Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Band 2 [Aufs neue durchges. und verm. Reprint 2018 ed.] 9783111408668, 9783111045221


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German Pages 628 Year 1853

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Table of contents :
Inhalt
Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. 1755. 1772
Philotas. Ein Trauerspiel. 1759. 1772
Emilia Walotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. 1772
Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen
Anhang
Theatralischer Nachlaß. 1784. 1786
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Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Band 2 [Aufs neue durchges. und verm. Reprint 2018 ed.]
 9783111408668, 9783111045221

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Gotthold Ephraim Leffmg's

sämmtliche Schriften.

Gotthold Ephraim Leffing's

sämmtliche Schriften. Herausgegeben von

Karl Lachmann.

Auf's Neue durchgesehen und vermehrt von

Wendelin von Maltzahn.

Zweiter Band.

Leipzig. G.

I.

Göschen'sche

Berlagshandlnng

1853.

Buchnuckciet rer I. G. (Lvtta'schen Buchhandlung tu Stuttgart.

Inhalt. ©eite

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen................... 1 Philotas. Ein Trauerspiel.........................................................................85 Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen.............................109 Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen . . 181 Anhang. Dämon, oder die wahre Freundschaft. Ein Lustspiel in einem Auf­ zuge ................................................................................................... 359 Die alte Jungfer. Ein Lustspiel in drey Aufzügen............................. 382 Theatralischer Nachlaß. Versuch eines Trauerspiels. Giangir, oder der verschmähte Thron . 416 Der Freygeist. [Früherer Entwurfs ...................................................... 421 Tarantula. Eine Possenoper........................................... ... 423 Weiber sind Weiber. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen........................ 431 Die beyderseitige Ueberredung. EinSchäferspiel............................. 450 Das befreyte Rom................................................................................. 453 Das Leben ist ein Traum. Aus dem Spanischen des Pedro Ealderon de la Barca übersetzt................... 455 Palaion. Comedie en unActc . . 456 [Nach dem Pseudolus des Plautus.) ... ... . 463 Der Vater ein Affe, der Sohn ein Geck. In fünf Aufzügen . . 465 Die aufgebrachte Tugend....... 467 Die Großmüthigen ... ....................................469 Die Witzlinge............................. ... . . 470 Der Dorfjunker........................ 471 Der gute Mann. In fünf Aufzügen.................................................... 471 Der Leichtgläubige. Ein Lustspiel in fünfAufzügen............................. 475 [(Sin Blatt aus später Zeit.f............................ .... 478 Bor diesem! Ein Lustspiel in einem Aufzuge .... ... 479

VI

Seite

Alcibiades............................................... ....................................... 488 Alcibiades in Persien .... 494 [Virginia.]........................................................................................................... 496 Die Clausel im Testamente................................. .... 497 Die glückliche Erbin. Ein Lustspiel in fünfAnfzügen...............................501 D. Faust........................................................................................................... 512 Fatime. Ein Trauerspiel................. . 523 Kleonnis. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen . ... 531 Der HoroScoP...................................... . 539 SpartacnS............................................................................................................546 Der Schlaftrunk, früherer Entwurf.) ... ... 550 Der Schlaftrunk. Ein Lustspiel in dreyAuszügen........................................551 Die Matrone von Ephesus. Ein Lustspiel ineinem Aufzuge . . . 576 Werther, der beßere......................................................................................600 Nathan der Weise; in fünf Aufzügen...........................................................600 Eomische Einfälle und Züge..................................................................... 618

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. 1755.

1772.

Zuerst gedruckt in dem sechsten Theile der Schriften 1755: Miß Sara Sampson. Ein bürgerliches Trauerspiel, in fünf Aufzügen, dann in den „Trauerspielen, Berlin, bey Christian Friedrich Voß.

1772."

Lessing, sämmtl. Werke. II.

Die Abweichungen des ersten Druckes sind angegeben.

1

Personen. Sir William Sampson. Miß Sara. Dessen Tochter. Mellefon t. Marwood. Mellefontö alte Geliebte. Arabella. Ein junges Kind, der Marwood Tochter. Waitwell. Ein alter Diener des Sampson. Norton. Bedienter des Mellefont. Betty. Mädchen der Sara. Hannah. Mädchen der Marwood. Der Gast Wirth und einige Nebenpersonen.

Erster Aufzug. Erster Auftritt. Der Schauplatz ist ein Saal im Gasthofe.

Dir William Tampfon und Waitwell treten in Reisekleidern herein.

Air William.

Hier meine Tochter?

Hier in diesem blenden

Wirthshause? Waitwell. Ohne Zweifel hat Mellefont mit Fleiß das allerelendeste im ganzen Städtchen zu seinem Aufenthalte gewählt. immer das Dunkle, weil sie böse Leute sind.

Böse Leute suchen

Aber was hilft es chnen,

wenn sie sich auch vor der ganzen Welt verbergen könnten? Das Gewissen ist doch mehr, als eine ganze uns verklagende Welt. — Ach, Sie weinen schon wieder, schon wieder, Sir! — Sir! Air William.

Laß mich weinen, alter ehrlicher Diener.

Oder

verdient sie etwa meine Thränen nicht? Waitwell.

Ach! sie verdient sie, und wenn es blutige Thränen

wären. Air William. Waitwell.

Nun so laß mich.

Das beste, schönste, unschuldigste Kind, das unter der

Sonne gelebt hat, das muß so verführt werden! Ach Sarchen! Sarchen! Ich habe dich 1 aufwachsen sehen; hundertmal habe ich dich als ein Kind auf diesen meinen Armen gehabt; auf diesen meinen Armen habe ich dein Lächeln, dein Lallen bewundert.

Aus jeder kindischen Miene stralte die

Morgenröthe eines Verstandes, einer Leutseligkeit, einer 2--------‘ »Sie" 3 ..die"

Air William. Herz schon genug?

O schweig! Zerfleischt nicht das Gegenwärtige mein Willst du meine Martern durch die Erinnerung an

vergangne Glückseligkeiten noch höllischer machen? Aendre deine Sprache, wenn du mir einen Dienst thun willst.

Tadle mich; mache mir aus meiner

Zärtlichkeit ein Verbrechen; vergrößre das Vergehen meiner Tochter; erfittte mich, wenn du kannst, mit Abscheu gegen sie; entflamme aufs neue meine Rache gegen ihren verfluchten Verführer; sage, daß Sar^a nie tugendhaft gewesen, well sie so leicht aufgehört hat es zu seyn; sage, daß sie mich nie geliebt, weil sie mich heimlich verlassen hat. 1 Waitwell.

Sagte ich das, so würde ich eine Lüge sagen; eine

unverschämte, böse Lüge.

Sie könnte mir auf dem Todbette wieder ein­

fallen, und ich alter Bösewicht müßte in Verzweiflung sterben. — Nein, Sarchen hat ihren Vater geliebt, und gewiß! gewiß! sie liebt ihn noch. Wenn Sie nur davon überzeugt seyn wollen, Sir, so sehe ich sie heute noch wieder in Ihren Armen. Air William. zu seyn.

Za, Waitwell, nur davon verlange ich überzeugt

Ich kann sie länger nicht entbehren; sie ist die Stütze meines

Alters, und wenn sie nicht den traurigen Rest meines Lebens versüßen hilft, wer soll es denn thun? Wenn sie mich noch liebt, so ist ihr Fehler vergessen.

Es war der Fehler eines zärtlichen Mädchens, und ihre Flucht

war die Wirkung ihrer Reue.

Solche Vergehungen sind besser, als er­

zwungene Tugenden — Doch ich fühle es, Waitwell, ich fühle es; wenn diese Vergehungen auch wahre Verbrechen, wenn es auch vorsetzliche Laster wären: ach! ich würde ihr doch vergeben.

Ich würde doch lieber von

einer lasterhaften Tochter, als von keiner, geliebt seyn wollen. Waitwell. jemanden kommen.

Trocknen Sie Ähre Thränen ab, lieber Sir! Ich höre Es wird der Wirth seyn, uns zu empfangen.

Jweyter Auftritt. Der Wirth. Dir William Tampfon.

Waitwell.

Du Wirth. So früh, meine Herren, so früh? Willkommen! will­ kommen Waitwell! Ähr seyd ohne Zweifel die Nacht gefahren? Äst daS der Herr, von dem du gestern mit mir gesprochen hast? Waitwell.

Äa, er ist es, und ich hoffe, daß du abgeredeter

Maßen--------1 »hat" fehlt der ersten Ausgabe.

5 Btt Wirth. Gnädiger Herr, ich bin ganz zu Ihren Diensten. Was liegt mir daran, ob ich es weiß, oder nicht, was Sie für eine Ursache hieher führt, und warum Sie bey mir im Verborgnen seyn wollen? Ein Wirth nimmt sein Geld, und läßt seine Gäste machen, was ihnen gut dünkt. Waitwell hat mir zwar gesagt, daß Sie den fremden Herrn, der sich seit einigen Wochen mit seinem jungen Weibchen bey mir aufhält, ein wenig beobachten wollen. Aber ich hoffe, daß Sie ihm keinen Ver­ druß verursachen werden. Sie würden mein Haus in einen Übeln Ruf bringen, und gewisse Leute würden sich scheuen, bey mir abzutreten. Unser einer muß von allen Sorten Menschen leben.------Sir William. Besorget nichts; führt mich nur in das Zimmer, das Waitwell für mich bestellt hat. Ich komme aus rechtschaffenen Ab­ sichten hierher. Der Wirth. Ich mag Ihre Geheimniffe nicht wissen, gnädiger Herr! Die Neugierde ist mein Fehler gar nicht. Ich hätte es, zum Exempel, längst erfahren können, wer der fremde Herr ist, auf den Sie Acht geben wollen; aber ich mag nicht. So viel habe ich wohl heraus­ gebracht, daß er mit dem Frauenzimmer muß durchgegangen seyn. Das gute Weibchen, oder was sie ist! sie bleibt den ganzen Tag in ihrer Stube eingeschlossen und weint. Sir William. Und weint? Der Wirth. Ja, und weint-------Aber, gnädiger Herr, warum weinen Sie? Das Frauenzimmer muß Ihnen sehr nahe gehen. Sie sind doch wohl nicht------Waitwell. Halt ihn nicht länger auf. Btt Wirth. Kommen Sie. Nur eine Wand wird Sie von dem Frauenzimmer trennen, das Ihnen so nahe geht, und die vielleicht-----Waitwell. Du willst es also mit aller Gewalt wissen, wer — Der Wirth. Nein, Waitwell, ich mag nichts wissen. Waitwell. Nun so mache und bringe uns an den gehörigen Ort, ehe noch das ganze Haus wach wird. Der Wirth. Wollen Sie mir also folgen, gnädiger Herr? (geht ab.)

6

Dritter Auftritt. Der mittlere Vorhang wird aufgezogen. Mellefonts Zimmer. Mellefonl und hernach fein Bedienter.

itlf lUfflltt. (unangekleidet in einem Lehnstuhle.) Wieder eine Nacht, die ich auf der Folter nicht grausamer hätte zubringen können! — Norton! — Ich muß nur machen, daß ich Gesichter zu sehen bekomme. Bliebe ich mit meinen Gedanken länger allein: sie möchten mich zu weit führen. — He, Norton! Er schläft noch. Aber ich bin nicht grausam, daß ich den armen Teufel nicht schlafen lasse? Wie glücklich ist er! — Doch ich will nicht, daß ein Mensch um mich glücklich sey. — Norton! Norton, (kommend.) Mein Herr! Mellesont. Kleide mich an! — O mache mir keine sauern Ge­ sichter! Wenn ich werde länger schlafen können, so erlaube ich dir, daß du auch länger schlafen darfst. Wenn du von deiner Schuldigkeit nichts wissen willst, so habe wenigstens Mitleiden mit mir. Norton. Mitleiden, mein Herr? Mitleiden mit Ihnen? Ich weiß besser, wo das Mitleiden hingehört. Mellefont. Und wohin denn? Norton. Ah, lassen Sie sich ankleiden, und fragen Sie mich nichts. Melle so nt. Henker! So sollen auch deine Verweise mit meinem Gewissen aufwachen? Ich verstehe dich; ich weiß es, wer dein Mitleiden erschöpft. — Doch, ich lasse ihr und mir Gerechtigkeit wiederfahren. Ganz Recht; habe kein Mitleiden mit mir. verfluche mich in deinem Herzen; aber — verfluche auch dich. Norton. Auch mich? Mellesont. Ja; weil du einem Elenden dienest, den die Erde nicht tragen sollte, und weil du dich seiner Verbrechen mit theilhaft ge­ macht hast. Norton. Ich mich Ihrer Verbrechen theilhaft gemacht? durch was? Melle so nt. Dadurch, daß du dazu geschwiegen. Norton. Vortrefflich! in der Hitze Ihrer Leidenschaften, würde mir ein Wort den Hals gekostet haben. — Und dazu, als ich Sie kennen lernte, fand ich Sie nicht schon so arg, daß alle Hoffnung zur Beßrung vergebens war? Was für ein Leben habe ich Sie nicht, von dem ersten

7 Augenblicke an, 1 führen sehen!

In der nichtswürdigsten Gesellschaft von

Spielern und Landstreichern — ich nenne sie, was sie waren und kehre mich an ihre Titel, Ritter und dergleichen, nicht — in solcher Gesell­ schaft brachten Sie ein Vermögen durch, das Ihnen den Weg zu den größ­ ten Ehrenstellen hätte bahnen können.

Und Ihr strafbarer Umgang mit

allen Arten von Weibsbildern, besonders der bösen Marwood---------itlrllefont.

Setze mich, setze mich wieder in diese Lebensart: sie

war Tugend in Vergleich meiner itzigen.2 gut.

Die Strafe kömmt nach,

Ich verthat mein Vermögen;

und ich werde alles, was der Mangel

hartes und erniedrigendes hat, zeitig genug empfinden. Ich besuchte laster­ hafte Weibsbilder; laß es seyn.

Ich ward öfter verführt als ich verführte;

und die ich verführte, wollten verführt seyn. — Aber — ich hatte noch keine verwahrloste Tugend auf meiner Seele. schuld in ein unabsehliches Unglück gestürzt.

Ich hatte noch keine Un­

Ich hatte noch keine Sara

aus dem Hause eines geliebten Vaters entwendet, und sie gezwungen, einem Nichtswürdigen zu folgen, der auf keine Weise mehr sein eigen war. Ich hatte — Wer kömmt schon so früh zu mir?

Vierter Auftritt. Betty. Mellefont. Norton.

Horton.

Es ist Betty.

Melle so nt. Setty.

Schon auf, Betty? Was macht dein Fräulein?

Was macht sie?

(schluchzend.)

Es war schon lauge nach Mit­

ternacht, da ich sie endlich bewegte, zur Ruhe zu gehen.

Sie schlief einige

Augenblicke; aber Gott! Gott! was muß das für ein Schlaf gewesen seyn! Plötzlich fuhr sie in die Höhe, sprang auf, und siel mir als eine Unglück­ liche in die Arme, die von einem Mörder verfolgt wird.

Sie zitterte,

und ein kalter Schweiß floß ihr über das erblaßte Gesicht.

Ich wandte

alles an, sie zu beruhigen, aber sie hat mir bis an den Morgen nur mit stummen Thränen geantwortet.

Endlich hat sie mich einmal über das

andre an Ihre Thüre geschickt, zu hören, ob Sie schon aufwären. will Sie sprechen.

Sie allein können Sie trösten.

1 „vom Anfange" 2 „gegen meine jetzige."

Sie

Thun Sie es doch,

8 liebster gnädiger Herr, thun Sie es doch. Das Herz muß mir springen, wenn sie sich so zu ängstigen fortfährt. Mellesont. Geh, Betty, sage ihr, daß ich den Augenblick bei ihr seyn wolle------Letty. Nein, sie will selbst zu Ihnen kommen. Mellesont. Nun so sage ihr, daß ich sie erwarte — Ach!-----(Betty geht ab.)

Fünfter Auftritt. Mellesont. Norton.

Norton. Gott, die arme Miß! Mellesont. Westen Gefühl willst du durch deine Ausrufung rege machen? Sieh, da läuft 1 die erste Thräne, die ich seit meiner Kindheit geweinet, die Wange herunter! — Eine schlechte Vorbereitung, eine trost­ suchende Betrübte zu empfangen. Warum sucht sie ihn auch bey mir? — Doch wo soll sie ihn sonst suchen? — Ich muß mich fassen, (indem er sich die Augen abtrocknet.) Wo ist die alte Standhaftigkeit, mit der ich ein schönes Auge konnte weinen sehen? Wo ist die Gabe der Verstellung hin, durch die ich seyn und sagen konnte, was ich wollte? — Nun wird sie kommen, und wird unwiderstehliche Thränen weinen. Verwirrt beschämt werde ich vor ihr stehen; als ein verurtheilter Sünder werde ich vor ihr stehen. Rathe mir doch, was soll ich thun? was soll ich sagen? Norton. Sie sollen thun, was sie verlangen wird. Mellefont. So werde ich eine neue Grausamkeit an ihr begehen. Mit Unrecht tadelt sie die Verzögerung einer Ceremonie, die itzt ohne unser äußerstes Verderben in dem Königreiche nicht vollzogen werden kann. Norton. So machen Sie denn, daß Sie es verlassen. Warum zaudern wir? warum vergeht ein Tag, warum vergeht eine Woche nach der andern? Tragen Sie mir es doch auf. Sie sollen morgen sicher eingeschifft seyn. Vielleicht, daß ihr der Kummer nicht ganz über das Meer folgt; daß sie einen Thell desselben zurückläßt, und in einem andern Lande ------Mellesont. Alles das hoffe ich selbst. — Still, sie kömmt. Wie schlägt mir das Herz------> „jetzt wird die erste Thräne u. s. w. die Wangen herunterlaufen."

9 Sechster Austritt. Sara. Mellefont. ittrllrfont. (intern ev ihr entgegen geht.)

Norton. Sie haben eine unruhige Nacht

gehabt, liebste Miß---------Aara.

Ach, Mellefont, wenn es nichts als

eine unruhige Nacht

wäre---------Jttrllrfflnt. (jum Bedienten.)

Verlaß uns!

Norton, (im abgehen.) Ich wollte auch nicht da bleiben,

und wenn

mir gleich jeder Augenblick mit Golde bezahlt würde.

Siebenter Auftritt. Sara. Mellefont.

Mellefont.

Sie sind schwach, liebste Miß.

Aara. (sie setzt sich)

Sie müssen sich setzen.

Ich beunruhige Sie sehr früh; und werden Sie

mir es vergeben, daß ich meine Klagen wieder mit dem Morgen anfange? Metlefont.

Theuerste Miß, Sie wollen sagen,

daß Sie mir es

nicht vergeben können, weil schon wieder ein Morgen erschienen ist, ohne daß ich Ihren Klagen ein Ende gemacht habe. Aara.

Was sollte ich Ihnen nicht vergeben?

Ihnen bereits vergeben habe. neunte Woche fängt heute an,

Sie wissen, was ich

Aber die neunte Woche,

Mellefont,

die

und dieses elende Haus sieht mich noch

immer auf eben dem Fuße, als den ersten Tag. Mellefont. Aara. zu sehr,

So zweifeln Sie an meiner Liebe?

Ich, an Ihrer Liebe zweifeln? Nein, ich fühle mein Unglück

zu sehr,

als daß ich mir selbst diese letzte

einzige Versüßung

desselben rauben sollte. Mellefont.

Wie kann also meine Miß über die Verschiebung einer

Ceremonie unruhig seyn? Sara.

Ach, Mellefont, warum muß ich einen andern Begriff von

dieser Ceremonie haben! — Geben Sie doch immer der weiblichen Denkungs­ art etwas nach.

Ich stelle mir vor, daß eine nähere Einwilligung

Himmels darinn liegt.

des

Umsonst habe ich es, nur wieder erst den gestrigen

langen Abend, versucht, Ihre Begriffe anzunehmen, und die Zweifel aus meiner Brust zu verbannen, die Sie, itzt nicht das erstemal, für Früchte

10 meines Mißtrauens angesehen haben.

Ich stritt mit mir selbst; ich war

sinnreich genug, meinen Verstand zu betäuben; aber mein Herz und ein inneres Gefühl warfen auf einmal das mühsame Gebäude von Schlüssen übern Haufen.

Mitten aus dem Schlafe weckten mich strafende Stimmen,

mit welchen sich meine Phantasie, mich zu quälen, verband.

Was für

Bilder, was für schreckliche Bilder schwärmten um mich herum! Ich wollte sie gern für Träume halten---------üHrlUfont. halten?

Wie? meine vernünftige Sara sollte sie für etwas mehr

Träume, liebste Miß, Träume! — Wie unglücklich ist der

Mensch! Fand sein Schöpfer in dem Reiche der Wirklichkeiten nicht Qualen für ihn genug? Mußte er, sie zu vermehren, auch ein noch weiteres Reich von Einbildungen in ihm schaffen? Sara.

Klagen Sie den Himmel nicht an! Er hat die Einbildungen

in unserer Gewalt gelassen.

Sie richten sich nach unsern Thaten; und

wenn diese unsern Pflichten und der Tugend gemäß sind, so dienen die sie begleitenden Einbildungen zur Vermehrung unserer Ruhe und unseres Vergnügens.

Eine einzige Handlung, Mellefont, ein einziger Segen, der

von einem Friedensbothen im Namen der ewigen Güte auf uns gelegt wird, kann meine zerrüttete Phantasie wieder heilen.

Stehen Sie noch

an, mir zu Liebe dasjenige einige Tage eher zu thun, was Sie doch ein­ mal thun werden?

Erbarmen Sie sich meiner, und überlegen Sie, daß

wenn Sie mich auch dadurch nur von Qualen der Einbildung befreyen, diese eingebildete Qualen doch Qualen, und für die, die sie empfindet, wirkliche Qualen sind. — Ach, könnte ich Ihnen nur halb so lebhaft die Schrecken meiner vorigen Nacht erzählen, als ich sie gefühlt habe! — Von Weinen und Klagen, meinen einzigen Beschäfftigungen, ermüdet, sank ich mit halb geschlossenen Augenliedern auf das Bett zurück. Die Natur wollte sich einen Augenblick erholen, neue Thränen zu sammeln. Aber noch schlief ich nicht ganz, als ich mich auf einmal an dem schroffsten Theile des schrecklichsten Felsen sahe.

Sie giengen vor mir her, und ich folgte Ihnen

mit schwankenden ängstlichen Schritten, die dann und wann ein Blick stärkte, welchen Sie auf mich zurückwarfen.

Schnell hörte ich hinter mir

ein freundliches Rufen, welches mir still zu stehen befahl.

Es war der

Ton meines Vaters — Ich Elende! kann ich denn nichts von ihm ver­ gessen?

Ach! wo ihm sein Gedächtniß eben so grausame Dienste leistet;

wo er auch mich nicht vergessen kann! — Doch er hat mich vergessen.

Trost! grausamer Trost für seine Sara! — Hören Sie nur, Mellefont; indem ich mich nach dieser bekannten Stimme umsehen wollte,

gleitete

mein Fuß; ich wankte und sollte eben in den Abgrund herab stürzen, als ich mich, noch zur rechten Zeit, von einer mir ähnlichen Person zurück­ gehalten fühlte.

Schon wollte ich ihr den feurigsten Dank abstatten, als

sie einen Dolch aus dem Busen zog. zu verderben!

Ich rettete dich, schrie sie, um dich

Sie holte mit der bewaffneten Hand aus — und ach! ich

erwachte mit dem Stiche.

Wachend fühlte ich noch alles, was ein tödt-

licher Stich schmerzhaftes haben kann; angenehmes haben muß:

ohne das zu empfinden, was er

das Ende der Pein in dem Ende des Lebens

hoffen zu dürfen. Mellefont.

Ach! liebste Sara,

ich

verspreche Ihnen

das Ende

Ihrer Pein, ohne das Ende Ihres Lebens, welches gewiß auch das Ende des meinigen seyn würde.

Vergessen Sie das schreckliche Gewebe eines

sinnlosen Traumes. Sara.

Die Kraft es vergessen zu können,

Es sey Liebe oder Verführung,

es sey Glück

erwarte ich von Ihnen. oder Unglück,

das mich

Ihnen in die Arme geworfen hat; ich bin in meinem Herzen die Ihrige, und werde es ewig seyn. Richters,

Aber noch bin ich es nicht vor den Augen jenes

der die geringsten Uebertretungen seiner.Ordnung zu strafen

gedrohet hat---------Mellrsont. Sara.

So falle denn alle Strafe auf mich allein!

Was kann auf Sie fallen, das mich nicht treffen sollte? —

— Legen Sie aber mein dringendes Anhalten nicht falsch aus. Ein andres Frauenzimmer, das durch einen gleichen Fehltritt sich ihrer Ehre verlustig gemacht hätte, würde vielleicht durch ein gesetzmäßiges Band nichts als einen Theil derselben wieder zu erlangen suchen. darauf nicht,

Ich, Mellefont, denke

weil ich in der Welt weiter von keiner Ehre wissen will,

als von der Ehre,

Sie zu lieben.

Ich will mit Ihnen,

nicht um der

Welt Willen, ich will mit Ihnen um meiner selbst Willen verbunden seyn. Und wenn ich es bin,

so will ich gern die Schmach auf mich nehmen,

als ob ich es nicht wäre.

Sie sollen mich, wenn Sie nicht wollen, für

ihre Gattin nicht erklären dürfen; Sie sollen mich erklären können, was Sie wollen.

für

Ich will Ihren Namen nicht führen; Sie sollen unsere

Verbindung so geheim halten, als Sie es für gut befinden; und ich will derselben ewig unwerth seyn, wenn ich mir in den Sinn kommen lasse,

12 einen andern Vortheil, als die Beruhigung meines Gewissens, daraus zu ziehen. Melle so nt. Halten Sie ein, Miß, oder ich muß vor Ihren Augen des Todes seyn. Wie elend bin ich, daß ich nicht das Herz habe, Sie noch elender zu machen! — Bedenken Sie, daß Sie sich meiner Führung überlassen haben; bedenken Sie, daß ich schuldig bin, für uns weiter hinaus zu sehen, und daß ich itzt gegen Ihre Klagen taub seyn muß, wenn ich Sie nicht, in der ganzen Folge Ihres Lebens, noch schmerz­ haftere Klagen will führen hören. Haben Sie es denn vergessen, was ich Ihnen zu meiner Rechtfertigung schon oft vorgestellt? Sara. Ich habe es nicht vergessen, Mellefont. Sie wollen vorher ein gewisses Vermächtniß retten. — Sie wollen vorher zeitliche Güter retten, und mich vielleicht ewige darüber verscherzen lassen. Mell eso nt. Ach Sara, wenn Ihnen alle zeitliche Güter so gewiß wären, als Ihrer Tugend die ewigen sind------Sara. Meiner Tugend? Nennen Sie mir dieses Wort nicht! — Sonst klang es mir süße, aber itzt schallt mir ein schrecklicher Donner darinn! Melle so nt. Wie? muß der, welcher tugendhaft seyn soll, keinen Fehler begangen haben? Hat ein einziger so unselige Wirkungen, daß er eine ganze Reihe unsträflicher Jahre vernichten kann? So ist kein Mensch tugendhaft; so ist die Tugend ein Gespenst, das in der Luft zerfließet, wenn man es am festesten umarmt zu haben glaubt; so hat kein weises Wesen unsere Pflichten nach unfern Kräften abgemessen; so ist die Lust, uns strafen zu können, der erste Zweck unsers Daseyns; so ist — Ich er­ schrecke vor allen den gräßlichen Folgerungen, in welche Sie Ihre Kleinmuth verwickeln muß! Nein, Miß, Sie sind noch die tugendhafte Sara, die Sie vor meiner unglücklichen Bekanntschaft waren. Wenn Sie sich selbst mit so grausamen Augen ansehen, mit was für Augen müssen Sie mich betrachten! Sara. Mit den Augen der Liebe, Mellefont. Melle so nt. So bitte ich Sie denn um dieser Liebe, um dieser großmüthigen, alle meine Unwürdigkeit übersehenden Liebe Willen, zu Ihren Füßen bitte ich Sie: beruhigen Sie sich. Haben Sie nur noch einige Tage Geduld. Sara. Einige Tage! Wie ist Ein Tag schon so lang! Mellesont. Verwünschtes Vermächtniß! Verdammter Unsinn eines

13 sterbenden Vetters, der mir sein Vermögen nur mit der Bedingung lassen wollte, einer Anverwandtinn die Hand zu geben, die mich eben so sehr haßt, als ich sie! Euch, unmenschliche Tyrannen unserer freyen Neigungen, euch werde alle das Unglück, alle die Sünde zugerechnet, zu welchen uns euer Zwang bringet! — Und wenn ich ihrer nur entübriget seyn könnte, dieser schimpflichen Erbschaft! So lange mein väterliches Vermögen zu meiner Unterhaltung hinreichte, habe ich sie allezeit verschmähet, und sie nicht einmal gewürdiget, mich darüber zu erklären. Mer itzt, itzt, da ich alle Schätze der Welt nur darum besitzen möchte; um sie zu den Füßen meiner Sara legen zu können, itzt, da ich wenigstens darauf denken muß, sie ihrem Stande gemäß in der Welt erscheinen zu lassen, itzt muß ich meine Zuflucht dahin nehmen. Aara. Mit der es Ihnen zuletzt doch wohl noch fehl schlägt. Mellefoni. Sie vermuthen immer das schlimmste. — Nein; das Frauenzimmer, die es mit betrifft, ist nicht ungeneigt, eine Art von Ver­ gleich einzugehen. Das Vermögen soll getheilt werden; und da sie es nicht ganz mit mir genießen kann, so ist sie es zufrieden, daß ich mit der Hälfte meine Freyheit von ihr erkaufen darf. Ich erwarte alle Stunden die letzten Nachrichten in dieser Sache, deren Verzögerung allein unsern hiesigen Aufenthalt so langwierig gemacht hat. So bald ich sie bekommen habe, wollen wir keinen Augenblick länger hier verweilen. Wir wollen sogleich, liebste Miß, nach Frankreich übergehen, wo Sie neue Freunde finden sollen, die sich itzt schon auf das Vergnügen, Sie zu sehen und Sie zu lieben, freuen. Und diese neuen Freunde sollen die Zeugen unserer Verbindung seyn------Sara. Diese sollen die Zeugen unserer Verbindung seyn? — Grau­ samer ! so soll diese Verbindung nicht in meinem Vaterlande geschehen? So soll ich mein Vaterland als eine Verbrecherinn verlassen? Und als eine solche, glauben Sie, würde ich Muth genug haben, mich der See zu vertrauen? Dessen Herz muß ruhiger oder muß ruchloser seyn, als meines, welcher nur eine» Augenblick zwischen sich und dem Verderben mit Gleich­ gültigkeit nichts, als ein schwankendes Brett, sehen kann. In jeder Welle, die an unser Schiff schlüge, würde mir der Tod entgegenrauschen; jeder Wind würde mir von den väterlichen Küsten Verwünschungen nachbrausen, und der kleinste Sturm würde mich ein Blutgericht über mein Haupt zu seyn, dünken. — Nein, Mellefont, so ein Barbar können Sie gegen

14 mich nicht seyn.

Wenn ich noch das Ende Ihres Vergleichs erlebe, 'so

muß es Ihnen auf einen Tag nicht ankommen, den wir hier länger zu­ bringen.

Es muß dieses/der Tag seyn, an dem Sie mich die Martern

aller hier verweinten Tage vergessen lehren.

Es muß dieses der heilige

Tag seyn — Ach! welcher wird es denn endlich seyn? Mellefont.

Aber überlegen Sie denn nicht, Miß, daß unserer

Verbindung hier diejenige Feyer fehlen würde,

die wir ihr zu geben

schuldig sind? Sara. Eine heilige Handlung wird durch das Feyerliche nicht kräftiger. Ülrllr-font Sara.

Allein---------

Ich erstaune.

Sie wollen doch wohl nicht auf einem so

nichtigen Vorwände bestehen? O Mellefont, Mellefont! wenn ich mir es nicht zum unverbrüchlichsten Gesetze gemacht hätte, niemals an der Auf­ richtigkeit Ihrer Liebe zu zweifeln, so würde mir dieser Umstand--------Doch schon zu viel; es möchte scheinen, als hätte ich eben itzt daran ge­ zweifelt. Mellefont.

Der erste Augenblick Ihres Zweifels müsse der letzte

meines Lebens seyn!

Ach, Sara, womit habe ich es verdient, daß Sie

mir auch nur die Möglichkeit desselben voraus sehen lassen? Es ist wahr, die Geständnisse, die ich Ihnen von meinen ehemaligen Ausschweifungen abzulegen, kein Bedenken getragen habe, können mir keine Ehre machen: aber Vertrauen sollten sie mir doch erwecken.

Eine buhlerische Marwood

führte mich in ihren Stricken, weil ich das für sie empfand, was so oft für Liebe gehalten wird, und es doch so selten ist. Ich würde noch ihre schimpflichen Fesseln tragen, hätte sich nicht der Himmel meiner erbarmt, der vielleicht mein Herz nicht für ganz unwürdig erkannte, von bessern Flammen zu brennen. vergessen, war eins.

Sie, liebste Sara, sehen, und alle Marwoods

Aber wie theuer kam es Ihnen zu stehen, mich aus

solchen Händen zu erhallen! Ich war mit dem Laster zu verttaut geworden, und sie kannten es zu wenig--------Sara.

Lassen Sie uns nicht mehr daran gedenken---------

Ächter Auftritt. Motto«. M«lleso«t. »ata. JHcUrfottt.

Was willst du?

15 Norton. Ich stand eben 1 vor dem Hause, als mir ein Bedienter diesen Brief in die Hand gab. Die Aufschrift ist an Sie, mein Herr. Melle so nt. An mich? Wer weiß hier meinen Namen? — (intern er den Brief betrachtet) Himmel! Sara. Sie erschrecken? Mellesoni. Aber ohne Ursache, Miß; wie ich nun wohl sehe. Ich irrte mich in der Hand. Sara. Möchte doch der Inhalt Ihnen so angenehm seyn, als Sie es wünschen können. Melle so nt. Ich vermuthe, daß er sehr gleichgültig seyn wird. Sara. Man braucht sich weniger Zwang anzuthun, wenn man allein ist. Erlauben Sie, daß ich mich wieder in mein Zimmer begebe. Mellesoni. Sie machen sich also wohl Gedanken? Sara. Ich mache mir keine, Mellesoni. Mellefont, (indem er sie bis an die Scene begleitet) Ich werde den Augen­ blick bey Ihnen seyn, liebste Miß.

Neunter Auftritt. Mellesoni.

Norton.

Mellesoni. (der den Brief noch ansieht.) Gerechter Gott! Norton. Weh Ihnen, wenn er nichts als gerecht ist! Mellesoni. Kann es möglich seyn? Ich sehe diese verruchte Hand wieder, und erstarre nicht vor Schrecken? Ist sies? Ist sie es nicht? Was zweifle ich noch? Sie ists! Ah, Freund, ein Brief von der Marwood! Welche Furie, welcher Satan hat ihr meinen Aufenthalt verrathen? Was will sie noch von mir? — Geh, mache so gleich Anstalt, daß wir von hier wegkommen. — Doch verzieh! Vielleicht ist es nicht nöthig; vielleicht haben meine verächtlichen Abschiedsbriefe die Marwood nur auf­ gebracht, mir mit gleicher Verachtung zu begegnen. Hier! erbrich den Brief; lies ihn. Ich zittere, es selbst zu thun. Norton, (er liest.) „Es wird so gut seyn, als ob ich Ihnen den längsten „Brief geschrieben hätte, Mellefont, wenn Sie den Namen, den Sie am „Ende der Seite finden werden, nur. einer kleinen Betrachtung würdigen „wollen------1 ..jetzt"

16 Mellefont.

Verflucht sey ihr Name! Daß ich ihn nie gehört hätte!

Daß er aus dem Buche der Lebendigen vertilgt würde! Norton,

(liest weiter.)

„Die Mühe Sie auszuforschen,

hat mir die

„Liebe, welche mir forschen half, versüßt. Melle so nt.

Die Liebe?

Frevlerinn! Du entheiligest Namen, die

nur der Tugend geweiht sind. Norton,

(führt fort.)

Mellesont. Norton.

„Sie hat noch mehr gethan;----------

Ich bebe----------

„Sie hat mich Ihnen nachgebracht.----------

Mellesont. Hand, und liest selbst.)

Verräther, was liest du?

(er reißt ihm den Brief aus der

„Sie hat mich Ihnen — nachgebracht. — Ich bin

„hier; und es stehet bey Ihnen, — ob Sie meinen Besuch erwarten, — „oder mir mit dem Ihrigen — zuvorkommen wollen.

Marwood." —

Was für ein Donnerschlag! Sie ist hier? — Wo ist sie?

Diese Frech­

heit soll sie mit dem Leben büßen. Norton.

Mit dem Leben? Es wird ihr einen Blick kosten, und Sie

liegen wieder zu ihren Füßen.

Bedenken Sie was Sie thun! Sie müssen

sie nicht sprechen, oder das Unglück Ihrer armen Miß ist vollkommen. Mellesont.

Ich Unglücklicher! — Nein, ich muß sie sprechen. Sie

würde mich bis in dem Zimmer der Sara suchen, und alle ihre Wuth gegen diese Unschuldige auslassen. Norton.

Aber, mein Herr —

Mellesont. Sage nichts! — Laß sehen,

(indem er den Brief sieht.)

ihre Wohnung angezeigt hat. Hier ist sie. Komm, führe mich.

ob sie

(Sie gehen ab.)

Ende des ersten Aufzugs.

Zweyter Aufzuge Erster Austritt. Der Schauplatz stellt das Zimmer der Marwood vor, in einem andern Gasthofe.

Marwood

im Heglischee.

Harinah.

Marwood. Belford hat den Brief doch richtig eingehändiget, Hannah? H a n n a h.

Richtig.

17

Marwood.

Ihm selbst?

Hannah.

Seinem Bedienten.

Marwood.

Kaum kann ich es erwarten, was er für Wirkung

haben wird. — Scheine ich dir nicht ein wenig unruhig, Hannah?

Ich

bin es auch. — Der Verräther! Doch gemach! Zornig muß ich durchaus nicht werden.

Nachsicht, Liebe, Bitten, sind die einzigen Waffen, die ich

wider ihn brauchen darf, wo ich anders seine schwache Seite recht kenne. Hannah.

Wenn er.sich aber dagegen verhärten sollte? —

Marwood.

Wenn er sich dagegen verhärten sollte?

nicht zürnen — ich werde rasen.

So werde ich

Ich fühle es, Hannah; und wollte es

lieber schon itzt. Hannah. Fassen Sie sich ja. Er kann vielleicht den Augenblick kommen. Marwood. Wo er nur gar kömmt! Wo er sich nur nicht entschlossen hat, mich festes 1 Fußes bey sich zu erwarten! — Aber weißt du, Han­ nah, worauf ich noch meine meiste Hoffnung gründe, den Ungetreuen von dem neuen Gegenstände seiner Liebe abzuziehen? Hannah.

Auf unsere Bella.

Es ist wahr; sie ist sein kleiner Abgott; und der Einfall,

sie mit zu nehmen, hätte nicht glücklicher seyn können. Marwood.

Wenn sein Herz auch gegen die Sprache einer alten

Liebe taub ist; so wird ihm doch die Sprache des Bluts vernehmlich seyn. Er riß das Kind vor einiger Zeit aus meinen Armen, unter dem Borwände, ihm eine Art von Erziehung ^ geben zu lassen, die es bey mir nicht haben könne.

Ich habe es von der Dame, die es unter ihrer Auf­

sicht hatte, itzt nicht anders als durch List wieder bekommen können; er hatte auf mehr als ein Jahr vorausbezahlt, und noch den Tag vor seiner Flucht ausdrücklich befohlen, eine gewisse Marwood, die vielleicht kommen und sich für die Mutter des Kindes ausgeben würde, durchaus nicht vor­ zulassen.

Aus diesem Befehle erkenne ich den Unterschied, den er zwischen

uns beyden macht.

Arabellen sieht er als einen kostbaren Theil seiner

selbst an, und mich als eine Elende, die ihn mit allen ihren Reizen, bis zum Ueberdrusse, gesättiget hat. Hannah.

Welcher Undank!

Marwood.

Ach Hannah, nichts zieht den Undank so unausbleiblich

nach sich, als Gefälligkeiten, für die kein Dank zu groß wäre. • „festen" 2 „Auferziehung" Lessing, stimmt!. Werke. II.

2

Warum

18 habe ich sie ihm erzeigt, diese unseligen Gefälligkeiten?

Hätte ich es nicht

voraus sehen sollen, daß sie ihren Werth nicht immer bey ihm behalten könnten? daß ihr Werth auf der Schwierigkeit des Genuffes beruhe, und daß er mit derjenigen Anmuth verschwinden müsse, welche die Hand der Zeit unmerklich, aber gewiß, aus unsern Gesichtern verlöscht? Hannah.

O, Madam, von dieser gefährlichen Hand haben Sie

noch lange nichts zu befürchten.

Ich finde, daß Ihre Schönheit den Punkt

ihrer prächtigsten Blüthe so wenig überschritten hat, daß sie vielmehr erst darauf losgeht, und Ihnen alle Tage neue Herzen fesseln würde, wenn Sie ihr nur Vollmacht dazu geben wollten. Marwood.

Schweig, Hannah!

Du schmeichelst mir bey einer Ge­

legenheit, die mir alle Schmeicheley verdächtig macht.

Es ist Unsinn von

neuen Eroberungen zu sprechen, wenn man nicht einmal Kräfte genug hat, sich im Besitze der schon gemachten zu erhalten.

Zweyter Auftritt. Ein Bedienter. Marwood. Hannah. Urs Sfdienif.

Madam, man will die Ehre haben, mit Ihnen

zu sprechen. Marwood.

Wer?

Der Gediente.

Ich vermuthe, daß es eben der Herr ist, an welchen

der vorige Brief überschrieben war.

Wenigstens ist der Bediente bey ihm,

der mir ihn abgenommen hat. Marwood. diente geht ab.)

Mellefont! — Geschwind, führe

Ach Hannah, nun ist er da!

Was soll ich sagen? genug?

ihn herauf!

Welche Miene soll ich annehmen?

Ist diese ruhig

Sieh doch!

Hannah.

Nichts weniger als ruhig.

Marwood. Hannah.

Aber diese? Geben Sie ihr noch mehr Anmuth.

Marwood. Hannah.

Etwa so? 1

Zu traurig!

Marwood. Hannah.

Sollte mir dieses Lächeln lassen? Vollkommen!

1 „So meinst Ht?"

m Be­

Wie soll ich ihn empfangen?

Aber nur freyer — Er kömmt.

19 Dritter Auftritt. Mellefont. Marwood. Hannah.

Mellefon 1. Marwood.

(der mit einer wilden Stellung herein tritt.)

Ha! Marwood

(die ihm mit offnen Armen lächelnd entgegen rennt.)



Ach Meüefont—

MellefoNi.

(bey Seite.)

Marwood.

Ich muß Sie umarmen, treuloser, lieber Flüchtling!

Die Mörderinn, was für ein Blick!

— Theilen Sie doch meine Freude! — Warum entreißen Sie sich meinen Liebkosungen? Mellefont.

Marwood,

ich

vermuthete,

daß

Sie mich anders

empfangen würden. Marwood. Entzücken?

Warum anders?

Mit mehr Liebe vielleicht? mit mehr

Ach ich Unglückliche, daß ich weniger ausdrücken kann,

ich fühle! — 1

als

Sehen Sie, Mellefont, sehen Sie, daß auch die Freude

ihre Thränen hat?

Hier rollen sie, diese Kinder der süßesten Wollust!

— Aber ach, verlorne Thränen! seine Hand trocknet euch nicht ab. Mellefo nt. bezaubert hätten.

Marwood, die Zeit ist vorbey, da mich solche Reden Sie müssen itzt in einem andern Tone mit mir sprechen.

Ich komme her, Ihre letzten Vorwürfe anzuhören, und darauf zu antworten. Marwood.

Vorwürfe?

machen, Mellefont? Mellefo nt.

Was hätte ich Ihnen für Vorwürfe zu

Keine.

So hätten Sie, sollt’ ich meynen, Ihren Weg ersparen

können. Marwood.

Liebste wunderliche Seele, warum wollen Sie mich nun

mit Gewalt zwingen, einer Kleinigkeit zu gedenken, die ich Ihnen in eben dem Augenblicke vergab, in welchem ich sie erfuhr?

Eine kurze Untreue,

die mir Ihre Galanterie, aber nicht Ihr Herz spielet, verdient diese Vor­ würfe?

Kommen Sie, lassen Sie uns darüber scherzen.

Mellefo nt.

Sie irren sich; mein Herz hat mehr Antheil daran,

als es jemals an allen unsern Liebeshändeln gehabt hat, auf die ich itzt nicht ohne Abscheu zurück sehen kann. Marwood.

