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German Pages [332] Year 2015
Alexander Kluge-Jahrbuch
Band 2 j 2015
Herausgegeben von Richard Langston, Gunther Martens, Vincent Pauval, Christian Schulte und Rainer Stollmann
Advisory Board: Leslie Adelson, Gregory Corman, Astrid Deuber-Mankowsky, Devin Fore, Tara Forrest, Jeremy Hamers, Karin Harrasser, Stefanie Harris, Michael Jennings, Gertrud Koch, Celine Letawe, Helmut Lethen, Susanne Marten, Christopher Pavsek, Mark Potocnik, Eric Rentschler, Winfried Siebers, Ulrike Sprenger, Georg Stanitzek, Joseph Vogl
Richard Langston / Gunther Martens / Vincent Pauval / Christian Schulte / Rainer Stollmann (Hg.)
Glass Shards Echoes of a Message in a Bottle
With 19 figures
V& R unipress
®
MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen
www.fsc.org
FSC® C083411
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0420-9 ISBN 978-3-8470-0420-2 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0420-6 (V& R eLibrary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des University Research Council. Ó 2015, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Jean de La Fontaine, Fables choisies, Paris: Desaint & Saillant, Imprimerie de C.-A. Jombert, 1755–59. Fabel CCII, Bildtafel Nr. 2: »Les deux Aventuriers et le Talisman« Library of Congress Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Zum Alten Berg 24, 96158 Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Contents
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vier Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Alexander Kluge Landkarte der Begriffe. Ein Glossar zu Geschichte und Eigensinn . . . . .
21
Richard Langston »Das ist die umgekehrte Flaschenpost«. Ein montiertes Interview mit Oskar Negt und Alexander Kluge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Andrew Bowie Kluge and Negt 30 Years On. A Brief Reflection
. . . . . . . . . . . . . .
77
Matthew D. Miller Eigensinn in Transit. Reexamining a Concept for the Twenty-First Century . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
Christopher Pavsek The Utopia of Reading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Alexander Kluge Zu Öffentlichkeit und Erfahrung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Lutz Koepnick Inside Kluge’s Cosmic Cinema. Critical Theory and Mobile Spectatorship Today . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Bert-Christoph Streckhardt Passagen-Werkstatt der Autoren. Benjamin – Adorno – Kluge
. . . . . . 143
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Contents
Gr¦gory Cormann & Jeremy Hamers Adorno-As-Memory. Inheriting,Resurfacing and Replaying Confidence in Kluge’s Late Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Thomas Combrink Zu Alexander Kluges Metaphernwelt. Mit Blick auf die Überlegungen Hans Blumenbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Anselm Kiefer »Alexander, You Are a Particle Accelerator«
. . . . . . . . . . . . . . . . 179
Alexander Kluge Heinrich Heine Prize 2014 Acceptance Speech . . . . . . . . . . . . . . . 185 Gregory H. Williams Toward an Aesthetic of Cross-Mapping. Alexander Kluge’s Impact on the Visual Arts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Thomas Combrink Ein Medium, das die Lichtstrahlen bündelt. Über das Verhältnis zwischen Heinrich von Kleist und Alexander Kluge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Philipp Ekardt Form der Paraphrase. Umgearbeitete Romantik bei Alexander Kluge
. . 213
Kathrin Lämmle Doing Undoing. Störung, Umordnung und Bewusstmachung – Brüche in Alexander Kluges Fernsehformaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Alexander Kluge Heidegger at Wildenstein Castle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Paul Rabinow Assemblage-Work, a Chance Collaboration. Had These Then Eighty-Three-Year-Olds Not Decided to Work Together . . . . . . . . . . 245 Jens Birkmeyer Fährtenleser des organisierten Unglücks. Alexander Kluges »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter« im Literaturunterricht . . . . . 265
Contents
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REZENSIONEN Kai Lars Fischer, Geschichtsmontagen. Zum Zusammenhang von Geschichtskonzeptionen und Text-Modell bei Walter Benjamin und Alexander Kluge, Hildesheim: Georg Olms Verlag, 2013. 264 pp. E 38,00 (paper). ISBN: 978-3-487-15014-7. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Alexander Kluge, L’utopie des sentiments. Essais et histoires de cin¦ma, textes r¦unis et pr¦sent¦s par Dario Marchiori, traduits par Christophe Jouanlanne et Vincent Pauval, Lyon: Presses Universitaires de Lyon, 2014. 228 S. 18 E. ISBN: 978-2-7297-0877-1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Alexander Kluge, Id¦ologies. des nouvelles de l’Antiquit¦, Edit¦ et traduit par B¦n¦dicte Vilgrain, Courbevoie: Th¦tre Typographique, 2014. 128 pp. 24 E. ISBN: 978-2-9096-5749-3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
BIBLIOGRAPHIE Bibliographie zu Alexander Kluge 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
VIDEOGRAPHIE Verzeichnis der Kulturmagazine 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Editorial
I The idea of a »message in a bottle«, or Flaschenpost, used to describe Critical Theory’s uprooted relationship vis--vis the struggle against European fascism dates back to a fundraising letter written by Max Horkheimer in late June 1940 during his Californian exile: »Angesichts dessen, was jetzt über Europa und vielleicht über die ganze Welt hereinbricht, ist ohnehin unsere gegenwärtige Arbeit […] eine Art Flaschenpost.«1 Circumscribed four years later in their Dialektik der Aufklärung, Theodor W. Adorno explicitly incorporated the concept only once in his entire oeuvre in order to illustrate not Critical Theory’s debilitating dislocation from Europe’s plight, but rather the belated negativity of the work of art with respect to the unbearable present of the administered world. In his chapter on »Arnold Schönberg und der Fortschritt« first drafted in the winter of 1940–1941 and completed in Los Angeles in the summer of 1948 for Philosophie der neuen Musik, Adorno declares the aim of what he himself called in English »advanced music« to be »das absolute Vergessensein«. Advanced music, he recapitulates in the original German conclusion, »ist die wahre Flaschenpost«.2 Already mystifying, Adorno’s metaphor of advanced music as a message in a bottle is rendered even more complex when we consider the greater context leading up to these famous final words: 1 Max Horkheimer to Salka Viertel, 29 June, 1940, Gesammelte Schriften, Alfred Schmidt/ Gunzelin Schmid Noerr (eds.), vol. 16, Frankfurt a.M. 1995, p. 726. 2 In the penultimate fragment »Propaganda«, they define Flaschenpost as: »Wenn die Rede heute an einen sich wenden kann, so sind es weder die sogenannten Massen, noch der Einzelne, der ohnmächtig ist, sondern eher ein eingebildeter Zeuge, dem wir es hinterlassen, damit es doch nicht ganz mit uns untergeht«. Cf. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt a.M. 1981, pp. 293–294; Adorno’s presumed lost 1941 English-language translation entitled »Philosophy of Advanced Music« can be found at: Yale Music Library, New Haven (CT), Virgil Thomson Papers, Box 191, Folder 1, Miscellaneous Writings by Others; Theodor W. Adorno, Philosophie der neuen Musik, Frankfurt a.M. 1975, p. 126.
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Editorial
»Keiner will mit ihr etwas zu haben, die Individuellen so wenig wie die Kollektiven. Sie verhallt ungehört, ohne Echo. Schließt um die gehörte Musik die Zeit zum strahlenden Kristall zusammen, so fällt die ungehörte in die leere Zeit gleich einer verderblichen Kugel. Auf diese letzte Erfahrung hin, die mechanische Musik stündlich durchmacht, ist die neue Musik spontan angelegt…«3
In addition to resembling a message in a bottle, advanced music is akin to Pythagoras’s musical spheres out of joint with time; it is repudiated from all quarters of society ; and its sound trails away without so much as an echo.4 It is especially this echoless quality of Adorno’s message in a bottle, against which Alexander Kluge positions his own work. This relationship between Kluge and his »Oberrabbis« of Critical Theory constitutes the thematic thread coursing through many of the contributions included in this second volume of the Alexander-Kluge Jahrbuch.5 The title, Glass Shards. Echoes of a Message in a Bottle, is culled from the montaged interview with Oskar Negt and Kluge that, along with four letters to and about Kluge, open this second issue of the yearbook. Referring to the altered twenty-first century relationship between Marxism and capitalism – a moment in advance of the publication of their Geschichte und Eigensinn in English – Kluge contends that old tools merely require calibration in order to acquire relevance in the present: »Man [muss] die beobachtenden Werkzeuge neu eichen. Der Direktblick des Gelehrten, der die Welt erfasst, oder des Philosophen Kant, der aus Königsberg nie rauskommt, alles nur als mittelbare Erfahrung kennt und über den gesamten Globus urteilt, das ist ein Atavismus. […] Ich brauche Scherben, Splitter, Zerrspiegel, Mosaiksteine. Ich darf nicht sagen, die müssen so wie in einer Kamera oder wie im Spiegel perfekt sein. Ich kann also in einem Glassplitter auch was sehen. Das ist die umgekehrte Flaschenpost, sozusagen das Flaschenecho.«6
Kluge does not help himself to classical Marxism’s toolbox in order to illustrate such recalibrated tools. Rather, he first invokes the eighteenth-century scholar’s gaze that presumed to pierce the veil of reality and know the world as a whole. To this end, he dismisses both the direct empiricism of David Hume as well as the 3 Ibid. 4 For a detailed account of Adorno’s attempt at an English translation of his own essay on Schönberg, its relationship to existing English translations, and most importantly his elusive reference to spheres, see: James Schmidt, »›The True Manuscript in a Bottle‹, or, How I Found Theodor Adorno’s ›Lost‹ Translation of the Philosophie der neuen Musik«, in: Persistent Enlightenment, 25. 03. 2015, Online-Publication, persistentenlightenment.wordpress.com/ 2015/03/25/adornoms/#ffn2 (Accessed: 19. 05. 2015). 5 Alexander Kluge, Macht der Gefühle, Frankfurt a.M. 1984, S. 178. 6 Cf. Richard Langston, »›Das ist die umgekehrte Flaschenpost‹. Ein montiertes Interview mit Oskar Negt und Alexander Kluge«, included in this volume of the Alexander Kluge-Jahrbuch, pp. 47–75.
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synthetic reasoning of Immanuel Kant as exclusive epistemic tools and instead conjures up Horkheimer’s and Adorno’s message in a bottle, albeit with a twist. Neither a reiteration of the former’s exilic condition nor an homage to the latter’s monadic work of art, Kluge’s neologism »Flaschenecho« – one he himself recognizes as »ein schiefes Bild, das aber seiner Methode entspricht« – encapsulates, in a word, the rich links back to and turns away from his Frankfurt School mentors.7 Most obvious are the media shifts implied in Kluge’s neologism, a move from the written word – the original message in a bottle intended for other shores – to the reverberating sounds of that bottle and then onward to the image of that bottle as a pile of glass shards, Glassplitter. Kluge’s double thought image of Glassplitter-Flaschenecho is, however, certainly much more than just shorthand for how he has extended Critical Theory by other aesthetic means – film, television and literature – for a very different historical moment. Unlike Adorno’s metaphor for the hermetic work of art that is willfully detached from the world, relegated to absolute oblivion and thus echoless, Kluge’s work is decidedly of this world and intent on creating suitable conditions for orientation within it by piling up shards of glass that we, his audience, may sift through. We may think, therefore, of the echoes both contained within and generated by Kluge’s many different vessels – his storybooks, his streaming video portal, his television programs and films and even his co-authored theoretical writings – as soundings of ideas over time and space that, much like actual echoes, repeat what came before but always with a perceptible difference. If Glassplitter signifies the tool with which Kluge invites us to see and know the world, then the remainder of Flaschenpost still identifiable in his coinage Flaschenecho can also be thought of as the fixed stars of Horkheimer and Adorno according to which he has consistently oriented his work for over five decades.
II Kluge’s ties to the Frankfurt School are well established and so too are many of his affinities to other divergent theoretical traditions.8 Even though there are still 7 Thomas Combrink, email to author, 15 April, 2015. 8 Just a few of the many existing publications just on Kluge and Critical Theory include: Miriam Hansen, »Alexander Kluge. Crossings between Film, Literature, Critical Theory«, in: Sigrid Bauschinger/Susan L. Cocalis/Henry A. Lea (eds.), Film und Literatur. Literarische Texte und der neue deutsche Film, Munich 1984, pp. 169–96; Klaus Scherpe, »Die Entdramatisierung der Kritischen Theorie in der Literatur. Hans Magnus Enzensberger and Alexander Kluge«, in: Cultura tedesca 18 (2001), pp. 141–160; and Christian Schulte, »Kritische Theorie als Gegenproduktion. Zum Projekt Alexander Kluges«, in: gift: zeitschrift für freies theater 3 (2010), pp. 37–44.
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vast amounts of work to be done in order to track down and decipher all the many theoretical influences shaping his oeuvre, it is not the intention of this installment of the yearbook to conduct an exhaustive survey of this vast web of theoretical references. There are certainly advantages to taking stock of Kluge’s theoretical interlocutors systematically and yet, as the montaged interview with Negt and Kluge included in these pages reminds us, Kluge’s philosophical expertise more often than not segues into his penchant for storytelling. In lieu of isolating theory from the rest of his work and marshaling such a comprehensive approach, the yearbook takes as its primary point of departure the resurgence of what is arguably Negt and Kluge’s most important theoretical collaboration in Kluge’s own recent work. Not only does a revision of chapter eleven from Geschichte und Eigensinn as well as portions of its preface and chapter two reappear in Das Labyrinth der zärtlichen Kraft (2009) and Das fünfte Buch (2012), respectively, but the entire work also arguably serves as a foundation for Kluge’s return to film in Nachrichten aus der ideologischen Antike. Marx, Eisenstein, Das Kapital (2008) and Früchte des Vertrauens (2009). An impetus for some of the English-language scholarly contributions included in this volume, the translation of Geschichte und Eigensinn into History and Obstinacy in late 2014, a project that Kluge oversaw with particular intensity in 2011–2012, stands out as yet another indicator of this work’s renewed importance for his work in the new millennium. There is no question that Geschichte und Eigensinn holds a special place in Kluge’s heart but, by his own admission, his theoretical investments amount to so much more. A little more than a month after returning from the international conference »Critical Theory, Film and Media: Where is Frankfurt Now?« held at Goethe Universität Frankfurt in August 2014, I received a call from Kluge on an early Monday morning. It was in Frankfurt where the theme for the second volume of the yearbook was finalized and some seven weeks later Kluge felt it necessary to lay down with me on the phone – something he and I had done frequently as we hammered out the translation of History and Obstinacy – what he saw as the two pillars of his work as Critical Theory’s gardener. The first is the creation of a version of Walter Benjamin’s Arcades Project for the present. If storytelling, Kluge insisted on the phone, is akin to Benjamin’s nineteenthcentury collector, then the narration of stories must strive to query the essential materials that not only dominate social life but also frame its silver lining in the twentieth and twenty-first centuries. Is not finely tuned silicon now what iron was in the era of the Eifel Tower? What remain of the masses – a category once so central for thinkers like Gustave Le Bon, Siegfried Kracauer and Wilhelm Reich – in open-source Internet platforms like Wikipedia or online crowdsourcing? The second pillar concerns the dearth of experience in our electronically networked age of surfeit information. How can a Western newspaper report about barbaric
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acts committed by the Islamic State convey the layers of lost historical experience in the Middle East since the nineteenth century that led to this gruesome backlash? Complicating matters further is the so-called film in the head of a newspaper’s readers. It is akin to Hegel reading a Scottish newspaper in the early 1800s or Habermas reading The Guardian in 2015. What goes on in their heads is not what is described in the newspaper and it is certainly not privy to complexity of experiences on the ground in a place like Mosul, Iraq. And then our conversation quickly turned, as is so often the case with Kluge, to future translations and his pending collaborations with Negt, Richard Sennett and megacities, the caress of a barber and a bird’s feathers. Instead of tackling Kluge’s succinct self-assessment of his overall project, the scope of this yearbook’s contributions touch upon but are not limited to the return of Geschichte und Eigensinn in the new millennium. In addition to wrestling with just a few of Negt and Kluge’s many theoretical interlocutors, the essays also address Kluge’s media practices in video, film and literature in equal measure. Rather than singling out artificially Kluge’s theory work from his other poetic and aesthetic pursuits, the volume sequences contributions in thematic clusters punctuated by documents by Kluge, his friends and his mentors. And finally, this second volume of the Alexander Kluge-Jahrbuch brings together specialists working in anthropology, art history, film and media studies, literary studies, as well as philosophy with the hope that this multilingual, interdisciplinary dialogue spanning continents – careful attention to each and every contribution should reveal an astonishing number of cross references – will grow in scope and depth in the years to come.
III Scholarship on Alexander Kluge continues unabated around the world and conferences have and will certainly continue to be essential occasions for moving forward the international dialogue contained in the following pages. As was the case with the inaugural issue of the Alexander Kluge-Jahrbuch, some of the contributions included here grew out of work first presented at European and North American conferences dedicated either in whole or in part to Alexander Kluge’s oeuvre. These include: Philipp Ekardt’s essay originally presented at the conference »Poetik des Unwahrscheinlichen: Alexander Kluges Geschichte(n)« organized by Mark Potocnik at the Humboldt-Universität zu Berlin in December 2012; Christopher Pavsek’s essay first given at the »Reading/Viewing Alexander Kluge’s Work« conference organized by C¦line Letawe, Gr¦gory Cormann and Jeremy Hamers at the Universit¦ de LiÀge in December 2013; both Lutz Koepnick’s essay as well as the jointly authored one by Jeremy Hamers and Gr¦gory
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Corman, held at the »Critical Theory, Film and Media: Where is Frankfurt Now?« and held in August 2014 by the Permanent Seminar on Histories of Film Theories at the Goethe Universität Frankfurt; and Matthew Miller’s essay presented at the »Ästhetischer Eigensinn« seminar convened by Claudia Benthien and Richard Langston at the German Studies Association conference and held in Kansas City (USA) in September 2014. The editor is extremely grateful for the generosity of both these as well as all the other authors for making their previously unpublished work available. For their generous time, support and patience the principle editor extends his deepest gratitude to both Alexander Kluge and Oskar Negt. Additional thanks goes to Winfried Siebers for his meticulous work on compiling the annual bibliography and Beate Wiggen of dctp who once again assembled the yearbook’s videography. Thomas Combrink, Amir Eshel, Andreas Freytag Hill, Vincent Pauval, Christopher Pavsek, Kaspar Renner, Christian Schulte (along with his Viennese editorial team from volume one [Jana Koch, Valentin Mertes and Stefanie Schmitt]) as well as Rainer Stollmann were all instrumental in helping plan and piece the second volume of the yearbook together. Without the unparalleled editorial expertise of Christina Wegel, Elizabeth Schreiber-Byers and Sandra Summers, however, the yearbook would have never reached the finish line in time. As the principle editor of this volume of the yearbook, I express heartfelt thanks to them on behalf of everyone involved. Any and all outstanding errors are the sole responsibility of one Richard Langston.
IV The Alexander-Kluge Jahrbuch is a trilingual, peer-reviewed yearbook dedicated to fostering the critical study of every aspect of Alexander Kluge’s work. An international platform intent on bringing together a wide range of disciplines and theoretical approaches, the yearbook welcomes both essays and reviews written in English, French or German. Detailed information about submission guidelines as well as the editorial and advisory boards can be found at klugejahrbuch.web.unc.edu. Unsolicited submissions are welcome and should be submitted to [email protected]. Richard Langston
Vier Briefe1
Brief von Theodor W. Adorno an Fritz Lang vom 19. Juni 1958 19. Juni 1958 Lieber Badger, heute möchte ich Dir einen jungen, sehr nahen Freund von uns angelegentlich empfehlen, der in der nächsten Woche nach Berlin kommen und bei Dir sich melden wird. Er heißt Dr. Axel Kluge, ist von Fach Jurist, als solcher eine Art Wunderkind, der sämtliche Examina mit einem außergewöhnlichen Glanz bestanden hat. Er war Assistent von Hellmut Becker, an den Du Dich vielleicht erinnerst – wir sind einmal mit ihm im Parkhotel zusammen gewesen. Axel Kluge hat sich vor allem mit Jugendfragen unter den verschiedensten Aspekten beschäftigt; als Jugendrichter, auch als Assistent von Becker im Zusammenhang mit Universitäts- und Erwachsenenbildungsfragen. Ich würde ihn Dir nicht empfehlen, wenn ich mir nicht vorstellen könnte, daß Du von dem Kontakt mit ihm auch etwas hast – er ist eigentlich der Begabteste aus der jungen Generation, der mir in Deutschland begegnet ist, von einer erstaunlichen Reife und Weite der Interessen, zudem eine merkwürdige Doppelbegabung, zwischen dem Theoretisch-Geistigen und dem Kulturpolitisch-Praktischen. Besonders dankbar wäre ich Dir, wenn Du ihn in einigen Fragen, die er gern mit Dir besprechen möchte, beraten wolltest. Ich hatte einen ziemlich heftigen Grippeanfall, der mir die Pfingstferien gestohlen hat, bin aber jetzt wieder erholt, bei der Arbeit und ganz guter Laune. Ist eine Chance, daß Du bald in der Gegend wieder auftauchst? Wir sind hier bis
1 Die Briefe von Jürgen Habermas, Theodor W. Adorno und Siegfried Kracauer werden mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Habermas, der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur und dem Suhrkamp Verlag veröffentlicht.
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Vier Briefe
Ende Juli, dann wieder in Sils Maria, obwohl es uns dort schon etwas fad wird, aber es stellt nun einmal ein Höchstmaß an Erholungsmöglichkeiten für uns dar. Grüße die Lily sehr, alles Liebe, auch von der Gretel, Dein altes
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Vier Briefe
Brief von Siegfried Kracauer an Alexander Kluge vom 24. Dezember 1962 DR. SIEGFRIED KRACAUER
Lieber Herr Dr. Kluge:
498 Westend Avenue New York 24, N.Y. December 24, 1962
Mein alter Freund Prof. Adorno – der auch der Ihre ist, wie er mir schrieb – war so freundlich, mir Ihre »Lebensläufe« zugehen zu lassen. Ich möchte Ihnen, wenigstens durch ein Wort, gern selber sagen, was ich schon an Adorno schrieb: daß mich Ihr Buch sehr tief betroffen hat durch die stilistische und sachliche Konsequenz, mit der Sie die Erfahrung darstellen, daß (heute) die meisten »Lebensläufe« keine Läufe und die meisten Personen keine Personen sind. Ich wüßte niemanden, der diese Erfahrung, die nur ein ums wirklich Humane besorgter Mensch haben kann, so drastisch ins grausame Licht gerückt hätte wie Sie. (Es ist ein kalkweißes Licht, scheint mir.) Ihre Zerpflückung des Biographischen, Ihre neuartige Darstellung in schief zusammenhängenden Fetzen, und Ihre rechtmäßig überscharfe Genauigkeit in der Beziehung von Positionen, Situation, und Lokalen – all das macht schockartig den Zustand der Dinge und Menschen deutlich, mit denen wir es jetzt zu tun haben. (Oder besonders in Deutschland? Ich schrieb auch Adorno, daß Benjamin vielleicht von Ihrem Buch gesagt hätte, was er einmal von meinem Roman »Ginster« sagte: daß es nur in Deutschland geschrieben werden konnte.) Ich bin gespannt wie Sie fortfahren werden. So ein Buch kann man nur /mögliche [sic] einmal schreiben. Und ich glaube dahinter/Einsichten [sic] zu spüren – so in die schwierigen Zusammenhänge [sic] zwischen dem Institutionellen und dem Persönlichen, dem öffentlichen und dem privaten Dasein – die, wie ich mir vorstellen könnte, bei Ihnen nach Sprache verlangen. (Aber das Schreiben wird dann immer schwerer.) Kurz, ich finde Ihr Buch großartig. Von der Oberhausener Gruppe weiß ich leider nur wenig und nur von außen. Vielleicht erzählt Ihnen Prof. Adorno einmal von meinem Buch, THEORY OF FILM? Mit freundlichen Grüßen und sehr guten Wünschen fürs Neue Jahr, Ihr
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Vier Briefe
Brief von Theodor W. Adorno an Alexander Kluge vom 1. April 1969 1. April 1969 Lieber Axel, […] Das Buch Komposition für den Film dürfte nun also wirklich erscheinen, und zwar bei dem Verlag Rogner und Bernhard in München. Es ist nur eine etwas umständliche Sache, weil ich auf der Wiederherstellung der ursprünglichen, dann von Eisler unter DDR-Druck stalinisierten Fassung bestehe. Aber der Verlag ist erstaunlicher Weise bis jetzt in allen Dingen mir entgegengekommen. Es war nun, wie Du Dich vielleicht erinnerst, meine Absicht, dem Buch ein Kapitel über die Musik in dem jungen Film beizustellen. Ich bin aber von dieser Idee abgekommen. Einmal, weil ich viel zu viel noch mit dem Ästhetikbuch zu tun habe, das im übrigen während der letzten vier Monate entscheidende Fortschritte gemacht hat. Dann aber, weil ich von der Materie einfach zu wenig verstehe. Ich habe deshalb Herrn Rogner gebeten, Dich einzuladen, dies Kapitel zu schreiben, und er ist von der Idee begeistert. Ich weiß nicht, ob er sich schon mit Dir in Verbindung gesetzt hat. Ich jedenfalls möchte Dir heute sagen, wie schön ich es fände, wenn wir auf diese Weise einmal in einer Arbeit gemeinsam aufträten. Finanziell müßte der Verlag selbstverständlich mit Dir eine besondere Vereinbarung treffen und hat sich damit einverstanden erklärt. Vielleicht gibst Du mir bald Bescheid, wie Du zu dem Plan stehst. Ich schreibe dem Rogner, dass Du natürlich ein Exemplar des Buches haben müßtest, ehe Du dies Kapitel schreiben kannst, Du dürftest besonders in dem „Funktion und Dramaturgie“ einiges Dich Interessierende finden. Man müßte wohl noch näher auf den Begriff der Montage in der Musik eingehen. Gern würde ich, wenn Dir es recht ist, meinen Senf dazu geben. […]
Alles Liebe, auch von der Gretel, Dein Alter, (gez.) Teddie
Vier Briefe
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Brief von Jürgen Habermas an Alexander Kluge vom 21. März 1978 Prof. Dr. Jürgen Habermas
21.3.78
Herrn Prof. Dr. Alexander Kluge Schumannstr. 64 6000 Frankfurt/Main
Lieber Herr Kluge, als ich vorgestern Abend aus dem Kino kam, war ich von Ihrem jüngsten Produkt, jedenfalls von den Teilen, die es Ihnen verdankt, so angetan, daß ich mir vorgenommen habe, Ihnen zu schreiben. Irgendwie ist dieser »Herbst in Deutschland« ja ein Film von Kluge geworden. Ohne Ihre verblüffenden und nachhaltig wirksamen Dokumentarszenen (ich denke nur an die Fremdarbeiter in der Montagehalle von Mercedes), ohne Ihre beharrlich interviewende und kommentierende Stimme, ohne Ihre bis an die Grenzen der Niedertracht gehenden Schnitte, ohne die Klugesche Fixierung an Geschichte und Militär, an fiktive Zitate, ans Nebensächliche, wäre dieser Film doch wohl auseinander gefallen und nicht zu einer Sache geworden, die, bei aller Heterogenität der einzelnen Beimischungen, eine ungeheure, ambivalente und komplexe Reaktion hervorruft und sich nachhaltig im Gedächtnis festsetzt. Das ist etwas umständlich ausgedrückt. Ich wollte eigentlich nur sagen, daß mir der Film gefallen hat. Herzliche Grüße Ihres
Alexander Kluge
Landkarte der Begriffe. Ein Glossar zu Geschichte und Eigensinn1
[Eigensinn] Eine in der menschlichen Geschichte beobachtbare Grundströmung. Sie entsteht aus dem Widerstand gegen ursprüngliche Enteignung. Ihre Elemente bilden sich permanent neu und aus so verschiedenartigen Wurzeln, daß der mit EIGENSINN bezeichnete Typ von Erfahrung und Gegenwehr begrifflich nicht einzugrenzen ist. Es läßt sich lediglich beobachten, daß in der gesellschaftlichen Evolution intelligenter Lebewesen notwendig Eigensinn entsteht. ! Die Geschichte vom eigensinnigen Kind; ! Eigensinn als Prinzip. [Geschichte] In der Antike und im Mittelalter gibt es die Form der RES GESTAE: die Erzählung vergangener Ereignisse. Roman und Tatsachen sind in ihnen noch ungetrennt. Seit Ende des 18. Jahrhunderts wird das Wort Geschichte zu einem emphatischen Suchbegriff: Wo liegen gesellschaftliche Determinanten, die sowohl die Aktualität wie den Produktionsprozeß beschreiben, der zu dieser bestimmten Gegenwart führte. Kein Substanz-, sondern ein Suchbegriff. [Arbeit] In den unterschiedlichen Sprachen gibt es eine Vielfalt von Worten für diesen Begriff: labour, work, craft, employment (englisch), travail, ouvrier (französisch), lavoro (italienisch), rabûta (russisch). Arbeit bezeichnet ursprünglich die rein körperliche Tätigkeit, die Mühsal. In der Antike und im europäischen Mittelalter ist Arbeit keine Sache der Herren. In der protestantischen Tradition seit Luther ist Arbeit mit ethischem und charakterlichem Wert konnotiert. Im Jahrhundert der Ingenieure, dem 20. Jahrhundert, tritt die Arbeit in den Mittelpunkt der Politik. In der Physik bedeutet das Wort Kraft x Weg, gemessen in erg. In der klassischen Ökonomie der Begriff für die stoffverändernde menschliche Tätigkeit, die Werte schafft. Arbeit ist die am wenigsten 1 [Es handelt sich um das für die englischsprachige Übersetzung von Geschichte und Eigensinn vorgesehene Glossar, wodurch die letzten zwölf Kommentare aus dem deutschsprachigen Original ersetzt wurden. Ursprünglich im Dialog mit den Übersetzern konzipiert, ist das Glossar aus Platzgründen auf die achtundzwanzig eingestreuten Geschichten aus Das fünfte Buch gekürzt.]
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abstrakte Kategorie in jeder Tauschgesellschaft. ! Lebendige und tote Arbeit; ! bewußte und dem Willen nicht unterliegende A.; ! Widerstand, Protestarbeit. ! VARIANTEN UND GEGENPOLE: ! wachsen, sich entwickeln, finden, jagen, sammeln; ! Pursuit of happiness, Glück haben; ! Basteln, bricolage; ! »Es arbeitet in mir«; ! »Arbeitsweise« der Evolution, different von dem Bild geplanter, zielgerichteter stofflicher Veränderung als Arbeit. Im vorliegenden Buch ist der Begriff absichtlich weit gefaßt. Es geht um alle subjektiven Elemente, durch die sich menschliche Wesenskräfte objektivieren, also die zentralen und die dezentralen Verbindungen im subjektiv-objektiven Verhältnis. [Subjektiv-objektiv] Philosophische (und politische) Auffassung, derzufolge weder die Innerlichkeit (das Ich als Robinson) noch das Äußere (die Gesellschaft) je für sich eine Realität bilden können. Vielmehr entsteht das GESELLSCHAFTLICHE VERHÄLTNIS, also eine Wirklichkeit für Menschen, durch eine SUBJEKTIV-OBJEKTIVE Verbindung. Ein glückliches Liebesverhältnis besteht nicht aus der Vorstellung des einen und der des anderen, sondern entwickelt sich auf einer gemeinsamen Plattform zwischen ihnen (und das braucht Zeit). Entsprechend formt sich ein Arbeitsgegenstand subjektiv-objektiv durch den Willen des Arbeitenden, aber auch den Willen des Materials. Ein Gemeinwesen bildet sich demnach ZWISCHEN DEN MENSCHEN, nicht in ihnen und nicht neben ihnen. [Arbeitsvermögen] Arbeitsvermögen heißen die Potentiale, welche die einzelnen Arbeiten und ihre Kombinationen versammeln. Sie haben andere Strukturen und Ziele (Teleologien) als die einzelnen Skills und praktischen Tätigkeiten. Ein Altphilologe wird in England Premierminister. Ein aus seinem erlernten Beruf zwangsweise Entlassener macht im Computerbereich (aufgrund des im Arbeitsvermögen angelegten Potentials) eine bahnbrechende Erfindung. [Steuerungsarbeit] Die Gesellschaft stellt Anforderungen an das Individuum. Der Einzelne muß die ihm innewohnenden Strebungen, Fähigkeiten, Kräfte und Gegenkräfte (im Innenverhältnis zu sich selbst) so zurechtrücken, daß er auf die Anforderungen, die von außen kommen, antworten kann. An beiden Nahtstellen (zur Gesellschaft und zum Innenleben der Menschen hin) bleibt ein Rest an Eigensinn stets unaufgelöst. Die Brechungen zwischen Objektwelt, Ich und den subjektiven Einzelkräften, erfordern eine spezifische Orientierung und Navigation. Dies gilt für jeden einzelnen Handgriff ebenso wie für die lebenslängliche Praxis und den Erfahrungstransfer über die Generationen hin, den ! Generationsvertrag. Für jede dieser räumlichen und zeitlichen Ebenen ist Steuerungsarbeit notwendig. Sie stellt eine andere Form der Arbeit dar als die mit Hammer, Zange, Sichel oder auch am Computer. Es gibt also für die ZIELGE-
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Abb.: Sternbild des Nilpferds. [Ó Alexander Kluge Archiv]
RICHTETE TÄTIGKEIT und für die PRODUKTION DER FÄHIGKEIT, EINE ZIELGERICHTETE TÄTIGKEIT AUSZUÜBEN, zwei verschiedene Errungenschaften des instrumentellen und des vernünftigen Handelns. Ihnen entsprechen jeweils verschiedene Störungen oder Verstärkungen. Diesen arbeitet der
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Abb: Schreiber. [Jon Bodsworth/Creative Commons]
Eigensinn zu oder entgegen. Alle elementaren Rücksichtslosigkeiten gegenüber diesem zentralen subjektiv-objektiven Netz führen zu STEUERUNGSVERLUSTEN, im Extremfall zur ENTGLEISUNG. [Begriff] Das Wort Begriff besitzt in der deutschen Philosophie eine emphatische Bedeutung, die dem Wort in der Alltagssprache nicht entspricht. Obwohl die englische Übersetzung mit concept das Handgreifliche in der lateinischen Wortwurzel ebenfalls enthält, ist seine Bedeutung enger. Ein Begriff hat unterschiedliche Aggregatzustände. Er umfaßt die EINZELHEIT, das ALLGEMEINE und das BESONDERE. Ein Telefonbuch und die Kartographierung einer Stadt aus dem Orbit zeigen Einzelheiten. Sie bleiben unvollständig, weil man den Ring in der verschlossenen Schatulle von Frau F. nicht sieht, der sie an ihren gestorbenen Mann erinnert und ebenfalls eine Einzelheit, und zwar eine emotional bedeutende, darstellt. Das Allgemeine, weil nicht zählbar, ist schwerer auszudrücken als die Einzelheit. Das Prinzip Stadt (auch ihre Geschichte) zeigt Wandlungen, die in der Wiedergabe durch Worte angedeutet werden müssen. In Mesopotamien entstehen 3000 v. Chr. Megastädte. 2500 Jahre später sind in Griechenland Städte entstanden (vielleicht sind auch die antiken Schiffe der Griechen wie eine Stadt); sie sind übersichtlich strukturiert und bringen Alexander den Großen hervor, der mit einem relativ kleinen Heer zum Bezwinger der asiatischen Städte wird. Wieder anders zeigt sich das Prinzip Stadt in Rom. Die »urbs« dehnt sich mit ihren Straßen und Gesetzestafeln über den ganzen Weltkreis aus. Wie stark ist die Verwunderung von Cäsar über die »oppida« der Gallier, die ihre befestigten Vorratshäuser für Städte halten. Die Städte der Renaissance zeigen ein »Prinzip
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Stadt«, das modernen Agglomerationen wie Lagos, Mexiko City und Shanghai nicht ähnlich ist. Der Begriffsteil des Allgemeinen umfaßt alle diese Unterschiede und ist durch Messung allein nicht wiederzugeben. Der Hang des BESONDEREN (soweit es in einem sich bewegenden Begriff Ränge geben kann) ist für Hegel höher als der des Allgemeinen. Theoretisch soll man das Allgemeine aus dem Netz des Besonderen zusammenfügen. Das tief eingeprägte Merkmal (der Charakter) und die Geschichtszeit gehören zu den lebendigsten Attributen des Begriffs, aus dem die Kraft für den ZUSAMMENHANG erwächst. Daß die Leibeigenschaft und Sklaverei in der Weltgeschichte erst spät in Nordwesteuropas Städten aufgehoben wird, und von dort der westliche Begriff der Freiheit über den Atlantik hinweg seine Ausbreitung nimmt, gehört als Besonderheit im Begriff der Stadt zu deren Elementen. So durchdringen die Begriffe, zum Beispiel Freiheit und Stadt, einander und nichts kann vom Zusammenhang des Begriffs ausgelassen werden, den Gegenpol zu diesem Begriff des Begriffs bilden die Modelle, mit denen zum Beispiel die Ökonomie bei der Entwicklung der Derivate umging (Black-Scholes-Modell). Zu den Besonderheiten der modernen kritischen Theorie (Benjamin, Horkheimer, Adorno, Habermas) gehört der Umgang mit der Zeitachse der Begriffe und der Kategorie der OBJEKTIVEN MÖGLICHKEIT. Eine bloß aktuelle Betrachtung, die den Produktionsprozeß ausgrenzt, bleibt abstrakt und unwirklich; sie verletzt den Begriff. Nach dieser Auffassung (insbesondere dargestellt bei Alfred Sohn-Rethel, Soziologische Theorie der Erkenntnis) sind die »Realabstraktionen der Realität« einer der wichtigsten Untersuchungsgegenstände; hier wird der Wirklichkeit selbst eine begriffliche Verfassung zugeschrieben, deren Beobachtung unabdingbar ist. [Selbstregulation] Sie ist ein allgemeines Prinzip im Kosmos und in der Biologie. Eine Zuspitzung erfährt das Prinzip der Selbstregulation in der Struktur des menschlichen Gehirns: Es ist, wie die Hirnforscher Wolf Singer und Eric Kandel sagen, ein »Orchester ohne Dirigenten«. Selbstregulation bedeutet, daß die Naturgesetze von unten nach oben funktionieren. Sie kennen keine Vorgesetzten (»mit zunehmender Komplexität gehorchen die Elemente immer weniger«). Der Antrieb der Prozesse heißt: NEGENTROPIE, also Unordnung oder Störung, welche die Entwicklung vorantreibt. Im Ergebnis entstehen daraus Gleichgewichte (Homöostase). Niklas Luhmann, Francisco Varela und Humberto R. Maturana haben für soziale Systeme den Begriff der Homöostase durch den Begriff der Homöodynamik ersetzt. Sie übertragen in ihrer Systemtheorie die Prozesse der Selbstregulierung auf gesellschaftliche Verhältnisse. Eine »Stasis«, sagen sie, wäre der Tod der selbstregulierenden Bewegung. Alle Selbstregulationen befinden sich in konstantem Fluß.
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Selbstregulierende Zusammenhänge sind durch eine Bewegung von unten nach oben gekennzeichnet. Bei politischen Zusammenhängen, insbesondere bei politischen Revolutionen, ist die genaue Beobachtung erforderlich, was sich als UNTEN und was sich als OBEN darstellt. [Oberbegriff] Ein Begriff hat seiner Natur nach keine Hierarchie. Ein »Oberbegriff« ist deshalb die Bezeichnung für eine Übertreibung. Anders gesagt: Es gibt Sachverhalte, die für eine spätere Begriffsbildung offen sind und offengehalten werden müssen. Sie sind begrifflich nicht zu fassen. Ein Fehler wäre es, sie durch eine »willkürliche Verallgemeinerung«, also die Karikatur eines Begriffs kennzeichnen zu wollen. So läßt sich die »politische Ökonomie der Arbeitskraft« als eine Aufforderung zur Herstellung eines Begriffs davon, nicht aber als Ergebnis fassen. Die Behauptung, einen Begriff zu haben, ehe man die Unterscheidungskategorien, die in ihm arbeiten, entwickelt hat, nennen wir einen Mißbrauch: einen Oberbegriff. [Entgleisung] Metaphorischer Ausdruck, der eine wichtige Erfahrung wiedergibt. Sie zeigt sich auf allen Ebenen des Lebenslaufs und der Geschichte. Geschichtlich entgleist zum Beispiel das 20. Jahrhundert durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs (der in dieser Betrachtungsweise, unterbrochen von einem Waffenstillstand, 31 Jahre lang bis 1945 dauert). Auch Lebensläufe können entgleisen. Die Beobachtung zeigt, wie viel an Illusion eines »Weges«, eines Planes oder Zieles, ohne daß wir es wahrnehmen, in unserer Lebenspraxis enthalten ist. Ohne die Hoffnung, welche die Wahrnehmung für die Chancen für Entgleisung ausblendet, wäre vermutlich ein Lebensalltag nicht möglich. ! Notwendig falsches Bewußtsein. [Der Satz vom eingeschlossen Dritten] Die rationalistische Logik, aber auch die Mathematik arbeiten mit dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Entweder ist A gleich B oder nicht. Diese Methode des »framing« zerlegt wirkliche Verhältnisse in Ausschnitte, die der Logik zugänglich sind. Solche Ausgrenzung schafft das Problem der 13. Fee. In dem Märchen von Dornröschen wird diese Fee von der Mahlzeit im Königshause ausgeschlossen (es sind nur 12 goldene Teller für 12 und nicht für 13 weise Frauen des Landes vorhanden). Die Ausgeschlossene rächt sich, indem sie das Schloß und seine Bewohner auf 1000 Jahre in Schlaf legt. [Ausgrenzungsmechanismus] Synonym für alle Modelle, die dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten folgen. Man beobachtet diese Ausgrenzung in dem Black-Scholes-Modell, das Unwahrscheinlichkeiten ausgrenzt. Dieses Modell galt als Meilenstein der Finanzwirtschaft, nach welchem Finanzoptionen und
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börsenhandelsfähige Derivate gestaltet wurden. Das in diesem System des »framings« ausgeschlossene Risiko kehrte bei dem Sturz des Bankhauses Lehman Brothers in die Öffentlichkeit zurück. Ebenso bei der Havarie von Tschernobyl. Es ist unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts ein charakteristischer Weg hin zu unerwarteten Katastrophen. Deshalb schlägt der Systemtheoretiker Niklas Luhmann vor, je nach dem Grade des Ausschließens (und damit der Erschaffung künstlicher Wirklichkeiten) den Aufmerksamkeitsgrad für das Ausgeschlossene zu erhöhen. Im Zusammenhang unseres Buches geht es um die noch schwerwiegendere Ausschließung von menschlichen Realitäten und Prozessen der Arbeitskraft durch die Wertabstraktion. Ausgrenzungsmechanismen sind wirksam bei ! Steuerungsarbeit; ! im Vorkrieg; ! bei der Gefährdung von Währungen; ! im Katastrophenschutz; ! in allen politischen Bereichen überhaupt; ! im Geschichtsverhältnis. [Assoziative und hermetische Kräfte] In der Regel lassen sich starke Motive (»ich fühle mich verantwortlich für die Zukunft und Erziehung meiner Kinder«, »mein Glaube ist unveräußerlich«) mit Motiven anderer Menschen weniger vereinigen als schwache (bürgerliche Gesetze, Börsenkurse, DIN-Normen, Gesetze und Regeln der Physik). Auf den zuletzt genannten Gebieten gibt es schon heute Assoziationen von Weltbürgern, auf den zuerst genannten Gebieten wird es immer »spanische Partisanen« geben. Ein Quantum des Scheiterns der Vereinigung der Kräfte im Sinne der Emanzipation und Aufklärung beruht auf einem Mangel an Assoziationen und Institutionen, welche die starken Kräfte Vieler zu bündeln vermögen. Die Bündelung von Kräften in kapitalistischer Organisation erscheint demgegenüber einfacher. Dennoch entsteht auch hier kein Gesamtkapitalist, sondern ein Tausendfüßler von schwarmartig sich verhaltenden Einzelinteressen, die äußerlich robust und wie eine Einheit aussehen, dies aber nicht sind. Auf dem Gegenpol, dem der Arbeit, entsteht die Evolution eines Gesamtarbeiters (vereinigtes Skill und Knowledge in der Welt), heute auch des robo sapiens. Dieser GESAMTARBEITER erscheint in der Alltagspraxis als etwas Zerrissenes: Er ist überall, man sieht ihn nur nicht (auch, weil die Beobachtungskategorien dafür unentwickelt sind). Glückliche Momente in der Geschichte: Wenn die kapitalistische Entwicklung und die der Arbeitskraft (einschließlich der Intelligenz) auf kurze Zeiten konform verlaufen, wie es Ende des 18. Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung und der Industrialisierung geschah. Für einen historischen Moment unterstützen sich Kants Vernunftbegriff und die Logik der expansiven Warenwirtschaft, also philosophische Freiheit und Handelsfreiheit, gegenseitig. [Geiz und abstrakte Genußsucht] Die Kombination beider Eigenschaften gehört zum Kern des kapitalistischen Charakters. Sie bilden starke und schwache Kräfte
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zugleich. Die Emanzipation der Arbeit beruht fast ausschließlich auf starken Kräften und der Fähigkeit, sie zu verausgaben. Diese Kräfte dürfen nicht abstrakt und müssen frei von momentaner Gier sein (nicht geizig). [Primäre und sekundäre Produktion] Ein Bauer im europäischen Mittelalter ernährt sich und seine Familie autark. Das bedeutet: auf seinem Landgut werden nicht nur Korn und Vieh, sondern auch Kleidung und Gedanken hergestellt: ein Selbstbewußtsein. Diese Höfe sind selbstgenügsam. Benachbarte Klosterschulen, der Wanderarzt, der Wanderschmied gehören zu dieser keinem Herrscher gehorchenden Struktur. Das ist primäre Produktion, primäre Ökonomie (»Hausproduktion« im wörtlichen Sinn). Ein Handwerker in der Stadt arbeitet zunächst ebenso unabhängig für sich und seine Städter, hier bereits in Arbeitsteilung. Seine Arbeitsweise zählt zur primären Sphäre. Das wirkt sich in seinem Selbstbewußtsein, seiner Neigung zu »Witz und gesundem Menschenverstand« und seinem Sinn für »Maßverhältnisse« aus; sein Charakter wird dem des Hans Sachs in Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg ähnlich sein. Ein Komponist wie Mozart und ein Physiker wie Einstein gehorchen nicht den Weisungen eines Vorgesetzten oder Beststellers. Der Erzbischof von Salzburg kann Mozart nicht wirksam vorschreiben, wie er die Noten setzen soll. Dies bleibt bis hin zu den Erfindungen in Silicon Valley primäre Produktion. Geraten die Teilnehmer dieser primären Struktur in die Hierarchie von Kirche und Adel und vor allem: arbeiten Handwerker, Künstler und Gelehrte (»Schreiber«) hauptsächlich für diese Herren, so verändern sich Orientierung und Wertmaßstäbe ihrer Arbeit. Sie müssen nicht nur qualifizierte Produkte hervorbringen, sondern den un-informierten Herrn, den Auftraggeber, von der Qualität des Produkts oder der Leistung überzeugen. So muß Kolumbus, ehe er nach Westen aufbricht, das Königspaar von Spanien überzeugen. Der Silberschmied Benvenuto Cellini muß das Interesse der Medici gewinnen, die Banker sind, bevor er seine Meisterwerke herstellt. Diese Abhängigkeit überträgt sich auf die Art und Weise des Denkens. Immer muß in der sekundären Sphäre der Produktion zweierlei produziert werden: Ein Gebrauchsgut und die Einsicht des Bestellers, daß und wie er es gebrauchen kann. Er muß es bezahlen wollen. Auf dem modernen Markt entspricht dem mittelalterlichen Herrscher die zunächst deutlich schwerer bewegliche Souveränität der Konsumenten. Ein Milliardenkapital von Überredung und Überzeugung (Werbung, Medien) ist notwendig, um die Produktion an den Mann zu bringen. Genügen in einer Krise diese Mittel, die Nachfrage anzufachen, überhaupt nicht (wie in der Phase nach dem Schwarzen Freitag von 1929), entsteht eine monströse Koalition: Faschismus und Ökonomie versuchen mit den Mitteln der sogenannten Zwangstauschgesellschaft die Marktgesetze zu überrennen und den Absatz der Produktion mit Gewalt durchzusetzen. Das ist
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stets nur durch Krieg und auf Kosten anderer Völker möglich und wird in der Regel langfristig scheitern, weil es dem Gesetz der Tauschgesellschaft widerspricht. Die Urteilsfähigkeit der Menschen, die zwischen monströser Struktur, Abhängigkeit und Fremdbestimmung, verursacht in der sekundären Sphäre und Bodenhaftung in der primären Sphäre (die letztlich in den Intimbereichen der Familie, der Lebenszeit selbst nicht verlorengeht) schwankt, entscheidet über den Fortgang der Geschichte. Die Arbeitsgesellschaft produziert Gegenstände (Waren, Gebrauchsgüter), Eigenschaften von Menschen (Charaktere) und schließlich die Zivilisationen selbst. Trennschärfe des Begriffs, Selbstbewußtsein und Potential dieser Arbeit ist verschieden, je nachdem, ob in den Formen der primären oder sekundären Sphäre vorgegangen wird. [Spanische Partisanen] Eine Urszene des asymmetrischen Krieges ist in folgender Situation zu beobachten: Napoleon erscheint mit 300.000 Mann seiner Truppen 1809 vor Madrid. Er verkündet die Freiheitsrechte der französischen Revolution: Befreiung der Bauern vom Joch des Adels und des Klerus. Nachts aber massakrieren die »befreiten« Bauern Spaniens die deutschen, italienischen, französischen und polnischen Soldaten des Kaisers. Dies sind konservative Partisanen. Napoleon findet bis zum Ende seiner Herrschaft keine Gegenstrategie. Die spanischen Partisanen, denen in Preußen Rebellen wie Heinrich von Kleist (literarisch) entsprechen, zeigen eine BESONDERE FORM DES EIGENSINNS. [Auswege muß man in den Handlungsfeldern der Menschen suchen und nicht in den Zentren der Regierung] In der progressiven politischen Diskussion nach dem Ersten Weltkrieg in Europa lautet ein Leitsatz: »Es gibt immer einen Ausweg.« In der Aporie der Politiker Europas der Jetztzeit und in der politischen Pattsituation gegenüber der Schuldenkrise im Kongreß in Washington ist der Erfahrungsgehalt dieses Leitsatzes nicht nachweisbar. Anders in den unmittelbaren Tätigkeitsfeldern der Menschen (die allerdings andere Themen haben). Die Erfahrungen von Nachtschwestern und Ärzten in Krankenhäusern bei Notfällen, die Konfrontation von Erfahrungszonen, wenn ein renommierter Soziologe auf dem Kongreß europäischer Vermessungsingenieure spricht, Erfahrungen im Erziehungsbereich: überall hier ergibt sich aus der Differenz von Erfahrungen ein anregender Dialog also ein Potential von Auswegen. Untersucht man die konkreten Handlungsfelder real arbeitender Menschen (also nicht bloß politische Entscheider). In der historischen Zeitschiene treten neue Unterschiede und Auswege ins Blickfeld. Landvermessung zum Beispiel ist der Faktor, der für die Privatisierung griechischen Staatsbesitzes zur Ankurbelung der Wirtschaft notwendig wäre; es handelte sich um eine im 18. Jahrhundert ent-
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wickelte Disziplin, die (wie von Adam Smith vorausgesetzt) mit der Vermessung von Grundstücken ein Definitionselement des Eigentums konkretisiert, das für die Entfaltung der Märkte Voraussetzung ist. Aus Milliarden solcher Auswege und Lösungen besteht das Werkzeug, das auf der Ebene eines (unter extremer Zeitarmut agierenden) Regierungszentrums nicht erzeugt werden kann. Der Soziologe Richard Sennett hat für diese »Erzeugung von Auswegen in den Handlungsfeldern der Menschen selbst« eine große City-Agglomeration wie Lagos herangezogen. Auf der einen Seite entsteht hier ein anarchischer Ballungsraum, sagt er, auf der anderen Seite erfinden die Menschen hier neue Formen städtischer Nähe, in der sie ihre Bedürfnisse besser realisieren können als in geplanten Städten. Die Städteplaner und Architekten, so Richard Sennett, laufen hinter dem hinterher, was die Menschen in Lagos tatsächlich tun, und lernen aus dem System von Versuch und Irrtum, das von unten nach oben eine Idee der Stadt umsetzt, wenn doch hier nichts in Kontinuität der italienischen Städte der Renaissance entstehen wird. Dies ist ein Beispiel für »Lernen von unten nach oben«. [Derivate subjektiver Eigenschaften] Solche Abkömmlinge subjektiver Eigenschaften verhalten sich anders als die Derivate von Börsenwerten. Derivate der Liebesfähigkeit sind zum Beispiel: Freundschaft, Fürsorge, Zärtlichkeit, Hilfsbereitschaft, Lerneifer. Sie ziehen ihren Mehrwert aus ihrem Eigenwert: Weil Du mich liebst, vermehrt sich meine Liebe zu Dir mehr. Figaro, der Held von Beaumarchais und Mozart, hat keine sexuelle Beziehung zur Gräfin, aber er frisiert ihr jeden Morgen in großer Intimität das Haar, er berät sie intim, vertraulicher als sie es mit ihrem Mann tun könnte. Derivate klassischer Arbeitseigenschaften sind besonders moderne Tugenden: Nachhaltigkeit, Langstrecken-Disziplin, Promptheit, Genauigkeit, kommunikatives Talent. Die Ur-Zelle solcher Transpositionen findet sich bei Sokrates, wenn er in einem seiner Dialoge den blinden Mut im Kriege in das Derivat übersetzt: »Wichtig ist nur der Mut der Erkenntnis.« Daraus folgt, nach Sokrates: TAPFERKEIT IST DAS WISSEN DARÜBER, WAS ICH ZU FÜRCHTEN UND WAS ICH ZU LIEBEN HABE. [Homo volans] Seit mehr als 2000 Jahren wird der FLIEGENDE MENSCH unter dem Gesichtspunkt des Absturzes dargestellt. Ikarus stürzt. Zugleich ist aber das Fliegen in allen Reformbewegungen des 20. Jahrhunderts ein Ideal. VERWANDTE BEGRIFFE: ! homo sapiens; ! homo compensator; ! homo faber ; ! robo sapiens. [Gesamtarbeiter] Zentrale Kategorie im Kapital von Karl Marx (in: Das Kapital, vierter Abschnitt, 13. Kapitel: »Maschinerie und große Industrie«). Zunächst
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handelt es sich um eine sogenannte Realabstraktion. Sie bezeichnet die (gedankliche) Verknüpfung aller Arbeitskräfte und Arbeitsvermögen in der ganzen Welt, ohne welche die kapitalistische Weltwirtschaft nicht gedacht werden kann. Im weiteren Verlauf entsteht dieser Gesamtarbeiter jedoch auch real, ohne daß er als Zusammenhang selbst tätig werden könnte und ohne, daß seine objektiv zusammenhängenden Elemente als Einheit beobachtbar sind. Tatsächlich von Öffentlichkeit, Alltagserfahrung und Wissenschaft unbemerkt, verlaufen alle Entwicklungen der Menschheit – Irrfahrten und Fortschritte – auf der Ebene dieser Gesamtarbeit. Auf einer weiteren Ebene ist die Idee des Gesamtarbeiters ein Motiv für Plakate und Denkmäler der Arbeit. [Wirklichkeit] Bezeichnung für die Erfahrungswelt im Gegensatz zu bloßen Ideen. In der ersten Natur ist Realität ein praktisches Verhältnis: Renne ich gegen die Wand, verletze ich mich am Kopf. In der zweiten Natur erweist sich der Begriff der Wirklichkeit als komplex. Sie bildet eine durch gesellschaftliche und kommunikative Übereinkunft hergestellte »zweite Haut der Erfahrung«. Nach Friedrich Nietzsche sind Menschen nicht an Wirklichkeit interessiert, sondern an der Herstellung einer Illusion. Homers Kassandra wäre in dieser Hinsicht Anti-Realistin. ! Das Prinzip Hautnähe. Die Zelle besitzt eine Außenhülle. Alle Zellen des Körpers eine Haut. Um diese Haut die Kleider. Als weitere Haut kann das Haus gelten oder die Wohnung und die Stadt oder das Land, in dem ich lebe. Die weitere Haut heißt: Wirklichkeit, die wir uns gemeinsam machen. [Eigentum] Ursprüngliches Eigentum eines Menschen ist dessen Lebenszeit. In ihr enthalten sind alle persönlichen Eigenschaften, die Wechselwirkungen zu sich selbst und nach außen. Ein ganz anderer Begriff ist das juristische Eigentum, vom römischen Recht entwickelt und vom modernen Handelsverkehr modifiziert. Es bildet ein ausgrenzendes Eigentum. In der Analyse von Karl Marx verursacht der Konflikt zwischen den genannten beiden Formen des Eigentums die Kapitalkrisen und produziert andererseits ein naturwüchsiges Verlangen nach Emanzipation. Das ursprüngliche Eigentum hat in der Zeitdimension eine radikale Wurzel in der Evolution (mehr als 500 Mio. Jahre alt). Leben entwickelt sich auf kristallinen Flächen und später in Gefäßen. Wenn dieses »für sich«, also die Abgrenzung, nicht existiert, kann sich Leben nicht organisieren. Dieses Prinzip der FORMGESTALT dürfte die Grundlage des Eigentums sein. In diesem Sinne ist Sigmund Freuds Skepsis gegenüber dem »sozialistischen Experiment der Eigentumsfreiheit« zu verstehen. Das hier bezeichnete ursprüngliche Eigentum ist nicht ausgrenzend, sondern einverleibend und auf gesellige Vereinigung gerichtet. Der Sinn des »zoon politikon« ist in ihm ebenso enthalten wie der Sinn für »Ellenbogenfreiheit«. In der evolutionär alten und bewährten SCHWARMINTELLIGENZ sind solche elementaren Bewe-
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Abb. Homo volans [Fausto Venanzio, Machinae Novae, Venedig 1615, Bildtafel Nr. 38.]
