und das ist doch für das Menschentum eines Erdenwanderers das beste Zeugnis. Ist es nicht gut bei sich anzufangen, wie weit man sei, ob man einer inneren Wallung noch fähig sei in diesem Trubel des leeren Weltenlärms. Siehst, diese Gründe spielen alle mit und weil ich sie für berechtigt halte, darum find ich den Kampf gegen sie wertlos. – Hätte ich die „Winterreise“ singen
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können, wenn ich nicht all das Leid und Weh kennen würde und es still verschlossen in mir lebt, nur manchmal an die Türe klopft mit Macht? Muß denn der Künstler nicht ein Mensch sein, der in seiner eigenen Welt der Träume lebt? Es geht mir jetzt wieder gut, die Saiten einer fröhlicheren Laute schwingen in heiteren Klängen der einförmigen Tage dahin. Ledwinka schrieb mir, ich soll am 13. Feber singen, Wiener Lieder, ich schrieb aber ab, weil ich das nicht mehr singen will und mich vor dem p. t.1 Publikum nicht wohl fühlen würde. 9. Februar 1926 Zu meiner großen Freude darf ich im April das Baß-Solo in den „Jahreszeiten“ von Haydn singen, hier in Wien, was eine sehr schöne Aufgabe ist. Ich habe vorgesungen und bestanden. 19. April 1926 Heute 9 Uhr früh haben wir vorgesungen, doch ist es mir nicht gut gegangen, ich war ziemlich verschnupft und zugeleimt und ein enges Hemd, so ging es nicht besonders. Wegen der „Jahreszeiten“ hetzten auch einige nun gegen mich, besonders der feine Heldenbariton von Lierhammer und auf Schrittt und Tritt begegnet man diesen Falschheiten. Doch paß ich gut auf und bin vorsichtig, denn wie man sich da hüten muß, das ist immer heikel. Das und die Sorgen mit der Zukunft, das sind so eklige Dinge und doch, man kommt ihnen nicht aus. Bin froh, wenn die einmal vorüber sind. 23. April 1926 Am Montag singe ich im Akademietheater beim Vortragsabend, am 9. Mai im Hotel Imperial und demnächst werden die „Jahreszeiten“ vom Stapel gelassen. Ich war in diesem Monat ein bissel zu oft im Konzert und in der Oper, also ist das Budgeterl schon ziemlich erschöpft. 15. Mai 1926 Dr. Theo Lierhammer an Otto Pflanzl In aller Eile teile ich Ihnen mit, daß Ihr Sohn gestern in den „Jahreszeiten“ von Haydn in der Akademie einen sehr großen Erfolg erzielte. Er sang sehr schön 1 pro tempore = derzeitig, anwesend, auch praemisso titulo = unter Voraussetzung des Titels, ironisierender Austriazismus im Sinne von „hochverehrtes Publikum“
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und vornehm und hat jeden Kenner begeistert. Ich freue mich riesig, daß sein Debut so glänzend ausfiel, denn auf mir lastete eine große Verantwortung. Am Sonntag hatte ich eine Veranstaltung im Hotel Imperial, wo er auch mehrfach mitwirkte und ausnehmend gut gefiel. Ich hoffe mit der Zeit auf eine sehr gute Zukunft für ihn und gratuliere den Eltern zu einem so braven und talentierten Sohn. 27. Mai 1926 Anfang Juni singe ich nun wieder die „Jahreszeiten“ – trotz aller Intrigen. In dieser schönen Zeit des Blühens könnte man verzweifeln vor der Gemeinheit der Menschen. Juni 1926 Proben, nichts wie Proben. Sogar für Donnerstag, der eigentlich frei wäre, hat man Generalprobe für die Fragmente angesetzt. – Nun, heute hätte ich eigentlich nach einer Verständigung Lierhammers dem Münchner Intendanten vorsingen sollen, doch wurde das durch eine weitere Nachricht verschoben. Es ist wohl nichts frei draußen, aber vorsingen kann man. Und zwar recht gut, diesmal, bei Lierhammer in der Wohnung. Bin recht neugierig. Freitag nach einem Nachmittag voll angestrengter Arbeit wurde ich noch zum Agenten berufen, sang für Barmen vor, der Herr Generalmusikdirektor fand meine Stimme schön, sogar meinte er, sehr, außergewöhnlich schön, doch wär ich zu jung noch. Hab die Ehre! Soll ich warten bis ich keine Stimme mehr habe! Schrecklich, dieses Vorsingen! Da gehen einem sehr die Idole flöten, wenigstens treten sie in den Hintergrund, – man ist nichts als Ware, so wie Hüte oder Schuhe wird man vorgeführt, eklig! Lauter Lobreden, aber nichts in die Hand. Na, das ist jetzt nur das Vorspiel, das Abgrasen. Das Engagieren geschieht ja erst gegen Ostern! Nun, Angst habe ich keine.
Erste Bühnenschritte Das waren sie also, die ersten Erfahrungen mit dem Vorsingen für Agenten und Intendanten, einem nicht sehr angenehmen, aber leider unverzichtbaren Bestandteil des Sängerlebens. Im Herbst 1926 kommt es zum vorzeitigen Eintritt in die Opernklasse, der dramatische Unterricht beginnt und bringt dem jungen Sänger schon nach zwei
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Semestern die erste große Partie: Er wird den Sarastro und abwechselnd auch den Sprecher in der „Zauberflöte“ bei Aufführungen mit Orchester im Akademietheater singen.
Oktober 1926 Ich habe soviel in der Schule und damit auch daheim zu arbeiten, daß ich schon ganz dumm bin. Ich fühle mich im Dramatischen ganz wohl, nur ist es eine Sammlung von Leuten, die einem einen recht trüben Blick in die Zukunft werfen lassen. Aber wo gibt es nicht Neid, Haß und Falschheit? Jeder Lebensweg ist ein Tanz über Abgründe der Trauer und der Einsamkeit, jeder Weg ist Bauen, bis zum Ziel! Georg Hann, der feine Heldenbariton meines Professors ist für nächste Saison nach München, Nationaltheater engagiert, Anfangsgehalt 10.000 Mark pro Jahr. Das wird auch eine Karriere! 18. Januar 1927 Ich komme tagsüber gar nimmer heim, bin recht angestrengt, ist aber sehr willkommen, weil dann die dummen Gefühle verschwinden. Lierhammer lobte mich gestern recht. Mir geht es außer Husten mit der Stimme herrlich. 16. Februar 1927 Am 19. März singe ich bei Radio Mikrophonprobe, ob meine Stimme paßt! So weit wurde ich trotz Protektion hinausgeschoben. Werde also wahrscheinlich vor Ostern zum Singen kommen. Grosavescu1, ein prachtvoller Tenor, wurde gestern von seiner Frau erschossen, aus Eifersucht! Ein mittelgroßer, starker Mann, 32 Jahre alt! Am Montag hörte ich ihn zum letzten Mal in „Rigoletto“ und er sang so wunderschön und lachte so fröhlich als es bei der Stretta einen ungeheuren Beifall gab! Und gestern war sein Abtritt von der Lebensbühne! Wahrlich, tragisch und dramatisch! 22. März 1927 Hatte gestern mit meinen Pfitzner-Liedern einen sehr sehr schönen Erfolg. Gro1 Trajan Grosavescu, Tenor, italienisches Fach, 1894–1927, seit 1924 an der Wiener Staatsoper.
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ßer Beifall und Lierhammer war außerordentlich zufrieden. Prof. Kattnigg, der bekannte Komponist, begleitete mich wunderbar. Nun sind die Bühnenproben zum „Zauberbaum“ im vollen Gange und die schönen Tage rinnen so vorbei, ohne daß man sich so einmal richtig in die Sonne „batzen“ kann. Mit Lierhammer war ich gestern auf Salvatorbier, habe mich da an den guten Weihnachtsbock erinnert, der besser mundete. Kam erst um 2 Uhr heim, da ich Lierhammer begleitete; er war so nett und freundlich! Marx sprach mich auf dem Gang heute an und gratulierte mir zu meiner Musikalität. So bin ich also recht glücklich und freue mich. 5. April 1927 Übermorgen muß ich, obwohl ich abgelehnt habe, in einem Abend unserer Gesangsklasse im Hotel Imperial singen. Lierhammer ist über die Intrige und Gemeinheit sehr entrüstet und hat sich beim Direktor beschwert! Bin froh, wenn ich einige Tage aus dieser Atmosphäre hinauskomme! Diese Bagage schon in der Schule! 9. Mai 1927 Im „Imperial“ hatte ich den schönsten Erfolg; zu Tisch saß ich mit der Fürstin Göttingen, die sehr nett war und sich recht erkundigte nach unserem Tun. Auch Gräfin Kinsky, der deutsche Botschafter Graf Lerchenfeld, der polnische Gesandte, dann der Wiener Dirigent Prof. Nilius, Manovarda1 von der Staatsoper sprachen lange Zeit mit mir und äußerten sich voll des Lobes über mein Plärren! 19. Mai 1927 Bei Schaljapin2 gab es gestern schreckliche Kämpfe! Bekam, obwohl ich von 1 Uhr bis ½ 7 Uhr abends stand, keine Karte und ergatterte mir dann beim Diener gegen 2 Schilling Trinkgeld im Schleichhandel eine. Schaljapin selbst das größte Erlebnis, was mir von Künstlern beschieden; eine wunderbare Einheit von drei gleichen Sternen: wunder- wundervolle Stimme, technisch, wohllautend, voll, weich wie Butter, ganz wunderbarer Schauspieler und ein ebenso großer Mensch, der dies besonders im Fehlen von Starallüren erkennen ließ! 1 Josef von Manovarda, berühmter dramatischer Bassbariton, 1890–1942, von 1919–1935 an der Wiener Staatsoper. 2 Fjodor Iwanowitsch Schaljapin, berühmter russischer Bass, 1873–1938.
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28. Mai 1927 An die Eltern Ich freu mich, daß Ihr also doch kommt und wahrscheinlich gerade recht zu meiner „Zauberflöte“. Die Aufführungen (drei an der Zahl) fallen gerade in diese Zeit und ich freue mich also doppelt! In der 1. singe ich den Sprecher, 2. Sarastro, 3. Sprecher! Also zu einer werdet Ihr wohl recht kommen! Heute abend sind die Auserwählten Lierhammers Hann, zwei Kolleginnen (eine Türkin und eine Wienerin) und ich mit Lierhammer nach Klosterneuburg in einen Weinkeller zu einem Weingroßhändler geladen! Wir werden von der Schule nach der Probe mit dem Auto abgeholt! Lierhammer freut sich recht und meinte: Das ist ein Mai-Ausflug! Er ist sehr zufrieden mit mir und freut sich, daß die Stimme so voll und stark wird! Und ich bin auch zufrieden! 28. Mai 1927 An die Eltern Ich danke vielmals und recht innig für die 20 Schilling, die mir sehr recht kamen! Denn den Herrn Schaljapin schaue ich doch mehr an, als ich mir zuerst vornahm, so kam dies wie ein Geschenk Gottes. Gestern war ich in der Oper „Palestrina“ von Pfitzner, bin 4 ½ Stunden gestanden! Ganz wundervoll, doch nichts für das breite Publikum! Bei uns gehen nun die Bühnenproben schon los zu „Zauberflöte“, die gerade gegeben wird, wenn Ihr nach Wien kommt! Ich habe am 25. Juni meine letzte Prüfung voraussichtlich! 15. Juni 1927 Ich habe jetzt schon Orchesterproben. Doch ich bin froh, wenn es vorbei ist; diese schrecklichen Intrigen alle Tage, die p.t. Kollegenschaft, wenn man sie sieht, so würgt es Einem im Halse! Im Juni 1927 In die „Zauberflöte“ kommen etwa 20 Bekannte. Für Applaus ist also gesorgt. Ich bin ein wenig nervös, denn es ist doch meine erste große Opernpartie. Gestern war ich zu Frankfurter vorgeladen, dem 1. Agenten, ich könnte nach Wiesbaden und Bitterfeld gehen. Als seriöser und Baßbuffo! – Doch ist’s zu früh und ich habe nicht angenommen! Die Gage zwischen 500 und 550 Mark! Sehr schön zwar!
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22. Juni 1927 Die nächste „Zauberflöte“ ist am 2. Juli! Es sind jetzt wundervolle Tage und ich habe doch nimmermehr so viel zu tun. Mit dem Fechten habe ich noch eine Auseinandersetzung, Musikgeschichte II, Gesangsgeschichte habe ich noch zu erledigen, dann die dramatische Hauptprüfung (Eremit „Freischütz“, Basilio „Barbier von Sevilla“, Leporello „Don Juan“) und bin dann frei. In 14 Tagen bin ich in Salzburg. 24. Juni 1927 Gestern ging es mir recht gut in der „Zauberflöte“, man gratulierte mir gestern und auch heute allgemein. Theo Lierhammer war recht, recht zufrieden und zahlte mir gestern nach der Aufführung sogar ein halbes Pils im Hirschenbeisel! 25. Juni 1927 Ich habe die Prüfung in allen Ehren bestanden. Nun habe ich eigentlich eine schöne Woche vor mir, bis auf die „Zauberflöte“ in acht Tagen. Ich bin so froh und mir ist herrlich zu Mute! 2. Juli 1927 Habe vormittag nun eine Generalprobe hinter mir und abends die Aufführung vor mir. Generalprobe ist gut verlaufen und Dirigent Robert Heger1 ist sehr zufrieden. 4. Juli 1927 Mitzl schickte mir einen wundervollen Strauß Rosen und heulte wie ein kleines Kind vor Begeisterung und Freude über meinen, ich darf ehrlich sagen, großen Erfolg. Lierhammer war halt sehr schwer begeistert. Zwei Kritiken vom 5. Juli 1927 Mozart „Zauberflöte“ Unter den Sängern fiel der bereits recht sichere und würdig gehaltene Sarastro Heinrich Pflanzls auf. Pflanzl sang den Sarastro mit ausgesprochenem Erfolg, der sich in lebhaften Hervorrufen äußerte. 1 Robert Heger (1886–1978), Dirigent, Komponist. Von 1925–1933 Kapellmeister an der Wiener Staatsoper.
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So endet das dritte Studienjahr durchaus erfolgreich. Aber noch sind die finanziellen Probleme für eine Fortsetzung des Studiums in Wien nicht gelöst, wenn auch schon kleine Honorare bei Gastspielen und Konzerten die Situation erleichtern.
20. November 1927 Heinrich Pflanzl von einem Chorgastspiel aus Zürich an die Eltern Endlich komme ich dazu Euch mehr von dieser schönen Fahrt zu berichten. Wir sind 12 Personen mit Dirigent Peterlini. Singen im Capitoltheater teils solistisch, teils im Chor (Damenchor) zu dem Film „König der Könige“, den Ihr ja von daheim aus kennt. Die ersten Tage hatten wir viel Arbeit, viele Proben, seit gestern etwas weniger und heute nun ganz frei. Unter der Woche sind um 3 Uhr und 8 Uhr Aufführungen, Sonntag 3 Aufführungen, wir singen aber nur zwei. Letzten Sonntag, also gestern war ein Radiokonzert in diesem prachtvollen Hause, wir sangen das Doppelquartett aus „Elias“ und den Donauwalzer – hatten stürmischen Erfolg. Nächsten Sonntag (unser Engagement wurde verlängert) auch im Radiokonzert, etwa 2000 Zuhörer, machen wir einen Wiener Abend, zwar am Vormittag zwischen 11 und 12. Ich werde einige Wiener Lieder singen. Bei den Filmaufführungen habe ich einige schöne Soli; mir geht es gut und verdiene auch recht schön! Meine Tageseinteilung war bisher sehr anstrengend! Ab 9 Uhr Proben bis ½ 2 Uhr, Essen, dann 3 Uhr Aufführung, dauert bis ½ 7 Uhr, heim zum Abendessen, um 8 Uhr wieder Aufführung. Dann nach dem Film gehen wir zusammen in den Spatenbräukeller, bleiben bis ½ 1 Uhr, dann heim in die herrliche Pension, in der ich auch ein sehr schönes Zimmer habe. Ich habe natürlich große Freude über diesen Ausflug. Anfang Dezember 1927 Gestern bin ich gelegen, aus dem schönen warmen Wetter Zürichs heraus wieder in das kalte, windige Wienerloch zurück, das warf mich gestern doch nieder. Ich lebe halt immer noch in der großen Freude, die ich hatte und habe, genieße noch den Nachgeschmack. Ich habe mir heute Lackschuhe gekauft, 1 Hemd, Socken und verschiedenes Andere, das macht mich recht glücklich! (Geschrieben mit einer Füllfeder, mein Eigentum!) 6. Dezember 1927 Ich meine, dieses Reisen in fremde Lande und zu fremden Menschen streift vieles ab, was einem sonst im Leben hinderlich wäre. Darunter verstehe ich die Ge-
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wohnheiten eines auch nach außen bescheidenen Menschen; man lernt immer mehr und mehr dieses große Lügen, auf dem unser ganzes Sein sich aufbaut, man durchschaut die Hohlheit der sogenannten besseren Menschen – es gäbe Kapitel darüber zu schreieben, aber es lohnt sich wirklich nicht! 12. Januar 1928 Theateragentur Mertens in Berlin an Heinrich Pflanzl Sehr geehrter Herr, um für Sie tätig sein zu können, müßten wir Sie schon gesehen und gehört haben. Wir stellen Ihnen anheim, zur persönlichen Vorstellung und zum Vorsingen nach Berlin zu kommen. Bühnenleiter, die für nächsten Winter engagieren, werden wahrscheinlich erst nach Ostern oder gegen Pfingsten die Mitglieder verpflichten. – Das Vorsingen auf unserem Büro findet stets am Mittwoch jeder Woche in der Zeit von 1½–2½ Uhr statt. Ein Kapellmeister zum Begleiten ist anwesend. Rechtzeitige Anmeldung (5 bis 6 Tage vorher) ist unbedingt erforderlich. Hochachtungsvoll Otto Mertens Theateragentur. 6. Februar 1928 Samstag hatte ich mit dem Regisseur Dr. Schulbaur einen heftigen Auftritt, so daß ich den „Wasserträger“ zurücklegte. Schulbaur hat einen Liebling, ein gewisser Thaler. Es war schon beim Weihnachtsspiel, in dem Thaler die zwei Lieder sang, die mir bestimmt waren. Bei dem Fragmentabend mit „Entführung“, in dem ich doch einen unbestrittenen Erfolg als Osmin hatte, gab es schon immer Reibereien. Schulbaur wollte die Prosa anders gesprochen haben und ich sagte ihm, daß ich den Osmin so spielen, sprechen und singen werde, wie er an sämtlichen deutschen Bühnen gemacht wird. – Er hatte immer zu schimpfen und nichts paßt ihm. Damals war ich ruhig! – Sogar nach der Fragmentvorstellung schimpfte er noch, obwohl ich nach jedem Abgang einen Sonderapplaus bekam. – Es war eine Kommmissionssitzung, in der der „Wasserträger“ besetzt wurde. Schulbaur schlug Thaler für die erste Besetzung vor, doch die anderen alle einstimmig mich. Also war er überstimmt. Das bekam ich nun zu spüren. Samstag war die erste Probe, Arrangierprobe; alle andern konnten keinen Text, noch musikalisch, machten Fehler selbstverständlich, wie es bei einer ersten Probe eben ist! Nun kam mein Auftritt. Nichts paßte ihm, jeder Schritt, jede Geste war schlecht, kein Wort sprach ich richtig aus, er ließ mich meinen Auftritt immer wiederholen, – dann meinte er, ja, so geht das nicht. Ich war schon ganz zitternd vor Wut, denn ich sah die Provokation und spürte diesen feindlichen Willen.
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Kurz antwortete ich ihm dann: „Gut, Herr Doktor, dann muß ich auf diese Rolle verzichten“, sprang von der Bühne und ging auf meinen Platz. Nun ging die Schreierei zu Ende, Thaler ging freudestrahlend hinauf, sang wie ein Schwein, sprach ebenso und spielte so schlecht. – Aber kein Wort fiel, die Sonne war aufgegangen. Am Schluß der Stunde hatte ich noch einen Auftritt mit Schulbaur, da er mein Benehmen „Starallüren“ nannte, und meinte, ich werde es zu nichts bringen, in einem derartigen gemeinen Ton, daß ich ihm am liebsten ins Gesicht gesprungen wäre. Ich entgegnete ihm: „Bei Ihnen, Herr Doktor, da werde ich freilich nichts, denn was soll ich von Ihnen lernen!“ Meine Kollegen sind alle der Ansicht, daß er mich bewußt gereizt und sekkiert hat und sind alle auf meiner Seite. Ich saß dann daheim, die Bude so kalt und draußen ein Regenabend, es war mir fast zum Heulen. Aber gerade, da spüre ich, daß ich darüber kommen muß, über diese Schurkereien und Gemeinheiten, daß ich meinen Weg gehen werde und all diesem trotzen. Es kostet mir dies zwar immer ein Schock Nervenkraft und mein Neujahr fangt überhaupt gut an, doch will und darf ich nicht den Glauben verlieren, sonst wär’s schrecklich. 9. Februar 1928 Ich habe, Gott sei Dank, über diese Kränkung hinweggefunden. Die Sache harrt noch der Entscheidung, doch ich werde mich sehr sträuben, denn Schulbaur würde sich sehr revanchieren. Wegen der dramatischen Arbeit, da habe ich genügend zu tun, denn ich bin ja noch bei Prof. Markowsky, der ganz neu ist und ein glänzender Lehrer ist. Schulbaur, der schimpfte über meine „Entführung“, Markowsky, der mir am nächsten Tage begegnete, gratulierte mir und war sehr entzückt über meine Leistung. – Ich werde ja noch sehen, wie’s kommt! Ich habe jetzt sechs Fragmente angemeldet, und nun mache ich diese halt bei Markowsky durch, der wenigstens von der Oper etwas versteht, selbst Sänger war und Regisseur, also ein Mann, der oben stand. Und außerordentlich musikalisch ist, beherrscht beinah jede Partie; ich kann schon auf Schulbaur verzichten, aber der Herr Doktor wird schon wieder kommen, denn mich braucht er! Das ist mir das schönste Bewußtsein, daß ich mir sagen kann: du kannst trotz allem etwas und was noch fehlt, ist nur mehr im Alter und in der Routine gelegen. Ich verliere den Mut nicht und steh fest. 11. März 1928 Nun ist der Bursenball auch vorüber, der große Aufregung kostete. Dauerte die
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ganze Nacht und war recht fidel. – Mir geht es gut, ich studiere meine Partien weiter, wieder frisch und munter. Lierhammer hat an die Reichspost geschrieben, da die mich überhaupt nicht genannt, er war über die Sache recht empört. Ich hab’s überwunden und hab Befriedigung in anderem Glück gefunden 29. März 1928 Morgen singe ich im großen Konzerthaussaal in der Matthäuspassion mit Prof. Klenau1 die Baßrezitative (Judas, Pilatus, Petrus, Hohepriester). Es ist nicht viel, aber doch recht schön, einmal nicht als Schüler herauszukommen. Hans Duhan, Rosette Anday, Wilde, Schubertbund, Wiener Singakademie wirken mit. Heute ist öffentliche Generalprobe! Morgen wird die Aufführung durch Radio übertragen, Beginn ½ 8 Uhr. 18. Mai 1928 Ich habe soviel zu tun, komme zu gar nichts, eine neue Orchesteroper wird einstudiert, „Lustige Weiber“, in der ich eine der größten Partien, den Falstaff, singe, bei Markowsky. Über ein paar Tage muß ich ein paar Sachen lernen. Am 26. ist Lierhammerabend im mittleren Konzerthaussaal, da muß ich mir den Frack ausleihen, kostet mich 8 Schilling. Habe die Ehre! 25. Mai 1928 Trotz Ferien haben wir „Lustige Weiber“, Samstag und Sonntag Proben. Ich bin sehr müde, heute Proben 9–½ 3 nachmittag, dann Gesangstunde bei Lierhammer gehabt, so geht es dahin. Singe die zweite Besetzung nun auch; es wird gerüchteweise verlautet, daß es möglich ist, daß die eine Aufführung durch das Radio geschickt wird. Aber ich glaub nicht daran. Da ich zu sehr angestrengt bin, hat man mir die zweite Aufführung verlegt auf Dienstag, 11. Juni. Sonntag singe ich in Messe bei Peterlini. Sonst werde ich mich in die Sonne legen und schlafen. Ah, wie freue ich mich darauf. 30. Mai 1928 Pfingsten habe ich übertags bei Mitzl verbracht, hab in der Kassa geholfen und so ist es fast zu schnell vergangen. In der Großstadt sind solche Feste nicht so her1 Paul von Klenau (1883–1946), dänischer Komponist und Dirigent.
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vorzuheben. Seit gestern sind wieder die Proben im Gange. Mir geht es stimmlich trotz der vielen Anstrengung recht gut, habe von den ersten Wiener Agenten Zuschriften bekommen, wegen Engagements, – also, nächstes Jahr um die Zeit, Gott wie bin ich froh. Jetzt geht es zur ersten Bühnenprobe mit Orchester. Morgen sing ich wieder in der Maiandacht. 13. Juni 1928 Die gestrige Aufführung war herrlich, besser als die erste. Ich freu mich schon so auf die Radioübertragung. Bin nur heute sehr zusammengeklappt, mit Nerven, da es doch eine Anstrengung kostete, durchzuhalten. Werde mich jetzt nun oft in die Sonne legen, denn es sind nur mehr ein paar Proben zu der letzten Aufführung. Sonst geht es mir gut und ich bin mit dem Schluß des heurigen Jahres sehr zufrieden. Nächstes Jahr um diese Zeit habe ich schon die Staatsprüfung und hoffentlich auch ein Engagement! Neue Freie Presse vom 18. Juni 1928 Nicolai „Lustige Weiber“ Anfangs in Falstaffs Gigantenrecht nicht sehr zu Hause, später aber lustig und charakteristisch, vom Trinklied an mit schöner, nobler Tongebung singend und ganz vortrefflich im Duett mit dem Bariton. Tages-Post vom 19. Juni 1928 Als Falstaff zeigte Heinrich Pflanzl (Sohn des Dialektdichters) außergewöhnliches Talent für Spielkomik. Köstlich seine schwerfällige Rundlichkeit; hin und wieder mischten sich begreiflicher Weise auch „schlanke Bewegungen“ ein. Sein wohliges Baßorgan (bei Dr. Lierhammer ausgebildet) behandelt er geschmackvoll. Neues Wiener Abendblatt vom 22. Juni 1928 Heinrich Pflanzl nach Überwindung anfänglichen Unbehagens ein sehr gelungener, sympathischer Falstaff mit Haltung und auffallend edler Tongebung. Er hatte seinen Höhepunkt in der unverwüstlichen Duoszene mit dem Bariton Dr. Alfred Poell. 25. Juni 1928 Alle gratulieren mir und reden von meiner großen Karriere. Na, es soll mir nichts schaden.
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28. Juni 1928 Lierhammer strahlt im vollsten Licht der Freude. Ich werde wahrscheinlich englische Schüler und Schülerinnen bekommen in Salzburg für Gesangsunterricht, da ich Lierhammer assistieren soll. 6. Juli 1928 Dr. Theo Lierhammer an den Vater Otto Pflanzl Heini hat sich ganz besonders entwickelt im letzten Jahr und erzielte namentlich als Falstaff einen grandiosen Erfolg. Ich habe oft Ihrer gedacht und bedauerte unendlich, daß Sie und Ihre Frau nicht Zeugen dieser Vorstellungen sein konnten; es wäre für Sie sicher eine große Herzensfreude gewesen. Ich bin nur froh, daß Ihr Sohn noch ein Jahr hierbleibt, hoffentlich gelingt es, ihn recht gut unterzubringen – davor ist mir nicht bange.
Das letzte Studienjahr 10. Oktober 1928 Ich gehe Ende Oktober nun fest auf die Suche, gebe eventuell eine Annonce hinein und finde schon etwas. Ich singe nun voraussichtlich „Schöpfung“, dann in Opern „Macht des Schicksals, „Don Juan“ (den ganzen mit Klavier), „Figaro“ I und II, „Margarethe“ (den Mephisto, eine feine Arbeit) – also genug, um arbeiten zu können und zu müssen. 15. Oktober 1928 Meine Verkühlung ist ganz natürlich, denn es ist ja so kalt in Wien und alles ist verkühlt. Warum da nicht ich? … Vormittag war ein Riesenaufmarsch der völkischen Verbände, Heimwehr, Frontkämpfer, Hitlertruppen, alles stürmisch begrüßt und bejubelt von den wankelmütigen Herzen der Wiener. November 1928 Freitag hatte ich einen sehr schönen Erfolg, als Frosch in der „Fledermaus“ hatte ich nach jedem Abgang Applaus. Jetzt geht es schon wieder mit neuen Fragmenten dahin. Heute war Generalprobe wegen Schubertfeier. Da werden keine Karten ausgegeben, nur Eingeladene. Am Fragmentabend waren mehrere Agenten auch bei mir und wollen sich nun auch einsetzen. Es braucht halt alles seine Zeit.
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Und viel Mut braucht man, um so Manches aushalten zu können. Leichter habe ich es mir vorgestellt in diesem Beruf, aber gerade das Widerwärtige reizt einen zu neuer Tat. 19. November 1928 Habe die Feiertage sehr verfaulenzt, im Fragmentabend sehr großen Erfolg gehabt, heute eine Schubertfeier im Sterbehaus mitgemacht. Tränen hatte ich in den Augen, eine solch schöne Feier. Nun bin ich heimgegangen und habe für mich Schubert gefeiert und die „Winterreise“ durchgesungen. Freitag singe ich in der offiziellen Feier unsrer Schule (Gruppe aus dem Tartarus). 13. Dezember 1928 Dieses letzte Jahr ist sehr anstrengend. Die Arbeit allein wär es ja nicht, es macht auch viel, was so nebenbei an Nervenaufwand geschieht. Im Januar 1929 Wurde durch eine Expreßkarte zum Agenten Lanik gebeten. Mußte ihm drei Revers unterschreiben, daß er nun allein für mich arbeiten darf und zwar Frankfurt, Köln oder Breslau. – Überall als erster Baßbuffo. Frankfurt ist am sichersten vorläufig, was mir ja auch am liebsten wäre. Habe die Briefe gelesen, worin eben Frankfurt auf mich weist, Lanik soll mich vorläufig sichern. Dann geht es plötzlich sehr schnell und schon ist der Vertrag unterschrieben: als Anfänger an das Stadttheater Bern.
12. Januar 1929 Vater Otto Pflanzl an seinen Sohn Heinrich Mein lieber Heini! Soeben hat mir Mutter telephoniert, daß Dein Engagment nun vollzogene Tatsache ist und das Schifflein nun bald den Stapellauf feiern wird, mög ihm immerdar eine ruhige See beschieden sein und Stürme von ihm ferne halten, so daß es einst in einen ruhigen großen Hafen einlaufen kann, wo es sich mit den anderen großen Weltmeerschiffen messen kann, dies wünscht Dir vom ganzen Herzen und aus tiefster Seele Dein Dich mit väterlicher Sorge umgebender „Voda“. Bern ist ja eine sehr schöne und herrliche Stadt und hat sehr reiche PatrizierHäuser, die kunstverständig und kunstempfänglich sind. Das Gehalt spielt ja
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im Anfange nicht die größte Rolle, sondern die Möglichkeit, daß Du Dich angenehm gut einspielen kannst und dadurch auch den anderen künstlerischen Nebensächlichkeiten in bildender Hinsicht Vorschub geleistet wird. Nun mein lieber Heini, gib ich Dir meinen aufrichtigen, innigen und herzlichen Segen auf all’ Deine Wege in der Dir noch rosig winkenden Zukunft. Es grüßt Dich herzlichst Dein Vater. Ende Januar 1929 Der heutige Fragmentenabend mit „Don Juan“ brachte mir einen sehr großen Erfolg. Nach der Registerarie, die ich in glänzender Verfassung sang, hatte ich einen noch nie erlebten Beifallssturm! Habe große Freude! Wir sind dann noch bei Kammersängerin Förstel1 auf einen Schwarzen eingeladen. Förstel sagte: „Bravo, bravo, bravissimo! Sie wissen ja selbst nicht, wie gut Sie waren.“ Von allen Seiten viel Lob und höchste Anerkennung! Ende Januar 1929 An den Vater Hab vielen großen Dank für Deine Liebe! Ich habe Deinen Brief und das Geld erhalten und sage halt vielen Dank nochmals! Mir schwindelt, wenn ich so zusammenrechne, was das alles kostet und ob ich denn das verdiene? – Bin seit einigen Tagen leicht angegrippelt, doch zum Niederlegen noch kein Grund! Mehr Katarrh, denn wie sollte man bei diesem Wetter auch ohne ihn leben. Es ist zu schrecklich! … Gott sei Dank vergeht die Zeit so schnell und der grausige Winter ist bald fort und es wird für alle Menschen wieder mehr Lust sein und Fröhlichkeit! So werden es heuer ja mein letzten Ferien sein, dann ade, liebe Kinderzeit und Jugend; wie weh fühle ich das jetzt schon. So, wenn man besonders nimmer das urteilslose Denken hat und überall von den Menschen Feindseligkeiten erwartet! Es ist so grausig in die Faustkampfbahn gestoßen zu werden. Und der Schwächling unterliegt nicht immer, wenn er listig ist und verschlagen! Ich habe wieder viel neue Opern zu lernen, angefangen zu wiederholen und so gibt es immer Arbeit bis Mitternacht! 1. Februar 1929 Nun hat mich schon ein zweiter Agent aufgesucht wegen Verhandlungen mit deut1 Gertrude Förstel (1880–1950), Sopran, führende Mozart- und Mahler-Interpretin ihrer Zeit.
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schen Bühnen, nach Bern. Das ist doch lustig. Ein jeder kommt und sagt: „Na, Sie brauchen sich vor der Zukunft nicht zu fürchten.“ – Ein ehemaliger Kollege, der vor drei Jahren aus der Akademie engagiert wurde nach Breslau um 250 Mark, im dritten Jahr 340 Mark, ist jetzt nach Wiesbaden (das mich, weil ich Anfänger bin, ablehnte) engagiert worden auf drei Jahre zu 1000, 1150, 1500 Mark, fein. Solche Sachen trösten mich immer und ich habe nun gar keine Angst vor dem Zukünftigen. 5. Februar 1929 Ich bin nun nicht mehr kopfhängerisch, – gestern wurde in der Schule wieder vorgesungen, niemand engagiert, ja, es ist nicht so leicht unterzukommen. Meinen Agenten traf ich gestern, der erzählte mir, daß Zürich sich erkundigt habe, ob ich für „nach Bern“ schon ein Re-Engagement habe, sie würden sich für mich interessieren; eventuell nach Zürich würde ich schon gehen, dort gibt es ganzjährige Verträge, und es ist für große deutsche Bühnen das Sprungbrett. Ich fahre, – wenn ich gesund bleibe und das Glück immer so bei mir bleibt – in die offene Welt mit Freuden! Im Februar 1929 Gottselige Sonntagsruhe ist um mich. Nach einer solchen Woche der Arbeit doppelt schön und wertvoll. So sitze ich daheim nachmittag, weil ich ja zu arbeiten habe an neuen Sachen. Der Osmin für die Orchesteroper „Entführung“ sitzt nun fest und ich habe keine Angst davor, außer die, daß ich schlecht bei Stimme wäre, denn das ist die heikelste Baßpartie. Geht bis zum tiefen D und hinauf bis zum F. Es ist möglich, daß ich auch die dritte Vorstellung singe, die nach Ostern stattfindet, wenn sie nicht mit der „Passion“ zusammenfällt. Ich habe sehr abgenommen, nach der Wage 4 Kilo, sehe aber noch beruhigend aus. Die Partie des Osmin ist auch spielerisch sehr anstrengend und ich bin nur froh, daß ich mich halbwegs trainiert habe, da ich bisher alle Proben machen mußte und der zweite Osmin noch nie probte. Ab morgen beginnen die Bühnenproben mit Orchester schon, der Dirigent ist sehr zufrieden, bei der letzten Probe, die wir mit Orchester ohne Bühnenprobe hatten, meinte er, nachdem ich die erste Arie gesungen „Na, Sie sehen wir in einigen Jahren sicher wieder in Wien“. Zu Lierhammer machte ich in einer Probenpause einen Sprung hinauf in die Klasse, da meinte er: „ Ja, was wollen’s denn, lieber Pflanzl, bei mir noch lernen?“ So bringen einem diese guten Worte immer noch mehr Licht; ich bin recht froh um mein Können.
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27. Februar 1929 Es liegt viel Schnee. Habe scheußliche Kopfschmerzen und Schnupfen, lege mich heute nieder nachmittag und werde mich pflegen. Morgen ist Sonntag. Im Tagblatt von gestern, 25., steht: „… der Lierhammer-Matador Pflanzl, der als Leporello seine Umgebung weit überragte“. 1. März 1929 Heute war ich bei einem deutschen Agenten, der in Berlin von mir hörte und der sich auf mich freute; er verschob die schriftliche Verständigung immer wieder bis auf seine Wiener Reise. Er will nun mit mir gleich wegen der Zeit „nach dem Berner Jahr“ verhandeln und sagt, ich darf ja nicht für ein zweites Jahr in Bern abschließen. Ich könnte dann sehr gut in Deutschland mit einem ganzjährigen Vertrag unterkommen, auch finanziell sehr gut. Obwohl er mich nicht singen hörte, war er ganz besessen. 6. März 1929 Weil der Regisseur, Professor Markowsky, einen Konflikt mit dem anderen Osmin hatte, muß ich nun am 15. und 18. singen, also zweimal hintereinander. Hab nun alle Proben mitzumachen, alle zwei Besetzungen. Diese wahnsinnige Anstrengung, die eigentlich ein wenig über meine Kräfte geht, macht mich sehr nervös. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, sollte nun schon studieren wegen Staatsprüfung. Wo die Zeit hernehmen: bin schon ganz blöde. Amtliche Wiener Zeitung vom 17. März 1929 Mozart „Entführung“ Eine überragende und nach jeder Hinsicht bemerkenswerte Leistung war der Osmin Heinrich Pflanzls. Ein Baß von Fülle, Kraft, Klang und Ausdruck. Der junge Künstler macht seinem Meister Dr. Lierhammer alle Ehre. Daß er ein vortrefflicher und heute schon sehr gewandter Darsteller ist, kam natürlich der Gesamtwirkung sehr zugute. Wiener Journal vom 17. März 1929 In einer recht gelungenen Aufführung fiel vor allem der Osmin auf, von einem jungen Bassisten gesungen, der den urwienerischen Namen Heinrich Pflanzl trägt. Man hörte eine nicht starke, aber sehr umfangreiche Baß-Stimme, die in den tiefsten Registern noch Klang hat und auch gegen die Höhe hin voll geführt wird.
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21. März 1929 An die Eltern Ich will Euch noch einmal recht innig danken, daß Ihr mir die große Freude bereitet habt, daß Ihr gekommen seid. Ihr habt gesehen, daß ich Euch keine Schande mache und die Wiener Jahre nicht in Bars verludert habe, sonst wäre ich nicht so weit heute! 21. März 1929 Otto Pflanzl an seinen Sohn Heinrich Du hast mich gefragt, wie ich mit Deinen Darbietungen zufrieden war, was sollte ich da sagen, ich könnte Dich höchstens mit beiden Händen an mein Herz drücken und Dir für die viele Freude, die uns Dein zielbewußtes Studium gemacht hat, innigst zu danken, es ist dies wohl für meine alten Tage die schönste Freude und nun wünsche ich Dir für Dein Beginnen in Bern in meinem und im Namen Deiner lieben Mutter die gleichen Erfolge, wie Du selbe in Wien eingeheimst hast, dies walte Gott! Dein D. v. g. H. g. m. Vater 20. April 1929 An die Eltern Wollte wegen Überlastung „Rosenkavalier“ abgesetzt haben, doch Markowsky läßt mich nicht weg. Die meiste Sorge macht mir Staatsprüfung, die ich doch Euch zuliebe machen möchte, ich kann kein anderes Fach besuchen, noch weniger andere Dinge studieren. Habe gestern den Berner Direktor getroffen, der mich in der Akademie suchte und mir mein Repertoire bekannt gab. Den „Jonny“ („Jonny spielt auf“) werde ich auch singen müssen. Mein Kopf ist voll und ganz blöd schon bin ich. 27. April 1929 Sonnabend, Gott sei Dank, ein bißerl Rast. Arbeit und Ärger. Schulbaur macht mit mir wohl aus Liebe wieder ähnliche Geschichten wie beim „Wasserträger“. Gott sei Dank habe ich nicht nötig, mich sekkieren zu lassen. Thaler singt den 1. „Wildschütz“ und ich soll den 2. singen. Ich sagte, wenn ich nicht den 1. singe, dann singe ich aus Gefälligkeit den 4. (letzte Vorstellung). Natürlich großes Geschrei. Ich war aber ruhig und habe ihn schreien lassen: „Wer sind Sie denn schon, Herr Pflanzl!“ und so weiter: „Was bilden Sie sich ein? Diese Starmanieren.“ Ich lachte recht herzlich dazu, sprach kein Wort. Der Grimm stieg. Aber er schrie sich aus und gab dann Ruhe. Na, ein Monat noch, dann ist es so ziemlich vorbei mit allem Schulsein, – aber auch mit allem Schönen, das die Jugend, die
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Schulbank doch wieder gibt. Man wird direkt „maulhenkolisch“. Ich arbeite täglich von 9 bis 7 Uhr abends mit einstündiger Mittagspause! Ich bin noch immer ratlos wegen der Staatsprüfung. Nächste Woche ist Sitzung darüber. Angemeldet bin ich einstweilen. 10. Mai 1929 An den Vater Wegen der Staatsprüfung ist es so: Ich mach mir keine Sorgen wegen der Prüfungen, sondern deshalb: daß ich die Prüfungen machen kann, muß ich doch die Stunden besuchen und das kann ich nicht, weil ich Proben habe. Denn der betreffende Professor sagt dann: Ja, Sie waren ja nie bei mir. Es ist das schon so herrlich eingeteilt hier in der Akademie, daß man das nicht machen kann, wenn man ein „beschäftigtes“ Mitglied der Opernklasse ist. Schüler, die eben nur Gesang besuchen, haben das leicht, denn die haben dazu Zeit. Da ich aber zwei Hauptfächer habe: Opernschule und Gesang, so läßt sich das recht schwer decken. Ich sitze auch heuer nur so in der Patsche, weil ich sehr viel in Opern gearbeitet habe und weil mir das wichtiger schien und ist, für meinen Beruf mich vorzubereiten, Partien zu studieren als in endlosen Nebenfachstunden herumzusitzen und theoretische Kenntnisse erwerben, die man in der Praxis nicht brauchen kann. Du nimmst einen falschen Standpunkt ein, Vater. Du glaubst mir nicht. Ich sage nur, hätte ich nicht in den fünf Jahren in den anderen Fächern so entsprochen auch, wäre ich nicht heute im sechsten Jahrgang der Akademie, nicht? Und mir ist halt die Arbeit der Opernschule wichtiger gewesen. Ich tue jetzt ja mein Möglichstes, Vater; ich verkenne nicht, daß Du es ja nur gut meinst. Nur weiß ich halt in dem Falle von der Wertlosigkeit des Zeugnisses, da mich kein Direktor darum fragt. Und ich kann auf Grund einer einjährigen Bühnentätigkeit an jede Schule gehen. Und einmal Lehrer an der Lehrerbildungsanstalt werden, dazu kann ich als Sänger technisch zu viel, um mein Wissen, mein erworbenes Wissen so „verwerten“ zu müssen. Du mußt denken, Vater, daß ich doch sonst nicht ein Mensch bin, der auf alle Ratschläge pfeift oder sich nichts sagen läßt. Aber ich bin doch mehr in dem Beruf stehend und muß mich doch auskennen glaub ich, nicht? Ich glaube, Vater, wenn mir nur „Fechten“ glückt und „Rhythmische Gymnastik, II. Kurs“, daß ich die Staatsprüfung mach. Ich mach sie nur dann wirklich Dir zu Liebe, Vater, denn tatsächlich hat sie ja keinen Wert für mich!
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Mai 1929 Von dem bekannten Photographen Fayer habe ich eine Einladung bekommen zu einer Gratisaufnahme, ich gehe natürlich diese Woche hin. Im Konzert hatte ich einen sehr schönen Erfolg, wurde 6x hinausgerufen. Lierhammer meinte: „Na, Sie sind ja auch einer meiner Stars“. Es war in allem ein großer Erfolg. Am 3. Juni ist „Rosenkavalier“, 7. Juni „Wildschütz“. 2. Juni 1929 Ich bin in etwas nervöser Stimmung; habe morgen das Schwerste zu singen, das ich bisher hatte: den Ochs im „Rosenkavalier“. Die Proben sind sehr gut verlaufen, auch die Generalprobe war schon ein Erfolg. Markowsky strahlt. Er sagte mir, als ich ihn fragte, wie er zufrieden sei: „Über alles Lob erhaben. Wunderbare Leistung. Schaun Sie nur, daß sie im Engagement den Ochs bald singen, dann sind Sie ein gemachter Mann.“ Na, hoffentlich geht’s morgen gut. Morgen wäre Termin für die Nebenfächerprüfungen. Konnte aber nicht die Zeit finden für die Prüfungen. Werde sie jetzt halt angucken und mir die nachträgliche Erlaubnis schon holen. 21. Juni 1929 Also gestern mit Erfolg Abschied genommen von der ersten Bühne, die ich betrat. Habe den 2 Garderobiers je 2 Schilling gegeben, weil sich das gehört, den Theaterarbeitern 5 Liter bezahlt, da man mir die ganze Zeit mit Nettigkeit und Liebenswürdigkeit, Arbeitswilligkeit entgegenkam. Also, mit Fechten ist es vorderhand nicht besser. Wenn er nicht nachgibt, dann kann ich wegen diesem einen Nebenfach die Prüfung nicht machen. Ich hoffe aber sehr noch zu meinen Gunsten. Muß 45 S Prüfungstaxe zahlen, was mir die Freude natürlich sehr nimmt. Mein Programm habe ich fertig und bin ich bereit zu singen und zu singen. Heute habe ich letzte Stunde bei Lierhammer. Sehr wehmütige Gedanken. Ende Juni 1929 An die Eltern Nun sind die Tage aus. Die Tage des Unbekümmertseins; alle Last und Verantwortung rollt nun von Euren Schultern, die müde geworden sind, und den Weg gehe ich nun selber. Ich fühle keine Sentimentalität noch Rührung, denn beides sind verlogene Gefühle. Ich blicke zurück und bin stolz, daß ich bestand. Nicht in dem,
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was Zeugnis an Reife verleiht, ruht dieser Stolz. Sondern im Bewußtsein, jetzt vortreten zu können, gearbeitet zu haben, eine Stufe der Stiege erklommen zu haben. Aber all das ruht wieder in Euch. Eure Arbeit, Euer Leben gab mir das alles und dafür hab ich nichts als so einen recht schlichten, tiefen Herzensdank. Ich danke Euch für alle Jahre, für die Jahre der Kindheit, für die Jahre der Jugend, des Studieren-Dürfens, für alles: danke schön. Und ich wünsche mir nur nun zum Singen zu eilen; Euch damit zu zeigen, daß Eure Hand und Eure Liebe einen Menschen von Wert erzog. In diesem Ausblick nehme ich von Euch, Ihr letzten, schönen Tage, des frohen Seins, der sorglosen Daseinsfreude, Abschied. So wie der erste Gruß aus Wien Euch galt, liebste Eltern, nehmt nun den letzten auch von hier. 3. Juli 1929 Der szenische Leiter der Opernklasse an Otto Pflanzl Es hat mir ein aufrichtiges Vergnügen bereitet, mit Ihrem Sohn künstlerisch arbeiten zu können – seine ganz ungewöhnliche Begabung und sein charmantes Wesen werden ihm stets die vollen Sympathien seiner Vorgesetzten einbringen und seine Karriere so gestalten, daß Sie noch große Freude an dem prächtigen Sohn erleben werden. Dies wünscht von Herzen Ihr Markowsky Die Studienzeit ist zu Ende und 35 Jahre später fasst mein Vater seine Erinnerungen an diese Jahre noch einmal zusammen
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1959 Es war eine wunderbare Zeit! Rotenturmstraße, Lugeck, Sonnenfelsgasse – Ecke Schönlaterngasse, da war’s. – Und dann der „vierte Rang“ in der Oper! Das Anstehen vor Beginn, das Raufjagen über die vielen Stiegen, bis man dann vorn gelandet war, am Eisengeländer. Von dort ging der Blick steil runter, aber was konnte das Ohr alles hören! – Weit, weit liegt das zurück – und so Vieles, was man noch hätte sehen können, lernen, das bleibt für immer verloren. Man war halt auch ein bissel arm, mit zwei Knickerbockern und einem dunklen Anzug drückt es sich schon aus, daß es nicht leicht war. Ach ja, ein kariertes Sportjackerl hatte ich auch noch. Und wenn man einen strahlenden Herbstsonntag im Wiener Wald durchwandert hatte, konnte man ja abends zur Frau Schwester gehen, zur Mitzl, und sich das Bäuchlein vollschlagen. Was hat sie mir damals geholfen, weiß Gott. Und ein Stück Wurst, das ich oft eingesteckt bekam, wurde dann in der Burse aufgeteilt. Es war eine gute Zeit, eine sehr gute!
Das Vorbild Richard Mayr Ein Salzburger und ein Henndorfer sitzen im Stieglkeller-Biergarten in der Festungsgasse. Es ist ein herrlicher Sommertag und so genießt man im Schatten der Kastanienbäume den Blick auf die Stadt – und das herrlich kühle Bier. 17 Krügel werden es innerhalb von zwei Stunden, begleitet von jeweils zwei Portionen Schweinsbraten. Als dann um 12 Uhr die Salzburger Kirchenglocken zu läuten beginnen, da meint der Henndorfer: „So, und jetzt is Zeit zum Mittagessen gehen!“ Der Henndorfer, das ist natürlich Kammersänger Richard Mayr, der ja, genau genommen, auch ein Salzburger ist. Er wurde 1877 im Gablerbräu, dem Haus seiner Eltern in der Linzer Gasse geboren. Seine Mutter allerdings stammte aus Henndorf, aus dem Bräugasthof des Kaspar Moser II., dessen jüngste Tochter sie war und so wird Henndorf schon für den jungen Richard Mayr zum Ferienparadies und schließlich zum Mittelpunkt seines bewegten Lebens. Wann immer es seine Tätigkeit an der Wiener Staatsoper und in der ganzen Welt erlaubt, kommt er zurück nach Henndorf. An diesem Sommertag also zur Zeit der Festspiele sitzt er mit dem 25 Jahre jüngeren Musikstudenten Heinrich Pflanzl beim Bier. Man kennt sich seit vielen Jahren, die Freundschaft zwischen beiden Familien beruht vor allem auf der gemeinsamen Liebe zur Musik und zum Gesang. Als sich der junge Heinrich sängerisch besonders begabt zeigt, darf er Richard Mayr vorsingen. Die Mutter notiert damals:
8. September 1923 Tagebuch der Mutter Wir trafen Direktor Kiener und Richard Mayr mit Hofstätter, der auch beim Theater ist. Heini muß ihm vorsingen. 11. September 1923 Heini hat dem Kammersänger Richard Mayr vorgesungen, die Arie des Sarastro aus der „Zauberflöte“. Mayr lobte Heinis Stimme sehr, er hätte viel Material, aber bis jetzt keine Schulung. Er müßte einen tüchtigen Lehrer bekommen, daß man ihn nicht verpatzt.
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Richard Mayr empfiehlt das Gesangsstudium in Wien und kümmert sich um den jungen Studenten. Dessen Tagebuch ist voller Erinnerungen an die Familie Mayr.
12. November 1924 Heinrich Pflanzl in Wien Habe von Frau Richard Mayr 6 Konzertkarten geschickt bekommen für verschiedene Konzerte; war Samstag vormittag bei ihr; sie war so reizend, daß ich große Freude hatte. Bekam auch noch von ihrem Mann ein Schreiben für den Rektor mit wegen Befreiung vom Schulgeld. 26. November 1924 Hörte gestern die IX. von Beethoven mit Richard Mayr und leistete mir einen Stehplatz zu 10.000 Kronen. Es war mehr als wunderbar. 10. Februar 1925 Sonntag war ich im Redoutensaal in „Figaros Hochzeit“ (1. Reihe), fein. Mayr war ganz hervorragend gut. 15. Oktober 1925 Gestern nachmittag war ich bei Frau Kammersänger Mayr und bekam für abends eine Karte. Sie war ganz selten lieb und wird mich auch demnächst zu einem Abend einladen, den sie gibt. – Ich hörte „Bastien und Bastienne“, „Barbier von Bagdad“, Mayr war so fabelhaft wie immer, aber noch nie hörte ich seine Stimme in dem Ausmaße, in dieser Schönheit wie gestern. Ich schlich so heim und dachte mir: „O ja, o ja! Da bleib ich meiner Lebtag ein Stümper“. Denn ich finde das unerreichbar, eine so herrliche Leistung, daß man mit seinem noch fertigzustellenden Können ganz klein wird, so sehr klein. 29. Oktober 1925 Vorgestern war ich wieder in der Oper, von Mayr Sitz bekommen, „Boris Godunow“, die neue Oper mit wunderbarer Ausstattung. 11. Juni 1927 Am Samstag und Sonntag ist in der Oper „Parsifal“! Mayr singt den Gurnemanz.
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21. April 1928 Bin Montag eingeladen bei Frau Mayr zum Abendessen, der kleine Schneiderhan kommt auch hin, der Geiger. 5. Oktober 1928 Heute gehe ich in Richard Mayrs Konzert, habe 4 Karten bekommen von Frau Mayr. 13. Oktober 1928 Mayrs Konzert war ein fabelhafter Erfolg, wie auch der letzte Abend („Goldenes Kreuz“), ein Sturm war, Taschentücher wurden geschwenkt, ein „Mayr“-Rufen durchbrauste das Haus. In den „Wiener Neuesten Nachrichten“ stand: „Mayr hatte einen Erfolg, um den ihn Tenöre beneiden könnten“. Frau Mayr ist nach dem Konzert am 5. weggefahren, Mayr sofort am Montag nach der Oper nach Bremerhaven. Ich war ja Freitag vor dem Konzert noch dort und habe mich glänzend unterhalten. Frau Mayr war so lieb und sagte auch, ich soll ihr ja nach Amerika berichten und schreiben. 7. Dezember 1928 Frau Mayr schreibt aus New York Lieber Herr Pflanzl, lese eben in der Zeitung, daß Sie bei einem Schubertfest mitgewirkt haben. Das freut mich sehr! Ende Januar bin ich in Wien, hoffe Sie dann bald zu sehen. Herzlichst M. Mayr 5. Februar 1929 Gestern war ich bei Mayr, nachmittags, und habe lange mit Herrn und Frau Mayr geplaudert. Mayr ist sehr entzückt über mein Engagement nach Bern, ein sehr schöner Anfang, besonders weil das Publikum dort das feinste und schwerste ist, daher nur gute Kräfte engagiert werden. Frau Mayr meinte, nun dann gehen Sie einige Jahre noch nach Deutschland, bis dorthin hört mein Mann zu singen auf, dann gehen Sie als sein Nachfolger an die Wiener Staatsoper? Und Mayr meinte, als er mich fragte wieviel Partien ich habe, na, da können Sie einmal recht schön einspringen für mich, z. B. als Leporello. Das sind lustige Reden. 5. Juni 1929 Ich hab gestern einen Bombenerfolg gehabt mit meinem „Ochs“. Richard Mayr
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war im Theater, ohne daß ich es wußte, weil er mir sagte, daß er in Karlsbad sei. Ich hatte natürlich große Freude. Hab ihn leider noch nicht gesprochen. Er klatschte sehr begeistert. Überhaupt ein Beifall comme il faut. Ich bin sehr froh darüber und freu mich sehr. 10. Juni 1929 Gestern war ich im „Rosenkavalier“, bekam von Mayr, der das letzte Mal in dieser Saison sang, zwei Sitze. Ich werde nun schon langsam Abschied nehmen müssen. Es geht also nach Bern in das erste Engagement und es heißt Abschied nehmen von der Studienzeit, von Wien und von der Familie Mayr. Aber der Kontakt bleibt erhalten.
11. Februar 1930 Heinrich Pflanzl in Bern Von Richard Mayr bekam ich ein großes Ochs-Bild mit der Widmung: „Ich hab halt ein lerchenauisch Glück, daß ich in meiner Rolle als „Ochs“ einen solchen Nachfolger habe, wie meinen lieben Landsmann Heinrich Pflanzl! In Freundschaft gewidmet von Richard Mayr“. Hab eine Wolkenkratzerfreude damit. 2. November 1931 Übrigens soll Richard Mayr über mich bei Clemens Krauss1 eine „ganz erstklassige Auskunft“ abgegeben haben, schreibt mir mein Agent. Das ist doch nett von ihm. Nach langer, schwerer Krankheit stirbt Richard Mayr am 1. Dezember 1935 in Wien. Kurze Zeit später schickt „Frau Kammersänger Richard Mayr“ ein großes Paket mit Teilen der privaten Bühnenkostüme von Richard Mayr, vor allem aus dem „Rosenkavalier“, nach Breslau.
11. März 1936 Die Sachen von Richard Mayr habe ich in tiefer Empfindung in die Hand genommen und werde sie als schöne, bedeutungsvolle Erinnerung bewahren.
1 Clemens Krauss (1893–1954), Dirigent, Operndirektor in Wien, Frankfurt, München.
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Das Vorbild Richard Mayr
Diese wertvollen Erinnerungsstücke sind dann leider am 13. Februar 1945 in Dresden verbrannt, aber für meinen Vater ist der große Richard Mayr immer das bewunderte Vorbild geblieben. Die Geschichte von den beiden Herren beim Bier im Stieglkeller hat er immer wieder gerne erzählt. Ob es damals wirklich „17 Krügel“ waren? Verbürgt ist dagegen ein Satz Richard Mayrs, der für den jungen Sänger zum Lebensmotto wurde: „Bua, merk Dir was, der Hals, der Kopf, der nutzt Dir nix, wann net das Herz dabei ist.“
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Das erste Bühnenjahr Im September 1929 verlässt Heinrich Pflanzl Österreich, um sein erstes Engagement im Ausland anzutreten. Der Wechsel von Wien nach Bern ist zunächst der Schritt in eine andere, eine neue Welt. Es ist die Zeit der Weltwirtschaftskrise, die ja auch in Österreich zu politischen Unruhen geführt hatte. Aber davon spürt man in der neutralen Schweiz noch nichts. Wenn mein Vater später von seinem ersten Bühnenjahr in Bern erzählt, beginnt er jedes Mal mit der eindrucksvollen Schilderung der Auszahlung seiner ersten Gage. Nicht etwa, weil die so hoch gewesen wäre, da schienen ihm wohl eher die 40 Franken, die für die Steuer abgezogen wurden, als zu hoch. Aber einen Teil erhielt er damals in Gold ausbezahlt (es gab Goldmünzen zu 10, 20 und 100 Franken), in richtigen Goldstücken, und das war für ihn ein unvergessliches Erlebnis. Gerade noch als Student mit den täglichen Geldsorgen konfrontiert – und nun klingelte das Gold in seinen Taschen! Das tat wohl sehr gut und es stärkte das Selbstbewusstsein. Aber neben dem auf ein Jahr befristeten Anfängervertrag am Stadttheater hatte er noch einen weiteren Trumpf in der Hand:
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Kaum hatte ich in meinem ersten Engagement in Bern die Koffer ausgepackt, als mich Intendant Dr. Georg Hartmann1 zum Vorsingen nach Breslau einlud. Nach 24 Stunden Bahnfahrt meldete ich abends um 10 Uhr meine Ankunft in der Oper. Dr. Hartmann meinte, ich solle doch gleich nach der noch laufenden Vorstellung vorsingen, er könne das Orchester zurückbehalten. Nun, mit einer meiner liebsten Rollen, mit dem Leporello, mit der Registerarie ersang ich mir 1 Georg Hartmann (1891–1972), Schauspieler, Regisseur, Theaterleiter u. a. Breslau (1929–1933) und München (1947–1952).
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noch nachts einen längeren Vertrag, im zweiten Jahr meiner Bühnenlaufbahn wurde ich Erster Baßbuffo der Breslauer Oper. Kartengruß aus Breslau an die Eltern in Salzburg im September 1929 Ich habe eine himalayagroße Freude. Bin für 2 Jahre nach hier engagiert. Ganzjährig mit bezahltem Urlaub, erstes Jahr 9.000 Mark, zweites Jahr 10.000 Mark jährlich. Das ist die garantierte Mindestgage. Es wird aber je nach Auftreten noch höher kommen, weil hier Fixum und Abendhonorar gezahlt wird. Bin 24 Stunden hergefahren, heute wieder 24 Stunden zurück nach Bern. Große Anstrengung! Aber es macht sich bezahlt. Tausend, nein, zehntausend Küsse Euer Heini Die äußeren Umstände sind aus heutiger Sicht schon sehr ungewöhnlich: Ein Sänger tritt nach 24 Stunden Bahnfahrt sofort zu einem Vorsingen an, ein Orchester begleitet ihn noch im Anschluss an eine Vorstellung. Aber es waren eben schwierige Zeiten, da war jeder Musiker froh, wenn seine Leistung gefragt war. Für meinen Vater ist es natürlich ein Glücksfall, bei Vertragsantritt neben den Goldmünzen auch schon das nächste Engagement in der Tasche zu haben. Seinem neuen Status entsprechend findet er sehr schnell Unterkunft in einer gehobenen Pension in Bern und betritt auch hier eine neue Welt. Begeistert schreibt er:
12. September 1929 Ich wurde gefragt, ob ich unten im Speisezimmer essen will, oder im Zimmer. Ich dachte mir, nur unter Leute kommen und bat, für mich unten zu servieren. Da war es dann recht nett. Franzosen, Schwyzer, Italiener bilden meine Tischgäste. Lauter Leute, die schon länger hier wohnen, Architekten, Direktoren etc. Das Essen ist einfach fabelhaft. Ich bekam: Geflügelreissuppe, gedünsteten Kalbschlegel 4 Stück, mit warmen Fisoln, Kartoffel, grünen Salat, Apfelschlangl, schwarzen Kaffee. Und da kann man von jedem Gang noch einmal verlangen. Und nach dem Essen saß ich mit einer Frau Ledermann bis jetzt zusammen und wir plauderten. Und ich glaub, wenn die Arbeit dazu kommt, daß ich das Ärgste hinuntertauche. Es wurde mir bei der Alten da ganz heimisch und nett; jetzt bügelt sie mir das ganze Gewand, weil ja alles hier so viel Geld kostet. Jetzt leg ich mich schlafen bis 5 Uhr, dann guck ich zum Theater, morgen geh ich dann an den „Freischütz“, das soll das erste sein.
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Der Arbeitsdruck am Theater ist enorm, das bekommt der Bühnenneuling auch sofort zu spüren.
20. September 1929 Ich bin so im Werkl, aber alles muß sich erst gewöhnen, besonders halt die Nerven. Die spür ich gar arg. Die erste Rolle wird also der gute alte Erbförster Kuno in Webers „Freischütz“ werden. Es war ja schon immer das Schicksal aller jungen Bassisten, am Beginn einer Bühnenlaufbahn überwiegend ältere Herren darstellen zu müssen. In der Tradition der Zuordnung von Stimmfächern gehören in der Welt der Oper die jugendlichen Helden eben ausschließlich den Tenören, die unzähligen Väter und Großväter, Notare, Ärzte, Priester, Lehrer und Bürgermeister werden fast ausnahmslos den Bassisten anvertraut. Da ist es dann die heikle Aufgabe des Maskenbildners, ein junges Gesicht glaubwürdig altern zu lassen und der jugendliche Darsteller muss ein weit über seine eigene Lebenserfahrung hinausgehendes Bewegungsverhalten erlernen. So geht es dann aber Schlag auf Schlag – hier in einer Zusammenfassung die Premierentermine aller Partien des Anfängers in seiner ersten Spielzeit einschließlich der vertragsgemäß auch zu übernehmenden kleinen Sprechrollen im Schauspiel: 22. September 1929 Erbförster Kuno
Weber „Der Freischütz“
23. September
Erzbischof (Sprechrolle) Schiller „Jungfrau von Orleans“
1. Oktober
Bartolo
Mozart „Figaros Hochzeit“
15. Oktober
Ein Magier
Weinberger „Schwanda“
10. November
Ein Kammersänger
Strauss „Intermezzo“
27. November
Ramphis, Oberpriester Verdi „Aida“
29. Dezember
Beckmesser
Wagner „Meistersinger“
7. Februar 1930
Bürger (Sprechrolle)
Goethe „Faust“
9. Februar
Zweiter Mann
Brand „Maschinist Hopkins“
2. März
Ein Notar
Strauss „Rosenkavalier“
16. März
Jupiter
Offenbach „Orpheus in der Unterwelt“
30. März
Straßenbandit
Weill „Die Dreigroschenoper“
20. April
Klingsor
Wagner „Parsifal“
27. April
Leporello
Mozart „Don Giovanni“
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Zwölf Partien und zwei kleine Sprechrollen im ersten Bühnenjahr, das war viel Arbeit und hat viel Kraft und Nerven gekostet. Wenn auch schon sehr große Aufgaben darunter waren, alle Träume haben sich nicht erfüllt, denn die älteren Ensemblemitglieder haben immer und überall gewisse Vorrechte, die sie dann bei der Verteidigung ihrer Lieblingspartien in Anspruch nehmen. Der Nachwuchs sieht das wohl eher kritisch und da ist auch Heinrich Pflanzl keine Ausnahme.
2. Oktober 1929 Ich habe nun gestern als Bartolo schon einigen Erfolg gehabt. Zumindest reagierte das Publikum auf unsere bescheidenen Späße mit Grunzen. Der Bund vom 2. Oktober 1929 Rossini „Barbier von Sevilla“ Heinrich Pflanzls stimmlich und darstellerisch famoser Bartolo läßt für die heitere Oper Gutes erhoffen. 11. Oktober 1929 Waren gestern in Olten mit „Freischütz“, war recht nett. Dienstag ist nun „Schwanda“ Premiere für die Schweiz. Der Komponist ist anwesend und wir Solisten sind nachher beim tschechischen Gesandten geladen. Es ist nun doch möglich, daß ich alternierend den „Ochs“ singe. Auch sind Aussichten für den „Leporello“, da mein betreffender Kollege jetzt in „Schwanda“ infolge Fehlens von Humor versagt. (Das wäre meine Partie gewesen!). Eigentlich bin ich nun zufrieden, mit dem, wie mich das Schicksal behandelt. Und die Hoffnung, das milde Licht unseres Lebens, scheint mir freundlich. 9. November 1929 Die Woche war untertags sehr stark mit Proben ausgefüllt und dazu hatte ich an fünf Abenden Vorstellungen. Arbeit gibt es also genug für den jungen Sänger. Aber nun kommt eine erste große Herausforderung, denn der Intendant hat eine neue Aufgabe für ihn.