Ihr Herz, Mellefont, ist ein gutes Närrchen.

Es

läßt sich alles bereden, was Ihrer Einbildung ihm zu bereden einfällt. Glauben Sie mir doch, ich kenne es besser, als Sie.

Wenn es nicht das

* Hier folgt: „Mein Herz bebet vor Freuden, Sie wieder zu sehn, Sie wieder an meine Brust zu drücken."

20 beste, das getreuste Herz wäre, würde ich mir Wohl so viel Mühe geben, es zu behalten? Meile so nt.

Zu behalten?

Sie haben es niemals besessen,

sage

ich Ihnen. Marwood.

Und ich sage Ihnen; ich besitze es im Grunde noch.

Meiiesont.

Marwood, wenn ich wüste daß Sie auch nur

eine Faser davon besäßen, so wollte ich

noch

es mir selbst, hier vor Ihren

Augen, aus meinem Leibe reißen. Marwood. rissen.

Sie würden sehen,

daß Sie meines zugleich heraus­

Und dann, dann würden diese herausgerissenen Herzen endlich zu

der Vereinigung gelangen, die sie so oft auf unsern Lippen gesucht haben. Meiiesont.

(bey Sette.)

Was für eine Schlange!

Hier wird das

beste seyn, zu fliehen. — Sagen Sie mir es nur kurz, Marwood, warum Sie mir nachgekommen sind, was Sie noch von mir sagen Sie mir ' es ohne dieses Lächeln,

verlangen.

ohne diesen Blick,

Aber

aus welchem

mich eine ganze Hölle von Verführung schreckt. Marwood.

(vertraulich.)

Höre nur, mein lieber Mellefont; ich merke

wohl, wie es itzt mit dir steht. itzt deine Tyrannen.

Deine Begierden und dein Geschmack sind

Laßt es gut seyn; man muß sie austoben lassen.

Sich ihnen widersetzen,

ist Thorheit.

Sie werden am sichersten

einge­

schläfert, und endlich gar überwunden, wenn man ihnen freyes Feld läßt. Sie reiben sich selbst auf.

Kannst du mir nachsagen, kleiner Flattergeist,

daß ich jemals eifersüchtig gewesen wäre,

wenn stärkere Reize,

meinigen, dich mir auf eine Zeitlang abspänstig machten?

als die

Ich gönnte dir

ja allezeit diese Veränderung, bey der ich immer mehr gewann, als verlor. Du kehrtest mit neuem Feuer, mit neuer Inbrunst in meine Arme zurück, in die ich dich nur als in leichte Bande, schloß.

und nie als in schwere Fesseln

Bin ich nicht oft selbst deine Vertraute gewesen,

wenn

du

mir

auch schon nichts zu vertrauen hattest, als die Gunstbezeigungen, die du mir entwandtest, um sie gegen andre zu verschwenden?

Warum

glaubst

du denn, daß ich itzt einen Eigensinn gegen dich zu zeigen anfangen würde, zu welchem ich nun eben berechtiget zu seyn aufhöre, — oder — vielleicht schon aufgehört habe?

Wenn deine Hitze gegen das schöne Landmädchen

noch nicht verraucht ist; wenn du noch in dem erste'n Fieber 2 deiner Liebe 1 „nur 2 „der ersten Stärke"

21 gegen sie bist; wenn du ihren Genuß noch nicht entbehren kannst:

wer

hindert dich denn, ihr so lange ergeben zu seyn, als du es für gut

be­

findest?

Mußt du deswegen so unbesonnene Anschläge machen, und mit

ihr aus dem Reiche fliehen wollen? Mell eso nt.

Marwood,

Sie reden vollkommen Ihrem Charakter

gemäß, dessen Häßlichkeit ich nie so gekannt habe, als seit dem ich, indem Umgänge mit einer tugendhaften Freundinn,

die Liebe

von der Wollust

unterscheiden gelernt. Marwood.

Ey sieh doch!

Deine neue Gebietherinn ist also wohl

gar ein Mädchen von schönen sittlichen Empfindungen? personen müßt doch selbst nicht wissen, was ihr wollt.

Ihr Manns­

Bald sind es die

schlüpfrigsten Reden, die buhlerhaftesten 1 Scherze, die euch an uns gefallen; und bald entzücken wir euch, wenn wir nichts als Tugend reden, und alle sieben Weisen auf unserer Zunge zu haben scheinen.

Das schlimmste

aber ist, daß ihr das eine so wohl als das andre überdrüßig werdet. Wir mögen närrisch oder vernünftig, weltlich oder geistlich gesinnet seyn: wir verlieren unsere Mühe,

euch beständig zu machen, einmal wie das

andre.

Du wirst an deine schöne Heilige die Reihe Zeit genug kommen

lassen.

Soll ich wohl einen kleinen Ueberschlag machen?

Nun eben bist

bu 2 im heftigsten Paroxysmo mit ihr: und diesem geb' ich noch zwey, aufs längste drey Tage.

Hierauf wird eine ziemlich geruhige Liebe folgen:

der geb' ich acht Tage.

Die andern acht Tage wirst du nur gelegentlich

an diese Liebe denken.

Die dritten wirst du dich daran erinnern lassen:

und wann du dieses Erinnern satt hast,3 so wirst du dich zu der äußersten Gleichgültigkeit so schnell gebracht sehen, daß ich kaum die

vierten

acht

Tage auf diese letzte Veränderung rechnen darf. — Das wäre nun ungefähr ein Monath.

Und diesen Monath, Mellefont, will ich dir noch mit dem

größten Vergnügen nachsehen;

nur wirst du erlauben,

daß ich dich nicht

aus dem Gesichte verlieren darf. Mellesont.

Vergebens, Marwood, suchen Sie alle Waffen her­

vor, mit welchen Sie sich erinnern, gegen mich sonst glücklich gewesen zu seyn.

Ein tugendhafter Entschluß sichert mich gegen Ihre Zärtlichkeit und

gegen Ihren Witz.

1 „buhlerischsten" 2 „Jetzo bist du" 3 „bist"

Gleichwohl will ich mich beyden nicht länger aussetzen.

22 Ich gehe, und habe Ihnen weiter nichts mehr zu sagen,

als daß Sie

mich in ävenig Tagen auf eine Art sollen gebunden wissen, die Ihnen alle Hoffnung auf meine Rückkehr in Ihre lasterhafte Sklaverey vernichten wird.

Meine Rechtfertigung werden Sie genugsam aus dem Briefe ersehen

haben, den ich Ihnen vor meiner Abreise zustellen lassen. Marwood.

Gut, daß Sie dieses Briefes gedenken.

Sagen Sie

mir, von wem hatten Sie ihn schreiben lassen? iHfllrfont. Marwood.

Hatte ich ihn nicht selbst geschrieben? Unmöglich! Den Anfang desselben,

in welchem

Sie

mir, ich weiß nicht was für Summen vorrechneten, die Sie mit mir wollen verschwendet haben,

mußte ein Gastwirth, so wie den übrigen

theologischen Rest ein Quäcker geschrieben haben. ich Ihnen itzt ernstlich darauf antworten.

Den: ungeachtet will

Was den vornehmsten Punkt

anbelangt, so wissen Sie wohl, daß alle die Geschenke, welche Sie mir gemacht haben, noch da sind.

Ich habe Ihre Bankozettel, Ihre Juwelen,

nie als mein Eigenthum angesehen,

und itzt alles mitgebracht,

um es

wieder in diejenigen Hände zu liefern, die mir es anvertrauet hatten. Mellefonl. Marwood.

Behalten Sie alles, Marwood. Ich will nichts davon behalten.

Was hätte ich ohne

Ihre Person für ein Recht darauf? Wenn Sie mich auch nicht mehr lieben, so müssen Sie mir doch die Gerechtigkeit widerfahren lassen, und mich für keine von den feilen Buhlerinnen halten, denen es gleich viel ist, von wessen Beute sie sich bereichern.

Kommen Sie nur, Mellefont.

Sie sollen

den Augenblick wieder' so reich seyn, als Sie vielleicht ohne meine Be­ kanntschaft geblieben wären; und vielleicht auch nicht. Melle so nt.

Welcher Geist,

redet itzt aus Ihnen! Marwood. als billig.

der mein Verderben geschworen hat,

Eine wollüstige Marwood denkt so edel nicht.

Nennen Sie das edel?

Ich nenne es weiter nichts,

Nein, mein Herr, nein; ich verlange nicht, daß Sie mir diese

Wiedererstattung als etwas besonders anrechnen sollen.

Sie kostet mich 1

nichts; und auch den geringsten Dank, den Sie mir dafür sagen wollten, würde ich für eine Beschimpfung halten, weil er doch keinen andern Sinn als diesen haben könnte: „Marwood, ich hielt Euch für eine niederträchtige „Betriegerinn; ich bedanke mich, daß Ihr es wenigstens gegen mich nicht „seyn wollt." 1 „mir"

23 Mellefont.

Genug, Madame, genug! Ich fliehe, weil mich mein

Unstern in einen Streit von Großmuth zu verwickeln drohet, in welchem ich am ungernsten unterliegen möchte. Marwood.

Fliehen Sie nur; aber nehmen Sie auch

was Ihr Andenken bey mir erneuern könnte.

alles

mit,

Arm, verachtet, ohne Ehre

und ohne Freunde, will ich es alsdann noch einmal wagen, Ihr Erbarmen rege zu machen.

Ich will Ihnen in der unglücklichen Marwood nichts

als eine Elende zeigen, die Geschlecht, Ansehen, für Sie aufgeopfert hat.

Tugend und Gewissen

Ich will Sie an den ersten Tag erinnern, da

Sie mich sahen und liebten; an den ersten Tag, da auch ich Sie sahe und liebte; an das erste stammelnde, schamhafte Bekenntniß, das Sie mir zu meinen Füßen von Ihrer Liebe ablegten; an die erste Versicherung von Gegenliebe, die Sie mir auspreßten; an die zärtlichen Blicke, an die feurigen Umarmungen, die darauf folgten; an das beredte Stillschweigen, wenn wir mit beschäfftigten Sinnen einer des andern geheimste Regungen erriethen, und in den

schmachtenden Augen dir

verborgensten Gedanken

der Seele lasen; an das zitternde Erwarten der nahenden Wollust; an die Trunkenheit ihrer Freuden; an das süße Erstarren nach der Fülle des Genusses, erholten.

in welchem sich die ermatteten Geister zu neuen Entzückungen An alles dieses will ich Sie erinnern, und dann Ihre Kniee

umfassen, und nicht aufhören um das einzige Geschenk zu bitten, das Sie mir nicht versagen können,' und ich ohne zu erröthen annehmen darf, — um den Tod von ihren Händen. Meltesont. hingeben.

Grausame! noch wollte ich selbst mein Leben für Sie

Fordern Sie es; fordern Sie es; nur auf meine Liebe machen

Sie weiter keinen Anspruch.

Ich muß Sie verlassen, Marwood,

mich zu einem Abscheu der ganzen Natur machen. daß ich nur hier stehe, und Sie anhöre. Marwood.

(die ihn zurück hält.)

oder

Ich bin schon strafbar,

Leben Sie wohl! leben Sie wohl!

Sie müssen mich verlassen?

wollen Sie denn, das aus mir werde?

Und was

So wie ich itzt bin, bin ich Ihr

Geschöpf; thun Sie also, was einem Schöpfer zukömmt; er darf die Hand von seinem Werke nicht eher abziehn,

als bis er es gänzlich vernichten

will. — Ach, Hannah, ich sehe wohl, meine Bitten allein sind zu schwach. Geh, bringe meinen Vorsprecher her, der mir vielleicht itzt auf einmal mehr wiedergeben wird, als er von mir erhalten hat. (Hannah geht ab.)

24 Mellefont. Was für einen Vorsprecher, Marwood? Marwood. Ach, einen Vorsprecher, dessen Sie mich nur allzugern beraubet hätten. Die Natur wird seine Klagen auf einem kürzern Wege zu Ihrem Herzen bringen------MelLefoni. Ich erschrecke. Sie werden doch nicht-------

Vierter Auftritt. Arabella. Hannah. Mellefont.

Marwood.

Mel Le so nt. Was seh ich? Sie ist es! — Marwood, wie haben Sie sich unterstehen können------Marwood. Soll ich umsonst Mutter seyn? — Komm, meine Bella, komm; sieh hier deinen Beschützer wieder, deinen Freund, deinen — Ach! das Herz mag es ihm 1 sagen, was er noch mehr, als dein Be­ schützer, als dein Freund seyn kann. Melle so nt. (mit abgewandtem Gesichte) Gott! wie wird es mir hier ergehen? Arabella, (indem sie ihm furchtsam näher tritt.) Ach, mein Herr! Sind Sie es? Sind Sie unser Mellefont?.— Nein doch, Madam, er ist es nicht. — Würde er mich nicht ansehen, wenn er es wäre? Würde er mich nicht in seine Arme schließen? Er hat es ja sonst gethan. Ich un­ glückliches Kind! Womit hätte ich ihn denn erzürnt, diesen Mann, diesen liebsten Mann, der mir erlaubte, mich seine Tochter zu nennen? Marwood. Sie schweigen, Mellefont? Sie gönnen der Unschul­ digen keinen Blick? Mellesont. Ach!------Arabella. Er seufzet ja! Madam. Was fehlt ihm? Können wir ihm nicht helfen? Ich nicht? Sie auch nicht? So lassen Sie uns doch mit ihm seufzen. — Ach, nun siehet er mich an! — Nein, er sieht wieder weg! Er sieht gen Himmel! Was wünscht er? Was bittet er vom Himmel? Möchte er ihm doch alles gewähren, wenn er mir auch alles dafür versagte! Marwood. Geh, wein Kind, geh; fall ihm zu Füßen. Er will uns verlassen; er will uns ans ewig verlassen. Arabella, (die vor ihm niederfällt.) Hier liege ich schon. Sie uns 1 „euch"

verlassen?

Sie uns auf ewig verlassen?

War es nicht schon eine kleine

Ewigkeit, die wir Sie jetzt vermißt haben? missen?

Wir sollen Sie wieder ver­

Sie haben ja so oft gesagt, daß Sie uns liebten.

denn die, die man liebt?

So muß ich Sie wohl nicht lieben:

wünschte, Sie nie zu verlassen.

Klarwood.

Verläßt man denn

ich

Nie; und will Sie auch nie verlassen.

Ich will dir bitten helfen, mein Kind; hilf nur auch

mir — Nun, Mellefont, sehen Sie auch mich zu Ihren Füßen---------Mellesont. (hält sie zurück, indem sie sich niederwerfen will.) Marwood, ge­ fährliche Marwood — Und auch du,

meine liebste Bella, (hebt sie auf.)

auch du bist wider deinen Mellefont? Ärabella. Marwood. Mellesont. Marwood.

Ich wider Sie? Was beschließen Sie, Mellefont? Was ich nicht sollte, Marwood; was ich nicht sollte. (tue itm umarmt.)

Ach, ich weiß es ja, daß die Redlichkeit

Ihres Herzens allezeit über den Eigensinn Ihrer Begierden gesiegt hat. Melle so nt.

Bestürmen Sie mich nicht weiter.

Ich bin schon, was

Sie aus mir machen 1 wollen: ein Meineidiger, ein Verführer, ein Räuber, ein Mörder. Marwood. Itzt werden Sie es einige Tage in Ihrer Einbildung seyn, und hernach werden Sie erkennen, daß ich Sie abgehalten habe, es wirklich zu werden.

Machen Sie nur, und kehren Sie wieder mit uns zurück.

Ärabella, (schmeichelnd.) O ja! thun Sie dieses. Melle so nt. Marwood. Mellesont.

Mit euch zurückkehren?

Kann ich denn?

Nichts ist leichtrr, wenn Sie nur wollen. Und meine Miß----------

Marwood.

Und Ihre Miß mag sehen, wo sie bleibt! —

Mellesont.

Ha! barbarische Marwood,

diese Rede ließ mich bis

auf den Grund Ihres Herzens sehen---------- Und ich Verruchter gehe doch nicht wieder in mich? Marwood.

Wenn Sie bis auf den Grund meines Herzens gesehen

hätten, so würden Sie

entdeckt haben, daß es mehr wahres Erbarmen

gegen Ihre Miß fühlt, als Sie selbst.

Ich sage, wahres Erbarmen: denn

das Ihre ist ein eigennütziges, weichherziges Erbarmen. Haupt diesen Liebeshandel viel zu weit getrieben.

Sie haben itfcer

Daß Sie, als ein Mann,

der bey einem langen Umgänge mit unserm Geschlechte, in der Kunst zu 1 „was Sie mich haben"

26 verführen ausgelernt hatte,

gegen

ein so junges Frauenzimmer sich Ihre

Ueberlegenheit an Verstellung und Erfahrung zu Nutze machten und nicht eher ruhten, als bis Sie Ihren Zweck erreichten:

das

möchte noch hin­

gehen; Sie können sich mit der Heftigkeit Ihrer Leidenschaft entschuldigen. Allein, daß Sie einem alten Vater sein einziges Kind raubten; daß Sie einem rechtschaffnen Greise die wenigen Schritte zu seinem Grabe noch so schwer und bitter machten; daß Sie, Ihrer Lust wegen, die stärksten Banden der Natur trennten: das, Mellefont, das können Sie nicht ver­ antworten.

Machen Sie also Ihren Fehler wieder gut, so weit es möglich

ist, ihn gut zu machen.

Geben Sie dem weinenden Alter seine Stütze

wieder, und schicken Sie eine leichtgläubige Tochter in ihr Haus zurück, das Sie deßwegen, weil Sie es beschimpft haben, nicht auch öde machen müssen. Mell eso nt.

Das fehlte noch, daß Sie auch mein Gewissen wider

mich zu Hülfe riefen!

Aber gesetzt, es wäre billig, was Sie sagen; müßte

ich nicht eine eiserne Stirne haben, wenn ich

es der unglücklichen Miß

selbst vorschlagen sollte? Marwoob.

Nunmehr will ich es Ihnen gestehen, daß ich schon im

voraus bedacht gewesen bin, Ihnen diese Verwirrung zu ersparen.

So

bald ich Ihren Aufenthalt erfuhr, habe ich auch dem alten Sampson unter der Hand Nachricht davon geben lassen.

Er ist vor Freuden darüber ganz

außer sich gewesen, und hat sich sogleich auf den Weg machen wollen. Ich wundre mich, daß er noch nicht hier ist. ittrllrfont.

Was sagen Sie?

Marrvood.

Erwarten Sie nur ruhig seine Ankunft; und lassen

sich gegen die Miß nichts merken. aufhalten.

Ich.will Sie selbst jetzt nicht länger

Gehen Sie wieder zu ihr; sie möchte Verdacht bekommen.

Doch

versprecht ich mir, Sie heute noch einmal zu sehen. Melle so nt.

O Marwood, mit was für Gesinnungen kam ich zu

Ihnen, und mit welchen muß ich Sie verlassen!

Einen Kuß, meine liebe

Bella---------Arabella.

Der war für Sie; aber nun einen für mich.

Sie nur ja bald wieder; ich bitte.

(Mellefvnt geht ab.)

Kommen

27

Fünfter Austritt. Marwood. Arabella. Hann ah.

Marwood. (nachdem sie tief Athem geholt.) Sieg, Hannah! aber ein saurer Sieg! — Gieb mir einen Stuhl; ich fühle mich ganz abgemattet — (sie setzt sich.) Eben war es die höchste Zeit, als er sich ergab; noch einen Augenblick hätte er anstehen dürfen, so würde ich ihm eine ganz andre Marwood gezeigt haben. Hannah. Ach, Madam, was sind Sie für eine Frau! Den möchte ich doch'sehn, der Ihnen widerstehen könnte. Marwood. Er hat mir schon zu lange widerstanden. Und gewiß, gewiß, ich will es ihm nicht vergeben, daß ich ihm fast zu Fuße ge­ fallen wäre. Arabella. O nein! Sie müssen ihm alles vergeben. Er ist ja so gut, so gut ------Marwood. Schweig, kleine Närrinn! Hannah. Auf welcher Seite wußten Sie ihn nicht zu fassen! Aber nichts, glaube ich, rührte ihn mehr, als die Uneigennützigkeit, mit welcher Sie sich erboten,- alle von ihm erhaltenen Geschenke zurück zu geben. Marwood. Ich glaube es auch. Ha! ha! ha! (verächtlich.) Han nah. Warum lachen Sie, Madam? Wenn es nicht Ihr Ernst war, so wagten Sie in der That sehr viel. Gesetzt, er hätte Sie bey Ihrem Worte gefaßt? Marwood. O geh! man muß wissen, wen man vor sich hat. Hann ah. Nun das gesteh ich! Aber auch Sie, meine schöne Bella, haben Ihre Sache vortrefflich gemacht; vortrefflich! Arabella. Warum das? Konnte ich sie denn anders machen? Ich hatte ihn ja so lange nicht gesehen. Sie sind doch nicht böse, Madam, daß ich ihn so lieb habe? Ich habe Sie so lieb, wie ihn; eben so lieb. Marwood. Schon gut; dasmal will ich dir verzeihen, daß du mich nicht lieber hast als ihn. Arabella. Dasmal? (schluchzend.) Marwood. Du weinst ja wohl gar? Warum denn? Arabella. Ach nein! ich weine nicht. Werden Sie nur nicht un­ gehalten. Ich will Sie ja gern alle beide so lieb, so lieb haben, daß ich unmöglich, weder Sie noch ihn, lieber haben kann.

28 Marwood. Arabella. Marwood.

Je nun ja! Ich bin recht unglücklich---------Sey doch nur stille — Aber was ist das?

Sechster Auftritt. Mellefont. Marwood. Arabella. Hannah. Marwood.

Warum kommen Sie schon wieder, Mellefont? Gesteht auf.)

Melle so nt. (hitzig.) Weil ich mehr nicht, als einige Augenblicke nöthig hatte, wieder zu mir selbst zu kommen. Marwood. Mell eso nt.

Nun? Ich war betäubt, Marwood, aber nicht bewegt.

haben alle Ihre Mühe verloren;

eine andere Lust,

Sie

als diese ansteckende

Lust Ihres Zimmers, gab mir Muth und Kräfte wieder, meinen Fuß aus dieser gefährlichen Schlinge noch zeitig genug zu ziehen.

Waren mir

Nichtswürdigem die Ränke einer Marwood noch nicht bekannt genug? Marwood. (hastig.)

Was ist das wieder für eine Sprache?

Mell eso nt. Die Sprache der Wahrheit und des Unwillens. Marwood.

Nur gemach,

Mellefont,

oder auch ich werde diese

Sprache sprechen. Mellesont.

Ich komme nur zurück, Sie keinen Augenblick länger

in einem Irrthume von mir stecken zu lassen, der mich, selbst in Ihren Augen verächtlich machen muß. Arabella, Mellefont.

(furchtsam.)

Ach! Hannah —

Sehen Sie mich nur so wütend an,

Je wütender, je besser.

als Sie wollen.

War es möglich, daß ich zwischen einer Marwood

und einer Sara nur einen Augenblick unentschlüßig bleiben konnte?

Und

daß ich mich fast für die erstere entschlossen hätte? Arabella. Mellefont. zurück gekommen.

Ach Mellefont! -- ------Zittern Sie nicht, Bella.

Auch für Sie bin ich mit

Geben Sie mir die Hand, und folgen Sie mir nur

getrost. Marwood.

(die behdezurückhält.)

Mellesont.

Ihrem Vater.

Wem soll sie folgen, Verräther?

Marwood.

Geh, Elender; und lern' erst ihre Mutter kennen.

M e l l e so n t.

Ich kenne sie.

Sie ist die Schande ihres Geschlechts---------

29 Marwood.

Führe sie weg, Hannah!

IttrlUfont. Marwood.

Bleiben Sie, Bella, (indem er sie zurückbalten will.) Nur keine Gewalt, Mellefont, oder---------(Hannah und Arabella geben ab)

Siebender Auftritt. 29t eile so nt»

Marwood.

Marwood.

Nun sind wir allein.

Nun sagen Sie es noch einmal,

ob Sie fest entschlossen sind, mich einer jungen Närrinn aufzuopfern? Melle so nt.

(bitter.) Aufzuopfern?

Sie

machen daß ich mich hier

erinnere, daß den alten Göttern auch sehr unreine Thiere geopfert wurden. Marwood. (spöttisch)

Drücken

Sie

sich

ohne

so gelehrte Anspie­

lungen aus. Mellesont.

So sage ich Ihnen, daß ich fest entschlossen bin, nie

wieder ohne die schrecklichsten Verwünschungen an Sie zu denken. sind Sie?

und wer ist Sara?

Wer

Sie sind eine wollüstige, eigennützige,

schändliche Buhlerinn, die sich itzt kaum mehr muß erinnern können, ein­ mal unschuldig gewesen zu seyn.

Ich habe mir mit Ihnen nichts vorzu­

werfen, als daß ich dasjenige genossen, was Sie ohne mich vielleicht die ganze Welt hätten genießen lassen.

Sie haben mich gesucht, nicht ich Sie;

und wenn ich nunmehr weiß, wer Marwood ist, so kömmt mir diese Kenntniß theuer genug zu stehen.

Sie kostet mir 1 mein Vermögen, meine

Ehre, mein Glück---------Marwood. kosten müßte!

Und so wollte ich, daß sie dir auch deine Seeligkeit

Ungeheuer!

Ist der Teufel ärger als du, der schwache

Menschen zu Verbrechen reizet, und sie, dieser Verbrechen wegen, die sein Werk sind, hernach selbst anklagt?

Was geht dich meine Unschuld an,

wann und wie ich sie verloren habe?

Habe ich dir meine Tugend nicht

Preis geben können, so habe ich doch meinen guten Namen für dich in die Schanze geschlagen. kostbarer?

Jene ist nichts kostbarer, als dieser.

Was sage ich?

Sie ist ohne ihn ein albernes Hirngespinst, das weder ruhig

noch glücklich macht.

Er allein giebt ihr noch einigen Werth, und kann

vollkommen ohne sie bestehen.

Mochte ich doch seyn, wer ich wollte, ehe

ich dich, Scheusal, kennen lernte; genug, daß ich in den Augen der Welt 1 „mich'

für ein Frauenzimmer ohne Tadel galt.

Durch dich nur hat sie es erfahren,

daß ich es nicht sey; durch meine Bereitwilligkeit bloß, dein Herz, wie ich damals glaubte, ohne deine Hand anzunehmen. Mellefont.

Eben

diese Bereitwilligkeit

verdammt dich,

Nieder­

trächtige. Marwood.

Erinnerst du dich aber, welchen nichtswürdigen Kunst­

griffen du sie zu verdanken hattest?

Ward ich nicht von dir beredt, daß

du dich in keine öffentliche Verbindung einlassen könntest, ohne einer Erb­ schaft verlustig zu werden, deren Genuß du mit niemand, als mit mir theilen wolltest?

Ist es nun Zeit ihrer zu entsagen? Und ihrer für eine

andre, als für mich zu entsagen? Mellesont.

Es ist mir eine wahre Wollust, 1 Ihnen melden zu

können, daß diese Schwierigkeit nunmehr bald wird gehoben seyn.

Be­

gnügen Sie sich also nur, mich um mein väterliches Erbtheil gebracht zu haben, und lassen mich ein weit geringeres mit einer würdigern Gattinn genießen. Marwood.

Ha! nun seh' ichs, was dich eigentlich so trotzig macht.

Wohl, ich will kein Wort mehr verlieren.

Es sey darum!

daß ich alles anwenden will, dich zu vergessen.

Rechne darauf,

Und das erste, was ich

in dieser Absicht thun werde, soll dieses seyn — Du wirst mich verstehen! Zittre für deine Bella!

Ihr Leben soll das Andenken meiner verachteten

Liebe auf die Nachwelt nicht bringen; meine Grausamkeit soll es thun.2 Sieh in mir eine neue Medea! Mellefont, (erschrocken) Marwood.

Marwood — —

Oder wenn du noch eine grausamere Mutter weißt, so

sieh sie gedoppelt in mir!

Gift und Dolch sollen mich rächen.

Doch nein,

Gift und Dolch sind zu barmherzige Werkzeuge! Sie würden dein und mein Kind zu bald tobten.

Ich will es nicht gestorben sehen; sterben will

ich es sehen! 3 Durch langsame Martern will ich in seinem Gesichte jeden ähnlichen Zug, den es von dir hat, sich verstellen, verzerren und ver­ schwinden sehen.

Ich will mit begieriger Hand Glied von Glied, Ader

von Ader, Nerve von Nerve lösen, und das kleinste derselben auch da noch nicht aufhören zu schneiden und zu brennen, wenn es schon nichts 1 „Es ist eine wabre Wollust für mich," 2 „soll dieses Andenken verewigen." 3 „Ich will cs nicht gestorben, ich will es sterben seben'"

31 mehr seyn wird, als ein empfindungsloses Aas.

Ich — ich werde wenig­

stens dabey empfinden, wie süß die Rache sey! Melle so nt. Marwood.

Sie rasen, Marwood---------Du erinnerst mich, daß ich nicht gegen den rechten rase.1

Der Vater muß voran!

Er muß schon in jener Welt seyn, wenn der

Geist seiner Tochter unter tausend Seufzern 2 ihm nachzieht — (sic geht mit einem Dolche

den sie aus dem Busen reißt, auf ihn los) DrUM stirb, Verräther!

Mrllesont.

Unsinniges

(der ihr tu den Vltm fällt, und den Dolch entreißt.)

Weibsbild! — Was hindert mich nun, den Stal wider dich zu kehren? Doch lebe, und deine Strafe müsse einer ehrlosen Hand aufgehoben seyn! Marwood.

(mit gerungenen Händen.)

Himmel, was hab' ich gethan?

Mellefont---------Mellefont.

Deine Reue soll mich nicht hintergehen!

Ich weiß es

doch wohl, was dich reuet; nicht daß du den Stoß thun wollen, sondern daß du ihn nicht thun können. Marwood.

Geben Sie mir ihn wieder, den verirrten Stal! geben

Sie mir ihn wieder! und Sie sollen es gleichsehen, für wen er geschliffen ward.

Für diese Brust allein, die schon längst einem Herzen zu enge ist,

das eher dem Leben als Ihrer Liebe entsagen will. Mellefont.

Hannah!----------

Marwood.

Was wollen Sie thun, Mellefont?

Ächter Auftritt. Hannah (erschrocken.) Marwood. Mellefont. Mellesont. bietherinn ist? Hannah.

Ach Madam, wie sind Sie außer sich!

Mellefont. bringen.

Hast du es gehört, Hannah, welche Furie deine Ge-

Wisse, daß ich Arabellen von deinen Händen fodern werde.

Ich will das unschuldige Kind bald in völlige Sicherheit

Die Gerechtigkeit wird einer so grausamen Mutter die mördrischen

Hände schon zu binden wissen. (er will gehen.)

Marwood.

Wohin, Mellefont?

Ist es zu verwundern, daß die

Heftigkeit meines Schmerzes mich des Verstandes nicht mächtig ließ? Wer 1 „Eben erinnern Sie mich, daß ich doch noch nicht gegen den rechten rase." 2 „gemach ihm nachziehet"-------

32 bringt mich zu so unnatürlichen Ausschweifungen? Wo kann Bella sicherer seyn, als bey mir?

selbst?

Sind Sie es nicht Mein Mund tobet

wider sie, und mein Herz bleibt doch immer das Herz einer 1 Mutter. Ach, Mellefont! vergessen Sie meine Raserey, und denken, zu ihrer Ent­ schuldigung, nur an die Ursache derselben. Mellefont.

Es ist nur Ein Mittel, welches mich bewegen kann,

sie zu vergessen. Marwood.

Welches?

Mellefont.

Wenn Sie den Augenblick nach London zurückkehren.

Arabellen will ich in einer andern Begleitung wieder dahin bringen lassen. Sie müssen durchaus ferner mit ihr nichts zu thun haben. Marwood.

Gut,

Bitte gewähren Sie mir

ich lasse mir alles gefallen; noch.

aber eine einzige

Lassen Sie mich IhreSara wenigstens

einmal sehen. Mellefont.

Und wozu?

Marwood.

Um in ihren Blicken mein ganzes künftiges Schicksal

Ich will selbst

urtheilen, obsie einer Untreue, wie Sie an mir

begehen, würdig ist; und

zu lesen.

ob ich Hoffnung haben kann, wenigstens einmal

einen Antheil an Ihrer Liebe wieder zu bekommen.

Mellefont.

Nichtige Hoffnung!

Marwood.

Wer ist so grausam, daß er einer Elenden auch nicht

einmal die Hoffnung gönnen wollte?

Ich will mich ihr nicht als Marwood,

sondern als eine Anverwandte von Ihnen zeigen.

Melden Sie mich bey

ihr als eine solche; Sie sollen bey meinem Besuche zugegen seyn, und ich verspreche Ihnen, bey allem was heilig ist, ihr nicht das geringste an­ stößige zu sagen.

Schlagen Sie mir meine Bitte nicht ab; denn sonst

möchte ich vielleicht alles anwenden, in meiner wahren Gestalt vor ihr zu erscheinen. Mellefont. gedacht)

Diese Bitte, Marwood,

---------- könnte ich Ihnen gewähren.

(nachdem er einen Augenblick nach­

Wollen Sie aber auch als­

dann gewiß diesen Ort verlassen? Marwood.

Gewiß; ja, ich verspreche Ihnen noch mehr; ich will

Sie, wo nur noch einige Möglichkeit ist, von dem Ueberfall ihres Vaters befreyen. Mellefont.

Dieses haben Sie nicht nöthig.

1 „da- Herz einer" fehlt der ersten Ausgabe.

Ich hoffe, daß er

33 auch mich in die Verzeihung mit einschließen wird, die er seiner Tochter wiederfahren läßt. Will er aber dieser nicht verzeihen, so werde ich auch wissen, wie ich ihm begegnen soll. — Ich gehe, Sie bey meiner Miß zu melden. Nur halten Sie Wort, Marwood! (geht ab.) iHanuoot). Ach Hannah! daß unsere Kräfte nicht so groß sind, als unsere Wnt! Komm, hilf mich ankleiden. Ich gebe mein Vorhaben nicht ' auf. Wenn ich ihn nur erst sicher gemacht habe. Komm! Ende des zweyten Aufzugs.

Dritter Aufzug. Erster Auftritt. (£m Saal im erster» Gasthofe. Dir William Dampfon. Watlwell.

Air William. Hier, Waitwell, bring' ihr diesen Brief. Es ist der Brief eines zärtlichen Vaters, der sich über nichts, als über ihre Abwesenheit beklaget. Sag' ihr, daß ich dich damit vorweg geschickt, und daß ich nur noch ihre Antwort erwarten wolle, ehe ich selbst käme, sie wieder in meine Arme zu schließen. Waitwell. Ich glaube, Sie thun recht wohl, daß Sie Ihre Zu­ sammenkunft auf diese Art vorbereiten. Air William. Ich werde ihrer Gesinnungen dadurch gewiß, und mache ihr Gelegenheit, alles, was ihr die Reue klägliches und erröthendes eingeben könnte, schon ausgeschüttet zu haben, ehe sie mündlich mit mir spricht. Es wird ihr in einem Briefe weniger Verwirrung, und mir vielleicht weniger Thränen kosten. Waitwell. Darf ich aber fragen, Sir, was Sie in Ansehung Mellefonts beschlossen haben? Air William. Ach! Waitwell, wenn ich ihn von dem Geliebten meiner Tochter trennen könnte, so würde ich etwas sehr hartes wider ihn beschließen. Aber da dieses nicht angeht, so siehst du wohl, daß er 1 „noch nicht" Lessing, sümintl. Werke. II.

34 gegen meinen Unwillen gesichert ist. Ich habe selbst den größten Fehler bey diesem Unglücke begangen. Ohne mich würde Sara diesen gefährlichen Mann 1 nicht haben kennen lernen. Ich verstattete ihm, wegen einer Verbindlichkeit, die ich gegen ihn zu haben glaubte, einen allzufreyen Zu­ tritt in meinem Hause. Es war natürlich, daß ihm die dankbare Auf­ merksamkeit, die ich für ihn bezeigte, auch die Achtung meiner Tochter zuziehen mußte. Und es war eben so natürlich, daß sich ein Mensch von seiner Denkungsart durch diese Achtung verleiten ließ, sie zu etwas höherm zu treiben. Er hatte Geschicklichkeit genug gehabt, sie in Liebe zu ver­ wandeln, ehe ich noch das geringste merkte, und ehe ich noch Zeit hatte, mich nach seiner übrigen Lebensart zu erkundigen. Das Unglück war geschehen, und ich hätte wohl gethan, wenn ich ihnen nur gleich alles vergeben hätte. Ich wollte unerbittlich gegen ihn sehn, und überlegte nicht, daß ich es gegen ihn nicht allein seyn könnte. Wenn ich meine zu späte Strenge erspart hätte, so würde ich wenigstens ihre Flucht ver­ hindert haben. — Da bin ich nun, Waitwell! Ich muß sie selbst zurück­ holen, und mich noch glücklich schätzen, wenn ich aus dem Verführer nur meinen Sohn machen kann. Denn wer weiß, ob er seine Marwoods und seine übrigen Kreaturen eines Mädchens wegen wird aufgeben wollen, das seinen Begierden nichts mehr zu verlangen übrig gelassen hat, und die fesselnden Künste einer Buhlerin so wenig versteht? Waitwell. Nun, Sir, das ist woh nicht möglich, daß ein Mensch so gar böse seyn könnte — Sir William. Der Zweifel, guter Waitwell, macht deiner Tugend Ehre. Aber warum ist es gleichwohl wahr, daß sich die Gränzen der menschlichen Bosheit noch viel weiter erstrecken? — Geh nur jetzt und thue was ich dir gesagt habe. Gieb auf alle ihre Mienen Acht, wenn sie meinen Brief lesen wird. In der kurzen Entfernung von der Tugend, kann sie die Verstellung noch nicht gelernt haben, zu deren Larven nur das eingewurzelte Laster seine Zuflucht nimmt. Du wirst ihre ganze Seele in ihrem Gesichte lesen. Laß dir ja keinen Zug entgehen, der etwa eine Gleichgültigkeit gegen mich, eine Verschmähung ihres Vaters, anzeigen konnte. Denn wenn du diese unglückliche Entdeckung machen solltest, und wenn sie mich nicht mehr liebt: so hoffe ich, daß ich mich endlich werde überwinden können, sie ihrem Schicksale zu überlassen. Ich hoffe es, 1 „Menschen"

35 Waitwell — Ach! wenn nur hier kein Herz schlüge, das dieser Hoffnung widerspricht. (Sie gehen beide auf verschiedenen Seiten ab)

Zweyter Auftritt. Das Zimmer der Sara.

Miß Sara. Mellefont.

jttelUfont. Ich habe Unrecht gethan, liebste Miß, daß ich Sie wegen des vorigen Briefes in einer kleinen Unruhe ließ. Sara. Nein doch, Mellefont; ich bin deswegen ganz und gar nicht unruhig gewesen. Könnten Sie mich denn nicht lieben, wenn Sie gleich 1 noch Geheimnisse vor mir hätten? JstflUfont. Sie glauben also doch, daß es ein Geheimniß ge­ wesen sey? Sara. Aber keines, das mich angeht. Und das muß mir genug seyn. JHfllrfont. Sie sind allzu gefällig. Doch erlauben Sie mir, daß ich ihnen dieses Geheimniß gleichwohl entdecke. Es waren einige Zeilen von einer Anverwandten, 2 die meinen hiesigen Aufenthalt erfahren hat. Sie geht auf ihrer Reise nach London hier durch, und will mich sprechen. Sie hat zugleich um die Ehre ersucht, Ihnen ihre Aufwartung machen zu dürfen. Sara. Es wird mir allezeit angenehm seyn, Mellefont, die wür­ digen Personen Ihrer Familie kennen zu lernen. Aber, überlegen Sie es selbst, ob ich schon, ohne zu erröthen, einer derselben unter die Augen sehen darf. üHfllrfont. Ohne zu erröthen? Und worüber? Darüber, daß Sie mich lieben? Es ist wahr, Miß, Sie hätten Ihre Liebe einem Ediern, einem Reichern schenken können. Sie müssen sich schämen, daß Sie Ihr Herz nur um ein Herz haben geben wollen, und daß Sie bey diesem Tausche Ihr Glück so weit aus den Augen gesetzt. Sara. Sie werden es selbst wissen, wie falsch Sie meine Worte erklären. iHrllrfont. Erlauben Sie, Miß; wenn ich sie falsch erkläre, so können sie gar keine Bedeutung haben. 1 „gleich" fehlt der ersten Ausgabe. 2 „Anverwandten"

36 Sara. Wie heißt Ihre Anverwandte? ittelUfont. Es ist — Lady Solmes. Sie werden den Namen von mir schon gehört haben. Sara. Ich kann mich nicht erinnern. Mellesont. Darf ich bitten, daß Sie ihren Besuch annehmen wollen? Sara. Bitten, Mellefont? Sie können mir es ja befehlen. Mellesont. Was für ein Wort! — Nein, Miß, sie soll das Glück nicht haben, Sie zu sehen. Sie wird es belauern; 1 aber sie muß es sich gefallen lassen. Miß Sara hat ihre Ursachen, die ich auch, ohne sie zu wissen, verehre. Sara. Mein Gott! wie schnell sind Sie, Mellesont! Ich werde die Lady erwarten; und mich der Ehre ihres Besuchs, so viel möglich, würdig zu erzeigen suchen. Sind Sie zufrieden? Mellesont. Ach, Miß, lassen Sie mich meinen Ehrgeiz gestehen. Ich möchte gern gegen die ganze Welt mit Ihnen prahlen. Und wenn ich auf den Besitz einer solchen Person nicht eitel wäre, so würde ich mir selbst vorwerfen, daß ich den Werth derselben nicht zu schätzen wüßte. Ich gehe, und bringe die Lady sogleich zu Ihnen, (gehet Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, — und Einen (Sott! Was brauch' ich mehr?

Wenn kanns an dem mir fehlen?

Und doch, Al-Hafi, könnt' ich mit dir schelten.

Sittah. Schilt nicht, mein Bruder.

Wenn ich unserm Vater

Auch seine Sorgen so erleichtern könnte!

Saiadin. Ah! Ah!

Nun schlägst du meine Freudigkeit

Auf einmal wieder nieder! — Mir, für mich

230 Fehlt nichts! und kann nichts fehlen.

Aber ihm,

Ihm fehlet; und in ihm uns allen. — Sagt, Was soll ich machen? — Aus Aegypten kommt Vielleicht noch lange nichts. Weiß Gott.

Woran das liegt,

Es ist doch da noch alles ruhig. —

Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern, Mir gern gefallen lassen; wenn es mich, Blos mich betrift; blos ich, 1 und niemand sonst Darunter leidet. — Doch was kann das machen? Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muß ich doch haben. Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen. Ihm gnügt schon so mit wenigem genug; Mit meinem Herzen. — Auf den Ueberschuß Von deiner Kasse, Hafi, hatt' ich sehr Gerechnet.

Al-Hafi. Ueberschuß? — Sagt selber, ob Ihr mich hättet spießen, wenigstens Mich drosseln 2 lassen, wenn auf Ueberschuß Ich von Euch wär' ergriffen worden.

Ja,

Auf Unterschleif! das war zu wagen.

Aaladrn. Nun, Was machen wir denn aber? — Konntest du Vor erst bey niemand andern borgen, als Bey Sittah?

Sinai). Würd' ich dieses Vorrecht, Bruder, Mir haben nehmen lasten?

Mir von ihm?

Auch noch besteh' ich drauf.

Noch bin ich auf

Dem Trocknen völlig nicht.

Saladin. Nur völlig nicht! Das fehlte noch! — Geh gleich, mach Anstalt, Hast! • „blos mich," in beiden Drucken, r „Mich hängen" in dem ersten Drucke.

Nimm auf bey wem du kannst! und wie du kannst! Geh, borg, versprich. — Nur, Hast, borge nicht Bey denen, die ich reich gemacht.

Denn borgen

Von diesen, möchte wiederfodern heißen. Geh zu den Geizigsten; die werden mir Am liebsten leihen.

Denn sie wissen wohl,

Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert.

Äl-flofi. Ich kenne deren keine.

Sittah. Eben fällt Mir ein, gehört zu haben, Hast, daß Dein Freund zurückgekommen.

Äl-Hafi.

(betroffen.)

Freund? mein Freund? Wer wär denn das?

Jittah. Dein hochgepriesener Jude. Ät-Hafi. Gepriesner Jude? hoch von mir?

Iittal). Dem Gott, — Mich denkt des Ausdrucks noch recht wohl, deß einst Du selber dich von ihm bedientest, — dem Sein Gott von allen Gütern dieser Welt Das Kleinst und Größte so in vollem Maas Ertheilet habe. — Rl-Hasi. Sagt' ich so? — Was meynt' Ich denn damit?

Aittah. Das Kleinste: Reichthum.

Und

Das Größte: Weisheit.

Rt-Hafi. Wie? von einem Juden? Von einem Juden hätt' ich das gesagt?