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Abb.: Ausstellungsgemälde in Chicago von 1939. Was der übermächtige Arbeiter greift, als wären es Schlangen, sind drei Stock hohe Stromkabel, die eine Stadt zur Explosion bringen würden. Unten Mitte: ein realer Arbeiter am Fenster eines Gebäudes, nicht zu erkennen. [Ó Alexander Kluge Archiv]
gungskräfte leicht zu beobachten. Verblüffend ist es, ihre Permanenz unter gegenwärtigen Verhältnissen zu registrieren. Das davon abgetrennte PRIVATEIGENTUM, auf dem der Kapitalismus beruht (und der Staatskapitalismus bildet nur eine Variante davon), verhält sich zu diesem ursprünglichen Eigentum ab-
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strakt. Es schafft eine künstliche Welt, in der Menschen einander keine Spiegel sind. Sie verhalten sich in ihr nicht wie lebendige Wesen, sondern wie Dinge. Dieses Eigentum im abgeleiteten Sinn hat zahlreiche Formen, die sich jeweils auf die Ökonomie der Arbeitskraft und auf die Chancen zur Emanzipation und Vernunft verschieden auswirken. ! Produktionskapitalismus; ! Finanzkapitalismus; ! Anarchistische Alternativen zum Eigentum, Räteorganisation, Selbstversorgung, Naturalwirtschaft, Schwarzmarkt; ! Zwangstauschgesellschaft; ! Planwirtschaft; ! Allmende und Gemeineigentum; ! Lebendige Reservate des ursprünglichen Eigentums unterhalb der Schwelle kapitalistischer Gesellschaften (ununterdrückbar). [Ursprüngliche Enteignung, ursprüngliche Akkumulation] Zentraler Begriff für den Anfang der kapitalistischen Struktur. Die ursprüngliche Akkumulation wirkt, beobachtbar, bis in die Jetztzeit und erneuert sich permanent. Karl Marx handelt von der ursprünglichen Akkumulation in der Form einer Geschichtserzählung vor allem im 24. Kapitel des KAPITAL. Er nimmt als Beispiel die Entstehung des englischen Kapitalismus aus Raub und Enteignung am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Auf der einen Seite, sagt er, produziert diese ursprüngliche Enteignung Elend, auf der anderen eine historisch vorher nicht vorhandene Veränderungs- und Arbeitsbereitschaft in den Menschen. Je nach dem, auf welches Land, welchen Kontinent oder welche Art der ursprünglichen Akkumulation man die Beobachtungen anwendet, erhält man eine andere Färbung des Zusammenhangs. Auch ist die Relevanz für die politische Ökonomie der Arbeitskraft und die Suche nach Auswegen im Interesse von Emanzipation verschieden. So kann man die ursprüngliche Enteignung in allen Emigrationsschüben suchen: Einerseits bringen die Arbeitsimmigranten, die schon zu Hause erlebte Enteignung als Bewußtseins- und Formgestalt ihres Auswanderungswillens mit. Andererseits bilden die Herausforderungen im neuen Land (z. B. USA, Australien) einen Stachel zur Herausbildung neuer Eigenschaften. Allgemein scheint zu gelten: 50 % der Antworten auf ursprüngliche Enteignung erbringen Verarmung und Steuerungsverlust, 50 % gehen in neue Eigenschaften und einen gesellschaftlichen Zugewinn ein. Dabei wird der Einzelne ärmer, die Gesellschaft gewinnt hinzu. Für Gesellschaften wie die Chinas, Afrikas, Russlands oder Südamerikas, sind diese Prozesse bisher ungenügend oder gar nicht untersucht. Besonders lohnend wäre die Forschung für die Geschichte der USA. [Balancearbeit] In unserem Buch liegt ein Hauptmerkmal der politischen Ökonomie nicht draußen in der Gesellschaft, auch nicht psychologisch im Inneren der Menschen, sondern in dem Gelenk dazwischen. Wie bringe ich mich als ursprüngliches Kind und Naturwesen dazu, mich in die zweite Natur der Gesellschaft einzufügen? Dazu brauche ich nicht bloß den Verstand (als homo
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sapiens), sondern das Gleichgewicht mit mir selbst (als homo compensator). Es gibt also immer diese zwei Arbeitsinstrumente der Vernunft. In den Einzelheiten dieser Balancearbeit und Balanceökonomie (sozusagen des aufrechten Ganges zweiten Grades) treten einander Geschichte und Eigensinn gegenüber. [Antirealismus des Gefühls] In der subjektiven Seite der Menschen antwortet etwas auf eine Wirklichkeit, die Menschen verletzt, mit Leugnung. [Proletarisch] Heute selten gebrauchter Ausdruck, der aber für das Verständnis der Klassischen Theorie unabdingbar ist. Lat. heißt proles »Jüngling von der Mauer«; das Wort bezeichnet junge Leute in der Vorstadt, die ausgegrenzt und arbeitslos sind. Dem entspräche heute ein Lebenslauf in einer der Vorstadtagglomerationen von Paris. In der klassischen Ökonomie wird der Begriff speziell gebraucht für Lohnarbeiter in der aufkommenden Fabrikarbeit. Er bezeichnet menschliche Arbeit, welcher die Verfügung über die von ihr gebrauchten Arbeitsmittel prinzipiell fortgenommen ist. Insofern ist in der klassischen Theorie proletarisch synonym mit besitzlos. Die Erwartung der Theoretiker geht dahin, daß die Besitzlosen quasi zwangsläufig auf die Aneignung der Produktionsmittel, vom Elend getrieben, drängen werden und dadurch, unter Anleitung der Philosophie, ein Emanzipationsprozeß zustande kommt. Die Beobachtung in den vergangenen 150 Jahren stützt diese Erwartung bisher nicht. Daß diese Prozesse nicht automatisch – und auch nicht wenn sie durch nicht-proletarische Intelligenz angeleitet werden – funktionieren, ist andererseits auch keine Widerlegung. Beobachtbar aber ist, daß Besitzlosigkeit nicht gegen Bestechung gefeit ist. So kommt es zu der für die Frankfurter Kritische Theorie entscheidenden Feststellung, daß sich 1932 im Berliner Verkehrsarbeiterstreik kommunistische und nationalsozialistische Arbeiter miteinander verbünden. Dies, so die Protagonisten der Kritischen Theorie deute darauf hin, daß das Proletariat nicht revolutionäres Subjekt sein werde. Auf der anderen Seite sind mächtige, obwohl verstreute Emanzipationsschübe innerhalb der europäischen Arbeiterbewegung zu registrieren. Die Achtung vor diesen Kräften (auch schon vor denen der Märtyrer von Chicago, an deren Tod an jedem 1. Mai erinnert wird) spricht dafür, den Begriff proletarisch nicht aufzugeben, sondern die erforderliche Vorsicht gegen den Substanzbegriff Proletariat zu richten. Wir verwenden das Wort quasi fremdsprachlich (nämlich ausgeliehen aus der Klassischen Theorie, die dem gegenwärtig herrschenden Sprachgebrauch nicht entspricht) als Schlüssel zur Überlieferung und als Suchbegriff. [»Kapitalismus in uns«] Viele 1000 Jahre oder auch nur 100 Jahre nach dem Entstehen oder dem Untergang einer gesellschaftlichen Formation (Bodenbearbeitung, klassische Industrie) bilden sich im Innern der Menschen Entspre-
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chungen (oft stark verändert). So gibt es den »Bauern in uns«, den »Handwerker in uns« (besonders in der Intelligenz). Es gibt aber auch nach unserer Beobachtung die Verinnerlichung kapitalistischer Strukturen und das »Hecken von Mehrwert«, dazu gehört auch »die Glücksuche im Privaten«. Sie spielt in den Liebesverhältnissen eine große Rolle. Gesellschaftlich noch relevanter ist die Kompensation gesellschaftlicher Verluste durch fundamentale Glaubensbereitschaft. Sie funktioniert ähnlich wie es mächtige Marktkräfte tun, auch wenn die Produkte dieses INNEREN MARKTES gerade nicht austauschbar sind und keinen Gegenwert zum Geld bilden. ! Die Medien von Talcott Parsons. Nicht bloß der funktionierende Kapitalismus, sondern auch alle Kräfte des Antikapitals – die Suche nach Auswegen und Reservaten – nähern sich vom »Kapitalisten in mir«. Dazu die Vorstufen in Max Webers Publikation Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, 1904. [Trennungsenergie] Gegenpol von Bindungsenergie. [Feinsteuerung] Synonym mit Trennschärfe. Es geht um das Eingehen auf die Stärke des Anderen oder des Gegenstandes, auch um Eigenschaften wie »Fernblick« und indirekte Methode. Es gibt außerordentlich viele und stets konkrete Beispiele für die Ersetzung von unbrauchbaren Kraftgriffen durch Feingriffe. Die ärztliche Kunst seit Asklepius läßt sich als eine Linie zunehmender Feinsteuerung darstellen. [Einfache Arbeit] Entgegen der konventionellen Auffassung, daß ein Schlachtengott wie Napoleon mehr Kräfte zu mobilisieren vermag als einer seiner Fußsoldaten, beruht nach Auffassung der klassischen Ökonomen aller Arbeit auf durchschnittlicher Verausgabung von Mühe pro Stunde. Die Unterschiede der Muskelkraft und Begabung gleichen sich nämlich in der nationalen Gesamtrechnung aus. Insofern ist die Stunde, in der ein Mensch arbeitet, einer Stunde, in der ein anderer Mensch arbeitet, gleich. Dasselbe gilt für die »Vereinigung der Hände«. Die Täuschung entsteht erst, so die klassischen Ökonomen, auf der Ebene der Hierarchie (die selbst keine Arbeit darstellt). In der Krise – Napoleon flieht nach der Schlacht von Waterloo – nähert sich seine Leistung pro Stunde der einfachen Arbeit wieder an. [Land der unbegrenzten Möglichkeiten] Attribut der Vereinigten Staaten, vor allem in der Perspektive europäischer Auswanderer. Max Weber spricht aber auch während der Russischen Revolution von 1905 von Rußland als dem »Land der unbegrenzten Möglichkeiten«. Es ist von Interesse, diesen Suchbegriff, der die Hoffnungschance in der Welt prüft, auf unsere Gegenwart anzuwenden. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten kann auch im Inneren der Menschen
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liegen. Es kann auch als »historischer Konjunktiv« quer durch die Beschränktheiten des Möglichen gesucht werden. [Zweite Natur] Bezeichnung für die gesellschaftliche Natur im Gegensatz zur naturwüchsigen Natur : aus Steppe oder Dschungel wird Acker. Aus in-dieHöhe-stapelbaren Grundstücken (Äckern) werden Städte. Städtische Intelligenz, die den Boden bearbeitet, entwickelt Gärten. Die Geschäfts- und Wohnviertel von New York, also Hochbauten, haben als Attribut den Central Park. Im Central Park läßt Christo seine Installationen leuchten. Es gehört zur zweiten Natur, wenn Nicht-Nomaden dort ihren Sport treiben. [Abhängiger Annex] Die mittelalterlichen Bauernhöfe und Latifundien wirtschafteten autark. Es wird nicht nur Korn, Bier und Schnaps, Holz erwirtschaftet, sondern es werden auch Tuche gewebt, Schuhe angefertigt und Kleider. Die Höfe sind selbstgenügsam. Die benachbarte Klosterschule, der Wanderarzt und der Wanderschmied gehören zu dieser von keinem Herrscher geordneten Struktur. Dies ist PRIMÄRE PRODUKTION. Geraten die Teilnehmer dieser Struktur in die Hierarchie von Kirche und Adel und vor allem: arbeiten Handwerker, Künstler und Gelehrte (»Schreiber«) hauptsächlich für diese Herren, so verändern sich Orientierung und Wertmaßstäbe ihrer Arbeit: ein Handwerker der Neuzeit muß nicht nur qualifizierte Produkte hervorbringen, sondern den uninformierten Herren, den Auftraggeber, von dieser Qualität überzeugen: er braucht ein Schaufenster für seinen Laden, Extra-Arbeit, die den Wert seiner Produkte darstellen: das ist der Anfang der Umständlichkeit. Erst muß im abhängigen Annex das Bedürfnis der Besteller produziert werden, danach erst das Produkt. Das ist unter heutigen Verhältnissen nicht anders, seit der Käufer der König ist. Eine riesenhafte Werbebranche (und vieles andere) muß das Bedürfnis erzeugen, daß das Produkt ermöglicht. Nicht die Produktion ist das Übergreifende, sondern sie wird überwölbt durch die Produktion der Bestellung. Die extreme, chimärische Variante des abhängigen Annexes ist die faschistische Struktur. Im Normalpegel liegt die ABERRATION DER INTELLIGENZARBEIT. An sich wäre Intelligenz auf Erkenntnis und Orientierung gerichtet, insofern autonome Primärproduktion. Tatsächlich befassen sich 90 % des Intelligenzeinsatzes in der Welt mit Dienstleistungen und Umwegproduktion aufgrund von Bestellung Dritter, ein Auftragsystem, das zugleich von den Intelligenzlern zuvor produziert werden muß. Ein revolutionierendes Gegenbeispiel: das Internet wurde im CERN für die Primärkommunikation unter Wissenschaftlern erfunden. Es wurde für militärische Zwecke übernommen als Produkt im herrschenden Annex und in dieser Form, teilweise als Geheimbereich, einseitig weiterentwickelt. Dann aber wurde das Internet weltweit von breiten Schichten angeeignet. In dieser Hinsicht ein Generator für unerwartete
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Partizipation und Freiheit der Kommunikation. Jeder Mensch ein Sender, jeder ein Empfänger : das war die Radiotheorie von Bert Brecht und die Medientheorie von Hans Magnus Enzensberger, seinerzeit als Utopie geltend. Es zeigt sich, wie erfinderisch die Menschen in der Wiederaneignung von Primärkommunikation sind. Zuletzt werden sie nicht Sauerstoff atmen, sondern erzeugen. ! Primäre und sekundäre Produktion. [Formelle und reelle Subsumtion] Subsumtion heißt Unterwerfung unter eine Fremdbestimmung. In einigen Fällen ist sie nur formell wie die britische Herrschaft über Indien oder lange Zeit wie die des Kapitals über die geistige Tätigkeit und die Wissenschaften. Solche Subsumtion wird REELL, wenn sie die Art und Weise der Ausführung von Fremdbestimmung ins Einzelne kontrolliert: in einer Armee oder in der Prägung der Fabrikarbeit am Fließband. Die Wirkung auf die politische Ökonomie der Arbeitskraft ist je nach dem Grad der Subsumtion radikal verschieden. Es ist aber ein Irrtum, daß bei reeller Subsumtion, also intensivierter Fremdbestimmung, die Gegenwirkung aus dem Eigensinn schwächer würde. Bei reeller Subsumtion entsteht wie bei ursprünglicher Enteignung 50 % spezialisierter Widerstand und Auswegpotential und nur 50 % zusätzliche Anpassung und Entfremdung. [Unten und Oben] Autorität wächst (entgegen dem Anschein) von unten nach oben. Ein Imperium (als Befehlskette) regiert von oben nach unten. Ein radikales Verhältnis entsteht, »wenn die Unten nicht mehr wollen und die Oben nicht mehr können«: dann bricht ein System zusammen (wie 1989 die DDR). Anderes Beispiel: Leute sitzen unten (und wehrlos) in den Luftschutzkellern, auch wenn es Bombenentschärfer sind, oben nähert sich die Bomber-Armada der Stadt, eine fliegende Industrieanlage. Die Unten erscheinen (oder sind) ohnmächtig, die Oben allmächtig. Sobald eines der Flugzeuge beschädigt wird, kehren sich die Verhältnisse um. Der Unterschied von Oben und Unten liegt in der Vorgeschichte: In der Organisation von 300 heranfliegenden Bombern und deren Bomben steckt mehr industrielle Vorarbeit, über welche die Insassen des Kellers nicht verfügen. [Krieg als Arbeit] Die gewohnte Ausdrucksweise, wenn vom Kriegsgeschehen die Rede ist (»Kampf«; »Tapferkeit«; »Vernichtung des Feindes«; »Marschieren«), verschleiert, daß alle diese Tätigkeiten durch Arbeitsprozesse bewerkstelligt werden müssen. Das Wort »Kriegsarbeit« dient also wiederum der Verdeutlichung der Differenzen, also dem cross-mapping, in dem die gewohnten (und meist propagandistischen Worte) durch eine ungewohnte Wortkombination, die aber die Sache trifft, ausgewechselt werden.
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[Gegenständlichkeit] Grad der Konkretion. Subjektive Kräfte können sich nur an einem konkreten Objekt vergegenständlichen. Gegensatz ! Unbestimmtheit; ! einer bloßen Idee anhängend; ! Schwärmen (Immanuel Kant); ! Schein. [Geschichtsverhältnis] Aufeinanderfolge und gegenwärtige Überlagerung sämtlicher Produktionsverhältnisse und Produktionen eines konkreten Territoriums, Kontinentes oder einer Epoche. [Produktionsverhältnisse] Bäuerliche, feudale, städtische, industrielle, nachindustrielle, vorkapitalistische, kapitalistische oder hybride Gesellschaften weisen jeweils bestimmte Normen der Produktion auf. Diese Produktionsverhältnisse bestimmen nach Auffassung der klassischen Ökonomie den besonderen Charakter der Arbeit. Es gibt aber nach unserer Auffassung auch die Beobachtung von Gegenströmungen, die der Herrschaft der Produktionsverhältnisse entgegenwirken. [Verkehrsverhältnis] Gesamtheit der Bedingungen, unter denen Menschen und Dinge in Austausch treten können. Zusammenfassung konkreter Produktionsverhältnisse in einem Territorium, einem Kontinent oder einer Epoche. ! Verschrottung durch Arbeit in KZ-Lagern, ! Sklaverei, ! städtische Freiheit, Freiheit der Meere, Handelsfreiheit, ! Menschenrechte. [Übersprungshandlung in der Politik] Ein dahinjagender Hund, der sich zwischen zwei widersprüchlichen Befehlen entscheiden muß, ändert nicht seinen Lauf, sondern dessen Richtung. Das nennt man Übersprung. Zwei Tage nach dem Angriff auf die Twin Towers am 11. September 2001 erschien vor New York die Schlachtflotte von Hawaii. Zeitzeugen hatten den Eindruck, daß die einst (im Jahr 1941) vom japanischen Überfall überraschte Armada hier zum Schutze der verwundeten Stadt aufgekreuzt sei. Es waren aber moderne Seefahrzeuge, die vor der Küste flottierten. Sie stellten den Versuch einer Antwort auf die Katastrophe dar, wie sie dem Pentagon rasch möglich schien. Übersprung heißt: Ein Reflex entgleist. Tatsächlich gab es kein Mittel der US-Politik, das auf den Angriff vom 11. September direkt hätte antworten können. Erst die Verlagerung der Frage nach Afghanistan, also in eine andere Welt, gestattete den Einsatz der Kräfte [Gebrauchswert] Gegenbegriff zu Warenwert, der sich nicht durch den Tauschwert definiert. In Zeiten der Not tritt der Gebrauchswert in den Vordergrund.
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[Warenfetisch] Menschen erkennen sich in den Produkten, die sie selbst hergestellt haben und die doch aus menschlicher Lebenszeit zusammengesetzt sind, nicht wieder. Dies ist primäre Ursache der Entfremdung. In dieser Hinsicht sind die Waren, in deren Produktion menschliche Lebenszeit steckt, »verzauberte Menschen«.
Abb. Spezialisten, 1865. [Library of Congress]
[Summierung von Unwirklichkeit an Griechenlands Beispiel] Aufgrund von Fälschungen der Statistik würde die Republik Hellas in die Euro-Zone aufgenommen. Jetzt gefährdet der griechische Schuldenberg (gemeinsam mit Faktoren in anderen Euro-Ländern) den Status dieser Währung. Aufgrund des Euro-Status war es zunächst sieben Jahre lang möglich, billig Kredite aufzunehmen. Es entspricht der Beobachtung, daß ein großer Teil des Gegenwerts dieser Kredite heute in Hotelbauten in London, auf Konten in der Schweiz, in den
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Abb.: Vermehrfachung der Augen. »Gesellschaftliche Sinne.« [ÓAlexander Kluge Archiv]
Vermögen von Alexandria, in Schiffsbauten sowie in Investitionsruinen zu finden ist (im letzteren Fall brachten diese bei Gründung Gewinn, bei Betrieb Verlust). Der Gegenwert der Kredite ist nur zu einem geringen Teil in den Konsum der Bevölkerung eingegangen; insoweit ist er verbraucht. Die gegenwärtige und künftige Bevölkerung der Republik soll jetzt den aufgehäuften Schuldenberg abarbeiten. Dazu ist sie nicht bereit und wohl auch nicht in der Lage. Es sind ökonomisch zwei Parallelwelten entstanden. Die des Gegenwerts der aufgenommenen Kredite, die in Griechenlands Realität nicht mehr vorhanden sind und der Schuldenberg selbst, der auf dem Land lastet. Eine solche Zweiteilung der Realität erzeugt eine Aporie. Hinzu kommt, daß Griechenland über keine Grundbuchkataster, kein intaktes Steuereinzugssystem verfügt. Breite Teile der Volkswirtschaft haben eine staatlich-bürokratische Struktur und sind durch Klientelverhältnisse kontaminiert. In der Tiefenebene der Geschichte entstand diese Staatskonstruktion aus der Revolte von 1821 bis 1829 auf dem Peloponnes gegen das osmanische Reich. Die militante Bewegung (ähnlich der jetzt in Libyen) wurde durch eine europäische Pressekampagne und idealistische Einzelinitiativen (Lord Byron, Fürst Ypsilantis) begleitet. Die Sympathie für die Staatsgründung ging von der Fiktion aus, daß die Bevölkerung Griechenlands in jener Zeit identisch sei mit den Griechen der Antike, denen wir das Prinzip der Polis und die Idee der Demokratie verdanken. [Legitimierung durch den Markt vs. Legitimierung durch das Volk] Eine aktuelle Szene: In der Stadt der internationalen Filmfestspiele, Cannes, tagt der G20-Gipfel. Soeben hat – störend – der amtierende Ministerpräsident Griechenlands mitgeteilt, er wolle die seinem Land auferlegten strikten Sparbedingungen, an welche die Kredithilfe durch die Europäische Zentralbank (EZB), die EU und den Internationalen Währungsfond (IWF) und die ein Verzicht auf
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Souveränitätsrechte des Parlaments enthalten, durch eine Volksabstimmung legitimieren lassen. Dies bedeutet eine Verzögerung. Die Teilnehmer des Gipfels sind schockiert. Sie fürchten, daß die Märkte auf den Hinweis auf die Volkssouveränität allergisch reagieren. Es gibt die Zeit nicht, die für den demokratischen Prozeß erforderlich wäre. Die Experten des Gipfels bezweifeln auch den Rang, den der souveräne Eigensinn einer kleinen Nation gegenüber den auf dem G20 repräsentierten Mächten geltend machen kann: ein Einzelvolk, das sich unter einem Schuldenberg verirrt hat, darf nicht den Geleitzug anderer Völker aufhalten. Auf Griechenlands Gelände wurde in der sogenannten Achsenzeit (etwa 500 v. Chr.) die Polis, also die Struktur freier Gemeinwesen und des subjektiven Bewußtseins (von Heraklit bis Sokrates). Die Teilnehmer des demokratischen Prozesses auf der Agora in Athen erhielten einen Sold und freie Mahlzeiten als Entgelt ihrer politischen Arbeit. Demokratie ist (nach antiker Auffassung) keine natürliche Errungenschaft, wie es die Unterwerfung unter den Stärkeren historisch zu sein scheint. Sie ist ein zivilisatorisches Produkt. Dies drückt sich in der Finanzierung der dazu notwendigen Arbeit aus öffentlichen Mitteln aus. Für solche Umwege und Kosten der Demokratie haben Märkte keinen Sinn. Die Algorithmen des Marktes nehmen nicht wahr, daß Handelswege und Demokratie einander bedingen, ja, daß die breite Partizipation von Menschen erst die Marktpotentiale eröffnet. Nach dem dramatischen Auftritt der Ministerpräsidenten aus Athen und Rom vor dem Gremium der G20 wird der Plan der Volksabstimmung in Griechenland widerrufen und ein neues Ministerium ausschließlich aus Finanzexperten gebildet. Es gilt als »geschäftsführender Ausschuß der Banken«. [Thermidor] Der nach dem französischen Revolutionskalender benannte Julitag im Jahre 1794, an dem Robespierre und seine Gefährten Saint-Just und Couthon verhaftet wurden (kurze Zeit später wurden sie hingerichtet), bezeichnet das Ende der französischen Revolution. [Der Mensch ist eine Inversions-Maschine] Der Satz von Sigmund Freud charakterisiert die psychischen Prozesse der LEUGNUNG und VERSCHIEBUNG, durch welche Menschen die Wahrnehmung unerträgliche Verhältnisse beantworten. ! Balance-Ökonomie; ! Notwendig falsches Bewußtsein. [Zerbeulte Dialektik] In Hegels Werk sind die dialektischen Bewegungen der Begriffe in ihrer vollen Komplexität, aber doch in Worten dargestellt. Die Gravitation, welche die Begriffe in der Realität tatsächlich ausüben, ihre Stör- und Attraktionswirkung, ist in dieser literarischen Form schwer zu beschreiben. Dialektische Verhältnisse sind nicht-linear. In der Antike wird die Dialektik aus
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dem Dialog, also quasi-grammatisch entwickelt. Ihre Anwendung auf geschichtliche Verhältnisse, die nicht auf je zwei sprechenden Personen beruhen, macht sie ungrammatisch. Wie die Himmelskörper verformen sich dialektische Schwereverhältnisse gegenseitig. Dabei entstehen Verbeulungen und »beschädigte Dialektik«. Sie ist besonders schwer zu entzerren. [Gleichnis von der zerbrochenen Gabel] Bei Gegenständen des täglichen Gebrauchs tritt ihr Produktionsprozeß erst dann in die Aufmerksamkeit, wenn ein Ding kaputt ist. Die klassischen Ökonomen nennen hier das Beispiel der »abgebrochenen Gabel«. Daß einer der Zinken fehlt, deutet auf einen Mangel in der Produktion hin. Relevanter als dieses Beispiel ist der Kriegsausbruch. Die zerstörten Häuser der Stadt (Troja, Richmond, Twin Towers) stellen die Frage nach der Vorgeschichte. [Kapital-Gegenkapital] Wie das Eigentum verschiedene Formen hat, besitzt auch der Kapitalzusammenhang zahlreiche Gestalten. Der Zusatz aus Elementen von Kräften, die ein Gegen-Kapital bilden, verändert ein konkretes historisches Kapital. So sind Neugier, Widerstandsgeist, vor allem aber die Arbeit selbst, Elemente eines Gegen-Kapitals, auf das die Gesellschaften in der Krise zurückfallen. Das Kapital selbst stellt solches Gegenkapital nicht ohne weiteres her. Man wird aber in allen Konjunkturen des Kapitalismus einen Grundstrom dieser Gegen-Ökonomie vorfinden. Normalerweise stabilisiert dieser Grundstrom das System, er kann aber auch emanzipatorische Auswege und damit eine Heterotopie entstehen lassen. [Entfremdung] Zentraler Begriff in den Pariser Manuskripten von Marx. Siehe auch Hegel und Adam Smith. Es geht um eine Irritation zwischen Subjekt und Objekt. Etwas Objektives ist in die Menschen hineingeraten, so als sei es subjektiv, und dieses Objektive macht sie unmenschlich. Sonst gutmütig auftretende Familienväter, organisiert als Polizeibataillon, erschießen 1941 zum Beispiel ihnen fremde Menschen im Ostkrieg. Das Gewicht des Begriffs liegt darauf, daß es subjektive Kräfte im Menschen sind, die diese Verirrung (Entfremdung) bewirken. Menschliche Wesenskräfte, von Natur aus flüssig, werden zu Stein. Äußere Gewalt kann solche Entfremdung nicht befehlen. Kein Sklave begeht die Grausamkeiten, die eine motorisierte Sturmtruppe von Freiwilligen ausübt oder die in der Gleichgültigkeit eines Bankenzentrums in Erscheinung tritt, das Westafrika Anleihen verweigert. Menschen in der Entfremdung erkennen das Produkt ihrer Arbeit nicht als ihr Eigentum wieder (zum Beispiel das der Zeitgeschichte). Ihre Lebenszeit (die sogenannte tote Arbeit) steckt in dem, was sie produzieren. Sie aber halten ihre Produkte für fremde Werte, denen sie Herrschaft über sich zusprechen.
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[Ausgang aus der selbstverschuldeten Entfremdung] Entfremdung ist nicht NOTWENDIG. »Bohrende Aufmerksamkeit« sowie »Leidenschaft und Augenmaß« brechen Entfremdung. Alle Emanzipation handelt von dem »Ausgang der Menschen aus der selbstverschuldeten Entfremdung«. [Singularität der Polis] Im ersten Jahrtausend vor Christus entsteht in Griechenland die Bürgerschaft (Aristoteles nennt sie POLITEIA). Es handelt sich um einen übersichtlichen Kreis von Leuten und Äckern; es geht um Bodenbearbeitung, Handel, Sklavenhaltung, etwas Seeräuberei. In der klassischen Zeit gab es 700 solcher Poleis. Die Struktur entspricht den keltischen oppida des Asterix und ähnelt entfernt der Urform Schweizer Kantone. Der Althistoriker Christian Meier hat die Entstehung des Politikbegriffs in dieser geschichtlich singulären Periode erforscht und nacherzählt. In den Großreichen Ägyptens und in den Megastädten Mesopotamiens waren Errungenschaften, sagt Meier, wie sie dem Begriff der Freiheit und dem politischen Gemeinwesens der Griechen entsprechen, unwahrscheinlich. Die monströse Machtballung der großen Reiche ließ jede Alternative zur zentralen Herrschaft als Chaos erscheinen. Das war in den griechischen Poleis anders. Marx bezeichnet deshalb die Griechen als GLÜCKSKINDER: Eine »geschichtliche Kindheit der Menschheit, wo sie am Schönsten entfaltet (ist) als eine nie wiederkehrende Stufe«. Hier entsteht die Idee des Politischen, wie sie zur Emanzipation taugt. [Trennung] Gegenpol zu »Heimkehr«, wie sie Odysseus erlebt. Sie beginnt mit dem ersten Geburtsschrei. Sie wiederholt sich, wenn Kinder zu Erwachsenen werden. Sie bildet die Nahtstelle zwischen Lustprinzip und Realitätsprinzip. Regelmäßig geht bei Trennungen etwas verloren; oft wird auch etwas gewonnen. In Bezug auf die politische Ökonomie der Arbeitskraft handelt es sich um die Trennung der Arbeitenden von den Produktionsmitteln. In den Anfängen entsteht durch die Trennung von Haus und Boden die Abwanderung in die Städte, und im Innern der Menschen eines der Elemente der Arbeitsdisziplin, die für die industrielle Revolution Voraussetzung sind. Bei all diesen Prozessen sind (fast zur Hälfte) ein Verlust und das Finden neuer Auswege zu beobachten. Im 21. Jahrhundert hat es den Anschein, daß die Trennung der Menschen von der Bestimmung über die Produktionsmittel auf einigen Gebieten einen Absolutheitsgrad erreicht. Hier ist die Rücknahme von Trennungen zwingend notwendig, damit Antworten nicht auf der abstrakten Stufe, zum Beispiel des Finanzkapitals, sondern in den sehr heterogenen »Tätigkeitsfeldern«, also von unten nach oben, erfolgen können. Die Beobachtung zeigt, daß Trennungen von etwas, das zur Identität gehörte, einen starken Sog auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands hinterlassen, der einen der stärksten gesellschaftli-
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chen Antriebe darstellt und »im Übersprung« nicht zur Rückkehr älterer Zustände, sondern zu Neuerungen führt. [Zusammenhang] Synonym zu »Kontext«. Bei der Anwendung auf gesellschaftliche Zusammenhänge, die nicht als Netze und nicht bewußt geknüpft sind, handelt es sich um einen Begriff, der Strukturen der Gewalt mitumfaßt. Zusammenhang ist in dieser Hinsicht ein Aggregatzustand und eine Bedingung von Wirklichkeit. Gegenpol: »unzusammenhängend«. Zugleich bezeichnet der Begriff eine spezifische Form der Verdichtung, also gravitative Verhältnisse im gesellschaftlichen Sinn. Hierfür wäre der Gegenpol: leer, in Wartezeit befindlich, ruhig, Abwesenheit von Gewalt, wie sie zum vollständigen Zusammenhang gehört, Lücke. [Kreisläufe] Alle lebendigen Systeme bilden Kreisläufe. Ein elementares Vorbild ist der menschliche Körper. Das Bild des Kreislaufs wiederholt sich in allen Produktionsprozessen, auch denjenigen, in denen die Eigenschaften der Menschen produziert werden, also in Bildungsprozessen und Prozessen der Gesellschaft. [Beziehungsarbeit] In der Alltagssprache nicht häufig verwendetes Kunstwort. Man spricht von »Beziehungen« und davon, daß »etwas in mir arbeitet«. Der Begriff vermag aber die realen Verhältnisse in den Liebes- und Haßbeziehungen im Wege des cross-mapping besser zu markieren als die meist ungenauen und phraseologischen Bezeichnungen. [Identität] Bezeichnung für ein hohes Maß an Gleichgewicht, das in den heterogenen Eigenschaften von Menschen zustande kommt. Sie sind zum Beispiel zugleich individuelle und gesellschaftliche Lebewesen. Gelangen solche Eigenschaften zu einem stabilen Zustand, spricht man von Identität. Dasselbe gilt für eine Übereinstimmung von Denken, Fühlen und Kreislauf. Ein bestimmter Grad von Identität ist für das Selbstbewußtsein der Menschen notwendig. Hegel erörtert in seiner Phänomenologie des Geistes die Frage der Identität an der Gestalt der Antigone. Sie vertritt die Einzelheit (Familie, Person, liebevolle Zuwendung zum toten Bruder, Sitte) gegenüber der Allgemeinheit des Herrschers Kreon (Gesetz, Strafe, Leugnung der Besonderheit). [Theoriearbeit] Synonym zu Denken und Beobachten. In seinem letzten Lebensjahr hat Th. W. Adorno den emphatischen Begriff der Theoriearbeit gegenüber überhasteter politischer Arbeit formuliert, gerichtet gegen die Vernachlässigung von Theorie im studentischen Protest: »Es gibt keine emanzipatorische Praxis ohne Theorie.«
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[Orientierung] Bei Kant wird der Begriff der Orientierung konkret aus der Orientierung an den Sternenbildern und aus den Horizonten abgeleitet. Im übertragenen Sinn ist die Bestimmung der Horizonte und des Zentrums sowie die Wechselwirkung zwischen den Rändern und dem Zentrum der Erfahrung für die Urteilskraft eines der wichtigsten Elemente, also »Sternenkunde des Geistes«.
Abb.: Oberschenkelhalsknochen. Die Schwachstelle. Einer weiß schon, daß er eines Tages stürzen wird, dann bricht dieser Knochen. »Gewalt des Zusammenhangs«. [D. J. Cunningham, Manual of Practical Anatomy, Arthur Robinson (Hg.), New York, 1912, S. 255. Abbildung Nr. 94.]
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»Das ist die umgekehrte Flaschenpost«. Ein montiertes Interview mit Oskar Negt und Alexander Kluge
[Das folgende Interview beruht auf der 1982 in Ästhetik und Kommunikation publizierten Gesprächsrunde mit Oskar Negt und Alexander Kluge, eine kurz und bündige Erläuterung zu deren gigantischen ein Jahr zuvor bei Zweitausendeins erschienenen Meisterwerk Geschichte und Eigensinn.1 Als Bestandaufnahme im Schatten der eben abgeschlossenen Übersetzung von Geschichte und Eigensinn ins Englische konzipiert, versuchte der leitende Übersetzer von History and Obstinacy der Aktualität vom Kern der gemeinsamen Philosophie drei Jahrzehnte später auf ähnliche Art und Weise wie damals nachzugehen. Wo lässt sich deren politische Ökonomie der Arbeitskraft im globalisierten Zeitalter der sogenannten immateriellen Arbeit positionieren? Wie sehen die Autoren ihr Projekt auf anderen fremdsprachlichen Ufern? Inwiefern ahnt die revidierte Neufassung ihr neues Publikum voraus? Welche Begriffe müssen angesichts der verwandelten Theorielandschaft im neuen Jahrhundert besonders hervorgehoben werden? Dazu wurden zwei eigenständige Interviews – einmal Anfang November 2012 mit Negt in Hannover und einmal Ende des gleichen Monats mit Kluge in München – geführt.2 Das folgende Ergebnis montiert die beiden Protokolle thematisch so, dass der Anschein von einem gemeinsamen Dialog entsteht, obwohl die Autoren nicht am gleichen Ort zusammenkommen konnten. Aus den fünf Stunden wurden nur die für ein deutschsprachiges Publikum einschlägigsten Auszüge ausgewählt. Eine englischsprachige Fassung aus anderen relevanten Ausschnitten ist noch in
1 »Die Geschichte der lebendigen Arbeitskraft. Diskussion mit Oskar Negt und Alexander Kluge«, Ästhetik und Kommunikation: Beiträge zur politischen Erziehung 48/13 (Juni 1982), S. 79–109. 2 Besonderer Dank gilt nicht nur der Alexander von Humboldt Stiftung für die großzügige Förderung, die beide Interviews ermöglicht hat, sondern auch Andreas Freytag Hill, ohne dessen sprachliches und technisches Fachkönnen die Transkription nie zustande gekommen wäre.
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Planung. History und Obstinacy ist zwei Jahre nach den beiden Interviews bei Zone Books in New York erschienen.3 – RL]
Eigensinn/Obstinacy ON: Gibt es Übersetzungsvarianten von »Obstinacy«, die Sie mal probiert haben, oder war von vorne her klar, dass Eigensinn gleich »obstinacy« ist? RL: Die Übersetzung von Eigensinn haben wir von der Film- und Medienwissenschaftlerin Miriam Hansen übernommen.4 ON: Die ist ja vertraut mit der Frankfurter Schule, nicht? RL: Ja, genau. Fredric Jameson hat im Vergleich einmal »self-will« vorgeschlagen und Andrew Bowie hat in einer der ersten englischsprachigen Besprechungen »willful meaning« vorgeschlagen.5 »Stubbornness« wäre eine andere Option. Es gibt zum Beispiel die englische Übersetzung von Grimms Märchen »Das eigensinnige Kind«, das auf Englisch »The Stubborn Child« heißt.6 »Stubborn« auf Englisch heißt ungefähr »hartnäckig«. ON: Na ja, es bezeichnet ja eben dieses Widerständige, nicht? Also, das Widerständige oder Widersprechende, zunächst einmal hat es ja einen sehr negativen Akzent eben auch beim eigensinnigen Kind. Das Kind fügt sich nicht. Es schwimmt nicht mit dem Strom der allgemeinen Erziehung. Es geht nicht darauf ein, bis in den Tod hinein. Das ist die eine Seite. RL: Das Schöne an »obstinacy« ist also das Hartnäckige daran. »Stubborn« ist leicht mit Unverstand oder sogar Dummheit verbunden. ON: Ja, und Borniertheit. RL: »Obstinacy« ist eher der Gegenwille.
3 Alexander Kluge und Oskar Negt, History and Obstinacy, Devin Fore (Hg.), Richard Langston et al (Übers.), New York 2014. 4 Miriam Hansen, »Space of History, Language of Time. Kluge’s Yesterday Girl«, in: Eric Rentschler (Hg.), German Film & Literature: Adaptations and Transformations, New York 1985, S. 195. 5 Fredric Jameson, »On Negt and Kluge« October 46 (Autumn 1988), S. 158; Andrew Bowie, »Alexander Kluge: An Introduction«, Cultural Critique 4 (Autumn 1986), S. 112. 6 Jacob W. Grimm/Wilhelm K. Grimm, »The Stubborn Child«, in: Jack Zipes (Hg. und Übers.), Complete Fairy Tales of the Brothers Grimm, Westminster 1992, S. 422.
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Übersetzen heißt Erzählen RL: Was haben Sie sich dabei gedacht, als Sie Geschichte und Eigensinn für die englischsprachige Übersetzung auf ein Drittel gekürzt haben? Was war Ihnen wichtig? Diejenigen, die mit dem deutschen Original gut vertraut sind, werden sofort feststellen, dass vieles fehlt. AK: Also, ich kann sagen: Etwas fehlt, aber man kann auch sagen, dass etwas zugefügt ist. Wie transplantiert man ein in Mitteleuropa geschriebenes Buch, so dass es über den Atlantik hinüberkommen und Englischsprachige mit einer anderen Tradition vertraut machen kann? RL: Das heißt mit anderen Worten: Man kann nicht einfach eine Botschaft in eine leere Flasche stecken und hoffen, dass die Flaschenpost heil ankommt. AK: Dies kann man machen. Das ist manchmal sogar was Schönes – was Fremdes – genau so informativ wie etwas Vertrautes. Es ist aber nicht die höflichste Art. Eine entgegenkommendere Art wäre, dass man sich eine Vorstellung macht – irrtümlich oder nicht – von dem, wie die Welt von angelsächsisch sprechenden Menschen gesehen wird. RL: Sie sprechen also von »Anticipation of the Other«, nicht wahr? AK: Das ist im Grunde die normale Form des Dialogs. Und Dialog ist natürlich noch besser als Flaschenpost. Flaschenpost ist eine Notmaßnahme, wenn ich keine Möglichkeit des Dialogs habe. Wenn ich mir Silvester 1799/1800 jetzt vorstelle – das ist so ein Kontrollpunkt für mich – und da ist bei den Antipodeninseln ein Kapitän, der neue Inseln im Pazifik entdeckt. Er blickt auf einen Globus nach Europa, denn dieses fjordenreiche Europa ist ein ganz kleiner filigraner Fortsatz eines riesigen Kontinents. Auch wenn der Globus rund ist, ist doch die Perspektivität hoch verschieden. Das zu respektieren ist doch nicht unmöglich. Einer der Übersetzer von Geschichte und Eigensinn hat einen entscheidenden Hinweis gegeben, nämlich die perspektivische Verzerrung des eigenen Landes aufzugeben. Das hat Odysseus übrigens wunderbar gekonnt. Zwanzig Jahre wollte er eigentlich nur nach Ithaka zurückkehren und lange erzählen. Athene hielt die Nacht an, damit Odysseus Zeit hat, Penelope die letzten zwanzig Jahre zu erzählen. Gleichzeitig aber erzählt er an jedem Ort, wo er hinkommt, etwas anderes. Das ist keine Lüge, sondern Perspektivität. Übersetzen ist eigentlich nichts anderes als eine Form der Erzählkunst. RL: Und nun kommt Geschichte und Eigensinn einige Jahrzehnte später auf Englisch heraus, zu einer Zeit, wenn sich das Interesse an Marx sehr stark anhäuft. In diesem Zeitalter der Globalisierung und Finanzkrisen… AK: …muss man die beobachtenden Werkzeuge neu eichen. Der Direktblick
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des Gelehrten, der die Welt erfasst, oder des Philosophen Kant, der aus Königsberg nie rauskommt, alles nur als mittelbare Erfahrung kennt und über den gesamten Globus urteilt, das ist ein Atavismus. Das heißt, ich muss jetzt zunächst mal eine Haltung der Bescheidenheit einnehmen, also eine Figur, die eigentlich im Rhetorikerwesen in der Antike oder bei Montaigne liegt. Ich benutze den Eisenstein, also den ich ja verstehen kann als Filmemacher, als meine Optik, wie die Optik einer Kamera, meine Linse, mit der ich jetzt auf Marx blicke und durch Marx blicke ich auf wirkliche Verhältnisse im 20. Jahrhundert. Das kann ich aber nicht mit Marx, denn zu sagen, er hätte den Schwarzen Freitag vorausgesagt, ist ja albern. Das hat er nicht vorausgesagt. Eisenstein schreibt sein Projekt mit Joyce genau in dem Monat, in dem der Schwarze Freitag passiert. Es kommt zwar alles in seinen Manuskripten nicht vor, aber ich weiß, dass es in seinem Kopf vorhanden ist. Es ist eine Koinzidenz. Indem ich solche Perspektiven bilde – dass ich nicht sage, direkt kann ich alles wissen, sondern eine Frage kann ich direkt stellen und gleichzeitig antworten – muss ich Hilfe suchen. Deswegen müssen wir in der zweiten Natur mit einer Vermittlung eines anderen arbeiten und den müssen wir lieben und respektieren können, sonst geht es nicht. Ich kann zum Beispiel die Harvard University nicht beschreiben wollen. Das ist ein zu großes Objekt mit seinen ganzen Wissenschaftseinrichtungen und die machen auch anderes als Wissenschaft. Ich kann mir eine junge Doktorandin vorstellen, die in Liebesnöten ist, ihre Promotion fertigstellen will, und jetzt bin ich bei einem Thema. Das kann ich perspektivisch auf Harvard beziehen und damit bin ich dort einmal angekommen. Ich brauche Scherben, Splitter, Zerrspiegel, Mosaiksteine. Ich darf nicht sagen, die müssen so wie in einer Kamera oder wie im Spiegel perfekt sein. Ich kann also in einem Glassplitter auch was sehen. Das ist die umgekehrte Flaschenpost, sozusagen das Flaschenecho. RL: Und das entspricht keiner Totalität, sondern strebt danach, die einzelnen Teile in einen Zusammenhang… AK: …in diesem Fall ist es die Unmöglichkeit, ein Ganzes zu beschreiben. Die Totalität würde sich Ihnen verweigern und jetzt suchen Sie einfach das Loch, das Schlüsselloch, das es zulässt. Dieses Schlüsselloch gibt es fast immer. Und Poetik reduziert sich heutzutage eigentlich auf die Suche nach solchen wirksamen Perspektiven.
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Methode und Tradition RL: Im Vergleich mit dem Gegenwartsdenken haben Sie und Herr Kluge immer mit alten philosophischen Traditionen gearbeitet. Liegt nicht das Gefährliche beim Neuen darin, dass sowohl Erfahrung als auch noch brauchbares Wissen über Bord geworfen werden? ON: Das ist richtig. Wir haben immer den Aristoteles, Plato, Kant, Hegel und Marx auf dem Tisch gehabt. Wir haben uns erstmals gefragt: Warum haben die sich so intensiv Gedanken über den Staat gemacht? Wie zum Beispiel Plato. Wie lässt sich eine friedenssichernde Grundausstattung des Staates herstellen? RL: Geschichte und Eigensinn handelt im Großen und Ganzen von Arbeit, aber die zeitgenössische Arbeitssoziologie und deren Vertreter wie Andr¦ Gorz zum Beispiel, die sich mit den Wandlungen der Arbeit und des Arbeitsbegriffes seit den fünfziger Jahren befasst haben, kommen selten darin vor. ON: Das hat den Grund, dass es gerade mit Gorz, mit dem ich sehr eng befreundet gewesen bin, die einzige wirkliche Kontroverse gab. Er war für die Abschaffung der Arbeit. Er sagt also: Die Gänge ins Paradies laufen nicht über Arbeit, während wir der Auffassung waren, dass Abarbeiten zur Identitätsbildung gehört, und dass die Menschen sich nicht in virtuellen Welten bewegen. Das Lustmoment an nichtentfremdeter Arbeit haben wir immer auch auf die eigene Lust, Bücher zu schreiben, bezogen. Bei Habermas kommt das Wort Arbeit in seinem Europaentwurf nicht vor.7 Die arbeitsgesellschaftlichen Utopien sind aufgebraucht, sagt er. Sehen Sie sich doch einmal die Welt an. Ich meine, was bedeutet Arbeitslosigkeit für die Menschen? Also, wenn sie von der Arbeit getrennt sind, wie kann jemand sagen, dass nichts mehr drin ist in der Arbeitsgesellschaft? Für mich ist diese Frage von Arbeit, Arbeitslosigkeit und menschlicher Würde ein zentraler Punkt. RL: In der Hinsicht sind Sie dem Frühmarxismus treu geblieben. ON: Ja. In Geschichte und Eigensinn wird ausdrücklich betont, dass es kein bloßes Objekt und kein bloßes Subjekt gibt, sondern es besteht die Notwendigkeit, Subjekt-Objekt-Verhältnisse zu entwickeln. Solche Verhältnisse gehören eigentlich zur Mitverantwortung der politischen Intellektuellen. RL: Die Naturwissenschaften – Biologie, Chemie, Physiologie, Neurobiologie, Evolutionsbiologie, Physik, Psychologie – kommen auch sehr stark in Geschichte und Eigensinn vor. Könnten Sie vielleicht das Verhältnis zwi7 Vgl. Jürgen Habermas, Zur Verfassung Europas. Ein Essay, Frankfurt a.M. 2011.
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schen Ihrer »gemeinsamen Philosophie« und den Naturwissenschaften genauer beschreiben? ON: Die Naturwissenschaften spielen im gesamten Aufklärungsprozess eine zentrale Rolle. Die Enzyklopädie von Diderot und d’Alembert arbeitet ja mit dem Aufklärungsbegriff naturwissenschaftlicher Denkweisen, wie übrigens auch Kant. Für Kant sind die Naturwissenschaften im Grunde das Modell des überzeugenden, beweisbaren Denkens. Diese synthetischen Urteile a priori, wenn es die denn überhaupt in der Mathematik geben sollte, dann gibt es sie irgendwo anders nicht, aber er hätte es ganz gerne, das Apriori, das gewissermaßen gegenständliche Apriori. Insofern ist da eine Aufklärungslinie mit den Naturwissenschaften verbunden, aber wir nehmen das eigentlich nur als Hintergrundmaterial auf, weil für uns die Emanzipationsfunktion naturwissenschaftlichen Denkens gebrochen ist durch den Zusammenhang, in dem sie in der Gesellschaft – in der Phantasie der Menschen – steht. Wir sind nicht Modellbauer, was Naturwissenschaften betrifft. Für uns ist die Naturwissenschaft nicht das äußerste Reflexionsmodell gesellschaftlichen Lebens, sondern das hat eine eigene Dimension. Das heißt also, die Naturwissenschaften erfüllen ganz bestimmte Funktionen in der Gesellschaft. Wenn man zum Beispiel die frühen Arbeitsutopisten nimmt – Tommaso Campanella, Thomas Morus und so – so haben die eine große Vorstellung von der Naturwissenschaft, die Schwerarbeit abschafft. Deshalb ist Arbeitszeitreduzierung für sie das zentrale Problem, weil Arbeit – man denke an die griechischen Mythen Ponos und Penia oder den aristotelischen Begriff ascholia – ursprünglich Sklavenarbeit gewesen ist. Wenn sie eine Emanzipationsfunktion hat, gehört die Naturwissenschaft in das kritische Potenzial des Denkens, aber nicht eben als Modell, nicht einmal als biologisches Modell. Manchmal haben Kluge und ich das Buch The Wisdom of the Body von einem amerikanischen Physiologen diskutiert, worin die Selbstregulierung natürlicher Eigenschaften eine relativ große Rolle spielt.8 Wenn ein Körper überspannt wird, sagt er, bricht er zusammen. Diese Balancearbeit in den Beanspruchungen, die von der Gesellschaft herkommen, spielt für uns eine Rolle aber auch diese Forderung des Achtstundentages von 1889 – acht Stunden Schlaf, acht Stunden Arbeit, acht Stunden Emanzipation – protestieren zu können. Eine Balancevorstellung – Maßverhältnisse – spielen für mich eine zentrale Rolle auch in den politischen Äußerungen, deshalb musste ich mich eigentlich nie wirklich radikal distanzieren von 8 Walter B. Cannon, The Wisdom of the Body, New York 1932.
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Irrtümern. Als Bauernkind habe ich gelernt, dass organische Prozesse nicht beschleunigt werden können; es bringt nichts, an den Rüben zu ziehen, damit sie schneller wachsen.
Zwei Enzyklopädien AK: Ich brauche Naturwissenschaftler, zum Beispiel den amerikanischen Psychologen Harry Harlow, der mir sagt: Wann schmiegt sich ein Primat an die Mutter an? Ist der Primat sachlich? Harlow sagt nein, er ist libidinös. Nicht mal das Essen nimmt er an, wenn da kein Fell ist. Nur die Naturwissenschaften können so was beobachten. Der Übergang vom Wunderglauben und der Rhetorik zur Beobachtung ist deswegen der entscheidende Punkt, den Lorraine Daston vom Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte in den Vordergrund stellt. Wir können natürlich alles im Arsenal des Wunderglaubens noch gebrauchen – das Wundern, sagt Aristotles, ist der Anfang der Philosophie. Es ist nichts davon entlegen und ein Scholastiker sitzt in unserem Kopf, während wir als moderne Intellektuelle denken. Wenn es um Fragenproduktion geht, dann sind die Naturwissenschaften eher überlegen, weil sie so sorgfältig sind und so langsam von ihren Fragen bis hin zu ihren Ergebnisse kommen können. Sie müssen ja hinterher alles mit der Beobachtung ausfüllen. Es gibt in den Naturwissenschaften zwei ganz große Pole, die gleicherweise interessant und für zwei verwandte Enzyklopädien geeignet sind. Die eine würde sich zum Beispiel mit diesem Sturm befassen, dieser Goldgräberphase, die in der Astrophysik, der Kosmologie und der Physik überhaupt steckt. Sie hat fast nichts mit Alltagsgegenständen zu tun. Mit der größten Maschine der Welt CERN, wo übrigens das Internet als Nebenprodukt erfunden wurde, erforschen sie die Anfänge der Welt und das ganz Große im Kosmos in seinen elementaren Beziehungen. Woraus besteht die Welt? 70 Prozent davon ist unbekannt, ist dunkle Energie und dunkle Materie. Die befasst sich auch damit, wenn Galaxien mit einander verschmelzen, wenn Sterne explodieren, wenn sie neu entstehen. Es ist nicht nur ein poetischer Eindruck, dass diese Welt objektiv ist, sondern es gehört zum Gleichgewichtsystem des Denkens, dass man sich überhaupt Langfristigkeiten und Kurzfristigkeiten vorstellen kann. Man studiert überhaupt solche Wirklichkeitsverhältnisse, gerade weil man diese Gestirne nicht anfassen kann. Anders als bewegliche Leuchtfeuer, die entweder zur Warnung oder Irreführung von Schiffen am Strand der Küste gemacht
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werden, sind die Sterne am Himmel fixiert und unbeweglich. Wenn sich der Seefahrer an den Sternen orientiert, dann ist es die ursprüngliche Art, sich an etwas Objektivierten zu orientieren. Es gibt auch die umgekehrte Fassung dessen, worin wir Orientierung und Bodenhaftung brauchen, nämlich die Urteilskraft. In der Urteilskraft brauche ich ganz andere Wissenschaften. Hier spielen unzählige Handlungsfragen eine Rolle: Führen wir Krieg oder machen wir Frieden? Gibt es auch Blitzfrieden, wenn es Blitzkrieg gibt? Wie rette ich mich in der Not, setze ich mein Leben ein oder nicht? Wie setze ich mich für Fortschritt und Emanzipation ein? All diese Fragen setzen Urteilskraft konkret voraus und entsprechen den Fragen aus der Seefahrt, zum Beispiel, ob das Meer Sandbänke hat, oder ob die Winde günstig stehen für meine Reise. Das erfährt man ja alles nicht von den Sternen. RL: Das sind sozusagen die Vorder- und Hinterseiten von subjektiv-objektiven Verhältnissen. AK: So ist es. Es gibt nur subjektiv-objektiv mit Bindestrich, ansonsten sind sie nicht zusammenhängend und weder eine Urteilskraft noch eine Orientierung wären möglich. Dafür brauchen wir die Wissenschaften und zwar in ihrer vollständigsten und üppigsten Gestalt. Es ist höchste Zeit für eine neue Enzyklopädie aus diesen zwei Säulen. Man darf nicht denken, dass die Urteilskraft bloß subjektiv wäre.
Zwei Ökonomien AK: Geschichte und Eigensinn ist genau so interessiert an Bodenhaftung wie an Sterndeutung. Zur Bodenhaftung gehören zwei Ökonomien. Die eine mächtige Maschine kennen wir, die des Kapitals. Heute ist die Börse ein Netz, das einen hohen Grad von Vergesellschaftung über den Mechanismus Gleichgültigkeit umverteilt. Ich gehöre zur Gesellschaft, wenn ich an diesem Gesamttauschverhältnis teilnehme. Werde ich von ihm ausgeschlossen, bin ich eigentlich ein Robinson, ein Narr, ein isolierter Mensch. Also nehme ich an der Gesellschaft nicht mehr teil. Das führt zu Krisen, aber die Gesellschaft wird bisher immer wieder aufgefangen und funktioniert. Jetzt gibt es die Gegenökonomie und die ist nicht beschrieben im Kapital von Marx, obwohl sie in den Grundrissen und Frühschriften den Subtext bildet. Ohne die kann man Marx gar nicht verstehen. Dies ist nicht rezipiert von Lenin oder dem verwalteten Sozialismus. Das ist die Ökonomie
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der Lebenszeit. Sie können sagen, drei Generationen – also Großvater, Eltern, Kinder – erstrecken sich über hundert Jahre. Achtzig Generationen sind schon eine ganze Menge, fünfhundert Generationen eine Scherzgeschichte. Eine einzelne Generation erzählt alleine für sich eigentlich nichts. Deswegen genügt der Lebenslauf alleine nicht. Wenn das Subsystem nochmal im Innenverhältnis erzählt wird, dann kann man sich eine Vorstellung machen von dem, was mich interessiert, wenn ich mich in meinem Leben erinnere, wenn ich das mit meiner Frau im Bett tue oder mit einem Gefährten oder wir beide das jetzt täten, dann würden wir interessante Dinge erleben und das wäre alles regiert von der Ökonomie, die in Sekunden, Minuten, Tagen, Jahren, Generationen, Jahrhunderten arbeitet. Diese Ökonomie ist für Menschen die wirkliche. Kapital kann immer nur diese zweite Ökonomie in sich einverleiben und würde sich selber nicht bewegen, wenn es nicht fähig wäre, Leute zu faszinieren, die es kaufen, verkaufen oder verteilen. Ansonsten gibt es keinen Produktionsprozess. Ohne die lebendige Arbeit gibt es überhaupt keine Produktion. Diese in Lebenszeit skandierte zweite Ökonomie ist unser Prinzip. An dieser Stelle offenbart sich der kritische Unterschied zwischen dem proletarischen Klassenbegriff und proletarischen Eigenschaften. Für jemanden wie Benjamin ging es in erster Linie um Arbeiter… Benjamin stellt sich die Arbeit immer proletarisch vor. Man muss die Arbeiter mobilisieren und dann eine Politik, eine Ästhetik und eine Kamera entwickeln, die man dann zum Werkzeug ihrer Emanzipation machen kann. Die Grundannahme hat sich aber nicht erwiesen, dass das Proletariat die Tendenz hat, sich zu emanzipieren. Sie sind schneller bei den Nationalsozialisten gewesen als bei der Emanzipation. Sie sprechen vom BVG-Streik aus dem Jahr 1932, oder? Ja, das ist auch mein Synchronpunkt, als ich geboren wurde. So universal ich die Fähigkeiten von Menschen halte – ihre Fähigkeiten zur Selbststeuerung und Emanzipation – sind sie absolut beobachtbar aber nur in Ausnahmesituationen wirksam. Das heißt, russische Menschen haben tatsächlich die Nationalsozialisten und die Armeen der Achse aus ihrem Land geschlagen. Das, einschließlich der Produktion der T-34 Panzer, die wirklich bis nach Berlin kamen, waren Leistungen, wofür sie nicht prädestiniert waren. Sie haben in dieser Zeit etwas Autonomes und ihr Land und ihre Freiheit verteidigt, aber anschließend das Niveau abgegeben und doch wieder gehorcht. Man kann nicht behaupten, es komme bei Chruschtschow ein Stück und dann bei Gorbatschow nochmal ein Stück Emanzipation ans Licht, die als breite Bewegung die Welt erfasst. Auf der Ebene der wirklichen Fähigkeiten der Menschen, wo sie bei sich
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selbst sind und in ihrem Leben sind, da fällt es ihnen besonders schwer zu tauschen, weil es ihnen so wichtig und besonders ist, dass sie ihre Kinder großziehen, und dass sie was werden. Es ist einem Europäer egal, was eine halbe Weltreise weit entfernt geschieht, obwohl das so nicht mal ausgedrückt ist. Es ist allerdings so eine Gleichgültigkeit für alle anderen und eine besondere Sorgfalt für das Eigene. Da wiederholt sich scheinbar der Kapitalismus, aber das tut er gar nicht. Auf der Ebene ihrer Grundausstattung leben Menschen nicht vollständig vergesellschaftet. Sie haben doch Motive über ihre private Glückssuche, ihre Privatheit und einen zivilisierten Räuberstandpunkt hinaus, Gemeinwesen zu bilden. Es ist einfach ungeheuer schwierig, Besonderes zu organisieren, während etwas Gleichgültiges, wie Geld gegen Ware, unendlich leicht ist.
Arbeit und Spielen RL: Eine der wichtigsten Innovationen in Geschichte und Eigensinn ist die Ausweitung des Arbeitsbegriffes. Wir haben wenig, haben Sie mal gesagt, womit wir die Arbeit in Beziehungen oder im Krieg beschreiben können. Wenn wir diesen Begriff so ausweiten, dass alles mit einbezogen werden kann, verschwindet dann nicht die konkrete Handarbeit aus dem Blickfeld? Wird sie nicht formlos? ON: Da ist was Richtiges dran an der Kritik. Wenn man jetzt aber fragt, was ist denn Beziehungsarbeit oder was ist Kriegsarbeit – der letztere Begriff stammt ja von Kluge – was machen sie mit ihren Panzern oder mit ihren Geschützen, was ist das? Das ist doch Arbeit. Sie wollen die Arbeit ja auch so gut machen, dass die Geschosse treffen und töten. Die Professionalität steckt doch da drin. Wir haben das Buch durchbuchstabiert und waren dann weiter der Auffassung, dass das so etwas wie Kriegsarbeit ist, wie eben auch Formen der Beziehungsarbeit nicht die industrielle Produktion überflüssig machen, sondern es sind verschiedene Formen der lebendigen Tätigkeit der Menschen, wobei die Ziele eben verschieden sind. Das sind tödliche Ziele in der Kriegsarbeit und in der Beziehungsarbeit sind es eher friedenssichernde Ziele. RL: Das heißt: Diese begriffliche Ausdehnung führt nicht dazu, dass wir nicht mehr unterscheiden, worin das Spezifische an bestimmten Arbeitsformen liegt. ON: Ich könnte mir vorstellen, wenn man vor Offizieren bzw. Soldaten redet, kann man natürlich alle Formen der Arbeit erwähnen, aber die Arbeit, die
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sie leisten werden müssen, würde man ganz klar auch eben als Kriegsarbeit bezeichnen können. Das heißt, das Spezifische spielt jedenfalls für meine Umsetzungsidee eine Rolle. Man muss Wissen umsetzen. Ich glaube, das ist in der Frankfurter Schule nicht so ein Schwergewicht. Deshalb meint man ja auch, ich würde mich von der Frankfurter Schule so etwas distanzieren. Ich werde noch in der nächsten Zeit ein kleines Buch über meine Stellung zur Frankfurter Schule schreiben. Da sind Vermittlungsebenen, um die sich eigentlich keiner sonst kümmert. Inwiefern bezieht sich für Sie diese Umsetzung auf Bildung? Würden Sie die Medienarbeiten von Herrn Kluge als Parallelerscheinung betrachten? Die Erfahrungsräume zu ermöglichen, zu erweitern, das ist auch das pädagogische Problem in den Schulen, wenn die Kinder keine Zeit haben, Erfahrungen unter einander zu sammeln. Kluge schafft mit seinen Bildern solche Räumlichkeiten in den Medien. Spielen kommt zwar nur vier oder fünf Mal in Geschichte und Eigensinn vor, beansprucht aber meines Erachtens doch eine wichtige Rolle. Natürlich hat Marcuse das Spielen… Ja. Eros and Civilization. In der Glocksee Schule spielt das eine zentrale Rolle. Es ist auch ein wichtiges pädagogisches Prinzip. Der Erfahrungsraum Schule ermöglicht es, Lernen mit Spielen zu verknüpfen. Natürlich sind das Lernvorgänge, die nicht alle so geplant sein können wie Napoleon die Schlacht bei Borodino geplant hat. Es gibt auch diese eine Stelle in Geschichte und Eigensinn, wo Sie die Kinderarbeit in der Schule beschreiben… Der von mir entwickelte Begriff von Kinderöffentlichkeit ist etwas anderes als die private oder die schulöffentliche Auseinandersetzung, dass Kinder anfangen, sich selbst Regeln zu geben, zu formulieren, und auch öffentlich festzulegen. Ein wesentlicher Bestandteil der Selbstbildung und der Selbstwertgefühle der Kinder beruht darauf, Regeln nicht von Anderen zu übernehmen, sondern selbst zu formulieren.
Zur Konkretisierung des Arbeitsbegriffs RL: Es gibt mehrere aus Ihren Geschichtsbüchern stammende, erzählerische Kommentare in History and Obstinacy, in denen es um eine Ausweitung des Arbeitsbegriffs geht. Die Soldaten im Stellungskrieg in Vauquois…
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AK: …wo also verkleidete Arbeiter, auf französischer Seite Bergarbeiter und auf deutscher Seite ebenfalls Proletarier in Uniform, Tunnel graben, um sich gegenseitig in die Luft zu sprengen.9 Jeder Besucher von Mars würde glauben, es sei Kooperation. Die Feinsteuerung dieser Vernichtungsarbeit ist der Gesamtarbeiter. Das ist tragisch. Das ist ganz bitter. RL: Diese Form der Arbeit lässt sich gar nicht mit der Arbeit von einem David Hume im schottischen Salon, der Zucker von einer Schale… AK: Den konsumiert er.10 Aber wenn er denkt, arbeitet er. Aber ich könnte auch nicht sagen, dass Mozart wie bei Verdun arbeitet. Wenn er sozusagen das Schlachtfeld mit Musik erfüllt, dann stirbt niemand davon. Es gibt privilegierte Spitzen der Arbeit. Die Intelligenzarbeit gehört dazu. Leibesarbeit gehört zweifellos auch dazu oder sie ist noch barbarischer. Ja, das gibt es auch. Wenn Sie aber die kasernierte Arbeit nehmen, die ja erst infolge der industriellen Revolution, oder eher erst nach ihr, auf gewisse Zeit entsteht und heute gar nicht mehr so vorfindbar ist in dem Sinne, in dem sie mal existierte, dann ist das eine Spezialform des Arbeitsbegriffs und des Arbeitsvermögens. Gleichzeitig kann in den Fabriken die Arbeitsfähigkeit – also dieser Skill – die Fähigkeit von Menschen, sich dafür zuzurichten, gar nicht entstehen. Dazu brauchen Sie Familien. Dazu brauchen Sie Not, die Erfinder macht und diesen Ausweg bietet. Wenn Sie in St. Petersburg vor 1917 die Entstehung der Putilow-Werke mit Bauernsöhnen aus Weißrussland studieren – die müssen erst mal Proletarier werden – dann können Sie ganz genau sehen, das gibt Spannungen. Die sind zu Anfang nicht bereit, mechanische Arbeit zu verrichten. Es gehört sehr viel Selbstentäußerung – also Fesselung im Sinne des Odysseus – dazu, bis sie sich selbst zum Instrument machen und die instrumentelle Arbeit in der Fabrik leisten können. RL: Das ist die Balancearbeit. AK: Mehr als fünfzig Prozent dieser Balancearbeit ist dafür notwendig, um sie auf diesem Status zu halten. Sie brauchen extreme Anleihen an Eigenschaften, die nur außerhalb einer Fabrik entstehen, damit sie dann wirklich sorgfältig arbeiten. RL: Es geht Ihnen in dieser Hinsicht gar nicht um eine Ausweitung des Arbeitsbegriffs, oder? AK: Nein, es geht um die Konkretisierung. Was wir als Arbeit bezeichnen im Sinne der Fabriksoziologie ist ein Zerrbild der Arbeit und würde in der 9 Alexander Kluge, »Besondere Anwendung von Arbeitskraft. Die Bohrung im Hügel von Vauqois«, in: id., Tür an Tür mit einem anderen Leben, Frankfurt a.M. 2006, S. 67–68. 10 Alexander Kluge, »Zungenlust, Empathie und impartial spectator«, in: id., Das fünfte Buch, Frankfurt a.M. 2012, S. 167–168.