Originalton im Oktober 1954 Ich zittere heute noch, wenn ich an den Tag denke. Der Intendant plante für die Feiertage im Dezember eine Wiederaufnahme der „Meistersinger“ und fragte
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mich, ob ich den Beckmesser studiert hätte. Ich antwortete ihm: „Aber Herr Direktor, den Beckmesser? Ich bin ja das erste Jahr an der Bühne, das wissen Sie doch, ich komme direkt von der Musikakademie in Wien. Wie soll ich denn den Beckmesser singen? Den singe ich vielleicht einmal in zehn Jahren oder ich werde ihn überhaupt nie singen.“ Na, und dann klagte er: „Ja, so ist das, wenn man junge Leute engagiert, dann können sie ihre Partien nicht“ etc. Da biß mich mein Ehrgeiz und ich habe dann in vierzehn Tagen die Partie studiert und nach der Unterweisung durch den Regisseur den Beckmesser gesungen. 31. Dezember 1929 An die Eltern Ich wollte erst warten, bis einige Kritiken zu haben sind, um Euch dann auf Beweise gestützt sagen zu können, welch großen Erfolg ich mit dem „Saubeckmesser“ hatte. Es war ein schöner Abend und ich habe dadurch bewiesen, daß ich mir auch unter den vielen hier an Eingebildetsein Erkrankten einen Platz aussuchen kann. Aber Ihr kennt mich ja, daß ich nicht zu denen gehöre, ich leide eher unter dem Gegenteil. Es soll auch eine Freude sein und es ist mir eine Genugtuung, am Schluß dieses Jahres ein bißl was, allerdings ein kleines bißl nur, von dem erfüllt zu haben, was ich Euch versprochen habe. Alle Freude und aller Stolz fällt ja doch auf Euch zurück und wenn es auch Leute gibt, die von Bestechung der Kritik sagen, Ihr selbst wißt es ja, daß ich nicht das Geld habe, um die Kritiker zu bestechen, ich kenne sie nicht einmal persönlich. Ihr könnt Euch gar nicht denken, wie man im Theater beneidet und ins Gesicht hinein gelobt wird. Großes Gesindel! Neue Berner Nachrichten vom 29. Dezember 1929 Wagner „Meistersinger“ Eine ganz prächtige Leistung war der Beckmesser Heinrich Pflanzls. Gerade diese Rolle zeigt uns, welch köstliches Talent unser Bassbuffo hat; sein tragisch-komischer Verliebter war von überwältigender Drastik. Ob wir ihn in dem versprochenen „Rosenkavalier“ als Ochs wohl wieder sehen werden? Das wäre sehr zu wünschen, denn speziell diese Rolle wüsste er sicherlich ausgezeichnet zu gestalten. Berner Tagblatt vom 30. Dezember 1929 Wagner „Meistersinger“ Von früheren Aufführungen ist in Bern Fritz Baschatas Beckmesser unvergesslich, dessen meisterhafte Leistung einen unwillkürlich mit der diesjährigen vergleichen macht. Heinrich Pflanzl hält in seiner Gesamtauffassung dem Vergleich stand,
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wenn ihm seine voluminöse Stimme auch nicht erlaubte, einen trockenen, wurmstichigen Stadtschreiber darzustellen, wie er eigentlich gemeint ist. Das nervöse Äußere suchte er mit nicht wenig Glück wiederzugeben, gesanglich war er dafür weit eher ein Simson, der sich nur unglaubwürdig so mir nichts dir nichts verprügeln lässt. Der Bund vom 30. Dezember 1929 Wagner „Meistersinger“ Aus dem neuen Personal überraschte ein bisher nur in kleineren Partien verwendeter Künstler. Heinrich Pflanzl ist ein Beckmesser von sehr bestimmter Charakterisierung. Er zeigt uns einen ältlichen Bücherwurm, nervös bis in die Fingerspitzen, von einer zappeligen Ungeduld, die die Unsicherheit in seiner neuen Karriere als Werber sehr überzeugend zum Ausdruck bringt. Ein vortrefflicher Darsteller und ein Bassbuffo, der über tragfähige Stimme und ausgesprochene musikalische Anlage verfügt. Die Herausforderung, mit 26 Jahren ohne ausreichende Probenzeit einen Beckmesser auf die Bühne zu stellen, war also mit Glanz bestanden. Aber die tägliche Arbeit geht weiter, und hier gibt es natürlich auch Enttäuschungen. Das Theater plant einen „Rosenkavalier“, doch Heinrich Pflanzl wird nicht seinen geliebten Ochs singen dürfen, denn da hat sich der ältere Kollege durchgesetzt. Das tut natürlich weh und so revanchiert man sich mit einem recht bissigen Kommentar.
3. März 1930 Mein Nebenbuhler wird mit seinem Ochs nicht viel aufstecken, das ist ein so gekünstelter Humor und an den Haaren herbeigezogen, was man da an Grimassen, Stellungen und Bewegungen sieht. Und ich bin so weit, daß ich froh bin, denn ich hätte mich bestimmt zu Tode geärgert mit dem Regisseur, der den lieben, schönen „Rosenkavalier“ auf preußisch-kitschige Art stützt. – ich freu mich auf den Leporello, der mir doch auch gut liegt. 5. März 1930 Der „Rosenkavalier“ ging gestern in Szene, Diehl war gut als Ochs, wenn auch nicht die Rolle oder vielmehr den Humor treffend. Aber bei den Bernern ist das ja nicht so heikel. Die sind für österreichischen Sinn und österreichische Lebendigkeit zu verschlafen. Das Blut ist zu dick. Langweilige Gesellschaft.
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Samstag hatten wir in Bumpliz bei Bern einen Operettenabend arrangiert, einige von uns, ich machte den Conferencier und sang einige Wienerlieder. Die Einnahmen waren riesig, so wie der Besuch. Etwa 100 Personen. Eine verspekulierte Sache. Es blieb uns acht Teilnehmern ein Reingewinn von 62 Franken. Dafür war es dann sehr lustig bei einem Augenarzt, bei dem wir bis 7 Uhr früh blieben. Von dort ins Bett und um ½ 12 Uhr mittags war ich schon wieder in der Kirche, um die Messe zu hören, die ich keinen Sonntag versäume. 14. März 1930 Habe mit „Orpheus in der Unterwelt“ so viel Arbeit. Bis 3 Uhr früh die Nacht hindurch gelernt, nun, jetzt sitzt es. Morgen Samstag ist Generalprobe. Sonntag habe ich Nachmittagsvorstellung „Maschinist Hopkins“ und abends Premiere von „Orpheus in der Unterwelt“. Also recht anstrengend. 10. April 1930 An die Eltern Ich bin nun mit dem Studium fertig und habe nur mehr Proben zu „Parsifal“ (Generalprobe ist morgen) und dann 14 Tage noch Proben zu „Don Juan“, der am 27. herauskommt. Dann bin ich, was das Partienstudium anlangt, völlig frei. „Don Juan“ kommt noch siebenmal dran, „Parsifal“ nur dreimal (Palmsonntag, Ostersonntag und Ostermontag). Dann ist Schluß. Und dann geht’s heim. Ich freu mich schon auf die Heimkehr. Ich werde noch einmal im Radio wirken und zwar als Klavierbegleiter, das bringt mir 30 Franken. So klaub ich mir’s ganz schön zusammen. Ihr dürft mir ja nichts schicken, denn das Fahrgeld hab ich beisammen. Ich legte jeden Monat 10 Franken beiseite und der „eiserne Bestand“ hat durchgehalten. Also, bitte, keinen Heller schicken. Es möchte mich beleidigen. 15. April 1930 Karfreitag haben wir wohl frei, aber Karsamstag vormittags und nachmittags Proben bis 7 Uhr abends für „Don Juan“, der wie ich glaube, sehr schön wird. Ostermontag haben wir auch Dienst, also, absolut kein Freiherrenleben. In „Parsifal“ hatte ich als Klingsor einen schönen Erfolg, trotz der nicht gerade großen, aber immerhin anstrengenden, sehr hoch, heldenbaritonal liegenden Partie. Ich habe mich sehr gefreut über die Kritik, sie war für mich wie ein Osterhase und ein Beweis, wie ich mich hier in dieser kurzen Zeit schön plaziert habe.
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In vier Wochen ist es nun zu Ende und eigentlich viel, viel mehr befriedigt als vor acht Monaten werde ich Bern, die erste Station verlassen. Zweimal gibt’s noch Gage und einen Zug später dampfe ich ab. Habe heute meine letzte Klaviermiete bezahlt und das Abholen des Klaviers für 15. Mai verlangt. Es ist einem sogar ein bißchen wehmütig ums Herz, einen Ort zu verlassen, in dem man viel Hartes erlebte, aber auch doch (und das Vergangensein versöhnt sehr), manchmal Schönes. Der Bund, Bern vom 14. April 1930 Wagner „Parsifal“ Eine Leistung von sehr hohem Rang gibt Heinrich Pflanzl als Klingsor, ein wilder Dämon, aber mit deutlich eingezeichnetem Leidenszug. Der markigen und dabei so kultivierten Stimme lauscht man immer mit Wonne. Leider hat die Direktion uns dieses Vergnügen sehr selten bereitet. Warum? Man wird die Schuld auf den Spielplan werfen, aber ist es nicht ein Raub am eigenen Gut, wenn man diesen so gestaltet, daß beste Kräfte brachliegen? Neue Berner Zeitung vom 15. April 1930 Wagner „Parsifal“ Heinrich Pflanzl als Klingsor war stimmlich von Format und in bester musikalischer Durchdringung. Darstellerisch genügt aber der Typ Dr. Mabuse noch nicht, um den großen Zauberer glaubhaft zu machen. Es braucht dazu auch noch das funkelnde, wild-leidenschaftliche Spiel. Neue Berner Nachrichten vom 15. April 1930 Wagner „Parsifal“ Der wilde Zauberer Klingsor war durch Heinrich Pflanzl glaubwürdig vertreten. Pflanzl, der diesen Winter unbegreiflicherweise nicht genügend zur Geltung gekommen ist, verfügt neben einem kostbaren stimmlichen Besitz auch über ein großes Spieltemperament. Berner Tagwacht vom 16. April 1930 Wagner „Parsifal“ Heinrich Pflanzl singt die Klingsor-Rolle sonor, sicher, freilich etwas zu weich im Toncharakter. 21. April 1930 Gestern hatten wir von 3 Uhr bis 8 Uhr „Parsifal“, abends gab es dann in der Pension einen herrlichen „Osterfraß“ mit Bouillon, Spargel mit Sauce hollandaise, Poulet (Geflügel) mit frischen, ganz gerösteten Kartoffeln, Häuptl- und
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Gurkensalat und dann Bisquittes mit Aprikosen und Schlag! Und dazu herrlichen französischen Wein! – das war recht nett und erfreulich. Karsamstag hatte ich bis 7 Uhr abends „Don Juan“ Probe, also nichts von Auferstehung. Es gab hier nicht einmal in der einzigen katholischen Kirche ein heiliges Grab, das kennt man nicht. Sonntag war ich wie immer in der Messe. Heute haben wir wieder „Parsifal“; vormittags eine Ensembleprobe, da ja Sonntag Premiere von „Don Juan“ ist. So ist Ostern vergangen und in drei Wochen ist es ganz aus. Mein Lehrer Dr. Lierhammer schrieb mir von München, er wird vielleicht nach Bern kommen zum „Don Juan“. Es ist hier recht schwer zu arbeiten mit einem Regisseur, der partout alles anders machen will, wie es die einfachste Logik vorschreibt. Na, ich bin bei den Proben brav und folgsam, bei der Aufführung wird er seine Wunder erleben. Berner Tagblatt vom 26. April 1930 Mozart „Don Juan“ Heinrich Pflanzl war ein klassischer Leporello. Endlich hatte man Gelegenheit, Pflanzl in einer großen Rolle in der Oper zu sehen! Er unterlag der Versuchung nicht, aus dieser Rolle einen trottelhaften Clown zu machen, sondern schuf, aus diesem Pendant zu Sancho Pansa, einen Kerl, der Charakter hat, der für seinen Herrn durch dick und dünn geht. Die beste Leistung des Abends! Neue Berner Zeitung vom 29. April 1930 Mozart „Don Juan“ Heinrich Pflanzl schuf einen Pracht-Leporello. Er zeigte sich dabei im Besitze einer differenzierten Mimik und einer sofort ansprechenden gutgeschulten Stimme. Schade, daß wir einen so sehr begabten, ja hervorragenden Künstler erst so spät in einer größeren Rolle zu hören bekommen. 28. April 1930 Gestern wunderbarer Erfolg als „Leporello“! Man brauchte jetzt einiges Guthaben bei einer Bank, denn ich habe nun keine Proben mehr! 5. Mai 1930 Ich habe nun nur mehr dreimal „Don Juan“, einmal „Faust“ noch und „Dreigroschenoper“. Dann Schluß! Donnerstag hatten wir bei einem Frühlingsfest des technischen Personals mitzuwirken, ich fungierte teilweise als Conferencier, Kapellmeister und Sänger! Um 3 Uhr früh war Schluß, dann gab es noch bis 6 Uhr früh eine Drahrerei, recht
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gemütlich und um 7 Uhr stieg ich ins Bett. Nachmittag bei prachtvollem Wetter „Don Juan“. War aber glänzend bei Stimme und Laune! Morgen sind wir in Olten mit „Don Juan“. Nun keine vierzehn Tage mehr! 14. Mai 1930 Gestern schlossen sich für mich die Pforten meines ersten Bühnenjahrs. Und es ist so ein Besinnen in mir, ein Verweilen über diese Zeit, ein Überdenken dieses ersten Jahrs. Und wie sich die Kundgebungen für mich mit „Pflanzl“-Rufen steigerten und mir vorm Vorhang die Tränen in die Augen kamen, wie sich neben den Händen des Bühnenarbeiters auch die Hände der Kollegen in die meinen legten, da wuchs in mir das Bewußtsein: der Weg ist offen! Es war mir ganz stark zu Mut, als ob es kein Hindernis gäbe, aufwärts und vorwärts zu gehen. Ich bekam vom Extrachor einen Tulpenstrauß, von „unbekannten“ Händen 4 kleine Rosensträuße und von Dr. Iklé einen Korb mit 44 Rosen und einen kleinen Bonzo1. Das erste Theaterjahr ist nun schon zu Ende, aber gleich geht es an die Vorbereitungen für die nächste Spielzeit. Viele neue Partien warten auf Heinrich Pflanzl, vor allem auch im zeitgenössischen Repertoire, das an seinem neuen Arbeitsplatz in Breslau deutlich stärker vertreten ist als bisher in Bern.
2. Juli 1930 Diese Oper ist ein blödes Zeug. Zum Teufel mit diesen modernen Komponisten! Der Stoßseufzer eines geplagten Sängers dürfte der ein Jahr vorher in Berlin uraufgeführten Oper von Paul Hindemith „Neues vom Tage“ gegolten haben. So war es wohl eine willkommene Unterbrechung des Partienstudiums, als sich Dr. Theo Lierhammer, der verehrte alte Gesangslehrer aus Wien, mit einer Einladung an den Mondsee meldet.
29. Juli 1930 Dr. Theo Lierhammer an Heinrich Pflanzl Mein lieber Pflanzl! Endlich ist besseres Wetter! Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie Freitag oder nächsten Dienstag bei gutem Wetter herkämen. An diesen beiden Tagen bin ich 1 Damals beliebte Comicfigur: rundlicher Hund mit schwarzgetupftem Fell und blauen Augen.
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schon 12.30 Uhr mit den Stunden fertig. Sie würden dann mit mir speisen und den Nachmittag mit mir verbringen. Wenn es Ihnen paßt, können Sie hier auch als mein Gast nächtigen, in welchem Falle Sie eine Zahnbürste mitbringen müssen. Bitte lassen Sie mich wissen, ob Sie kommen – natürlich auch bei gutem Wetter auf mehrere Tage. Je länger, desto lieber! Herzlichst Ihr Theo Lierhammer Ein paar Tage mit dem Gesangslehrer, das war sicher sehr wertvoll nach einer anstrengenden Spielzeit. Mein Vater war immer der Überzeugung, dass man als Sänger sich nicht nur selbst kontrollieren kann und er hat daher während seiner ganzen Laufbahn an jedem Theater einen älteren Kollegen gesucht, mit dem er gelegentlich arbeiten konnte, der ihn auf die kleinen Nachlässigkeiten, die sich unvermeidlich im Opernalltag einstellen, hinweisen konnte. So wurde er auch jetzt gut vorbereitet auf neue Herausforderungen.
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Am laufenden Band Der Weg nach Breslau präsentiert sich zunächst als große Enttäuschung. Ein Salzburger im Berner Oberland, das ging gerade noch, aber nun in Schlesien? Auch der Arbeitsdruck wächst gewaltig. Intendant Georg Hartmann baut seinen jungen Bassbuffo konsequent auf, die Anforderungen wachsen ständig. Künstler sein heißt vor allem, permanent an sich zu arbeiten, und dafür gibt es hier Gelegenheit im Überfluss.
12. August 1930 Etwas Öderes wie die Fahrt nach Breslau kann man sich nicht vorstellen! Riesengebirge? Glatzer Schneeberg? Zum Totlachen! Ein paar Wälder, ein paar Hügelchen. Das ist das Ganze. Und dann wieder Ebene! Schlote! Schienen! Züge! Graue Häuser! Breslau! Von 3 Uhr nachmittags bis 7 Uhr abends war ich Wohnung suchen, teils zu Fuß, teils per Bahn. Die Einrichtung meines Zimmers ist sehr schön und vor allem reinlich. Ich habe hier Halbpension und zahle 130 Mark pro Monat, das ist Frühstück, Mittagessen, Zimmer. Für Bedienung zahle ich 10 Mark, nachdem ich auch das Essen auf das Zimmer serviert bekomme. Essen war heute sehr gut. Dazu kommen 4 Mark für Telefon pro Monat. Das ist alles. Ein Klavier muß ich mir noch mieten. Es scheinen nette Leute zu sein, man wird mir auch sonst in allen Dingen des Haushalts behilflich sein. 16. August 1930 Nun geht es mit den Proben schon fest dahin und man hat nur das Alleinsein in seinen vier Wänden. Ich werde hier schweren Stand haben gegen Wilhelmi, der wieder arbeitet und seit 20 Jahren hier ist. Eine Art Breslauer „Richard Mayr“.
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Vielleicht bleib ich kein zweites Jahr. Suche mir eine andere Bühne in Deutschland. Ich baue halt auf mein Glück und auf mein Können. – Werde hier durchschnittlich fünf Abende in der Woche beschäftigt sein. Also genug Arbeit für das Geld. Selbst morgen, am Sonntag, haben wir Probe. Habe mir gestern eine Aktentasche gekauft, 15 Mark. Preise sind hier nicht sehr niedrig, umgerechnet viel teurer. Auch eine Enttäuschung! 18. August 1930 Ich habe heute so viel zu tun, Proben, meine Koffer sind angekommen, die muß ich auch noch abholen, also Arbeit genug. Dabei sollte ich studieren! --Vom Kofferholen zurück, alles ist in Ordnung. Es ist mir jetzt auch wieder so unglaubhaft vorgekommen, in Breslau zu sein, habe meine Habseligkeiten mit vieler Wehmut betrachtet, aber na – es geht halt einmal schon so. Das Draußensein in der Welt ist sehr hart und niemand kann einem das Einsamsein, das zuletzt doch immer das Persönlichste am Menschen ist, ausfüllen … Und darein muß man sich finden, den Weg muß man suchen, um über alles hinweg zu kommen, denn sonst würde man verzweifeln. Jetzt pack ich aus; nun ist die zweite Woche meines Fernseins angebrochen! Vor acht Tagen genau war ich gerade in Linz! Mein Gott, wenn nur die Sehnsucht nachließe! 20. August 1930 Ich bin nun schon so fest in Bühnen-, Klavier- und Orchesterproben, daß ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht. Von 10 Uhr vormittags geht es bis 2 Uhr, dann von 3 Uhr an bis 11 Uhr nachts. Habe heute mit einem Korrepetitor einen Krach gehabt. Alle Kapellmeister und Korrepetitoren sind so nett und sagen mir, wie gut mit mir zu arbeiten ist, weil ich musikalisch bin, und der heute hat angefangen mich zu sekkieren. Bis es mir dann zu dumm wurde und ich sagte: „Ich bitte die Probe abzubrechen und mich einem anderen Korrepetitor zuzuteilen. Mit Ihnen kann ich nicht arbeiten.“ Worauf er sagte: „Sie, Herr Anfänger, man wird Sie schon noch kleiner kriegen, Sie werden noch die Absätze verlieren.“ Ich konnte mich nicht mehr halten und schrie ihn an: „Steigen Sie mir auf den Buckel, Herrrrr!“ und verließ die Probe. Ging zum Intendanten und meldete den Vorfall. Ich werde also dem Herrn nicht mehr zugeteilt, er wird einen Verweis bekommen. – Solche Sachen erschweren
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einem eklig das Leben und wenn man all das Andere hinzuzählt dann kriegt man ein ganz schönes Binkerl zusammen, das man zu schleppen hat. Und das Alleinsein ist viel, viel erschwerter noch. 30. August 1930 Ich bin zum Umfallen müde. Gestern von 10–15 Uhr und von 18–24 Uhr nachts geprobt, ununterbrochen. Man ist manchmal zu gleicher Zeit in verschiedenen Proben besetzt. Wenn man in der einen ein bisserl schnaufen kann, muß man schnellstens in die andere. Es ist eine Arbeit, von der man sich so gar keinen Begriff machen kann. Nur ich selber denk mir oft, wie man das wohl wird aushalten können, ein ganzes, volles Jahr. – Mir fallen die Augen zu beim Schreiben, so müde bin ich. – Ich werde wahrscheinlich mein Zimmer hier kündigen, ich ziehe um nach dem Süden, in das Villenviertel. Es ist hier so viel Lärm, und keine Sonne. Und um das Geld, das ich hier zahle (die Leute gehen sehr auf das Verdienen aus) habe ich etwas in Aussicht, ganz herrlich. Lage am Wald, ganzen Tag Sonne und Luft, Licht! Ich sehe, daß ich Luft und Ruhe so sehr brauche, darum zieh ich vor allem nach dem Süden. Da zieh ich dann hier am 1. Oktober aus, da ich vierwöchentliche Kündigung habe. Heute um 14 Uhr von der Probe heimgekommen, um 17 Uhr Generalprobe „Boris“. „Barbier“ ist eine S—arbeit, komme vor lauter Proben nicht zum Lernen, weiß nicht, ob ich ihn nicht ablehne. Ich arbeite jetzt in sechs Opern gleichzeitig. Kinder, Kinder, Bern, das war eine Vergnügungsstätte dagegen! So eine Fabrik wie hier!!! 7. September 1930 An die Eltern Die Kritiken sind sehr schön. Geschmäcker sind bezüglich Komik immer verschieden. Jedenfalls: das Publikum ging mit mir! Gestern während der Vorstellung von „Boris Godunow“ wurde ich zum Intendanten berufen, der mich bat, den Donner in „Rheingold“ am nächsten Dienstag zu übernehmen. Jetzt lerne ich über Sonntag diese Partie, die einige sehr schöne gesangliche Stellen hat. Das nächste Mal singe ich dann den Alberich. Außerdem machte mir der Intendant Mitteilung, daß ich den Papageno in „Zauberflöte“ singen werde. Ihr seht also, daß ich eingeschlagen habe, an den Kritiken, an meiner Beschäftigung. Ich bin stolz darüber und sage Euch nur, daß es viel ist, im zweiten Jahr des Bühnenlebens und so jung in Breslau all diese Sachen schon singen zu dürfen. „Na, Sie werden ja nicht lang in Breslau sein oder
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bleiben, Sie schnappt man bald weg“ meinte heute der Studienleiter, bei dem ich heute (o schöner Sonntag!) „Rheingold“ probte. 9. September 1930 Ich werde in der „Zauberflöte“ den Sprecher, den Geharnischten und Papageno singen, abwechselnd! Das ist aber fein für mich. Der Alberich ist eine Hundearbeit. Mit „Nürnberger Puppe“ und „Dorfbarbier“ fahr ich auf Gastspiele mit der Kammeroper, einem eigenen Ensemble unserer Bühne. Ich freu mich halt, daß ich so auch lernen kann und zu singen kriege. Das erleichtert mir ein Engagement an ein größeres Haus wieder sehr. September 1930 Am nächsten Sonntag bin ich dreimal beschäftigt, um 11.00 Uhr vormittags, um 15.00 Uhr nachmittags und um 20.00 Uhr abends. Genug für einen Tag. Ich bin für die Hauptpartie des Wozzeck in der gleichnamigen hypermodernen Oper vorgeschlagen, eine, nein, die schwierigste Partie der neuen Opern, eine Baritonpartie, schwer dramatisch. Es ist nur noch der Streit auszufechten mit dem Charakterbariton, der die Partie zuerst zurückwies, weil er nicht dachte, daß ich das singen kann, da ich doch nur ein Baßbuffo bin. 14. September 1930 Sonntag ist’s, wir haben um 16 Uhr Vorstellung. Ich muß jetzt vor allem arbeiten, um weiter zu kommen; es ist für mich hier die Gelegenheit, viel zu singen, Routine zu bekommen, darum zugegriffen. Na, heute abends habe ich frei, muß Mesner in „Tosca“ studieren, morgen Probe zu „Zauberflöte“: Singe den Sprecher und den Geharnischten in der ersten, den Papageno in einer der kommenden Vorstellungen. Manchmal bin ich schon recht matt und abgespannt, da denke ich oft an meine Eltern, wie oft die in ihrem Leben ohne Hoffnung und müde waren – es wird mir dann viel, viel leichter. 21. September 1930 Die Breslauer Kritik bekam ich zu spüren gestern: „Herr Pflanzl als Sprecher enttäuschte. Er scheint über das Buffofach hinaus nicht verwendbar zu sein. Seine halsige und unfreie Stimme hinderte an dem Genuß der sonst musikalisch gut
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durchdachten Arbeit.“ Na, das ist doch fabelhaft. Wir sind im Theater nur so, daß keiner die Kritik ernst nimmt. Diese Leute haben schon viele Kollegen verrissen, warum nicht mich? Wilhelmi ist Mitglied in der „Schlaraffia“ und in der Freimaurerloge, er sitzt also doppelt fest hier und schließlich, wenn er auch keine Stimme mehr hat, er besitzt halt Routine. Kammersänger Richard Mayr wurde hier bei einem Gastspiel als Sarastro in der „Zauberflöte“ folgendermaßen kritisiert: „Richard Mayr ist nicht besser als unser Wittekopf [ein abgebauter, alter, röchelnder Bassist] und war sein Gastspiel daher eine unnütze Angelegenheit!“. Darum weg von Breslau! Die hiesige Presse ist auch viel Schuld am Niedergang des Theaters. Ich ertrag es in Anmut und Würde. 8. Oktober 1930 Im Theater läuft alles seinen Gang. Jetzt arbeiten wir fest mit „Neues vom Tage“, eine eklig schwere Sache. Wird aber großartig herausgebracht mit Filmprojektion und allem Möglichen. Als neue Sachen habe ich den Biterolf in „Tannhäuser“ und Marquis Obigny in „Traviata“, Montag singe ich den Mesner in „Tosca“. Morgen sind wir in Sagau mit „Lustiger Krieg“, so verrinnt eine Woche nach der anderen, habe schon heute die 26. Vorstellung. – Fast jeden Tag abends zu tun, vormittags bis 14 Uhr Proben, alles, alles wird mechanisch, Geschäft. 5. November 1930 Habe Arbeit über Arbeit, diese ganze Woche beschäftigt. So gar keinen Abend für sich haben ist schon auf die Dauer schwer. Aber dafür wird man eben bezahlt. 15. November 1930 Ich kann das gar nicht so schildern, wie man mich hier zurückdrängt, es ist eine starke Schmiede, die im Theater Komplotte schmiedet und nicht nur ich, alte angesehene Mitglieder leiden darunter. Aber nach Rücksprache mit dem Vertreter des Generalintendanten bekomme ich die tiefen Baßbufforollen alle in erster Besetzung! Jetzt stehen die Dinge meines Lebens gut. 7. Dezember 1930 Heute schon Generalprobe zu „Simone Boccanegra“ vorbei, abends zwar frei, aber Proben zu „Wozzeck“ und „Rosenkavalier“, ich werde ja auch ein paar Mal den Ochs singen. In einer opernhaften, vier Stunden dauernden Operette „Spiel-
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zeug Ihrer Majestät“ habe ich auch zu tun, eine schöne Einlage zu singen, ein Zigeunerlied mit Balalaikaorchester und Cymbalbegleitung. Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Als ich im ersten Jahr sehr viel sang und zu Weihnachten schon etliche Premieren hinter mich gebracht hatte, ließ mich der Intendant eines Tages rufen. Er äußerte seine Zufriedenheit,, sagte, wie sehr es ihn freue, daß er sich nicht getäuscht hätte, ich sollte aber nun doch ein paar Tage ausspannen. Ob ich acht Tage Urlaub haben möchte? Ich dankte, beschenkt, und ehe ich mich verabschiedete drückte er mir noch eine Sonderanweisung für die Kasse in die Hand: 500 Mark als sichtbaren Beweis seiner Zufriedenheit. Ich möchte meinen jüngeren Kollegen, nicht nur in materieller Hinsicht, sondern in dem Führen zur künstlerischen Reife solche Intendanten wünschen. 25. Januar 1931 Ich war seit Neujahr wie gehetzt. Hab mich gar nimmer ausgekannt vor Arbeit, Proben. Jetzt kommt die vollständige Neuinszenierung von „Entführung“, vormittags, nachmittags bis spät abends Proben; es freut mich aber, die Erstvorstellung am Dienstag singen zu können. Werde zwar verrissen sein von der Kritik, denn die Partie sang immer Wilhelmi, also werde ich in den Augen der Kritik bestimmt schlecht sein. Da ich auch stimmlich müde bin wie körperlich, besonders die Nerven, habe ich für ein paar Tage Urlaub nach „Entführung“ und fahre Mittwoch früh ins Riesengebirge. Ein bissel Luftveränderung, Waldluft wird mir gut tun. Und die Einsamkeit, ich freu mich ja so sehr. Der Osmin ist doch schwer und heikel und meine erste ganz große Partie in einer Neuinszenierung. – Nun, die erste Hälfte der Saison ist vorbei. Breslauer Neueste Nachrichten vom 28. Januar 1931 Mozart „Entführung aus dem Serail“ Der Osmin ist Pflanzls beste bisherige Rolle. Entzückend die Mischung von Bonhomie und Verschlagenheit, erfreulich der Verzicht auf Mätzchen, vortrefflich der Einsatz seines schönen Basses. Schlesische Zeitung vom 28. Januar 1931 Mozart „Entführung aus dem Serail“ Osmins schwarze Seele spiegelte in allen ihren Regungen von selbstgefälliger
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Dummheit, Lüsternheit, Bosheit und Rachsucht oft in bewundernswert rascher Folge das bewegliche Mienenspiel Heinrich Pflanzls wieder. In der ulkig dargestellten Trinkszene hatte er einen Sonderapplaus, wie er sonst nur virtuosen Solo-Arien zuteil wird. 31. Januar 1931 „Wozzeck“ wird eine Bombensache. Ich finde das Textbuch ausgezeichnet, halt so sehr aus dem Leben genommen, die Sprache ist gar nicht modern, denn das Buch ist ja vor einem Jahrhundert entstanden. Aber eine selten klare, deutliche Lebenssprache. Uns moderne Menschen ergreift eben Dargestelltes aus unserem Leben mehr (etwas, das wir vielleicht selbst erlitten, erkämpft) als die ja recht netten Geschichten vom „himmelblauen See“. Die nackte Klarheit des Lebens, die immer neu verstärkte Not unserer Tage, die fragezeichenbedeckte Zukunft für uns Junge, das sind alles Dinge, die uns härter machen. 10. Februar 1931 Ich habe diese Woche zwei Premieren (heute, Dienstag im königlichen Schloß „Der getreue Musikmeister“, Sonnabend Uraufführung von „Spuk im Schloß“) und da komme ich vor lauter Proben zu gar nichts. 12. März 1931 Ich stecke wieder voll in Proben für „Parsifal“ und „Sganarell“. Den Beckmesser habe ich gestern mit allerschönstem Erfolg absolviert. Ich bin zufrieden. Intendant war sehr zufrieden und gratulierte mir. Allgemeines Erstaunen der Kollegen über die famose Leistung.
8-Uhr-Abendblatt vom 12. März 1931 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ Pflanzl als neuer Beckmesser war ausgezeichnet, sowohl in seiner gesanglichen und sprachlichen, wie in seiner mimischen Leistung. Schlesische Zeitung vom 13. März 1931 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ Pflanzl betont das Cholerische und Nervöse der Gemütsverfassung Beckmessers und hellt dieses Gesamtbild in sehr geschickter Weise durch urkomische Einzelheiten der Gestikulation auf.
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Breslauer Zeitung vom 13. März 1931 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ … gab den Stadtschreiber von der schärfsten Sorte, intelligent-giftig. Deklamatorisch und musikalisch war alles in bester Ordnung, die Aussprache mustergültig. 14. März 1931 An die Eltern Bin wieder im Geleise und es geht mir gut, man trottet halt dahin: Ab und zu ein Erfolg, das ist noch das Einzige, was Freude macht und unsern Beruf doch noch ein bissel höher hebt. – Jetzt kommt „Parsifal“ (Klingsor und Titurel), in „Gasparone“ habe ich auch eine kleine Partie. Meinen Austritt aus der „Schlaraffia“ wollen sie nicht annehmen, sie möchten mich unbedingt halten. – In der Freimaurer-Loge erlebte ich schöne Feierstunden, es ist wirklich eine geistvolle Gesellschaft. Wir (unsere 3 gemeinsamen Logen) versorgen 40 arme Kinder von Arbeitslosen täglich mit Essen. Außerdem wird bei jeder Zusammenkunft für die Armen gesammelt, – ist das schon ein Zeichen großer praktischer Menschenliebe, so gäbe es noch andere Dinge, die vom ethischen Wert der Freimaurerei zeugen, die ich aber für mich behalten muß. 8. Mai 1931 Ich bin tagtäglich beschäftigt, es ist jetzt wahnsinnigere Arbeit denn je, nächste Woche wieder jeden Tag (dabei Beckmesser, Klingsor, Orest), na, das wird auch vorbeigehen. 17. Mai 1931 Haben ab heute keine Nachmittagsvorstellungen mehr, es sind ohnehin die Abendvorstellungen reichlich unsympathisch. Diese Hitze jetzt schon. Aber die 6 Wochen werden schon vergehen. Am 2. September (schon für nächste Saison festgelegt) singe ich meinen geliebten Leporello als Einziger! Neueinstudierung und Neuausstattung. Zu Pfingsten habe ich zu tun, jeden Feiertag, ich bin nun schon bald bei der 200. Vorstellung angelangt. Aber hab auch bis über den Hals genug. Das war sie also, die erste Spielzeit in Breslau mit Premieren am laufenden Band. Der folgende Überblick soll einen kleinen Eindruck vermitteln von der Leistung, wie sie einem Anfänger in seinem zweiten Bühnenjahr abverlangt wurde.
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Spielzeitbeginn ist am 1. September 1930, am 8. Oktober singt er bereits seine 26. Vorstellung, bis Ende Mai sind es 200 Vorstellungen, in den ersten beiden Monaten zwölf verschiedene Partien: Adam „Nürnberger Puppe“ (Cornelius) Königsberger „Spielzeug Ihrer Majestät“ Mozart „Zauberflöte“ (Sprecher, Geharnischter) Mussorgskij „Boris Godunow“ (Jesuit) Pergolesi(?) „Der getreue Musikmeister“ Puccini „Tosca“ (Mesner) Rossini „Barbier von Sevilla“ (Bartolo) Schenk „Dorfbarbier“ (Schulmeister Rund) Strauß „Der lustige Krieg“ (Carlo Spinzi) Verdi „Traviata“ (Marquis Obigny) Wagner „Rheingold“ (Donner) Wagner „Tannhäuser“ (Biterolf) In der ganzen ersten Spielzeit sind es rund 23 Partien, in den folgenden fünf Jahren wird sich Heinrich Pflanzl hier in Breslau ein Repertoire von über 60 Rollen erarbeitet haben.
30. August 1931 Hauptprobe „Don Juan“ gestern herrlich gegangen. Intendant sagte: „Ausgezeichnet, sehr gut, sehr gut“. Also morgen Generalprobe und Mittwoch 20 Uhr Beginn der Aufführung. Freitag dann schon das zweite Mal. Ich hoffe, daß es so gut geht wie gestern. Damals wurden im deutschsprachigen Theater alle Opern ausnahmslos in deutscher Sprache gespielt, daher der zu dieser Zeit übliche Titel „Don Juan“. Heute kennt man Mozarts Oper nur noch unter dem Originaltitel „Don Giovanni“. Von der Aufführung selbst waren keine Kritiken zu finden, wir wissen also nicht, wie gut es gegangen ist. Aber immerhin wurde der Leporello eine der großen Erfolgspartien meines Vaters. Und die nächste folgt kurz darauf:
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31. Oktober 1931 Gestern als Beckmesser einen ganz großen Erfolg gehabt. Merkte, wie man doch von Jahr zu Jahr künstlerisch wächst; der Kapellmeister sagte zu mir: „Mit dem Beckmesser von heute sind Sie auch in Berlin hervorragend“. Er hätte noch nie einen so guten Beckmesser gehabt wie in der letzten Aufführung. Ich hatte große Freude und das ist ja das Einzige noch in unserem Beruf, das uns hinaushebt über das rein Berufliche, Technische, Mechanisierte unseres tätigen Lebens. Alles andere ist ja schon Fabrikarbeit eben. Ich habe schon wieder für zwei neue Sachen Proben und die Arbeit geht nicht aus. Man vegetiert halt das Jahr dahin, ersparen kann man sich nichts und man vergißt in der Arbeit das Grübeln. Breslauer Neueste Nachrichten vom 1. November 1931 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ … ein großartiger Beckmesser. Die Rolle nicht nur charakteristisch gespielt zu sehen, sondern auch gesanglich ausgeschöpft zu vernehmen, ist ein seltener Glücksfall. Man wird uns diesen so erstaunlich herangereiften Baßbuffo nicht mehr lange gönnen, Grund genug, sich jeder neuen Rolle des begabten Künstlers zu erfreuen. Daneben geht die intensive Suche nach einem anderen Theater weiter, und so kommt es zu zwei Gastspielen unmittelbar hintereinander, am 8. Februar als Figaro in „Figaros Hochzeit“ am Hamburger Stadttheater und am 11. Februar als Beckmesser in den „Meistersingern“ an der Staatsoper Berlin.
3. Februar 1932 Also ich glaube, es wird diesmal Ernst. Montag also in Hamburg. Hoffentlich klappt’s. Urlaub habe ich auch. Berlin ist scharf, aber ganz scharf. Dreimal angerufen, soll absagen in Hamburg, in Berlin sofort auf Engagement gastieren als „Osmin“, auch am 8. – aber ich bleibe bei Hamburg. Fahre Sonnabend nach der Vorstellung weg, bin am Sonntagnachmittag in Hamburg, abends sehe ich mir eine Vorstellung an, Montag vormittags Verständigungsprobe, abends 20 Uhr Aufführung. Na, und es kommt vielleicht schon zum Abschließen oder ich muß noch einmal gastieren. Für Berlin bin ich zu jung; und lieber in Hamburg eine erste Stellung als in Berlin einer von Vielen.
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9. Februar 1932 Kartengruß an die Eltern aus Hamburg Hab noch keinen Bescheid; war ein schwerer Abend! Na, man wird sehen, wie’s kommt! 10. Februar 1932 Singe morgen, 11., den „Bettnässer“!
Kartengruß an die Eltern aus Berlin
29. Februar 1932 Es gibt gar nichts Neues, ich habe auch so gar keine Lust irgendetwas Neues zu erleben, ich bin noch so niedergedrückt. Ich war ja mit Hamburg etwas leichtsinnig auch, gebe es zu, eine Partie, die ich nur einmal als Einspringer gesungen habe. Aber der Hauptfehler war doch der stimmliche Verlust durch die klimatischen Verhältnisse. Der Intendant sagte mir: „Ich hätte geschworen darauf, daß man Sie sofort engagiert“. Aber ich sag mir heute: so und so viel Partien hab ich noch nicht gesungen, in einem so großen Haus ist man dann verloren, wenn man nicht so vorbereitet hinkommt. Und überall sind die Stellen gestrichen, die man früher bekam und mit denen man sich langsam eben vorwärts brachte. Ich wollte zu hoch steigen, das Schicksal bewahrt einen davor und läßt einen wieder bescheiden und demütig werden. Und man muß nur die Kraft und den Weg finden, das alles nicht als Unglück sondern als Glück und weise Vorsehung zu erkennen. Im April 1932 Da kommt mir nun durch eine Theater-Agentur in Wien ein Angebot nach Zürich. Ich werde mir’s überlegen, ehe ich die Verhandlungsvollmacht abschicke. Gehen wir hier so schlechten Zeiten entgegen, dann ist’s wohl in der Schweiz besser. Und vor allem sicher. Künstlerisch ist es wohl heute durch den Operettenbetrieb an den deutschen Opernhäusern kein Rückschritt. 3. Mai 1932 Stehe so fest in den Proben, daß ich zu keiner Ruhe komme. Dabei habe ich nacheinander große Partien zu singen, Sonnabend Premiere und acht Tage später wieder. Donnerstag habe ich „Parsifal“, Sonntag am Nachmittag „Tannhäuser“, abends „Salome“ – na, da hat man nix vom Frühling.
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6. Mai 1932 Habe heute Generalprobe zu „Orest“, dauert bis 16 Uhr nachmittags, Arbeit über Arbeit. 10. Mai 1932 Nun hab ich am Sonntag schon wieder Premiere, Kezal in „Verkaufte Braut“, die in wahnsinnigem Arbeitstempo herauskommt. Hab so viel Arbeit. Dann hab ich noch Reprisen von „Don Juan“, „Entführung“ – also genug Schinderei bis zum Schluß! Schlesische Zeitung vom 10. Mai 1932 Reznicek „Spiel oder Ernst“ Den Korrepetitor Peulemann spielte Heinrich Pflanzl; ein komödiantisches Kabinettstück, zugleich eine pianistische Humorleistung, die verblüfft. Schlesische Zeitung vom 17. Mai 1932 Smetana „Verkaufte Braut“ … spielt den Kezal mit bezwingender Komik und läßt die unverwüstliche Gestalt von innen her zum Mittelpunkt des heiteren Geschehens wachsen. 2. Oktober 1932 Die Alberiche habe ich abgegeben, ich warte mit diesen Schreipartien lieber, so lange ich nicht muß. Lieber nicht. Ich will meine Stimme länger haben. Gott, wird man vernünftig, wenn man älter wird. 22. Oktober 1932 Besuch des Theaters ist recht schlecht, die Aussichten sehr schlecht, – aber das sind wir ja schon gewöhnt. Die Sache mit den Operetten ist allgemein, das Frankfurter Opernhaus spielte in der vergangenen Saison 108mal „Weißes Rössel“, da muß ich doch sagen, daß es überall gleich ist. Also bin ich zufrieden. 4. November 1932 Nun sind die Tage der Mozartfeiern auch vorbei. Mein Leporello war brav und ich war ordentlich stolz auf ihn, „Rosenkavalier“ ist Premiere voraussichtlich am 25. Dezember. Man will durch eine Protektionsschiebung den Heldenbariton Groß den Ochs singen lassen, mich in 2. Besetzung. Bin nun neugierig, wenn’s dazu kommt, habe ich Absicht zu klagen. Immer diese Sachen.
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Die Tage vergehen sehr schnell, ich habe allerhand Proben, singe aber nur zweimal in der Woche, keine Operette, keine kleinen Partien, da ich sonst überspielt hätte. Sparsamkeit! – Und für meine Nerven ist’s nur gut! 19. November 1932 Für die Verhandlungen mit Zürich habe ich der Agentur den Vollmachtschein unterzeichnet. Hilft Gott, dann gelingt’s. 4. Dezember 1932 Karte aus Prag an die Eltern von einem Gastspiel Gut ist’s gegangen. Werde öfters hier singen! Gastspielvertrag abgeschlossen für diese Saison. Vielleicht auch – na ja. Herrliches Theater! 2000 Personen fassend! 10. Dezember 1932 Ja, Prag war sehr schön, aber dort sein, nicht viel Lust. Der Herr Generalmusikdirektor hat keine Ahnung vom „Rosenkavalier“, das merkte ich aus einer Korrepetitionsstunde bei ihm. Und der Regisseur? Versteht sonst viel, aber vom Geist dieser Oper ist nichts bei ihm zu spüren. Also, ich habe mich schon daran gewöhnt, den „Ochs“ wieder nicht zu singen. Lieber gar nicht, als schlecht. Denn daß der Ochs eine Lebenspartie für mich wird, das spüre ich. Und da warte ich, bis ich ihn einmal ganz groß einstudieren kann. Ich meine szenisch, musikalisch beherrsche ich ihn. Im Dezember 1932 Habe eben mit Prag gesprochen, die überlegen sich bis morgen, da ich für tschechische Verhältnisse ein bissel viel verlange. Aber nicht für deutsche. Und wenn ich schon den Tschoch mitmache, dann muß es sich auszahlen. „Rosenkavalier“ ist unerledigt. Zur gleichen Zeit spielt man auch im Schloß eine Oper, in der ich beschäftigt bin, na, wir werden schon sehen. Sing ich nicht die Premiere, dann sing ich halt ein andermal. Mit der Zeit kriegt man ja vor lauter Streiten den Wurststandpunkt. Aber auf alle Fälle weg von Breslau! 4. Januar 1933 Heute abends habe ich im Schloß Premiere von Mozarts „Schauspieldirektor“. Alles ausverkauft. Das läuft jetzt sechs Tage hintereinander, weil im Opernhaus jetzt vom 1.–9. nichts als Operette gespielt wird. Fein! Immer schöner wird’s.
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Wie man von diesem paritätischen „Stellennachweis“ betrogen wird! Zürich hat gar keine Baßbuffostelle frei. Das macht diese Agenten-Bagage nur, um Geld einzustecken und zu sagen: Seht, wie wir arbeiten! 26. April 1933 Habe so viel Arbeit, drei Stücke in Vorbereitung, daß ich gar nicht weiß, woher die Zeit nehmen. Habe für die nächste Spielzeit wieder hier abgeschlossen, denn es tut sich gar nichts an anderen Bühnen. Und man will und kann hier nicht länger warten. 14. Mai 1933 Im Theater läuft alles seinen Gang, der Besuch ist nicht schlecht. Am 30. Juni haben wir „Meistersinger“ als letzte Vorstellung. Man will ja in zwei Jahren ein ganz neues Haus bauen für 2500 Personen. Und ein „Schlesisches Nationaltheater“ begründen. – Gott gebe es, daß es wirklich aufwärts geht. 29. August 1933 Ich bin sehr froh, wenn diese Vorprobenzeit endlich vorbei ist. Es ist nicht schön, vormittags von 9 Uhr bis 2 Uhr, 3 Uhr, manchmal auch 4 Uhr zu probieren und dann abends von 6 Uhr bis 10 Uhr, 12 Uhr, ja vorgestern, am Sonntag sogar von 8 Uhr bis ¾ 1 Uhr nachts. 18. September 1933 Ich hab’ sehr viel zu tun. Vor allem: Probenarbeit. 5. Oktober 1933 „Cosi“ ging gestern mit bestem Erfolg über die Bretter und ich hatte mit dieser sauberen Aufführung große Freude. Nun habe ich in „Wiener Blut“ eine Sprechrolle, im 1. Akt zwei kleine Szenen, im 2. Akt eine kleine Szene, im 3. Akt am Anfang singe ich als Einlage das „Fiakerlied“ und dann noch eine kleine Szene. Montag singe ich das Baß-Solo in der „9. Symphonie“, darauf freue ich mich sehr. Es ist nun etwas ruhiger und ich bin froh, daß ich von den vielen kleinen Partien befreit bin. Der neue Baßbuffo ist sehr gut, aber etwas grob und unfein, jedenfalls habe ich ihn nicht zu fürchten. Bei uns ist der Besuch sehr gut, die teuren Plätze etwas schlechter. Aber das Abonnement ist um etwa 300 gegenüber Vorjahr überzeichnet.
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Breslauer Neueste Nachrichten vom 6. Oktober 1933 Mozart „Cosi fan tutte“ Ein prächtiger Alfonso ist Pflanzl, darstellerisch in jeder Situation überlegen und seine wohlgerundeten Baßtöne mit Kultur und Sicherheit in die Ensembles hineintropfend. Breslauer Neueste Nachrichten vom 11. Oktober 1933 Beethoven „Neunte Sinfonie“ … und in satter, edelster Tongebung der immer verläßliche, immer noble Baß von Heinrich Pflanzl. 4. September 1934 Ich hab sehr viele Arbeit. Heute Generalprobe zu „Wildschütz“, Mittwoch Premiere davon, Donnerstag „Regimentstochter“. Dann kommt am 14. „Rosenkavalier“, dann „Angelina“ (eine große Partie drinnen) anstatt „Don Giovanni“, der später kommt, nun „Entführung“ und anschließend „Meistersinger“! Das ist wohl eigentlich genug, aber erst der Anfang. Neue Breslauer Zeitung vom 7. September 1934 Lortzing „Der Wildschütz“ Die ausgezeichneten stimmlichen und schauspielerischen Qualitäten unseres Baßbuffo fanden in der Verkörperung des unglücklichen Schulmeister-Schützen ein neues, dankbares Betätigungsfeld. Breslauer Neueste Nachrichten vom 15. September 1934 Strauss „Der Rosenkavalier“ Vielleicht bleibt Pflanzl im ersten Akt der prachtvollen Figur einiges an aufgetuschter Grandezza schuldig, aber in der Walzeratmosphäre wächst er dann ganz in die Gestalt hinein, gewinnt an Saftigkeit und Rundung, um zum Schluß auf eine höchst natürliche Weise die Verlegenheit des Schürzenjägers mit treffender Komik zu beglaubigen. Also doch der richtige Ochs! Neue Breslauer Zeitung vom 16. September 1934 Strauss „Der Rosenkavalier“ … war ein idealer Ochs. Seine Auffassung nahm der Gestalt das Unsympathische, statt dessen erhält sein Ochs etwas mehr Österreichisches, Gemütliches, ein wenig mehr von der entwaffnenden Naivität und Selbstverständlichkeit, die sein Auftreten von Anfang an begleiten muß. Der satte und weiche Baß des Künstlers klang wieder bestrickend und riß besonders im Finale des zweiten Aktes mit zartem Piano das Publikum zu stürmischem Beifall hin.
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Breslauer Neueste Nachrichten vom 5. Oktober 1934 Rossini „Angelina“ … kann wieder alle Register seiner behäbig-saftigen Buffokomik ziehen. Seine Arie ist im Stimmlichen und Mimischen ein wahres Meisterwerk aus einem Guß. Schlesische Volkszeitung vom 6. Oktober 1934 Rossini „Angelina“ Die Komik des ganzen Stückes wurde völlig von Pflanzls breiten Schultern getragen. Er war bisweilen unwiderstehlich, burlesk, grotesk, völlig einig mit der Musik und der närrischen Figur. 18-Uhr-Abendblatt vom 14. Januar 1935 Mozart „Figaros Hochzeit“ Pflanzls gesanglich, sprachlich und schauspielerisch ausgezeichneter Figaro trat neben der Susanne Erna Sacks überragend hervor. Breslauer Neueste Nachrichten vom 18. Februar 1935 Wagner „Das Liebesverbot“ … bringt als Brighella wieder alle Mittel seiner feinen Komik zu höchst erheiternder Wirkung. Schlesische Zeitung vom 19. Februar 1935 Wagner „Das Liebesverbot“ … wieder einmal eine dankbare Aufgabe, für die er seinen köstlichen Humor, seine treffsichere Komik und seinen schönen Bariton voll einsetzen konnte. Das läßt sich schwer beschreiben, das muß man sehen. Breslauer Nachrichten vom 14. März 1935 Smetana „Die verkaufte Braut“ … hat als Kezal wieder Gelegenheit, sein saftiges Komödiantentum und sein mit echtem Humor gesättigtes Charakterisierungsvermögen behaglich und munter auszuspielen, auch im Gesang spürt man seine Freude an der dankbaren Rolle. Schlesische Zeitung vom 15. März 1935 Smetana „Die verkaufte Braut“ Man konnte sich schwerlich eine bessere Verkörperung der Rolle wünschen. Breslauer Tageszeitung vom 18. März 1935 Brahms „Vier ernste Gesänge“ … sang mit starker Innerlichkeit und packender gesanglicher Schönheit. Pflanzl gab in seinem bis zum rhapsodischen Schwung gesteigerten Vortrag dieser ernsten Totenklage einen erschütternden Ausdruck.
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Breslauer Tageszeitung vom 25. März 1935 Strauß „Fanny Elßler“ … bot eine Musterleistung als Fannys Vater. Das ist das echte österreichische Gemisch von Lebensphilosophie, Humor und Gefühlsduselei. Schlesische Zeitung vom 25. März 1935 Strauß „Fanny Elßler“ … war als Vater Elßler schlechthin eine Leistung von Format. 11. August 1935 So stehe ich wieder drinnen im alten Geleise und was alles diese Spielzeit bringen wird an Aufregungen, Erfolgen oder auch nicht, – wer weiß es? Heute habe ich auch Proben, vormittags, abends. Und nachmittags muß ich lernen, lernen. Sonntag ist’s, ja Sonntag! Februar 1936 In der Fremde, unter fremden Leuten, da gibt es nur Eines, wenn man in Arbeit steht: Arbeiten, anständig, ehrlich fleißig, da kümmert sich niemand, ob man es zu Hause lustig oder traurig hat … Es gibt nur Eines. Arbeit! 7. April 1936 Ich habe die ganze Woche zu tun, „Parsifal“ (Sonntag) und dann noch dreimal diese Woche, zweimal „Matthäuspassion“ (Baßpartie), „Rigoletto“ und „Verkaufte Braut“, ich bin also jeden Tag bis Osterdienstag in Arbeit. Da heißt es: Nerven behalten.
Theater in der Krise Mit einer Börsenkatastrophe hatte im Oktober 1929 die Weltwirtschaftskrise eingesetzt, sie erreicht ihren Höhepunkt im Juli 1931. Deutschland ist von dieser Entwicklung besonders schwer betroffen, da es immer noch Kriegsschulden in Millionenhöhe an die Siegerstaaten des Ersten Weltkrieges zu zahlen hat. Die Regierung sieht sich zu Notverordnungen gezwungen, und die Sparmaßnahmen umfassen natürlich auch die Kunst. So haben die Theater massive Kürzungen ihrer Budgets zu verkraften, einige Staatstheater müssen geschlossen werden und an allen anderen Theatern beginnt das große Zittern. Heinrich Pflanzl kommt also beim Antritt seines Engagements in
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Breslau mitten hinein in eine große Theaterkrise. Die Probleme hatten sich schon vorher angekündigt, denn er hatte zwar einen Vertrag dort ab Herbst 1930, aber es war nicht sicher, ob das Theater dann noch existieren würde.
20. Januar 1930 Ich weiß wegen Breslau noch immer nichts Neues. Gera, das bereits allen Mitgliedern gekündigt hatte, spielt auch wieder weiter. Man schrieb mir aus Breslau, es wird fieberhaft gearbeitet, um das Haus zu erhalten. Die Sozialdemokratische und die Kommunistische Partei will nichts von einer Auflösung wissen, da es ohnehin genug Arbeitslose gibt. Agent Hofmann hat sich bereits mit mehreren Bühnen in Verbindung gesetzt. Na, wir werden ja sehen. 22. Februar 1930 Von Breslau erhalte ich noch immer nichts Rechtes, schreibe mit gleicher Post an den Intendanten. Wollte Gott, es ginge alles gut aus. 27. Februar 1930 Intendant Dr. Georg Hartmann aus Breslau an Heinrich Pflanzl Sie haben Recht, aus den Zeitungen findet man sich nicht mehr heraus. Offiziell soll die Oper mit Ablauf der Spielzeit geschlossen werden, so will es der Herr Finanzminister. Darüber hinaus aber sind Verhandlungen im Gange, um diese Schließung auf jeden Fall zu vermeiden, so wollen es die Bevölkerung und die Stadtverordneten der Theaterdeputation. Es finden nun in nächster Zeit Verhandlungen im Staatsministerium in Berlin statt, die endgültige Beschlüsse fassen sollen. Sobald hier etwas Definitives entschieden ist, werde ich Ihnen Mitteilung geben. Auf Wunsch habe ich einigen Mitgliedern Verhandlungsfreiheit erteilt. Sollten Sie von Breslau weg wollen, so müssen Sie mir das mitteilen. Die Lage ist, wie gesagt, unsicher, doch habe ich persönlich Hoffnung. Sie können sich denken, daß mich Ihr Verlust sehr schmerzen würde, da ich nach Ihrem Vorsingen große Hoffnungen auf Sie setze. 5. Mai 1930 Aus Breslau bekam ich einen Brief heute. Es heißt also wieder: warten. Nur wächst es mir schon zum Hals heraus! Und macht mich recht nervös.
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Am Ende hat es dann doch geklappt, aber in einer derart unsicheren Situation streckt man natürlich seine Fühler nach allen Richtungen aus. Eine bedeutende Rolle dabei spielen die privaten Theateragenturen, die in Konkurrenz untereinander und vor allem gegen den soeben errichteten amtlichen „Bühnennachweis“ um jeden einzelnen Künstler einen erbitterten Kampf führen. Aus dem Zeitraum September bis Dezember 1930 haben sich 21 Briefe von verschiedenen Agenturen an meinen Vater erhalten, es werden ihm wechselseitig erste Positionen in Berlin, Hamburg, Leipzig und München angeboten. Besonderen Wert legt man dabei auf die zu zahlenden Provisionen. Hier ein kleines, für die Zeit aber sehr typisches Brieflein:
Lieber Herr Pflanzl, Sie können, ohne irgendwie mit dem neuen Gesetz in Konflikt zu kommen, direkt mal in München oder Berlin anfragen und Verhandlungen auf direktem Wege führen. Und wenn Sie dann auf direktem Wege zu einem Abschluß kommen, werden Sie sich selbstverständlich unter vollster Diskretion mit uns auseinandersetzen und uns den auf Sie entfallenden Provisionsanteil bezahlen. Wenn der Abschluß offiziell ohne Agentur geht, steht es Ihnen ja schließlich wirklich frei, uns hier in Wien schadlos zu halten. Also, lieber Freund, schreiben Sie uns baldigst und seien Sie für heute bestens gegrüßt von Ihrem getreuen … Dazu kommt es dann doch nicht, Breslau spielt weiter und Heinrich Pflanzl wird am Ende sechs Jahre an diesem Theater engagiert sein. Es bleibt allerdings eine von politischen Unruhen und sozialen Problemen geprägte Zeit. Schon 1930 hatte es einen Rechtsrutsch bei den Reichstagswahlen gegeben, was zu einer Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung auf der Straße führt. Der Aufstieg der Nationalsozialisten in den folgenden Jahren wird gefördert durch die hohe Arbeitslosigkeit und radikale Sparmaßnahmen. Das Geld ist ein wichtiges Thema in dieser Zeit.
20. August 1930 Da ich so viele kleine Partien zu singen habe, werde ich im Laufe der Spielzeit die garantierten 120 Abende sicher überschreiten. Ich rechne auf mindestens 200 Abende in der Saison, also bekomme ich im Juli 1931 diese 80 auch noch extra bezahlt. (Macht 80 x 25 = 2000 Mark). Man hat auch schon Anspielungen gemacht wegen meiner Gage; der Heldentenor hat 1000 Mark monatlich. Aber das ist mir ja egal, die Hauptsache ist, daß ich das Geld kriege; wer weiß, wie es nächstes Jahr ist. Es ist ja so unsicher in Deutschland.
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24. August 1930 Also, das Leben hier ist umgerechnet recht teuer, es ist so ziemlich gleich mit österreichischen Preisen. Gute Schuhe kosten 20–25 Mark, Kleider 180–200 Mark (allerdings erstklassig, nach Maß). Alle Tage gibt es hier Unruhen, kleine Schlägereien mit der Polizei, Überfallkommandos fahren alle Augenblicke wo auf. Es ist viel Gesindel hier, Arbeitslose allein 240.000! Da kann man sich die Not vorstellen, die hier herrscht. September 1930 Wegen Berlin bin ich noch ohne Nachricht, da mir aber heute das Leipziger Opernhaus schreibt, ich möchte vorsingen kommen und meine Gagenansprüche bekanntgeben, werde ich diese Nachricht an Berlin weitergeben, so wird sich in Bälde etwas ereignen. Ich dränge zu einem Abschluß, da Gerüchte im Umlauf sind, daß Breslau nächste Saison nur neun Monate spielt und außerdem die Gagen kürzen will – oder muß! Das gibt viel zu denken, außer den vielen anderen Sorgen, die der Spielplan mit sich bringt. Ich bin ja sonst recht zufrieden, wenn mir nur die vielen Steuern nicht so auf dem Herzen lägen. Ich komme mit der Pensionsanstalt auf rund 200 Mark Steuern im Monat (Organisation, Sektion, Agent, Streikgeld, Notopfer, Ledigensteuer etc.) Den Schneider zahle ich monatlich ab, ich mußte das alles haben, nun brauch ich einige Jahre keinen Mantel mehr zu kaufen. Es ist gerade in unserem Beruf so wichtig zu bedenken, daß Kleider mithelfen, Leute zu machen. 14. September 1930 Gestern war vorm Theater eine große Rauferei zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, Polizei hieb fest mit den Knütteln drein! Hier ist ja Wahltag heute und den ganzen Tag stinkt es in den Gassen von den heute zu erwartenden Unruhen. Mir wurde von den alten Herren in der Garderobe – sie haben von meiner Gage erfahren – vorgerechnet, was sie im 2. Bühnenjahr hatten und wie überbezahlt ich sei. Einige Leute gaben mir ihren Neid sehr deutlich zu erkennen. Aber das ertrag ich. In der Weise bin ich auch schon etwas härter geworden. 24. Dezember 1930 Heute Vertrag für 1931/32 in Breslau endgültig unterzeichnet. Gage erhöht auf Fixum 10.800 Mark (mit Spielgeld auf ca. 12.000) pro Jahr.
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27. Dezember 1930 Ich bin also nächstes Jahr noch hier. Vom künstlerischen Standpunkt aus und von der Sorge um eine ruhige, künstlerische Entwicklung habe ich mich zum Abschluß entschlossen. Ich singe hier nächstes Jahr auch seriöse Baßpartien, komme also zu den Dingen, die für mich geeignet sind. Ich bekomme monatlich 900 Mark (gegen 750 im Vorjahr) und ein Sonderhonorar schon ab der 100. Vorstellung. Komme ich bei der noch größeren Beschäftigung nächstes Jahr weit darüber und entwickle ich mich weiter so, wie es bisher ein gütiges Schicksal mit mir gut gemeint hat, dann kommen mir die großen Theater nicht aus. – Wie die Dinge jetzt in Deutschland stehen, ist es ja schrecklich. Ab 1. September haben wir alle die Gagen gekürzt als Notopfer Nr. 2: um 6 % weniger, fein! Wir arbeiten nur mehr für die Kriegsschulden. Es wird auch, wie die Stimmung ist, bald zu einem Krach kommen. Man befürchtet: Kommunismus! 5. Januar 1931 Meinen Entschluß, ein Jahr hier zu bleiben, bereue ich nicht; es fehlt mir ja doch noch so Manches, was mir an einer ganz großen Bühne ein starkes Minus wäre. Ich bin jetzt auch bei den größten Berliner Agenturen wie auch beim amtlichen Stellennachweis gut angeschrieben. Und das ohne Schmieren oder Protektion. Hier werde ich noch Manches lernen und bin ja recht gut bezahlt. 10. Februar 1931 Die Verhandlungen für die neuen Verträge schreiten nur langsam vorwärts, weil die Leute ja nicht wissen, ob nächstes Jahr die Situation nicht eine andere ist. Darum lassen sich alle so viel Zeit. Na, wir werden ja sehen. Bei uns hier hat sich nicht viel geändert, der Besuch der Vorstellungen nahm stark zu, was sehr zu begrüßen ist. Aber die Gage bleibt vorläufig gekürzt. 20. September 1931 Die Sache mit der Kündigung ist von allen Gewerkschaften zurückgewiesen worden und wird neu verhandelt. Der Stadtrat, der die Kündigung aussprach, bekam einen schweren Verweis vom preußischen Kultusminister, heute ist Verwaltungsrat-Sitzung. Sie wollten uns bei dieser günstigen Gelegenheit packen, um uns ab 1. Oktober in der Hand zu haben, aber der Streich ist ihnen nicht geglückt. Für heuer wird alles so weitergehen mit 10–15 % Kürzung!
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Mein Wiener Agent schreibt mir gestern und heute, daß München, Berlin, Wiesbaden für mich nächste Saison in Frage kämen und als Neuestes interessiert sich Prof. Clemens Krauss sehr für mich und will mich hier hören. Das ist also sicher, daß ich nächstes Jahr nicht mehr in Breslau bin; und gar keine Sorge hab ich um eine Stelle. Es wird schon was geben! Es ist nur hier in Breslau so hart, weil die Stadt die meisten Arbeitslosen hat von Deutschland. 21. September 1931 In unserer Sache hat sich noch nichts entschieden, aber es sieht günstiger aus, als man zunächst angenommen hat. Wie es werden wird, das weiß, glaub ich, nicht einmal der liebe Gott mehr. Alles denkt (und hofft?) auf eine explosive Entladung dieser wirtschaftlichen, politischen Eiterung. Na, Gnade Gott, wenn die Blase platzt! 24. September 1931 Wegen unserer Sache hier tut sich allerlei. In ganz Deutschland ist es nur Hamburg und Breslau, die so rapid kürzen wollen. Aber der Unterschied, daß Hamburg bis 80.000 Mark Gagen zahlt, hingegen bei uns die höchste 24.000 Mark ist (jährlich). Heute sind nun unsere Betriebsräte nach Berlin, um zu beraten. Unsere GmbH will ja nicht nur Gagen bis zu 50 % kürzen, sondern die Verträge nur mehr bis 31. März 1932 laufenlassen. Wie gesagt, das wird so nicht durchgehen. Ich werde wahrscheinlich um 12 % gekürzt, alles in allem also (inklusive 2 Notverordnungen) 24 %. Das genügt. Aber zum Leben und zum Ersparen habe ich doch genug und das ist die Hauptsache. 14. Oktober 1931 Wir wissen noch immer nicht, welche Gage wir bekommen; bekamen bisher nur einen Vorschuß, das ist und war alles. Die Verhandlungen laufen noch immer. Wegen der Anfrage aus Wien ist noch nichts Weiteres geschehen, na, ich habe keine sehr große Angst, daß ich vielleicht von hier nicht wegkomme. 16. Oktober 1931 Wir führen einen harten Kampf hier, bis jetzt bekamen wir erst ein Achtel der Gage ausbezahlt. Preise nochmals herabgesetzt. Wie wird das? Man wird ganz kaputt von diesen Existenzsorgen. Schöne Zeit, was?
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18. Oktober 1931 Unsere Lage hier ist weiter ungeklärt und man muß um jeden Tag froh sein, den man noch im Dienst erlebt. So gehen die besten Jahre dahin und wenn es in zwanzig, dreißig Jahren besser ist, gehört man zu den Alten, ist raus – jetzt, in diesem mechanisierten Zeitalter noch eher, als es früher war. Es ist nimmer zum Jammern, es ist nimmer zum Weinen, man wird so gleichgültig, man wird „menschliche Maschine“. Alles geht auf in der Masse und die Einzelnen, die werden immer seltener, weil das Gebot der Masse immer stärker sich durchsetzt. Es muß etwas kommen, ein Etwas, das uns alle erschlägt. Es ist jetzt noch das Sterben der kapitalistischen Geldherrschaft, – aber was dann, wenn das Sterben der ethischen Gesetze in Millionen beginnt? Dann hilft alles nichts, kein Nationalismus, kein Kommunismus, wir fressen uns alle gegenseitig auf. Eine neue Sintflut, ein endloser Regen von Blut und wieder Blut wird uns ersticken. Vielleicht hat sich unser Planet überlebt, er wird zerbersten müssen und wieder tot sein und stumm und ohne Leben seine Bahn in dem uns unfaßbaren All ziehen. Wie heißt doch das Liedertafelquintett: „Schön ist die Jugend –“, pfui Teufel, ich pfeif auf alles, was Jugend heißt. Es ist auch die Geduld gestorben, weil nicht ein Punkt ist, der lichter wäre! Es ist alles, alles tot in einem. – Kunst – ist Arbeit, Schinderei, ein Ziegelsteintragen geworden, keine Entlohnung, Betrug überall!! Tröstet mich nicht, klagt aber auch nicht mit mir. Es ändert sich nichts. 2. November 1931 Man gewöhnt sich doch an alles. Jetzt arbeite ich halt schon so fort, für das bissel Geld, mein Essen, mein Bett hab ich, zum Anziehen hab ich auch, Taschengeld bleibt mir auch etwas, also eigentlich warum: jammern? Wir haben zwar die gerichtliche Klarstellung erhoben, aber was nützt das: wir, die wirtschaftlich Schwächeren sind doch immer die Unterlegenen. Man spricht immer vom „österreichischen Fortwursteln“. Aber noch nirgends traf ich eine derartige bürokratische Behandlung des Lebens in jeder Weise wie hier in Preußen. Und ich bin froh, wenn ich wo anders lande. Ich erwarte mir am Donnerstag Besuch aus Wien. Außerdem ist man in Berlin sehr bestrebt, mich zu gewinnen. Na, lassen wir’s herankommen. Wollte Gott, ich könnte schreiben: meine Gage ist fabelhaft, ich hab wenig zu tun. So aber ist in allem das Gegenteil!