232 Sinai). Das hättest du von deinem Nathan nicht Gesagt?

Äl-Hafi. Ja so! von dem! vom Nathan! — Fiel Mir der doch gar nicht bey. — Wahrhaftig? Ist endlich wieder heim gekommen?

Der

Ey!

So mags doch gar so schlecht mit ihm nicht stehn. — Ganz recht: den nannt' einmal das Volk den Weisen! Den Reichen auch.

Sittah. Den Reichen nennt es ihn Itzt mehr als je.

Die ganze Stadt erschallt,

Was er für Kostbarkeiten, was für Schätze Er mitgebracht.

Ai-Hafl. Nun, ists der Reiche wieder: So wirds auch wohl der Weise wieder seyn.

Sittat). Was meynst du, Hast, wenn du diesen angingst?

Äl-HaN. Und was bey ihm? — Doch wohl nicht borgen? — Ja, Da kennt Ihr ihn. — Er borgen! — Seine Weisheit Ist eben, daß er niemand borgt.

Sittah. Du hast Mir sonst doch ganz ein ander Bild von ihm Gemacht.

Al-Hafi. Zur Noth wird er euch Waaren borgen. Geld aber, Geld? Geld nimmermehr. — Es ist Ein Jude freylich übrigens, wie's nicht Viel Juden giebt.

Er hat Verstand; er weiß

Zu leben; spielt gut Schach.

Doch zeichnet er

Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten, Von allen andern Juden aus. — Auf den,

233 Auf den nur rechnet nicht. — Den Armen giebt Er zwar; und giebt vielleicht Trotz Saladin. Wenn schon nicht ganz so viel: doch ganz so gern; Doch ganz so sonder Ansehn. 3ub' und Christ Und Muselmann und Parsi, alles ist Ihm eins. Sittnt).

Und so ein Mann . . . Saladin.

Wie kommt es denn, Daß ich von diesem Manne nie gehört? . . . Sittah.

Der sollte Saladin nicht borgen? nicht Dem Saladin, der nur für andre braucht, Nicht sich? Al-Hafi.

Da seht nun gleich den Juden wieder; Den ganz gemeinen Juden! — Glaubt mirs doch! — Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig, So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in Der Welt gesagt wird, zog' er lieber ganz Allein. Nur darum eben leiht er keinem, Damit er stets zu geben habe. Weil Die Mild' ihm im Gesetz geboten; die Gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht Die Mild' ihn zu dem ungefälligsten Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, daß ich Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige. Er ist zu allem gut: blos dazu nicht; Blos dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich Nur gehn, an andre Thüren klopfen ... Da Besinn' ich mich so eben eines Mohren, Der reich und geizig ist. — Ich geh'; ich geh'.

234 Sittol).

Was eilst du, Hafi? Saladin. Laß ihn! laß ihn!

Vritter Auftritt. Gittah. Saladin. Si11oh.

Eilt Er doch, als ob er mir nur gern entkäme! Was heißt das? — Hat er wirklich sich in ihm Betrogen, oder — möcht' er uns nur gern Betriegen? Solodin.

Wie? das fragst du mich? Ich weiß Ja kaum, von wem die Rede war; und höre Bon euernt Juden, euerm Nathan, heut' Zum erstenmal. Sittol).

Jsts möglich? daß ein Mann Dir^so verborgen blieb, von dem es heißt, Er habe Salomons und Davids Gräber Erforscht, und wisse deren Siegel durch Ein mächtiges geheimes Wort zu lösen? Aus ihnen bring' er dann von Zeit zu Zeit Die unermeßlichen Reichthümer an Den Tag, die keinen mindern Quell verriethen. Solodin.

Hat seinen Reichthum dieser Mann aus Gräbern, So warens sicherlich nicht Salomons, Nicht Davids Gräber. Narren lagen da Begraben! Sittol).

Oder Bösewichter! — Auch Ist seines Reichthums Quelle weit ergiebiger,

235 Weit unerschöpflicher, als so ein Grab Voll Mammon.

Saladin. Denn er handelt; wie ich hörte.

Sitiah. Sein Saumthier treibt auf allen Straßen, zieht Durch alle Wüsten; feine Schiffe liegen In allen Häfen.

Das hat mir wohl eh

Al-Hafi selbst gesagt; und voll Entzücken Hinzugefügt, wie groß, wie edel dieser Sein Freund anwende, was so klug und emsig Er zu erwerben für zu klein nicht achte: Hinzugefügt, wie frey von Vorurtheilen Sein Geist; sein Herz wie offen jeder Tugend, Wie eingestimmt mit jeder Schönheit sey.

Saladin. Und itzt sprach Hafi doch so ungewiß, So kalt von ihm.

Sltlah. Kalt nun wohl nicht; verlegen. Als halt' ers für gefährlich, ihn zu loben, Und woll' ihn unverdient doch auch nicht tadeln. — Wie? oder wär' es wirklich so, daß selbst Der Beste seines Volkes seinem Volke Nicht ganz entfliehen kann? daß wirklich sich Al-Hafi seines Freund's von dieser Seite Zu schämen hätte? — Sey dem, wie ihm wolle! — Der Jude sey mehr oder weniger Als Jud', ist er nur reich: genug für uns!

Saladin. Du willst ihm aber doch das Seine mit Gewalt nicht nehmen, Schwester?

Sitiah. Ja, was heißt Bey dir Gewalt? Mit 1 Feu'r und Schwert? Nein, nein, 1 3n den ersten Drucken „Bey".

236 Was braucht es mit den Schwachen für Gewalt, Als ihre Schwäche? ■— Komm vor itzt nur mit In meinen Haram, eine Sängerinn Zu hören, die ich gestern erst gekauft. Es reift indeß bey mir vielleicht ein Anschlag, Den ich auf diesen Nathan habe. — Komm!

Vierter Auftritt. Scene: vor dem Hause des Nathan, wo es an die Palmen stößt. Necha und Nathan kommen heraus. Zu ihnen Daja.

Rech a. Ihr habt Euch sehr verweilt, mein Vater. Wird kaum noch mehr zu treffen seyn.

Er

Nathan.

Nun, nun; Wenn hier, hier untern Palmen schon nicht mehr: Doch anderwärts. — Sey itzt nur ruhig. — Sieh! Kömmt dort nicht Daja auf uns zu? Necha. Sie wird Ihn ganz gewiß verloren haben. Nathan. Auch Wohl nicht. Necha.

Sie würde sonst geschwinder kommen. Nathan. Sie hat uns wohl noch nicht gesehn . . . Necha. Nun sieht Sie uns. Nathan. Und doppelt ihre Schritte. Sieh! — Sey doch nur ruhig! ruhig! Necha. Wolltet Ihr

237 Wohl eine Tochter, die hier ruhig wäre? Sich unbekümmert liesse, wessen Wohlthat Ihr Leben sey? Ihr Leben, — das ihr nur So lieb, weil sie es Euch zuerst verdanket.

Nathan. Ich möchte dich nicht anders, als du bist: Auch wenn ich wüßte, daß in deiner Seele Ganz etwas anders noch sich rege.

Nech a. Was, Mein Vater?

Nathan. Fragst du mich? so schüchtern mich? Was auch in deinem Innern vorgeht, ist Natur und Unschuld. Dir machen.

Laß es keine Sorge

Mir, mir macht es keine.

Nur

Versprich mir: wenn dein Herz vernehmlicher Sich einst erklärt, mir seiner Wünsche keinen Zu bergen.

Necha. Schon die Möglichkeit, mein Herz Euch lieber zu verhüllen, macht mich zittern.

Nathan. Nichts mehr hiervon! Das ein für allemal Ist abgethan. — Da ist ja Daja. — Nun?

Naja. Noch wandelt er hier unter Palmen; und Wird gleich um jene Mauer kommen. — Seht, Da kömmt er!

Necha. Ah! und scheinet unentschlossen, Wohin? ob weiter? ob hinab? ob rechts? Ob links?

Doja. Nein, nein; er macht den Weg ums Kloster Gewiß noch öfter; und dann muß er hier Vorbey. — Was gilts?

238 Necha. Recht! recht! — Hast du ihn schon Gesprochen? Und wie ist er heut? Naja. Wie immer. Nathan. So macht nur, daß er euch hier nicht gewahr Wird. Tretet mehr zurück. Geht lieber ganz Hinein. Necha. Nur einen Blick noch!'— Ah! die Hecke, Die mir ihn stiehlt. Ifljö.

Kommt! kommt! Der Vater hat Ganz recht. Ihr lauft Gefahr, wenn er Euch sieht, Daß auf der Stell' er umkehrt. Necha. Ah! die Hecke! Nathan.

Und kömmt er plötzlich dort aus ihr hervor: So kann er anders nicht, er muß euch sehn. Drum geht doch nur! Döjo.

Kommt! kommt! Ich weiß ein Fenster, Aus dem wir sie bemerken können. Necha.

Ja? (behde hinein )

Fünfter Auftritt. Nathan und bald darauf der Tempelherr.

Nathan. Fast scheu' ich mich des Sonderlings. Fast macht Mich seine rauhe Tugend stutzen. Daß Ein Mensch doch einen Menschen so verlegen Soll machen können! — Ha! er kömmt. — Bey Gott!

239 .Ein Jüngling wie ein Mann. Ich mag ihn wohl Den guten, trotzgen Blick! den drallen Gang! Die Schaale kann nur bitter seyn: der Kern Ästs sicher nicht. — Wo sah' ich doch dergleichen? — Verzeihet, edler Franke — ... Tempelherr. Was? Nathan. Erlaubt . . . Tempelherr. Was, Jude? was? Nathan. Daß ich mich untersteh', Euch rnzureden. Tempelherr. Kann ichs wehren? Doch Nur karz. Nathan. Verzieht, und eilet nicht so stolz, Nicht 1o verächtlich einem Mann vorüber, Den Zhr auf ewig Euch verbunden habt. Temp elherr. Wie des? — Ah, fast errath' ichs. Nicht? Ihr seyd Nathan. Ich Hesse Nathan; bin des Mädchens Vater, Das Cure Großmuth aus dem Feu'r gerettet; Und krmme . . . Tempelherr Wenn zu danken: — sparts! Ich hab' Um diese Kleinigkeit des Dankes schon Zu vie erdulden müssen. — Vollends Ihr, Ihr sew mir gar nichts schuldig. Wußt' ich denn, Daß deses Mädchen Eure Tochter war? Es ist ver Tempelherren Pflicht, dem Ersten Dem Lesten beyzuspringen, dessen Noth Sie sehr. Mein Leben war mir ohnedem

240 In diesem Augenblicke lästig.

Gern,

Sehr gern ergriff ich die Gelegenheit, Es für ein andres Leben in die Schanze Zu schlagen: für ein andres — Wenns auch nur Das Leben einer Jüdinn wäre.

Nathan. Groß! Groß und abscheulich! — Doch die Wendung läßt Sich denken.

Die bescheidne Größe flüchtet

Sich hinter das Abscheuliche, um der Bewundrung auszuweichen. — Aber wenn Sie so das Opfer der Bewunderung Verschmäht: was für ein Opfer denn verschmäht Sie minder? — Ritter, wenn Ihr hier nicht fremd, Und nicht gefangen wäret, würd' ich Euch So dreist nicht fragen.

Sagt, befehlt: womit

Kann man Euch dienen?

Tempelherr. Ihr? Mit nichts.

Nathan.

Ich

bin

Ein reicher Mann.

Tempelherr. Der reichre Jude war Mir nie der bessre Jude.

Nathan. Dürft Ihr denn Darum nicht nützen, was dem ungeachtet Er bessres hat? nicht seinen Reichthum nützen?

Tempelherr. Nun gut, das will ich auch nicht ganz verreden; Um meines Mantels willen nicht.

Sobald

Der ganz und gar verschlissen; weder Stich Noch Fetze länger halten will: komm' ich Und borge mir bey Euch zu einem neuen, Tuch oder Geld. — Seht nicht mit eins so finster!

241 Noch seyd Ihr sicher; noch ists nicht so weil Mit ihm.

Ihr seht; er ist so ziemlich noch

Im Stande.

Nur der eine Zipfel da

Hat einen garstgen Fleck; er ist versengt. Und das bekam er, als ich Eure Tochter Durchs Feuer trug. Nathan. (der nach dem Zipfel greift und ibn betrachtet.)

Es ist doch sonderbar, Daß so ein böser Fleck, daß so ein Brandmahl Dem Mann ein bessres Zeugniß redet, als Sein eigner Mund.

Ich möcht ihn küffen gleich —

Den Flecken! — Ah, verzeiht! — Ich that es ungern.

Tempelherr. Was?

Nathan. Eine Thräne siel darauf.

Tempelherr. Thut nichts! Er hat der Tropfen mehr. — (Bald aber fängt Mich dieser Jud' an zu verwirren.)

Nathan. Wär't Ihr wohl so gut, und schicktet Euern Mantel Auch einmal meinem Mädchen?

Tempelherr. Was damit?

Nathan. Auch ihren Mund auf diesen Fleck zu drücken. Denn Eure Kniee selber zu umfassen, Wünscht sie nun wohl vergebens.

Tempelherr. Aber, Jude - • Ihr heisset Nathan? — Aber, Nathan — Ihr Setzt Eure Worte sehr — sehr gut — sehr spitz — Ich bin betreten — Allerdings —- ich hätte . . . Lessinq, ffimmtT. Werke. 11.

242 Nathan. Stellt und verstellt Euch, wie Ihr wollt. Ich ftnb' Auch hier Euch aus. Ihr wart zu gut, zu bieder, Um höflicher zu seyn. — Das Mädchen, ganz Gefühl; der weibliche Gesandte, ganz Dienstfertigkeit; der Vater weit entfernt — Ihr trugt für ihren guten Namen Sorge; Floht ihre Prüfung; floht, um nicht zu siegen. Auch dafür dank' ich Euch — Tempelherr. Ich muß gestehn, Ihr wißt, wie Tempelherren denken sollten. Nathan. Nur Tempelherren? sollten blos? und blos Weil es die Ordensregeln so gebieten? Ich weiß, wie gute Menschen denken; weiß, Daß alle Länder gute Menschen tragen. Tempelherr. Mit Unterschied, doch hoffentlich? Nathan. Ja wohl; An Färb', an Kleidung, an Gestalt verschieden. Tempelherr. Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort. Nathan. Mit diesem Unterschied ists nicht weit her. Der große Mann braucht überall viel Boden; Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerschlagen Sich nur die Aeste. Mittelgut, wie wir, Findt sich hingegen überall in Menge. Nur muß der eine nicht den andern mäckeln. Nur muß der Knorr den Knubben hübsch vertragen. Nur muß ein Gipfelchen sich nicht vermessen, Daß es allein der Erde nicht entschoffen. Tempelherrn Sehr wohl gesagt! — Doch kennt Ihr auch das Volk,

243 Das diese Menschenmäckeley zu erst Getrieben? Wißt Ihr, Nathan, welches Volk Zuerst das auserwählte Volk sich nannte? Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht haßte, Doch wegen seines Stolzes zu verachten, Mich nicht entbrechen könnte? Seines StolzeS; Den es auf Christ und Muselmann vererbte, Nur sein Gott sey der rechte Gott! — Ihr stutzt, Daß ich, ein Christ, ein Tempelherr, so rede? Wenn hat, und wo die fromme Raserey, Den bessern Gott zu haben, diesen beffern Der ganzen Welt als besten aufzudringen, In ihrer schwärzesten Gestalt sich mehr Gezeigt, als hier, als itzt? Wem hier, wem itzt Die Schuppen nicht vom Auge fallen . .. Doch Sey blind, wer will! — Vergeßt, was ich gesagt; Und laßt mich! (will gehen.) Nathan. Ha! Ihr wißt nicht, wie viel fester Ich nun mich an Euch drengen werde. — Kommt, Wir müssen, müssen Freunde seyn! — Verachtet Mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beyde Uns unser Volk nicht auserlesen. Sind Wir unser Volk? Was heißt denn Volk? Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, Als Mensch? Ah, wenn ich einen mehr in Euch Gefunden hätte, dem es gnügt, ein Mensch Zu heissen! Tempelherr. Ja, bey Gott, das habt Ihr, Nathan! Das habt Ihr! — Eure Hand! — Ich schäme mich Euch einen Augenblick verkannt zu haben. Nathan. Und ich bin stolz darauf. Nur das Gemeine Verkennt man selten.

Tempelherr.

Und das Seltene Vergißt man schwerlich. — Nathan, ja; Wir müssen, müssen Freunde werden. Nathan.

Sind Es schon. —• Wie wird sich meine Recha freuen! — Und ah! welch eine heitre Ferne schließt Sich sich meinen Blicken auf! — Kennt sie nur erst! Tempelherr.

Ich brenne vor Verlangen. — Wer stürzt dort Aus Euerm Hause? Ists nicht ihre Daja? Nathan.

Ja wohl. So ängstlich? Tempelherr.

Unsrer Recha ist Doch nichts begegnet?

Sechster Auftritt. Die Vorigen und Daja eilig. Daja.

Nathan! Nathan! Nathan.

Nun? Daja.

Verzeihet, edler Ritter, daß ich Euch Muß unterbrechen. Nathan.

Nun, was ists? Tempelherr.

Was ists? Daja.

Der Sultan hat geschickt. Der Sultan will Euch sprechen. Gott, der Sultan! Nathan. Mich? der Sultan?

245 Er wird begierig seyn, zu sehen, was Ich Neues mitgebracht. Sag nur, es sey Noch wenig oder gar nichts ausgepackt. Bnjc.

Nein, nein; er will nichts sehen; will Euch sprechen, Euch in Person, und bald; sobald Ihr könnt.

Nathan. Ich werde kommen. — Geh nur wieder, geh!

Hajo. Nehmt ja nicht übel auf, gestrenger Ritter — Gott, wir sind so bekümmert, was der Sultan Doch will. Nathan.

Das wird sich zeigen.

Geh nur, geh!

Siebender Auftritt. Nathan und der Tempelherr.

Tempelherr. So kennt Ihr ihn noch nicht? — ich meyne, von Person.

Nathan. Den Saladin? Noch nicht. Ich habe Ihn nicht vermieden, nicht gesucht zu kennen. Der allgemeine Ruf sprach viel zu gut Von ihm, daß ich nicht lieber glauben wollte, Als sehn. Doch nun, —- wenn anders dem so ist, — Hat er durch Sparung Eures Lebens . . .

Tempelherr. Ja; Dem allerdings ist so. Das Leben, das Ich leb', ist sein Geschenk.

Nathan. Durch das er mir Ein doppelt, dreyfach Leben schenkte. Dieß Hat alles zwischen uns verändert; hat

246 Mit eins ein Seil mir umgeworfen, das Mich seinem Dienst auf ewig fesselt. Kaum, Und kaum, kann ich es nun erwarten, was Er mir zuerst befehlen wird. Ich bin Bereit zu allem; bin bereit ihm zu Gestehn, daß ich es Euertwegen bin. Tempelherr. Noch hab ich selber ihm nicht danken können: So oft ich auch ihm in den Weg getreten. Der Eindruck, den ich auf ihn machte, kam So schnell, als schnell er wiederum verschwunden. Wer weiß, ob er sich meiner gar erinnert. Und dennoch muß er, einmal wenigstens, Sich meiner noch erinnern, um mein Schicksal Ganz zu entscheiden. Nicht genug, daß ich Auf sein Geheiß noch bin, mit seinem Willen Noch leb’: ich muß nun auch von ihm erwarten, Nach wessen Willen ich zu leben habe. Nathan.

Nicht anders; um so mehr will ich nicht säumen. — Es fällt vielleicht ein Wort, das mir, auf Euch Zu kommen, Anlaß giebt. — Erlaubt, verzeiht — Ich eile — Wenn, wenn aber sehn wir Euch Bey uns? Tempelherr. Sobald ich darf. Nathan. So bald Ihr wollt. Tempelherr. Noch heut. Nathan. Und Euer Name? — muß ich bitten. Tempelherr. Mein Name war — ist Curd von Stauffen. — Curd! Nathan.

Bon Stauffen? — Stauffen? — Stauffen?

247 empelherr.

Warum fällt Euch das so auf? Nathan.

Von Stauffen? — Des Geschlechts Sind wohl schon mehrere . . . Tempelh err.

O ja! hier waren, Hier faulen des Geschlechts schon mehrere. Mein Oheim selbst, — mein Vater will ich sagen, — Doch warum schärft sich Euer Blick auf mich Je mehr und mehr? Nathan.

O nichts! o nichts! Wie kann Ich Euch zu sehn ermüden? Tempelherr.

Drum verlaß Ich Euch zuerst. Der Blick des Forschers fand Nicht selten mehr, als er zu finden wünschte. Ich fürcht' ihn, Nathan. Laßt die Zeit allmälig, Und nicht die Neugier, unsre Kundschaft machen. Nathan

(Er geht.)

(der ihm mit Erstaunen nachsieht.)

„Der Forscher fand nicht selten mehr, als er „Zu finden wünschte." — Ist es doch, als ob In meiner See? er lese! — Wahrlich ja; Das könnt auch mir begegnen. — Nicht allein Wolfs Wuchs, Wolfs Gang: auch seine Stimme. So, Vollkommen so, warf Wolf sogar den Kopf; Trug Wolf sogar das Schwerd im Arm'; strich Wolf Sogar die Augenbraunen mit der Hand, Gleichsam das Feuer seines Blicks zu bergen. — Wie solche tiefgeprägte Bilder doch Zu Zeiten in uns schlafen können, bis Ein Wort, ein Laut sie weckt. — Von Stauffen! — Ganz recht, ganz recht; Filnek und Stauffen. — Ich will das bald genauer wissen; bald.

Nur erst zum Saladin. — Doch wie? lauscht dort Nicht Daja? — Nun so komm nur näher, Daja.

-Achter Auftritt. Daja.

Nathan.

Nathan.

Was gilts? nun drückts euch beyden schon das Herz, Noch ganz was anders zu erfahren, als Was Saladin mir will. Ißjfl.

Verdenkt Ihrs ihr? Ihr singt so eben an, vertraulicher Mit ihm zu sprechen: als des Sultans Bothschaft Uns von dem Fenster scheuchte. Nathan.

Nun so sag -Ihr nur, daß sie ihn jeden Augenblick Erwarten darf. Jaja. Gewiß? gewiß? Nathan.

Ich kann Mich doch auf dich verlassen, Daja? Sey Auf deiner Hut; ich bitte dich. Es soll Dich nicht gereuen. Dein Gewissen selbst Soll seine Rechnung dabey finden. Nur Verdirb mir nichts in meinem Plane. Nur Erzähl und frage mit Bescheidenheit, Mit Rückhalt . . . Daja.

Daß Ihr doch noch erst, so was Erinnern könnt! — Ich geh; geht Ihr nur auch. Denn seht! ich glaube gar, da kömmt vom 'Sultan Ein zweiter Both', Al-Hasi, Euer Derwisch, (geht ab.)

249

Neunter Auftritt. Nathan. Al-K»afi.

Äl-Hafi. Ha! ha! Zu Euch wollt ich nun eben wieder. Nathan. Isis denn so eilig? Was verlangt er denn Von mir? Äl-Hafi. Wer? Nathan.

Saladin. — Ich komm', ich komme. Rl-Hafi. Zu wem? Zum Saladin? Nathan. Schickt Saladin Dich nicht? Äl-Hafi. Mich? nein. Hat er denn schon geschickt? Nathan. Ja freylich hat er. Al-Hafi. Nun, so ist es richtig. Nathan.

Was? was ist richtig? Äl-Hafi. Daß — ich bin nicht Schuld; Gott weiß, ich bin nicht Schuld. — Was hab ich nicht Von Euch gesagt, gelogen, um es abzuwenden! Nathan. Was abzuwenden? Was ist richtig? Al-Hafi. Daß Nun Ihr sein Defterdar geworden. Ich Betaur' Euch. Doch mit ansehn will ichs nicht. Ich geh von Stund an; geh. Ihr habt es schon

250 Gehört, wohin; und wißt den Weg. — Habt Ihr Des Wegs was zu bestellen, sagt: ich bin Zu Diensten. Freylich muß es mehr nicht seyn, Als was ein Nakter mit sich schleppen kann. Ich geh, sagt bald. Nathan. Besinn dich doch, Al-Hafi. Besinn dich, daß ich noch von gar nichts weiß. Was plauderst du denn da? Äl-Hali. Ihr bringt sie doch Gleich mit, die Beutel? Nathan. Beutel? Äl-Hafi. Nun, das Geld, Das Ihr dem Saladin vorschiessen sollt. Nathan. Und weiter ist es nichts? Al-Hasi. Ich sollt es wohl Mit ansehn, wie er Euch von Tag zu Tag Aushöhlen wird bis auf die Zehen? Sollt' Es wohl mit ansehn, daß Verschwendung aus Der weisen Milde sonst nie leeren Scheuern So lange borgt, und borgt, und borgt, bis auch Die armen eingebornen Mäuschen drinn Verhungern? — Bildet Ihr vielleicht Euch ein, Wer Euers Gelds bedürftig sey, der werde Doch Euerm Rathe wohl auch folgen? — Ja; Er Rathe folgen! Wenn hat Saladin Sich rathen lassen? — Denkt nur, Nathan, was Mir eben itzt mit ihm begegnet. Nathan. Nun? Äl-Hasi. Da komm ich zu ihm, eben daß er Schach

251 Gespielt mit seiner Schwester. Sittah spielt Nicht übel; und das Spiel, daß Saladin Verloren glaubte, schon gegeben hatte, Das stand noch ganz so da. Ich seh Euch hin, Und seh, daß das Spiel noch lange nicht Verloren. Nathan.

Ey! das war für dich ein Fund! Äl-Hafi.

Er durste mit dem König an den Bauer Nur rücken, auf ihr Schach. — Wenn ichs Euch gleich Nur zeigen könnte! Nathan.

O ich traue dir! Äl-Haki.

Denn so bekam der Roche Feld: und sie War hin. — Das alles will ich ihm nun weisen Und ruf ihn. — Denkt! . . . Nathan.

Er ist nicht deiner Meinung? Äl-Haki.

Er hört mich gar nicht an; und wirst verächtlich Das ganze Spiel in Klumpen. Nathan.

Ist das möglich? Äl-Hafi.

Und sagt: er wolle matt nun einmal seyn; Er wolle! Heißt das spielen? Nathan.

Schwerlich wohl; Heißt mit dem Spiele spielen. Äl-Hafi.

Gleichwohl galt Es keine taube Nuß. Nathan.

Geld hin, Geld her! Das ist das wenigste. Allein dich gar

252 Nicht anzuhören! über einen Punkt Von solcher Wichtigkeit dich nicht einmal Zu hören! deinen Adlerblick nicht zu Bewundern! das, das schreyt um Rache; nicht?

Al-Hafi. Ach was? Ich sag Euch das nur so, damit Ihr sehen könnt, was für ein Kopf er ist. Kurz, ich, ich Halts mit ihm nicht länger aus. Da lauf ich nun bey allen schmutzgen Mohren Herum, und frage, wer ihm borgen will. Ich, der ich nie für mich gebettelt habe, Soll nun für andre borgen.

Borgen ist

Viel besser nicht als betteln: so wie leiheu, Auf Wucker leihen, nicht viel besser ist, Als stehlen.

Unter meinen Ghebern, an

Dem Ganges, brauch ich beydes nicht, und brauche Das Werkzeug beyder nicht zu seyn. Am Ganges nur giebts Menschen.

Am Ganges, Hier seyd Ihr

Der Einzige, der noch so würdig wäre, Daß er am Ganges lebte. — Wollt Ihr mit? — Laßt ihm mit eins den Plunder ganz im Stiche, Um den es ihm zu thun. Und nach doch drum. Auf einmal aus.

Er bringt Euch nach

So toär’ die Plackerey

Ich schaff Euch einen Delk.

Kommt! kommt!

Nathan. Ich dächte zwar, das blieb uns ja Noch immer übrig. Ichs überlegen.

Doch, Al-Hasi, will

Warte . . .

Rl-Hafi. Ueberlegen? Nein, so was überlegt sich nicht.

Nathan. Nur bis Ich von dem Sultan wiederkomme; bis Ich Abschied erst . . .

253 Rt-Hafi.

Wer überlegt, der sucht Bewegungsgründe, nicht zu dürfen. Wer Sich Knall und Fall, ihm selbst zu leben, nicht Entschliessen kann, der lebet andrer Sklav Auf immer. — Wie Ihr wollt! — Lebt wohl! wies Euch Wohl dünkt. — Mein Weg liegt dort; und Eurer da. Nathan.

Al-Hasi! Du wirst selbst doch erst das Deine Berichtigen? Äl-Hafi.

Ach Possen! Der Bestand Bon meiner Kaß' ist nicht des Zählens werth; Und meine Rechnung bürgt — Ihr oder Sittah. Lebt wohl! (üb.) Natha N. (ihm nachsehend.)

Die bürg' ich! — Wilder, guter, edler — Wie nenn ich ihn? — Der wahre Bettler ist Doch einzig und allein der wahre König! (von einer andern Seite ab.)

Dritter Aufzug. Erster Auftritt. (Scene: in Nathans Hause.) Recha und Daja.

Necha.

Wie, Daja, drückte sich mein Vater aus? „Ich dürst ihn jeden Augenblick erwarten?" Das klingt — nicht wahr? — als ob er noch so bald Erscheinen werde. — Wie viel Augenblicke Sind aber schon vorbey! — Ah nun; wer denkt An die verflossenen? — Ich will allein

254 In jedem nächsten Augenblicke leben. Er wird doch einmal kommen, der ihn bringt.

Jaja. O der verwünschten Bothschaft von dem Sultan! Denn Nathan hätte sicher ohne sie Ihn gleich mit hergebracht.

Lecha. Und wenn er nun Gekommen dieser Augenblick; wenn denn Nun meiner Wünsche wärmster, innigster Erfüllet ist: was dann? — was dann?

Daja. Was dann? Dann hoff ich, daß auch meiner Wünsche wärmster Soll in Erfüllung gehen. Rrcha. Was wird dann In meiner Brust an dessen Stelle treten, Die schon verlernt, ohn einen herrschenden Wunsch aller Wünsche sich zu dehnen? — Nichts? Ah, ich erschrecke! . . . Bojo. Mein, mein Wunsch wird dann An des erfüllten Stelle treten; meiner. Mein Wunsch, dich in Europa, dich in Händen Zu wissen, welche deiner würdig sind.

Necha. Du irrst. — Was diesen Wunsch zu deinem macht, Das nehmliche verhindert, daß er meiner Je werden kann.

Dich zieht dein Vaterland:

Und meines, meines sollte mich nicht halten? Ein Bild der Deinen, das in deiner Seele Noch nicht verloschen, sollte mehr vermögen. Als die ich sehn, und greifen kann, und hören, 1 Die Meinen? 1 „Als die ich seh, und greiss, und höre," in dem ersten Drucke.

255 Doja.

Sperre dich, so viel du willst! Des Himmels Wege sind des Himmels Wege. Und wenn es nun dein Retter selber wäre, Durch den sein Gott, für den er kämpft, dich in Das Land, dich zu dem Volke führen wollte, Für welche du geboren wurdest? Necha. Daja! Was sprichst du da nun wieder, liebe Daja! Du hast doch wahrlich deine sonderbaren Begriffe! „Sein, sein Gott! für den er kämpft!" Wem eignet Gott? was ist das für ein Gott, Der einem Menschen eignet? der für sich Muß kämpfen lassen? — Und wie weiß Man denn, für welchen Erdklos man geboren, Wenn mans für den nicht ist, auf welchem man Geboren? — Wenn mein Vater dich so hörte! — Was that er dir, mir immer nur mein Glück So weit von ihm als möglich vorzuspiegeln? Was that er dir, den Saamen der Vernunft, Den er so rein in meine Seele streute, Mit deines Landes Unkraut oder Blumen So gern zu mischen? — Liebe, liebe Daja, Er will nun deine bunten Blumen nicht Auf meinem Boden! — Und ich muß dir sagen. Ich selber fühle meinen Boden, wenn Sie noch so schön ihn kleiden, so entkräftet, So ausgezehrt durch deine Blumen; fühle In ihrem Dufte, sauersüssem Dufte, Mich so betäubt, so schwindelnd! — Dein Gehirn Ist dessen mehr gewohnt. Ich tadle drum Die stärkern Nerven nicht, die ihn vertragen. Nur schlägt er mir nicht zu; und schon dein Engel, Wie wenig fehlte, daß er mich zur Närrinn

256 Gemacht? — Noch schäm' ich mich vor meinem Vater Der Posse!

Doja. Posse! — Als ob der Verstand Nur hier zu Hause wäre! Posse! Posse! Wenn ich nur reden dürfte!

Necha. Darfst du nicht? Wenn war ich nicht ganz Ohr, so oft es dir Gefiel, von deinen Gtaubenshelden mich Zu unterhalten? Hab' ich ihren Thaten Nicht stets Bewunderung; und ihren Leiden Nicht immer Thränen gern gezollt? Ihr Glaube Schien freylich mir das Heldenmäßigste An ihnen.tue.

Doch so viel tröstender

War mir die Lehre, daß Ergebenheit In Gott von unserm Wähnen über Gott So ganz und gar nicht abhängt. — Liebe Daja, Das hat mein Vater uns so oft gesagt; Darüber hast du selbst mit ihm so oft Dich einverstanden: warum untergräbst Du denn allein, was du mit ihm zugleich Gebauet? — Liebe Daja, das ist kein Gespräch, womit wir unserm Freund' am besten Entgegen sehn.

Für mich zwar, ja! Denn mir,

Mir liegt daran unendlich, ob auch er . . . Horch, Daja! —- Kommt es nicht an unsre Thüre? Wenn Er es wäre! horch!

Iweyter Auftritt. Recha.

Daja und der Tempelherr, dem Jemand von aussen die Thüre o fit et, miit den Worten:

Nur hier herein! Rechn.

(führt zusammen, faßt sich, und will lhm zu Füssen fallen.)

Er ists! — Mein Retter, ah!

257 Tempelherr. Dieß zu vermeiden Erschien ich blos so spät: und doch — Necha. Ich will Ja zu den Füssen dieses stolzen Mannes Nur Gott noch einmal danken; nicht dem Manne. Der Mann will keinen Dank; will ihn so wenig Als ihn der Wassereymer will, der bey Dem Löschen so geschäftig sich erwiesen. Der ließ sich füllen, ließ sich leeren, mir Nichts, dir nichts: also auch der Mann. Auch der Ward nun so in die Glut hineingestoßen; Da fiel ich ungefähr ihm in den Arm; Da blieb ich ungefähr, so wie ein Funken Auf seinem Mantel, ihm in seinen Armen; Bis wiederum, ich weiß nicht was, uns beyde Herausschmiß aus der Glut. — Was giebt es da Zu danken? — In Europa treibt der Wein Zu noch weit andern Thaten. — Tempelherren, Die müssen einmal nun so handeln; müssen Wid etwas besser zugelernte Hunde, Sowohl aus Feuer, als aus Wasser hohlen. Tempelherr. (der sie mit Erstaunen und Unruhe die ganze Zeit über betrachtet.)

O Daja, Daja! Wenn in Augenblicken Des Kummers und der Galle, meine Laune Dich übel anließ, warum jede Thorheit, Die meiner Zung' entfuhr, ihr hinterbringen? Das hieß sich zu empfindlich rächen, Daja! Doch wenn du nur von nun an, besser mich Bey ihr vertreten willst.

So jo. Ich denke, Ritter, Ich denke nicht, daß diese kleinen Stacheln, Lessing, sämmtl. Werke. II.

258 Ihr an daS Herz geworfen, Euch da sehr Geschadet haben.

Necha. Wie? Ihr hattet Kummer? Und wart mit Euerm Kummer geiziger Als Euerm Leben?

Tempelherr. Gutes, holdes Kind! — Wie ist doch meine Seele zwischen Auge Und Ohr getheilt! — Das war das Mädchen nicht, Nein, nein, das war es nicht, das aus dem Feuer Ich höhlte. — Denn wer hätte die gekannt, Und aus dem Feuer nicht gehöhlt? Wer hätte Auf mich gewartet? — Zwar —- verstellt — der Schreck (Pause, unter der er, in Anschauung ihrer, sich wie verliert.)

ftfdju, Ich aber. find Euch noch den nehmlichen. — (dergleichen, bis sie fortfährt, um ihn in seinem Anstaunen zu unterbrechen.)

Nun, Ritter, sagt uns doch, wo Ihr so lange Gewesen? — Fast dürft' ich auch fragen: wo Ihr itzo seyd?

Tempelherr. Ich bin, — wo ich vielleicht Nicht sollte seyn. —

Necha. Wo Ihr gewesen? — Auch Wo Ihr vielleicht nicht solltet seyn gewesen? Das ist nicht gut.

Tempelherr. Auf — auf — wie heißt der Berg? Auf Sinai.

Uecha. Auf Sinai? — Ah schön! Nun kann ich zuverlässig doch einmal Erfahren, ob es wahr . . .

Tempelherr. Was? was? Obs wahr,

259 Daß noch daselbst der Ort zu sehn, wo Moses Vor Gott gestanden, als . . . Nrcha.

Nun das wohl nicht. Denn wo er stand, stand er vor Gott. Und davon Ist mir zur Gnüge schon bekannt. — Obs wahr, Möcht' ich nur gern von Euch erfahren, daß — Daß es bey weitem nicht so mühsam sey, Auf diesen Berg hinauf zu steigen, als Herab? — Denn seht; so viel ich Berge noch Gestiegen bin, wars just das Gegentheil. — Nun, Ritter? — Was? — Ihr kehrt Euch von mir ab? Wollt mich nicht sehn? Tempelherr. Weil ich Euch hören will. Recha. Weil Ihr mich nicht wollt merken lassen, daß Ihr meiner Einfalt lächelt; daß Ihr lächelt, Wie ich Euch doch so gar nichts Wichtigers Von diesen! heiligen Berg' aller Berge Zu fragen weiß? Nicht wahr? Tempelherr.

So muß Ich doch Euch wieder in die Augen sehn. — Was? Nun schlagt Ihr sie nieder? nun verbeißt Das Lächeln Ihr? wie ich noch erst in Mienen, In zweifelhaften Mienen lesen will, Was ich so deutlich hör', Ihr so vernehmlich Mir sagt — verschweigt? — Ah Necha! Recha! Wie Hat er so wahr gesagt: „Kennt sie nur erst!" Uecha.

Wer hat? — von wem? — Euch das gesagt? T e m p e l h e r r. „Kennt sie Nur erst!" hat Euer Vater mir gesagt; Von Euch gesagt.

260 B aja. Und ich nicht etwa auch? Ich denn nicht auch? Tempelherr. Allein wo ist er denn? Wo ist denn Euer Vater? Ist er noch Beym Sultan? Necha. Ohne Zweifel. Tempelherr. Noch, noch da? — O mich vergeßlichen! Nein, nein; da ist Er schwerlich mehr. — Er wird dort unten bey Dem Kloster meiner warten; ganz gewiß. So redten, meyn ich, wir es ctfc.1 Erlaubt! Ich geh, ich hohl' ihn . . . Bajo.

Das ist meine Sache. Bleibt, Ritter, bleibt. Ich bring ihn unverzüglich. Tempelherr. Nicht so, nicht so! Er sieht mir selbst entgegen; Nicht Euch. Dazu, er könnte leicht — wer weiß? Er könnte bey dem Sultan leicht, — Ihr kennt Den Sultan nicht! — leicht in Verlegenheit Gekommen seyn. — Glaubt mir; es hat Gefahr, Wenn ich nicht geh. Uecha. Gefahr? was für Gefahr? Tempelherr. Gefahr für mich, für Euch, für ihn: wenn ich Nicht schleunig, schleunig geh.

Dritter Auftritt. Necha und Da ja.

Necha. Was ist das, Daja? ‘ „wir ja ab." in dem ersten Drucke.

(ab.)

261 So schnell? — Was kömmt ihm an? Was fiel ihm auf? Was jagt ihn? Doja.

Laßt nur, laßt. Ich denk', es ist Kein schlimmes Zeichen. Uecha. Zeichen? und wovon? Doja.

Daß etwas vorgeht innerhalb. Es kocht, Und soll nicht überkochen. Laßt ihn nur. Nun ists an Euch. Uccha.

Was ist an mir? Du wirst, Wie er, mir unbegreiflich. Doja.

Bald nun könnt Ihr ihm die Unruh all vergelten, die Er Euch gemacht hat. Seyd nur aber auch Nicht allzustreng, nicht allzu rachbegierig. Rech a.

Wovon du sprichst, das magst du selber wissen. Hajo.

Und seyd denn -Ihr bereits so ruhig wieder? Necha. Das bin ich; ja das bin ich . . . Haja.

Wenigstens Gesteht, daß Ihr Euch seiner Unruh freut; Und seiner Unruh danket, was Ihr itzt Von Ruh' genießt. Necha.

Mir völlig unbewußt! Denn was ich höchstens dir gestehen könnte, Wär', daß es mich — mich selbst befremdet, wie Auf einen solchen Sturm in meinem Herzen So eine Stille plötzlich folgen können.

262 Sein voller Anblick, sein Gespräch, fein Ton ' Hat mich . . . Hajo.

Gesättigt schon? Red) a.

Gesättigt, will Ich nun nicht sagen; nein — bey weitem nicht — Hajo.

Den heissen Hunger nur gestillt. R e d) a. Nun ja; Wenn du so willst. Hajo.

Ich eben nicht. Rech a.

Er wird Mir ewig werth; mir ewig werther, als Mein Leben bleiben: wenn auch schon mein Puls Nicht mehr bey seinem blossen Namen wechselt; Nicht mehr mein Herz, so oft ich an ihn denke, Geschwinder, stärker schlägt. — Was schwatz' ich? Komm, Komm, liebe Daja, wieder an das Fenster, Das auf die Palmen sieht. Hajo.

So ist er doch Wohl noch nicht ganz gestillt, der heisse Hunger. Rechn.

Nun werd ich auch die Palmen wieder sehn: Nicht ihn blos untern Palmen. Raja.

Diese Kälte Beginnt auch wohl ein neues Fieber nur. Rech a.

Was Kält'? Ich bin nicht kalt. Ich sehe wahrlich Nicht minder gern, was ich mit Ruhe sehe. i „sein Thun" in dem zweiten Drucke: in dem ersten fehlen beide Worte.

263

Vierter Auftritt. »Scene- cm Audienzsaal in dem Pallaste des Saladin.)

Da lad in und Tittah.

A a l a d i n.

(Im hereintreten, gegen die Thüre.)

Hier bringt den Juden her, so bald er kömmt. Er scheint sich eben nicht zu übereilen. Aittah.

Er war auch wohl nicht bey der Hand; nicht gleich Zu finden. Aaladiri.

Schwester! Schwester! 5 in ab.

Thust du doch Als stünde dir ein Treffen vor. Aal ad in.

Und das Mit Waffen, die ich nicht gelernt zu führen. Ich soll mich stellen; soll besorgen lassen; Soll Fallen legen; soll auf Glatteiß führen. Wenn hätt' ich das gekonnt? Wo hätt' ich das Gelernt? — Und soll das alles, ah, wozu? Wozu? — Um Geld zu fischen! Geld! -— Um Geld, Geld einem Juden abzubangen? Geld! Zu solchen kleinen Listen wär' ich endlich Gebracht, der Kleinigkeiten kleinste mir Zu schaffen? Aittah.

Jede Kleinigkeit, zu sehr Verschmäht, die rächt sich, Bruder. Aaladin.

Leider wahr. — Und wenn nun dieser Jude gar der gute, Vernünftige Mann ist, wie der Derwisch dir Ihn ehedem beschrieben?

264 Aittah.

O nun dann! Was hat es dann für Noth! Die Schlinge liegt Ja nur dem geizigen, besorglichen, Furchtsamen Juden: nicht dem guten, nicht Dem weisen Manne. Dieser ist ja so Schon unser, ohne Schlinge. Das Vergnügen Zu hören, wie ein solcher Mann sich ausredt; Mit welcher dreisten Stärk' entweder, er Die Stricke kurz zerreißet; oder auch Mit welcher schlauen Vorsicht er die Netze Vorbey sich windet: dieß Vergnügen hast Du obendrein. Aal adin.

Nun, das ist wahr. Ich freue mich darauf.

Gewiß;

Aittah.

So kann dich ja Auch weiter nichts verlegen machen. Denn Isis einer aus der Menge blos; ists blos Ein Jude, wie ein Jude: gegen den Wirst du dich doch nicht schämen, so zu scheinen Wie er die Menschen all sich denkt? Vielmehr; Wer sich ihm besser zeigt, der zeigt sich ihm Als Geck, als Narr. A a l a d i n.

So muß ich ja wohl gar Schlecht handeln, daß von mir der Schlechte nicht Schlecht denke? Aittah.

Traun! wenn du schlecht handeln nennst, Ein jedes Ding nach seiner Art zu brauchen. Aa lad in.