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Welt nirgends entstehen, wenn es nicht Gründe außerhalb der Fabrik gäbe. Das heißt, dazu gehört einmal die ursprüngliche Akkumulation, dass sie vom Lande vertrieben werden, und dass nicht auf dem Lande zum Beispiel auch Tücher hergestellt werden, dass auch Schmiede da sind. Die selbstgenügsame Arbeit der Selbstversorgung – sagen wir mal im glücklichen Mittelalter – muss unterbunden sein. Die Menschen müssen in die Städte getrieben sein, nach London beispielsweise, um sich zu verdingen. Also, das Erste ist, ich muss in Not kommen und mich verdingen. Der zweite Punkt ist, ich muss aber einen Input haben an Freiwilligkeit, an Glücksversprechen und Glückserfahrung, damit ich die Feingriffe und Steuerung haben kann, denn das will der Arbeitgeber haben. Für die grobe Arbeit kann er auch ohne das auskommen. Wenn er aber einen Vorarbeiter haben will, dann muss er mehr als das haben und er muss vor allen Dingen in sich auch dieses Unterscheidungsvermögen zwischen der richtig befestigten Schraube haben und derjenigen, die sich sofort wieder lockert und die Maschine zerstört. Das muss er genau kennen und die Eigenschaft der Feinsteuerung, des genauen Blicks, die hat er aus libidinösen Beziehungen. Sechs Generationen Familie erzeugen so etwas. Also wir reden jetzt noch einmal von… …einer russischen Großmutter von Eigenschaften. Ehe man von reiner Abgrenzung eines Ackers und was da drauf wächst zu einem Treibhaus kommt, vom Treibhaus zur Schmiedekunst und darüber hinaus zu einer Gesellschaft, die Gesetze in keilschriftlicher Form und einen Gerichtshof errichtet, wo ich Recht bekomme, das ist ein ganz weiter Weg. Von dort werden Eigenschaften immer wieder verloren gehen und wiedergeboren werden. Die handwerkliche Kunst Griechenlands muss in Rom wieder neu entstehen. Der Kanalbau der Araber in Spanien macht den Kanalbau der Römer nach. Wenn in Nürnberg, Worms und Mainz Handwerkerzünfte entstehen, entsteht auf engem Raum wieder erneut Skill, der längst schon immer da war. Wenn Sie einen Menschen als Bergwerk oder Katakombe verstehen, dann sehen Sie in den unteren Abteilungen die Arbeit, die sich dann oben auswirkt. Der Schein der Arbeit, der hinterher abgeliefert wird und abends die Fabrik wieder verlässt, darf nicht verwechselt werden mit dem, was in Wirklichkeit die Produktion von Arbeitskraft ausmacht. Das ist besonders schwierig historisch zu verfolgen, wie eine solche Eigenschaft untertaucht, wieder auftaucht, sich ändert. Das ist aber eine interessante Erzählung. An sich sind Begriffe dazu da, dieser Erzählung ein Gefäß und einen Motor, also einen Inhalt und eine Form, zu geben, sodass man zum Beispiel das Fingerspitzengefühl richtig deutet. Engels deutet die Arbeit, als seien die Hände eine Emanation des
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planenden Hirns und muss dann eine Notwendigkeit zur Arbeit fingieren. Nun können sie bei jedem Kind feststellen, dass es Spaß oder Glück sucht. Als Schatzsucher ist es sehr geeignet, aber als Arbeiter gar nicht so. Es will spielen und will Glück haben und das ohne Verdienst. Das deckt sich gar nicht mit der Theorie von Engels. Evolutionsbiologen berichten davon, dass alle frühen Gesellschaften darauf angewiesen waren, dass das Kind auf den Fellrücken der Mutter flüchten kann. Dieser Griff in das Fell der Mutter ist rettend und zärtlich. Obwohl es möglicherweise keine individuellen Erinnerungen daran gibt, wissen die Fingerspitzen davon zu erzählen und haben den Höchstgrad an Individualität, sodass ein Fingerabdruck als Unterschrift gültig ist. Das ist also ein Zärtlichkeitsorgan, ein sehr altes Genauigkeitsorgan, aber das ist jetzt nur die Fingerspitze. Die gäbe es ja nicht ohne die Hand und sie ist dem korreliert und sehr groß repräsentiert im Kopf. Im sensorischen Homunkulus ist die Berührungsfläche mit der Umgebung für Feinsinn – das ist die Fingerspitze – stark repräsentiert. Diese vollständige Geschichte hört nicht auf. Zum Beispiel appelliert dieser Strich mit dem iPhone an diese Eigenschaft, die nur die Fingerspitzen haben, die längst schon da war. Die immer wieder zwischendurch in Vergessenheit gerät und dann später anders eingesetzt wird. Und nicht gebraucht werden, als ungebrauchte Eigenschaften überwintern. Das ist nicht der marxsche Maulwurf, der immer mal wieder an die Oberfläche kommt, sondern es sind die konkreten, eigenen und unvergesslichen Eigenschaften. Wenn Menschen einmal in der Evolution eine Eigenschaft erobert haben, dann bleibt sie in Reserve. So wie es den Engel der Geschichte von Benjamin gibt, der mit Schrecken auf das blickt, was in der Vergangenheit auf uns zuweht, also auf den Verblendungszusammenhang, dann könnte er, wenn dieser Sturm einen Moment mal innehält, eine ganze Kette von vergessenen Eigenschaften sehen, die glückliche Auswege bereithalten, so dass wir sagen können, weil wir so komplex sind, weil wir… …dieses mit Eigenschaften gefüllte Archiv in unseren Fingern haben. Ja, aber nicht nur in unseren Fingern, sondern auch in der Haut. Die ist ja ein viel größeres Organ. Die Haut kann zwischen heiß und kalt sehr gut unterscheiden.
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Dialektik RL: Sie haben an entscheidenden Stellen in Geschichte und Eigensinn sehr deutlich hervorgehoben, Sie seien Dialektiker. Sie behaupten aber auch, die Dialektik bei Lenin oder Adorno reiche nicht aus, und an anderer Stelle haben Sie geschrieben, Dialektik entstehe aus der Bewegung von Zusammenhängen, sie sei aus realen Bewegungsverhältnissen abzulesen. An mehreren Stellen in Geschichte und Eigensinn ist aber auch die Rede von einer Drittintervention – dem eingeschlossenen Dritten – oder das Würfelspiel oder das Glück. Wie funktioniert das Dritte bei Realvorgängen? ON: Ja, der Satz kommt bei Plato schon vor : Wer zusammenhängend denkt, denkt dialektisch. Das heißt: Zusammenhänge sind nicht Fragmente, sondern Fragmente in ihrer Bewegungslogik. Da fehlt etwas – egal was für ein Fragment – und dieses Fehlen hat die Triebenergie, sich zu entwickeln. Das würde gewissermaßen den dialektischen Prozess auf die Spur bringen, also in Gang bringen. RL: Zielt dann diese Triebenergie im Fragment auf eine gewünschte oder gehoffte Totalität? ON: Sie streben zu etwas hin. Sie dürfen aber nie Totalität werden, weil das im Endprodukt ist. Das hat Hegel gezeigt. Bei ihm ist die lebendige dialektische Entwicklung im Endlichen bestehend und dann bildet sich das System als Abschluss dieser Dialektik und die Dialektik wird sistiert – das heißt, wird aufgehoben – und wir folgen im Übrigen auch Adorno in der Negativen Dialektik. Die Dialektik kann nicht zu einem Gerüst werden, das überall auf die Dinge angewandt wird, sondern Dialektik ist im Grunde eine Form der Selbstbewegung der Dinge, aber die bewegen sich nicht immer von selbst, aber das Sichtbarmachen von Bewegungsenergien ist Dialektik. Dialektik und Sachverhalt sind in dieser Weise miteinander verknüpft. Eine Dialektik, die als rein formale Methode stattfindet, gibt es nicht. Das ist eine Tote. Das steht im Grunde schon in der Phänomenologie des Geistes auf den ersten Seiten, wo er sagt: Wenn das zum klappernden Gerüst zerfällt, dann hört dialektisches Denken auf. RL: »Eine erkenntnistheoretische Ambivalenz durchzieht unser ganzes Buch«, haben Sie in Ihrem damaligen Interview für Kommunikation und Ästhetik gesagt.11 Wie drückt sich diese Ambivalenz im Buch aus? ON: Ambivalenz ist ja heute im Grunde ein Ersatzbegriff für Dialektik, weil die Ambivalenz als eine Doppelwertigkeit oder Mehrwertigkeit festgelegt wurde. Das ist eben das Problem von Dialektik und Ambivalenz. Auch die 11 Negt/Kluge, Ästhetik und Kommunikation, S. 87.
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Dialektik arbeitet mit Widersprüchen. Das heißt: Die Arbeit des Begriffs, wie es in der Großen Logik heißt bei Hegel, spitzt die Dinge zu, sodass sie lebendig werden. Er sagt also, die Lebendigkeit liegt nicht im bloßen Nebeneinander der Dinge – das wäre eine tote Ansammlung. Die Arbeit des Begriffs spitzt das bloße Nebeneinander zum Widerspruch zu und dadurch erzeugt es Reibungsflächen. Sie streben zwar zum Ganzen hin, aber sie sind nicht ohne Hilfe in Bewegung zu bringen. Deshalb spielt der reflektierende Philosoph oder der Intellektuelle eine zentrale Rolle auch im Zuspitzen dieser Dinge und ist ein konstitutiver Bestandteil von gesellschaftlichen Prozessen. Mit Marx zu sprechen, wäre das die Zuarbeit des Philosophierens, was diese Zuspitzung leistet. Ja, Theorie ist danach unabdingbar. Die Dialektik von Theorie und Praxis ist nicht eine einseitige, wie wenn man davon ausgeht, eine richtige Theorie zu besitzen, sodass man sie jetzt auf alles anwendet. Was heißt diese Ambivalenz ganz konkret für Ihre Erkenntnistheorie? Eine von den Sachverhalten getrennte Erkenntnistheorie gibt es für uns beide nicht, sondern es gibt sehr wohl aus realen Erkenntnisprozessen herausgezogene Elemente, die durchaus anwendbar auf andere Zusammenhänge sind. Unsere ist eine praktische Erkenntnistheorie.
Mehrdimensionalität RL: In einem Exkurs zum 6. Kapitel aus dem Original wird die »Mutlosigkeit im Denken« erläutert. Was heißt das eigentlich? AK: Das handelt von der Intelligenz und steht ja in Widerspruch zu dem Leitsatz der Aufklärung wie Immanuel Kant ihn formuliert: sapere aude, Fasse den Mut, dich deiner Denkfähigkeit zu bedienen. Das hat er in seinem Aufsatz »Was heißt: Sich im Denken orientieren?« nochmal verfeinert. Es gibt einen Elan, den ich sehr verehre, den Sie bei David Hume, Adam Smith, Kant und Montaigne vorfinden, und der verbindbar mit einer eisernen Skepsis ist. Der glaubt gar nichts, was er nicht beobachten kann. Der Mut des Erkennens – eine unbezwingliche Neugier auf wirkliche Verhältnisse in der Welt und auf Geselligkeit – ist dennoch der Grund – ich führe das gar nicht zurück auf irgendetwas, was im Menschen steckt, sondern etwas in der gesellschaftlichen Evolution wie Rousseau das beschreibt – warum die frühen Menschen sich an einem Brunnen treffen und dann Geschichten erzählen. Das sind die ersten frühen Formen von Börse,
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Treffpunkt, Glücksuche, also ein Brunnen. Dieses Bild gibt etwas wieder, was in Menschen beobachtbar und graduell verschieden stark ist. Dieses ist eigentlich die Urwurzel des Dialogs und der Dialektik. Die Dialektik ist eben eine sehr extreme, sehr feine, auch ins artistisch getriebene Art des primären Dialogs, der Lust, dass man mit einem anderen quatschen kann. Ein Austausch zwischen zwei Menschen. Ja, Austausch, aber auf allen Ebenen, vom Trivialen bis zu Gott, von Buchhaltung bis zur Philosophie. Das ist vorsokratisch und führt dann zunächst einmal zu einem Übungsverhalten, das ich natürlich für einen Unfug halte. Und da kommt ein Sophist im zwölften Jahrhundert von der Pariser Universität zu Kaiser Barbarossa und sagt, »Majestät, Sie haben ein Auge.« »Ja«, sagt der Kaiser. »Und Sie haben ein zweites. Wie viele Augen haben Sie?«. »Zwei«. »Also haben Sie vier.« Das ist rhetorisch für Regeln, die abgenudelt werden, und wenn das, nämlich dieser Sprachumgang mit Dialog, Dialektik heißen soll, dann ist es eine Spinnerei. Wenn Sie jetzt eine Wissenschaft wie Diamat haben, dann haben Sie ein Übungsgerät, an dem Sie alles Mögliche wirksam üben könnten – zum Beispiel vom Russischen ins Englische übersetzen und was Sie wollen – aber niemals hätte das mit Denken zu tun. Bei Hegel ist es komplex. Der hat die besten Formulierungen über Dialektik, die ich kenne, und er hat aber auch dieses Furchtbare, dass er dann diese Methode vereinnahmt, sodass sie wiederum zu schwierig für Praktiker ist. Das spielt noch eine Rolle bei Marx, der ihn darin imitiert, sodass es ein Gütesiegel zu sein scheint. Wenn ich nach Marx etwas dialektisch ausdrücke, sei das das Latein des Denkens. Wenn Sie jetzt umgekehrt von dem ausgehen, was auch bei Hegel und Marx steht und was Sie übrigens beobachten können, dass Dialektik eine Eigenschaft wirklicher Verhältnisse ist und seltsamerweise die Genauigkeiten unseres Kopfes nochmals dazu tendieren, eine Lust, eine gewisse Besoffenheit, einen Rausch zu empfinden, wenn etwas als dialektisch erkennbar wird. Bezieht sich das nicht auch auf die Lust am Spiel? Wenn Sie das einbeziehen, dann haben Sie tatsächlich die Wurzel der Dialektik. Es ist einerseits, dass objektive Verhältnisse wirklich so funktionieren, und andererseits, dass im Subjekt eine Lust ist, sie als solche zu erkennen. Wir kommen damit immer wieder auf subjektiv-objektive Verhältnisse zurück, oder? Eine Koevolution hat offenkundig stattgefunden, dass unserem Hirn – das ganz offensichtlich keine Sterne abbilden kann, denn die Hirnzellen haben nie einen Stern gesehen – die Sterne dennoch entsprechen, weil wir
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gleichzeitig mit ihnen koexistieren. Das ist die Zauberwelt des SubjektivObjektiven. Das ist das Spiegelbild vorangegangener Arbeit und zwar fünfhundert Million Jahre Arbeit. Das haben wir schon von den Fischen und den Primaten. Langsam hat es sich herausgemendelt, dass wir Spiegel des Außen sind und das Außen sich dadurch natürlich durch uns gespiegelt fühlen kann. Man muss erst mal unterscheiden. Dialektik ist eine Kategorie des Zusammenhangs, aber Mehrdimensionalität ist auch eine Kategorie des Zusammenhangs, kann dialektisch sein, muss es aber nicht sein. Jetzt nehmen wir einmal die Koexistenz von verschiedenen Zeiten, und damit sind alle unsere Vorfahren gemeint, die wir sozusagen in uns tragen. Der Bauer in mir oder der Städter in uns, der wird nicht untergehen, wenn die Städte Slums werden. Die Weitergabe von Eigenschaften verstehen wir gar nicht, dass wir Nomaden sind und ein Stück Nomade in uns steckt. Das ist kein Räuber, Jäger oder Reiter, sondern etwas, was den Ort, den Wohnsitz verändern will und kann, das nicht in der Höhle bleibt, sondern in die Prärie geht. Das ist in uns und etwas, was eben die Höhle braucht. Ein Acker ist auch eine Höhle und ein Haus ist eine Höhle. Wir sind Höhlenbewohner, die gleichzeitig Präriebewohner sind, also wir leben in zwei Welten. Das ist jetzt nur eine Eigenschaft. Wir haben noch viele andere Eigenschaften: Wir sind industrialisierte Menschen aber auch vorindustrielle und wir sind postindustriell in der Anlage. Wir sind Menschen, die ein Netz setzen können und dann das Internet bedienen. Wenn wir frühstücken, sind wir gleichzeitig relativ einfache Lebewesen. Um 1800 hat man genau dasselbe getan, essen und schlucken. In dieser Hinsicht sind wir polyphone Lebewesen, die in Multiuniversen leben, die sich verschränken. Das heißt: Eins wird stark durch das andere. Das kann man nicht trennen, es sei denn, man möchte uns mal zerhacken. Diese Vielstimmigkeit ist eine Form der gesellschaftlichen Erkenntnis, der gesellschaftlichen Praxis und der Orientierung. Als Kategorie des Zusammenhangs muss man das unterscheiden. Alles zusammen ist wirklich, das Einzelne davon hat immer ein Defizit an Wirklichkeit. Nehmen Sie jetzt die Dialektik als eine Kategorie des Zusammenhangs. Es entsteht jetzt etwas, was sich notwendig oder freiwillig ineinander verwandelt. Hegel entwickelt die Dialektik am Beispiel von Antigone und zwar ist das die Dialektik zwischen dem Familienklan, dem was Antigone ausmacht, und dem Gemeinwesen. Das ist entweder der preußische Schulmeister oder Kreon, ein Diktator oder Sarastro aus der Zauberflöte. Ich sage bewusst beides nicht, positiv-negativ. Das führt er zusammen. Dieses Beispiel ist aber so groß, dass man die Bodenhaftung verliert und anfängt,
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in Gedanken zu fliegen. Das ist schon Jagdgeschwader. Bodenhaftung heißt: Ein Mensch hat das Recht auf ein Stück Eigentum, nämlich Boden, auf dem er mindestens sterben darf. Er hat ein Recht, in Würde beerdigt zu werden, und er hat ein Recht, dass seine Schwester ihn achtet und zwar anders als das Gemeinwesen. Es gibt also ein Besonderes, das ist die eine Kategorie der Dialektik und dieses Besondere ist höherrangig als das Staatsgesetz – das Allgemeine – obwohl dieses Allgemeine wiederum höher als das Besondere ist. Das ist das Dialektische daran, dass man hier an der Stelle aufhört, Urteile und Trennungen zu vollziehen, sondern, dass man das Lebensrecht, die Autonomie und jede dieser drei Kategorien des Allgemeinen, des Besonderen und der Einzelheit achtet. Dieses Allgemeine war für Benjamin und sein Pariser Projekt von zentraler Bedeutung. Sehen Sie das auch so? So ist es. Das schildert er. Wir werden unser Krisenjahrhundert nicht verstehen, wenn wir uns das 19. Jahrhundert nicht noch einmal aneignen. Ohne ein Inventarverzeichnis des 19. Jahrhunderts, sagt er, ist es heute wie im Rausch, wie im Zeitraffer vorübergegangen und alles bleibt unbegriffen. Er sagt also nicht, wir wollen neue Texte begreifen, sondern wir wollen wirkliche Verhältnisse begreifen. Dafür wählt er die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, Paris, und dort findet er sein Inventar. Er macht etwas, was mir unglaublich imponiert, und dem entspricht, was ich tief innig selber anstrebe, woran ich mit meinen Freunden arbeite. Das heißt, er sagt nicht »ich forme jetzt das Ganze und lege diesem Inventar den Zwang meiner Texte auf«, sondern ich sammele diese Texte als wären sie Märchen von den Brüdern Grimm. Die fälschen die Märchen ja auch nicht ab, sondern lassen sie, wie sie sind. Und die Erfahrung… …steckt drin. Diese Texte, die Natur, die Stadt, die Passagen, die Photographien, die Panoramen, sie erzählen selbst, haben längst erzählt, was sie bedeuten. Sie freizulegen und zu sammeln, das ist meine poetische und erkenntnistheoretische Tätigkeit. Dies ist jetzt genau der Kanon, den wir übertragen könnten, wenn wir die Frage stellen: Was könnte man als Passagenwerk im 21. Jahrhundert schreiben? Das wäre zunächst ein Werk über das 20. Jahrhundert, würde aber nach meiner Einschätzung die Erfahrung des 21. gleich mitbeinhalten. Wenn Sie also Eisenkonstruktionen in dem Passagenwerk haben – die Eisenbrücke, die Planeten verbindet, oder den Eiffelturm – dann würde heute dieses Eisen in der Aufmerksamkeit etwas zurücktreten, obwohl es noch voll vorhanden ist und in den Twin Towers, wenn sie einbrechen, mitentscheidend ist, ob es gutes Eisen war oder nicht. Aber Silizium und seltene Erden aus China, Grönland oder
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Afrika sind im Netz notwendiger als Eisen und sind jetzt ein Element, das beschreibenswert ist. Mit dem Export von Edelmetallen gegen die Errichtung von Brunnen im Netz kommt ein chinesisch-afrikanisches Tauschverhältnis, ein Naturalientausch, ein ganz altes Verhältnis des Tausches wieder hervor. Das kann man ohne Kapital machen. Das würde für ein neues Passagenwerk in Frage kommen.
Subjektanalyse nach der Kapitalanalyse RL: Sie haben einmal geschrieben, die Kapitalanalyse sei im Grunde abgeschlossen und trotzdem brauche der Marxismus noch eine Subjektanalyse.12 ON: So ist es ja. Davon bin ich auch überzeugt. Es ist gewissermaßen die Freisetzung und das Öffentlichmachen der lebendigen Arbeit in allen diesen Bereichen, die wir auch analysiert haben. Es ist ja auch so, dass zum ersten Mal in der Geschichte das Kapital genau so funktioniert, wie Marx es beschrieben hat. Habermas und ich haben in den sechziger Jahren dann die sozialstaatlichen Transformationen als Ergänzungsbedürfnis zur Kapitalanalyse betrachtet. Wenn der Sozialstaat jetzt wegfällt, ist gewissermaßen der erste Band des Kapitals nicht einmal die Geheimgeschichte, sondern die offizielle Geschichte. 1989 spielt insofern eine entscheidende Rolle, als hier zum ersten Mal der Kapitalismus auch noch nicht einmal mehr die imaginative Alternative hat. Das Fatale bei vielen linken Intellektuellen ist nämlich, dass sie überhaupt den Stalinismus verurteilt haben. Alles, was mit Stalin verknüpft war, wurde als ein falscher Weg betrachtet. Jetzt wo die Abgrenzungsrealität verloren gegangen ist, sagen sie, dass die Wahrheitsgehalte des Sozialismus nicht mehr zu vertreten sind. RL: Und das ganze Projekt wird über Bord geworfen. ON: Ja. RL: Wer redet überhaupt von der Subjektseite angesichts des Sieges vom Kapital in dieser neuen Weltordnung? ON: Das ist ein wesentlicher Punkt für unser Denken. Dass die Subjekte beteiligt sind an dieser Form des Kapitalismus macht es umso schwieriger, gewissermaßen, die Frontlinie genauer zu bezeichnen. Wir sind Teile 12 Oskar Negt, »What Is a Revival of Marxism and Why Do We Need One Today? Centennial Lecture Commemorating the Death of Karl Marx«, in: Cary Nelson/Lawrence Grossberg (Hg.), Marxism and the Interpretation of Culture, Urbana (IL) 1988, S. 220.
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davon und viele Elemente der Selbstausbeutung also nicht nur der ökonomischen Ausbeutung, sondern… …die Bereitwilligkeit daran teilzunehmen? Ja, daran teilzunehmen und sich zu überbieten im Leistungsbewusstsein. Sie brauchen nur im Intercity-Zug zu sitzen und dann packen die Leute ihre Produktionsmittel aus. Was da in so einem kleinen Apparat steckt, ist für Marx unvorstellbar gewesen, die Produktivkräfte, die hier versammelt sind. Das ist natürlich auch faszinierend. In Ihrem ersten Interview über Geschichte und Eigensinn haben Sie die Notwendigkeit gattungsgeschichtlicher und ontogenetischer Ansätze als Korrektur der Überhistorisierung des Subjekts hervorgehoben.13 Die marxsche Anthropologie spielt natürlich in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle für die Methode in Geschichte und Eigensinn. Waren andere zeitgenössische Tendenzen, wie zum Beispiel bei Habermas, auch für Sie methodologisch wichtig? Ja, ich glaube Habermas spielt für mich eine viel größere Rolle als für Kluge, nicht zuletzt weil ich acht Jahre neben ihm gelebt habe. Ich habe alle seine Schriften gründlich studiert und natürlich ist die Thematisierung der Subjektdimension bei Habermas begrenzt. Ich meine, die psychoanalytische, also die freudsche Dimension und der Freudo-Marxismus, wie ihn Marcuse vertreten hat, findet sich bei Habermas nicht, aber trotzdem diskutiert er natürlich diesen Zusammenhang zwischen Subjekt und Geschichte und davon habe ich auch sehr viel. In einem anderen Interview zu diesem Thema wurde erwähnt, die Anthropologie Ende der sechziger Jahre, Anfang der siebziger Jahre gelte als tabu.14 Das ist eben die gehlensche Anthropologie, die viel stärker auf konstante Sinnenausstattung gerichtet war, während unser Begriff der Anthropologie ja eher kantisch orientiert war als Potential. Das sieht man auch im ersten Bild mit dem Elefanten: »die Bürde der Aufklärung«. Die bürgerliche Anthropologie bestreitet im Grunde jene Entwicklungsmöglichkeiten des Körpers und des Menschen, von denen wir als Aufklärer immer ausgehen. Das wird auch jetzt noch durch die Gehirnphysiologie bestätigt. Ein wichtiger Gehirnphysiologe sagt auch selbst, das Gehirn sei nicht etwas Schlichtgegebenes, sondern ist eine soziale Organisation und insofern
13 Negt/Kluge, Ästhetik und Kommunikation, S. 90. 14 »›Der Maulwurf kein kein System‹. Oskar Negt im Gespräch mit Rainer Stollmann und Christian Schulte«, in: Christian Schulte/Rainer Stollmann (Hg.), Der Maulwurf kein kein System. Beiträge zur gemeinsamen Philosophie von Oskar Negt und Alexander Kluge, transcript Verlag 2005, S. 12–13.
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sprechen wir auch später von den Potenzen von der lebendigen Arbeit, die sich artikuliert in verschiedenen Objektivierungen und es ist nichts Festgelegtes, es ist keine Konstantenlehre. Wogegen sich Adorno immer gewandt hat, ist die Anthropologie als Konstantenlehre. Ich meine, die klassische Anthropologie geht nicht von der unbegrenzten Freiheitsfähigkeit des Menschen aus, sondern sagt: hier sind Festlegungen, hier sind Gehlen zufolge die Sinne Kompensation. Der Mensch ist ein Mangelwesen. RL: Das heißt in wenigen Worten: die anthropologische Konzeptualisierung in Geschichte und Eigensinn ist durchaus utopisch. ON: Ja. Eine Entwurfsphantasie ist da, die immer über die Tatbestände hinausgeht und im Grunde ist das der Versuch also jetzt in meinem neusten Buch Nur noch Utopien sind realistisch.15
Der Mensch ist ein Glückssucher AK: Nach unserer Beobachtung scheinen Menschen von Haus aus in ihren einzelnen Eigenschaften Glückssucher zu sein. Das in der Eiszeit entwickelte Unterscheidungsvermögen zwischen heiß und kalt geht zu der Seite, die für Menschen verträglich ist, und geht dann auf Entdeckungsreise. Das Gefühlhorn der Schnecke bei Horkheimer geht auf, nicht enttäuscht zu werden. Wenn es enttäuscht wird, zieht sich das Fühlhorn zurück. Überall können Sie beobachten, dass es zunächst einmal um Glückssuche und Fortexistenz geht. Das ist kein Mythos und man kann keine Ideologie daraus ziehen. Wenn man nicht sieht, wo hier diese Glückssuche stattfindet, dann beobachtet man falsch. Wenn aber diese in der Natur ursprünglich scheinende Glückssuche enttäuscht wird, wird sie zurückgewiesen. Dann wendet sich diese ursprüngliche Glückssuche in eine Gegenbewegung, was Nietzsche »Ressentiment« nennt. Protest stellt sich gegen die ursprüngliche Glückssuche und errichtet neue Versteinerungen, also den Charakterpanzer, aus dem ich Soldaten, Stereotypen und Hass entwickeln kann. Man schaut ja dauernd bei einer Mozart-Oper hin und her. Wer ist nun derjenige, der die Starre in die Welt bringt, die Königin der Nacht in der Zauberflöte oder aber Sarastro? Dies kann ich nicht abgrenzen. Ich würde nur einen neuen Bürgerkrieg der Gefühle erzeugen, wenn ich jetzt befehle, »Gewöhnt euch das doch mal ab! Seid doch lieb zueinander!«. Diese bei15 Vgl. Oskar Negt, Nur noch Utopien sind realistisch. Politische Interventionen, Göttingen 2012.
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den Sachen – einerseits Hans im Glück und andererseits den gepanzerten Charakter, aus dem sich breite Teile des Faschismus, Adornos Meinung nach, rekrutieren – muss man in Erwägung ziehen, um überhaupt einen Faschisten resozialisieren zu können. Das ist eine ganz schwierige Frage, aber der Theorie wert. RL: Angesichts dieser Gegentendenz ist der Mensch doch kein Utopist, oder? AK: Nein, er ist Heterotopist. Er kann neben der Welt, die er sich wünscht, auch eine zweite Zwangswelt aushalten. Er kann die Welt, die er sich wünscht, mehrteilig sehen, sodass er ein konkretes Leben führt, aber in Romanen noch sieben weitere Leben führt. Das kann er sogar gemeinsam mit seiner Liebsten machen. Umgekehrt ist der Hass etwas, was man nicht dauerhaft aufrechterhalten kann. Man wird müde davon. Man wird als Pensionär seines Hasses ein liebenswürdiger Mensch sein können, ein Opa. Sie werden es außerdem auf ihre Enkel gar nicht notwendig übertragen. Die UFA Filme haben sich immer wieder mit einem alten versteinerten Mann beschäftigt, meist gespielt von Heinrich George, in Preußischen Diensten großgeworden. Er hat eine junge Frau oder eine Tochter – Zarah Leander zum Beispiel – und er wird nicht sentimental, sondern er macht Ausnahmen. Innerhalb seines gepanzerten Hasses erweisen sich Lücken und die Kenntnis davon ist gut in der Relegationskunst.
Vom Verschwinden der Arbeit RL: Es gibt an mehreren Stellen in History and Obstinacy Geschichten vom Verschwinden der Arbeit. AK: Dem scheinbaren. Historische Formen der Arbeit verschwinden, aber die Arbeit selber verschwindet nicht. Allerdings nimmt der Grad der in Produkten und Automatik bereits gebundenen Arbeit elementar zu. Das heißt, die Arbeit, die in einem Chip aus Silicon Valley steckt, ist im Verhältnis intensiver als alles, was chinesische Apple Arbeiter in einem Montagewerk für iPhones hinzufügen können. RL: Ein Bleistift und ein iPhone beinhalten sicherlich nicht dieselbe Menge an toter Arbeit aber… AK: …elementar ist dasselbe darin. Was können mich aber die einzelnen Werkzeuge lehren? Es gibt die Theorie der begrenzten Rationalität von einem gewissen Herbert Simon, die »Simon Scissors« heißt. Die sagt, wenn man die beiden Teile einer Schere trennt, löst sich der Zusammenhang auf, denn kein Lebewesen der Welt kann aus dem einen, mit dem man ja nichts
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schneiden kann – mag es so scharf sein, wie es will – irgendwie darauf schließen, dass es so ein scherendes Gerät gibt. Wenn das auf das Denken angewendet wird, ist es ein unglaublich interessantes Gleichnis dafür, dass ich etwas – nämlich Dialektik – brauche, womit ich Gedanken schneiden kann. Wenn ich nur so subtrahieren will, dann brauche ich keine Dialektik. Wenn ich mit multiplen Verhältnissen umgehen will und etwas Additives sagen will, dann ist es dennoch gut zu verstehen, dass ich zwei Blätter brauche, um zu schneiden. Das ist eine Kategorie des Denkens, der Rationalität, und ist aus diesem Werkzeug abgeleitet. Ob ich aus diesem Werkzeug etwas Ähnliches ableiten kann, das bezweifle ich. Die Abstraktionssinne sind zu synthetisch. Gegenstände lehren eigentlich das Denken.
»Immaterielle Arbeit« RL: Von der postoperaistischen Theorie aus Italien stammend, wird der Begriff »immaterielle Arbeit« immer häufiger dort eingesetzt, wo anscheinend nicht mehr mit Händen und Füßen, sondern mit Emotionen gearbeitet wird. In unserem Zeitalter der Information sind wir alle zu Dienstleistern geworden und Gefühle sind die Objekte, an denen wir arbeiten. Lässt sich eine solche Theorie der affektiven Arbeit mit den Grundannahmen in Geschichte und Eigensinn in Einklang bringen? ON: Auf der einen Seite ist was dran, aber meine Grundüberzeugung besteht darin, dass die Konstitution von Subjektivität mit Identitätsmerkmalen und Merkmalen der Anerkennung unterhalb der immateriellen Arbeit liegen, sondern dass die menschliche Ausstattung mit Gegenständen zu tun hat. Deshalb bin ich auch gar nicht so skeptisch, dass das Medium Buch gegenüber den digitalisierten Formen überlebt. Man liest am Bildschirm, weil dieses gegenständliche Element den Menschen doch inhärent ist, weil er eben auch ein körperliches Wesen ist. RL: Sie schreiben, die Eigenschaften entfalten sich dem Objekt gegenüber. Es entsteht also aus der Reibung mit dem Objekt. ON: Na ja, man kann sagen, wir leben in einer Kommunikationsgesellschaft. Das mag ja schon sein, aber die Unterseite dieses Prozesses hat etwas mit gegenständlicher Gegenwärtigkeit zu tun, mit Erfahrungsräumen, mit allen diesen Dingen, die eben nicht immateriell sind, sondern materiell. Essen und Trinken sind… RL: Physisch, handgreiflich, gegenständlich…
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ON: Gegenständlichkeit, die Erfahrbarkeit von Gegenständen, wenn das ganz verschwindet, kann ich mir gut vorstellen, dass eine irre Gesellschaft entsteht. So was ist wohl schon möglich – immer nur kommunizieren – aber man wüsste nicht mehr, worüber. RL: Das erinnert mich etwas an Ihre Auseinandersetzung mit Ulrich Beck und seiner Globalisierungstheorie.16 So was wie immaterielle Arbeit ist eine unvollständige Formulierung, ein zerstückelter Gesellschaftsbegriff. ON: Ja, so ist es. Man kann mir nicht einreden, dass ein Mensch, dem der Arbeitsplatz genommen wird – egal, ob das jetzt als nur kommunikativer Vorgang betrachtet wird – nicht körperlich darunter leidet. Die materielle Ausstattung dieser Primärbeziehung ist unabdingbar. Selbst wenn auf einer bestimmten Ebene diese immateriellen Beziehungen immer mehr an Bedeutung gewinnen, bleibt für mich dieser Gesichtspunkt der gegenständlichen Tätigkeit ein Arbeitsvorgang, der die Basis der menschlichen Grundausstattung bildet. Menschen, die nur durch Kommunikation leben, werden verrückt.
Gemeinwesen RL: Sie haben früher mal gesagt, dass angesichts der Lawine an digitalisierten Informationen wir nun die Möglichkeit brauchen, die wesentlichsten Informationen wie einen Garten zu pflegen. AK: …einen Garten oder ein Korallenriff. Dort sind nämlich alle filtrierenden Lebewesen, die das Korallenriff bilden. Dieses geht über Lebenszeit und wird übrigens ununterbrochen betrieben. Mut brauchen Menschen für so etwas, sowie Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit. Sie müssen eben sammeln können und tolerant sein. Also brauchen wir eine ganze Reihe von vorprogrammierten Eigenschaften, die Menschen massenweise besitzen. RL: Sie sind sich dessen aber nicht unbedingt bewusst. AK: Das müssen sie ja nicht sein. Wenn Sie einen Attraktor haben wie das Netz, dann haben Sie eine Öffentlichkeit mehr, allerdings keine vollständige, die das als Attraktor zu großen Gravitationsfeldern vereinigt, so wie Sternsysteme – Konstellationen also – aus solchen Materie-Elementen entstehen, die aber zunächst mal Moleküle sind. RL: An dieser Stelle schließt sich der Kreis, nicht wahr? Wir sind von Arbeitseigenschaften wieder bei Fragen der Öffentlichkeit. AK: Ja, und wenn Menschen sich selbst produzieren, dann können Sie damit 16 Vgl. Oskar Negt, Arbeit und menschliche Würde, Göttingen 2001, S. 585–625.
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rechnen, dass Sie als Partikel in sich alle Eigenschaften haben. Ich habe nichts mehr zu verlieren, also wage ich etwas. Sie können auch sagen, ich habe proletarische Energien, also trage ich sie zu den Nationalsozialisten, die mich schützen. Da ist das Bindeglied einer der wertvollsten Eigenschaften der Menschen, nämlich: ich möchte zu den anderen hin, ich möchte Gesellschaft haben. Sie könnten jetzt sagen, das ist doch eine Tendenz, sich am Brunnen zu versammeln, aber das ist kein Konformismus. 9/11 wäre noch ein Beispiel dafür, oder? Jawohl! Wenn die Feuerwehrleute in die Twin Towers reinstürmen und dort untergehen, gehen sie dahin, wo die anderen sind. Das hält die Tapferkeit dieser Feuerwehrleute, die ich sehr bewundere, zusammen. Sie kommen zum großen Teil aus Irland, bilden die New Yorker Feuerwehr und sind dankbar, dass sie schon wie ihre Väter und Großväter ernährt wurden und kämpfen. Es gibt keinen Soldaten, der so tüchtig ist wie diese Feuerwehrmänner. Das wiederholt sich in Fukushima, als die Tokioter Feuerwehr Hilfe geleistet hat. Sie kämpfen nicht aus Abstraktheit oder Schneid, sondern aus einer Geselligkeit, zusammenzubleiben als Gruppe. Und dieses Wir-Gefühl ist nichts weiter als eine Art Kollektiveigentum, an dem sie zusammenarbeiten. Es wird dann zum kollektiven Eigentum. Und es gehört uns und tauscht mit uns, dass wir zugehörig sind. Wir werden von unseren Nächsten, auf deren Urteil wir Wert legen, in der Gruppe ernst genommen. Das heißt: In katastrophalen Momenten wird erst wahrgenommen, dass die Voraussetzung für das Kollektiv schon immer da war. In einem Katastrophenfall merkt man es. Wenn Sie samstags auf Ihrem Sofa fernsehgucken, wie sollen Sie da das Kollektiv spüren? Dann haben Sie das Pseudokollektiv, das Ihnen von Fox News vorgeführt wird. Sind Katastrophen erkenntnisarme Zeiten? Das stimmt so nicht. Man hat während der Katastrophe allerdings wenig Zeit nachzudenken. In einer Katastrophe ist die Zeit knapp. Sie ist vielleicht knapp, aber sie ist ungeheuer reich an Beobachtungen, führt zu möglichen Schlussfolgerungen und löst auch viel Erkenntnis aus. Erkenntnis ist zuerst immer Unterscheidungsvermögen, eine Massenproduktion an Unterscheidungsvermögen. Es gibt dazu aber zwei Zugänge. Das eine ist die Produktion von Überblicken. Das nennen wir Orientierung eins. Dann gibt es Orientierung zwei, und die besteht aus Weglassen alles Unwesentlichen. Wenn jemand sich auf einen Baseball konzentriert, dann fasst er diesen
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Ball zusammen, ohne dass mehr als der Entschluss »ich will ihn haben« zur Verfügung steht. Er denkt nicht darüber nach, wie er ihn haben will. Er rennt auf ihn zu und die Interaktion zwischen etwas, was er in der Evolution erworben hat als Interaktion zwischen Kopf, Auge und Muskeln, und was vielleicht noch von dem Jagen von Mammuten kommt, was sozusagen gar nicht geübt wurde, kommt ihm jetzt zu Hilfe. Er weiß gar nichts über die Windgeschwindigkeit, Ballistik, nicht mal, ob es ihm gelingen wird, aber er rennt genau auf dieses Ziel zu und in der Interaktion treffen sie sich. Dies ist eine Art von Glück haben, Heuristik, Kairos in dem Moment finden. Wenn jetzt der Fernbeobachter hier tätig wäre und sich hinstellt, würde er nach dem Wesen des Subjekts fragen? Fichte beurteilt das anders als Hegel oder Kant. Zweitens, was ist das Wesen des Balls? Was ist überhaupt eine Kurve? Wie ist das Wetter? Was der Luftwiderstand? Er ist ein Tausendfüßler des Denkens, der stehenbleiben und gar nichts tun würde. Der andere wiederum, der sozusagen das Glück am Schopfe fasst, den Ball fängt und, wie Alexander der Große, Riesenarmeen eventuell in einen unheiligen Feldzug führt und da mittendrin stirbt, ist ja auch nicht nur was Gutes. Der Charismatiker, der Heuristiker, dem fehlt wiederum alles, was der Orientierungskünstler Nummer eins besitzt, sodass wir im Grunde, wie wir zwei Hirnhälften haben, nochmal zwar erlernte Hirnbenutzungen einsetzen sollten, dieses Hirn aber verankert halten im ganzen Körper. Die Fußsohle sagt mir im Glücksfall mehr als der Verstand. Beides ist nicht Verstand. RL: Das Ziel liegt dann nicht darin, die eine Hälfte mit der anderen in Verbindung zu bringen. AK: Nein, sondern die Spannung zwischen den Beiden ist das Ziel. Wenn Sie so etwas tun, vertrauen Sie im Grunde auf den Moment. Das ist das Gegenteil von Mutlosigkeit. Wenn Sie sich orientieren, obwohl Sie sagen, ich kann doch nicht alles wissen, ist es ebenfalls Mut. Jetzt gibt es eine Fülle von Fragestellungen. Wie kommt es, dass Menschen, wenn sie entfremdete Arbeit leisten oder im Unglück sitzen oder unglücklich in der Liebe sind, neunzig Prozent ihrer Energie aufbringen müssen, um es auszuhalten und nur mit zehn Prozent Arbeit wieder Auswege finden? Die Bipolarität aller Arbeitsvermögen ist eigentlich unsere beste Einsicht, die wir haben, nämlich wenn Sie entfremdet werden, verlieren Sie Hof, weil man das Feld für Schafe braucht, weil in Antwerpen die Börsenpreise für Wolle gestiegen sind. Es ist eine Fernattraktion, eine verschränkte, verrückte Fernwirkung und diese Fernwirkung zwischen Markt und Niederbrennen von Hütten treibt Menschen nicht aus dem Paradies, sondern
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aus ihrer gewohnten Arbeit und dem, wie sie leben können, heraus. Und jetzt müssen sie sich spalten. Die einen werden wahrscheinlich dabei umkommen, vielleicht am Galgen enden. Die anderen heiraten die Tochter eines Meisters und werden totunglücklich in ihrem Leben. Aber bei jener Anpassung entsteht fünfzig Prozent Skill, fünfzig Prozent Lähmung. Die Lähmung hat ihr eigenes Leben und der Skill hat sein eigenes Leben, sodass niemals eine volle Zerstörung bei einem Menschen geschieht. Mit einem Individuellen kann das passieren, dass er stirbt oder Pest kriegt aber mit den Menschen überhaupt ist es sehr unwahrscheinlich. Auf diese Fähigkeiten können Sie keine optimistische These stützen – es ist ja nicht viel, wenn fünfzig Prozent Glück möglich ist und fünfzig Prozent Unglück garantiert – aber wenn Sie es auf die einzelnen Eigenschaften nehmen, dann ist es unterschiedlich und wirkt sich unterschiedlich aus. Ich kann also eine feine Nase behalten, wenn ich entfremdet arbeite. Was ich nicht kann, ist meinen Verstand allein und isoliert benutzen. Da muss ich ein Motiv haben. Aber jene einzelne Eigenschaft des Menschen hat ein anderes Schicksal dieser Art. Und es wird immer eine Balanceökonomie geben, wenn Sie sie nicht finden, haben Sie nicht gesucht. Es wird immer eine Gegenwehr geben, einen Protest geben, das ist jetzt was anderes als Balanceökonomie. Und jetzt sind wir wieder beim Eigensinn. Der Sinn von Eigensinn liegt darin, dass Sie nie nur beherrscht werden können. Das am Sklavenaufstand in Haiti zu untersuchen, ist absolut lohnend. Warum was gelingt und warum was nicht gelingt, warum es sich in der Zeit nicht hält, warum es aber im Moment möglich ist. Wenn Sie die Aggregatzustände der einzelnen Arbeitsvermögen betrachten, haben Sie jene isolierten Geschichten, wie die des Ballfängers, der mit den Augen guckt, mit den Füßen läuft, mit dem Körper fühlt, im Gleichgewicht bleibt, und möglicherweise auch etwas hört. Er bewegt sich in seiner Zeit und gleichzeitig in allen früheren Zeiten. Sie haben außerdem noch die verschiedenen Aggregatzustände der Gesellschaft. In einer revolutionären Situation können fusionierende Gruppen unglaubliche Leistungen hervorbringen. Bei diesen Maßverhältnissen kann man ganz starke Qualitätskontrollen einführen. Könnten wir an dieser Stelle von einer kollektiven Orientierungsarbeit reden? Das ist Orientierungsarbeit und die geht bis in die Bildung hinein. Wir haben jetzt hier ein Projekt, nämlich tausend Jahre Bildung in Europa. Das geht von der Gründung der Universitäten im 12. Jahrhundert aus. Das ist eine Zeit, wo die Zeitgeschichte so vehement vorwärts geht und die Texte
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Aristoteles aus Arabien kommen. Man kann mit den Erfahrungen, die man in der Jugend und in den Klöstern gemacht hat, nicht mehr auskommen und muss deshalb erwachsene Bildung zwischenschalten. Bildung zerfällt in zwei große Impulse. Zum einen errichte ich in mir, in meinem Selbst, einen Garten und baue die ganze Welt wie in Kew Gardens da drin auf. Das ist das hervorragende Bildungsideal von Wilhelm von Humboldt. Nach wie vor entfaltet es den Menschen, ist allerdings ein bisschen klassenbetont, ließe sich allerdings theoretisch auf alle Menschen erstrecken und macht Menschen reicher, aber reaktionsärmer. Es gibt einen zweiten Impuls, nämlich was ich hier mit den Heuristiken meinte. Ich brauche den extremen Praktiker. Es genügt einfach nicht, theoretisch ein gebildeter Mensch zu sein. Sie meinen damit eine gewisse Pragmatik oder praktisches Wissen, nicht wahr? Nein, ich meine die Erfahrung von 1933. Was alles gegen das Dritte Reich nichts nutzte, kann nicht weggeworfen werden, aber muss umgeformt werden in etwas, was mit Sicherheit nutzt. Das ist Negts und meine ganze Frage. Wir wollen also kleine Klassen befreien, wollen aber sicher sein, dass man den Faschismus besiegen kann. Das ist der Mut des Denkens und wir können es. Wir drehen Ihnen einen Nazi um. Das wäre nichts anderes als das Erbe der kritischen Theorie… Das ist kritische Theorie, und davon bin ich der Gärtner.
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I first wrote about Geschichte und Eigensinn in Telos in the early eighties,1 and tried to get publishers interested in a translation of parts of the book, to which Kluge was going to append some new stories. The task proved impossible, given publishers’ assumptions about whether the book was likely to sell enough copies, so I eventually gave up, and moved on to working on modern German philosophy from a variety of angles, which led to books on, among other things, aesthetics, Schelling, romantic philosophy, music and philosophy, and Adorno. It was therefore with some surprise (and pleasure) that I was informed that the sort of plan I had thirty years ago had now succeeded, and History and Obstinacy was being published by in a similar form to what, with Kluge’s help, had been planned all that time ago.2 A lot of theories in the area of what one can broadly term »European philosophy« tend to have a quite short shelf life, so the return in a new guise of such an eccentric work as History and Obstinacy after such an interval makes it worth pondering why it is still so appropriate to the contemporary political and philosophical situation. The answer to this question lies – and this seems to me crucial – not in its relation to new developments in »Continental philosophy«, but rather in the concrete socio-economic changes of recent years. The British economics commentator and acute observer of social and political developments, Paul Mason, recently suggested a key issue that is germane to Negt and Kluge’s opus: What’s hard for the economics profession to accept is […] that capitalism itself could be past its best. The traditional escape mechanism – adaptation through high-value job creation and the creation of new technologies – becomes hard to maintain once information technology pervades everything, tanking production costs. So we are stuck: we fear automating en masse because we can’t imagine what jobs people will do who are 1 Andrew Bowie, review of Geschichte und Eigensinn, by Oskar Negt and Alexander Kluge, Telos 66 (Fall 1985–1986), pp. 183–190. 2 Alexander Kluge/Oskar Negt, History and Obstinacy, Devin Fore (ed.), Richard Langston et al. (trans.), New York 2014.
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displaced. This is the clearest sign that we might be living through a 500-year turning point, not just a 50-year one, with the exhaustion of a model and a financial crash.3
When Geschichte und Eigensinn first appeared, such a perspective might have seemed to be exaggerated, but developments since then, particularly the economic crash beginning in 2007, have made it clear that the issue of labour lies at the heart of any attempt to make sense of how contemporary history is changing. Negt and Kluge’s approach now seems prescient because it focused on dimensions of human activity which largely escape the categories of many forms of economics, especially the increasingly discredited academic versions of the subject, and which make it clear how vital a rethink of political economy is to progressive politics. At a time when traditional forms of production will require less and less human »living« labour, because of the accumulation of technological and other »dead« forms of labour, the assumptions governing the actions of governments in the Western world in particular are still based on ideas of work from the industrial age. The Conservative administration’s appalling treatment of unemployed and disabled people in Great Britain, who are cruelly sanctioned if they do not constantly look for work in a situation where all the evidence shows there are not enough jobs to go round, is one indication of just how distorted things have become. The point is, of course, that there is never a shortage of work that needs to be done, and, above all, that people want to do, but the structures of employment we now have are increasingly unsuited to enabling such work. The socio-political ramifications of this situation are deeply worrying. What Kluge and Negt offer are theoretical perspectives that open up space for new ways of approaching the spheres of labour and human interaction which help to look at key socio-political issues in a longer-term perspective. The book has both diagnostic and prognostic potential that is at a premium in the present benighted state of a world threatened by ecological, economic and political breakdown. The objection that crisis is perennial in modernity – which it obviously is, given the nature of capitalism – fails to take account of the fact that it seems likely, as Mason suggests, that we are facing a major transformation that no longer fits in the categories we have used to understand the crises of capitalist modernity. It is to the credit of Kluge and Negt that their reflections of over thirty years ago, like those of Karl Polanyi in his 1944 The Great Transformation (Boston 2001), which sought to diagnose the deeper roots of why finance capital can produce disaster, have the kind of depth which means that they may speak to us more now than when they were initially written. 3 Paul Mason, »What Can’t You Say? Stephen Fry, Slavoj Zˇizˇek, Elif Shafak And More Say the Unsayable«, in: New Statesman, 28. 05. 2015, Online-Publication, www.newstatesman.com/ politics/2015/05/what-can-t-you-say-stephen-fry-slavoj-i-ek-elif-shafak-and-more-say-un sayable (Accessed: 12. 06. 2015).
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What Kluge and Negt do can usefully be understood by the ways in which they fit into the trajectory of a still underappreciated strand of the history of modern philosophy. This became apparent to me via the fact that my work on the German philosophical tradition since reading Geschichte und Eigensinn has repeatedly echoed issues raised in the book. The dominant forms of modern philosophy from Descartes onwards have often been concerned with determining the essential features of reality in a post-theological form, thus with an objective picture of the world that must at the same time accommodate the fact that the subject that seeks to generate the objective picture does not straightforwardly fit into such a picture. This situation gives rise to a dialectic between subjective and objective that can be seen in philosophical terms concerning how »mind« and »world« relate, but can also be seen historically in the ways in which objective developments change the nature of subjectivity, and subjective responses to the world change the nature of objectivity. Schelling’s Naturphilosophie, for example, sees the objective sciences as seeking knowledge of the »products« of nature, which means that they do not take account of nature’s »productivity«, the fact that things grow and change at all, and then become intelligible through human thought. This means that a philosophy of nature should be concerned with understanding change and the emergence of the intelligibility of things, rather than fixing objects by concepts in scientific research. In this sense there can be said to be a »subjective« aspect even to non-human nature, and the line between the cultural and the natural ceases to be clear-cut. Schelling sees language and mythology later in his career as essentially »natural«, because their emergence does not involve reflective deliberation on the part of the subjects that produce them. In a related manner, Adorno will later question any straightforward division between nature and history, because the former is only ever understood in terms of historically developed frameworks, and the latter functions just as objectively as non-human nature in its ability to destroy life. The kind of dialectic involved in Schelling and Adorno underlies the core assertion of History and Obstinacy, that »We hold fast to the view that the contradiction between living and dead labour encompasses the entire basic understanding of a society« (HO 130). The value of the book lies not least in its attempts to trace the ramifications of this assertion via a myriad of empirical examples and imagined scenarios, and in the way these attempts can make us aware of just how blind we can be to what produces the reality we inhabit. In this they echo the idea shared by Marx and Heidegger, that it is only when things cease to function as what they have become through the process of their production that we begin to understand the otherwise hidden nature of the world in which the things are located. This means that critical thought has, in an updating of the idea of Schelling’s Naturphilosophie, to attend to »the processes, and not the results«, and that »labor and real life are identical. They are not to be found
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as such in the result« (HO 133). The task is therefore to get beyond what has become objectively manifest to the hidden ground of those manifestations. What is at issue here is a version of what the tradition of Marx and Critical Theory has, via Lukacs’s ideas in History and Class Consciousness in particular, termed »reification«, an idea which gained its historical force from the spectacular failure of people to foresee the catastrophic technology-driven nature of the First World War and its long-term effects. »Labour«, which is constituted through »original/primitive accumulation« and takes on objective form in »inanimate objects« (HO 143) that become part of social exchange and the attendant power relations, is distinguished from labour power, which has the potential to change what has become objectified in the distorted forms of social organisation and distorted forms of subjectivity that result from labour. This contrast opens the space for ways of thinking about freedom, not as some essential »spontaneous« capacity of human beings in the manner of the tradition of Kant and some of German Idealism, but rather as what can emerge through realising how labour dominates the potential of labour power. In this the authors come close to Adorno’s reflections on freedom.4 Such views refuse to underestimate the extent to which we are subjected to both natural and historical forces that are inimical to self-determination, while at the same time creating the possibility of some degree of liberation from these forces by the very fact that their effects can be made apparent by critical reflection. Given that the aim of the book is expressly encompassed in Adorno’s new categorical imperative that »Auschwitz will not repeat itself« (HO 199), more is very evidently at stake than any single book can achieve. What the book does achieve, it seems to me, is the articulation of a mode of thinking which results precisely from its own key theoretical reflections, and which calls into question many approaches, both in philosophy and in other subjects. In one sense, many of the contentions of the book are themselves questionable: they lack full scholarly and empirical support, and can seem merely speculative, despite the wealth of research that has obviously gone into the book. To say in defense of History and Obstinacy that as a whole it remains valuable doesn’t really help, insofar as it isn’t a whole, and, since 1981, the book has appeared in more than one guise. In this respect it resembles a kind of massive Romantic fragment, which embodies the idea that any perspective on reality is achieved at the expense of the exclusion of other perspectives, so that the form of presentation should itself incorporate the sense of inadequacy inherent in striving for serious insight. At the same time, the diversity of perspectives that results from the book’s ignoring of disciplinary boundaries and its montage structure poses a 4 See also chapter five entitled »Freedom« in: Andrew Bowie, Adorno and the Ends of Philosophy, Cambridge 2013, pp. 96–134.
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challenge to disciplines like economics, whose failure to see the need for using resources from other disciplines has recently led to massive theoretical and practical failure. The early German Romantics were already very aware of the tension between the need for analytical focus on specifics in the manner of the natural sciences, and the need for synthetic approaches which take account of how the most important things require ever more contextualisation and linking to related issues. History and Obstinacy seeks to engage with that dialectic in an aesthetic manner, insofar as the form of presentation of theoretical issues is central to the content being presented. The temporality of an effective understanding of history, of a kind that can orient progressive politics, is, History and Obstinacy suggests, discontinuous. Elements of the notional past can dominate the present, and hopes for the future can change the understanding of the past, and so change the present. This view, which is a secular version of ideas present in a more theological form in the work of Walter Benjamin, poses a significant challenge to many existing forms of historical and philosophical investigation. History and Obstinacy enacts the attempt to find new forms of understanding by showing just how deeply rooted the factors that get in the way of progressive change can be. It seeks to make the reader aware of these factors via the organisation of its material in a non-linear form that makes possible the creation of unexpected connections between historical phenomena. This approach is best illustrated by the example of the air raid which Kluge often also uses in his films, and literary work. What is at issue is both a concrete engagement with the actual traumatic experience of people of his generation in the War, and a metaphorical evocation of the dominant aspects of modern history, which is occasioned by the relation of the air raid to the web of theoretical reflections in the book. The person cowering in the cellar in an air raid is confronted with accumulated dead labour, in the form of military technology, political failure, etc., that is massively disproportionate to their capacity to use their living labour to survive. How a history would look in which that accumulated dead labour did not function in this manner is the aim of progressive politics, and History and Obstinacy is valuable both for keeping such an aim in view, while reminding us just how great the obstacles are to achieving anything like it. Marx’s remark in the 18th Brumaire of Louis Bonaparte – »The tradition of the dead generations weighs like a nightmare on the minds of the living«5 – calls for a vision of history that awakens us from the nightmare, and Kluge and Negt offer some fragments of what might enable that awakening. The discussion here might appear wildly generalised, because it effectively 5 Karl Marx, The Eighteenth Brumaire of Louis Bonaparte, Ben Fowkes (trans.), in: id., Political Writings, Vol. 2: Surveys from Exile (London 1992), p. 146.
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tries to deal with the essence of contemporary world history, but this appearance is itself significant, if it is the case that a real qualitative historical change is occurring, in which certain key factors determining history become increasingly universal. This process, as History and Obstinacy suggests, already begins once capital accumulation begins, but the point is, as the remark by Mason cited earlier indicated, that we seem to be entering a new phase of such accumulation that is qualitatively different, because the growing weight of dead labour renders the structures which previously dominated more and more problematic. For all its faults, Heidegger’s view of technology as the »subjectification of being« that is the essence of the modern era, offers a related way of articulating the sense that we have entered a period where our ability to understand the significance of what is being produced by the control and exploitation of more and more of nature can actually be diminished by the effects of that control. Heidegger, though, almost wholly neglects the economic aspect of the historical shift he helps to reveal, which effectively removes responses to it from the realm of practical politics. In contrast, Kluge and Negt’s extension of questions of labour beyond the system of commodity exchange to realms such as the labour required in family and other relationships, and all the other kinds of unpaid labour without which no society can function, points to the need for a revolution in the forms in which social value is expressed and exchanged. At the same time, the financedriven world economic system increasingly devalues or undervalues precisely those things without which nothing can function humanely and life makes little sense. This ultimately unsustainable situation is addressed by the kind of bold, and intellectually risky enterprise that Kluge and Negt have undertaken, and one can only hope that what they have done gains the wider currency which it deserves.
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Eigensinn in Transit. Reexamining a Concept for the Twenty-First Century »Eigen-Sinn, eigener Sinn, Eigentum an den fünf Sinnen, dadurch auch Wahrnehmungsfähigkeit gegenüber allem, was in der Umwelt passiert – das ist es ja, was in der individualgeschichtlichen Entwicklung überhaupt erst aufgebaut werden muß, um die Menschen lebensfähig zu machen.«1 »We need a new encyclopedia, and it is essential that it be accessible to the public.«2
Messages Bottled Anew for Other Shores The English translation of Oskar Negt and Alexander Kluge’s Geschichte und Eigensinn presents an exciting opportunity for a broader dissemination of their central theoretical collaboration. Amidst the supposed disrepute into which systematic theorizing has fallen, the current pluralization, in transdisciplinary studies, of approaches to (post)human life, affect, society, and culture, and intensified discussions, in the twenty-first century, regarding the value and future of humanities-based inquiry, History and Obstinacy delivers sorely needed orientation for the critical work that can still be undertaken in academic contexts. While its nimble examination – as intricate as it is sweeping – of »the human ability to change matter purposefully« has much to contribute to each of the aforementioned contemporary challenges, History and Obstinacy’s reception may not prove easy (HO 73). Notoriously unwieldy, it has remained, despite Negt and Kluge’s renown in the German public sphere, something of an outlier in Germanophone Europe and has resisted integration into established academic disciplines. As a use-oriented handbook [Gebrauchsbuch], its appropriation into life-contexts askew of academia’s increasingly corporatized channels may prove more likely on the other side of the Atlantic as well.3 1 Oskar Negt and Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, in: id., Der unterschätzte Mensch. Gemeinsame Philosophie in zwei Bänden, vol. 2, Frankfurt a.M. 2001, p. 766, cited hereafter parenthetically as DuM II; Cf. Alexander Kluge and Oskar Negt, History and Obstinacy, Devin Fore (ed.), Richard Langston et al. (trans.), New York 2014, p. 292, cited hereafter parenthetically as HO. 2 HO 76. 3 »Wir legen ein Gebrauchsbuch vor«, Negt and Kluge announced in their forward to the first German edition (DuM II, 5); Cf. also Rudolf Burger’s claim that »akademisch ist es ohnehin
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Extensively revised for its transatlantic journey, History and Obstinacy renews Geschichte und Eigensinn’s survey of labor power in and for the twentyfirst century. The changes, including the authors’ re-description of their handbook as an encyclopedia, reflect the dynamic approach to human life that Negt and Kluge have embraced throughout their work. The source of the project’s renewals lies in the task the collaborators have set themselves: ascertaining the continually evolving »battle between OBSTINACY and HISTORY« (HO 76). As before, Negt and Kluge’s analyses of labor power, obstinacy, individual characteristics, and the constitution of individual labor capacities advance the study of human subjectivity precisely because they grasp the objective mutations thereof in historical processes. As these processes continue to occasion economic and social upheavals, history’s calamitous course provokes modifications of the theoretical project. The most palpable renewals in History and Obstinacy concern its reconsideration of the time and space of the book’s conception and reception, the balance it strikes between theorizing and storytelling, and Kluge and Negt’s future-oriented reinforcement of their project’s practical appeals. In critical lockstep with the »radically altered perspectives that already have emerged at the end of the first decade of the twenty-first century«, History and Obstinacy adheres to Marxism’s self-reflection on the historicity of its own categories, while reasserting the validity and continued relevance of Geschichte and Eigensinn’s sustained focus on labor, history, obstinacy, and relationality [Zusammenhang] for any critical theory (HO 76). What the changed historical moment entails decades after the book’s first publication in German in 1981 is a shift in focus. History and Obstinacy follows the increasingly expanded frames of reference through which Kluge has continued his excavation and reconfiguration of humanity’s emancipatory potentials across a range of print, audiovisual, and digital media. From at least 2000 onward, the network of this writer’s evolving narrative cartographies has unfolded creatively along coordinates of spatiotemporal compression and expansion to scrutinize the global present, its historical preconditions, and its practical permeabilities. Published in the blue planet’s dominant lingua franca, History and Obstinacy delivers a theoretical counterpart to such outreach. The shorter book, while unthinkable without its original, is in a sense broader : the opening of its newly designed fifth chapter, for example, lays the groundwork for the extension of Negt and Kluge’s theoretical project into contexts outside Germanophone Europe. Where the original work had traced processes of separation and expropriation in Central European relations relevant to the catastrophes of German history in the twentieth century, Kluge and Negt’s approach to the political economy of labor power in History nicht zu gebrauchen«, in his »Die Mikrophysik des Widerstands«, in: Ästhetik und Kommunikation 48 (1982), pp. 110–124, here p. 110.