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18. Januar 1932 Heute habe ich mit großer Freude das Geld von der Kasse bekommen. Erledige damit nun meinen Schneider und kann auch den Nachtrag für 1929/30 (da ich in der Schweiz war) für die Münchener Pensionskasse gleich bezahlen, der mir sonst in Raten von meiner Gage abgezogen worden wäre. Ich staune immer wieder, was es in Salzburg und Österreich viel Neues gibt. Bei uns geht halt alles dem Hitler zu, obwohl Brüning1 sich durch seine Tributzahlungsverweigerung wieder den Boden sehr gefestigt hat. Es ist das endlich wieder eine Tat und auf die gerade hat das deutsche Volk sehr gewartet. Und man spürt aus vielen Kreisen, wie ein kleiner Optimismus Platz greift. Aller Wahrscheinlichkeit spielen wir doch durch, wenigstens bis Mai! Und ich bin froh; wenn es auch gesund wäre, aber tausendmal gesünder ist die Arbeit! Und jetzt habe ich es ein bissel ruhiger durch die vielen Operetten. Der Chef will mich halt gar nicht gehen lassen, er sagte mir es heute wieder, daß ich ihm sehr schwer ersetzbar bin und ihm besonders wegen mir die schlechte Lage der Breslauer Oper so leid tut. Na, ich bin halt sehr auf Hamburg! Hoffentlich klappt alles. April 1932 Theater ist weiter in der Oper schlecht besucht, Konkurrenz ist auch in der Operette nun wieder hier mit Eintrittspreisen von 30 Pfennigen bis 2.50 Mark im Operettenhaus. Dadurch bei uns auch nimmer so voll. Ja, ein Kreuz. Hoch die deutschnationale Regierung mit ihrem Kulturprogramm. Die Theater haben also die Weltwirtschaftskrise deutlich zu spüren bekommen. Im Jahre 1932 gibt es nun über 6 Millionen Arbeitslose in Deutschland, die innenpolitischen Spannungen verschärfen sich, und die seit 1924 im Reichstag vertretenen Nationalsozialisten gewinnen ständig an Zuspruch bei den insgesamt vier Wahlen in diesem Jahr. Trotz zwischenzeitlicher Verluste ist die NSDAP dann im November mit 33,1 % stärkste Fraktion im Reichstag, am 30. Januar 1933 wird Hitler Reichskanzler. Dem „Nationalsozialismus als Versuchung“2 ist wohl auch Heinrich Pflanzl zunächst erlegen.
1 Heinrich Brüning (1885–1970), deutscher Reichskanzler von 1930–1932. 2 Fritz Stern in „Fünf Deutschland und ein Leben“, S. 537 ff.
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Oktober 1932 Heute ist hier großer Tag: Hitler spricht, bis jetzt wurden 67.000 Karten verkauft. Dabei kosten die numerierten Sitze 10 Mark, billigster Eintritt 1 Mark. – Man weiß gar nicht, was kommt. Ich bin sehr neugierig. Ich wollte gerne gehen heute, da ich frei habe, aber um 1 Mark zwischen den Tausenden, das ist mir zu gefährlich und 10 Mark ist mir zu viel Geld. Ein bekannter Arzt will mich mitnehmen, das versprach er mir gestern, na, vielleicht sehe ich dann Hitler. Es ist ganz ungeheuerlich, welche Suggestion der Name Hitler nun schon für das Volk bedeutet. Für Freund wie für Feind. Was die Freimaurer betrifft, das wird schon nicht so arg sein. Man wird sie halt auflösen, obzwar es ja auch Logen gibt, die rein deutsch-national sind. Das ist nicht so gefährlich. Ich halte Hitler für einen zu klugen, politischen Kopf, als daß er so zum „Eisenfresser“ wird. – Na, man wird schon sehen! Hitler dürfte beim nächsten Wahlgang durchgehen. Nicht die Parteiangehörigen werden ausreichen, Hitler zu wählen, sondern die vielen kleinen Leute, die in Hitler den Retter sehen. 22. Oktober 1932 Hitler war ja ganz ausgezeichnet. Er sprach 55 Minuten! Und der Glaube an ihn ist halt doppelt so, wenn man dieses gesammelte, zentralisierte Bündel an Wille, Idealismus und Fanatismus sieht und hört. Es liegt darin nur allein unsere Zukunft. Nicht alle Menschen sind dieser Meinung. Der Breslauer Historiker Willy Cohn, ein Zeitzeuge, notiert später in seinem Tagebuch:
Wir hörten die Rede von Hitler aus dem Sportpalast. „Dröhnendes Phrasengeklingel“ (…). Aber Hitler versteht mit allem Tamtam eine blöde Menge anzulocken, das ist alles auf die deutsche Mentalität abgestimmt.1 So glauben viele Menschen den Versprechungen und hoffen, wie mein Vater, das mit der angekündigten „Revolution“ der Nationalsozialisten auch bessere Zeiten kommen werden. 1
Willy Cohn in „Kein Recht, nirgends“, S. 9.
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14. November 1932 Wie es bei uns wird, weiß niemand. Die SA1 sagt, wenn Hitler nicht bald zur Regierung kommt, gehen sie zu den Kommunisten über. Einzelne Gruppenführer haben auch schon kommunistische Angebote in Händen. Das wird ja immer netter dann. 19. November 1932 Unsere Bühne ist sehr gefährdet. Kein Geld. Bekommen Gage in Raten. – Also darum: lieber ein Ende mit Schrecken als dieser ewige Zustand des Wartens. Es geht so nicht weiter. Der Wirren werden immer mehr. Dezember 1932 Hier ist es nimmer geheuer. Jeden Abend wird geschossen, Verletzte in Massen, der Bürgerkrieg tobt bereits, wenn auch noch nicht offen. Als anständiger Mensch kann man sich abends nimmer auf die Straße trauen, überall wird man angestänkert! Es geht – hoffentlich in meiner Abwesenheit – dem endlichen Krach zu! Wie’s wird? Klarer jedenfalls! 4. Januar 1933 Man weiß ja nicht, wie es wird. Wahrscheinlich gibt es Stunk, ganz großen. Die Kommunisten nehmen wieder zu, sind schwer bewaffnet und viel besser organisiert als die Nationalsozialisten. Wie das im Ernstfall wird, das ist nicht abzusehen. Es ist ein fortwährendes Taumeln. – 26. April 1933 Habe so viel Arbeit, drei Stücke in Vorbereitung, so daß ich gar nicht weiß, woher ich die Zeit nehmen soll. Habe so ziemlich für hier abgeschlossen, denn es tut sich gar nichts an anderen Bühnen. Und man will und kann hier nicht länger warten. – Bin noch als Vertreter der Arbeitnehmer in den Verwaltungsrat geschickt worden. In jeder Hinsicht habe ich für alle Fälle eine wunderbare Stellung, die ich wo anders nicht so leicht kriege. Und drum: nur wenn sich etwas ganz Erstklassiges bietet!
1 SA= Sturmabteilung, politische Kampftruppe der Nationalsozialisten.
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30. April 1933 Ich habe nun in Breslau für 8.000 Mark Jahresgage abgeschlossen und recht günstig für ein etwaiges Überspielen, da ich nur 10 Vorstellungen zu singen brauche im Monat, und mir das Vorstellungshonorar erhöht wurde. Ich würde dasselbe (und unter dem Gesichtspunkt, daß ich sehr viel singen werde) anderswo schwerlich erhalten. Die Gagen sind ja sehr herabgesetzt worden überall, die höchsten Gagen sind 10.000 bis 12.000, aber nur in Berlin. Und das letzte Jahr war ein schweres Kampfjahr, das recht anstrengend war durch die Zurücksetzung, da brauch ich recht gut das nächste Jahr hier, da ich die Partien alle singe, die ich noch nicht auf dem Repertoire habe. Man muß ja dem Herrgott danken, daß man verdient, arbeitet. Juni 1933 Ich verabscheue heute wie damals diese nationalen Kreise, die sich im „Heil“ schreien nicht genug tun können, die so viel Schuld trugen, durch ihren „nationalen“ Kastengeist, daß sich das Volk im Innern so entfremdete. Ich bin in erster Linie völkischer Sozialist, wie ich es immer war. Die Schichte der Hofräte, Rechnungsdirektoren etc. ist für mich nicht maßgebend, sondern einzig allein der Arbeiter, der Bürger, der Bauer. Wenn die sich die Hände einmal reichen (noch ist es sehr weit dahin in Österreich wie in Deutschland) und Einer des Anderen Wert erkennt, dann ist wahrlich etwas Neues erstanden. Und darum habe ich mich nie geändert. Und war im Herzen immer ein national denkender Sozialist. Kegelklubpolitik, deutsche Schulvereinsmeierei hat damit nicht das Geringste zu tun. Das Herz und das Blut, das Einsetzen der ganzen Persönlichkeit, das ist das letzte Entscheidende. Als der österreichische Bundeskanzler Dollfuß am 3. Oktober 1933 bei einem Attentat durch Nationalsozialisten leicht verletzt wird, schreibt Heinrich Pflanzl zwar noch auf einer Postkarte an seine Eltern:
3. Oktober 1933 Meine lieben Eltern, eben wird mir das Attentat gemeldet auf Dollfuß. Vielleicht ist es ein Fingerzeig Gottes und Dollfuß wird vernünftiger. Diese Karte wird von der österreichischen Postzensur übrigens zurückgeschickt mit dem Vermerk: „Abfällige Äußerungen über die Regierung sind auch in Österreich
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unzulässig.“ Nach der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers am 25. Juli 1934 distanziert sich dann mein Vater aber sehr deutlich von den Nationalsozialisten und verurteilt deren terroristische Methoden. Er hat inzwischen erkannt, wohin die politische Entwicklung führen wird, die Euphorie vom letzten Jahr ist längst vergangen.
27. Dezember 1933 Meine sämtlichen Stellen in der Bühnengenossenschaft habe ich niedergelegt, ich bin nicht geschaffen, die Ränke und Intrigen mitzumachen oder zu erleiden. 14. Januar 1934 Es geht heute halt ein bissel wunderlich zu. Ich habe im Herbst schon die Betriebszellenleiterstelle niedergelegt, jetzt auch die Bezirksobmann-Stellvertreterstelle in der Bühnengenossenschaft. Ich will nichts mehr damit zu tun haben. Man schafft sich so viele Feinde, Neider. Noch mehr, als man ohnehin hat. Ich komme sonst nirgendwo hin, will auch gar nichts wissen, es gibt so viel Tratsch und Klatsch überall. November 1934 Deutschland ist nicht das Paradies, in dem die gebratenen Tauben herumfliegen, es heißt arbeiten und Gott muß man danken, daß man es so schön hat in der Arbeit. Aber wenn man für jedes Stück Kohle zahlen muß und die Miete allein schon hundertzwanzig Mark frißt, da heißt es: das Geld zusammenhalten! 13. November 1934 Ich habe für nächstes Jahr wieder nach Breslau abgeschlossen. Ich tat dies, um beruhigt das nächste Jahr herankommen lassen zu können und ich glaube, daß es in dieser schweren Zeit das Beste ist.
Familiengründung Der tiefere Grund für die Vertragsverlängerung mit Breslau liegt wohl eher im privaten Bereich. Es gibt da am Stadttheater eine sehr hübsche Elevin, Ursula Gradenwitz („Ulli“), die sich mit ihren achtzehn Jahren das Berufsziel „Soubrette“ vorgenommen
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hat. Aus den gemeinsamen beruflichen Interessen entsteht sehr schnell ein menschlicher Kontakt, der junge Sänger wird in eine angesehene Breslauer Familie und damit in die Gesellschaft eingeführt. Aber zunächst kommt es zur Trennung von seiner Freundin Rena, und dann müssen auch die eigenen Eltern auf den neuen Lebensabschnitt des Sohnes vorbereitet werden.
2. Oktober 1932 Mit Rena ist es nun endgültig Schluß. Ich habe einsehen müssen, daß Rena nicht zu mir paßt. Sie ist ein guter, lieber Kerl, ein prächtiger Mensch, aber doch – nach ihrem eigenen Geständnis – ohne Verständnis für meinen Beruf. Das wäre ein ewiges Aufreiben gewesen, gegenseitig. Ich habe schwere Tage hinter mir, aber es ist für uns Beide besser. Es wäre jedenfalls eine Ehe für uns beide ein Unglück gewesen. Das war für mich das Bestimmende. Denn ich will heiraten. – Meine Einsamkeit ist sehr groß, das Alleinsein, keinen Menschen zu haben, mit dem nach der Arbeit sich aussprechen kann, der zu einem steht, zu einem gehört, – das halte ich nimmer lange aus. Ich bin durch Erfahrung viel klüger geworden, die lange Fremde hat mich Menschen kennen gelehrt. Ich werde mir mein Glück bauen. – Es hat alle Arbeit dann doppelten Sinn, man ist gelöster, gelockerter in seinem Dienst, in seiner ganzen Art. – Und die Krönung der Arbeit, des Lebens ist doch nur eine wunderbare Art von Kameradschaft, die ich mir bauen will. Ich hab viele Frauen geküßt, – die Sehnsucht ist nur mehr für eine in mir. All der Kampf im Leben ist mir so sinnlos geworden in dieser Einsamkeit, in der ich seelisch hause. – Ich habe Erfolg, habe Glück – habe auch Sehnsucht aber zur Ruhe zu kommen, ein eigenes Heim zu haben, in einem eigenen Bett zu schlafen, ein Daheim mir zu gründen, das mir gehört. 5. Oktober 1933 Bin nun sehr allein und einsam, fühle mich aber recht gut und ich bin auch viel mehr für mich tätig. Losgelöst von Aufregungen des Alltags erlebe ich dieses Alleinsein aber in einer großen Sehnsucht nach dem einen Menschen. 12. Oktober 1933 Ich habe die Absicht, meinem Leben einen neuen Inhalt zu verschaffen und ein eigenes Heim zu gründen. Ich bin nun schon das fünfte Jahr fort (mit Wien das
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9. Jahr) in der Fremde. Man kriegt es allmählich satt dieses Leben an fremden Tischen, in fremden Betten, mit fremden Möbeln, immer nur fremde Hände um sich zu haben. 27. Dezember 1933 An die Eltern Ich habe den heiligen Abend bei den Eltern der Ulli verbracht, die es mir so schön machten, weil sie um mein Heimweh wußten. 14. Januar 1934 An die Eltern Mittags aß ich bei Ulli, die selbst kochte. Man ist ganz außerordentlich nett und lieb zu mir und ich habe es dort wirklich recht schön. 20. Januar 1934 An die Eltern Ich hatte wohl erwartet, daß Ihr wie meine Geschwister ein paar gute Worte finden werdet – na, man kann nichts machen, wenn Ihr es nicht begreifen könnt, daß ich Sehnsucht habe nach einer Heimat, auch in der Fremde wegzukommen vom ewigen Fremdentisch, es hat mir recht weh getan, auch wegen Ulli, die es gefreut hätte, wenn Ihr sie mit ein paar freundlichen Worten begrüßt hättet. Das mit Rena muß ich klarstellen: ich habe Rena nicht wegen Ulli verlassen – ich habe Ulli erst gefunden, als ich schon lange von Rena frei war. Zwischen Ulli und mir ist es so klar, daß wir zusammen gehören. Wir wollen nun vor dem Sommer heiraten. Versteht doch das. Es ist, bei meinem heiligsten Schwur, kein verliebter Traum! Ich muß einen solchen Menschen haben, ich brauche ihn. Versteht doch diesen Schrei meines Lebens recht, diesen Schrei in dieser Masse von Neidern, Hassern. Ich bin nicht so stark, ich bin manchmal so sehr verzagt gewesen, weil gerade in den letzten Monaten Gemeinheiten an der Tagesordnung waren – versteht mich doch recht. Ich bin doch Euer Kind, Euer Sohn – muß da nicht in Euch, in euren Herzen zuerst das Verstehen wohnen? Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Ja, und dann hielt mich meine Familie in Breslau fest, denn ich hatte geheiratet. Meine zukünftige Frau war am Theater als Tanzelevin, sie wollte Soubrette werden. Da kam ich und so wurde sie mein bester Kamerad und treuester Gefährte im wechselvollen Geschick des menschlichen Lebens.
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Im Jahr 1934 wird also geheiratet, und schon bald ist auch der Nachwuchs da.
14. September 1934 An die Eltern Liebste Eltern, ein bisserl zu früh, aber gesund und stark! Um 14 Uhr 05 kam der Junge: 51 cm lang, 7 ½ Pfund schwer. Ulli geht es gut, es ist sehr schnell gegangen und sie läßt Euch von Herzen grüßen! So wird der Stamm fortgesetzt! Ulli hatte nach der Entbindung sofort Hunger! Und heute abends Premiere „Rosenkavalier“. Grüße und Küsse Euer glücklicher Heinivater
17. September 1934 Heinrich heißt er und Otto Robert. Heinrich heißt er nach dem Vater und dem Paten, der mir soviel Gutes getan hat, ohne Zaudern und Zögern. Wir alle wissen, was wir an Direktor Heinrich Kiener haben und hatten, auch war es mir gewiß, daß die Verknüpfung mit der dritten Generation Pflanzl ihm eine Freude ist. Otto heißt er nach dem Großvater, der für mein Leben immer Güte hatte, viel Liebe und mit der Mutter zusammen das Kostbare meines Lebens bildet: Eltern. Otto heißt er aber auch im Gedenken an meinen Bruder, der in dem kleinen Herzen meines Kindes weiterleben wird. Robert heißt er nach dem Menschen, der meiner Ulli, obzwar als einem angeheirateten Kind, viel Sorgfalt und Gutes schenkte, der besonders in diesen Wochen so voll rührender Liebe und bestem Menschsein war. Damit erscheint mir und Ulli die vergangene und die gegenwärtige, wie die kommende Generation verknüpft, es wird immer ein Verbundensein dadurch bestehen, im Rückschauen, Innhalten und der Zukunft Entgegengehen. Mein „Rosenkavalier“ ging unter diesen Umständen etwas verbogen vorbei. Es ging mir gut, aber natürlich war die ganze Aufregung belastend und es war keine einheitliche Leistung. Auch sind die Gefühle für den österreichischen Ochs nicht so stark, man ist hier zu sehr den Wüstling Ochs gewohnt, aber nicht den netten, trotz allem sympathischen Kerl. Aber es war für mich, ehrlich, eine 80 %-Leistung. Was wohl zu verstehen ist. Durch die Verbindung mit der jüdischen Familie Gradenwitz kommt es umgehend zu Schwierigkeiten mit den inzwischen nationalsozialistischen Behörden. Eine im glei-
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chen Jahr erfolgte Einladung, den Alfonso in „Cosi fan tutte“ in Glyndebourne zu singen, dem von den Emigranten Rudolf Bing, Fritz Busch und Carl Ebert neu gegründeten Mozart-Festival, kann Heinrich Pflanzl wegen der zu erwartenden und bereits angedrohten Schwierigkeiten in Deutschland nicht annehmen. Die Suche nach einem anderen Theater geht aber nun weiter und wird die junge Familie schließlich nach Nürnberg führen.
10. Juni 1936 Muß am 1. August in Nürnberg sein, Proben beginnen so bald. – Hab also nicht viel Urlaub. Sonntag habe ich letzte Premiere. 29. Juni 1936 Möbel, alles, alles ist gepackt, heute abends Abschiedsvorstellung mit „Figaro“. 1. Juli 1936 Eine große, herzliche Feier war mein Abschiedsabend. Ein Jubel, ein Rufen! Heute fahre ich weg. Sechs Jahre meines Lebens bleiben hier liegen. Ich will nicht alles aufwühlen, aber ich bin zum Manne gereift und mein Künstlertum ist davon gesegnet. Das ist Gewinn, ob so oder so. Kampf nur allein schafft Gewinn.
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Alltag eines Stadttheaters An seiner neuen Wirkungsstätte kann Heinrich Pflanzl zunächst einen großen Erfolg aus Breslau wiederholen, den Korrepetitor Peulemann in Rezniceks Oper „Spiel oder Ernst“.
Nürnberger 8-Uhr-Blatt vom 15. November 1936 Eine zwerchfellerschütternde Type war der alte Hauskorrepetitor von Heinrich Pflanzl. Mag er nun intrigieren, mag er selber dem Gott Amor verfallen oder mag er mit verblödeter Interesselosigkeit die Stichworte beim Korrepetieren geben und mit mechanisierter Gleichgültigkeit die Rezitative hämmern, es ist alles geboren aus einer tiefen Menschlichkeit, kommt von einem warmen Künstlerherzen und ist deshalb so zwingend, weil es letzen Endes so grotesk menschlich ist. In jeder neuen Aufgabe zeigt dieser Künstler seine erstaunliche Verwendbarkeit und immer wieder kommt auch das schöne Organ zur Geltung, das für das Fach des Baßbuffo gerade nach der qualitativen Seite hin so viele Modulationsfähigkeiten besitzt. Ein halbes Dutzend weiterer Regional-Zeitungen stimmt in dieses Loblied ein, auch bei den weiteren Produktionen mit Pflanzls Lieblingsrollen und mit einem teilweise neuen Repertoire. Aber von Anfang an ist er auf der Suche nach einem anderen Opernhaus, er fühlt sich hier zu sehr im Buffo-Fach festgenagelt, er verlangt andere, neue Herausforderungen.
Nürnberger Abendblatt vom 29. August 1937 Verdi „Macht des Schicksals“ Ein glänzend charakterisierter Mönch war der nie versagende Heinrich Pflanzl, dessen Kapuzinerpredigt ein Kabinettstück musikdramatischer Gestaltungskunst wurde.
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Nürnberger Abendblatt vom 3. September 1937 Lortzing „Der Wildschütz“ Die bedeutendste Figur des Abends ist Heinrich Pflanzl als Baculus. Seine überragende Leistung ist eine prachtvolle Mischung von strotzendstem Humor und einer leichten melancholischen Ader, bei weitem keine Bühnenfigur mehr, sondern ein lieber, warmer, bedauernswerter Mensch, wie wir solche Typen selber schon im Leben gekannt haben. Die geifernde Eifersucht, die großsprecherische Art seinem Gretchen gegenüber, die duckende Angst vor dem Grafen, die wiedergewonnene Selbstsicherheit beim Einsetzen seines berühmten Cantus firmus, all das wird gestaltet in einer schauspielerischen Gekonntheit, die schon wieder, wie alle große Schauspielkunst, Natur wurde. Dazu besitzt der Künstler stimmliche Qualitäten, die sowohl was das Timbre seines wertvollen Baßbaritons anbelangt als auch die Expansionsfähigkeit dieses Organs weit über das Maß des guten Baßbuffos hinausgehen. Die berühmte Fünftausend-Taler-Arie kann man in solcher Vollkommenheit, gesanglich und schauspielerisch gestaltet, kaum wieder hören. 30. November 1937 Die Tage vergehen so rasch und in einem Monat ist Weihnachten. Ich habe alle Tage zu tun. Am Ersten Feiertag „Meistersinger“, eine Festaufführung zum 100. Geburtstag von Cosima Wagner, ein Enkel (oder sonst irgendwie ein Nachkomme), Graf Gravin dirigiert, ganz Bayreuth wird vertreten sein1. Am 2. Feiertag „Boheme“. Am 30. November habe ich „Jürg Jenatsch“ (von Kaminski, eine Oper, in der ich eine schöne Partie zu – sprechen habe, aber schauspielerisch sehr interessant), nach Weihnachten bringen wir „Rossini in Neapel“ von Bernhard Paumgartner, ich habe eine nette Partie drinnen. Dann kommt zur Lortzingfeier „Zar und Zimmermann“. So vergeht halt ein Jahr und damit auch die Zeit. Von Dresden erhielt ich neuerlich (von Generalmusikdirektor Böhm) einen Brief mit der Versicherung, daß man im Falle der Vakanz eben an mich denken wird. Es ist so schwer, den letzten Gipfel zu erklimmen. Verbindung ist halt auch heute eine prächtige Sache. Gut angeschrieben bin ich. Ich kann aber den Kollegen nicht umbringen, damit ich Platz habe. Auch beim Rundfunk geht es nicht so schnell. Wann es denen beliebt mich zu holen, das liegt eben an ihnen selbst. Protektion, das ist 1 Der Dirigent Gilberto Graf Gravina ist ein Enkel von Cosima Wagner aus ihrer ersten Ehe und Urenkel von Franz Liszt.
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alles. Und selbst der Brief eines Präsidenten der Reichsrundfunkkammer wirkt keine Wunder. Man muß sich von dem Gedanken befreien (so sehr es für mich schmeichelhaft ist), daß es nur einen Baßbuffo gibt auf der Welt und der heißt: Heinrich Pflanzl! Sterneck war bis 1935 in München, für ihn kam Zeithammer. Außerdem hat man jetzt von Dortmund einen Bassisten geholt, der mal in Nürnberg war und mit Oberregisseur Hartmann viel gearbeitet hat. Also dort ist eben alles besetzt. Ich bin gesund, verdiene gut, es geht mir nichts ab, sollte es das Schicksal gut meinen, so kommt es auf mich zu. Anders bin ich auch zufrieden. Man muß dankbar sein für das, was einem in Händen ist. Fränkische Tageszeitung vom 15. Februar 1938 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ Ganz famos war Pflanzls Beckmesser. Seine unglaublich durchgefeilte, mit köstlicher Kleinmalerei betreute Darstellung, eine Karikatur ohne cholerischen Geifer, ohne groteske Albernheit, dafür aber grundlustig und mit einem Humor begabt, der Leuchtkraft hat und lachen läßt. Dabei ein Beckmesser, der hervorragend singen kann – wie selten ist das alles zusammen vorzufinden. 16. Februar 1938 Ein Nürnberger Stadtrat, der im Hause Wahnfried verkehrt, erzählte mir, daß die Familie Wagner mich sehr schätzt, auf Grund der „Meistersinger“ zu Weihnachten und sie mich gern mal kennen lernen möchten. Freut einen denn ja auch. 24. Februar 1938 Ich habe wenig zu tun. Lauter Kleinigkeiten und nichts Gescheites. Bereue ja so sehr, daß ich für hier wieder ein Jahr abgeschlossen habe, es ist ein schlechtes Engagement für die Oper und man ist vollkommen zweite Garnitur. Wenn die Hoffnung nicht wäre auf eine Zukunft, o je!!! 10. August 1938 Ich habe täglich vormittags und abends zu tun, es geht einem doch wieder sehr an die Nerven. 20. August 1938 Habe vor einigen Tagen die Anfrage erhalten, ob ich nicht per sofort mit Han-
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nover verhandeln kann, dort ist über die Ferien eine Stelle frei geworden. Kannst nichts machen. Heute ist Eröffnung der Spielzeit mit „Zauberflöte“, hätte fast den Sarastro gesungen, da unser Bassist nicht ganz auf der Höhe ist 9. Dezember 1938 Zurückgekehrt von meiner Fahrt nach Kassel bin ich mit einem sehr angenehmen Gefühl, nicht mehr von der Gnade Nürnbergs abhängig zu sein. Ich habe auf drei Jahre abgeschlossen, mit der von der Intendanz gegebenen Versicherung, bei einem möglich werdenden Abschluß nach Berlin, Wien, Hamburg etc. frei zu sein. Kassel ist Preußisches Staatstheater und Berlin unmittelbar unterstellt. Laut Vertrag sind wir verpflichtet, in der Staatsoper Berlin zu singen. Professor Heger, der oberster musikalischer Leiter ist, hatte eine große Freude. Er dirigiert ja gleichzeitig auch an der Berliner Staatsoper. Heger sagte auch: „Sie erinnern so an Richard Mayr“. Ich bekomme den ganzen Umzug ersetzt, habe mit 14 400 Mark Jahresgage abgeschlossen. Im Jänner singe ich den Beckmesser, in der Neueinstudierung von „Figaros Hochzeit“ im Laufe dieser Saison singe ich den Figaro. 14. Dezember 1938 Ich bin sehr froh, daß ich von Nürnberg gehe. Es herrscht hier die Operette und es wird nie anders werden. Ich bin jetzt das dritte Jahr hier und habe keinen Mozart, keinen Ochs, nur ein paar Lortzings gesungen. Alles Andere war ja mehr oder weniger ein Herumsingen in anderen Fächern. Ich glaube, daß ich es da in Kassel viel schöner kriegen werde. Ich singe schon in dieser Saison in der Neueinstudierung von „Figaro Hochzeit“ den Figaro, auch in den Festspielen im Juni den Beckmesser und Figaro. Sollte am 27. Beckmesser singen, bin aber hier besetzt. Das Haus faßt 1500 Personen, ist unerhört geräumig und sehr königlich. Die Lage ist wunderbar, am Rande eines Hügels gelegen. Ich sehe halt in Kassel eine Chance oder mehrere vor mir. In unserem Fach ändert sich halt schwer irgendjemand. Weil man (Gott sei Dank eigentlich) zu lange singen kann. Darum ist auch der Wechsel nicht so groß. Die Frage nach der beruflichen Zukunft ist also zufriedenstellend gelöst und man kann sich nun einem privaten Thema widmen, das wohl als Wunsch schon lange auf seine Erfüllung gewartet hatte.
Pferdestärken Es waren ja wirklich starke Pferde, die mit den Jugenderinnerungen meines Vaters an Salzburg untrennbar verbunden sind: die Tigerhengste der Stieglbrauerei. Sie brachten schon die Eltern zur Hochzeit und immer wieder gab es Gelegenheiten, mit den Kutschen und Pferdeschlitten der Brauerei Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen. Dann kam der Fortschritt der Technik und nach dem Ersten Weltkrieg die aufregende erste Fahrt mit dem Auto einer befreundeten Familie. Für ein eigenes Auto hatte es bei den Eltern leider nicht gereicht, auch wenn die Kinder davon träumten. Aber nun ist es so weit. Der Schwiegervater, Gynäkologe Dr. Robert Gradenwitz in Breslau, scheidet in Erkenntnis der politischen Entwicklung in Deutschland freiwillig aus dem Leben. Um die Familie vor weiterem Schaden zu bewahren, diagnostizieren die Arztkollegen einen normalen Herztod, die Witwe kann unbehelligt weiterhin in Breslau leben. Sie gibt nun den Wagen ihres Mannes an den Schwiegersohn weiter. So kann man einer tragischen Entwicklung letzten Endes doch noch eine positive Seite abgewinnen.
Nürnberg, 19. März 1939 An die Eltern Habe meinen Führerschein! Der Erste der Familie, der fährt im Automobilie! Ja, wenn alles klappt, dann fahren wir per töff-töff in die Ferien, also auch in die Flachau. Wenn es auch kein Chrysler ist, mein Mercedes wird mich genau so gut über die Bergle ziehn. Ich freu mich ja (es ist nicht übertrieben) wahnsinnig. Nürnberg, 4. April 1939 An die Eltern Ihr seid schon sehr neugierig auf mich als Chauffeur? Was? Ja, ich freue mich wirklich sehr. Ich werde natürlich nicht jetzt großkotzig zu jeder Probe fahren und überhaupt nur mehr per Benzindroschke meine Gänge erledigen, nee, ich freu mich vor allem, wenn so ein schöner Nachmittag ist, daß man ein bissel rausfahren kann. Und im Sommer halt. Der Wagen braucht im Durchschnitt 10–11 Liter Kraftstoff und wenig Öl. Ende Juni komme ich dann vorgefahren,
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Eure Herzen mit meinem Anblick erfreuend. Ich habe es mir lange überlegt, aber nun habe ich eigentlich so gar nichts, was man Liebhaberei nennen könnte. Ich rauch nicht, trink wenig, sammle keine Briefmarken, kein Notgeld (nur frische Banknoten), Lebensversicherung und Pensionsversicherung, das läuft, also die Pflicht gegen Frau und Kind erfüllt … so hab ich mich denn entschlossen. Und habe eine Riesenfreude. Allein schon das Waschen, das Polieren, na, herrlich! Nürnberg, 16. April 1939 Der Wagen ist schön, dunkelrot mit schwarzen Kotflügeln, Kabrio-Limousine. Braucht auf der Herfahrt knapp 10 Liter und fast kein Öl. Also, ein rentabler Wagen und Mercedes ist schließlich keine schlechte Marke. Kassel, 28. August 1939 Den Wagen kann ich nicht fahren, es gibt keinen Tropfen Benzin, wer weiß, wie lange ich ihn noch habe. Kassel, 25. September 1939 Mit dem Wagen fahre ich schon lange nicht mehr, seit Ende August. Bis jetzt ist er noch nicht beschlagnahmt, ich würde ihn schweren Herzens weggeben, aber bald frag ich mich, wozu er da ist. Er hat uns in den ganzen Monaten so viele schöne Stunden geschenkt, ich war sehr stolz darauf. Kassel, im Dezember 1939 Mein Wagen ist aufgebockt. Unser Schäferhund Peter ist noch nicht einberufen worden. Kassel, 19. Februar 1940 Mein Wagen träumt in der Garage, ich kann mich nicht trennen und hoffe, daß der Friede doch eines Tages kommt. Dann aber raus mit ihm! Kassel, 11. März 1941 Meinen Wagen haben sie abgeschleppt, der wird wohl auch in diesem Frühjahr seine Wege laufen. Wir alle hoffen ja, daß diese Wege einem Frieden zulaufen, wenigstens Ruhe in Europa.
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Doch der Krieg wird heftiger und der Wagen beschlagnahmt für den Kriegseinsatz. Das ist für die nächsten zehn Jahre das Ende des Traumes vom eigenen Auto. Im Herbst 1950 kann mein Vater in Dresden ein Wanderer-Cabriolet aus der Vorkriegszeit kaufen, ein wunderschönes Auto, beige mit braunen Kotflügeln. Aber noch fehlt ihm die Fahrpraxis.
Dresden, im Oktober 1950 An die Mutter Bis jetzt bin ich noch gar nicht dazugekommen, mit dem Auto viel zu fahren, weil ich mich erst richtig wieder einfahren muß. Brauchst aber keine Angst zu haben, Mutter, ich paß schon auf. Ich bin ja aus Vergnügen Autofahrer und kein Haster und Hetzer. Wenn ihr mir eine Freude machen wollt, dann schickt mir einen schönen Wimpel mit dem Salzburger Wappen als Talisman. Berlin, 15. November 1950 Mit dem Auto bin ich noch kaum gefahren, da ich keine Zeit bisher hatte, mich damit zu beschäftigen, in den Wirbel von Berlin kann ich mich nicht ohne weiteres hineinstürzen. Berlin, 5. Februar 1951 Mein Wagen läuft wunderbar, Mutter, Du mußt keine Angst haben, ich fahre schon aus Kurzsichtigkeit recht aufmerksam und nicht zu schnell. Es ist im Sommer 1951, während der Bayreuther Festspiele, als unser guter Wanderer plötzlich ein unerklärliches Geräusch produziert. Für musikalische Menschen sind unerklärliche Geräusche eine echte Qual, so auch für meinen Vater. Er bringt den Wagen sofort in eine Werkstatt in Bayreuth, wo man verspricht, sich des störenden Phänomens anzunehmen. Schon am nächsten Tag ist alles wieder in Ordnung, wir haben die Ursache nie erfahren, aber mein Vater erhält eine kleine von Hand geschriebene Rechnung mit dem Text: „Herrn Kammersänger Pflanzl Geräusch beseitigt“, ein Satz, der in den Wortschatz der Familie aufgenommen und immer wieder gerne zitiert wird. Dem Wagen hatte das wohl weniger geholfen und so kauft man im kommenden Jahr ein neues Auto, den Ford 12 M, soeben erschienen als verkleinerte Version des amerikanischen Vorbilds. Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Kontakte mit dieser für uns wirklich ganz neuen Erfahrung, einer Lenkradschaltung, durchgehender Sitzbank vorne und ungewöhnlich hoher Sitzposition – man saß wie im Cockpit eines Flugzeugs.
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5. Mai 1952 Unseren Wagen habe ich heute abgegeben und nun kommt Mitte Mai der neue. Die Überraschung ist groß, als dann in Bayreuth im Sommer 1952 die Sängerin Trude Eipperle aus Stuttgart mit genau dem gleichen Modell im gleichen Farbton erscheint, die beiden Künstler vor ihren Autos werden ein beliebtes Fotomotiv dieser Tage. Dem guten alten Wanderer-Cabriolet trauere ich noch heute nach, er wäre inzwischen ein hochgeschätzter Oldtimer. Mein Vater aber bleibt der Firma Ford treu, 12M, 15M, 17M – das letzte Modell in hellgrün und weiß kommt dann auch noch mit nach Salzburg. Auf einer Fahrt in das Mozarteum übersieht mein Vater in der Flughafen-Unterführung den dort unbeleuchtet stehenden Traktor samt Anhänger eines Walser Gemüsebauern. Dies ist nicht nur das Ende der Ford-Modelle meines Vaters, es ist auch das Ende seiner Selbstfahrer-Zeit. Von da an gibt es nur noch den Postbus von Großgmain nach Salzburg.
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Kriegsbeginn Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Der Dirigent und Komponist Robert Heger holte mich dann für drei Jahre nach Kassel. Das Repertoire hatte sich erweitert und ich sang neben meinem Hauptfach auch seriöse Partien, wie den Renard in „Der Günstling“, den Hirten in Hegers „Bettler Namenlos“. Auch die älteren Herren meines Faches waren nun in der Maske glaubwürdiger geworden, so Don Alfonso, Don Pasquale, Doktor Bartolo und Graf Waldner. Aber die Lebensbedingungen haben sich schlagartig verändert, der Beginn eines neuen Engagements fällt zusammen mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Kassel ist eine wichtige Industriestadt und so sind die Auswirkungen vom ersten Tag an spürbar.
28. August 1939 Unter Umständen, die mir ewig im Gedächtnis bleiben werden, habe ich gestern mein neues Arbeitsfeld eröffnet. Die Vorstellung „Lustige Weiber“ mußte ein Korrepetitor übernehmen, da alle Kapellmeister zur Wehrmacht einberufen wurden. Auch eine Anzahl Sänger holte man. Habe viel Laufereien, muß mich hier als „wohnhaft“ eintragen lassen wegen der Lebensmittelkarten. So sind wir hier wenigstens sicher, etwas zu essen zu bekommen. Kasseler Post vom 28. August 1939 Nicolai „Lustige Weiber von Windsor“ Heinrich Pflanzl, der von Nürnberg kommt, ist unstreitig ein bedeutender Gewinn für die Kasseler Oper. Sein Falstaff steht aus einem Guß als eine ausgezeichnete Buffofigur echt shakespearescher Prägung, die der vollsaftigen Verkörperung
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dieses eitlen Gecken nichts schuldig bleibt. Dazu gesellt sich ein Organ von edler Baßschwärze, sauberster Tonführung und tragfähigem Klangvolumen in allen Lagen. Kasseler Neueste Nachrichten vom 28. August 1939 Nicolai „Lustige Weiber von Windsor“ Heinrich Pflanzl … Überraschung des Abends … virtuose Überlegenheit … prächtiges Material. 1. September 1939 Wir spielen vorläufig weiter. Es ist aber nicht leicht, sich zu konzentrieren. 10. September 1939 Sich in diesen Tagen hinsetzen und einen Brief schreiben, ist fast wie ein schönes Ausruhen. Es ziehen im Geiste die letzten Wochen vorüber, die Gegenwart taucht am Ende dieser Reihe auf und erscheint einem in allem folgerichtig. So werden Ereignisse aus Ereignissen geboren und wie jedes Ding seine Ursache hat trägt es in sich schon wieder die Ursache. Man könnte sich verlieren und alles Geschehen dieser Zeit auf philosophische Nenner bringen. Doch ist Herz und Hirn nie Zweierlei. Vorläufig ist unser Jahrgang noch nicht aufgerufen – wir müssen auf Befehl Görings weiterspielen, einige Kollegen, die schon eingerückt waren, kamen wieder zurück. Wir haben Luftschutzdienst abwechselnd im Hause wegen Panikgefahr. In der Nacht von Freitag auf Samstag gab es Alarm. Aber ich habe hier wirklich eine erste Position und bin von allen sehr, sehr gut aufgenommen worden. Am 6. Oktober singe ich „Don Pasquale“. 25. September 1939 Nun ist in seiner grausigen Nüchternheit doch der Krieg gekommen. Was kommt nun? Die ersten Fliegeralarme waren sehr schaurig, so in der Nacht, aber man gewöhnt sich an alles sehr schnell. In den Zeitungen studiert man täglich die neuen Lebensmittelkarten-Vorschriften – ich denke an meine Kinderzeit. Hätte nie gedacht, wirklich nicht, das alles nochmals zu erleben. Hier werden wir gegen Abgabe der Lebensmittelkarten verhältnismäßig noch anständig verpflegt. Obwohl
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es Eintopfgerichte gibt, die den Namen „Namenlos“ führen. Unsere Sorgen sind aber noch immer erleichtert: ich gehe meinem Beruf nach (nicht immer leicht), bekomme, wenn auch gekürzt, meine Gage – viele Andere liegen schon draußen. Wie hieß das Lied, das ich immer sang als kleiner Junge: „Ich hab ein Hüglein im Polenland“. Keine Seife gibt es, ach, gar nichts, nur die Luft ist noch frei. Kasseler Neueste Nachrichten vom 9. Oktober 1939 Donizetti „Don Pasquale“ Don Pasquale war Heinrich Pflanzl eine weitere, aufs Trefflichste gemeisterte Gelegenheit, die Vielseitigkeit seines Könnens zu beweisen. Stets fesselte die Stimme als solche, ihr Wohllaut, ihre dynamische Biegsamkeit und ihre situationsgerechte Ausdrucksfähigkeit. Vom hämmernden staccato bis zum wohlgerundeten legato standen ihm alle Techniken der Buffobassisten mühelos zur Verfügung. Die gleiche virtuose Vielseitigkeit zeigt sich im Darstellerischen. Kasseler Post vom 9. Oktober 1939 Donizetti „Don Pasquale“ Schwerpunkt der Aufführung … stimmliche Fülle … ausgezeichnete Wortbehandlung und in der Darstellung eine Studie fein überlegter und abgerundeter Charakterzeichnung. Daß dabei keine Übertreibung die Pasquale-Figur ihrer Menschlichkeit entfremdet ist ein besonderer Vorzug seiner Leistung. Kurhessische Landeszeitung vom 27. Oktober 1939 Mozart „Figaros Hochzeit“ Von den Darstellern traf Heinrich Pflanzl als Figaro den Mozartstil in vollendeter Weise. Das war ein Figaro, wie er sein soll. Welch köstliches Mienenspiel, welche Kunst der Verstellung! Und Hand in Hand damit eine gesangliche Kultur, jene Meisterschaft vorbildlich artikulierender Deklamation, die heute so selten geworden ist. Die Oper in Kassel zählt zu den Preußischen Staatstheatern, die Mitglieder sind daher verpflichtet, auch an der Staatsoper Berlin aufzutreten. Im November 1939 beginnt es für Heinrich Pflanzl mit dem Figaro.
Aus einer Berliner Tageszeitung im November 1939 Figaro aus Salzburg? Wir schlagen das Programm auf: Figaro – Heinrich Pflanzl? Ein völlig neuer Name. Wo kommt er her, was ist er für ein Mensch?
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In einem bekannten Berliner Café treffe ich einen Herrn mit einem rundlich-verschmitzten Gesicht und freundlicher Brille. Ein Baßbuffo österreichischer Prägung, Figaro aus Salzburg, der Mozartstadt, vom Staatstheater Kassel kommend. „Ich habe schon sehr früh gesungen, angeregt durch das musikalisch-kulturelle Leben in Salzburg. Mein Vater, der selbst eine schöne Baritonstimme hatte, war sofort begeistert, als ich den Entschluß faßte, Opernsänger zu werden. Schwierigkeiten hat’s keine gegeben! Im Gegenteil! Wir Kinder sind in vollster Freiheit groß geworden. So wie die Pflanzln wachsen… Das sagt schon der Name!“ (…) In einer ruhig-besinnlichen Art erzählt Pflanzl von seiner künstlerischen Entwicklung. „Ganz aus dem Volk gekommen und mit dem Volk verbunden“ – diese Worte, mit denen der liebenswürdige Figaro aus Österreich seinen Vater charakterisiert hat, gelten auch für seine eigene Wesensart: er ist der Typ des kultivierten Sängers, der ein erquickendes Fluidum lebensnaher und warmherziger Einfachheit ausströmt. Berliner Nachtausgabe vom 16. November 1939 Mozart „Figaros Hochzeit“ Für den Figaro, die Seele des Ganzen, hatte man einen Gast aus Kassel, Heinrich Pflanzl, herbeigeholt. Gesanglich und darstellerisch war er großartig bei Laune und bekam einen Sonderapplaus. Im Dezember 1939 nach dem ersten „Figaro“ an der Berliner Staatsoper an seine Eltern Ich habe mich mit Ehren behauptet und die Tatsache, mit Domgraf-Fassbaender1 zu alternieren ist schon allein eine feine Angelegenheit. Es geht also auch ohne landsmännische Protektion. Im Interview sollte Vater daraus lesen, wie sehr ich mir bewußt bin, seinen Namen mit Stolz zu nennen, es sollten Mutter und Vater daraus lesen, wieviel ich ihnen zu danken habe, wie immer sie mir geholfen haben, den Weg gehen zu können, der letzten Endes einem endgültigen Ziel, ob dort oder da, nicht mehr fern ist. So hat sich der Gang nach Kassel irgendwie doch gelohnt, wie sich alles weiter entwickelt ist eine reine Angelegenheit des Glücks. Habe seit Samstag mit Ausnahme von Dienstag bis incl. Sonntag jeden Tag zu tun, dazwischen liegt auch noch der „Figaro“ in Berlin. 1
Willi Domgraf-Fassbaender (1897–1978), Bariton, von 1930–1946 an der Staatsoper Berlin.
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Die Kritiken über den Ochs hieben natürlich drein, weil ich übermüdet war und sehr verschleimt und daher die Tiefe nicht so kam. Sie hatten leider vergessen, daß ich ihnen als Falstaff ein patzen-tiefes E hinlegte. Na, schlecht sind sie ja nicht, aber einen Schönheitsfehler haben zwei doch. Dabei ist stimmlich kein Vergleich mehr mit früher. Da ist schon ein bissel mehr Schmalz und Butter dazu gekommen. 12. Dezember 1939 Am 7. Jänner singe ich wieder in Berlin den Figaro, freu mich schon, das macht richtig Spaß. 31. Dezember 1939 Für heute heißt es Abschied nehmen von dem Jahr, das seinen Weg zu Ende geht. Draußen jagt der Schnee und ein schneidender Wind pfeift mit. Der Himmel ist in einem weißlichen Grau, eine einförmige Decke, kalt und ernst ist alles. Schwarze Striche der Bäume durchschneiden den Blick. Was nun hinter uns liegt, wissend, gebucht im Erinnern, das kann keinen Schaden bringen. Es lauert nur in dem Kommenden die Ungewißheit: Krieg kam ins Land. 27. Januar 1940 Wir spielen seit acht Tagen nicht und werden auch vorläufig nicht so bald wieder eröffnen, weil wir keine Kohlen haben, d. h. nur so viel, um die Probenräume zu heizen. Die Proben laufen weiter. Das ist ein ungeordnetes Berufsleben, gar nicht schön. Privat wurden Kohlenkarten ausgegeben, da mußte man trotzdem noch Glück haben, welche zu bekommen; auf dem Rodel fuhren wir unsere zwei Zentner nach Hause, sehr elegant: im Pelz und langen Wintermantel, so schleppten wir unser schwarzes Glück heim. Ebenso ging es mit Kartoffeln, die wir in großen Vorratshallen bezogen, ohne Anstehen, eineinhalb Zentner auch da wieder. Was man hat, hat man! Im Februar 1940 Seit Donnerstag spielen wir wieder, heute ist „Waffenschmied“, Dienstag „Tannhäuser“, dann kommt die Uraufführung von „Dame Kobold“, ein sauschweres Stück und undankbar. Ich soll nach dem Komponisten eine große komische Rolle haben, merke bis jetzt nichts davon. Ein elender Krampf! Eine Kollegin
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erzählte mir, daß Professor Heger mich für den besten Buffo Deutschlands hält und mir eine große Karriere bevorstehe. Geschwätz … ich merke nichts davon. Aber man spricht wenigstens von mir, das ist schon etwas wert. 19. Februar 1940 Hätte heute wieder singen müssen in Berlin, den van Bett, aber ich sagte ab, weil ich vorgestern „Tannhäuser“ und gestern „Figaro“ hatte und morgen um zehn Uhr schon wieder auf der Probe sein müßte. Das wäre ein Gehetze und Gejage und vielleicht noch dadurch schlecht bei Stimme sein. Nee, da bin ich heute schon zu besorgt und habe etwas zu verteidigen. Zu Ostern singe ich die Baßpartie in Verdis „Requiem“, eine schöne gesangliche Angelegenheit. Als Biterolf, der kleinen Partie im „Tannhäuser“, hatte ich fast größere Kritiken als die Hauptrollen. Man schrieb, daß man sah, was ein hervorragender Meister des Gesanges und der Darstellung aus einer kleinen Rolle machen kann. Ich mußte lachen und die Kollegen spuckten. Ich gönne es mir und ihnen! Hatte diesen Monat allein an Steuern 230 Mark Abzug, insgesamt mit den anderen Dingen 423 Mark!! Das ist doch nicht zu wenig. Wenn man nun 87 Mark für Lebens- und Krankenversicherung zahlt, 140 Mark die Wohnung, 20 Mark Garage, 40–50 Mark monatlich Heizung und noch andere Kleinigkeiten wie Gas, elektr. Licht, dann kann man sich ungefähr ausrechnen, daß ein hohes Einkommen genau so schmilzt wie kleinere. Nur mit dem Unterschied, daß ein hohes Einkommen halt doch immer noch schöner ist. 5. April 1940 Ich bin nun eine Woche daheim wegen Heiserkeit. War schon in der Karwoche sehr fertig, aber das „Requiem“ sang ich noch, es war hart, so Schönes nur mit äußerster Vorsicht singen zu können, es kam ab und zu doch ein netter Kratzer mit, deshalb Kritiken alle auf Indisposition eingestellt. Es tut mir auf jeden Fall gut, denn ich habe viel gesungen und verdiene ein bißchen Ausspannen. 18. April 1940 Ich habe nun wieder gesungen und es ist alles in Ordnung, die Stimme klingt ausgeruht und ist wieder frisch. Ich werde nimmer viel zu tun haben außer „Ero der Schelm“, das habe ich ja in Nürnberg gesungen, also nicht mehr viel Arbeit. Das tut gut.
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2. Oktober 1940 Ich bin nun mit der neuen Rolle im „Günstling“ fertig geworden, eine interessante Partie (ein englischer Minister) mit einem schönen Monolog. Dahinter wartet schon wieder eine Rolle in „Xerxes“, dann der Weps im „Vogelhändler“, Leporello mit neuem deutschen Text. Kasseler Neueste Nachrichten vom 11. Oktober 1940 Wagner-Regeny „Der Günstling“ Pflanzls Renard verdient hervorgehoben zu werden, nicht nur wegen der ergreifenden Darstellung, sondern weil dadurch erst der volle Umfang dessen erkennbar wurde, was dieser ausgezeichnete Künstler zu leisten vermag. Kasseler Post vom 12. Oktober 1940 Wagner-Regeny „Der Günstling“ (…) Eine Szene tiefsten Eindruckes seine Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewissen. Kurhessische Landeszeitung vom 12. Oktober 1940 Wagner-Regeny „Der Günstling“ Heinrich Pflanzl bescherte seinen Verehrern, zu denen ich mich mit voller Seele rechne, von neuem eine Überraschung. Dieser Meister des Buffogesangs gab den würdigen und sorgenbeschwerten Minister so vollendet, daß schon seine bloße Erscheinung und Miene überzeugte. Im Dialog fand er eine Sprache von warmer, beredter Güte, sein Arioso im 3. Akt steigerte sie noch kraft seiner schönen stimmlichen Mittel. Ohne Datum Ich habe ja heuer nicht eine Vorstellung abgesagt. Aber wenig Dank dafür! 12. Januar 1941 Von den großen Leuten wird jetzt an Gastspielen viel abgesagt, weil man durch die Nebenverdienste in eine so hohe Steuerklasse hineinkommt, daß sich das nicht mehr auszahlt. Julius Patzak erzählte einem Kollegen, daß er an einem Konzert etwa 100 Mark Reinverdienst hat und deshalb alle diese Sachen abbaut. Ich zahle in Dresden dann auch monatlich allein an Steuern 723 Mark. Aber na, das wird ja auch mal wieder besser. Die Hauptsache ist: arbeiten können und sich auf den Frieden freuen.
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12. Februar 1941 „Vier Grobiane“ war ein kleiner Erfolg, es litt alles sehr unter der etwas skurrilen Spielführung und den ebenso verkonstruierten Bühnenbildern. Die Kritiken waren gut, ich habe sie aber in meiner vielen Arbeit gar nicht weiter beachtet und deshalb irgendwohin verlegt. Jetzt arbeiten wir an dem „Uhrmacher von Straßburg“, in dem ich auch für den erkrankten Baß die Rolle übernehmen mußte. Sonntag habe ich zwei Vorstellungen, Montag wieder und dazu die Proben. 11. März 1941 Am 30. habe ich „Undine“, im Celler Schloß „Figaro“ Gastspiel vom 22.–26. März. Nach „Undine“ kommt für mich „Arabella“, „Cosi fan tutte“, da geht es aber schon dem Juni zu und es wird nimmer viel Großes herausgebracht. Vom „Uhrmacher“ hatte ich in der deutschen Presse noch sehr gute Besprechungen. Karfreitag 1941 Heute habe ich Konzert: „Hohe Messe“ von Bach, zwei sauschwere Arien darinnen. Nächstes Jahr soll „Requiem“ von Verdi wiederkommen, dann „Missa solemnis“ und der Christus in der „Matthäuspassion“, darauf freue ich mich besonders. Eine Schülerin habe ich auch jetzt, eine Altistin mit schönem Material, aber es kostet Arbeit. 8. Oktober 1941 Morgen ist Premiere von „Cosi fan tutte“. Anschließend kommt „Schneider von Schönau“. Für vier Tage, vom 19. bis 23. sind wir mit „Wildschütz“ in Celle. Am 27. 11. mit „Uhrmacher von Straßburg“ in Straßburg. Am 6. November habe ich hier mit unserem Chor ein großes Konzert, in dem ich ein paar Arien singe. Kasseler Post vom 11 Oktober 1941 Mozart „Cosi fan tutte“ Don Alfonso, in gewisser Weise Angelpunkt des Spiels, wurde von Heinrich Pflanzl mit jener, an ihm oft gerühmten Überlegenheit dargestellt, die ihn alle Rollen zur menschlichen Wirklichkeit verwandeln läßt. Dabei fand er wundervolle Töne, und unvergeßlich werden manche Wirkungen im Ensemble sein, in dem er – ganz aus Mozart heraus – schön sang und doch deutlich charakterisierte.
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15. Oktober 1941 In Celle habe ich fünf „Wildschütz“-Vorstellungen zu singen. „Cosi“ war ein schöner Erfolg. Wir sind schon wieder fest in „Schneider von Schönau“ drinnen, eine nette Oper, keine große Rolle, einer der drei Schneider, macht aber viel Spaß. Nur ist es, so Schlag auf Schlag, ein bissel viel und macht müde. Uns stärkt die große Hoffnung, daß es doch nimmer so lang dauert, als bisher. Man kann es sich ja gar nimmer vorstellen: Frieden! Schlafen gehen, ohne Angst, Alarm zu bekommen, im Freien des Sommers nachts sitzen zu können und alles zu bekommen, ach, wird das einmal wunderbar. Davon träumen wir doch ab und zu und wollen alles ertragen, was noch kommt, nur Frieden wieder erleben. Ende Oktober 1941 Ich habe am Sonntag wieder Premiere: „Schneider von Schönau“, eine lustige Oper. Am 6. November Konzert, viele Vorstellungen. Am 27. geht es nach Straßburg mit dem „Uhrmacher von Straßburg“. Mit neuen Sachen habe ich es dann etwas stiller, Gott sei Dank! 6. März 1942 Ich habe eine sehr starke Woche hinter mir, plötzliche Vorstellungsänderungen zwingen eine plötzliche Einstudierung „Waffenschmied“ in drei Tagen, dann hatte ich die ganze Woche „Bunte Nachmittage“ in Lazaretten und Flakstellungen. 22. März 1942 Wir haben wieder öfters nun Alarm gehabt, manchmal ein paar Mal in einer Nacht. Immer raus aus dem Bett und rein und wieder raus und rein. Die Bedrohung durch die neuesten Bomben ist sehr schwer und man zittert doch um sein bisserl Hab und Gut. Jetzt schmeißen sie Brandbomben bis zu 50 Kg, die mit einer Flüssigkeit von Kautschuk-Phosphor und Leichtbenzin gefüllt sind. Die Bombe explodiert erst nach Aufschlag (also wenn sie, wie in den meisten Fällen, drei, vier Stockwerke durchschlagen hat und verspritzt dann die alles entzündende Masse. Da soll man eine Fläche von ca. 30 m im Umkreis mit Sand löschen! Da müßte man ja in jedem Zimmer einen Rosenhügel voll Sand haben. Da wird das Laufen nach den Dingen des Lebens klein und man freut sich herzlich über jede Nacht, die ohne Platzmusik verging.
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2. April 1942 Morgen habe ich die „Schöpfung“, Samstag „Figaro“ und Sonntag wenigstens frei. Montag „Tannhäuser“, dann fahren wir mit „Heimliche Ehe“ nach Celle, bleiben dort bis 12., dann „Wildschütz“ in Kassel, am 16. will ich nach Thorn fahren, dort am 18. und 19. „Rosenkavalier“, wieder zurück nach Kassel, „Tannhäuser“, dann wieder nach Celle auf eine Woche. Es wirbelt einen ganz nett durch die Gegend. Wenn man nur gesund bleibt, dann ist alles gut. Mehr verlangt man sich nimmer. Es ist alles sehr bedrückend, besonders die zunehmende Verstimmung der Menschen, in einer Industriestadt merkt man das viel mehr. Wie ist doch alles verworren und Jedes hat sein Teil daran. Und über alle Bedrängnis der Gegenwart schauen wir doch alle nach vorwärts und wollen den Mut nicht sinken lassen. 7. April 1942 Die „Schöpfung“ war ein schöner Erfolg. Hatte heute Hauptprobe zu „Heimliche Ehe“ für Celle und anschließend zwei Stunden Luftschutzkurs. Donnerstag geht es nach Celle, Dienstag komme ich zurück und in einer Woche, wenn nichts mehr dazwischen kommt, geht es nach Thorn. Das ist bei den heutigen Reiseschwierigkeiten nicht leicht. Unser Gruß: BOLONA = Bombenlose Nacht. 24. April 1942 Meine Thorner Fahrt war ja, zwischen je fünf aufeinander folgenden Celler Vorstellungen, eine große Anstrengung, aber ich habe es geschafft. Ich war sehr gut bei Stimme und habe vielleicht meinen besten „Ochsen“ da oben gesungen. Freitag Generalprobe, Samstag und Sonntag Vorstellungen, das war schon allerlei. 14. Juni 1942 Ich habe am 20. Premiere von „Entführung“ und am 5. Juli „Don Giovanni“. Am 7. Juli ist meine Abschiedsvorstellung mit „Figaro“, dann bin ich fertig. Kasseler Post vom 21. Juni 1942 Mozart „Die Entführung aus dem Serail“ Dies köstlich-komisch dargestellte Mozartfigur mit dem ergiebigen Baßton war eine Meisterleistung Pflanzls.
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Kurhessische Landeszeitung vom 21. Juni 1942 Mozart „Die Entführung aus dem Serail“ In Pflanzls schlechtin meisterlicher Leistung vereinigt sich die Darstellung des Komischen mit dem Wissen um das Menschliche, und so wird Mozarts Stil in vollendeter Weise getroffen. Kasseler Post vom 7. Juli 1942 Mozart „Don Giovanni“ Beim Leporello Pflanzls, einer wahrhaft grandiosen buffonen Leistung von überwältigendem Humor und monumentaler Stimmkraft empfand man tiefen Schmerz darüber, daß man diesen ausgezeichneten Künstler an Dresden abgeben muß. Seine Register-Arie war ein wahrhaft klassisches Muster großen, gesangsdarstellerischen Stiles, das man lange Zeit in der Erinnerung behalten wird. Kasseler Neueste Nachrichten vom 8. Juli 1942 Abschiedsvorstellung Mozart „Figaros Hochzeit“ (…) Was an Pflanzl besonders gefiel, seine von innen her bewegte Kraft des Ausdrucks, des Gestaltens, des geistigen Formens, hängt offenbar mit seiner Herkunft zusammen. Er stammt aus der Mozartstadt Salzburg. Süddeutsche Lebendigkeit und Liebenswürdigkeit zeichneten darum alle seine Figuren aus. Daß sie nicht Figuren blieben, sondern Menschen mit irgendeiner charakterlichen Besonderheit oder auch Einseitigkeit wurden, dafür sorgte sein glänzend entwickelter Sinn für Karikaturenzeichnungen. Er brauchte dabei durchaus nicht zu übertreiben, oft blieb er sogar mit voller Absicht in nächster Nähe des einfach Menschlichen. Sein Figaro war hierfür der beste Beweis. Hinter der Fröhlichkeit stand spannend und vorwärtstreibend der ungeheure Ernst sich wandelnder revolutionärer Zeiten. Diesen Doppelsinn führte er wahrhaft virtuos durch. (…) Wir haben Grund genug, Pflanzls Abschied von Kassel aufs Tiefste zu bedauern. Wenn wir nun von neuen Erfolgen in Dresden hören, dann wollen wir uns in Kassel freuen, daß wir die Vorzüge des hochbegabten Sängers und Gestalters von Anfang an erkannt und durch lebendige Anteilnahme gefördert haben. Darum wird Pflanzl Kassel ebensowenig vergessen, wie die Kasseler ihn nicht vergessen. Kasseler Post vom 9. Juli 1942 Abschiedsvorstellung Mozart „Figaros Hochzeit“ (…) Man kann von Pflanzl sagen: Er kam, sang und siegte. Schon bei seiner ersten Partie gewann er die Herzen der Theaterbesucher, um von Mal zu Mal in de-
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ren Gunst zu steigen und schließlich ihr ausgesprochener Liebling zu werden … darin liegt das Einmalige der Kunst Pflanzls, daß sie niemals Wiederholung oder Schablone ist, sondern stets eine vollkommen neue Schöpfung bringt. Jede der vielen von Pflanzl verkörperten Bühnengestalten überraschte uns durch die Originalität der Auffassung und ihre aus höchst persönlicher Anschauung herausgewachsene Charakteristik. Von Haus aus verschwenderisch begabt mit einer großen, baritonalen Baßstimme, die in bester Schule gesangs- und sprechtechnisch gebildet wurde, besitzt er eine wahrhaft beglückende, absolute Musikalität, eine ausgezeichnete Bühnenerscheinung und ein darstellerisches Talent von intuitiver Kraft und Ursprünglichkeit. Mit dem Figaro, dem er bei aller unverwüstlichen Heiterkeit echtestes menschliches Gefühl einzuhauchen verstand, machte er den Kasseler Theaterbesuchern den Abschied besonders schwer. In den endlosen Beifall, der den Künstler umbrandete, sprach sich neben dem Abschiedsschmerz die große Dankbarkeit aus für alles, was er uns in den drei Jahren seines Hierseins gab. Wir haben ihn hoffentlich nicht zum letzten Male gehört.
Schwierige Entscheidung 27. Januar 1940 Agent Starka aus Wien war hier und hörte mich in „Don Pasquale“. War bei mir in der Garderobe und tat sehr begeistert. Er kennt mich noch von der Akademie und brachte mich ja nach Bern. „Was ist mit Wien? Warum hat man Sie noch nicht geholt?“ Vor einigen Tagen kam dann ein Brief von ihm, Herr Generalintendant Strohm (der neue Mann in Wien) wäre interessiert an mir und wie es wäre, ob ich von Kassel 1941 frei käme? – Ich schrieb zurück, daß ich das Versprechen habe frei zu sein, wenn ich etwas Besseres als Kassel bekomme. Gleichzeitig schrieb ich an Strohm, der ja noch in Hamburg sitzt (ab 1. 4. in Wien), ob das zutrifft und ob nicht St, um sich mich zu sichern, nur so geschrieben hat. Der Brief von Generalintendant Strohm: „Sehr geehrter Herr Pflanzl! auf ihr freundliches Schreiben möchte ich Ihnen mitteilen, daß ich allerdings mit Herrn Starka eingehend über Sie gesprochen habe, da ich über Sie wiederholt Ausgezeichnetes gehört habe. Ich kann nur im Augenblick noch nicht übersehen,
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ob in Wien eine für Sie in Frage kommende Vakanz eintritt. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich in Wien noch vor meinem Dienstantritt die Gelegenheit gäbe, Sie einmal gastieren zu lassen und habe in diesem Sinne auch an Herrn Kerber geschrieben, der Sie, wie ich telefonisch von ihm erfuhr, auch Ihrem Ruf nach sehr schätzt und Sie schon lange einmal kennenlernen wollte. Ihr sehr ergebener Strohm.“ 19. Februar 1940 Strohm hat dem Büro der Wiener Staatsoper den Auftrag gegeben, bei Gastspielen in erster Linie mich zu berücksichtigen! Na, wir werden ja sehen. 9. März 1940 Wien schrieb mir heute, daß mein Gastspiel in Bälde stattfinden wird. 18. April 1940 Agentur Starka aus Wien schrieb neulich wieder, daß in Bälde etwas wegen Gastspiel zu hören ist. Stuttgart wurde mir auch angetragen. Jedenfalls: länger wie drei Jahre bleibe ich hier nicht. Das halten wir nicht aus. 2. Oktober 1940 Wien bekam ich von einem zweiten Agenten angeboten, der mir schrieb, er hätte „sooooo“ für mich gesprochen, na, ich bin aber durch einen anderen schon gebunden. Wenigstens hat er unbewußt etwas Gutes getan, denn er kann jetzt einen zweiten nicht so schnell als besser preisen. Es ist ein reiner Sklavenmarkt! Dr. Maurach, der doch künstlerischer Beirat ist, schrieb mir auch, daß er mit Strohm gesprochen hat und ein Gastspiel fällig ist. Ich glaub schon nur mehr das Datum der Tage, alles Andere scheint mir in die Luft gebaut zu sein. Im November kommt es dann endlich zu dem lange erwarteten Gastspiel an der Wiener Staatsoper – als Ochs im „Rosenkavalier“.