Was hätt' ein Weiberkopf erdacht, das er Nicht zu beschönen wüßte! Aittah.

Zu beschönen!

265 Saladin.

Das feine, spitze Ding, besorg ich nur, In meiner plumpen Hand zerbricht! — So was Will ausgeführt seyn, wies erfunden ist: Mit aller Pfiffigkeit, Gewandtheit. — Doch, Mags doch nur, mags! Ich tanze, wie ich kann; Und könnt' es freylich, lieber — schlechter noch Als besser. Sittah.

Trau dir auch nur nicht zu wenig! Ich stehe dir für dich! Wenn du nur willst. — Daß uns die Männer deines gleichen doch So gern bereden möchten, nur ihr Schwert, Ihr Schwert nur habe sie so weit gebracht. Der Löwe schämt sich freylich, wenn er mit Dem Fuchse jagt: — des Fuchses, nicht der List. Saladin.

Und daß die Weiber doch so gern den Mann Zu sich herunter hätten! — Geh nur, geh! — Ich glaube meine Lection zu können. Sittah.

Was? ich soll gehn? Sa lad in.

Du wolltest doch nicht bleiben? Sittah.

Wenn auch nicht bleiben ... im Gesicht euch bleiben — Doch hier im Nebenzimmer — Saladin.

Da zu horchen? Auch das nicht, Schwester; wenn ich soll bestehn. — Fort, fort! der Vorhang rauscht; er kömmt! — doch daß Du ja nicht da verweilst! Ich sehe nach. (Indem sie sich durch die eine Thüre entfernt, tritt Nathan zu der andern herein; und Sala­ din hat sich gesetzt.)

266

Fünfter Auftritt. Saladin und Nathan.

S st l o T> i n.

Xxitt näher, Jude! —- Näher! — Nur ganz her! — Nur ohne Furcht! Nathan. Die bleibe deinem Feinde! Aaladin.

Du nennst dich Nathan? Nathan.

Ja. Aaladin.

Den weisen Nathan? Nathan. Nein. Aaladin.

Wohl! nennst du dich nicht; nennt dich das Volk. Nathan.

Kann seyn; das Volk! Aaladin.

Du glaubst doch nicht, daß ich Verächtlich von des Volkes Stimme denke? — Ich habe längst gewünscht, den Mann zu kennen, Den es den Weisen nennt. Nathan.

Und wenn es ihn Zum Spott so nennte? Wenn dem Volke weise Nichts weiter wär' als klug? und klug nur der, Der sich auf seinen Vortheil gut versteht? Aaladin.

Auf seinen wahren Vortheil, meynst du doch? Nathan.

Dann freylich wär' der Eigennützigste Der Klügste. Dann wär' freylich klug und weise Nur eins.

267 Sa lad in.

Ich höre dich erweisen, was Du widersprechen willst. — Des Menschen wahre Vortheile, die das Volk nicht kennt, kennst du. Hast du zu kennen wenigstens gesucht; Hast drüber nachgedacht: das auch allein Macht schon den Weisen. Nathan.

Der sich jeder dünkt Zu seyn. Sa lad in.

Nun der Bescheidenheit genug! Denn sie nur immerdar zu hören, wo Man trockene Vernunft erwartet, eckelt. Laß uns zur Sache kommen! Aber, aber Aufrichtig, Iud', aufrichtig!

springt auf)

Nathan.

Sultan, ich Will sicherlich dich so bedienen, daß Ich deiner fernern Kundschaft würdig bleibe. S a l a d i n.

Bedienen? wie? Nathan.

Du sollst das Beste haben Von allem; sollst es um den billigsten Preis haben. Sa lad in.

Wovon sprichst du? doch wohl nicht Von deinen Waaren? — Schachern wird mit dir Schon meine Schwester. (Das der Horcherinn!) —Ich habe mit dem Kaufmann nichts zu thun. Nathan So wirst du ohne Zweifel wissen wollen, Was ich auf meinem Wege von dem Feinde, Der allerdings sich wieder reget, etwa Bemerkt, getroffen? —- Wenn ich unverhohlen . . .

268 Aaladin. Auch darauf bin ich eben nicht mit dir Gesteuert.

Davon weiß ich schon, so viel

Ich nöthig habe. — Kurz; —

Nathan. Gebiethe, Sultan. L'atadin. Ich heische deinen Unterricht in ganz Was anderm; ganz was anderm. -— Da du nun So weise bist: so sage mir doch einmal — Was für ein Glaube, was für ein Gesetz Hat dir am meisten eingeleuchtet? Nathan.

Sultan, Ich bin ein 3W.

Satadin. Und ich ein Muselmann. Der Christ ist zwischen uns. — Von diesen drey Religionen kann doch eine nur Die wahre seyn. — Ein Mann, wie du, bleibt da Nicht stehen, wo der Zufall der Geburth Ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt, Bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern. Wohlan! so theile deine Einsicht mir Dann mit.

Laß mich die Gründe hören, denen

Ich selber nachzugrübeln, nicht die Zeit Gehabt.

Laß mich die Wahl, die diese Gründe

Bestimmt, — versteht sich, im Vertrauen — wissen. Damit ich sie zu meiner mache. — Wie? Du stutzest? wägst mich mit dem Auge? — Kann Wohl seyn, daß ich der erste Sultan bin, Der eine solche Grille hat; die mich Doch eines Sultans eben nicht so ganz Unwürdig dünkt. — Nicht wahr? So rede doch! Sprich! — Oder willst du einen Augenblick, Dich zu bedenken? Gut; ich geb' ihn dir. —

269 (Ob sie Wohl horcht? Ich will sie doch belauschen; Will hören, ob ichs recht gemacht. — Denk nach! Geschwind denk nach! Ich säume nicht, zurück Zu kommen. (Er geht in das Nebenzimmer, nach welchem sich Sittah begeben.)

Sechster Auftritt. Nathan allein.

Hm! hm! — wunderlich! — Wie ist Mir denn? — Was will der Sultan? was? — Ich bin Auf Geld gefaßt; und er will — Wahrheit. Wahrheit! Und will sie so, — so baar, so blank, — als ob Tie Wahrheit Münze wäre! — Ja, wenn noch Uralte Münze, die gewogen ward! — Das ginge noch! Allein so neue Münze, Die nur der Stempel macht, die man aufs Bret Nur zählen darf, das ist sie doch nun nicht! Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude? Ich oder er? — Doch wie? Sollt' er auch wohl Die Wahrheit nicht in Wahrheit fodern? — Zwar, Zwar der Verdacht, daß er die Wahrheit nur Als Falle brauche, wär' auch gar zu klein! — Zu klein? — Was ist für einen Grossen denn Zu klein? Gewiß, gewiß: er stürzte mit Der Thüre so ins Haus! Man pocht doch, hört Doch erst, wenn man als Freund sich naht. — Ich muß Behutsam gehn! — und wie? wie das? — So ganz Stockjude seyn zu wollen, geht schon nicht. — Und ganz und gar nicht Jude, geht noch minder. Denn, wenn kein Jude, dürft er mich nur fragen, Warum kein Muselmann? — Das wars! Das kann Mich retten! — Nicht die Kinder blos, speist man Mit Mährchen ab. — Er kömmt. Er komme nur!

270 Siebender Austritt. Galadin und Nathan.

Jaladin.

(So ist das Feld hier rein!) — Ich komm' dir doch Nicht zu geschwind zurück? Du bist zu Rande Mit deiner Ueberlegung. — Nun so rede! Es hört uns keine Seele. Nathan.

Möcht auch doch Die ganze Welt uns hören. Saladin.

So gewiß Ist Nathan seiner Sache? Ha! das nenn' Ich einen Weisen! Nie die Wahrheit zu Verhehlen! für sie alles auf das Spiel Zu setzen! Leib und Leben! Gut und Blut! Nathan.

Ja! ja! wanns nöthig ist und nutzt. Saladin.

Bon nun An darf ich hoffen, einen meiner Titel, Verbesserer der Welt und des Gesetzes, Mit Recht zu führen. Nathan.

Traun, ein schöner Titel! Doch, Sultan, eh ich mich dir ganz vertraue, Erlaubst du wohl, dir ein Geschichtchen zu Erzählen? Saladin.

Warum das nicht? Ich bin stets Ein Freund gewesen von Geschichtchen, gut Erzählt. Nathan.

Ja, gut erzählen, das ist nun Wohl eben meine Sache nicht.

271 Sala-in.

Schon wieder So stolz bescheiden? — Mach! erzähl', erzähle! Nathan.

Vor grauen Jahren lebt' ein Mann in Osten, Der einen Ring von unschätzbarem Werth' Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein Opal, der hundert schöne Farben spielte, Und hatte die geheime Kraft, vor Gott Und Menschen angenehm zu machen, wer In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, Daß ihn der Mann in Osten darum nie Vom Finger ließ; und die Verfügung traf, Auf ewig ihn bey seinem Hause zu Erhalten? Nehmlich so. Er ließ den Ring Von seinen Söhnen dem Geliebtesten; Und setzte fest, daß dieser wiederum Den Ring von seinen Söhnen dem vermache, Der ihm der liebste sey; und stets der Liebste, Ohn' Ansehn der Geburt, in Kraft allein Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. Versteh mich, Sultan. Aaladin.

Ich versteh dich. Weiter! Nathan.

So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, Auf einen Vater endlich von drey Söhnen; Die alle drey ihm gleich gehorsam waren, Die alle drey er folglich gleich zu lieben Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald Der dritte, — so wie jeder sich mit ihm Allein befand, und sein ergieffend Herz Die andern zwey nicht theilten, — würdiger Des Ringes; den er denn auch einem jeden Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen.

272 Das ging nun so, so lang es ging. — Allein Es kam zum Sterben, und der gute Vater Kömmt in Verlegenheit.

Es 'schmerzt ihn, zwey

Bon seinen Söhnen, die sich auf sein Wort Verlassen, so zu kränken. — Was zu thun? — Er sendet in geheim zu einem Künstler, Bey dem er, nach dem Muster seines Ringes, Zwey andere bestellt, und weder Kosten Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, Vollkommen gleich zu machen. Dem Künstler.

Das gelingt

Da er ihm die Ringe bringt.

Kann selbst der Vater seinen Musterring Nicht unterscheiden.

Froh und freudig ruft

Er seine Söhne, jeden ins besondre; Giebt jedem ins besondre seinen Seegen, — Und seinen Ring, — und stirbt. — Du hörst doch, Sultan?

Sfll Oll in.

(der sich betroffen von ihm gewandt)

Ich hör, ich höre! — Komm mit deinem Mährchen Nur bald zu Ende. — Wirds?

Nathan. Ich bin zu Ende. Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. — Kaum war der Vater todt, so kömmt ein jeder Mit seinem Ring', und jeder will der Fürst Des Hauses seyn. Man klagt.

Man untersucht, man zankt,

Umsonst; der rechte Ring war nicht

Erweislich; — (nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort erwartet)

Fast so unerweislich, als Uns itzt — der rechte Glaube.

Aatadin. Wie? das soll Die Antwort seyn auf meine Frage? . .

Nathan. Soll Mich blos entschuldigen, wenn ich die Ringe, Mir nicht getrau zu unterscheiden, die

273 Der Vater in der Absicht machen ließ, Damit sie nicht zu unterscheiden wären. Aatadin. Die Ringe! — Spiele nicht mit mir! — Ich dächte, Daß die Religionen, die ich dir Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären. Bis auf die Kleidung; bis auf Speis und Trank! Nathan. Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. — Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? Geschrieben oder überliefert! — Und Geschichte muß doch wohl allein auf Treu Und Glauben angenommen werden? — Nicht? — Nun wessen Treu und Glauben zieht man denn Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Doch deren Blut wir sind? doch deren, die Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo Getäuscht zu werden uns heilsamer war? — Wie kann ich meinen Vätern weniger, Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. — Kann ich von dir verlangen, daß du deine Vorfahren Lügen strafst, imt meinen nicht Zu widersprechen? Oder umgekehrt. Das nehmliche gilt von den Christen. Nicht? — Saladirr. (Bey dem Lebendigen! Der Mann hat Recht. Ich muß verstummen.) Nathan. Laß auf unsre Ring' Uns wieder kommen. Wie gesagt: die Söhne Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, Unmittelbar aus seines Vaters Hand Den Ring zu haben. —- Wie auch wahr! — Nachdem Er von ihm lange das Versprechen schon Gehabt, des Ringes Vorrecht'einmal zu Lessing, sammt!. Werke. II.

274 Gemessen. — Wie nicht minder wahr! — Der Vater, Betheuerte jeder, könne gegen ihn Nicht falsch gewesen seyn; und eh' er dieses Von ihm, von einem solchen lieben Vater, Argwohnen laß': eh' müß' er seine Brüder, So gern er sonst von ihnen nur das Beste Bereit zu glauben sey, des falschen Spiels Bezeihen; und er wolle die Verräther Schon auszufinden wissen; sich schon rächen. Salavin.

Und nun, der Richter? — Mich verlangt zu hören, Was du den Richter sagen kästest. Sprich! Nathan.

Der Richter sprach: wenn ihr mir nun den Vater Nicht bald zur Stelle schafft, so weis' ich euch Von meinem Stuhle. Denkt ihr, daß ich Räthsel Zu lösen da bin? Oder harret ihr, Bis daß der rechte Ring den Mund eröffne? — Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; Vor Gott und Menschen angenehm. Das muß Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden Doch das nicht können! — Nun ; wen lieben zwey Von euch am meisten? — Macht, sagt an! Ihr schweigt? Die Ringe wirken nur zurück? und nicht Nach auffen? Jeder liebt sich selber nur Am meisten? — O so seyd ihr alle drey Betrogene Betrieger! Eure Ringe Sind alle drey nicht echt. Der echte Ring Vermuthlich ging verloren. Den Verlust Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater Die drey für einen machen. Aaladirr.

Herrlich! herrlich! Nathan.

Und also; fuhr der Richter fort, wenn ihr

275 Nicht meinen Rath, statt meines Spruches, wollt: Geht nur! — Mein Rath ist aber der: ihr nehmt Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. — Möglich; daß der Vater nun Die Tyranney des Einen Rings nicht länger In seinem Hause dulden wollen! — Und gewiß; Daß er euch alle drey geliebt, und gleich Geliebt: indem er zwey nicht drücken mögen, Um einen zu begünstigen. — Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen Von Vorurtheilen freyen Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmuth, Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohlthun, Mit innigster Ergebenheit in Gott, Zu Hüls'! Und wenn sich dann der Steine Kräfte Bey euern Kindes-Kindeskindern äuffern: So lad' ich über tausend tausend Jahre, Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen, Als ich; und sprechen. Geht! — So sagte der Bescheidne Richter. Aaladin. Gott! Gott! Nathan. Saladin, Wenn du dich fühlest, dieser weisere Bersprochne Mann zu seyn . . . Aaladin. (der auf ihn zustürzt, und seine Hand ergreift, die er

bis zu Ende nicht mietet

fahren läßt.)

Ich Staub? Ich Nichts?

O Gott!

Nathan.

Was ist dir, Sultan?

Saladin. Nathan, lieber Nathan! — Die tausend tausend Jahre deines Richters Sind noch nicht um. — Sein Richterstuhl ist nicht Der meine. — Geh! ■— Geh! — Aber sey mein Freund. Nathan. Und weiter hätte Saladin mir nichts Zu sagen? Saladin. Nichts. Nathan. Nichts? Saladin. Gar nichts. — Und warum? Nathan. Ich hätte noch Gelegenheit gewünscht, Dir eine Bitte vorzutragen. Saladin. Brauchts Gelegenheit zu einer Bitte? — Rede! Nathan. Ich komm von einer weiten Reis', auf welcher Ich Schulden eingetrieben. —- Fast hab' ich Des baaren Gelds zu viel. — Die Zeit beginnt Bedenklich wiederum zu werden; — und Ich weiß nicht recht, wo sicher damit hin. — Da dacht ich, ob nicht du vielleicht, — weil doch Ein naher Krieg des Geldes immer mehr Erfordert, — etwas brauchen könntest. Saladin. (ihm steif in die Augen sehend.) Nathan! — Ich will nicht fragen, ob Al-Hasi schon Bey dir gewesen; — will nicht untersuchen, Ob dich nicht sonst ein Argwohn treibt, mir dieses Erbieten freyer Dings zu thun . . . Nathan. Ein Argwohn?

277 Satadin. Ich bin ihn werth. — Verzeih mir! — denn was Hilsts? Ich muß dir nur gestehen, — daß ich im Begriffe war —

Nathan. Doch nicht, das Nehmliche An mich zu suchen?

Satadin. Allerdings.

Nathan. So toät:' Uns beyden ja geholffen! — Daß ich aber Dir alle meine Baarschaft nicht kann schicken, Das macht der junge Tempelherr. Ihn ja.

Du kennst

Ihm hab' ich eine große Post

Vorher noch zu bezahlen.

Aatadin. Tempelherr? Du wirst doch meine schlimmsten Feinde nicht Mit deinem Geld' auch unterstützen wollen?

Nathan. Ich spreche von dem einen nur, dem du Das Leben spartest . . .

Jatadin. Ah! woran erinnerst Du mich! — Hab' ich doch diesen Jüngling ganz Vergessen! — Kennst du ihn? — Wo ist er?

Nathan. Wie? So weißt du nicht, wie viel von deiner Gnade Für ihn, durch ihn auf mich geflossen? Er, Er mit Gefahr des neu erhaltnen Lebens, Hat meine Tochter aus dem Feu'r gerettet.

Saladin. Er? Hat er das? — Ha! darnach sah er aus. Das hätte traun 1 mein Bruder auch gethan, t „Das hätte sicherlich" in dem ersten Drucke

278 Dem er so ähnelt! — Ist er denn noch hier? So bring ihn her! — Ich habe meiner Schwester Von diesem ihren Bruder, den sie nicht Gekannt, so viel erzählet, daß ich sie Sein Ebenbild doch auch muß sehen lassen! — Geh, hohl ihn! — Wie aus Einer guten That, Gebahr sie auch schon blosse Leidenschaft, Doch so viel andre gute Thaten flieffen! Geh, hohl ihn! Nathan,

(indem er Saladin- Hand fahren läßt.)

Augenblicks! Und bey dem andern Bleibt es doch auch? (ab.) Saladin.

Ah! daß ich meine Schwester Nicht horchen lassen! — Zu ihr! zu ihr! — Denn Wie soll ich alles das ihr nun erzählen? (ab von der andern Seite.)

Siebenter Auftritt. (Die Scene: unter den Palmen, in der Nähe des Klosters, wo der Tempelherr Nathanwärtet.)

Tempelherr. (Geht, mit stch selbst kämpfend, auf und ab; bi- er losbricht.)

— Hier hält das Opferthier ermüdet still. — Nun gut! Ich mag nicht, mag nicht näher wissen, Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern; Was vorgehn wird. — Genug, ich bin umsonst Gestöhn! umsonst. — Und weiter konnt' ich doch Auch nichts, als fliehn! — Nun komm', waS kommen soll! — Ihm auszubeugen, war der Stteich zu schnell Gefallen; unter den zu kommen, ich So lang und viel mich weigerte. — Sie sehn. Die ich zu sehn so wenig lüstern war, — Sie sehn, und der Entschluß, sie wieder aus Den Augen nie zu taffen — Was Entschluß? Entschluß ist Vorsatz, That: und ich, ich litt'.

279 Ich litte blos. — Sie sehn, und das Gefühl, An sie verstrickt, in sie verwebt zu seyn, War eins. — Bleibt eins. — Bon ihr getrennt Zu leben, ist mir ganz undenkbar; wär' Mein Tod, — und wo wir immer nach dem Tode Noch sind, auch da mein Tod. — Ist das nun Liebe: So — liebt der Tempelritter freylich, — liebt Der Christ das Iudenmädchen freylich. — Hm! Was thuts? — Ich hab' in dem gelobten Lande, — Und drum auch mir gelobt auf immerdar! — Der Vorurtheile mehr schon abgelegt. — Was will mein Orden auch? Ich Tempelherr Bin tobt; war von dem Augenblick' ihm todt, Der mich zu Saladins Gefangnen machte. Der Kopf, den Saladin mir schenkte, wär' Mein alter? — Ist ein neuer; der von allem Nichts weiß, was jenem eingeplaudert ward, Was jenen band. — Und ist ein bessrer; für Den väterlichen Himmel mehr gemacht. Das spür' ich ja.

Denn erst mit ihm beginn'

Ich so zu denken, wie mein Vater hier Gedacht muß haben; wenn man Mährchen nicht Bon ihm mir vorgelogen. — Mährchen? — doch Ganz glaubliche; die glaublicher mir nie. Als itzt geschienen, da ich nur Gefahr Zu straucheln lauffe, wo er fiel. — Er fiel? Ich will mit Männern lieber fallen, als Mit Kindern stehn. — Sein Beyspiel bürget mir Für seinen Beyfall.

Und an wessen Beyfall

Liegt mir denn sonst? — An Nathans? — O an dessen Ermunttung mehr, als Beyfall, kann es mir Noch weniger gebrechen. — Welch ein Jude! —■ Und der so ganz nur Jude scheinen will! Da kömmt er; kömmt mit Hast; glüht heitre Freude. Wer kam vom Saladin je anders? He! He, Nathan!

280 Achter Auftritt. Nathan und der Tempelherr.

Nathan. Wie? seyd Jhrs? Tempelherr. Ihr habt Sehr lang' Euch bey dem Sultan aufgehalten. Nathan. So lange nun wohl nicht. Ich ward im hingehn Zu viel verweilt. — Ah, wahrlich Curd; der Mann Steht seinen Ruhm. Sein Ruhm ist blos sein Schatten. — Doch laßt vor allen Dingen Euch geschwind Nur sagen . . . Tempelherr. Was? Nathan. Er will Euch sprechen; will, Daß ungesäumt Ihr zu ihm kommt. Begleitet Mich nur nach Hause, wo ich noch für ihn Erst etwas anders zu verfügen habe: Und dann, so gehn wir. Tempelherr. Nathan, Euer Haus Betret' ich wieder eher nicht . . . Nathan. So seyd Ihr doch indeß schon da gewesen? habt Indeß sie doch gesprochen? — Nun? — Sagt: wie Gefällt Euch Recha? Tempelherr. Ueber allen Ausdruck! Allein, — sie Wiedersehn — das werd ich nie! Nie! nie! — Ihr müßtet mir zur Stelle denn Versprechen: — daß ich sie auf immer, immer — Soll können sehn.

281 Nathan. Wie wollt Ihr, daß ich das Versteh'? Tempelherr. (nach einet Pause ihm plötzlich um den Hals fallende

Mein Vater! Nathan. — Junger Mann! Tempelherr, (ihn eben so plötzlich wieder lassend.) Nicht Sohn? — Ich bitt' Euch, Nathan! — Nathan. Lieber junger Mann! Tempelherr. Nicht Sohn? — Ich bitt Euch, Nathan! — Ich beschwör' Euch bey den ersten Banden der Natur! — Zieht ihnen spätre Fesseln doch nicht vor! — Begnügt Euch doch ein Mensch zu seyn! — Stoßt mich Nicht von Euch! Nathan. Lieber, lieber Freund! . . . Tempelherr. Und Sohn? Sohn nicht? — Auch dann nicht, dann nicht einmal, wenn Erkenntlichkeit zum Herzen Eurer Tochter Der Liebe schon den Weg gebahnet hätte? Auch dann nicht einmal, wenn in eins zu schmelzen Auf Euern Wink nur beyde warteten? — Ähr schweigt? Nathan. Ihr überrascht mich, junger Ritter. Tempelherr. Ich überrasch' Euch? — überrasch' Euch, Nathan, Mit Euern eigenen Gedanken? — Ihr Verkennt sie doch in meinem Munde nicht? Ich überrasch' Euch?

282 Nathan. Eh ich einmal weiß, Was für ein Staufen Euer Vater denn Gewesen ist!

Tempelherr. Was sagt Ihr, Nathan? was? — In diesem Augenblicke fühlt Ihr nichts, Als Neubegier?

Nathan. Denn seht! Ich habe selbst Wohl einen Staufen ehedem gekannt, Der Conrad hieß.

Tempelherr. Nun — wenn mein Vater denn Nun eben so geheissen hätte?

Nathan. Wahrlich?

Tempelherr. Ich heisse selber ja nach meinem Vater: Curd Ist Conrad.

Nathan. Nun — so war mein Conrad doch Nicht Euer Vater.

Denn mein Conrad war,

Was Ihr; war Tempelherr; war nie vermählt.

Tempelherr. O darum!

Nathan. Wie?

Tempelherr. O darum könnt' er doch Mein Vater wohl gewesen seyn.

Nathan. Ihr scherzt.

Tempelherr. Und Ihr nehmts wahrlich zu genau! — Was wärs Denn nun? So was von Bastard oder Bankert!

283 Der Schlag ist auch nicht zu verachten. — Doch Entlaßt mich immer meiner Ahnenprobe. Ich will Euch Eurer wiederum entlasten. Nicht zwar, als ob ich den geringsten Zweifel In Euern Stammbaum setzte. Gott behüte! Ihr könnt ihn Blatt für Blatt bis Abraham Hinauf belegen. Und von da so weiter, Weis ich ihn selbst; will ich ihn selbst beschwören. Nathan. Ihr werdet bitter. — Doch verdien' ichs? — Schlug Ich denn Euch schon was ab? — Ich will Euch ja Nur bey dem Worte nicht den Augenblick So fasten. — Weiter nichts. Tempelherr. Gewiß? — Nichts weiter? O so vergebt! . . . Nathan. Nun kommt nur, kommt! Tempelherr. Wohin? Nein! — Mit in Euer Haus? — Das nicht! das nicht! — Da brennts! — Ich will Euch hier erwarten. Geht! — Soll ich sie Wiedersehn: so seh ich sie Noch oft genug. Wo nicht: so sah ich sie Schon viel zu viel . . . Nathan. Ich will mich möglichst eilen.

Neunter Auftritt. Der Tempelherr und bald darauf Daja.

Tempelherr. Schon mehr als gnug! — Des Menschen Hirn faßt so Unendlich viel; und ist doch manchmal auch So plötzlich voll! von einer Kleinigkeit So plötzlich voll! — Taugt nichts, taugt nichts; es sey

284

Auch voll wovon es will. — Doch nur Geduld! Die Seele wirkt den aufgedunsnen Stoff Bald in einander, schafft sich Raum, und Licht Und Ordnung kommen wieder. — Lieb' ich denn Zum erstenmale? — Oder war, waS ich Als Liebe kenne, Liebe nicht? — Ist Liebe Nur was ich itzt empfinde? . . . 3D st j st. (die sich von der Seite herbeygeschlichen)

Ritter! Ritter! Tempelherr. Wer ruft? — Ha, Daja, Ihr? Bst jo.

Ich habe mich Bey ihm vorbey geschlichen. Aber noch Könnt' er uns sehn, wo Ihr da steht. — Drum kommt Doch näher zu mir, hinter diesen Baum. Tempelherr. Was giebts denn? — So geheimnißvoll? — Was ists? IH st j st.

Ja wohl betriff es ein Geheimniß, was Mich zu Euch bringt; und zwar ein doppeltes. Das eine weiß nur ich; das andre wißt Nur Ihr. — Wie wär es, wenn wir lauschten? Vertraut mir Euers: so vertrau' ich Euch Das Meine. Tempelherr. Mit Vergnügen. — Wenn ich nur Erst weiß, was Ihr für Meines achtet. Doch Das wird aus Euerm wohl erhellen. — Fangt Nur immer an. Daja. Ey denkt doch! — Nein, Herr Ritter: Erst Ihr; ich folge. — Denn versichert, mein Geheimniß kann Euch gar nichts nutzen, wenn Ich nicht zuvor das Eure habe. — Nur Geschwind! — Denn frag' ichs Euch erst ab: so habt

285 Ihr nichts vertrauet.

Mein Geheimniß dann

Bleibt mein Geheimniß; und das Eure seyd Ihr los. — Doch, armer Ritter! — Daß ihr Männer Ein solch Geheimniß vor uns Weibern haben Zu können, auch nur glaubt!

Tempelherr. Das wir zu haben Oft selbst nicht wissen.

Hajo. Kann wohl seyn.

Drum muß

Ich freylich erst. Euch selbst damit bekannt Zu machen, schon die Freundschaft haben. — Sagt: Was hieß denn das, daß Ihr so Knall und Fall Euch aus dem Staube machtet? daß Ihr uns So sitzen ließet? — daß Ihr nun mit Nathan Nicht wiederkommt? — Hat Recha denn so wenig Auf Euch gewirkt? wie? oder auch, so viel? — So viel! so viel! — Lehrt Ihr des armen Vogels, Der an der Ruthe klebt, Geflattre mich Doch kennen! — Kurz: gesteht es mir nur gleich, Daß Ihr sie liebt, liebt bis zum Unsinn; und Ich sag' Euch was . . .

Tempelherr. Zum Unsinn?

Wahrlich; Ihr

Versteht Euch trefflich drauf.

Bajo. Nun gebt mir nur Die Liebe zu; den Unsinn will ich Euch Erlassen.

Tempelherr. Weil er sich von selbst versteht? — Ein Tempelherr ein Judenmädchen lieben! . . .

Baj a. Scheint freylich wenig Sinn zu haben. — Doch Zuweilen ist des Sinns in einer Sache Auch mehr, als wir vermuthen; und es wäre

286 So unerhört doch nicht, daß uns der Heyland Auf Wegen zu sich zöge, die der Kluge Bon selbst nicht leicht betreten würde. Tempelherr. Das So feyerlich? — (Und setz' ich statt deS Heylands Die Vorsicht: hat sie denn nicht Recht?) Ihr macht Mich neubegieriger, als ich wohl sonst Zu seyn gewohnt bin. Doja. O! das ist das Land Der Wunder! Tempelherr. (Nun! — des Wunderbaren. Kann Es auch wohl anders seyn? Die ganze Welt Drängt sich ja hier zusammen.) — Liebe Daja, Nehmt für gestanden an, was ihr verlangt: Daß ich sie liebe; daß ich nicht begreife, Wie ohne sie ich leben werde; daß . . . Daja.

Gewiß? gewiß? — So schwört mir, Ritter, sie Zur Eurigen zu machen; sie zu retten; Sie zeitlich hier, sie ewig dort zu retten. Tempelherr. Und wie? — Wie kann ich? — Kann ich schwören, was In meiner Macht nicht steht? Daja.

In Eurer Macht Steht es. Ich bring' eS durch ein einzig Wort In Eure Macht. Tempelherr. Daß selbst der Vater nichts Dawieder hätte? Daja.

Ey, waS Vater! Vater! Der Vater soll schon müssen.

287 Tempelherr. Müssen, Daja? — Noch ist er unter Räuber nicht gefallen. — Er muß nicht müssen. Daja.

Nun, so muß er wollen; Muß gern am Ende wollen. Tempelherr. Muß und gern! — Doch, Daja, wenn ich Euch nun sage, daß Ich selber diese Sait' ihm anzuschlagen Bereits versucht? Daja.

Was? und er fiel nicht ein? Tempelherr. Er fiel mit einem Mißlaut ein, der mich — Beleidigte. Daja.

Was sagt Ihr? — Wie? Ihr hättet Den Schatten eines Wunsches nur nach Recha Ihm blicken lassen: und er wär' vor Freuden Nicht aufgesprungen? hätte frostig sich Zurückgezogen? hätte Schwierigkeiten Gemacht? Tempelherr. So ungefähr. Daja.

So will ich denn Mich länger keinen Augenblick bedenken — Tempelherr. Und Ihr bedenkt Euch doch?

(Pause.)

D aj a.

Der Mann ist sonst So gut! — Ich selber bin so viel ihm schuldig! — Daß er doch gar nicht hören will! — Gott weiß, Das Herze blutet mir, ihn so zu zwingen.

288 Tempelherr. Ich bitt' Euch, Daja, setzt mich kurz und gut Aus dieser Ungewißheit. Seyd Ihr aber Noch selber ungewiß; ob, was Ihr vorhabt, Gut oder Böse, Schändlich oder Löblich Zu nennen: — schweigt! Ich will vergessen, daß Ihr etwas zu verschweigen habt. Hajo.

Das spornt Anstatt zu halten. Nun; so wißt denn: Recha Ist keine Jüdinn; ist — ist eine Christinn. Tempelherr. ikalt) So? Wünsch' Euch Glück! Hals schwer gehalten? Laßt Euch nicht die Wehen schrecken! — Fahret ja Mit Eifer fort, den Himmel zu bevölkern; Wenn Ihr die Erde nicht mehr könnt! B aj a. Wie, Ritter? Verdienet meine Nachricht diesen Spott? Daß Recha eine Christinn ist: das freuet Euch, einen Christen, einen Tempelherrn, Der Ihr sie liebt, nicht mehr? Tempelherr. Besonders, da Sie eine Christinn ist von Eurer Mache. Bajö.

Ah! so versteht Ihrs? So mags gellen! — Nein! Den will ich sehn, der die bekehren soll! Ihr Glück ist, längst zu sehn, was sie zu werden Verdorben ist. Tempelherr. Erklärt Euch, oder —* geht! Doja.

Sie ist ein Christenkind; von Christenältern Gebohren; ist getauft . . f

289 Tempelherr, (hafttg.) Und Nathan? Sojo.

Nicht Ihr Vater! Tempelherr. Nathan nicht ihr Vater? — Wißt Ihr, was Ihr sagt? Daja.

Die Wahrheit, die so oft Mich blutge Thränen weinen machen. — Nein, Er ist ihr Vater nicht . . . Tempelherr. Und hätte sie, Als seine Tochter nur erzogen? hätte Das Christenkind als eine Jüdinn sich Erzogen? Soja.

Ganz gewiß. Tempelherr. Sie wüßte nicht, Was sie gebohren sey? — Sie hätt' es nie Von ihm erfahren, daß sie eine Christinn Gebohren sey, und keine Jüdinn? So jo. Nie! Tempelherr. Er hätt' in diesem Wahne nicht das Kind Blos auferzogen? ließ daö Mädchen noch In diesem Wahne?

Soja. Leider! Tempelherr. Nathan — Wie? — Der weise gute Nathan hätte sich Erlaubt, die Stimme der Natur so zu Verfälschen? — Die Ergiessung eines Herzens Lessing, ffimmtl. Werke. II.

290 So zu verlenken, die, sich selbst gelassen, Ganz andre Wege nehmen würde? — Daja, Ihr habt mir allerdings etwas vertraut — Von Wichtigkeit, — was Folgen haben kann, — Was mich verwirrt, — worauf ich gleich nicht weiß, Was mir zu thun. — Drum laßt mir Zeit. — Drum geht! Er kömmt hier wiederum vorbey. Er möcht' Uns überfallen. Geht! jDoja.

Ich wär' des Todes! Tempelherr.

Ich bin ihn itzt zu sprechen ganz und gar Nicht fähig. Wenn Ihr ihm begegnet, sagt Ihm nur, daß wir einander bey dem Sultan Schon finden würden. Hajo.

Aber laßt Euch ja Nichts merken gegen ihn. — Das soll nur so Den letzten Druck dem Dinge geben; soll Euch, Rechas wegen, alle Skrupel nur Benehmen! — Wenn Ihr aber dann, sie nach Europa führt: so laßt Ihr doch mich nicht Zurück? Tempelherr.

Das wird sich finden. Geht nur, geht!

Vierter Aufzug. Erster Auftritt. Scene: in den Kreuzgängen des Klosters. Der Klosterbruder und bald darauf der Tempelherr.

Klosterbruder.

Ja, ja! er hat schon Recht, der Patriarch! Es hat mir freylich noch von alle dem

291 Nicht viel gelingen wollen, was er mir So aufgetragen. — Warum trägt er mir Auch lauter solche Sachen auf? — Ich mag Nicht fein seyn; mag nicht überreden; mag Mein Näschen nicht in alles stecken; mag Mein Händchen nicht in allem haben. — Bin Ich darum aus der Welt geschieden, ich Für mich; um mich für andre mit der Welt Noch erst recht zu verwickeln? Tempelherr,

(mit Hast auf ihn zukommend.)

Guter Bruder! Da seyd Ihr ja.

Ich hab' Euch lange schon

Gesucht. Klosterbruder. Mich, Herr? Temp elherr. Ihr kennt mich schon nicht mehr? Klosterbruder. Doch, doch! Ich glaubte nur, daß ich den Herrn In meinem Leben wieder nie zu sehn Bekommen würde.

Denn ich host' es zu

Dem lieben Gott. — Der liebe Gott, der weiß Wie ferner mir der Antrag ward, den ich Dem Herrn zu thun verbunden war.

Er weiß,

Ob ich gewünscht, ein offnes Ohr bey Euch Zu finden; weiß, wie sehr ich mich gefreut, Im Innersten gefreut, daß Ihr so rund Das alles, ohne viel Bedenken, von Euch wiest, was einem Ritter nicht geziemt. — Nun kommt Ihr doch; nun hals doch nachgewirkt! Tempelherr. Ihr wißt es schon, warum ich komme?

Kaum

Weiß ich es selbst. Klosterbruder. Ihr habts nun überlegt; Habt nun gefunden, daß der Patriarch

292 So Unrecht doch nicht hat; daß Ehr' und Geld Durch seinen Anschlag zu gewinnen; daß Ein Feind ein Feind ist, wenn er unser Engel Auch siebenmal gewesen wäre.

Das,

Das habt Ihr nun mit Fleisch und Blut erwogen, Und kommt, und tragt Euch wieder an. — Ach Gott! Tempelherr. Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrieden. Deswegen komm' ich nicht; deswegen will Ich nicht den Patriarchen sprechen.

Noch,

Noch denk' ich über jenen Punkt, wie ich Gedacht, und wollt' um alles in der Welt Die gute Meynung nicht verlieren, deren Mich ein so grader, frommer Mann Einmal gewürdiget. — Ich komme blos, Den Patriarchen über eine Sache Um Rath zu fragen . . . Klosterbruder. Ihr den Patriarchen? Ein Ritter, einen — Pfaffen?

mch schüchtern umsehend.)

Tempelherr. Ja; — die Sach'

Ist ziemlich pfäffisch. Klosterbruder. Gleichwohl fragt der Pfaffe Den Ritter nie, die Sache sey auch noch So ritterlich. Tempelherr. Weil er das Vorrecht hat, Sich zu vergehn; das unser einer ihm Nicht sehr beneidet. — Freylich, wenn ich nur Für mich zu handeln hätte; freylich, wenn Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte: Was braucht' ich Euers Patriarchen?

Aber

Gewisse Dinge will ich lieber schlecht. Nach andrer Willen, machen; als allein

293 Nach meinem, gut. — Zudem, ich seh nun wohl, Religion ist auch Parthey; und wer Sich drob auch noch so unparteyisch glaubt, Hält, ohn' es selbst zu wissen, doch nur seiner Die Stange. Weil das einmal nun so ist: Wirds so wohl recht seyn. Klosterbruder. Dazu schweigt ich lieber. Denn ich versteh den Herrn nicht recht. Tempelherr. Und doch! — (Laß sehn, warum mir eigentlich zu thun! Um Machtspruch oder Rath? — Um lautern, oder Gelehrten Rath?) — Ich dank' Euch, Bruder; dank' Euch für den guten Wink. — Was Patriarch? — Seyd Ihr mein Patriarch! Ich will ja doch Den Christen mehr im Patriarchen, als Den Patriarchen in dem Christen fragen. — Die Sach' ist die . . . Klosterbruder. Nicht weiter, Herr, nicht weiter! Wozu? — Der Herr verkennt mich. — Wer viel weiß, Hat viel zu sorgen; und ich habe ja Mich Einer Sorge nur gelobt. — O gut! Hört! seht! Dort kömmt, zu meinem Glück, er selbst. Bleibt hier nur stehn. Er hat Euch schon erblickt.

Zweyter Auftritt. Der Patriarch, welcher mit allem geistlichen Pomp den einen Kreuzgang heraufkömmt und die Vorigen.

Tempelherr. Ich wich ihm lieber aus. — Wär' nicht mein Mann! — Ein dicker, rother, freundlicher Prälat! Und welcher Prunk! Klosterbruder. Ihr solltet ihn erst sehn,

294 Nach Hofe sich erheben. Jtzo kömmt Er nur von einem Kranken. Tempelherr.

Wie sich da Nicht Saladin wird schämen müssen! Patriarch,

(indem er näher kömmt, winkt dem Bruder.)

Hier! — Das ist ja wohl der Tempelherr. Was will Er? Klosterbruder.

Weiß nicht. Patriarch.

(auf ihn zugehend, indem der Bruder und das Gefolge zurücktreten)

Nun, Herr Ritter! — Sehr erfreut Den braven jungen Mann zu sehn! — Ey, noch So gar jung! — Nun, mit Gottes Hülfe, daraus Kann etwas werden. Tempelherr.

Mehr, ehrwürdiger Herr, Wohl schwerlich, als schon ist. Und eher noch, Was weniger. Patriarch.

Ich wünsche wenigstens, Daß so ein frommer Ritter lange noch Der lieben Christenheit, der Sache Gottes Zu Ehr und Frommen blühn und grünen möge! Das wird denn auch nicht fehlen, wenn nur fein Die junge Tapferkeit dem reifen Rathe Des Alters folgen will! — Womit wär' sonst Dem' Herrn zu dienen? Tempelherr.

Mit dem nehmlichen, Woran es meiner Jugend fehlt: mit Rath. Patriarch.

Recht gern! — Nur ist der Rath auch anzunehmen.

295 Tempelherr. Doch blindlings nicht?

Patriarch. Wer sagt denn das? — Ey freylich Muß niemand die Vernunft, die Gott ihm gab, Zu brauchen unterlassen, — wo sie hin Gehört. — Gehört sie aber überall Denn hin? — O nein! — Zum Beyspiel; wenn uns Gott Durch einer seiner Engel, — ist zu sagen, Durch einen Diener seines Worts, — ein Mittel Bekannt zu machen würdiget, das Wohl Der ganzen Christenheit, das Heil der Kirche, Auf irgend eine ganz besondre Weise Zu fördern, zu befestigen: wer darf Sich da noch unterstehn, die Willkühr deß, Der die Vernunft erschaffen, nach Vernunft Zu untersuchen? und das ewige Gesetz der Herrlichkeit des Himmels, nach Den kleinen Regeln einer eitlen Ehre Zu prüfen? —- Doch hiervon genug. — Was ist Es denn, worüber unsern Rath für itzt Der Herr verlangt?

Tempelherr. Gesetzt, ehrwürd'ger Vater, Ein Jude hätt' ein einzig Kind, — es sey Ein Mädchen, — das er mit der größten Sorgfalt Zu allem Guten auferzogen, das Er liebe mehr als 'seine Seele, das Ihn wieder mit der frömmsten Liebe liebe. Und nun würd' unser Einem hinterbracht, Dieß Mädchen sey des Juden Tochter nicht; Er hab' es in der Kindheit aufgelesen, Gekauft, gestohlen, — was Ihr wollt; man wisse, Das Mädchen sey ein Christenkind, und sey Getauft; der Jude hab' es nur als Jüdinn Erzogen; laß es nur als Jüdinn und

296 Als seine Tochter so verharren: — sagt, Ehrwürdiger Vater, was wär' Hiebey wohl Zu thun? Patriarch. Mich schaudert! —- Doch zu allererst Erkläre sich der Herr, ob so ein Fall Ein Faktum oder eine Hypothes'. Das ist zu sagen: ob der Herr sich das Nur blos so dichtet, oder obs geschehn, Und fortfährt zu geschehn. Tempelherr. Ich glaubte, das Sey eins, um Euer Hochehrwürden Meynung Blos zu vernehmen. Patriarch. Eins? — Da seh der Herr Wie sich die stolze menschliche Vernunft Im Geistlichen doch irren kann. — Mit nichten! Denn ist der vorgetragene Fall nur so Ein Spiel des Witzes: so verlohnt es sich Der Mühe nicht, im Ernst ihn durchzudenken. Ich will den Herrn damit auf das Theater Verwiesen haben, wo dergleichen pro Et contra sich mit vielem Beyfall könnte Behandeln lassen. —- Hat der mich aber Nicht blos mit einer theatralischen Schnurre Zum besten; ist der Fall ein Faktum; hätt' Er sich wohl gar in unsrer £)töce8', In unsrer lieben Stadt Jerusalem, Eräugnet: — ja alsdann — Tempelherr. Und was alsdann? Patriarch. Dann wäre mit dem Juden fördersamst Die Strafe zu vollziehn, die Päbstliches Und Kaiserliches Recht so einem Frevel, So einer Lasterthat bestimmen.

297 Tempelherr.

So? Patriarch.

Und zwar bestimmen obbesagle Rechte Dem Juden, welcher einen Christen zur Apostasie verführt, — den Scheiterhauffen, — Den Holzstoß — Tempelherr.

So? Patriarch.

Und wie vielmehr dem Juden, Der mit Gewalt ein armes Christenkind Dem Bunde seiner Tauf entrißt! Denn ist Nicht alles, was man Kindern thut, Gewalt? — Zu sagen: — ausgenommen, was die Kirche An Kindern thut. Tempelherr.