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and Obstinacy conceptualize sets of questions about modernity’s distinct historical trajectories in global comparison. If national formations now appear as »historical vessels in which subjectivity evolves«, paying attention to specific processes of separation, divergent forms of primitive expropriation, and the speed at which such processes occur can help to explain »why deficits in civilization, let alone inhumanity, take place in some such vessels« (HO 220). In outlining how social fabrics and economic formations – from China to North America – can be addressed in their historical specificity, Kluge and Negt do not so much present findings as provide critical templates for further inquiry (cf. HO 215). Indeed, the absence, in some countries, of »necessary queries« into the relationship between individual labor capacities and economic formations is a gap that Kluge and Negt’s work seeks to help fill (HO 218). In particular, the publication of their counter-grain theoretical work in a land such as the United States, which »seemed to know nothing« of the primitive accumulation underlying its own rapid development, presents promising opportunities for the rejuvenation of lost critical energies – both in and outside academia (HO 88). With the translation of Kluge and Negt’s project to other shores, a novel phase of critical theory’s transit has begun. In addition to lucid new chapter introductions and topically relevant updates (such as added sections on war in the sixth chapter), the book’s novel arrangement, which includes a handy concepts-atlas, is significantly inflected by an extensive inclusion of Kluge’s stories, many of which are drawn from his most recently published large volume, Das fünfte Buch.4 Indeed, Kluge’s helmsmanship of the translation appears to have reinforced the aesthetic dimensions of Negt and Kluge’s cooperative labor (cf. Langston in HO 70). To be sure, Geschichte und Eigensinn’s presentation – from typographic variations through the use of sketches, photographs, and diagrams to its non-linear conceptual arrangement – was unusual from the beginning. Its mimetic-constructive pursuit of reality followed an aesthetic principle that mandated experiments in artifice and construction without which any representation of reality – theoretical or poetic – would fatefully miss its mark. Negt and Kluge not only cite Bertolt Brecht’s famous account of reality’s resistance to perception (DuM II, 511; HO 236). They also develop his function-oriented approach to reality along addi4 »Passagen aus der ideologischen Antike: Arbeit/Eigensinn« – the second chapter of Kluge’s Das fünfte Buch, Berlin 2012, cited hereafter parenthetically as DfB – contains a collection of commentaries on Negt and Kluge’s work that so approximates the theoretical genre that it has supplied source-texts for non-narrative (»discursive«) sections of History and Obstinacy, including »Verinnerlichung von Arbeitseigenschaften« and »Robo sabiens. Internet. Rückfall auf ›einfache Lebenszeit‹« (DfB 176–177, 178–179; HO 92–93, 95–96). The chapter title and its footnote inscribes Geschichte und Eigensinn itself into the »antiquity« that Kluge has continued to re-actualize in his narrative work (DfB 161).
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tional dimensions to ensure the effectiveness of their theory’s realistic claims. At the same time, such ambitions rest on no laurels: Kluge and Negt’s fragmentary, asymptotic cartography acknowledges theory’s corrigibility and incomprehensiveness as well as the imperfection of its discursive and aesthetic operations.5 While Geschichte und Eigensinn’s discursive experiments appropriated an aesthetic principle for the sake of theory-building, History and Obstinacy embraces an alternative admixture of theorizing and storytelling, differentiating between these modes. The juxtapositions of stories to concepts in the atlas and elsewhere are not simply illustrative. They also allow for Kluge’s characteristically playful submersion of theoretical concepts into narrative contexts in which their validity can be tested. In this, History and Obstinacy’s tendencies towards discursive theorization and poetic concretion do not so much add up to any whole as constitute the poles of thought’s own balance economy that the multimodal book’s pages assert (cf. HO 135–136, 194–197, 414; DuM II, 109–110). The prolonged balancing act interrelates concepts and intuitions to channel theory and poetry’s cooperation (cf. HO 198). Oscillating between theory and fantasy, generalization and specification, expansion and differentiation, anchorage and dispersals, and pasts and futures, History and Obstinacy’s hybrid procedures may consternate English-language readers. The German reception of Negt and Kluge’s work has already suggested some of the difficulties, even contradictions, between their aspiration to outline humanity’s transformative and emancipatory powers and the effective outreach of that very undertaking. The challenge boils down to a perceived antinomy in the tension between the culturally revolutionary and radically egalitarian aspects of the project’s larger design and the complex, esoteric, and intricate aspects of its content and presentation.6 In an article on Geschichte und Eigensinn’s relation to other theoretical projects, Winfried Menninghaus has captured the problem succinctly in reference to Kluge’s artistic production: »Kluges Ziel ist also kein geringeres, als die Funktion großer Kunst in anti-esoterischer Gestalt für die Durchschnittsbürger zu retten. ›Diese würden, wenn sie tagsüber arbeiten, vermutlich vorziehen, die Substanz von tausend Seiten [Ulysses] oder des 5 Cf. Winfried Menninghaus, »Geschichte und Eigensinn. Zu Hermeneutik-Kritik und Poetik Alexander Kluges«, in: Hartmut Eggert (ed.), Geschichte als Literatur. Formen und Grenzen der Repräsentation von Vergangenheit, Stuttgart 1990, pp. 258–272, especially p. 263 and pp. 267–268 and Harro Müller, »Die authentische Methode. Alexander Kluges antirealistisches Realismusprojekt«, in: id., Gegengifte. Essays zu Theorie und Literatur der Moderne, Bielefeld 2009, pp. 97–121, especially pp. 103–104. 6 The challenge has accompanied the reception of Kluge’s artistic productions as well. For example, Martin Bray’s critical review of Kluge’s films argues that Kluge’s concept of aesthetic openness risks inducing social hermeticism. See his »Openness as a Form of Closure: Public Sphere, Social Class, and Alexander Kluge’s Counterproducts«, in: Telos 159 (2012), pp. 144–171.
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hochorganisierten Erinnerungsvermögens des Proustschen Werkes als Kurzgeschichte von höchstens ein bis zwei DIN-A-4-Seiten zu lesen.‹ So richtig diese Bedürfnisdiagnose sein mag, so abenteuerlich ist doch der Anspruch mit dem Kluge dabei sein ›Werk‹ befrachtet.«7
In light of Geschichte und Eigensinn’s analogous ambition to further human social emancipation by delivering a materialistic mediation of highly organized critical theory, this work too may be susceptible to such criticism. There indeed appear to be gaps between the pointed crystallizations of its practical appeals – whether in the form of a Gebrauchsbuch, the urgency of emancipation, or the clarity of fault-lines between capital and »COUNTERCAPITAL« (cf. HO 73) – and its intricate, multilayered analyses of the historical constellations in which each of these might be rendered discernible. Navigating through such gaps is the work of the whole, the enormous task of which consists in disrupting and overturning perceptions confounded by quotidian life’s »necessary false consciousness« and the dominance of capital’s political economy (cf. HO 73, 250, 120; DuM II, 790, 139, 88). Both obscure labor’s powers from view. The difference between the political economy of labor power and that of capital is the hinge on which Geschichte und Eigensinn’s perspectival revolution turns. The challenge thus lies in the very content of Negt and Kluge’s work, which sets a high bar for emancipation, the perspective of which is not so easy to adopt. Secondly, with regard to the question of the work’s reception, it must be underscored that content and form converge here in the sense that Negt and Kluge have viewed their book as offering nothing more than a chance for the practice of independence (cf. DuM II, 5). The legacy of Kant’s conception of enlightened maturity lives on in such commitments: for Kluge and Negt to present anything other than their honest assessment of emancipation’s challenges would not only compromise the subject matter ; the form thereof would risk prohibiting readers’ own emancipatory practices. Lastly, the publication of History and Obstinacy as a substantively adapted translation reaffirms the book’s practical appeal for a wider readership – both in its spatial extension beyond Germanophone Europe and in its temporal extension into future posterity. The recourses to the long marches of »thousand-year rhythms of evolution and geology« amidst History and Obstinacy’s »slow, churning time«, as Devin Fore has written in his instructive introduction to Kluge and Negt’s »anthropology of capital«, do not so much signal retreat as return us to essentials (HO 16). Little indeed seems more important for critical theory today than ascertaining the archetypal forms of subjectivity appropriate to »capital’s new, postimperialist phase« (Fore in HO 21). 7 Menninghaus, »Geschichte und Eigensinn«, p. 263. While Menninghaus attends to the ambition’s complexities, his exposition of the techniques by which Kluge scales obstinacy in his artistic productions also explains how Kluge releases positive energies thereby.
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Crucial to Geschichte und Eigensinn contribution is the second of its co-titular terms, namely obstinacy : Eigensinn makes itself felt in all the pores of the theoretical economy that Negt and Kluge unfold. This article assesses obstinacy as an aspirational concept of resistance valid across different life-contexts, a critical-theoretical tool for the analysis of media and culture in the twenty-first century, and a source of the interdependence of theory and aesthetics in Kluge and Negt’s work and beyond. To develop the case for Eigensinn, I begin with an exposition of Negt and Kluge’s conceptualization of this complex term as it emerges out of Geschichte und Eigensinn’s treatment of processes of separation and expropriation. Clarifying Eigensinn’s conceptual and practical architecture in relation to the theoretical anchorage it provides amidst the repression and dispersal of humans’ labor capacities, the analysis reveals a suggestive dialectics of rootedness and migration that speaks to Eigensinn’s value as a transit-oriented concept. Reexamining Negt and Kluge’s work with the concept’s multivalence also highlights the term’s ability to address the intertwined physical, economic, aesthetic, and political dimensions of cultural phenomena. Thirdly, reckoning with the conceptual place of Eigensinn between non-identity and identity in Negt and Kluge’s book underscores the importance of their insistence on the determining power of relations: while Eigensinn spawns, fuels, and informs the authors’ critical interventions, they also demonstrate how much this »fundamental current […] cannot be conceptually isolated«, but rather stands in need of strategies of theoretical and poetic mediation (HO 390). The concluding section on counter-production thus addresses two trajectories of Eigensinn’s mediation that reinforce its protest energies: on the political economy of labor power theorized by Negt and Kluge rises the network of Kluge’s artistic production. I describe this network in terms of an aesthetic economy of Eigensinn, via which humanity’s emancipatory potentials can be rendered resonant, verified, and actualized.8
Reading Origins. Eigensinn between Anchorage and Deracination A seminal conceptual innovation in Negt and Kluge’s development of critical theory, Eigensinn denotes a claim to one’s own senses and sense alike, the possession and enjoyment of which is continuously expropriated over the course of economic history’s separation of producers from the means of production and 8 The following presentation builds on a paper submitted to the German Studies Association Conference seminar »Ästhetischer Eigensinn/Aesthetic Obstinacy«, in Kansas City, MO, 2014. Thanks go to the conveners, Claudia Benthien and Richard Langston, for organizing and leading such an engrossing seminar as well as to all of the participants, who made the collaboration so cordial and rewarding.
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of social history’s concomitant configuration of sense-experience as well as meaning. While its reference to the senses and sense-making qualify Eigensinn as an aesthetic concept, its possessive prefix points to its socio-theoretical dimensions. Eigensinn is thus closely related to the concept of property [Eigentum] in Negt and Kluge’s work. Scrutinizing passages relevant to the relationship between the two proves key to understanding Geschichte und Eigensinn’s diffuse deployment of the former term as well as its soundness as a concept in and for transit. The opening sections of Geschichte und Eigensinn delineate processes of separation and their repercussions. In the explanation of their approach to primitive accumulation as an ongoing procedure of expropriation, Negt and Kluge implicitly bundle Eigentum and Eigensinn together in a crucial theoretical point of departure. This is the »Vorstellung von etwas Eigenem (Identität, Subjektivität), von Sprache, Gemeinwesen (Assoziation), der Arbeits- und Lebensvermögen, zuletzt auch subjektive Vorbedingung für Trennung« (DuM II, 30; HO 86). To this characterization History and Obstinacy adds »autonomy« and underscores the image as »irrepressible«, over and beyond historical specifics (HO 82). It seems that Eigensinn would be part of this scenario. In addition to being associated with autonomy, its most literal meaning denotes a relation of production that Negt and Kluge subsume under Eigentum, which would thus appear to be the broader concept: »Die sinnlich faßlichste Form von ursprünglichem Eigentum ist die Übereinstimmung mit meinem Körper als meinem Eigentum«, including, of course, one’s senses (DuM II, 501; HO 235). While the relation to one’s own body arguably figures as property’s most intimate dimension, Negt and Kluge tend to focus on »ursprüngliches Eigentum« as the more fundamental and objective economic relation, whereas Eigensinn bespeaks a distinctly subjective characteristic.9 Yet this very separation is itself at issue: the broader and deeper economy that Negt and Kluge unfold encompasses both. In fact, the cleft in emphasis between Eigentum and Eigensinn devolves into the difference between the perspectives of Kapitallogik and the political economy of labor power : Eigensinn’s rejection by the »zu enge Korsett der Ökonomie« of capitalism and the study of such an economy’s logic marks the beginning of its recuperation by Negt and Kluge as a critical, aspirational, and emancipatory concept (DuM II, 404). The path towards apprehending Eigensinn’s critical capacities is not 9 This distinction may appear to codify a separation between economy and culture also, but Negt and Kluge retract it via its contextual historicization. As I explain below, the perspective of the political economy of labor power grasps Eigensinn’s appearance as the negative form of the autonomy at work in the tenable self-regulation of cells, individuals, and social collectives alike. By way of this mediation, Eigensinn ultimately proves broader and more fundamental than Eigentum.
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straightforward. Although Negt and Kluge allude to Eigensinn as a fundamental operative feature of self-regulation common to all of the other labor capacities, it is subjected to a similarly mutilating fate (cf. DuM II, 55). Whereas labor capacities can be rendered obsolete by economic »progress«, i. e. separated out by what capital demands at any specific historical moment, Eigensinn, as discussed in Negt and Kluge’s commentary on that shortest of fairytales »Das eigensinnige Kind«, manifests itself in stunted and individualistic forms (»in Gestalt des Privaten«) that undergird the term’s pejorative use in Hegel and conventional German alike, i. e. a lingering, twitching stubbornness that seems childlike, or even wholly irrational.10 »Eigensinn ist keine ›natürliche‹ Eigenschaft, sondern entsteht aus bitterer Not; er ist der auf einen Punkt zusammengezogene Protest gegen Enteignung, Resultat der Enteignung der eigenen Sinne, die zur Außenwelt führen« (DuM II, 766; HO 292). Derivative of the separation processes that recurring capitalist accumulation entails, the stunted manifestations of Eigensinn reveal what happened to that labor capacity that enabled me to use my senses to orient myself with regard to my surroundings, my fellows, our means of production, and the results thereof. That it lingers on at all – as in the fairytale’s image of the dead child’s hand reaching up defiantly from the grave – implies that such subjective resources (like those lodged in the working capacities) can never be entirely expropriated. Having thus contextualized its negative connotations, Negt and Kluge seek to render Eigensinn’s protests legible against the grain of their burial by dominant discourses and practices. In so doing, they are able to pinpoint fissures of the civilizing process under capital’s domination. The scene of its conceptual origin in Geschichte und Eigensinn adds suggestive texture to this peculiar social pathology of reason. Far from compromising its general validity, Negt and Kluge’s discussion of Eigensinn’s emergence lends the concept its critical contours. Deep in the territory of the »German Brooding Counterimages« – the fairytales that Negt and Kluge juxtapose to the ancient Greeks’ seafaring myths in their dissection of the »2000 years of work on a territory later called Germany« (HO 235; DuM II, 500) – Eigensinn assumes defensive stances characteristic of land-locked peasants desperate to protect the positions they have or, alternatively, to ascertain possibilities of exit (DuM II, 754–755; HO 281–282). Eigensinn’s defensiveness, its stiffneckedness [Halsstarrigkeit], its terra-centric tendency to dig its heals deep 10 DuM II, 765. For an overview of its pejorative connotations, see Giaco Schiesser’s short conceptual history of Eigensinn, »Working On and With Eigensinn. Media, Art, Education«, Institute for Distributed Creativity (October 2005), Online-Publication, www.distributed creativity.typepad.com/idc_texts/2005/10/ working_on_and_.html (Accessed 15. 06. 2014). With »zusammengezogen«, Negt and Kluge capture the contraversion of the senses into a kind of self-encapsulation, which hermetically seals Eigensinn off from the world one’s own senses were once processing.
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into peasant soil, may thereby exhibit a perceptibly national streak (»im deutschen Geschichtsverhältnis«) – and not only in opposition to ancient Greece (DuM II, 767 and 755). What we are witnessing here in its particular origins becomes a key pole of Geschichte und Eigensinn’s larger compass. Kluge and Negt grasp it as a productive element of orientational labor (cf. HO 395–396): »The capitalist process […] knows of no anchors or ways out that would allow for a historical production process about which humans could be at all certain. […] HUMANS MUST FIND ANCHORS WITHIN THEMSELVES« (HO 83, emphasis there). Halsstarrigkeit, productively sublimated by the discourse of labor intelligence [Intelligenzarbeit] into anchorage, translates into resoluteness on the level of critical theory. Through this recuperative mediation, Eigensinn’s conceptual story achieves larger significance vis--vis the disembedding and desubstantializing tendencies of modern and not only German history. Ongoing expropriation does not simply impoverish, it also sets human beings fundamentally off balance. From up out of the travails of Central European peasant history, Eigensinn’s pathology reveals itself to be trapped between (a need for) anchorage and (the experience of) deracination. Negt and Kluge distinguish between different possible relations of the two poles (mis)shaping this experience. The previous citation from the opening to the first chapter of History and Obstinacy interrelates »anchors« and »ways out« in such a way as to nearly equate the two. In fact, the mediation of the relation in question speaks to the suggestive oscillation between the split halves of Eigentum and Eigensinn’s erstwhile identity that Negt and Kluge have in mind even when focusing on the former : »Es gibt«, they write in the opening to Chapter 7, a section reproduced as a commentary in History and Obstinacy’s fifth chapter, »ein Bedürfnis nach ursprünglichem Eigentum« (DuM II, 501; HO 235). As with Eigensinn, this need is relational: »bereits eine Reaktion auf entfremdete Verhältnisse«, it makes itself felt after the loss has taken effect (DuM II, 502; HO 235). Negt and Kluge proceed to outline the positive relational balance: »Ich brauche z. B. einen Ort, auf dem ich stehen kann; etwas, wohin ich mich zurückziehen kann, wo ich Schutz suche, ein Haus oder eine Höhle; aber diese muss wiederum eine gewisse Weite haben und Ausgänge« – a harmonious relation of anchors and exits, as it were (DuM II, 501; HO 235). In the accompanying footnote on the concept of locus standi, Negt and Kluge stress the importance of »eine Fülle von Bewegungsmöglichkeiten« (ibid., italics in both editions). But such positive relations are not afforded in the tales. In its one-sided spatial fixations and defensive stances, Eigensinn is certainly still clinging there to largely agrarian Eigentum as its would-be terra firma. Indeed, peasant farming represents an absolutely formative phase of humanity’s development that is never to be forgotten (DuM II, 174; HO 385). At the same time, the features prominent in the fairytale context, as comprehensible as they are in themselves, indicate how little the capacity for differentiation was devel-
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oped there (DuM II, 761; HO 287). This work of distinction-making applies to the emergent separation of Eigentum and Eigensinn itself. If appeals to Eigentum suggest spatial fixation, defensiveness, even nostalgia, Eigensinn, materially as transportable as the body, is a physical faculty that will find itself on the move and thus be as egressive as it is defensive.11 In the wake of property’s forgone expropriation, emphases on breadth or expansiveness [Weite], egresses or ways out [Ausgänge], and possibilities for movement [Bewegungsmöglichkeiten] become more relevant – »Menschen haben zweierlei Eigentum«, Kluge writes elsewhere, capturing the obsolescence of (primitive, spatially fixed) Eigentum in this formulation, »ihre Lebenszeit und ihren Eigensinn«.12 A derivative of macropolitical processes of separation and deracination, Eigensinn is the micropolitical human filter of uprootedness and migration as constitutive conditions. As the terms emphasizing movement suggest, Eigensinn goes hand-inhand with the placelessness [Ortlosigkeit] emerging out of loss, but as Negt and Kluge expound the full consequences of primitive accumulation’s permanence through their assiduous materialist dissections of capitalist work and life, reality itself proves a casualty in a whole series of losses »more haunting than a prison« – the loss of history, the loss of meaning, the loss of navigation [Steuerungsverlust], etc. – so much so that the categories of space and time forfeit their self-evident stability (HO 246; cf. DuM II, 104, 110, 506, and 511–15). While labor power can hardly restore lost substance directly, adopting its perspective allows for the losses to be processed, their conditions to be deconstructed, and their inevitability to be challenged (cf. DuM II, 42–44). All of this reveals Eigensinn’s ecumenical applicability. As a response within humans to capitalism’s exertions, Eigensinn is faced with the task of responding to expropriative disruptions of human life in ways that would somehow render productive experiences of unsettlement and loss. As a subjective capacity for resistance with a powerfully expressive life, Eigensinn constitutes a force of production in own right, yet it emerges as a pathology of reason precisely because the would-be happy oscillation between anchorage and egress is deformed amidst the demolition of appropriate relations. Eigensinn, to be sure, does not and can not stand or work alone. Geschichte und Eigensinn’s first explicit mention of Eigensinn in the context of Selbstregulierung already presupposes a set of relations, the inherent order of which is both elastic and can be wellmaintained, yet »Selbstregulierung, sobald es um Geschichtsverhältnisse geht, [tritt] nirgends ohne Störung auf« (DuM II, 55–56). Due to history’s turbulences, 11 On techniques Kluge deploys to map exits, see Stefanie Harris, »Kluge’s Auswege«, in: The Germanic Review 85 (2010), pp. 294–317. 12 Kluge, Chronik der Gefühle, 2 Bde., Frankfurt a.M. 2000, here vol. 1, p. 11, cited hereafter parenthetically as CdG.
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we have precious little direct recourse to scenes of undisturbed self-regulatory and autonomous relations. As protest’s derivative vehicle, Eigensinn situates us on the plane upon which actually existing labor capacities find themselves in a way that self-regulation and autonomy, which carry no reactive connotations, do not. For the same reasons, Negt and Kluge do not allude to any »ursprünglichen Eigensinn« because the term, which bespeaks an originary relation, is not itself originary : it remains jagged and edgy, part of a whole from which it has been severed and for which it may long. In other words, whereas its obscure and hermetically sealed rationality is part of Negt and Kluge’s very argument, as the residue of a sensory medium that leads »zur Außenwelt«, Eigensinn is also oriented beyond itself. To intimate a fuller sense of its trajectory, Geschichte und Eigensinn frames Eigensinn’s protest energies as fraught within a blocked movement from non-identity to identity. With their unusual deployment of these terms, Negt and Kluge ingrain an arch into their book to emphasize the determining power of relations that will bear heavily on Eigensinn’s plight.
Eigensinn between Non-Identity and Identity Non-identity conveys the self-alienation arising from separation and constitutes Geschichte und Eigensinn’s empirical point of departure, the flipside of its conceptual embarkation from the notion [Vorstellung] of harmonious relations cited above. Geschichte und Eigensinn’s fifth chapter »Über Identität« opens with the elaboration of identity as a category of lack: »[Identität, die Kategorie des Mangels]«, such that whenever »wir von Identität sprechen, so geht es für deutsche Verhältnisse um das Bedürfnis, d. h. den Mangel an Identität«, a claim that is here differentiated clearly along class lines: »für die proletarische Klasse«, for example, »sprechen wir nirgends von solcher Identität« of the kind enjoyed, at least on the level of representation and at great costs, by the bourgeois class in the classical period (DuM II, 376, emphasis in original). An analogous contrast emerges in Negt and Kluge’s comparison of Eigensinn, as precipitated in the fairytales, with that of Antigone, which is »zu einer ausführlichen differenzierten Handlung ausgestaltet« (DuM II, 767; HO 293) and finds its culturally processed form in the Greek tragedy to which nothing in the German context corresponds: »Gibt es jedoch den spezifischen Eigensinn der Antigone und des eigensinnigen Kindes als Rohstoff und nicht als kulturelle Verarbeitung, also als Nichtidentität und keineswegs als Identisches, so wäre es plausibel, daß man […] die Frage des Aufbaus, der Wiederaneignung oder der Verarbeitung aus der Selbstregulation dieser gesellschaftlichen Natur des weiblichen Eigensinns prüft.« (DuM II, 769)13 13 On Antigone as an archetype of female Eigensinn and the implications thereof in Kluge’s
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The passage’s association of non-identity with raw material builds on the claims introduced at the beginning of Chapter 5 to reinforce the theoretically advanced narrative arch from non-identity as an empirical starting-point to identity as an at least heuristically adopted notional goal of non-alienated relations: identity designates no set of characteristics [Eigenschaften], but rather a »Zusammenpassen von Verhältnissen« (DuM II, 502; HO 236). Not only does their heuristic and relational use of these terms herald a productive move beyond connotations of identity still operative in North American cultural studies.14 It also helps us understand how Eigensinn, more predisposed to agential considerations (e. g. sentience, motivation, orientation, labor) than these competing terms, represents an advance over and against the philosophy of non-identity. For Theodor W. Adorno tended to treat non-identity as a touchstone of negative dialectics, including the ethically impacted ramifications thereof in relationships to inner and outer nature, whereas Eigensinn generally begins from and as non-identity, a condition that Negt and Kluge consider downright life-threatening as a permanent condition [Dauerzustand] (DuM II, 516).15Geschichte und Eigensinn’s explicit claims regarding negative dialectics’ limitations to immanent criticism (e. g. DuM II, 240) conform to Eigensinn’s proposed movement beyond the conceptual labor of negation (in Marx, as well as Adorno) on which Negt and Kluge rely. If non-identity is a preliminary result of what relations have wrought onto the senses and hence the starting point for Negt and Kluge’s prolonged intervention, and if Eigensinn first figures as a stunted or undeveloped force of production emerging from this very experience, then identity, at the other end of this arch, represents relations upon which the productivity of this force, and the strength and measure of its resistance, will depend. While Negt and Kluge cannot culminate this trajectory by feigning some set of harmonious relations, they do intimate social modes in which Eigensinn could flourish.16 Their discussion of a scenario of children’s self-regulated learning turns crucially on the modus of work, see e. g. Thomas Elsaesser, »The Stubborn Persistence of Alexander Kluge«, in: Tara Forrest (ed.), Alexander Kluge. Raw Materials for the Imagination, Amsterdam 2012, pp. 22–29, especially pp. 26–27. 14 Wielding identity as a relational concept and a concept of relations, Negt and Kluge consistently fuse socio-economic and cultural questions (including, at least implicitly, conceptions of ethnic and racialized difference). In conjunction with Eigensinn’s status as an ecumenical transit-concept, such an approach could be set into constructive dialogue with intersectional and transcultural studies. 15 For a fuller account of Negt and Kluge’s departure from Adorno, see Christopher Pavsek, »History and Obstinacy. Negt and Kluge’s Redemption of Labor«, in: New German Critique 68 (1996), pp. 137–163. 16 »Flourish« renders »im eigenen Sinne zugehen«, to paraphrase the German footnote at DuM II, 502, which speaks to a unity of intentions, actions, and results. On the recurring disunity thereof, see Fore’s introduction (HO 28–30).
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recognition [Anerkennung], which shows how inseparable Eigensinn (insular and individualistic only in its stunted and reactive forms) is from its socially communicative dimension (its medium) in expression (DuM II, 53–55). As troubled as its trajectory will remain, Eigensinn is on its way to becoming a communal sense [Gemeinsinn], of which it was once part and stands in need.17 The final connotation of Eigensinn relates to the socio-cultural dimensions of meaning. Negt and Kluge characteristically emphasize that the recognition of one’s own meaning in a socially validated and thereby objectified form can never be shorn of its material supports. Where »wechselseitige Anerkennung« goes hand-in-hand with the »Gegenständlichkeit« of humans and things, it is also like an »Umarmung, von der bloß gesungen wird, in der Not keine Sicherheit gibt« (DuM II, 502; HO 236). The unity of the cultural (by way of song) and the material (by way of concreteness and protection) captures the required fullness of subjective-objective relations. The interrelation of the cultural and material envisaged here is analogous to a resonance Eigensinn shares with the English word sense. Neither in German nor English can this word be fully parsed into the two dimensions of its meaning, as physical faculty and cultural semantics.18 The latter field constitutes a key site of the struggle for social meaning (superadded to the question of value) between labor power and capital’s respective political economies. Negt and Kluge convey the problem in the following way : »[Sinnentzug] Die Kategorie, daß etwas einen Sinn hat. Es muss Ausgang und Rückkehr vorgestellt sein, damit etwas einen Sinn hat. Es muss etwas an sich und zugleich für mich eine zusammenhängende Bewegung ergeben, damit ich sagen kann: Das hat einen Sinn. Dieses Für mich ist jedoch in die Konstruktion der gesellschaftlichen Maschine nicht eingefügt.« (DuM II, 376, emphasis in original)
This passage’s emphasis on departure and return as a cohesive movement [zusammenhängende Bewegung] frames meaning as a question of narrative structure, even if the arch of this structure, pace Hegel, whom Negt and Kluge’s prepositional phrases evoke, is denied. Such denial results in the need for counter-production from which Eigensinn’s protest energies stand to benefit (DuM II, 89; HO 121). Contesting the relations through which society produces and distributes meaning, this counter-production assumes forms of theoretical and poetic mediation in Negt and Kluge’s work. Whereas Negt and Kluge’s collaborations deliver mediations of labor power and Eigensinn via discursive 17 Due to Eigensinn’s protective self-regulatory energy, it resists subsumption into any form of Gemeinsinn that is not steered autochthonicly. This elevates the stakes of its mediation, insofar as the elusive recognition of Eigensinn must occur on its own terms, i. e. be autonomously developed and not imposed. 18 The reconciliation of the two still envisioned by the young György Lukcs, in his treatment of the novel on the eve of World War I, reads »vollendet in dem Sinn und vollendet für die Sinne.« See Lukcs, Die Theorie des Romans, Munich 1994, p. 21.
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reflection on their conditions, relations, and possibilities, Kluge addresses the poetic dimensions of the struggle in and across different media by supplying Eigensinn with its own aesthetic economy. The mimetic-constructive network he establishes mediates Eigensinn from below through fictional and artistic means to enhance its resonance and connectivity.
Counter-Producing Eigensinn’s Relations Amidst capitalism’s desubstantialization of reality and devaluation of labor power, Negt and Kluge’s collaborative work has repeatedly turned to metaquestions to address the defeats Eigensinn’s trajectories suffer in the contexts of catastrophic history. Their materialist orientation evinces a transcendental streak that expounds emancipation’s conditions of possibility and modalities. Geschichte und Eigensinn’s embrace of the subjective factor of human labor power grew out of reflection on what their 1972 book Öffentlichkeit und Erfahrung had accomplished in its analysis of a proletarian public sphere, namely a critical view of the bourgeois public sphere and its exclusionary mechanisms (DuM II, 88–89). In the wake of the Wende and Germany’s unification, Maßverhältnisse des Politischen: Vorschläge zum Unterscheidungsvermögen, first published in 1992, foregrounded conditions under which political life could productively take shape (DuM I, 721–722). This collaboration re-activated Geschichte und Eigensinn’s retrieval of Hegel’s work on the nodal lines in the measure of relations [Knotenlinien der Maßverhältnisse] via which phenomena could be grasped in their essential forms (DuM II, 85–86; DuM I, 696). Such references to Hegel speak to the probing level at which Negt and Kluge engage the problem of a lost reality’s reconstitution, namely as a question of comprehensive mediation. By vigilantly mediating reality’s reconstitution, Negt and Kluge’s theoretical efforts contribute to emancipatory productions of Eigensinn’s relations. Transformatively appropriating tools from the Hegelian-Marxist tradition, Negt and Kluge not only advance critical theory’s analysis of social totality. They also challenge the very character of its mediation. Against premature deferrals to the power of society’s totalizing mediation that can be found in Hegel, Marx, and Adorno, the tensions that Negt and Kluge uncover between the perspectives of labor power and capitalism draw attention to the fact that the mechanisms of society’s mediation have been usurped, but are not final. As society’s great mediator, capitalism offers few remedies for the problems its social machinery engenders. Negt and Kluge acknowledge the determining power of the social totality and contest its logic so that Eigensinn might prevail against it. Driving their sustained interventions into society’s mediation is the disclosure of the
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processual character and life of the labor capacities underlying capitalism. Only on the basis of the perspectival shift they undertake can labor power be fathomed and Eigensinn’s productive forces be unfurled. This explains Negt and Kluge’s compact claim that no »wesentlicher Zusammenhang existiert mehr unmittelbar, wenn es nicht gelingt, ihn zunächst zu produzieren«, which fuses emancipatory mediation with production (DuM II, 513; HO 239). Because society’s given mediation of raw materials still harbors catastrophic potential, because the actually existing relations of production disallow labor power from appearing on its own, thereby rendering it inessential, it remains paramount for labor power to generate and be able to enjoy its own relations. While Negt and Kluge cannot produce such relations literally – their perspectival intervention unfolds as transcendental criticism in the public sphere, rather than direct political or economic intervention – theoretical counter-production provides orientation vis--vis conditions, relations, and possibilities without which any single protest or emancipatory aspiration will remain subject to the prospects of renewed defeat. This is the rationale behind Kluge and Negt’s call for a new encyclopedia for a globalizing public sphere. Negt and Kluge’s reflection on the gaps of critical theory’s previous contributions, including their own, enabled Geschichte und Eigensinn to break new ground for ascertaining humanity’s emancipatory potentials. By affording a larger role to Kluge’s fictional tales that playfully entertain Eigensinn’s energies, History and Obstinacy opens the theoretical project to the myriad dimensions of mediation that take shape in Kluge’s network of artistic counter-production. As noted above, Negt and Kluge’s theorizing, deeply invested in the questions of form and content long featured in the German tradition of critical thought, already evinced an aesthetic turn. Their reckoning with Eigensinn specifically pivoted on a problem of aesthesis to which Kluge’s artistic production (poiesis) as a whole answers: if my senses have been taken from me, the reconstitution of their ability to grasp reality as the contestable, strife-ridden, misfortune-inducing phenomenon that it is must take place via the practices of a multimedial artistic production as exacting as it is oppositional.19 While Kluge’s mimeticconstructive network both examines and makes time and space for Eigensinn’s developments, it also remains constitutively, if productively, bound to compensating for strictures imposed by the relations of (cultural) production: 19 Kluge’s critical realism thus consists of two tendencies: »eine realistische Haltung« as the »Genauigkeit in der Wiedergabe realer Erfahrungen« and an »antirealistische Haltung […] gegen das, was an Unglück in den realen Verhältnissen ist«, as he explains in »Das Politische als Intensität alltäglicher Gefühle. Theodor Fontane«, in: Kluge, Fontane Kleist Deutschland Büchner. Zur Grammatik der Zeit, Berlin 2004, pp. 7–19, here p. 9. The cross-fertilization of these two tendencies in artistic production obviates the relevance of representation, which would apply only to realism’s first tendency.
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Kluge’s artful mediation of Eigensinn can only fictionally, if realistically intimate (i. e. counter-produce and stand in for) obstinacy’s otherwise denied relationality. Providing Eigensinn with its own aesthetic economy, Kluge adopts the perspective of labor power to rewrite and re-imagine human history from the perspective of emancipation. In conclusion, I follow History and Obstinacy’s lead to raise questions about Eigensinn’s aesthetic economy with a focus on the participation of Kluge’s literary production therein. The reformulation of Eigensinn as a specifically literary-aesthetic concept concerns its passage from a trope of social theory signifying the behavior of protesting characters (e. g. in the fairytales) to its status as a narrative form designating the ways texts behave [sich verhalten], the labor of mediation on poetic territory, and topical and stylistic emphases in Kluge’s narrative network related to strategies of remediation and counter-mediation. While these issues can hardly be addressed fully in this context, the following remarks outline bases for further inquiry into Kluge’s storytelling. The first claim is that Kluge’s prose works to retain and recuperate Eigensinn’s edginess and sting in the formally obstinate operations of his storytelling. If Kluge’s short prose narratives constitute modern fairytales of Eigensinn for the twenty-first century, they inherit and harness the power of the old obstinacy with enhanced capacities for differentiation. While these capacities are often embodied in the traits and feelings present in Kluge’s fiction, obstinacy’s formal dimensions can be observed in the disturbances and irritations of poetic language found in Kluge’s stories: their silences and gaps, strategies of defamiliarization, miscommunications in dialogue, uncertainties in perspective (including narrative perspective), and the cross-mapping of disparate discourses are all elements of an Eigensinn that has turned textual and is counter-producing via such textual work. The truncated narratives Kluge assembles both mimic the results of historical destruction (relationality itself being one of the victims) and heighten, in their self-referentiality, readers’ awareness of their constructed character. Drawing readers again and again back to the texts to double-check what they are reading, such irritations are seldom deployed for their own sake. Disrupting automated perceptions, obstinate forms both create space for texts’ to produce on their own terms and decelerate the process of reception to make time for recipients’ Eigensinn to unfold responsively. »Damit positiv emanzipatorische Selbstregulierung möglich wird, sind Eingriffe erforderlich«, Negt and Kluge claimed in order to justify theory’s interventions (DuM II, 81). And on a related paradoxical procedure of his art Kluge once noted: »I must, so to speak, establish a framework dictatorially, so that freedom can prevail within the framework, within the ›capillaries‹.«20 20 Kluge, in: Stuart Liebman, “On New German Cinema, Art, Enlightenment, and the Public
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Spanning the objective features of Kluge’s narratives and their effects, literary Eigensinn constitutes a space of freedom for texts and their readers to generate their own meanings and practices. The workings of textual Eigensinn warrant more scrutiny as integral techniques of Kluge’s narrative network. The question of Eigensinn’s literary forms is closely related to the labor of mediation that Kluge’s artistic productions undertake. To be sure, as non-discursive fictional works, Kluge’s stories do not mediate with theoretical stringency. Yet Kluge has himself employed the term in its classical socio-theoretical sense to describe how literature’s ability to mediate between »dem Unmittelbaren, Subjektiven und Einzelnen und dem Allgemeinen« can restore substance to the public sphere (DuM I, 955). And his prolific activity from Oberhausen onward has re-functionalized society’s media in order to intervene in the contestable ways these participate in reality’s mediation. The double resonance of mediation in English, which speaks to the conceptual labor of mediation and the work of media alike, is thus particularly germane to understanding Kluge, who has embraced an obstinate version of the concept of medium to insist on human beings as the fundamental reference points across his different labors. What we refer to as media are for Kluge mere forms – means to establish relations that would serve human interests.21 A still larger obstinacy that emerges when addressing Kluge’s artistic work through the lens of mediation can be gleaned from a poetologically relevant passage from Geschichte und Eigensinn in which Negt and Kluge explain the task of antagonistic realism: »Man kann sich das antagonistische Realismusproblem vorstellen als die Analyse eines Explosionsorts. Die Explosion hat Gegenstände in einem Umkreis verstreut. Die Gewalt der Explosion, also das, was bewegt hat, ist jetzt am Ort nicht mehr vorhanden; sie muß aus dem Resultat rekonstruiert werden.« (DuM II, 348)
The explosive force presents a problem both because it eludes any direct representation – which thus places considerable demands on its mediation – and because of the sheer destruction it has brought about – from which no reconstruction of the strewn objects [verstreuten Gegenständen] can readily ensue. Kluge’s stories operate on the terrain of this twofold challenge. Strewn about in their great plurality, Kluge’s narratives are akin to catastrophe’s mimetic splinters, mere sketches [Entwürfe] that cannot return to themselves, i. e. constitute any identity in the sense described above.22 While no integrated epic tale can be told of the destruction, Kluge’s differentiated assembly of artfully short-circuited narratives in the epic tomes of his far-reaching narrative netSphere. An Interview with Alexander Kluge”, in: October 46 (1988), pp. 23–59, here p. 34. 21 Cf. Kluge, Die Patriotin. Texte/Bilder 1–6, Frankfurt a.M. 1979, p. 294. 22 On Kluge’s narratively disturbed stories as »bloße Entwürfe«, see Menninghaus, »Geschichte und Eigensinn«, p. 268.
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work counter-produces the relations of Eigensinn’s aesthetic economy. With such counter-production, Kluge has both critically and realistically remediated history’s explosive forces to fathom the conditions of their possibility – most notably in Schlachtbeschreibung and the Neue Geschichten – and has worked, especially from the arrangements of Chronik der Gefühle onwards, towards the recuperative reconnection of elements torn asunder to deliver a counter-mediation of humanity’s emancipatory potentials. Affixing such prefixes to the labor of mediation on poetic territory can help clarify and distinguish Kluge’s strategies. It may also help us discern a certain shift from remediation to counter-mediation for which Chronik der Gefühle’s last chapter »Der lange Marsch des Urvertrauens« – and its last story »Heiner Müller und das Projekt Quellwasser. Das Poetische heißt sammeln« – may be regarded as paradigmatic (cf. CdG II, 1008–1010). Remediation describes the literary-aesthetic procedure whereby catastrophes such as the battle of Stalingrad or the bombing of Halberstadt (which can hardly be represented) are referred back to the conditions of their possibility in the process of history. This usage of remediation carries the term’s socio-theoretical weight insofar as Kluge’s prose mediates phenomena back to the whole negative totality from which they stem: such referrals, which reckon with the gravity and hubris of the view from above, uncover relational mechanisms in society that its dominant media tend to obscure in the representation of catastrophes as mysterious aberrations.23 Kluge also practices remediation in lighter ways more reminiscent of Bolter and Grusin’s use of the term to address remakes across different media.24 Kluge’s re-narrations of past literary works and films, for example, take place in this way. They approximate the practice of counter-mediation, which consists in the positive production of Eigensinn’s relations. This prefix retains the oppositional stance vis--vis society’s given scenarios of mediation, the negative force of which Kluge’s stories can by no means ignore; yet countermediating stories narrate from the perspective of labor power, i. e. on the terms of Eigensinn’s own aesthetic economy, in order for the splinters of humanity’s emancipatory potentials, its feelings, wishes, trust-relations, etc. to be amassed and reconnected in a mediation countering the one from above.25 In so doing, 23 For an account of Kluge’s ambitiously realistic work in this regard, see David Roberts, »Alexander Kluge und die deutsche Zeitgeschichte. Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. 4. 1945«, in: Thomas Böhm-Christl (ed.), Alexander Kluge, Frankfurt a.M. 1983, pp. 77–116. 24 Cf. Jay David Bolter and Richard Grusin, Remediation. Understanding New Media, Cambridge (MA) 1999. 25 Further evidence of such a shift from remediation to counter-mediation can be gleaned from the impression that Kluge’s narrations of the battle of Stalingrad and the bombing of Halberstadt, for example, appear more cohesive than many of his volume’s chapters, comparable in length, published from 2000 onward. Even where the latter publications are organized thematically, their pieces appear more radically pluralized: »Unter dem Ge-
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Kluge’s narrative counter-mediations of social reality also retain another connotation of mediation: the reconciliation of opposed parties and forces. They thus also contribute to the reconstruction and reconfiguration of a faintly existing Gemeinsinn that can be recuperated towards the end of reducing and defying catastrophe. Kluge’s artistic counter-production will always entail mediation in this sense also. The two strategies in question also relate to topical and stylistic shifts of emphases in the unfolding of Kluge’s narrative cartographies from 2000 onward. These shifts do not entail strong discontinuities in Kluge’s work so much as different points of focus in Eigensinn’s aesthetic economy. One can note not only thematic changes in orientation from German to transnational contexts and from pasts to futures, but also emerging shifts in style and tone from coldness to warmth and from antagonisms to reciprocity, which do not entail any forfeiture of dialectical method on Kluge’s part. Kluge’s positivity (in counter-mediation) – the flipside of the alleged negativity (in remediation) of his earlier writings – can be associated with a whole series of concepts, such as feeling, trust, hope, indomitability [Unbezwinglichkeit], etc. to which Kluge has been lending support via a well-honed method.26 What is particularly interesting in light of the foregoing analysis of Eigensinn as a transit-oriented concept is the question of the global resonance of Kluge’s aesthetic economy and its expanded focus. Once steeped in the meticulous and suggestive, if nationally oriented process of coming to terms with German history, Kluge’s obstinate narrative network gains new traction in its mediation of globalization’s calamitous conflicts. Touchstones for inquiry into Kluge’s cartographic project’s narrative successes along these lines might be found in Chapter 9/6 of Die Lücke, die der Teufel läßt, where »Land der Verheißung/Festung Europa« deals with (im)migration, Tür an Tür mit einem anderen Leben’s approach to globalization, or in any of Kluge’s stories sichtspunkt der Emanzipation« – which Kluge’s forewords adopt – »sind die vereinzelten, getrennten proletarischen Eigenschaften, als nicht zusammenhängend, etwas Reales; unter dem Gesichtspunkt der Nicht-Emanzipation, sind sie in empirischer Realität deutlich zu fassen, für sich selbst werden sie aber imaginär ; sie sind also auch hier ›für sich‹ getrennte einzelne Eigenschaften«, which again places emphasis on the importance of Kluge’s mediated assembly thereof, however much that retains the appearance of fragmentation (DuM II, 32–33, bold-face omitted; cf. HO 220). 26 The shift I have in mind also entails a different and less antagonistic relationship between Kluge’s programmatic statements and narrative practices that may be canvassed here roughly by allusion to the distance between Stefanie Carp’s (then entirely plausible) claim that »Wo Kluges Texte sich projektierend äußern, weisen sie eine romantische Perspektive, die von der ästhetischen Struktur seiner Texte radikal verweigert wird« and Leslie Adelson’s recent work on hope and futurity in Kluge’s writings from the new century. See Stefanie Carp, Kriegsgeschichten. Zum Werk Alexander Kluges, München 1987, p. 11; Leslie A. Adelson, »Horizons of Hope: Alexander Kluge’s Cosmic Miniatures and Walter Benjamin«, in: Gegenwartsliteratur 13/1 (2014), pp. 203–225.
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of migrants and their offbeat traverses of time and space.27 Against the nonhuman realities that Tür an Tür mit einem anderen Leben repudiates, there are many ways of construing this other life, so long as an emancipatory relational dialectics of anchors and exits – which radiates for humanity as a pressing need – can be ascertained and actualized in our movements and encounters.
27 Alexander Kluge, Die Lücke, die der Teufel läßt, Frankfurt a.M. 2003, pp. 837–857; id., Tür an Tür mit einem anderen Leben, Frankfurt a.M. 2006, p. 7.
Christopher Pavsek
The Utopia of Reading
This essay was prompted by a simple question, asked to me at a local screening of Alexander Kluge’s Nachrichten aus der ideologischen Antike (2008). The question came in response to the scene in Nachrichten where two young East German officers-in-training read aloud a text from Marx’s early writings in preparation for their upcoming exams: is there something that pertains to the realm of his written work, be it his literary works or his theoretical production, that is analogous to what he calls the »utopia of film«? Does the act of reading, however we wish to conceive of it and in whatever form it might take, »move us inwardly«1 as Kluge believes film does? Is there something like a »book« or »story« in the reader’s mind, to which writing and writing alone seems to speak and with which writing seems to resonate with uncanny ability, like the cinema seems able to do with the »film in the mind of the spectator«? Is there something in reading that gives us that presentiment that things had once been different (and that they may be so again)? In short, the questioner asked, does there exist a »utopia of reading«? At first glance the answer is patently obvious: of course there is something like the utopia of reading in Kluge’s work, including those works he published together with Oskar Negt, even if as a concept it is never as fully elaborated as the concept of the utopia of film.2 The sheer mass of Kluge’s literary and theoretical production would suggest as much, and the frequency with which people appear in his films and television shown in the act of reading or being read to also underlines the deep affinities that exist between the utopia of film and a utopia of reading: if the utopia of film resides in those two great non-places in Kluge’s cinema – the empty spaces between images on screen and the mysterious theater of the spectator’s mind – so too does the utopia of reading emerge from a series 1 Alexander Kluge, Cinema Stories, Martin Brady/Helen Hughes (trans.), New York 2007, n.p.; Alexander Kluge, Geschichte vom Kino, Frankfurt a.M. 2007, p. 7. 2 For a full discussion of the concept of the utopia of film in Kluge, see my The Utopia of Film. Cinema and Its Futures in Godard, Kluge, and Tahimik, New York 2013.
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of non-places, non-places about which it may not be quite right to say that they reside »in« the text, as we shall see. Negt and Kluge make this clear in the »Preface« and »Afterword« to Geschichte und Eigensinn, where they provide some basic guidance to their readers about how to come to terms with the mass of text they have before them. The authors declare that Geschichte und Eigensinn is a »Gebrauchsbuch« – a book that is to be used – but one which is a »fragment« whose »holes«, gaps and voids must be read as much as the words and images that fill its 1000-plus pages: »man muss die Lücken mitlesen«, as they put it.3 They simultaneously confront their readers – politely, and gently, I should add – with a demand or expectation that they bring their »own interest« [Eigeninteresse] to the book; that she behave »independently« [selbstständig], acting of her own accord in the best Kantian tradition of Enlightenment (GE 5). Indeed, the authors say, in a phrase they could have borrowed from the early Marx (to whom I will return in a moment), they are counting on the independent/self-governed and »own activity of the reader« [die Eigentätigkeit des Lesers] (GE 1283). A book, after all, much like a film, offers nothing more than the chance to behave independently, and as such the encounter with Geschichte und Eigensinn (and perhaps with any book) offers an object lesson in utopian behavior, a chance to encounter and engage the dead labor congealed on its pages in the form of words, with the creativity and vibrancy of the living labor that animates the reader’s mind and body, the chance to master a tradition – a tradition, which for Kluge is congealed perhaps above all in books – which too often, to paraphrase Marx, weighs upon the mind like a nightmare. »The chance to behave independently«: this phrase concisely captures the Enlightenment ideal that permeates and inspires Kluge and Negt’s work from its beginnings. This ideal also animates the human being as a sort of bodily or affective impulse, it would seem, and paradoxically so, since this impulse is implanted within the human being and as such is inescapable. It constitutes a moment in Kluge’s thought that might well be a transcendental. As Kluge recently put it: »Ich glaube, dass Menschen in ihrem Kern immer wieder dasselbe Interesse entwickeln. Man darf sich weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht dumm machen lassen. Das ist ein Satz von Adorno, der ist sehr alt.«4 Thus this Eigeninteresse is one that belongs to us all and without our choice, an idea not too distant from Sartre’s notion that we are condemned to be
3 Alexander Kluge/Oskar Negt, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt a.M. 1981, p. 1283. Henceforth cited parenthetically as GE. Unless otherwise noted, English translations from the German are mine. 4 Alexander Kluge, »Nur das unsichtbare Bild zählt«, interview with Alexander Kluge by Peter Laudenbach, in: Der Tagesspiegel, 11. 09. 2003, www.tagesspiegel.de/kultur/nur-das-unsicht bare-bild-zaehlt/447010.html (Accessed: 28. 05. 2015).
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free.5 I will return to this proposition of Adorno’s in a moment, but for now let me simply register that this imperative, to »offer« a »chance to behave independently« represents one of the basic irresolvable contradictions that lies at the heart of any philosophy of writing or reading. This problem is not dissimilar to the problem posed by filmmaking, and it is no accident that Kluge resorts at times to literary metaphors to explain his method of film montage: »If I were to structure my montage in an associative fashion, then I would neglect the proportions and that would be a very arbitrary act. This is basically no different from the situation where poets write poems and schoolchildren are forced to memorize them–why on earth should people with a phantasy of their own be forced to learn something by heart which was conceived in an associative fashion by somebody else?«6
Memorization is the antithesis of a utopian form of reading, at odds with the independent and free imaginative activity of a reader. It would constitute, I am tempted to say, an unacceptable form of intellectual violence. Instead, the ideal relationship between writer and reader, or text and reader, can be found in the example of the relationship between a midwife and a child in a mother’s womb. Recall that in Geschichte und Eigensinn, in language that echoes that of the book’s afterword, Negt and Kluge admire »the midwife’s art«, precisely for the manner in which it »provokes the child’s own movement« [Eigenbewegung]: »Sometimes a fetus lies twisted in the so-called breech presentation in the mother’s womb. If the midwife does not turn it in time, the child will be strangled at birth. She does this »by applying violence [Gewalt]«. Using a power grip is not an option she would ever consider. Instead, she uses a precision grip in the middle of the procedure, one that corresponds to the delicate limbs and agility of »the object«. It is entirely impossible for the midwife to use her hands in a violent fashion and move its arms such that they lay crossed atop its chest. In order to allow it to pass through the birth canal, her grip must provoke the child’s own movement. Such violence as applied by the midwife is distinct from the violence of hammers, sickles, hoes, or saws.«7 5 If the comparison to Sartre seems to bold, consider Fredric Jameson’s assertion of an affinity, albeit a qualified one, between Negt and Kluge’s notion of »dead labor« and Sartre’s notion of the »practico-inert«. (Cf. Fredric Jameson, »On Negt and Kluge«, October 46 (Autumn 1988), pp. 151–77, here p. 161). But just as Jameson would register certain differences between these two concepts, so should one note the difference between Sartre’s notion of freedom, grounded in a philosophy of praxis, and Kluge’s emphasis, following Adorno, on intelligence or knowledge. The inherently ambiguous, and indeed almost paradoxical relationship in Kluge (and Negt) between such intelligence and practice is a theme worthy of far greater exploration than I will conduct below in my readings of Nachrichten aus der ideologischen Antike and Abschied von gestern. 6 Alexander Kluge, »On Film and the Public Sphere«, New German Critique 24–25 (1981–82), p. 220. 7 Alexander Kluge/Oskar Negt, History and Obstinacy, Devin Fore (ed.), Richard Langston et al (trans.), New York 2014, p. 96; henceforth cited parenthetically as HO; cf. GE 26.
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In the German edition of Geschichte und Eigensinn this passage is immediately followed by an image (see figure 1), filling more than half the page, of an older man and a young child who appears to be listening to him intently. The caption reads: »Erzählen.« (GE 26).
Figure 1. »Erzählen.« Geschichte und Eigensinn, p. 26.
Narrative story-telling, then, appears as if it were an instance of the midwife’s art. In the recently published English edition of History and Obstinacy, the association between the midwife’s art narrative, but also reading, in particular, is once again reinforced as the image has been replaced by another (see figure 2), which portrays a woman seated at a table, reading a book.8 This time the caption reads: »Reading. Storytelling [Erzählen].« (HO 97). 8 The image is a reproduction of George Romney’s Serena Reading (1780–85), which served as the frontispiece to an edition of William Hayley’s poem »The Triumphs of Temper« (1781). The poem’s portrayal of proper upper-class female behavior is at odds, one might suggest,
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Figure 2. »Reading. Storytelling [Erzählen].« History and Obstinacy, p. 97.
As isolated as the figure of a child in her mother’s womb might be, or as solitary as the figure in the second image might be, one should not confuse the
with Negt and Kluge’s ideal of the provocation of the »reader’s own activity«. The image, I would wager, makes no real reference to the content of this poem, but instead should be understood as a rather generic illustration of someone engaged in the act of reading.
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»independent« and »autonomous« activity of a reader with solitary activity. For Kluge and Negt, enlightenment is not – indeed cannot be – a merely individual endeavor ;9 it is collective through-and-through, a point implicitly underscored in the staging of the scene from Nachrichten aus der ideologischen Antike with which I began this essay and to which I would now like to return. The scene10 is introduced with a title card typical of Kluge’s DVD films and television shows: in bold, multi-colored letters the viewer is informed that Sven Müller and Renate Pflüger (the latter played by Kluge’s daughter) are preparing for their non-commissioned officer’s examination. Their task (or Aufgabe, in the idiom of schoolroom pedantry), is simply »Marx, Frühschriften, S. 273«, as if the edition were obvious, as it well would have been in the old GDR, homeland of these young aspirants. As the title card fades away, the two cadets appear, reading aloud, simultaneously, from two large books, presumably volumes from Marx and Engels’ works. The passage they read is a famous one, an excerpt of Marx’s Critique of the Hegelian Dialectic and Philosophy as a Whole from the Economic and Philosophical Manuscripts.11 But the title card could just as easily have read: »Aufgabe: Marx, Frühschriften, zitiert in Kluge und Negt, Geschichte und Eigensinn, S. 78«, because Müller and Pflüger are not reading the old MEWedition of Marx’s early manuscripts, but instead are reading the passage as cited in Geschichte und Eigensinn – and in two different editions of Negt and Kluge’s text at that. Sven Müller reads from the original Zweitausendeins edition from 1981, recognizable by its beautiful salmon-colored pages and its familiar dark blue cover designed to imitate an old Marx-Engels edition, and Renate Pflüger reads from the later edition of Geschichte und Eigensinn, published in 2001 as the second volume of Der unterschätzte Mensch. Gemeinsame Philosophie in zwei Bänden, sadly published in a sterile gray binding with glaring white pages. It is a small detail, perhaps, but it is one whose self-referentiality condenses a set of 9 I elaborate on the collective nature of enlightenment and reason in: Pavsek, The Utopia of Film, pp. 150–236. 10 The scene comprises »Chapter 14: Marx-Latein« on the DVD version of Nachrichten. 11 The passage is worth citing in its entirety : »Whenever real, corporeal man, man with his feet firmly on the solid ground, man exhaling and inhaling all the forces of nature, posits his real, objective essential powers as alien objects by his externalization, it is not the act of positing which is the subject in this process: it is the subjectivity of objective essential powers, whose action, therefore, must also be something objective. An objective being acts objectively, and he would not act objectively if the objective did not reside in the very nature of his being. He only creates or posits objects, because he is posited by objects – because at bottom he is nature. In the act of positing, therefore, this objective being does not fall from his state of ›pure activity‹ into a creating of the object; on the contrary, his objective product only confirms his objective activity, his activity as the activity of an objective, natural being. Here we see how consistent naturalism or humanism is distinct from both idealism and materialism, and constitutes at the same time the unifying truth of both. We see also how only naturalism is capable of comprehending the action of world history.« (GE 78; HO 478n4).
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further self-references – and perhaps warnings – that a viewer might take as a subtle set of instructions [Gebrauchsanweisungen] for this massive Gebrauchsfilm, conceived in a similar spirit and on a similar scale to Geschichte und Eigensinn.12 Most prominent amongst these is the bizarre anachronism staged here: this young officer-in-training in the German Democratic Republic, in 1988, reads a book printed some thirteen years later in the now-unified Federal Republic, long after the fall of the wall, long after the »death of socialism«, and long after such Aufgaben as learning one’s Marx by heart have ceased to be assigned in the schools and barracks. The possibilities for reading this anachronism are multiple and contradictory, by which I mean no criticism whatsoever. It is tempting to read the scene as an self-deprecating jab at Kluge and Negt’s own work, Geschichte und Eigensinn presented here as a dead letter returned from the stale ideological antiquity of the GDR, as out of fashion as the mock East German uniforms that Müller and Pflüger wear. But Kluge and Negt always maintained that the past is never past, the dead never dead, and that seemingly useless, outdated things find their use precisely in their outdatedness. Geschichte und Eigensinn appears here then not as an embarrassing relic, but instead as a kind of message in a bottle or Flaschenpost, a preferred metaphor of Kluge’s that he has borrowed from Adorno.13 But as a message it comes simultaneously from the past and the future – appearing as it does in these two editions that lie on either side of the scene’s diegetic present – and thus becomes a perfect metaphor for the temporality inherent in the utopia of reading: every text comes from the past, is read and reread in a multiple number of presents, but calls to the reader also from the future. There is thus something hopeful in this scene as well, in the fact that Kluge shows both the first edition and a reprint of his work: what greater optimism is there than simply to keep trying, to keep throwing the spaghetti at the wall until it sticks, to keep reissuing the work until it makes its mark in the world?14 If the scene is indeed an allegory of utopian reading, then: one must read an old text as if it were published in the future, at a time when its aspirations become legible. This optimistic and utopian moment, though, is accompanied by a negative lesson as well, a warning about how not to read both Marx and Geschichte und 12 On the relationship between Nachrichten aus der ideologischen Antike and Geschichte und Eigensinn, see: Richard Langston, »Screening Disaster. Theory Cinema & Disorientation«, in: Dark Matter, or, In Defiance of Catastrophic Modernity, unpublished manuscript. 13 See the interview with Negt and Kluge in this volume, however, for a qualification of the usefulness of the Flaschenpost as a metaphor for mode of address of critical theory, pp. 49–50. 14 Jean-Luc Godard once said that he has on occasion thought that he should stop making films and simply release the same film over and over, not because people have never understood his films but because they can always understand them differently.
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Eigensinn. The two cadets try out a number of strategies in reading the Marx passage, with varying degrees of success. They read out loud together, much as Kluge and others in Nachrichten aus der ideologischen Antike read aloud from various Marxist texts, a strategy, as we shall see in a moment, which is paradoxically one of the most effective methods of reading, despite the fact that such recitations betray little trace of any obvious attempt at interpretation. But Müller and Pflüger also make an attempt at an almost excessive form of interpretation, performing an exegesis of the text term-by-term and clause-by-clause, often to comic effect in so far as it leads to an apparently complete misunderstanding of the text. Consider, for example, this passage: Müller : Was verstehst du unter »Naturalismus« in dem Zusammenhang? Pflüger : Dass es natürlich ist. Also, dass die Leute das eigentlich von ganz alleine verstehen sollten.
Or this bit of back and forth: Müller : Aber was heisst das, natürlich sein? Pflüger : Na. Nicht nachdenken. Müller : Nö. Das glaube ich nicht.
At first glance, these two snippets of dialogue seem to reveal the stupidity of the two cadets: surely, Marx, the great Hegelian who advocated the »ruthless criticism of everything existing«,15 would never advise us »not to think« and to simply understand world history »von ganz alleine«. And indeed, cadet Müller is suspicious of this interpretation of the text, as the above excerpt makes clear : »Das glaube ich nicht«. But has Pflüger really misunderstood the text?16 Despite their interpretive incompetence – and indeed some of their attempts at understanding Marx’s vocabulary are truly inept – the cadets really only make two mistakes. They make their first mistake when they give up and decide to memorize the text – and even write a cheat sheet for the exam – a method that, as we already know, Kluge rejects outright. Such a strategy – I’m tempted to call it »actually existing socialist reading«, the memorization and ingestion in toto and unmodified the thoughts of someone else – does not constitute reading in any 15 Karl Marx, »Letter to Arnold Ruge«, in: Early Writings, London 1975, p. 209. 16 One should recall that the judge in Abschied von gestern, who oversees Anita’s trial for theft at the beginning of the film, dismisses Anita’s claims that she fled East Germany because »she was afraid« because of experiences earlier in her life with the same words, »das glaube ich nicht«. Perhaps the connection is thin, but it is tempting to see Müller’s dismissal of Pflüger in the same critical light in which Abschied presents the judge and the authority he represents. For an thorough reading of this scene, and of Abschied more generally, see Miriam Hansen, »Space of History, Language of Time: Kluge’s Yesterday Girl (1966)«, in: German Film and Literature: Adaptations Transformations, Eric Rentschler (ed.), New York 1985, pp. 193–216.