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Im November 1940 lud mich die Staatsoper Wien ein, den Ochs zu singen. Es war für mich ein sehr schmerzliches Gefühl, in der Garderobe von Richard Mayr zu sitzen, der Garderobier brachte mir sogar den alten Sessel auf dem Mayr im-
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mer saß. Richard Mayr war schon 1935 gestorben. Zur gleichen Zeit des Gastspiels bot mir aber auch Karl Böhm1 einen Vertrag für Dresden an. Vielleicht war es die Überbesetzung meines Faches in Wien, fünf Sänger stritten sich um die Beschäftigung, jedenfalls, das Schicksal entschied für Dresden. Nach Wien ging mein Breslauer Nachfolger Erich Kunz. 27. Oktober 1940 Heinrich Pflanzl aus Wien an seine Eltern Ich hatte als Ochs einen unbestrittenen Erfolg. Stimme klang füllend, ganz leicht. Ich bin aber sehr durchgekämpft. Morgen fahre ich nach Dresden, wo ich, ohne zu singen, abschließen könnte. Nun mußte ich aber Wien das Wort geben, noch einmal zu gastieren, wahrscheinlich als Kezal. Dr. Roland Tenschert in einer Wiener Tageszeitung am 28. November 1940 Strauss „Der Rosenkavalier“ In der letzten „Rosenkavalier“-Aufführung sang Heinrich Pflanzl vom Staatstheater Kassel den Ochs von Lerchenau. Als Salzburger, der an der Wiener Staatsakademie studierte, konnte der Künstler in seiner Heimatstadt und an der hiesigen Staatsoper in dem unvergesslichen Richard Mayr den idealen Vertreter dieser Rolle genau kennenlernen. Das merkt man an einigen Nuancen des Spiels, an dem Tonfall der einen oder anderen wienerischen Dialektwendung, an der ganzen humorigen Auffassung der Gestalt dieses in der Liebe so weitherzigen Landjunkers auf Freiersfüßen. Heinrich Pflanzls selbständige Stimme besitzt weiche Schmiegsamkeit und trägt gut. Im Dezember 1940 Ich habe nun bis 1945 ausgesorgt und das ist eine schöne Beruhigung, noch dazu unter solchen Bedingungen. Wenn ich auch nicht verheimlichen will, daß ich gern nach Wien gegangen wäre, so hat mir doch Vieles dort mißfallen. Die Sache liegt ja nicht so, daß ich versagt hätte und deshalb nicht in Betracht gekommen wäre, sondern ich könnte vielleicht heute ebenso meinen Vertrag für Wien in der Hand haben. Ich sang also den Ochs im Rosenkavalier. Am Montag war ich dann bei Strohm und der tat sehr freundlich, er hätte großes Interesse und ich habe ihm sehr gut 1 Dr. Karl Böhm (1894–1981), Dirigent, von 1934–1943 Direktor der Staatsoper Dresden.
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gefallen, er möchte nur eine Mozartpartie von mir, eine Rolle, in der ich mehr Linie zu singen hätte, als eben im Rosenkavalier, der eine Dialogoper ist. Ich sagte zu und die Wahl fiel auf Kezal oder Leporello. Er nahm mir das Wort ab, da ich ja am Donnerstag in Dresden singen sollte, in Dresden nicht eher abzuschließen bzw. zu verhandeln, ehe ich nicht ein zweites Mal in Wien gesungen. Ich sagte zu. Abends kam ein Gespräch von Dresden, „Verkaufte Braut“ wäre nicht zu machen, Professor Böhm würde ohne Gastspiel mit mir verhandeln, wenn ich bereit wäre. Ich sagte nun zu. Nächsten Tag zu Strohm, schilderte ihm die neue Lage. Er war sehr verblüfft und meinte, daß ich ihm ja im Wort sei, er gebe mich nicht frei. Ich sollte Dresden hinausschieben, es muß Kunz noch gastieren (dazu meinte Dr. Kerber, Kunz sei ja mehr als Nachfolger für Wiedemann gedacht) und wie ich hinterrücks erfuhr auch Zeithammer, den sie in München doch verabschiedeten. Wir handelten hin und her, ich sagte ihm noch, wenn Böhm mich ohne weiters verpflichtet, kann er mich doch, nachdem ich doch als Ochs Erfolg hatte, ohne Gefahr verpflichten. Ich bin heute der Meinung, er hätte es getan, wenn er nicht selbst durch verschiedenes Wortgeben (anscheinend eine Eigentümlichkeit von Strohm) an verschiedene Seiten gebunden gewesen wäre. So meinte er, es ist in Wien alte Sitte, zweimal zu gastieren, er hätte es immer so gehalten, schließlich könnte Dresden doch warten, er werde sofort selbst anrufen. Die Verbindung mit Böhm kam aber nicht zustande, Böhm war nirgends zu finden. Er ließ nicht locker und ich fuhr also nach Dresden. Donnerstag früh war ich bei Böhm gemeldet. Ich ging zu ihm, er empfing mich derart liebenswürdig und fragte mich gleich, ob ich also einverstanden wäre, nannte die Bedingungen. Ich erzählte ihm nun die Strohm-Geschichte und meinte, am liebsten würde ich nun sofort abschließen. Wir riefen nun Wien an, dort meldete sich die Sekretärin, Strohm sei krank, worauf ich seinen Stellvertreter verlangte. Dieser meinte, das sei ein Unding, ich sei so gut wie verpflichtet, ich soll doch keine G’schichten machen, es wäre doch nur wegen des zweiten Gastspiels, das doch eine Formsache sei. Ich entgegnete, daß ich auf Lösung bestehe und vereinbarte ein Abendgespräch mit Strohm. Das kam zustande, Strohm war ablehnend, das käme nicht in Frage, er löse mein Wort nicht, ich soll gastieren und er hätte, wie gesagt, allergrößtes Interesse an mir und ließ mich nicht frei. Dresden soll mir im Wort bleiben bis ich in Wien gastiert. Dresden hatte mir nun alles vorbereitet, der Vertrag zum Unterzeichnen fertig. Sie wollten mir also einige Zeit im Wort bleiben. Fuhr nach Kassel, nach Einsichtnahme in den Spielplan sah ich, daß es nicht möglich
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wäre, wie vereinbart, bis zum 15. 12. in Wien zu gastieren. Eilbrief mit ausdrücklicher Schilderung der Umstände schrieb ich sofort an Strohm. Keine Antwort. Montag spätestens müßte er den Brief in Händen gehabt haben. Außerdem hatte Kunz Freitag in Wien gastiert, also müßte ich wegen Engagement auch da schon eine Verständigung haben. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag keine Antwort. Nun wurde es mir zu blöd. Ich telegrafierte an Strohm: Erbitte dringendst Lösung meines Wortes. Freitag nun kam Telegramm: „Löse Sie wunschgemäß aus Ihrem Wort. Grüße. Strohm“. Ich sofort Telegramm nach Dresden: „Strohm wunschgemäß gelöst. Drahtet ob Vertrag perfekt“. Samstag Telefongespräch: „Perfekt. Entschuldigung, daß nicht sofort geantwortet, weil erst Staats- und Finanzministerium befragt werden mußte, bei solch hohen Verträgen.“ So, das ist die Geschichte meiner Wanderung, die mich zum Schluß nach Dresden führte. Die Wiener Situation war schon etwas mulmig. Diese Unentschlossenheit von Strohm! Kerber hat ja gar nichts mehr zu sagen und ist sehr verbittert, war aber freundlich und sagte mir auch, wie ich hoch in allen Ehren, wie er meinte, bestanden hätte. Prof. Heger meinte, als die Sache noch schwebte, er würde mir Dresden mehr empfehlen, denn er glaube nicht, daß Strohm sich hielte in Wien. Ich sah es im Kleinen auf dem Gang: kam Kerber aus seinem Zimmer, so buckelten sie Diener, kam Strohm, drehten sie sich rum und zeigten Strohm den Rücken. Ich denke nun auch, daß das Schicksal da letzten Endes entscheidet und sollte mir Wien nun endgültig entschwunden sein, so war es so bestimmt und daran ist und wäre nichts zu ändern gewesen. Mein Stolz ist es, daß nicht Wien mir abschrieb, sondern ich Wien löste. Ich glaube auch nicht, daß Wien wie Dresden bezahlt hätte. Dort die Bombenstellung, in Wien fremd, Krenn, Jerger, Vogel und andere neben mir, die Intrigen, die ich nicht oder nur schwer ertragen hätte können, da die doch lange am Platz sitzen, nein, nein, ich habe gut gewählt. Und sage: Amen dazu! Zweitausend Mark, mein Gott, daran habe ich eigentlich nie gedacht. Mein Freund Julius Katona, als er nach Hamburg ging, schloß auch so ab, als Tenor und damals dachte ich mir, herrje, so eine Gage erreichst du nie! Ja, Schnecken, jetzt hab ich sie erreicht. Und gefall ich in Dresden, so bin ich auch dort versorgt für mein Leben und kann bleiben, auch wenn das Stimmstöckerl einmal nimmer so bravouriert.
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12. Januar 1941 Ich sehe wirklich so in Ruhe den Tagen entgegen; es ist mit großer Freude in mir zu spüren, daß doch der Abschluß nach Dresden die Zukunft entschieden hat. 27. Mai 1942 Mir wurde mein Vertrag in Dresden vom Sondertreuhänder um 25 % gekürzt, das macht 15.000 Mark aus auf drei Jahre. Wenn ich heute die Details zu dieser doch wirklich dramatischen Entscheidung lese, dann denke ich mir: Hätte mein Vater doch damals mit Wien abgeschlossen, dann wären ihm die Probleme, die in den Kapiteln der Jahre 1945–1948 nachzulesen sind, erspart geblieben. Von Wien aus hätte er auch automatisch bei den Salzburger Festspielen gesungen und damit seinen Lebenstraum erfüllt. Andererseits kann ich es aber auch verstehen: Das Gastspiel in Wien war erfolgreich, er soll aber noch einmal singen, Dresden bietet den gleichen Vertrag ohne irgendein Vorsingen. Soviel Stolz darf schon sein!
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Enttäuschungen Die schwierige Entscheidung zwischen Wien und Dresden ist also gefallen. Den Ausschlag dazu gibt der Dresdner Generalmusikdirektor Karl Böhm, der meint: „Pflanzl, kommen Sie zu mir nach Dresden, wir Österreicher müssen doch zusammenhalten!“ Ein Jahr später verlässt Böhm dann Dresden und geht nach Wien.
16. August 1942 Auf mich stürmt soviel ein, eine Fülle von Arbeit, Sorgen, einem Hin- und Hergeworfensein. Die ersten Intrigen haben sich schon eingestellt und die Umwelt ist nichts wie ein böses Untier. 19. August 1942 Im Theater läuft ja die Arbeit am fließenden Band, weiß Gott – aber eine sehr kalte Umgebung. Perücken, die ein Anderer in der gleichen Rolle trägt, darf ich nicht nehmen, weil der Andere beleidigt wäre, so geht das weiter und weiter. Sonst ist das Haus herrlich, natürlich ein gewaltiger Unterschied zum früheren Engagement. Dresdener Anzeiger vom 24. August 1942 Smetana „Die Verkaufte Braut“ Die Buffopartie des Kezal bietet reichlich Gelegenheit zur Entfaltung aller möglichen Mittel heiterer, zuweilen auch derber Darstellung. Diese ihm verliehenen Mittel nützte Heinrich Pflanzl, der im Opernhaus die Partie zum ersten Male sang, mit klugem Gestaltungsvermögen für eine maßvolle, routinierte, ganz vortreffliche Darstellung des Heiratsvermittlers aus, eine Wiedergabe, die von ihm noch manches köstliche Spiel, wie es auch auf diesem Gebiete an unserer Oper durch Jahrzehnte beispielhaft war, erwarten läßt.
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25. August 1942 Dr. Karl Böhm geht sehr, sehr bald nach Wien, sein Nachfolger Elmendorff1 ist bereits zu Besprechungen eingetroffen und führt die Verhandlungen. Ich meinte, das Richtige getan zu haben, aber es wäre, wegen der Intrigen, wohl dasselbe gewesen. Ich hätte mich in Wien aber so wenig gekümmert, wie ich es hier tue. Dresden versinkt dadurch doch in eine Provinzstellung. Je nun, die Chance von damals wird niemals wiederkehren. Man gehört ja auch allmählich zu den „reiferen“ Künstlern, hinter einem steht die Jugend. – Das sind alles schwere und bange Gedanken. Doch nützt alles „hätte ich doch“ nichts mehr. Aus einer Bemerkung in der Kritik zur „Verkauften Braut“ kann man erkennen, wieviel das heißt, in diesen für mich unsagbar schweren Tagen den „Lokalpatriotismus“ zu durchbrechen. Das wird nun bei jeder Partie wieder als Panzerschild vorgehalten und nur die Leistung kann ihn durchbrechen. Sonntag singe ich unter Böhm den Beckmesser. Dresdener Anzeiger vom 31. August 1942 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ Neu war Heinrich Pflanzl als Beckmesser. Eine jahrelange liebe Gewohnheit erfährt durch diese Umbesetzung Unterbrechung. Man wird sich plötzlich bewußt, wie sehr das Bild dieser Rolle vom Persönlichen her festgelegt war, denn alle Akzente liegen nun anders, viele Pointen von unfehlbarer populärer Wirkung sind in spürbarer Absicht unterdrückt. Hervor tritt dagegen ein Charakterbild von absoluter künstlerischer Geschlossenheit. Ein ernster Beckmesser kommt uns da entgegen, dem es irgendwie innerlich um die Meisterehre zu tun ist; der sie in halbtragischer Verirrung zu verspielen im Begriff steht. Ein kluger, intelligenter Kopf lugt unter dem komischen Aufputz hervor, dem am stärksten – das ist das Bemerkenswerte – die grausig-spöttische Selbstverhöhnung auf der Festwiese gelingt. Auch als Sänger steht Pflanzl ganz seinen Mann. Er kann mit der vollen Anerkennung seiner vorzüglichen Leistung, die von einem denkenden, selbstkritischen Künstler zeugt, durchaus zufrieden sein. 19. September 1942 Montag hatte ich den Monterone in „Rigoletto“, eine kleinere Partie, in diesem Monat kommt neu der Collin in „Boheme“, ich freu mich auf das schöne Mantel1 Karl Elmendorff (1891–1962), Dirigent, von 1943–1945 Generalmusikdirektor der Staatsoper Dresden
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lied darin. Mein großer Fehler, den ich machte, nicht nach Wien gegangen zu sein, ist nun als ein böser Stachel in meiner Brust versenkt. Ich glaube, daß ich mir dadurch den ganz großen Weg verpatzt habe und nun in Dresden ein Aschenbrödel bleibe bis zum Absterbens-Amen. Wenn ich so lesen muß, wie Erich Kunz in Wien den Leporello singt, den Figaro, wie er herauskommt und gefördert wird und wie ich hier mir die Erfolge schwer erkämpfen mußte unter den Hindernissen, die die Kollegenschaft der Alten in den Weg warfen, dann kann ich nur von meinem Pech überzeugt sein. Böhm kümmert sich überhaupt um nichts mehr, ich bin ihm Luft, und daß er mich vielleicht mal nach Wien holt, daran ist gar nicht zu denken. Was man sich vielleicht so vorstellt unter dem Idealismus der großen Künstler, das ist meistens eine Verbindung eines glänzenden Geschäftsmannes mit einer künstlerischen Begabung. (Böhm ist ja Teilhaber der Schallplattenfirma Electrola!) Ich bin von Verbitterung zur Klarheit hindurchgewandelt und habe mich da abzufinden. Gewiß, ich sollte und müßte sehr zufrieden sein, – ich will es ja auch sein. Fine! 29. Januar 1943 Vom künstlerischen Leben ist Erfreuliches zu berichten, so mit der Zeit lebe ich mich ein. Man muß halt so einen Platz erobern, von selbst fällt einem das nicht in den Schoß. Ich habe am Dienstag Premiere in einer sehr schönen Oper von Dvorak, „Jakobiner“, eine echte böhmische Volksoper. Darin eine interessante Partie, die mir viel Freude macht. Elmendorffs erste Oper ist dies. Er ist ein sehr guter Musiker, impulsiver wie Böhm, vielleicht mehr Operndirigent auch, als Böhm es ist. Elmendorff deckt das Orchester wunderbar ab und läßt die Sänger singen, Melodie ist ihm alles. Böhm war mehr Orchesterdirigent, auch die Wirkungen des Orchesters lagen ihm mehr am Herzen als die der Bühne. Also scheint es, daß Elmendorff ein guter Griff war, vielleicht versteht er es nur nicht so, wie Böhm, aus sich etwas zu machen. Böhm ist ein wunderbarer Künstler, aber ebenso wunderbar als Reklameheld und Geschäftsmann. Ich habe an „Jakobiner“ anschließend in der Neuinszenierung „Barbier von Sevilla“ zu tun, dazwischen laufen ganz verschiedene neue Dinge, in denen es einfach heißt „Heute oder morgen sind Sie besetzt“, auch wenn das Rollen sind, die man fünf oder mehr Jahre nimmer gesungen hat. Die Intrigen haben mich abgescheuert, weiß Gott, mein Vorgänger ist aber in den neuen Sachen nimmer besetzt, so läuft sich das allmählich ein. Ich nehme
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auch nächste Woche die Gelegenheit wahr, mit Elmendorff über die ganze Sache zu sprechen, denn ich bin ja nach Dresden gelotst worden unter falschen Voraussetzungen. Da aber Böhm weggeht, habe ich keine rechtliche Unterstützung. 21. April 1943 Ich habe sehr viel zu tun, Ostersonntag frei, da fahre ich in den Wald hinaus. Die ganze nächste Woche, jeden Tag, Sonnabend die „Schöpfung“ in der Lutherkirche. Ich nehme so viel ab, in Dresden 21 Pfund verloren, gegen mein Friedensgewicht gar 39 Pfund. Ich bin auch mit den Nerven etwas mehr als fertig. 23. Mai 1943 Sonntag habe ich wieder mal „Meistersinger“, Samstag „Tosca“, es geht schön weiter, ich bin zufrieden. 1. Juni 1943 Sonntag in „Meistersinger“ hatte ich wieder einen sehr sehr großen Erfolg mit dem Beckmesser. 25. August 1943 Heute beginnt wieder die neue Spielzeit und ich trete an, wie so manches Jahr nun. Die Stimme ist gesund und klingt, wie schon lange nimmer. 22. Januar 1944 Ich habe sehr viel zu tun und mein Aufstieg ist unverkennbar. Am 5. Februar singe ich in Breslau in einem Operettenkonzert des Reichssenders mit Patzak1 zusammen zwei Sachen, gleich darauf fahre ich nach Riga mit „Zigeunerbaron“ (auch mit Patzak), Prag will mich oft haben. Hätte eine Tournee machen können (14 Tage 4000 Mark), aber man müßte sich zerreißen. 7. Februar 1944 Anstatt von Breslau nach Riga zu fahren, bin ich wieder nach Dresden zurück, da Riga wegen der Entwicklung der Front die Gastspiele absagte, bzw. absagen 1 Julius Patzak (1898–1974), Tenor, an den Staatsopern München (1928–1945) und Wien (1945– 1959).
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mußte. Das tut mir sehr leid, aber man weiß nicht, wozu es gut ist. Da es mit Riga nichts wurde, bin ich nun im „Peter Schmoll“ drinnen und der wird plötzlich aufgeführt, die Proben laufen an. Nun steht das Betriebsinteresse wieder im Vordergrund. 15. März 1944 In Dresden erwartet man alle Tage den Großangriff, immer näher kommen sie und eines Tages wird es soweit sein. Im Mai 1944 Morgen singe ich bei dem größten Textilfabrikanten Dresdens, der weiht seine Bauernstube ein. Die Leute haben Sorgen! 29. August 1944 Wir schließen am 31. August unser schönes Haus und alles, was noch halbwegs gehen kann, rückt zur Wehrmacht ein. Ich erwarte nach den Erfahrungen der letzten Tage stündlich meine Einberufung. So reißt eine Karriere hart ab, die gerade erst begann, ich bin mir bewußt, daß es vielleicht am Donnerstag wirklich das letzte Mal ist, daß ich die Bretter betrete, die mir so viel Kampf gebracht, aber auch unendlich Schönes geschenkt. Wir bringen am Donnerstag als Schluß in neuer Einstudierung den „Don Giovanni“. Kurt Böhme1 singt den Leporello, ich hätte ihn am 2. September singen sollen und dann abwechselnd mit Böhme. Nun ist unser schwedischer Bassist, Kammersänger Nilson2, aus Schweden vorläufig nicht mehr wiedergekommen, also übernehme ich für ihn den Komtur, auch eine schöne Aufgabe. Vielleicht klappt es noch, dann wird eine Rundfunkaufnahme gemacht, in der ich auch den Komtur singen werde. Das aber ist fraglich! Die Rundfunkaufnahme hat wirklich noch stattgefunden, sie ist nach Kriegsende sogar als Schallplatte erschienen, mit Heinrich Pflanzl als Komtur in einer Rolle, die er nur einmal in seinem Leben, am 31. August 1944, bei seinem letzten Auftreten in der alten Staatsoper in Dresden gesungen hat. 1 Kurt Böhme (1908–1989), Bass, an den Staatsopern Dresden (1930–1949) und München (ab 1950). 2 Sven Nilsson (1898–1970), Bass, an der Staatsoper Dresden (1930–1944), dann Königliche Oper Stockholm.
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Das bittere Ende Die Theater in Deutschland sind geschlossen, auf die Bühnenkünstler warten nun neue Aufgaben, diesmal aber nicht im Kostüm, sondern in Uniform. Es wird ein schwerer Weg für meinen Vater, denn nach monatelangen Irrfahrten landet er dort, wo er vor zehn Jahren seine ersten großen Erfolge feiern durfte, wo er seine Familie gründete, wo seine Schwiegermutter noch lebt: in Breslau. Schon im Herbst 1944 hatte man die unbefestigte Stadt zur „Festung Breslau“ erklärt, die bis zum bitteren Ende verteidigt werden sollte. Zum gleichen Zeitpunkt, in dem wir bei dem Angriff auf Dresden am 13. Februar alles verlieren, schließt sich der Belagerungsring der Roten Armee um Breslau. Die etwa 50 000 deutschen Soldaten sollen nun die Stadt gegen eine dreimal so starke Übermacht verteidigen, was schließlich zur totalen Zerstörung führt, zum Trümmer- und Gräberfeld. Als mein Vater die Stadt 1936 verlässt, um ein neues Engagement in Nürnberg anzutreten, da hat Breslau etwa 600 000 Einwohner, 1945 bei Kriegsende sind es noch 30 000.
Posen, 11. September 1944 Ich sitze im Hof der Buker Kaserne in Posen und warte mit den Anderen auf Quartierzuteilung. Wir bleiben etwa 8–10 Tage hier und werden von hier aus verteilt. Wohin? Das werde ich sehen. Es ist sehr kalt geworden. Ich sitze auf meinem grauen Koffer und schreibe auf der Kappe. Ich bin also Sekretär im Freien. Neun Zehntel seines Lebens wartet der Soldat vergebens. Amen. Alle schlesischen und sächsischen Theater sind vertreten. Gut ist es, daß wir so Viele vom Bau sind. Wir schlafen zusammen, 14 vom Theater und alles aus Dresden. Das Essen ist gut, was ich hörte. Ab morgen treten wir in die Verpflegung voll ein, übermorgen werden wir eingekleidet, älteste Klamotten!
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Posen, 15. September 1944 Nun bin ich schon vereidigt. Mit Stahlhelm marschierten wir durch die Posener Straßen in eine andere Kaserne. Einige Lieder habe ich auch schon ins Repertoire aufgenommen. Beim Singen heißt es immer: Sänger, die Oper nach vorn! Wir haben also einen Konzertabend am Montag, was dann ist, wissen wir nicht. Die Anderen beziehen heute zur Abstellung schon ein anderes Quartier, wir dürfen zur Abwicklung noch in diesem Quartier bleiben. Das Essen ist weiterhin gut. Auch mein „Gwandl“ ist in Ordnung, hatte eine mords Sau und bekam eine funkelnagelneue Bluse, Hose geflickt, neue Feldkappe usw. Es geht mir wie allen anderen. Posen, 16. September 1944 Gestern hatten wir bis ½ 11 Uhr nachts Probe für unseren Abend, der Montag steigt. Dafür durften wir bis ½ 7 schlafen und erst 7 Uhr antreten. Nun hat der andere Teil der Abteilung Vereidigung, so ist für uns bis zum Essen frei. Es kommt uns wie ein Wunder vor. Nun sind die Schuhe geputzt (wir haben alle Schnürstiefel, also keine Knobelbecher), Kleider gebürstet, Tische bezogen mit Papier, Koffer gepackt und Abschied genommen von den zivilen Dingen. Posen, 25. September 1944 Vormittags hatten wir eine Feierstunde, Thema „Freiheit“. Wir standen in Hose, Fliegerhemd und schwarzem Schlips auf der Bühne, über eine Stunde lang, ohne daß wir uns rühren durften, auch während des Singens nicht. Anschließend war großes Fotografieren. Jablunkau, 13. Oktober 1944 6 Uhr früh! Wir passieren die Grenze. Nun fahren wir in die Slowakei. Ringsum Berge, ein klarer Himmel und die Mondsichel hängt silbern im Morgengrauen. Ein schönes Bild! Kalt ist’s auf dem kleinen Bahnhof. Bruck an der Leitha, 19. Oktober 1944 Wir sind seit Dienstag voriger Woche auf Fahrt und wissen nicht, was mit uns geschieht. Wir verstehen dies alles nicht mehr: noch nicht ausgebildet und gondeln herum. Im Stroh, im Viehwagen.
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9 km vor Komarno, im Oktober 1944 Nun die dritte Woche schon im Wagen. Wir werden heute wohl auswaggoniert und von Komarno geht es in kleinen Gruppen weg bis in die Karpathen. Wo es mich hintreibt, ist ja gleich. Wir hören nichts, denn es gibt nur ungarische Zeitungen, wir bekommen keine Post. Das ist ein böser Zustand. Auch die Kälte, wenn der Regen über die melancholisierende Ebene rinnt, wird immer böser. 2. Januar 1945 Bin vor Neujahr nach Breslau abgestellt worden, ganz allein: wieder unter Fremden. Heute den ganzen Tag in der schweren Kälte Baracken abgerissen, ein fürchterlicher Husten quält mich, es rasselt durch den Körper und langsam bekomme ich nun doch Angst um meine Stimme. Ich werde das nicht durchhalten, ohne daß ich schweren Schaden erleide. – In Posen mußte ich noch von dunkler Früh an bis nachmittags im Freien schanzen, ohne einen warmen Schluck! Ich bin der einzige Sänger der Dresdner Oper, der nicht in Dresden ist. Das hängt damit zusammen, daß ich in idiotischer Disziplin nicht herumlief und um Abstellung bat, sondern eben Soldat wurde. Die Andern lachen in Dresden und die noch beim Militär sind, freuen sich, daß sie wenigstens in Dresden sind. Ich habe kein Gefühl mehr für festliche Tage. Sylvester konnte ich bei Rita1 sein, das war noch ein milder Glanz in diese für mich so bangen Tage. So lange es verhältnismäßig warm war, machte ich ja alle Arbeit gern, aber jetzt habe ich ernste Sorge um meine Stimme, die mir doch mein Leben bedeutet 15. Januar 1945 Ich muß jetzt nur schauen, daß ich, so lange es geht, meine Stimme halbwegs mitbringe. Die Wachen in Nacht und Schneesturm auf dem eisigen Rollfeld sind natürlich keine empfehlenswerten Aufenthalte für einen Sänger. Ich weiß auch nicht, daß ich gerade so ein Pechvogel bin und das alles mitmachen mußte von Anfang an. Wie leicht könnte ich noch in Budapest sitzen, da wäre ich ja schön im Schlamassel. Na, was heute Budapest, kann in ein oder zwei Monaten in Breslau auch der Fall sein. Wir wollen es ja nicht hoffen, aber der Russe hat halt allerlei was entgegen zu werfen. 1 ������������������������������������������������������������������������������������������ Die Schwiegermutter Rita Gradenwitz lebt mit ihrer Mutter noch in Breslau in einem Reihenhaus.
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Von meinen Kameraden in Ungarn ist der größte Teil tot oder vermißt. Hätte ich nicht Schwein gehabt, dann würde vielleicht ein sehr ehrender Nachruf in der Zeitung stehen. Was die Welt für ein Komödienhaus ist, das erfährt man erst, wenn man zu dem „Abseits-der-Dinge“ vordringt. Es kommt zur Begegnung mit dem Schriftsteller Hugo Hartung („Ich denke oft an Piroschka“, „Wir Wunderkinder“), der seit 1940 in Breslau als Chefdramaturg am Theater tätig ist und so findet der Soldat Pflanzl seinen Weg sogar in die Literatur.
20. Februar 1945 Hugo Hartung in „Schlesien 1944/45“ (S. 80) Am Abend feiern wir ein richtiges Fest. Jeder von uns bekommt als Zuteilung eine Flasche Rotwein, und da in unserem Gasthof einer der bekanntesten Breslauer Wurstfabrikanten wohnt, wurde uns eine Überfülle an köstlichen Fleischwaren – darunter herrliche warme Würste –spendiert. Wir trinken und singen. Unser Sani Pflanzl, der bekannte Bassist der Dresdener Staatsoper, singt mit seiner schönen, profunden Stimme Volks- und Heimatlieder, die auch bei den anwesenden Zivilisten – ein hübsches taubstummes Mädchen ist darunter – stürmischen Beifall finden. In seinem 1951 erschienen Roman „Der Himmel war unten“ verarbeitet der Schriftsteller die Erlebnisse von Breslau noch einmal und er gibt dem „Sanitäter Roßlieb“ deutliche Züge meines Vaters, der inzwischen zum Gefreiten befördert wurde.
Hugo Hartung in „Der Himmel war unten“ (S. 309/310) Den Gefreiten Roßlieb kennen die Ärzte als Krankenträger. Er ist ein wendiger und intelligenter Mensch. Daß er als Alleinunterhalter am Klavier Qualitäten besitzt, wußten sie noch nicht. Seinetwegen versprechen die Chirurgen, sich für kurze Zeit in den Trubel zu stürzen. Der Eindruck ist verblüffend: Männer in Filzpantoffeln Walzer tanzend. Nach dem Walzer steigt eine Glanznummer des klavierspielenden Gefreiten Roßlieb: ein Wiener Weinliederpotpourri. Der Mann beherrscht das Wienerische so gut wie Leute, die regelmäßig die Heurigenfilme der Ufa besuchen. Das Couplet von dem Mann, der in seinem nächsten Leben eine Reblaus sein möchte, versteht er verblüffend echt im Tonfall von Hans Moser zu bringen. Das gibt einen Riesenjux für die Landser.
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In einem dritten Buch über Breslau, das 1970 erscheint, kommt Hartung noch einmal auf die Ereignisse zurück.
Hugo Hartung „Deutschland deine Schlesier“ (S. 68) Am späten Abend des 23. Februar 1945 wurde ich nach einem Tag härtester Straßenkämpfe im Südviertel ins Lazarett gebracht. Der Sanitäter Heinrich Pflanzl, der uns begleitete, konnte uns nicht loswerden. Alle Lazarette im Süden waren im fluchtartigen Aufbruch. Die Südstadt brannte, auch mein eigenes Wohnviertel – mitten in der Höfchenstraße feuerte ein Geschütz. Zuletzt konnte uns Pflanzl, Kammersänger der Dresdener Oper und vorher ein beliebtes Mitglied des Breslauer Opernhauses, im Hilfslazarett Schauspielhaus abliefern. Mit unseren letzten Kräften erreichten wir es. In den Kellerräumen standen viele leere, weiß überzogene Betten – wir waren die ersten die dort eingeliefert wurden. Frauen, früher Putzfrauen des Theaters, brachten uns eingemachte Früchte. Erschöpft schlief ich bald ein und schlief volle 17 Stunden. Am nächsten Abend kamen ein paar Männer an mein Bett, ehemalige Bühnenarbeiter, alte oder invalide Männer. Sie begrüßten mich herzlich, wie einen verlorenen Sohn. Viele Erinnerungen verbanden uns. Und auch das bittere Ende wird von Hartung dokumentiert.
24. April 1945 Hugo Hartung „Schlesien 1944/45 (S. 111) Unter den neun mehr oder weniger schwer Verwundeten finde ich auch meinen guten Pflanzl, unseren großen Dresdener Opernsänger. Breslau, 16. Juni 1945 Heinrich Pflanzl an seine Mutter Ich bin Kriegsgefangener. Liege im Lazarett in Breslau, Siechenhaus, Trebnitzer Platz. Habe Knöchelbruch, Bänderriß und wahrscheinlich Fersenbeinbruch. Es ist überall das große Elend. Fluch denen, die uns so elend machten und so betrogen! Heinrich Pflanzl im Januar 1950 Nach der Kapitulation von Breslau bzw. nach dem Waffenstillstand im Mai 1945 lag ich als Kriegsgefangener im Lazarett in Breslau. Durch einen mir bekannten Orchestermusiker von der Breslauer Oper erhielt ich Mitte Juni 1945 die Mittei-
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lung, daß die Mutter und die Großmutter meiner Ehefrau nach Vergewaltigungen Selbstmord verübt hätten und daß die Leichen im Keller des Grundstücks Kirschallee 39 lägen. Mit Erlaubnis des russischen Kommandanten und in Begleitung eines Militärarztes konnte ich das Grundstück aufsuchen. Ich habe dort die Leichen gesehen, die zum Teil bereits in Verwesung übergegangen waren. Wie mir der mitanwesende Militärarzt versicherte, mußte der Tod bereits vor mehreren Monaten eingetreten sein. Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Das Verständnis eines sowjetischen Stabsarztes brachte mich dann wieder heim zu den Meinen. Er sagte zu mir: „Du, geh nach Hause, guter Sänger, schlechter Soldat.“ Am 28. Juni 1945 erhält Heinrich Pflanzl einen russisch-polnischen Passierschein als „Kriegsinvalide, der sich an seinen alten Wohnsitz begeben wird als Entlassener aus dem Spital der deutschen Kriegsgefangenen. Die zivilen und die Militärbehörden werden ersucht, dem Obengenannten Hilfe und Unterstützung zu gewähren.“ So macht er sich auf den mühsamen Weg – zurück zu seiner Familie nach Dresden.
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Das Leben geht weiter 7. Juni 1945 Die Dresdner Bank an ihre Kunden An unsere Schließfachinhaber! Die russische Besatzungsbehörde hat eine Überprüfung des Inhalts sämtlicher Schließfächer der Banken angeordnet und fordert zu diesem Zwecke die Schließfachinhaber auf, die Schlüssel spätestens bis zum 16. 6. 1945 bei den Banken abzuliefern. Zur Vermeidung einer gewaltsamen Öffnung Ihres Schließfaches durch die Behörde bitten wir Sie daher, Ihre Schlüssel spätestens bis zu dem genannten Tage bei einer unserer Bankstellen abzugeben. Soviel uns bekannt ist, erfolgt die Prüfung des Inhalts der Schließfächer seitens der Militärbehörde nicht im Beisein der Schließfachinhaber oder in unserer Gegenwart. Was bei der großen Katastrophe am 13. Februar 1945 in Dresden nicht verbrannt ist, das wird einfach beschlagnahmt. Dann aber erscheint mein Vater eines Tages im Juli, im alten, zerfetzten Militärmantel und am Stock, hinkend. Meine Mutter und ich, wie sind inzwischen wieder nach Dresden zurückgekehrt, man hat uns zwei möblierte Zimmer zugewiesen, ganz in der Nähe der Ruine unserer früheren Wohnung. Dort im Schutt graben wir dann gemeinsam, auf der Suche nach Resten unserer Habe. Da wegen der Luftangriffe viele Dinge im Haushalt in Kisten verpackt waren, finden wir sogar noch einige Teller, ein Medaillon meines Taufpaten Heinrich Kiener und eine kleine Bronzefigur. In einem großen Klumpen von geschmolzenem Glas, der Römersammlung meines Vaters, entdecken wir ein fast unversehrtes Exemplar. Das ist alles, was uns bleibt. Aber das Leben geht weiter und auch die Staatsoper Dresden lebt wieder auf. Mein Vater ist vom Anfang an mit dabei. Das Opernhaus wurde ja total zerstört, so probiert und spielt man in Ausweichquartieren, aber die Menschen kommen wie nie zuvor, sie gehen in die Oper, um das tägliche Elend zu vergessen.
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Originalton im Oktober 1954 Ich war also wieder daheim, fand meine Frau und meinen Jungen wieder. Hab und Gut, meine geliebten Bücher, meine Noten, alles war vernichtet. So hieß es wieder von vorn anfangen und die Staatsoper Dresden gab mir die Möglichkeit. In bunten Abenden verdienten wir auf dem Lande zusätzlich nahrhafte Beihilfen. Ich werde nie vergessen, daß Bernd Aldenhoff1, unser Heldentenor, und ich nie bei einem gemeinsamen Konzert ein Duett singen konnten. Ich besaß nur eine dunkle Hose, Bernd einen kompletten Anzug. Hatte er seine Arie gesungen, kam er rein, ich zog seine Jacke an und er wartete dann in Hemdsärmeln auf seinen nächsten Auftritt. Verständlich also: ein Duett war nicht möglich. Ja, ich mußte mich erst körperlich erholen, Krieg und Verletzung hatten mich sehr geschwächt. Aber es ging doch aufwärts und ich werde nie die – trotz Kunstscheune Bühlau – hervorragenden Opernabende vergessen unter der Führung von Keilberth2 und Arnold3. Welche Glut der Begeisterung im Publikum, welcher Einsatz des Ensembles. In den ersten Nachkriegsjahren bedeutet ein Besuch der Oper in Dresden zunächst ein furchtbares Gedränge. Das beginnt schon in der Straßenbahn, die die Besucher bis zur Endstation nach Bühlau bringt und es setzt sich fort im viel zu engen Eingangsbereich und schließlich bei den Stühlen im Zuschauerraum. Der Beginn der Vorstellung steht unmittelbar bevor, wenn zwei Beleuchter über eine Leiter im Zuschauerraum ihre Plätze einnehmen, um von dort aus die Scheinwerfer zu bedienen. Obwohl der Dirigent auf gleicher Höhe steht wie das Publikum und dadurch das halbe Bühnenbild verdeckt, es sind unvergessliche Aufführungen, die Inszenierungen von Heinz Arnold, die Bühnenbilder von Karl von Appen und Joseph Keilberth am Pult der Dresdner Staatskapelle. Neben dem Kurhaus Bühlau gibt es für Opern in kleinerer Besetzung noch die Tonhalle in der Glacisstraße, erst 1948 erfolgt dann die Eröffnung des wieder aufgebauten Schauspielhauses als Großes Haus für die Oper.
1 Bernd Aldenhoff (1908–1959), Heldentenor, an der Staatsopern Dresden (1943–1952) und München. 2 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Joseph Keilberth (1908–1968), Dirigent, ab 1945 musikalischer Oberleiter der Staatsoper Dresden, ab 1950 in Berlin und ab 1959 Generalmusikdirektor der Staatsoper München. 3 Heinz Arnold (1906–1994), Regisseur, Oberspielleiter der Staatsopern Dresden (1938–1950) und München (1950–1962).
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Es ist ein schwerer Neubeginn für meinen Vater, das Erlebte und das Verlorene zu verkraften und wieder den Weg zurück zu finden in seine Bühnenwelt von früher. Eine seiner ersten Partien in dieser Zeit ist der Schaunard in „Bohéme“, und da braucht er keinen Maskenbildner mehr, er ist es selbst, der abgemagerte, desillusionierte ewige Musikstudent. Lange Zeit prägt dieses Bild seine Rollen. Daneben ist es die Sorge um das Überleben. Ich sehe ihn noch vor mir, wenn er mit seiner schäbigen Aktentasche heimkommt und auspackt: Zigarettenstangen, beliebt als Tauschobjekt für Lebensmittel, Konserven, Gemüse, Brot – je nachdem, wo er gerade gesungen hat und für die Gesangsstunden bei der Tochter eines Dresdener Konservenfabrikanten gibt es als Honorar in großen Gläsern „Varenje“, eine Erdbeerkonfitüre, die für die sowjetische Besatzungsmacht hergestellt wurde. Das war dann unser einziger Brotaufstrich.
15. Januar 1946 Es fließt das Leben recht still dahin einerseits, andrerseits immer in Spannung und Erwartung des Kommenden. Wir sind um unsere warmen Zimmer froh und daß wir jeden Tag etwas auf den Tellern finden. 23. Februar 1946 Manchmal, – ach, ich darf mir es nicht merken lassen, könnte ich schon verzweifeln. Jeden Tag gehe ich an einem Haufen Asche, Ziegel, Drahtgewirr vorüber, das war einmal unser Hab und Gut. Seit August ist auch das Geld auf der Bank weg (vorher konnte ich noch 100 Mark abheben!), also das ganze Ersparte ist verloren, unsere Lebensversicherung ist verloren, unsere Pensionseinzahlungen futsch (monatlich 120 Mark), alles an Möbeln, Hausrat, Wäsche, Garderobe, Schuhe – verbrannt! Wir sind Proletarier geworden. Ich habe jetzt 800,- Mark Gage, davon gehen 10 % für den Aufbau Dresdens ab, uns bleiben am Ende so 600,- Mark übrig. Aber wir sind damit zufrieden. Die „Wohnung“ kostet 50,Mark und das bissel Essen, das frißt nicht viel. 6. Mai 1946 Vor drei Tagen kam von meinem alten Wiener Agenten Starka ein Brief, daß sich die Staatstheater in Wien für mich interessieren. Ich wünsche mir nichts mehr sonst vom Leben. Die Fremde ist unbarmherzig, kalt und heute von einem Neid und Haß erfüllt, ein wahrer Jammer! Ich mach mir nichts vor, daß es in Österreich anders ist, aber dann doch wenigstens dieses Leben in der Heimat.
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Sächsische Zeitung im Mai 1946 Bach „Matthäuspassion“ Heinrich Pflanzl sang mit herrlicher Stimme die Christuspartie, die er auf einheitliche Linie stellte, edel und schön im Vortrag, eine vergeistigte Leistung von hoher Vollendung. Sächsische Neueste Nachrichten Frühjahr 1946 Haydn „Die Schöpfung“ Die Baßpartie sang kultiviert in Rezitativ und Arien, sehr geschmackvoll, in hoher künstlerischer Erfassung des Inhalts Heinrich Pflanzl. Seine großen Stimmittel – das ist das Bedeutende an ihm – verwendet er niemals, um damit zu blenden oder Eindruck zu machen. Im Gegenteil: er singt mit jener feinen künstlerischen Zurückhaltung. Er verfügt über ein so zartes, beseeltes Piano, daß der Hörer ergriffen und erschüttert war. 23. Juni 1946 Von Wien habe ich wieder Post. Man ist sehr interessiert, es soll auch ein Gastspiel steigen als Kezal. Ich schrieb heute zurück und bin nun neugierig, was daraus entsteht. Wenn wir uns auch der großen Schwierigkeiten bewußt sind, aber anfangen müssen wir einmal wieder. Ich würde aus der heimatlichen Umgebung viel Mut schöpfen, mehr als hier in der Fremde. Wir müssen alle unsere Schuld erkennen, gleichgültig, ob sie mehr oder minder ist, ob Nichtwissen, Nichterkennen, ob reine Absicht, ob Torheit und Gläubigkeit des Herzens an dem Vergangenen trägt, wir müssen erkennen, daß wir schuldig sind. Und darum meine ich, daß gerade Österreich, das immer als ein etwas minderer, nicht vollwertiger „deutscher“ Bruder betrachtet wurde, mehr in der Schweiz sein Vorbild sehen und danach handeln sollte. Ich fand das Heil- und Hurragebrülle immer lächerlich. Ein tiefer Grund, daß ich mich nie für Turnvereine und Gesangsvereine begeistern konnte. Dezember 1946 Mit sehr viel Arbeit verrinnt ein Tag nach dem anderen. Wir haben an den verschiedensten Orten Proben und ehe man da wieder ins Ziel kommt, dauert es lange, da man durch die restlos zerstörte Innenstadt fahren muß. Die Verbindung klappt nicht immer nach Wunsch. Und mit diesem Hin- und Hergefahre vergeht ein Tag Arbeit rasch nach dem anderen. Dazu kommen jetzt die vielen Betriebsfeiern, denen man aus begreiflichen Gründen (Kaffee mit Kuchen,
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Abendessen, Schnäpschen und Tabak) nicht ausweichen will. So habe ich jetzt hintereinander zu tun in den verschiedensten Branchen. Freitag hatte ich in einer Seifenfabrik zu singen, nachher in einem Textilbetrieb. Dann kommt eine große Zigarettenfabrik dran, eine Marmeladen- und Konservenfabrik. Da fällt schon ein bissel was ab und vor allem, es gibt immer gut zu essen und zu trinken. 20. Januar 1947 So sehr steckte ich in Arbeit und stecke noch drinnen, daß ich ganz übersehe, wie die Arbeit die Zeit frißt. Samstag hatte ich Premiere als Kezal in der neuinszenierten „Verkauften Braut“. Und dann geht es gleich weiter. Gott sei Dank, denn man darf nicht zum Denken kommen. Es wird härter und immer schwerer. Meine Wohnungssuche ist wieder mißglückt – dieses Leben in zwei Zimmerlein mit vier fremden Leuten, das ist nimmer fein. Aber – trotz allem – darf ich nicht klagen, denn ich verdiene (noch!) und wir leben und müssen nicht hungern. Die meiste Zeit sitzen wir im Dunkel, das elektrische Wunder ist wahrhaftig ein Wunder geworden, alle heiligen Zeiten brennt es. Schuhsorgen sind momentan das Ärgste. Nach scheußlicher Kälte ist Tauwetter eingebrochen und der nasse Segen dringt durch die dünnen Sohlen. Sächsische Zeitung vom 20. Januar 1947 Ganz prächtig der Kezal Heinrich Pflanzls! Ein drollig-verschmitzter, geschwätziger Heiratsvermittler, voller komischer Einfälle, belebt im Spiel, mit dem er, ohne zu übertreiben oder aufdringlich zu sein, die Bühne beherrschte. Er sang auch sehr gut, setzte seine weiche Stimme, die bis in große Tiefe reicht, ein, suchte nie durch Stimmkraft allein zu wirken. Sächsisches Tageblatt vom 20. Januar 1947 Heinrich Pflanzl als Heiratsvermittler füllt jede Wendung der Musik mit hinreißender Komik in Mimik und Gebärde, ja er steigert mit der Macht seiner Stimme stellenweise die Figur ins Dämonische und erreicht im Mittelakt, wenn er im roten Frack, mit dem bunten Schirm und den wehenden rötlichen Haaren über die Bühne fegt, zwerchfellerschütternde Höhepunkte der Darstellung. 16. März 1947 Heute haben wir endlich 12° Wärme und der Himmel ist von einer echten, freund-
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lichen Bläue. Das tut gut den Herzen, den Augen der Menschen, die so schwer leiden mußten.
Doppelte Belastung 27. Juni 1947 Ab 7. Juli haben wir Urlaub. In der ersten Urlaubswoche fahre ich – auch eine „Erholung“ – nach Berlin und gastiere an der Staatsoper. Sie haben viel Interesse an mir. Vielleicht kann ich für die kommende Spielzeit einen Gastspielvertrag bekommen. Am 14. Juli 1947 singt Heinrich Pflanzl an der Deutschen Staatsoper Berlin im Admiralspalast den Baculus in Lortzings Oper „Der Wildschütz“. Dies bedeutet eine entscheidende Wende für die Zukunft, denn das erfolgreiche Gastspiel führt zunächst zu einem umfangreichen Gastvertrag und zwei Jahre später dann zu dem endgültigen Wechsel von Dresden nach Berlin. Zunächst aber ergibt sich doch eine starke Belastung, denn zu den laufenden Vorstellungen in beiden Theatern kommen auch noch die Probenzeiten – manchmal gleichzeitig in Dresden und Berlin. Hier sind nur die Premierentermine in dieser Zeit – daneben laufen natürlich alle anderen Vorstellungen weiter: 1947: 14. Juli
Berlin
Lortzing „Wildschütz“
Baculus
14. September
Dresden
Strauss „Salome“
5. Jude
5. Oktober
Dresden
Flotow „Martha“
19. November
Dresden
Puccini „Butterfly“
Bonze
Dresden
Lortzing „Wildschütz“
Baculus
Plumkett
1948: 10. März 20. Juni
Berlin
Mozart „Don Giovanni“
Leporello
8. September
Dresden
Rossini „Barbier von Sevilla“
Bartolo
22. September
Dresden
Beethoven „Fidelio“
Minister
4. November
Dresden
Strauss „Rosenkavalier“
Ochs
19. Dezember
Berlin
Wagner „Meistersinger“
Beckmesser
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1949: 21. April
Berlin
Strauss „Rosenkavalier“
Ochs
24. April
Dresden
Wagner „Tannhäuser“
Biterolf
14. August
Dresden
Janácek „Katja Kabanowa“
Dikoj
18. September
Dresden
Mussorgskij „Boris Godunow“ Warlaam
8. November
Dresden
Puccini „Boheme“
Schaunard
18. Dezember
Dresden
Weber „Freischütz“
Kuno
Dresden
Orff „Antigone“
Kreon
1950: 27. Januar 9. April
Dresden
Wagner „Meistersinger“
Beckmesser
30. Juni
Berlin
Donizetti „Liebestrank“
Dulcamara
9. September
Berlin
Smetana „Verkaufte Braut“
Kezal
26.November
Berlin
Wagner „Parsifal“
Klingsor
Juli 1947 An die Mutter Meine liebe Mutter, ich glaube auch, daß Dir mein wahrhaft großer Erfolg in Berlin und die neuerliche Berufung nach Bayreuth zu den Mozartfestspielen eine Herz und Seele stärkende Freude ist. Es wird schon wieder recht werden, Mutter, und wenn es schon ein Witz ist, daß ich als Salzburger zu Mozartspielen nach Bayreuth berufen werde, so freu Dich besonders darüber und lach mit. Ich könnte mir denken, daß ich als Figaro und Leporello dem Richard Mayr in meiner jetzigen stimmlichen Verfassung ähnlicher bin als je und es mit Erich Kunz in Wien aufnehmen könnte. Mozart in Bayreuth, das klingt zunächst etwas seltsam, aber das Deutsche Bühnenjahrbuch von 1949 bestätigt die Existenz einer „Opernbühne“ in Bayreuth mit einem Büro am Festspielhügel, die als Veranstalter von „Mozart-Festspielwochen in Bayreuth“ auftritt. Weitere Kontakte hat es dann aber nicht mehr gegeben. Dafür geht es privat ganz langsam aufwärts.
September 1947 Wir haben wieder eine eigene Wohnung! Wenn ich überschaue, was ich in den zwei Jahren geschaffen habe von 0.0000 aus angefangen, zerrissen, zerfetzt, verhungert, ausgebombt bis zu den letzten Holzsplittern und Glasscherben, ausgeraubt und ausgeplündert, ohne einen Pfennig, alles Ersparte weggenommen,
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dann muß ich dem Herrgott sehr dankbar sein, denn er hat seine Hände über meinen Weg – trotz aller Gegenschläge und Hiebe – gehalten. 20. Januar 1948 Jetzt bekomme ich endlich einen schwarzen Konzertanzug gemacht. Bislang trug ich einen dunkelblauen, eingefärbtes Fliegertuch. Einen gebrauchten Frackanzug kaufte ich jetzt für 700 Mark, den laß ich mir ändern, ist nur einmal zu einer Hochzeit getragen worden. In Anerkennung seiner Leistungen wird Heinrich Pflanzl am 1. März 1948 von der Sächsischen Landesregierung zum Kammersänger ernannt.
9. Juni 1948 Mein Kopf ist angefüllt von der Arbeit hier in Berlin und schon lockt nach der Premiere von „Giovanni“ am 20. für den 24. Juni der Ochs. Den habe ich nun schon lange nimmer gesungen und muß ihn fest arbeiten. Anstatt Saisonschluß ist bei mir Auftrieb wie zur Eröffnung einer neuen Spielzeit. Ach, das merkt man aber an den Knochen, mit der Ernährung ist das schon schlimm. Abends geht es ja, da kann ich in dem Künstlerklub „Die Möve“1 essen, der von den Russen für uns eingerichtet wurde und unterstützt wird. Aber an dem ganzen Gastspiel ist nichts zu verdienen, denn das Geld verbrauche ich restlos. Da geht das Honorar, die Tagesdiäten und das Probengeld drauf. Es ist eben in erster Linie eine Prestigeangelegenheit und sogar eine sehr wichtige. Dem ist alles unterzuordnen In meinem Kopf da brodelt es nur so, denn in den kommenden Jahren muß etwas geschafft werden, das Alter steht vor der Türe und ich habe doch alles verloren. Am 1. April 1951 wäre meine Lebensversicherung von 50.000,- RM fällig geworden. Ade, alles weg, nicht mal eingefroren!!! Und Pensionsanstalt (seit 15 Jahren monatlich 120,- RM eingezahlt) existiert hier nicht mehr. Der Kurier, Berlin, vom 22. Juni 1948 Mozart „Don Giovanni“ Der Leporello des Dresdeners Heinrich Pflanzl: ein mächtiger Baß und ein Komiker von venezianischem Zuschnitt.
1 „Die Möve“, Haus der Künstler, Berlin, Luisenstraße 18.
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Der Sonntag, Berlin, vom 26. Juni 1948 Mozart „Don Giovanni“ … ist ein selbstbewußter, proletarischer Mitspieler. Der robuste, sonore Baß steht diesem saftigen Leporello wohl an. Sächsische Zeitung vom 29. Juni 1948 Mozart „Don Giovanni“ Pflanzls Leporello: Grandezza und Buffa höchst geschickt in sich vereinend – und ein Mozart-Sänger. 8. Juli 1948 Seit 27. Juni habe ich Urlaub, in Berlin bin ich für diese Spielzeit fertig und am 26. Juli beginnt schon wieder die neue in Dresden. Am 1. September eröffne ich dann die neue Spielzeit in Berlin mit. Bei der Währungsreform haben wir pro Nase 70 Mark 1:1 umgetauscht bekommen und bis zu 500 Mark 1:10. Also im günstigsten Fall 570 Mark. Wer’s hatte! Alles Andere wird angeblich, soll bestimmt usw.. Wer soll noch glauben an etwas in dieser Zeit! Alles ist umgekehrt. Wer nicht hintenherum etwas erhascht, der muß doch verhungern. Na, und jetzt soll unsere „Tapetenmark“ (so nennt sie der Volksmund, weil auf die alten Markscheine kleine Marken aufgeklebt wurden) wieder umgetauscht werden, wie, das wissen wir nicht. „Angeblich“ 1:1! – so wird man immer älter und kann sich nichts ersparen, arbeitet und schuftet man nicht, dann verhungert man. Welch großartiger Fortschritt! – Ich bin nun nach dieser schweren Spielzeit abgekämpft, aber was nützt das. Ende Juli beginnt die neue und mit 30 Gastspielen in Berlin keine leichte. 14. August 1948 Wenn ich so lesen muß, was alles in Salzburg singt, dann brennt halt doch das Herz! – Aber na, Schwamm drüber. Nicht anfangen von dem, sonst verliert man den Mut, weiterzuleben. Ich darf nicht klagen – es geht doch. Wenn auch primitiv, nach drei Jahren Hoffnung auf Frieden, aber man gewöhnt sich an das tägliche Sorgen schon. Jetzt haben wir wieder keine Kartoffeln, für Fett gibt es Zucker, Fleisch ist ein „Vierzehntagegericht“ geworden. Ich bekomme meine Gage auf die Bank überwiesen, eine Barzahlung gibt es nicht mehr. Wenn ich nun wirklich Bargeld brauche muß ich angeben, wofür ich das benötige. „Freiheit, die ich meine“ – usw. So ist das mit allem. Auch als „Ausländer“ habe ich kein Vorrecht, keine Ausnahmestellung. Ich muß von meinem
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Einkommen (Jänner bis Juli) die Einkommensteuer mit neuem Geld 1:1 bezahlen, obwohl das Geld 1:10 entwertet wurde. So habe ich am 20. Juli in Berlin z. B. einige Tausend Mark ausbezahlt bekommen, die drei Tage später nur den zehnten Teil wert waren, da ich mir nichts mehr kaufen konnte. Jetzt muss ich aber mit neuem Geld diese Einnahme auf die volle Summe hin versteuern. Dabei wird schon wieder gesprochen, daß die dritte Währungsreform kommt: 40:70. Sparen kommt nicht in Frage mehr; Hoffnung haben, das ist auch schon etwas Unbekanntes; man lebt nur dem Tag, was er bringt, das wird eingesteckt, Gutes und Böses. August 1948 Ich sitze am Fenster und sehe zur Terrasse raus und blicke in grüne Linden, von dort weiter zu den Rändern unten der Stadt und dann zum Erzgebirge. Grüne, waldige Hügel, ein sehr sehr kleiner Ersatz der Heimat, aber auch schön! Jetzt ist es eine ganze Woche schon das wunderbarste Wetter, ein Pracht! Ja, wir haben neues Geld (1:10 nun Umtausch: 70 Mark in die Hand, alles Andere auf die Bank, Gage wird nicht mehr bar ausgezahlt, alles auf die Bank, dort bis 300 Mark abhebbar, – wie das werden soll, weiß ich nicht), aber es ist leider nicht so wie im Westen. Wir sehen deshalb nicht mehr und nicht weniger als vorher. Obst gibt es nicht, Gemüse gibt es alle heiligen Zeiten, alles Andere – auch nicht, – das ein bissel ein sehr großer Unterschied. Habe nun mit Legal1 30 Abende abgeschlossen und bin somit ständiger Gast der Berliner Staatsoper. Vielleicht tut sich dann noch mehr, die Zukunft wird es ja zeigen. Jedenfalls singe ich dort in den nächsten Monaten den Leporello weiter, dazu kommt der Osmin, Ochs, Beckmesser (Dezember Premiere). Es wird sehr langsam wieder alles recht. Wir haben viel Pech, aber man muß sehen, daß kleine Lichtfetzen auch durch das tiefe Dunkel schimmern und wenn man die göttlichen Maße nie ermessen kann, nach denen er uns mißt, so ist alles Irdische nur eine Vorwanderung unter Gesetzen, die wir von unserem Leben aus nur in der Senkrechten oder Horizontalen beurteilen, aber bei dem wir vergessen, das um uns die Luft kreist. Alles um uns ist Geheimnis, umso mehr unser Leben! Ich kann freilich gut predigen, aus der Ferne!
1 Ernst Legal (1881–1955), Schauspieler, Regisseur, Intendant der Deutschen Staatsoper Berlin (1945–1952).
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8. September 1948 Ich habe viel, viel zu tun; diese Woche jeden Tag Vorstellung (Montag Hauptprobe und Vorstellung), Sonntag fahre ich nach Berlin, Montag dort „Giovanni“. Heute habe ich Premiere „Barbier“. Am 22. ist nun die Eröffnung unseres neuerbauten Schauspielhauses, in dem nun zum größten Teil die Staatsoper spielen wird. Es war doch völlig zerbombt (wie das ebenfalls zerstörte Staatsopernhaus. Das bleibt vorläufig eine Ruine.) Vier Tage lang Festaufführungen, beginnend mit „Fidelio“. Ich singe den Minister. Dann haben wir es schöner, als es bisher in den Interimstheatern war. Sächsische Zeitung vom 10. September 1948 Rossini „Barbier von Sevilla“ Prächtig Pflanzls Bartolo: mimisch sehr scharf ausgeprägt, straff rhythmisch in seinem überaus plastischen gesanglichen Vortrag. Das ist wieder eine der vorzüglich durchgearbeiteten Charakterisierungen unseres Baßbuffos. 28. November 1948 Morgen geht es wieder nach Berlin zu den „Meistersinger“-Proben. Donnerstag sang ich mit schönstem Erfolg den „Ochs“ in der Berliner Staatsoper. Über eine halbe Stunde Schlußapplaus! Am 3. Dezember wieder in Dresden den Ochs, dann wieder nach Berlin, am 10. „Don Giovanni“, am 19. Premiere „Meistersinger, am 26. wieder „Meistersinger“, am 28. „Don Giovanni“. Also neben Dresden ein „Häuflein“ Arbeit nebenher. Aber es macht Freude und Erfolg schafft Zufriedenheit. Es ist natürlich eine sehr große Hetze und nur weil ich wieder gut in Stand gesetzt bin, kann ich das aushalten. Den „Rosenkavalier“ in Berlin dirigierte Leopold Ludwig, der mit mir zusammen in Wien in der Burse wohnte. Das war natürlich eine schöne Sache und wir hatten eine große Freude an der Zusammenarbeit! Nachtexpress Berlin vom 20. Dezember 1948 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ Vorzüglich Heinrich Pflanzl als Beckmesser, der eine runde Komödiantenstudie gibt, überlegt und ausgefeilt auch im Gesanglichen. Berliner Zeitung vom 21. Dezember 1948 Wagner „Meistersinger von Nürnberg Mit Pflanzl, diesem niemals übertreibenden, hervorragend artikulierenden Bassissten hat die deutsche Opernbühne wieder einen Beckmesser, der als ideal bezeichnet werden darf.
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Die Weltbühne vom 2. Januar 1949 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ … gestaltete den Beckmesser zu einem fast klinischen Kabinettstück. Berlin, im Dezember 1948 Ich sitze in meinem Zimmer im „Hotel Adlon“, Unter den Linden. Ich flitze dauernd zwischen Berlin und Dresden umher. Nach den schweren Proben zum „Rosenkavalier“ kamen die Proben zum Berliner „Ochs“ und dazwischen und andauernd die zu den „Meistersingern“. 14. Januar 1949 Ich habe seit der „Meistersinger“-Premiere 11 Vorstellungen allein in Berlin gesungen, muß immer zwischen Dresden und Berlin hin- und herfahren, da ich ja auch hier meine Verpflichtungen erfüllen muß. Ich habe Anträge nach dem Westen, Düsseldorf (Gustaf Gründgens) möchte mich unbedingt haben, – ach, ich weiß nicht, was ich tun soll! Wegen Ochs zu den Salzburger Festspielen: freilich komme ich weg zu Festspielen, schon aus Prestigegründen. Aber ich biete mich nicht an, wenn sie mich haben wollen, dann wissen sie ja, wo sie mich finden. Sonntag habe ich Ochs in Berlin zum 5. Mal, heute und morgen hier „Barbier von Sevilla“, Dienstag „Hoffmanns Erzählungen“, Mittwoch Leporello in Berlin, Donnerstag hier „Hoffmanns Erzählungen“, Sonntag Beckmesser in Berlin. Das reicht, was. 23. März 1949 Ich mache mir auch Vorwürfe, vielleicht hätte ich doch nach Düsseldorf gehen sollen, das man mir doch so stark angetragen hat, direkt von Gründgens. Im Nachhinein erfuhr ich, daß ich 22.000 Mark Gage bekommen hätte. Nun ist auch das zu spät. Aber ich darf nicht klagen. Ich habe viel erreicht und muß mit dem zufrieden sein. Alles Andere, Wünschenswerte, was Andern mühelos in den Schoß fällt, das will mir halt nicht gelingen. Dabei wird man älter und abgekämpfter und man verliert mit der Zeit den inneren Schwung, der zu diesem täglichen Kampf gehört. Ich frage mich dann oft: vielleicht bildest du dir es nur ein, vielleicht bist du nicht mehr als ein guter Sänger und gehörst nicht zu den Ersten? Wenn ich dann aber wieder in Berlin singe und spüre, wie groß der echte Erfolg ist und wie man nur zu bescheiden ist und nicht das große Mundwerk hat, von sich so zu trompeten, wie es Viele tun, dann erkennt man, daß man eben
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in einer künstlerischen Haut steckt, die nichts vom „Geschäft“ versteht. Ich bin in der glücklichen Lage, als „Schwerarbeiter“ eingestuft zu sein und den „Pajok“ (russ. = Ration, Verpflegungsrate) zu bekommen. Das ist eine Lebensmittelkarte, die zusätzlich an führende „Intelligenzler“ ausgegeben wird. Das macht natürlich etwas aus. Ich bekomme einmal im Monat dafür zu Normalpreisen 900 g Fett, 10 Pfund Mehl, 6 Pfund Fleisch, 5 Pfund Nährmittel. Nun taucht die Frage auf, ob mein Junge weiterhin die Schule besuchen kann. Hier wird ein großer Prozentsatz Arbeiterkinder in der Oberschule gefordert und daher wird ein Großteil der Schüler, die aus bürgerlichen Kreisen stammen, nicht mehr zugelassen, die höhere Schule zu besuchen. 18. Mai 1949 Ich habe mich nun fest und vor allem innerlich ganz fest entschlossen, nur mehr ein Jahr in Dresden zu bleiben und dann wegzugehen. Wohin, das wissen die Götter! Vielleicht gehe ich doch ganz nach Berlin, es ist die beste Lösung 24. Mai 1949 In meinem Garten habe ich 100 Tomatenpflanzen gesetzt, in den alten Garten bei unserer Ruine kommen diese Woche die Krautpflanzen hinein. Es wäre mir nicht um das Gemüse, aber ich habe doch dort einen wunderschönen Sauerkirschenbaum stehen, der mir immer 1–2 Zentner Obst bringt und darauf will ich nicht verzichten. Obwohl es immer schwer ist, in die alte Stätte zu gehen und die Trümmer zu sehen, und die verrosteten und kaputten Dinge zu erblicken, die einem mal gehörten. Da liegt in einer Ecke der zerbeulte Rest unseres elektrischen Kühlschrankes, dort Scherben vom Eßgeschirr, dort Knäuel von rostigen Drähten, der Rest des Rundfunks. Man kommt dann immer schwer weg von den Gedanken, warum es einen so treffen mußte. Heute ist „Boheme“, Sonntag „Tannhäuser“, Montag fahre ich nach Berlin „Lustige Weiber“. Damit verrinnt eine Woche so schnell. 12. Juni 1949 Mit Berlin habe ich wieder abgeschlossen und wenn nichts Außergewöhnliches dazwischenkommt, dann wird wohl die nächste Spielzeit für mich die letzte in Dresden sein. Aber das wird ja dann die Zeit bringen und man soll keine Zukunftspläne schmieden.
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Vom Tod der Cebotari1 war ich tief ergriffen, eine so herrliche Künstlerin, ein so prächtiger und warmherziger Mensch und eine so junge Frau! Ich hatte ja das Glück und habe hier sehr oft noch gesungen mit ihr, in „Boheme“ und „Figaros Hochzeit“, was war sie für ein schlichter Kerl und bescheiden bei allem internationalen Ruhm, den sie besaß. Am Sonntag hatten wir hier für sie ein Requiem in der alten russisch-orthodoxen Kirche, die inmitten eines ungeheuren Trümmerfeldes stehen blieb. „Noch keinen sah ich fröhlich enden…“. 1. September 1949 Ich war über Sonntag in Berlin, „Meistersinger“, es war wieder ein so schöner Erfolg. Wenn die Menschen meinen Namen rufen und ich ehrlich sagen darf, heute warst du wieder in Form. Hier habe ich nun Proben für „Boris Godunow“, morgen „Salome“, Sonnabend „Boheme“, Sonntag „Zauberflöte“ und am Montag den Ochs. Also genug zu tun. September 1949 Freitag in Dresden „Barbier“, Samstag früh nach Berlin, dort „Lustige Weiber“, Sonntag früh zurück, nachmittags nach Ankunft Konzert und abends „Boris“. Da war ich dann bedient. Morgen kommt Orff2, der Komponist von „Antigonae“ und nun wollen sie mich doch rumkriegen den Kreon zu singen. Ich habe aber gar keine Lust dazu, diese mehr als nur anstrengende Sache zu singen. Wir sollen zwar damit in Berlin gastieren (na, das hätte ich am allerwenigsten notwendig) und eventuell sogar in München. Keine andere Bühne macht dieses Stück nach den Salzburger Festspielen mehr, es hat allen genügt. Meine Absicht, den Vertrag hier nicht mehr zu erneuern, schlug wie eine Bombe ein. Man hat nun versucht, mich durch ein bedeutend höheres Gagenangebot zu halten, aber ich kann mir nimmer viel überlegen. Ich werde doch gehen. Es ist kein leichter Entschluß, aber ich glaube, daß ich in Berlin doch mehr Chancen habe, in diesem Beruf glücklich zu sein, als es für mich hier der Fall war. Carl Orff hat Erfolg mit seinen Überredungsversuchen und so singt Heinrich Pflanzl nun doch den Kreon in der „Antigonae“, eine hohe Baritonpartie. Er lernt die Rolle in sehr kurzer Zeit, daheim. 1 Maria Cebotari (1910–1949), Sopran, an den Staatsopern Dresden (1931–1943) und Wien (ab 1943). 2 Carl Orff (1895–1982), Komponist.