Wenn aber nun das Kind, Erbarmte seiner sich der Jude nicht, Vielleicht im Elend umgekommen wäre? Patriarch.

Thut nichts! der Jude wird verbrannt. — Denn bester, Es wäre hier im Elend umgekommen, Als daß zu seinem ewigen Verderben Es so gerettet ward. — Zu dem, was hat Der Jude Gott denn vorzugreifen? Gott Kann, wen er retten will, schon ohn' ihn retten. Tempelherr.

Auch Trotz ihm, sollt' ich meynen, — selig machen. Patriarch.

Thut nichts! der Jude wird verbrannt. Tempelherr.

Das geht Mir nah'! Besonders, da man sagt, er habe Das Mädchen nicht sowohl in seinem, als Vielmehr in keinem Glauben auferzogen,

298 Und sie von Gott nicht mehr nicht weniger Gelehrt, als der Vernunft genügt. Patriarch.

Thut nichts! Der Jude wird verbrannt ...

Ja, wär' allein

Schon dieserwegen werth, dreymal verbrannt Zu werden! — Was? ein Kind ohn' allen Glauben Erwachsen lassen? — Wie? die große Pflicht Zu glauben, ganz und gar ein Kind nicht lehren? Das ist zu arg!

Mich wundert sehr, Herr Ritter,

Euch selbst . . .

Tempelherr. Ehrwürd'ger Herr, das Uebrige, Wenn Gott will, in der Beichte,

(rottt gehn.)

Patriarch. Was? mir nun Nicht einmal Rede stehn? — Den Bösewicht, Den Juden mir nicht nennen? — mir ihn nicht Zur Stelle schaffen? — O da weiß ich Rath! Ich geh sogleich zum Sultan. — Saladin, Vermöge der Capitulation, Die er beschworen, muß uns, muß uns schützen; Bey allen Rechten, allen Lehren schützen, Die wir zu unsrer allerheiligsten Religion nur immer rechnen dürfen! Gottlob! wir haben das Original. Wir haben seine Hand, sein Siegel.

Wir! —

Auch mach' ich ihm gar leicht begreiflich, wie Gefährlich selber für den Staat es ist, Nichts glauben!

Alle bürgerliche Bande

Sind aufgelöset, sind zerrissen, wenn Der Mensch nichts glauben darf. — Hinweg! hinweg Mit solchem Frevel! . . .

Tempelherr. Schade, daß ich nicht Den trefflichen Sermon mit beßrer Muffe

299 Genießen samt! Ich bin zum Saladin Gerufen. Patriarch.

Ja? — Nun so — Nun freylich — Dann — Tempelherr. Ich will den Sultan vorbereiten, wenn Es Eurer Hochehrwürden so gefällt. Patriarch.

O, oh! — Ich weiß, der Herr hat Gnade funden Bor Saladin! — Ich bitte meiner nur Im Besten bey ihm eingedenk zu seyn. — Mich treibt der Eifer Gottes lediglich. Was ich zu viel thu, thu ich ihm. — Das wolle Doch ja der Herr erwägen! — Und nicht wahr, Herr Ritter? das vorhin erwähnte von Dem Juden, war nur ein Problema? — ist Zu sagen — Tempelherr.

Ein Problema.

(gebt ab.)

patri arch.

(Dem ich tiefer Doch auf den Grund zu kommen suchen muß. Das wär' so wiederum ein Auftrag für Den Bruder Bonafides.) — Hier, mein Sohn! (er spricht tm abgehn mit dem Klosterbruder.)

Dritter Auftritt. Scene: ein Zimmer tm Pallaste des Saladin, in welches von Sklaven eine Menge Beutel getragen, und auf dem Boden neben einander gestellt werden. Saladin und bald darauf Sittah.

Saladin.

(der dazu kömmt.)

Nun wahrlich! das hat noch kein Ende. — Ist Des Dings noch viel zurück? Tin Sklave.

Wohl noch die Hälfte.

300 Satadin.

So tragt das Uebrige zu Sittah. — Und Wo bleibt Al-Hafi? Das hier soll sogleich Al-Hafi zu sich nehmen. — Oder ob Ich nicht vielmehr dem Vater schicke? Hier Fällt mir es doch nur durch die Finger. — Zwar Man wird wohl endlich hart; und nun gewiß Solls Künste kosten, mir viel abzuzwacken. Bis wenigstens die Gelder aus Aegypten Zur Stelle kommen, mag das Armuth sehn Wies fertig wird! — Die Spenden bey bent Grabe, Wenn die nur fortgehn! Wenn die Christenpilger Mit leeren Händen nur nicht abziehn dürfen! Wenn nur — Sittah.

Was soll nun das? Was soll das Geld Bey mir? Satadin.

Mach dich davon bezahlt; und leg' Auf Borrath, wenn was übrig bleibt. Sittah.

Ist Nathan Noch mit dem Tempelherrn nicht da? Satadin.

Er sucht Ihn aller Orten. Sittah.

Sieh doch, was ich hier, Indem mir so mein alt Geschmeide durch Die Hände geht, gesunden, (ihm ein klein Gemählde zeigend.) Satadin.

Ha! mein Bruder! Das ist er, ist er! — War er! war er! ah! — Ah wackrer lieber Junge, daß ich dich So früh verlor! Was hätt' ich erst mit dir, An deiner Seit' erst unternommen! — Sittah,

301 Laß mir das Bild. Auch kenn' ichs schon: er gab Es deiner ältern Schwester, seiner Lilla, Die eines Morgens ihn so ganz und gar Nicht aus den Armen lassen wollt'. Es war Der letzte, den er ausritt. — Ach, ich ließ Ihn reiten, und allein! — Ah, Lilla starb Vor Gram, und hat mirs nie vergeben, daß Ich so allein ihn reiten lassen. — Er Blieb weg!

Sittah. Der arme Bruder! Solatin. Laß nur gut Seyn! — Einmal bleiben wir doch alle weg! — Zudem, — wer weiß? Der Tod ists nicht allein, Der einem Jüngling seiner Art das Ziel Verrückt. Er hat der Feinde mehr; und oft Erliegt der Stärkste gleich dem Schwächsten. — Nun, Sey wie ihm sey! — Ich muß das Bild doch mit Dem jungen Tempelherrn vergleichen; muß Doch sehn, wie viel mich meine Phantasie Getäuscht.

Sittah. Nur darum bring' ichs. Aber gib Doch, gib! Ich will dir das wohl sagen; das Versteht ein weiblich Aug am besten. Saladin. (zu einem Thürsteher, der hereintritt.)

Wer Ist da? — der Tempelherr? — Er komm'!

Sittah. Euch nicht Zu stören: ihn mit meiner Neugier nicht Zu irren —(sie setzt sich seitwärts auf einen Sofa und läßt den Schleyer fallen)

Saladin. Gut so! gut! — (Und nun sein Ton!

302 Wie der wohl seyn wird! — Assads Ton Schläft auch wohl wo in meiner Seele noch!)

Vierter Auftritt. Der Tempelherr und Galadin.

Tempelherr. Ich, dein Gefangner, Sultan . . . Saladin. Mein Gefangner? Wem ich das Leben schenke, toerb' ich dem Nicht auch die Freyheit schenken? Tempelherr. Was dir ziemt Zu thun, ziemt mir, erst zu vernehmen, nicht Vorauszusetzen. Aber, Sultan, — Dank, Besondern Dank dir für mein Leben zu Betheuern, stimmt mit meinem Stand' und meinem Charakter nicht. — Es steht in allen Fällen Zu deinen Diensten wieder. Aaladin. Brauch es nur Nicht wider mich! — Zwar ein Paar Hände mehr, Die gönnt' ich meinem Feinde gern. Allein Ihm so ein Herz auch mehr zu gönnen, fällt Mir schwer. — Ich habe mich mit dir in nichts Betrogen, braver junger Mann! Du bist Mit Seel und Leib mein Assad. Sieh! ich könnte Dich fragen: wo du denn die ganze Zeit Gesteckt? in welcher Höhle du geschlafen? In welchem Ginnistan, von welcher guten Div diese Blume fort und fort so frisch Erhalten worden? Sieh! ich könnte dich Erinnern wollen, was wir dort und dort Zusammen ausgeführt. Ich könnte mit Dir zanken, daß du Ein Geheimniß doch

303 Bor mir gehabt! Ein Abentheuer mir Doch unterschlagen: — Ja das könnt' ich; wenn Ich dich nur sah', und nicht auch mich. — Nun, mags Von dieser süssen Träumerey ist immer Doch so viel wahr, daß mir in meinem Herbst Ein Assad wieder blühen soll. — Du bist Es doch zufrieden, Ritter? Tempelherr. Alles, was Von dir mir kömmt, — sey was es will — das lag Als Wunsch in meiner Seele. Saladin. Laß uns das Sogleich versuchen. — Bliebst du wohl bey mir? Um mir? — Als Christ, als Muselmann: gleich viel! Im weißen Mantel, oder Jamerlonk; Im Tulban, oder deinem Filze: wie Du willst! Gleich viel! Ich habe nie verlangt, Daß allen Bäumen Eine Rinde wachse. Tempelherr. Sonst wärst du wohl auch schwerlich, der du bist: Der Held, der lieber Gottes Gärtner wäre. Aaladin. Nun dann; wenn du nicht schlechter von mir denkst: So wären wir ja halb schon richtig? Tempelherr. Ganz! §aladin. (ihm die Hand biethend) Ein Wort? Tempelherr, (einschlagend.) Ein Mann! — Hiermit empfange mehr Als du mir nehmen konntest. Ganz der Deine! Saladin. Zu viel Gewinn für einen Tag! zu viel! — Kam er nicht mit? Tempelherr. Wer?

304 Aaladin. Nathan. Tempelherr, (frostig.) Nein. Ich kam Allem. Aaladin. Welch eine That von dir! Und welch Ein weises Glück, das eine solche That Zum Besten eines solchen Mannes ausschlug. Tempelherr. Ja, ja! Saladin. So kalt? — Nein, junger Mann! wenn Gott Was gutes durch uns thut, muß man so kalt Nicht seyn! — selbst aus Bescheidenheit so kalt Nicht scheinen wollen! Tempelherr. Daß doch in der Welt Ein jedes Ding so manche Seiten hat! — Von denen oft sich gar nicht denken läßt, Wie sie zusammenpassen! Saladin. Halte dich Nur immer an die tieft’, und preise Gott! Der weiß, wie sie zusammenpassen. — Aber, Wenn du so schwierig seyn willst, junger Mann: So werd’ auch ich ja wohl auf meiner Hut Mich mit dir halten müssen? Leider tim Auch ich ein Ding von vielen Seiten, die Oft nicht so recht zu passen scheinen mögen. Tempelherr. Das schmerzt! — Denn Argwohn ist so wenig sonst Mein Fehler — Saladin. Nun, so sage doch, mit wem Dus hast? — Es schien ja gar, mit Nathan. Wie?

305 Auf Nathan Argwohn? du? — Erklär' dich! sprich! Komm, gib mir deines Zulrauns erste Probe.

Tempelherr. Ich habe wider Nathan nichts.

Ich zürn'

Allein mit mir —

Saladin. Und über was?

Tempelherr. Daß mir Geträumt, ein Jude könn' auch wohl ein Jude Zu seyn verlernen; daß mir wachend so Geträumt.

Saladin. Heraus mit diesem wachen Traume!

Tempelherr. Du weißt von Nathans Tochter, Sultan.

Was

Ich für sie that, das that ich, — weil ichs that. Zu stolz, Dank einzuerndten, wo ich ihn Nicht säete, verschmäht ich Tag für Tag Das Mädchen noch einmal zu sehn.

Der Vater

War fern; er kömmt; er hört; er sucht mich auf; Er dankt; er wünscht, daß seine Tochter mir Gefallen möge; spricht von Aussicht, spricht Von heitern Fernen. — Nun, ich lasse mich Beschwatzen, komme, sehe, finde wirklich Ein Mädchen . . . Ah, ich muß mich schämen, Sultan! —

Saladin. Dich schämen? — daß ein Judenmädchen auf Dich Eindruck machte: doch wohl nimmermehr?

Tempelherr. Daß diesem Eindruck, auf das liebliche Geschwätz des Vaters hin, mein rasches Herz So wenig Widerstand entgegen setzte! — Ich Tropf! ich sprang zum zwehtenmal ins Feuer. — Denn nun warb ich, und nun ward ich verschmäht. Lessing, stimmt!. Werke. II.

306 Salavin. Verschmäht? Tempelherr. Der weise Vater schlägt nun Wohl Mich platterdings nicht aus. Der weise Vater Muß aber doch sich erst erkunden, erst Besinnen. Allerdings! That ich denn das Nicht auch? Erkundete, besann ich denn Mich erst nicht auch, als sie im Feuer schrie? — Fürwahr! bey Gott! Es ist doch gar was schönes, So weise, so bedächtig seyn! Saladin. Nun, nun! So sieh doch einem Alten etwas nach! Wie lange können seine Weigerungen Denn dauern? Wird er denn von dir verlangen, Daß du erst Jude werden sollst? Tempelherr. Wer weiß! S'aladin. Wer weiß? — der diesen Nathan besser kennt. Tempelherr. Der Aberglaube in dem wir aufgewachsen, Verliert, auch wenn wir ihn erkennen, darum Doch seine Macht nicht über uns. — Es sind Nicht alle frey, die ihrer Ketten spotten. Laladin. Sehr reif bemerkt! Doch Nathan wahrlich, Nathan Tempelherr. Der Aberglauben schlimmster ist, den seinen Für den erträglichern zu halten . . . Saladin. Mag Wohl seyn! Doch Nathan . . . Tempelherr. Dem allein

307 Die blöde Menschheit zu vertrauen, bis Sie Hellern Wahrheitstag gewöhne; dem Allein. . . Saladin.

Gut! Aber Nathan! — Nathans Loos Ist diese Schwachheit nicht. Tempelherr. So dacht' ich auch! . . . Wenn gleichwohl dieser Ausbund aller Menschen So ein gemeiner Jude wäre, daß Er Christenkinder zu bekommen suche, Um sie als Juden aufzuziehn: — wie dann? Saladin.

Wer sagt ihm so was nach? Tempelherr. Das Mädchen selbst, Mit welcher er mich körnt, mit deren Hoffnung Er gern mir zu bezahlen schiene, was Ich nicht umsonst für sie gethan soll haben: — Dieß Mädchen selbst, ist seine Tochter — nicht; Ist ein verzettelt Christenkind. Saladin. Das er

Dem ungeachtet dir nicht geben wollte? Tempelherr, (heftige Woll' oder wolle nicht! Er ist entdeckt. Der tolerante Schwäzer ist entdeckt! Ich werde hinter diesen jüd'schen Wolf Im philosoph'schen Schafpelz, Hunde schon Zu bringen wissen, die ihn zausen sollen! Saladin. (ernst)

Sey ruhig, Christ! Tempelherr. Was? ruhig Christ? — Wenn Jud' Und Muselmann, auf Jud', auf Muselmann Bestehen: soll allein der Christ den Christen Nicht machen dürfen?

308 Aaladin. (noch mistet) Ruhig, Christ! Tempelherr, (gelassen) Ich fühle Des Vorwurfs ganze Last, — die Saladin In diese Sylbe preßt! Ah, wenn ich wüßte, Wie Assad, — Assad sich an meiner Stelle Hierbey genommen hätte! Aaladin. Nicht viel besser! — Vermuthlich, ganz so brausend! — Doch, wer hat Denn dich auch schon gelehrt, mich so wie er Mit Einem Worte zu bestechen? Freylich Wenn alles sich verhält, wie du mir sagest: Kann ich mich selber kaum in Nathan finden. — Indeß, er ist mein Freund, und meiner Freunde Muß keiner mit dem andern hadern. — Laß Dich weisen! Geh behutsam! Gieb ihn nicht Sofort den Schwärmern deines Pöbels Preis! Verschweig, was deine Geistlichkeit, an ihm Zu rächen, mir so nahe legen würde! Sey keinem Juden, keinem Muselmanne Zum Trotz ein Christ! Tempelherr. Bald wärs damit zu spät! Doch Dank der Blutbegier des Patriarchen, Deß Werkzeug mir zu werden graute! Saladirr. Wie? Du kamst zum Patriarchen eher, als Zu mir? Tempelherr. In: Sturm der Leidenschaft, im Wirbel Der Unentschlossenheit! — Verzeih! — Du wirst Von deinem Assad, fürcht' ich, ferner nun Nichts mehr in mir erkennen wollen.

309 Satadin.

Wär' Es diese Furcht nicht selbst! Mich dünkt, ich weiß, Aus welchen Fehlern unsre Tugend keimt. Pfleg' diese ferner nur, und jene sollen Bey mir dir wenig schaden. — Aber geh! Such du nun Nathan, wie er dich gesucht; Und bring' ihn her. Ich muß euch doch zusammen Verständigen. — Wär' um das Mädchen dir Im Ernst zu thun: sey ruhig. Sie ist dein! Auch soll es Nathan schon empfinden, daß Er ohne Schweinefleisch ein Christenkind Erziehen dürfen! — Geh! (Der Tempelherr geht ab, und Sittab verläßt den Sofa)

Fünfter Auftritt. Sa ladin und Sil t ah. Sutoh.

Ganz sonderbar! Palatin.

Gelt, Sittah? Muß mein Assad nicht ein braver, Ein schöner junger Mann gewesen seyn? Sittab-

Wenn er so war, und nicht zu diesem Bilde Der Tempelherr vielmehr gesessen! — Aber Wie hast du doch vergessen können dich Nach seinen Aeltern zu erkundigen? Salafcin. Und ins besondre wohl nach seiner Mutter? Ob seine Mutter hier zu Lande nie Gewesen sey? — Nicht wahr? Sittah.

Das machst du gut! Salatiin. O, möglicher wär' nichts! Denn Assad war

310 Bey hübschen Christendamen so willkommen, Auf hübsche Christendamen so erpicht, Daß einmal gar die Rede ging — Nun, nun; Man spricht nicht gern davon. — Genug; ich hab Ihn wieder! — will mit allen seinen Fehlern, Mit allen Launen seines weichen Herzens Ihn wieder haben! — Oh! das Mädchen muß Ihm Nathan geben. Meynst du nicht? Sin ah.

Ihm geben? Ihm lassen! Saladin.

Allerdings! Was hätte Nathan, So bald er nicht ihr Vater ist, für Recht Auf sie? Wer ihr das Leben so erhielt, Tritt einzig in die Rechte deß, der ihr Es gab. Sittah.

Wie also, Saladin? wenn du Nur gleich das Mädchen zu dir nähmst? Sie nur Dem unrechtmäßigen Besitzer gleich Entzögest? Saladin.

Thäte das wohl Noth? Sittah.

Noth nun Wohl eben nicht! — Die liebe Neubegier Treibt mich allein, dir diesen Rath zu geben. Denn von gewissen Männern mag ich gar Zu gern, so bald wie möglich, wissen, was' Sie für ein Mädchen lieben können. Saladin.

Nun, So schick' und laß sie hohlen. Sittah.

Darf ich, Bruder?

311 Saladin.

Nur schone Nathans! Nathan muß durchaus Nicht glauben, daß man mit Gewalt ihn von Ihr trennen wolle. Siitah.

Sorge nicht. Jaladin.

Und ich. Ich muß schon selbst sehn, wo Al-Hast bleibt.

Sechster Auftritt. (Scene: die offne Flur in Nathans Hause, gegen die Palmen zu; wie im ersten Auftritte des ersten Aufzuges. Ein Tbeil der Waaren und Kostbarkeiten liegt ausgekramt, deren eben daselbst gedacht wird. Nathan und Da ja. Hajo.

O, alles herrlich! alles auserlesen! O, alles — wie nur Ihr es geben könnt. Wo wird der Silberstoff mit goldnen Ranken Gemacht? Was kostet er? — Das nenn' ich noch Ein Brautkleid! Keine Königinn verlangt Es besser. Nathan.

Brautkleid? Warum Brautkleid eben? Doja.

Je nun! Ihr dachtet daran freylich nicht, Als Ihr ihn kauftet. — Aber wahrlich, Nathan, Der und kein andrer muß es seyn! Er ist Zum Brautkleid wie bestellt. Der weisst Grund; Ein Bild der Unschuld: und die goldnen Ströme, Die aller Orten diesen Grund durchschlängeln; Ein Bild des Reichthums. Seht Ihr? Allerliebst! Nathan.

Was witzelst du mir da? Von wessen Brautkleid Sinnbilderst du mir so gelehrt? — Bist du Denn Braut?

312 Ho ja. Ich?

Nathan.

Nun wer denn? Hajo.

Ich? — lieber Gott! Nathan.

Wer denn? Von wessen Brautkleid sprichst du denn? — Das alles ist ja dein, und keiner andern. Hajo.

Ist mein? Soll mein seyn? — Ist für Recha nicht? Nathan.

Was ich für Recha mitgebracht, das liegt In einem andern Ballen. Mach! nimm weg! Trag deine Siebensachen fort! Hajo.

Versucher! Nein, wären es die Kostbarkeiten auch Der ganzen Welt! Nicht rühr an! wenn Ihr mir Vorher nicht schwört, von dieser einzigen Gelegenheit, dergleichen Euch der Himmel Nicht zweymal schicken wird, Gebrauch zu machen. Nathan. Gebrauch? von was? — Gelegenheit? wozu? Hajo.

O stellt Euch nicht so fremd! — Mit kurzen Worten! Der Tempelherr liebt Recha: gebt sie ihm, So hat doch einmal Eure Sünde, die Ich länger nicht verschweigen kann, ein Ende. So kömmt das Mädchen wieder unter Christen; Wird wieder was sie ist; ist wieder, was Sie ward: und Ihr, Ihr habt mit all' dem Guten, Das' wir Euch nicht genug verdanken können, Nicht Feuerkohlen bloß auf Euer Haupt Gesammelt. Nathan.

Doch die alte Leyer wieder? —

313

Mil einer neuen Saite nur bezogen, Die, fürcht ich, weder stimmt noch hält. 19 a ja.

Wie so? Hatt) an.

Mir wär' der Tempelherr schon recht. Ihm gönnt' Ich Recha mehr als einem in der Welt. Allein . . . Nun, habe nur Geduld. Da ja.

Geduld? Geduld, ist Eure alte Leyer nun Wohl nicht? Nathan.

Nur wenig Tage noch Geduld! . . . Sieh doch! — Wer kömmt denn dort? Ein Klosterbruder? Geh, frag' ihn was er will. 19 aj a.

Was wird er wollen? (sie gebt auf ihn ;u und fragn

Nathan.

So gieb! — und eh' er bittet. — (Wußt' ich nur Dem Tempelherrn erst behzukommen, ohne Die Ursach meiner Neugier ihm zu sagen! Denn wenn ich sie ihm sag', und der Verdacht Ist ohne Grund: so hab' ich ganz umsonst Den Vater auf das Spiel gesetzt.) — Was ists? Hajo.

Er will Euch sprechen. Nathan.

Nun, so laß ihn kommen; Und geh indeß.

Siebenter Austritt. Nathan und der Klosterbruder. Nathan.

(Ich bliebe Rechas Vater Doch gar zu gern! — Zwar kann ichs denn nicht bleiben,

314 Auch wenn ich aufhör', es zu heißen? — Ihr, Ihr selbst werd' ichs doch immer auch noch heißen, Wenn sie erkennt, wie gern ichs wäre.) — Geh! — Was ist zu Euern Diensten, frommer Bruder? Klosterbruder.

Nicht eben viel. — Ich freue mich, Herr Nathan, Euch annoch wohl zu sehn. Nathan.

So kennt Ihr mich? Klosterbruder.

Je nu; wer kennt Euch nicht? Ihr habt so manchem Ja Euern Nahmen in die Hand gedrückt. Er steht in meiner auch, feit vielen Jahren. Nathan, (nach seinem Beutel langen»

Kommt, Bruder, kommt; ich frisch ihn auf. Klosterbruder.

Habt Dank! Ich würd' es ärmern stehlen; nehme nichts. — Wenn Ihr mir nur erlauben wollt, ein wenig Euch meinen Nahmen aufzufrischen. Denn Ich kann mich rühmen, auch in Eure Hand Etwas gelegt zu haben, was nicht zu Verachten war. Nathan.

Verzeiht! — Ich schäme mich — Sagt, was? — und nehmt zur Buße siebenfach Den Werth desselben von mir an. Klosterbruder.

Hört doch Vor allen Dingen, wie ich selber nur Erst heut an dieß mein Euch vertrautes Pfand Erinnert worden. Nathan.

Mir vertrautes Pfand? Klo st erb rüde r.

Vor kurzem saß ich noch als Eremit

315 Auf Quarantana, unweit Jericho. Da kam arabisch Raubgesindel, brach Mein Gotteshäuschen ab und meine Zelle, Und schleppte mich mit fort.

Zum Glück entkam

Ich noch, und floh hierher zum Patriarchen, Um mir ein ander Plätzchen auszubitten, Allwo ich meinem Gott in Einsamkeit Bis an mein selig Ende dienen könne.

Nathan. Ich steh auf Kohlen, guter Bruder. Es kurz.

Macht

Das Pfand! das mir vertraute Pfand!

Klosterbruder. Sogleich, Herr Nathan. — Nun, der Patriarch Versprach mir eine Siedeley auf Thabor, Sobald als eine leer; und hieß inzwischen Im Kloster mich als Layenbruder bleiben. Da bin ich itzt, Herr Nathan; und verlange Des Tags wohl hundertmal auf Thabor.

Denn

Der Patriarch braucht mich zu allerley, Wovor ich großen Eckel habe.

Zum

Exempel:

Nathan. Macht, ich bitt' Euch!

Klosterbruder. Nun, es kömmt! — Da hat ihm jemand heut' ins Ohr gesetzt: Es lebe hier herum ein Jude, der Ein Christenkind als seine Tochter sich Erzöge.

Nathan. Wie?

(betroffen)

Klosterbruder. Hört mich nur aus! — Indem Er mir nun aufträgt, diesem Juden straks,1 Wo möglich, auf die Spur zu kommen, und « „straks" fehlt dem ersten Drucke.

Gewaltig sich ob eines solchen Frevels Erzürnt, der ihm die wahre Sünde wider Den heilten Geist bedünkt; — das ist, die Sünde, Die aller Sünden größte Sünd' uns gilt, Nur daß wir, Gott sey Dank, so recht nicht wissen, Worinn sie eigentlich besteht: — da wacht Mit einmal mein Gewissen auf; und mir Fällt bey, ich könnte selber wohl vor Zeiten Zu dieser unverzeihlich großen Sünde Gelegenheit gegeben haben. — Sagt: Hat Euch ein Reitknecht nicht vor achtzehn Jahren Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen? Nathan. Wie das? — Nun freylich — allerdings —

Klosterbruder. Ey, seht Mich doch recht an! — Der Reitknecht, der bin ich. Nathan.

Seyd Ihr?

Klosterbruder. Der Herr, von welchem ichs Euch brachte, War — ist mir recht — ein Herr von Filnek. — Wolf Von Filnek! Nathan.

Richtig!

Klosterbruder. Weil die Mutier kurz Vorher gestorben war; und sich der Vater Nach — meyn' ich — Gazza plötzlich werfen mußte, Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte: So sandt ers Euch. Und traf ich Euch damit Nicht in Darun? Nathan. Ganz recht!

Klosterbruder. Es wär' kein Wunder,

317 Wenn mein Gedächtniß mich Betrog’. Ich habe Der braven Herrn so viel gehabt; und diesem Hab’ ich nur gar zu kurze Zeit gedient. Er blieb bald darauf bey Askalon; und war Wohl sonst ein lieber Herr. Nathan. Ja wohl! ja wohl! Dem ich so viel, so viel zu danken habe! Der mehr als einmal mich dem Schwert entrissen Klosterbruder. O schön! So werd’t Ihr seines Töchterchens Euch um so lieber angenommen haben. Nathan.

Das könnt Ihr denken.

Klosterbruder. Nun, wo ist es denn? Es ist doch Wohl nicht etwa gar gestorben? — Laßts lieber nicht gestorben seyn! — Wenn sonst Nur niemand um die Sache weiß: so hat Es gute Wege. Nathan.

Hat es?

Klosterbruder. Traut mir, Nathan! Denn seht, ich denke so! Wenn an das Gute, Das ich zu thun vermeyne, gar zu nah Was gar zu Schlimmes gränzt: so thu ich lieber Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar So ziemlich zuverlässig kennen, aber Bey weiten nicht das Gute. — War ja wohl Natürlich; wenn das Christentöchterchen Recht gut von Euch erzogen werden sollte: Daß Ihrs als Euer eigen Töchterchen Erzögt. — Das hättet Ihr mit aller Lieb’ Und Treue nun gethan, und müßtet so Belohnet werden? Das will mir nicht ein. Ey freylich, klüger hättet Ihr gethan;

318 Wenn Ihr die Christinn durch die zweyte Hand Als Christinn auferziehen lassen: aber So hättet Ihr das Kindchen Eures Freunds Auch nicht geliebt. Und Kinder brauchen Liebe, Wärs eines wilden Thieres Lieb' auch nur, In solchen Jahren mehr, als Christenthum. Zum Christenthume hats noch immer Zeit. Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm Vor Euern Augen aufgewachsen ist, So bliebs vor Gottes Augen, was es war. Und ist denn nicht das ganze Christenthum Aufs Judenthum gebaut? Es hat mich oft Geärgert, hat mir Thränen gnug gekostet, Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten, Daß unser Herr ja selbst ein Jude war. Nathan.

Ihr, guter Bruder, müßt mein Fürsprach seyn, Wenn Haß und Gleißnerey sich gegen mich Erheben sollten, — wegen einer That — Ah, wegen einer That! — Nur Ihr, Ihr sollt Sie wissen! — Nehmt sie aber mit ins Grab! Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht, Sie jemand andern zu erzählen. Euch Allein erzähl' ich sie. Der frommen Einfalt Allein erzähl' ich sie. Weil die allein Versteht, was sich der gottergebne Mensch Für Thaten abgewinnen kann. Klosterbruder.

Ihr seyd Gerührt, und Euer Auge steht voll Wasser? Nathan.

Ihr traft mich mit dem Kinde zu Darun. Ihr wißt wohl aber nicht, daß wenig Tage Zuvor, in Gath die Christen alle Juden Mit Weib und Kind ermordet hatten; wißt Wohl nicht, daß unter diesen meine Frau

319 Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich Befunden, die in meines Bruders Hause, Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt Verbrennen müssen.

Klosterbruder. Allgerechter!

Nathan. Als Ihr kamt, hatt' ich drey Tag' und Nacht' in Asch' Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. — Geweint?

Beyher mit Gott auch wohl gerechtet,

Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht: Der Christenheit den unversöhnlichsten Haß zugeschworen —

Klosterbruder. Ach! Ich glaubs Euch wohl! Nathan.

Doch nun kam die Vernunft allmählig wieder. Sie sprach mit sanfter Stimm': „und doch ist Gott! Doch war auch Gottes Rathschluß das! Wohlan! Komm! übe, was du längst begriffen hast; Was sicherlich zu üben schwerer nicht, Als zu begreifen ist, wenn du nur willst. Steh auf!" — Ich stand! und rief zu Gott: ich will! Willst du nur, daß ich will! — Indem stiegt Ihr Vom Pferd', und überreichtet mir das Kind, In Euern Mantel eingehüllt. — Was Ihr Mir damals sagtet; was ich Euch: hab' ich Vergessen.

So viel weiß ich nur; ich nahm

Das Kind, trugs auf mein Lager, küßt' es, warf Mich auf die Knie und schluchzte: Gott! auf Sieben Doch nun schon Eines wieder!

Klosterbruder. Nathan! Nathan! Ihr seyd ein Christ! — Bey Gott, Ihr seyd ein Christ Ein beßrer Christ war nie!

320 Nathan.

Wohl und! Denn was Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir Zum Juden! — Aber laßt uns länger nicht Einander nur erweichen. Hier brauchts That! Und ob mich siebenfache Liebe schon Bald an diß einzige fremde Mädchen band; Ob der Gedanke mich schon tobtet, daß Ich meine sieben Sohn' in ihr aufs neue Verlieren soll: — wenn sie von meinen Händen Die Vorsicht wieder fodert, — ich gehorche! Klosterbruder.

Nun vollends! — Eben das bedacht' ich mich So viel, Euch anzurathen! Und so hals Euch Euer guter Geist schon angerathen! Nathan.

Nur muß der erste beste mir sie nicht Entreissen wollen! Klosterbruder.

Nein, gewiß nicht! Nathan. Wer Auf sie nicht größte Rechte hat, als ich; Muß frühere zum mindsten haben — Klosterbruder.

Freylich! Nathan.

Die ihm Natur und Blut ertheiten. Klosterbruder.

So Meyn' ich es auch! Nathan.

Drum nennt mir nur geschwind Den Mann, der ihr als Bruder oder Ohm, Als Vetter oder sonst als Sipp verwandt: Ihm will ich sie nicht vorenthalten — Sie,

321 Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde Zu seyn erschaffen und erzogen ward. — Ich hoff', Ihr wißt von diesem Euern Herrn Und dem Geschlechte dessen, mehr als ich.

Klosterbruder. Das, guter Nathan, wohl nun schwerlich! — Denn Ihr habt ja schon gehört, daß ich nur gar Zu kurze Zeit bey ihm gewesen.

Nathan. Wißt Ihr denn nicht wenigstens, was für Geschlechts Die Mutter war? — War sie nicht eine Stausiinn?

Klosterbruder. Wohl möglich! — Ja, mich dünkt. Nathan.

Hieß nicht ihr Bruder Conrad von Stauffen? — und war Tempelherr?

Klosterbruder. Wenn michs nicht triegt. Doch halt! Da fällt mir ein, Daß ich vom felgen Herrn ein Büchelchen Noch hab'. Ich zogs ihm aus dem Busen, als Wir ihn bey Askalon verscharrten. Nathan.

Nun?

Klosterbruder. Es sind Gebete drinn. Wir nennens ein Brevier. — Das, dacht' ich, kann ein Christenmensch Ja wohl noch brauchen. — Ich nun freylich nicht — Ich kann nicht lesen — Nathan. Thut nichts! — Nur zur Sache.

Klosterbruder. Zn diesem Büchelchen stehn vorn und hinten, Wie ich mir sagen lassen, mit des Herrn Selbsteigner Hand, die Angehörigen Von ihm und ihr geschrieben. Lessing, sänunts. Werke. II.

322 It a 11) o n. O erwünscht! Geht! lauft! höhlt mir das Büchelchen. Geschwind! Ich Lin bereit mit Gold es aufzuwiegen; Und tausend Dank dazu! Eilt! lauft! Klosterbruder. Recht gern! Es ist Arabisch aber, was der Herr Hineingeschrieben. (ab) Nathan.

Einerley! Nur her! — Gott! wenn ich doch das Mädchen noch behalten, Und einen solchen Eidam mir damit Erkauffen könnte! — Schwerlich wohl! —> Nun fall' Es aus, wie's will! — Wer mag es aber denn Gewesen seyn, der bey dem Patriarchen So etwas angebracht? Das muß ich doch Zu fragen nicht vergessen. —- Wenn es gar Bon Daja käme? Achter Auftritt. Daja und Nathan. Daja.

(eilifl und verlegen )

Denkt doch, Nathan! Nathan.

Nun? Daja. Das arme Kind erschrack wohl recht darüber! Da schickt . . .‘ Nathan.

Der Patriarch? Daja.

Des Sultans Schwester, Prinzessinn Sittah . . . it fl 11) o u. Nicht der Patriarch?

323 Hajo.

Nein, Sittah! — Hört Ihr nicht? — Prinzessinn Sittah Schickt her, und läßt sie zu sich hohlen. Nathan.

Wen? Läßt Rechn hohlen? — Sittah läßt sie hohlen? — Nun; wenn sie Sittah hohlen läßt, und nicht Der Patriarch . . . flajö. Wie -fommt Ihr denn auf den? Nathan.

So hast du kürzlich nichts von ihm gehört? Gewiß nicht? Auch ihm nichts gesteckt? Naja. Ich? ibm? Nathan. Wo sind die Bothen? Daja.

Vorn. Nathan.

Ich will sie doch Ans Vorsicht selber sprechen. Komm! — Wenn nur Vom Patriarchen nichts dahinter steckt.' (ab) D öj a. Und ich — ich fürchte ganz was anders noch. Was gilts? die einzige vermeinte Tochter So eines reichen Juden wär' auch wohl Für einen Muselmann nicht übel? — Huy, Der Tempelherr ist drum. Ist drum: wenn ich Den zweyten Schritt nicht auch noch wage; nicht Auch ihr noch selbst entdecke, wer sie ist! — Getrost! Laß mich den ersten Augenblick, Den ich allein sie habe, dazu brauchen! Und der wird seyn — vielleicht nun eben, wenn

324 Ich sie begleite. So ein erster Wink Kann unterwegenS wenigstens nicht schaden. Ja, ja! Nur zu! Itzt oder nie! Nur zu!

Mm »ach)

Fünfter Aufzug. Erster Austritt. Scene: das Zimmer in Saladins Pallaste, in welches die Beutel mir Geld getragen worden, die noch zu seben. Sa ladin und bald darauf verschiedne Mameluken.

Laladin.

(im Hereintreten)

Da steht das Geld nun noch! Und niemand weiß Den Derwisch aufzufinden, der vermuthlich Ans Schachbret irgendwo gerathen ist. Das ihn wohl seiner selbst vergessen macht; — Warum nicht meiner? — Nun, Geduld! Was giebts? Ein Mameluk.

Erwünschte Nachricht, Sultan! Freude, Sultan! Die Karavane von Kahira kömmt; Ist glücklich da! mit siebenjährigem Tribut des reichen Nils. Solatmt.

Brav, Ibrahim! Du bist nlir wahrlich ein willkommner Böthe ! — Ha! endlich einmal! endlich! — Habe Dank Der guten Zeitung. Der Mameluk, lwartend)

(Nun? nur her damit!) § aladin.

Was wart'st du? — Geh nur wieder. Der Mameluk.

Dem Willkonlmnen Sonst nichts?

325 Saladin. Was denn noch sonst?

Der Mameluk. Dem guten Bothen Kein Bothenbrod? — So wär ich ja der Erste, Den Saladin mit Worten abzulohnen, Doch endlich lernte! — Auch ein Ruhm! — der Erste, Mit dem er knickerte. S aladin. So nimm dir nur Dort einen Beutel.

Der Mameluk. Nein, nun nicht! Du kannst Mir sie nun alle schenken wollen.

Saladin. Trotz! — Komm her! Da hast du zwey. — Im Ernst? er geht? Thut mirs an Edelmuth zuvor? — Denn sicher Muß ihm es sauer werden, auszuschlagen, Als mir zu geben. — Ibrahim! — Was kommt Mir denn auch ein, so kurz vor meinem Abtritt Auf einmal ganz ein andrer seyn zu wollen? — Will Saladin als Saladin nicht sterben? — So mußt' er auch als Saladin nicht leben.

Ern zweyter Mameluk. Nun, Sultan! . . .

Saladin. Wenn du mir zu melden kömmst . . .

Zweyter Mameluk. Daß aus Aegypten der Transport nun da!

Saladin. Ich weiß schon.

Zweyter Mameluk, Kanl ich doch zu spät!

Saladin. Warum

326 Zu spät? — Da nimm für deinen guten Willen Der Beutel einen oder zwey. Zweyter Mameluk. Macht drey! Aaladin. Ja, wenn du rechnen kannst! — So nimm sie nur. Zweyter Mameluk. Es wird wohl noch ein Dritter kommen, — wenn Er anders kommen kann. Saladin. Wie das? Zweyter Mameluk. Je nu; Er hat auch wohl den Hals gebrochen! Denn Sobald wir drey der Ankunft des Transports Versichert waren, sprengte jeder frisch Davon. Der Vorderste, der stürzt: und so Komm ich nun vor, und bleib' auch vor bis in Die Stadt; wo aber Ibrahim, der Lecker, Die Gassen beffer kennt. Saladin. O der gestürzte! Freund, der gestürzte! — Reit ihm doch entgegen. Zweyter Mameluk. Das werd ich ja wohl thun! — Und wenn er lebt: So ist die Hälfte dieser Beutel sein, (geht ab) Aaladin. Sieh, welch ein guter 1 edler Kerl auch das! ■— Wer kann sich solcher Mameluken rühmen? Und wär' mir denn zu denken nicht erlaubt, Daß sie mein Beyspiel bilden helfen? — Fort Mit dem Gedanken, sie zu guter letzt Noch an ein anders zu gewöhnen! . . . Ein dritter Mameluk. Sultan, . . .

327 Saladin.

Bist dus, der stürzte? Dritter Mameluk.

Nein. Ich melde nur, — Daß Emir Mansor, der die Karavane Geführt, vom Pferde steigt . . . Salavin.

Bring ihn! geschwind Da ist er ja! —

Zweyter Auftritt. Gmir Mansor und Ga lad in.

Saladin.

Willkommen, Emir! Nun, Wie ists gegangen? — Mansor, Mansor, hast Uns lange warten lassen! Mansor.

Dieser Brief Berichtet, was dein Abulkassem erst Für Unruh in Thebais dämpfen müssen: Eh' wir es wagen durften abzugehen. Den Zug darauf hab' ich beschleuniget So viel, wie möglich war. Saladin.

Ich glaube dir! — Und nimm nur, guter Mansor, nimm sogleich . . . Du thust es aber doch auch gern? . . . nimm frische Bedeckung nur so gleich. Tu mußt sogleich Noch weiter; mußt der Gelder größern Theil Auf Libanon zum Vater bringen. Mansor.

Gern! Sehr gern! Jaladin.

Und nimm dir die Bedeckung ja

328 Nur nicht zu schwach. Es ist um Libanon Nicht alles mehr so sicher. Hast du nicht Gehört? Die Tempelherrn sind wieder rege. Sey wohl auf deiner Hut! — Komm nur! Wo hält Der Zug? Ich will ihn sehn; und alles selbst Betreiben. — Ihr! ich bin sodann bey Sittah.

Dritter Auftritt. 'Biene: die Palmen m Natbcnis Hause. wo der Tempelherr auf und nieder gebt.

Ins Haus nun will ich einmal nicht. — Er wird Sich endlich doch wohl sehen lassen! — Man Bemerkte mich ja sonst so bald, so gern! — Mills noch erleben, daß er sichs verbittet, Vor seinem Hause mich so fleißig finden Zu lassen. — Hm! — ich bin doch aber auch Sehr ärgerlich. — Was hat mich denn nun so Erbittert gegen ihn? — Er sagte ja: Noch schlug' er mir nichts ab. Und Saladin Hats über sich genommen, ihn zu stimmen. — Wie? sollte wirklich wohl in mir der Christ Noch tiefer nisten, als in ihm der Jude? — Wer kennt sich recht? Wie könnt ich ihm denn sonst Den kleinen Raub nicht gönnen wollen, den Er sichs zu solcher Angelegenheit Gemacht, den Christen abzujagen? —- Freylich; Kein kleiner Raub, ein solch Geschöpf! — Geschöpf? Und wessen? — Doch des Sklaven nicht, der auf Des Lebens öden Strand den Block geflößt, Und sich davon gemacht? Des Künstlers doch Wohl mehr, der in dem hingeworfnen Blocke Die göttliche Gestalt sich dachte, die Er dargestellt? — Ach! Rechas wahrer Vater Bleibt, Trotz dem Christen, der sie zeugte — bleibt In Ewigkeit der Jude. — Wenn ich mir Sie lediglich als Christendirne denke,

329 Sie sonder alles das mir denke, was Allein ihr so ein Jude geben konnte: — Sprich, Herz, — was wär' an ihr, das dir gefiel? Nichts! Wenig! Selbst ihr Lächeln, wär' es nichts Als sanfte schöne Zuckung ihrer Muskeln; Wär', was sie lächeln macht, des Reitzes unwerth. In den es sich auf ihrem Munde kleidet: — Nein; selbst ihr Lächeln nicht! Ich hab' es ja Wohl schöner noch an Aberwitz, an Tand, An Höhnerey, an Schmeichler und an Buhler, Verschwenden sehn! — Hals da mich auch bezaubert? Hals da mir auch den Wunsch entlockt, mein Leben In seinem Sonnenscheine zu verstatten:? — Ich wüßte nicht.

Und bin auf den doch launisch,

Der diesen höhern Werth allein ihr gab? Wie das? warum? — Wenn ich den Spott verdiente, Mit dem nlich Saladin entließ! Schon schlimm Genug, daß Saladin es glauben konnte! Wie klein ich ihm da scheinen mußte! wie Verächtlich! — Und das alles um ein Mädchen? — Curd! Curd! das geht so nicht.