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meaningful sense. The other, perhaps worse mistake is that they simply do not continue to read the text they have before them. Lost in their assigned Aufgabe, to read that particular passage of the early Marx on p. 273 of the Frühschriften, they do not seem to realize that they are reading Geschichte und Eigensinn, and if they would only just continue past the end of the Marx passage they would find a rather compelling interpretation of the passage in question, an interpretation that would help overcome to a great extent the impasses to which their own methods will inevitably lead. It is an interpretation that might well prompt some further independent activity on their part. Indeed, Negt and Kluge explain the central term and interpretive bugbear of the passage, namely the concept of »consistent naturalism« (der durchgeführte Naturalismus) that is exclusively capable of »grasping the act of world history«. In their reading, Negt and Kluge build on Marx’s and their own understanding of nature as historical and humanized – i. e. as both the product of a long history of human intervention as well as an object of human cognition that can never escape some form of human determination. Thus, it would seem that any conventional interpretation of the term »nature« as that which is free from human influence or shaping (as Renate Pflüger puts it in tautological terms, nature is that which is »natural«) would have to be false. From a Marxian perspective the two cadets would appear to be nave, not only because they seem to have an ahistorical idea of what nature is (nature is nature, always was and always will be) but also because they have a too historical concept of nature: the very idea, in other words, that nature is merely »natural« is itself an historical idea whose historicity has been forgotten and which they cannot perceive. Thus, these two innocent trainees cannot help but grasp the concept of nature from an emphatically contemporary perspective – or actually, one should say, they cannot help but grasp it from a quite literally »post-contemporary« perspective, for theirs is a decidedly post-GDR perspective. This is made quite apparent by their rather typical late-20th or early 21st-century environmentalist attitude: Sven Müller says, for example, that it just does not work for these committed socialists »bearing the God-given truth« to »manipulate nature«.17 But one should not rush too quickly to judgment here. For Kluge and Negt point out that the sort of »nave« understanding that Pflüger and Müller display is actually precisely what Marx is referring to when he talks about the »consistent naturalism of man«. In their exegesis of the Marx passage, Negt and Kluge argue that the meaning of »the expression ›naturalism‹…follows from the formula ›the consistent naturalism of man and the consistent humanism of nature‹«. For 17 It goes without saying, though, that despite this ignorance, they are of course absolutely correct that the Socialist domination of nature was a disaster (as has been the capitalist domination of nature, of course).
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»naturalism« to be able to »grasp the act of world history«, so they argue, requires that »one must play dumb vis--vis the historical inheritance of thinking« (GE 80; emphasis added). I think we can understand this idea – to »play dumb« – in any number of ways familiar from the lexicon of contemporary theory : it can be the mistaken encounter of second nature as if it were first (Hegel, Lukcs, Adorno, etc.); the blindness necessary for insight (de Man); the hard kernel of the Real that both resists and provokes symbolization (Zˇizˇek/ Lacan); the internal block to subjectivity that spawns subjectivity itself (Adorno, Negt and Kluge); the ignorance necessary to become a schoolmaster (RanciÀre); and so on. Whatever the case, this idea that one must »play dumb« designates two seemingly incompatible ideas. On the one hand, it points toward the historical impediments to comprehension of the Marx text that plague Renate Pflüger and Sven Müller, as well as the impediments any reader faces before a historical text (and, more generally, the impediments we face in comprehending the natural-historical, »anthropogenic« landscape we have before us): that is, we are too inescapably immersed in a set of contemporary ideological coordinates to ever really grasp the historical nature of our present (and hence the need to read a book from the future). On the other hand, it is precisely this immersion within the present that makes it possible – if not unavoidable – to »grasp the act of world history«: naturalism is a »naive impulse« (Ansatz) that »through ›thoughtless imitation‹ investigates those relationships (Beziehungen) that have to have the character of given reality (Wirklichkeitscharakter)« (GE 80). In other words, Negt and Kluge do not subscribe to a conventional version of ideology critique the function of which is merely to dispel illusion: a certain navet¦, an acceptance of illusion, is utterly necessary to sustain this mimetic relationship to »reality«, which for Kluge is always itself »natural« in so far as reality designates a fully congealed »second nature«. In other words, one must interact with historically shaped reality as if it were nature; if one were to somehow achieve the necessary critical distance on that nature to grasp it conceptually and abstractly, the object would retreat before one’s eyes and recede from grasp.18 And in their own nave way, Renate Pflüger and Sven Müller have understood this fact by the end. They seem fully aware of their own navet¦, and as if emboldened by it, Renate Pflüger exclaims at the end of this scene in Nachrichten aus der ideologischen Antike, after reading the final sentence of the Marx passage for the umpteenth time (»only naturalism is capable of grasping the act of world history«): »It must be possible then that we can grasp (Begreifen) this!« 18 And excellent explanatory comparison for this idea in Negt and Kluge would be Slavoj Zˇizˇek’s understanding of how fantasy works: for Zˇizˇek, fantasy is what gives coherence or consistency to reality, rendering the »presymbolic real« tolerable and comprehensible. If fantasy dissolves or is undone, reality too disappears. For a canonical account, see Zˇizˇek, »The Undergrowth of Enjoyment«, New Formations 9 (Winter 1989), p. 11–13.
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So in the end, ironically, the two cadets become convinced of their ability to understand the Marx text by the text itself: the text, just like Geschichte und Eigensinn, thus contains some basic instructions for its own understanding, but not in the form of an obvious interpretive key (like a »key« to a roman clef) or a direct appeal to the reader to be active (as in a Brecht play or in the preface and afterword to Geschichte und Eigensinn), but instead in the form of a provocation to »independent activity« on the part of the reader that emerges from the text’s very impenetrability. Two further lessons about reading emerge from this scene. On the one hand, it enacts and celebrates what I would like to call a kind of »surface reading«,19 in so far as it portrays two characters who fail to grasp the hidden meaning of the text at hand because there is no meaning hidden within the text. But it is a surface reading which also fails and must fail, because the truth-content of the text lies elsewhere, somewhere outside the text, and indeed within and between the two readers: it is only in the traversal of the text that outside of itself its truth emerges – the truth of the necessary, constitutive navet¦ of the reader who must »play dumb« vis--vis the text. But this reading reaches a final dialectical twist at the end, as it must, if it is to be a successful reading at all: for without that final recognition – »Then it must be possible for us to grasp this!« – no reading would have occurred beyond the most mechanical and pointless form of reading. Again, this does not mean that some inner textual meaning was unlocked, but it does mean that something was learned, something that is not found in the surface of the text, even if it is also not hidden within it.20 Hence, the utopia of reading: it designates a »non-place« in and of the text. It is crucial, however, to underscore that this final recognition does not render the act of reading, or the text, fully transparent to the mind: for in the end, though Renate Pflüger and Sven Müller do reach this moment of »empowerment«, to use a thoroughly reified term that is nonetheless very apt here, though they are nudged to their own independent activity, and though they have learned 19 I use the term here with reservation, given its inflection within American literary criticism, in particular in the form advocated and espoused by Best and Marcus. But the form of surface reading I am putting forth here is practically the opposite of Marcus and Best’s. Where they see meaning »there for the taking« on the surface of the text, for Kluge meaning does not reside even on the surface. It arises elsewhere altogether, and indeed it is the impenetrability of a text that provokes the interpretive, »independent« activity of the reader. For a critical take on surface reading, which shares great affinities with my argument, see Carolyn Lesjak, »Reading Dialectically«, Criticism 55/2 (2013), pp. 233–277. See also: Stephen Best/Sharon Marcus, »Surface Reading: An Introduction«, Representations 108/1 (Fall 2009), pp. 1–21. 20 I am tempted to say this is a version of the Lacanian idea of the »traversal of the fantasy«: the reader, ever in pursuit of the petit object a in the text (its meaning) in the end understands the idiocy of the pursuit – the necessary idiocy – and if he were to give that up, if he were to dissolve this fundamentally fantastic element, his insight would vanish.
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the lesson of the text, they cannot know at the moment that they have done so: for their recognition that they should be able to grasp the text does not mean that they realize that this ability was what the text was provoking them toward. In other words, they do not realize the lesson that they have learned, even though they have learned the lesson. The other lesson about reading that this scene teaches is, paradoxically, that one must nonetheless read mechanically, as if devoid of interpretive subjectivity, despite what has already been said about the emptiness of such reading. One must not only read, but one must read and reread, and in the most banal of ways: one must simply read over and over again, almost as if one has not even understood the words on the page in the simplest of senses, and it is the sheer repetition of the reading from which some form of comprehension emerges. The two cadets, in other words, would never have made the progress that they did without repeatedly returning to the text. Reading, I venture, only really occurs in repetition.21 *
Repetition is a central feature of Kluge’s work. It helps explain the often uncanny sense of familiarity that accompanies the reading or viewing of a brand new story or film. Thus our scene from Nachrichten inevitably evokes associations with a number of other of Kluge’s works: watching these two eager young socialists reading Marx chapter and verse cannot help but bring to mind the young secret agent in In Gefahr und grösster Not bringt der Mittelweg den Tod who receives both counsel and advice from her partner or boyfriend, who, as she remarks, »reads Marx in the original«, which would be quite the compliment were the boyfriend not a native speaker of German. This sort of patent redundancy or pleonasm – a German reading Marx in the original – is a regular feature of Kluge’s films and writings, and it can reach the heights of ridiculousness at times. One could make a very long list of these pleonasms, but here I will point to only a few. As just mentioned, Kluge’s German agents read Marx in the original, though one wonders if the suggestion is that it is easier to read him in translation even for a German. A central concept in Geschichte und Eigensinn 21 I find that mechanistic repetition is also helpful for storytelling as a father. Often, when telling my children bedtime stories, I draw a blank. However, my complaint that »I’ve got no stories left« is always met with disbelief and dismissal. The story must go on. So I simply begin every story the same way I begin every story and often continue on at length merely reciting the most banal information: »Once upon a time there was a little monkey…« Inevitably, after enough time has passed, something new pops up and the narrative proper can begin. I have only ever failed to tell a story if I have fallen asleep before I was able to. Even then, my children report that I have told stories in my sleep, and after they kick me out of their beds, I have absolutely no recollection of the content of the tale. Clearly, something »mechanical« is going on.
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is that of the »Beziehungsverhältnis«, a neologism whose two constituent terms can be found listed as synonyms in the dictionary (and to which I will return in a moment). And so central is this sort of trope or rhetorical figure that it even pervades Kluge’s personal life, tempting one to find a biographical source for this tendency, for not only do Kluge and his sister have almost identical names (Alexander and Alexandra),22 but the actress who plays Renate Pflüger is his daughter, Sophie Kluge, whose name suggests that she might be both wise (sophia, in Greek) and clever (klug in German). Similarly, one can point to multiple instances of repetition in his life and work, from his repeated, almost obsessive return to certain central concepts – such as his obsession with the concept of »man’s essential powers« so central to the Marx passage in Nachrichten and Geschichte und Eigensinn – to his admission to having seen certain operas dozens upon dozens of times. As should be clear from my reading of Nachrichten above, this tendency to repetition should not be thought of as an oversight or stylistic impediment; it is, rather, a figure for how learning and understanding arise: learning processes – indeed learning itself – are inherently repetitive. Repetition is, in Negt and Kluge, not necessarily a bad thing; it can be a virtue. As they point out in the preface to Geschichte und Eigensinn, »there are books that one reads from beginning to end. But there are also books whose virtue lies in repeatability (Wiederholbarkeit). One reads around in them and then reads around in them again.« (GE 5). And of course, there are films one watches over and over again, now so easy with DVDs and web-based viewing. And there are films in which people read and reread, over and over, in Kluge’s oeuvre, staging and rehearsing this tendency to pleonasm, transforming it from a linguistic figure into a veritable film syntagm or performative metaphor. Perhaps the best-known of such moments of characters reading on screen comes in Abschied von gestern, when Manfred Pichota, Ministerialrat, adulter, and fleeting lover to Anita, reads aloud to Anita the famous Brecht story, Wenn Herr K. einen Menschen liebte. It is a story that is almost literally about repetition, and one in which a repetition with a reversal plays a central rhetorical and didactic role. In the scene, Pichota comes off as the consummate pedant, the well-educated man patronizing the admiring and deferential naf: he reads the story to Anita not once, but twice, as if to do so will make the lesson sink in. The encounter echoes earlier ones between Anita and other obnoxious male pedants, including two university professors, one played brilliantly by Alfred Edel and another who offers Anita the most ridiculous and inappropriate advice: »Above all«, he tells her, »you must read a lot. The mind schools itself by reading. Like an electric current passing through iron filings, the 22 It is worth nothing that Alexandra Kluge’s given name is actually »Karen«.
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mind becomes a well-raked garden.«23 »A well-raked garden«: as appealing as it might almost sound, the metaphor is a repugnant one, utterly distant from Kluge’s ideal24 of animating the independent activity of the reader or viewer. Instead, it brings to mind an older metaphor for the cinema that is equally distant from Kluge’s ideal of montage, namely Eisenstein’s brutal image of cinema as a plow with which to drive deep furrows into the mind of the spectator. Be it by a gentle raking or a violent plowing, in the end the mind is brought to order. Anita, however, embodies Eigensinn distilled to its purest form and she frustrates the sorts of pedants who purvey this kind of pedagogy to no end. Immune as she is to instruction, it is one of her many virtues that she needs things to be repeated and she is able to turn these repetitions to her advantage. In her lessons with Pichota, where her position as reader is transformed into the similar one of listener, one could say she has her eigensinnigen cake – perhaps the large piece she orders but never receives in the fancy caf¦ at the beginning of the film – and eats it too, performing rather nicely the role of the ignorant schoolmaster when she at first completely misunderstands the Brecht story and then completely misunderstands it yet again upon second reading, while nevertheless getting it absolutely right. In other words she performs almost perfectly the role of the figure who plays dumb. Recall the scene from Abscheid von gestern. Pichota reads the story : »›Was tun Sie, wurde Herr K. gefragt, wenn Sie einen Menschen lieben? Ich mache einen Entwurf von ihm, sagte Herr K., und sorge, daß er ihm ähnlich wird. Wer, der Entwurf ? Nein, der Mensch.‹« (AgP 77). As with many of Brecht’s Keuner stories, the central lesson turns on a reversal or chiasmus that inverts what appears to be common sense, or challenges what, following the Marx passage from Nachrichten, might be characterized as an unquestioned »natural attitude«. In this case, love, it turns out, is not the appreciation of someone for their essence, for who they really are; instead, love appears to be practically a form of violence, an act of domination, a desire to compel someone to conform to an ideal (the Entwurf, which means both sketch and design) that is foreign to the loved one’s essence. As any German child would perceive, the story’s lesson hinges on the use of the dative case and the similar gender between the two terms in play (der Entwurf and der Mensch). At first Anita appears to grasp this and quotes the story verbatim after Pichota’s first reading: »Der Mensch dem Entwurf. ja.« (AgP 77.). But when she interprets the story, she gets it completely wrong insisting 23 Cf. Alexander Kluge, Abschied von gestern: Protokoll, Frankfurt a.M. 1967, p. 54. Henceforth cited parenthetically as AgP. 24 The metaphor is also distant from Kluge’s recent and frequent use of the figure of the garden and the gardener (for example in the interview in this volume). One should not think that Kluge’s ideal of the garden is one that is »well-raked«.
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that, as per the conventional understanding of the story, Herr K attempts to make an accurate drawing, or representation, of the person whom he loves. Memorization – or in this case the mere direct citation – does not lead to understanding, at least at the level of content or concept. So Pichota, disgusted, attempts to explain and Anita simply tells him to read it again. Pichota obliges, repeating the latter half of the story, and Anita replies, emphatically, in sync with Pichota as he reads the final line a third time, »Ja! Der Mensch dem Entwurf!« as if she has completely understood. After a pause, she adds: »Hab ich doch gesagt, nicht?« (»That’s what I said, no?«) (AgP 78). Though clearly confused, Anita nevertheless gets it right indeed, and in two utterly contradictory ways. First she gets it right by resisting Pichota’s didactic logic, which mirrors that of the story : he is trying to remake Anita according to the design he has in mind for her, but her stubbornness, or ineptitude, thwarts this. In this way, by playing dumb, she has succeeded in fulfilling Adorno’s demand, at least by half, that »man…sich weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht, dumm machen lassen [darf]«.25 In other words, she has learned her lesson, not to conform to the ideal of the other, but much as Renate Pflüger has learned her lesson from Marx: she is unaware that she has learned the lesson. But she also gets the story right, or at least claims to, when she insists at the end: »Hab ich doch gesagt, nicht?« and Pichota’s face resolves into a rather grim expression of defeat. At this point repetition is raised to a different level altogether and becomes something more than the mere rote mouthing of a text: it achieves a sort of performative valence and impact, for not only does it clearly torment Anita’s tormentor, but it transforms her in body and spirit as she bursts into almost maniacal laughter at the pleasure of both realizing her foolishness and witnessing her triumph over Pichota.26 And here one must recall another of Kluge’s stubborn heroes, one whose Eigensinn may well be the match for Anita’s: Herr Kammersänger, the opera singer in Die Macht der Gefühle. If Anita’s watchword is »Hab ich doch gesagt, nicht? « then his is »Könnte doch aber!« – »but it could be!«. Recall that in the course of an interview with a reporter, played not incidentally by Alexandra Kluge, he insists that the opera in which he is performing could »turn out differently« in the fifth act, despite the fact that he has performed his role dozens 25 Kluge, »Nur das unsichtbare Bild…« n.p. 26 This moment – when the conceptual transforms itself into the affective/performative – is one way to understand the importance of feelings in Kluge: when the bodily takes over from the conceptual/linguistic and performs its meaning and embodies them but without, necessarily, comprehending them in a cognitive-conceptual way. One can see this affective dimension in Renate Pflüger as well, but in much more muted form, in the slight smile she makes and in the movement of her eyes.
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of times. When the reporter insists that it will not end any differently and that experience has shown this to be so, he insists: »Könnte doch aber!«27 If Anita’s Eigensinn forces her to insist that things were a particular way, then Herr Kammersänger’s Eigensinn forces him to insist that some day they will be different. Thus Anita’s and Herr Kammersänger’s exclamations – »Hab ich doch gesagt, nicht?« and »Könnte doch aber!« – should be read as central mottoes throughout Kluge’s work. They constitute a dialectical pair of ideas between which the utopia of reading – and the impulse to utopia in Kluge in general – unfolds: for every reading – every reading – is a repetition of sorts, a story already told and one whose outcome is a foregone conclusion that could nonetheless turn out differently. Every reading is a re-reading. We read under the tutelage of the countless others who have read before us. We are taught, for example, to read in the simplest of senses and in the most complex of interpretive senses by our parents and teachers; we teach our children through constant re-reading; and we approach texts through the lens of limitless intervening interpretations, as Fredric Jameson and others have pointed out. But every reading is a re-reading also because quite literally the very words on the page are repeated in every reading. One need only think of the millions of people whose eyes have scanned the identical words of Goethe, Balzac, Stein, Marx, and Woolf to grasp the truth of this almost banal fact. And in every repetition something new emerges. Repetition, so Kluge might say against his mentor Adorno, may well be a standard technique of mass culture that ensures smooth and easy and profitable production and consumption, but it is that from which the new emerges. So, »Hab ich doch gesagt« inevitably leads into the realm of »Könnte doch aber!«: every repetition leads to the possibility of the unforeseen emerging. Every repetition, though an encounter with the »historical inheritance of human thought« before which we »play dumb«, is also the time where we might discover what Kluge has called in rather lovely terms another form of inheritance: »the inheritance of the unexpected«.28 And in this inheritance can be found another trace of the utopia of reading, a way in which repetition breaks out of tedium and reaches toward something new. As any parent knows – and here I hope the reader will forgive me if I speak from personal experience – repetition can be dull, at least for the parent pushing the swing or reading the story for the tenth time. I myself am no stranger to this feeling, and as much as I love telling stories to my children, I have to admit a 27 Alexander Kluge, Die Macht der Gefühle, Frankfurt a.M. 1984, p. 79. 28 Alexander Kluge, »Der Angriff der 13. Fee«, interview by Michael Angele, Ingo Arend, Jakob Augstein, and Philip Grassmann, in: der Freitag, 12. 12. 2009, www.freitag.de/kultur/0952zukunft-netz-kluge-interview (Accessed: 28. 05. 2015).
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certain weariness many evenings when asked to tell yet another story about my daughter’s favorite character, a little monkey named Pedro. After the most tiring days, the obligation to invent something new can be overwhelming, and it often cedes to the simplicity and convenience of retelling an old story. This brings with it its own sort of onerousness, its own particular form unpleasant effort. But the weariness that comes with such repetition is only mine, and it usually fades when the stories get rolling, for there is a certain ease to repetition as well, something similar to whatever it is that lets long-distance runners or professional cyclists keep their legs moving long past the point of exhaustion. The »virtue of repeatability«, in other words, is underpinned by the ease of small increments, the small steps that require only the smallest differential expenditure of effort. The master of this virtue in Kluge’s universe is Leni Peickert, heroine of Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos, who comes to this realization about a way forward after her reform circus has failed: »Mit großen Schritten macht man sich nur lächerlich. Aber mit lauter kleinen Schritten könnte ich Staatssekretärin im Auswärtigen Amt warden.«29 The principle applies as well to Kluge’s literary production: he is probably incapable of writing a novel, but a few hundred or so short stories is not too tall an order. The principle is built into the concept of repetition: you cannot repeat, in any meaningful way, a reading on the scale of Proust or Musil, but you can reread something smaller, like a Herr Keuner story, or, more to my point, you can retell a children’s story innumerable times. Sometimes, though, I cannot recall the old stories and draw a blank. My complaint, however, that »I’ve got no stories left« is always met with disbelief and dismissal. The story must go on. So I simply begin every story the same way I begin every story and often continue on at length merely reciting the most banal information that has been recounted an untold number of times before: »Once upon a time…« Inevitably, after enough time has passed, something new pops up. I asked my daughter once why she is never bored by the stories, since they all tend to have very similar structures and very similar endings. And she answered with an answer worthy of Anita G. or Renate Pflüger or Herr Kammersänger, one which captures the essence of the virtue of repetition: »because I never know what to expect!«
29 Alexander Kluge, Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos, Die Ungläubige, Projekt Z, Sprüche der Leni Peickert, Munich 1968, p. 53.
Alexander Kluge
Zu Öffentlichkeit und Erfahrung
Kurzfassung: Die Umstände, die noch vor vierzig Jahren klassische Öffentlichkeit und die Gegenöffentlichkeiten möglich gemacht haben, haben sich durch neue Medien (zum Beispiel Internet) und Realitätsdruck (Beschleunigung, Massenphänomen, Minenfelder undiskutierter Krisen) stark verändert. Gleich bleiben die Kriterien der Beobachtung. Einerseits: Beharrlichkeit der an die Lebenszeit konkret gebundenen Position der Menschen, deren zunehmende Entfremdung von eigener und unmittelbarer Erfahrung, die Usurpation von Öffentlichkeit durch Medien und Dritte, aber auch die GEGENWEHR DER MENSCHEN. Die beiden antagonistischen Ökonomien: ARBEITSKRAFT und LEBENSZEIT versus Marktgesellschaft bleiben voneinander abhängig. Es gibt deshalb keine Entscheidung nach einer der beiden Seiten hin, sondern permanente Auseinandersetzung und Neugründung. Geht Balance verloren, entstehen neue Gleichgewichte, man muß sie so beobachten. »Es gibt keine Verfallszeiten.« Unser Buch Öffentlichkeit und Erfahrung, das 1974, also vor 40 Jahren erschien, stützte sich bekanntlich auf Jürgen Habermas und seine Untersuchung Strukturwandel der Öffentlichkeit. Für die Ergebnisse beider Publikationen zeigt die Öffentlichkeit 2014 nachhaltige Änderungen. Ausgangspunkt bleibt, daß die lebenslänglich von jedem Menschen (persönlich und isoliert) gemachte Erfahrung in der Regel erst durch ÖFFENTLICHKEIT zu einer SELBSTBEWUSSTEN ERFAHRUNG gemacht wird. Selbstbewußt auch dahingehend, daß sie zur Herstellung des Gemeinwesens tauglich ist. (Es gibt kein Gemeinwesen, daß auf Minderwertigkeitskomplexen beruht.) Gleichgeblieben ist auch der Gegensatz von (endlicher) Lebenszeit und dem vom Warenwert gesteuerten gesellschaftlichen Prozeß (tendenziell unbegrenzt). Der letztere expandiert ins Gigantische (etwa sichtbar an den Angeboten des Internets, aber auch an der zunehmenden Fülle der Realitäten), während Lebenszeit, Schlafbedürfnis, Geist und Körper (also die Sinnlichkeit) relativ konstant verharren. Die Dehnung und Anpassung dieser Sinnlichkeiten haben immer Kollateralfolgen.
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Alexander Kluge
Zunächst fallen äußere Veränderungen auf. Vor 40 Jahren: die studentische Protestbewegung, die das Herstellen neuer, authentischer Öffentlichkeiten fordert. Heute finden sich verbüffende Expansionen der Öffentlichkeit zum Beispiel durch das Internet. Solche Veränderungen verschieben die Ebenen, auf denen über Öffentlichkeit diskutiert werden kann. Sie tun das qualitativ und quantitativ. Es entsteht ein diskursives Kaleidoskop von Fragen. Im Kern und zusammengefaßt geht es aber um folgenden Wandel: Die Substanz der klassischen Öffentlichkeit (und entsprechend der Gegenöffentlichkeiten) folgte der Herkunft der Erfahrung. Deren Löwenanteil kam traditionell aus den Intimbereichen (der Sozialisation) und aus der Arbeit (dem Produktionsprozeß). Beide haben im Verlauf des fortschreitenden Kapitalprozesses starke Einbrüche erlebt. Die klassische Industrie, also die Produktion in Form von lokal versammelter Arbeitskraft, ist stark zerstreut und zum Teil auch aus den Zentren in die Peripherie abgewandert. Wo Fabriken waren, waren auch Versammlungsorte für Protest, Streik, Produktionsstolz und Betriebsöffentlichkeit im Ernstfall (bei Unglücken, bei Krieg). Die neuen Öffentlichkeiten seit 40 Jahren (zum Beispiel Privatfernsehen, Internet) sind nicht mehr in der konkreten Produktionssphäre orientiert (im Privatsender RTL gibt es nicht einen Film, der in einer Fabrik handelt). Die vorherrschende globale Produktion und Distribution bildet aber kaum autonome Öffentlichkeiten, in die unmittelbare Erfahrung von Menschen eingeht. Ähnlich die Eingriffe in die Intimbereiche, in denen der zweite Hauptteil der individuellen Erfahrung gemacht wird. Die Sozialisation in der Familie bekommt Konkurrenz durch die Medien. Im Bewußtsein der Mehrzahl der Menschen mischt sich untrennbar der sozialisierte Meinungsstrom (Mainstream), zusätzlich die direkte und indirekte Werbung, der Eindruck übermächtiger objektiver Verhältnisse und die Sinnlichkeit des Habens (verinnerlichter Kapitalismus) mit den sporadischen persönlichen Eindrücken und Unterscheidungen. Begrifflich kann man diese Beobachtungen folgendermaßen fassen (ich verwende hierbei eine Kategorie von Marx, die wir in Öffentlichkeit und Erfahrung näher erläutern): Die Intimbereiche und alle wesentlichen Teile der klassischen Öffentlichkeit, das sagt Marx, sind im Kapital nur »formell subsumiert«. Für die Arbeit eines Wissenschaftlers, Journalisten oder Musikers wird zwar gezahlt, aber der Zahlende kann nicht bestimmen, wie das Stück Öffentlichkeit hergestellt wird. Liebe, Erziehung, Alltag werden traditionell vom Kapital vorausgesetzt, sind stark von ihm beeinflußt, aber werden nicht direkt kommandiert. Das Gleiche gilt für deren Öffentlichkeit und die Kommunikation, die darin stattfindet: So war es bisher, das heißt »formelle Subsumtion«. Dies hat sich nachhaltig verändert. Es findet zunehmend »materielle Subsumtion« statt. Das heißt, der Verwertungsprozeß dringt in die Intimbereiche, in
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die Emotionen, in das Denken und damit in den Kernbereich der Öffentlichkeit ein und subsumiert sie. Zeitungen wie Washington Post, Le Monde oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung stehen fest auf dem Boden der bürgerlichen Öffentlichkeit. Aber sie gehorchen keiner Börse (auch wenn sie darüber berichten). Das »Wie« dieser Öffentlichkeit unterlag keinem Kommando. Jetzt geraten sie in die Krise. Nicht etwa weil sie schlechter arbeiten oder weil sie einem Kommando gehorchen, sondern weil ihr Publikum inzwischen in der Weiterverarbeitung seiner Erfahrung nicht mehr den Weg über die klassische Öffentlichkeit nimmt. Der Mainstream, also ein sozialisierter, nicht individuell hergestellter Modus der Erfahrung, zeigt diese »materielle Subsumtion«. Ich werde unverständlich, wenn ich diesem Modus nicht folge, ich werde dadurch »nicht-öffentlich«. Vergleicht man die Struktur des Suhrkamp Verlags mit der von amazon, sieht man, wie Reste der klassischen Öffentlichkeit in die Defensive geraten. Insofern ist in den letzten 40 Jahren ein weiterer starker Strukturwandel zu beobachten, der praktische Resultate, zu denen man 1974 kommen konnte, inzwischen verzerrt erscheinen läßt. Eine Reihe von Grundannahmen aber, die wir in Öffentlichkeit und Erfahrung machen, ändert sich dadurch nicht. Es bleibt nämlich dabei, daß Menschen sich, ihrer Natur nach, nicht absolut anpassen können. Sie sind aber ihrer ganzen Natur nach ungehorsam. Werden sie also als ganze Menschen (»Bürger«, »Konsumenten«, »Mediennutzer«) »materiell subsumiert«, bleiben ihre »eigensinnigen Einzelteile«, die sogenannten Sinne oder »menschlichen Wesenskräfte«, unverändert abwehrbereit. Ihr Eigensinn und ihre Widersetzlichkeit nehmen sogar zu. Auf diese Weise entsteht zugleich ein Zerfall von Öffentlichkeit und die Bildung neuer Öffentlichkeiten und Gegenöffentlichkeiten (wie von Richard Sennett beschrieben in The Fall of Public Man).
Lutz Koepnick
Inside Kluge’s Cosmic Cinema. Critical Theory and Mobile Spectatorship Today1
Screens are often seen as windows that open views onto the world as much as they filter things out or block sensory to reality altogether.2 They can activate the imagination and act as vehicles of virtual transport, yet they may also arrest us in positions of mindless voyeurism and consumption, insulating mind and body from the messy matter of the real. Though we (ever more erroneously) consider screens as the primary surface and embodiment of digital culture, we (equally erroneously) continue to approach and theorize them according to concepts that – as it may turn out – mostly belong to a brief interlude of modern media history : a few decades of the twentieth century during which movie theaters monopolized the exhibition of moving images and effectively regulated the viewer’s modes of spectatorship.3 Screens today operate less and less as apertures we encounter in the dark, in silence, and from a relatively frontal, immobile, and disembodied vantage point. They rarely command our undivided focus and attention such that their images either make us forget about the presence of their frames or invite us to critically contemplate their framing as a condition of meaning-making in the first place. More and more an integral part of our architectural environments, today’s screens instead are mostly met in broad daylight, in mid-stride, and with all sorts of other mediated sounds and images vying for our perception – as ambient elements whose frames come in all shapes and sizes and whose spatial setups in many cases no longer succeed in carving out protected zones for attentive looking. The more that screens and moving images proliferate and diversify, summarizes Malcolm McCullough, 1 This essay echoes, reframes, and expands a number of critical perspectives explored in my forthcoming book, Unframing the Long Take: Screen Arts and the Wondrous. 2 For more on the material and symbolic history of the window in Western culture and its relation to twentieth and twenty-first centuries media cultures, see among other Anne Friedberg, The Virtual Window: From Alberti to Microsoft, Cambridge (MA) 2006; Lutz Koepnick, Windows on Modern German Culture, Baltimore 2007; and Sabine Eckmann and Lutz Koepnick, Window j Interface: Screen Arts and New Media Aesthetics 2, St. Louis 2007. 3 Gabriele Pedulla, In Broad Daylight: Movies and Spectators after Cinema, London 2012.
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»the less any one of them may succeed at capturing your attention. Instead, they all fuse into a landscape, in which the perspective furnished by any one frame yields to a new kind of perspective on a world full of them. These new display practices erode assumptions about the cinematic nature of the frame, and instead belong to the world of architecture.«4
Whether we think of it in narrative or non-narrative terms, the twentieth-century history of cinema – its codes and languages; its genres and formal innovations; its manipulation of point of view; its institutional framing of visual pleasure – appears ever less capable of generating what it might take to develop a critical matrix of moving image culture and spectatorship today. If screens no longer function like singular funnels of attention and viewers increasingly attend to mediated images as if they belonged to built and navigable space itself, then the entire vocabulary of good viewing and critical media practices inherited from twentieth-century theory cannot but melt into thin air. Rosalind Krauss has famously used the term »post-medium condition« to describe a situation in which neither form nor content but primarily context and environment structure the relationship between specific (artistic) mediums and their viewers, between media that no longer seem to have a message and spectators whom our digital age now tends to name as users or even prosumers.5 To speak, in the wake of Krauss’s argument, of a post-medium condition is to bid farewell to earlier visions of medium specificity, i. e., the modernist mandate of reflexively exploring the inherent nature of a specific medium and precisely thus positioning the viewer as critical and active – as eager to complete what is fragmentary, reflect on a work’s refusal of comprehensive meaning, embrace modernist art’s negativity and self-limitation as a laboratory of resistance. And yet, recent years have witnessed a renewed interest not simply in modernist debates about medium specificity, but in how to think about the relationship between medium and nature, technological mediation and questions of embodiment and materiality.6 If both critical theory and postmodernism, for different reasons, encountered the natural world, including any effort to identify the nature or es4 Malcolm McCullough, Ambient Commons: Attention in the Age of Embodied Information, Kindle ed., Cambridge (MA) 2013. 5 Rosalind Krauss, A Voyage on the North Sea: Art in the Age of the Post-Medium Condition, London 2000. 6 See, for instance, Laura U. Marks, Touch: Sensuous Theory and Multisensory Media, Minneapolis 2002; Vivian Sobchack, Carnal Thoughts: Embodiment and Moving Image Culture, Berkeley 2004; Mark B. N. Hansen, New Philosophy for New Media, Cambridge (MA) 2004; and id., Bodies in Code: Interfaces with Digital Media, New York 2006; Caroline A. Jones (ed.), Sensorium: Embodied Experience, Technology, and Contemporary Art, Cambridge (MA) 2006; Anna Munster, Materializing New Media: Embodiment in Information Aesthetics, Hanover (CT) 2006; and Bernadette Wegenstein, Getting Under the Skin: Body and Media Theory, Cambridge (MA) 2006.
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sence of a specific medium, with great suspicion, the more recent un-framing of screen culture and the concomitant rise of roaming forms of spectatorship have given many theorists cause to move beyond former juxtapositions of the natural and the mediated. This essay explores what it might mean to speak of both the nature of a medium and of nature as a medium as features of the contemporary. Furthermore it asks to what extent we – as we face the expansive landscapes of mediated images today – might still be able to draw on Frankfurt School thought and its afterlife in the work of Alexander Kluge in order to assess the fusion of architecture and the cinematic, of moving-image technologies and natural history.
1/ Let me start with three recent models to set the stage for the argument. None of them originate directly from the realm most pertinent to this essay : screenbased installation art and its roaming, self-directed viewers. And yet, as we will see toward the end of this essay, all three critically illuminate, not simply how Frankfurt School thought may still matter today, but how we can theorize the emergence of new infrastructures of aesthetic experience with and beyond the Frankfurt School’s historical paradigms of media specificity and spectatorial attentiveness. One: Hanns Zischler’s series of twenty-five photographic images entitled Nach der Natur : Camera Obscura, captured with a very basic pinhole camera and exhibited first in 2013 in Berlin at the Alfred Ehrhardt Stiftung.7 The majority of images show flowers, trees, and grasses, some surrounded by manifestations of human civilization, others embedded in seemingly untouched landscapes or presented in detailed close-up (see figure 1). The absence of technologically advanced lens systems and recording mechanisms results in what, from the vista of »ordinary« photography, might be considered an array of systematic distortions. Orthogonals do not fully intersect with identifiable vanishing points; the relations of fore- and backgrounds are uneven and often ambiguous; areas of focus and blur coexists in ways that challenge the viewer’s orientation; some colors appear muted, others strangely amplified. Though mostly depicting static objects and scenes void of movement, Zischler’s photographic apparatus infuses these images with an unsettling sense of dynamic motion, one that belongs less to what is depicted than to the act of depiction or perception. Whether these photographic images include signs of human presence or not, they picture the world as if seen through the perceptual systems of something emancipated from 7 Hanns Zischler, Nach der Natur. Camera Obscura, Heidelberg 2013.
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the parameters and historical codes of human vision. Something that might approximate the sight of a non-human observer in motion, an insect in midflight; something that no longer needs to make us think of media and their products as technological extensions of the human body, as artificial prostheses of the human sensorium meant to map the visible world for the sake of better orientation, navigation, aesthetic pleasure, and goal-oriented action. What we see in Zischler’s images is a world in which media capture nature as if no human observer was required or to be addressed any more.
Figure 1: Hanns Zischler, Blitzende Blüten (2013)
Two: Thai filmmaker Apichatpong Weerasethakul’s 2012 project Ashes relies on a handheld LomoKino Mubi Edition camera to gather images of rural Thailand, apparently shot by a dog owner who walks his pet through streets, fields, and along houses and farms, before we, for a brief interlude, cut to more urban setting (see figure 2). When cranked at full speed, the LomoKino can shoot no more than three to five frames per second, thus producing rather bare impressions of movement. The LomoKino is as little of a machine as mechanically possible; it is an apparatus approximating the zero degree of filmmaking, yet – due to the collaboration with the online venture MUBI – at the same time promises global distribution through digital channels. As the camera’s reduced
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frame rate turns moving images into rather jerky affairs, one may wonder whether Weerasethakul’s Ashes marks a radical departure from the meditative slowness of the director’s earlier films.8 And yet, there are good reasons to insist that Weerasethakul’s project closely follows the spirit of his earlier work. For what the film clearly does is to recalibrate the director’s recurrent interest in ghosts9 as a paradoxical index of the durational for a technological universe that pretends to have little patience left for the indexical, for the slow and lasting materiality of the trace. To decelerate the speed of film recording, here, allows cinema to recall the power of the index, of establishing tactile relationships between the filmic and the pro-filmic, body and the real, no matter the extent to which later editing and distribution procedures draw on the malleability of the digital. Hand cranking a film at five frames a second inserts a human measure into the making of motion pictures, as much as it allows this body’s sensory systems to be absorbed into the operations of the medium and thereby investigate the role of the body as the most primary of all mediums. Relying on how the LomoKino’s decelerated frame rates destabilize any sense of continuity, Ashes systematically dismantles the conventional integrity of identifiable scenes, takes, and framing strategies. Yet sudden jumps in time or space here do not strike the viewer as potentially traumatic. Instead, they extend a non-coercive invitation to explore the other in us and us in the other. Present and past, movement and stillness, the material and the dreamlike, thus blend into one continuous flow of images however fragmented they at heart may be. Three. A three-shot sequence of Alexander Kluge’s 2010 Adornean meditation on coldness, Landschaften mit Eis und Schnee, showing images of a melting icicle (see figure 3).10 Shot one presents the icicle’s tip against a stark blue sky, sparkling due to the rays of the sun. Black specks across the frame disturb the simplicity of the overall composition. It is impossible to conclude whether these specks result from dirt on a windowpane or the use of aged film stock. We see a drop swelling at the tip of the icicle every few seconds; the optically inverted image of a landscape in the distance gains greater visual presence – over and over again – before the drop falls and takes with it what we just beheld. After a minute or so, Kluge cuts to the second installment. The sky is slightly lighter now even though the sun is positioned lower, the icicle no longer pierces the frame from above; all we have is the drop, slowly swelling up and then falling. In this second 8 For a series of useful overview essays, see James Quandt (ed.), Apichatpong Weerasethakul, Vienna 2009. 9 Rikrit Tiravanija, »Ghosts in the projector«, in: Gary Carrion-Murayari/Massimiliano Gioni (eds.), Apichatpong Weerasethakul, New York 2011, pp. 30–32. 10 For a more detailed reading of this sequence and a discussion of Kluge’s general project on coldness, see Nora Alter et al., »Landscapes of Ice, Wind, and Snow. Alexander Kluge’s Aesthetic of Coldness«, Grey Room 53 (Fall 2013), pp. 60–87.
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Figure 2: Apichatpong Weerasethakul, Ashes (2012)
shot, the camera is closer to its object. But the specks of shot one remain visible as before. In shot three, finally, the frame is almost entirely black. No more sun, no more horizon line reflected in the drop, no more specks. A small shape inhabits the upper frame of the image, brightened up by the reflection of what we are to assume is the shine of night-time stars and moon. Unlike the previous two,
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the dynamic aspects of this third image are difficult to read, not least of all because the camera appears unable to smoothly capture the falling of the drop due to the reduced lighting conditions. What we see instead is a regular distortion of the image, a brief disruption of the image itself. Each of Kluge’s prolonged three shots draws our attention to film’s root in photography, the still frame that requires technological animation in order to bestow the impression of movement. Moreover, in at least the first two of Kluge’s three shots, the swell of the water drop allows us to see an inverted image of the world beyond. It is a mobile frame within the frame, a shifting aperture onto the world that is part of this world itself, a window onto the relative coldness outside that, in its very moment of disappearance, assumes the power to bring the conditions of coldness into consciousness itself. Natural phenomena in Kluge’s film thus do not simply serve as mere allegories of media technologies. Rather, media here emerge as part of the world of nature as much as nature functions like a medium itself, so much so that we cannot resist the thought that Kluge’s melting of the ice is triggered not merely by the warmth of the heavens but by how nature here assumes the qualities of a unique and fantastic camera in order to cast a gaze upon itself as if no human observer existed. As different as Zischler’s, Weerasethakul’s, and Kluge’s work with cameras and screens might be, what they all share is not only their concern with the sheer materiality of photographic capture, but with revising dominant juxtapositions of nature and technology and thereby with reframing given concepts of spectatorship in light of non-human modalities of perception, sensation, and mediation. In all of these three models, nature is being approached and indexed as something that is being evident in and energized by contemporary media culture. As important, visual media such as photography and film in all three interventions are not seen as something we simply have or use to capture the world, to mimic human phenomenology, thought, and memory, or to communicate between preexisting, intentional, and willful human subjects. Rather, as much as technology is already deeply present in the natural world, so do media here emerge as something we are and we are made of: they contract forces, percepts, and thoughts into environmental relations; they activate images that produce rather than presuppose possible viewers; they crystallize time and space into constellations we may inhabit as much as they may inhabit us. Whether we see the world as if photographed through a fly’s eye, maneuver space by subjecting our sensorium to the operations of a simple apparatus, or witness how nature needs no witness to mediate itself – all three models urge us to think of nature and technology as coeval. They depict and redefine media as environments met by viewers whose principle domain is no longer the darkened auditorium, but the relatively open spaces of screen-based installation art, i. e., perambulating spectators who encounter moving images as sculptural elements
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Figure 3: Alexander Kluge, Landscapes with Ice and Snow (2010)
and develop durational commitments often quite at odds with the duration of images on display.11 To the extent to which Zischler, Weerasethakul, and Kluge 11 For theoretically informed discussion of the temporality of viewing screen-based installation art, see among others, Peter Osborne, »Distracted Reception: Time, Art, and Technology«,
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define media as aesthetic ecologies and what Jussi Parikka calls »resonating milieus«,12 they – like the often distracted and self-directed viewers of installation art today – leave little doubt that seasoned notions of spectatorship no longer seem of much use to account for what viewers do with moving images and what moving images do to viewers today. The question here is no longer how media may extend the human senses or operate as constructed channels between human actors. It instead is how we may tune in to the rhythms and temporalities of certain media environments, how we learn how to inhabit them as architecture, i. e., as something that modulates movement, perception, and thought, and whether and how amid all this we may still hold on to what twentieth-century critical theory zeroed in on, namely the vision of spectators able to couple aesthetic experience to transformative social intervention.
2/ What, then, are some of the analytical and critical tools Frankfurt School thought continues to offer not only to explore today’s milieus of mobile spectatorship, but to frame ongoing conversations about how contemporary mediascapes and time-based art unsettle former divisions between nature and technology, the sensory and the mediated, biology and culture? What does or can Frankfurt mean to viewers watching Zischler’s seemingly extraterrestrial landscapes, Weerasethakul’s reconstruction of body as slow-moving camera, and Kluge’s meditation on nature as the primary medium and technology of vision? Though Theodor Adorno’s aesthetic theory has energized even some of Alexander Kluge’s most recent filmic projects, one may raise considerable doubts about any effort to map Adorno’s expectations for good and hence critical and structural listening onto what viewers today do to and do with moving images. At once trained by and eager to live up to the compositional challenges of new music, Adorno’s structural listener attended to time-based art, neither merely to appreciate musical material nor to grasp its formal construction intellectually, but to focus on music’s logical unfolding across time and thereby identify how music, as it were, operates like a mode of thinking itself, of thought: »Being musical«, Adorno wrote in his 1963 treatise Der getreue Korrepetitor (The Faithful R¦p¦titeur), in: Jessica Morgan/Gregor Muir (eds.), Time Zones: Recent Film and Video, London 2004, pp. 66–69; and Kate Mondloch, Screens: Viewing Media Installation Art, Minneapolis 2010. 12 Jussi Parikka, Insect Media: An Archaeology of Animals and Technology, Kindle ed., Minneapolis 2010.
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»does not mean to subsume what is heard under a general concept; not merely to be able to identity the location of certain details within a logically superior schema. It means, rather, to think with one’s ears the unfolding of sounds in all their necessity. The ideal of structure and of structural listening is the ideal of the necessary unfolding of music from the individual to the whole, which in turn determines the individual.«13
Good listening, for Adorno, required utter focus and concentration: a sustained effort to explore the intellectual density of aesthetic material as a medium of sensory response, an effort to attend to what unfolds with necessity at the level of the senses. Far from intellectualizing the formal integrity of a given work, Adorno’s structural recipients understand how to reproduce and synthesize transient elements at once actively and involuntarily in their imagination. Their aim is neither educated appreciation and categorical understanding, nor meditative self-forgetting and distracted pleasure, but a form of insight that recognizes a work’s totality of relationships across time without eradicating the inherent temporality, the determined unfolding, of time-based art. The ideal of structural and critical reception, Adorno summarizes, »is one of insights, but not insight about art but the kind of insight which is art itself, as opposed to scientific insight: knowledge from within. Art works are things-in-themselves; they stand in for man’s reconciliation with things lost, with nature. The coexecution of music describes the subject’s successful self-externalization in face of matter that thereby becomes this subject’s own: the anticipation of a condition in which alienation would be nullified.«14
Adorno’s normative expectations for the attentive reception of time-based art could not be farther from what Anahid Kassabian has called the dominance of ubiquitous listening in our age of distributed subjectivity : highly distracted modes of listening that – like the roaming spectators of screen-based installation art today – dip in and out of existing acoustical environments, resample existing music through device manipulation or physical movement, and primarily consider musical structures as ambient background noise – as acoustical wallpaper that may help us to calibrate personal moods, yet which does not figure as something to which we really should or need to listen actively.15 Moreover, nothing might appear more mistaken than to resurrect the vestiges of structural listening and map them onto other modes of attending to time-based art today, least of all to spectators who navigate multiple screens amid installation spaces that no longer endorse the very idea and integrity of a work, neither know of a 13 Theodor W. Adorno, Kompositionen für den Film: Der getreue Korrepetitor, Frankfurt a.M. 2003, p. 184. 14 Ibid., p. 187. 15 Anahid Kassabian, Ubiquitous Listening: Affect, Attention, and Distributed Subjectivity, Berkeley 2013.
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work’s beginning and end, and thus obliterate the very idea of totality that once trained the structural recipient’s ability to focus, her ability to synthesize the transient as much as her determination to produce aesthetic insight in the first place. Artistic mediums, in Adorno’s work, might anticipate the reconciliation of nature and humanity, subject and object, in the form of a promise, but to communicate this promise they require spectators and listeners uniquely able to shut out context, to immerse themselves into a work’s self-contained logic and rationality, and not to blur prematurely the line between art and nature, biology and the man-made. In Adorno’s perspective, successful acts of aesthetic selfexternalization – the liquefying of what separates subject and object – require the recipient of art in sustained processes of utter concentration and synthesis to intend non-intentionality, something we cannot but fail to achieve if we simply drifted through pre-given media environments or considered installation contexts as media that produce the body as a body that perceives in the first place. While good art might promise the subject to overcome its own alienation from world and nature, what situates Adorno’s spectators of time-based art as structural listeners or viewers is their adeptness never to lose sight of the idea that artistic mediums – like technology – are centrally run and controlled by willful human subjects to serve certain goals, including the one of expanding and unsettling the human sensorium. Walter Benjamin’s theory of spectatorship, as developed in the his famous artwork essay, might at first be more promising to situate Frankfurt School thought amid today’s milieus of mobile spectatorship and concurrent aesthetic efforts to uncouple what we call medium from the privileged vista of human intentionality, cognition, and control. The reason is twofold and will barely require another extended rehearsal. First, Benjamin’s central concepts of timebased spectatorship, the notions of distraction and distracted attentiveness, describe physiological and somatic responses to moving images much more so than they are meant to register a cognitive slackening of concentration, i. e., the modern mind’s inability to synthesize the thought that may energize the structure of perceived image flows. Confronted with discontinuous and ballistic shocks of modern moving image production and dissemination, what turns Benjamin’s spectators into distracted ones is the fact that cinema imprints moving images onto their bodies and in so doing understands how to seize their senses as much as their minds. Seeing is thus defined not as an immobile and purely optical co–construction of structural synthesis over time, but as a haptic event. Distracted attention for Benjamin registers at the level of the body what history in Benjamin’s eyes in the mid 1930s requires most urgently : a regime of potent interruptions that cuts existing ties to past and present and opens new paths into the future with the dynamite of a tenth of a second. Second, and more important for our context here, however, is Benjamin’s effort to understand
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architecture as a model of film analysis, of absorbing and being absorbed by moving images in a state of distraction. »Tactile reception,« Benjamin writes, »comes about not so much by way of attention as by way of habit. The latter largely determines even the optical reception of architecture, which spontaneously takes the form of casual noticing, rather than attentive observation. Under certain circumstances, this form of reception shaped by architecture acquires canonical value. For the tasks which face the human apparatus of perception at historical turning points cannot be performed solely by optical means – that is, by way of contemplation. They are mastered gradually – taking their cue from tactile reception – through habit.«16
Architecture arranges distances and relations in space, calibrates movements and trajectories, and frames a user’s attitudes, perceptions, and moods. In Benjamin’s understanding, architecture denies distant, disembodied, synthetic, and totalizing modes of seeing: it produces or shapes the user’s body as a body that may perceive in the first place and it is best appropriated, not through structural contemplation or cognitive synthesis, but by means of attuning – unconsciously, as it were – the moving body to its volumes, shapes, rhythms, and passages. To inhabit something by habit is to encounter tasks, challenges, or obstacles without pursuing any sense of perceptual mastery or synthetic knowledge; it is to allow space to shape and modulate temporal perception and experience subjectivity as being constituted by and distributed across different contexts – contexts that like nature precede the perceiving subject’s willfulness. Though Benjamin’s theory of film spectatorship has often been read as a Brechtian exercise in criticality, its indebtedness to the model of architecture, and how architecture shapes absent-minded sensory habits, clearly point us somewhere else: toward an understanding of time-based art as a sculptural and often hybrid medium whose primary task is to modulate, moderate, and reshuffle the body’s sense of time in space, its rhythms, tempos, and temporalities, and to thereby produce viewers who join transformative political movements, not because their encounter with modern art persuades them to do so cognitively, but because time-based art has the power to reshape our very sensing of time and history, of anticipation and memory, of present and future. It is not surprising that Benjamin’s stress on the tactile qualities of modern spectatorship, on viewers who may be principally unfit to carry out structural viewing yet precisely therefore know how to embrace moving images as media of cultural experimentation and political intervention, has played a critical role in recent theoretical work on media aesthetics and questions of embodiment. Benjamin’s endorsement of the productivity of distraction, no doubt, has fig16 Walter Benjamin, »The Work of Art in the Age of Its Technological Reproducibility,« in: id., Howard Eiland/Michael W. Jennings (eds.), Selected Writings, vol. 3, Cambridge (MA) 2002, p. 120.
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ured much more centrally in recent work about aesthetic strategies of expanded cinema and the role of spectatorship between and beyond the black box and the white cube than Adorno’s modernist plea for concentrated, sustained, and synthetic reading, viewing, and listening.17 And yet, given the extent to which Benjamin based his notion of distracted attention and the architectural template of embodied spectatorship on his modernist understanding of film as a medium inherently coupled to experiences of trauma and shock – the discontinuous ruptures produced by filmic cutting and editing – there are good reasons to question any effort to directly transfer Benjamin’s conceptual apparatus to today’s roaming and self-directed viewers for whom screens only function as one element of a larger media environment. Even when encountering fast-paced cutting patterns on individual screens, in our milieus of ambient, mobile, and 24/7 image streams, there is little reason for critics to resort to modernist concepts of shock and traumatic disruption to describe the response of spectators to moving images per se. As much as we look at screens as architectural features, we also look through them and attach ourselves to what they represent; in this respect, today’s spectators increasingly experience their own moving bodies as cameras that – like long-take cinematographers – forage given mediascapes by means of continuous movements, no matter how discontinuous individual screen images might be. Screen-based environments might overwhelm certain pathways of our sensory systems and render sustained forms of attention ever more difficult. But to theorize this – in the gesture of the modernist critic – as an experience of shock and trauma, as a condition that fundamentally ruptures the very fabric of time and experience, misses the point. If the ballistic aspects of film form had caused Benjamin to embrace architecture as a model to analyze the tactile nature of modern and, as it were, post-aesthetic spectatorship, the fullfledged un-framing of moving-image culture today, its becoming ever-more sculptural and architectural, has come to mitigate the very ruptures Benjamin considered as film’s most revolutionary function, namely its ability to move art and the aesthetic beyond themselves and re-anchor them in the political.
3/ Neither Adorno’s concept of structural reception nor Benjamin’s particular notion of tactile viewing in a state of distraction, then, appear all too promising. On their own they can account neither for how mobile viewers navigate the 17 For a seminal account of the aesthetics and politics of expanded cinema since the 1960s, see Andrew V. Uroskie, Between the Black Box and the White Cube: Expanded Cinema and Postwar Art, Chicago 2014.
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resonating milieus of contemporary screen culture nor for how they may come to experience today’s time- and screen-based mediascapes as ecologies providing new relays between technology, art, and nature. And yet, instead of throwing Frankfurt’s baby out with today’s screen-saturated bathwater, let me first resort to J.M. Bernstein’s recent reevaluation of Adorno’s aesthetic theory in general, and of his late-modernist thoughts on the relationship of medium and nature, in order to then enrich Benjamin’s architectural model of viewership in such a way that it may hold some potential to address today’s resonant milieus of screen-based art after all. »The idea of an artistic medium«, Bernstein writes in his 2006 book Against Voluptuous Bodies, »is perhaps the last idea of material nature as possessing potentialities for meaning.«18 What Bernstein calls the nature of a medium is an art form’s material-specific potential for sense-making; it provides the quasi-transcendental condition for the possibility of artistic practice. For Bernstein, mediums are part of the world of human consciousness: a set of practices and ideas by which artists structure their material and subsume expressive visions to larger schemata. But mediums are also part of the world of nature. They are matter themselves. They provide embodied forms of engaging with inner and outer nature, and they offer models for how to reconcile the discursive demands of artistic technique with what is non-discursive about human intuition and sensory experience. Modern technology and rationalization may have resulted in a progressive dematerialization of human experience. Yet no matter how much twentieth-century aesthetic practice participated in this process of mechanization and abstraction, it is the very idea of the nature of the medium that allows art to perform a certain suspension, negation, or recalibration of what modernity is doing with and to nature. It is by taking recourse to what we might want to call the natural history of its mediums that art today may function as an effigy holding up the claims of sensory experience in spite of its factual dematerialization; it is by reflecting on the materiality of the medium itself, in all its historical constitution, that art even after modernism can seek, again in Bernstein’s words, »to rescue from cognitive and rational oblivion our embodied experience and the standing of unique, particular things as the proper objects of such experience, albeit only in the form of a reminder or promise.«19 According to Bernstein’s neo-Adornian theory, then, modern art communicates nature’s muted voice by allowing viewers at the level of sensory experience to explore its mediums in all their irreducible materiality. True to Adorno’s own modernist investments, Bernstein on the other hand has little to say about art 18 J. M. Bernstein, Against Voluptuous Bodies: Late Modernism and the Meaning of Painting, Stanford 2006, p. 75. 19 Ibid. p. 7.
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that, unlike modernist painting or music, may no longer engage simply one specific medium. Whether roaming or not, the viewers of today’s screen-based installation art, for instance, will often encounter materials that can neither be reduced to or associated with what the twentieth century considered a selfcontained medium. Yet instead of thus simply putting to rest the entire legacy of Frankfurt School thought, I see no reason why we can’t recalibrate Adorno’s and Bernstein’s triangulation of art, nature, and medium with the help of Benjamin’s notion of modern media art as a form of architecture, and of architecture as a kind of super-medium best inhabited through habit and in tactile encounters. Writing about the work of Carl Linfert in 1932, Benjamin emphasized the nonrepresentational and non-pictorial logic of architecture and architectural drawings: what matters is the sensory apprehension of physical structures (»das Durchspüren von Strukturen«), the sensory impact of built space on the viewer’s being and imagination, much more so than a viewer’s willful effort to see architecture from a detached point of view.20 Screen-based installation art today does nothing more and nothing less than to invite viewers to apprehend spatial volumes, shapes, and structures across time as much as to produce time by allowing moving-image environments to modulate the rhythms, to reroute the itineraries, and to serve as echo chambers of the perceiving body. Twentiethcentury juxtapositions of spectatorial activity versus passivity are of as little use to theorize this reciprocal apprehending of and being apprehended by media art’s space-time as older normative dichotomies pinning critical analysis against mindless consumption, distraction against absorption. Contrary to various assumptions, then, Adorno and Benjamin can be and remain helpful to conceptualize today’s screen-based art as an extra-ordinary site allowing artists and viewers to experiment with alternate ecologies of perception – with tactile modes of encountering a world in which mediation has become second nature and nature itself is no longer seen as void of mediation and technology. Installation art reckons with viewers for whom ongoing multiscreen interactions, the roaming through ambient mediascapes, and the compulsive connectivity and sleeplessness of 24/7 capitalism have become the norm. Its primary ambition is to provide models of navigating space in time that differ from how electronic media today regiment everyday movements, memories, and anticipations; its principal goal is to modulate the body’s sense of temporality, not by hitting viewers on the head and shocking their perceptual systems, but by constructing alternate mediaspaces that constitute the moving body as a perceiving body and enable this body to apprehend media technologies as if it 20 Walter Benjamin, »Strenge Kunstwissenschaft. Zum ersten Bande der ›Kunstwissenschaftlichen Forschungen‹«, in: id., Gesammelte Schriften, Hella Tiedemann-Bartels (ed.), vol. 3: Kritiken und Rezensionen, Frankfurt a.M. 1972, p. 368.
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indeed was liberated from their presumed mission simply to extend human bodies and serve instrumental purposes. At times, this art may slow down our movements through sculpted mediascapes, at times it might accelerate them. At heart, however, what it aspires to do is to set up dynamic ecologies of technology, media, and bodily motion that we may inhabit without fear and void of the pressures of goal-orientated action – architectures of time in which we, in the form of a promise, can experience drift in Benjamin’s term as habit and partake of moving image culture as a natural habitat powerful enough to challenge the imperatives of ceaseless self-management issued by 24/7 media societies today.
4/ »24/7,« writes Jonathan Crary, »presents the delusion of a time without waiting, of an on-demand instantaneity, of having and getting insulated from the presence of others. The responsibility for other people that proximity entails can now easily be bypassed by the electronic management of one’s daily routines and contacts. Perhaps more importantly, 24/7 has produced an atrophy of individual patience and deference that are essential to any form of direct democracy : the patience to listen to others, to wait one’s turn to speak.«21
Recalling and recalibrating the theoretical interventions of Adorno and Benjamin, we may theorize screen-based installation art today as an effort to unsettle the temporal regimes of 24/7 from within, not by making us turn our back toward the dominance of flickering screens in contemporary society, but by embracing ambient media to modulate the rhythms, routes, and tempos of today’s mobile spectators at the level of the body and to offer ecologies of perception in which our probing of durational commitments may push against the mandates of electronic self-management. Far more than simply a mall-like setting for self-directed and consumer-spectators, screen-based installation art installs different times and temporalities in space so that we, aesthetically as it were, partake of the muted voices of nature as embodied in installation art’s specific setup as an environmental and often essentially hybrid medium. It has the potential to invite viewers to let go of the hardened boundaries of strategic subjectivity. And in asking mobile spectators to assimilate the rhythms of their movement to other times and spaces, it reminds us of the power of patience, care, and non-hierarchical interaction. It is at this point that we can finally return to the three examples of moving image art briefly discussed at he beginning of this essay. Zischler’s probing of 21 Jonathan Crary, 24/7: Late Capitalism and the Ends of Sleep, London 2013, p. 124.
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non-human perception, Weerasethakul’s slowing down of cinematic recording, and Kluge’s view of nature as a cinematographic medium – none of these, of course, belong to the sphere of screen-based installation art. They still appear to rely on the stability of the frame and to address stationary viewers eager to take in single-screen or single-frame experiences. And yet, in their effort to redraw the lines between the natural world and the world of technology, in their ambition to stress the tactile qualities and spatial dimensions of visual perception, and in their desire to recalibrate the way in media record movement and temporal passage – all three anticipate and allegorize modes of seeing that no longer follow the stationary and optical templates of classical cinematic spectatorship. All three approach media as something whose materiality deeply matters, not only during the capturing of certain images, but in how images engage the entire sensorium of the human body. Seeing here vastly exceeds the operations of the eye, is experienced on and with the skin, is registered haptically from what no longer may count as a fixed point of view. What Zischler, Weerasethakul, and Kluge call image is as much in the viewer as the viewer is in the image. Zischler’s distorted views unhinge the humanistic legacy of central perspective, the tenets of which have largely informed both the construction of modern technologies of seeing and the critical apparatus of writing on still and moving images. Weerasethakul’s experiments with crude camera technologies and reduced recording speeds define relationships between cinematic machinery and the viewing body as coeval: a non-hierarchical process of physical and physiological transactions that exceeds traditional divisions of subject and object, perceiver and perceived. And Kluge’s dripping icicles envision the natural world as being deeply familiar already with processes of mediation, with technologies of imaging transient phenomena, typically associated with human affairs and interventions. In all three, technology and media are no longer constructed as instruments solely mediating human matters or structuring our relationship to nature. Rather, technologies and mediums emerge as something that defines and puts into motion the viewing body as a viewing body in the first place, as something whose operations are best understood with the help of how Benjamin’s architectural paradigm emphasizes the interdependence of habit and inhabitation, mobility and perception, material configurations and embodied passages. No longer the principle domain of Cartesian subjects, artistic mediums in all three projects are envisioned as environments incorporating bodies and machines – as ecological infrastructures in whose context spectators, at the level of aesthetic experience and in the Adornian form of a promise, glimpse what it may mean to yield to a world of media freed from any need of self-preservation and relentless temporal self-management. The Frankfurt School, then, may continue to matter on the matter of today’s modes of spectatorship, even if neither Adorno’s nor Benjamin’s respective
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thought on its own can account for how viewers may roam ambient mediascapes and yield to alternate architectures of time. It will, therefore, perhaps come as not much of a surprise that we can find one of the most potent examples of contemporary media ecology in the work of none other than Alexander Kluge himself. In a small text entitled »The Cosmos as Cinema«,22 Kluge recalls the work of French legal scholar and astronomer Felix Eberty who in 1846 – long before the invention of cinematography and Einstein’s theory of relativity – speculated about how traveling lightwaves in outer space may carry images of world history. We may think of earthly events, so Kluge, as a giant projector casting moving images into space in such a way that observers 217 light years away from Earth may witness crucial moments of the French Revolution (as long as they took place in plain sunlight). Eberty’s speculation leads Kluge to think of the universe as an all-encompassing universal cinema displaying everything that has ever happened without the strategic efforts of human cinematographers, projectionists, and spectators. This cinema’s images of different times and places, of deep history, may also flow around and through earth-bound humans, but due to the absence of appropriate screens and framing devices we lack the tools to read and decipher this cinema’s view of things. Kluge’s cosmic cinema, in fact, envisions media operations neither installed by nor aimed at human agents – a writing of light that is part of the natural world and could do entirely without human authors and viewers. And yet, though we cannot but fail to grasp its language, its riddles, and its effects on our pathways, this cinema of deep time always already lives in us as much as we live in and contribute to it. Like the mobile viewers of screen-based installation art, we are in this cinema’s images as much as its images are in us. Whether we know it or not, our bodies are produced and guided by its streams as much as their movements in space help generate and project them. We may never be able to see this cinema’s images as such, but we may allow our senses to inhabit them, to live with and move them, to probe how they may inhabit us and inflect our habits, to investigate how their extended temporalities may resonate with or own bodies’ and minds’ sense of time. To think, like Kluge, of the cosmos as a colossal movie theater, a media ecology exceeding the templates of chronological time, is to entertain the promise of a world without fear and traumatic discontinuity. A world in which nothing is ever lost. A world in which we no longer need to encounter nature and technology, space and time, as hostile and antagonistic.