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22. Januar 1950 Die anstrengenden Proben zu „Antigonae“, die so überaus schwere Rolle des Kreon, die ich nun doch durchführe – es ist eine sehr, sehr große Aufgabe, die ich hier habe und ich habe schönsten Respekt davor. Aber nun geht es den letzten Proben entgegen, am 27. ist die deutsche Erstaufführung, die in einem Mittelpunkt des Interesses steht, das von ganz Deutschland entgegen gebracht wird. Viele Leute aus dem Westen sind angemeldet. Ich hoffe, daß ich Orff mit dem Kreon eine Freude mache und dann kann ich denen in Salzburg schon etwas beweisen. Ach, ich weiß, daß alles Hoffen vergebens ist, ich mich mit der Fremde begnügen muß und in der Ferne das Glück oder sagen wir, die Erfüllung ruht. Sächsische Zeitung vom 25. Januar 1950 Orff „Antigonae“ Was Goltz1 als Antigone und Pflanzl als Kreon zu leisten haben, wiegt die Schwierigkeiten von einem halben Dutzend Wagner- oder Verdipartien auf. Sächsische Zeitung vom 28. Januar 1950 Orff „Antigonae“ Kreon ist Pflanzl – und wer hat ihm diese Leistung von elementarer gesanglicher und mimischer Größe zugetraut? Nationalzeitung Berlin vom 29. Januar 1950 Orff „Antigonae“ Heinrich Pflanzl in der wohl schwierigsten Rolle des Kreon gilt ein Sonderlob. Berliner Zeitung vom 31. Januar 1950 Orff „Antigonae“ … in Stimme und Gestalt ein imponierender Kreon, eine starke Leistung. Ostern 1950 Zwischen „Meistersinger“- und „Parsifal“-Proben hin- und herfahrend habe ich mir nun zu guter Letzt einen Bronchialkatarrh geholt, der mich nach der Dresdner Generalprobe der „Meistersinger“ total verheisern ließ und so mußte ich gestern auch die Berliner Premiere von „Parsifal“ absagen. Hoffentlich kann ich morgen hier die „Meistersinger“ singen. Es geht mir besser zwar, aber in der Brust rasselt es noch allerhand. Das ewige Hin- und Herfahren im Zuge, die warmen und plötzlich zu kalten Tage sind daran schuld. 1 Christel Goltz (1912–2008), Sopran, an den Staatsopern Dresden (1936–1950) und Wien (1950– 1970).
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Im März 1950 gastiert die Dresdner Staatsoper mit Orffs „Antigonae“ zwar noch sehr erfolgreich in Berlin, aber inzwischen hat man in der jungen DDR eine politische Diskussion entfacht, die schließlich zur Verurteilung des Werkes führt, dem man vorwirft, das „nationale Kulturerbe zu missachten“, „im Formalismus erstarrt“ und ein „Beispiel bürgerlicher Dekadenz“ zu sein. Vielleicht hing die massive politische Intervention ja auch damit zusammen, dass mein Vater den König Kreon in einer Maske spielte, die Walter Ulbricht, dem Generalsekretär der SED und Mitglied des Ministerrates der DDR verblüffend ähnlich sah?
4. Mai 1950 Leider hat die Aufführung von Regierungsseite böseste Ablehnung erfahren und somit kommt es zu keinem Gastspiel auswärts und wahrscheinlich auch zu keiner Aufführung mehr in unserem Gebiet. Mit einer leisen Wehmut denke ich daran, wie ich mit diesem schweren Gefühl der Anhänglichkeit nun schon einundzwanzig Jahr in der Fremde hause und an die Heimat wie an ein Märchen denke. Wäre nicht diese schreckliche finanzielle Lage, und die politische dazu, die Grenzensperre – wir wären ja öfter daheim, aber so wird eine Reise zu einem fast unlösbaren Problem, wenn man nur Ostmark verdient. Ich muß für 100 Westmark 730 Ostmark verdienen. 20. Juni 1950 Nun bin ich schon einige Tage in Berlin zu den Proben von „Liebestrank“. Ein paar Hin- und Her-Reisen nach Dresden und die täglichen Vormittags- und Abendproben haben mich verdammt abgehetzt. Ich hatte hier in Berlin nacheinander „Rosenkavalier“, „Don Giovanni“, „Fidelio“ und „Lustige Weiber“. Ein Wiener Agent, der in allen diesen Vorstellungen war, war Tag für Tag um mich herum und er meinte, ich wäre der richtige Mann für das neue Haus in Wien (die alte Wiener Oper wird nächstes Jahr wieder in Betrieb sein): „Sie müssen im Herbst in Wien gastieren, unbedingt!“ Ja, die Glocken läuteten mir schon oft, aber der Eintritt in die Kirche wurde mir bisher immer verwehrt. – Ein sehr Erfreuliches geschah aber auch in einer ähnlichen Sache: Ich habe dem Direktor der Metropolitan New York vorgesungen und er war sehr angetan von der „so großen, fundierten Stimme“! Es war ein Informationsbesuch. Rudolf Bing1 kam 1 Sir Rudolf Bing (1902–1997), Sänger, Theatermanager (Glyndebourne 1936–1949), Leiter der
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von London, Paris und sagte zu Legal: „Das war das erste positive Ergebnis!“. Zu diesen „letzten Dingen“ fehlt mir aber leider das Glück. Ich jage auch dem Gedanken daran nimmer nach und muß zufrieden sein, daß ich das alles erreicht habe! Es ist schon sehr viel, in Berlin ein erster Sänger zu sein! 12. Juli 1950 Die Proben bei Felsenstein1 sind ein hoher Genuß, wenn auch am Ende einer schweren Spielzeit recht anstrengend. Täglich sechs bis acht Stunden Arbeit. In diesem Sommer kann die Familie erstmals wieder einen Urlaub in Österreich verbringen, natürlich im Salzburger Land: in Flachau, das damals noch ein kleines Dorf am Ende der Welt war. Leider ist die Urlaubsfreude nicht ungetrübt, denn ein Insektenstich im Ellbogengelenk mit dramatischen Folgen zwingt meinen Vater zu einem Spitalsaufenthalt in Salzburg.
21. August 1950 Nun sitze ich wieder in Berlin und habe die erste Probe „Verkaufte Braut“ hinter mir. Es ist mir wie ein Traum, daß wir in der Flachauer Stille gelebt und die Schönheit der Heimat gesehen haben. Wir sind gut nach Hause gekommen; durch eine langwierige Grenzkontrolle erreichten wir nimmer den Anschlußzug nach Dresden und fuhren das letzte Stück per Auto. Sonntag habe ich nun alles hergerichtet, da ich doch lange hier in Berlin bleibe, bzw. nur mehr als Gast nach Dresden komme. Es ist 23 Uhr. – Sehr tiefe Stille ist es und der Lärm der großen Stadt ist schon schlafen gegangen. Ich habe mich so wenig erholt, das merkte ich nach der ersten Probe, das merke ich, wie schlecht ich schreibe. Und doch ist es ein großer Dank, daß ich daheim sein konnte. Da in meinem Lebensbecher so viel gute und auch böse Würfel liegen, war es ganz natürlich, daß durch den Insektenstich der Rückblick nicht ganz klar und hell ist. Aber ich war daheim und war so selig, in den alten Räumen zu sein, so selig. – Wenn ich das alles, was mich daheim bewegte, in Worte fassen würde, es würde eine pathetische Epistel daraus, die ganz unecht klänge. Metropolitan Opera New York (1950–1972). 1 Walter Felsenstein (1901–1975), Regisseur, Intendant der Komischen Oper Berlin (1949–1975).
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Die besten Jahre In Berlin bis zum Bau der Mauer, das sind die Jahre der größten Erfolge für Heinrich Pflanzl. Er ist auf dem Höhepunkt seines Könnens. Immer strahlend, lachend, lustig, listig, vom Publikum geliebt und verehrt wie ein Heldentenor. Ich werde oft gefragt, ob das nicht ein herrliches Leben ist, an der Seite eines so beliebten, immer fröhlichen Menschen. Die Alltagsrealität sieht leider etwas anders aus, denn niemand kann pausenlos Frohsinn verströmen. Wenn die letzten Autogramme am Bühnenausgang geschrieben, die Blumen im Wagen verstaut, die Türen geschlossen sind und wir heimwärts rollen, dann fällt auch diese Maske ab. Da ich zu dieser Zeit in jeder Vorstellung meines Vaters bin und ihn auch jedes Mal nach Hause fahre (ich hatte mit einer Sondergenehmigung bereits mit 16 Jahren den Führerschein gemacht), sind es immer die gleichen Dialoge – wie hat es geklungen, hat man etwas von der Erkältung gehört, ich bin müde, kaputt, erschöpft, jetzt noch ein schönes Glas Bier und dann ins Bett, morgen früh ist schon wieder Probe. Natürlich erwartet mein Vater von mir einige nette Worte über die Vorstellung, über seinen Anteil daran, seine Leistung. Aber ich kenne inzwischen seine Rollen auswendig, jedes szenische Detail und ich bin ein unbarmherziger Kritiker, ich weise ihm jeden Fehler nach und jeden Ton, der mir nicht gefallen hat. Bei der Ankunft zu Hause herrscht zwischen uns meistens eisige Stille und meine Mutter hat große Mühe, uns wieder zum Sprechen zu bringen. Sie ist es dann auch, die mir vorschlägt, meine kritischen Bemerkungen doch besser auf den nächsten Tag zu verschieben. So lerne ich schon früh eine der wichtigsten Grundregeln im Umgang mit Sängern: Lobe sie in den höchsten Tönen, wenn sie von der Bühne kommen, kritisieren kann man später immer noch. Wir haben es später auf einem benachbarten Gebiet noch einmal versucht, als mir mein Vater eine Stunde Gesangsunterricht gab. Ich weiß nicht mehr, ob es wirklich sechzig Minuten waren, wir bekamen jedenfalls einen Riesenkrach, es wurde dann
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abgebrochen und nie wieder versucht. Ich möchte aber nicht missverstanden werden, denn ich habe meinen Vater sehr verehrt, ich hatte großen Respekt vor seinem Können und ich habe ihn immer für einen großen Künstler in seinem Fach gehalten. Aber der Austausch von sachlichen Informationen im Fachbereich Gesang war zwischen uns beiden einfach nicht möglich, alles wurde emotionalisiert. Vielleicht war ich auch einfach zu ungeduldig und zu jung. Heinrich Pflanzl hat seinen Beruf geliebt, er hat sein Publikum geliebt und er hat natürlich den Erfolg geliebt. Aber das für Außenstehende so glänzende Bühnenleben hat auch seine dunklen Seiten, es wird einem nichts geschenkt, man muss sich alles schwer erarbeiten. Dazu gehört vor allem auch das Publikum, das man an jedem Theater und jeden Abend neu für sich gewinnen muss. Das ist auch in Berlin nicht anders, aber hier geht es nun besonders schnell: Der Erfolg ist von Anfang an dabei. Begonnen hatte es ja schon mit einer ganzen Reihe von Gastspielen, Baculus, Leporello, Ochs, Beckmesser und dann noch, im März 1950, ein Gastspiel der Dresdner Oper mit „Antigonae“. Der Boden ist also gut bereitet, und das Publikum bereitet dem neuen Mitglied der Staatsoper Berlin einen herzlichen Empfang. Es sind nicht nur die Blumen, die Autogrammwünsche oder der Applaus, viele Theaterbesucher möchten ihre Begeisterung auch schriftlich zum Ausdruck bringen. So entwickelt sich schon nach dem ersten Ochs von Lerchenau im „Rosenkavalier“ ein intensiver Briefwechsel mit einem „Opernenthusiasten“, der aus seiner persönlichen Erfahrung in der Begegnung mit Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss und Richard Mayr an der Wiener Hofoper berichtet. Aus dem umfangreichen Briefwechsel hier ein kleiner Auszug.
29. Januar 1949 Dr. Johann N. Stief an Heinrich Pflanzl Gestatten Sie mir, Ihnen meinen Dank und Glückwunsch zu Ihrem Baron Ochs auszusprechen, den Sie in der letzten Darbietung mit dem heute wohl auf der ganzen Linie erloschenen alten k.u.k Fluidum erfüllt haben. Sie haben diesen tolpatschigen Bär doch so aristokratisiert, wie es dem seligen Hugo von Hofmannsthal vorgeschwebt hat, er riecht zwar noch sanft nach Kuhdung, aber das Blut der Ahnen, die immerhin Stützen der ersten kaiserlichen Garnitur waren, ist nicht völlig versprudelt, er selbst wird ja nicht müde, sich auf die Würde einer Standsperson zu berufen. Er hat es zwar verlernt, sich wendig auf dem höfischen Parkett zu bewegen; aber er schwelgt in der Vorstellung, daß er es kann, und er tut aus Eigenem alles, um dieser Selbstbespiegelung gerecht zu werden. Es gehört
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zum Baron Ochs nicht nur die stimmliche, sondern auch eine besondere darstellerische Reife – und wer nie die österreichische Luft wie Muttermilch in sich gesogen hat, wird diesen halb komischen und halb tragischen Zwiespalt im Wesen und Schicksal des Herrn Baron niemals zum Ausdruck bringen können. Es ist deshalb leicht erklärlich, warum seit Menschengedenken die „Rosenkavalier“Aufführungen in Berlin unter der Verpommerisierung dieses österreichischen Falstaff litten, der es – dem Breitengrad gemäß – weniger mit Bacchus als mit Faun hielt. Und wenn es dann doch einen Baron Ochs von Lerchenau gibt, der den Salzburger Lebensstil nicht vergessen hat und der einen verbauerten Kavalier auf die Füße stellt, statt einen pommerschen Krautjunker im Kavaliersfrack sich in Mätzchen von Carows Lachbühne austoben zu lassen, dann ist es eine Wohltat und ein Verdienst. Es ist dem Künstler oft nicht leicht gemacht, Apoll zu dienen. Wenn aber jemand wie Sie doch dem Kunstwerk gibt, was des Kunstwerks ist, dann gestatten Sie einem Unbekannten, Ihnen die Reverenz zu machen. 1.Februar 1949 Dr. Johann N. Stief an Heinrich Pflanzl (…) Ich hatte in den ersten Weltkriegsjahren das Glück, Hugo von Hofmannsthal kennen zu lernen, ich habe einer Neueinstudierung des „Rosenkavalier“ in der Hofoper beigewohnt, damals hatte Richard Mayr, der Unvergeßliche, die Partie übernommen, mit der er ja so verwuchs, daß er zum Begriff geworden ist. Ich erinnere mich noch, wie Hofmannsthal, im Gegensatz zu Richard Strauss, dem alles recht war was ein volles Theater versprach, Wert darauf legte, den Baron Ochs vom Bezirk der bequemen Buffomanier fernzuhalten. Er verglich ihn mit einem Schlittschuhläufer, der in seiner Jugend sein Metier beherrscht habe, nun aber durch Jahrzehnte aus der Übung gekommen sei und sich nun, auf die glatte Fläche verschlagen, unter den Geübten produzieren wolle. Er hat nicht alles vergessen, die Komik liegt nicht darin, daß er hinplumpse, sondern daß er das Decorum einer Kunstfertigkeit mit übertriebener Grandezza wahren wolle, während er sich gerade noch auf den Beinen halte. (…) 21. Februar 1949 Dr. Johann N. Stief an Heinrich Pflanzl Sehr geehrter Herr Kammersänger, es bedeutet mir ein lebhaftes Bedürfnis, Ihnen zu Ihrer gestrigen Meisterleistung als Baron Ochs meine Hochachtung und Anerkennung auszusprechen. Meine Freude ist doppelt groß, weil – wie Sie es wohl auch selbst verspürten – auch
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das Berliner Publikum, ohne vielleicht selbst zu wissen, wie ihm geschah, von dieser vollblütig delikaten Kavalierstour zutiefst betroffen und hingerissen wurde. Wenn eine Aufführung wie die gestrige die Gegenwart klar und hell vor die Erinnerungen treten läßt, dann erscheint das Leben auch in dieser Zeit unter der Magie der Illusion erträglich und nicht hoffnungslos. (…) Der Einstieg nun in Berlin als festes Mitglied der Deutschen Staatsoper und gleichzeitig als Gast an der Komischen Oper hätte erfolgreicher nicht sein können. Aber vor allem die Arbeit mit Walter Felsenstein bringt meinen Vater endlich weiter auf dem schon lange angestrebten, ersehnten Weg zum Charakterdarsteller. Denn er war kein Bassbuffo, so komisch er auch sein konnte, die platte Komik mancher Figuren seines Faches lag ihm nie, er verabscheute billige Klamotte.
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Warum gibt denn der Bartolo im „Barbier von Sevilla“ so an? Im Grunde hat er Angst, daß er bei aller Gelehrtheit eben doch zu betrügen ist. Ein Kind, das im Dunklen pfeift, um seine Furcht zu vertreiben. Oder nehmen Sie den Beckmesser in „Meistersinger“: ein galliger Bürokrat, ein penetranter Federfuchser, ein zundeltrockener Biedermann, aber keine groteske Karikatur. Wo Sachs resigniert, wirbt Beckmesser mit der lächerlichen Hartnäckigkeit des aussichtslosen Liebhabers, wirbt ernsthaft, ganz ernsthaft, er ist ein Mann von Stand und Ansehen, er ist ein Meistersinger, und singt sich ebenso ernsthaft ins Unglück, verwirrt im krankhaften Ehrgeiz, Pogners schöne Tochter zu gewinnen. Und wenn der Bürgermeister van Bett in „Zar und Zimmermann“ immer wieder singt: „O, ich bin klug und weise“, hat er nicht im Grunde nur Angst, man könnte seine Weisheit in Zweifel ziehen? Ein Baßbuffo „, das ist nach Ansicht mancher Leute ein Mann, der ohne Wattebauch und geklebte rote Nase nicht auskommt. Aber wir müssen vor allem wirkliche Menschen darstellen. Auch im Schauspiel hat sich ja der ausgesprochene Komiker überlebt und sein Fach hat der Charakterspieler aufgegriffen. Komik und Humor sind zweierlei, statt billigen Witzes warmer und immer ein wenig selbstkritischer Humor, das ist durch keine noch so komische Maske zu ersetzen. Das sind Gedanken, die ziemlich genau dem entsprechen, was Felsenstein unter realistischem Musiktheater verstanden hat. Walter Felsenstein ist der Intendant der Ko-
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mischen Oper in Berlin und er inszeniert mit Heinrich Pflanzl als Kezal Smetanas „Verkaufte Braut“. In der gemeinsamen Probenarbeit entsteht nicht nur ein völlig neuer deutscher Text, sondern auch eine neue Sicht auf die altbekannte Oper. Und auf der Bühne steht ein „neuer Pflanzl“. Es genügt, ein Foto von diesem Kezal mit einem Bild von früher zu vergleichen, um den Unterschied zu erkennen. Diese Entwicklung bleibt nun in der Folge nicht auf die eine Rolle beschränkt, sie verändert schließlich das gesamte, inzwischen sehr umfangreiche Repertoire des Sängers. Felsenstein ist berühmt für seine Briefe, dieser hier an seinen Kezal wurde geschrieben zwischen Generalprobe und Premiere der „Verkauften Braut“.
9. September 1950 Walter Felsenstein an Heinrich Pflanzl Lieber Herr Pflanzl! Lassen Sie sich anläßlich Ihres ersten Abends an der Komischen Oper noch einmal herzlich danken für Ihr in der Tat bewiesenes Bekenntnis zu den Bemühungen und Intentionen dieses Theaters. Ja, ich glaube sogar, daß Sie heute Abend sich als beispielgebender Repräsentant dieser Intentionen erweisen werden. Zur Generalprobe nur einige wesentliche Bemerkungen: 1. Akt: Sie wissen, daß Sie nach dem Abschluß des Terzetts irrtümlicherweise die Marie schon vorher gesehen haben. 2. Akt: Nach dem Furiant nicht abwarten bis der Chor ruhig ist, sondern sofort, wenn Schock1 sich gesetzt hat, mit Ihrem Gang den Einsatz für das Orchester geben. Die ganze Szene mit Schock muß, wie Sie es ja tun, mit äußerst intensiver Spekulation gespielt werden, aber in einer vital-heiteren Siegessicherheit. Sie hatten gestern mitunter eine etwas böse intrigante Finsternis in Ihrer Verschlagenheit. Auch die gemeinsten Gedankengänge dieses Burschen sind nur unbewußt gemein und gerade durch ihre offene und fast strahlende Kraft brutal. 3. Akt: „Da steckt doch was dahinter“ war nur darum geschmissen, weil Grüber2 nach Ihrem Blick in die Zirkusarena auf Ihren ruhigen und großen Blick nach Micha und Agnes wartete, bevor Ihre Handbewegung kommt.
1 Rudolf Schock (1915–1986), Tenor, an den Staatsopern Berlin, Hamburg, München und Wien. Hier an der Komischen Oper Berlin in der Rolle des „Hans“. 2 Arthur Grüber (1910–1990), Dirigent, an der Komischen Oper Berlin von 1951 bis 1955.
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Ich möchte aus Aberglauben darüber, was ich von Ihrer Leistung halte, nichts sagen und hebe es mir für den Augenblick auf, wenn der letzte Applaus-Vorhang gefallen ist. Ich umarme Sie in aller Freundschaft, die von dieser Arbeit gegründet wurde. Ihr Walter Felsenstein Berliner Montag vom 11. September 1950 Mittelpunkt war der Kezal Heinrich Pflanzls, mit mächtigem, sonorem Organ, dem gleichsam der Schalk von der Nasenspitze abzulesen war. Nachtexpress Berlin vom 11. September 1950 Einen Kezal, dem die Bauernschläue und List aus den Augen sprüht, gibt Heinrich Pflanzl, wieder eine großartige Leistung, musikalisch wie darstellerisch. Pflanzl ist fraglos der beste Baßbuffo, den die deutsche Opernbühne zur Zeit besitzt. Die Tagespost Potsdam vom 12. September 1950 Pflanzls Heiratsvermittler läßt in temperamentvollem Spiel das Barometer seiner Stimme und Stimmungen nach Herzenslust steigen und fallen. B.Z. am Abend Berlin vom 12. September 1950 Der Kezal Heinrich Pflanzls, mimisch unübertroffen, war ein rechtes Kabinettstück echter Sangs- wie Schauspielkunst und erntete stürmischen Sonderapplaus. Neue Zeitung München vom 12. September 1950 Die buffoneske Wendigkeit des Basses von Heinrich Pflanzl verbindet sich mit einer ausgezeichneten schauspielerischen Beweglichkeit, die bis in die kleinste Faser geht. Ein Original mit der bäurischen Verschmitztheit des Händlers. Der Sozialdemokrat, Berlin vom 12. September 1950 … eroberte sich das Publikum im Sturm. Ein verschlagener, skrupelloser Halsabschneider, von drastischer, dröhnender Lustigkeit. Ausgezeichnet, wie die Komik dieser Figur ohne die kleinste Verzeichnung herausgearbeitet wurde.
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Kurier, Berlin, vom 12. September 1950 Die saftigste Figur ist Pflanzl als Heiratsvermittler: ein selbstzufriedener Schwerenöter, immer dabei, immer Aug und Ohr für das was vorgeht, mit einem mopsigen Gesicht, in dem die listig vergnügliche Schlauheit aus jedem Fältchen quillt. Großartig. Der Morgen, Berlin, vom 12. September 1950 Den gesanglich-darstellerischen Mittelpunkt schuf Heinrich Pflanzl mit seinem unübertrefflich lebenswahren, verschlagenen Kezal, den er auch, nach der Übertölpelung, als lächerliche Figur kennzeichnete. National-Zeitung Berlin vom 12. September 1950 Man könnte ganze Aufsätze darüber schreiben wie Heinrich Pflanzl, der finstere Kreon der „Antigone“, einen verschlagenen, augenzwinkernden, kraftstrotzenden Bauernfänger Kezal erleben läßt, ohne die andernorts beliebten, billigen Mittel karikaturistischer Verzerrung anzuwenden. Die Welt, Hamburg, vom 12. September 1950 … ein Kerl, wie von Pieter Breughel hingestellt, mit listig-schlauer, selbstzufriedener und immer beweglicher Visage. Der Tagesspiegel Berlin vom 13. September 1950 … singt und spielt den Heiratsvermittler und man kann ihn beinahe einen Kortner der Oper nennen. Er ist nicht mehr nur der bauernschlaue Filou vom üblichen Buffoschlage, sondern ein mit allen dunklen Moldauwassern gewaschener Erzgauner. Die Weltbühne vom 20. September 1950 … dieser Kezal ist gewalttätig, gerissen, selbstgefällig, verkniffenen Auges und schiefen Maules, dröhnend in der schmierigen Geläufigkeit der Überredung. Großartig! Der Mittag, Düsseldorf, vom 12. Oktober 1950 … Man wird diesen Kezal nicht mehr vergessen: eine Gestalt, wie von Daumier gezeichnet.
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Im September 1950 Heinrich Pflanzl an seine Mutter Noch habe ich scheußlich zu tun, in zehn Tagen acht Vorstellungen und da ich nur mehr große Partien singe, nimmt mich das sehr in Anspruch. Mein Erfolg in der „Verkauften Braut“ war sehr groß und ich habe wohl eine aller-allererste Position errungen in Berlin. Oscar Fritz Schuh1 (Regisseur an der Wiener Staatsoper und bei den Salzburger Festspielen) inszeniert gerade bei Felsenstein und unterhielt sich mit mir, wie großartig er mich fände und warum ich eigentlich nicht nach Wien gravitiere? Kunz wäre doch ein ganz anderer Typ, mehr Spaßmacher und hätte nicht die Vitalität. 24. Oktober 1950 Ich habe nun am 7. Oktober von der „Regierung der Deutschen Demokratischen Republik“ den Nationalpreis erhalten im Zusammenhang mit meiner Leistung als Kezal. Es wurden die drei Hauptdarsteller, der Dirigent und der Regisseur Felsenstein ausgezeichnet. Das ist hier die höchste staatliche Auszeichnung, die es gibt. Etwa sechzig Männer und Frauen erhielten den Preis. In der Staatsoper saßen wir auf der Bühne und Jedem überreichte Präsident Wilhelm Pieck die schwarz-rot-goldene Ledermappe und junge Mädchen hefteten uns die goldene Goethe-Medaille am schwarz-rot-goldenen Band an den Rock. Auf der Innenseite der Ledermappe steht: Der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik verleiht Heinrich Pflanzl für die Darstellung des Kezal in der Oper „Die verkaufte Braut“ von Friedrich Smetana, gemeinsam mit Walter Felsenstein, Arthur Grüber, Anny Schlemm und Rudolf Schock den Deutschen Nationalpreis für Kunst und Literatur in Anerkennung seiner hervorragenden Mitwirkung an der Entwicklung der deutschen Kultur. – Auf der anderen Innenseite ist auf Pergament ein schwarzes Samtfeld eingelassen, in das die goldene Goethe-Medaille gelegt wird. Rektoren, Professoren, Künstler, Wissenschaftler, hervorragende Arbeiter und Betriebsleiter saßen zusammen und wurden geehrt, auch Eduard von Winterstein, der alte Berliner Schauspieler. Der Preis bestand außerdem aus 50 000 Mark, die aufgeteilt wurden, Felsenstein bekam als Intendant und Regisseur 20 000 Mark, der Rest wurde geteilt, so fielen auf Jeden 7500 Mark. Das ist mir sehr gelegen gekommen, denn der Umzug kostet viel Geld und ich mußte doch 1 Oscar Fritz Schuh (1904–1984), Regisseur und Theaterleiter in Schauspiel und Oper.
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Verschiedenes anschaffen. Ich führe also neben dem Kammersänger noch den Titel Nationalpreisträger – jetzt reicht es mir dann schon. Ich mache auch keinen Gebrauch davon, weil ich die Leistung für das Ausschlaggebendste halte. Pieck dankte bei der Überreichung für die vielen schönen Stunden, die ich den Menschen bereitet hätte und er hoffe, daß ich noch viele schöne Stunden schenken werde. Dann meinte er ganz leise: „Haben Sie denn schon eine Wohnung?“ Die Leute wollten dann wissen, was er so heimlich mit mir geredet hätte. Abends war Staatsempfang, das war sehr nett. Ein Stoß von Telegrammen und Glückwünschen wurde mir ins Haus gebracht, ich bin froh, daß das vorbei ist. Diese „Verkaufte Braut“ wird eine der erfolgreichsten Produktionen der Komischen Oper, sie bleibt viele Jahre auf dem Spielplan. Am 24. Oktober 1954 ist die 50. Vorstellung, aber es geht noch jahrelang weiter.
21. Oktober 1957 Samstag hatte ich meine erste „Verkaufte Braut“ nach dem Urlaub, ohne Probe. Und es ging glänzend, so daß Walterchen1 entzückt am Schluß erschien (er hatte sich die Vorstellung angesehen) und uns zu der Heldentat beglückwünschte. Er könne das nur mit der „Verkauften Braut“ machen, meinte er, denn es wäre beglückend festzustellen, daß hier Jeder weiß, was der Andere will, was sonst doch selten ist. 11. Oktober 1958 Gestern probierte ich mit Felsenstein „Verkaufte Braut“, vormittags und abends. Und ich war doch wieder sehr beeindruckt von dieser Arbeit. Vieles sah er von einem anderen Punkt und es war für mich ein große Erholung, diese Anregungen umzusetzen. Er sagte mir abends, daß er von der Vormittagsprobe her überrascht sei über eine neue Seite, die sich an mir gezeigt hätte. Die eines Ernstes der Darstellung, der den komödiantischen und nicht immer kostbaren Pointen ausweiche und sehr konzentriert sich auf die Geradlinigkeit richte. Er fände das sehr überraschend und hätte sich mittags Gedanken darüber gemacht, ob man nicht etwas fände, was eine neue gemeinsame Arbeit ermögliche. – Ach, mag man über ihn auch manchmal schimpfen, es hat mir aber sehr gut getan. 1 Gemeint ist der Regisseur Walter Felsenstein.
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Die letzten Vorstellungen im Frühjahr 1959 können dann nicht sehr weit von der 100. Aufführung entfernt gewesen sein. Doch mein Vater hat 1954 noch eine weitere Produktion in der Komischen Oper gemacht, den Apotheker in der „Hochzeit des Jobs“ von Joseph Haas, allerdings nicht mit Felsenstein als Regisseur, sondern mit Joachim Herz. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in diesen Jahren liegt aber in der Staatsoper, wo er alle Rollen seines Fachs singt, die großen und die kleinen.
5. Februar 1951 Hatte viel zu tun in den letzten Tagen, am 3. war Premiere von „Undine“, hatte mit meinem Kellermeister einen wahrhaftigen Sondererfolg, der Beifall nach meinen Nummern wollte nicht enden. Dabei ist das keine sehr große Rolle. 17. Juni 1951 Der „Barbier von Bagdad“ war ein schöner Erfolg. Das war mal eine große Rolle von Richard Mayr. Anfangs wollte ich gar nicht recht ran, weil ich ja kein Bassist mit der schweren, schwarzen Tiefe bin, aber ich habe es doch geschafft. Eine sehr schwere Rolle. Aber schön. Es ist der Abschluß einer Spielzeit, die mir viel Arbeit und viel Mühe geschenkt hat, aber damit auch ein Stück des Weges aufwärts führte. Ich übersehe damit wieder ein Stück meines Lebens und lerne die Güte des Reifenden immer mehr kennen. Alles, was sich überschlägt und purzelt, ist von keiner Dauer. Aus dem Wirrwarr schält sich das Zu-Erkennende heraus und da der Schritt immer bedächtiger und kein Vergangenes mehr lebendig wird, lenkt er sich dem bewußten Erlebnis der letzten Zeit hin. 23. März 1952 Am 30. habe ich Premiere „Fidelio“ mit dem Rocco, der mir Freude macht. Rosvaenge singt den Florestan. Das macht natürlich schon Spaß und ich freue mich auch auf die Aufführung. Im April kommt Keilberth und dirigiert auch den „Fidelio“. Dann kommt Ostern, da habe ich „Parsifal“, den Klingsor.
Bayreuth Am 29. Juli 1951 werden die ersten Bayreuther Festspiele seit Kriegsende von Wieland und Wolfgang Wagner, den Enkeln Richard Wagners, eröffnet. Schon seit einiger
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Zeit gibt es Kontakte zu Wieland Wagner, die nun nach mehreren Komplikationen doch noch zu einer Zusammenarbeit führen.
Ende Dezember 1949 Wieland Wagner schrieb mir, daß 1950 keine Festspiele stattfinden, ich aber zu dem engeren Kreis der Auserwählten gezählt hätte. Er freut sich, mich zu Ostern entweder in Berlin im „Parsifal“ oder in Dresden in den „Meistersingern“ zu hören. Kunz hörte ich in der Übertragung aus Wien jetzt, – war sehr gut, aber ich habe eine viel schwerere Stimme, saftiger und bin ganz anders als Typ. Er muß wohl viel Klamauk machen, denn man hörte viel Lachen. Ich fasse die Rolle des Beckmesser mehr tragisch auf und dadurch wird sie komisch, aber auch viel menschlicher. September 1950 In Bayreuth habe ich schwer gesündigt und es fällt wohl daher ins Wasser. Ich erhielt doch Ende Juni die Aufforderung nach Bayreuth zu kommen und den Alberich vorzusingen. Es müßte bis 15. Juli geschehen sein. Ich schrieb zurück, daß ich bedauere, wegen Proben und Aufführungen nicht abkömmlich zu sein, außerdem wäre doch ein Vorsingen für einen ausgewachsenen Bühnenkünstler eine reichlich komische Angelegenheit. Damit habe ich sehr ins Näpfchen getreten und die hohen Herren erzürnt. Na, ist mir Wurst. Ich habe genug zu tun und werde genug noch zu tun haben. Es sind erste Leute hingefahren und … wurden nicht akzeptiert. Da sitzt ein Gremium von verschiedenen Leuten und die urteilen, ob man würdig wäre. Die haben Leute weggeschickt, daß man lachen könnte … und Leute verpflichtet, daß man weinen könnte. Es ist eben überall Protektion und nicht die Leistung allein maßgeblich. 15. November 1950 Nun habe ich aus Bayreuth eine Einladung bekommen, von Wieland Wagner und Karajan. Ich sollte den Kothner in den „Meistersingern“ singen, habe aber abgelehnt und schrieb: „…ich singe seit fast zwei Jahrzehnten den Beckmesser mit größtem Erfolg und will auch weiter diese geliebte Rolle singen. Ich werde auch ohne „Bayreuth-Nachweis“ weiterhin dem Werke Richard Wagners dienlich sein.“ Und an Karajan schrieb ich ein bissel bissiger: „Ich möchte aber nicht
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verfehlen, Ihnen dafür zu danken, daß Sie sich nicht weigerten, nach Vorschlag von Herrn Wagner neben die Rolle des Kothner meinen Namen zu setzen. Das ist – landsmännisch gesehen – immerhin eine Anerkennung, die ich nicht erwartet hatte nach meinen bisherigen Erfahrungen…“. Ich bedauere gewiß sehr, daß ich in Bayreuth nicht singe, aber wenn, dann nach meinem Können und meiner Leistung nur in einer großen Partie. – 9. Juni 1951 Gestern erhielt ich von Wieland Wagner einen Brief, in dem er mich bittet, den Beckmesser am 21., 24. und 26. August zu übernehmen. Ich sagte ihm zu und bat ihn, eventuell den für mich singenden Kollegen schon von Anfang an mit dem Kothner zu besetzen. Ich bin nun neugierig, ob er darauf eingeht, ich wäre nämlich froh, wenn ich den Kothner nicht singen müßte. Herr S. schrieb mir auch, daß er nach Bayreuth käme und an dem und dem Tag, ich soll ihm das bestätigen, ich habe aber keine Zeit und Lust gerade für die Herren der Salzburger Festspiele als Bayreuther Lokalführer zu dienen. Sehen wir uns dort, ist es gut, wenn nicht, ist es auch egal. 17. Juni 1951 Ich habe jetzt noch vier Vorstellungen, dann geht es ab nach Bayreuth. Dort singe ich den Alberich (zweimal den ganzen Zyklus), viermal den Kothner und dreimal Beckmesser! Das genügt. Bayreuther Tagblatt vom 1. August 1951 Wagner „Rheingold“ Heinrich Pflanzls Alberich ist von dämonischer Größe. Er hat eine sehr kräftige Stimme und, was in diesem Fach besonders wichtig ist, eine scharf artikulierte Aussprache (Konsonanten!). Seinen Fluch gestaltet er zu schauderregender Furchtbarkeit. Fränkische Presse vom 2. August 1951 Wagner „Rheingold“ Ganz ausgezeichnet wußte Heinrich Pflanzl die wichtige Partie des Alberich sowohl gesanglich als auch darstellerisch zu vermitteln, wobei er im Ring-Fluch einen glanzvollen Höhepunkt der ganzen Ring-Tragik zu erreichen wußte; auch am Anfang in der Rhein-Szene hatte er überaus starke Momente.
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Bayreuther Tagblatt vom 3. August 1951 Wagner „Siegfried“ … hielt als Alberich das hohe Niveau seiner uns bereits aus dem „Rheingold“ bekannten dämonischen Darstellung. Bayreuther Tagblatt vom 6. August 1951 Wagner „Götterdämmerung“ … verlieh seinem Alberich in der Traumszene gespenstische, schemenhafte Züge. Bayreuther Tagblatt vom 7. August 1951 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ Heinrich Pflanzls Kothner ist der geistig schwerfällige, zunftbeflissene, fette Handwerksmeister der guten alten Zeit, der mit dröhnender Stimme in beschaulicher Selbstgefälligkeit die Anwesenheitsliste verliest. Die komischen Züge dieser Gestalt werden in seiner Darstellung kräftig herausgehoben und bringen ergötzliche Episoden in die Handlung. Fränkische Presse vom 23. August 1951 Wagner „Meistersinger von Nürnberg“ Heinrich Pflanzl war ein gesanglich und darstellerisch ausgezeichneter Beckmesser. Er faßte die Darstellung der für das Gesamtwerk bedeutsamen Gestalt von der rein menschlichen Seite an, indem er ihr einen gewissen Ausgleich innerlicher Durchgeistigung verlieh. Besonders gelungen war sein Spiel in der Schusterstuben-Szene. Auch stimmlich meisterte der Künstler seine schwierige Rolle in beherrschtem Ausdruck, so daß man einen sehr erfreulichen Eindruck gewann. 2. August 1951 Aus Bayreuth an die Mutter Meine liebe Mutter! Du wirst Dir schon gedacht haben, der Heini ist im Meer der Arbeit ersoffen. Fast wäre es so. Ich hatte durch die vielen Rollen eine Unmenge Arbeit und mußte vor allem die Umstellung nach hier verdauen. Nun sind die ersten zwei „Ring“-Abende gut vorbei und morgen kommt die „Götterdämmerung“, Sonntag die „Meistersinger“. Karajan1 ist ein überspannter, hysterischer Pinsel und gar nicht nett. Knappertsbusch2 hingegen ein prächtiges Original und ein großer Dirigent. Die Eindrücke sind verschieden und in Vielem bin ich enttäuscht. 1 Herbert von Karajan (1908–1989) dirigiert in Bayreuth „Die Meistersinger von Nürnberg“. 2 Hans Knappertsbusch (1888–1965) dirigiert in Bayreuth den „Ring des Nibelungen“.
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Im Großen und Ganzen bin ich recht abgekämpft und müde. Wenn man das ganze Jahr fest schuftet und nun hier diese Tretmühle mitmacht, dann kommt ein Tag, an dem man von nichts mehr was hören will. Wenn ich denke, daß am 2. September die Spielzeit in Berlin beginnt, dann wird mir etwas mulmig um den Bauch. Jetzt müßte ich vier Wochen in die Flachau, das wäre dann noch sehr schön. Aber … das geht eben nicht. Bayreuther Festspiele statt dem wohlverdienten Urlaub, da kann man die Erschöpfung sicher nachvollziehen. Aber es ist ein voller Erfolg für Heinrich Pflanzl, der auch 1952 wieder in Bayreuth dabei sein wird, diesmal als einzige Besetzung für den Beckmesser und als Alberich. Auf der Rückfahrt von Salzburg, wo man den 70. Geburtstag der Mutter gefeiert hat, gibt es einen kleinen Besuch in Bayreuth.
7. Juni 1952 Die Fahrt war schön und wenn nicht die leise Hoffnung wäre, daß Bayreuth vor der Türe steht und wir doch noch hinkommen, wenn das nicht wäre, dann hätten wir eine todtraurige Fahrt gehabt. Uns hat diesmal in einem besonderen Ausmaß die Schönheit der Heimat und --- die Freiheit, die trotz allem und so mancher Behinderung und Beeinflussung, ja doch tatsächlich lebt, überwältigt. Unsere Mittagsrast auf dem Irschenberg, im weiten Rundblick die Berge Bayerns und Österreichs, das gediegene Haus, die wunderweiten Wiesen, der Frieden und die Ruhe, das war ein Höhepunkt. Ja, traurigen Herzens, sehr traurigen Herzens verließen wir diese Schönheit und das menschendaseinwürdige Leben. Wir waren gegen Abend in Bayreuth, besuchten am nächsten Tag auf einen Sprung das Festspielhaus und die beiden Wagners, die schon fest bei Beleuchtungsproben sind, und dann ab nach Berlin. Die Kontrollen verliefen glatt, aber alles Andere wieder zu sehen und zu spüren, wie sehr die Hysterie gesteigert wird aus einer ohnmächtigen Wut heraus, das war bitter, unendlich bitter. 28. Juni 1952 Ich habe wieder so viel Arbeit und heute ist nun die Premiere von „Der Widerspenstigen Zähmung“, dann geht es bis zur Abreise nach Bayreuth jeden Tag dahin mit einer Vorstellung. Dazu die vielen Laufereien und Ärgernisse, bis die Papiere zusammen sind, das frißt die Tage auf. Wir haben ganz schlechtes Wetter,
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da wird man auch trübsinnig. Dazu die politische Lage, was wird noch alles über uns kommen? Man ist nun schon müde dieses Treibens, dieser Lügen, dieser ewigen Beschwindelungen! Die oben sitzen, ob da oder dort, wie winden sie sich, um uns alles mundgerecht zu machen und wie ist da und dort alles richtig und nur der Andere hat immer Unrecht. Es ist gut, daß ab und zu dann doch eine gute und besinnliche Stunde vom Himmel fällt, da man sich nicht mehr auf den ganzen Kram besinnt und man sich verliert in ein schönes Buch, oder in den Blick auf tiefe Wälder und breite Seen.
Reisefreuden Die Deutsche Staatsoper befindet sich ebenso wie die Komische Oper im sowjetisch besetzten Teil von Berlin. So führte der Umzug von Dresden nach Berlin zunächst auch wieder in den Ostsektor, denn eine Ausreise in den Westteil der Stadt wäre nie bewilligt worden. Aber es gibt in Westberlin eine österreichische Delegation, bei der mein Vater unter Nachweis seiner österreichischen Staatsbürgerschaft nun einen Reisepass erhält. Der nächste Schritt ist dann der Antrag auf offizielle Ausreise aus der DDR, die man jetzt einem „Ausländer“ nicht mehr verweigern kann. Es ist ein sehr langwieriger und komplizierter Weg, bis endlich im Dezember 1952 alle Papiere vorhanden sind für einen Umzug von Berlin-Karlshorst, dem Sitz der Roten Armee, nach Berlin-Dahlem, dem Sitz der US-Army. Es war die kürzeste, aber mühsamste Reise aller Zeiten, denn es musste, um nur ein Beispiel der östlichen Schikanen anzuführen, jedes einzelne Buch für den Umzug mit Autor, Titel, Verlag, Erscheinungsjahr und Seitenzahl angeführt werden. Damit waren aber endlich die Reisebeschränkungen überwunden, an denen oft Auslands-Angebote gescheitert waren.
5. Mai 1950 Vielleicht nimmt die Welt gelegentlich doch mal Vernunft an, dann würde auch Vieles leichter werden und sein, als es momentan ist. Allein die Ausreise ist ja schon ein Ding an und für sich: 270.- Mark kostet allein das Ausreisevisum! Dazu muß man pro Person sechsfach Formulare ausfüllen, es ist einfach schrecklich.
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15. November 1950 Vor einigen Tagen erhielt ich von meinem ersten Agenten Hans Hofmann (der mich nach Bern und Breslau brachte) eine Einladung, am 7. und 9. Dezember den Ochs in Amerika unter der Leitung meines Berner Kapellmeisters Walter Herbert zu singen. Herbert (der doch eigentlich W. H. Seligmann heißt, aus dem großen Frankfurter Bankhaus Seligmann) ist Leiter der New Orleans Opera. Nun habe ich mich mit dem amerikanischen Konsulat in Verbindung gesetzt und bekomme nach den neuesten Bestimmungen keine Einreise. Muß ich halt verzichten. Mit dem Gastspiel in Spanien sehe ich grau, habe bisher noch kein spanisches Visum, muß mir aber dann noch das sowjetische Aus- und Einreisevisum besorgen und das amerikanische und französische Durchreisevisum. 7. Dezember 1950 Nun warten wir auf das spanische Visum, dann geht erst die Sache mit der Ausreise hier los und das französische Durchreisevisum. Wenn es klappt, fahren wir anfangs Januar los über Frankfurt, Straßburg, Lyon und spanische Grenze nach Barcelona. Ich habe gestern noch ein Telegramm erhalten, soll den König Heinrich noch übernehmen, aber ich habe abgelehnt, ich will mich nicht ausbrüllen. (Gage 3000 Peseten pro Abend, das sind die gleiche Summe Schillinge, aber ich denke immer an meine Gesundheit und daß ich noch lange singen will). Geld kann ich ja keines mitnehmen, so werde ich mir ein paar Anzüge machen lassen, denn wir total Ausgebombten hinken ja mit tausend Sachen noch immer nach. Ende Dezember 1950 Ich habe viel Ärger wegen Barcelona, scheußliche Ausreiseschwierigkeiten und wenn nicht ein Wunder eintrifft, fällt das ins Wasser. Das Wunder ist leider nicht eingetroffen, und so scheitert das erste mögliche Auslandsgastspiel nach dem Krieg an der Verweigerung einer Ausreisegenehmigung durch die ostdeutsche Behörde. Aber die Hoffnung bleibt.
5. Februar 1951 Für Barcelona im nächsten Jahr bin ich schon wieder gefragt worden, ob ich dann kommen würde und so verschiedenes Andere taucht auf, ich weiß nicht was ich machen soll. Amerika für drei Monate, Südamerika (Buenos Aires) drei
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Monate, alles Anfragen, die man nicht ohne weiteres abschlagen kann. Na, ich werde mal sehen. 16. September 1951 Am 5. soll ich nach Moskau fliegen, dienstlicher Auftrag, zum Jahrestag der Gründung der Republik in der deutschen Botschaft, am 6. ein Konzert singen, am 7. beim Empfang in der Botschaft nochmals. Das kann ganz interessant werden. 16. Oktober 1951 Ich war also vom 6. bis 12. Oktober fort in Moskau. Man weiß, daß ich nicht dazu gehöre, aber was ich alles an Wunderbarstem erlebt, an Theatern, an dem Verkehr, der Siebenmillionenstadt und ihren neuen Bauten (eine Universität im Bau, fast fertig, für 6000 Studenten und 4000 Personal), eine Untergrundbahn mit Stationen von einer Pracht und Herrlichkeit, wie man sie in der ganzen Welt sonst nicht sehen kann. Eine Gastfreundschaft, eine Höflichkeit, eine Verkehrsdisziplin, das alles kann man nicht beschreiben. Freilich, es gibt auch Schattenseiten, aber die werden im Lauf einiger Jahre auch von der Sonne beleuchtet. Ich habe kein Fahrrad gesehen, weil es ja Unsinn wäre, sich eines so langsamen Verkehrsmittels zu bedienen. Die Metro (U-Bahn) fährt alle drei Minuten. Die Stationen sind alle in Marmor mit erlesenstem Geschmack erbaut. Wenn ich nicht selbst alles gesehen hätte, würde ich es nicht glauben können. Die Lebensmittelläden vollgefüllt, Textilien vorhanden, wenn auch nicht erstklassig, aber das ist alles lachhaft gegen den stürmischen Schritt aller anderen Dinge. Ich wurde vom Botschafter an meinem Geburtstage abends zu einem kleinen Empfang mir zu Ehren geladen mit anschließendem Abendessen. Früh wurde mir schon ins Hotel ein riesiger Korb mit Chrysanthemen gebracht. Ich könnte einige Seiten füllen mit dem, was ich gesehen habe. Es ist freilich eine andere Welt, die uns nicht faßbar ist, die schon viele Züge eines neuen Gesichtes trägt, eines Gesichtes, das denen, die ihr Leben durch eigene Arbeit erhalten müssen, immer vertrauter wird. Ich mußte viel an meinen Vater denken. Am Abend meines Geburtstages beim Empfang des Botschafters mußte ich auf die Reden, die auf mich gehalten wurden, antworten und danken. Ich schloß meine Rede ungefähr mit den Worten: „ Ich bin durch die Straßen gegangen und habe die Augen nicht geschlossen. Ich mußte an meinen toten Vater denken. Wir waren viel Kinder und als Vater nach einem braven und getreuen
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Leben vieljähriger Beamtenarbeit starb, hatte er keine Früchte geerntet. Wie ich hier durch die Straßen ging, war immer mein Vater mir zur Seite.“ 5. November 1952 Mit der Städtischen Oper in Westberlin ist es nichts. Nach den Verhältnissen, die dort herrschen, wäre es vielleicht recht schwer für mich gewesen. Nun gastiere ich am 14. in Stuttgart als Ochs, vielleicht kann ich einen Gastspielvertrag abschließen, ich wäre sehr glücklich. 10. November 1952 Am 27. Dezember muß ich in Barcelona sein zu den Proben, am 1. Januar habe ich die erste Aufführung. Nun erhielt ich heute die Nachricht, daß mich mein Agent noch für den Klingsor vorgeschlagen hat, das würde dann bedeuten, bis zum 1. Februar in Barcelona zu bleiben. Na, ich hätte nichts dagegen. 24. November 1952 Heute bekam ich vom Generalintendanten aus Stuttgart ein Schreiben, daß der Verwaltungsrat es noch nicht erledigt hätte. Ich hatte sehr schönen Erfolg mit dem Ochs, nach dem zweiten Akt direkt Ovationen. Nun, wir werden sehen: entweder ganz nach Stuttgart oder einen Gastvertrag. Ich habe hier in Berlin der Staatsoper mitgeteilt, daß man nächstes Jahr nicht mehr fest mit mir rechnen kann. 28. Dezember 1952 Nach einer sehr anstrengenden Fahrt sind wir gestern gegen 16 Uhr in Barcelona angekommen. An und für sich gab es natürlich schöne Strecken, so über den tief verschneiten Arlberg, die herrlichen Berge in strahlender Sonne, die Strecke Zürich–Genf in einem wirklichen „Expreß“, mit vor Sauberkeit blitzendem Waggon, dazu die Durchfahrt durch mir Wohlbekanntes, das war sehr schön. Schrecklich die Nachtfahrt nach Port Bou ab Genf. Heiß und überhitzter Wagen, wenig Platz auch, das war weniger schön. War die Kontrolle an der Schweizer Grenze, an der französischen einfach und ohne daß wir die Koffer öffnen mußten, so war das Entree nach Spanien ermüdend und überbürokratisch. Koffer öffnen, Devisenzettel ausfüllen, abstempeln, neuerlich „Entrada“-Zettel ausfüllen, wieder abstempeln,
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wieder kontrolliert werden, das war keine einladende Tour, sondern nach der zerreibenden Nachtfahrt eine „To(u)rtur“! – War schon Südfrankreich mit den braunsandigen Feldern, größtenteils Wein, sehr, sehr anders, ab und zu fuhren wir ans Meer heran und das war wieder schön, so bog sich das spanische Bild noch mehr in das fast einem anderen Erdteil Zugehörige um. Man fuhr durch Landschaften mit viel Hügeln, alles sehr steinig, sehr arm, mit fast angeklebten kleinen, armseligen Hütten, auch noch viel Kriegsschäden zu sehen vom Bürgerkrieg her, die größeren Orte hatten scheinbar alle Waschtag, der Zug fuhr fast durch die Häuser, alles wenig sauber, selten ein freundlicher Eindruck. Barcelona – eine große Stadt und doch wieder recht kleinbürgerlich, vielleicht im Sommer schöner als jetzt. Laut und von Straßenbahnen, unendlich vielen Taxis durchfahren, ist es ein großes Getöse, was uns nicht sehr behagt. 20. Januar 1953 aus Barcelona In den letzten Tagen häufen sich die Proben und Aufführungen. Wenn man um 1.30 Uhr nachts von der Aufführung kommt und noch etwas ißt und trinkt, dann schläft man vormittags. Dann ist um 15.00 Uhr Probe bis 17.00 Uhr und von 21.00 Uhr bis 1.00 Uhr. – Die Dekorationen sind wie in Italien alles Papier, großartig gezeichnet, aber von „Anno Schnee“. Kostüme: schauerlich! 25. Juni 1953 Bis Ende Juli spielen wir hier in Berlin, dann gehe ich nach München und singe dort am 5. August den Kreon. Habe für Barcelona wieder abgeschlossen: 7. bis 23. Januar 1954 (Leporello und Ochs). 27. August 1953 Ich wurde inzwischen wieder nach München geholt und habe am Sonntag mit schönstem Erfolg den Beckmesser gesungen. Nach den so seriös ausgesprochenen Einladungen wird es wohl, so hoffe ich, öfters in München ein Gastspiel geben. Ich möchte mich sehr freuen darüber. 29. Dezember 1953 Am 4. Januar fliege ich nach Barcelona. Die Zeit wird dort schnell vergehen, in 14 Tagen singe ich acht Vorstellungen … das reicht! Am 28. dann wieder in Berlin die neunte Vorstellung.
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Altersgedanken Zahlreiche Einladungen zu Gastspielen sind das Ergebnis des Wohnungswechsels nach Westberlin, der österreichische Reisepass schafft die Voraussetzungen für freizügiges Reisen. Barcelona, Paris, Venedig und im Inland Hamburg, München und Stuttgart – das sind die Theater, wo Heinrich Pflanzl in diesen Jahren regelmäßig gastiert mit seinen großen Partien: Leporello, Don Alfonso, Beckmesser, Alberich, Kreon und vor allem dem Ochs von Lerchenau. Die Hoffnung auf einen festen Platz in einem dieser Häuser scheint sich aber nicht zu erfüllen, vielleicht ist es auch schon zu spät für einen Neubeginn. Langsam reift der Gedanke, doch hier in Berlin einen Alterssitz zu finden.
5. Mai 1952 Der nächste Schritt ist die Erringung eines eigenen Häuschens, damit ich etwas ruhiger der Stille meiner Tage entgegen sehe. Ich werde ja doch nicht mehr von Berlin wegkommen oder gehen wollen, ich fühle mich gut und habe mir eben einen großen Namen gemacht, was soll ich noch einmal in einer anderen Stadt anfangen? Nächste Woche habe ich Leidenswoche! Montag in Berlin „Wildschütz“, nachts nach Dresden, dort Dienstag den Ochs im „Rosenkavalier“, nachts zurück nach Berlin, Mittwoch „Arabella“ und am Donnerstag „Liebestrank“! Ja, da muß man schon Nerven haben, weiß Gott! 1. Oktober 1952 Morgen arbeite ich mit Soot1 und will das nicht aufgeben. Es kommt doch allmählich die Zeit, wo ich’s mit der Technik machen muß … weiß der Teufel! Von der Bayerischen Staatsoper München gibt es ein Angebot den Kreon in der „Antigonae“ von Carl Orff zu singen, eine Partie, die Heinrich Pflanzl zuletzt 1950 gesungen hat.
1 Mein Vater hat auch in Berlin regelmäßig mit einem Kollegen zur Kontrolle seiner Stimme technisch gearbeitet. Hier ist es der gefeierte Tenor der Berliner Hofoper Fritz Soot (1878– 1965), den er wegen des Altersunterschieds gern „Papi“ nennt.
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16. März 1953 Ich habe München abgesagt. Es ist mir jetzt gerade sehr darum zu tun, weil ich mit Papi Soot arbeite, diesmal das weiter zu führen. Die Partie macht mir viel Schwierigkeiten, und für die viermal ist mir das, was ich dabei verdienen kann wahrhaftig zu wenig. Ich könnte erst am 7. früh nach München fliegen und hätte dann den halben Tag, am 8. den ganzen Tag wohl Proben und am 9. die erste Vorstellung. Und wenn ich das erste Mal schon dort singe, dann nicht so etwas, was letzten Endes doch auf „Biegen und Brechen“ geht. Auch paßte mir schon Manches nicht. Mir schrieb man von einer Vorstellung am 5. Nun hörte ich, daß am 18. auch eine Vorstellung ist. Wahrscheinlich wollte man mich erst einmal hören und wenn ich den Herren vielleicht durch meine andere Auffassung nicht gefallen hätte, wäre ein Brieflein gekommen u.s.w. Ich habe meine Erfahrung mit diesen Leuten. (Nachtrag handschriftlich: Man hat mir aber jetzt doch den 5. und 18. angetragen). 13. April 1953 Ich hatte „Barbier von Bagdad“ und dank Papi Soot sang ich die schwere Partie wirklich leicht und in der Tiefe merkte ich so recht zum ersten Mal den Wert der Arbeit. Ich hatte auch am Vormittag mit Papi trainiert. Heute ist „Fidelio“, morgen beginnen die „Günstling“-Proben, daneben „Verkaufte Braut“, also bin ich für den April eingedeckt. Ich bekomme nun 10 % meiner Gage in DM West, bei Felsenstein 15 %. Das ist schon eine große Erleichterung und Hilfe. 30. April 1953 Ich habe recht viel zu tun, die Wiederaufnahme der „Verkauften Braut“ war ein großer, großer Erfolg und das hat gut getan. Meine sonstigen Bemühungen, mich im Westen zu etablieren, scheitern an der Auswahl von freien Theatern, die paar Stellen, die für mich in Frage kommen, die sind besetzt. Ich habe mir aber das Klagen darüber etwas abgewöhnt, es scheint Bestimmung zu sein und vorgesehen. Erzwingen kann man nichts. 8. Mai 1953 Ich habe also für 5. und 18. August den Kreon in München doch zugesagt, ich mußte es tun, in erster Linie aus Prestigegründen. Es soll sehr großes Interesse im
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Ausland sein dafür, aber na, diese Glocken werden gern geläutet. Wer weiß, wozu es gut ist, schlecht kann es nicht sein. Mittwoch war Premiere von „Günstling“, eine gute Aufführung, wirklich, aber das Publikum, … o je! 8. Juni 1953 Wir haben ein Grundstück gekauft mit einer guten Ruine darauf und wollen uns ein Häusl bauen. Ich habe es aufgegeben, nach West- oder Süddeutschland zu kommen und werde hier wohl mein Finale erleben. Dafür wollen wir aber eine kleine Heimat haben, in dieser langen Zeit des Wanderns, ergo: wir bauen ein Häuserl. Morgen wollen wir unterzeichnen: am 9. 6. 27. August 1953 „Arabella“ war recht gut, der Graf Waldner selbst ist ja keine Riesenpartie, mehr eine ab und zu singende Auch-Person. 5. Dezember 1955 Habe drei Tage hintereinander zu tun, „Meistersinger“, „Cosi“ und heute „Giovanni“. Dazu seit Tagen vormittags und abends „Wozzeck“-Proben. Na, am 14. ist Premiere, bis dahin ist noch ein wenig Dampf abzulassen. 27. Januar 1956 Gestern sang ich meinen besten Alfonso, ausgeglichen in allem, stimmlich in allen Lagen ohne Mühe, ohne Bellen, ohne Brummen, … ich war sehr, sehr glücklich, weil es mir doch schien, daß ich mir selbst damit etwas Gutes bescherte. 31. Januar 1956 Gestern habe ich einen sehr guten Apotheker in „Hochzeit des Jobs“ gesungen, der letzte war nicht sehr gut. 7. Februar 1956 Nach den „Meistersingern“ kam Matacic1 zu mir in die Garderobe und sagte: 1 Lovro von Matačić (1899–1983), Dirigent, von 1956 bis 1958 Chefdirigent der Dresdner Staatskapelle.
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„Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr ich Sie verehre. Die musikalische Übereinstimmung in Mimik, Darstellung und Durchführung ist wunderbar, ich verehre Sie sehr.“ Dann machte er eine tiefe Verbeugung. Eigentlich nett und allerhand. Ein Gast aus Hannover sang den Sachs, ein schrecklicher Darsteller, der seine Partie mit guter Stimme absingt und sich um nichts und niemand kümmert. Eva, im zweiten Akt, drehte er dauernd den Rücken zu. Komische Leute gibt es unter unseren Gästen! 12. Februar 1956 Nur mehr auf die Staatsoper angewiesen zu sein, das brennt schon manchmal sehr. Aber ich habe selber Schuld. Im ersten Bayreuther Jahr die viele Arbeit bis zuletzt in Berlin, der „Barbier von Bagdad“ noch bis zum letzten Tag. Meine überragende Nervosität, ach, was habe ich gelitten in Bayreuth, weil ich mich nimmer zurecht fand. Ich empfand es immer mehr, wie verloren ich dort war und das hat mich nicht gefördert in meiner Arbeit. Man kommt dann am Ende zu dem Schluß, daß man eben doch nicht so in die Reihe gehört, in der Böhme, Frick, Kunz, Kusche u. a. marschieren. Ich bin schon recht verzagt darüber. Letzten Endes muß ich dankbar sein, daß ich noch gut verdiene. 21. September 1956 Nach der Ankunft am Flughafen kam überraschend der Karajan auf mich zu. Er war auch gerade gelandet, ich hatte ihn nicht gesehen, da sprach er mich an und sagte mir, wie gut ich ihm als Kezal bei Felsenstein gefallen hätte, daß ich ausgezeichnet aussähe und mich nicht verändert hätte. Er wurde von einem Stab empfangen, wie ein kleiner Herrscher. 5. Oktober 1956 Gestern hatte ich Leporello und habe, da ich die ganze Woche jeden Tag mit Papi arbeitete, schon sehr, sehr gespürt, wie gut mir das tut. Ich habe vielleicht nie in meinem Leben die Registerarie so leicht und doch klingend und nuanciert gesungen. Da werde ich dann traurig und denke, wenn ich früher jemand gehabt hätte, wäre doch mancher Erfolg ausgewachsener geworden. Ja, hätte man … 30. Oktober 1956 Singe am 6 und 8. November den Ochs in Düsseldorf.
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2. Februar 1957 „Poppea“ ist ein wunderbares Werk und Kelch macht das auch sehr schön. 8. Februar 1957 Wir haben heute die Generalprobe von „Poppea“ hinter uns und wenn alles klappt, wird es auch ein Erfolg. Gerhard Stolze1 gerät leider etwas ins Schwarz-Weiß-Singen, oben alles offen und sehr blank, er müßte mehr Frarbe einsetzen. Aber wer hätte es besser gemacht, er ist schon sehr gut. Das Ganze sieht im Apollosaal sehr fein aus, eine Schräge, die in der Mitte die Einbuchtung für das Kammerorchester hat. Alte Instrumente werden eingesetzt, manche Rezitative werden von der Laute begleitet. Der Chor (20) trägt goldene Masken, goldene Handschuhe zu weißgoldbrokatenen Togen (was ist die Mehrzahl von Toga?) und alle anderen Kostüme hat Palm2 wieder sehr schön abgestuft, na, es ist jedenfalls eine ausgezeichnete Visitkarte für uns. Die „Flut“ von Blacher kommt nicht, die Staatsoper erhält kein Material (sollte da der Westberliner Kultursenator Tiburtius dahinter stecken?). 12. Februar 1957 „Poppea“ war ein unbestritten sehr schöner Erfolg und ohne unbescheiden zu sein, für mich ein persönlicher außerdem. Von allen Seiten regnet es Komplimente und Lob wird gesungen. Man hätte mich als „Krönung“ der Aufführung empfunden. Na ja, also schön, ich bin froh und freu mich, daß es so gut lief. 15. Februar 1957 Die Woche verging wieder sehr rasch mit Proben für „Hexe von Passau“, und nun kam der Dirigent Rudolf Kempe3 für den morgigen „Giovanni“. Nächste Woche dann „Arabella“ und noch einige andere Opern, ich weiß momentan noch nicht, was er alles leiten wird. Er ist sehr ruhig geworden, sehr musikalisch locker in der Führung und ist schon eine Klasse für sich. Tragisch, daß er das Ausland mehr oder weniger aufgeben muß, seine Gesundheit schafft es nicht mehr. Und er ist doch eigentlich zu jung dazu. 1 Gerhard Stolze (1926–1979), Tenor, von 1953–1961 an der Staatsoper Berlin. 2 Kurt Palm, Leiter des Kostümwesens der Deutschen Staatsoper, des deutschen Theaters, der Kammerspiele und des Berliner Ensembles. 3 Rudolf Kempe (1910–1976), Dirigent. Generalmusikdirektor in Dresden (1949–1952) und München (1952–1954).
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22. Februar 1957 Abends ist „Arabella“ mit Kempe, es sollte schön werden, aber er ist doch ein bissel erhaben geworden und die schlechte Disziplin des Orchesters (mit dem er nicht so mitsäuft wie Matacic) macht ihn unlustig. Sonntag habe ich „Poppea“, Montag in acht Tagen geht „Rheingold“ los. So im Untergrund brennt es schon manchmal sehr, daß ich nur das von heute erreicht habe. Es ist nicht das Verlangen nach Geld, es ist das Wissen, wie viel mehr ich leisten könnte, … daher manchmal ein sehr bitteres Elendigsein, dieses Stehen vor dem Abgang. 27. Februar 1957 Endlich mal ein freier Vormittag! Gestern hatte ich „Verkaufte Braut“, heute „Giovanni“ mit Kempe, morgen „Günstling“. Habe „Rheingold“ durchgesungen, der Alberich wird mir hoffentlich mehr Freude machen als damals, als ich so belastet war. Ich bin auch stimmlich freier geworden, also wird auch das besser kommen. 5. März 1957 Ich habe mich gestern entschlossen, die Alberiche abzugeben. Glücklich habe ich mich nie gefühlt und meiner stimmlichen Veranlagung nach sind solche Partien doch Grenzfälle. Die scharfe Profilierung, die hoch liegenden dramatischen Punkte im Ablauf veranlaßten mich immer zu forcieren, die Stimme zu überfordern. Ich habe mehrmals den Rheingold-Alberich durchgesungen, mit voller Kraft. Freilich, singen kann ich ihn, aber … ich bin nicht glücklich dabei. Ich habe mit Papi Soot gesprochen, der zuerst etwas enttäuscht schien, aber dann doch zugab, daß ich nicht eine so ganz richtige Alberichlage habe und vielleicht doch durch die Proben Manches verlorengeht, was ich mir erobert habe (z. B. die Leichtigkeit, mit der ich heute den Kezal singe). Es war kein leichter Entschluß, aber auch meine Gesundheit spielt mit rein. 11. März 1957 Draußen ist’s dunkel geworden. Einer der so seltenen „Abende im Vorfrühling“, das ist schön. Wenn man schon auf dem Berge steht und hinunter sieht, wo’s „drüben hinabgeht“, dann freut man sich über so einen Tag doppelt.
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17. März 1957 Alberich – ach, so leicht ist mir das nicht gefallen. Trotz Herzeleide und Hm und Na-ja und dann-doch-nicht … es tut mir recht gut, die Weisheit zu besitzen, zu bremsen und zu sparen. 17. April 1957 Ich spüre das Ausruhen in der Stimme sehr, habe gestern einen sehr brauchbaren Kezal, einen, mit dem ich fast zufrieden war, hingelegt. Der Deutschlandsender plant ein Heinrich-Pflanzl-Porträt mit Ausschnitten aus seinen Aufnahmen und einem verbindenden Text, von ihm selbst gesprochen.