Lenk' ein! Wenn vollends

Mir Daja nur was vorgeplaudert hätte, Was schwerlich zu erweisen stünde? — Sieh, Da tritt er endlich, im Gespräch vertieft, Aus seinem Hause! — Ha! mit wem! — Mit ihm? Mit meinem Klosterbruder? — Ha! so weiß Er sicherlich schon alles! ist wohl gar Dem Patriarchen schon verrathen! — Ha! Was hab' ich Queerkopf nun gestiftet! — Daß Ein einz'ger Funken dieser Leidenschaft Doch unsers Hirns so viel verbrennen kann! — Geschwind entschließ dich, was nunmehr zu thun! Ich will hier seitwärts ihrer warten; — ob Vielleicht der Klosterbruder ihn verläßt.

330

Vierter Austritt. Nathan und der Klosterbruder.

Nathan, (im näher kommen) Habt nochmals, guter Bruder, vielen Dank! Klosterbruder.

Und Ihr desgleichen! Nathan.

Ich? von Euch? wofür? Für meinen Eigensinn, euch aufzudringen. Was Ihr nicht braucht? — Ja, wenn ihm Eurer nur Auch nachgegeben hätt'; Ihr mit Gewalt Nicht wolltet reicher seyn, als ich. Klosterbruder.

Das Buch Gehört ja ohnedem nicht mir; gehört Ja ohnedem der Tochter; ist ja so Der Tochter ganzes väterliches Erbe. — Je nu, sie hat ja Euch. — Gott gebe nur, Daß Ihr es nie bereuen dürst, so viel Für sie gethan zu haben! Nathan.

Das kann ich nie.

Kann ich das? Seyd unbesorgt! Klosterbruder.

Nu, nu! Die Patriarchen und die Tempelherren . . . Nathan. Bennögen mir des Bösen nie so viel Zu thun, daß irgend was mich reuen könnte: Geschweige, das! — Und seyd Ihr denn so ganz Versichert, daß ein Tempelherr es ist, Der Euern Patriarchen hetzt? Klosterbruder.

Beynah kein andrer seyn.

Es kann Ein Tempelherr

331 Sprach kurz vorher mit ihm; und was ich hörte. Das klang darnach. Nathan.

Es ist doch aber nur Ein einziger itzt in Jerusalem. Und diesen fettn’ ich. Dieser ist mein Freund. Ein junger, edler, offner Mann! Klosterbruder.

Ganz recht; Der nehmliche! — Doch was man ist, und was Man seyn muß in der Welt, das paßt ja wohl Nicht immer. Nathan.

Leider nicht. — So thue, wers Auch immer ist, sein Schlimmstes oder Bestes! Mit Euerm Buche, Bruder, trotzt ich allen; Und gehe graden Wegs damit zum Sultan. Klosterbruder.

Viel Glücks! Ich will Euch denn nur hier verlassen. Nathan.

Und habt sie nicht einmal gesehn! — Kommt ja Doch bald, doch fleißig wieder. — Wenn nur heut Der Patriarch noch nichts erfährt! — Doch was? Sagt ihm auch heute, was Ihr wollt. Klosterbruder.

Ich nicht. Lebt Wohl!

(geht ab )

Nathan.

Vergeht uns ja nicht, Bruder! — Gott! Daß ich nicht gleich hier unter freyem Himmel Auf meine Kniee sinken kann! Wie sich Der Knoten, der so oft mir bange machte, Nun von sich selber löset! — Gott! wie leicht Mir wird, daß ich nun weiter auf der Welt Nichts zu verbergen habe! daß ich vor Den Menschen nun so frey kann wandeln, als

332 Vor dir, der du allein den Menschen nicht Nach seinen Thaten brauchst zu richten, die So selten seine Thaten sind, o Gott! — Fünfter Auftritt Nathan unt> der Tempelh err, der von der Seite auf ihn zu kömmt.

Tempelherr. He! wartet, Nathan; nehmt mich mit! Uathan. Wer ruft? — Seyd Ihr es, Ritter? Wo gewesen, daß Ihr bey dem Sultan Euch nicht treffen lassen? Tempelherr. Wir sind einander fehl gegangen. Nehmts Nicht übel. Nathan. Ich nicht; aber Saladin . . . Tempelherr. Ihr wart nur eben fort . . . Nathan.

Und spracht ihn doch? Nun, so ists gut. Tempelherr. Er will uns aber beyde Zusammen sprechen. Nathan.

Desto besser. Kommt Nur mit. Mein Gang stand ohnehin zu ihm. — Tempelherr.

Ich darf ja doch wohl fragen, Nathan, wer Euch da verließ? Nathan. Ihr kennt ihn doch wohl nicht? Tempelherr. Wars nicht die gute Haut, der Layenbruder,

333 Deß sich der Patriarch so gern zum Stöber Bedient?

Nathan. Kann seyn! Beym Patriarchen ist Er allerdings.

Tempelherr. Der Pfiff ist gar nicht übel: Die Einfalt vor der Schurkerey voraus Zu schicken.

Nathan. Ja, die dumme; — nicht die fromme. Tempelherr. An fromme glaubt kein Patriarch.

Nathan. Für den Nun steh ich. Der wird seinem Patriarchen Nichts ungebührliches vollziehen helffen.

Tempelherr. So stellt er wenigstens sich an. — Doch hat Er Euch von mir denn nichts gesagt? Nathan.

Von Euch? Von Euch nun namentlich wohl nichts. — Er weiß Ja wohl auch schwerlich Euern Namen?

Tempelherr. Schwerlich. Nathan. Von einem Tempelherren freylich hat Er mir gesagt . . .

Tempelherr. Und was?

Nathan. Womit er Euch Doch ein für allemal nicht meynen kann! Temp elherr. Wer weiß? Laß doch nur hören.

334 Nathan. Daß mich Einer Bey seinem Patriarchen angeklagt. . . Tempelherr. Euch angeklagt? — Das ist, mit seiner Gunst — Erlogen. — Hört mich, Nathan! — Ich bin nicht Der Mensch, der irgend etwas abzuleugnen Im Stande wäre. Was ich that, das that ich! Doch bin ich auch nicht der, der alles, was Er that, als wohl gethan vertheidigen möchte. Was sollt' ich eines Fehls mich schämen? Hab' Ich nicht den festen Vorsatz ihn zu bessern? Und weiß ich etwa nicht, wie weit mit dem Es Menschen bringen können? — Hört mich, Nathan! — Ich bin des Layenbruders Tempelherr, Der Euch verklagt soll haben, allerdings. — Ihr wißt ja, was mich wurmisch machte! was Mein Blut in allen Adern sieden machte! Ich Gauch! — ich kam, so ganz mit Leib und Seel' Euch in die Arme mich zu werffen. Wie Ihr mich empfingt — wie kalt — wie lau — denn lau Ist schlimmer noch als kalt; wie abgemessen Mir auszubeugen Ihr beflissen wart; Mit welchen aus der Luft gegriffnen Fragen Ihr Antwort mir zu geben scheinen wolltet: Das darf ich kaum mir itzt noch denken, wenn Ich soll gelassen bleiben. — Hört mich, Nathan! — In dieser Gährung schlich mir Daja nach, Und warf mir ihr Geheimniß an den Kopf, Das mir den Aufschluß Euers räthselhaften Betragens zu enthalten schien. Nathan. Wie das? Tempelherr. Hört mich nur aus! — Ich bildete mir ein, Ihr wolltet, was Ihr einmal nun den Christen

335 So abgejagt, an einen Christen wieder Nicht gern verlieren.

Und so siel mir ein.

Euch kurz und gut das Messer an die Kehle Zu setzen.

Nathan. Kurz und gut? und gut? — Wo steckt Das Gute?

Tempelherr. Hört mich, Nathan! — Allerdings: Ich that nicht recht! — Ihr seyd wohl gar nicht schuldig. — Die Närrinn Daja weiß nicht was sie spricht — Ist Euch gehässig — Sucht Euch nur damit In einen bösen Handel zu verwickeln — Kann sehn! kann seyn! — Ich bin ein junger Lasse, Der immer nur an beyden Enden schwärmt; Bald viel zu viel, bald viel zu wenig thut — Auch das kann sehn!

Verzeiht mir, Nathan.

Nathan. Wenn Ihr so mich freylich fasset —

Tempelherr. Kurz, ich ging Zum Patriarchen! — hab' Euch aber nicht Genannt.

Das ist erlogen, wie gesagt!

Ich hab ihm blos den Fall ganz allgemein Erzählt, um seine Meynung zu vernehmen. — Auch das hätt' unterbleiben können: ja doch! — Denn formt’ ich nicht den Patriarchen schon Als einen Schurken? Konnt' ich Euch nicht selber Nur gleich zur Rede stellen? — Mußt ich der Gefahr, so einen Vater zu verlieren, Das arme Mädchen opfern? — Nun, was thuts? Die Schurkerey des Patriarchen, die So ähnlich immer sich erhält, hat mich Des nächsten Weges wieder zu mir selbst Gebracht. — Denn Hort mich, Nathan; hört mich aus! —

336 Gesetzt; er wußt' auch Euern Namen: was Nun mehr, was mehr? — Er kann Euch ja das Mädchen Nur nehmen, wenn sie niemands ist, als Euer. Er kann sie doch aus Euerm Hause nur Ins Kloster schleppen. — Also — gebt sie mir! Gebt sie nur mir; und laßt ihn kommen.

Ha!

Er solls wohl bleiben lassen, mir mein Weib Zu nehmen. — Gebt sie mir; geschwind! — Sie sey Nun Eure Tochter, oder sey es nicht! Sey Christinn, oder Jüdinn, oder keines! Gleich viel! gleich viel!

Ich werd' Euch weder itzt

Noch jemals sonst in meinem ganzen Leben Darum befragen.

Sey, wie's sey!

Nathan. Ihr wähnt Wohl gar, daß mir die Wahrheit zu verbergen Sehr nöthig?

Tempelherr. Sey, wie's sey!

Natha n. Ich hab' es ja Euch — oder wem es sonst zu wissen ziemt — Noch nicht geleugnet, das sie eine Christinn, Und nichts als meine Pflegetochter ist. — Warum ichs aber ihr noch nicht entdeckt? — Darüber brauch' ich nur bey ihr mich zu Entschuldigen.

Tempel Herr. Das sollt Ihr auch bey ihr Nicht brauchen. — Gönnts ihr doch, daß sie Euch nie Mit andern Augen darf betrachten!

Spart

Ihr die Entdeckung doch! — Noch habt Ihr ja, Ihr ganz allein, mit ihr zu schalten.

Gebt

Sie mir! Ich bitt' Euch, Nathan; gebt sie mir! Ich bins allein, der sie zum zweytenmale Euch retten lernn — und will.

337 it n t b ft n.

Ja — konnte! konnte! Nun auch nicht mehr. Es ist damit zu spät. £ Mit p r l b rv r.

Wie so? zu spät? U fl t b n».

Dank sey dem Patriarchen . . . £rmp rlbrvr.

Dem Patriarchen? Dank? ihm Dank? wofür? Dank hätte der bey uns verdienen wollen? Wofür? wofür? 11 fl t b st n.

Daß wir nun wissen, wem Sie anverwandt; nun wissen, wessen Händen Sie sicher ansgeliefert werden kann. £ Mit p r l h e r r.

Das dank' ihm — wer für nt ehr ihrn danken wird! Uflt l)ft n.

Aus diesen müßt Ihr sie nun auch erhalten; Und nicht aus meinen. £ Mit p r l b r v i.

Arme Recha! Was Dir alles zustößt, arme Recha! Was Ein Ellück für andre Waisen wäre, wird Dein Unglück! — Nathan! — Und wo sind sie, diese Verwandte? tl fl t b fl n. Wo sie sind? £ r nt p r 11) r r r.

Und wer sie sind? tl ft t b ft n. Besonders hat ein Bruder sich gesunden, Bey dem Ihr um sie werden müßt. £ Mit p

r 11) r v r.

Ein Bruder? Was ist er, dieser Bruder? Ein Soldat? Lcsslnq, fänimtf. Werke II

338 Ein Geistlicher? — Laßt hören, was ich mir Versprechen darf. Nathan. Ich glaube, daß er keines Von beyden — oder beydes ist. Ich kenn' Ihn noch nicht recht. Tempelherr. Und sonst? Nathan. Ein braver Mann! Bey dem sich Recha gar nicht übel wird Befinden. Tempelherr. Doch ein Christ! — Ich weiß zu Zeilen Auch gar nicht, was ich von Euch denken soll: — Nehmt mirs nicht ungut, Nathan. — Wird sie nicht Die Christinn spielen müssen, unter Christen? Und wird sie, was sie lange gnug gespielt, Nicht endlich werden? Wird den lautern Weizen, Den Ihr gesä't, das Unkraut endlich nicht Ersticken? — Und das kümmert Euch so wenig? Dem ungeachtet könnt Ihr sagen — Ihr? — Daß sie bey ihrem Bruder sich nicht übel Befinden werde? Nathan. Denk' ich! hoff' ich! — Wenn Ihr ja bey ihm was mangeln sollte, hat Sie Euch und mich denn nicht noch immer? — Tempelherr. Oh! Was wird bey ihm ihr mangeln können! Wird Das Brüderchen mit Essen und mit Kleidung, Mit Naschwerk und mit Putz, das Schwesterchen Nicht reichlich gnug versorgen? Und was braucht Ein Schwesterchen denn mehr? — Ey freylich: auch Noch einen Mann! — Nun, nun; auch den, auch den Wird ihr das Brüderchen zu seiner Zeit

339 Schon schaffen; wie er immer nur zu finden! Der Christlichste der Beste! — Nathan, Nathan! Welch einen Engel hattet Ihr gebildet, 1 Den Euch nun andre so verhunzen werden! Nathan.

Hat keine Noth! Er wird sich unsrer Liebe Noch immer werth genug behaupten. Tempelherr.

Sagt Das nicht! Von meiner Liebe sagt das nicht! Denn die läßt nichts sich unterschlagen; nichts. Es sey auch noch so klein! Auch keinen Namen! — Doch halt! — Argwohnt sie wohl bereits, was mit Ihr vorgeht? Nathan.

Möglich; ob ich schon nicht wüßte, Woher? Tempelherr.

Auch eben viel; Sie soll — sie muß In beyden Fällen, was ihr Schicksal droht, Von mir zuerst erfahren. Mein Gedanke, Sie eher wieder nicht zu sehn, zu sprechen, Als bis ich sie die Meine nennen dürfe, Fällt weg. Ich eile . . . Nathan.

Bleibt! wohin? Tempelherr.

Zu ihr! Zu sehn, ob diese Mädchenseele Manns genug Wohl ist, den einzigen Entschluß zu fassen Der ihrer würdig wäre! Nathan.

Welchen? Tempelherr.

Den: 1 „Was hattet Zhr für einen Engel da gebildet," in vem ersten Drucke.

340 Nach Euch und ihrem Bruder weiter nicht Zu fragen —

Hat I) a n. Und?

Tempelherr. Und mir zu folgen: — wenn Sie drüber eines Muselmannes Frau Auch werden müßte. Uatl) an. Bleibt! Ihr trefft sie nicht, Sie ist bey Sittah, bey des Sultans Schwester.

T e m p e l h e r r. Seit wenn? warum?

U all) an. Und wollt Ihr da bey Ihnen Zugleich den Bruder finden: kommt nur mit.

Temp elherr. Ten Bruder? welchen? Sittah's oder Recha's? Nathan. Reicht beyde.

Kommt nur mit!

Ich bitt' Euch, kommt! ((>r fiitut Um nur.)

Sechster Auftritt. 2fnie

in Sittah'g Harem,

littst I) und Rechn in Uiiterl'altniig beqriffen.

5» ittstl). Was freu ich mich nicht deiner, süsses Mädchen! — Sey so beklemmt nur nicht! so angst! so schüchtern! — Sey munter! sey gesprächiger! vertranter!

N tch a. Prinzessin», . . . ; 11 st i). Nicht doch! nicht Prinzessinn!

Neun

Mich Sittah, — deine Freundinn, — deine Schwester. Nenn mich dein Mütterchen! — Ich könnte' das Ja schier auch seyn. — So jung! so klug! so fromm!

341 Was du nicht alles weißt! nickt alles mußt Gelesen haben! U r dj a. Ich gelesen? — Sittah, Du spottest deiner kleinen albern Schwester. Ich kann kaun: tefeit.

distal) Kannst kaum, Lügnerinn!

R r d) a. Ein w> enig meines Baters Hand! — Ich memite, Du sprächst von Büchern. 5* i 11 fl I).

Allerdings! von Büchern.1 ürd) fl. Nun, Bücher wird mix wahrlich schwer zu lesen! — S* 111 fl h

Im Ernst?

\\ r dj fl. In ganzen! Ernst.

Mein Bater liebt

Die kalte Buchgelehrsamkeit, die sich Mit todten Zeichen ins Gebirn nur drückt, Zu wenig.

Nathan! — Allerdings! So ists! Er selbst ist todt. Ich kam erst mit der letzten Verstärkung unsers Ordens. — Aber, aber — Was hat mit diesem allen Recha's Bruder Zu schaffen? Nathan. Euer Vater . . . Tempelherr. Wie? auch den Habt Ihr gekannt? Auch den? Nathan. Er war mein Freund. Tempelherr. War Euer Freund? Ists möglich, Nathan! . . . Nathan. Nannte Sich Wolf von Filneck; aber war kein Deutscher . . . Tempelherr. Ihr wißt auch das? Nathan. War einer Deutschen nur Vermählt; war Eurer Mutter nur nach Deutschland Auf kurze Zeit gefolgt . . .

355 Tempelherr. Nicht mehr! Ich Bits Euch! — Aber Necha's Bruder? Recha's Bruder . . . Nathan. 'Seyd -Ihr! Tempelherr. Ich? ich ihr Bruder? Necha. Er mein Bruder? Sittah. Geschwister! Sa lad in. Sie Geschwister! Necha.

(will auf ihn ZU)

Ah! mein Bruder! Tempelherr,

(tritt zurück)

Ihr Bruder! Necha. (hält an, und wendet sich zu Natban)

Kann nicht seyn! nicht seyn! Sein Herz Weiß nichts davon! — Wir sind Betrieger! Gott! Jaladin. lzum Tempelherrn)Betrieger? wie? Das denkst du? kannst du denken? Betrieger selbst! Denn alles ist erlogen An dir: Gesicht und Stimm und Gang! Nichts dein! 1 So eine Schwester nicht erkennen wollen! Geh! Tempelherr, (sich demüthig ihm nahend'» Mißdeut auch du nicht mein Erstaunen, Sultan! Verkenn' in einem Augenblick', in dem Du schwerlich deinen Assad je gesehen, Nicht ihn und mich! (auf Nathan zueilend)

Ihr nehnlt und gebt mir, Nathan! Mit vollen Händen beydes! — Nein! Ihr gebt 1 Zn dem ersten Drucke: Betrieger selbst! Denn alles ist an dir erlogen. Gesicht und Stimm und Gang! Nichts teilt! nichts dein!

356 Mir mehr, als Ihr mir nehmt! unendlich mehr! (Necha um den Hals fallend)

Ah meine Schwester! meine Schwester!

Nathan. Blanda Von' Filneck!

Tempelherr. Blanda? Blanda? — Recha nicht? Nicht Eure Recha mehr? —- Gott! Ihr verstoßt Sie! gebt ihr ihren Christennamen wieder! Verstoßt sie meinetwegen! —- Nathan! Nathan! Warum es sie entgelten lassen? sie! Nathan.

Und was? — O meine Kinder! meine Kinder! — Denn meiner Tochter Bruder wär mein Kind Nicht auch, — sobald er will? (Indem er sich ihren Umarmungen überläßt, tritt Saladin mit unruhigem Erstaunen zu seiner Schwester.)

Sa ladin. Was sagst du, Schwester?

Sittah. 3d) bin gerührt . . .

Saladin. Und ich, — ich schaudere Vor einer größern Rührung fast zurück! Bereite dich nur drauf, so gut du kannst.

Sittah. Wie?

Sa lad: n. Nathan, auf ein Wort! ein Wort! — (Indem Nathan zu ihm tritt, tritt Sittah zu dem Geschwister, ihm ihre TheUnehmung zu bezeigen, und Nathan und Saladin sprechen leiser.)

Hör! hör doch, Nathan! Sagtest du vorhin Nicht — ? Nathan.

Was?

Saladin. Aus Deutschland sey ihr Vater nicht

357 Gewesen; ein gebohrner Deutscher nicht. Was war er denn? wo war er sonst denn her? Nathan. Das hat er selbst mir nie vertrauen wollen. Aus seinem Munde weiß ich nichts davon.

Aal ad in. Und war auch sonst kein Frank? kein Abendländer?

Nathan. O! daß er der nicht sey, gestand er wohl. — Er sprach am liebsten Persisch . . .

A a l a d l n. Persisch? Persisch Was will ich mehr? — Er ists! Er war es! Nathan. Wer?

A a l a d i n. Mein Bruder! ganz gewiß!

Mein Assad! ganz

Gewiß!

N a t h a n. Nun, wenn du selbst darauf verfällst: — Nimm die Bersichrung hier in diesem Buche! (ihm das Brevier überreichend.)

S a l a d i n. Ah! seine Hand!

(es begierig aufschlagend.

Auch die erkenn' ich wieder! Nathan.

Noch wissen sie von nichts!

Noch stehts bey dir

Allein, was sie davon erfahren sollen! S

a l a d i n.

(indeß er darinn geblättert)

Ich meines Bruders Kinder nicht erkennen? Ich meine Neffen — meine Kinder nicht? Sie nicht erkennen? ich?

Sie dir wohl lassen? (wieder laut)

Sie sinds! sie sind es, Sittah, sind!

Sie sinds!

Sind beyde meines . . . deines Bruders Kinder! (er rennt in ihre Umarmungen.)

Aittah.

(ihm folgend)

Was hör' ich! — Konnts auch anders, anders sehn!

358 Sa 1 adin.

(zum Tempelherrn)

Nun mußt du doch wohl, Trotzkopf, mußt mich liebenl (zu Rechn)

Nun bin ich doch, wozu ich mich erboth? Magst wollen, oder nicht! «gilt ab-

Ich auch! ich auch! S a l a - i n.

(zum Tempelherrn zurück)

Mein Sohn! mein Assad! meines Assads Sohn! T e m p e l h e r r. Ich deines Bluts! — So waren jene Träume, Womit man meine Kindheit wiegte, doch — Doch Mehr als Träume! (ihm zu Füssen fallend.) £ 01 st t) i 11.

(ihn aufhebend)

Seht den Bösewicht! Er wußte was davon, und konnte mich Zu seinem Mörder machen wollen! Wart! (Unter stummer Wiederhohlung atterseitlger Umarmungen fällt der Vorhang.)

Anhang.

Dämon, oder

die wahre Freundschaft. Ein Lustspiel in einem Aufzuge, von

Gotthold Ephraim Lessing. 1747.1

Personen. Die Wittwe. Leander.

D a m o n. Oron te. Li fette.

Der erste Auftritt-. Die Wittwe. Lifette.

Li fette. Nun, das ist wahr, unser Haus hat sich in kurzem recht sehr geändert. Noch vor acht Tagen war es ein belebter Sammelplatz von unzähligen jungen Herren und verliebten Narren. Alle Tage haben sich ihrer ein Paar verlohren. Heute bleiben die weg; morgen folgten ein Paar andre nach, und übermorgen desgleichen. Gott sey Dank! zwey sind noch übrig geblieben. Wenn die sich auch abfinden sollten: so wird unser Haus zur Einöde. Madame . . . Madame! 1 In den Ermunterungen zum Vergnügen des Gemüths. 1747. Siebentes auch unserm ehrlicken Schul­ meister allhier Claus Steffen eine Rolle geben.

Erster Aufzug. Erster Austritt.

Das Theater stellt den Plaz vor des Polinello Hause vor. Es treten auf Ein Chor Kranker und EUbrio. Unter den Kranken kan man allerhand beliebige wunderbare Figuren aufführen; Leute mit Buckeln, mit Stelzen, ohne Hände und Füße, wo möglich auch ohne Kopfs. Will man was recht besondres machen, so kan man einige in Betten auf den Schauplaz tragen, oder sie durch den Himmel mit Stricken hernieder laßen, weil doch wahrscheinlich ist, daß es um das Hauß eines großen Arztes sehr gedrenge seyn müssen. Bey dieser Gelegenheit wäre also das Flugwerk auf eine sehr natürliche Weise anzubringen. Die Kranken singen folgendes, und Herr Olibrio, welcher mitten inne stehen muß, schlägt den Tackt. Chor.

. Preiset! Preiset unsern großen Arzt! Der durch Pulver, Pillen, Harzt

425 Uns curiret, Und dem Tod entführet. Man merke, daß die Kranken hin und wieder in dem Singen Fehler machen müßen, damit die Wahrscheinlichkeit, wieder welche man bisher in den Opern so vielfältig verstoßen hat, desto beßer beobachtet werde. Uebrigens wird man wohl thun, wenn man das Chor etliche 20 mal wiederhohten läßt; denn ich besorge, der erste Actus möchte etwas kürzer gerathen, als die übrigen zwey. Nach dem Chore folgt, wie billig ein Recitativ. Olibrio.

Was hat man nicht vor Müh mit deutschen Kehlen, Die, wenn sies hundertmal gehört, Doch hundertmal noch fehlen. Ihr Ochsen lernt doch einmal singen, Sonst wird mirs wenig Ehre bringen. Zumal du Esel, da----------Einer von den Aranken.

Je Herr------- ich-------- stott-------- re-------- ja. Olibrio.

Nu, dasmal mag es seyn, Doch morgen stellt euch wieder ein. Denn was kan billiger wohl seyn, Als daß ihr euern Arzt mit Singen preiset, Der seine Kunst an euch beweiset?

Die jh anten geben ab

Andrer Auftritt. Oltbrio. Polinello.

polinello.

Mein lieber Herr Olibrio Ich bin entsetzlich froh, Daß man durch ihr Bemühn, Mir so viel Ehr erzeugt, Und auf der Gaße gar von meinem Ruhm nicht schweigt. Olibrio.

Ich thue nichts, als meine Schuldigkeit,

426 Und bin bereit, Noch mehr zu thun. So bald ich werd in ihrer Tochter Armen ruhn. Polinello.

Ey das hat seine Richtigkeit. Sie sind mein Schwiegersohn, Wenn es der Teuffel schon, Mit aller Teuffelhaftigkeit, Verwehren und verhindern sollte. Olibrio.

Doch wann erscheinet denn der Tag, Wo mich mit zärtlichem Entzücken Die Venus wird beglücken? Der Tag, der dreymal seelge Tag, Den sie so offt verschoben haben! Erschein! Erschein! Ich sterbe, Vor langem Harren sterb ich noch. Vergeblich Harren! So herbe Forse il morir non e. Doch ja er kömmt, der Tag, Da ich dir zeugen mag, O grausame Lominte, Ch’io nacqui fol per te. Bey der ersten Wiederhohlung dieser vortrefflichen Aria, will ihm Polinello ins Wort fallen. Olibrio winkt ihm aber. Bey der andern Wie­ derholung will er abermals reden, Olibrio aber schlägt ihn aufs Maul. Sobald er beschloßen sagt er ganz hastig Olibrio.

Zum Henker laßen Sie mich doch Erst meine Aria zu Stande bringen. polinello.

Wer wird denn einerley so offtmals singen? Ich habe ja wohl noch Gottlob und Dank, gesunde Ohren. Olibrio.

Allein wie leicht geht nicht ein Wort, ein Ton verlohren?

427 Und jedes Wort, und jeder Ton Ist in den Opern Goldes werth, Zumal wenn man mich hört.

PolintlU. Nu, nu, ich glaub es schon, Erzürnen sie sich nicht, Herr künfftger Schwieger Sohn; Es möchte Kind und Enkeln schaden. Der Zorn fährt in die Waden; Und in den Waden steckts, wie wir es Aerzte wißen. Doch, wenn sies nicht erwarten können, Und gar so sehr vor Liebe brennen, Nun gut so sollen sie als Braut Noch heute meine Tochter küßen. Topp! heute sind sie noch getraut! Vlidrio.

Noch heute? heut? o himmlisch Licht! O welche Götter Wollust werd ich fühlen! Gegen das Orchester

Verdammt! Ihr Herren, konntet ihr nicht Die Zeilen Arioso spielen? Sie warens, dacht ich, wohl noch Werth. Doch wird Lomintens Grausamkeit Auch ihres Vaters Willen weichen? Sie liebet seit geraumer Zeit Den Herrn Octavio. Polinrllo.

Ho! Ho! Der soll sie nicht erschleichen. Mein lieber Herr Octavio Laß er sich rathen, mach ers so------- er wischt sich das Und geh er seinen Gang. O geh er! geh er! großen Dank! Was? so ein Narre soll mein Kind------ ? Gleich will ich zu ihr gehen Sie sollend sehen, sie sollend sehen------ (will gehn)

Maul

428 Vlibrio.

Gedult, weil wir beysammen sind, So laßen sie uns erst ein klein Duetto singen. Polinello.

O! ein Duetto ist zu schwer, Das würd' ich nicht.zusammen bringen. Ich danke Gott daß ich mit Müh und Noth kan ein Recitativ singen. Ehe ich durch sie so eine große Liebe zur Musick bekam, konnte ich gar nicht singen. Es hat sich aber doch seit dem ein wenig gegeben. Nicht wahr? Ja — jezo bin ich schon so ein ziemlicher Operiste. Drum habe ich auch in meinem Hause ganz weißlich verordnet, daß fein alles gesungen wird. Es klingt noch einmal so gut. Ich singe auch meistentheils bey den Kranken, wenn ich Arzeneyen verordne. Es haben mich zwar einige ausgelacht, aber die Narren wißen nicht, daß ich es nur deßwegen thu, damit man doch einen wahrscheinlichen Grund angeben könne, warum in dieser Oper alles gesungen wird. Den Grund pflegen die Herren Opern­ schreiber sonst immer zu vergehen. Vlibrio.

Doch schähmen sie sich nicht So viel ohn Reim und Tackt zu sprechen? Polinello.

Nu, nu, das müßen sie nicht rechen, Was man so incidenter spricht. Ich geh, sie sollen sehen was ein Mann Und was ein Vater kan. Vlidrio.

Ich werde sie begleiten. Polinello.

O laßen sies nur seyn; es hat nichts zu bedeuten. Sie haben doch Ein Wort wohl im Vertrauen noch Dem auditorio ins Ohr zu sagen? Vlibrio.

Nein dasmal nichts. Polinello.

O das ist zu beklagen.

429 Vlibrio.

Allein sie haben es um das Duett gebracht, gehen ab.

Vritter Jluftritt. Lomint«. Lt fette.

Lisettk. So kommen sie doch fort, Der Schauplaz bleibt ja ledig. Lominie.

Nu, nu, Lisette, gnädig. Entläufst uns denn der Ort? Ich kann beynah vor Schmerz und Traurigkeit nicht fort. Ich sorg, ich sorg- mein Vater wird mich zwingen. Lisette.

O zwingen mag er immerhin, Nur lassen sie sich nicht bezwingen. In der Musick ist der Unterscheid von zwingen und bezwingen ganz vortrefflich ausgedruckt. Und die Coleratur, die auf der Syllebe b e liegt, ist ausnehmend schön. Man darf sich nicht etwa daran stoßen, daß es eine Zeile aus dem Recitativ ist. Einem Meister steht so eine Freyheit schon frey. Der gute Schöps, denkt er denn, daß ein Mägdchen sich Nichts wünscht als einen Mann Der trefflich geigen kann? Geige hin und geige her Du geigest dennoch hinterm Steg; Flavio Onicio Olibrio Du kriegst nimmermehr Meine Jungfer weg. Geige hin und geige her. Da lob ich mir den Herrn Octavio Er geiget auch ein Bißchen vor das Hauß Doch macht er nicht sein Handwerk draus. Und haben wir ihm nicht schon unser Wort gegeben?

430 Lomirrte. Ja, sonder ihn kan ich nicht leben. (Sie weint erschrecklich) Liselte. Sie sollen ja auch nicht. Es liegt Lisettens Ehre dran Daß sie es halten kan, Was sie verspricht. Wer wird denn gleich so schrecklich weinen? Ein Bißchen gehet wohl in einer Oper an. Man muß nicht gar zu ängstlich scheinen Um einen leidgen Mann. Doch St! da kommt er selbst mit seinem Diener an.

Vierter Auftritt. Es wäre zwar nicht nöthig, daß man das Theater hier veränderte, doch weil es schon ganzer 3 Auftritte durch einerley geblieben ist, so er­ fordern es die Regeln einer in omnibus numeris absoluten Oper. Man wird derohalben den Ort zwar selbst beyzubehalten, doch einige andre Auszierungen deßelben anzubringen, und besonders den Prospekt zu ändern belieben. Variatio delectat. Octavio. Marelli. Lominte. Liselte.

431

Werber sind Weiber. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. ME. — optumu faeminn------ EV ubi ea est? quis ea Est nam optuma? — — — — — — Nam optuma nulla polest eligi. alia aha Pejor — est — — — Plaut us Berlin 1749.

Erster Aufzug. Erster Auftritt. Hilaria. Laura. SSifette.

Nu ja. Solchen Männern glauben sie noch die geringste Treue schuldig zu seyn? Es ist nun beynahe 3 Jahr, daß sie wieder Wißen und Willen ihrer Weiber davon gegangen sind. Sie haben zwar Zeit gehabt, daß sie gegangen sind, wenn sie nicht wollten in Verhasst genommen werden. Aber hätten denn die Schufste von Ehemännern ihnen seit der Zeit nicht einige Nachricht geben können? Keinen Hund, keinen Buchstaben haben sie mehr von ihnen gesehen. Ist denn daraus nicht offenbar, daß sie sich ihres Rechts gutwillig begeben haben? Das beste ist, meine lieben Madames, daß sie nicht viel an den Schurken verlieren. Sie können abkommen. Beyde können sie abkommen. Ich habe sie zwar nicht selber zu kennen die Ehre gehabt, das wißen sie. Aber nach ihrer eignen Beschreibung, so ist der eine ein Verschwender, der andre ein Verthuer gewesen. Der eine hat sein Geld verspielt, der andre hat es in Pharao verlohren. Der eine hat seine Frau versäumet, der andre hat sie braache liegen laßen. Der eine hat es mit andern Weibern ge­ halten, und der andre mit seines Nachbars Weibe. Kurz, es sind Brü­ der dem Leibe und der Seele nach gewesen. Den einzigen Unterscheid

432 ausgenommen, daß der eine seiner Frau wenigstens allen Willen gelaßen, der andre aber gegen die feinige noch darzu ein rechter unsinniger Wieterich gewesen ist.

Der Unterscheid ist gleichwohl groß genug, daß sie

wenigstens, Laura---------------Aber sie laßen mich auch ganz alleine reden. Stehe ich denn auf der Kanzel? Darss denn niemand darzwischen reden? Warum reden sie nicht, Madame Laura----------Madame Hilaria-----------Aber was? weinen.

Das ist ein artiger Anblick---------- Sie lachen.

Und sie

Warum lachen sie, Madame Hilaria? Warum weinen sie, Ma­

dame Laura? Nun sehe ich, daß es unmöglich ist zweyen Herren zu dienen. Soll ich mit ihnen lachen?

Soll ich mit ihnen weinen?

Soll ich viel­

leicht lachen und weinen zugleich? Hilaria. ftfcttr.

Mache was du willst. Ich werde also weder lachen noch weinen.

zu beyden noch keine Ursache.

Denn ich habe

Aber entdecken sie mir doch den Grund

ihres Kummers?

Laura.

Ten Grund meines Kummers?

Er ist euch so wohl als mir bekannt.

Lisette kan noch fragen?

Einen Mann, einen liebenswürdigen

Mann vermißen, und in Gefahr seyn, ihn auf ewig zu vermißen--------— Ach! kan man meine Thränen unbillig schelten? Li seile.

Also haben sie wohl ihren Mann geliebt.

erste was ich höre.

Das ist das

Sie sind sehr verschwiegen damit gewesen.

wette, Leander hat es selbst nicht gewust.

Und ich

Ein liebenswürdiger Mann

----------bey dem das Zanken das tägliche Brod- gewesen ist. einmal bey dem Zanken hat bewenden laßen.

Der es nicht

Entweder Clitander ist nicht

so arg gewesen, als sie und andre mir ihn beschrieben haben, oder---------

Laura. Nicht so arg? Man kan ihn nimmermehr so arg beschreiben, als er gewesen ist.

Lisette. Und doch weinen sie um ihn? Laura. Es war ein Teuffel von einem Manne. Lisette.

Laura. Lisette. Laura.

Und doch weinen sie um ihn? Unmöglich kan es ihm in der Welt wohl gehen. Der liebenswürdige Mann! Aber das betrübt mich eben, daß ihn vielleicht Gott meinet­

wegen jezo heimsucht. jetzo ihm geht.

Wer weiß wo er jetzo ist; wer weiß wie übel es

Ach mein allerliebster Leander!1

‘ Stand erst ClStander.

Ich vergebe dir alles,

433 was du mir zu viel gethan hast.

Deine Uebereilung, deine Trunken­

heit —---------

iTifette.

Weinen sie nur, Madame, weinen sie.

Vielleicht straft

sie der liebe Gott, daß er wieder kömmt, und alsdann werden ihre Thränen billig seyn.

Wenn ihre Thränen nod) Thränen deS Verdrußes, und des

Andenkens, wie viel sie bey ihm ausgestanden, wären---------------

Laura.

Ach, Lifette, hört er denn auf deßwegen mein Mann zu

seyn, weil er mich übel gehalten hat?

Lifette.

Aber ihre Verbindlichkeit hört auf ihn zu lieben.

sie was sie wollen.

Ich sehe es allzuwohl.

Thränen, das ist Thränen ohne Ursache.

Sagen

Ihre Thränen sind Weiber-

Oder aufs höchste Thränen des

Eigensinnes.

Laura.

Ihr seyd eine Närrin

Lifette.

Was würden die Leute

sagen---------

Lifette.

Und also weinen sie nur die Leute zu hintergehn?

Ihre

Thränen sollen der Welt das glaublich machen, was ihre Aufführung gegen ihren Mann doch so deutlich wiederlegt hat?

Und darzu, sie sind

sehr thörigt, daß sie nach dem Ruhme einer treuen, und außerordentlich treuen Frau so geitzen. sehr klein.

Dieser Ruhm ist jetzo in den Augen der Welt

Denn diese theilt sich nur in zwey Haussen.

Der eine hält

diese Tugend bey einem Frauenzimmer für lächerlich und abgeschmackt. Der andre für falsch und erlichtet. andre achtet sie nicht.

Der eine glaubt sie nicht, und der

Wir müssen uns jeziger Zeit durch ganz andre

Eigenschafften beliebt machen. Laura. Es ist schlimm genung, daß die Tugend so wenig geachtet wird.

Lifette.

O die Tugend, die keinen andern Grund hat, als ein

was werden die Leute sagen, die verdient diesen Tittel sehr wenig. Von Gott und Rechts wegen sollten sie lachen, Madame Laura, und sich freuen, daß sie eines Mannes loß seyn, den sie selbst nicht genug tadeln können.

Und wenn ja eine von ihnen beyden weinen wollte, so würde

es an sie kommen, Madame Hilaria.

Denn Männer, die sich ihrer

Weiber wegen ruiniren, sind jezo sehr rar.

Sie möchten wohl keinen

seines gleichen wieder finden. Hilaria.

Das kan schon wahr seyn.

hätte ich das Ursache? auch seine Fehler hatte.

Aber ich weinen? Ich! Was

Mein Mann war eine ehrliche Haut, ob er gleich Und dafür war er eine Mannsperson.

Lessrnq. sammt!. Werke. II

26

Ich war

434 ihm rechtschaffen gut. Ich bin ihm auch jezo noch gut, so gut, als man einem Manne in seiner Abwesenheit seyn kan. Aber was hülffe mir meine Betriebniß? Er kömmt nicht wieder; nun gut, so mag er weg­ bleiben. Wenn es ihm an einem Orte beßer geht, als es ihm hier gehen würde, warum sollte ich es ihm nicht gönnen? Unterdeßen kan ich mir ein unschuldiges Vergnügen mit meinen närrischen Freyern machen. Li fette. O die hat ihr Herr Vater ziemlich verjagt. Und es ist ihnen noch der einzige Herr Segarin übrig geblieben. Hilaria. Das ist es eben, was mir noch einigen Verdruß machen könnte, wenn ich nur im geringsten darzu aufgelegt wäre. Ein Frauen­ zimmer wie ich nur einen Freyer zu haben? Das kränkt; das ist uner­ träglich. Und wo sich nicht bald wieder neue bey mir melden, Schwester, Schwester, so wirst du deinen Herrn Wohlklang am längsten gehabt haben. Glaubst du nicht, daß ich reihend genug bin ihn dir abspänstig zu machen? Laura. O Hilaria, was verräthst du vor ein niederträchtiges Ge­ müth? Ist das die Treue, die du deinem Manne an dem heiligen Altare geschworen? Ueberlegst du denn gar nicht, was die Welt von dir sagen wird? Hilaria. O, ich sage von der Welt was ich will, und die Welt hat eben das Recht über mich. Lifette. (zur Laura) Aber gleichwohl scheint es, als ob ihnen der Verlust des Herrn Wohlklangs etwas nahe gehen würde, trotz der Liebe gegen ihren abwesenden Mann? Laura. O Eure Reden quälen mich, schweigt, Lisette. Hilaria. Aber ich möchte nur ewig wißen, was unsern klugen Vater auf den närrischen Einfall gebracht hätte, alle unsre Freyer ab­ zuweisen, und just die zwey schlechtesten zu behalten, die er mit der ungegründesten Hoffnung von der Welt schmeichelt. Ein närrischer Musicus und ein abgedankter holländischer Capitain----------Llseite. Er hätte sie für sich nicht beßer Wehlen können. Diese zwey Leute besitzen, was er nicht besitzt, und er besitzt, was sie nicht besitzen. Ist es denn also sehr zu verwundern, daß sie so wohl mit ein­ ander zusammenstimmen? Ihr Herr Vater hat Geld, und das fehlt bey­ den. Ursache genug, sich vor seiner Töchter Freyer auszugeben. Bey dem einen lernt er dafür singen, weil er es troz der Natur, die ihm Ton und Gehör versagt hat, lernen will. Und der andre erzehlt ihm

435 dafür seine Schlachten und Heldenthaten, weil er durch die Bewundrung fremder Tapsferkeit den Mangel der feinigen zu ersetzen glaubt. Hilaria. Schweig Lisette. Da kömmt er gleich. Er braucht seine Lobrede eben nicht mit anzuhören.

Zweyter Auftritt. Hr. Seitenarm.

Und die Vorigen.

Hr. Seitenarm. Ha! hier sind sie. Ich will ganz säuberlich mit ihnen verfahren; vielleicht richten die guten Worte mehr aus als die bösen ------- Nu, ihr ungerathnen Töchter, werdet ihr bald aufhören euerm Vater zu widersprechen? Lisette. In der That, mein Herr, ihre Anrede ist sehr verbindlich. jQr. Seit. Nicht wahr, Lisette? (sachte zu ihr) Höre, ich habe immer sonst gegen sie das rauche herausgekehrt. Allzuscharf kan nicht gut thun. Ich wills einmal in der Güte mit ihnen versuchen. Lisette. Schon recht, schon recht. Hr. Seit. Bedenkt doch, daß euch eure Mutter, 9 Monate unter ihrer Brust, mit großer Gefahr und Angst getragen hat. Und, ihr Wiederspänstigen, wollt mirs so belohnen? Lisette. Höflich genung, wahrhafftig. jQr. Seit. Glaubt ihr, ihr Brodfreßer, die ihr nichts verdienen könnt, daß ich euch noch länger in meinem Hause leiden werde? Lisette. Sie werden allzugütig, Herr Seltenarm. flr. Stil Ich thu es mit Bedacht. Ich thu es mit Bedacht. Ich habe euch schon mehr als einmal gedroht, euch aus meinem Hause zu stoßen, mich eurer ganz zu entziehen, wann ihr mir nicht folgen wollt. Meiner Gütigkeit habts ihr einzig und allein zu verdanken, daß ich diese Drohung jezo nicht wiederhohle. Aber glaubt gewiß, ich erfülle sie. Lisette. Was vor ein Ueberfluß väterlicher Liebe? Hr. Seit. Ihr gottlosen Kinder------- Lisette, ists so recht? Lisette. Mehr als zu recht. Hr. Seit. Wollt ihr mich denn noch vor der Zeit unter die Erde ärgern? Gott wird euch straffen, gebt acht! Ist das gelinde? Lisette. Lisette. O vortrefflich! Hr. Seit. Bedenkt doch, daß ungehorsame Kinder verflucht sind.

436 sisrttr.

Wie zärtlich!

Laura.

Sie beschuldigen uns des Ungehorsams?

Wie könnten wir

ihnen mehr gehorsam seyn, als wenn wir denjenigen Männern treu ver­ bleiten, die sie uns selbst gewehlt haben? Hr

5rlt.

genung gesagt,

Schweig

du Scheinheilige!