22 Alexander Kluge, »Der Kosmos als Kino«, in: id., Geschichten vom Kino, Frankfurt a.M. 2007, pp. 44–47.
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Passagen-Werkstatt der Autoren. Benjamin – Adorno – Kluge
»Wenn man eine Enzyklopädie je neu schreiben würde,« sagt Alexander Kluge, dann müsse man sie »mindestens in sechs oder sechzehn Sprachen und in Dialekten gleichzeitig schreiben.«1 Womit er ganz im Geiste der Aufklärungsidee auf Vermittlung und Vermittelbarkeit von Wissen als die entscheidenden Bedingungen für die Emanzipierung des Menschen hinweist: »Man müsste sie in einer plebejischen Ausdrucksweise und in einer individuellen gleichzeitig schreiben. Und das Cross-Mapping davon, diese Differenz davon, ist die wirkliche Information und die Enzyklopädie, also die Spannung.« Der letzte Satz illuminiert eine zweite Ebene des Wissens-Projekts: Neben dem bildungsphilosophischen Impetus (und dem damit verknüpften Problem der Identität) wird auch ein epistemologischer Akzent gesetzt. Das sind die zwei Wesenselemente, die Kluges erzählerische Arbeiten neben ihrer ästhetischen Qualität zugleich als gesellschafts- und erkenntnisrelevant ausweisen und die im Folgenden näher betrachtet werden sollen. Dies allerdings nicht künstlich isoliert voneinander, sondern in ihrer Reziprozität. Und auch in Rückkopplung mit der spezifischen Ästhetik Kluges, deren einzelne Mittel auf drei Grundprinzipien von Raum, Zeit und Materie zurückgeführt werden können, die wiederum mit den genannten Stoßrichtungen korrelieren, sie gleichermaßen zu transportieren und umzusetzen suchen: Konstellation, Entschleunigung und Subjektivierung. Deren Wert erschöpft sicht nicht in Fragen nach dem Alleinstellungsmerkmal eines Künstlers. Ungeachtet dessen, dass Kluges Arbeiten zweifellos einen Wiedererkennungswert haben, greift die Stilfrage zu kurz. Auch die Idee der Konstellation ist nicht neu, Kluge selbst nennt wechselnde Vorläufer (mal Balzac oder Benjamin, mal Eisenstein oder Adorno), doch entwickelt er sie zu einer eigenen ästhetischen Darstellungsmethode. »Die einzelnen Phänomene, die sich beobachten und beschreiben lassen, sollen gerade ihr Eigenleben behalten. Sie sind primär und von sich aus nicht Instrument eines übergeordneten Sinnzu1 Aus einem persönlichen Thekengespräch mit Alexander Kluge am 27. April 2013 im »51« der Cin¦mathÀque franÅaise, Paris.
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sammenhangs.«2 In ihren wechselseitigen Beziehungen und in ihrer Eigenbewegung nehmen sie Gestalt an und werden begreifbar : »Oft stehen sie in Nachbarschaft, Konstellation oder Gegensatz, in Abstoßung oder Anziehung zu etwas anderem«, erklärt Kluge.3 Doch es gebe »auch Spannungsverhältnisse zwischen Einzelheiten, die gleichgültig gegenüber einem gemeinsamen Sinn bleiben, bloß Parallelen bilden.«4 Das ist gerade deshalb so wichtig zu erwähnen, um nicht den Eindruck zu erwecken, die Konstellationsidee sei nur friedensromantischer Kitsch. »Die lineare Erzählung«, so Kluge, »ist eine Ausnahme und eine Idee des 19. Jahrhunderts. Indem sie konsequent von A nach B, entlang eines roten Fadens erzählt, drückt sie alle Nebensachen weg, sie ist eine Hauptstraßen-, eine Autobahnstrategie.«5 Doch für den Autorenfilm des 20. Jahrhunderts gibt es nichts Minderwertiges: »Das Unwichtige ist genauso wichtig wie das Wichtige«6 – vor allem deshalb, weil es am Erkenntnisprozess teilhat, was die Asepsis der Resultatsaussage verschweigt (wo doch das Resultat ohne den Prozess und seine Nebenproduktion selbst nicht existieren würde). Weil es nun bei Kluge keine klassischen linearen Handlungen mit Kausalketten, Anfang und Ende gibt, ist das noch längst kein Abgesang auf eine Dramaturgie. Sie ergibt sich in Kluges Arbeiten durch die gravitative Spannung. Dramatisch genug ist die Sache selbst, es bedarf keines künstlichen Dramatisierens. Entscheidend ist, Auswege aus der schicksalhaften Handlung aufzuzeigen. Im editorischen Nachwort Rolf Tiedemanns zu Adornos unvollendet gebliebener, gleichsam bewusst nach einem konstellativen Darstellungsprinzip angelegter Ästhetischen Theorie wird aus Briefen Adornos zitiert, in welchen er sich zum Spannungsverhältnis von Inhalt und Form äußert: »[…] daß die einem Buch fast unabdingbare Folge des Erst-Nachher sich mit der Sache als so unverträglich erweist, daß deswegen eine Disposition im traditionellen Sinn, wie ich sie bis jetzt noch verfolgt habe (auch in der Negativen Dialektik verfolgte), sich als undurchführbar erweist. Das Buch muß gleichsam konzentrisch in gleichgewichtigen, parataktischen Teilen geschrieben werden, die um einen Mittelpunkt angeordnet sind, den sie durch ihre Konstellation ausdrücken.«7
2 Alexander Kluge, »Der Autor als Dompteur oder Gärtner«, in: ders., Personen und Reden, Berlin 2012, S. 25. 3 Ebd. 4 Ebd. 5 Alexander Kluge in: Jochen Rack, »Erzählen ist die Darstellung von Differenzen«, in: Neue Rundschau, Werkgespräch, Heft 1 / 2001. 6 Alexander Kluge, Bestandsaufnahme: Utopie Film. Zwanzig Jahre neuer deutscher Film / Mitte 1983, Frankfurt a. M. 1983, S. 437. 7 Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften, Rolf Tiedemann et al. (Hg.), Frankfurt a. M., 1970ff., Bd. 7, S. 541. Im Folgenden: AGS.
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Gegen Ende wird es Adorno immer bewusster, dass seine erarbeiteten Inhalte dermaßen im Widerspruch zu den bestehenden Formkonventionen der sie öffentlichmachenden Kanäle stehen, dass er als Autor notwendig darauf eingehen und selbige zur Not aufzusprengen muss: »Interessant ist, daß sich mir bei der Arbeit aus dem Inhalt der Gedanken gewisse Konsequenzen für die Form aufdrängen, die ich längst erwartete, aber die mich nun doch überraschen. Es handelt sich ganz einfach darum, daß aus meinem Theorem, daß es philosophisch nichts ›Erstes‹ gibt, nun auch folgt, daß man nicht einen argumentativen Zusammenhang in der üblichen Stufenfolge aufbauen kann, sondern daß man das Ganze aus einer Reihe von Teilkomplexen montieren muß, die gleichsam gleichgewichtig sind und konzentrisch angeordnet, auf gleicher Stufe; deren Konstellation, nicht die Folge, muß die Idee ergeben.«8
Ohne den Inhalt zu einem autonomen Wesen zu verklären, sieht es ganz so aus, als ob der sich weiterentwickelnde Stoff sich irgendwann selbst bewusst wird und notwendig aus dem logisch-deduktiven System ausbrechen muss. Mit Blick auf den dctp-Kosmos und die daran an- und eingebunden Medien gelangt man zur Feststellung, dass Kluge Adornos Ästhetische Theorie vollendet, indem er sie in die aus Prinzip unvollendete Form der multi- und intermedialen Endlosschleife überführt. Dies wird noch einmal verstärkt durch die Struktur Kluges Herausgeberfernsehens, welche so angelegt ist, dass die Macht der Redakteure erhöht und das Technische, Verwaltende auf ein Minimum reduziert ist.9 Damit gilt ein formuliertes Ideal aus Öffentlichkeit und Erfahrung als realisiert, nämlich »Stoffülle« statt »organisiertem Zeitmangel«,10 Substanz statt Programmatik. Hieran ist gut abzulesen, wie nicht nur der Künstler Alexander Kluge Theorie und Praxis verschränkt hat, sondern dass er ebenso als Rechtswissenschaftler, Bildungspolitiker oder TV-Produzent zu dieser Verwirklichung einer narrativen Erweiterung der Kritischen Theorie beigetragen hat. Für Adorno gilt es, »die Worte so um die neue Wahrheit zu stellen, daß deren bloße Konfiguration die neue Wahrheit ergibt.« (AGS 1, 369). Ein Paradoxon, das sich auch dann nicht gänzlich auflösen will, wenn man erkennt, dass es Adorno 8 Ebd. 9 »Das ›Herausgeberprinzip‹ sieht Fernsehsendungen analog zur Unabhängigkeit angesehener publizistischer Unternehmen. Die TV-Programme, die von den Fernsehtöchtern namhafter Verlage produziert werden, stehen in der Verantwortung, dem renommierten Namen gerecht zu werden und versprechen Qualität, solide Recherche und Information auf hohem Niveau. Die Sicherheit der nach dem Mediengesetz lizenzierten Sendezeiten der dctp wiederum erlaubt es den Verlagen, in gewohnter Unabhängigkeit ihren Weg in die TV-Welt zu gehen, ohne als individueller Direktzulieferer bei den privaten Fernsehsendern bei der Entwicklung ihrer Formate in kürzester Zeit unter (Quoten-)Druck zu geraten.« WebAdresse: www.dctp.de/herausgeberprinzip.html (Stand: 17. 07. 2014). 10 Oskar Negt/Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung, in. dies., Der unterschätzte Mensch, Bd. I, Frankfurt a.M. 2001, S. 477. Im Folgenden: DuM I.
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hier um Indirektheit gelegen ist, dass also die Kommunikation der Dinge selbst die Wahrheit verkündet. Schließlich deutet der Satz darauf hin, dass der Autor einer solchen Begriffskonstellation bereits zu einer »neuen Wahrheit« vorgedrungen sein muss. Andererseits ist es denkbar, dass er selbst auf dem Weg einer mehr oder weniger zufälligen Begriffskonstellation dorthin gelangt ist und nun bei der Aufgabe der Wissensvermittlung eine entsprechende Umkreisung zu arrangieren hat, was uns auf den Bildungs-Mehrwert des Prozess im Gegensatz zum Resultat bringt: Eigenes Nachvollziehen, eigene Auseinandersetzung, eigenes Sichhineinversetzen statt Dogmatismus und statt Erkenntnisreduktion durch die Resultatsform. Der Begriff drückt letztlich etwas Allgemeines aus, das die Mehrdimensionalität des Besonderen verschweigt. Das Begriffliche scheitert am Nichtidentischen (Ding an sich) wie es am Bewusstseinsvorgang des selbstbewussten Subjekts (intelligibles Wesen) scheitert – dem Unbegrifflichen. Ein vollständiges Erschließen erweist sich als unmöglich, ein herantastendes Erkennen dieser Universen wiederum scheint durch die Verwendung auch unbegrifflicher Werkzeuge und Zustände möglich zu sein – also etwa die Einbeziehung der Kunst in den Erkenntnisprozess. Dies immer unter Einbezug von Selbstkritik und der Transparenzleistung, die letztliche Unzulänglichkeit der Erkenntnis zu thematisieren. »Wozu dann Erkenntnis?«, könnte man fragen. Wozu Denken, wozu Wissenschaft, wozu Theorie? Adorno steht in der Tradition Kants, wenn er darauf aufmerksam macht, dass Denken und »Ding an sich« getrennte Bereiche sind. Ihr gemeinsames Ziel ist die Aussöhnung der Welt der Erscheinungen (Kant) bzw. Erfahrungen (Adorno) mit der Welt der Dinge an sich (Kant) bzw. des Nichtidentischen (Adorno). Der konstellative Erkenntnisprozess als allmähliche Annäherung (Adorno verwendet den sinnlich-mimetisch aufgeladenen Begriff des »Anschmiegens« [AGS 6, 24]) an etwas, das wir Wahrheit nennen, verkörpert eine soziale Idee: Ein Verstehen im Sinne von Verständigung. Erst das »Eindeutige und Feste mit dem Vieldeutigen und Verfließenden« (AGS 11, 34) zusammen führe zu vertrauenswürdigen Aussagen, wie Adorno schreibt. Kluge als Vermittler und Versöhner zwischen zwei gegeneinander kämpfenden Sphären bringt begriffliche Schärfe und mimetisches Gefühl zusammen, verbindet Begriff und Anschauung, Philosophie und Kunst, Diskurs und Parataxe, Theorie und Praxis und wiedervereint dabei auch Ratio und Emotio der Vernunft. So lange erzählen, so lange einkreisen, »[…] um sozusagen die Gravitation zu spüren, die in einem Gedanken, einer verdichteten Haltung steckt. Und dies jetzt für die Kritische Theorie zu machen, würde u. a. bedeuten, dass Sie bei Walter Benjamin, bei seinem Passagen-Werk, überlegen: Wie können wir, meinetwegen, ausgehend vom 21. Jahrhundert das 20. Jahrhundert in eine Inventarliste, so wie das Passagen-Werk das ja macht mit dem 19. Jahrhundert,
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kleiden? Wie können wir vom 22. Jahrhundert aus, das ja mit Gewissheit irgendwie kommt, das 21. Jahrhundert bereits im Vorgriff, weil wir im Grunde das Bedürfnis haben, schnell zu sein, einfangen?«11
Nur eine Ästhetik des Lumpensammlers ist imstande, die Welt noch einmal authentisch zur Darstellung zu bringen. Die ästhetische Akzeptanz all ihrer Widersprüche, ihres Schönen und Hässlichen, Spannenden und Langweiligen, bereitet die außerästhetische »Anerkennung« (Axel Honneth) vor. »Ich halte so lange an dem Wahrheitsanspruch eines Begriffs fest«, erklärt Negt in einem Interview mit Kluge, »bis er von sich aus sagt: ›Ich bin nicht die ganze Wahrheit. Ich muss einen weiteren Begriff, einen weiteren Erfahrungszusammenhang aufnehmen.‹«12 Der Begriff muss so lange durchgearbeitet werden, theoretisch und logisch wie ästhetisch und spielerisch, bis er beginnt, sich an seinen Rändern dermaßen zu weiten, dass er in einen nächsten Begriff übergeht – und so also auf das hinweist, was außer ihm noch existiert: »Man muss jeden Gedanken 17 Mal erzählen, so wie das im Talmud auch üblich ist, also gewissermaßen einen Kreis machen um das, was unaussprechbar ist«, erläutert Kluge.13 Das bedeutet also, dass die Konstellationsmethode tatsächlich ein Erkenntnismittel darstellt, weil in ihr erstens der Begriff umfangreich – mit analytischer Ernsthaftigkeit wie mit spielerischer Leichtigkeit – verifiziert wird, zweitens das Identische sowohl auf ein konkretes, ausgeschlossenes Nichtidentisches hinweist, und somit drittens überhaupt auf das Mehr an Welt. Die Konstellation ist so nicht nur ein Epistemologe, sondern auch ein Kommunikator, ein Vernetzer : Sie vermittelt zwischen den Begriffen, zwischen Identischem und Nichtidentischem, zwischen Bekanntem und Fremdem. An diesem Punkt wird die gesellschaftsrelevante Dimension von kritisch-theoretischen Überlegungen ersichtlich. Das Benjamins Passagen-Werk zugrundeliegende Prinzip – »Ich habe nichts zu sagen. Nur zu zeigen«14 – gilt somit gleichermaßen für Kluge, dessen Werk kulturelle Bildungsarbeit leistet, ohne normativ oder moralisierend zu sein. In seiner Laudatio auf den Heine-Preis-Empfänger Kluge versucht Anselm Kiefer dessen Prinzip des Sammelns zu identifizieren: »Wie Duchamps benutzen Sie objets trouv¦s, aber Sie gehen darüber hinaus. […] Duchamps stellt das Pissoir ins Museum und behauptet, dass es nun ein Kunstwerk sei. Sie behaupten
11 12 13 14
Kluge, Thekengespräch. Siehe Anm. 1. »Was heißt NICHTS? Oskar Negt berichtet«, Primetime/Spätausgabe, 15. 08. 1999. Kluge, Thekengespräch. Siehe Anm. 1. Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, Rolf Tiedemann et al. (Hg.), Bde. I–VII, Suppl. I–II (17 Bde.), Frankfurt a. M. 1972–1999 bzw. rev. Taschenbuch-Ausgabe, Bde. I–VII (14 Bde.), Frankfurt a.M. 1991, hier V.1, S. 574. Im Folgenden: BGS.
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nichts.«15 Anders als die euphorische Botschaft des Ready-made, dass ein jeder ein Künstler ist, gibt es bei Kluge kein Künstler-Subjekt. Gewiss aber ein Subjekt, nur, dass es sich nicht für so wichtig hält. Die Rolle des Autors interpretiert Kluge nicht als Schöpfer oder Designer, erst recht nicht als Dompteur, sondern, um in den Kluge-Metaphern zu bleiben, als Geburtshelfer und Gärtner : »Man betreibt in meinem Sinn also nicht Montage aus der Lust der Zerstückelung, sondern aus Achtung davor, dass etwas von sich selbst wächst.«16 Die Gartenarbeit versteht sich also als eine englische, nicht eine französische. Künstlerische Mittel, konkret etwa das Verfremdungsverfahren als Reflexionsstimulanz oder eben die Montage, dienen zur Thematisierung und Kontrastierung der eklatanten Widersprüchlichkeit von Realwelt und Möglichkeitswelt bzw. der unerfüllten Bedürfnisse und Wünsche ihrer Individuen. Der Mensch ist nicht eindimensional – er erscheint nur so, weil er aufgrund mangelnder Organisation und mangelnden Ausdrucks seiner Eigenschaften seine Mehrdimensionalität gar nicht auszudrücken imstande ist.17 Den Begriffen und Tatsachen, dem übermächtig erscheinenden Schicksal begegnet Kluge nun mit einer Entmystifizierung durch sein narratives Entcodierungsverfahren. »Ohne Zeit und rasante Zeitbeschleunigung zu unterbrechen«, schreiben Kluge und Negt, »ist lebendige Erfahrung von Gegenwart nicht möglich.« (DuM I, 753). Es bietet sich an, die russischen Formalisten heranzuziehen: »Um für uns die Wahrnehmung des Lebens wiederherzustellen, die Dinge fühlbar, den Stein steinig zu machen, gibt es das, was wir Kunst nennen. Ziel der Kunst ist es, uns ein Empfinden für das Ding zu geben, ein Empfinden, das Sehen und nicht nur ein Wiedererkennen ist. Dabei benutzt die Kunst zwei Verfahren: Verfremdung der Dinge und Komplizierung der Form, um die Wahrnehmung zu erschweren und ihre Dauer zu verlängern. Denn in der Kunst ist der Wahrnehmungsprozeß ein Ziel in sich und muß verlängert werden.«18
Wie kann schließlich, fragt Adorno, die Philosophie »über den Begriff durch den Begriff«(AGS 6, 27) hinausgelangen, wenn nicht durch die Kunst und ihre Eigenschaft, in ihren Aussagen ohne Begriffe auskommen zu können? Umgekehrt aber bedürfe auch die »Kunst der Philosophie, die sie interpretiert, um zu sagen, was sie nicht sagen kann, während es doch nur von Kunst gesagt werden kann, indem sie es nicht sagt.« (AGS 7, 113). Die Begriffe begrenzen aber deshalb nicht nur theoretische Analyse- und Darstellungsmöglichkeiten, sondern sie haben 15 Anselm Kiefer in seiner Laudatio auf den Heinrich-Heine-Preis-Empfänger Alexander Kluge am 13. 12. 2014 im Düsseldorfer Schauspielhaus. Eigene Notizen. 16 Ebd. 17 Vgl.: DuM I, S. 523, Fußnote 7. Kluge bzw. Negt erweitern hier also Marcuses These. 18 Viktor Shklovskij, »Kunst als Verfahren«, in: Jurij Striedter (Hg.), Russischer Formalismus. Texte zur allgemeinen Literaturtheorie und zur Theorie der Prosa, München 1971, S. 14. Zit. n. einer Wand im Tübinger »Studio Literatur und Theater«.
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auch eine Öffnungsfunktion, weil sie Gemeinsames stiften, wenn sowohl Theorie als auch Kunst auf sie zurückgreifen. Der kalten Information stellt Kluge die warme Narration zur Seite, um den Kontakt zur Sache (wieder)herzustellen. Dass eine solche medienkritische Position der Verlangsamung und Wiederholung in Variation zugleich auch eine erkenntniskritische ist, dürfte deutlich sein. Kluges Kunst der Unterbrechung muss somit auch eine analytische Kompetenz zugesprochen werden. »Dinge, die an sich wie eine Rohstoffmasse uns umgeben und uns nicht verständlich sind,« können wir uns »aneignen«, uns »vertrauter« machen, indem sie durch »Erzählfäden« verbunden werden.19 Die konstellative Narration also besitzt, wenn man ihre theoretischen Grundlagen zu Ende denkt, eine zweifache Bildungskompetenz. Sie vermittelt nicht nur in ihren Inhalten Wissen und Erfahrung, sondern ist zusätzlich in ihrer Rezeptionsweise bildend. Sie stattet den Rezipienten (zumindest potenziell) aus mit Unterscheidungsvermögen, affiziert Kritikfähigkeit und Selbstbewusstsein – basale Definitionsmerkmale von Mündigkeit und Emanzipation. Kluge erweitert das Ausdrucksfeld von Philosophie bzw. Kritischer Theorie, indem er sie aus ihrer akademischen wie disziplinarischen Isolation befreit: »Man kann nicht versuchen, in Hochsprache Philosophie allein einzufangen. […] In der Hinsicht ist also die Begleitung von Philosophie und die Vernetzung von Philosophie mit Erzählung mehr als die Beispiele zur Philosophie.«20 Kluges Projekt ist deshalb nicht mit der romantischen Idee einer künstlerischen Veranschaulichung von Wissen zu verwechseln. Als den Vorreiter »in der Aufgabe, das Unerzählte, die gewaltigen Stoffe, die es objektiv gibt, der Formenwelt des Poetischen, des Erzählbaren, der Theorie, gegenüberzustellen«, würdigt Kluge »Walter Benjamin in seinem PassagenWerk«.21 In Kluges Augen erscheint dieses nicht nur als eine »theoretische Arbeit«, sondern zugleich als »einer der kühnsten Romane«. Das, was Benjamin mit dem 19. Jahrhundert auf außergewöhnliche Weise unternimmt, nämlich eine konkrete und kommentarhafte Darstellung von Geschichte und Wirklichkeit,22 setzt Kluges Erzählprojekt in ähnlicher Manier mit dem 20. und noch jungen 21. Jahrhundert fort. Insofern: Passagen-Werkstatt der Autoren.23 »Wenn 19 Vgl. Alexander Kluge, »Die Wirklichkeitsmassen, die auf ihre Erzählung warten«, in: ders., Theorie der Erzählung. Frankfurter Poetikvorlesungen, Berlin 2013, DVD II. 20 Kluge, Thekengespräch. Siehe Anm. 1. 21 Ebd. 22 Vgl. (u. a.): BGS V, 1086. Brief an Scholem vom 23. 04. 1928. 23 Kluge spricht z. B. von einer Begebenheit, die »in Fortsetzung dessen, was Benjamin längst schreibt darüber, was ihn interessiert hätte, zu erzählen wäre« und in einem anderen Bezug von einem »Passagen-Werk von heute«. Vgl. Kluge, »Die Wirklichkeitsmassen, die auf ihre Erzählung warten«.
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wir mit den Stoffmassen des 21. Jahrhunderts umgehen wollen,« müssen wir »gravitativ erzählen«.24 Im Kampf gegen die faschistische Besetzung der Kunst, also eine Ästhetisierung des Politischen, greifen etwa Benjamin und Brecht zur Waffe der Politisierung der Kunst. Ästhetischer Widerstand gegen außerästhetische Wirklichkeit ist ja immer zugleich auch ein außerästhetischer. Sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse sollten ästhetisch gespiegelt werden, sollten noch einmal erzählt werden, um sie aufnehmen, verarbeiten zu können (»Literarisierung aller Lebensverhältnisse« [BGS II.2, 694]). Ein solch kolossales Projekt bedarf einer Vereinigung der Künste und ihrer Autoren. Wie aber können diese überhaupt erreicht werden? »Ein Autor, der die Schriftsteller nichts lehrt, lehrt niemanden. Also ist maßgebend der Modellcharakter der Produktion, der andere Produzenten erstens zur Produktion anzuleiten, zweitens einen verbesserten Apparat ihnen zur Verfügung zu stellen vermag. Und zwar ist dieser Apparat um so besser, je mehr er Konsumenten der Produktion zuführt, kurz aus Lesern oder aus Zuschauern Mitwirkende zu machen imstande ist.« (BGS II.2, 696. Hervorh. gem. Orig.).
Legt man diese benjaminsche Schablone nun auf die Hauptperson dieses Jahrbuchs, so formen sich die klugeschen Merkmale: Verlag/Film/Fernsehen der Autoren, Kollektivfilm, Autorenkollektiv, Autorenwerkstatt, »dctp variety«. Diese »Werkstatt der Autoren« stellt ein Projekt versammelter Künstler, Wissenschaftler und Journalisten zur politischen Bildung – nicht nur (wie zahlreiche Übersetzungen, Untertitel und internationale Kooperationen belegen), aber gerade – Deutschlands dar. Hier wird eine kulturelle Öffentlichkeit her- und bereitgestellt, die den Kulturbegriff so weit ausdehnt (durch Inklusion, nicht durch Abstraktion), dass sie Künstler und Nicht-Künstler, Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler zusammenbringt, und die angelegt ist, in eine kritische Öffentlichkeit aller überzugehen. Aus einer Öffentlichkeit an sich muss eine Öffentlichkeit für sich werden: Es herrsche eine »gestörte Subjekt-Objekt-Beziehung« zwischen den sich antagonistisch gegenüberstehenden Gesellschaftsschichten, die allerdings nur teilweise »auf ideologischer Verzerrung und Verzerrung der Wahrnehmungsstruktur« beruhe (DuM I, 667). Darüber hinaus sei sie nämlich nur »objektiv vermittelt«, als etwas Äußeres, Undurchdringbares, weil die »Berührungsfläche in den Klassenbeziehungen punktuell und partiell ist«, indem die »Lebenszusammenhänge« nur »über die Abstraktion des Kapitalverhältnisses« bestimmt werden und nicht über »wirkliche Berührung wesentlicher Elemente«, nicht wirklich zwischen-menschlich (DuM I, 667). 24 Vgl. ebd.
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Kluges multisensorische Arbeiten versuchen, das menschliche Wahrnehmungssystem wiederzuvereinen, welches durch die spezialisierten Verwertungsinteressen des Marktes ebenso arbeitsteilig getrennt erscheint wie die Einzelwissenschaften in den Universitäten.25 So komponiert er eine moderne Oper inter- und transdisziplinärer Kooperation. Dass sich die Einzelwissenschaften historisch komplex gebildet haben, sich spezialisiert haben, wird nicht versucht zurückzunehmen. Das Problem ist der eklatante Mangel an Rückkopplungen sowohl zwischen den Fachbereichen als auch zu gesellschaftlichen Zusammenhängen. Als Gegensteuerung zum notorischen Abgrenzungsdrang sollen Erfahrungen und Perspektiven gewechselt werden, Wissen zusammengetragen und zusammengearbeitet werden. Mit der Philosophie nicht eines Ganzen, sondern eines Allzusammenhangs vereint Kluge scheinbar entlegendste Punkte wie Astronomie und Wirtschaftswissenschaften, Philosophie und Physik, Literatur und Mathematik zu einem verknüpfenden Denken. Diese Strategie entspricht dem Insistieren der Kritischen Theorie auf Interdisziplinarität und Methodenpluralismus: »An die von der wissenschaftlichen Arbeitsteilung befohlene Trennung der Disziplinen konnte eine Absicht nicht sich halten, welche nicht den Inbegriff oberster Allgemeinheiten, sondern die Konstellation konkreter Momente aufsucht, die zur Wahrheit zusammentreten. Motive der Ästhetik, der Geschichts- und Gesellschaftslehre, der Psychologie verbinden sich mit kompositionstechnischen, musiktheoretischen und musikkritischen Analysen, so wie die innere Entfaltung des Gegenstandes es verlangt, ohne Rücksicht auf die departementalen Grenzen.« (AGS 13, 506).
Die Aufgabe von Theoriearbeit sehen Kluge und Negt entsprechend in der (Wieder-) Verknüpfung auseinandergerissener Einzelheiten.26 Die Methodik des Autorenduos setzt sich dabei insbesondere aus dreierlei zusammen. Erstens: Kritik. Genauer : »›radikale Kritik des Bestehenden‹« (DuM II, 481), die nicht nur Äußeres, Fertiges, Totes, sondern auch Inneres, Unfertiges, Pulsierendes wahrnimmt. Ein tieferer, sensibler Blick als jener der Empirie: Latentes, im Prozess befindlich Werdendes, also kein fertig Seiendes, sondern zur Realität drängende Tendenzen und Potenziale, d. h. Gefühle, Phantasie, Eigensinn. Wir haben es hier also mit einer zweischichtigen Theorie von Wirklichkeit zu tun, einer erscheinenden und einer verborgenen. Zweitens: Antizipation. Bestehendes mit dem, was objektiv möglich ist, konfrontieren, um zwischen gerechten und ungerechten Realzuständen objektiv unterscheiden zu können, die Mittel zur Berichtigung aufzuzeigen und auf eine solche hinzuarbeiten. Das Maß gibt Kant vor: »Nachdem Mündigkeit eine reale 25 Vgl. DuM I, S. 502ff. 26 Vgl. Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, in: dies., Der unterschätzte Mensch, Bd. II, Frankfurt a.M. 2001, S. 480–485. Im Folgenden: DuM II.
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Möglichkeit menschlichen Verhaltens geworden ist, werden alle Versuche, sie zu verhindern, von Kant als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet.« (DuM II, 482). Drittens: Orientierungshilfe. Die theoretische Arbeit muss »messbar«, also verständlich und praxistauglich sein. Hierzu bedarf es einer Liaison von Theorie und Wirklichkeit: »Der Gebrauchswert liegt in dem Verhältnis von Zusammenhang und Kontinuität.« (DuM II, 483). Hier geht es jedoch nicht um Fragen der Umsetzung oder Übertragung von Theorie in Praxis oder umgekehrt: »Es ist […] nicht die unmittelbare Praktikabilität, die der Theorie fehlt, sondern was ihr mangelt, ist gerade die Distanz zur unmittelbaren Praxis, der bewußte Arbeitsprozesse schafft.« (DuM II, 485). Theorie soll Berührungsflächen aufzeigen, um Kooperationsarbeiten und neue vereinte Projekte in der Praxis anzuregen. Kluges Kunstwerke verfolgen diese Punkte und stellen ein ideales Material zur Weiterverarbeitung dar, ja Kluge stellt seine Texte dermaßen frei zur Verfügung für Projekte anderer, dass Copyright und geistige Besitzansprüche als überholte Denkweisen erscheinen.27 Die Senkung der Ich-Schranke, die Verbindung zu Geistesgrößen und die Arbeit im Autorenkollektiv zeichnen, wie gezeigt wurde, Kluges Haltung und Arbeitsmethode aus. Öffnung aller Wissenschaften zur Seite und nach »unten«, Kooperation im Denken wie im Handeln für Fragen, die wirklich von Bedeutung sind. Denn: »The best minds of my generation are thinking about how to make people click ads«, lautet eine ernüchternde Generationsanalyse von Jeff Hammerbacher, dem ehemaligen »Head of Data« bei Facebook.28 Kann das dem »vernunftbegabten Tier« genügen? Im Gespräch mit Kluge sagt der französische Philosoph Bernhard Stiegler : »Mathematik nimmt immer mehr an Macht zu und es ist sehr, sehr wichtig, die Mathematiker zu überzeugen, dass sie mit uns zusammenarbeiten – und nicht mit den Märkten.«29 Er appelliert an den »echten Mathematiker«, der sich ja »für das Ideelle« interessiere, sprich »für das, was nicht existiert, also für das Einzigartige, die Singularität«, das Noch-Nicht und das Besondere. Stattdessen aber sei die mathematische Forschung korrumpiert und betreibe »spekulativen Kapitalismus«: »Die besten französischen Mathematiker«, beklagt er, »sind die wichtigsten Zulieferanten für Finanzsoftware in 27 Theaterprojekte, Übersetzungsprojekte etc. Vgl. u. a. Kluges verlagsinterne Korrespondenzen im Siegfried Unseld Archiv, DLA Marbach (exemplarisch: Kluges Briefwechsel mit Helene Ritzfeld, Peter Suhrkamps erste Mitarbeiterin bei der Verlagsgründung 1950; HS008881920 u. HS008881920). 28 Zit n.: Ashlee Vance, »This Tech Bubble is Different«, in: Bloomberg Business, 14. 04. 2011, Online Publikation www.bloomberg.com/bw/magazine/content/11_17/b4225060960537.htm (Accessed 05. 06. 2015) 29 »Alchemie des Denkens. Bernhard Stiegler : Was heißt Aufklärung im 21. Jahrhundert?«, 10 VOR 11, 04. 08. 2014, Web-Adresse: www.dctp.tv/filme/alchemist-denken-10vor11-04082014 (Stand: 19. 09. 2014).
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der amerikanischen Wirtschaft geworden. […] Man muss das ändern. Die wesentliche Frage für die kommenden Jahre ist, wie wir einen neuen Zweck, neue Ziele für das Wissen definieren können.« Kluge betreibt mit großer Beharrlichkeit eine Öffnung der Wissenschaften, der Philosophie und der Künste jedoch nicht nur zur Seite, sondern auch entschieden nach unten. In einer Arno Schmidt gewidmeten Geschichtenreihe, die in Blog-Form erschien, verrät Kluge sein bedauerlicherweise unverwirklicht gebliebenes Vorhaben, das Sortiment Bahnhofsliteratur zu bespielen, um aus elitären Dichterkreisen auszubrechen und ein breites Publikum zu erreichen: »Ich selbst hatte den Fimmel, daß wir Schreibenden das Feld der Bücher verlassen und uns auf Groschenhefte konzentrieren sollten. […] Die Speerspitze der Literatur (›aus dem Geiste der Philologie‹) in Form der Groschenhefte blieb Idee.«30 Nichtsdestotrotz verfolgt sie einen starken Gedanken und hat sich in anderen Formen und Medien verwirklicht, ist von benjaminscher Überzeugung: »Die bedeutende literarische Wirksamkeit kann nur in strengem Wechsel von Tun und Schreiben zustande kommen; sie muß die unscheinbaren Formen, die ihrem Einfluß in tätigen Gemeinschaften besser entsprechen als die anspruchsvolle universale Geste des Buches in Flugblättern, Broschüren, Zeitschriftenartikeln und Plakaten abbilden. Nur diese prompte Sprache zeigt sich dem Augenblick wirklich gewachsen.« (BGS IV.1, 85).
Benjamin fordert hier, in der Einbahnstraße, eine neue Rolle des Autors, die des »Produzenten« in ihm: Er soll31 werkextern politisch auftreten, soll in seiner Werkstruktur Veränderung vorleben und möglichst gar die Kultureinrichtungen modifizieren.32 Der Begriff der Produktion wird hier dem der Reproduktion als »Gegenproduktion« entgegengesetzt. Der Wille zur Wirklichkeitsveränderung staut sich bei Kluge nicht in bloßem Boykott. Er verfolgt eine konstruktive AntiHaltung, die etwas anbietet. Bestehende Verhältnisse sind wohl am ehesten infiltrativ zu verändern, indem echte Formvielfalt geboten wird, die Existenz anderer Möglichkeiten veranschaulicht wird. Man darf die Masse nicht aufgeben, wenn man Wirklichkeit verändern will, sondern muss bei ihr bleiben auch »wenn sie irrt«.33 So rechtfertigt sich das Bespiel der Privatkanäle, so die Entwicklung von Multi-Touch-Books für Apple-Endgeräte. Wie dem Bestand des Suhrkamp-Archivs im Deutschen Literaturarchiv in Marbach zu entnehmen ist, hatte Kluge Ende der 70er den nicht nur ambitio30 Alexander Kluge, »Folge 1: Meine Begegnung mit Arno Schmidt«, in: ders., 20 Geschichten für Arno Schmidt. Ein Gruß zum 100. Geburtstag in 10 Folgen, in: Logbuch: Deutschsprachige Literatur heute,13. 01. 2014, Web-Adresse: www.logbuch-suhrkamp.de/forum/alexanderkluge-20-geschichten-fuer-arno-schmidt (Stand: 18. 01. 2014). 31 Das »soll« ist aus der existenziellen Lebenslage Benjamins heraus zu rechtfertigen. 32 Walter Benjamin, »Der Autor als Produzent« (Vortrag 1934 in Paris), in: ders., Versuche über Brecht, Frankfurt a. M. 1978, S. 101 u. 106–107. 33 Kluge in: Matthias Matussek, »Die Feier des Partisanen«, in: Der Spiegel, 18/2008, S. 170.
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nierten, sondern bereits recht ausgefeilten Plan, ein riesiges Kollektivprojekt der Schriftsteller und Journalisten zu begründen und konnte dies seinem Verleger Siegfried Unseld auch überzeugend vortragen, der seiner Kollegschaft berichtet: »Er entwickelte sofort einen Plan: ihm ging es um die Gründung einer Autorenwerkstatt« mit dem Ziel, eine »›Chronik der laufenden Ereignisse‹« zu erstellen.34 Die wichtigsten Persönlichkeiten, die die damalige Gegenwart entscheidend geprägt haben, sollten in Interviews zu einer solchen Zeitspiegelung aufgesucht werden (genannt werden etwa Ernst Jünger, Helmuth Plessner, Herbert Marcuse und Gershom Scholem). Zu einer Realisierung dieser Idee kam es damals zwar nicht, doch hat sie da ihren Ausgangspunkt genommen, reifte, und hat sich, wenn man sich seine unzähligen Interviews mit den interessantesten Künstlern und Wissenschaftlern unterschiedlichster Couleur für die dctp vor Augen führt, heute in überwältigender Vielfalt verwirklicht. Nun mag es zweifellos Namen geben, die zu einem engeren »Kluge-Kreis« gehören, aber das hat nichts Exklusives oder gar Mythisches (wie etwa bei George), sondern es existiert ein expandierendes kooperatives Geflecht aus autonom arbeitenden Künstlern, Wissenschaftlern und Journalisten als deren Netzwerker und Konzentrationspunkt Alexander Kluge ausgemacht werden kann. Ja es gibt sogar ein eigenes Kapitelnetz auf dem Web-Portal, das die »Werkstatt der Autoren« heißt. Und in dieser Nachrichtenwerkstatt, wie dort zu erfahren ist, arbeite man »mit allen Partnern an der Aufhebung der Trennung zwischen Tatsachen, Musik, Vernunft und Emotion.«35 Die Erfahrung der Welt ertönt in polyphonen Kooperationen: »Unser Orchester aus ›Spiegel-TV‹, ›Stern-TV‹, ›NZZ Format‹, ›Süddeutsche TV‹, ›National Geographic Explorer‹, ›PM Reportage‹, den BBC-Formaten und meinen Kulturmagazinen bringt einen Kammerton eigener Art ins Fernsehen ein.«36 Das ist ein nicht zu unterschätzendes Bollwerk an Institutionen und Köpfen, die da Kluge um und hinter sich versammelt hat. Zeitweilig gehörten auch die International Herald Tribune und Die Zeit dazu.37 Und es ist noch längst nicht zu Ende gedacht: »Mit der Verlagsgruppe Handelsblatt stehen wir im Kontakt. Darüber hinaus würden wir gerne mit der ›FAZ‹ zusammenarbeiten. […] Wir hoffen, über eine befreundete
34 Aus dem verlagsinternen Reisebericht von Siegfried Unseld vom 15. – 19. 06. 1979. Vgl.: SUA / DLA Marbach, HS008881920. 35 Siehe: Alexander Kluge, Werkstatt der Chroniken, Web-Adresse: www.dctp.tv/filme/newsstories-09092012/ (Stand: 05. 06. 2015) 36 Kluge in: Sabine Schlosser, »Der Zuschauer wird oftmals unterschätzt«, Interview mit Alexander Kluge, in: MEDIEN HORIZONT 6 (2002), zit. n.: www.kluge-alexander.de/zurperson/interviews-mit/details/artikel/der-zuschauer-wird-oftmals-unterschaetzt.html (Stand 05. 06. 2015). 37 Vgl. »Nachruf auf Adolf Theobald«, Web-Adresse: www.magazin.dctp.tv/2014/09/04/nach ruf-auf-adolf-theobald/ (Stand: 04. 09. 2014).
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Lizenz als Fensterprogramm in Paris on Air zu gehen. Auch an der Brücke zu New York bauen wir fleißig.«38 Kluges Wille zur Kooperation ist die konsequente, praktische Umsetzung der theoretisch reflektierten und ästhetisch realisierten Idee der Konstellation. »Die ganze Welt« sei, und hierbei zitiert Kluge quasi Habermas, »subjektivobjektiv vermittelt«.39 Auch stimmt Kluge mit diesem überein, dass das Verhältnis zur objektiven Wissenschaft nicht ein instrumentelles sein darf, sondern von kommunikativer Wechselseitigkeit geprägt sein soll: »Es sei notwendig, reziproke Annäherungsverhältnisse, wie sie dem Ich-Du-Verhältnis der Sprache entsprechen, auf die Welt als Ganzes zu projizieren.«40 Adornos Subjektbegriff ist dualistisch, dessen beiden Ebenen verwachsen: Sowohl das Besondere des einzelnen Menschen als auch das Bewusstsein von der Existenz anderer Subjekte bzw. das Bewusstsein einer universalistischen Verbindung all jener ist hierin enthalten (AGS 10.2, 741–742). Einer festen Zuschreibung des Subjektiven wie des Objektiven verwehrt sich Adorno aus Prinzip – und Kluge tut es ihm gleich: Das Ding an sich, also konkret: Leben, ist so wertvoll, dass es »Priorität« habe »vor aller Definition«, denn diese sei nur »soviel wie ein Objektives, gleichgültig, was es an sich sein mag, subjektiv, durch den festgesetzten Begriff einzufangen. Daher die Resistenz von Subjekt und Objekt gegens Definieren.« (AGS 10.2, 742). Der einzelne Begriff ist hierarchisch, indem er anordnet und unterordnet. Konstellatives Denken will nicht ergreifen, will nicht besitzen, sondern sich sozusagen in friedlicher Absicht und aus Neugier annähern. Ein Verstehen, das sich vom Besitzenwollen befreit hat, das kein Eigentum am Anderen beansprucht. Wirkliches Verstehen, ohne das Zuverstehende in seiner Freiheit zu beschränken, ist demnach nur durch Reflexionsleistung bzgl. der wechselseitigen Beziehungen, kurz: durch Konstellationen, möglich.41 Dies erhellt sich, wenn man auf Adornos Objektbegriff blickt. Er spricht zwar von einem dem Subjekt entgegengestellten, nicht aber einem ihm deshalb widersprechenden, einem es negierenden Objekt. Wir haben es also mit einer Form der »Kommunikation« zu tun, und zwar »des Unterschiedenen« (AGS 10.2, 743). SubjektObjekt ist kein Gegensatz-, sondern ein Beziehungsverhältnis. Erkenntnis, wahrscheinlich eine umfassendere und weitaus präzisere, ist nicht mehr auf das einsame Verhältnis Subjekt-Objekt angewiesen, auf dessen subjektives und projizierendes Identifizieren, sondern Erkenntnis wird zu einer Sache des öffentlichen Erfahrungsaustausches der Vielen. Dieses Denken hält sich durch Selbstkritik variabel, weil das Objekt in seinem raum-zeitlichen Kontext selbst 38 Allerdings auch schon eine Weile. Vgl. wie Anm. 30. 39 Alexander Kluge, »Laudatio anlässlich der Verleihung des Heinrich-Heine-Preises 2012 an Jürgen Habermas«, Düsseldorf am 14. 12. 2012. 40 Ebd. 41 Vgl. AGS 10.2, S. 742.
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variabel ist und seine Identität, die einen festen Wesenskern zwar hat, sonst wäre es nicht wiederzuerkennen, nicht unveränderlich ist. Definieren ist sonst Deformieren, das meint Adorno mit dem »Vorrang des Objekts« (AGS 7, 477), mit dem er das Imperialistische eines Vorrangs des Subjekts kritisiert: »Subjekt ist das Agens, nicht das Konstituens des Objekts« (AGS 10.2, 752). Adorno bringt jenes dem Identitätszwang unterliegende, präformierende Subjekt deshalb überzeugend in historische Verbindung mit dem Naturbeherrschungsdrang der Aufklärung: der »Trug des zum Absoluten sich stilisierenden Subjekts« (AGS 6, 187). »Es geht immer um eine Konstellation«, macht Kluge deutlich.42 »Eine gegenständliche Situation für sich, also die bloße Momentaufnahme, hat in sich nicht das organisierende Moment« – und erst dies mache eine Sache »konkret«, d. h. wahrnehmbar. Was Kluge macht, ist somit eigentlich nicht mehr mit »Multiperspektivität« zu fassen. Über sie hinaus geht das Verfahren der »Konstellationen«, weil hier die vielen Perspektiven zusätzlich in Wechselbeziehungen stehen und in Kommunikation miteinander treten. Das ist gerade deshalb so wichtig, weil die Variabilität eines Wesens oder einer Sache Auswirkungen hat auf seine bzw. ihre Gravitationen zu einem Zweiten, d. h. auch »die Konstellation« selbst verformt sich »in der geschichtlichen Dynamik« (AGS 6, 300). »Konstellation ist nicht System«, benennt Adorno den prinzipiellen Antagonismus. »Nicht schlichtet sich, nicht geht alles auf in ihr, aber eines wirft Licht aufs andere, und die Figuren, welche die einzelnen Momente mitsammen bilden, sind bestimmtes Zeichen und lesbare Schrift.« (AGS 5, 342). Die Methode des Multiperspektivismus kommt nicht unbedingt über die Darstellung von Pluralismus hinaus. Der Methode der Konstellation hingegen gelingt die Wiedergabe von Diversität und Zusammenhang. Kluge zeigt, dass weder die im Hauskeller versteckte Familie noch der Bomberpilot über ihr Herr des Geschehens, Herr der Geschichte ist. Kluges Konstellationen sind Orchestrierungen multipler subjektiv-objektiver Verhältnisse mit dem verlängerten Gedächtnis ihrer Vorgeschichte, die die Katastrophe entmystifizieren, menschliche Handlungen fern jeder Gut-Böse-Verkürzung verstehbar machen, komplexe Abhängigkeitsverhältnisse veranschaulichen und mögliche Auswege schon im Vergangenen aufzeigen. Kluges Lösungsansatz, heruntergebrochen in einem einfachen Satz: Wir hängen da alle irgendwie unglücklich drin und dabei wollen wir doch eigentlich nur glücklich sein – lasst uns also kooperieren. »Enteignung, Geschichtsverlust, Trauerarbeit. Wir waren die ersten Zuschauer der Geschichte, dann waren wir Produzenten unseres Lebens und jetzt sind wir Zuschauer unseres Unglücks«, zieht Kluge ein human-historisches 42 Alexander Kluge, Gelegenheitsarbeit einer Sklavin. Zur realistischen Methode, Frankfurt a.M. 1975, S. 218. Das Zitat ist im Original fett hervorgehoben.
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Fazit. »Menschen werden […] aufgerissen, zerrissen und zu Zuschauern eines kollektiven Unglücks gemacht […], das keiner beherrscht. Nicht die, die außen zündeln und nicht die, die inmitten leben und kämpfen.«43 Diese Konstellationen zeigen: Oben plant Erfahrung, unten fühlt sie: »Die Sprechkörper schlugen in die Keller des festen Hauses Nr. 21 (EPA-Kaufhaus). Sie ›fühlte‹ das als Einschlag ›in 5 m Entfernung‹. Das Gartenhäuschen wurde von der Luftdruckwelle erschüttert, die nächsten Einschläge, Serien: Woort, Kulkplatz, Paulsplan, Franzosenkirche, Fischmarkt, Büttner-Kaufhaus, Gotisches Haus usw. Gerda registrierte das als ›entfernt‹. Sie konnte es ja auf keiner Lage-Karte eintragen oder sehen. Sie lag, auf und neben ihr ›die Last‹ der Kinderleiber, am Fußboden, ›horchte‹. […] Leitsätze einer ›Strategie von unten‹, die Gerda in diesen Sekunden in ihrem Kopf zu versammeln suchte, konnten nicht übermittelt werden. Hier von ganz unten gesehen, zu den für Gerda nicht sichtbaren Planern in 3000 m Höhe über der Stadt hinauf, oder auch ganz fern zu den Absprungbasen der Bomber hin, wo die höheren Planungsstäbe saßen.«44
Unter dem subjektiv-objektiven Verhältnis begreift Kluge in erster Linie das ohnmächtige Gefühl des Menschen gegenüber der Eigendynamik von Geschichte. Zur Veranschaulichung arbeitet er als Erzähler deshalb immer wieder mit dem Verhältnis Mensch – Bombe, kommt schließlich im »Extremfall Krieg« dieses Ohnmachtverhältnis am verheerendsten zum Ausdruck.45 Gleichzeitig wird an diesem Punkt der Mensch eingeholt von der Irrationalität der Rationalität der Produktion und der eigenen Entfremdung durch das aus vielen für sich allein unproblematischen Einzelteilen zusammengesetzte Produkt Bombe, das ihm nun unerkannt (denn er sieht darin keinen Teil von sich) vernichtend wieder gegenübertritt. Jene fatale Übermacht des Objekts versucht Kluge durch die Veranschaulichung der Zusammenhänge ihrer einzelnen Partikel aufzuweichen, um schließlich die Subjekte auf ihr Potenzial kooperativer Macht hinzuweisen. In der Philosophie stehen sich zwei Grundauffassungen von »Subjekt« gegenüber. Während ihm unter ontologischen Gesichtspunkten eine passive Rolle zukommt, ist es – vom erkenntnistheoretischen Standpunkt aus gesehen – aktiv
43 Alexander Kluge, Rede beim Berliner Theatertreffen am 02. 05. 2014, Web-Adresse: www. kluge-alexander.de/aktuelles/details/artikel/rede-von-alexander-kluge-beim-berliner-thea tertreffen-am-2-mai-2014.html (Stand: 06. 05. 2014). 44 Alexander Kluge, »Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945«, in: ders., Neue Geschichten. Hefte 1–18, »Unheimlichkeit der Zeit«, Frankfurt a.M. 1977, S. 23–24. 45 Den antagonistischen Realitätsbegriff definiert Kluge als Krieg zwischen den Großmächten Subjektivität und Objektivität. Vgl.: Alexander Kluge, »Das Handwerkszeug für Text und Film. Die Poetik selbst«, in: ders., Theorie der Erzählung: Frankfurter Poetikvorlesungen, Berlin 2013, DVD I.
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und unabhängig.46 In seiner Aktivität ist es »schöpferisch«, gestalterisch tätig. Gemäß diesen Definitionen könnte man die Absicht Kritischer Theorie auch so bezeichnen, dass sie im ontologischen Subjekt das erkenntnistheoretische Subjekt entzünden will, den ohnmächtigen (ohne Bewusstsein, nicht bei sich) und gleichgültigen (indifferent, unbeteiligt) Bürger zu einem freien und mündigen machen will, der befähigt ist, gesellschaftliches Leben mitzugestalten und sich aus seiner Unmündigkeit selbst zu befreien.47 »Nichts zwischen Himmel und Erde ist an sich ontisch oder ontologisch«, schreibt Adorno, »sondern wird es erst vermöge der Konstellationen, in welche Philosophie es bringt.« (AGS 6, 492). Und hier schließt sich der Gedankenkreis mit Alexander Kluge, dessen eingangs erwähntes ästhetisches Verfahren zur Anschaulichkeit des Unbegreiflichen Walter Jens so treffend beschreibt: »Wenn irgendwo in der Nachkriegsliteratur, dann wird hier die Totalität eines Vorgangs erhellt: Gedanken zweier Turmbeobachterinnen (Großaufnahme); Beschreibung einer Hochzeitsgesellschaft, die, ohne es zu ahnen, ihr Henkersmahl ißt (Halbtotale); Verfolgung der Flugzeuge unter dem Himmel (Totale). Konfrontation der Taktik von unten (Feuerpatsche, Behelfskeller), mit der Strategie von oben (Radarschirm, Kalkül der Vernichtung). Ein Hin und Her zwischen individuellem Plan (Was geschieht, wenn infolge des Bombenangriffs die Klavierstunde ausfällt?) und der Organisation des Gesamten (Eine Stadt ist zu vernichten). Und schließlich die dialektische Volte: Die vom Himmel Herabgestiegenen begeben sich nach der Kapitulation zu den Überlebenden auf der Erde – und siehe, es wird die gleiche Sprache gesprochen.«48
So also verhilft Kluge durch seine, von filmischen Mitteln geprägte, konstellativnarrative Darstellungsmethode – ein permanenter Perspektivwechsel (Kameraeinstellungen) sich selbst kommentierender, anziehender oder abstoßender Akteure – der Kritischen Theorie zu neuen Hilfsmitteln in der Analyse wie zu neuen Ausdrucksmitteln in der Synthese. Diese sind epistemologisch von immenser Bedeutung und werden auch außerhalb der Universitäten gesprochen – wodurch sie letztendlich, und das konnte hier nur angedeutet werden, dem 46 Erich Christian Schröder, »Anthropologie als Grundwissenschaft«, in: Perspektiven der Philosophie. Neues Jahrbuch, 4 (1978), S. 352. 47 Pädagogisch u. a. mit Heinrich Roths Kompetenzbegriff pragmatisch gedacht: »Mündigkeit als Kompetenz für verantwortliche Handlungsfähigkeit«; Heinrich Roth, Pädagogische Anthropologie, Bd. 2. Hannover 1971, S. 180, nämlich Selbstständigkeit und Selbstverantwortung im Handeln zu vermitteln. Dieses Beispiel aus der erziehungswissenschaftlichen Perspektive reicht der philosophischen die Hand. So knüpft Pädagogik bzw. Erwachsenenbildung als Handlungswissenschaft etwa an Kant an, der die Erziehungswissenschaft in die Pflicht nimmt, der Erziehungspraxis Wissen zur Mündigkeitsförderung zur Verfügung zu stellen. Mündigkeit als Bedingung für die Teilnahme und Teilhabe an der bürgerlichen Gesellschaft. 48 Walter Jens, »Mein Taschenbuch: Alexander Kluge: ›Neue Geschichten‹«, in Die Zeit, Nr. 27, 30. 01. 1978.
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prozessualen Ziel der Emanzipierung des Menschen näherkommen (die Emanzipation des Menschen ist das ideelle Ziel, aber das universelle Projekt der Emanzipation bleibt, im Spannungsfeld von Fremd- und Selbstbestimmung, etwas notwendig Infinites und Indirektes, das auf das menschliche Vermögen zur Selbstregulierung vertraut und es beharrlich anzuregen versucht).
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Adorno-As-Memory. Inheriting,Resurfacing and Replaying Confidence in Kluge’s Late Work
Alexander Kluge’s artistic and intellectual career has long been marked, and remains so to this very day, by a number of direct and indirect influences by Theodor W. Adorno. Our basic assumption is that these multiple and sometimes divergent activations or appropriations of Adorno’s legacy are provoked by Adorno himself who fashioned himself in his writings as a memory, particularly in some of his late texts. Moreover, we will argue that this influence – what we shall call Adorno-as-memory – is built upon Adorno’s auto-marginalization via a delay and anachronistic position. Taking Edward W. Said’s On Late Style: Music and Literature Against the Grain as a starting point with which we identify a particular mode of Adorno’s reactivation, we shall argue, in fact, that the Adornian legacy for a contemporary of Said’s, namely Kluge, actually relies on the fragmentation, the contradictions, and the delay of Adorno’s late philosophy.
Adorno as Late Style In his last monographic work, On Late Style, Said directly addresses the central issue of art’s legacy and thereby asks as well: how can a philosopher successfully inherit from Adorno’s legacy without falling into affirmative thought? Of course, the main theme throughout Said’s book is much larger and tries to reflect the legacy of thinkers and artists who are at odds with their own social and cultural contexts. Following Said, late works are symptomatic of a refusal of serene harmony that usually characterizes maturity. Fragmentary, unfinished and sometimes even tormented, these works stay clear of their own present time and try to survive in a state of exile. To be sure, Adorno is located at the center of Said’s book: he is both the archetype of the intransigent thinker, sometimes anachronistic or withdrawn from his own contemporary reality, a man who disconcerted his closest readers by the end of his career, and, of course, the thinker who first proposed the key notion for understanding exile as late style in
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an early article about Beethoven’s late style.1 Following Said, we could thus claim that Adorno is the »late being« par excellence: an author who has always been anachronistic through his familiarity with higher culture and his relative disdain for popular culture, an author who, at the solitary end of his life, »prepares to face his own end by becoming a late being.«2 This interpretation of Adorno involves two basic risks. The first risk involves suppressing (or drastically weakening) Adorno’s fundamental ability to disturb. Considering the philosopher simply as »a late being«, means missing how this being has become a form, has constituted himself as a style. That is to say : missing the fact that Adorno not only withdrew himself from his time, but that his texts, through their distance to their time of publication, were also »efforts by a subject who experiences the present«,3 as Marielle Mac¦ puts it. In other words: Adorno’s lateness should not be reduced to an »anachronistic or distancing position«4 driven by indifference or aesthetic withdrawal. The late character of Adorno is much more the permanent »activity of a form«5 which cannot find a final harmonious position in its present. It is not a gap that exists once and for all at a certain point in time. Rather, it is an ability or a power of »distancing in time and history«,6 a tough and nevertheless inconvenient relation to contemporary society and its cultural productions. Lateness is not only a destructive project but also a »practice of forms«.7 The second risk arises from the first one, namely to miss Said’s attempt at considering the legacy of a late work as a late work. The negative thought of Adorno can only be inherited as the invention of a form. It would indeed be absurd to try to inherit an anachronism. But one can inherit the way a thinker endlessly reworks the never-ending tensions between thought and society. Identifying »a unified way to refer to history and to oneself«8 in Adorno’s work – that is to say, identifying a style – enables us to conceive the possibility of inheriting this thought by measuring the distance he created through his style to his present time. This entails identifying both »what pulls him away from our time and, in contrast, what remains and requires repetition«.9 This is the very 1 Theodor W. Adorno, »Late Style in Beethoven« (1937), in: id., Essays on Music, Susan H. Gillespie (trans.),, Berkeley 2002, pp. 564–568. 2 Edward W. Said, »Adorno as Lateness Itself«, in: Malcolm Bull (ed.), Apocalypse Theory and the Ends of the World, Oxford 1995, pp. 264–281; qtd. in: Nigel Gibson/Andrew Rubin (eds.), Adorno: A Critical Reader, Oxford 2002, pp. 193–208. 3 Marielle Mac¦, »Late style: terminer sans en finir«, in: Critique 793–794 (2013), p. 494. 4 Ibid., p. 492; »situation d’anachronisme ou d’¦loignement«. 5 Ibid. 6 Ibid. 7 Ibid. 8 Ibid. 9 Ibid., p. 496.
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condition that enables us to think of Adorno’s work as a »stockpile of creativity«.10 In this context we wish to argue that Notes to Literature is a strategic point.11 In these essays first published as a collection in 1958, Adorno is »Looking back [on Surrealism]« by returning to authors who characterized for him modernism of the twenties: Paul Val¦ry, Siegfried Kracauer, Ernst Bloch, and the surrealists.12 At first glance, Notes confirms Adorno’s taste for the outdated. In the context of renewed interest in these authors (re-publications, late translations in German, critical studies), Adorno writes his notes with the explicit intention of locating his first reading of Val¦ry or Kracauer, for example, in the interwar context. But such an understanding of Notes to Literature would fail to grasp Adorno’s attempt at making an assessment and recapitulation of his early years.13 In these essays, he indeed tries to relate himself to these writers as memories that he is unable to re-experience in the fifties and sixties. This is particularly obvious in the two texts on Bloch where Adorno experiences an impossible return to the being or reader he was in the years 1918 or 1930: »… when I reread it after more than forty years I could not find in it what I read out of it. It has mystically disappeared in the text. The substance of the text unfolded only in memory. It contains much more than it contains, and not only in the vague sense of potential associations. It unambiguously communicates what it unequivocally refuses to communicate. That is Bloch in a nutshell. The transformation that takes place in remembrance of what he wrote corroborates his own philosophy.«14
10 Ibid., p. 492. 11 For an overview of literature as utopia in Adorno’s work, see: Antonin Wiser, Vers une langue sans terre: Adorno et l’utopie de la litt¦rature, Paris 2014. 12 As it is suggested by the title of the French version of the text on surrealism: Theodor W. Adorno, »Le surr¦alisme: une ¦tude r¦trospective« (1956), in: id., Notes sur la litt¦rature (1964), Paris 2009, pp. 65–69. 13 Theodor W. Adorno, »Those Twenties« (1962), in: id., Critical Models: Interventions and Catchwords, Henry W. Pickford (trans.), New York 2005, pp. 41–47; In his essay »Those Twenties«, Adorno specifies his nostalgia for the twenties. Far from considering those years as a golden age (according to the philosopher, it is the social conflicts of the twenties that will fully unfold on account of fascism), Adorno understands them as a politically and culturally ambivalent period from which he tries to retrieve a historical potentiality already declining in the twenties. 14 Theodor W. Adorno, »The Handle, the Pot, and Early Experience« (1965), in: id., Notes to Literature, vol. 2, Shierry Weber Nicholsen (trans.), New York 1974, p. 219. See also »Bibliographical musings« where Adorno tackles his attachment to his old books he took with him during exile: »But I can’t get rid of the ruined books: they keep getting repaired. Many of those tattered volumes are finding their second childhood as paperbacks. Less threatens them: they are not real property in the same sense. Now the fragile ones are documents of the unity of life that clings to them and of its discontinuities as well, with all the fortuitousness of this rescue as well as the marks of an intangible Providence embodied in the fact that one was preserved while another was never seen again.«; Ibid., p. 24.