8. Mai 1957 Ich selbst hatte Arbeit mit der Rundfunksendung. Den besprochenen Text habe ich bearbeitet und gestern abend besprochen. Zu meiner wirklich großen Freude erledigte ich das in einer souveränen Weise, die Funkleute waren platt und ich glücklich. Ich bekomme ein Band der gesamten Sendung, also eine schöne Erinnerung, wenn ich mal nimmer da bin. Gesungenes und gesprochenes Wort, das ergibt schon ein Bild von dem, der einmal war. 15. Mai 1957 Meine Portrait-Sendung war gut gelungen, leider sind halt manche Aufnahmen nicht gut. Dies liegt wohl sehr an den Tonmeistern, denn gestern zum Beispiel die Aufnahme war wirklich gut. Ein Zeichen auch, daß der Musikleiter der „Eterna“ mich nach der Aufnahme plötzlich bat, doch mehr Aufnahmen machen zu dürfen, ich soll doch Vorschläge machen, er denkt an mindestens sechs Aufnahmen. Bei den Brüdern ist ja nicht viel zu verdienen, aber ich mache es ja schon für die Erinnerung, für spätere Tage. Für den Schluß hatte ich mir etwas ausgedacht und es ist mir auch gelungen. Ich beende den Rückblick mit einem Dank an die salzburgische Heimat, die doch entscheidend meinen Weg bestimmte. Und die letzte Strophe – von der Oper weg – von „Mei Hoamat …“, mich selbst am Klavier begleitend, beschließt die als sehr persönlich gekennzeichnete Sendung. Die Berliner Staatsoper plant den „Revisor“ von Werner Egk mit Heinrich Pflanzl als Stadthauptmann. Zur gleichen Zeit bringt das Fernsehen eine Aufzeichnung der Ur-
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aufführung aus Schwetzingen, übrigens mit Robert H. Pflanzl in der stummen Rolle des Kellners und als Regieassistent der Rennert-Inszenierung.
31. Mai 1957 Die Aufführung war ein hoher Genuß, ein erstes Ensemble, Gerhard Stolze als Revisor unvergleichlich gut, regielich ein Labsal … alles, alles sehr gut, eine Freude. Nun lernte ich die Rolle des Stadthauptmanns kennen. Vielleicht stimmt das, ich wäre zu vital, diese Rolle ist passiv, wie fast alle Partien bzw. Personen „leiden“ und kaum handeln. Vielleicht bin ich also kein guter Stadthauptmann. Ollendorf als Stadthauptmann trat jedenfalls kaum in Erscheinung und der Zusammenbruch am Schluß müßte doch eine größere Ausstrahlung haben, damit das Gelächter über das herrlich Komödiantische saftig wird, damit der Schrecken über den „neuen“ Revisor noch mehr sitzt. Das sind so Gedanken, ob sie recht sind, vermag man nach dem einmaligen Anhören nicht ganz genau sagen. Dr. Kelch inszeniert nun doch den „Revisor“, er sagte, daß er ihn anders sähe. Nun, ich kann mir das nicht besser oder nicht anders vorstellen, nach dieser gesehenen Aufführung. Vorgestern machte ich bei Teldec Aufnahmen für „Zigeunerbaron“. 27. September 1957 Abends hatte ich „Wozzeck“-Ensembleprobe, heute Szenenprobe. 40 % der Mitglieder bekamen Briefe, ab nächster Spielzeit weniger Gage. Ich werde wohl keinen bekommen, aber einmal kommt auch der Tag für mich. 21. Oktober 1957 Ich habe jeden Tag „Revisor“-Probe, viel Ensemble, das ist wirklich kein leichtes Stück, wenn die sf, ff, pp im Ensemble richtig klingen sollen und beachtet werden. Es macht allen einige Mühe. Ich habe manches Mal das Gefühl, das Ganze ist in C-Dur komponiert und nach Fertigstellung mit b und Kreuzlein versehen worden. Es ist Vieles doch sehr gewollt „falsch“. Und gestern, Sonntag, habe ich den Rocco im „Fidelio“ übernommen. Und es ging mir sehr gut, im Abstand gewinnt doch so Manches an Reife, wenn auch die Zeit zur Überholung recht knapp war. Es war schon ein bissel Nervenprobe dabei, lang nicht gesungen, fremde Inszenierung, fremder Dirigent (ohne Ver-
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ständigung mit Kony1), aber es gelang und nach den vielen Komplimenten zu urteilen, sogar sehr gut. Morgen mache ich überraschend eine Rundfunkaufnahme „Boris“ mit dem Waarlam. 26. Oktober 1957 Am 1. Weihnachtsfeiertag habe ich „Revisor“-Premiere, am 2. „Meistersinger“. Das reicht doch. 8. November 1957 Wir haben jeden Tag „Revisor“-Proben, das Stück macht Spaß. Es ist aber eine richtige Zahnrädchenarbeit, wenn da Einer ausfällt, sterben die Andern auch. Strickert hat aber alles sehr gut einstudiert und Kony werden wir es dann schon beibringen. 30. November 1957 Ich kann über Arbeitslosigkeit nicht klagen, ich bin sehr, sehr beschäftigt, keinen Weihnachtsfeiertag frei, auch Silvester nicht und im Dezember fast jeden zweiten Tag zu tun. 11. Dezember 1957 Heute lief der ganze „Revisor“ durch, morgen auch nochmals und dann beginnen die Orchesterproben. Eine Erkältung (bei den scheußlich wechselnden Witterungserscheinungen kein Wunder), die schon eine Heiserkeit ankündigte, ist im Schwinden, dank Brusttee und einer ununterbrochenen Einreibung mit Wicksalbe. Heute ist die Stimme wieder klar. Sonntag hatten wir „Fürst Igor“, Stolze und ich haben doch zwei Stunden Pause zwischen den Auftritten, da brachte Stolze seine Dias von Venedig und Bayreuth mit, präsentierte Platten mit belegten Broten, ich hatte Rotwein mitgebracht. Mit Hilfe der Ankleider und Maskenbildner, die ununterbrochen auftauchten, wurde alles restlos vertilgt, es war jedenfalls sehr nett. Und wir sangen die Schlußszene tadellos ab! Insgeheim bin ich sehr glücklich, daß ich im Dezember so viel schaffen kann. Am 2. Januar bin ich mit meinem Vertrag fertig! Und in der Komischen Oper werden es wohl auch mehr als zehn „Verkaufte Bräute“ werden. 1 Franz Konwitschny (1901–1962), Dirigent, von 1955–1962 Generalmusikdirektor der Staatsoper Berlin.
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15. Januar 1958 Wir hatten gestern eine sehr, sehr schöne „Revisor“-Aufführung unter Werner Egk. Es war doch orchestral ein ganz anderes Bild, es wurde sehr fein musiziert, alles Gesungene verstand man. Ich war prima in Form, es war voll und ein sehr gutes Publikum schenkte reichlichen Beifall. Egk selbst war hoch erfreut, er war höchsten Lobes voll. Ich habe viel Proben schon wieder für die zwei neuen Sachen. „Verlobung im Kloster“ macht scheußliche Arbeit, weil die Leipziger „Übersetzung“ in sehr schlechtem Deutsch hingefetzt ist, das außerdem nie Rücksicht auf den musikalischen Fluß nimmt, falsch betont, daß es einem graust, wenn man das singen soll. 10. März 1958 Am Sonnabend habe ich Premiere mit „Macht des Schicksals“. Wie immer, sehr konventionell inszeniert, zu einer tänzerischen Musik ein paar Grüppchen vom Ballett, dazwischen ist immer Chor im Weg. Musikalisch auch bis jetzt schlamasselig, man will gern Toscanini sein, aber es reicht nicht mal zum T. Der Melitone ist ja keine Aufgabe, kurz, aber schwer. Sehr viel Höhe und die immer fortissimo. Für meine etwas gemächlich gewordene Linie nicht ganz das Richtige mehr. Aber ich komme gut durch. 16. April 1958 Ich habe momentan sehr, sehr viel zu tun und das Tödliche der Winds-Proben nimmt einem jeden Atem. Die „Verlobung im Kloster“ müßte eigentlich mal was für Rennert sein, eine hübsche Sache, aber mit „Chefregisseur“ Winds eine schreckliche Tortur. Sonntag war ich frei, ein herrlicher Tag, da habe ich den ganzen Opernmist liegen gelassen und mich auf den Garten gestürzt. Es war herrlich und ich war glücklich. Gerhard Stolze erhielt keine Ausreise aus der DDR, also fällt auch sein Westberliner Bauplan ins Wasser. Herrliche Zeiten! 27. April 1958 Meine beiden Tenorkollegen Gerhard Stolze und Gerhard Unger haben bisher nicht unterschrieben. Ich habe bei Stolze ein komisches Gefühl, er will mir etwas erzählen, aber er drückt noch herum. Seine Ausreise aus der DDR ist ihm
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verboten worden, er kann nur unter Zurücklassung von Hab und Gut gehen. „Verlobung“ ist ein hübsches Stück und Matacic macht es ja wieder großartig. Da verzeihe ich ihm alles und bewundere diesen eminenten Musiker! Eine Freude, wie er feinnervig musiziert. 10. Mai 1958 Sehr viel Arbeit zwingt mich, die Energien dem Gesanglichen zu reservieren. Seit der gestrigen Premiere von „Verlobung im Kloster“ wird es nun ein bissel ruhiger. Ich bin sehr froh darum, denn der April zuletzt mit 14 Vorstellungen und täglichen Proben war ein bisserl viel. 11. September 1958 Ich hatte in sechs Tagen fünf Vorstellungen. Zu meiner großen Freude liefen alle Opern stimmlich sehr gut ab, auch der Melitone, der mir im Vorjahr manchmal durch die exponierte Lage (sehr hoch und man kann sich nicht schonen) Kopfweh machte. Ich bin also glücklich, daß ich die ersten Fünf absolviert habe. 29. September 1958 Ich hatte bis zur „Verlobung“ gestern keine Vorstellung, bin aber mit meiner stimmlichen Verfassung sehr zufrieden und glücklich. Morgen Rundfunkaufnahme Melitone, Mittwoch „Wozzeck“. 5. Oktober 1958 Die Aufnahme der Melitone-Predigt glückte im ersten Anhieb. In der Staatsoper habe ich acht Vorstellungen (im September waren es neun) und dazu dreimal „Verkaufte Braut“ in der Komischen Oper. 27. Oktober 1958 Heute geht es ein bißchen rund zu: nachmittags Aufnahmen von der „Verlobung im Kloster“ im Funk, abends „Revisor“. Ansonsten spinnen wir mit Winds in der Stube1, es ist eine öde, kein Einfall, keine Idee, kein Plan. Vorne sitzt er auf seinem Stühlchen, hilflos den Tücken des Klavierauszugs ausgeliefert und ist 1 Der Chefregisseur der Deutschen Staatsoper Erich-Alexander Winds inszeniert die Oper „Spinnstube“ von Kodály.
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ganz entzückt, wenn die Ballettmeisterin einen Einfall hat. Schrecklich, so einen Mann vor sich zu haben! Da war die Vorprobenzeit mit Felsenstein schon eine Erholungskur, er ist halt doch ein Kerl. Nun heißt’s noch einsingen und „Revisor“ arbeiten, denn heute dirigiert Kony und der kennt das Stück doch nicht mehr. Eine Plage für uns. 15. Januar 1959 Ich bin nur froh, daß im Februar doch wieder sieben Vorstellungen sind. Sonst würde ich verrückt werden, diese Arbeitslosigkeit noch ohne Vorstellungen, soo alt bin ich nun wirklich nicht. 7. Februar 1959 Eventuell steige ich am Gärtnerplatztheater in München als Oberteufel in „Schwanda“ ein. 19. April 1959 Dieses Jahr scheint ein Pechjahr zu sein: blödsinnige Termine. Staatsoper Wien wollte mich für den Doktor in „Wozzeck“ unter Karl Böhm haben, am 23., ich hätte aber unbedingt am 22. um 10.00 Uhr in Wien sein müssen zur Orchesterprobe. Nun habe ich am 21. abends hier Vorstellung und anschließend gab es keine Möglichkeit, so nach Wien zu kommen, daß ich am 22. vormittags eintreffen hätte können. Wien wollte mich nochmals anrufen, aber ich habe bis heute nichts gehört. Schade! Ich will ja nicht immer klagen, wie mich diese „Unbeschäftigung“ quält, jetzt in 20 Tagen einen Abend! Ach, es geht auch nicht, Abende zu sammeln, es geht um dieses Nichtstun. – Bin schon still, muß es ja mit mir abmachen, dieses Leiserwerden … Nach einem Gastspiel der Deutschen Staatsoper in Prag:
28. April 1959 Prag war die Reise wert. Mit der „Poppea“ haben wir (ich war auch sehr gut in Form, saraströs) den Rahm abgeschöpft. Durch eine ideale Konzentration aller Beteiligten, eine bei allen vorherrschende gute Disposition und letzthin durch ein völliges Gelingen der Erfolg.
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1. Mai 1959 Sonntag habe ich einen guten Beckmesser gesungen, Löwlein dirigierte eine gute Aufführung, ruhig, gemessen, schön abgewogen im Zeitmaß und auch nicht zu laut. Nach „Cosi“ hatte ich gestern den Melitone. Und wieder 7 Tage nichts. Aber bei meiner gärtnerischen Beschäftigung macht das nicht so viel und außerdem habe ich im Mai 8–9 mal Staatsoper plus Komische. Es reicht also. 26. August 1959 Ich habe gestern meine erste Vorstellung gesungen, einen sehr braven Leporello, bei scheußlicher Hitze, die wir seit Tagen haben. Die Staatsoper Stuttgart plant für Juni 1960 die Uraufführung der Oper „Volpone“ von Francis Burt in der Inszenierung von Günther Rennert und hat Heinrich Pflanzl für die Titelpartie verpflichtet.
15. Januar 1959 Von Dr. Schäfer1 habe ich nichts gehört, ich nehme an, da ich mein Telegramm durch den Weihnachtsbrief sozusagen annullierte, werde ich auch weiterhin nichts hören. 25. Januar 1959 Dr. Schäfer schrieb mir wegen „Volpone“, wurde auf 1960 verschoben, also alles unbestimmbar. 12. September 1959 Wenn ich mir auch bewußt bin, mit „Volpone“ ein großes und schweres Stück Arbeit aufgeladen zu haben, so bin ich doch recht glücklich darüber. Ich sehe außer der schwierigen Komposition keinesfalls eine stimmliche Schwierigkeit, und da man ja mit Fleiß und Arbeit das Ersterwähnte bezwingen kann, ist überhaupt keine Schwierigkeit da. Und daß ich mich auf eine Arbeit mit Rennert freue, herzlichst freue, ist eher erleichternd als erschwerend.
������������������������������������������������������������������������������������������� Walter Erich Schäfer (1901–1981), Schriftsteller, Dramaturg, Generalintendant der Württembergischen Staatstheater Stuttgart von 1949–1972.
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22. September 1959 Ich habe den Auszug von „Volpone“ erhalten und fange nun, wenn ich „Lukullus“ verarbeitet habe, an. Es ist wirklich eine sehr schwere Rolle, musikalisch durch die vielen Ensembles belastet. Aber es wird meinem Hirn sehr gut tun, stimmlich ist daran, wie gesagt, keine Klippe wahrzunehmen. 13. Oktober 1959 Der Volpone macht mir Spaß, er ist aber auch verteufelt schwer und vor mir „stehen“ noch etliche Schweißtropfen, bis ich das gelernt. Aber im Hinblick auf die Berliner Einöde freut’s einen doch, daß einmal noch eine Aufgabe kommt. Und die wollen wir trefflich lösen. 1. November 1959 Es ist ein sehr trüber und betrübender Sonntag heute, ein auch naturmäßig richtig bemalter Totensonntag. Auf unserem Feldweg bin ich einige Male auf und ab gegangen. Ja, und so kroch dort der graue Tag sehr in mich hinein. Ich mußte viel an meine toten Brüder denken, die so jung sterben mußten, im fremden Land und unter fremden Händen den Tod erlitten. Ich sah um mich herum vom Maisfeld, das im Sommer in voller Fruchtfülle stand, aufrecht und stolz und von keinem Winde gebrochen, die vergilbten Hüllen am Boden, im Sand schon von einem nur lächelnden Wind hin und her taumelnd, … was lag näher als alle Unmöglichkeit zu erkennen wie man dem Brechen und Knicken entgegen treten kann. Ach, ich kam mit sehr traurigen Gedanken heim, sie werden wohl noch im Mantel stecken. „Volpone“ ist schwer, aber nun habe ich den ersten Akt gründlich und genau erlernt, wiederhole immer alles, daß es Besitz wird. Es könnte eine gute Sache werden. 9. November 1959 „Volpone“ habe ich die erste Szene schon im Kopf, ich denke, daß ich mir bis Weihnachten das Geschenk machen kann, die Partie auswendig zu können. Es ist dann noch schön Zeit, hier mit einem Repetitor alles zu festigen und zu überprüfen, denn ich will und muß doch so eine heikle Sache tadellos beherrschen. 25. November 1959 Ich wurde Montag von der Städtischen Oper angerufen, „Cosi“ zu singen. Ich
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fuhr sofort zu einer Probe mit Ebert1, alles sangen italienisch, der Kapellmeister das erste Mal …! Es ging aber abends doch ganz passabel, wenn es auch eine nervliche Belastung war, andere Striche, dann Eberts Inszenierung, sehr reizend, mit Bühnenbild von Ponnelle, Grümmer, Wagner, Brauer, Haefliger, Lisa Otto sangen, letztere ganz besonders reizend und noch nie sah ich eine so gute Despina. Ebert dankte mir am Schluß sehr herzlich und drückte mir sogar einen Kuß auf die Stirne. Alle sehr nett und liebenswürdig. „Volpone“ zweiter Akt ist ja ein Schrecken! Kaum zu lernen, dieses Verzwickte in den Ensembles. Ich glaube, daß viel von der vielleicht guten Wirkung des ersten Aktes (es sind da ein paar gute Sachen drinnen) verloren geht und die Handlung, in Ensembles verpackt, kaum sichtbar wird und also das Publikum langweilt. Ich sage heute schon: schade! 11. Januar 1960 „Volpone“ zweiter Akt macht mir erhebliche Schwierigkeit, das ist ja kaum zu behalten, wie soll sich das denn mal auf der Bühne ausnehmen. Unger sagte mir, er glaube noch nicht recht an die Aufführung, der Chor würde das nicht lernen usw. 22. Januar 1960 Volpone! Der 1. Akt vertieft sich so gut, daß ich ihn im Kopf habe, so wie man ihn haben muß, der zweite Akt, der ja das Luder ist, braucht noch Arbeit. Aber jeschafft wird’s. 1. Februar 1960 Wir haben „Lukullus“-Proben am laufenden Band. Ich habe noch nie an Proben teilgenommen, die so resultatlos waren, wie diese sind. Das Wort „proben“ stimmt allerdings. Die proben dauernd, wie man’s vielleicht machen könnte, wissen aber nie, wie man’s machen kann. Es ist schrecklich. „Volpone“ zweiter Akt wächst auch. Ob wir Ende März oder Anfang April (vor Bühnenproben) nicht mal zu Ensembleproben kommen müßten? 9. Februar 1960 Heute habe ich „Lukullus“ Generalprobe, morgen ist Premiere. In der Zeit der 1
Carl Ebert, Regisseur und Intendant der Städtischen Oper in Westberlin.
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„Volpone“-Proben hat man nun – freundlicherweise – den Plan umgestaltet und den „Rosenkavalier“ angesetzt, Frei und der Neue, Herr Süß, werden den Ochs singen, ich bin wohl auch besetzt damit. Winds führt Regie! 21. Februar 1960 Fischer, der junge Regisseur von „Lukullus“ (er geht zu Herz nach Leipzig) mag nicht schlecht sein, aber so ohne Halt und Selbstbewußtsein gegenüber Herrn und Frau Dessau1 – schrecklich! Jeder Tag war anders, auch die Grundkonzeption! „Volpone“ habe ich den zweiten Akt zur Hälfte durch. Eine Hauptsache sehe ich in Ensembleproben, die sich wohl erst zwischen den Bühnenproben ergeben werden. Mit der immer mehr besitzergreifenden Repetition schwindet ja auch die gebirgshohe Schwierigkeit des Anfangs. Es haut schon hin! – Leid ist es mir, daß ich um die „Rosenkavalier“-Premiere komme, aber man kann nicht zween Herren dienen. 28. Februar 1960 Der „Volpone“ tritt nun sozusagen ins Bewußtsein, wenn auch der zweite Akt mir große Schwierigkeiten bereitet. Wie soll das mit dem ewigen Taktwechsel einmal klappen? Ich meine das hier nicht persönlich, sondern allgemein. Es ist ein ungemein schwieriges Werk und manchmal könnte man verzweifeln, daß es so schwer gemacht ist in seiner Einfachheit. Wenn man nämlich sich damit spielt und die verschobenen Taktwerte, wie auch die fast „verzweifelt“ hingemalten Vorzeichen auflöst und alles ins Reine bringt, kommt plötzlich ein ganz braves Stückchen raus! Ob nicht bei vielen der „modernen“ Komponisten Schwindel die Hauptarbeit ist! Nach dem berühmten Satz: warum denn einfach, wenn’s kompliziert auch geht. Und von da kommt man zu den anderen Gebieten der Kunst, mir ist immer noch eine Sonne von van Gogh lieber als ein Geschmiere oder Gekritzel, das dann „fieberhafte Sonnenglut“ oder weiß-Gott-wie betitelt wird. Soviel zum Thema „Volpone“. Im Theater ist nix los. Fast vier Wochen sind auf der Bühne keine Proben. Ende März fängt Winds mit dem „Rosenkavalier“ an, der soll anfangs Mai kommen. Dann anschließend „Lustige Weiber“. Großartig! Zuerst jahrelang nur repräsentativste Sachen, und dann hintereinander zwei „Spielopern“. 1 Paul Dessau (1894–1979) ist der Komponist der Oper „Lukullus“, sein Frau Ruth Berghaus ist Regisseurin.
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31. März 1960 Es war mir von Anfang an bewußt, daß beim „Volpone“ der Vorteil im Ideellen liegen würde und nicht im Finanziellen. Wie ich mir auch bewußt bin, daß das ein Abschiednehmen ist, dieses: noch einmal mit einem richtigen Regisseur zu arbeiten und seine Fähigkeiten unter Kontrolle und gleichzeitiger Erweckung ins Licht zu stellen. Und darum leiste ich mir schon den „Volpone“! Nicht nur aus Eitelkeit und Ehrgeiz, sondern auch wegen des „letztmaligen“. -------Stuttgarter Zeitung vom 4. Juni 1960 Burt „Volpone“ Heinrich Pflanzl verdient das höchste Lob für die Bewältigung der musikalisch und gesanglich außerordentlich schwierigen Partie. Sein Volpone ist Grandseigneur und schlauer Fuchs, hundsgemeiner Gauner, diabolischer Lüstling und Betrüger. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. Juni 1960 Burt „Volpone“ Der unverwüstliche Heinrich Pflanzl macht aus Volpone eine Paraderolle. Die Welt vom 9. Juni 1960 Burt „Volpone“ Heinrich Pflanzl in der Titelrolle ein gutmütig-geriebener Volpone, mimisch und auch stimmlich – vor allem deklamatorisch – beglückend. 21. September 1960 Ich habe neulich einen allerersten Beckmesser gesungen, selbst Konwitschny war am Schluß außer sich und überhäufte mich mit Komplimenten. – Den Falstaff muß ich auch schon wieder mit Herrn Süß teilen (Es stimmt, daß er in der SED ist). 31. Januar 1961 „Boris“ kommt nun am 11. Februar raus, habe schon Orchesterproben und die viel bessere neue Orchestrierung von Schostakowitsch macht mir bzw. meinem Warlaam viel Freude. Nur regielich … na ja! Dann ist es still, der Präsident in „Peer Gynt“ ist ja ein recht, recht kleines Ding. 6. Februar 1961 In dieser Woche wird der „Boris“ geboren. Ich kann wohl hoffen, daß der Warlaam nett und gut wird. Der Boris selbst hat mir zu wenig an Persönlichkeit.
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Man macht hier einen groben Fehler, für mein Gefühl. Man muß eine solche Rolle aus seiner eigenen Art gestalten und nicht versuchen, entweder Schaljapin nachzuäffen oder den Petrow aus dem „Boris“-Film. Das geht nicht. Studium der historischen Rolle, Studium der Operngestalt, die ja immer etwas verromantisiert wird, und aus dem heraus Angleichung des persönlichen Könnens an Stimme und Darstellung. Ich habe bisher immer den Eindruck, daß die meisten „Boris“-Sänger die Rolle vom Tod her, von der großen Sterbeszene her spielen und damit im Grunde sich den Höhepunkt wegnehmen. 17. Februar 1961 Alles klappte und der Warlaam schnitt sehr gut ab. Stuckenschmidt stellte ihn sogar bei einer Besprechung im Berliner Funk an die Spitze, „allen voran“. Nun, ich neige nie zu Übertreibungen bei Selbstbetrachtung meiner Leistung, eher – und dies so sehr zu meinem Nachteil – zum Gegenteiligen. 6. März 1961 Da ich Sonnabend und Sonntag Vorstellung hatte, nebenbei bemerkt, bin ich prima in Schuß, habe in „Macht des Schicksals“ nach der Predigt und nach der Suppenszene allerstärksten Beifall bekommen, auch mein Leporello war recht, recht gut, fast tolle Bravorufe nach der Registerarie.
Der Abschied In den Fünfzigerjahren haben sich die internationalen Spannungen zwischen Ost und West deutlich verschärft, der Koreakrieg hat begonnen und es gibt Pläne für eine europäische Armee und die Wiederaufrüstung Westdeutschlands. Der Arbeitsplatz von Heinrich Pflanzl liegt immer noch in Ostberlin, auch als er 1952 seinen Wohnsitz nach Westberlin verlegen kann. Der tägliche Weg ins Theater ist also immer ein Grenzübergang, die politischen Verhältnisse spiegeln sich permanent im Umgang mit den Menschen der beiden Teile einer Stadt.
24. Oktober 1950 Oft habe ich viel Angst, denn es geht doch mit Riesenschritten einem neuen Krieg entgegen. Sind die Menschen toll geworden? Noch einmal das Elend, den
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Jammer und die Not durchmachen? Es wäre entsetzlich!! Wozu dann noch leben? Damit es ein paar Großkopfigen noch besser geht? Vielleicht ist doch die alte Erde reif für den Untergang! 3. September 1951 Es war eine drückend heiße Fahrt von Bayreuth zurück nach Berlin, die blöden Aufenthalte an der Zonengrenze machen so eine Reise nicht angenehm. Man ist nach den Tagen des rein künstlerisch tätigen Lebens plötzlich wieder in der ekelhaften Spannung zwischen Ost und West. Das schmeckt gar nicht. 1. Oktober 1952 Im Theater ist sehr schlechter Besuch. Die erneuten Schwierigkeiten zwischen Ost und West sind wenig ermutigend. Die Dirigenten Keilberth, Ludwig, Knappertsbusch und Kleiber haben nun amtlich abgesagt. 12. Oktober 1952 Hier war großer Wirbel, da Schwernik1 zu Besuch eintraf. Es war ein Riesenaufgebot, die Volkspolizei in neuen Uniformen: olivgrün mit Kappen wie der Iwan. Sperrbezirk in der inneren Stadt, kein Westberliner Auto durfte dort fahren, ich wurde einige Male angehalten, jede Kreuzung vier- bis sechsfach bewacht, jede Straßeneinmündung … es war herrlich und ein erfreuliches Bild der festen Verankerung im Volk! Haha! 17. Oktober 1952 In der Oper wird es immer schlechter, ab 20. kommen 14 Mann ständige Polizei ins Haus, so wird aus diesem Opernhaus auch ein Gefängnis. Rudolf Schock wird nimmer singen, er hat bisher nicht zugesagt. 5. November 1952 Ich hatte mit Frau Rentmeister2 eine lange Besprechung, in der ich ihr sehr klar machte, wohin die Staatsoper geht. Entweder soll man uns in Ruhe lassen oder eine Opernkaserne daraus machen. Es ist sehr traurig, was in der kurzen Zeit 1 Nikolai M. Schwernik, von 1946–1953 Staatsoberhaupt der UdSSR. 2 ����������������������������������������������������������������������������������������� Maria Rentmeister, Hauptabteilungsleiterin der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten der DDR.
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aus dem Haus wurde. Beim Pförtner steht Werkspolizei, man muß den Ausweis zeigen und ähnliche Scherze. Ich werde versuchen wegzukommen, wenn auch Berlin Berlin ist. Aber unter diesen Umständen muß man halt verzichten und ich kann mir nicht vorstellen, daß es sich bald ändern wird. 10. November 1952 Wir sind vor einer Stunde aus Dresden zurückgekommen, dort sang ich gestern den Leporello. Wir waren sehr erschüttert, wie die Bevölkerung verarmt und wie dort schon die Segnungen vom „Aufbau des Sozialismus“ spürbar sind. In den staatlichen Läden gibt es fast nichts mehr zu kaufen, keine Butter, keine Margarine, kein Öl, nichts, nichts. Die Theater sind ausverkauft, weil die Leute auch kaum Kohle haben, sich zu heizen. In Berlin ist das anders, da muß man die Fassade etwas halten gegenüber dem Westen. In Dresden werden die Trümmer aufgeräumt, umso erschütternder ist das Ausmaß der Zerstörung. Es wäre bei einem Vergleich mit Salzburg vielleicht so, als könnte man vom Bahnhof bis zur Staatsbrücke sehen, weit und breit kein Haus mehr, jetzt nur mehr grasbesäte Felder. Das nannte man einmal „Elbflorenz“! 20. Februar 1953 Täglich lassen etwa 1500–2000 Menschen im Osten alles im Stich und gehen weg von Haus und Hof. 3. März 1953 Ich hänge an einer wahrhaft ungeheuerlichen und fast grotesken Pechsträhne, nichts, gar nichts klappt. Von der Städtischen Oper ist keine Antwort da. Und was Anderes tut sich nicht. – Ich hatte heute in der Staatsoper eine Unterredung mit dem Interimschef. Ich sagte (schon aus existentiellen Gründen) für nächste Spielzeit Gastspiele zu, mit geteiltem Honorar, wie es bei Westleuten üblich ist. Und da ich am Sonnabend mit dem „Rosenkavalier“ fertig bin, habe ich angebohrt, daß ich wenigstens für die laufende Spielzeit die Überspielhonorare zu 10 % in DM West erhalte und die überspielten Vorstellungen abendlich ausbezahlt bekomme. Man wird sehen, ob sich das durchdrücken läßt. So habe ich keine feste Bindung mehr für das nächste Jahr, ich hätte es mir anders auch lieber vorgestellt. So ist aber das Wichtigste: die Existenz dem Schein nach gesichert, was kommt, wie es kommt, das wird dann im Augenblick zu meistern sein.
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Gestern kamen über 5000 Flüchtlinge nach Westberlin – es ist ein entsetzlicher Jammer, aber auch schon eine Massenpsychose. 25. Juni 1953 Wir haben schwere Tage hinter uns: keine östliche Lüge kann das aus der Welt schaffen, daß sich die Arbeiter gegen ein System der Ausbeutung wehrten, mit Fäusten gegen Gewehre und Panzer. Wollen wir aber doch froh sein, daß wieder – wenn auch nur scheinbare – Ruhe ist und diese Tage keinen dritten Weltkrieg einleiteten. Nahe daran waren wir. Nachdem ja nun die Ostzonenbevölkerung gezeigt hat, daß sie keine Kommunisten sind, ist eigentlich für uns manche Hemmung weggefallen dort zu singen. Wir singen ja nicht für eine politische Partei, sondern für die Menschen dort, die ein Recht haben, Theater zu hören und sich daran zu erfreuen. Wir spielen bereits wieder und ich habe morgen meine erste Vorstellung im Zeichen des „Ausnahmezustandes“! Ich war heute das erste Mal drüben in Ostberlin, wir „Künstler“ werden nicht so für voll genommen, ich bin ungehindert nach Erhalt eines Ausweises hin und zurück. In manchen Straßen stehen reihenweise die Panzer, Panzerspähwagen, Geschütze, na, für den „Frieden“ ein ungewohnter Zustand. Man rechnet aber gegen Ende der Woche mit der Aufhebung des Ausnahmezustands. 1. November 1954 Heinrich Pflanzl in einem Interview für die Ostberliner Zeitschrift „Unser Rundfunk“ Was ich mir für die nächste Zeit wünsche? Vor allem die baldige Einheit Deutschlands und die schnelle Herbeiführung eines kulturellen Gesprächs zwischen den Künstlern aus Ost und West, gerade auch hier in Berlin, der von uns allen geliebten Hauptstadt! 21. Oktober 1957 Die Stimmung ist wieder mal sehr gereizt an den Sektorenübergängen. Wir können mit unseren Ausweisen nicht klagen, aber die anderen Leute werden doch sehr gepiesackt. 18. November 1957 Die Stimmung ist sehr, sehr flau. Man überprüft jetzt die Notwendigkeit der Engagements von Westberliner Künstlern und westdeutschen Gästen. Auch Chor
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etc., alles fällt darunter. Auch von Grenzsperren wird gesprochen, es ist nicht schön! 20. November 1957 Wie sich die Sache entwickelt mit den Westberlinern, Westdeutschen … das weiß man nicht. Felsenstein meinte gestern, als ich mit ihm darüber sprach, „mich, dich und andere Spitzenleute geht alles das nichts an, aber wie wollen wir weiter spielen, wenn die sogenannten „ersetzbaren“ Kräfte gehen …“. Der Hintergrund dieser neuen Welle von Unsicherheit liegt in der anhaltenden Flucht der DDRBürger, besonders der Jugend. Jetzt tauchen die Lücken auf: Abiturjahrgänge mit 10 Schülern besetzt. Na, wir müssen halt abwarten. Im Juni 1961 gibt es noch eine Premiere, den Falstaff in den „Lustigen Weibern von Windsor“. Der Sommerurlaub in Österreich ist dann ausgefüllt mit Plänen für ein Sommerhaus auf einem Grundstück in Großgmain, in der Nähe von Salzburg. Bei der Rückkehr nach Berlin steht eine neue Spielzeit vor der Türe. Aber es soll ganz anders kommen. In der Nacht zum 13. August beginnen Truppeneinheiten der Volksarmee und der Volkspolizei mit der Besetzung Ostberlins und der Errichtung von Straßensperren, aus denen schließlich die „Mauer“ wird. Am 29. August singt mein Vater in der „Verurteilung des Lukullus“ und am 30. dann noch den Falstaff in den „Lustigen Weibern von Windsor“. Ich bin in Berlin wegen der Funk- und Fernseh-Ausstellung und gehe in beide Vorstellungen. Es ist ein entsetzliches Spießrutenlaufen, wenn man in den Ostsektor von Berlin fahren will, was nur für Ausländer möglich ist. Als Österreicher dürfen wir den Checkpoint Charly benutzen und fahren einen Slalom zwischen aufgepflanzten Maschinengewehren, um in die Staatsoper zu kommen. Nach der zweiten Vorstellung steht der Entschluss meines Vaters fest: Er will seinen Vertrag auf der Stelle lösen. Auf seine Bitte hin fahre ich ihn am nächsten Tag hinüber zum Intendanten der Staatsoper, Max Burghardt1. Es dauert sehr lange, bis mein Vater zurückkommt: Zwei Männer hatten weinend voneinander Abschied genommen, wobei der Altkommunist Burghardt meinte: „Ach wissen Sie, lieber Pflanzl, ich frage mich manchmal, wofür ich eigentlich unter den Nazis im Gefängnis war.“
1 Max Burghardt (1893–1977), Schauspieler, Intendant der Deutschen Staatsoper Berlin von 1954– 1963.
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31. August 1961 Heinrich Pflanzl an Max Burghardt Sehr geehrter Herr Professor, Ihre Zusage, Verträge zu lösen, nehme ich nun für mich in Anspruch. Ich bitte, mit heutigem Datum das gegenseitige Vertragsverhältnis als beendet zu betrachten und mir dies schriftlich zu bestätigen. Für Ihre persönliche, warmherzige und menschliche Haltung mir gegenüber, sage ich Ihnen meinen Dank Ihr Heinrich Pflanzl 31. August 1961 Max Burghardt an Heinrich Pflanzl Ihrem Wunsch, das gegenseitige Vertragsverhältnis als beendet zu betrachten, komme ich nach. Damit endet Ihr Vertrag mit der Deutschen Staatsoper am 1. September 1961 Professor Max Burghardt Heinrich Pflanzl an seinen Sohn Alles ist lebendig, mein Sohn, auch ein Theater, „das Haus“ in seinem Organismus hat sein Leben. Freilich bin ich noch von der alten Familie der Komödianten, bin immer am letzten Tag, wenn ich von einem Theater ging, in meine Garderobe gegangen, auf die Bühne, die in der Stille und im Dunkel lag, hab alles gestreichelt, den Garderobentisch, den Spiegel, aus dem so oft mich das geschminkte Gesicht ansah, fremd und in einer anderen Haut, habe einen Bühnenpfosten berührt und bin immer sehr traurig aus der Umarmung eines Hauses gegangen. Lächelst du über den alten Vater? Heinrich Pflanzl Mit dem 31. August 1961 begann eine Zeit von unermeßlicher Schwere. O harte, bittere Tage im Nahen des Alters! 22. September 1961 Morgen ziehen wir also fort von Berlin. Ich will nichts dramatisieren, aber da es nun Abschiednehmen heißt, stürzt eine ungeheure Welle von Erinnerungen auf uns ein. Wir wollen alles tun, eine neue Heimat zu schaffen. So ziehen wir mit hoffendem Herzen und mit gläubigem Vertrauen in das neue Leben.
Salzburg 1903–1924
Abb. 1 u. 2: In der Gstättengasse 23 in Salzburg kommt Heinrich Pflanzl am 9. Oktober 1903 zur Welt
Abb. 3: Im Alter von sechs Monaten
Abb. 4: Im Alter von zwei Jahren
Salzburg 1903–1924
Abb. 5: Im Alter von vier Jahren mit seinem Vater, dem Salzburger Mundartdichter Otto Pflanzl
Abb. 6: Im Alter von vierzehn Jahren mit seiner Mutter Berta und seiner Schwester Marta
Salzburg 1903–1924
Abb. 7–9: Der Gymnasiast im Alter von vierzehn, sechzehn und achtzehn Jahren, noch schwankend zwischen Zeitmode und Tracht
Salzburg 1903–1924
Abb. 10–12: Der Musikstudent im Alter von einundzwanzig Jahren
Wien 1924–1929
Abb. 13–16: Studentenalltag in Wien im Jahre 1926. Student Pflanzl auf Bild 16 im Vordergrund knieend
Wien 1924–1929
Abb. 17: Die erste große Rolle: als Falstaff in Die Lustigen Weiber von Windsor in einer Aufführung der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien im Jahre 1928
Abb. 19: Der junge Sänger in seinem letzten Studienjahr 1929
Abb. 18: Ein Jahr später als Leporello in Don Juan in einer Akademie-Aufführung
Start ins große Fach
Abb. 20: Zum ersten Mal als Beckmesser in Die Meistersinger von Nürnberg (1929 am Stadttheater Bern)
Abb. 21: Zum ersten Mal als Ochs von Lerchenau in Der Rosenkavalier (1934 am Stadttheater Breslau)
Breslau 1930–1936
Abb. 23: Als Schwarzbart in Die beiden Schützen
Abb. 22: Als Der Hirt in Bettler Namenlos. Das Rollenfach eines Bassbuffo umfasst alle Altersklassen. Wo die Lebenserfahrung noch nicht ausreicht, da muss der Maskenbildner helfen.
Breslau 1930–1936
Abb. 24 u. 25: Als beliebter Sänger muss man über eigene „Künstler-Postkarten“ verfügen. Hier zwei Beispiele aus dem Jahre 1931.
Nürnberg 1936–1939
Abb. 26: Privates Glück. Heinrich Pflanzl mit Frau und Sohn im Jahre 1936
Abb. 27: Als van Bett in Zar und Zimmermann (1938) Abb. 28: Als Kezal in Verkaufte Braut (1938)
Kassel 1939–1942
Abb. 29: Als Falstaff in Die Lustigen Weiber von Windsor
Abb. 30: Als Marko in Ero, der Schelm
Abb. 31: Eine Künstlerkarte von 1942
Dresden 1942–1944
Abb. 32: Als Hortensio in Der Widerspenstigen Zähmung
Abb. 33: Als Hans Bast in Peter Schmoll
Abb. 34: Als Burgvogt in Der Jakobiner
Das letzte Kriegsjahr
Abb. 35: Vor dem Abmarsch im September 1944
Abb. 36: Nach der Rückkehr im September 1945
Abb. 37: Der Entlassungsschein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft in Breslau vom 28. Juni 1945
Abb. 38: Die eigene Wohnung am Kriegsende in Dresden 1945
Dresden 1945–1950
Abb. 39: Neubeginn in der Oper: als Schaunard in La Boheme (von links: Pflanzl, Aldenhoff, Frick, Händel, Schellenberg) 1946
Abb. 40: Als Bankier in Die Flut (mit Elfriede Trötschel) 1947
Dresden 1945–1950
Abb. 41: Als Warlaam in Boris Godunov 1949
Abb. 42: Als Ochs von Lerchenau in Der Rosenkavalier 1949
Dresden 1945–1950
Abb. 44: Als Kreon in Antigone 1950
Abb. 43: Als Crespel in Hoffmanns Erzählungen (mit Elfriede Trötschel) 1949
Berlin 1950–1961
Abb. 45: Als Leporello in Don Giovanni
Abb. 46: Als Beckmesser in Die Meistersinger von Nürnberg (mit Jaro Prohaska)
Abb. 47: Als Dulcamera in Der Liebestrank
Berlin 1950–1961
Abb. 48: Als Graf Waldner in Arabella
Abb. 49: Als Doktor in Wozzeck (mit Kurt Rehm)
Berlin 1950–1961
Abb. 50 u. 51: Die verkaufte Braut in der Komischen Oper Berlin. Walter Felsensteins Inszenierung steht acht Jahre lang (von 1950 bis 1958) auf dem Spielplan, immer mit Heinrich Pflanzl als Kezal (im Bild rechts mit Rudolf Schock)
Berlin 1950–1961
Abb. 52–54: Bei den Bayreuther Festspielen 1951 und 1952 singt Heinrich Pflanzl neben dem Alberich im Ring des Nibelungen vor allem seine Lieblingspartie, den Beckmesser in Die Meistersinger von Nürnberg. Hier ein Szenenfoto, eine Karikatur und ein Bild aus einer Probenpause, in der sich Herbert von Karajan als „Merker Beckmesser“ versucht
Berlin 1950–1961
Abb. 55: Als Abu Hassan in Der Barbier von Bagdad, 1951 (mit Rudolf Schock)
Abb. 57: Als Stadthauptmann in Der Revisor, 1957
Abb. 56: Als Baptista in Der Widerspenstigen Zähmung, 1952
Berlin 1950–1961
Abb. 58: Als Frau Melitone in Macht des Schicksals, 1958
Abb. 59: Als Mendoza in Die Verlobung im Kloster, 1958
Abb. 60: Als Falstaff in Die Lustigen Weiber von Windsor, 1960 (mit Robert Lauhöfer). Mitte August 1961 hat die DDR mit dem Bau der Mauer in Berlin begonnen. Heinrich Pflanzl tritt am 30. August zum letzten Mal an der Deutschen Staatsoper Berlin auf, als Falstaff. Am nächsten Tag ersucht er den Intendanten um sofortige Lösung seines Vertrages ab 1. September.
Stuttgart 1960–1963
Abb. 61 u. 62: Ein Gastvertrag mit den Württembergischen Staatstheatern bringt noch einmal eine gewaltige Aufgabe für Heinrich Pflanzl: die Titelrolle in der Uraufführung der Oper Volpone in der Inszenierung von Günther Rennert und unter der musikalischen Leitung von Ferdinand Leitner.
Abb 63: Daneben singt er mehrere Partien aus seinem umfangreichen Repertoire und mit dem Don Pasquale aus der gleichnamigen Oper verabschiedet er sich dann endgültig von der Bühne: „’s ist zu Ende, Don Pasquale“
Vater und Sohn
Abb. 64–66: Der „Vater mit dem Sohn“, das war ein beliebtes Bildmotiv in vielen Jahren: während einer Weihnachtsfeier bei Freunden in Dresden 1946 am Harmonium, im eigenen Haus in Berlin-Dahlem 1954 am eigenen Flügel und in einem Unterrichtsraum des Mozarteums in Salzburg 1969, wo alle beide als Lehrer an der Internationalen Sommerakademie unterrichten.
Heimweh nach Salzburg Wie ein roter Faden zieht sich durch das Leben von Heinrich Pflanzl die Liebe zu seiner Heimat, zu seinen Eltern, seinen Geschwistern. Aufgewachsen in einer großen Familie, die mit den Kindern aus der ersten Ehe des Vaters, mit Dienstmädchen und Kindermädchen zeitweise zwölf Personen umfasste, da war der Wechsel in die Fremde zugleich auch ein Schritt in die Einsamkeit. Denn es war nicht nur das Elternhaus, die schöne Stadt, die herrliche Umgebung, die Dichterfreunde, es gab daneben auch eine ganze Menge persönlicher Beziehungen zu jungen und überwiegend sehr hübschen Salzburgerinnen. Die Jugendjahre in Salzburg waren also sicher nicht von Einsamkeit geprägt. So war es wohl zunächst ein ziemlicher Schock, plötzlich allein in einer traurigen Studentenbude zu sitzen.
Wien, Oktober 1924 Heinrich Pflanzl aus Wien War ich auch schon öfters in der Fremde und hab dort Post von daheim bekommen, aber das war immer nur ein Beschränktsein von Zeit, nie ein Längerverweilen, dann ging es froh heim. Aber diesmal ist es schon ein Drängen; ich kenn mich zwar so ziemlich aus in Wien und laufe, gut heimfindend, umher, es ist alles nicht so fremd, denn der Lärm der Großstadt überschreit alles Sehnen, man muß zu sehr bedacht sein, wo man geht, ob man alles Schöne mitnimmt, aber dann … dann geht es heim in das Zimmer, das wir uns jetzt ja recht nett eingerichtet haben, – man sitzt dann oder lehnt am Fenster und schaut in die enge Gasse hinab, gegenüber die alte Universität, – und wenn ich die Augen schließe, bin ich selig zu Hause. Wenn ich sagen würde, ich hätte kein Heimweh, – so möchte das eine Lüge sein. Ich hab es, recht stark, aber wenn es anfängt, dann laufe ich schnell die eine Minute zum Ring hinaus, tauch in dem Menschengewühl unter und beschau mir die Auslagen. Wien, 24. Oktober 1924 Je länger man hier ist, desto mehr erkennt man: „wie’s daheim war“. Ich erinnere mich in meiner kalten Stube an den letzten Abend daheim in der Küche. Wie
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Heimweh nach Salzburg
herrlich war’s da, Zucker und warmen Tee mit Rum, mein Gott, Bäckerei, und das Schönste: die Wärme. Wien im November 1924 Diese ersten Schneetage, da kriegt man schon Heimweh, wenn man denkt, wie es sich von der Küche, der warmen, nett ansah, da die Flocken tanzten. Hier schüttelt’s einen, wenn es draußen zu tanzen anfängt, vor Furcht. Wien im Oktober 1925 Mit der Stimme geht es mir recht gut, also, was soll mir fehlen. Die warme Stube? Der Jausenkaffee? Überhaupt: Das Daheim? – da zerdrückt man halt die Tränlein und freut sich, daß es in einigen Wochen ein Wiedersehen gibt. Wien, 18. Januar 1927 Mein dramatischer Lehrer fragte mich heute, ob ich verwandt sei mit dem so bekannten Salzburger Dichter Otto Pflanzl? Und hatte natürlich rechte Freude, als ich ihm die Antwort erteilte und wir unterhielten uns lange über Salzburg; das ist so wundervoll, wie ein Duft Rosen uns die Augen schließen läßt, so war es mit diesem Wort und vor mir war Salzburg und alles was dazu gehört zum Klang der Heimat! Im September 1929 verläßt Heinrich Pflanzl Österreich, um erst 33 Jahre später wieder heimzukehren. Je größer der zeitliche und räumliche Abstand von Salzburg wird, um so mehr verklärt sich das Bild in der Erinnerung. In Briefen, Tagebüchern und Gedichten dokumentiert er immer wieder seine Verbundenheit mit Salzburg, mit der Heimat und vor allem auch mit dem Elternhaus. Im Herzen bleibt er immer Salzburger, er behält den in Deutschland sehr beliebten leichten salzburgischen Akzent, und wo immer ein Klavier steht, da setzt er sich hin und begleitet sich selbst bei dem Lied „Mei Hoamat, mei Salzburg“, dessen Text sein Vater geschrieben hat.
Bern, 5. März 1930 An die Eltern 1 Bei der „Schlaraffia“ bin ich sehr gern und verbringe dort recht schöne Abende. Neulich sang ich Vaters „Mei Hoamat“, was bei den Schlaraffen echte Freude 1 Männerbund zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor.
Heimweh nach Salzburg
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und Bewunderung auslöste. Sie möchten mich halt so gern hier behalten. Hab schon eine recht schöne Schachtel von Orden und heute bin ich bei einem Dr. eingeladen, dessen Frau Wienerin ist. Da gibt es Wienerschnitzel und einen Rahmstrudel, wie mir telefoniert wurde. Alles recht österreichisch halt. Ihr könnt gar nicht wissen, wie das ist in mir, wenn ich an Euch denke. Ich bin härter geworden, aber in einem anderen Teil meines Ichs noch weicher. Heimat, o Heimat, und Ihr, Eltern, Geschwister. Es tropft mir in das Schreiben; ich schäme mich aber nicht. Denn aus dem Fühlen heraus gewinne ich die Kraft für meine Zukunft. Ich muß Euch sagen, wie sehr ich Euch lieb habe und wie ich an Euch denke. Der erste österreichische Waggon, der kriegt ein Busserl! In zweieinhalb Monaten bin ich bei Euch! Diese intensive Liebe zur Heimat wird allerdings gedämpft durch den Umstand, dass man in Salzburg an der Karriere des jungen Sängers wenig Interesse zeigt. Dessen größter Wunsch wäre es gewesen, einmal an seinem Geburtsort auftreten zu können in einer seiner großen Partien, als Leporello, Don Alfonso oder Ochs – er blieb ihm unerfüllt. Schon sehr früh zeichnet sich diese Tendenz ab.
Bern, 5. Mai 1930 Ich las heute die „Salzburger Chronik“ mit einer Notiz über mich. Nun, wenn die Salzburger glauben, ich werde ihnen eine Probe meines scheinbaren „Doch-Könnens“ geben, so sind sie sehr im Irrtum, ich habe nicht die mindeste Lust dazu. Ich liebe dieses Ausposaunen nicht, man geht auch so seinen Weg weiter und ich habe mir ohnehin neben vielen neuen Freunden auch doppelt so viel Feinde gemacht. Aber nun, vielleicht ist es auch gut, wenn die Landsleute wissen, wie man in der Fremde Erfolg erringt. Breslau, 20. August 1930 An die Eltern Manchmal denk ich mir, es wäre schön, wenn man als kleines Kind gestorben wäre, es gibt Stunden, es gab Stunden auch hier schon, wo ich sehr verzweifelt war. Und ich dachte manchmal schon, wie schön es doch sein muß, ein Lehrer zu sein in einem stillen Dörfel; Herrgott, wie muß das schön sein. Jetzt bin ich ein Zeitl am Klavier gesessen und hab mir paar Liedl gesungen, da kommen mir dann immer wieder die Tränen und ich muß aufhören. Und alles, alles ist wieder so schwer. Gerade bringt mir Frau Hofer das „Bergland“
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Heimweh nach Salzburg
herein, mit dem Bild des Stieglkellers und unserm Häusle. Draußen pulst das Leben der Großstadt! Bei mir ist’s still und ruhig; die Standuhr schlägt mir nur die verrinnende Zeit. Kleine Freuden muß man sich schaffen, dann findet man schon weiter. – Ich bin bei Euch, ich habe für Mutter das „Wiener Journal“ geholt und gehe dann mit Vater „ein wengl“ in den Stieglkeller. Grüß mir alles, den Mönchsberg, den Kapuzinerberg, alles, alles, alles grüßt mir, bitte!!! Breslau, 30. August 1930 Ja, so ein Spaziergang über den Mönchsberg, mein Gott! Das Heimweh ruft, das hab ich stumm gemacht mit Arbeit, Müdesein, aber es schläft ganz leicht nur. Breslau, 7. Dezember 1930 Gestern hatte ich den ersten Sonntag ganz frei und da war ich auf dem Zobten, einem Berg (800 m) in der Nähe Breslaus. Ich sah von oben das ganze Riesengebirge (Schneekoppe, Eulengebirge, Glatzergebirge) – aber so schön es auch ist, gegen den Blick von der Richterhöhe auf dem Mönchsberg ist es nur ein Kinderspielzeug! Breslau, 13. August 1931 An die Eltern Laßt mich all den Schmerz von der Seele reden. Habe ausgepackt, es ist mir aber, als sollte ich wieder oder erst einpacken um zu Euch zu kommen. Nur ein bissel vom Jagdzimmer hinausschauen dürfen, nur ein bissel bei Euch sein, Mutter, Deine Hände ein kleines bissel halten dürfen, Vater, ein wenig nur, ein klein wenig nur bei Dir sitzen und plaudern. Ich mach Euch ja das Herz schwer, aber meines ist so schwer, daß ich es fast nicht tragen kann. Schon gestern, den ganzen Tag die brennend trockenen Augen spüren, den Schmerz fest hinunterhalten; als Du, Mutter, draußen schon wartetest, da bin ich noch ins Schlafzimmer gegangen und hab vor Ottos Bild mein Abschieds-Vaterunser gebetet. So schwer war’s mir, daß ich recht fertig bin. Immer wieder seid Ihr vor mir, alle die Kinder, und nun liegt so weit das Land dazwischen. Den brennenden Kopf hielt ich noch lange hinaus, sah Euch immer noch stehen, und dann nur mehr den Gaisberg, den Untersberg und dann kroch die Fremde herauf beim Fenster und wie ein schwerer Druck liegt es auf mir. Ich weiß, die Arbeit, die Arbeit heilt viel. Aber nie kann das Heimweh sterben, nie die Liebe zu Euch und der Wunsch, bei Euch zu sein.
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Breslau, 16. Dezember 1931 An die Eltern Ja, gelt, das Weihnachtsfest! Da werde ich abends in die Kirche gehen und für Euch beten und dann heim und mir es ausdenken, wie es immer war und wie schön es wäre. Aber es geht halt nicht. Freilich, vergeht alles, aber so bitterhart wird einem die Fremde an diesem Abend. Und nicht mal ein Flascherl Wein zum Vergessen, – na, ein paar Flaschen Bier, wie ein jeder Arbeiter, die werden mich gut in Schlaf wickeln, wenn in unserem Haus die Kerzen strahlen und alles seine Feier hat. Jetzt bin ich’s ja schon gewohnt. Aber hart ist’s halt immer. Breslau, 18. Dezember 1931 An die Eltern Eine Spielplanänderung! Habe heute um Urlaub eingereicht von 24.–27., man sagte mir, es wird nichts im Wege stehen. Habe nur am 23. noch Vorstellung. Breslau, 20. Dezember 1931 An die Eltern Urlaub bewilligt, das Geld hab i a, also: an hl. Abend trifft Heini ein. Um 19 Uhr 10 also, sieben Uhr und 10 Minuten. Ich hätte mir’s ja nicht träumen lassen, aber wie ich erfuhr, daß ich nur am Sonntag, 27. „Tannhäuser“ habe, wupsi, Urlaub eingereicht. Wenn ich auch Samstag abends wieder weg muss, ich war doch am hl. Abend bei Euch, gelt! Und das ist uns allen eine große Weihnachtsfreude. Ich freu’ mich ja so auf die Würstelsuppe und viel Bier, – na, ich kann’s ja gar net glauben! Jetzt heißt’s nimmer: Urlaub, steig oba, – er ist schon „obagstiegn“! Diesmal hat es noch geklappt mit einem Weihnachtsurlaub bei den Eltern, aber das war sicher die Ausnahme. Gerade an Feiertagen hat jedes Theater Hochbetrieb, da gibt es kaum die Chance für einen Kurzurlaub. Das war schon im nächsten Jahr der Fall.
Breslau, im Dezember 1932 Diesmal ein Weihnachten wieder in der Fremde, ohne Heimat. Keine Berge, keine Salzburger Luft, keine Glocken der Heimat, keine Mutterhand, keine Vaterhand, keine Augen von Schwester und Brüdern, allein, einsam. Wie schwer es mir ist, wie es mir den Hals zuschnürt, weil die Augen sich so oft schließen müssen unterm Schreiben. Ich werde um 9 Uhr abends die Lichter anzünden. Und werde ein Stündlein still sitzen und nichts denken als an daheim …
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Heimweh nach Salzburg
Breslau, April 1933 Ostern Ich denke immer in diesen Tagen an meine Jugend in Salzburg. Da ging man in die Josefi-Au und badete sich in diesem wohligen Ausmaß der Frühlingsluft. Man hörte von der Stadt die Osterglocken, man ging in den Dom zur Auferstehung, die Menschen schienen alle freundlicher, weil die Sonne wärmer schien, es war in allem eine größere Freundlichkeit und Liebe. Jetzt, wo ich in der Fremde bin, die mir Brot und Arbeit gibt, da ist es mir dieser unerschöpfliche Quell einer schönen, ideell reichen Jugend, der mir immer wieder zu solchen Tagen die Rückschau schenkt und mir Wirkliches, Einst-Erlebtes zum zweiten, zum öfteren Erleben erweckt. Und dann gehe ich Samstag nachmittag im Geiste in den strahlenden Dom, höre die Glocken der Heimat klingen und wünsche allen winterlichen Herzen eine schöne, menschlich wärmende Auferstehung. Einmal kommt es fast zu einem Auftreten in Salzburg: Das Opernhaus Nürnberg soll mit einer Vorstellung in Salzburg gastieren. Da sich die Salzburger aber keine Oper, sondern eine Operette wünschen, ist Heinrich Pflanzl wieder nicht dabei.
Nürnberg, 10. Mai 1938 Sehr leid tut es mir, daß in Salzburg die Operette gastiert. Hätte man sehr ausdrücklich mich verlangt, so wäre „Wildschütz“ oder „Zar“ gekommen. Ich habe nun auch vollkommen alle und jede Lust verloren, in Salzburg zu singen. Ich habe für mich, so ganz allein, unter dieser „Mißachtung“ sehr gelitten und will in künstlerischer Beziehung nichts mehr mit meiner Heimat zu tun haben. Ich würde auch jeden Versuch mit mir in Fühlung zu treten, von heute ab ablehnen. Ich werde und bin bis heute meinen Weg gegangen ohne eine Unterstützung, rein nur auf Grund meines Könnens, ich werde auch weiterhin leben können und dieses Leben zu einem erfolgreichen Ende führen – ohne die Anerkennung meiner Heimat. Ich bin kein kleiner Junge mehr und habe mir dies alles sehr überlegt, aber ich kann nicht mehr, es belastet meine Nerven so sehr und am Ende würde ich noch von meiner künstlerischen Unmöglichkeit überzeugt sein. Also: Schluß damit. Kassel, 31. Dezember 1939 Wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich die alte, geliebte Stadt vor mir, so wie sie viele Male vor meinen Augen war. Aber sind die Jahre auch in der Summe
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mehr geworden, geblieben ist der Blick der Jugend und die Treue ist geblieben. Ich spüre den Duft, den unser Haus immer zu diesen Tagen hatte, wer sollte das wissen, wie schön das war. Viele Gebräuche hat man in sein Leben übernommen, so geht ein Stück Heimat überall mit. Was soll man sich sonst noch in diesem Leben von Ort zu Ort, von Fremde zu Fremde wünschen? Kassel, 9. März 1940 Nach Frühlingstagen ist wieder Winter geworden, aber er muss schwer kämpfen, sich zu behaupten, die Sonne ist ja zu warm. Der Schnee ist geschmolzen, es taut – ein gutes Gefühl, den Frühling zu erleben und den Winter hinter sich zu haben. Ich denke da an daheim, an den üblichen Josefi-Ausflug in die Au und an die schönen Sträuße, die wir heimbrachten. Schneeglöckchen und Seidelbast und die schneeige Luft von den Bergen. Und später dann die Schneerosen vom Untersberg, von der Klinger-Alm – wie macht einem eine solche Jugend im späteren Leben glückhafte Tage der Erinnerung. Für den Sänger Heinrich Pflanzl ist Salzburg kein Thema mehr, aber mindestens einmal im Jahr werden mit einem Besuch bei den Eltern die Jugenderinnerungen aufgefrischt. Manchmal reicht es sogar zu einem richtigen Urlaub im Salzburger Land, der die alten Bilder wieder lebendig macht.
Kassel, 31. August 1941 An die Eltern Noch klingen in meinen Ohren ländliche Klänge: Glocken von weidenden Kühen, Glocken der Morgenandacht, Rauschen der Enns, rieselnder Regen, selbst die Stille des Waldes ist ein klingender Sang … noch klingen in meinen Ohren die anderen Dinge dieser glückhaften Woche, Mozart und Strauss, der Residenzbrunnen und das Glockenspiel, alte, unvergessene Klänge aus der Jugend. Und nun sind wir untergetaucht in die des Alltags, drei Sirenennächte jagten uns aus den Betten, die Proben im Theater häufen sich und lösen einander ab, die häßliche, so sehr ungeliebte Gegend steht täglich vor den Augen, Trott, Trott des Lebens, das ist der Rhythmus, der uns nun wieder umgibt. Auf Schritt und Tritt war wieder alles so lieb und gut und ich kann es mir gar nicht denken, daß es anders sein könnte, diese sommerliche Heimkehr. Ihr könnt nicht ermessen, wie groß unsere Sehnsucht ist. Nicht die nach Feiertagen und Urlaub, da ist mir zu sehr der Ernst des Lebens mit seinen Pflichten bewußt. Nein, die Sehnsucht nach
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den Dingen des Alltäglichen, auf einen Berg steigen zu können und das Herz rein zu waschen da oben. Das Glück, das man da oben in sich fluten läßt, ist so etwas von Wunder und Geschenk, wie nur selten etwas. Und so leben wir sehr in dieser Sehnsucht. Wie damit mein Herz für mein ganzes Leben an diese Welt gebunden bleibt, das ist schlicht nur mit Vaters schönstem Lied zu sagen: „Mei Hoamat, mei Salzburg“, das hinübergeht zu dem Gefühl „… und die Sunn hat mi trickat, wann mi gnötzt hat da Regn“. Somit gebe ich alle Liebe, die meine Kindheit gesegnet, im Alter in der Erkenntnis weiter, wie sehr ich der Heimat treu bleibe und damit Euch allen, die Ihr in ihr lebt. Kassel, 9. Februar 1942 An die Eltern Ich habe kein Verlangen, am Salzburger Landestheater zu gastieren, auch nicht, wenn Herr Dr. Reitter1 das Verlangen hat. Ich habe mein Ziel erreicht und will mir nun einen Namen machen in Dresden. Es ist gar keine Kunst für die Herren, sich jetzt meiner zu erinnern, da ihnen andere, fremde Leute von mir erzählen. Ich habe diese Salzburger Blase so satt. Ich komme immer gern heim, aber künstlerisch muß das ein anderes Gesicht haben, wenn man mich hören will. Ich glaube nicht, daß Ihr besonderen Wert darauf legt, wenn euch ein Herr Hofrat X oder ein Herr Schulrat Y oder irgendeine alte Betfunse versichert, daß sie mich gehört hätten und daß ich gut sei. Das bestätigen Euch die Kritiken, die mir die Fremde erteilt hat. Das wißt Ihr und alles andere in Salzburg ist mir, mit Verlaub, vollkommen wurst! Was soll ich immer wieder davon anfangen, es ist dasselbe Lied. Kassel, 2. April 1942 Meine Gedanken gehen in die Kinderzeit zurück, da wir zu Ostern Gräberschauen gingen, in die Auferstehung, Eier suchen und so fröhlich waren. Und so sage ich in allen Dingen immer: etwas Schönes gehabt zu haben, ist auch ein Glück. Kassel, 24. April 1942 Wegen der Festspiele kann ich nichts machen. Ich kann nicht Clemens Krauss einen Brief schreiben, er möchte mich in Salzburg singen lassen. Wenn es nicht sein soll, dann eben nicht. Es ist schon merkwürdig, da alle anderen Leute nun 1
Dr. Albert Reitter, Rechtsanwalt in Salzburg.
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schon in Salzburg gesungen haben, aber da soll man nicht meckern, es ist nun mal so. Köstlich ist nur, daß ich in der Fremde allerlei gesungen habe und mit Erfolg, nur in der Heimat nicht. Kassel, 27. Mai 1942 Ein Italiener, Alberto Erede, dirigiert eben bei uns (hat 1936 in Salzburg dirigiert), der ist sehr interessiert an mir oder tut mindestens so, na, wir werden ja sehen. Es freut mich immer, wenn ich von x Leuten anerkannt werde und nur in Salzburg nicht singe. Da gibt es welche, die sitzen an der Krippe der Salzburger Festspiele, wie es immer war und wie es immer sein wird. Für die anderen gibt es vielleicht Glücksfälle oder das Nachschauen. Dresden, 25. August 1942 Die Stadt Dresden ist schön, aber wie ich nirgends heimisch wurde, wird es auch hier sein. Hier mein Leben zu beschließen, das freut mich nicht, denn das hier ist – die Fremde. Das habe ich so sehr gefunden nach den Sommertagen daheim. Ich möchte auch nicht, daß dieses „Heimweh-Haben“ einmal endet. Dresden, 23. Dezember 1942 Wenn ich am Hauptbahnhof vorübergehe, sind an einem Schaufenster Reiseprospekte zu sehen. Darunter ist ein großes Bild von Salzburg, der Blick vom Kapuzinerberg auf die Festung, zu einer Zeit aufgenommen, die weit zurückliegt. Denn darauf steht der alte Stieglkeller und in unserem Garten sieht man deutlich den großen Nußbaum. Warum ich das wohl sage? Da dies doch ein Sommerbild ist und die Bäume voll Laub stehen? Weil in diesen Tagen der Not und Pein der Blick so oft sich in die Tage der Jugend richtet. Heute ging ich wieder vorüber und sah das sommerliche Bild wie verändert vor den Augen: viel Schnee auf den Dächern und weiße Kappen auf dem Dom. Und auf dem Heimweg war ich versunken in diesem Gefühl, vor vielen, vielen Jahren dies erlebt zu haben. Den Schnee und Blick auf die Berge und die Heimat. So werde ich Weihnachten meinen üblichen Weg gehen. Denn da höre ich die alte, tiefe Domglocke läuten und das Blasen von der Katz, rieche den alten Duft, der immer im Hause webte, höre die Glocke schrillen, wenn der Kutscher den Korb brachte von der Stieglbrauerei, sehe die Schachtel „Coronas“, die immer dabei war.
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Heimweh nach Salzburg
Dresden, 3. Februar 1943 Dem Herrn Domkapellmeister Meßner in Salzburg sage ich, daß ich es nicht für notwendig halte oder für nicht so unerhört, bei den Salzburger Festspielen zu singen. Überhaupt: die Staatsoper Berlin hat mich ohne Vorsingen schon eingeladen und ich habe dort gesungen, wie an vielen anderen Bühnen. Wenn andere Leute in den Festspielen bzw. Domkonzerten singen können, dann ich schon lange. Ich bin kein Dreck! Das mögen sich auch die Herren der Salzburger Festspiele gesagt sein lassen. – Ich hab Zeit – und wenn nicht, dann nicht! Ich bin um meine Sommerpause sehr froh und habe gar kein Interesse, vielleicht noch aus besonderer Gnade, ein paar Baß-Solo-Takte in einem Kirchenkonzert der Salzburger Festspiele mitzubrummen. Nee, danke schen! Vielleicht dafür noch etwas zahlen! Mit dem Ducken kommt man nicht weiter, da wird man nur herumgeschoben. Es gilt nur das „Ja“ oder „Nein“! Und dann auf den Tisch hauen, wenn’s möglich ist. Oder klüger sein als die anderen. Aber „Danke schön“ sagen für „nix“ – ausgeschlossen. Mein Vater besucht seine Eltern in Salzburg, nachdem im Juni 1943 sein jüngster Bruder Walter im Alter von 25 Jahren in einem Lazarett in Belgrad verstorben ist.