Habe ich denn nicht oste

daß die Herrn Consistorialräthe fast alle meine guten

Freunde sind, und daß ich eure Ehescheidung augenblicklich erlangen kan? Hilaria.

Ehescheidung? Warum sollten wir von unsern Männern

geschieden werden, mit denen wir doch auf das allerfriedlichste leben? Die uns in drey Jahren nicht die geringste saure Mine gemacht haben. Tie uns in der Zeit haben thun laßen, was wir nur selber gewollt. Wenn man ja Männer haben muß, so sind dieses die besten.

Je weiter

von uns, je beßer für uns. flr. Seit. gültig seyn?

Ey sieh!

Kanst du bey deinem Wittwenstande so gleich­

Darhinter muß was stecken.

Beynahe komme ich auf die

Gedanken--------- Nu, nu, ich wills gewiß erfahren, ich wills gewiß erfahren. fjilstriö.

O! ich will ihnen alles selbst sagen, was sie nur von

mir erfahren können.

Sie wißen, daß ich mich mit meinem Manne,

so lange wir beysannnen gewesen sind, sehr wohl vertragen habe.

Warum

sollte ich mich nun, ohne sein Verschulden, seiner entziehen? Hr. S eit.

Ohne sein Verschulden? Ist er nicht zum Bettler worden?

Ist er nicht davon gegangen? Hilaria. Ursache haben.

An dem ersten könnte ich wohl selbst unschuldiger Weise Und mit feinem Weggehen hat er

keinen großen Verdruß verursacht.

mir nun

eben auch

Es fehlt mir ja in seiner Abwesenheit

an nichts, und ich habe über nichts zu klagen,

als über ihr ungestiemes

Anhalten, mich, da ich den ersten Mann noch habe, dem andern schon zn überlaßen.

Ein ganz anders wäre es, wenn er gestorben wäre, oder

wenn ich gewiß wüßte, daß er mich gänzlich vcrgeßen habe.

So lange

als eines von beyden nicht ist, so lange —---------------Hr.

11.

Mag der Vater singen und sagen----------es wird doch

nichts draus. fjilarm

Es ist gut, daß sie mich der Mühe es selbst zu sagen

überheben. Hr. Seit. Hilaria.

Wenn er aber nun gestorben wäre?

He!

O alsdann---------- alsdann werde ich mein Herz ohne

437 Bedenken an einen andern schenken; und zwar an den, der mir am besten gefiele, nicht aber an den, den sie mir vorschreiben würden------gelt ab)

Dritter Auftritt. Hr. Seltenarm.

Laura.

Lisette.

Hr. Seit. Das ist brav! Laura. Ach, Gott, wie leichtsinnig ist meine Schwester! Nein, mein liebster Leander, du magst sehn wo du willst, es mag dir gehen wie es gehe, ich will allezeit als eine treue und rechtschaffne Frau an dir handeln. Gott laße mir nicht die traurige Nachricht von deinem Tode erfahren! Mit Kummer und Traurigkeit würde ich den übrigen Rest meiner Tage zubringen. Und die größte Wohlthat, die mir der Himmel alsdann erzeugen könnte, wäre, das Ende meines elenden Lebens zu beschleinigen, um mit dir in jenem Leben bald wieder vereinigt zu sehn. (gebt ab)

Vierter -Auftritt. Hr. Seltenarm. Lisette.

Lisette. Herr----------Hr. Seit. Nu — — — Lisette. Unmöglich sind alle behde ihre Töchter. Hr. Seit. Warum das? Lisette. Ja. Ja. Aufs höchste können sie nur von einer Vater sehn. Hr. Seit. Narre, sie sind ja alle behde von meiner Frau. Lisette. Daran zweifle ich nicht. Aber müßen sie denn deßwegen alle behde von ihnen seyn? Hr. Seit. Von wem sonst? Lisette. Wenn ich ihre Frau gewesen wäre, so könnte ich ihnen nähere Nachricht geben. Laura und Hilaria sind von so unterschiedner Gemüthsart, daß sie ohnmöglich einen Vater haben können. Hr. Seit. Meine Frau kann sich wohl mit der einen an jemanden versehen haben, daß sie also ihrem Vater nicht hat nachschlagen können. Lisette. So? Erstreckt sich das Versehn auch bis aus die Seele? Das ist das erste, was ich höre. Hr. Seit. Ja, sie sind ja auch bey alledem einander noch ziemlich

438 gleich.

Du siehst ja, daß sie alle beyde ihren Männern treu und mir

ungehorsam bleiben wollen. Li seit e.

Die Gottlosen!

Aber der einen ihr Leichtsinn, und der andern ihre Be­

trübniß, wie sind denn die mit einander zu vergleichen? Hr. Seit.

O! was sich nicht vergleichen läßt, das----------läßt sich

nlcht vergleichen.

Aber Lisette, laß uns doch auch von unsrer Sache

etwas reden. Lisette.

Was ist das vor eine Sache?

Hr. Seit. Llsette.

Je, unsre Sache--------------Ich weiß nicht, was sie wollen.

Hr. Seit. Lisette. soll.

Je Närrchen--------------Ha! ha! Aus dem Närrchen merke ich bald, was es seyn

Nein, damit schweigen sie nur vor jezo stille--------Hr. Seit. Lisette.

Aber bist du nicht ein dummes Thier?--------Das sind allerliebste Carreßen---------

Hr. Seit. Llsette.

Alberne Hure, ich meyne es ja nicht so arg--------O, immer beßer und beßer.

Hr. Seit.

Nu,-das ist wahr.

Dümmer, alberner, und närrischer

kan wohl auf der Gotteswell kein Mädel seyn, als du bist. ja, daß alles zu deinem Besten seyn soll.

Du siehst

Ich bin dem Aase so gut,

und gleichwohl--------------Llsette.

Und gleichwohl nennen sie mich ein Aas.

Hr. Seit.

Je, soll denn alles bey dir complimentirt seyn?

rede wie mirs ins Maul kömmt.

Ich

Die Complimente, die hundsfüttsche

Quark--------Lisette.

Kömmt ihnen der auch ins Maul?

Hr. Seit.

Ach, mache keine Poßen.

Sieh, wir könnten so hübsch

mit einander leben, als ich nimmermehr mit meiner Frau gelebt habe. Ich wollte dich zu meiner Ausgeberin machen--------- Lisette.

Und der Einnehmer wollten sie bleiben.

Für das Amt

bedank ich mich. Hr. Seit.

Ach, du willst mich nicht verstehen.

Aber, nim doch nur

dein Bißchen Verstand zu fantmen, siehst du denn nicht, daß du dir selber im Lichte stehest?

Wann du fein meine Töchter selbst zu einer neuen

Heyrath bereden wolltest, so bliebst du ja hernach alleine im Hause--------Lisette.

Und das mag ich eben nicht.

439 Hr. Seit.

So?

Du hättest die ganze Wirthschaft alsdann selber

zu führen, und ich wollte dir es nicht übel nehmen, wann du dir einen Pfennig

dabey

sammeltest.

Ich

wollte dir so gar deinen Lohn ver­

doppeln — Lisette.

So? Das ist, wenn ich mich jezv nur manchen Tag nicht

satt eßen kan, so wollten sie mich wohl alsdann ganze Wochen hungern laßen, und wenn ich jezo ganze Monate auf meine Bezahlung warten muß, so wollten sie mich alsdann wohl ganze Jahre lauren laßen.

Hr. Seit.

Bist du nicht ein gottloses Rabenaas!

ins Gesichte zu sagen?

Mir solch Zeug

Wenn es auch wahr wäre, muß mir es denn

der Alb---------- Aber, ich will dirs das mal noch verzeyhen.

Komm her

küße mir die Hand dafür.

Li fette. darzuhohlen.

Gedult einen Augenblick, ich will nur erst ihre Töchter (sie thut als wollte sie weggehn'

Hr. Seit. iTifette.

Bist du rasend?

Bleib da!

Bleib da!

Soll ich ihnen die Hand nicht küßen?

Ich thue alles,

was ich thue, gern vor aller Welt.

Hr. Seit.

Und ich nicht;

wer

weiß was meine Töchter denken

könnten, wenn du mir die Hand küßtest.

jCifette.

Sollten sie etwas dabey denken können?

Aber könnte ich

nicht auch was dabey gedenken, daß ich es nicht in Gegenwart ihrer Töchter thun soll?

Hr. Seit.

Desto beßer, wenn du was dabey gedenkst, wann du

nur das rechte gedenkest.

Aber schweig, laß dir nichts merken, Herr

Wohlklang kömmt---------£ifette.

Ha, ha!

Ihr Herr c. d. e. f. g.

Fünfter Auftritt. Hr. Seitenarm. Lifette.

Hr. Wohlklang.

Hr. Wohlklang.

Nun, mein Herr,

werden die Entschlüßungen

ihrer Frau Tochter bald mit unsern Absichten harmoniren?

Wie lange

soll noch diese, mir so widrige, Dißonanz anhalten? Wann wir Virtuosen uns sonst einer Dißonanz bedienen, so geschieht es aus keiner andern Absicht, als die übereinstimmenden Töne beßer ins Gehör fallen zu laßen. Aber diese übereinstimmenden Töne, wann werden sich mich einmal ergötzen?

440 Hr. Srlt. Ich habe ihr alleweile, was vorgespielt, sie will aber nicht darnach tanzen. Mein lieber Herr Wohlktang, ob ich sie gleich gerne zu meinem Schwiegersöhne haben möchte, denn sie sind doch nach ein ziemlich braver Kerl, so weiß ich doch nicht----------Hr. Wohlklang. O laßen sie den Muth nicht sinken. Hat Or­ pheus durch seine Leyer den Pluto und Cerberus bewegen können, warum sollte ich denn nicht ein eigensinniges Weibsbild durch die bezaubernden Striche meines Bogens bändigen können? Cifrtte. Sie müßen sich auf ihre Fiedel sehr viel einbilden. Hr. L elt. Ach nu, das könnte er auch schon mit Recht thun. Denn, bey niemer Treu, ich sag es ohne sie zu schmeicheln, sie sind ein Kerl, der es, hohl mich der Teuffel, mit manchem Cantor annehmen könnte. Hr. Wohlklang. O sie------Hr. Srlt Nein, nein, sie können mir gewiß glauben. Hr. Wohlklang. Aber ein Cantor------Hr Seit. Nu, nu, freylich sind es meistens geschickte Leute, gleich­ wohl aber sind sie auch kein schlechter Tropfs. Hr Wohlklang. Aber erlauben sie mir. Ich wüßte nicht, wie man mich mit einem Cantor vergleichen könnte. Hr. Seit. Ey, ey! Ich sage ja auch nur, sie würden es mit manchem annehmen. Sie sind ein Bißchen gar zu bescheiden. Hr. Wohlklang. Aber mein Gott, die Cantores sind ja meistens die unwißensten Leute in der Tonkunst. Hr. Seit. Ho! ho! Herr Wohlklang, besinnen sie sich. Besinnen sie sich. Sie wollen gar zu hoch herraus. Life Nr. Es ist auch wahr! Bedenken sie doch, was das sagen will. Ein Cantor! Ich habe wohl welche gekannt, die einen Halß halten, daß die Kirche davon erschitterte, und die einen Tackt schlagen konnten, daß die Schüler Beulen und Löcher im Gesichte, und auf dem Kopffe davon trugen. Hr. Srlt. Ja ja, und der Cantor bey dem ich in meiner Jugend sollte singen lernen-----Hr. Wohlklang Ach, mit ihrem Cantor. Sie haben ja meine Symphonien und Concerts gehört. Können sie denn daraus nicht zur Gnüge urtheilen, daß ich ein Virtuose bin? Wann ich sagte, daß ich in einer Kapelle in ganz Europa, jemals dergleichen gehöret hätte, so müsse ichs als ein ehrlicher Mann lügen.

441 Hr. S til. nicht tadeln.

Nu, nu, was ihre Symphonien anbelangt, die will ich

Ich glaube, sie werden sie im Himmel nicht beßer haben.

Hr. Wohtktang.

Und meine deutliche, gründliche,

und überzeu­

gende Lehrart ---------------Hr. SeU. sagen.

Ah die — die---------- Davon weiß ich am

besten zu

Wenn ich bedenke, was ich vor ein unwißender Kerl vordem in

der Musik gewesen bin,

und wie weit sie mich in kurzer Zeit gebracht

haben---------- Der Henker!------------------ Ich

muß mich schämen,------------

drum denke ich nicht einmal gerne daran---------- Ich wußte nicht einmal wie viel Töne waren---------- Weist dus, Lisette? jCifrtir.

Ich?

Hr. S’rlt. fifrttr.

Ich mags nicht wißen.

Ach, daß Gott! Auch nicht, was eine Tertie ist? Auch nicht.

Hr. Fett.

Psuy, schäme dich!

Aber weißt du denn wie viel Bier­

theil auf ein Ganzes gehn? jCifrttr.

Wißen sie, wie viel zehn Gebothe sind?

Hr. Seit. Vieh.

Auch das weist du nicht!

Du bist ja dümmer als ein

Ja, nu sieh, so sind die Leute, die die Musick verachten.

Hr.

Wohlklang, was geb ich sie, sie sollen mein ganzes Hauß insormiren. Mich und meine Töchter, Knechte und Mägde---------------Lisette.

Hund und Katze---------

Hr. Leit.

Denn ich glaube nicht, daß es ein ehrlicher Haußvater vor

Gott und der Welt verantworten kan, wenn er die seinigen in einer solchen erbärmlichen Unwißenheit stecken läßt. Was verlangen sie? sagen sie — — Hr. Wohtktang was wir längst

Sie dürffen sich ja nur gütigst an das erinnern,

unter uns abgeredt haben.

Alle meine Geschicklichkeit

steht ihnen alsdann umsonst zu Dienste. Hr. Seit. aus.

Nu, das gefällt mir.

Ich gebe so nicht gerne viel Geld

Sie sollen mein Schwiegersohn werden, es mag kosten was es will.

Und du Lisette, da du künftig freye Stunden in der Musick bekommen sollst, erzeuge dich erkänntlich.

Ich weiß, daß du bey meinen Töchtern

schon was ausrichten kannst, wann du nur willst. Mach, daß sich Laura je eher je lieber zum Zwecke legt. JQr Wohtktang.

Und Lisette hat uns bis jetzo noch nicht bey-

gestanden? Lisettr.

Nein, mein Herr.

442 Hr. Wohlklang. Hr. Selt.

Ey! ey!

Ha! Iezo ist mir was eingefallen.

Die List wird gehn.

Adieu, ich muß gleich Anstalt darzu machen. sifette.

Gut Glück darzu!

Sechster Auftritt. Lisette.

Hr. Wohl.

Wie

Herr. Wohlklang.

kömmts,

daß Lisette durch ihre Stimme unser

Chor nicht verstärken will?

sifette.

Wie kömmts, mein Herr, daß sie ihr noch keine Ursache

darzu geben? Hr. Wohl.

Keine Ursache?

Habe ich sie nicht offte genug darum

gebeten?

Lisette.

Bitten? Ja, ja, es kan dann und wann eine Ursache seyn,

aber hier----------

Hr. Wohl. Lisette.

Nu^ Was soll ich denn durch die Ursache verstehen?

Durch diese Ursache sollen sie verstehen, die gröste Ur­

sache, die nur in der Welt seyn kan. verständig, gelehrt heißen. zu Fuße gehn.

Die Ursache, warum Leute groß,

Warum sie in Kutschen fahren, da sie könnten

Die Ursache,

warum heßliche Mägdchen schön werden.

Die Ursache, warum die Herren Musici componiren, die Diebe stehlen, die Advocaten Advocaten sind, die Dichter singen, die Bettler weinen, die Aerzte Wind machen, die Taschenspieler hexen, die Juden Christen, und die Christen Juden werden, kurz die Ursache aller Ursachen----------die Hauptur — ur — Ursache----------Verstehen sie es nun?

Hr. wohl,

(bey Seite)

Wenn

ichs nur verstehen wollte,

(zu Llsetten)

Aber was soll ich mir aus dem Geschwätze nehmen?

Lisette.

Es thut mir Leid, mein Herr, daß sie sich nichts daraus

nehmen, und zugleich, daß ich ihnen in ihrer Sache also unmöglich die geringsten Dienste leisten kan.

Leben sie wohl.

Siebenter Auftritt. Segarin. Lisette. Wohlklang.

Sega rin.

Nein, nein, Lisette bleib da; dich eben hab ich gesucht.

Oder mein Herr Musicus, stehts ihnen etwa nicht an?

Ich habe auch

443 guten Rath von Nöthen; und kan ihn aus eben der Quelle, mit so gutem Rechte hohlen als sie. Hr. Wohlklang. O die Quelle ist an gutem Rathe sehr ver­ trocknet. Sie werden wenig Trost bey ihr finden. Li fette. Ja, mein Herr Capitaine, aber nur für Leute wie Herr Wohlklang ist. Segarin. Das dachte ich. Denn sie, Herr Musicus sind gar nicht der Mann, der mit Frauenzimmern umzugehn weiß. Hr. Wohlklang. O mein Herr Capitaine, wollten Sie nicht die hohe Gnade für mich haben, mich mit einem etwas vorzüglichern Tittel zu beehren. Ein Musicus, ein simpler Musicus ist etwas gar zu wenig bedeutendes. Der Tittel eines Virtuosen----------Segarin. Gut, gut, daß sie von den Titteln anfangen. Ich habe ihnen einen schärften Text darüber zu lesen. Herr Capitaine, Herr Ca­ pitaine schlecht weg, ist durchaus kein Tittel der mir ansteht. Es ist mancher schlechter Kerl Capitain gewesen. Ich aber stamm aus einem alten adlichen Geschlechte. Also wird sichs ganz wohl schicken, daß sie mich künftig den Herren Capitain von Segarin nennen. Hr. Wohlklang. O ganz unterthänigster Diener mein Herr Capitain von Segarin. Sie haben nur zu befehlen------Hr. Segarin. Und sie nur zu bitten, mein Herr Virtuose------Aber erweisen sie mir doch die Gefälligkeit und laßen sie mich mit Lisetten allein. Hr. Wohlktang. Bon Herzen gern. Ich empfehle mich ihnen, mein Herr Capitain. Segarin. Adieu, Herr Musicus. Hr. Wohlklang. Gehorsamster Diener, mein Herr Capitaine. Segarin. Adieu, Herr Musicus; Adieu. Hr. Wohlklang. O verzeyhen sie, ich hab es aus der Acht gelaßen — — Ich bin Dero unterthänigster Knecht mein Hr. Capitain von Segarin. Hr. Segarin. Das war was anders. Leben Sie wohl, mein Herr Virtuose, leben Sie wohl.

444

Ächter Auftritt. Segarin. Lisette.

Sega rin. Lisette, es ist mir eingekommen; ich muß Hilarien heule noch zu meiner Frau haben, oder sonst mag ich sie gar nicht. fifrttr. Das ist ihnen eingekommen? Es kömmt einem doch manch­ mal wunderlich Zeug ein. Aber erlauben sie mir eine kleine Frage: ist es ihnen im Wachen oder im Traume eingekommen? Sega rin. Närrische Frage! im Wachen. Li seile. Sie haben also wachend geträumt! Desto schlimmer. Ihr Gehirn muß sich in sehr übelm Zustande befinden. Segarin. O das Gehirn, das Gehirn. Wann in mir das Herz gesund ist, was frag ich nach dem Gehirne? Zu was ist das einem Sol­ daten viel nütze? Die Natur hätte von Rechtswegen einen Soldaten aus lauter Herz machen sollen. Aber, im Ernste, Lisette, wir haben ja bey­ nahe noch den ganzen Tag vor uns; du müstest im Kuppel nicht viel ge­ than haben, wann du so eine Kleinigkeit nicht in 6 bis 7 Stunden zu Stande bringen könntest. Ich bin mm schon einen Monat hier. Lisette. Daß weiß ich, leider. Segarin. Wann ich'Bergen op Zoom belagert hätte, so würde ich nicht so lange haben davor liegen müßen. Und eine Frau soll mich so lange aufhalten? Wenn es noch eine Jungfer wäre. Und auch bey der würde eine monatliche Belagerung schon ziemlich romanhafft seyn. Ich muß also einen Sturm wagen, einen Generalsturm. Du indeßen, Lisette, sollst versuchen ob du sie zur Capitulation bewegen sanft. Lisettr. Ich denke sie wollen stürmen. Wie ich aber sehe so wollen sie es auch in der Güte versuchen. Sega rin. Ach, das schickt sich für dich nicht über meine Maaß­ regeln zu critisiren. Kurz versprich mir deinen Beystand, und ich ver­ spreche dir----------Llsette. Das hat sie der Geyer gelernt, mich gleich bey dem schwächsten Orte anzugreiffen. Was versprechen sie mir? Segarin. Ich könnte dir alsbald ein Paar Tutzend Ducaten geben ----------Lisette. Nu, nur her, nur her----------Segarin. Aber das wäre eine Kleinigkeit für deine Dienste.

445

Li feite.

O ihre Dienerin würde mit dieser Kleinigkeit schon zu­

frieden seyn. Aegarin.

Einen Ring vor etliche 50 Pistolen, und ein paar Ohr-

gehenke von gleichem Werthe--------fisrttr. Von dergleichen: Schmucke bin ich eine sehr große Liebhaberin. Aegarin.

Aber ich müste mich schämen dir ein so schlechtes Ge­

schenk gemacht zu haben. £ifette.

Und ich würde mich gar nicht schämen, es anzunehmen.

Segarin.

Nein höre, Lisette.

Ich verspreche dir etwas, was allen

diesen Bettel bey weitem übertrifft. Lisette.

So?

Aegarin.

Das allerkostbarste was ich dir nur geben könnte.

Lisette.

Sie machen mich neugierig.

Aegarin.

Etwas unschätzbares.

Lisette.

O sagen sie —

Aegarin.

Was aller Welt Schätze nicht bezahlen würden.

Lisette.

Nil was denn?

Aegarin. Lisette. Aegarin. Lisette.

Pfuy! Ein Rittergut?

Segarin.

Pfuy, sag ich!

Lisette.

Etwa den Stein, womit man Gold machen kan?

Aegarin. Lisette.

O rathe bester. Eine Tinctur, ewig zu leben?

Segarin.

Was wäre das?

Lisette.

Etwa ein Waßer, wodurch man zeitlebens schön bleibt?

Aegarin. Lisette.

Rathe einmal. Etwa Haust und Hof---------

Was vor Kleinigkeiten! O sie wollen mich zum besten haben.

Nichts kostbarers

wüßte ich in der That nicht. Aegarin. Lisette.

Nun so höre----------------Meine ewige Gewogenheit! O gehen sie mit dem Bettel; er ist nicht einmal so viel

werth als die Tuzend Ducaten, die sie mir zuerst anbothen.

Ich sehe

schon, alle meine Hoffnung so wohl bey ihnen als Herr Wohlklangen, ist vergebens.

Leben sie wohl, und wagen sie ihren Generalsturm, ich

werde mich in die Vestung ziehen, ihren Feind zu verstärken.

446

Neunter Auftritt. Ge garin.

Das Ding sieht übel aus. Wo ich nicht bald meine Heyrath zu Stande bringe so kan ich meinen neuen Character nicht länger unter­ stützen. Segarin, Segarin, wenn aus dem gnädigen Herren wieder ein Schuhputzer werden sollte! Daß man sich auf das verzweiffelte Glück nicht verlaßen kan. O Glück! o Segarin! (gebt ab) Ende des ersten Aufzugs.

Andrer Aufzug. Erster Auftritt. Labrar.

Herr Seltarm hat mich zu sich ruffen laßen. Was werde ich bey ihm sollen? Sollte er mir etwa von meinen ostindianischen Seltenheiten was abkauffen wollen? Aber er ist ja sonst kein Liebhaber von Naturalien. Doch es kömmt einem reichen Manne manchmal wunderlich Zeug ein. Ich habe sie zu mir gesteckt. Ein kleiner Gewinst würde mir sehr wohl zu statten kommen. Denn sonst hätte ich heute wieder meinen Willen Fast­ tag. Wer sollte es glauben, daß ein Mann, der sichs in der Welt so sauer hat werden laßen, gleichwohl zulezt kaum sein Brod haben sollte? Ich kenne Ost und Westindien beßer als mein Vaterland. Ich habe die Welt in ihren unbekanntesten Winkeln durchstrichen, und ich wünschte mir nur von dem Golde, das ich habe graben, von den Berlen die ich habe fischen, und von den Edelsteinen die ich habe suchen sehen, nur — nur — nur den zehnten------- ach Narre--------- nur den zehntausenden Theil. Aber was hilft mir meine Kenntniß? meine Erfahrung? Zieht man mich deßwegen andern vor? Gefehlt. Man zieht die unwißensten Leute mir vor. In dem nah gelegnen kleinen Städtchen war jüngst eine Accise Bedienung offen. Ich meldete mich. Ich ward abgewiesen. Und es erhielt sie ein Kerl------- ja, ich laße mir den Kopfs abhauen-------wenn er jemals einen Elephanten oder ein Crokodil gesehen hat, oder wenn er weiß wie der Caffee wächset, oder der Zucker gebauet wird. Nun

447 sage man einmal, ob es dem Staate nicht zu unaussprechlichem Nach­ theile gereichet, wenn seine Aemter mit dergleichen Leute besezt werden. O Zeiten! O Sitten! Doch vielleicht würde es mir auch beßer gehn, wenn ich die ganze Welt umschifft wäre. Vielleicht ist das die einzige Ursache, warum es mit meiner Versorgung nicht recht fort will! Ach! daß ich niemals Gelegenheit darzu gehabt habe. Doch -- ----------

Andrer Auftritt. Labrax. Hr. Sellarm.

Hr. Aelt. Gut, Herr Labrax, gut, daß sie gleich gekommen sind, Sie sind ein Mann der die Welt kennt, und weiß wie man es anstellen muß, wenn man was verdienen will. Lab rar. Ja, mein Herr, das weiß ich; aber gleichwohl ist mein Verdienst sehr schlecht. Es sind viele die meine Raritäten besehn, aber wenige, die sie kauffen wollen. Ich wollte wünschen, mein Herr, daß sie von der letztern Sorte seyn möchten. Zum Exempel diese Venus­ muschel, durch wieviel Hände ist sie nicht schon gegangen, und immer wieder in die meinigen bewundert aber unbezahlt zurück gekommen. Hr. Srlt. Laßen sie stecken, laßen sie stecken. Davon brauche ich jezo nichts. Ich------Labrar. Aber betrachten sie nur ihre Schönheit. Ich versichre sie bey meiner Ehre, um einer gewißen Gleichheit willen hat mir einst ein junger Cavallier 10 Ducaten vor eine dergleichen bezahlt. O! ich will tausend Spaß darmit haben, sagte er. Heute speise ich bey der Gräfinn von Ernstlich. Ich werde sie auf dem Teller um die Taffel gehen laßen. Ich sehe schon im voraus, wie die eine roth wird, die andre, weil sie wegen der Schminke nicht roth werden kan, das Serviette vor das Gesichte hält, diese sie schleinig aus den Händen wirfst, jene eine unschuldsvolle Mine darbey macht, als ob sie nichts als eine Muschel sähe. O die Lust soll mir meine 10 Ducaten reichlich ersetzen! Und der Cavalier hatte recht; betrachten sie nur mein Herrl Ha! Ha! Ha! flr. Stlt. Ja, ja, es ist curiös genug. Aber----------Labrar. Ha! Ha! Ich merk es, ich merk es. Sie wollen was ernsthaffters haben. Hier hab ich----------Hr. Seit. Nein doch. Bon ihren Siebensachen mag ich gar nichts

448 sehn.

Laßen sie mich reden, und hören sie was ich will--------------- Ja,

aber wo fang ich an? Welches sag ich ihm zu erst? Daß er Geld ver­ dienen kan? oder daß ich ihn zu einem Schelmenstreiche brauchen will? Doch ich will ihn vorher ein wenig aushöhlen----------Sind sie ein ehr­ licher Mann?

Antworten sie.

Labrar.

Beynahe sollte ich aus der Frage schließen, daß sie daran

zweifelten. Hr. Seit.

Ey, nein Narre, antworten sie fein kurz und gut.

einem Worte: Ja oder Nein. Labrar.

Mit

Sind sie ein ehrlicher Mann?

Zum Henker! das dächte ich.

Hr. Stil.

Sott das so viel heißen als Ja oder Nein? Sie könnten

wohl, wer weiß was von sich denken.

Muß es denn wahr seyn?

worten sie, wie ich es haben will: mit Ja, oder mit Nein. doch wißen woran ich bin.

Ant­

So kan ich

Ich frage sie noch einmal: sind sie ein ehr­

licher Mann? Labrar.

Ja.

Hr. Fell.

Sind sie einer?

Labrar.

Ja.

Hr. Fell.

Ja.

Sind sie einer?

Labrar.

Beynahe sollte ich glauben, daß sie es lieber sähen, wenn

ich sagte, ich wäre ein Schelm? Hr. Fell.

Wenn sie also ein ehrlicher Mann sind, so packen sie

sich nur wieder ihrer Wege.

Die verzweiffelten ehrlichen Leute!

Wenn

man sie braucht, so findt man sie nicht, und wenn man sie mit Laternen suchte; wenn man sie aber nicht braucht, so stößt man aller Orten an einen an.

Gehen sie nur, gehen sie!

anfangen können.

Wir werden nichts mit einander

Pfuy, über so einen Dummkopfs, der die ganze Welt,

und ich weiß nicht was noch mehr will gesehn haben; und nicht einmal die unnütze Tugend zu rechter Zeit an Nagel zu hengen gelernt hat.

Ihre

närrische Antwort bringt sie um einen Gewinnst von etliche Ducaten. Labrar.

Ey, mein Herr, erzürnen sie sich nicht.

Ihre Frage war

zu verfänglich, als daß ich anders darauf hätte antworten können.

Sagen

sie mir nur ohne Scheu, mit was kan ich die etlichen Ducaten verdienen? Denn meine Redlichkeit ist nicht von der bäuerschen, groben, und unbieg­ samen Art.

Sie ist gefällig, verbindlich, kurz in die meisten Sättel gerecht.

Hr. Fell.

Ja, wenn ich sie nun just auf einen Sattel setzen wollte,

449 dem sie nicht gerecht wäre. nichts zu thun haben.

Nein, nein, mit der Redlichkeit kan ich jetzo

Deutsch zu reden, ich brauche jezo einen Mann

der gar keine besitzt, und deßen Gewitzen einen und den andern uner­ laubten Streich verdauen kann. Labrar.

Ohne mich zu rühmen, Herr Seltenarm, daß ich alle diese

Eigenschafften besitze, so glaube ich doch, sie werden an mir ihren Mann finden können. Hr. Stil

Sie glauben es, und ich glaub es nicht.

Sie sind ja

ein ehrlicher Mann? Wiederruffen sie denn ihr Geständniß? Labrar.

O was vor ein innerlicher Kampfs von Gewinnsucht und

Ehre, von Philosophie und Hunger!

Der Sieg ist zweifelhafft.

Theile streiten noch mit gleichen Kräfsten und mit gleichem Glück.

Beyde Aber

wie--------- was empfind ich----------------- Die Gewinnsucht wird matt — sie weichet — — die Ehre dringt nach--------- Jezt wird sie fliehen — — sie fliehet.

Die Ehre verfolgt sie mit siegrischen Waffen: aber der

Hunger--------- der Hunger kämpfst noch, und wird bald beyden den Sieg schwer machen.

Aber wie?

Lessing, jamnitT. Werke. II.

29

450

Die HeyÄerseitige Aeberredung. Ein Schäferspiel.

1. Aufzug. 1. Äuftritt. Thestyli -. Sylvia.

Sie begegnen sich beyde sehr früh. Thestylis ist von ihrem Lieb­ haber bestellt, und Sylvien lockt die Schönheit der Natur so früh heraus. Jene fängt an die Liebe zu preisen, und diese die Sprödigkeit. Es gelingt beyden, daß die eine die andre überredet. Die verliebte Thestylis wird geneigt spröde zu werden, und die spröde Sylvie wird geneigt, zu lieben. Sylvie verläßt ihre Gespielin nachdenkend.

2ter Auftritt. Theftyli- allein.

Sie bestärkt sich in ihrem Vorsatze, spröde zu seyn. Sie macht sich mancherley Einbildungen, durch eine allzuoffenherzige Liebe ihrem Schäfer, dem Dämon, Anlaß zur Kaltsinnigkeil gegeben zu haben. Sein jetziges Verweilen selbst, bringt sie auf den Verdacht, daß er sie nicht mehr so feurig liebe, als Anfangs, da er ihre Zuneigung noch nicht kannte.

3ter Auftritt. Thestylis. Dämon.

Er kömmt. Bist du schon da, liebste Schäferin? Ja, sagt Thestylis, aber nicht für dich. Sie thut auf einmal so unbekannt, daß Dämon

451 erstaunt. Endlich glaubt er sie scherze, um ihn für daS Verzögern zu strafen, wovon er so gut als möglich Ursachen angiebt. Sie wird spöttisch und geht fort. Dämon ihr nach sie zu besänftigen.

1. Zwischenraum. Der Tanz eines Satyrs, welcher dem abgehenden Paare spöttische Minen nachmacht, als ob er sich über ihren Zwist erfreute.

Zweyter Aufzug. 1. .Auftritt. Sylvia.

Erster Aufzug. Erster Auftritt. Thestylis.

Sylvia.

Chest. Wie Sylvia, so früh? Ayl.

Wie Thestylis? Auch du Verschmähst für jungen Thau die süße Morgenruh? Tejty.

Wann uns die Liebe weckt, so ist kein Schlaf so süße, Der nicht auf ihr Geboth die Augen fliehen müße. Wahr ists, daß auch der Schlaf durch manchen Traum erfreut, Doch lieber als der Traum ist mir die Wirklichkeit. Ich eilte, meinen Freund an diesem Quell zu treffen. Er hat mich her bestellt, und wird mich doch nicht äffen? In seinem Arme sey der junge Tag verscherzt. Wer weis, wie bald ihn uns ein Ungewitter schwärzt. Dann jagt uns Sturm und Blitz in die betrübten Hütten, Wo Lieb und Lachen fehlt, von Müttern nicht gelitten.

452 Allein was treibt denn dich so zeitig auf die Flur? Gewiß die Liebe nicht.

Sylvia. Die Schönheit der Natur.

Thejty. Ja, ja, sie ist sehr schön.

Allein man sieht sie immer,

Und was man immer sieht, verlieret seinen Schimmer.

Sylvia. Du bist sehr ungerecht, doch wie Verliebte sind, Sie macht ihr Gegenstand für alles andre blind. Ach welche Thorheit ists, sein Herz der Lieb ergeben. Und allem abgelebt, für sie allein nur leben! Euch lacht und lebt kein Lenz; euch glüht kein Morgenroth; Für euch sind Flur und Wald und Thal und Echo todt; Euch streut ein dichter Baum umsonst die kühlen Schatten.1 1 Dieser BerS ist ln der Handschrlft ausgestrichen,

453

Das befreyte Nom. Erster Act. 1. Auftritt. Forum. Brütn».

Allein. Er entdeckt in kurzen Worten seine Verstellung, die ihm zur Last zu werden anfängt.

2ter Auftritt. Zwey Römer kommen dazu, die sich von der Thranney des Tarquinius unterreden. Sie werden den Brutus gewahr, kehren sich aber nicht an ihn, weil sie ihn für einen Unsinnigen halten. Sie erwähnen der letzten Frevelthat des Tarquinius an der Lucretia.

3ter Auftritt. Lucretia erscheinet, von einer Menge Pöbel begleitet, und zwey Skla­ vinnen. Sie ist wüthend, erzehlt dem Volke ihre Schande. Ersticht sich vor den Augen deßelben, und wirft den Dolch unter das Volk, mit dem Ausruf: meinem Rächer! Wird sterbend abgeführt.

41er Auftritt. Brutus ergreift den Dolch; da sich keiner ihn aufzuheben wagen will. Die Menge lacht, daß er in seine Hände gefallen; betauert aber das Schicksal der Lucretia.

454

Zweyter Act. Erster Auftritt. Brutus zweydeutige und prägnante Spöttereyen über den Dolch, und die That die damit verübet worden; gegen verschiedne aus dem Volke.

2ter Auftritt. Es kommen die Lictores, das Volk aus einander gehen zu heißen. Das Volk treibt sie weg.

3ter Auftritt. Brutes fährt mit seinen bedeutenden Poßen fort.

41er Auftritt. Tarquinius mit Lictoren erscheint selbst. Der Pöbel fliehet aus ein­ ander, und läßt den Brutus auf dem Platze allein. Der König triumphirt über diese Furcht. Er läßt sich mit dem Brutus ein, und er hört ihn als einen Narrn an. Der Pöbel steht von ferne. Brutus ersticht ihn; und geht rasend ab. Brutus wird sterbend abgeführt.

Dritter Act. Erste Scene. Collatinus erscheint, und redet an das Volk von seinen Ansprüchen auf den erledigten Thron.

2. Scene. Eine andre Menge kömmt hereingestürzt und rufet: Freyheit! Brutus! Collatinus. Wie lange soll dieser Rasende noch die Stadt ver­ wirren!

455

Srutus. Hört mich, ihr Römer; ich bin kein Rasender, kein Wahn­ witziger. Er declamirt wider die Könige, und Collatinus muß sich entfernen. 3te Scene.

pubiicola erscheint, den man als den Gemahl der Lucretia an­ nehmen muß. Brutus trägt ihm die Regierung auf; nicht als König, sondern als Berather des Volks. Er erklärt, daß er sie nicht selbst an­ nehmen könne, weil ihn seine Verstellung dazu untüchtig gemacht. 4. Scene.

Die tanzenden Salier kommen herein. Und einer prophezeyt die künftigen Schicksale Roms; womit das Stück schließt.

Das Leben ist ein Traum? Ein Schauspiel aus dem Spanischen des Don Pedro Calderon de la Barca übersetzt. Berlin den 23 August 1750.

Erster Aufzug. Erster Auftritt.

Nosaura kömmt von der Höhe eines Berges herab, sie ist als eine Mannsperson verkleidet, im Reisehabit, und sagt folgendes. 1 Auf zwei einzelneu Blättern.

456

PALAION. Comedie en un Acte. Laudator temporis acti. Horace.

ä Berlin 1750. Acteurs.

PaiIon.

Lucilc, Olle de Pailon. Lucile.

Codex, Avocat. To in o ii.

CIi ton. Amant de

Scene Premiere. Palaion (en rode de chambre.) Oh que tout, honn^te hemme aujourd’hui est ä plaindre! Le hon vieux tems est pass6; et le siede ou nous sommes n’est que trop fait pour degouter entierement du monde toute äme vertueuse. Ce n’est pas le Chagrin qui me fait dire cela, quoique j’en ai beaucoup. Car un proc&s 4ternel de vingt ans et une fille nubile suffisent, je crois, a mettre au dösespoir un mortel qui est assez malheureux pour les avoir sur ses bras. Ah!-------un proeäs — une fille nubile — nubile — ah — j’enrage! Mais que me feroit tout cela, si la vertu n’ötoit pas plus inconnue aux filles d’aujourd’hui que la justice ne l est ä nos juges. Oh le heureux tems que celui de ma jeunessel Jadis tous les juges 4toient de Rhadamanthes et toutes les filles de Penelopes. Ouil jadis on n’etoit pas obligti de confier sa cause ä des Avocats ou ignorants intöressäs. Oui! jadis on la plaidoit soi-m^me, et on ötoit sür que le hon droit l’emporteroit. Oui! il 6toit plus incomprehensible a nos peres, qu’on puisse acheter la justice, qu’il ne fest aux Hugenots qu’on puisse acheter le ciel. Tout est change 1 O tems! o moeursl — Enfin cest aujourd’hui que le President m a promis de me defaire de la moitie

457 de mes maux infernals, et de mettre sin ä Peternitö de mon proces. — Nous verrons------- pour moi je n'en crois rien. Car je le vois bien qu’il va de l’interet du Diable que la chicane ne me laisse jamais en repos. Uniquement occupd de mon proces pourrais-je jamais revenir a moi-mdme pour donner le vil reste de mes jours a mon ame, a mon Dieu? Non. II faujt absolument qu’a force de plaider je me donne en proie ä l enser.------- Mais voilä ma sille qui vient. Scene II. Palaion. Lucile. Palaion. Approchez-vous, Lucilel Mes pensees viennent de rouler — Lucile. N’est ce pas? sur la corruption du tcms? Voilä le triste objet de vos idees. En verite, mon trds eher pere, je suis fort fachee que vous ndtez pas fait pour ce monde la. II est, je pense, passablement hon pour quiconque s’y veut plaire. Palaion. 0 jeunesse I O ma sille que je souhaitrois de vous voir penser plus sainement. Est-ce ainsi que vous voules dementir le sang de votre pere? Oh que j’ai pitie de vous! Venez, je vous communiquerai mes reslexions avec toute la sinceritd d un pdre. Elles sont fondues sur Pexperience qui ne nous vieut qu’avec les anndes. Elles sevoiront ä votre jeune beautd de la force de l’äme qui n’est que le partage de Page avaned. Un peu de mes lumierds vous donnera dix ans de plus. Lucile. Comment, mon pdre? dix ans de plus? Vous n’y pensez pas? dix ans de plus? Ah le joli present pour une jeune sille! Palaion. Vous ne m’entendes guere. Lucile. Oh que oui! Dix ans de plus? Donnes moi plutot, si vous pouvez, dix ans de moins. O que me fönt peur ces dix ans de plus. Palaion. Ces dix ans, ma sille, ne seront prejudicables ni ä votre beautd ni ä votre jeunesse. Vous n’en aures que Putilitd sans en avoir le fardeau. Lucile. N’importe. Ne prdeipitons point mes annees. Pourquoi prdvenir la nature? Si Pausiere sagesse ue vient qu’avec l äge, eile ne viendra jamais trop tard. Palaion. Ne craignes rien ma sille. Avec de telles dispositions eile ne vous importunera jamais.

458 Lucile. Tant mieux. Palaion. Ce tant mieux me perce le coeur. O que je crains que vous ne parles serieusementl Jadis, Lucile, jadis les filles de votre age ötoient plus dociles, plus müdestes. Jadis, vous disje, eiles passoient avec plaisir des heures dölicieuses dans la conversation d’un pere sensö et tendre. Jadis eiles ne couroient pas le dal, elles n’^toient pas folles de la Comedie. Jadis eiles ne tuoient pas des jours entiers en lisant des Romans qui ne charment l’esprit que pour gater le coeur. Jadis------Lucile. Je le vois bien. Jadis, mon pere, toutes les filles £toient des matrones veneradles. N’est-ce pas? Palaion. Ouil justement. Lucile. O mon pere, ne me kaltes pas rire. Palaion. Rire? Et je voudrois bien vous faire pleures de vos sottises. Lucile. Les sottises que je fais sont les sottises du tems et non pas les mienes. Et je crois que s’accommoder au tems est le devoir du sage. Mais rompons la dessus. Monsieur Cliton a Störe Sie mich nicht! — Jung und hübsch, sag ich, mahlen die Dichter die Lisetten zwar alle; auch dabey verschmitzt, schnipsch und plauderhaft. Aber daß sie auch allezeit buhlerisch, unbeständig und treu­ los sind, das — das hat den Teufel gesehen! (in einem affemrten tragischen Tone) O Himmel! Furcht und Eifersucht zerfleischen mein gequältes Herz. Wo auch meine Lisette eine Lisette nach dem gemeinen Schlage ist, wo auch sie ihren Prinz Pasquin vergeßen, wo auch sie ihrem flatterhaften Herzen den Ziegel schießen laßen — Lisette. (verwundernd.) Nu? pasquin. (noch tragisch) Ich vergeh! Nur erst der zwölfte Monden drohet zu verfließen, seit dem mich ein neidisches Schicksal ihren Augen entrißen. Erst der zwölfte Monden, und ach ihr Götter! wie gleichgültig hat sie mich aufgenommen. Die Grausame thut, als ob sie mich gar nicht kenne. Warum thut sie so, die Grausame? Euch, ihr verschwiegnen Wände, euch muß es noch bewußt seyn, welche Zärtlichkeit uns ehedem verband. Ach, dieses Andenken benimmt mir die Sprache — Ich kann nicht mehr! Ist kein Lehnstuhl da, in welchen ich mich werfen könnte? Lisette. (bey Seite.) Der Spitzbube, wo er mich erst zum Lachen bringt, so ist es um meine Verstellung gethan. pasquin. (noch tragisch.) Man denke nur! Heyrathen wollte ich sie sogar; heyrathen! Auf den nächsten Sonntag waren die Ceremonien schon festgesezt. Aber ach, was für ein Sonnabend ging vor diesem Sonntage vorher! Schrecklicher Sonnabend! Mein Herr jagte mich zum Teufel. Ich mußte diesen Pallast verlaßen; Knall und Fall mußte ich ihn verlaßen, so, daß ich auch nicht einmal von meiner Braut Abschied nehmen konnte. Mich schauert, wenn ich daran gedenke! Der böse tyrannische Pancraz! Daß er jetzt in seinem Grabe ein ganzes Jahr eher verfaulen müßte. Ich floh auf das Land zu seinem Bruder, dem Herrn Panurg, welcher mich in meinem Elende aufnahm. Doch wo flieht ein Elender hin, daß ihm nicht sein Elend nachfolge? Gerechten Götter, ich kam aus dem Regen unter die Trauffe! Eben konnte ich es nicht länger aushalten, als wir die Nachricht von dem Tode des Pancraz bekamen. Freudige

504 Nachricht! Freudig war sie für meinen Herrn; freudig für mich. Er beschloß sogleich sich anher zu begeben, und ich, ich beschloß ihm zu folgen. Ihn trieb die Hoffnung, sich, oder wenigstens den Vetter Jochen, in dem Testamente seines Bruders bedacht zu finden. Mich hingegen trieb ein weit edlerer Eigennutz; der Eigennutz meiner Liebe; die Begierde, mich wieder in die Arme meiner zurückgelaßenen Braut zu werfen. Und nun, da ich hier bin, da ich — jCifrtt e. Ha! — (Sic will in Lachen ausbrechen; um es aber noch zu verbergen, wendet ne das Gesicht vom Pasquin, unb hält das Schnupftuch vor )

1)06quin. War das ein Seufzer, Grausame? Daß er es gewesen wäre! Aber warum wendest du dein Gesicht weg? — O wenn hinter diesem schneeweißem Tuche ein weinendes Auge verborgen wäre, und deine unverdiente Strenge gegen mich endlich in Thränen zerflöße! — Sieh mich zu deinen Füßen, du Tygerherz!