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In his Negative Dialectics from 1966, the paragraph entitled »Starting out from the Concept« paraphrases this very experience: »In fact, if an older person looking back has started early on a more or less conscious existence, he will distinctly remember his own distant past. It creates a unity, no matter how unreal the elusive picture of his childhood may seem. Yet the ›I‹ which he remembers in this unreality, the I which he was at one time and potentially becomes again – this I turns simultaneously into another, into a stranger to be detachedly observed.«15
In Notes to Literature, Adorno does not rebuild himself an identity, not even one of »a late being« sentenced to an anachronistic fate. Rather, he experiences himself as an other, an alien, as heterogenic otherness, as he puts it in Negative Dialectics. Therefore, Adorno’s retrospection does not seal a pacified return to his youth. It is much more a singular relation to himself as a memory that can no longer be reached. To put it simply : Adorno becomes, within his own lifetime, a memory of himself both for himself and for others. And exactly this being-asmemory enables Adorno to endorse a »late style« and to assume a quite inconvenient thought that allows him, nevertheless, to state in his essay »Resignation«: »Whatever has once been thought can be suppressed, forgotten, can vanish. But it cannot be denied that something of it survives. For thinking has the element of the universal. What once was thought cogently must be thought elsewhere, by others: this confidence accompanies even the most solitary and powerless thought.«16
We now have some key elements for a better understanding of Said’s project in Late Style. In the successive chapters on Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Glenn Gould, Jean Genet and Thomas Mann, Said does not intend to use Adorno as an interpretative model. Belonging to a generation of thinkers who discovered Adorno in the fifties and the sixties, Said assumes the mantle of the elder philosopher’s experience of lateness in order to make sense of Adorno’s »heterogenization« (or auto-distanciation) in relation to these other authors. Every chapter of Said’s book explores one aspect of late style, aiming at a reconstitution of the negative power of Adornian theory. Broken off and then resumed re-
15 Theodor W. Adorno, Negative Dialectics, E.B. Ashton (trans.), London 2004, p. 154; qtd in. MichÀle Cohen-Halimi, Stridence sp¦culative: Adorno, Lyotard, Derrida, Paris, Payot, 2014, pp. 301–302: »Ce moi, que j’ai ¦t¦, que je ne suis plus, d¦-conjugue les temps. Il se tient entre l’irr¦alit¦ et l’¦tranget¦, comme un d¦collement dans l’immanence du moi=moi. L’image du pass¦ n’est plus celle de l’identit¦ retrouv¦e, mais celle d’une Unheimlichkeit advenue au moi dans la relÀve sans r¦sultat de son alt¦rit¦. Le mÞme revient soi dans une formation pass¦e, non assimilable au pr¦sent : le moi pr¦sente se rapporte au moi enfant sur le mode d’un ne pas ou d’un ne plus tels que l’¦cart n’est pas assimilable un ›(re)devenir moi en puissance‹«. 16 Theodor W. Adorno, »Resignation« (1969), in id., Critical Models, p. 292.
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peatedly, unfinished and finally published posthumously, Said’s book on late style outlines the difficulties of thinking the »coherence of the non-identical.«17 In doing so, Said’s work helps us better understand one of the major effects of Kluge’s oeuvre: spreading Adorno in his whole work, presenting the philosopher as a figure heterogeneous to himself, like a memory that one can only inherit in a fragmented way, always experiencing his intransigence and his stubbornness.18 Said’s project thus clarifies the way Kluge, as a thinker of his generation (and Fredric Jameson’s, too), has tried to inherit Adorno’s thought. We now wish to pry open the classical dialogue between Adorno and Kluge further by using another essayist of Kluge’s generation, namely Hans Magnus Enzensberger, in order to outline this intellectual legacy. A quick evocation of one of Enzensberger’s essayistic works, in which the writer obviously reactivates Adornian thought in a fragmented and delayed way, will facilitate a better understanding of what we seek to call Kluge’s own late style.
Enzensberger, Kluge and the Adornian Concept of Total Society Enzensberger’s ongoing intellectual relationship with Adorno, which oscillates between distance and critical assimilation, is certainly no mystery.19 These reactivations will be questioned here primarily through the idea of a total society in which artistic creation and culture industry, later also »barbarism«, are deeply intertwined. We will indeed focus on two texts that clearly exemplify this specific and multiple legacy. The first one is »Steine der Freiheit«, his 1959 text on Nelly Sachs.20 In this short article, Enzensberger opposes the famous statement that 17 Adorno, Negative Dialectics, p. 26; qtd. in: John Pizer, »Jameson’s Adorno, or the Persistence of the Utopian«, in: New German Critique 58 (1993), p. 138; By referring to Jameson’s article on Negt and Kluge (»On Negt and Kluge«, October 46, 1988, pp. 151–177), Pizer highlights that Jameson gives sympathetic consideration to Kluge’s montage and narration techniques in his films and writings: »He [Jameson] particularly credits Kluge with coherently bringing together disparate individual events in his films and stories. Though Kluge’s anecdotal fusion of idiosyncratic experience to collective history calls their connection into question, it also indicates that learning itself is an immanent, involuntary process. The learning process adumbrated by Kluge is a becoming gradually aware of the competencies stored in the body, the collectivity, and the unconscious through the gradual amassment of just such nonidentitical moments. The slogan used for this process is ›relationality‹, a principle closely related to the concept of Zusammenhang as it is constellated in the cited passage of Negative Dialektik«. 18 On this dissemination of Adorno in some films by Kluge, cf. Gr¦gory Cormann/Jeremy Hamers, »Kluge, Adorno et l’indomptable Leni Peickert«, in: Cahiers du GRM, No. 5 (2014), Online-Journal, http://grm.revues.org/412 (Accessed: 07. 05. 2015). 19 On the twofold effect of distance and assimilation, cf. Alasdair King, Hans Magnus Enzensberger : Writing, Media, Democracy, Oxford/New York 2007, p. 28. 20 Hans Magnus Enzensberger, »Steine der Freiheit«, in: Merkur 138 (1959), pp. 770–775.
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»writing poetry after Auschwitz is barbaric«.21 As Charlotte Ryland puts it, Enzensberger deliberately fails to consider the foundations of this position, namely the globalization of a society in which capitalism, barbarism, and cultural production are deeply intertwined.22 Indeed, Enzensberger argues that art must itself return to a barbaric event or period. In »Steine der Freiheit«, he thus emphasizes that Nelly Sachs and her readers are victims, in order to outline the necessity of literature about Auschwitz by the victims of Auschwitz after Auschwitz. In other words, Enzensberger clearly omits Adorno’s warning against instrumental reason and the idea of an art rooted in a generalized barbarism and reified society, and instead focuses on the issue of Auschwitz as a topic and experience. However, this thought of a »total society« appears in a second text we now turn to, namely the collection of essays Mediocrity and Delusion published in 1988.23 Not only does Enzensberger repeatedly quote expressions and statements clearly of Adornian origin, but he also takes stock of a society that is hit by a form of globalization he failed to take into account in 1959.24 And, like Adorno, he claims that this society uses the literary creation as an instrument of globalized barbarism. Especially Enzensberger’s notion of the »second-order illiterate« refers to the use of language and writing as an integral part of the capitalist society. In »Literature as Institution« or in his famous »Praise of Illiteracy«, Enzensberger observes a society driven entirely by a functional and pragmatic use of language and writing. Led by and consisting of second-order illiterates who make functional use of language and writing, Germany in the year 1988 looks like just another version of the country that Adorno described decades earlier as having been marred by a »universal coldness« and the corollary 21 Theodor W. Adorno, »Cultural Criticism and Society«, in: id., Prisms, Shierry Weber Nicholsen/Samuel Weber (trans.), Cambridge 1983, p. 34: »The more total society becomes, the greater the reification of the mind and the more paradoxical its effort to escape reification on its own. Even the most extreme consciousness of doom threatens to degenerate into idle chatter. Cultural criticism finds itself faced with the final stage of the dialectic of culture and barbarism. To write poetry after Auschwitz is barbaric. And this corrodes even the knowledge of why it has become impossible to write poetry today. Absolute reification, which presupposed intellectual progress as one of its elements, is now preparing to absorb the mind entirely. Critical intelligence cannot be equal to this challenge as long as it confines itself to self-satisfied contemplation«. 22 Charlotte Ryland, »›Wenn wir weiterleben wollen, muss dieser Satz widerlegt werden‹: Rewriting Adorno in the Debate on post-Holocaust Poetry«, in: Focus on German Studies 13 (2006), pp. 51–68. 23 Hans Magnus Enzensberger, Mediocrity and Delusion: Collected Diversions, Martin Chalmers (trans.), London/New York 1992. 24 »Enlightenment can lead to rabble-rousting, civilization turn into barbarism.« Hans Magnus Enzensberger, »In praise of illiteracy«, in ibid., p. 41. See also Enzensberger’s critique of literature as a component of a globalized capitalist society in »Literature as Institution or the Aspirin Effect«, in: ibid, pp. 19–26.
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transformation of people »into something like inert material«.25 In Mediocrity and Delusion, Enzensberger bases his critique on a perfect complicity between the barbarism of capitalist society and its cultural productions, the very complicity he partly failed to take into account in 1959. We believe this implicit plea for a language use (and also literature) that cannot be reduced to a simple pragmatic function is already announced in his review of Kluge’s Neue Geschichten.26 In this Spiegel article from 1978, Enzensberger characterizes Kluge’s style as one that mixes proceedings, reports, scientific notes and autobiographical fragments. Ten years before Mediocrity and Delusion, Enzensberger presents a severe picture of a »heartless writer« unable to develop a higher thought.27 By using functional language in some of his texts, Kluge fashions himself according to Enzensberger as a cold writer. However, by the close of his evaluation he admits that Kluge’s writings »certainly touch him little but surprise him.«28 For that reason, Enzensberger prefers Kluge to all those realistic and politically well-intentioned writers and, in doing so, performs Adorno’s critique of socially engaged art on account of the fact that Kluge sticks to the sole »signification that is contained in the experience itself«.29 From our perspective, Enzensberger’s critique of Neue Geschichten lays the groundwork for an escape or a solution to globalization and the concomitant functionalization of writing. Thanks to his specific style (marked by its multiplicities) as well as his fictional and historical stories, a mixture Enzensberger insists on, Kluge is able to surprise the reader. In other words: Kluge’s texts lead readers out of the »total society«, which gave birth to second-order illiteracy and its corollary illusion of lucidity or conscious knowledge, by exposing them to a literary experience that disables the use of pseudo-expertise. Our brief invocation of three texts shows not only that Enzensberger relates to Adorno in various and sometimes contradictory ways, but also that he can put back into play a fragment of Adornian thought via his relationship to another author. In doing so, he creates, albeit in an entirely unsynchronized way, what Kluge himself called »a cooperation of several minds« in his speech held on the occasion of receiving Adorno prize in 2009.30 We would like to turn our attention
25 Theodor W. Adorno, »Education After Auschwitz« (1966), in: id., Critical Models. p. 204, p. 198. 26 Hans Magnus Enzensberger, »Ein herzloser Schriftsteller. Hans Magnus Enzensberger über Alexander Kluge: ›Neue Geschichten‹«, in: Der Spiegel 1 (1978), pp. 81–83. 27 Ibid., p. 81. 28 Ibid., p. 83. 29 Ibid. 30 The full text of this speech is available on the author’s website: Alexander Kluge, »Die Aktualität Adornos. Dankesrede zur Verleihung des Adorno Preises«, n.d. (11. 09. 2009), www.kluge-alexander.de/zur-person/reden/2009-adorno-preis.html (Accessed: 07. 05. 2015).
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now in the final portion of our essay to these very connections in conjunction with the »late« Kluge.
A »Late« Kluge To be sure, Kluge’s work is full of direct or indirect quotations taken from his old friend and master, Adorno. Of course, these quotations and references do not avoid contradictions or fragmentations that appear to be provoked once again by Adorno’s thought itself. We would open our concluding reflections by identifying a form of multiple appropriations of Adorno in Kluge’s recent audiovisual productions, a set of films and interviews that do not necessarily mention the elder philosopher by name. For simplicity’s sake, we shall limit our analysis to two fundamental levels of this fragmented legacy. First: we can consider Kluge’s recent video and television works (Nachrichten aus der ideologischen Antike, Landschaften mit Eis und Schnee and his recent interviews with Hannelore Hoger) as radical realizations of a style that surprises viewers.31 By heightening the heterogeneity of his footage radically and by assuming the brutal changes of style and tone, Kluge plays out once again his beloved idea of »primitive diversity« that emerged during that period in early film history when cinema was not yet »caught in commercial one-way streets«. Echoing Gaudreault’s and Gunning’s idea of a »challenge to film history«, when cinema »kept being reinvented«, Kluge certainly combines in his films multiple and divergent images that are only linked to each other by a total difference.32 Landschaften mit Eis und Schnee is also an exemplar of this assumed heterogeneity through its permanent jump from one type of footage to the next. Mixing still shots that remind us of the first scientific films of early times, real or fictive interviews, over-theatralized dramas from the year 1910, and contemporary video manipulations, Kluge proposes a form that cannot be circumscribed or caught by the spectator’s expertise or functionalism. In doing so, Kluge responds to the problem of a generalized coldness and ignorance in a world driven by 31 Nachrichten aus der ideologischen Antike. Marx, Eisenstein, das Kapital, dir. Alexander Kluge, FRG 2008; Landschaften mit Eis und Schnee, dir.: Alexander Kluge, FRG 2010. 32 Andr¦ Gaudreault/Tom Gunning, »Le cin¦ma des premiers temps: un d¦fi l’histoire du cin¦ma ?«, in: Jacques Aumont et al. (eds.), Histoire du cin¦ma. Nouvelles approches, Paris 1989, pp. 49–63; Alexander Kluge/Edgar Reitz, »Alexander Kluge«, in: Edgar Reitz, Bilder in Bewegung: Essays, Gespräche zum Kino, Reinbek bei Hamburg 1995, p. 82; Kluge reaffirms this love for “primitive diversity” notably in English in the foreword to: Alexander Kluge, Cinema Stories, Martin Brady/Helen Hughes (trans.), New York 2007, p. XI; To be sure, this heterogeneity is not new in Kluge’s work. We nevertheless argue that Kluge’s progressive withdrawal from »regular« film since the eighties and (in terms of its format, length and distribution devices), his montage technique underwent a progressive radicalization.
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(audiovisual) second-order illiteracy. This replay of primitive diversity goes hand in hand with an evolution of Kluge the interviewer. By laughing in his interviews with Helge Schneider, Hannelore Hoger, or Peter Berling, by becoming visible in the frame by spluttering or waving a hand enthusiastically, Kluge belatedly calls into question Enzensberger’s bygone charge of being a cold writer. Furthermore, he embodies the antipode of what Adorno was considered to be, namely a cold person on the surface but nevertheless someone Kluge himself describes as having been a fundamentally warm being.33 If Kluge »comes from Adorno«, this origin unfolds itself via a combination of multiple and fragmentary legacies.34 Heterogeneous vis--vis his present self, the author he once was at the beginning of his career and the view others had of him, Kluge has developed a late style that refrains from sealing »a pacified return« to those earlier stages in his career when he first met Adorno, when Enzensberger depicted him as a cold writer, and when Hannelore Hoger starred in his feature films. On the contrary, Kluge continually turns away from his older selves and exposes his (historical) figure using a late style intent on formal radicalization. Second: this replay of primitive diversity as an answer to second-order illiteracy realizes Adorno’s political and intellectual confidence:35 »One can understand Adorno only on the condition that one reads both tracks: 1) the determined and very partisan fight against the deceptive systems that surround us; and 2) the unwavering hope that some fragments or bits of real vitality [»Lebendigkeit«] will arrive somewhere on our shores, in the worst case, like a message in a bottle.«36
By replaying primitive diversity, that is to say by returning to multiple forms that precede globalization (the commercial one-way street) as outlined by Adorno, Kluge responds (by stepping backwards) to Adorno’s own confidence (oriented towards the future). To this end, Kluge the director does not throw his origins overboard, for instance the politically engaged audiovisual art (as theorized by Enzensberger in 1970).37 Rather, Kluge assumes Adorno’s refusal of an engaged 33 Kluge talks of an »imitation of coldness«; Alexander Kluge/Peter Laudenbach, »Kluge über Adorno«, n.d. (first published in: Berliner Tagesspiegel, 11. 09. 2003), www.kluge-alexander. de/zur-person/interviews-mit/details/artikel/kluge-ueber-adorno.html (Accessed: 07. 05. 2015). In his speech of the Adorno Prize ceremony, Kluge also recalls a two hours speech by Adorno during which the philosopher didn’t use any other muscle but his mouth: Kluge, »Die Aktualität Adornos«. 34 Alexander Kluge/Jochen Rack, »Erzählen ist die Darstellung von Differenzen«, n.d. (first published in : Neue Rundschau 1/2001, p. 75), www.kluge-alexander.de/zur-person/inter views-mit.details/artikel/erzaehlen-ist-die-darstellung-von-differenzen.html (Accessed: 07. 05. 2015). 35 Adorno, »Resignation«, p. 292. 36 Kluge, »Die Aktualität Adornos«. 37 Hans Magnus Enzensberger, »Baukasten zu einer Theorie der Medien«, in: Kursbuch 20 (1970), pp. 159–186.
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art (and more generally the functionalization of thought) by replacing it with a cinematic form that, nevertheless, addresses the problems of its time. In other words, he refrains from imitating primitive diversity ; he instead puts it back into play, »activates a form« and returns to an »I which one remembers, which one once was and potentially is once again«.38 This is precisely how Kluge escapes the very globalization identified by Adorno and Enzensberger without giving up on media that, in their future anterior, have been (and still are) particularly threatened by a perfected complicity between culture and capitalism.
38 Adorno, Negative Dialectics, p. 154.
Thomas Combrink
Zu Alexander Kluges Metaphernwelt. Mit Blick auf die Überlegungen Hans Blumenbergs
Der Name Hans Blumenberg spielt in Alexander Kluges Werk keine Rolle. Viel öfter geht es um Philosophen und Theoretiker wie Montaigne, Kant, Hegel, Marx, Adorno oder auch Freud. Die Nähe zu Blumenberg ergibt sich über den Gebrauch der Metaphern. Die berühmteste Verwendung eines übertragenen Bildes bei Alexander Kluge stellt die Formulierung von der Oper als »Kraftwerk der Gefühle« dar. Typisch für den Autor in der Metaphernbildung ist die Genetivkonstruktion, eine konventionelle Methode – in der Lyrik wäre dieser Gebrauch mittlerweile eher reaktionär. Bei Kluge wirken diese Verdichtungen wie Kontrapunkte zu der ansonsten sachlich gehaltenen Erzählweise. Schaut man sich die Metapher vom »Kraftwerk der Gefühle« an, so fällt eine Ambivalenz ins Auge. Kraftwerk kann einerseits auf die Ähnlichkeit mit dem Gebäude des Opernhauses bezogen werden – vorstellbar für die Architektur von Elektrizitäts-, Wasser oder Kernkraftwerken. Andererseits kann der Ausdruck aber auch wörtlich verstanden werden. Es geht um die Erzeugung von Energie. Führt man sich bei dieser Metapher ein Atomkraftwerk vor Augen, dann würde man die Oper unter dem Gesichtspunkt des Risikos, der Gefahr für die Gesundheit von Menschen betrachten können. Mit Kraftwerk ist eine Institution gemeint, die sich ausschließlich mit der Gewinnung von Energie beschäftigt. Dabei handelt es sich um Reserven, die wir im praktischen Leben benötigen. Die Metapher vom »Kraftwerk der Gefühle« stellt die empirisch wahrnehmbare Welt dem Innenleben der Menschen gegenüber. Auch hier zeigen sich Ambivalenzen. Handelt es sich bei den Gefühlen in der Oper um die Emotionen der Zuschauer oder um die der Musiker, Sänger und Darsteller? Oder geht es um Gefühle, die in dem Musikstück thematisiert werden? Hans Blumenberg versucht mit seiner Metaphorologie, die Rolle von übertragenen Bildern in der Sprache der Philosophie darzustellen. Er wendet sich dabei gegen die Auffassung von Descartes, der eine Ausdrucksweise für möglich hielt, in der alle Begriffe definiert sind, die Bedeutung der Worte also eindeutig ist. Bei der Metapher hingegen verhält es sich anders. Wie am Beispiel der Formulierung vom »Kraftwerk der Gefühle« gesehen, variiert der Sinn des
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übertragenen Bildes. Wer eine Metapher verstehen will, muss sie interpretieren. Dabei muss man allerdings literarische oder philosophische und alltägliche Verwendungen dieser rhetorischen Figur unterscheiden. In der Literatur wird die Metapher häufig gezielt verwendet, um die Lesenden zur Deutung zu animieren. Ambivalenzen sind also gewollt. Im alltäglichen Leben hingegen verwenden wir Metaphern meistens so, dass es in der Kommunikation nicht zu Missverständnissen kommt. Die Wendungen »den Nagel auf den Kopf treffen«, »vom Regen in die Traufe kommen« oder »fünf gerade sein lassen« bedürfen in den meisten sozialen Situationen keiner Interpretation. Die Bedeutung ist klar. Blumenberg geht es in seiner Untersuchung auch nicht um diese alltägliche Verwendung, sondern vielmehr um »absolute Metaphern« und um die Frage, »unter welchen Voraussetzungen Metaphern in der philosophischen Sprache Legitimität haben können«.1 Welche Metaphern können nicht ersetzt werden durch Begriffe, welche Erkenntnisse können nur über die Verwendung übertragener Bilder vermittelt werden? Was die Verwendung von Metaphern bei Alexander Kluge anbelangt, so finden sich unterschiedliche Techniken. Konventionelle Metaphern verwendet Kluge nie, viel eher untersucht er die herkömmlichen Bilder auf ihre Logik, analysiert die eingeschliffenen Redewendungen. Dies kann in Form von Kommentaren geschehen. Der Titel des Buches Das Bohren harter Bretter ist eine Metapher, die auch im Alltag verwendet wird. Gemeint ist (unabhängig von dem Gebrauch bei Max Weber), dass jemand sich anstrengt, ein Ziel verfolgt, das längere Zeit in Anspruch nimmt. Kluge untersucht dieses übertragene Bild, indem er es zerlegt, die einzelnen Bestandteile wörtlich nimmt. Die Geschichten »Bretter im Sommerbad Halberstadt« oder auch »Bretter auf der Stirn der Patrioten« kommentieren die Metapher, führen weiter in andere Bildbereiche. Der zuletzt genannte Text spielt auf grausame Art auf die Redewendung »ein Brett vor dem Kopf haben« an, bei der es um das Nichtverstehen von Sachverhalten geht.2 Man kann also bei Alexander Kluge im Umgang mit Metaphern zwischen analytischen und synthetischen Methoden unterscheiden. Einerseits zerlegt er bestehende metaphorische Wendungen, andererseits produziert er übertragene Bilder. Im Vorwort von Das Bohren harter Bretter ist davon die Rede, dass »Vertrauen eingezahlt« wird (BhB 7). In der Geschichte »Die Politik eines Hundes« (ebenfalls bereits eine Metapher) heißt es über das Tier : »Der Dom der Gerüche, den er von seinen Ausflügen ins Freie mitbringt oder auch in jeder Lage im Hause neu aufbaut, bleibt gewaltig.« (BhB 11). Die erste Metapher besteht aus 1 Hans Blumenberg, Paradigmen zu einer Metaphorologie, Berlin 2013, S. 14. 2 Alexander Kluge, »Bretter im Sommerbad Halberstadt«, und »Bretter auf der Stirn der Patrioten«, in: ders., Das Bohren harter Bretter, Berlin 2011, S. 17. Im Folgenden: BhB.
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der Kombination von Substantiv und Verb, die zweite Verbindung ist eine Genetivkonstruktion. Man könnte auch hier Kluges Idee des »Cross-Mappings« anführen; es geht um die Kontrastierung zwei unterschiedlicher Vorstellungen. Kluges Erzählungen basieren auf Gegensätzen. Seine Ideen zum antagonistischen Realismusbegriff3 sind dialektisch gemeint. Zwei Elemente kollidieren, aus dem Zusammenstoß ergibt sich eine neue Perspektive. In der ersten Metapher findet sich ein zwischenmenschlicher Sachverhalt (»Vertrauen«), der zusammengebracht wird mit einer merkantilen Tätigkeit (»eingezahlt«). Ein praktischer Vorgang wird mit einer abstrakten Vorstellung kontrastiert. Beide Bereiche sind unvereinbar. So, wie Liebe unkäuflich ist, kann auch Vertrauen nicht mit Geld erworben werden. Kluge setzt die Regeln des Intimlebens gegen die Gewohnheiten des öffentlichen Zusammenlebens. Dies erscheint logisch, hat Alexander Kluge doch einen Begriff des Politischen, der über den konventionellen Gebrauch hinaus geht. Der Ausdruck »love politics«, den er mit Oskar Negt zusammen in Geschichte und Eigensinn verwendet, weist darauf hin, dass Politik auch ein Element in den Privatbereichen der Menschen ist.4 Hans Blumenberg untersucht in seinem Buch Schiffbruch mit Zuschauer nautische Bildbereiche. Es geht ihm dabei nicht um tatsächliche Unglücksfälle, sondern um das »Paradigma einer Daseinsmetapher«. Dahinter steckt die Idee der »absoluten Metapher«, eines übertragenen Bildes (das nicht aufgelöst werden kann durch Begriffe) als Kennzeichen für die menschliche Existenz. »Schiffbruch« wäre ein Ausdruck für das Scheitern. Die Niederlage muss nicht endgültig sein. So wie die Fraktur eines Knochens heilt, kann es auch für den Schiffbrüchigen eine Zukunft nach dem Unglück geben. Im Gegensatz zu dem Wort »Untergang«, das man mit einem definitiven Rückschlag in Verbindung bringt, enthält die nautische Metapher die Vorstellung der Wende. Der überstandene Schiffbruch kann dazu führen (ähnlich wie die überwundene Krankheit), dass sich die Umstände im Leben eines Menschen verbessern, dass man also aus dem Unglück gestärkt hervorgeht. Der Bildbereich der Seefahrt dient dazu, ein existentielles Moment der Unsicherheit zu beschreiben. Der Titel von Blumenbergs Buch lautet Schiffbruch mit Zuschauer. Damit sind also auch die Menschen gemeint, die das Unglück aus sicherer Perspektive betrachten. Es geht um die Ambivalenz der Gefühle dieser Betrachter. Einerseits macht sich Verzweiflung breit angesichts der Hilflosigkeit, mit der man nicht in das Geschehen eingreifen, den Verunglückten nicht helfen kann. Andererseits 3 Alexander Kluge, »Die schärfste Ideologie: daß die Realität sich auf ihren realistischen Charakter beruft«, in: ders., Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, Frankfurt a.M. 1975, S. 215–222. 4 Vgl. Alexander Kluge, »Love Politics. Der Eigensinn der Intimität«, in: ders., Das Labyrinth der zärtlichen Kraft: 166 Liebesgeschichten, Frankfurt a.M. 2009, S. 519–568.
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findet sich auch Erleichterung darüber, nicht betroffen zu sein, festen Boden unter den Füßen zu haben, die Gefahr beobachten zu dürfen. Blumenberg schreibt: »Der Römer Lukrez hat die Konfiguration geprägt. Das zweite Buch seines Weltgedichts beginnt mit der Imagination, vom festen Ufer her die Seenot des Anderen auf dem vom Sturm aufgewühltem Meer zu betrachten: … e terra magnum alterius spectare laborem. Nicht darin besteht freilich die Annehmlichkeit, die dem Anblick zugeschrieben wird, daß ein Anderer Qual erleidet, sondern im Genuß des eigenen unbetroffenen Standorts.«5
In einem Gespräch von Alexander Kluge mit Heiner Müller spielt die häufige Verwendung von Metaphern in der elisabethanischen Literatur eine Rolle. Müller ist der Meinung, dass es einen Zusammenhang zwischen den gesellschaftlichen Veränderungen und dem Gebrauch übertragener Bilder gibt. Mit Begriffen können die Entwicklungen der Epoche nicht nachvollzogen werden. Die Metaphern erlauben den Schriftstellern, die sozialen Prozesse literarisch darzustellen. »Die Metapher ist eine Sichtblende gegen so viele Eindrücke, die man nicht verarbeiten kann, so ein Bündelungsinstrument«6, so Heiner Müller, der ebenfalls eine Metapher verwendet, um über die rhetorische Figur zu sprechen. Die »Sichtblende« schützt den Beobachter (ähnlich wie die Sonnenbrille vor den Lichtstrahlen) vor den sich ständig verändernden wirklichen Verhältnissen. Alexander Kluges Metaphern beschleunigen den Text. Eine Beobachtung verdichtet sich, und die linear erzählte Handlung wird ambivalent. Was eben noch luzide war, wird nun opak. Die übertragenen Bilder wirken wie Nadelstiche. Die Geschichte erscheint in einem anderen Licht. Es ähnelt dem Akupunkturprinzip, bei dem man eine Nadel an einer Stelle des Körpers setzt, um einen Effekt an einer anderen Partie zu erzielen. Kluges Methode ist die Verwendung von Genetivmetaphern. Er baut die Bildbereiche meistens nicht aus. Das wäre ein literarisches Arbeiten, was vor allem in der Lyrik erkennbar ist. Über Lawrentij Berija, der von 1899 bis 1953 lebte und ab 1938 Chef der Geheimdienste in der Sowjetunion war (und damit eine zentrale Position bei den Stalinschen Säuberungen hatte) heißt es in einer Bildunterschrift in Das fünfte Buch, er sei ein »Insolvenzverwalter der Kälte«.7 Hier kreuzt sich ein Ausdruck aus dem wirtschaftlichen Bereich mit einem unmittelbaren Eindruck unserer Sinne. Die Insolvenz ist im Sinne des Bankrotts zu verstehen (erneut zeigt sich ein Zusammenhang mit dem Schiffbruch). Der insolvente Betrieb, um den es 5 Hans Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer, Frankfurt a.M. 1997, S. 31. 6 Alexander Kluge/Heiner Müller, »Heiner Müller über Rechtsfragen«, in: Heiner Müller, Werke 11. Gespräche 2, Frankfurt a.M. 2008, S. 645–659, hier : S. 647. 7 Alexander Kluge, Das fünfte Buch, Berlin 2012, S. 238.
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geht, hängt mit dem Tod Stalins zusammen und der Rolle, die Berija, nach diesem Ereignis zukommt. Er verwaltet das grausame Erbe des Diktators – allerdings nicht mehr lange, er stirbt noch im selben Jahr. Die Metapher vom »Insolvenzverwalter der Kälte« ist ein Euphemismus, sie beschönigt die schrecklichen Geschehnisse, für die Stalin und Berija verantwortlich sind. Gleichzeitig wird aber auch Berijas Schwäche deutlich, die Verminderung seiner Macht, das System, das ihn getragen hat, wird als insolvent charakterisiert. Stalin hat Berija politischen Einfluss verschafft, nach dessen Tod gibt es für ihn keine Zukunft. Zwei Begriffe, die von Alexander Kluge oft in metaphorischer Bedeutung verwendet werden, sind Arbeit und Eigentum, mit denen er sich auf Karl Marx bezieht. In Kluges Werk taucht häufiger die Metapher vom »Eigentum an Lebenszeit«8 auf. Besitzt man aber die Dauer der eigenen Existenz? Ähnelt die Lebenszeit einem Gegenstand, dessen Inhaber man ist, also einem Haus, einem Auto oder einem Fernseher? Führt die Metapher vom »Eigentum an Lebenszeit« nicht in den juristischen Bereich? Wenn ich nachweisen kann, dass ich ein Recht auf die zeitliche Distanz habe, die meinem Leben entspricht, dann ergeben sich daraus Forderungen für das Zusammenleben mit meinen Mitmenschen. Vielleicht dient die Metapher auch dazu, den Wert der Lebenszeit zu verdeutlichen, darzustellen, dass nicht der Besitz von Gegenständen, Immobilien, Aktien oder Geld für unsere Existenz wichtig ist, sondern die zeitliche Beschränktheit unser Dasein charakterisiert. Kluge will mit der Wendung vom »Eigentum an Lebenszeit« auf die emanzipatorischen Kräfte hinweisen. Wer sich der Bedeutung der eigenen Lebenszeit bewusst ist, wird seine Existenz nicht in erster Linie nach den Erwartungshaltungen anderer ausrichten. Es geht also um die Motive, nach denen man handelt, sich eine Arbeit sucht oder auch einen Partner. Wenn man Kluges Vorstellung vom »Eigentum an Lebenszeit« als Metapher bezeichnet, um die transponierte Bedeutung des Eigentumsbegriffs zu kennzeichnen, so fällt es schwer, von einem übertragenen Bild zu sprechen. Die sinnliche Erfahrung der Ausdrücke »Eigentum« und »Lebenszeit« ist begrenzt, beide Substantive sind eher abstrakt. Schaut man sich Blumenbergs Bücher Die Lesbarkeit der Welt oder auch Die Vollzähligkeit der Sterne an, so zeigen sich in der Struktur Parallelen zu Alexander Kluge. Beide Autoren verzichten auf einen hierarchischen Aufbau, verwenden die Technik der Reihung. Es handelt sich um Sammlungen von Texten. Man könnte sich sowohl bei den genannten Büchern von Blumenberg als auch bei Kluges Arbeiten vom Inhaltsverzeichnis leiten lassen, also bei der Lektüre von den Überschriften ausgehen, die man interessant findet. Einander verwandt 8 »Menschen haben zweierlei Eigentum: ihre Lebenszeit, ihren Eigensinn.« Alexander Kluge, Chronik der Gefühle, Bd. I, Frankfurt a.M. 2000, S. 11.
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wirken Kluges und Blumenbergs Schreibweise durch die Mischung aus erklärenden und erzählenden Elementen. Die Hinwendung zur Metapher und die damit verbundene Skepsis vor den Begriffen führen bei Blumenberg zu einer Philosophie, die von literarischen Haltungen inspiriert ist.9 Seine Methode ist induktiv, er geht vom Beispiel aus und versucht anhand der konkreten Beobachtung eine Erkenntnis zu formulieren. Die Vollzähligkeit der Sterne kann mit Alexander Kluges »Geschichten vom Weltall«, einem Kapitel in Die Lücke, die der Teufel läßt, in Verbindung gebracht werden.10 Kluges Arbeiten wirken wissenschaftlicher, erscheinen wie Nacherzählungen oder Kommentare der aktuellen Forschungslage. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass in seinen Sendungen Astrophysiker zu Wort kommen, er sich auf aktuelle Diskussionen beziehen kann. Liest man das Kapitel »Geschichten vom Weltall«, so erscheinen die Texte, als würden sie sich wehren gegen übertragene Bedeutungen. Man hat nicht den Eindruck, als solle auf einen Sachverhalt verwiesen werden, der sich außerhalb der Erzählung befindet, als wären die Wörter oder Sätze mehrdeutig. In einem Interview sagt Kluge, dass sein Interesse an den Sternen mit der Möglichkeit zur Orientierung zusammenhängt.11 Dabei geht er von der Seefahrt und der Navigation nach den Sternen aus. Die Himmelskörper aber als Metapher für Navigation sind in dem Kapitel »Geschichten vom Weltall« kein Thema. Nur schwer lässt sich das gesamte Kapitel als ein übertragenes Bild für Orientierung verstehen. Zwischen Selbstaussage und literarischen Texten ergibt sich eine Differenz. Oder ist der Kommentar ebenfalls als ein Stück Literatur zu verstehen? Gehören die poetologischen Meinungen zu den Geschichten? Über die Idee der absoluten Metapher bei Hans Blumenberg schreibt Franz Josef Wetz: »Sie [gemeint sind die absoluten Metaphern, –T.C.] lassen ein Bild von der Totalität der Wirklichkeit entstehen. Zu solchen Welt-Bildern zählen die Vorstellungen von der Wirklichkeit als Polis, Lebewesen, Theater oder Uhrwerk. Diese und ähnliche Meta-
9 »Definitionen enthalten oft, wenn nicht immer ein Risiko«, schreibt Blumenberg in dem Text »Mehr Planeten oder weniger Schmerzen?«; Hans Blumenberg, Die Vollzähligkeit der Sterne, Frankfurt a.M. 1997, S. 187. 10 Vgl. Alexander Kluge, Die Lücke, die der Teufel läßt. Im Umfeld des neuen Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2003, S. 319–388. 11 »Was mich an Sternen fesselt, ist, dass sie nicht manipulierbar sind. In der Orientierung findet sich die Grundmetapher, dass Räuber am Strand die Leuchttürme verrücken. Die Schiffe stranden und werden ausgeraubt, und das nennt sich dann Strandraub. Und Navigation auf See hat den Vorteil, daß die Sterne nicht verrückbar sind. Kein Feind kann die Sterne umrücken.«; Alexander Kluge, »›Wie erkennt man einen Dämon? Er schwatzt und übertreibt.‹ Gespräch mit Alexander Kluge«, in: neue deutsche literatur 52 (2004), S. 47 – 56, hier : S. 52.
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phern beanspruchen nicht, einzelne Sachverhalte der Wirklichkeit darzustellen, sondern die Totalität der Welt selbst zu vergegenwärtigen.«12
Für Blumenberg spielt in seiner Untersuchung also eine übertragene Bildlichkeit eine Rolle, welche die Welt als Ganzes erfasst. Kluges Metaphern vom »Kraftwerk der Gefühle« oder vom »Insolvenzverwalter der Kälte« würde er also nicht als »absolute Metaphern« bezeichnen. Diese Wendungen charakterisieren vielmehr einen Teil unserer Realität, haben nicht den Anspruch, den Zustand der gesamten Welt zu beschreiben. Ist das korrekt? Gibt nicht die Metapher der Kälte eine emotionale Verfassung von Menschen wieder, die mit der »Totalität der Welt« eng zusammenhängt? Auch die übertragene Verwendung von Arbeit und Eigentum bei Alexander Kluge stellt einen Bezug her zu grundlegenden Bedürfnissen, die alle Menschen miteinander verbindet. »Absolut« sind diese Metaphern insofern, als dass sie existentielle Momente kennzeichnen. Wetz schreibt an einer anderen Stelle: »Auffällig ist jedoch, dass Blumenberg über den formalen Umriss dieses Projekts nicht hinauskommt. Er bleibt die Antwort auf die Frage schuldig, welche absoluten Metaphern der Gegenwart angemessen sind und auf welche überzeugungskräftigen Argumente sie sich stützen lassen: Blumenbergs Grundgedanke verharrt noch weitgehend in Latenz.«13
Die Arbeit des Philosophen besitzt einen offenen Charakter. Mit dem historischen Standpunkt ändert sich die Metaphorik. Die Frage, inwiefern es sich bei Alexander Kluges übertragenen Bildern um »absolute Metaphern« in Blumenbergs Sinn handelt, scheint nebensächlich. Wichtiger ist Blumenbergs Kritik an einer Vorstellung von Sprache, bei der jeder Ausdruck definiert ist, jede Metapher also durch Begriffe ersetzt werden kann. Dabei muss man zwischen Sachtexten und literarischen Arbeiten unterscheiden. Diskursive Texte besitzen einen informierenden oder erklärenden Gestus, ästhetische Gesichtspunkte spielen eine untergeordnete Rolle. In der Literatur dienen Metaphern, Symbole oder Allegorien dazu, Ambivalenzen zu erzeugen. Der Leser ist aufgefordert zu interpretieren, soll sich Gedanken machen über die Bedeutung der Worte oder Wortverbindungen. Blumenberg untersucht vor allem Texte der philosophischen Theorie, Arbeiten also, die eher einen erklärenden Gestus besitzen. Alexander Kluge hat ein metaphorisches Modell entwickelt, mit dem er auf die unterschiedlichen Kräfte im Menschen anspielt. Er spricht zum Beispiel vom »Städter in mir« (oder der »Stadt in uns«)14 und meint damit Verhaltensweisen, die sich aus einem kulturgeschichtlichen Prozess entwickelten. Es geht nicht um 12 Franz Josef Wetz, Hans Blumenberg zur Einführung, Hamburg 2004, S. 20. 13 Ebd., S. 27. 14 Alexander Kluge, »Die Welt auf engstem Raum – das erfordert Toleranz«, in: Die Welt, 2. 4. 2014.
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die konkrete Lebenssituation einer Person, die entweder auf dem Land oder in der Stadt wohnt. Vielmehr spielen Erfahrungen eine Rolle, welche die Vorfahren gemacht haben und die unbewusst an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Die Metapher vom »Städter in mir« geht auf Walter Benjamins Aussagen »es gibt keine Verfallszeiten«15 zurück. Jede Person ist geprägt von den Erfahrungen der Menschheitsgeschichte, 20 000 Jahre zurückliegen können oder nur ein Jahrhundert. Die Redewendung vom »Städter in mir« kann fast beliebig variiert werden. Der »Bürger in mir« oder der »Bauer in mir« stellen andere Aspekte im Charakter von Menschen vor. Denkbar wäre ebenso der »Proletarier in mir«, das »Kind in mir« oder der »Kapitalist in mir«. Das Metaphernmodell basiert auf der Vorstellung vom Potential, von den Möglichkeiten eines Menschen. Der Titel des Buches Geschichte und Eigensinn gibt diese Idee wieder. Der Mensch will seine Wünsche, seine Fähigkeiten, seine Bedürfnisse realisieren. Das gesellschaftliche System aber, in dem sich das Subjekt befindet, stellt ein Hindernis dar für die Entfaltung der tatsächlichen Fähigkeiten.
15 Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, Bd. 1. Das Passagen-Werk, Rolf Tiedemann (Hg.), Frankfurt a.M. 1991, S. 571.
Anselm Kiefer
»Alexander, You Are a Particle Accelerator« Translated by Martin Brady and Helen Hughes
When you rang and asked me to deliver a tribute for the Heinrich Heine Prize I was naturally surprised. That as a painter I should be summoned to wax lyrical! I feel very honored to be able to deliver a speech for you, but also a bit intimidated by the challenge that such a task presents. You know that I tried once before to deliver a speech in Frankfurt and I took quite a beating for it. But for you I am more than happy to take such a beating. We have only known one another personally for a short period of time (introduced by our publisher Ulla Berkewicz), but what of it, given that your films and books have almost always accompanied me, at least since the sixties. I can say that you were one of the people who shaped my notion of art, what I understand as art. I see you as an artist. In all your work, your films, your texts, your television broadcasts I see the most diverse of twentieth-century art movements in wonderfully safe hands. With you one can see minimalism, conceptualism, parts of Fluxus, surrealism, Kurt Schwitters’s montage technique, for example, all combined to great effect. Here are a few examples chosen at random: There is a strange photo of the Canadian artist CHRIS BURDEN. He is standing there in a field with a pistol in his hand taking aim at an aircraft flying at 10,000 metres. It reminds me of a passage in your book Air Raid where you note quite dryly that the mechanics on the ground with their spanners can’t do anything about the fleet of bombers. And then the illustrations of the bomber squadrons from above, from below and from the side forming strange abstract shapes entirely detached from the terror, a kind of »pattern art«. There are so many pictures which come to mind: the white cloth on the church spire, the stacks of turf, some already dried out in the great heat, waiting for the time after the war when they can be spread out again to form a lawn. Then the model houses made of cardboard, part of some theatre’s basic equipment, which also goes up in flames.
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Or the elephants led through the town by Leni Peickert – that could be a painting by Magritte. And then the images of the »Alpine Locks«: they make you think immediately of Werner Herzog, in whose film a big ship is dragged over a mountain with a huge amount of effort. Then the telephone under an enormous mountain of rubble, still working, but whose operators died long ago. It immediately makes you think of Joseph Beuys’s »Earth Telephone«. Like Duchamp you use OBJETS TROUVÊS, but you go one step further. You leave us unsure as to whether the found facts are actually real or whether you have invented them. Duchamp placed the urinal in a museum and claimed it was now a work of art. You don’t claim anything. You sow doubt. You leave us uncertain as to what is real and what is not. In Air Raid you propose the surreal hypothesis that if there had been time in 1928 to educate 70,000 teachers against Hitler in a single, mass pedagogical operation, then the air raid on Halberstadt could have been avoided. That could easily be considered a piece of conceptual art. Rather like minimal music your pieces never end. The sirens sounding the all-clear that could conceivably announce the end of a musical movement, or an act in a play are broken. »The chain of events has no end.« There’s no turning-point as there is in the theatre, there are no climaxes any more. A ratcheting up of the dramatic tension is no longer possible because »the events themselves tend towards excess«. I could go on for ages dragging Alexander Kluge over into my brotherhood of artists by listing yet more examples. But I see before me a rather more literary audience. So instead I will turn to letters. When I let Air Raid work its magic on me, I am reminded of Hermann Broch and his Death of Vergil. For a learned Germanist that may seem a bit far-fetched, but both Broch and Kluge are experimenters. They explore how far one can go. Excess, overdose, the endless back and forth between high and low, fanning out from a few real starting points to mystical regions, and then the assault on time: in Vergil’s feverish state alternating between dream and reality, memories, the present and future histories all intermingle. In the same way Alexander Kluge reaches in a single, indivisible movement into the past and the future, creating a joint impetus out of two paths that in normal thinking remain separated. What Broch sensed – the last phase of a society, the difficulty with literature (Virgil wants to burn the »Aeneid«), the sense of guilt at writing when there are more pressing problems – brings us to Heine, who cunningly undermines the last forest songs of Romanticism with abrupt changes of direction and breaks.
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»other times other birds other birds, other songs, perhaps I might like them if I had other ears«
You go further than Heine and Broch: you don’t write poems, you montage fragments of reality, and these fragments don’t just get wedged together, they also destroy reality itself. Romantic songs aren’t possible any more. Not just because we can no longer really appreciate natural beauty unreservedly, but because the stuff of which these poems are made, the real, no longer actually exists. Your books are a wonderful reaction to the intellectual contortions on the part of a host of theologians who have tried to identify the locus of evil within the world itself. And since all these efforts, over so many centuries, have failed to prove the goodness of God, the real essence of your books is in what is left out. Over and above what is left out you have to combine for yourself the scraps left behind. It is the learning space you create from what is left out that constitutes your books. This empty space corresponds to the void of which everything consists. The distance between the atomic nucleus and the electron is immense. If you imagine the atomic nucleus to be the size of a football pitch then its electrons will be about a kilometre away. And in between: nothing. When I see the visual images that you have built into your books and films I also think of this empty space. Because the texts below the images are in no way a commentary or an explanation of the images. Your »descriptions of pictures« are incongruous, you create an empty space between image and text. We both love this empty space, you as a visual artist and I as a sculptor. I remember our first television program. With barely a greeting we both got straight down to work, the spotlights were already in place, and we were in the midst of things within a logical second. It was as if we weren’t really there as people. There are only two people with whom I communicate in this transpersonal, direct way, almost without words. You are one of them, the other was the director Klaus Michael Grüber who sadly died far too young. This transpersonal, spiritual communication – I believe Enzensberger has called you a heartless writer – well aware, that a cold stream is in reality a warm stream. Isis and Osiris, who beget Horus in a purely spiritual way. We cannot get any closer to one another. When I think of you – and I’m sure it’s the same with many other artists – I have the same experience as with the other greats like Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Roland Barthes, Jules Michelet: you are an unremitting critic of my own work. I communicated with you before I knew you personally, sought your
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advice and opinion. I asked myself again and again whether this or that result would stand up to your scrutiny (the verdict, incidentally, was often devastating). When you then rang me and invited me to deliver a tribute on your behalf in Düsseldorf I was by chance – we know there’s no such thing as chance – in CERN outside Geneva. I had been invited by a number of scientists working there. The particle accelerator had a problem, had been switched off, and as a result it was possible to climb down and take a look at the Super Proton Synchrotron which was being repaired. Normally this isn’t possible because of the radiation. And just as I had covered the 200 metres back through the double doors which regulate the radiation and reached the daylight I received your call. And at that moment it struck me: you are a PARTICLE ACCELERATOR. Below the earth, in the radioactive field, I could see you more clearly. Everything that I had learned that day during a strenuous and astonishing private seminar – which in its complexity catapulted me from one shock to the next – all of it suddenly overlaid the endless ramifications of your work. A strange palimpsest of a kind so complete and spontaneous that I had never experienced before. So this is my tribute. I would now like to approach your work with the help of two concepts. The first is REALITY. You do not tell stories, which are coherent in themselves, rather you pick a fragment from world of history, from the jumble of apparent and real facts, which then serves as a crystal lattice around which an entirely different, artistic connection crystallises. The other is HISTORY. It is not something specific in your case, but rather a collection of realities. Your stories lack a GENERIC CONCEPT. They shed new light on the ancient scholastic PROBLEM OF UNIVERSALS. What came first, concepts or things? You are neither a nominalist, nor just a realist. We could now talk about ABAELARD who was also neither one nor the other. With you it is like Heine: reading your texts, duped by their documentary character, one initially accepts what is read as fact. But then one notices that everything is not as it seems. Out of a small insignificant detail, a tiny ripple, you construct a tsunami, and conversely you direct one’s gaze from the monstrous, from the obliteration of an entire city, to the death of a dragonfly. To make something grander out of something small and vice versa is the method of the SOPHISTS. TOM HETTO LOGON KREITTO MPOIEIN. We both studied law. You got further with it than I did. I only have a minor certificate in the German civil and criminal codes. But I greatly enjoyed claiming that black is white: you belong to the old sophistic tradition. You say : »the more obvious something appears the more suspicious you should be«. The people in CERN energetically separate atoms into protons, electrons, and neutrons and smash the individual parts into one another. In the same way you fit together individual events, thoughts, and what appear to be documents from
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diverse disciplines, but you seem to leave them up to their own devices rather than forcing them into a logical or dramaturgical context. But as the magician who knows very well the word for the Carbuncle Fairy, you are there in the background letting the pieces fall in such a way that an inimitable context arises that is of your own making. But do you really still know the word of the Carbuncle Fairy or did it melt away with the last snow in the garden? The significance and longevity of your work derives from the fact that you (like Heine) do not claim to know the combination of letters that will do away with the badly designed Golem. It is such a pleasure to set your texts against the pre-established harmony of LEIBNIZ. You have taken the monads away from him. Here we are closer to SPINOZA, I think, who describes affects as geometrical mechanistic figures – just as you do sometime in Air Raid – and whose pantheism can perhaps be compared to your way of treating emotions and things equally. But God as an indivisible, self-fulfilling, eternal substance…how far you are from this kind of pantheism! For Heinrich Heine on his »mattress-grave« despair at the bad design of the world and doubts about the THEODICY became the centrifugal force propelling him into another world, the world of art. It is devoid of the compulsion to meaning, but has a yet more powerful reality. From his sickbed Matisse also made his most free and perhaps most beautiful pictures. You engage with time in the same way that you approach reality, which doesn’t really exist. It is not linear. I remember a passage in Air Raid where a connection is drawn between the activities of a BOMBING STRATEGIST capitalising on his experiences from Verdun, and from Verdun we go back to the first tree dwellers and the dinosaurs. A defender stands in the doorway protected by a 500-year-old stone. You no longer see time divided up into past and future, but rather conceive of it as a movement proliferating in both directions. A scientist at CERN told me that we are older than the earth. Because we have within us fragments that were there before our planet even existed. Many other artists and I carry inside us building blocks from the expansive, boundless work of Kluge and now set about reassembling them. I have spoken of the transpersonal connection between us and have situated you within a lineage of the greats who are no longer with us like Ingeborg Bachmann, Paul Celan, C¦line. Even if I can communicate with you without you actually being there, I hope you will live for a long time to come, that you will really be here in person, that you will make many more films, perhaps even with me now and then. I must thank you for everything you have done for me – and doubtless for
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many others – since I first saw a film of yours as a student. And long may it last, this steely dynamism. »We leave heaven to the angels and the sparrows.«
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Heinrich Heine Prize 2014 Acceptance Speech Translated by Martin Brady and Helen Hughes
Dear Lord Mayor Dear Anselm Kiefer, Ladies and Gentlemen, Two years ago I delivered a tribute here on behalf of Jürgen Habermas. Now I myself am the recipient of the prize. The decision of the jury and your speech, dear Anselm, move me deeply. My acceptance speech addresses Heinrich Heine and the question: what does modernism mean in the twenty-first century? How can we measure our experience against Heinrich Heine? First, a word about our accompanying programme of music. In the context of the dialogue that emerges from the speeches that Anselm Kiefer and I are delivering to you today, it is not at all insignificant. A great philosopher once said »without music, life would be a mistake«. Heine can be seen in the top row of Anselm Kiefer’s painting Paths of World Wisdom: Hermann’s Battle. Three places down is Richard Wagner. This is why Tobias Koch is playing one of the few pieces of piano music by Richard Wagner, »Arrival of the Black Swans«. Johannes Rieger, Chief Musical Director of the theatre in the city where I was born, Halberstadt, introduced me to the piece. At the end you will hear Tobias Koch play Maria’s Lullaby from Tchaikovsky’s MAZEPPA. The source material for this opera comes from Lord Byron and Alexander Pushkin. Heine and these two constitute a triple star. MAZEPPA is a drama of irreconcilability set in Ukraine. The son of one of its rulers seduces women whilst a guest of the Polish court. He is nailed to a horse by their husbands. Driven to distraction by the nails the horse gallops off to the Dnieper with the naked prince, collapses and dies there. The prince, however, becomes Hetman of Ukraine. Shortly after coming to power he falls out with all the others and kills a number of them. He joins forces with the West, with the army of the Swedish King Charles XII. At the Battle of Poltava, Tsar Peter the Great vanquishes both of them. The only woman Mazeppa truly loved falls prey to madness. Her song at the end of the opera is the only consolation:
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»Every epoch is a sphinx which plunges into the abyss as soon as its riddle is solved.« (Heinrich Heine)
Heinrich Heine is lucid. He is a creator of the public sphere. He is a journalistic architect of his age. But he is also an author of darkness, of murky colours, of opaque experiences which are not geared to the requirements of the marketplace, but which are fundamental to the orientation of our souls. This corresponds to the concept of the critical and of romanticism, a CRITICAL ROMANTICISM. Heine is taken with progress, revolution and freedom, industry, telegraphy and the railways. All the phenomena addressed by Benjamin in his Arcades Project, from Paris as the most important capital city of the nineteenth century through Louis Philippe the Citizen King to early photography, iron, salon culture, fashion, world exhibitions and Charles Fourier’s utopia in the Theory of the Four Movements – all of this also reflects the milieu of Heinrich Heine. Let’s imagine this poet. He’s a kind of measuring instrument, a probe. He measures his time. He landed on our planet rather like that fragile space probe which recently landed on a comet in quest of the temporal origins of our solar system, askew, sending out data until its battery ran out. That’s what I call sensitivity. Alfred Döblin describes Heine as follows: »he was no crocodile or tortoise with its shell, but rather someone with a soft, irritable, sensitive skin. The epidermis doesn’t only separate, it also unites.« Heine has his place in every phase of modernism. The combination of romanticism and energetic criticism is the bridge which links Caspar David Friedrich and the Frankfurt School of critical theory to which I declare my allegiance. Between these centuries: the abyss. I know of no deeper one than that of the thirties and forties of the twentieth century in our country. If we wish to measure our experiences against those of Heine we have to make leaps in time. Dear Anselm, it is undoubtedly much more relaxing and much better to leap in somebody else’s company. »At my feet the abyss is yawning – Take me, ancient, endless Night!«
When Karl Marx was born, Heinrich Heine had just come of age. When Richard Wagner was born, he was 16 years old. When, from 1810 to 1811, Heinrich von Kleist published his BERLINER ABENDBLÄTTER – this journalistic, poetic product was sold on the streets of Berlin-Mitte every evening except Sundays – Heinrich Heine was a mere thirteen years old (as old as I was in 1945). I worship the BERLINER ABENDBLÄTTER. Here Kleist densely weaves together news and poetry. The motto of this highly unusual literary form is »save the news from human indifference.«
Heinrich Heine Prize 2014 Acceptance Speech
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When Napoleon was carried off to St. Helena, the centenary of which occurs in 2015, Heinrich Heine took notice as an eighteen-year-old spirit of his time. Then, from 1821 to 1829, the uprising of the Greeks against Ottoman rule. Fueled by the European press, buoyed up by writers like Lord Byron who entered the Peloponnese on horseback (only to die there of a cold), comparably confused in its goals and outcomes as the interventions in Libya in 2013 in the name of freedom from Gaddafi. One has to see these things through Heine’s eyes. The news of the revolution in France reached Heine in Heligoland. From this point onward, he saw himself as a patriot of two countries (always critical of both), namely of Germany and France. A few weeks ago Jürgen Habermas, recipient of the Heinrich Heine Prize, delivered a speech at the Heinrich Heine Institute in Paris, which caused a stir : on the future of Europe and the need for people to orient themselves simultaneously towards a European and a national sovereignty. As Europeans we are no less national and on its own the national has always been a tight and punishing corset. That is Heine’s view when he said »I am the incarnation of cosmopolitanism«. He was an inveterate global citizen and lover of two countries separated by the Rhine. »Where is this way-weary rover’s Final resting-place to be? … By a Rhenish linden tree? … And as burial lamps, the clustered Stars will shine on me at night.«
Heine imagined these lines as his epitaph. The Crimean War raged for the last three years of his life, from 1853 to 1856. For us the names Sevastopol and the Crimea have contemporary connotations. It is worthwhile to consider the war of coalition in bygone Western Europe through Heine’s eyes and with his acute sense of the comic: England, Napoleon III’s theatrical France and its obsession with world exhibitions, Piedmont-Sardinia as an embryonic Italy, and the Ottoman Empire in conflict with Tsarist Russia. This was the first modern war. The popular press became the guarantor of prolonged conflict, something it had not achieved during the Napoleonic Wars. For the first time war photography and telegraphy (at the Battle of Waterloo they still relied on carrier pigeons). Day after day, Karl Marx reported on this war for a New York newspaper. He describes how Tsarist government bonds excite the stock exchange via the banking houses of Hamburg, Vienna, and London. These government bonds guarantee Russian armaments. The boom, fuelled by the high interest rates of the bonds, finances the arming of the Allies against Russia. Just as Marx did, Heine would have condemned the first steps towards the globalisation of the cost of war.
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Utopia depends on poets, who are the spiritual energy of each and every age, expanding their work reciprocally, generating continuities. That applies today and to the future, that is, to very young people. And it is always the case. After the Reformation’s expulsion of images and initially music from the churches 500 years ago, the Counter-Reformation tried for its part to become Protestant at the Council of Trent. The question was whether the great figurative music of the Middle Ages should be banned. A single cardinal, Borromeo, made the decision dependent on the composition of a new, exemplary mass – a final attempt to save art. Palestrina was commissioned to compose it. That was the eye of the needle. We have him to thank for the subsequent composition of the Mass in B minor and Mozart’s Requiem. In his opera PALESTRINA, Hans Pfitzner describes this turning point. At night, the Old Masters assemble around the composer, who is working feverishly. They provide him with the notes. Heavenly spirits contrive to enact this spell, thereby defending music against its destroyers – and I think I saw alchemists and astrologers amongst their number. At the end of the opera Palestrina addresses God: »Now forge me, the last stone on one of your thousand rings.« In the domain of art we all form links in such chains, irrespective of whether our muse is lofty or base. And, whatever the pessimist Hans Pfitzner may say, the chains have no end, they are beginnings. Chains of this kind are not linear. They have a vertical structure, like echo sounders. It is the ground water which flows, not the earth’s surface. As Arno Schmidt claims, one should not imagine the labyrinth from above, as on the floors of many cathedrals (because you can’t really lose your way in the maze and there is no abyss). Rather, a labyrinth consists of catacombs. It really is dark inside and there is apparently a monster living there. Yet perhaps we, the intruders, are really the monsters and the Minotaur is a beast on whose back we should settle and with whom we should ally ourselves. What, in this context, is Ariadne’s thread? As an act of love, she has made a rope of her hair. Love makes you blind, they say. Or as Heinrich Heine would retort, love makes you shrewd. Modernism can be founded on any spiritual concentrate, any poetic moment, any picture, powerful piece of music or text, which has the power to draw you in. Regardless of the period from which the »kairos«, the opportune moment, stems. That is the concept of modernism. It is neither an avant-garde forever pushing forwards, nor is it a rearguard defending itself against barbarism; rather it is just as likely to construct its overtone row on a sentence by Caspar David Friedrich as on the latest discovery at CERN, on a painting of Anselm Kiefer or Gerhard Richter, on an idea of John Cage or a verse by Heinrich Heine. Poetry is spherical. Art arising from it is not defined by style, rather it derives from a fundamental prerequisite of poetry. Montage, tearing apart and, at the same time, context! That is the concept of reality, Anselm, of which you spoke. That which is represented is never the same as the representation. Not least because reality itself is
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spherical. What we term actuality, the present or colloquially real is not even a pale reflection of it, merely an abbreviation. The best news programme, the best current affairs show lacks the music, which was a matter of course for the blind bard Homer when conveying news. »Many thousand stars look down gleaming with desire, large and wise«
Dear Anselm, just now you quoted a scientist from CERN saying that »we human beings are older than the earth«. That is true of our eyes, limbs, and souls. The vision of poetry stems from our great age. At the same time we are young. I sensed this a few weeks ago when Hermann Parzinger publicly presented his magnum opus »THE CHILDREN OF PROMETHEUS«: A HISTORY OF HUMANITY BEFORE THE INVENTION OF WRITING. The measures of time for our forebears are shorter than those investigated in minute detail by the particle accelerator in CERN and observed on a gigantic scale by the Hubble Telescope. These are a little more than 14 billion years. We human beings can look back over a stretch of a mere 5 million years in search of our direct ancestors. Enchanting Lucy from Ethiopia, only a little over a metre in height, is 2.5 million years old. And then something suddenly happens about 800,000 years ago. »Suddenly« within a span of 1,000 years, a short space of time in the alchemical laboratory of evolution, fire is tamed. These people have the same brain as we do. The world is dark at night. Unless there is a fire at night somewhere in the forest, and you have to flee, there is no light. But now, in caves and under ledges fires can be lit in the evening. It isn’t just there to cook meat and warm people. It is also a place of gathering. Man is born naked. He has no rapacious teeth to be a natural predator, but he has the ability to communicate and to cooperate. These predecessors of ours, grouped around the fire, start to tell stories. That is the beginning of poetry, of politics and of community. Because our self-consciousness came into being amidst this circle round the fire (and perhaps during the day, as Rousseau says, around some fountain or other) there is a fundamental distinction between naked information and storytelling. »Of all the worlds created by man, that of books is the mightiest.«
Dear Anselm, you ascribed to me a sentence in the tradition of the pre-Socratics: »the more obvious something appears the more suspicious you should be«. I never said these words, but they get to the heart of what I am thinking. From Lviv and close to Kharkiv, I hear the deafening sounds of war, friction, and grinding. We hear the reports. I hear nothing about other minefields on this planet. For me, the silence there is even more sinister than the sounds of crises that are plain
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for all to see. That which goes unnoticed marches alone and attacks in unison. As Heine puts it: »Nothing is quieter than a loaded cannon.«
In your tribute you raise the old scholastic question of the PROBLEM OF UNIVERSALS. What came first, the concepts or the things? Human self-consciousness or human impotence? You said that when it comes to this question I am neither a NOMINALIST nor yet a REALIST. I want to substantiate your claim by turning to the example you provided, the BOMB DISPOSAL EXPERTS IN THE AIR RAID SHELTER. They are experienced plumbers, self-confident professionals. They unscrew every unexploded bomb lying on the ground. At present, however, they are at the mercy of the bomber squadron above them, which is emptying its bomb bays over the city. Here no World Spirit holds sway ; instead, things are attacking them. The power of things (the squadron, the bombs) and the impotence of the people (the situation in which those in the cellar find themselves) constitute an ANTAGONISTIC REALITY. None of these elements are nomina and none of them are realia. They form a contradictory context. But this doesn’t render us powerless. You mentioned SPINOZA and it was he who warned us of the danger of melancholic feelings. The »affects« (today we would call them »motivations«) can be trusted, Spinoza says, when my »conatus«, namely the intensity of all desires and my sensitivity to the opportune moment, holds sway. Heine, who felt a strong affinity with Spinoza, put it thus: »Greater than all the pyramids than the forests and the seas is the human heart.«
In a film from the seventies, the great ape King Kong stands on the Twin Towers and defends what he is in love with, the white woman nestled in his paw. With his other hand he grabs hold of government aeroplanes and smashes them. He wants to protect what he loves most, what he possesses, this woman, from disaster. Is that a realistic picture? Is it fantastical? I believe, and assume that you will agree with me on this, Anselm, that it is a true picture. In our dialogue this morning, I see Heinrich Heine present as a man of today. I am interested in how he judges the state of the world in 2014–15, something he can do at any time from Elysium. I don’t think he would answer discursively. He would start to work, to write. We, on the other hand, can continue to write his texts. Every gram which poetry lays on the scales can, or so we are presumptuous enough to believe, offset a few hundredweight of increasingly mad reality or the clouds of destiny circling the earth. It is this superstition, one on which we live, which fuels modern poetry. It corresponds to the rebellious energy within people, the anti-realism of feelings. The probabilities of the heart have more
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gravitational pull than those of statistics. If our forebears had not invented this way of thinking seated around those first fires, Anselm Kiefer and I would not be standing before you today, indeed none of us would have been here this morning. All thinking and feeling is both old and very young. It belongs to the angels who accompany us. I thank you for your patience. 13 December 2014
Gregory H. Williams
Toward an Aesthetic of Cross-Mapping. Alexander Kluge’s Impact on the Visual Arts
Catching Up with Kluge In spite of the wide range of media that Alexander Kluge has employed during his prolific career, it has long been customary within scholarship to divide his body of work into discrete, disciplinary-specific phases that mark his engagement with writing fiction, filmmaking, producing social criticism, generating content for television and streaming video, and public speaking. One can break these periods up into relatively small units that track, say, the shift from the early stories first published in Lebensläufe in 1962 to the turn to social theory as exemplified by the first book (Öffentlichkeit und Erfahrung) jointly written with Oskar Negt that appeared in 1972. Another larger scale shift was Kluge’s move away from cinema to television during the mid-1980s, a shift that prompted much critical reflection and even concern that he had abandoned his filmic work on a counter-public sphere for commercial opportunities and more mainstream audiences. Indeed, however one looks back on Kluge’s complex and multipronged practices, the question of address and audience looms large. This goes, too, for Kluge’s scholarly reception. At any point in his career’s history, scholars must ask how he has aligned his chosen medium with the ever-changing constitution of public experience. Several early collective scholarly assessments of his work appeared between roughly 1985 and 1990, first with the German-language double-issue of Text + Kritik dedicated to Kluge in 1985, followed by single English-language issues in October in 1988 and New German Critique in 1990.1 Appearing as it did in the wake of his transition to television, this series of in-depth responses took stock of 1 Cf. Text + Kritik 85/86 (January 1985); October 46 (Autumn 1988); New German Critique 49 (Winter 1990). A forerunner in the English-language scholarship is Roswitha Mueller’s special 1983 edition of Discourse (6 [Fall 1983]) on new German cinema that includes three important early engagements with Kluge’s cinema. Noteworthy early German-language publications include: Rainer Lewandowski, Alexander Kluge, Munich 1980); and Thomas Böhm-Christl (ed.), Alexander Kluge, Frankfurt a.M. 1983.