Dresden, 9. August 1943 An die Eltern Das ewig Schmerzliche berühre ich nicht, denn das bleibt immer, daran können selbst friedlichste Zukunftstage nichts mehr ändern. So klingt nun doppelt mein Bergerlebnis in mir auf. Ich denke an die Ruhe des Waldes, in sich rauschend den uralten Sang, der von der Höhe niederfließt, die Gelassenheit, mit der die Felsen in der Zeiten Ablauf ruhen, ich denke an die zärtliche Oase des Mozartkonzertes, die in einem Irdisches löste und versunken sein ließ in unendliche Weiten. Ich denke an die vertraute Kulissenreihe der Heimat und ihrer Bauten, die doppelt teuer in dieser Gefahrenzeit vor den Augen stehen. Ich denke an den Gang zum Abschied durch die Zimmer daheim, da alles Elend und alle Trauer, aber auch alle Liebe, die mein Leben beschirmte, dort verankert ist. Ich gehe nun wieder mein Tagwerk an und oft und oft werden die Bilder dieses Sommers mit mir sein. Alles Schöne des Lebens baut sich auf der Erinnerung auf, die frohe und glückliche Tage schenken. Was wäre natürlicher, als daß sich um diese Tage wieder ein Beglückendes webt: Eure Liebe, Heimat und das Bewußtsein, in ihnen verwurzelt zu sein für alle Atemstunden.
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Dresden, 25. August 1943 Heute habe ich „Peer Gynt“, den Tod. Wenn ich die Wort singe: „Kein Mensch, kein Gott macht ungeschehn in Ewigkeit, was einmal war, die Zeit vergeht doch Jahr für Jahr, doch bleibt, was einmal war, bestehen“ --- dann könnt Ihr verstehen, wie das Herz mitsingt. Hat es denn wirklich ein Sonneck gegeben diesen Sommer, wirklich einen Weg zur Ostpreußenhütte mit allem festlichen Glanz eines Sommertags? Es ist wie ein Traum! Ich habe Heimweh, wie ich es immer hatte, allzuviel verlor ich mit Walter und viel stärker noch klebt man an dem, was einem die Erinnerung an wunderbarste Tage gibt, die ja einmal Leben hatten. Ich möchte nimmer aus dem Vergangenen gehen, das ist alles so schwer um mich, ich bin unendlich, unendlich traurig und einsam! Dies war die letzte Begegnung meines Vaters mit seinem Vater, der den Tod des jüngsten Sohnes nur um wenige Monate überleben sollte.
15. März 1944 Wie lernten wir in der Schule: „Und dräut der Winter noch so sehr, mit trotzigen Gebärden…“, draußen stürmt und schneit es ganz schrecklich und die ersten grünen Blättchen werden in weißestes Leinen gehüllt. Aber dann kommt die Sonne und legt sich mit ihren warmen Strahlen darauf und aller Winterzauber zerrinnt. Wenn wir so den neuen Frühling wiedersehen und uns bewußt werden, wie dieser tägliche Ablauf von Licht und Finsternis, wie dieser jährliche Wechsel von Kälte und Wärme sein Ewiges hat, wird alle Klage um die Toten ein Nie-Endendes. Denn jeder Vorwurf im jähen Taumel der immer wieder kehrenden Anklage gegenüber dem Schicksal und seinem harten Los, erkennt zunächst nicht das auch hier Zutreffende der Natürlichkeit des Ablaufs eines menschlichen Lebens. Es fragt und klagt das Warum an und nicht das Geschehen an sich. So gingen meine Gedanken, ohne Trost zu finden, am Sonntag zu den Gräbern unserer Toten. Dresden im Juni 1944 Stanchina, der Intendant von Salzburg, schrieb mir, ich soll ihn doch besuchen bei einem Aufenthalt daheim, er möchte mich doch den Salzburgern vorstellen. Viel Lust hab ich nimmer, denn die Dinge, die da mitspielen, sind zu verlet-
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zend gewesen. Den Salzburgern zuliebe? Nein, von denen habe ich nichts Gutes bekommen, die feiern jeden Anderen jetzt mehr, als daß man einmal an mich gedacht hätte. Dresden, 16. März 1947 Heute haben wir endlich 12° Wärme und der Himmel ist von einer echten, freundlichen Bläue. Diese Tage wecken die Erinnerung an daheim. Ich denke so oft daran, wenn am Mönchsberg die Leberblümchen blühten, auf dem Festungsberg neben Schneeresten schon die Schlüsselblumen standen? Im „Bürgermeisterloch“ die Veilchen, die Wärme auf der Bank dort, unsere schönen Klettereien! Ach, was waren das für herrliche, wunderbare Tage! Darauf freue ich mich, wenn ich nochmals heimkommen sollte. Diese Fleckerln alle aufsuchen und an jedem verweilen und die Augen schließen und sich dem Traum hingeben, es wären noch die alten, seligen Tage! Dresden, 27. Juni 1947 Ach, in Salzburg werde ich nie singen, in meinem noch vor mir liegenden Leben nicht. Vor der Nazizeit war ich zu jung als Künstler, während der Nazizeit – ach, es ist doch egal. Am meisten dagegen waren die Salzburger, die im Gremium der Festspiele saßen und sitzen. Die Herren haben sich um mich nicht gekümmert, als sie’s gekonnt hätten, es mußten die gleichen Leute singen, die heute wieder singen. Salzburg ist für mich und bleibt für mich die Heimat. Aber nie mehr will ich von den Leuten dort etwas hören und wissen, sie sind mir zum Kotzen! Ich bin für Salzburg ein Fremder geworden! Die Fremde, Weite ist meine Heimat, zwangsweise! Ein paar gute Seelen, die Berge, die Gräber meiner Familie – das ist für mich „Mei Hoamat, mei Salzburg“! Alles Andere ist gestrichen! Für immer! Berlin, im Januar 1949 Wenn die in Salzburg glauben, ich soll zuerst gastieren oder sonst was unternehmen, so sind sie auf dem Holzweg. Ich habe nicht nötig, jemanden zu bitten. Wenn sie mich als „Ochs“ haben wollen, dann bitte genügt ein Telegramm und meine Zusage kommt. Ich singe dauernd den „Ochs“ an der Berliner und Dresdener Staatsoper, da muß doch schon was dran sein. Es ist lachhaft, das man als „Salzburger“ so zögernd und mit allen Vorbehalten angefaßt wird. Immerhin
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habe ich mich nun ganz nach vorne gearbeitet und wenn sie glauben, es reicht nicht an Leute wie X und Y heran, dann sollen sie’s lassen. Ein Witz, ein großartiger Witz. Berlin, 23. März 1949 So muß ich denn meinen Traum, in Salzburg zu singen, endgültig aufgeben. Ach, was hab ich mich gefreut und wie schwer traf es mich. Aber ich lebe in der Ostzone und singe an Theatern in der Ostzone. Damit komme ich in die zweite Wahl, wenn ich überhaupt in Frage komme. Also: schon wieder belastet. Bei den Nazis kam ich nicht dran, weil ich nicht als „zuverlässig“ galt und nun bin ich wieder belastet. Na, ich muß es mit Würde tragen. Ich denke jetzt oft daran, wenn im St. Peter-Friedhof der Schnee wegging, dann wurde es Frühling. Wie das gluckerte, die Festungsgasse runter, wie auf der Stiege der Sand vom Winter knirschte. Ich höre das Aufklatschen des rutschenden Dachschnees vom Dom und sehe den Kapuzinerberg vor mir im warmen Licht der ersten Frühlingstage. Ich sehe mich mit meinen Brüdern aus der JosefiAu kommen, ich rieche den Seidelbast und die Schneeglöckchen. Warum hat uns niemand gesagt, daß das die glücklichsten Tage des Lebens sind? Berlin, 18. Mai 1949 Ich habe mir immer gewünscht, im Alter ein kleines Häusl bei Salzburg zu haben und recht geruhsam den Abend und den Friedensschluß meines bewegten Lebens zu erwarten. Nun, das hat alles der Krieg und der herrliche Frieden zunichte gemacht. Ich werde arbeiten müssen bis zum Schluß – und die Heimat entschwindet in die märchenhafte Ferne! Berlin, 6. Juni 1949 (Pfingstmontag) Viele alte Stunden steigen auf aus früheren Tagen. Wohin ist das alles entschwunden? Hellbrunn und Maria Plain, die Lieblingsausflüge meines Vaters, die Glasenbacher Klamm und die Schwaitl, war das alles Traum, daß man diese Wege ging in der Kühle des Sommermorgens, da zwischen dem Huflattich (wie machten wir aus den kleinen Blättern „Fotos“) die Erdbeeren standen, der schöne Türkenbund und die vielen guten und lieben Bäume! War es Traum, daß wir im Morgendämmern über die Griesscharte stiegen, an den Alpenrosen vorbei, den schweren Rucksack auf dem Buckel, daß wir oben saßen auf der Edelweißhütte,
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in der wunderbaren Stille der Bergwelt, mit dem Blick auf die vielen Spitzen. Die wunderbaren Nächte, da der Himmel näher ist als unten im Tal … war das alles ein Traum? Mein Herz ist ganz schwer und müde vor Sehnsucht, von der Last des Heimwehs. Ich weiß (ach, in meinem Steingarten habe ich Edelweiß stehen) wie wir auf der Keinbergalm die Blutorangen in dem Lawinenschnee begruben. Und wie wir inmitten der Verwüstung, die die Lawine angerichtet hatte, in dem zerrissenen Wald plötzlich vor einer Insel standen, die grün war und gelb im Schmuck von Hunderten von Gamsbleamerln. Alles weiß ich und es wird immer in meinem Wissen stehen. War alles, alles nur ein Traum? Eh’ wir’s recht begriffen haben, ist das Leben vorbeigerauscht und wir stehen in der Abendsonne. Berlin, Ostern 1950 Was ist das doch für ein Gegensatz: hier das Gehetze, Gejage, die vielen Menschen in der Straßenbahn, kein österliches Bild – daheim die Auferstehung mit den Glocken und dem Duft der Kerzen, die weihrauchige Kirche – ach, war das schön, war das einmal wunderschön! Berlin, 4. Mai 1950 Die Erinnerungen an den Kirtag auf der Festung sind unverrückbare Bilder, ja, fast stellt sich der Geruch nach Krapfen ein. Dann gab es die Nachkirtage, den starken Verkehr auf der Drahtseilbahn, die Buden oben auf der Festung, ja, ja, wohl vergangen, aber es leuchtet doch immer noch und wir müssen nur viel mehr lernen, das Unabwendbare zu ertragen und dankbar zu werden dem Erlebten gegenüber. Berlin, 23. März 1952 An die Mutter Wäre ich jetzt daheim, so würde ich in die Josefiau gehen und Schneeglöckchen holen. Ich habe alles so gut im Gedächtnis und das empfinde ich immer wieder als ein großes Geschenk. So weit zurückschauen können und sich freuen dürfen an dem, was einmal war. Daß es nicht mehr so sein kann, das muß man als reifer Mensch erkennen und verstehen, umso schöner ist das Gefühl, das erlebt zu haben. Das Leben ist ein Schreiten, kein Stillstehen, aber wenn ich mich am Ende dieses Weges auf jeden Baum besinnen kann, der wohltätigen Schatten spendete, auf jeden Mitwanderer, auf die, die im Feuer des Lebens zu Boden gingen, wird dann nicht zum Abendrötlichen die Schau ins Land eine klarere und auch eine erkennendere? Deshalb, liebe Mutter, möchte ich Dir auch sagen, wie sehr jede Stunde da-
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heim, bei Dir, für mich etwas ist, das man nicht kleiner machen soll durch ein Gerede vom „Bescheidenen“, von dem „engen Raum“ und der Enge überhaupt. Weißt Du, was das heißt für mich, Mutter, daheim zu sein? Ich glaube fast, Du weißt es nicht. Oder Du weißt nicht, was Fremde heißt. Was das heißt, unter fremden Menschen zu sein und nur durch die Arbeit, die man leistet, die kalt und sachlich bewertet wird, sich durch diese Arbeit weiter zu bringen und auch vorwärts. Ich habe auf meinem Lebensweg mehr Schwierigkeiten gefunden als Wege, die leicht zu laufen waren. Ich habe gut gearbeitet, aber das Glück hat lange gezögert, mit zu marschieren. Ach, und was ist letzten Endes das Glück. – Ich habe gelernt, nicht immer nach oben zu langen, ich war und bin dankbar, daß ich aus dem Kriege und aus der Hölle von Breslau heim kam, daß ich meinem Jungen ein Dach und nun auch viel Freude schaffen kann, daß ich Frau und Kind wiederfand, daß ich Euch wieder sehen konnte, die Heimat. Das alles glaubte ich, nie mehr zu sehen. Darum, Mutter, ist mir die Holzdecke im Fremdenzimmer allein schon ein Feld unendlicher Erinnerungen, oder ein Blick nur aus dem Fenster, oder ein Stück Weg, nur ein Stück Weg. Ich lebe 22 Jahre in der Fremde und mein Beruf hat mich nirgends heimisch werden lassen, es ist ein Wandern. So klammert sich mein Herz mehr, als Ihr es daheim erfassen könnt, an alles doppelt stark und tief, was Heimat ist, Kinderleben und Jugenddasein. Und wenn ich einmal zu St. Peter heimgeholt werde, so muß niemand traurig sein oder betrübt, denn ich weiß dann, ich muß nimmer fort von daheim, nimmer in die Fremde. Ich ruhe im Schatten meiner Heimat. Und daher, Mutter, rede nie mehr von der Bescheidenheit des Daheims. Manchmal ist dem Einen ein Königreich das, was dem Andern ein dürres Land ist. Berlin, im Dezember 1950 An die beiden Brüder in Salzburg Wieder senkt sich die Weihnacht übers Land und die Gedanken, vom Treiben des Tages ermüdet, verspinnen sich und wandern nach rückwärts … Was mir das Schicksal zuwarf, was die Güte der Eltern und Geschwister bauen half, das ist nicht nur ein Weg des Freundlichen und Hellen gewesen. Ich habe in allem die Faust gespürt, die einem aus dem Dunkel heraus plötzlich abzuwürgen scheint, ich habe kummervolle Nächte gelebt. Nur Eines blieb mir immer am Rand des Wechselvollen: Ihr daheim, die Berge, die Heimat, die Eltern und die Geschwister. Es gingen so viele aus unserem Kreis, leben wir unser Leben unserer Mutter zu Ehren und zur Freude und spüren wir beglückt, daß in allem Klingen, das
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die Musik unseres Lebens ist und war, die Glocke der Heimat den reinsten und wohltönendsten Akkord schlägt. Bayreuth, 2. August 1951 Wenn ich Bayreuth nun so vergleiche mit Salzburg, so ist ein Unterschied zu allererst festzustellen: man kann aus einer kleinen bayerischen Provinzstadt keine internationale Festspielstadt machen. Was Salzburg fast zum Ersticken bringt, die Fülle von Menschen, das ist hier eher das Gegenteil. Die Stadt bietet nach einer halben Stunde Rundfahrt nichts, dazu ist sie zu klein. Die Umgebung ist hübsch, aber schenkt nicht die Vielfalt. Ich muß also wieder sehr das Lob der Heimat singen. Berlin, 16. September 1951 Intendant Stanchina vom Landestheater Salzburg hat mich eingeladen, im November in einer Neuinszenierung von „Verkaufte Braut“ den Kezal zu singen. Ich schrieb aber ab. Erstens fehlt mir die Zeit, zweitens soll kein Salzburger sagen, daß ich eben für die Festspiele nicht tauge und nun im Landestheater singe. Ich habe es so weit geschafft, daß ich in mein Sängerleben eintragen kann, in Bayreuth gesungen zu haben, bin in Berlin erster Sänger … also, was soll ich mir noch wünschen. Zur Auslandskarriere habe ich nach 1945 den Anschluß verpaßt und bin nun nicht mehr „Nachwuchs“. Da hätte ich eben in Wien sitzen müssen, dann wäre es gegangen. Vielleicht singe ich aber dadurch länger und habe mir meine Gesundheit besser erhalten. Ich erkenne das günstige Walten und bin dankbar. Man muß dankbar sein und werden und nicht immer Forderungen stellen an das Leben. Berlin, 10. Mai 1958 Ich könnte den Salzburger Zeitungen jetzt noch einen Termin nennen, an dem ich Kammersänger der Berliner Staatsoper wurde. Aber die Beziehung der Heimat zu meinem Sängerleben ist auf einem absoluten Nullpunkt und interessiert mich in keiner Weise. Ich bin wohl noch österreichischer Staatsbürger, aber was mich mit Salzburg verbindet, das ist einzig und allein mein Elternhaus, die Stadt und das Land meiner Kinderzeit, meiner Jugend. Das ist der St. Petersfriedhof, dort, wo die guten Eltern für immer schlafen. Berlin, 11. Januar 1960 Meine Krankheit: Heimweh nach den Bergen!
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Wieder daheim Der Vertrag mit der Deutschen Staatsoper in Ostberlin ist gelöst, alle dort erworbenen Pensionsansprüche sind damit verloren. Da eine Beschäftigung für meinen Vater in Westberlin nicht in Aussicht steht, wird das Haus in Dahlem schnell verkauft, werden die Möbel gepackt und man zieht in die alte Pflanzl-Wohnung in der Festungsgasse 6 in Salzburg. Die Pläne für einen Hausbau auf dem Grundstück des Sohnes in Großgmain sollen nun möglichst schnell realisiert werden. Aber zunächst ist der Schock groß: Es waren ja gerade einmal zwei Vorstellungen, die mein Vater im August gesungen hat, dann war die Spielzeit für ihn zu Ende. Nun sitzt er in der so lange ersehnten und inzwischen fremd gewordenen Heimat, in der abgewohnten und eiskalten Wohnung seiner Eltern. Doch schon kommt erste Hilfe von einem alten Freund der Familie, von Heinrich Kiener, dem Direktor der Stieglbrauerei.
29. September 1961 Wie das hier bei zunehmender Kälte in der Festungsgasse werden soll, weiß ich nicht. Wir haben versucht, halbwegs aufzuräumen, aber der Modergeruch und die Mistkammern sind immer noch schrecklich. Kiener bestand darauf, daß dies kein Aufenthalt für uns wäre. Er ist bereit, eine Eigentumswohnung zu kaufen und sie uns zur Verfügung zu stellen. Morgen werden wir mit Herrn Jellmaier von der Brauerei ein Objekt ansehen. Wir danken dem lieben Gott und Heini Kiener, der uns in einer Weise, wie wir es wirklich nicht erwartet hatten, gegenüber trat. So ist die Wohnungsfrage bis zum Einzug in Großgmain schnell gelöst und auch die alten Jugendfreunde sind zur Stelle, der Schriftsteller Georg Rendl, der Musikhistoriker Erich Schenk und Josef Kaut, inzwischen Landesrat für Kultur. Und dann meldet sich die Stuttgarter Oper.
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7. Oktober 1961 Am 12. November singe ich den van Bett in der Stuttgarter Oper. Ich habe um umgehende Übersendung des eingerichteten Auszugs gebeten, weil ja gerade in „Zar und Zimmermann“ viel Dialog drinnen ist und überall anders gestrichen wird. Wenn auch der van Bett nicht zu meinen Lieblingsrollen gehört und ich ihn sehr lange nicht gesungen habe, so ist er doch recht gut im Gehirnkastl bereit. Hoffentlich ist das ein guter Anfang. 2. November 1961 Ich wanderte zum Friedhof von St. Peter. Es ist mir von früher und besonders vom Vorjahr (wer hätte gedacht, daß ich ein Jahr später als Arbeitsloser wieder dort stehen würde) noch das gespenstische Bild in Erinnerung, wenn die schwarzen Kapuzen der Patres, die in der Friedhofsprozession mitziehen, vom Kerzenlicht umflackert, auftauchen und sich dann wieder im Dunkel verziehen, wenn die Gesänge der Totenlitanei wie Wellen aus einem anderen Leben an den Grabstellen vorbeitönen – ein echt romantisches Erlebnis aus dem urkatholischen Fundus dieser Stadt. Ich ging vormittags weg in die Festungsgasse1, habe von 11–1 Uhr gearbeitet und von ½ 2 bis 4 Uhr weiter exerziert. Ich liebe ja den „Zar und Zimmermann“ nicht so besonders, man kann sich das aber nur ins Gedächtnis rufen, wenn man unentwegt wiederholt. Und ich habe ihn nun wirklich wieder sehr beruhigend im Ohr. Da ich am 11. vormittags eine Probe habe, will ich am 10. nach Stuttgart kommen, vielleicht kann ich noch eine zusätzliche Probe bekommen. „Pasquale“ ist nun auch angeschwommen: ich werde zwar nicht die Premiere bekommen, singe aber bereits die 2. Vorstellung am 1. Januar. Am 1. Dezember beginnen die Proben. Ach, wenigstens wieder einmal proben können. Es ist schwer, trotz allem, dieses Ausgestoßensein von einer regelmäßigen Arbeit. Stuttgarter Zeitung vom 8. Januar 1962 Donizetti „Don Pasquale“ Heinrich Pflanzl wußte als Don Pasquale zwischen der Miniatur der vielfältigen buffonesken Scherze und dem großen Zug der Rolle wohl zu unterscheiden. Seine Deutung der Rolle führt zu einer Charakterfigur, die den Kampf mit dem 1 In der Festungsgasse 6, der alten Wohnung der Familie von Otto Pflanzl, steht noch der Flügel aus der Jugendzeit. Hier arbeitet mein Vater nun an seinen Partien.
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Teufelchen Norina besteht und zur Höhe einer Resignation gelangt, die weit über die Ziele der landläufigen Buffa menschliche Tragik erreicht. Eine Gestalt, die Junggesellenschrullen mit Charme verbindet und noch in der Rolle des geprellten Mannes und Liebhabers liebenswert bleibt. Auch gesanglich gab Heinrich Pflanzl eine mannigfaltig modifizierte Deutung. Stuttgarter Nachrichten vom 8. Januar 1962 Donizetti „Don Pasquale“ Heinrich Pflanzl ist ein routinierter Komödiant, sein Pasquale hat viele persönliche, liebenswert-kauzige Züge. Allgemeine Zeitung vom 8. Januar 1962 Donizetti „Don Pasquale“ Daß Heinrich Pflanzl als Pasquale ausgezeichnet bestand, eine Type, ein Original inmitten übermütigen Gewusels, dazu gesanglich obenauf blieb, ist dem Gast hoch anzurechnen. 28. Februar 1962 Aus Wetzlar bekam ich ein Angebot für „La serva padrona“, 10 Vorstellungen (die wollen ein kleines Theater eröffnen), 250 DM pro Vorstellung und Reise plus Übernachtung. Ich habe nicht abgelehnt, möchte nur die näheren Daten wissen, da das im März sein soll und ich ja das Öperchen fast dreißig Jahre nicht gesungen habe. Ohne Ahnung bin ich. Na, wir werden ja sehen. Aber besser ein bissel was, als in die hohle Hand geschaut. Von der „Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen“ in München habe ich auf meine Anfrage mitgeteilt bekommen, daß ich schon 65 Jahre alt sein muß, um in den Genuß der Pension zu kommen, außer meine Gesundheit nimmt um die Hälfte vergleichsweise zu der vollen Gesundheit ab. Ich warte auf ein Wunder, wie ich die sechseinhalb Jahre bis zum 9. 10. 1968 überbrücken kann. Halleluja! Während mein Vater in Stuttgart für „Don Pasquale“ probiert, kann ich mit ihm eine Szene für meine Opern-Serie „Die schöne Stimme“ beim Fernsehen des Süddeutschen Rundfunks drehen, die Arie des Burgvogts aus Dvoraks Oper „Der Jakobiner“.
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21. März 1962 Heinrich Pflanzl an seinen Sohn Am 27. komme ich wieder nach Stuttgart, habe am 28. vormittags mit der Rogner1 Probe. Vielleicht kommt nun doch öfters der „Don Pasquale“. Eine große Freude ist mir Dein Bericht, daß der „Jakobiner“ in Ordnung ist. Es war doch für mich etwas Neues, da weiß man nicht, ob es hingehauen hat. Hast mir viel Stütze gegeben, bin aber auch für Dich froh, daß es gut geworden ist.
Geschreibsel Trotz meiner Bemühungen ist es mir nie gelungen, die ganz sicher vorhandene schriftstellerische Ader meines Vaters zu aktivieren. Die Versuche in der Jugendzeit, seine Briefe und Gedichte – er konnte schreiben und es hätte wohl auch für größere Texte gereicht. Aber er hatte sich nun einmal für die Musik entschieden, da war kein Platz mehr für Anderes. Nur manchmal, in sehr stark gefühlsbetonten Momenten, wenn das Heimweh kam, wenn gefeiert wurde oder getrauert, dann war immer Zeit für ein paar bewegende Zeilen.
Wien, 11. Mai 1928 An die Mutter zum Muttertag Erkennen, dafür braucht es für so tiefe Wunder, wie das Leben und die Liebe einer Mutter ist, lange Zeit. Und spüren, wo soll man, wen man inmitten dieser Liebe sitzt, das spüren, da es einem eine Selbstverständlichkeit ist. Die Jahre rinnen und das Denken reift. Und da klärt sich dann alles, dann erst reift die Liebe, ich möchte das Sorge nennen, Sorge um dieses Leben einer Mutter. Wien, 10. Mai 1929 An die Mutter zum Muttertag Meine liebe Mutter, ich grüße Dich zum Tag der Mutter in aller Dankbarkeit und Liebe. Und nimm dies nachstehende Gedicht, oder besser, diese Worte als einen Gruß von wissender Liebe und Verehrung für Dich Dein Heini Ich war allein und meiner Einsamkeit mir sehr bewußt. Im Innern fror es mich und gar das Herz, Das pochte leise nur und sehr, sehr zage. 1
Eva-Maria Rogner, Sopran der Münchener Staatsoper, singt die Norina in „Don Pasquale.
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Ich stand am Waldesrand, weit vor mir, da lag ein Ackerfeld. Sonst nichts. Und sagen konnte ich hier nicht, noch fühlen, daß Heimat mir dies sei. Ich war sehr einsam da und zog mein junges Leben durch das Sieb. Ich zählte Kindheit, Jugend, und alles fiel Durch Maschen, die ich wohl und klug gezogen hatte. Und nichts nun blieb als: Mutter, Heimat, Vaterhaus. O Mutter, Heimat, Vaterhaus! Wie froher war das Schauen, denn über dieses Feld hin zog mein Blick Durch Wolkenberge, über Tal und Fluß Zu meiner Heimat, meiner Mutter. Es wurde mir da sehr bewußt: Nur in der Stille, in der Einsamkeit Erblüht die tiefste Freude, wird dir das tiefste Wissen.
Auch dem geliebten Vater gilt der Dank, geschrieben wohl in der gleichen Zeit, in den ersten Jahren fern der Heimat, leider aber ohne Datum:
Meinem lieben guten Vater! Vater, Dein Leben war hart! Die Arbeits schrie’s den Tag und oft die Nacht hindurch Dir in’s Gesicht. Wie schwer das ist für uns, Die wir uns ducken müssen, Weil wir nicht Gold und Reichtum haben. Wie weich das Knie dann wird und krumm der Rücken Und wie da hinter jedem Sonntag Die schwarze Wand der Woche droht. Es gibt nie restlos uns das Leben Schönes. Es ist kein Mensch um uns, der nicht gefehlt. –
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Ich bin nun in der Fremde, Die mich gar sehr das Sehen und Erkennen lehrt. Ich bin recht still für heute, Da ich nun Dir, mein Vater, danken will. Mir scheint die Helle stärker als sie Dir einst ward, Mir wurden viele Stufen weggeräumt, Die Du erst steigen mußtest, In Not und Herzenspein. Und das, mein Vater, wünsch ich mir: Von aller Helligkeit, die um mich ist, Dir nun Dein Leben zu erfüllen, Daß lächelnd Du in alles Sonnen schaust, Wohl wissend und erkennend nun das Eine: Gott schenkt dem braven Mann nach vielen harten Tagen In seiner Kinder Augen fröhliche Feierstund. Dein Heini Breslau, 20. August 1930 Hab nie gewußt, wie tief die Lieb zur Heimat ist, Hab immer nur gemeint, es wär „Gefühl“. Nun aber da ich in der Fremde bin Erkenn ich erst des Lebens Ziel. O Heimat, du, nur einmal einst in dir zu ruh’n, Die Erde täglich sehen, die meine Kindheit sah, Die Wege all zu gehen, die meine Jugend ging Und all die Schönheit einmal ohne Bangen wieder trinken dürfen, Wie ich sie in der Fremde, träumend, hart in Sehnsucht trank. Und einst, in deinen Schoß gebettet, still zu ruhen, Der Berge Wunder da im Reigen rund um mich, Der Heimat Himmel über allem ew’gen Schlaf, Der Heimat Erde nah für alle Zeit Und heimgekehrt nun froh in alle Ewigkeit. Das ist mir so aus der Feder geflossen und es soll nicht unterschlagen sein.
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Breslau, 13. Mai 1933 An die Mutter zum Muttertag Meine liebe Mutter, zum Tag der Mutter grüß ich dich. Ich sehe hunderttausend Frauen auf endlosen Straßen gehen und diese Straßen sind hart, steinig und voll Kummer. Neben ihnen laufen tausend Pfade, die weich und leichten Fußes zu gehen wären. Die hunderttausend Frauen aber gehen auf ihren endlosen, steinigen Straßen weiter. Das seid Ihr, Mütter, Frauen in der wehen Mutterwanderschaft! Die tragen harte Last, die gehen sich die Füße wund. Und sind nie auf sich bedacht. Wissen immer nur Eines: Kind, Kind! Wandern durch den Tag, wandern durch die Nacht. Sie bauten unserer Kindheit den Himmel, der uns erst später so im hellsten Glanze leuchtet. Und wandern durch ihr Leben, das das ihre nicht mehr ist. Und unter diesen Frauen bist auch Du, Mutter Was Du mir bist, das weißt Du, das fühlst Du. Und so denk ich Deiner heute, Mutter, in besonderer Stille und richtigem BeiDir-Sein. Und danke Dir, daß ich Dein Kind sein darf. Breslau, 17. August 1935 Zum 70. Geburtstag des Vaters Mein lieber, guter Vater, vor 10 Jahren trommelte uns fröhliche Marschmusik aus den Betten. Die Welt war nicht besser, nicht schlechter, wie sie immer war und heute ist. Für uns aber war es ein großer Festtag. Uns war es nie so bewußt, wie sehr Du verehrt wirst, wie Du nun den großen Söhnen der Heimat zugezählt bist, wie Du berühmt im schönen Sinne des Wortes bist. Wir spielten als kleine Kinder mit Dir im Bett, wir lernten die Heimat durch Dich erkennen und zutiefst lieben, wir aßen mit Dir an einem Tisch, es ging halt immer so: Du warst der Vater. Und wir Deine Kinder. Kinder, mit Schwächen und Vorzügen, wie alle Kinder. Darum war auch unsere kindliche Liebe mit allen diesen Schwächen und Vorzügen überschattet oder erhellt. So wurden wir älter. Zogen in die Fremde, kehrten zurück, nur ich blieb draußen und der Jüngste. So sind zehn Jahre vergangen. Ich schaue zurück auf beinahe die Hälfte Deines Weges. Und, Vater, ich möchte es Dir durch ein Bild sagen: Du bist der
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große, wetterharte Baum. Wir sind Deine Äste. Das gleiche Holz, den gleichen Saft aus dem Heimatboden ziehend. Und wir legen uns um den Stamm, sind auch windumbraust und in manchem Wetter gestanden. Aber wir wurzeln fest und unlöslich in dem, was uns das Leben schenkte: Erdreich der Heimat, das Gebende und Führende der Kinderzeit, immer und immer wieder das Wissen um die Wurzel unseres Lebens. Darum laß mich auch zu Dir im Namen meiner Geschwister reden, Vater: wir danken Dir, daß Du unser Vater bist, daß wir Deine Kinder sein dürfen und wünschen Dir und uns recht lange, lange noch dieses Gegenüberstehen. Das ist unser größter Wunsch. Und für mich, dem Kind in der Fremde: Vater, am meisten dank ich Dir, daß Du mir das Heimweh gabst! Ich bin in dem für mein ganzes Leben verharrend: in Heimat, in Dir, im Erdreich Deiner Wurzel! Von tiefstem, innigstem Herzen alles Gute! Dein Heini Breslau, im Februar 1936 Mein Vater schreibt mir: „Wie kann Dich mein Geschreibsel interessieren, ich bin doch der Arme von daheim“. – Ja, Herrgott noch mal, aber an diesem „Armen“ hänge ich, an diesem „Geschreibsel“, wenn es als solches bezeichnet wird, an diesem hab ich Freude. Wollen wir denn literarische Briefe austauschen mit Abhandlungen über das psychologische Fluidum zwischen Feder, Tinte und Papier oder über Anderes. Oder wollen wir uns, wenn uns eben das Leben auseinander trieb, nicht in solchen Briefen ab und zu mal sagen, was passiert ist, was vorgeht im Daheim, in der Heimat, wollen wir diese Briefe nicht als „Geschreibsel“ abtun, sondern doch bekennen, daß wir manchmal darauf warten mit brennendem Herzen. – Breslau, 10. Mai 1936 An die Mutter zum Muttertag Tausend Hände sah ich in meinem Leben. Gute, böse, zerrissene und zerschundene, gierige, milde und zarte. Und aus den Händen dieser Tausende, ragen Deine, Deine lieben kleinen Hände, die so oft für mich tätig waren, die weichen, lieben Hände, die meine Kindheit segneten. Tausend Augen trafen mich. Gute, böse, gierige, lauernde, gebende, leidvolle Augen. Und aus den Tausenden Augen strahlen Deine Augen. Die in Liebe und Gut-
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sein mir gestrahlt, die in Tränen lagen für mich, die in Freude lachten, die in stillem Schmerz klagten. Die das Licht meiner Kindheit hüteten. Und tausende Füße trugen ihr Leben an mir vorbei. Müde, matte, froh schreitende, kraftvoll. Und doch klingt in mir der Gang Deiner Füße. Die vielen Wanderungen, die meiner Kindheit galten, in Sorge, in Kummer, in Liebe. Und tausend Menschen sah ich und tausend Sonnen strahlten und tausend Sterne funkelten. Und tausend Frauen sah ich. Hassend, liebend, hingebend, empfangend und schenkend. Und all das Tausendfache dieses Lebens aus Augen und Händen, aus Menschen, aus Sonnen und Sternen, erlischt vor dem Wunderbarsten: vor Dir Mutter! Dies ist mein Denken zum Sonntag der Mutter am 10. Mai 1936 Nur einmal gibt es einen Hinweis darauf, dass Heinrich Pflanzl sich entschlossen hat, ein größeres Werk zu schreiben. Leider hat sich davon keine Zeile erhalten, das Romanprojekt ist dann wohl in den Wirren des Krieges untergegangen.
Dresden, 17. Februar 1942 Ich arbeite nun an einem Roman, der mich sehr erfüllt. Ich habe die Struktur aufgestellt und, weil ich nicht so blindlings drauf losarbeiten will, als anständiger Baumeister das Gerüst verklammert. Ich dränge mich nicht dazu, aber das Reifen in dieser Arbeit gibt mir viel Freude. Der Krieg trifft auch sehr bald die eigene Familie. Bei einem Salzburg-Besuch schreibt Heinrich Pflanzl im Gedenken an seinen kurz vorher verstorbenen Bruder Walter in das Hüttenbuch der Edelweisser-Hütte auf Sonneck:
2. August 1943 Es ist so, wie in früheren Jahren breit bauen sich die Berge auf vor unserem Blick, sie stehen klar und rein im wunderbaren Blau des Himmels – tief erlebtes Glück! Du fehlst uns sehr. Denn anders ist das Heute,
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die Berge, sie sind Grenze nicht noch Rand, wir schauen mit ihnen in die ferne Weite und unsere Herzen wandern in ein fremdes Land. Es schlagen über uns der Trauer schwarze Flügel und tiefes Weh den Blick uns trübt. So grüßen Dich Sonneck und seine Hügel, der Heimat Berge, die Du so geliebt. Der Krieg ist vorüber, aber schon wieder kommt eine Unglücksmeldung aus Salzburg: Die Schwester Martha wurde ohne eigenes Verschulden in einen Unfall verwickelt, als der Benzinkanister eines Militärfahrzeuges mitten in der Stadt in Brand geriet. Sie liegt mit schweren Verbrennungen im Krankenhaus.
Dresden, 21. Juni 1949 Wir alle wollen unseren Glauben zusammenlegen, daß alles in diesem wunderreichen Getriebe seine Ursache und seine Wirkung hat. Jedes Leid findet seine Ergänzung in einem Glück und jede um jede glückliche Stunde schwebt die Ungewißheit der nächsten, vielleicht zutiefst schmerzlichen Begegnung mit dem dunklen Los. Martha erliegt am 5. August ihren Verletzungen. Von der einst so großen Familie leben nun nur noch zwei Brüder und die Mutter.
Dresden, in der Nacht vom 6. zum 7. August 1949 O Schwester, Du, in dieser Nacht halt ich an Deiner Bahre Wacht. Die Augen so vom Weinen blind, an meinem Herzen der Atem zerrinnt. Wie sehr war Dir das Leid gegeben, Dein Weg war tiefste Not und Qual Ach, tausend Schwerter stießen in Dein Leben und tausend Wunden brachten Dich zu Fall.
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So laß Dich in die Grube tragen, da nun der Heimat Erde Dich umschließt. Geliebtes Bild aus ferner Heimat Tagen, Dich meine Seele nie, ach nie vergißt. Dresden, im August 1949 Nun hast auch Du den dunklen Strom befahren, der in das Reich der Schatten lenkt. Geschlossen sind die Augen, Deine frohen, klaren, und tiefster Schmerz hat sich auf uns gesenkt. In Deinem Zimmer schweigt nun alles Klingen und Deine Hände ruhen aus. Dein liebes Lachen und Dein helles Singen, es ist gestorben. Tot ist auch das Haus. Ruh aus vom Schmerz der letzten Tage, da nun zu End gelitten alle Pein. Verstummt des qualzerrissenen Körpers Klage – er ruht in Gottes unerforschtem Sein. 24. August 1949 Beweinen wir die Toten! Beklagen wir unsere Einsamkeit! Aber leben wir auch denen, die uns brauchen. Das Leben geht weiter, und es geht sehr intensiv weiter, denn die kommenden Wochen und Monate sind für meinen Vater ausgefüllt mit dem Studium und den Proben für den Kreon in der orffschen „Antigonae“. Es sind nicht nur die musikalischen Schwierigkeiten, der Komponist vertonte die hölderlinsche Übersetzung des Sophokles-Textes, eine Sprache, mit der man sich sehr intensiv befassen muss. Im Januar war die erfolgreiche Premiere und inzwischen ist der fünfte Jahrestag der Zerstörung Dresdens gekommen, durchaus ein Anlass für emotionsreiche Erinnerungen. Für meinen Vater ist das wohl verbunden mit dem Bild seiner Heimkehr aus dem Krieg und der Wiedervereinigung der Familie, denn er findet einen überaus witzigen Ton für die bevorstehende Heimkehr des Sohnes von einem Skikurs im Erzgebirge, er imitiert Sophokles und Hölderlin.
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13. Februar 1950 Heinrich Pflanzl an seinen Sohn Wohl, Sohn, so auch muß es sein, daß der geläufigen Hand Flüchtend entspringen die Grüße, geformt vom Gedenken. So wie über das schroffe Gebirge, dem rissigen Antlitz der Erde, früh, wenn die Nebel verdampft, rosigen Fingern gleichend, Lichtstrahlen sich legen, der ewigen Sonne frohes Begrüßen, so auch legte die kleine, doch liebreich gelenkte Kette der Grüße vom erzigen Berge, ein schenkendes Leuchten freudig sich, von Augen erspähet, und von der Neugier beflügelt des voll frohen Lichtes auf unsere offenen Herzen. Und wie im geübten Spiele des Volkes der alten Hellenen Der Ball, vom Fänger getrieben, dem Werfer zueilet im Fluge, so auch zu Deinem Herzen, mag es doch liebend bereit sein, fließen die Grüße derer, die Dir die Götter bestimmten, das grausame Wehen des Schicksals mildernd und flehend zu lösen, und jäh hereinreichende Klage in Trost und Helle zu tauchen. Mag doch der zürnende Himmel mit dunkelem Grau sich bedecken Und Euren freudigen Schritten die weiße Decke verbreiten, so Eure glatten Hölzer, wie Tiere, flüchtende, sausen und in dem Schwunge des Edlen, schneiden die Luft, die durchflockte. Dies ist der Gruß und das Zeichen, daß niemals wir Deiner vergessen, wir nach erfüllten Tagen, das Tor gastlich weit öffnen, das Feuer am Herde entfachen, und Lager, das alte bewahrend, Dir Willkomm, den freudigen, mit tönenden Wellen Dir bieten. In den nun folgenden zwölf Jahren beherrscht dann ausschließlich die Oper das Leben meines Vaters. Premieren, Gastspiele, Erfolge – und immer wieder neue Partien, die das Repertoire erweitern. Da bleibt keine Zeit für Besinnlichkeit, keine Zeit zum Schreiben. Doch als dann der endgültige Abschied von Berlin bevorsteht, die Trennung von der Staatsoper Unter den Linden, vom Haus in Dahlem, vielleicht sogar vom Sängerberuf, da sind sie wieder, die bewegenden Töne:
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Berlin, im September 1961 Nun hab das Haus ich das im stillen Winkel stand, verkaufen müssen, und eine fremde Hand wird meine schönen Rosen schneiden. Nun ist das Lied schon stumm und meine Rollen liegen tief im Schrank. Ach, müden Schrittes gehe ich die alten Wege. Die Augen brennen tränenmüd. Mit der Rückkehr nach Salzburg wird nun eine alte Frage neu gestellt. Die sechs Bücher von Otto Pflanzl sind längst vergriffen, Gedanken an eine Neu-Auflage hat mein Vater lange Zeit zurückgestellt. Er, der Trakl-Verehrer, stand den Mundartdichtungen seines Vaters eher kritisch gegenüber, vor allem den zahllosen „Gelegenheitssprüchen“. Nun korrigiert er seine Meinung, zumindest teilweise, und so gelingt es schließlich doch, ihn zu einem Auswahlband anzuregen.
Salzburg, 28. März 1965 Heinrich Pflanzl an seinen Sohn Das „Kleine Otto-Pflanzl-Buch“ kommt nun wirklich zustande. In unserem Sinn wird es ein Büchl, nicht groß, eine Bezeugung der Ehrung für Vater. Im Rundfunk habe ich bereits angeknüpft und werde, wie ich es mir vorstelle, selbst eine Gedächtnislesung halten. Der Leiter des Salzburger Funks ist damit einverstanden, ja, sogar dankbar, ich warte nur die Aufforderung des zuständigen Leiters der Abteilung ab. Leider hat sich plötzlich die Buchhandlung Höllriegl1 eingeschaltet (Bergland fragte dort nochmals wegen der Rechte an) und will auch beteiligt sein, wenn auch nicht direkt materiell, so doch mit Nennung des Verlages Höllriegl, mit der Auslieferung des Stadtsortiments. Ich habe Dr. Stierle erklärt, wenn er dazwischen funkt und „Rechte“ geltend macht, dann würde ich die Sache zurückziehen und er möge dann die Verantwortung übernehmen, wenn das Büchl nicht erscheint. Keinen Finger rühren, aber den Rahm abschöpfen! Nun, da wird sich der Bergland-Verlag schon mit ihm verständigen. 1
Die sechs Bücher von Otto Pflanzl waren von 1900–1935 im Verlag Höllrigl erschienen.
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Salzburg, 31. Mai 1965 Das Buch von Vater läuft, mir ist ein gutes Geleitwort gelungen, das den vollen Beifall vom Bergland-Verlag fand. Salzburg, 19. Oktober 1965 Heute ist Vaters Buch erschienen. Salzburg, 24. Oktober 1965 Nun liegt es vor Dir, das kleine Büchlein, zu dem Du so sehr den Anstoß gegeben hast. Den Umständen entsprechend, glaube ich, ist es passabel geworden, es sollte ja ein „Zeichen der Erinnerung“ sein. Wenn Du darin blätterst, mein Junge, mag Dir das Bild vom Großvater lebendig werden, der Dich über alles geliebt hat, in seinen Taschen war immer etwas verborgen für Dich und sein Herz schlug ebenso warm für Dich, wie es für mich ein Leben lang geschlagen hat. Hab also, kritiklos, ein wenig Freude daran. Manches, wie Einteilung, die ich anders getroffen hatte, wurde verlegerisch umgestaltet, ich mußte also zum Bürstenabzug Ja und Amen sagen. Ebenso die Hereinnahme von zwei Gelegenheitsgedichten, die ich doch vermeiden wollte. Der Verlag sah aber darin eine Verneigung vor dem alten Stamm der PflanzlFreunde, dem Kreis der älteren Generation, die Vater noch kannten. Das wär’s also. Für meinen Vater öffnet sich dann am Mozarteum ein neues Aufgabengebiet, die Arbeit mit den Studierenden füllt ihn voll aus und läßt keine Zeit für andere Gedanken. Erst als auch diese Phase plötzlich zu Ende geht, da schreibt er noch einmal, auf einem kleinen Zettel, wohl bei einem Mittagessen im „Zipfer Bierhaus“ in der Sigmund-Haffner-Gasse, wie er am Rand notiert.
7. Juni 1972 Nun rinnt die Zeit nicht mehr dahin, sie fließt und dies in einem Rausch, der Stunden wie Sekunden schnellt. Ich gehe wohl dem Abend zu und sehr sehr bald
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hüllt mich die Nacht in blaue Ruh. O große Stille dann, o ew’ge Rast, o großer Himmel, der sich aufschließt meinem Tod. Und eine Träne nur, von vielen oft geweinten, nehm’ ich zur Hand und sieh: es spiegelt sich in ihr mein Leben und mein Sterben.
Am Mozarteum Nach diesem Abstecher in die Dichtkunst nun zurück in die Lebenskunst. Die Situation ist nicht einfach, man sitzt zwar endlich wieder in der Heimat, aber wovon wird man leben können in den nächsten Jahren? Es geht auf die Sechzig zu, da ist es schwer, an einem Theater unterzukommen. Der Kontakt zur Staatsoper Stuttgart wird wohl auch nur für eine gewisse Zeit bestehen. Nun hat mein Vater schon sehr früh neben seiner Theaterarbeit Gesangsunterricht gegeben. Es waren immer nur einzelne Sänger oder Sängerinnen, da er zu wenig Zeit hatte, aber immerhin sind es jetzt schon zwanzig Jahre, in denen ihn die Vermittlung einer soliden Gesangstechnik beschäftigt. So ist der Blick natürlich auf die Hochschule Mozarteum gerichtet.
14. Mai 1962 Ich habe wieder an Agenten geschrieben, wenigstens kann ich mir keinen Vorwurf machen, nichts getan zu haben. Aber meine Hoffnung ist nun ganz gestorben, jemals wieder einen festen Vertrag zu gewinnen, der Hieb dieses Schicksalsschlages sitzt und traf. Nun war ich mit Kaut bei Prof. Preussner1 und wir unterhielten uns über meinen Wunsch, vielleicht am Mozarteum unterrichten zu können. Es wurde mir natürlich klar, daß ich ohne Kaut nicht die geringste Hoffnung nähren könnte, so aber duckten sich diese doch vor der Zusicherung, daß eine zu schaffende Stelle (es ist alles besetzt) vom Land und vom Ministerium irgendwie gedeckt würde. Diese Zusicherung gab Kaut eindeutig und nun wird man erst überlegen, wie man mich einbaut. Ein dramatischer Unterricht, den ich gerne
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Eberhard Preussner, seit 1959 Präsident der Akademie „Mozarteum“.
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erteilen würde, ist fraglich, da ein Herr Dr. Rech1 sehr zur Zufriedenheit des Hauses tätig ist. Nun, das soll alles keine Sorge sein, ob Gesangsunterricht oder Opernschule, die Hauptsache ist und bleibt: reinkommen und ein Existenzminimum zu haben. Diese Woche will Kaut versuchen, den Landeshauptmann und Paumgartner2 mit mir zusammen zu bringen. 22. Mai 1962 Meine nächste Vorstellung in Stuttgart ist am Pfingstsamstag, den 9. Juni, dann bekomme ich am 13. noch eine und die letzte dieser Spielzeit am 5. Juli. Es läuft auch nächste Spielzeit noch weiter und ich bin darüber wohl glücklich, aber im Grunde habe ich nichts erreicht, ich muß nun erkennen, daß ich kein festes Engagement mehr bekommen kann – dieses Bittere muß ich mit mir selbst ausmachen. In der Mozarteum-Sache muß ich erst die Rückkehr von Paumgartner abwarten, ich sprach heute mit Kaut wieder deshalb. Wenn sich nur diese leise und sehr kleine Hoffnung erfüllen würde. 6. Juli 1962 Heute rief mich Kaut an und sagte mir, daß er mit Preussner eine bestimmende Unterredung gehabt hätte und ich mit meiner Berufung im Herbst rechnen kann. Preussner meinte, er hätte ja die Angelegenheit in ihrer Wurzel erkannt, aber die persönliche Unterhaltung erst wäre bestimmend gewesen, daß in mir eine wertvolle Persönlichkeit gewonnen würde, die ihn veranlaßten, mich für das Mozarteum gewinnen zu müssen. In den nächsten Tagen wird dann die Angelegenheit weiter geklärt, da Paumgartner die Leitung des Opernstudios niederlegt und hier eine Umgruppierung stattfindet, besser gesagt, eine Umorganisation. Der September 1962 bringt dann endlich zwei gute Nachrichten: Es klappt nun doch mit dem Mozarteum und zur gleichen Zeit kann der Umzug in das neue Heim in Großgmain erfolgen.
12. September 1962 Preussner schrieb mir, er wäre spontan positiv eingestellt, doch hinge das vom 1 Dr. Geza Rech (1910–1992), Regisseur, Musikschriftsteller, Hochschullehrer. 2 Bernhard Paumgartner, von 1960–1971 Präsident der Salzburger Festspiele.
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Budget ab und er könnte den Referenten nicht erreichen. Daraufhin schrieb ich Kaut, daß ich doch etwas alarmiert wäre, ich möchte nun wirklich und wahrhaftig gern in Großgmain bleiben und ersuche ihn, in meiner Sache doch weiter zu wirken. Prompte Antwort von Kaut: er hätte mit Paumgartner gesprochen, der der Meinung sei, Preussner müßte sein halbes Angebot realisieren, ich soll diese Woche mit Paumgartner zusammentreffen, Preussner ist auf Urlaub. Außerdem sprach Kaut nochmals mit dem Landeshauptmann, der auch mich diese Woche sprechen will. Nun bin ich gespannt wie ein Regenschirm. Soll das mir nun schon widerlich gewordene Betteln zu einem positiven Resultat führen oder soll es aus sein. 27. September 1962 Es hat im Mozarteum geklappt. Ab 1. Oktober gehöre ich als Leiter einer musikdramatischen Ausbildungsklasse diesem Institut an, im Besonderen der Opernschule. Dr. Rech leitet die szenische Klasse (also die schwergewichtigere Regiearbeit etc.) Frau Ursuleac1 und ich, jeder für sich eine musikdramatische Klasse, alle drei, wie Preussner betonte, gleichermaßen berechtigt. Dienstag bin ich bereits bei Aufnahmeprüfungen tätig. Unterricht beginnt am 8. Oktober, gewissermaßen mit meinem neuen Lebensjahr. Finanziell gesehen bleiben, nach Abzug aller Dinge, etwa 4.000 S. Einer Gastiertätigkeit steht nichts im Wege, nur soll sie nicht überhandnehmen. 24. Oktober 1962 Heinrich Pflanzl an seinen Sohn Mein Unterricht läuft gut weiter, unterschiedlich natürlich im Material, das geboten wird, aber ich habe es nicht schwer, weil ich aus der Praxis, die nicht immer unbedingt Routine sein muß, doch Manches schöpfen kann. Da ich mich ja nicht in den Stuhl des Professors bette, sondern die drei Stunden durchstehe, genügt mir so ein Vormittag schon. Auch die Konzentration, wie Du ja neulich es auch vom Regieführen sagtest, kostet Kraft. Aber wenn man so wie gestern ein Mädchen anschleichen sieht, mehr wie eine Trauerweide, und die dann, nach einer Stunde, sichtbar gelockert, fröhlich und wie umgewandelt fortgeht, und wenn dies vom Korrepetitor besonders aufmerksam festgestellt wird, dann freut man sich schon. 1 Viorica Ursuleac, Sopran (1894–1985), berühmte Strauss-Sängerin, verheiratet mit Clemens Krauss.
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Bedrückend, nicht nur für uns, für alle Menschen ist die politische Lage geworden. Wir dachten gestern nach Kenntnis der Nachrichten an Berlin, wie böse das nun wäre, würden wir noch dort sein. Müssen wir uns am Ende demütig beugen vor der Hand des Schicksals, die uns, wenn auch unter Leiden und Nöten und vielen schwersten Tagen, wegführte? Mag uns doch der Frieden erhalten bleiben. Wie klein wird in solchen Tagen, da diese Entscheidungen auf Jeden von uns zukommen, das kleine, persönliche Schicksal und wie dankbar müssen wir für jede Stunde sein, die wir gesund erleben, in Arbeit stehend und das tägliche Brot auf den Tisch. 31. Oktober 1962 Arbeit geht gut und sie macht mir Freude. Am 29. November, am 19., 26. Dezember sind „Pasquali“ in Stuttgart geplant. Hoffentlich nicht nur geplant. 16. November 1962 Schade, das mit dem „Pasquale“! Wie gern hätte ich ihn gesungen und ich hätte auch Zeit gehabt, ihn italienisch zu studieren. Kann ma nix mach’n! Was aber gestern handgreifliche Wirklichkeit war und ich – mein professorales Gebundensein ist dagegen – nicht zu meinen Gunsten realisieren konnte, ist Folgendes: vom 2. Januar bis 14. März (Premiere) den Vanuzzi in der „Schweigsamen Frau“ zu singen bei Felsenstein an der Hamburgischen Staatsoper. Tagesgeld 30 Mark, Probengeld (nicht unbedingt, aber wenn möglich abzudienen mit zwei Vorstellungen pro Monat während der Probenzeit) 1600 Mark pro Monat, Honorar (15 garantierte Vorstellungen) 800 Mark. Adieu … es geht nicht. Die Arbeit in Salzburg ist die dauernde auf lange Sicht und ich muß im ersten Jahr alles tun, diese Stellung zu festigen zu beweisen, daß ich der „Berufung“ würdig war. (Die sind hier alle so überzogen von sich, aufgebläht, so richtig g’schwolln). Es ginge nicht an, ein Vierteljahr beurlaubt zu werden, bestimmt würde mir der Boden entzogen und --- na ja, es geht halt nicht. 27. November 1962 Bis heute habe ich vom Mozarteum noch keinen Schilling erhalten. „Ja mei, der Aktenweg, was glauben S’ denn? Was des für a Arbeit is! Wann mia so schnell arbeit’n möcht’n, wie Sö sich das vurstell’n, hätt’n ma ja ’s halbe Jahr ka Arbat!“ – Kommentar: O Du mein Österreich!
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Der Intendant der Staatsoper Berlin Burghardt ist zurückgetreten, ein Cellist von der Staatskapelle soll sein Nachfolger werden. Nach all den Schmerzen, die wir erfahren mußten, kommt ja doch nun immer stärker die Erkenntnis: wir haben recht getan uns von Berlin zu trennen. 20. Januar 1963 Heinrich Pflanzl an seinen Sohn Im Mozarteum machte man mir die Hälfte der Koblitz-Schüler zum Präsent, da Koblitz für einige Zeit sehr, sehr erkrankt, ausfällt. „In liebenswürdiger Weise haben sich Frau Kammersängerin Ursuleac und Herr Kammersänger Pflanzl bereit erklärt …“ las ich nächsten Tag angeschlagen. Na ja, so bin ich halt, stattt des halben Tages einen ganzen drinnen. Er hat ja nicht das beste Schülermaterial, weiß Gott. Daran ist nur Eines bemerkenswert: wie sich Kreise berühren, Schicksalskreise, wer hätte gedacht, als Du damals bei Koblitz warst, daß ich jemals Schüler von ihm unterrichten würde??? Ja, das Karussell des Lebens! Am 5. Februar (Gott sei gepriesen) habe ich wieder „Pasquale“ in Stuttgart. 27. Februar 1963 Preussner wollte mir nun eine Gesangsklasse anvertrauen, aber dann hätte ich die Opernschule verloren. Mir ist’s auch recht. Ich mache beides gern und wie’s kommt, so wird’s angenommen. Ein Kollege aus Berlin schrieb mir, ich wäre bestimmt an der Westberliner Städtischen Oper untergekommen. Darüber will ich nicht mehr raten und deuteln, das ist vorbei und beendet. Als neulich von einem Interview mit General Clay berichtet wurde, in dem er sprach, daß ein Nebenkrieg um Berlin nicht ausgeschlossen sei – da habe ich mir wieder gesagt, trotz der vielen, vielen Sorgen, die mir der Weggang brachte, diese Sorge habe ich nimmer. Und kann in Frieden und Ruhe leben, zumindest nachts, wenn die Post keine Rechnungen bringt. 13. März 1963 Zu Beginn meiner Mozarteumstätigkeit begegnete ich eines Tages Prof. Messner, dem bekannten Domkapellmeister. Er meinte damals, ob ich nicht Lust hätte, bei ihm mal zu singen und wie es mit dem Mozart-Requiem wäre? Wir sind uns noch mehrmals begegnet, ohne weiter darüber zu sprechen. Nun wurde ich aufmerksam gemacht, daß ich im Festspielprospekt „drinsteh’“, am 25. August singe ich das Baß-Solo im Requiem. Ich bin nicht ganz glücklich, weil ich mein Vor-
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haben, nie in Salzburg zu singen, breche, aber ich hatte den Vorschlag Messners nicht ernst genommen und nun ist’s geschehen. Meine Arbeit geht weiter in Ordnung. Es ist für mich doch recht erfreulich, daß neue Leutchen sich weigern, anderswo eingeteilt zu werden, sie wollen partout zum Pflanzl. Die Andern wären ihnen zu altmodisch. Gesang habe ich noch immer, es ist eigentlich unverschämt, denn ich bekomme, wie auch Ursuleac, keinen Groschen dafür. Aber was wäre, wenn ich nicht das Mozarteum hätte! Also, dankbar sein, nichts wie dankbar sein. 6. August 1963 Ich habe nun meinen Sommerkurs erledigt, bekam noch für eine Woche 19 Leutchen aus Philadelphia serviert, damit ist jetzt Schluß. Nun kommt das „Requiem“ auf mich zu, das aber keine Angelegenheit ist, bis auf den Frack. 16. August 1963 Morgen wäre mein Vater 98 Jahre alt! Wo sank die Zeit hin … Ende August 1963 Das „Requiem“ lief gut ab. Kritikmäßig kam ich gut weg, man sagte: „… der immer noch zu hohen Aufgaben berufene …“. Es war schwer für mich, wie ich mich, trotz der nicht großen Aufgabe, überspielen mußte, weil mein Traum, in Salzburg zu singen nie geträumt werden konnte. Es war also gut und nun ist es vorbei. 16. Oktober 1963 Das „Moz“ ist losgegangen, etwas Ärger und spürbare Intrigen, dafür um 300 S mehr Verdienst. Beides wird genommen. 30. Oktober 1963 Ich sollte eigentlich morgen nach München zu einer „Poppea“, hatte zugesagt, als aber der Auszug kam, waren zwei Drittel gestrichen und dafür andere Drittel auf, mit anderem Text. Seneca – um diesen guten Mann handelt es sich. Ich hatte mich wieder einmal umsonst gefreut. Nach langer Überlegung aber konnte ich es nicht riskieren, diese Sache zu machen. Schade!
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Im Mozarteum muß ich nun wieder einen Gesangskurs auf mich nehmen, diesmal leider zusätzlich zur Opernschule – es ist noch nicht endgültig geklärt. Gute Stimmen diesmal, auch ein außerordentlich vielversprechender Bariton, den man unbedingt zum Tenor schrauben wollte. In der Opernschule bin ich auch eingedeckt, weiß Gott, auch hier heuer viel bessere Stimmen, einen netten, lieben und sehr angenehmen hawaianischen Tenor dabei. Es läuft jetzt an, ich bereite mich auf einen Fragmentabend vor, Februar oder März, in Zusammenarbeit mit der Bühnenbildklasse Gallé. 4. November 1963 Im Mozarteum habe ich nett und auch hübsch zu tun. Diese Tätigkeit bringt mich doch etwas von flatternden Gedanken weg, die nie zur Ruhe kommen werden. Die Schuld an der jetzigen Situation trage ich und das bedrückt mich denn doch oft und oft sehr hart. 10. November 1963 Allerheiligen war ich bei den Gräbern. Abends in St. Peter ein Erlebnis, das ich kenne, aber das doch immer ein neu erlebtes ist. Die vielen, vielen Lichter, die kleine gellende Glocke des Friedhofkirchleins, dazwischen die Wortfetzen einer Predigtübertragung aus der Kirche, der Zug der Mönche mit den übergestülpten schwarzen Kapuzen, das Gemurmel der unermüdlich leiernden Betenden ---- all das zusammen ergibt wie immer einen großen Eindruck. Im Mozarteum habe ich nun auch eine Gesangsklasse, wie die sich das vorstellen, daß ich sozusagen in der Luft hängend, ohne schriftliche Fixierung, das so mache --- nun, wir werden ja sehen. Von einer anderen Klasse gingen zwei Schüler zu mir, es redet sich meine Begabung herum. Beim Schlosser fragte ich nach den Hausnummern für Großgmain. Die hatte er ganz vergessen. Er verschwand und brachte die Jahreszahlenziffern, die früher über den Eingängen beim Salzburger Dom, den Torgittern, in Gold glänzten. Die schenkte er mir!!! Wenn sie passen, meinte er, wird er sie herrichten. Nun, ich fand das originell und so werden wir eine pompöse Hausnummer haben, fürsterzbischöfliche Ziffern! 28. Februar 1964 Heinrich Pflanzl an seinen Sohn „Pasquale“ ist nun endgültig abgemeldet und mein Weg nach Stuttgart verschüt-
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tet. Ich bin so unermeßlich traurig, weil ich in dieses Jahr mit so großem Optimismus eintrat und mich, Gott sei’s geklagt, in großen wie in kleinen Dingen dieser Tage vom tiefen und so sehr beunruhigenden Gegenteil belehren lassen muß. Mein Fragmentabend steigt nach vielen Widerwärtigkeiten nun doch am 16. April. Ich mache „Fidelio“, „Martha“, „Wildschütz“ und „Boheme“. Du wirst sagen: aha, aus der Erfahrungskiste! Ich setze dagegen: leider! Ich bin an die mir zur Verfügung stehenden Leute gebunden und muß dementsprechend wählen. Es wird noch viel Ärger damit geben, aber aus Prestigegründen muß ich es machen. Ansonsten habe ich Freude mit einigen Schülern und in beiden Teilen, Gesang wie Opernschule, bin ich arbeitsmäßig recht gut eingedrungen. 4. April 1964 Meinen Fragmentabend habe ich vorgestern abgesagt: einige Schüler können aus Termingründen nicht und --- ich habe es dann satt und für eine Improvisation bin ich mir zu schade. Und was hätte mir das noch Ärger bereitet, weiß Gott. 2. Oktober 1964 Nächsten Montag geht es wieder los, vierzig Stücker haben sich vorgestern in Gesang beworben. Darunter einige sehr schöne Stimmen, besonders ein jugendlicher Heldentenor aus Kärnten, den ich als Intendant sofort nehmen würde. Ich bekomme wieder einen jungen Bassisten, eben maturiert, intelligent, der nebenher noch den Dr. phil. macht, eine schöne, warme Stimme. 20. Oktober 1964 Der Betrieb im Mozarteum läuft allmählich an, Preussner fehlt an allen Ecken und Enden1, die Clique, rekrutiert aus Lehrern, die alle Absolventen des Mozarteums sind und nicht über Freilassing hinauskamen, ist stark und unangenehm penetrant Provinz. 10. November 1964 Im Mozarteum stecken die Cliquengeisterchen die Köpfchen in die Höhe. Preussner fehlt ungeheuer! – der Nachfolger schwebt einher … man munkelt, nennt ihn, aber ernannt ist er noch nicht. Ich habe einigen Ärger, das heißt, ich 1 Eberhard Preussner, der Präsident der Akademie „Mozarteum“ ist im August 1964 verstorben.
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schaffe ihn mir, von wegen oben erwähnter „Geisterchen“, nun, das wird sich auch einspielen. 29. November 1964 Mein „Ruhm“ als Gesangsunterrichter im Mozarteum wächst so, daß andauernd Schüler kommen und zu mir wollen. Zwei habe ich jetzt übernommen (und damit mich auch übernommen), darunter eine besonders schöne jugendlichdramatische Stimme. In der Opernschule ist es nicht viel anders, --- und das hebt mein Standesbewußtsein. 20. Februar 1965 Der Segen im Mozarteum blieb auch nicht aus, meine Schülerzahl ist, trotz Abwehr, weiter gewachsen. Im März 1965 gastiert das Ensemble der Komischen Oper Berlin an der Staatsoper Stuttgart. Ich bin zur gleichen Zeit für Proben in Stuttgart und berichte meinem Vater von dem Wiedersehen.