Sechster Auftritt. Anllphila. MysiS.

A n 1 i p h i l a. Mysis, Mysis, das alles ift deine Schuld! Unglückliche! — Mysis. Meine Schuld? — Warum erwachten Sie? Konnten Sie nicht fort schlafen? Antiphila. Sollte ich noch seinen verliebten Erdreustungev mich mehr aussetzen? Mysis. Freylich verlohnte es sich der Mühe, die Augen auf einen Mann aufzuschlagen, den man so erttzückt. Die möchte ich sehen, die es hätte unterlassen können. Auch noch am Rando des Grabes ist es gut, einen Anbeter kennen zu lernen, von dessen Aufrichtigkeit man so ver­ sichert ist. Er glaubte, Sie schliefen wirklich.

595 Antiphila. Was spricht die Närrin? — Fort! diesen Augenblick muß ich nicht versäumen. — Laß uns fliehen, Mysis. Er muß uns nicht mehr finden-, wenn er zurückkömmt. Mysis. Fliehen, ist die Gefahr so groß? Antiphila. Was ist dir? Was für Unsilln sprichst du? — Ge­ fahr! Ich sehe keine Gefahr: aber nichts soll meine Betrübniß unterbrechen —' Ohne ein Wort weiter, folge mir! Mysis. Liebste, beste Frau, in dieser späten finstern Nacht, ausser den Thoren der Stadt, wo wollen wir hin? Antiphila. Es sind mehr Gräber in der Nähe — uns in das erste das beste zu verbergen, bis das Heer aufgebrochen und die Gegmd wieder ruhig ist. «Segen ten «Barg gemengt) Geliebter Schatten, verzeihe dieser kurzen Trennung! — Und nun. Mysis — Mysis. Mer er wird uns nächfolgen; er kann nicht weit seyn; wir werden ihm schwerlich entkommen. Er wird uns zurückbringen. Und sich zurückbringen lassen, wenn man fliehen wollen: wie boshaft wissen Männer das auszulegen! — Fliehen Sie ja nicht, beste- Frau!- — Antiphila. So bleib, Mchtswürdlge! wo Du mich hintergehst. — Bojttl). Sie weiß es, daß ihr da seyd; und weiß es vielleicht auch nicht. Das Schrecken ist ihr noch in den Gliedern. Sie faselt im Schlafe die ganze Nacht, und schläft wachend den ganzen Tag. Nathan. Armes empsindliches Kind! Boja. Sie hatte schon jange mit verschloßenen Augen gelegen und war wie todt, als sie auf emmal auffuhr und rief: horch! Da kommen meines Vaters Kameele horch! Das ist meines Vaters Stimme! — Aber sie schloß die Augen wieder und fiel auf das Küßen zurück. — Ich nach der Thüre; und da sahe Euch von ferne, ganz von ferne. — Denkt nur! Aber, ihre ganze Seele war die Zeit her nur......................................

Ihre ganze Seele ist nur immer bey Euch; oder bey ihm------Nathan. Bey ihm? welchem ihm? Bajah. Bey ihm, der sie aus dem Feuer rettete. Nathdn. Wer war das? — Wo ist er? Bajah. Ein junger Tempelherr war es, der einige Tage zuvor als Gefangener hier eingebracht worden, und dem das Lebert zu schenken, der Sultan die ungewöhnliche Gnade gehabt hatte. Nathan. Wo ist er? Ich-muß ihm danken, ehe ich sie sehe. — Wo ist er? Bat ah. Wenn wir das wüßten! — ... 2

den 13.

Zu ihnen Rahel, die von dem gehabten Schrecken noch oft außer sich kömmt, und nur ihren Retter zu sehen verlangt. Nathan verspricht ihr, es solle sein erstes seyn, ihn aufzusuchen. Dina führt Rahel ab, um sie zu beruhigen.

603 Die ersten Tage hatte sich der Tempelherr noch sehen laßen, unter den Palmen, nachdem Rahel manche vergebene Bothschaft an ihn geschickt. Aber seit einigen Wochen ist er verschwunden. Nah ei.

Sage nicht, verschwunden.

er aufgehört, zu erscheinen.

Sage: seit einigen Wochen hat

Denn es war ein Engel, wahrlich, es war

ein Engel. Nahet.

So seyd ihr es doch ganz und gar, mein Vater.

glaubte, ihr hättet nur eure Stimme vorausgeschicket.

Ich

Wo bleibt ihr denn,

eure gute Rahel zu umarmen, die indeß fast verbrannt ist?

O es ist

ein garstiger Tod, verbrennen. Nathan.

Mein Kind! mein liebes Kind!

Nahet.

(sie umarmend)

Ihr seyd über den Euphrat, über den Jordan, was weiß

ich, über welche Flüße alle, gekommen.

Wie oft habe ich, um euch ge­

zittert! — Aber wenn man so nahe ist, zu verbrennen, dünkt uns ersausfen, errettet worden.

Wir wollen uns freuen, und Gott loben. —

Gott war es, der euch auf den Flügeln seiner unsichtbaren Engel über die treulosen Waßer trug. — Gott war es der einen sichtbaren Engel herabschickte, deßen weißer Fittig die Flammen verwehte, deßen starker Arm mich durch das Feuer tragen mußte. D djttl). Mantel. —

Weißer Fittig, — hört ihr.

Des Tempelherrn weißer

(den Nathan anstoßend.)

Nathan.

Und wenn es auch kein Engel gewesen wäre, der dich

rettete: er war für dich Einer. — Di na.

Es war wirklich ein Engel, wirklich ein wirklicher Engel.

Nathan.

Diese deine warme Einbildungskraft könnte mir gefallen,

wenn sie dich nicht von deiner Pflicht abführte. — Indem du das Werk­ zeug, durch welches Gott dich rettete, im Himmel suchst, vergißt deine Dankbarkeit sich auf Erden danach umzusehen — wo es doch auch seyn könnte.

Komm wieder zu dir! werde ruhig, werde kalt! (Und durch dergleichen Vorstellungen wird sie es wirklich.)

3. Nathan und der Schatzmeister des Saladin. vom Nathan borgen.

Dieser will Geld

Nathan schlägt es ihm ab, weil er von den Schul­

den, die er zu Bassora eincaßiren wollen, nicht die Hälfte einbekommen, und hier eine große Schuld zu bezahlen vorfinde. über die unweise Freygebigkeit des Saladin.

Der Schatzmeister,

Die Maxime, welche die

604 Araber dem Aristoteles beylegen: Es sey beßer, daß ein Fürst ein Geyer sey unter Aesern, als ein Aas unter Geyern. Ein Heer

von

hochbeladenen Kameelen liegt unterm Thor,

aufs

müde Kkie gelagert. — Vermuthlich ist nun Nathan wieder heim. — Meine Kameele seufzen vor dem Thore, ihrer Last entladen zu werden, Vermuthlich ist mein Freund wieder nach Hause — Das ist er.

Willkommen, edler

— (der ihm mit Freundschaft entgegen kömmt)

Zweig eines Stammes, den der Gärtner noch nicht auszurotten beschloßen, so lange er solche Zweige noch treibet!

Willkommen!

Du solltest mich so nicht beschämen; denn ich denke du bist mein Freund. Kannst du deinen Werth empfinden, ohne den Unwerth deines Vaters zu fühlen? So laß meinen Werth auch mit für den Werth meines Vaters gelten — Der groß genug ist, daß sich ein Volk darin theilen kan. Höre auf! ich bitte dich. — Wie steht es hier? Deiner Hülffe bedürftiger, als jemals. Bey Gott nicht.

Wie lebt ihr?

War es darum daß du mir . .

Und wenn alle deine Kameele mit nichts als Gold

beladen wären: so solltest du dem Schatze des Saladin nichts mehr leihen. Denn er ist ein gar zu großer Verschwender rc. rc. 4,

Nathan.

Zu ihm Dinah wiederum,

den 14ten

die ihm berichtet, daß sie

diesen Augenblick den jungen Tempelritter aus dem Fenster auf dem Platze vor der Kirche der Auferstehung unter den Palmen gehen sehe.

Nathan

befiehlt ihr, sie soll ihn einladen, zu ihm ins Haus zu kommen. Vtnah (Mg) Nathan, Nathan, er läßt sich wieder sehen; er läßt sich wieder sehen. Nathan. Dinah. Nathan. Dinah.

Wer er? Er, er-------- -Cr!

Wem läßt sich Der nicht sehen?

Er geht dort unter den Palmen auf und nieder, und bricht

von Zeit zu Zeit Datteln. Nathan.

Die er ißt? Nun versteh ich!

Er ist euer Fr. der Tempel­

herr: nicht wahr? Dinah.

Rahels Augen entdeckten ihn sogleich.

Mit Euch, und mit

Ihm, ist ihre ganze, schöne, ruhige, helle Seele wiedergekommen. läßt Euch bitten, zu ihm zu. gehn, ihn herzubringen.

Sie

605 Nathan.

Ich wäre meine Reisekleider doch erst gerne los. — Geh

du, Dajah; bitte ihn zu mir zu kommen. D aj a h.

Zu Euch zu kommen?

Nathan.

Das thut er gewiß nicht,

Nun so geh, und laß ihn wenigstens so lange nicht aus

den Augen, bis ich nachkommen kann. — Und warum sollte er nicht zu mir kommen, wenn ihn der Vater selbst bitten daß er in meiner Abwesenheit mein Haus nicht betreten wollen; daß er auf deine Einladung, auf die Einladung meiner Tochter nicht kommen wollen. —

5. Die Scene ändert sich.

Unter den Palmen Curd von Stanffen

und der Klosterbruder, welcher ihm zu verstehen giebt,

daß ihn der

Patriarch gern sprechen und in wichtigen geheimen Angelegenheiten brauchen wolle.

Er läßt ihn ablauffen.

Der Klosterbruder freut sich, einen so

würdigen jungen Mann in ihm gefunden zu haben.

Er entschuldiget vor

sich selbst seine unwürdigen Anträge mit der Pflicht seines Gehorsams. Curd geht auf und nieder.

Ein Klosterbruder folgt ihm in einige

Entfernung von der Seite; immer als ob er ihn nie ereilte. Curd. Was hätte.

Mein guter Bruder — oder guter Vater, wer nur selbst (Der gute Mann!

Er folgt umsonst, seht nur umsonst so

in die Hand

6. Curd von Stauffen, und Dinah, die er gleichfalls als eine Kupplerin abfertiget.

Dinah zweifelt, ob er ein Mann sey.

Ein Ordens-

maun ein halber Mann. Curd, (der die Daia kommen sieht) O schön! Der Teufel wirft wich aus einer seiner Klaue tu die andere. jPßja.

Ein Weib edler Ritter —

Gurt.

Bist du seine rechte, oder seine linke? •=—

Dejö.

Kennt ihr mich nicht?

Curd.

Ey wohl! Du bist nur seine linke, aus yer ich schon öfter

entwischte. Jaja.

Was linke?

Curd.

Werde nicht ungehalten.

Ich sage es nicht, dich zu ver­

kleinern; denn wer weiß ob der Teufel nicht links ist; ob er seine Linke nicht so gebrauchen kann, als seine Rechte!

Und sodann hat weder der

€06 Mönch die Vettel; noch die Bettel den Mönch zu beneiden.

Sichst du?

— Aber was giebt- Neues, Mutter? Du wirst mir doch nicht immer die nehmliche antragen?

Zweyter Aufzug. 1. Zimmer im Pallast des Sultan. Sittah sitzen und spielen Schach.

Saladin und seine Schwester

Saladin spielt zerstreut, macht Fehler

über Fehler und verliert. Sittah. Bruder, Bruder, wie spielst du heut? Wo bist du? Saladin. Sittah.

Wie das? Ich soll heute nur tausend Dinare gewinnen, und nicht

einen Asper wehr: Saladin. Wie so? Sittah. Du willst mit Gewalt verlieren. — Dabey finde ich meine Rechnung -nicht.

Außer daß ein solches Spiel eckel ist: so gewann ich

immer mit dir am meisten wenn ich verlor.

Wann hast du, mich des

verlornen Spieles wegen-zu trösten, mir nicht den Satz "doppelt geschenkt. Saladin. Etz sieh, so verlörest du wohl mit Fleiß, wann du verlörest? Sittah.

Wenigstens hat deine Freygebigkeit gemacht, daß ich nicht

beßer spielen lernen.

2. Zu ihnen der Schatzmeister, den Saladin ruffen laßen, um an Sittah die tausend Dinare zu bezahlen, um welche sie gespielt.

Der

Schatzmeister beklagt, daß der Schatz so völlig erschöpft setz, daß er auch diese Summe nicht auf der Stelle bezahlen kann.

Er schickt ihn wieder

fort, sogleich Anstalt zur Wieder füllung des Schatzes zu machen, weil er auch sonst ehstens Geld brauchen werde.

Alle Quellen, sagt der Schatz­

meister, sind durch deine Freygebigkeit erschöpft; und borgen — bey wem? auf was?

Nathan selbst, bey dem er sonst immer offne Caße gefunden,

wolle nicht mehr borgen. — Wer ist dieser Nathan? — Ein Jude, dem Gott das kleinste und größte aller menschlichen Güter gegeben, das kleinste und größte aller menschlichen Gaben. Was nennst du das -Kleinste? Was sonst als Reichthum. Und das größte

607 Was sonst als Weisheit? Ich wüßte nicht, daß ich einen so erleuchteten Sophi zu meinem Schatzmeister hätte. Reichthum und Weisheit. — Warum kenne ich ihn nicht? — Er hat dich sagen hören: glücklich wer uns nicht kennt, glücklich, den wir nicht kennen. — Geh, bitte ihn in meinem Namen. Sata-in.

Bey wem?

Nur nicht bey denen, die ich reich gemacht.

Es würde meine Geschenke wieder fodern heißen. — Auf was?

Auf

mein Bedürfniß.

Geh, du wirst mich gegen die Menschen nicht miß­

trauisch machen.

Ich gebe gern, wenn ich habe: wer hat wird auch immer

gern geben wollen.

Und wer am geitzigsten ist, giebt mir am ersten,

demnach haben es meine Gläubiger immer gemerkt, daß ihr Geld durch meine Hand gegangen.

3. Saladin u. Sittah.

Sittah spottet über seine Freygebigkeit, die

ihn in solche Verlegenheit setze; und bittet ihn doch in dem nehmlichen Augenblicke alle ihre Baarschaft, alles ihr Geschmeide an. — Das würde ich genommen haben, wenn du verspielt hättest.--------------- Habe ich schon gegen dich verspielt? — Schenktest du mir nicht immer das Doppelte des Satzes wenn ich verlor. — Aber wer ist dieser Nathan? fragt Sa­ ladin.

Kennst denn du ihn. — Er soll durch seine Weisheit die Gräber

des David und Salamon gefunden, und unsägliche Reichthümer darinn entdeckt haben — — das ist gewiß falsch: hat er Reichthum in den Gräbern entdeckt; so waren es gewiß picht die Gräber Davids und Salamons — aber sie verzweifelt, daß er ihm helsfen werde. ein Jude, der nicht, alles an einen Nagel hänge. in guten leihen wolle:

Denn er sey

Indeß wenn er nicht

so müße man ihn mit List dazu zwingen suchen.

Ein Jude sey zugleich ein sehr furchtsames Geschöpf — Saladin gesteht ihr seine äußersten Gcldbedürfniße. fahrern sey zu Ende. wieder angefangen.

Der Waffenstillstand mit den Kreuz­

Die Tempelherrn haben , die. Feindseligkeit, bereits

Geschichte des jungen Tempelherrens, den er begnadiget.

— Sittah sagt, sie wolle auf eine List denken, den Nathan zu vermögen. Sittah sagt, daß er auf diese Weise seinen Kindern nichts hinter­ laßen wird.

Er antwortet mit der Fabel vom Pfau: wenn es meine

Kinder sind, wird es ihnen an Federn nicht fehlen.

608 4. Die Scene ändert sich und ist vor dem Hause des Nathan. Unter der Thüre des Hauses erscheinen Nathan und Rahel.

Rahel

hat den Tempelherren wieder aus ihrem Fenster erblickt, und beschwört ihren Vater, ihm nachzueilen.

Sie sehen Curden gegen sich zukommen,

und Rahel geht wieder in das Haus.

5. Nathan u. Curd.

Nathan dankt ihm, und bitet ihm seine Dienste

an: welches Anerbieten erst sehr frostig angenommen wird, bis Curd sieht, welch ein Mann Nathan ist.

Er verspricht zu ihm zu kommen.

Curds

Gestalt und einiges was er von ihm beyläufig gehört, machen ihn auf­ merksam.

Curd ab.

Nathan. Curd.

Verzeih, edler, Franke —

Was, Jude?

Nathan.

Daß ich mich unterstehe dich anzureden.

Verzeih, und

eile nicht so stolz und verächtlich vor einem Manne vorbey, den du dir ewig zu deinem Schuldner gemacht hast. Curd.

Ich wüßte doch nicht.

Nathan. Curd.

Ich bin Nathan, der Vater des Mädchens — Ich wußte nicht daß es deine Tochter war.

keinen Dank schuldig.

Du bist mir

Es ist eines Tempelherrn Pflicht den ersten den

besten beyzubringen, der seine Hülfe bedarf. dem Augenblicke znr Last.

Mein Leben war mir in

Ich ergriff die Gelegenheit gerne, es für ein

anderes zu wagen — wenn es auch nur das Leben einer Jüdin wäre. Nathan.

Groß und abscheulich! — Doch ich versteh.

Groß bist

du, und abscheulich machst du dich, um nicht von mir bewundert zu wer­ den.

Aber wenn du diesen Dauk, den Dank der Bewunderung von mir

verschmähest: womit kann ich dir sonst bezeigen................................................. Curd.

Mit — nichts.

Nathan sagt daß er sich also zum erstenmale arm fühle. Curd.

Ich habe den reichern Juden darum nie für den beßern

gehalten. Nathan

So benutze wenigstens, was das Beßre an ihm ist —

seinen Reichthum. Curd.

Nun gut, daS will ich nicht ganz verreden.

Wenn dieser

mein weißer Mantel einmal gar nicht mehr taugt, gar keinen Fetzen mehr

609 hält. — Vor itzt aber siehst du, ist er ncd> so ziemlich gut.

Blos der

eme Zipfel ist ein wenig verfängt — das bekam er, als ich deine Tochter durch das Feuer trug. Der Jude ergreift diesen versengten Zipfel und läßt seine Thränen darauf fallen. Nathan.

Daß doch in diesem Brandmahle dein Herz beßer zu sehen

ist, als in allen deinen Reden. C.

Jude, was verdrießt dich, so mit mir zu sprechen.

tt.

Ah, wer einen Menschen aus dem Feuer rettet, bringt keinen

ins Feuer.

6. Dinah u. Nathan.

Zu ihnen ein Böthe des Saladin, der ihn

unverzüglich vor ihn fodert. Nathan. Dinah.

Hast du gesehen, Dinah? Ist der Bär gezämt? — Wer kann Euch widerstehen.

Einen Mann der wohlthun kann, und wohlthun will. Nathan.

Er wird zu uns kommen.

Sie wird ihn sehen und ge­

sund werden — Wenn sie nicht kränker wird. — Denn wahrlich es ist ein herrlicher junger Mann.

So hatte ich in meiner Jugend einen Freund

unter den Christen. — Um ihn liebe ich die Christen, so bittre Klagen ich auch über sie zu führen hätte.

Dritter Aufzug. l. Im Hause des Nathan.

Dinah u. Rahel.

Die Curden erwarten.

Nathan ist zu Saladin gegangen. Nährt.

Gieb Acht, Dinah; er kömmt doch nicht.

Dinah.

Wenn ihm Nathan, auf dem Wege zum Sultan begegnet

ist: so kann es leicht seyn, daß er seinen Besuch verschieben zu müßen glaubt. Nährt.

Wie so? ist er bey uns allein nicht sicher.

Dinah.

Liebe Unschr.td!

trauen bilvffeii.

Wo sind Leute sicher, die sich selbst nicht

Und wer darf sich selbst weniger trauen, als der un­

natürliche Gelübde auf sich genommen hat. Nährt.

Ich verstehe dich nicht.

21ffintj, sämuitl. Werke. II.

610 2. Curd kömmt und wird von Rahel über alle Maaße eingenommen. Er fühxt sich sein Gelübde zu Gemüthe, und entfernt sich, mit einer Eil­ fertigkeit, welche die Frauenzimmer betroffen macht.

Lrcha.

Nicht wahr, ihr seyd nicht krank gewesen? — Nein, ihr

seyd nicht krank gewesen.

Ihr sehet noch so wohl, so glühend aus, als

da ihr mich aus dem Feuer trugt.

3. Im Pallaste des Saladin.

Saladin und Sittah.

Er lobt ihren

Einfall von Seiten der Verschlagenheit; sagt daß er bereits nach Nathan geschickt habe; daß es ihm aber Ueberwindung kosten werde, wem: es ein guter Mann sey, ihm eine so kleine Falle zu stellen.

Nathan wird ge­

meldet und Sittah entfernt sich.

4. Saladin u. Nathan.

Die Scene aus dem Boccaz.

Nathan bietet dem Saladin zweymal so viel an, als er dem Schatz­ meister abgeschlagen hatte.

Er würde ihm noch mehl gehen können, wenn

er nicht eine Summe zu Curds Belohnung zurückbehalten müßte.

Er

erzählt, was Curd gethan, und Saladin freuet sich einem solchen jungen Manne das Leben geschenkt zu haben. Freyheit.

Er schenke ihm hiermit auch seine

Nathan will eilen ihm diese Nachricht zu bringen.

6. Unter den Palmen.

Curd, der sich in den plötzlichen Eindruck nicht

finden kann, den Rahel auf ihn gemacht — Ich habe eine solche himm­ lische Gestalt schon vor gesehen — eine solche Stimme schon vor gehört. — Aber wo? Im Traume? — Bilder des Traumes drücken sich so tief nicht ein. Noch weiß ich nicht was in mir vorgeht. — Die Wirkung war so schnell! so allgemein!

Sie sehn und sie — was? sie lieben?

Mmm es

wie du willst. — Sie sehn, und der Entschluß, sich nie von ihr wieder trennen zu lassen, war eins. Noch weis ich nicht, was in mir vorgegangen! — Die Wirkung war so schnell, so allgemein! Nur sehn, und sie — was? -— lieben? — lieben? nicht? Nimm es wie du willst: Sie sehn und der Entschluß Sie aus den Augen wieder nie zu lassen,

611 War eins! — Eins durch ein drittes doch?

Was war

Dieß dritte? — Sehn ist leiden; und — Entschluß Ist thun; so gut als thun. — Durch was entspringt Aus leiden thun? — .... Ich bin umsonst geflohen. Noch weiß ich nicht was in mir vorgeht — mags Nicht . . . , wißen!

Aber weiß wohl, daß ich nur

Umsonst geflohen — Sie sehen und der Entschluß Sie aus den Augen wieder nie zu laßen War eins — bleibt eins — Genug: ich war umsonst geflohen Umsonst! — fliehn war auch alles was-ich konnte. Sie sehn und der Entschluß nie aus den Augen Sie wieder zr; verlieren.

6. Zu ihm Nathan, der ihm seine Freyheit verkündiget. gewiß ob er sich darüber freuen oder, betrüben soll. er Rahel gesehen,

an diesen Ort,

er weiß' nicht was.

neigung zu seiner vorigen Bestimmung. dem Saladin zu Füßen werffen.

Curd, un­

Ihn bindet, seüdem Er fühlt Ab­

Doch will er gehen, und sich

Zugleich sagt er, daß er Rahel gesehen;

und preiset Nathan glücklich eine solche Tochter zu haben. — Nathan hülfft ihn auf den Gedanken, ob wohl nicht Rahel seiner Mutter gleiche, die er jung verloren. — Bey Gott das wäre möglich.

So ein Lächeln,

so ein Blick, habe ich mir wenigstens immer gedacht, wenn ich an meine Mutter dachte. — Wie glücklich, der sie einst besitzen wird. — Er wirbt nicht undeutlich um sie; aber Nathan thut, als ob er ihn nicht verstünde, und geht ab.

Curd allein macht sich Vorwürfe,

in eine jüdische Dirne

verliebt zu seyn.

7. Curd sieht Dinah zum Hause heraus und auf sich zukommen. Curd. Dinah.

Soll ich ihr wohl Rede stehen? — Sollte nun wohl auch die Reihe an ihn seyn? —

Wenn ich thäte, als ob ich ihn gar-nicht gewahr würde? Laßt doch sehen — Curd.

Aber sie sieht mich nicht. Ich muß sie schon selbst anreden. —

Er entdeckt ihr seine Liebe, wofür er seine Faßung gegen Rahel

612 hält. Dinah, die in dieser Liebe ein Mittel wahrzunehmen glaubt, Rahel wieder zu ihren Religionsverwandten zurückzubringen billiget sie, und verräth ihm, daß sie eine Christin ist, die Nathan nur an Kindes­ statt angenommen. Sogleich entschließt er sich, sie aus seinen Händen zu retten; und den Patriarchen aufzufordern, ihm darin behülflich zu seyn, noch ehe er den Saladin gedankt.

Vierter Aufzug. i.

Im Kloster. Der Layenbruder und Curd. — Der Patriarch wird gleich da seyn; gedulde dich nur einen Augenblick. Der Layenbruder glaubt, daß sich Curd nun besonnen, und wider sein Gewißen sich zu allen den Dingen will brauchen laßen, die er ihm ehedem vorgeschlagen. Das jammert ihm; er habe müßen gehorchen, und es ertragen. Scene. Kreuzgang des Klosters, d. h. Auferstehung. Klosterbruder.

Der Patriarch scheint [?] mir nur, daß ich alles was er mir auf­ trägt, so liebes........... .. daß ich in nichts glücklich bin; und gleichwohl unterläßt er nicht mir immer neue Aufträge zu machen. Ja, ich habe das Gelübde des Gehorsams gethan, Es hat mir freylich noch von alle dem. Nicht mal gelingen wollen, was er mir So aufgetragen! Warum trägt er mir nur lauter solche Sachen auf. Ich mag nicht fein seyn, mag nicht überreden, mag meine Nase nicht tu alles stecken, mag meine Hände nicht in alles haben. Gehorchen muß ich; aber.................. Ich bin ja mit der Welt geschieden nicht, Um mit der Welt auch erst wohl . , . Er hat schon Recht, der Patriarch Ja, ja. Es will mir freylich nichts gelingen. Was er mir aufträgt. Warum trägt er mir Auch lauter Sachen auf............ Auch so was auf!

613 Und endlich, guter Bruder! Endlich Ireff ick Euch.

Ihr werkt mir große Augen zu

Kennt ihr mich nicht mehr. Doch, doch! Ich kenne den Herrn recht gut. er derselbe immer bleibt.

Gott gebe nur, daß

Aber er ist ... .

Wenn meine Rede nur recht............... Gewalt habe.

Ich habe Euch freylich einen Antrag machen müssen,

aber ich habe ihn doch so verführerisch eben auch nicht.

Die .... sich

zu unterziehen, nicht sehr groß zuschildern [?] Gott

2. Der Patriarch und Curd. Gefälligkeit erzeigt wißen.

Der Patriarch will Gefälligkeit nur

Er verspricht ihm das Mädchen, und ver­

spricht ihm die Absolution seines Gelübdes vom Pabste zu verschaffen, wenn er sich, Curd sieht,

ganz dem Dienste der Kreuzfahrer wieder widmen will. daß es

auf völlige Verrätherey

hinaus

läuft, wird un­

willig, und beschließt, sich an den Saladin selbst zu wenden.

3. Im Pallaste. Saladin und Sittah. Saladin hat seine Schwester bezahlen laßen, von dem Gelde, welches Nathan in den Schatz liefern laßen.

Er rühmt ihr den Nathan,

wie sehr er den Namen des Weisen

verdiene. *

Sitiah. Nun, lieber Bruder, stehen: ich habe gehorcht.

da du nun auserzählt hast, will ich dir ge­ Nur weil ich nicht verstanden habe, habe ich,

es noch einmal von Dir hören.

Aber eine Sache erwehnst? Du ja gar

nicht; des Tempelherrn, dem unser Bruder, sagst Du, so ähnlich ge­ wesen 2C.

4. Curd und die Vyrigen.

Sittah hat ihren Schleyer abgeschlagen,

um so bey dieser Audienz gegenwärtig seyn zu können. Füßen des Saladin.

Curd zu den

Saladin bestätiget ihm das Geschenk der Frey­

heit, mit der Bedingung, nie wieder gegen die Muselmänner zu dienen, sondern in sein Vaterland zurückzukehren. than.

Curd widerspricht zum Theil.

Er lobt auch ihm den Na­

Er sey doch ein Jude, und für

seinen jüdischen Aberglauben allein eingenommen, der nur den Philosophen

614 spiele,

wie ihm vielleicht nächstens die Klage des Patriarchen über­

zeugen werde. Laß den Patriarchen aus dem Spiele, sagt Saladin und sage du selbst was du von ihm weißt.

Er sagt,

daß Nathan ein aufgelesenes

Christenkind als seine Tochter und folglich, als eine Jüdin erziehe.

Sa­

ladin will das näher untersuchen laßen, und beurlaubet. Curd.

Sultan war................................, dir sehr zu danken, daß

du mir das Leben gelaßen.

Aber versichern darf ich dich,

daß ich es

jederzeit werde .... doch aufzuopfern bin Ich, dein Gefangner, Sultan. — Mein Gefangner? Wem ich das Leben schenke, werde ich dem Nicht auch die Freyheit schenken? Was dir ziemt Zu thun, das ziemt mir nicht vorauszusetzen, Ziemt mir, erst zu vernehmen.

5. Sittah und Saladin. ihr Curd gefallen.

Sittah verräth nicht undeutlich, wie sehr

Sie werden einig, das Mädchen vor allen Dingen

kommen zu laßen.

6. Flur in Nathans Hause, wo ein Theil der Vori .... In Na­ thans Hause.

Dinah gesteht ihm,

daß sie Curden entdeckt habe, daß

Rahel eine Christin sey, weil sie dieses für die beste Gelegenheit ange­ sehen, sie wieder aus seinen Händen unter ihre Religionsverwandte zu bringen.

Nathan hierüber höchst mißvergnügt.

Daja ab.

7. Nathan und der Klosterbruder.

8. Der Tempelherr und Nathan. Nathan,

wir haben einander verfehlt.

Ich komme von Saladin,

und er will, daß wir Beyde vor ihm erscheinen.

Ist es Euch gefällig,

mich zu ihm zu begleiten.

7. Sittah schickt, die Rahel abzuhohlen.

Der Patriarch schickt Nathan

zu beobachten; worunter der Layenbruder seyn kann.

615

Sittah läßt Recha zu sich entbiethen, zu sich laden.

8. C.urd kömmt auf dieses kennen dazu; etwas spöttisch

und tröstet den Nathan,

Saladin sey sein Freund, und wolle ihn vielleicht nur

zwingen ebenso gut zu handeln, als er spreche.

Nathan erkundiget sich

näher..................................................nach Curd näher, -und wird in seinem Argwohn bestärkt, daß Curd Rahels Bruder sey.

Sie wollen Beide

zum Saladin. Nathan.

Ist sie darum weniger

Christin,

weil sie bis

in

ihr

17. Jahr in meinem Hause noch kein Schweinefleisch gegeßen.

Fünfter Aufzug. 1. Im Seraglio der Sittah.

Sittah und Rachel.

Sittah findet an

Rahel nichts, als ein unschuldiges Mädchen ohne alle geoffenbarte Reli­ gion, wovon sie kaum die Namen kennt, aber voll Gefühl des

Guten

und Furcht vor Gott.

2. Saladin zu ihnen.

Er freuet sich zu finden, daß Nathan keine

Jüdin aus einer Christin machen wollen, und ihr nur eine Erziehung gegeben,

bey der sie in jeder Religion ein Muster der Vollkommenheit

seyn könne.

Nathan wird gemeldet. 3.

Nathan und die Vorigen.

Saladin unterstützt Curds Gesuch.

Na­

than weigert sich noch; welches dem Curd fast unbegreiflich wird. 4. Curd dazu, und die EntdecKrng geschieht. schlug Sittah den Schleyer fort. ihrem Bruder die Rahel zu.

Als Curd herein kömmt,

Sie schlägt ihn wieder auf [?] führet

Ihr Bruder führt ihr Curden zu, den

er zum Fürsten von Antiochien macht, von deren Geschlechte er abstammet Sittah errothet, und läßt den Schleyer wieder fallen. Nathan. Curd. Nathan. Curd.

Du bist nicht Curd von Stauffen. Woher weißt du das? Du bist Heinrich von Filnek. Ich erstaune.

616 Nathan.

Du wirst noch mehr erstaunen — Und das ist deine

Schwester. Curd

(der auf Nathan zügelt)

Nathan, Nathan, ihr seyd ein Mann —

ein Mann, wie ich ihn nicht verstehe — nie vorgekommen ist — ich bin aber nichts als ein Krieger — ich hab auch unrecht gethan — Vergebt mir — Ich bitte auch nicht darum, als ob es Euch Mühe kosten würde — Ich bitte Euch, nur Euch gebeten zu haben. Schluß. Aaladin.

Du sollst nicht mehr Nathan der Weise, Du sollst nicht

mehr Nathan der Kluge — Du sollst Nathan der Gute heilen.

NB.

Für Dinah lieber Daja. Daja heißt, wie ich aus den Ex­

cerpts ex Abulfeda das Leben des Saladin betreffend, beym Schul­ ten s S. 4 sehe, soviel als Nutrix; und vermuthlich, daß das Spanische Aya davon herkömmt, welches Eormonios [?] von dem Griechischen ccyco,

naidaycoyoq herleit.

Aber gewiß kömmt es davon nicht unmittelbar

her, sondern vermuthlich vermittelst des Arabischen, welches wohl aus dem Griechischen könnte gemacht seyn. 1

§ Die Mamelucken, oder die Leibwacht des Saladin, trug eine Art von gelber Liberey.

Denn diß war die Leibfarbe seines ganzen Hauses;

und alle, die ihm ergeben scheinen wollten, suchten darinne einen Vor­ zug, daß sie diese Farbe annahmen. Marin. I. 218.

§ Die Kreutzbrüder, die so unwißend als leichtgläubig waren, streuten oft aus, daß sie Engel in weißen Kleidern, mit blitzenden Schwertern in der Hand, und insonderheit den heiligen Georg zu Pferde in voller Rüstung hatten vom Himmel herabkommen sehen, welcher an der Spitze ihrer Kriegsvölker gestritten hätte. Ebend. I. 352. Ludwig von Helfenstein und verschiedene andere deutsche Herren, bezeugten mit einem Eide auf das Evangelium, daß sie in dem Treffen, welches Kaiser Friedrich I. bey Jconium gewonnen, den h. Victor u. den i liefe ? nmerfunfl ste.t am Anfang, die folgenden am Ende der Handschrift.

617 h. Georg an der Spitze des christlichen Heeres, in voller Rüstung u. zwar zu Pferde u. in weißen Kleidern, hätten fechten sehen.

Ebend. II. 176.

§ Unter den Titeln, deren sich Saladin bediente war auch „Beßerer der Welt u. des Gesetzes. Marin. II. 120.

§ Daß die gefangenen Tempelherrn für ihre Loskauffung nichts geben dürften, als cingulum u. cultellum, Dolch und Gürtel.

Ebend.- I. 249.

8

-

Islam ein arabisches Wort, welches die Ueberlaßung seiner in den Willen Gottes bedeut.

Ebend. I. 79.

8. Der grüne Ritter, den Saladin beschenkte, weil er sich so tapfer gegen ihn erwiesen hatte. Ebend. II. 85. 78. In dem Historischen was in dem Stücke zu Grunde liegt, habe ich mich über alle Chronologie hinweg gesetzt; ich habe sogar mit den ein­ zelnen Namen nach meinem Gefallen geschaltet. Meine Anspielungen auf wirkliche Begebenheiten, sollen blos den Gang meines Stücks motiviren. So hat der Patriarch Heraklius gewiß nicht in Jerusalem bleiben dürffen, nachdem Saladin es eingenommen.

Gleichwohl nahm ich ohne

Bedenken ihn daselbst noch an, und betaure nur, daß er in meinem Stücke noch bey weitem so schlecht nicht erscheint, als in der Geschichte.

Saladin hatte nie mehr als ein Kleid, nie mehr als ein Pferd in seinem Stalle.

Mitten unter Reichthümern und Ueberfluß freute er sich

einer völligen Armuth, s. 331.

Ein Kleid, ein Pferd, ein Gott!

Nach

seinem Tcde fand man in des Saladin Schatze mehr nicht als einen Ducaten u. 40 silberne Naserinen. Delitiae Orient, p. 180.

618

Cmnische Einfälle und Züge? I.

Sie hat ja nur ein Auge ------O desto eher wird sie sterben, da sie nur eins zuzuthun hat. II.

Kurz, ich hab es beschloßen, kann ich Angeliquen nicht erhalten, so soll mich bald dieser Degen von meinem traurigen Schicksale befreyen. Die Thorheit werden sie doch nicht begehen. Das Ding ist von Übeln Folgen. Wie so? Ja. Ja, ich versicher sie, es ist voy sehr Übeln Folgen. Wie denn so? Ich habe von einem sehr geschickten Medico gehört, daß der Ge­ sundheit nichts nachtheiliger wäre, als sich einen Degen durch den Leib stoßen ------Ah das muß ein geschickter Medicus gewesen seyn------Das versicher ich sie, ein rechter geschickter. Er sagte auch noch dazu es wäre der nächste Weg in jene Welt. III.

Der Untrere, der Gottlose, der Nichtswürdige------- sprach sie. Laß nur jetzt diese Beymrhmeu weg —---Ah, ich bin ein gewißenhgffter Historieus — — — Seine Flucht bringt mich ums Leben. Sie stand in vollem Eyfer auf, ergriff ihr Porcellain, warst es zur Erde, zerriß ihre Bilder^ schmiß ihre ganze Meubeln zum Fenster hinaus und sich selbst warst sie.------Sich selbst------- Wohin? wohin? In GroßVater Stuhl. 1 „Den komischen Einfällen und Zügen, die den Beschluß machen, sieht man freylich die Zugend an." Karl G. Leffing.

619 IV.

Hrr Herr utib Peter. Peter! Peter! Nu, wer rufst------Ich. Ey ihr----------Komm raus! Nein nein------- ich satt nicht. Mein Herr möchte mich ruffett. Ich muß drinnen bleiben. Daß ich da bin — Kommt raus! Komm rein, wenn ihr was mit mir zu reden habt rc. V.

Hast du wohl Lust zu reifen? O ja------- wenn die Schenken nicht weit von einander liegen. VI.

Den Medicum um Verzeihung zu bitten, daß man so lange nicht krank gewesen. VII.

Gctave. Peter. pet. Nu Herr, habe ich euch nicht einen rechten kurzen Weg geführt? Hier seyd ihr tut, wo ihr habt seyn wollen. Da ist Herr Anselmos Hauß. Adjeu. Vci. Nu das ist gut. Ich bedanke mich. Adjeu. Peter. Ich will immer gehn; Adjeu Herr, Adjeu. Gctaoe. Adjeu, guter Freund, Adjeu. Peter. Haben Sie mir sonst nichts zu sagen? Ich will nun gehn. Vctave. Nein. Geht nur geht, Adjeu. Peter. Ah bey Gelegenheit Herr Octave, nehmen Sie mirs doch nicht übel: Meine Frau sagte, wenn Sie mir etwa was geben wollten, ich sollte ja nichts nehmen ------Vctave. Ha ha. Ich versteh das Deutsch. Da hast du einen halben Gulden zu vertrinken.

620 Peter. Ah großen Dank mein Herr, großen Dank. Wctave. Ich dachte, deine Frau hätte dir befohlen nichts zu nehmen------Peter. Ja mit der linken Hand------- Adjeu. Adjeu. VIII.

Die Weiber müßen über die Kinder zu befehlen haben, und nicht die Männer; denn sonst würden die Männer oft über was disponiren was ihnen doch nicht zugehörte. Das Gesez ist ganz deutlich Mater certa, pater vero incertus. IX.

Ich kenne ihn nicht. Aber ich habe einen guten Freund, der einen andern guten Freund hat, und der ein guter Freund von einem guten Freunde des Pierrot ist. X.

Verdrüßen dich diese Verweise nicht? Ah — was verdrüßen? Die Pillen muß man verschlucken und nicht kauen. XI.

Wer ein alt Hauß repariren und eine junge Frau befriedigen will, der muß immer wieder von forne anfangen. XII.

Lisette.

Johann.

Johann. Ja so, daß ichs nicht vergeße. Da hier, Lisette, von meinem Herrn----------jCiscttr. Was? Hält mich dein Herr für so ein intereßirt Mägdchen? Johann. Greifs nur zu, und nimms. Wer wird sich so schähmen? Lisette. Nein. Nein, ich diene deinem Herrn aus bloßer Großmuth. Wie viel ist in dem Beutel? Johann. Zwölff Ducaten. Greiff zu, ich kriege sonst gescholtenes-----Lisette. Sind sie neu? Johann. O wenn du nicht will, so stecke [?] ich sie wieder ein.

621 iisetir. Nu, gieb sie nur her, gieb sie. Dein Herr möchte dich ausschelten. Und ich mag nicht gern daran schuld seyn. XIII. Es sind doch rechte uncivilisirte Leute in der Stadt. Wenn man etwa einmal einen galanten Fluch von sich hören läßt, so erschrecken die Narren, als wenn ein Stücke loßginge. Wenn man sich etwa mit einem Mägdgen ohne Beyhülffe des Priesters einläßt und ihr ein kleines Merk­ mahl der Zärtlichkeit hinterläßt, so ist gleich allerorten so ein Aufruhr, daß ein ehrlicher Mann davon lauffen muß. Das Trinken ist noch das einzige, was kein Aufsehen macht, aber das Getränke ist auch so schlecht, daß man es durchaus verbieten sollte, aus Furcht, ein rechtschaffner Kerl möchte einen Eckel für alles Trinken bekommen. XIV. Die Trauungen sind m der That nichts anders als Erfindungen der Priester dann und wann einen kleinen Prosit zn haben. Aber die Narren, wenn sie mir nur folgen wollten, so schafften sie die Trauungen ab: ich weiß gewiß, was sie Hiebey einbüßten käm ihnen an den Kindtauffen zehnmal wieder ein. XV. furintr. ^verliebt in Srcuien) Maton. £ ist. £ M. £ M. £ itl. von dem

Ist er ausgegangen? Wer denn? Ob er ausgegangen ist? Euer Bruder? Nein. Euer Bedienter? Wer redt von meinem Bedienten? ist Erast ausgegangen? Ich glaube nicht. Aber wie habe ichs sollen rathen, daß Sie reden? XVI. Marion,

pasquirr.

M. Wen suchst du denn, Pasquin? p. Ich fudjte eine Närrin. Ich habe dich gefunden, und nun suche ich niemanden mehr.

622 XVII. Wenn der Teuffel und ein Eremite lange beysammen leben, so wird entweder der Teuffel ein Eremite, oder der Eremite ein Teuffel werden. XVIII.

Klonsadk.

pasquin.

p. Die Zeit, wo sie gar nichts machen, ist bey Ihnen 1 noch am besten angewandt. M. Und du bist am wizigsten, wenn du gar schweigst. 1 Zn der Handschrift steht sie.