14. März 1965 Der Sohn aus Stuttgart an den Vater nach Salzburg Es gab wirklich herzerweichende Wiedersehen, die Freude auf beiden Seiten war gleich groß – vom Intendanten bis zum letzten Beleuchter. Und natürlich war die zweite Frage bei jedem sofort: Wie geht’s denn dem Kammersänger? „Der alte Pflanzl – unvergessen und immer noch hochgerühmt – das war ein prima Kerl, so einen haben wir nie mehr bei uns gehabt“: von -zig Leuten habe ich Grüße zu bestellen. Dem unveränderten Josef Burgwinkel (wie immer ein paar doppelte Cognak vor der Vorstellung) waren die Grüße zu wenig: „Du mußt deinen Vater küssen von mir, fünfmal mußt du ihn küssen – vergiß es nicht!“ Es waren jedenfalls sehr schöne Stunden – bis auf den Abschied. Einige blieben zurück im Westen, viele wollten es und konnten nicht, denn sie hatten noch ihre Familien drüben in Ostberlin. 20. März 1965 Der Vater an den Sohn Was Du von den abschließenden Tagen in Stuttgart berichtet hast, die Begegnung mit der „Komischen“, das Freundliche in den guten Worten, all das ist für mich – und nicht nur für mich – ein sehr Wehmütiges. „Verkaufte Braut“,
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das Selbstverständliche dieser Zeit mit der Arbeitsergiebigkeit, diese Herrlichkeit, diese Freuden, die Fahrt nach der Vorstellung heimzu, was soll oder was könnt ich alles aufzählen, was nun für immer versunken ist, gestorben, verstummt. Aber dafür groß und wunderbar in der Erinnerung steht, … vielleicht … größer als in der Realität des Geschehens. 28. März 1965 In der mozarteumitischen Arbeit geht es gut, auch hier ist es fast ein bissel zuviel. Aber die Leutchen entwickeln sich sehr gut, ich bin hoch zufrieden und könnte eine ganz besonders gute Jugendlich-Dramatische wie einen seriösen Baß mit bestem Gewissen für ein Vorsingen anbieten. Am 5. Mai mache ich also endlich meinen „Fidelio“ (erste Szene). Dies im Wiener Saal, mit Paravents und angedeuteten Bühnenbildchenlein. 10. Juli 1965 In Wien war die Feier im alten k.u.k. Kultusministerium nach dem Schema, wie vorgeschrieben, aber es blieb mir doch so etwas wie ein feierlicher Hauch aus alten Zeiten im Gefühl, als um vier Uhr, dem Beginn der Feier, bei geöffneten Türen (der Minister nahte) von überall her feine silberhelle Ührchen die Stunde schlugen. Fast, für einen Moment nur, eine „Rosenkavalier“-Stimmung. Schön! 11. September 1965 Ich habe diese Woche noch immer Unterricht, eine Sängerin vom Landestheater kommt jeden Tag, sie hat Schwierigkeiten in der Höhe (Königin der Nacht), nicht so leicht möglich, in einer Woche zu reparieren. 2. Oktober 1965 Freunde hatten uns zu einem wahrhaft feinen Mittagsschmaus ins Schloßhotel Fuschl eingeladen. Es war ein Blick in die snobistische Welt, denn neben uns bewegten sich die ausgelaugten Gesichter und gelangweilten Figuren. Max Schmeling war eine erfreuliche Ausnahme, Toni Sailer, Soraya mit zwei Kinderplayboys … nee, nee, wissen Sie, nee, wissen Sie nee …! 19. Oktober 1965 Im Mozarteum habe ich 18 Leute in der Opernschule, 12 im Gesang, daneben
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noch zwei privat – es ist für einen „älteren Herrn“ fast zuviel. Aber das Werkl läuft. 24. Oktober 1965 Im Mozarteum stöhne ich, 19 in der Opernschule, 12 im Gesang. Bisher hatte ich einen Vertrag mit 23 Wochenstunden, nun wurden mir 12 Stunden für Oper, 12 Stunden für Gesang zugeteilt, ich erhalte also ein Wochenstunde mehr, leiste aber die doppelte Arbeit. Die Neider mehren sich, ich könnte ja noch viel mehr Studenten haben, es reicht mir aber jetzt, weiß Gott. 21. November 1965 Meine Mozarteumsarbeit hat in der vergangenen Woche, bei der Einführung des neuen Präsidenten, einen bösen Stoß bekommen (eine rein interne Angelegenheit) und ich bin enttäuscht, ich bin angeschlagen in meiner hoffnungsfreudigen Gläubigkeit. 22. Januar 1966 Vom Ministerium bekam ich nun die Vertragsänderung, zwei Hauptfächer darf ich also lehren, dafür erhalte ich … 163 S netto mehr pro Monat. Fürschtlich! 27. Februar 1966 Im Mozarteum macht sich der äußerst ordnungsliebende neue Präsident bemerkbar, er schnüffelt überall hinein und ist in manchen Dingen doch ein Segen. Letzten Mittwoch machte ich wieder ein Fragment, Klosterszene aus „Macht des Schicksals“, stimmlich war alles gut, es ist nur ein Kreuz, daß so wenig darstellerische Begabung vorhanden ist. Da müht man sich ab und probt und wenn die jungen Leutchen vor dem Publikum sind, versteifen sich die Füße und Arme und Vieles geht schief. – Obwohl ich in der Gesangsklasse niemand mehr hineinnehmen wollte, habe ich doch einen jungen Bariton angenommen, der zu mir wollte, weil das nun mal wirklich etwas ist: 19 Jahre alt, Tiefe und Höhe ist mühelos vorhanden, musikalisch, großer Kerl … das macht wirklich Freude. 12. Juni 1966 Ich habe einen guten 4. Akt „Boheme“ auf die Beine gestellt, der viel Beifall fand. Adelheid Nega, eine Jugendliche, wurde an das Staatstheater Karlsruhe ver-
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pflichtet, nach einem wohl sehr positiven Vorsingen, denn im Grunde war keine Stelle frei. Darüber bin ich sehr glücklich. Auch Vorwold, der Bassist, hat eine Menge von Konzerten abgeschlossen (die Bach-Passionen, Messias, die HaydnOratorien) und ich hoffe, auch ihn gut anzubringen. Der gewissenhafte Lehrer kümmert sich auch noch um seine Studenten, wenn sie bereits ein Engagement gefunden haben:
14. September 1966 Heinrich Pflanzl an Adelheid Nega am Staatstheater Karlsruhe Das Wort „Angst“ höre ich nicht gern, schreiben Sie mal lieber vom Fieber, das wird Sie nie loslassen. Angst schnürt den Hals ein, Fieber wärmt das Blut und dann können die Zähne nicht klappern, es kann Sie nicht frieren. Spaß beiseite: wegen der Stimme brauchen Sie keine Angst zu haben, wenn Sie nicht forcieren, nicht den Ton in die Nase klemmen (machen Sie viel pianoÜbungen, vom piano den Ton entfalten und nicht losschreien), Ihr gutes „i“ behalten, daraus „a“ verbinden und nicht vergessen, daß Sie auf einer Brücke gehen, die unbedingt zum Ufer des Erfolges führen muß und wird. Sitzen Sie an freien Abenden nicht daheim, sondern gehen Sie in viele Vorstellungen. Eines liegt mir noch sehr am Herzen: die Leistungen der Kollegenschaft nicht kritisieren, loben, das schon, aber nicht böse reden! 16. Oktober 1966 Das Mozarteum läuft auch an, ab Montag ist voller Betrieb. Ich habe den Stall voll und bin trotzdem guten Mutes, denn es winken einige Feiertage bereits. Österreich ist ja so reich, warum soll man nicht noch ein paar Festtage mehr schaffen! Ich habe nichts dagegen. 4. Februar 1967 Heinrich Pflanzl an seinen Sohn Im Mozarteum geht alles gut, nun ist auch Frau Riegger „unter die Haube“ gekommen, geht im nächsten Jahr nach Detmold als Spielaltistin. Ein bissel bin ich schon darauf stolz, daß ich die Leutchen, die ich für die Praxis reif fand, los wurde. – Anfangs Mai sind drei Opernszenen mit Orchester, für die Kapellmeisterschüler, zu fertigen. Ich habe mir die „Traviata“ (letztes Bild) genommen, „Boheme“ 3. Akt und „Troubadour“ (Duett) interessierte mich weniger. Du siehst, daß ich also in Dein Metier pfusche, Kollega, es macht mir Spaß und ich betreibe
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diese Proben mit Ernst und stelle fest, daß ich eigentlich eine sehr leichte Hand dazu habe, so, ohne Klavierauszug, die jungen Leute nach meiner Vorstellung forme. Ich komme mir bei dieser Arbeit dann vor, als wäre ich dem Ort und der Zeit abhanden gekommen, das tut dann gut. 15. Februar 1967 Diese Woche sind Semesterferien, es waren aber gestern den ganzen Tag Prüfungen und morgen muß ich „Traviata“ proben, weil ich den Tenor für fünf Wochen nicht mehr habe. 20. März 1967 Ich habe zwei Wochen Ferien, am 2. April geht’s erst wieder los. Nach den Ferien muß ich meine „Traviata“-Szene polieren, es ist sehr schwer, im großen Mozarteumssaal, ohne theatermäßige Gegebenheiten diese schwierige Szene einigermaßen abrollen zu lassen. Na, auch das geht vorüber. 21. Mai 1967 Die Opernakte in unserer Aufführung kamen gut an. Meine „Traviata“ hat vor allem mit der kleinen Hempel besonderen Anklang gefunden, es war selbst für mich überraschend zu hören, wie ausgezeichnet diese Stimme im piano wie im forte sich durchsetzt und mühelos den Raum beherrscht. Ich glaube, wenn alles gut geht, wird Hempel eine steile Karriere machen. So war ich sehr froh, daß dies gut vorüber ging. Wenn auch die Umstände bitterarm sind (miserable Kostüme, im Großen Saal kein Vorhang, kaum Möbel – o jemine! 5. Oktober 1967 Seit gestern läuft das Mozarteum, trotz Abgang ist die Klasse wieder aufgefüllt, ich mußte noch Einige ablehnen. Ich bin froh, wenn ich das Bisherige schaffen kann. Paulmüller ist also Leiter der Opernschule, teilt sich noch mit Stuttgart. Wir werden ja sehen. 28. Oktober 1967 Meine Klassen sind nicht kleiner geworden, Montag, Mittwoch und Freitag von 9 Uhr bis 18.30 Uhr mit einer halbstündigen Mittagspause, das zwickt schon machmal recht arg. Da wir im Allgemeinen einen Rückgang von 20 % haben
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(um 190 Studierende weniger!!!), bin ich einer der Wenigen, die an Überfüllung leiden. Paulmüller ist nun oberster musikalischer Leiter, momentan noch zwischen Stuttgart und Salzburg pendelnd, aber agil und vital auftretend. Er hofft ja sehr, seine Pläne verwirklichen zu können. Wir verstehen uns recht gut und ich kann es mir für die Zukunft ganz amüsant denken, wenn er immer mehr die Feindseligkeiten zu spüren bekommt, die von Alteingesessenen inszeniert werden. Im Dezember 1967 Im Mozarteum geruht Herr Paulmüller ab und zu in Erscheinung zu treten. Meine Sympathie ist sehr geschwunden, er ist mir zu eitel, spielt hier den großen GMD, was er doch nie ist. Auch hier: nee! Ich mach meine Arbeit, die nicht wenig ist und bin zufrieden, wenn ich über die Runde einer Woche komme. 11. Januar 1968 Der Alltag läuft allmählich an, einige Leutchen sind krank und so war die erste Woche gelockerter. Von meinen „Schafen“ draußen bekam ich sehr gute Kritiken, sie machen sich brav und werden gut weiterkommen. 4. Februar 1968 Im Mozarteum in der vergangenen Woche ein ekelhaftes Ärgernis. Paulmüllerlein macht sich rege bemerkbar und auch unbeliebt. Ich drechsle gegen Ende „Boheme“ 1. und 4. Akt, wenn es mit dem Orchester so weit kommt, das ist mit einer vorzüglichen Männerbesetzung ein hübscher Spaß, der mir viel Freude macht. Und bei dem Alles mit großer Begeisterung dabei ist. Im Gesang bin ich übervoll, ich arbeite über das Maß, so lang es halt geht. Ein paar Schilling mehr sind wichtig. 9. April 1968 Im Mozarteum kam der „Wildschütz“ raus, meine Leute sangen mit bestem Erfolg die Hauptpartien. 27. Juni 1968 Meine wunderschöne „Boheme“ fiel ins Wasser, wegen Orchester-Schwierigkeiten gab es keinen Opernabend mehr. Ärger über Ärger, Intrigen, Spannungen.
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17. September 1968 Morgen habe ich meinen „Galaabend“. Ein starkes Kompott, aber in vierzehn Tagen kann man nicht mehr tun und das Vorliegende halt verwerten. Samstag ist dann Schluß und ich bin doch froh, es war durch die Beanspruchung eines intensiven Unterrichts ein bissel schwer. 13. Oktober 1968 Morgen beginnt die Singschule mit all der „lieben Not“, ich bin wieder eingedeckt. Aber ich bin doch froh, es ist so ungeheuer bestimmend für ein paar bessere Jahre. 28. Juni 1969 Weber und Ursuleac haben die Altersgrenze erreicht und sind nun ausgeschieden. Vertragslehrer werden ohne Ehrenjahr abgeschoben. Das hat den beiden recht weh getan und ich dachte an meinen Rausschmiß, wenn mein Glöcklein läutet. 26. Oktober 1969 Hartinger wird am Mittwoch in Braunschweig vorsingen. Er hat sehr fleißig geübt, so daß ich manchmal fast gerührt bin, wenn er den Wolfram so schön singt. Ich erziehe keine Brüller, das wird er nie sein, weil er zu musikalisch ist. Da man ihn allein bestellte und das Orchester extra dazu nimmt, ist das Interesse doch sehr stark. Novak spielt den Star in ekelhafter Weise, sie schwebt auf Primadonnenwolken durch’s Mozarteum. Sie spürt, daß ich das nicht mag, trotz aller musikalischen Vorzüge und der großen Begabung. 8. Dezember 1969 Mittwoch habe ich Fragmentabend, gemeinsam mit Dr. Rech. Ich mache dreimal „Lustige Weiber“ (Duett Frau Fluth/Frau Reich, Duett Falstaff/Herr Fluth/ Fenton-Arie mit Quartett! Dann noch „Tosca“, erster Auftritt Tosca bis Abgang, mit der hysterischen, aber doch überaus begabten Novak. Anfang März mach ich „Fidelio“ mit einigen Auslassungen, mit Orchester. Ich muß die Konsequenz ziehen aus: großer Mozarteumssaal, mangelhafte Beleuchtung usw. Aber irgendwie reizt es mich doch sehr. Novak singt Leonore.
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31. Januar 1970 Hartinger hat gestern in Braunschweig abgeschlossen, auf ein Jahr als Anfänger (900 DM). Der Intendant hat ihn dann doch sehr bedrängt, konnte ihm aber als außeretatmäßigen Solisten nicht mehr Gage zahlen. Hannover, Bern war noch in Frage – ich habe ihm zu Braunschweig geraten. Ich bin noch munter, bin mit meinem „Fidelio“-Fragment fertig (2. März). Perkamm ist nach Heidelberg verpflichtet. Novak geht nächstes Jahr nach Linz, singt demnächst die Küsterin dort. Übrigens, die verblüffende Konzentration, die so eindrucksvoll ist, entspringt einem Handikap, verursacht durch die Körperfülle, die bei geringster Bewegung Atembeschwerden verursacht. Im Grunde: eine Masche! Und in einer Opernschule nicht ganz angenehm, die Relation zu den Anfängern stimmt nicht. 8. März 1970 Mein kleiner „Fidelio“ ist auch vorbei, es war nicht leicht, ohne Leonore, die in Linz Proben zu „Jenufa“ hatte, einigermaßen Ordnung hinein zu bringen. Dadurch entstanden Verschiebungen, da Novak nicht zu bewegen war, ihre statuarische Gewohnheit ist schwer in Gang zu bringen. Eigentlich ein Unding, in einer Opernschule eine „Versierte“ zu beschäftigen. Sie ist fest nach Linz verpflichtet. 3. April 1970 Die Osterfestspiele brachten viele Leute in die Stadt. Einige von den Berliner Philharmonikern besuchten mich (ehemalige Mitglieder der Dresdner oder Berliner Staatskapelle) und sagten mir immer wieder, daß ich laut Aussage unersetzlich bin, sie hören es immer wieder und Stuckenschmidt schrieb neulich anläßlich einer Neuinszenierung von „Liebestrank“ in Berlin: „… man denkt wehmütig an das unvergleichliche Paar Pflanzl/Schock“. Das hat mein Herz erwärmt. 30. Mai 1970 Am 26. habe ich Schlußkonferenz, freu mich auch auf die Ferien, denn es war doch ein Schlauch, weiß Gott! Der früher übliche freie Donnerstagvormittag fehlte mir sehr, die Beanspruchung war etwas übermäßig. Nun gehen dieses Jahr neun Stück weg, fünf davon waren überzählig, also muß ich nicht mehr so auffüllen, um zur Vollzahl zu gelangen. Ein bissel ärgere ich mich, daß ich mich doch wieder für die Sommerakademie breitschlagen ließ, denn die Steuer war ja
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wahnsinnig: 900 S war brutto pro Schüler fixiert, bekommen habe ich etwa 250 S pro Schüler für drei Wochen Unterricht. 23. August 1970 In meiner Gesangsklasse habe ich eine große Kränkung erfahren müssen: hinter meinem Rücken hat eine Studentin, die es nicht erwarten kann und konnte, zu reifen, bei einer anderen Lehrerin studiert und durch ein forciertes Training der Höhe Stimmbandknoten erhalten. Sie geht weg, d. h. sie muß lange, lange aussetzen und ob es wieder gut wird, kann der Arzt heute nicht sagen. 14. September 1970 Wagner geht nach Istanbul als GMD der neuen Oper dort – wer wird Rektor? Ich habe überlegt, auch mit Kaut darüber gesprochen, daß ich zwei Jahre noch machen will, dann habe ich 10 österreichische Pensionsjahre … mit 69 werde ich dann den Pensionistengletscher erklimmen. Es wird schon reichen. Jedenfalls ist die Zahl der Studierenden kleiner geworden und ich werde versuchen, mit dem Vier-Uhr-Autobus heimkehren zu können. Diese letzte Zeit wird mir mehr Mühe machen, als alle vorherigen Jahre, denn die Umgebung ist mir widerlich geworden, ebenso mein Vertrauen zu den jungen Leuten sehr geschwunden. 23. Januar 1971 Der Herr Bundespräsident Franz Jonas hat mir den Titel „außerordentlicher Hochschulprofessor“ verliehen. 7. Februar 1971 Von allen Seiten werde ich beglückwünscht zum „ao.“ – vielleicht muß ich mich doch ein wenig freuen. Jedenfalls, die frühe Pensionierung ist nicht durchgegangen und so werde ich wohl bis zum Siebziger durchhalten, so mir mein Leben gegeben wird in der Gesundheit dieser Tage. Im April 1971 Mein Bassist Vorwold, der in Kiel ist, hat nach Bielefeld als erster seriöser Baß abgeschlossen. Es hat mich so erfreut, daß er sofort anrief und meinte, er möchte am liebsten den Koffer packen und mit mir persönlich darüber sprechen, seinen Dank ausdrücken. Das war wirklich eine schöne Genugtuung.
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Im Mozarteum hatten sich meine Studenten hinter meinem Rücken die Versicherung erhandelt, daß ich wieder meinen Lehrauftrag bekomme, was nicht nötig gewesen wäre. Aber sie hatten sich an Kaut gewandt, mit der Bitte um Rat. Er sandte das von ihnen verfaßte Schreiben direkt an das Ministerium und postwendend erhielten die Studenten eine überaus positive Antwort. Ich bin darin als „besonders hoch qualifizierter Professor“ betitelt. Besonders war die Frau Minister über den so seltenen Einsatz der Studierenden überrascht und erfreut. Ich habe alles jetzt erst erfahren. Allerdings überlege ich schon dauernd, ob ich nicht die Opernschule aufgebe und nur für eine Gesangsklasse allein arbeite. 23. Mai 1971 Am Freitag war Rektorswahl. Rektor wurde Paul Schilhawsky, gleichzeitig auch Leiter der Abteilung für Gesang und dramatische Darstellung. Für den Abteilungsleiter erhielt ich nach ihm die meisten Stimmen. Der Fragmentabend war eine große Welle von Ärger und der Tag sehr beschwerend. Ich war wirklich fertig. Um den Flügel im Wiener Saal vom Podium herunter heben zu lassen, fand die Verwaltung niemand und weigerte sich, die Leute vom Haus zu bezahlen, weil das nicht in den Vorschriften stünde. Fazit: Paulmüller und ich bezahlten für diese Arbeit dann 600 Schilling!!! – sonst wäre der Abend ins Wasser gefallen. Die Ausführenden waren brav und ich war zufrieden. 5. Juli 1971 Ich habe die Sommerakademie abgesagt. 13. Juli 1971 Mein Sommerkurs ist also perfekt zur Null geworden … für drei Wochen Arbeit pro Student 400–450 S zu bekommen, das hieße für eine Lektion: 50 S. Und ich fühle mich als Urlauber sauwohl, die drei Wochen. Gestern nachmittag waren von meinen Studenten die Hartingers und die Vorwolds da. Großbetrieb, aber zwei Fliegen mit einer Klappe. Vorwold geht 1972/73 nach Bielefeld als erster seriöser. Es war ganz unterhaltsam vom Theater zu hören … ich glaube, es ist nicht besser geworden und nicht schlechter. Nur mehr Geld hat man, als zu meiner Zeit. Aber man bekam auch mehr dafür. Die Majestäten Kapellmeister und Regisseur sind hoch gewachsen, ich glaube nur, daß jeder
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Dirigent und jeder Regisseur froh ist, wenn er auf eine Persönlichkeit trifft, die andern werden immer exerzieren müssen. 12. Oktober 1971 Heute habe ich nun wieder begonnen. Nicht leichten Herzens. Es war zu schön, von all dem nichts zu wissen und nun sitze ich wieder mitten drinnen. Das herrliche Wetter tagsüber mit kühlen Abenden erschwert diesen Weg, ich bleibe aber weiterhin dankbar und werde meine Pflicht auch in diesen letzten Jahren tun.
Lebensabend Aus den erhofften „letzten Jahren“ wird plötzlich „ein letztes Jahr“, dann ist es vorbei mit dem Mozarteum. Zunächst kommen noch einige Privatschüler und es bleiben die alten Freunde, aber nur noch für kurze Zeit. So hat mein Vater viel Zeit für Haus und Garten in Großgmain, für die beiden Enkelkinder und vor allem für Lektüre. Seit 1963 wohnt auf dem Nachbargrundstück in Großgmain das Schriftstellerpaar Günter Eich und Ilse Aichinger mit Sohn Clemens. Vor allem die Gespräche mit Günter Eich führen meinen Vater zu neuen literarischen Entdeckungen, denen er begeistert nachgeht. Beherrschend aber bleibt die Enttäuschung über den amtlich verordneten Rückzug aus dem Berufsleben.
Im November 1971 Die angekündigte Pensionierung an sich, das mußte ich eines Tages ja erwarten. Getroffen hat mich die Art, wie diese mir serviert wurde. Durch Maria Reining1 war ich vorbereitet und deshalb ruhig und im Grunde überlegen, mit con sordino auf den Stimmbändern. Es ist mir eine Genugtuung, daß ich der Überlegene war. Man hat keinen Antrag für eine Verlängerung meines Lehrauftrages gestellt, beruft sich auf ein – vielleicht – zu erwartendes Gesetz, also ein noch nicht existierendes und auch nicht zur Diskussion eingeplantes Gesetz. Auf meine Frage, was dann wäre, wenn das Gesetz nicht kommt, lautete die Antwort: ja, dann haben wir eben Pech gehabt. 1 ������������������������������������������������������������������������������������������� Maria Reining (1903–1991), berühmter Sopran der Wiener Staatsoper und der Salzburger Festspiele, leitet von 1962 bis 1972 eine Gesangsklasse am Mozarteum.
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Meine Studenten sind außer Rand und Band, sie wollen zu keinem anderen Lehrer, besonders die nun etliche Jahre bei mir sind, sie wollen hart vorgehen. Ich sagte ihnen, sie sollen das bleiben lassen, sie werden den Kürzeren ziehen. Und ich mag auch nimmer. 5. Dezember 1971 Ich muß die Kränkung nehmen und bin mehr oder minder wehrlos dagegen. Zu meiner Lage als „manipuliert in die Pension geschickt“ kommt die Steuertatsache, daß ich ab Januar wieder lohnsteuerpflichtig bin und daher wieder in die alte, hohe Progression falle, die mich in der Sommerakademie pro Lektion etwa 42 Schilling verdienen ließ. Gewiß wäre das auch für einen Pensionisten gut, ich muß das aber zu dem Paket meiner Kränkung dazu hängen und dann wird es für mich unerträglich. Ich habe den Rücken gerade gehalten, in all meinen Dienstleistungen bin ich aufrecht gegangen, ich kann mich nicht beugen vor der „gelenkten Gnade“. Das ist ein schweres Jahr und ich bin froh, daß es zu Ende geht. 12. Dezember 1971 Es ist nicht leicht. Meine Aussicht auf Rente, meine spürbare Verwirrung und Ratlosigkeit, meine Angst vor dem Abbruch – all das reimt sich zusammen. Die „Gefahr der Fahrt“ aus Weinhebers „Später Krone“1 schwebt über allem Menschlichen. Aber vielleicht im Beruf des Künstlers am wahrsten. Erich Schenk meinte, meine Kündigung bestünde in keinem Fall zurecht, Kaut will bei der Frau Minister die Rechtslage klären, da gibt er nicht nach. Am 10. Januar 1972 stirbt der Jugendfreund Georg Rendl.
25. Januar 1972 Kaut hat doch nichts unternommen. Da schwingt eine Unehrlichkeit mit, eine sehr spießbürgerliche Zurückhaltung. Nichts offenbarte mir mehr diese Einstellung als der Tod von Georg Rendl, als er nichts von einem gemeinsamen Kranz 1 Josef Weinheber „Späte Krone“/ Sonett I (…) Ja, Künstler sein, heißt seine Gegenwart in eine ungekannte Ferne sparen und lernen, daß von allem Wunderbaren nur Eins ihm zukommt: Die Gefahr der Fahrt. (…)
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wissen wollte, und dann plötzlich doch auf meinen, ja doch selbstverständlichen Vorschlag einging, nachdem Erich Schenk spontan einen eigenen Kranz bestellte. Ich war darüber so entsetzt, wie aus Jugendgefährten, unter dem Licht einer „revolutionären Romantik“ damals in einer herrlichen Gemeinsamkeit lebend, wahrhaft spießbürgerliche Leute werden, kleinlich kleine Leute. Wie sagte Rendl einmal, wenn er tot sei, möge kein Kulturapostel eine Rede halten, nur den Bischof bitte er um ein gnädig Wort. Meinen Dienst mache ich weiter wie bisher, habe eine Privatschülerin, eine Arztfrau, die einen Wagen hat. Mehr als einmal in der Woche kann ich sowieso nicht. Täglich denke ich nach, wie sich mein neues Leben einspielen wird – ich habe noch keine Antwort gefunden. Ich glaube, daß ich es erst trainieren muß, damit ich es beherrschen lerne. Es ist nicht leicht, Worte sagen nur Leeres. 21. März 1972 Meine Sache schwebt noch – es kommt kein Gesetz. 7. April 1972 Gestern im Konzert. Tschaikowskys „Pathetique“ hat mich wieder so ergriffen, diese unendlich lebensbejahende Traurigkeit (kein Widerspruch) nahm mich sehr gefangen, da sie so sehr mir nahe kommt. Das Wissen um die Schönheit des Lebens, die Herrlichkeit der Natur und das andere Wissen, daß es nicht mehr lange dauert --- damit muß man sich abfinden. Im Juli 1972 Kaut schlug vor, ab Herbst mir im Festspielhaus ein Zimmer zu vermitteln, weil es doch sehr schwer sein wird, nur für den Unterricht irgendwo was zu finden. Ich bin in die Ferien gelaufen, ich weiß nicht wie, im Grunde sind es keine mehr, die Wochen laufen dann über in die des Ruhestandes --- ich muß mich erst finden, in den Spiegel schauen und mich fragen, wie ich das schaffe. Noch spüre ich nicht den Widerstand, ich wehre mich noch nicht – ach, das muß ich alles mit mir ausmachen. 24. August 1972 Morgen beende ich die Sommerakademie, aber auch das letzte Mal an meinem schönen Steinway sitzend, das letzte Mal im Zimmer 4. – Diese Last kann mir
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niemand abnehmen. Da ich auch noch nicht weiß, wie groß die Zahl der Privatschüler werden könnte, ist auch der Nutzen des Festspielhauses fraglich. Alle anderen Bedrückungen, ob zu recht oder zu Unrecht, sind keine erfreulichen Dinge. Im September 1972 Bei mir ist Stille. Schüler hätte ich schon, aber sporadisch und finanziell mager. Gestern meldete sich eine Frau Tarrés, sie ist heuer in Stuttgart verpflichtet, singt die Aida im Festspielhaus. Sie wurde in Berlin und in Stuttgart an mich verwiesen, während ihrer Anwesenheit in Salzburg die Eva in den „Meistersingern“ durchzuarbeiten, man erzählte ihr Lobeshymnen auf meinen Beckmesser etc. etc. Ach, Gott! Ich habe gestern mit ihr gearbeitet, eine sehr schöne Stimme, aber nicht weiter entwickelt, stehen geblieben. Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1972 Ich habe mir in Großgmain bei Salzburg, diesem idyllischen Ort, ein Haus gebaut inmitten einer großen Wiese und lebe nun in der Ruhe und Stille dieser herrlichen Natur, die mich umgibt. Meinen Beruf übe ich im Kleinen aus, daheim, und immer wieder kommen junge Leute und besuchen mich, die bei mir früher studierten. Es gibt immer einen Austausch. Im Oktober 1972 Aus dem Mozarteum bin ich ohne mich zu verabschieden, gegangen, habe auch von dort nichts erhalten. Das war schon recht bitter und traurig. Nun bin ich also, nach dreiundvierzig Arbeitsjahren, in den Ruhestand gekrochen. Noch habe ich viel darüber zu grübeln – jedenfalls gefällt mir das Schlafen in der Frühe recht gut, besonders wenn der Schnee kommt und ich nicht im Morgendämmern erst den Weg freischaufeln muß. Es wird gehen, weil es gehen muß und vielleicht erwärmt die untergehende Sonne die hereinbrechende Nacht. Es war ein schweres Jahr für meinen Vater, dieses Jahr 1972. Im Januar der Tod des Freundes Georg Rendl, dann der Abschied vom Mozarteum und im Dezember stirbt auch noch der nachbarliche Gesprächspartner Günther Eich. Es bleibt die Liebe zur Literatur und es bleibt ihm viel Zeit zum Nachdenken über „sein“ Salzburg. Er vertieft sich in die Lektüre der Werke von Thomas Bernhard und daraus entsteht sogar noch ein kleiner Briefwechsel.
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15. November 1976 Thomas Bernhard an Heinrich Pflanzl (…) Sie haben mich zu einer mehrstündigen Meditation über die merkwürdigen und die schönen Seiten von Salzburg angeregt, über die Jugend und die Kindheit. Sehr herzlich Ihr Thomas Bernhard Ja, die Jugend und die Kindheit in Salzburg, das war der Lebenstraum meines Vaters. Während seiner Bühnenjahre war jeder Kurzbesuch hier bei den Eltern und den Geschwistern ein Auftanken, ein Auffrischen der Erinnerungen. Doch das waren immer nur wenige Tage im Jahr, manchmal nur ein paar Stunden. Jetzt, wieder mit einem festen Wohnsitz in der Heimat, da sah die Wirklichkeit doch ganz anders aus. Wenn sich die Stadt auch nicht so stark verändert hatte, die Menschen waren anders geworden. Ich kann mich noch gut erinnern, er war eines Tages verabredet zu einer Maturafeier seiner Klasse und er war schon sehr neugierig auf das Wiedersehen. Wir hatten verabredet, dass ich ihn dann am Abend abholen würde. Aber schon am frühen Nachmittag rief er mich an, ich musste ihn sofort rausholen aus diesem Kreis „entsetzlich provinzieller älterer Herren“, er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten. Aber die Liebe zur Stadt hatte sich nicht verändert, seine Lieblingskirche war immer noch der romanische Teil der Franziskanerkirche, seine Lieblingsplätze der Mirabellgarten und der Friedhof von St. Peter. In seinen letzten Lebensjahren hat mein Vater leider nichts mehr geschrieben. Das letzte erhaltene schriftliche Zeugnis ist ein Leserbrief an die Salzburger Nachrichten, in dem er sich für einen im Februar 1978 erschienenen Artikel zum 75. Geburtstag des Jugendfreundes Georg Rendl bedankt.
Dank für die „Ehrenrettung“ meines unvergeßlichen Freundes Georg Rendl. Von meiner Jugend in Salzburg her zieht sich ein „goldener Faden“ des Erinnerns an Georg, der auch nach jahrzehntelanger Abwesenheit aus der Heimat nie abriß. Da waren die Tage des „Blauen Föhns“, die Stunden in der „Waggonbaracke“ in Itzling, Bürmoos, Begegnungen in Breslau, Berlin, St. Georgen – alles, alles ist von dieser Herrlichkeit gesegnet, die wohl erst jetzt zu späteren Jahren (ich bin mit Georg Jahrgangsgleicher) die wahre Helle zeigt. Ich danke deshalb, weil mir ein Besinnliches geschenkt wurde und ich sehr glücklich war, mit einem bedeutenden Dichter (wie wenig gibt es heute?) so sehr Herz zu Herz gewesen zu sein.
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Dieser Leserbrief wurde von den Salzburger Nachrichten am 31. März 1978 abgedruckt. Zehn Tage vorher, am 21. März, ist mein Vater verstorben. Er ruht jetzt in der Familiengruft (XLI) im Friedhof von St. Peter in Salzburg, nur wenige Schritte entfernt von seinem großen Vorbild, dem Kammersänger Richard Mayr. Vielleicht gab es ja schon ein Wiedersehen der beiden Herren, begleitet von einem freundlichen „Grüß Gott, Herr Kammersänger“?
Originalton Heinrich Pflanzl im Oktober 1954 Ja und das wäre es. Und wenn ich nun zurückblicke und den Ausgangspunkt sehe, dann möchte ich doch eines bekennen in Dankbarkeit: das Wesentlichste verdanke ich meiner Heimat. Die Herrlichkeit der Landschaft, die Ausstrahlung, die Begegnung mit künstlerischen Menschen, dies alles zusammen beschenkte und entschied mein, im großen Kunstgetriebe der Welt kleines Leben. Dieses „kleine Leben“ aber hat mit seiner Kunst vielen Menschen Freude bereitet, zahlreiche Sängerinnen und Sänger aus der Gesangsklasse von Heinrich Pflanzl haben ihren Weg gemacht auf der Opernbühne, oder sie unterrichten und tragen so die Erinnerung weiter – und noch heute erscheinen auf dem Plattenmarkt Aufnahmen, die vor vielen Jahren illegal in Theatern gemacht wurden und die ebenfalls seinen Namen tragen.
Ausklang Söhne berühmter Väter sollen es angeblich besonders schwer haben. Nun gut, als ich am Theater anfing, da fragte man natürlich: „Sind Sie verwandt mit dem Kammersänger Heinrich Pflanzl?“ Meine Antwort: „Ja, ich bin der Sohn.“ Als ich meinen Wohnsitz nach Salzburg verlegte, da fragte man: „Sind Sie verwandt mit dem Mundartdichter Otto Pflanzl?“ Meine Antwort: „Ja, ich bin der Enkel.“ Und in den letzten Jahren fragt man mich: „Sind Sie verwandt mit der Sportjournalistin Caroline Pflanzl vom ORF?“ Meine Antwort: „Ja, ich bin der Vater.“ Was ich sonst noch bin außer Sohn, Enkel und Vater, das fragt man nur selten. Es hat mich aber nie gestört, ich kann sehr gut damit leben. Deshalb verstand ich es auch als legitime Aufgabe, aus erhaltenen Dokumenten diese Biografie eines großen Künstlers zu rekonstruieren. Anstelle eines Nachwortes möchte ich nun lieber mit einem Brief meines Vaters schließen. Ein Brief, der viel besser erklärt als ich das jemals könnte, warum dieses Buch geschrieben wurde. Als Schulkind hat es mich oft genervt, wenn mein Vater eine schlechte Schularbeit von mir mit Grabesstimme und dem Satz: „Das ist wieder ein Nagel zu meinem Sarg!“ kommentierte, als Theaterkind habe ich die pädagogisch gemeinten, aber eben doch künstlichen Töne sehr wohl herausgehört. Heute ist mir natürlich längst bewusst, was mein Vater alles für mich getan hat, ja, dass er sogar Entscheidungen, die sein Leben nachhaltig geprägt haben, oft nur meinetwegen getroffen hat. Dieses Buch ist der bescheidene Versuch, ihm zu danken.
Berlin, 30. Oktober 1952 Heinrich Pflanzl an seinen Sohn Mein lieber Junge! Oft und oft setze ich mich in Deine Studierstube und treibe meine Gedanken um Dich herum. Sinne und sinne, wohin die Zeit entrann dem Brunnen unseres gemeinsamen Lebens. Dein Weggang war mehr als nur ein Wechsel. Er war die tatsächliche Beendigung Deiner Kindheit, mein Junge, dieses In-die-Welt-treten. Ich bin mir bei aller Grübelei, bei allem Glücksempfinden, bei allem Hin- und Herdenken dann doch bewußt, wie das dem natürlichen Ablauf folgte. Wenn ich Dir nun sage, wie groß meine Sehnsucht nach Dir ist, wie teuer Dein Leben
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mir ist, so ermiß das an der Liebe, die wir als das Bestimmendste unseres Lebens erkennen. Wenn ich heuer an den „alten Sachen“, die meine Mutter aufhebt, Kritik übte und mich so klug wähnte, so muß ich meiner Mutter das sehr abbitten. Ich sitz an Deinem Schreibtisch und freu mich an einem Löschblatt, das Deine Hand einmal gehalten. Du wirst leise lächeln über den „Mann“, der dies schreibt. Ich sage leise lächeln, weil ich in dem Lächeln nicht das Lachen meine. Leise mag ein glückliches Bewußtsein durchscheinen. Mein Glück ist von Deinem Glück abhängig. Es ist ein Widerspiegeln, Schatten über Deinem Weg sind Schatten auf dem meinen, Licht über Deinem Weg ist Licht für mein Leben. Das alles mag für Deine Sachlichkeit zu „romantisch“ klingen, aber ich könnte es nicht anders deuten. Da ist auch das Wort: ungeheuer. Es ist das gleiche Wort wie unermeßlich. Und doch, mein Junge: wenn ich mich so versenke, daß es nur mehr ein paar Wochen im Jahr sind, die wir zusammen erleben, dann wird mir das wahrhaft „Ungeheure“ bewußt, meine Einsamkeit, die Stille. Ich horche dann in das Haus und höre dann wie ein Echo aus fernen Tagen Deinen Schritt, das GartentorZuschlagen, das Aussperren, höre Deinen Schritt, wenn Du die Treppe runter gepoltert kamst, höre tausend Geräusche aus dem Vergangenen. Ich sitze dann fassungslos in der Ecke, das Ungeheure ermessend. Aus diesem Gefühl erwächst aber auch wie ein heller Schein das Unermeßliche meiner Liebe für Dich. – Dann danke ich dem Herrgott, daß Du in mein Leben gekommen bist. Aus meiner gesegneten Kindheit, die bis zu meinem letzten Tag vom Erinnern an die Liebe meiner Eltern durchstrahlt sein wird, bin ich die Brücke gegangen zu Deinem Leben. Und bin von Dir beschenkt worden, Freude hast Du mir gegeben und viele glückliche Tage. Wie oft erzählte ich den Menschen von Dir, von der freundschaftlichen Art, wie wir es immer gehalten haben. Und damit möchte ich auch diesen Gruß an Dich schließen. Laß mich immer Dein bester Freund bleiben. Das sind die besten Freunde, die im Glück sich nicht aufdrängen, in der Not aber da sind, ohne daß man sie rufen muß. Nacht ist es und ich hatte für eine Zeit die Lampe abgedreht und mich ganz versenkt, bei Dir zu sein. In späten Tagen einmal, da nimmst Du diesen Brief zur Hand. Mag dann es klar sein, daß Worte schwache Werkzeuge sind. Mag dann
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mein Leben vor Dir liegen, mit all seinen Fehlern, Schwächen, all seinen zerrissenen Tagen. Über die Worte hinaus wird aber die Tat sprechen: meine unbedingte Liebe zu Dir, meine Treue bis zu meiner letzten Stunde. Mögen Dich in dieser Nacht die Sterne grüßen! Dein Vater
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Lebensdaten 1903 Am 9. Oktober wird Heinrich Pflanzl in Salzburg geboren, in der Gstättengasse 23, einer Dienstwohnung der Stieglbrauerei 1909 Im Mai übersiedelt die Familie in eine neue Dienstwohnung der Stieglbrauerei in der Festungsgasse 6 1. August 1914 – Beginn des Ersten Weltkrieges 1914–1920 Besuch der Staatsrealschule in Salzburg 1915 Erste Auftritte als Gesangssolist 1918 Am 12. Juli stirbt der ältere Bruder Otto in einem Lazarett in Folgaria 11. November 1918 – Ende des Ersten Weltkrieges 1920–1924 Besuch der Bundeslehrerbildungsanstalt Salzburg, Reifeprüfung mit Erfolg 1924–1929 Studium an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien Künstlerische Reifeprüfung mit vorzüglichem Erfolg 1926 Mitwirkung bei den Salzburger Festspielen als singender Statist 1929–1930 Engagement am Stadttheater Bern 1930–1936 Engagement am Stadttheater Breslau 30. Januar 1933 – In Deutschland übernehmen die Nationalsozialisten die Macht 1934 Heirat und Geburt des Sohnes 1936–1939 Engagement am Opernhaus Nürnberg 1. September 1939 – Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939–1942 Engagement am Staatstheater Kassel 1942–1945 Engagement an der Staatsoper Dresden Im September 1944 werden in Deutschland alle Bühnen geschlossen, die Künstler zur Wehrmacht eingezogen
1945
Lebensdaten
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Verwundung im Kampf um die Festung Breslau, Kriegsgefangenschaft. Im Juli Rückkehr nach Dresden 1945–1950 Engagement an der Staatsoper Dresden 1948 Verleihung des Titels „Kammersänger“ durch die Sächsische Landesregierung Im Oktober 1949 Gründung der DDR 1950–1961 Engagement an der Deutschen Staatsoper Berlin 1950 Verleihung des Deutschen Nationalpreises 1951 Bayreuther Festspiele: Kothner, Beckmesser, Alberiche 1952 Bayreuther Festspiele: Beckmesser, Alberiche 1952 Verleihung des Titels „Kammersänger“ durch die Kunstkommission der DDR in Berlin Im Dezember Umzug von Ost- nach Westberlin 1953 Im Oktober zum 60. Geburtstag Einzug in das eigene Haus in Berlin Dahlem 1961 Im August 1961 beginnt die DDR mit dem Bau der Mauer in Berlin Am 31. August Lösung des Vertrages mit der deutschen Staatsoper Berlin und Verlegung des Wohnsitzes nach Salzburg 1962–1972 Lehrtätigkeit am Mozarteum in Salzburg 1965 Verleihung des Titels „Professor“ durch den österreichischen Bundespräsidenten 1971 Verleihung des Titels „Außerordentlicher Hochschulprofessor“ durch den österreichischen Bundespräsidenten 1978 21. März: Todestag Heinrich Pflanzl
Gesungene Partien A. Oratorium BACH Hohe Messe in h-Moll Basspartie Kassel Johannespassion Jesus Dresden Matthäuspassion Jesus Wien, Kassel, Dresden Judas Wien Petrus Wien Pilatus Wien BERETVAS Franziskus von Assisi Baritonsolo Salzburg HAYDN Die Jahreszeiten Simon Dresden Die Schöpfung Basspartie Kassel, Dresden VERDI Requiem Basspartie Kassel B. Oper und Operette ADAM Nürnberger Puppe Postillon von Lonjumeau AUBER Frau Diavolo BEETHOVEN Fidelio BERG Wozzeck BERTÉ Das Dreimäderlhaus BLACHER Die Flut
Cornelius Bijou
Breslau Breslau
Matteo
Breslau
Don Fernando Rocco
Dresden Berlin
Der Doktor Dresden, Berlin Handwerksbursche Breslau Christian Tschöll
Breslau
Bankier
Dresden
Gesungene Partien
BORODIN Fürst Igor Skula BRAND Maschinist Hopkins Bertier BRANDT-BUYS Schneider von Schönau Balthasar Ziegele BREHME Uhrmacher v. Straßburg(U) Ratsältester BURT Volpone (U) Volpone CIMAROSA Heimliche Ehe Roms CORNELIUS Barbier von Bagdad Abu Hassan DESSAU Verurteilung des Lukullus König DONIZETTI Die Regimentstochter Sulpice Don Pasquale Don Pasquale Der Liebestrank Dulcamara DVORAK Der Jakobiner Burgvogt EGK Die Zaubergeige Guldensack Peer Gynt Ein Unbekannter Der Präsident Der Revisor Stadthauptmann FLOTOW Alessandro Stradella Malvolino Martha Plumkett FOREST Der arme Konrad (U) Andres GENÉE Der Musikfeind Hammer GERSTER Hexe von Passau Valentin Ingold
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Berlin Bern Kassel Kassel, Straßburg Stuttgart Kassel Berlin Berlin Breslau Kassel, Stuttgart Berlin Dresden Breslau, Nürnberg Dresden Berlin Berlin, Stuttgart Breslau Breslau, Nürnberg, Dresden Berlin Breslau Berlin
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Anhang
GLINKA Ruslan und Ludmilla Farlaf Berlin GOETZ Widerspenstigen Zähmung Baptista Berlin GOETZE Schach dem König Breslau GOTOVAC Ero der Schelm Marko Nürnberg, Kassel GRAENER Schirin und Gertraude Graf Bernhard Breslau GROSZ Sganarell Breslau GURLITT Soldaten Haudy Breslau HAAS Die Hochzeit des Jobs (U) Der Apotheker Dresden, Berlin HÄNDEL Julius Caesar Curio Nürnberg Xerxes Ariodat Kassel HEGER Bettler Namenlos Der Hirt Breslau HINDEMITH Neues vom Tage Hoteldirektor Breslau JANACEK Jenufa Dorfrichter Dresden Katja Kabanova Dikoj Dresden JARNO Die Försterchristl Peter Walperl Breslau KALMÁN Der Teufelsreiter Breslau KAMINSKI Jürg Jenatsch Fausch Nürnberg KIENZL Evangelimann Schnappauf Nürnberg KODALY Spinnstube Vermummter Berlin KÖNIGSBERGER Spielzeug Ihrer Majestät Breslau
Gesungene Partien
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KŘIČKA Spuk im Schloss Schnepper Breslau LORTZING Die beiden Schützen Schwarzbart Breslau Undine Kellermeister Breslau, Berlin Der Waffenschmied Ritter Adelhof Breslau, Nürnberg, Kassel, Dresden Der Wildschütz Baculus Breslau, Nürnberg, Kassel, Dresden Zar und Zimmermann van Bett Breslau, Nürnberg MILHAUD Armer Matrose Schwiegervater Breslau Orest Apollo Breslau MILLÖCKER Bettelstudent Ollendorf Nürnberg Gasparone Podestá Breslau MOHAUPT Bremer Stadtmusikanten Pluto, der Hund Berlin MONTEVERDI Krönung der Poppea Seneca Berlin MOZART Bastien und Bastienne Colas Breslau Entführung Osmin Breslau, Kassel Der Schauspieldirektor Buff Breslau Figaros Hochzeit Bartolo Bern Figaro Kassel, Berlin, Hamburg Don Giovanni Leporello Bern, Dresden, Berlin, Kassel Komtur Dresden Cosi fan tutte Don Alfonso Breslau, Kassel, Berlin Die Zauberflöte Sprecher Breslau Geharnischter Breslau Sarastro Wien MUSSORGSKY Boris Godunow Jesuit Breslau Warlaam Dresden, Berlin
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NICOLAI Lustige Weiber Falstaff Dresden, Berlin Herr Reich Dresden OFFENBACH Hoffmanns Erzählungen Crespel Dresden, Berlin Orpheus in der Unterwelt Jupiter Bern ORFF Antigone Kreon Dresden, Berlin, München Kluge Mauleselmann Dresden PAUMGARTNER Rossini in Neapel Domenico Barbaja Nürnberg PERGOLESI Der getreue Musikmeister Musikmeister Breslau La serva padrona Uberto Breslau PROKOFIEW Verlobung im Kloster Mendoza Berlin PUCCINI Der Mantel Maulwurf Breslau Gianni Schicchi Betto von Signa Breslau La Bohème Alcindor Breslau Schaunard Dresden Colline Dresden Madame Butterfly Onkel Bonze Dresden Tosca Mesner Breslau, Dresden REZNICEK Spiel oder Ernst Peulemann Breslau, Nürnberg ROSSINI Angelina Don Magnifico Breslau Barbier von Sevilla Bartolo Breslau, Nürnberg, Dresden SCHENK Der Dorfbarbier Schulmeister Rund Breslau SMETANA Die verkaufte Braut Kezal Breslau, Dresden, Berlin STRAUSS Arabella Graf Waldner Berlin Ariadne auf Naxos Musiklehrer Dresden
Gesungene Partien
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Intermezzo Kammersänger Bern Rosenkavalier Notar Bern Ochs von Lerchenau Breslau, Kassel Dresden, Berlin, Hamburg, Stuttgart, Wien Salome 5. Jude Breslau, Dresden Schweigsame Frau Vanuzzi Dresden STRAUSS, Johann Wiener Blut Kagler Breslau Fanny Elßler Vater Elßler Breslau Der lustige Krieg Carlo Spinzi Breslau SUTERMEISTER Die Zauberinsel (U) Trinculo Dresden VERDI Aida König Nürnberg Luise Miller Wurm Breslau La Traviata Marquis Obigny Breslau Doktor Grenville Dresden Simon Boccanegra Pietro Breslau Rigoletto Monterone Breslau, Kassel, Dresden Macht des Schicksals Melitone Nürnberg, Berlin WAGNER Liebesverbot Brighella Breslau Lohengrin Heerrufer Breslau Meistersinger Beckmesser Bern, Breslau, Nürnberg, Kassel, Dresden, Berlin, Bayreuth, München Parsifal Klingsor Bern, Breslau, Berlin Titurel Breslau Rheingold Alberich Bayreuth Donner Breslau, Nürnberg Siegfried Alberich Bayreuth Götterdämmerung Alberich Bayreuth
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Anhang
Tannhäuser Biterolf Breslau, Kassel, Dresden Rienzi Cecco Breslau WAGNER, Siegfried Der Bärenhäuter Bürgermeister Nürnberg WAGNER-REGENY Der Günstling Simon Renard, Minister Kassel, Berlin WEBER Abu Hassan Omar Dresden Freischütz Kuno Bern, Dresden Peter Schmoll Hans Bast Dresden WEILL Dreigroschenoper Bettler Bern WEINBERGER Schwanda Magier Bern WOLF-FERRARI Vier Grobiane Cancian Kassel WOLFURT Die Dame Kobold (U) Don Luis Kassel ZELLER Der Vogelhändler Schneck Breslau Baron Weps Kassel
Gastspiele Februar 1932 Hamburg Figaros Hochzeit Februar 1932 Berlin Meistersinger November 1939 Berlin Figaros Hochzeit Oktober 1940 Wien Rosenkavalier November 1940 Berlin Rosenkavalier November 1940 Strasbourg Meistersinger September 1942 Wien Rosenkavalier August 1951 Bayreuth Ring Meistersinger Februar 1952 Venedig Siegfried August 1952 Bayreuth Ring Meistersinger November 1952 Stuttgart Rosenkavalier Januar 1953 Barcelona Fidelio Meistersinger August 1953 München Antigone Oktober 1953 München Rosenkavalier November 1953 Hamburg Rosenkavalier Dezember 1953 Westberlin Don Giovanni Januar 1954 Barcelona Don Giovanni Rosenkavalier Mai 1954 Paris Don Giovanni Cosi fan tutte Oktober 1954 München Meistersinger Februar 1955 Venedig Rosenkavalier September 1955 München Meistersinger November 1956 Düsseldorf Rosenkavalier Januar 1957 Stuttgart Rosenkavalier April 1959 Prag Poppea November 1959 Westberlin Cosi fan tutte Juni 1960 Stuttgart Volpone(U) November 1961 Stuttgart Revisor Januar 1962 Stuttgart Don Pasquale
Figaro Beckmesser Figaro Ochs Ochs Beckmesser Ochs Alberiche Kothner Beckmesser Alberich Alberiche Beckmesser Ochs Rocco Beckmesser Kreon Ochs Ochs Leporello Leporello Ochs Leporello Don Alfonso Beckmesser Ochs Beckmesser Ochs Ochs Seneca Don Alfonso Volpone Stadthauptmann Don Pasquale
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Anhang
Diskographie Heinrich Pflanzl Gesamtaufnahmen Beethoven: „Fidelio“ Minister Dirigent Keilberth, Sächsische Staatskapelle Dresden Deutsches Rundfunkarchiv
1948
Egk:
„Der Revisor“ Stadthauptmann Dirigent Konwitschny, Staatskapelle Berlin Deutsches Rundfunkarchiv
1957
Janacek:
„Katja Kabanova“ Dikoj Dirigent Richter, Sächsische Staatskapelle Dresden Profil UPC 881488 604023 PH 06040 Deutsches Rundfunkarchiv
1949
Lortzing:
„Der Wildschütz“ Baculus 1951 Dirigent Schartner, Großes Orchester des Berliner Rundfunks Deutsches Rundfunkarchiv
Monteverdi: „Krönung der Poppea“ Seneca Dirigent Matacic, Staatskapelle Berlin Deutsches Rundfunkarchiv
1957
Mozart:
„Don Giovanni“ Komtur Dirigent Elmendorff, Sächsische Staatskapelle Dresden Deutsche Grammophon LPEM 19 250/52 Cantus Classics (5.00206/7)
1944
Nicolai:
„Lustige Weiber von Windsor“ Falstaff Dirigent Löwlein, Staatskapelle Berlin Deutsches Rundfunkarchiv
1960
Strauss
„Arabella“ Graf Waldner Dirigent Keilberth, Staatskapelle Berlin Deutsches Rundfunkarchiv
1950
Wagner:
„Die Meistersinger“ Beckmesser Dirigent Kempe, Sächsische Staatskapelle, Urania Records URLP 206
1951
Diskographie
277
Myto (961-138. 4) Deutsches Rundfunkarchiv
„Die Meistersinger“ Kothner Dirigent Karajan, Orchester der Bayreuther Festspiele EMI (7 49683-2. 4) Hunt (KAR 224. 4)
„Die Meistersinger“ Beckmesser 1955 Dirigent Konwitschny, Staatskapelle Berlin WALHALL WLCD 0234 Deutsches Rundfunkarchiv
„Die Meistersinger“ Beckmesser Dirigent Knappertsbusch, Bayerische Staatskapelle Orfeo d’or (C 462 974. 4
1955
„Das Rheingold” Alberich Dirigent Karajan, Orchester der Bayreuther Festspiele Hunt (2 CD KAR 216.2)
1951
1951
„Die Meistersinger“ Beckmesser 1952 Dirigent Knappertsbusch, Orchester der Bayreuther Festspiele Hunt (LSMH 3404. 4) Golden Melodram (GM 1003. 4)
„Siegfried“ Alberich 1951 Dirigent Karajan, Orchester der Bayreuther Festspiele Hunt (CD KAR 209. 3)
„Götterdämmerung“ Alberich 1951 Dirigent Knappertsbusch, Orchester der Bayreuther Festspiele Testament 4 CD (SBT: 4175)
Weber:
„Der Freischütz“ Kuno Dirigent Elmendorff, Sächsische Staatskapelle CACD 5.00125 F Profil Edition Günther Häussler DCD PH 07060
1944
278
Anhang
Wehding
„Tandaradei“ Der große König Dirigent Wehding, Sächsische Staatskapelle Deutsches Rundfunkarchiv
1949
Wellesz
„Scherz, List und Rache“ Doktor Dirigent Stein, Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchester Deutsches Rundfunkarchiv
1959
Ausschnitte Adam:
„Postillon von Lonjumeau“ Alcindor Dirigent Stein, Rundfunkorchester Berlin Eterna M 45 520 337 A
Flotow: „Martha“ Plumkett 1957 Dirigent Stein, Rundfunkorchester Berlin Eterna M 45 5 20 337 B Flotow:
„Alessandro Stradella“ Malvolino Dirigent Stein, Großes Rundfunk-Orchester Berlin Eterna M 45 5 20 196
1957
Gounod: „Margarethe“ Mephisto 1957 Dirigent Kegel, Großes Rundfunk-Orchester Leipzig Deutsches Rundfunkarchiv Lortzing:
„DerWildschütz“ Baculus Dirigent Rother, Berliner Rundfunk-Symphonieorchester BASF 22 22315-9
1944
„Der Wildschütz“ Baculus Dirigent Stein, Staatskapelle Berlin Eterna M 45 5 20 149 A
„Der Wildschütz“ Baculus 1954 Dirigent Guhl, Großes Orchester Berlin d. Staatl. Rundfunk-Komitees Deutsches Rundfunkarchiv
„Zar und Zimmermann“ van Bett Dirigent Stein, Staatskapelle Berlin Eterna M 45 520 134
Diskographie
„Zar und Zimmermann“ van Bett Dirigent Martin, Orchester der Städtischen Oper Berlin Telefunken TW 30053 Telefunken NT 206
Mozart:
„Don Giovanni“ Leporello Dirigent Konwitschny, Staatskapelle Berlin Eterna M 45 520 108
„Don Giovanni“ Leporello Dirigent Kegel, Großes Rundfunk-Orchester Leipzig Deutsches Rundfunkarchiv
Nicolai:
„Lustige Weiber von Windsor“ Falstaff 1957 Dirigent Kegel, Großes Rundfunk-Orchester Leipzig Deutsches Rundfunkarchiv
Prokofjew:
„Die Verlobung im Kloster“ Mendoza 1958 Dirigent Löwlein, Staatskapelle Berlin Deutsches Rundfunkarchiv
Rossini:
„Der Barbier von Sevilla„ Bartolo Dirigent Kegel,Großes Rundfunk-Orchester Leipzig Deutsches Rundfunkarchiv
1957
Smetana: „Die verkaufte Braut„ Kezal Dirigent Stein, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Deutsches Rundfunkarchiv Strauß, Johann: „Der Zigeunerbaron“ Zsupan Dirigent Kegel, Großes Rundfunk-Orchester Leipzig Deutsches Rundfunkarchiv
1957
Verdi:
279
1957
1957
„Die Macht des Schicksals“ Melitone 1958 Dirigent Stein, Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester Deutsches Rundfunkarchiv
Wagner-Régeny: „Der Günstling“ Minister Renard Dirigent Stein, Staatskapelle Berlin Eterna 7 20 014
Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen in Privatbesitz Heinrich Pflanzl: Aufzeichnungen, Briefe, Tagebücher Briefe von Thomas Bernhard, Max Burghardt, Walter Felsenstein, Franz Karl Ginzkey, Georg Hartmann, Hugo Hartung, Richard Mayr, Carl Orff, Georg Rendl, Johann N. Stief, Wieland Wagner Mitschnitt der Sendung „Sängerporträt – Heinrich Pflanzl erzählt sein Leben“ Deutschlandsender Berlin, Oktober 1954 Mitschnitt einer Sendung zum 70. Geburtstag: Heinrich Pflanzl im Gespräch mit Dr. Robert Wolf, ORF Landesstudio Salzburg, Oktober 1973 Mischnitt einer Gedenksendung zum 75. Geburtstag von Heinrich Pflanzl, Text Einhard Lutter und Jürgen Grundheber, Sender Freies Berlin, Oktober 1978 Literaturverzeichnis Willy Cohn, Kein Recht, nirgends, Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums 1933–1941, Böhlau Verlag, Köln 2006 Deutsches Bühnenjahrbuch, Hamburg, verschiedene Jahrgänge Bodo Harenberg, Chronik des 20. Jahrhunderts, Westermann, Braunschweig 1982 Hugo Hartung, Der Himmel war unten, Bergstadtverlag W. G. Korn, München 1951 Hugo Hartung, Schlesien 1944/45, Bergstadtverlag W. G. Korn, München 1956 Hugo Hartung, Deutschland deine Schlesier, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek bei Hamburg, Juli 1973 Adolf Haslinger, Peter Mittermayr (Hg.), Salzburger Kulturlexikon, Residenzverlag, Salzburg 2001 K. J. Kutsch / Leo Riemers, Großes Sängerlexikon, Elektronische Ausgabe Berlin 2004 Riemann Musik Lexikon, B. Schott’s Söhne Mainz 1972 Fritz Stern, Fünf Deutschland und ein Leben, Verlag C. H. Beck, München 2007
Personenregister
Aicher, Anton (1859–1930) 30, 31 Aichinger, Ilse (* 1921) 257 Aldenhoff, Bernd (1908–1959) 151, Abb. 39 Anday, Rosette (1903–1977) 55 Appen, Karl von (1900–1981) 151 Arnold, Heinz (1906–1994) 151 Baschata, Fritz 75 Berghaus, Ruth (1927–1996) 201 Bernhard, Thomas (1931–1989) 260, 261 Bing, Sir Rudolf (1902–1997) 113, 165, 166 Böhm, Dr. Karl (1894–1981) 115, 135, 136, 139, 140, 141, 197 Böhme, Kurt (1908–1989) 143, 189 Brabletz, Adelheid, geb. Nega 249, 250 Brauer, Herbert (* 1915) 200 Brüning, Heinrich (1885–1970) 105 Burghardt, Max (1893–1977) 207, 208, 243 Burgwinkel, Josef (1895–1966) 247 Burt, Francis (* 1926) 198 Busch, Fritz (1890–1951) 113 Cebotari, Maria (1910–1949) 163 Clay, Lucius D. (1897–1978) 243 Cohn, Willy (1888–1941) 106 Dessau, Paul (1894–1979) 201 Diehl, André von (1900–1987) 76 Dieterle, William (1893–1972) 32 Dollfuß, Engelbert (1892–1934) 108, 109 Domgraf-Fassbaender, Willi (1897– 1978) 125
Duhan, Hans (1890–1971) 55 Ebert, Carl (1887–1980) 113, 200 Egk, Werner (1901–1983) 192, 195 Eich, Clemens (1954–1998) 257 Eich, Günter (1907–1972) 257, 260 Eipperle, Trude (1908–1997) 121 Elmendorff, Karl (1891–1962) 140–142 Erede, Alberto (1908–2001) 217 Felsenstein, Walter (1901–1975) 166, 170, 171, 174–176, 187, 189, 197, 207, 242 Fischer, Erhard (1922–1996) 201 Fischer von Erlach, Johann Bernhard (1656–1723) 11 Förstel, Gertrude (1880–1950) 59 Frei, Gerhard (1911–1989) 201 Frick, Gottlob (1906–1994) 189, Abb. 39 Gallée, Heinz Bruno (1920–1996) 245 Gehmacher, Friedrich (1866–1942) 31 Ginzkey, Franz Karl (1871–1963) 31, 32 Goltz, Christel (1912–2008) 164 Gradenwitz, Dr. Robert (18..–1938) 112, 118 Gradenwitz, Margarethe (1893–1945) 146 Gravina, Graf Gilberto (1890–1972) 115 Grosavescu, Trajan (1894–1927) 48 Groß, Richard (1885–1945) 93 Grüber, Arthur (1910–1990) 171, 174 Grümmer, Elisabeth (1911–1986) 200 Gründgens, Gustaf (1899–1963) 161 Haefliger, Ernst (1919–2007) 200 Händel, Erich Abb. 39
282
Anhang
Hann, Georg (1897–1950) 34, 48, 50 Hartinger, Dr. Albert (* 1946) 253, 254, 256 Hartmann, Dr. Georg (1891–1972) 71, 82, 99, 116 Hartung, Dr. Hugo (1902–1972) 147, 148 Hayes, Roland (1887–1977) 34, 44 Heger, Robert (1886–1978) 51, 117, 122, 127, 137 Hempel, Susanne 251 Herbert, Walter geb. Seligmann (1898– 1975) 182 Herz, Joachim (1924–2010) 176, 201 Hitler, Adolf (1889–1945) 105–107 Hofmannsthal, Hugo von (1874–1929) 7, 168, 169 Jellmair, August (1925–2007) 225 Jerger, Alfred (1889–1976) 137 Jonas, Franz (1899–1974) 255 Karajan, Herbert von (1908–1989) 34, 177, 179, 189, Abb. 54 Kattnigg, Rudolf (1895–1955) 49 Katona, Julius (1902–1977) 137 Kaufmann, Wilhelm (1901–1999) 19 Kaut, Josef (1904–1983) 19, 225, 239– 241, 255, 256, 258, 259 Keilberth, Joseph (1908–1968) 151, 176, 204 Kelch, Dr. Werner (1911–1977) 190, 193 Kempe, Rudolf (1910–1976) 190, 191 Kerber, Dr. Erwin (1891–1943) 134, 136, 137 Kiener, Heinrich (1870–1950) 13, 42, 66, 112, 150 Kiener, Heinrich (1911–1990) 225 Klenau, Paul von (1883–1946) 55 Knappertsbusch, Hans (1888–1965) 179, 204
Koblitz, Johann 243 Konwitschny, Franz (1901–1962) 194, 197, 202 Krauss, Clemens (1893–1954) 30, 69, 103, 216, 241 Krenn, Fritz (1887–1963) 137 Kunz, Erich (1909–1995) 34, 135–137, 141, 156, 174, 177, 189 Kusche, Benno (1916–2010) 189 Lauhöfer, Robert (* 1929) Abb. 60 Ledwinka, Franz (1883–1972) 30, 46 Legal, Ernst (1881–1955) 159, 166 Lierhammer, Dr. Theo (1866–1937) 34, 41, 43, 44, 46–51, 55–57, 60, 61, 64, 79–81 Löwlein, Hans (1909–1992) 198 Ludwig, Leopold (1908–1979) 160, 204 Lüpertz, Markus (* 1941) 11 Manovarda, Josef von (1890–1942) 49 Markowsky, August Maria (1880–1939) 54, 55, 61, 62, 64, 65 Marx, Joseph (1882–1964) 31, 42, 49 Matacic, Lovro von (1899–1983) 188, 189, 191, 196 Mauersberger, Rudolf (1889–1971) 35 Mayr, Richard (1877–1935) 8, 35, 41, 66–70, 86, 117, 134, 135, 156, 168, 169, 176, 262 Mayr, Berthe Marie, geb. Denk (1881– 1974) 67–69 Messner, Joseph (1893–1969) 218, 243, 244 Moissi, Alexander (1979–1935) 32 Moschigg, Paula 29 Moser, Hans (1880–1964) 32 Nilius, Rudolf (1883–1962) 49 Nilsson, Sven (1898–1970) 143
Personenregister
Novak, Angelika 253, 254 Ollendorf, Fritz (1912–1977) 193 Orff, Carl (1895–1982) 163 Otto, Lisa (* 1919) 200 Palm, Kurt 190 Patzak, Julius (1898–1974) 128, 142 Paulmüller, Alexander (1912–1992) 251, 252, 256 Paumgartner, Bernhard (1887–1971) 115, 240, 241 Peterlini, Dominik Josef (1875–1944) 52, 55 Petrow, Iwan (*1920) 203 Pieck, Wilhelm (1876–1960) 174, 175 Poell, Alfred (1900–1968) 56 Ponnelle, Jean-Pierre (1932–1988) 200 Preussner, Eberhard (1899–1964) 239– 241, 243, 246 Prohaska, Jaro (1891–1965) Abb. 46 Rech, Dr. Geza (1910–1992) 240, 241, 253 Rehm, Kurt (1915–2011) Abb. 49 Rehrl, Franz (1890–1947) 39 Reinhardt, Max ( 1873–1943) 32, 33 Reining, Maria (1903–1991) 257 Reitter, Albert (1895–1962) 216 Rendl, Georg (1903–1972) 19, 20, 225, 258–261 Rennert, Günther (1911–1978) 193, 195, 198 Rentmeister, Maria (1905–1996) 204 Riegger, Eva 250 Rogner, Eva Maria (*1928) 228 Rosegger, Peter (1843–1918) 32 Rosvaenge, Helge (1897–1972) 176 Sack, Erna (1898–1972) 97 Schäfer, Walter Erich (1901–1981) 198 Schaljapin, Fjodor Iwanowitsch (1873– 1938) 49, 50, 203
283
Schellenberg, Arno (1903–1983) Abb. 39 Schenk, Erich (1902–1974) 19, 225, 258, 259 Schilhawsky, Paul (1918–1995) 256 Schlemm, Anny (*1929) 174 Schneiderhan, Wolfgang (1915–2002) 68 Schock, Rudolf (1915–1986) 171, 174, 204, 254, Abb. 51, 55 Schuh, Oscar Fritz (1904–1984) 174 Schulbauer, Dr. Heinz (1884–1964) 53, 54, 62 Schwernik, Nikolai M. (1888–1970) 204 Soot, Fritz (1878–1965) 186, 187, 189, 191 Stanchina, Peter (1899–1967) 219, 224 Stern, Fritz (*1926) 105 Sterneck, Berthold (1890–1943) 116 Stief, Dr. Johann N. 168–170 Stolze, Gerhard (1926–1979) 190, 193–195 Srauss, Dr. Richard (1864–1949) 168, 169 Strickert, Eberhard 194 Strohm, Heinrich Karl (1895–1959) 133–137 Stuckenschmidt, Hans Heinz (1901– 1988) 203, 254 Süß, Rainer (* 1930) 201, 202 Tarrés, Enriqueta (*1934) 260 Tiburtius, Joachim (1889–1967) 190 Tomaselli, Richard (1904–1981) 19 Trakl, Georg (1887–1914) 8, 19 Trötschel, Elfriede (1913–1958) Abb. 40, 43 Ulbricht, Walter (1893–1973) 165 Unger, Gerhard (1916–2011) 195, 200
284
Anhang
Ursuleac, Viorica (1894–1985) 241, 243, 244, 253 Vogel, Adolf (1897–1969) 137 Vorwold, Wilfried 250, 255, 256 Wagner, Cosima (1837–1930) 115 Wagner, Robert (1915–2008) 255 Wagner, Sieglinde (1921–2003) 200 Wagner, Wieland (1917–1966) 176–178, 180 Wagner, Wolfgang (1919–2010) 176, 180 Weinheber, Josef (1892–1945) 258
Werdnik, Martin (1865–1934) 43 Wilhelmi, Julius 82, 86, 87 Winds, Erich-Alexander (1900–1972) 195, 196, 201 Winterstein, Eduard von (1871–1961) 174 Zeithammer, Gottlieb (1904–1982) 116, 136