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the full scope of Kluge’s impact in all media, establishing, among other things, his development as a storyteller, his connection to early cinema, and his key role in developing Autorenkino during the 1970s.2 The wide-ranging essays and interviews in these periodicals revealed the extent to which Kluge moved fluidly between media-based categories (cinema, theater, opera, printed matter, and television) while highlighting the distinctions between them. The vast majority of texts from this phase of Kluge’s critical reception came from literary theorists, film historians, sociologists, and philosophers. This includes the aforementioned special issue of October, edited by film theorist Stuart Liebman and subtitled »Theoretical Writings, Stories, and an Interview«, the core audience of which was made up of art historians and critics. Looking back from today’s perspective, when Kluge has become a highly visible figure in the realm of the visual arts (in museums, art magazines, and exhibitions), it seems that despite October’s relatively early introduction to Kluge, Negt and the concept of the counter-public sphere, the »art world«, for want of a better term, has spent the past decade trying to catch up with his vast output. In the following remarks, I offer a brief and partial survey of essays and interviews, published since the early 2000s, that testify to Kluge’s growing influence on artists, art historians, and critics around the world. Just as art history took longer than comparative literature to react to the development of postmodern and poststructuralist theory during the 1960s and 1970s, so too have scholars only belatedly acknowledged Kluge’s impact, in general, and the importance of his concept of cross-mapping, in particular, on the visual arts. This relatively recent surge of interest ultimately says as much about the expectations and experiences of art’s contemporary audiences as it does about Kluge’s work with artists. Kluge’s interactions with the visual arts have often appeared in the form of interviews that were published in magazines and websites outside of the realm of cinema and critical theory. During Documenta 12 in 2007, Kluge was invited to conduct a telephone interview, in front of an audience, with Rem Koolhaas and Hans Ulrich Obrist as part of their »Interview Mini-Marathon Deutschland«. Kluge was one of two dozen »protagonists of the German cultural landscape« to take part in this series of events.3 Koolhaas and Obrist geared the conversations toward architecture and the future of cities at a time when, as claimed on the 2 See, respectively, Jochen Vogt, »Der ratlos-rastlose Erzähler Alexander Kluge: Eine romantheoretische Annäherung«, Text + Kritik 85/86 (January 1985), pp. 9–21; Miriam Hansen, »Reinventing the Nickelodeon: Notes on Kluge and Early Cinema«, October 46 (Autumn 1988), pp. 178–198; Timothy Corrigan, »The Commerce of Auteurism: A Voice without Authority«, New German Critique 49 (Winter 1990), pp. 43–57. 3 A filmed recording of the interview and an explanatory text can be accessed at vimeo.com/ 16767333. Koolhaas and Obrist’s project operated as part of »Documenta 12 Magazines« in cooperation with the German architecture magazine ARCH+.
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project website, all formal categories had been asserted and simultaneously made superfluous. Kluge was among several interviewees from outside of the visual arts (others included the philosopher Hannes Böhringer and the media theorist Friedrich Kittler) to take part in the interdisciplinary exchange. In this sense, it is perhaps most accurate to say that Kluge is simply one of many filmmakers, theorists, and philosophers (such as Harun Farocki, Franco »Bifo« Berardi, and Giorgio Agamben) who have maintained a visible role in the field of contemporary art since the early 2000s. But I would argue that Kluge’s longrunning advocacy for cooperative efforts aimed at fostering creative self-sufficiency make him an especially attuned interlocutor for the visual artists and curators who have sought out modes of political agency in a time of the art market’s increasing dominance. In his conversation with Koolhaas and Obrist, Kluge spoke about the need to group together with like-minded individuals in order to remain independent of the coercive machinations of commercial culture. Similarly, in a 2010 interview with Gertrud Koch, first published in the art journal Texte zur Kunst, Kluge responded to her questions about his 570-minute DVD project on Marx’s Das Kapital by describing his intermedial approach: »In the beginning, I could not even say whether it is going to be a book, a film, an online contribution, a DVD, an evening at the movies or a sort of counter-programming on television. Each of these media functions in a very different way, which is to say, there is no such thing as one public; there are many different approaches to a public that is subject to massive disturbances.«4
Kluge’s career-long project of carving out a distinct, non-monolithic space apart from the public sphere of production is as important to critical contemporary visual art as his insistence on non-commercial vehicles of production and distribution. That this aspect of his work is so compelling today places it in line with the emphasis on resisting a commercially accommodating form of postmodernism that marked the 1988 October issue. As Kluge said in his interview with Liebman, »We are not postmodernists.«5 Just as October had offered their Kluge coverage at a time when the 1980s art galleries had overheated, so too did Koolhaas and Obrist seek him out during the height of the most recent international art-market bubble. And yet during the intervening years, globalization has massively influenced the way in which art is experienced, with the scale of the exhibitions and the size of the audiences expanding exponentially. It is thus 4 Gertrud Koch, »Undercurrents of Capital: An Interview with Alexander Kluge«, The Germanic Review, 85/4 (2010), p. 361. The interview originally appeared in German in: Texte zur Kunst 73 (2009), pp. 82–97. 5 See Stuart Liebman, »On New German Cinema, Art, Enlightenment, and the Public Sphere: An Interview with Alexander Kluge«, October 46 (Autumn 1988), p. 57.
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arguable that the latest phase of engagement with Kluge’s work among artists, curators, and critics stems from a quest to regain concrete experience in a time of dispersed and ungrounded virtuality.
Kluge’s Cross-Mapping. Three Encounters with the Visual Arts Aside from his most notable collaborations with two of German contemporary art’s luminaries – Gerhard Richter and Anselm Kiefer – Kluge has found common ground with many other visual artists.6 In fact, it is in the company of visual artists where Kluge has directly addressed his working method of cross-mapping. Take, for example, his opening statement delivered at a 2001 symposium organized in conjunction with an exhibition of the work of Jürgen Partenheimer at the Kunstmuseum Bonn. Speaking about Partenheimer’s multi-media efforts at cross-mapping in his mid-1990s exhibitions in China, Kluge stressed the need, in such situations of cultural exchange, to »have the courage to use our misunderstandings, our mistakes in understanding, as a means of cognition.«7 Repeatedly conveyed using the striking maxim borrowed from Guy Debord – »Tramp through the Harz mountains with a street map of Greater London« – cross-mapping arises, says Kluge, when one map is superimposed over another very different terrain, ideally leading to productive frictions, misunderstandings, and discoveries.8 In the Partenheimer text, Kluge only briefly defines crossmapping. However, with unprecedented clarity, Kluge explains the stakes of this process in his 2013 essay intended for the digital generation of millennials. In a word, it is a method for regaining lost experience: »In a world that consists almost entirely of indirect experiences – ninety percent of it consists of experiences culled from television, reading and hearsay – direct experience is a rare commodity, something precious«.9 Cross-mapping through the Harz is, con-
6 I am thinking here of Kluge’s »image-text« collaborations with Richter (Dezember [2010] and Nachrichten von ruhigen Momenten [2013]) as well as Kluge’s stories included in: Anselm Kiefer, Die Ungeborenen (Paris: Galerie Thaddaeus Ropac, 2012). 7 Alexander Kluge, »Extracts«, John Brogden (trans.), in: Michel Gaißmayer/Dieter Ronte (eds.), Das Symposium. CrossMapping – Partenheimer in China, Düsseldorf 2001, p. 218. 8 Cf. Astrid Deuber-Mankowsky/Giaco Schiesser, »In the Real Time of Feelings. Interview with Alexander Kluge«, in: Tara Forrest (ed.), Alexander Kluge. Raw Materials for the Imagination, Amsterdam 2012, p. 361; see also Gunther Martens on Kluge’s evocation of Guy Debord in: »Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing«, Alexander Kluge-Jahrbuch, vol. 1: Vermischte Nachrichten (2014), p. 39. 9 Alexander Kluge, Die Entsprechung einer Oase: Essay für die digitale Generation, Kindle edition, Berlin 2013.
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versely, a direct experience, »a good mode of communication«, Kluge goes so far as to suggest.10 The Partenheimer symposium, which brought German and Chinese scholars together as part of a transnational project, took place at a moment when largescale group exhibitions of contemporary art increasingly explored the theme of globalization, as seen in such examples as Harald Szeemann’s organization of the 49th Venice Biennale in 2001 and Okwui Enwezor’s Documenta 11 of 2002. In these shows and many others mounted over the past fifteen years, the intercultural tensions that Kluge highlighted with his concept of cross-mapping have generated a great deal of critical writing. Considering his own long-running experiment with cross-mapping as method, it is not surprising that Kluge has established during the past decade a growing presence in the realm of the visual arts. And yet it is not immediately obvious how artists, curators, critics, and art historians benefit from engaging with Kluge’s ideas and methods, nor is it entirely clear why it took so long for his work to play such a productive role in the world of contemporary art. Based on other exchanges between Kluge and visual artists, it would seem that cross-mapping’s drive toward direct social interaction, as well as the term’s emphasis on the unpredictability of communication, resonated in the context of an increasingly experience-based exhibition culture.11 Just as he singled out Partenheimer’s attention to on-the-ground intercultural exchange, Kluge has found affinities with artists who foreground the analog/ digital divide in their work. A 2006 conversation between Kluge and artist Thomas Demand helps to illuminate the shared interests between their distinct practices, indicating why Kluge has become an influential figure for visual artists working today. The discussion centered on Demand’s preparation of Grotto, a meticulously and painstakingly crafted sculpture that served as a model for a set of photographs, following a process for which he has been known since the mid1990s. He used multiple computer programs to translate a postcard image of an actual grotto (that he had never visited) in Mallorca into a three-dimensional model, which he then photographed and printed in large format (250 x 550 cm). Made of 900,000 layers of cardboard and paper, the sculptural aspect of the work could only be appreciated in the photograph, which hung in place of the model at the entrance to the Serpentine Galleries in London during Demand’s solo exhibition.12 In their conversation published in the exhibition catalogue, Kluge 10 Ibid. 11 See Caroline A. Jones, »Biennial Culture and the Aesthetics of Experience,« in: Alexander Dumbadze/Suzanne Hudson (eds.), Contemporary Art: 1989 to the Present, Malden (MA) 2013, pp. 192–201. 12 It should be noted that Grotto is a rare example in Demand’s body of work in which the model was not destroyed after he took the photograph. In this case, Demand exhibited the model at
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helps Demand determine the stakes of comprehending reality as it is experienced entirely through digital images while still holding onto the desire for a tactile encounter with specific sites and materials. After Demand describes the destabilizing moment of standing inside one of his large-scale models, Kluge suggests, »One can hardly call these works objects; they’re more like occurrences.«13 Going beyond the more obvious postmodern interpretation of the mise en abyme of photographic engagement with the real, Kluge pays close attention to both history and process (the interplay in Demand’s practice between the mediums of sculpture and photography, the fascination with caves in German Romanticism, and the grotto’s relationship with the grotesque), demonstrating his capacity for rapidly making wide-ranging links between conceptual categories. Without this flexible historical context, Demand’s presentation of Grotto as image runs the risk of losing the work’s attachment to craftsmanship and accident. Moreover, their conversation highlights the tension between direct and indirect experience (the tactile cardboard grotto versus its digital counterpart) and shows that cross-mapping is never a seamless merging of time and place but rather a spatiotemporal layering whereby each element retains its unique characteristics while nevertheless making partial points of contact with one another. Kluge’s commitment to collaborative thinking with visual artists, as exemplified by his conversation with Demand, is much deeper and far more extended with Christoph Schlingensief.14 In a conversation held in 2006 in the context of Schlingensief ’s exhibition at the Museum der Moderne in Salzburg, Schlingensief agreed when Kluge proposed that he had always been »first and foremost a filmmaker.«15 Just as Kluge has retained his montage-based techniques in both film and prose, Schlingensief also maintained his reliance on film, the medium that first made his reputation, long after his entry into the art world. And yet in response to Kluge’s question about his shift from film to installations in museums, Schlingensief claimed that he gradually abandoned his early emphasis on »purity« in the production of his films: »Impurity actually has a far greater potential for truth.«16 This recalls Kluge’s own embrace of friction in his process of cross-mapping. In the foreword to a book published in the year of Schlin-
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Regen Projects, a gallery in Los Angeles, from October 20 to November 24, 2006. The exhibition at the Serpentine Galleries ran from June 6 to August 20, 2006. Thomas Demand, »A Conversation Between Alexander Kluge and Thomas Demand«, in: id., Thomas Demand, London 2006, p. 56. On the theme of collaboration in Kluge’s work, see: Miriam Hansen, »Cooperative Auteur Cinema and Oppositional Public Sphere. Alexander Kluge’s Contribution to Germany in Autumn«, in: Forrest, Alexander Kluge, pp. 50–71. »Alexander Kluge in Conversation with Christoph Schlingensief«, in: Klaus Biesenbach et al (eds.), Christoph Schlingensief, London 2013, p. 88. Ibid.
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gensief ’s death, Kluge elaborated on his friend’s »impure« attitude toward his artistic mediums: »Schlingensief works with a new, boundary-breaking kind of medium, colonized from the theatre or the anti-theatre, with the support of film, video and music.«17 One could easily apply this observation to Kluge, who, like Schlingensief, has not been averse to alienating the viewer through the disjointed accumulation of layers of images and texts. As Eric Rentschler pointed out in a profile on Kluge that appeared in Artforum in 2008, the latter’s »elaborate collages are undeniably imposing in their intertextuality.«18 Both Kluge and Schlingensief pursued an alienation effect derived from a working method that moves constantly, if not always fluidly, between media, histories, and concepts. Indeed, in the Partenheimer statement Kluge discusses cross-mapping in relation to the experience with defamiliarization that comes from Bertolt Brecht’s Verfremdungseffekt. The heightened, even excessive, intermediality that marks Kluge’s and Schlingensief ’s bodies of work is what makes their conversation so compelling and so exemplary for what draws artists to Kluge’s work.
Other Cross-Mappings If Kluge’s appearances in art magazines and exhibition catalogues late in his career indicate that a convergence has finally taken place, what then are the specific contours of this exchange between Kluge and the many institutions of the visual arts? Since the waning of formalist approaches to painting and sculpture in the 1960s, the vast and amorphous zone of contemporary art has steadily expanded its own acceptance of impurity, so much so that cross-mapping is the norm for artists and curators, who must routinely adapt to unfamiliar cities and languages. It is the reach of Kluge’s historical and geographic imagination that is so appealing at a time when the »art world« has become as fully globalized as it has ever been. In visiting any of the major large-scale biennials occurring each year around the planet, artists and spectators alike must be open to engaging with an intimidating number of cultures and contexts. What makes Kluge’s cross-mapping method so exemplary is its ability to accept contradiction and conflict as inherent components of a critical artistic practice that tries to imagine alternative scenarios and outcomes from the past in order to navigate the present. Now seems to be the time to extend his methods to collaborations and conversations with artists working outside of the Germanspeaking realm, which has so far been the primary geographical context for 17 Alexander Kluge, »Foreword«, in: Tara Forrest/Anna Teresa Scheer (eds.), Christoph Schlingensief. Art Without Borders, Bristol 2010, p. 2. 18 Eric Rentschler, »A Cinema of Citation«, Artforum (September 2008), p. 421.
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Kluge’s intersections with the visual arts. One can well imagine productive cooperation between Kluge and many internationally known artists, including Georges Ad¦agbo, Ai Weiwei, Emily Jacir, Isaac Julien, and Zoe Leonard, to name just a few prominent individuals. Especially Ad¦agbo, with his trenchant reversal of the colonial gaze in installations of historical printed matter and artifacts throughout Europe and the United States, would offer a model for, and perhaps a lively challenge to, the expansive aims of cross-mapping.19 To take full measure of Kluge’s impact on the visual arts would require more than a short summary of intersections between his work and recent art exhibitions and publications.20 It would call for a deeper analysis of how the global turn in contemporary art of the past two decades has, for example, revived the role of storytelling as international audiences have attempted to decipher work produced by artists from unfamiliar cultures.21 These experiences of reading often involve understanding the cultural context of a given work by consulting wall texts and exhibition guides.22 To be conscious of the gap in knowledge between the image or object and its context of production is to accept a degree of humility and generosity.23 In his accolade celebrating Kluge’s receipt of the Heinrich Heine Prize in Düsseldorf in December 2014, Anselm Kiefer linked Kluge’s practice to various strains of modern and contemporary visual art (Surrealism, Fluxus, Minimalism, Conceptual art) before praising him for destroying reality through fragmentation.24 For Kiefer, one of Kluge’s crucial achievements is to »create an empty space between image and text«.25 Rather than a dead lacuna, this space opens up opportunities for reflection, allowing the 19 See, for instance, Ad¦agbo’s installation »Germany Before and After the War«, his contribution to »DECOLONIZE München« in 2013–2014: www.muenchner-stadtmuseum.de/ en/sonderausstellungen/archive/2013/decolonize-muenchen.html. 20 Kluge’s own entry into the exhibition space, namely his 2007 moving-image installation at the Haus der Kunst in Munich, Mehrfachbilder für 5 Projektoren (“Simultane”), must also be considered at length. 21 The fact that October has recently devoted a portion of an issue to discussing the English translation of Kluge and Oskar Negt’s History and Obstinacy perhaps signals a new interest among art scholars in Kluge and Negt’s long-running work on global labor. 22 This curatorial challenge of articulating wall text and work of art is arguably one foundational concern in all of Kluge’s work, from his recent collaborations with Richter and Kiefer all the way back to his 1965 programmatic statement “Word and Film” coauthored with Edgar Reitz and Wilfried Reinke (cf. »Word and Film«, Miriam Hansen (trans.), October 46 (Autumn 1988), pp. 83–95. 23 On the importance of generosity, Kluge writes: » Magnanimity. The ability to engage in free exchange. The permeability of empathy. The ability to give gifts as well as “oneself” as a gift. “[T]he opposite of forgetting” (Adorno).« Alexander Kluge, »Straw in the Ice: Stories«, Richard Langston (trans.), Grey Room 53 (Fall 2013), p. 107. 24 See Anselm Kiefer’s »Alexander, You Are a Particle Accelerator« included in this volume of the Alexander Kluge-Jahrbuch, pp. 179–184. 25 Ibid., p. 181.
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reader/viewer to ponder both the actuality of the work of art and the many temporal references it calls to mind. As contemporary art itself becomes a historical category, it is worth pondering a concluding line in Kluge’s Heine Prize acceptance speech: »All thinking and feeling is both old and very young.«26 A pioneer of cross-mapping, Kluge has created blueprints for contemporary artists intent on situating themselves temporally and spatially in our vertiginous present.
26 See Alexander Kluge, »Heinrich Heine Prize Acceptance Speech« also included in this volume, p. 191.
Thomas Combrink
Ein Medium, das die Lichtstrahlen bündelt. Über das Verhältnis zwischen Heinrich von Kleist und Alexander Kluge
Mit kaum einem anderen Schriftsteller ist Alexander Kluge so häufig verglichen worden wie mit Heinrich von Kleist. Die Ähnlichkeiten in der Erzählweise sind offensichtlich: Kleists Anekdoten und Kluges Geschichten wirken durch die Kürze, mit der ein Sachverhalt oder ein Ereignis dargestellt wird, und durch die Sachlichkeit der Sprache miteinander verwandt.1 Es finden sich weitere Parallelen zwischen den beiden Autoren. In seiner Dankesrede zur Verleihung des Kleist-Preises kommt Alexander Kluge auf Kleists journalistische Tätigkeit zu sprechen, auf die Berliner Abendblätter, die vom 1. Oktober 1810 bis zum 30. März 1811 veröffentlicht werden. Es handelt sich um die erste Berliner Tageszeitung, die mit sechs Ausgaben in der Woche (von Montag bis Samstag) erscheint und einen Umfang von vier Seiten hat. Was bei der Lektüre der Zeitung ins Auge fällt, sind die unterschiedlichen Textarten. Es finden sich Abhandlungen philosophischer Art, Berichte über Ereignisse in aller Welt (vor allem den Fortgang der napoleonischen Feldzüge betreffend), Anekdoten, Erzählungen, Kritiken von Theateraufführungen und aktuelle Berichte der Polizei in Berlin. Kleist hat mit seinen Berliner Abendblättern anfangs großen Erfolg, was vor allem an den lokalen Nachrichten liegt. Durch seine Bekanntschaft mit dem Polizeipräsidenten Gruner ist er in der Lage, das Publikum über die neuesten Verbrechen und Delikte in und um Berlin zu informieren. Diese Berichte, »Polizeiliche Tages-Mitheilungen« genannt, wirken auf heutige Leser kurios. Was Heinrich von Kleist mit seinen Berliner Abendblättern wagt, ähnelt den Strategien Alexander Kluges und stellt eine Erweiterung des Autorenbegriffs dar. Der Autor ist nicht nur für den Inhalt seiner Arbeiten verantwortlich, sondern bemüht sich auch um die Positionierung seiner Texte in der Öffentlichkeit. Kleists Zeitungsprojekt liegt die Idee der Kooperation zugrunde. Da1 »Kluge imitiert Kleists elliptisch-emphatischen Stil und auktorial-unzuverlässige Erzählinstanz, aber versachlicht sie auch radikal«. Helena Elshout u. a., »Eine von den Halberstädter Putzfrauen überwachste Fußspur. Die produktive Kleist-Rezeption Alexander Kluges«, in: Kleist Jahrbuch (2010), S. 29–46, hier : S. 26.
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hinter steckt eine doppelte Form der Buchführung, der Gedanke, dass ein Schriftsteller sich mit seinen Texten nur Gehör verschaffen kann, wenn sie in einem Medium erscheinen, in dem auch andere Autoren publizieren. Was Kleist auf literarischem Wege zu realisieren versucht, hat Alexander Kluge mit deutschen Filmemachern in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren verwirklichen wollen. Auch dort ging es um die Bildung eines Kollektivs, was aus der Vorstellung resultierte, dass kein einzelner, junger und eigensinniger Filmemacher sich in der Öffentlichkeit der Filmindustrie allein behaupten kann. Alexander Kluges Verwendung der Bezeichnung Autor zielt vor allem auf seine Erfahrungen im Bereich des Films und Fernsehens; es gibt kaum Ausführungen von ihm, die sich auf die Stellung des literarischen Autors beziehen, was vor allem daran liegt, dass der literarische Bereich in ästhetischer und inhaltlicher Hinsicht nicht den starken Reglementierungen unterliegt, wie sie im Film und im Fernsehen zu finden sind. Der Ausdruck Autor hängt bei Alexander Kluge mit dem Wunsch nach Freiheit zusammen. Ein Schriftsteller, ein Komponist, ein Filmemacher oder ein bildender Künstler soll seinen eigenen Vorstellungen, seinen eigenen Idealen folgen dürfen. Nicht das System, in dem sich ein Projektemacher befindet, soll Form und Inhalt des Kunstwerks bestimmen, sondern der Autor, der unabhängig von den Erwartungshaltungen anderer sein muß. Diese Autonomie versuchte Heinrich von Kleist mit den Berliner Abendblättern zu erreichen, indem er die Rolle des Autors in die Herausgeberschaft einer Tageszeitung erweiterte. Nur konsequent, wahrscheinlich aber unmöglich, wäre es gewesen, wenn er seine Zeitung noch selbst verlegt hätte. Heinrich von Kleists Engagement resultiert aus der Unsicherheit einer Situation, in der er sich auf die Qualität seiner Ideen oder Formulierungen nicht verlassen kann, in der es ratsam ist, das System der Öffentlichkeit zu verstehen, um es beeinflussen zu können. Dabei kommt ein starker Pragmatismus zum Vorschein, die Fähigkeit, in organisatorischen Strukturen zu denken, ein Interesse an Institutionen zu entwickeln – was Künstlern häufig fremd ist. Es gibt kaum einen anderen Projektemacher im deutschen Kulturbetrieb, bei dem künstlerische und praktische Begabungen derart ausgeprägt sind wie bei Alexander Kluge; bereits in den fünfziger Jahren beschäftigt er sich mit dem Aufbau von Institutionen. Es ist die Frankfurter Universität, in dessen Kuratorium er einen Teil seines juristischen Referendariats ableistet. Die Auseinandersetzung mit akademischen Strukturen führt er in seiner Dissertation über die »Universitäts-Selbstverwaltung« fort. Seine Tätigkeit für den Rechtsanwalt Hellmut Becker hängt ebenfalls mit dem Aufbau von Institutionen zusammen, es geht um Privatschulen, aber auch um das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, das 1963 gegründet wird. Die Kenntnis der Strukturen der Öffentlichkeit hilft ihm in der Filmpolitik. Das »Kuratorium junger deutscher Film«
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soll jungen Filmemachern die erste Arbeit finanzieren, einen Einstieg in das Geschäft ermöglichen. Über Kleists Zeitungsprojekt schreibt Alexander Kluge: »Diese Blätter wurden in Berlin herumgetragen, an den Mann gebracht, und wie ein Gastwirt sitzt Kleist da und freut sich über jeden einzelnen Käufer. Er zählt die Karten, die verkauften Exemplare. Diese Arbeit ist nie fortgesetzt worden und bedarf dringend der Fortsetzung.«2 Was ist mit der Forderung nach Fortsetzung gemeint? Was ist das Besondere an den Berliner Abendblättern? Ist es die Idee der Mischung von Aktualität und literarischer Erzählweise? Geht es um einen neuen Typ des Autors, um eine Person, die journalistische und dichterische Fähigkeiten in sich vereint? Der Wunsch nach Fortsetzung, den Alexander Kluge äußert, entspricht seiner Denk- und Arbeitsweise. Sein erstes Buch mit Oskar Negt, Öffentlichkeit und Erfahrung, knüpft an dem Band Strukturwandel der Öffentlichkeit von Jürgen Habermas an. Mit der DVD-Edition Nachrichten aus der ideologischen Antike greift Kluge ein Projekt von Sergei Eisenstein auf, der das Kapital von Karl Marx verfilmen wollte. Ein noch unrealisiertes Filmprojekt der letzten Jahre stellt »Menschen am Samstag« dar, eine Fortführung des Stummfilms Menschen am Sonntag von 1930. Eine andere Vorstellung von ihm bezieht sich auf die Fragestellung, was in einem »Passagen-Werk« des 20. und 21. Jahrhunderts enthalten wäre – in Anlehnung an Walter Benjamins Arbeit. Fortsetzung ist bei Alexander Kluge auch als Metapher zu verstehen. Es geht um Konfrontation, um Reibung. Die Handschrift von Marx, Benjamin oder Eisenstein soll nicht erlernt und kopiert werden, sondern inhaltliche oder ästhetische Prämissen dienen als Ausgangspunkt für die Erprobung eigener Ideen. Fortsetzung bei Kluge bedeutet »Cross-Mapping«, die Methoden zweier Autoren kreuzen sich. Die Differenzen erzeugen den Reiz. Alexander Kluge weist in einem Gespräch3 darauf hin, dass seine Fernsehfirma dctp eine Weiterführung von Heinrich von Kleists Berliner Abendblättern darstellt. Damit ist einerseits das Kooperationsprinzip gemeint; dctp ist ein Kollektiv unterschiedlicher Formate, von Kluges Kulturmagazinen News & Stories und 10 vor 11 bis hin zu Spiegel TV und stern TV. Auffällig ist der Unterschied in den Handschriften. Während die Sendungen von Spiegel TV und stern TV eher den Erwartungshaltungen der Zuschauer entsprechen, sich also den bestehenden Bedürfnissen anpassen, sind die Magazine von Alexander Kluge vom Standpunkt des Autors aus organisiert. Sie wirken subjektiver. Dieses persönliche Element resultiert auch aus der Wahl der Gesprächspartner, die über Themen reden, für die im Fernsehen häufig kein Platz ist. Persönlich wirken die 2 Alexander Kluge, »Die Differenz. Heinrich von Kleist«, in: ders.: Fontane, Kleist, Deutschland, Büchner. Zur Grammatik der Zeit, Berlin 2004, S. 21–41, hier S. 32. 3 Telefonat vom 15. März 2014.
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Interviews aber vor allem, weil Menschen über Sachverhalte sprechen, mit denen sie sich über Jahre beschäftigt haben. Die Gesprächspartner befinden sich »in ihrem Element«, fühlen sich wohl (auch wenn sie von Alexander Kluge häufiger unterbrochen werden) in einer Situation, in der sie über etwas sprechen können, das sie beschäftigt. Ein entscheidender Vergleichspunkt zwischen Alexander Kluges dctp und Heinrich von Kleists Berliner Abendblättern besteht im »Boulevardprinzip«. Man könnte die Polizeinachrichten in Kleists Zeitung vergleichen mit den Themen von Spiegel TV. Es sind Kriminalität, Gewalt, Betrug, zwischenmenschliche Dramen, für die sich Menschen interessieren. Kluge und Kleist beliefern dieses Bedürfnis nach Neuigkeiten von der Straße. Sie kommen dem nach, weil sie sich davon eine Öffentlichkeit für ihre eigenen Texte versprechen. Die Differenzen sind erheblich. Im selben Medium, in dem über Brandstiftung in Berlin berichtet wird, findet sich (einige Zeit später) auch Kleists hochabstrakter Text über das Marionettentheater. Es wäre, als ob die Bild-Zeitung Arbeiten aus dem Merkur publizieren würde. Allerdings, so muss man sagen, hatten damals schon Zeitgenossen von Heinrich von Kleist Zweifel an der Zusammenstellung der Texte. Wilhelm Grimm schreibt am 6. November 1810 an Clemens Brentano: »Die Zeitung ist recht vernünftig gedacht, und dabei nicht wie andere Theatermäßig herausgeputzt. Nur die Polizeianzeigen nehmen sich hier oft lächerlich aus: es ist als ob jemand, der uns raisonabel unterhalten, auf einmal mit seltsamer Vertraulichkeit seine Taschen herauszög, die Brodkrumen herauswischte und die Löcher zeigte, die geflickt, und die Flecken, die müßten herausgewaschen werden. Einem dabei stehenden Schneider wär das unstreitig das interessanteste an dem ganzen Mann, und so mag es vielen dort, besonders rechten Hausricken das liebste sein, mithin hat es einen Grund auch wieder, daß es da ist.«4
Grimms Urteil über Kleists Zeitung ist ambivalent. Einerseits lobt er die unprätentiöse Gestaltung der Berliner Abendblätter, andererseits erscheinen ihm die Polizeinachrichten unseriös. Das eindrückliche Bild einer Person, die plötzlich ihre Taschen nach außen kehrt, obwohl doch im Zentrum ein fundiertes Gespräch steht, deutet darauf hin, dass Grimm der Charakter der Sammlung der Texte nicht einleuchtet. Liest man heute die Ausgaben der Zeitung, so ist man über die Auswahl der Themen verwundert. Die Berliner Abendblätter bedienen Spezialinteressen und den Geschmack der breiten Bevölkerung. Es findet sich eine lange Abhandlung (in mehreren Fortsetzungen) über die ökonomischen Vorstellungen des Philosophen Christian Jakob Kraus (1753–1807), der sich an der Theorie von Adam Smith orientierte. Heute wirkt es irritierend, warum ein Philosoph, der jetzt vergessen ist, so sehr ins Zentrum einer Tageszeitung gerückt wird. Warum geht es zum Beispiel nicht um Kant 4 Brandenburger Kleist-Blätter 11, Basel 1997, S. 376.
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oder Hegel? Hinter dem Angriff auf Kraus steckt eine Kritik an den preußischen Verwaltungsstrukturen, auf die Kraus einen großen Einfluß ausgeübt hat. Und doch wirkt die Wahl des Themas willkürlich. Gab es nicht dringendere Probleme, die mit längeren Artikeln behandelt werden konnten? Hatte Kleist vielleicht Schwierigkeiten, Autoren zu finden? War die preußische Zensur ein Hindernis? Die Berliner Abendblätter machen einen verstiegenen Eindruck. Es fällt schwer, von den dort verhandelten Sachverhalten ein Bild der historischen Situation zu bekommen. Es drängt sich die Frage auf, ob die Verstiegenheit vielleicht aus der Not an guten Texten resultiert. Immerhin musste Kleist sechs Ausgaben in der Woche herausbringen (auch wenn die Zeitung nur aus vier bedruckten Seiten bestand). Oder wollte er in erster Linie einen anderen Typus von Tageszeitung präsentieren? Was Heinrich von Kleist von Alexander Kluge unterscheidet als Gestalter von Öffentlichkeit, ist fehlendes diplomatisches Geschick. Die Berliner Abendblätter werden eingestellt, weil Kleist sich Feindschaften zuzieht, das politische und kulturelle Umfeld in Berlin sich gegen ihn stellt. Kleist konfrontatives Verhalten sorgt für Konflikte. Seine Vorgehensweise wirkt unverständlich. Einen der wichtigsten kulturellen Repräsentanten Berlins anzugreifen, den Direktor des Nationaltheaters, August Wilhelm Iffland, muss zu Problemen führen. Kleist schätzt die Machtverhältnisse falsch ein. Dieser fehlende Sinn für die realen Sachverhalte, die Annahme des Dichters also, dass die eigene Vorstellungswelt identisch ist mit der Wirklichkeit, ist für Alexander Kluges Betrachtung von Heinrich von Kleist zentral. Es geht um den Kontext von Theorie und Praxis, um den Zusammenhang zwischen der Welt im Kopf und den empirisch wahrnehmbaren Gegenständen. Zu dieser Thematik zählt auch ein Zeitgenosse Heinrich von Kleists, nämlich Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der in seiner Philosophie des Idealismus davon ausgeht, dass das Bewußtsein die Wirklichkeit strukturiert, dass unsere Wahrnehmung die Realität erzeugt. Auch Immanuel Kant könnte hinzugezogen werden. Das »Ding an sich«, das unsere Sinne nicht registrieren können, die Unmöglichkeit also, eine Realität außerhalb unseres Bewusstseins erkennen zu können, würde in diese Richtung deuten. In Alexander Kluges Werk sind es Schriftsteller oder Philosophen, bei denen Idealismus und Tatsachenwelt kollidieren (was auch eine Form des »Cross-Mappings« darstellt). Es finden sich zwei verwandte Geschichten, bei denen deutlich wird, wie sich Schriftsteller täuschen in ihrer Wahrnehmung der Wirklichkeit. In »Kleists Reise« geht es darum, dass Heinrich von Kleist mit seiner Schwester nach Boulogne reist, um Napoleons Soldaten, die nach England übersetzen wollen, von der Philosophie Immanuel Kants zu überzeugen.5 In dem Text »Versuch 5 Alexander Kluge, »Kleists Reise«, in: ders., Die Lücke, die der Teufel läßt: Im Umfeld des neuen
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einer Kontaktaufnahme« aus dem Buch 30. April 1945 will Ezra Pound in Italien am Ende des Zweiten Weltkriegs amerikanische Soldaten davon überzeugen, dass das State Department ihn erwarte. Eine Tasche mit Manuskripten und einem chinesischen Lexikon trägt er bei sich. In beiden Geschichten werden die Erwartungshaltungen der Schriftsteller enttäuscht. Kleist und seine Schwester werden verhaftet, Pound wird ignoriert: »Niemand von den GIs, die sich geduldig zeigten, schon weil sie sich wunderten, von jemandem hier in englischer Sprache angeredet zu werden, wollte ihn anhören oder gar verhaften.«6 Kleist und Pound werden nicht verstanden, weder von den französischen noch von den amerikanischen Soldaten. In den Geschichten klingt einerseits Anerkennung für das Selbstvertrauen an, mit dem sich die Schriftsteller in eine für sie riskante Situation begeben. Andererseits erzeugt die Naivität der Personen auch ein leichtes Kopfschütteln beim Leser. Walter Benjamin kommentiert in seinem Text »Brechts Dreigroschenroman« den Ausdruck »plumpes Denken«. Es heißt dort: »Plumpe Gedanken gehören gerade in den Haushalt des dialektischen Denkens, weil sie gar nichts anderes darstellen als die Anweisung der Theorie auf die Praxis. Auf die Praxis, nicht an sie: Handeln kann natürlich so fein ausfallen wie Denken. Aber ein Gedanke muß plump sein, um im Handeln zu seinem Recht zu kommen.«7
In Alexander Kluges Literatur ist Heinrich von Kleist ein Repräsentant für die Anwendung »plumpen Denkens«. Das Thema ist also das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis. Es geht um die Einheit der Person, um die Auflösung innerer Widersprüche, um die Kongruenz von Denken und Leben, die nur schwer möglich ist. »Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt, dies ist eine fundamentale Tatsache unserer Existenz und wir müssen uns mit ihr abfinden.«8 Dieser Satz von Gottfried Benn beschreibt das Dilemma, in dem Kleist sich befand. Benn hielt als Gegenentwurf dazu an dem Prinzip »Doppelleben« fest, also an der Idee einer eher losen Verknüpfung zwischen der Welt der Gedanken und den praktischen Bedürfnissen der empirisch erfahrbaren Verhältnisse. Die Berliner Abendblätter von Heinrich von Kleist sind für Alexander Kluge aber vor allem von Interesse, weil sie seinem Motto »Erlöst die Tatsachen von der menschlichen Gleichgültigkeit« entsprechen. Hier spielt der Übergang zwischen Information und Erzählung eine entscheidende Rolle. Von einer Tageszeitung Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2003, S. 552–553. 6 Alexander Kluge, »Versuch einer Kontaktaufnahme«, in: ders., 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann, Berlin 2014, S. 180–181, hier: S. 181. 7 Walter Benjamin, »Brechts Dreigroschenroman«, in: ders., Angelus Novus. Ausgewählte Schriften 2, Frankfurt a.M. 1988, S. 292–301, hier : S. 298. 8 Gottfried Benn, »Doppelleben«, in: ders., Prosa und Autobiographie. In der Fassung der Erstdrucke, Frankfurt a.M.. 1984, S. 355–479, hier: S. 442.
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erwartet man verbürgte Nachrichten, Mitteilungen also, die tatsächlichen Geschehnissen in der Realität entsprechen. Erfundene Begebenheiten haben in einer Zeitung nur Platz in einer Rubrik, bei der klar ist, dass diese Berichte fingierte Ereignisse enthalten können. Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt des Textes hängt auch mit der sprachlichen Verfasstheit zusammen. Ebenso spielt die kommunikative Situation in einer Gesellschaft eine Rolle, die Geschwindigkeit, mit der Informationen übermittelt werden können. Musste Kleist noch wochenlang in Berlin auf Berichte über Napoleons Feldzüge warten, so braucht Alexander Kluge nur den Fernseher anzuschalten, um die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine oder in Syrien zu verfolgen. In unserer Situation kann man sich dem Fluss der Informationen über die unterschiedlichsten Medien kaum entziehen. Zu Kleists Zeiten war man dankbar für jeden Bericht, der aus einer anderen Stadt oder einem anderen Land kam. Der Unterschied liegt auch in der Verfügbarkeit des Wissens. Heute kann jeder, der einen Roman liest, die faktisch belegbaren Anteile des Textes mit einer Recherche im Internet mühelos überprüfen. Der Leser kann schnell herausfinden, welche Partien authentisch und welche erfunden sind. Zu Kleists Zeiten hätte man sich in Bibliotheken begeben oder die Schauplätze des Geschehens aufsuchen müssen, ein ungewöhnlicher Aufwand, den nur die wenigsten Leser in Kauf genommen haben. Solange die Quellen des Textes für die Lesenden verborgen sind, hat der Schriftsteller die Möglichkeit, die Mittel von Fakt und Fiktion frei zu handhaben. Das Internet ist mittlerweile die größte öffentliche Quellensammlung, der Schriftsteller kann hier nur auf Information zurückgreifen, die allgemein bekannt sind. In seinem Buch Das Labyrinth der zärtlichen Kraft aus dem Jahre 2009 zitiert Alexander Kluge aus einem Brief von Heinrich von Kleist an Wilhelmine von Zenge. Es geht dort um Kleists Aufenthalt in Würzburg. Eine Passage lautet: »Da gieng ich, in mich gekehrt, durch das gewölbte Thor, sinnend zurück in die Stadt. Warum, dachte ich, sinkt wohl das Gewölbe nicht ein, da es doch keine Stütze hat? Es steht, antwortete ich, weil alle Steine auf einmal stürzen wollen – und ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir bis zu dem entscheidenden Augenblicke immer mit der Hoffnung zur Seite stand, daß auch ich mich halten würde, wenn Alles mich sinken läßt.«9
Man könnte auch die Arbeitsweise von Alexander Kluge mit dem Torbogen und den einzelnen Steinen vergleichen, die sich gegenseitig halten, weil die Schwerkraft sie nach unten zieht. Es geht dabei um das Prinzip der Bricolage, um die Anhäufung von Material, die Auswahl einzelner Bestandteile, die Freude an der Montage. Schaut man sich Kluges Büro an, so gehört die Zerstreuung zum 9 Heinrich von Kleist, Sämtliche Briefe, Dieter Heimböckel (Hg.), Stuttgart 1999, S.165.
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kreativen Prozess. Der Zustand entspricht der Situation im Kopf des Autors; die einzelnen Materialien liegen unverbunden nebeneinander, ziehen sich im Laufe des Arbeitsprozesses unterschiedlich stark an. Die Tektonik, der Zusammenhang der Einzelteile, ist bis zum Schluss in Bewegung. Der Autor rangiert mit einzelnen Texten, ändert den Kontext, schreibt neue Geschichten, die Lücken füllen, nimmt Arbeiten wieder heraus, die ein Thema wiederholen, fügt Verbindungsglieder ein. Zerstreuung und Konzentration sind die beiden Prinzipien, die Kluges Arbeitsweise bestimmen. In einem ersten Schritt geht es um die Häufung von Materialien, um das Sammeln, das Akkumulieren von Bestandteilen. Dass es einen Überschuss an Elementen gibt, dass nicht alle Texte, Textteile, Zitate oder Abbildungen verwendet werden können, der Autor also eine Auswahl treffen muss, stellt sich im Laufe der Arbeit heraus. Hier bildet sich langsam die Kontur einzelner Kapitel heraus. Aber auch dieser Umriss ist noch vorläufig, kann wieder verändert werden, wenn neues Material aufgefunden wird. Der Zusammenhang von Sammeln, Auswählen und der gestaltenden Umwandlung des Materials ist bei Alexander Kluge komplex. Wenn der Prozess des Sammelns beendet ist, hat das Buch bereits eine feste Gestalt. Dann können noch Kürzungen vorgenommen werden, Geschichten ihre Position verändern oder einzelne Formulierungen innerhalb von Texten verändert werden. Man könnte Kluges Arbeitsweise am ehesten mit nautischen Bildern beschreiben, als eine Form des Verflüssigens – »Alles fließt« ist auch der Titel eines iBooks des Autors. Das Prinzip der Montage gehorcht der Methode der Revision. Entscheidungen werden zurückgenommen, können auch wieder bestätigt werden, die endgültige Form markiert bereits das Ende der Arbeit. Kluge wirkt dabei unsicher, nervös. Je länger er sich mit der Position einzelner Geschichten, mit Kapiteln, mit Überschriften, mit Formulierungen beschäftigt, desto entschlossener wird er, desto mehr härten die Texte und die Zusammenstellung aus. Allerdings kann auch die gedruckte Geschichte bei einer wiederholten Publikation verändert werden, gekürzt, erweitert oder umgeschrieben. Auch dieses Verhalten des Autors entspricht der Tendenz zur Verflüssigung. Was Kluge will, wohin seine Konzeption zielt, stellt sich erst in der Arbeit mit dem Material heraus. Dies hat Ähnlichkeit mit Heinrich von Kleists Überlegung bezüglich seines Aufsatzes »Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden« (eine Idee, die man im Alltag vielleicht etwas salopp mit der Redewendung »Der Hunger kommt beim Essen« wiedergeben könnte). Das Entstehen aus dem Moment heraus macht den Reiz der Tätigkeit aus. Es ist die Möglichkeit des Scheiterns, die Kluge in Kauf nimmt, wenn er seine Texte schreibt. Der von ihm häufig leicht variierend zitierte Satz »Und setztet ihr nicht das Leben ein / nie wird euch das Leben gewonnen sein« aus Schillers Wallenstein
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steht in Verbindung mit Heinrich von Kleist, bei dem Werk und Leben auf engste Weise verknüpft sind. Literatur und reale Existenz sind nicht zu trennen; die Zurückweisung ästhetischer Ideen ist für Kleist gleichbedeutend mit persönlicher Abweisung. Der Unterschied zwischen Alexander Kluge und Heinrich von Kleist liegt in dem unterschiedlichen Verhältnis zur eigenen Person. Liest man Kleists Briefe, so bekommt man den Eindruck, als seien alle Ereignisse in Abhängigkeit zum Autor, als setze Kleist sich in den Mittelpunkt, alle Geschehnisse laufen auf ihn zu. Diese starke Fixierung auf das eigene Ich ist als Leser nur auszuhalten, weil Kleist sich nicht profilieren möchte, vielmehr einen Ausdruck sucht für die eigene Unsicherheit. Kleist schreibt Briefe, um sich zu orientieren, um herauszufinden, wo er als Person steht. Alexander Kluge hingegen versteht den Brief nicht als Medium zur Selbstfindung. Wenn Kluge Briefe schreibt, dann geht es eher um organisatorische Sachverhalte, um die Abwicklung von Arbeitsabläufen. Hinzu kommt die technische Tatsache, dass man im Zeitalter des Telefons vieles, was man vorher schriftlich mitteilen musste, auch besprechen kann. Ebenso kann man Entscheidungen schneller revidieren. Die Flexibilität bei Absprachen ist für Alexander Kluge von Interesse. Die Geschichte »Kleists Lebensplan«10 handelt von Kleists Vorstellung einer zielgerichteten Existenz. Kluge schreibt über das Scheitern dieser Idee: »Tatsächlich aber liefen die Tendenzen in Kleists lebhaftem Gemüt strahlenförmig auseinander.«11 Es geht um die Zerrissenheit des Schriftstellers. Auch hier findet sich der Verweis auf die enge Beziehung zwischen Leben und Werk, Arbeit und Existenz. Bei Kluge zeigt sich ebenfalls diese Verbindung, sein Leben besteht zum größten Teil aus Arbeit, einer Tätigkeit, der er jeden Tag nachgeht. Allerdings findet sich bei ihm nicht die Sprunghaftigkeit Heinrich von Kleists, der meist aufgrund von Erfolglosigkeit versucht, neue Lebensentwürfe zu realisieren. Eine weitere Parallele zwischen Alexander Kluge und Heinrich von Kleist ist familiärer Art. Der kurze Text »Kleist und seine Schwester« lautet wie folgt: »Ich bin der Mond und reflektiere Licht. Du bist die Sonne, sagte er zu seiner Schwester. Die glaubte das nicht. Es sei nicht ihre Praxis, sich zu äußern. Auf dieser Spannung, daß ein Mensch etwas initiiert und der andere es niederschreibt, beruht Kleists Satz über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden.«12
Mit Kleists Schwester ist Ulrike gemeint, an die er seinen berühmten Abschiedsbrief vom 21. November 1811 richtet, darunter die Passage: »…du hast 10 Alexander Kluge, »Kleists Lebensplan«, in: ders., Das fünfte Buch. Neue Lebensläufe, Berlin 2014, S. 136–137. 11 Ebd., S. 137. 12 Alexander Kluge, »Kleists Schwester«, in: ders., Das fünfte Buch. Neue Lebensläufe, Berlin 2014, S. 136.
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an mir gethan, ich sage nicht, was in Kräften einer Schwester, sondern in Kräften eines Menschen stand, um mich zu retten: die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war.«13 Das klingt pathetisch. Ob Kleist auf Erden tatsächlich nicht zu helfen war, bleibt fraglich. Alexander Kluge würde es bezweifeln und sich eine Konstellation von Menschen um ihn herum vorstellen, die den Schriftsteller stabilisiert hätte.14 Kluges Text über die Verwandte von Heinrich von Kleist zeugt aber vor allem auch von der Beziehung zu seiner eigenen Schwester Alexandra. Die Worte, die er Kleist in den Mund legt, könnten auch Alexander Kluges Auffassung wiedergeben, für den seine Schwester eine wichtige Bezugsperson ist. Dabei geht die Idee der Reflektion noch über das Verhältnis der Geschwister hinaus. Eine poetologische Deutung liegt nahe: Der Schriftsteller ist keine Lichtquelle, sondern eher ein Medium, welches das Licht auffängt und die Strahlen bündelt. Der Mond ist am Nachthimmel hell, weil er von der Sonne angestrahlt wird. Die Sonne aber ist nicht sichtbar. Man kann dieses Bild noch in einer anderen Richtung verstehen. Schaut man sich Interviews von Alexander Kluge an, so ist er als Fragesteller nicht sichtbar. Er setzt die Gesprächspartner ins Licht, wäre also die Sonne, um im Bild zu bleiben, welche den Interviewten die Möglichkeit gibt, sich zu präsentieren. Bei Kluge findet in seiner Arbeit ein Rollenwechsel statt. In seinen Kulturmagazinen tendiert er dazu, die Funktion der Lichtquelle zu übernehmen. Bei seinen literarischen Arbeiten hingegen reflektiert und verdichtet er die Strahlen, fungiert wie ein Vexierspiegel, der das originale Bild verfremdend präsentiert.
13 Heinrich von Kleist, Sämtliche Briefe, Dieter Heimböckel (Hg.), Stuttgart 1999, S. 508. 14 So schreiben Helena Elshout et al., »Eine von den Halberstädter Putzfrauen überwachste Fußspur«, S. 46: »Aus Kluges Sicht ist Kleist also nicht Teil einer dunklen romantischen Vorgeschichte der Katastrophe, sondern ein utopisch-optimistischer Vertreter einer produktiven, durch Verspätung wirkenden Gegenöffentlichkeit.«
Philipp Ekardt
Form der Paraphrase. Umgearbeitete Romantik bei Alexander Kluge
Paraphrase als Form Paraphrasen sind, orientiert man sich zunächst am griechischen Begriff, Äußerungen, die sich in der Nähe anderer Äußerungen situieren. Par- »meint neben«, »in der Nähe von«; phrasis wiederum ist das »Wort« oder die »Rede«.1 Paraphrasen sind demnach Bei-Reden, oder benachbarte Äußerungen. Die Praxis des Paraphrasierens findet eine ihrer ersten Kodifizierungen in Quintilians Institutio oratoria, wo sie ganz im Sinne des pädagogischen Grundzuges einer Unterweisung des Redners den Charakter einer Übung hat und unter den rhetorischen Vorstudien verhandelt wird: »so sollen die Knaben es lernen, kleine äsopische Fabeln, die den Märchen der Ammen am nächsten stehen (…) zu erzählen, sodann dieselbe Leichtigkeit auch mit dem Griffel zu erreichen: zuerst die Verse aufzulösen, dann mit anderen Worten wiederzugeben, dann freier zu paraphrasieren, wo es gestattet ist, manches zu kürzen und auszuschmücken, wenn nur der Sinn der Dichtung gewahrt bleibt.«2
Paraphrasieren heißt dementsprechend, so der Artikel im Historischen Wörterbuch der Rhetorik, die »zum Zwecke der Rede- und Schreibübung angefertigte Umarbeitung (conversio) vornehmlich literarischer Texte oder berühmter Reden«.3 Im Sinne einer Tätigkeit des Umformulierens hat die Paraphrase schließlich auch jenseits der Rhetorik in den Künsten durchaus ihren Ort: In der Literaturgeschichte kommt sie etwa im Sinne der Herstellung von Prosafassungen zu Gedichten vor (z. B. bei John Donne).4 In der Musik ist sie begrifflich seit dem 19. Jahrhundert belegt, wo sie z. B. Rekompositionen von Opern- oder
1 Gert Ueding (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. VI, Tübingen 2003, S. 556. 2 Marcus Fabius Quintilianus, Ausbildung des Redners, Helmut Rahn (Hg. und Übers.), Teil 1, Buch I–IV, Darmstadt 1972, Buch I, Kap. IX.2. 3 Ebd. 4 Vgl. Otto F Best, Handbuch literarischer Fachbegriffe, Frankfurt a.M. 1972.
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Liedmelodien fürs Klavier ausmachten (z. B. Liszts Schubertparaphrasen bzw. Rigoletto. Paraphrase de Concert [1859] nach Verdi).5 Allen diesen Fällen scheint gemein zu sein, dass sich die Paraphrase als Form durch ihren halb intermediären Charakter auszeichnet. Obwohl sie als Äußerung oder Werk festgeschrieben wird, erklärt sie sich nur als Transformation einer vorangehenden Formation. Sie ist im Zustand der Form angekommene Umformung, die ihre Genese nicht dissimulieren darf, um als solche lesbar zu bleiben. Paraphrasen sind damit nicht nur Reden bei Reden oder Formen in der Nachbarschaft anderer Formen; sie sind als Zeitliche immer Formen nach vorangehenden Formen; und als solche haben sie ein Gedächtnis, oder tragen die Erinnerung an frühere, von ihnen differierende Formen in sich, auf die sie sich beziehen, um sich zu definieren. Dies haben sie mit dem umgangssprachlich Paraphrase genannten Äußerungstypus gemeinsam, der ja meist eine raffende oder komprimierende, vom eigentlichen Wortlaut abweichende Formulierung meint. Anders als Zitate isolieren Paraphrasen also nicht Segmente einer Originalform oder -äußerung, die sie in ihrer Fragmentarität festschreiben; und anders als die Variation auf ein Thema versteht sich die Paraphrase nicht als eine unter vielen (möglichen) Abänderungen einer motivischen Einheit, sondern als singuläre Metamorphose einer spezifischen Ausgangsform. Durch ihren Bezug auf vorangehende Formen stellen sie sich anders dar als Bearbeitungen eines Stoffes, die sich z. B. als Topoi ausprägen. Schließlich unterscheidet sich die Paraphrase auch von intertextuellen oder interpiktorialen Bezügen, die ja schlicht die generelle Bezogenheit von Texten auf Texte, von Bilder auf Bildern meinen, die diesen Bezug aber nicht als Verhältnis von Form und Bearbeitung konzipieren.
Kluges Paraphrasen In den letzten Jahren hat Alexander Kluge den Begriff der Paraphrase im Bezug auf seine eigene Arbeit gebraucht. So erscheint er im Kapitelverzeichnis zum DVD-Film Landschaften mit Eis und Schnee.6 Dieses ist im die Disc komplementierenden Heft Stroh im Eis enthalten. Die Geschichtensammlung Stroh im Eis bildet gemeinsam mit der DVD Landschaften mit Eis und Schnee das Werkdiptychon Wer sich traut reißt die Kälte vom Pferd. Im Kapitelverzeichnis ist der sechste Clip der Disc betitelt als »Die gescheiterte Hoffnung« und weiter 5 Vgl. Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Sachteil, Bd. 7, Kassel, Stuttgart 1994, Lemma »Paraphrase«. 6 Auch in Bezug auf seine neueren Eisenstein-Arbeiten verwendet Kluge den Begriff. Vgl. Philipp Ekardt, »Returns of the Archaic, Reserves for the Future. A Conversation with Alexander Kluge«, in: October 138 (Fall 2011), S. 120–132, hier S. 131–132.
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ausgewiesen als »Paraphrase zu einem Bild Caspar David Friedrichs«. Der Clip entschlüsselt sich als Modifikationsform quasi selbst. Das beginnt mit der die Bildsequenz begleitenden und sie rahmenden Musik. Zu Anfang sehen wir auf einer durch Kluges Kamera abfotografierten Aufnahme György und Mart Kurtag in einer Konzertsituation, vielleicht auch in einem Studio; die mit dieser Einstellung einsetzende Einspielung stammt dann auch tatsächlich von den beiden. Es handelt sich, wie die letzte Schrifttafel dieses Klugeschen Minutenfilms verrät, um die Bach-Transkriptionen Kurtgs, also um ein paraphrastisches Genre. Und auch die Form, in der Kluge die musikalische Transkription hier einbaut, hat wiederum Züge einer variierenden Umformulierung, und zwar in Bezug auf seine eigene Arbeit. Eine Reihe von Kluges neueren Kurzfilmen setzt nämlich mit Aufnahmen von Pianisten oder Pianistinnen ein, deren Spiel dann das sich darauf entspinnende Gespräch (bzw. die danach montierte Einstellungsfolge) begleitet. So beginnt Nachrichten aus der ideologischen Antike, also Kluges DVD-Film über Eisensteins nicht verwirklichtes Vorhaben einer Verfilmung von Marx’ Das Kapital, gleich dreimal hintereinander – zuerst mit einer Aufnahme auf die Arme der Pianistin Heather O’Donnell am Klavier (siehe Abbildung 1); dann mit einer Einstellung, die im Vordergrund am Klavier Irma Roelcke einfängt, während im Hintergrund Hannelore Hoger aus Eisensteins Notizen für seinen geplanten Kapital-Film zu lesen beginnt; und schließlich mit einer Aufnahme von Kluge in Rückenansicht, der, begleitet von einer ebenfalls von der Kamera abgewandten Pianistin, aus dem marxschen Kapital liest. Während in diesen Fällen aber Person und Instrument häufig als verkörperte Klangquellen im profilmischen, von Kamera und Mikrophon erfassten bzw. erfassbaren audiovisuellen Kontinuum situiert sind, in dem auch das Lesen bzw. in Kluges Fernsehfeatures das Gespräch stattfindet – und damit Teil einer akustisch/optischen Ökonomie der Interferenzen, hat Kluge dieses Arrangement in seinem Friedrich-Film in eine Montage übertragen. An die Fotografie der Kurtgs am Klavier schließt sich dann eine Sequenz an, deren Bild-Bestandteile weitestgehend nach einem einzigen durchlaufenden Prinzip konstruiert sind. Fotografien und Illustrationen von Wahrzeichen, Sehenswürdigkeiten und Monumenten und Eisformationen aus verschiedensten Teilen der Welt sind im Modus elektronischer Superposition mit Eisschollen bedeckt worden, die nach Farbigkeit und Form erkennbar ihren Ursprung in ein und derselben visuellen Quelle haben (siehe Abbildung 2). Die so entstehende Serie entwirft ein Weltende im ewigen Eis – eine ereignisferne Apokalypse im globalen Kältetod, das kalte Gegenstück zum Aufsteigen der Zivilisation aus der Sintflut, das Kluge hier via Kombination mit den Architekturen unserer Gegenwart – als Zukunft unserer Jetztzeit projiziert. Der Modus elektronischer Bildmanipulation stellt eine Weiterentwicklung von Kluges älteren, analogen
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Abbildung 1: Alexander Kluge, Nachrichten aus der ideologischen Antike. Marx, Eisenstein, Das Kapital (2008). Bildschirmfoto.
nach Ebenen gestaffelten Innerbildmontagen dar, die häufig Einstellungen aus der Stummfilmgeschichte mit Masken und Farbfiltern überlagern. Der Clip endet mit zwei Einstellungen, die die Quelle der Schollen- und Eisbergfragmente zeigen, aus denen Kluge seine visuelle Eiszeitphantasie baut. Die erste Einstellung zeigt Caspar David Friedrichs Gemälde eines im arktischen Eis gestrandeten Schiffs; nach wenigen Momenten erscheint im unteren Bildsegment ein Schriftzug, der in einer an die in Quanta-Font gehaltenen Schriftbänder aus Kluges Fernsehfeatures erinnernden Type dessen Titel als »Die gescheiterte Hoffnung« identifiziert (siehe Abbildung 3). Mit dem Einsetzen des Schlussakkords der Kurtagschen Bach-Transkription – Kluges Minutenfilm könnte man auch als Musikvideo zu diesem Stück ansehen – wechselt der Clip dann zu einer Nahaufnahme jenes Ausschnitts des Gemäldes, auf dem der Bug des hier im Eis versinkenden Schiffes gerade noch in den Bereich des Sichtbaren ragt.
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Abbildung 2: Alexander Kluge, Wer sich traut reißt die Kälte vom Pferd (2010). Bildschirmfoto.
»Die gescheiterte Hoffnung« Wenn Paraphrasen Bei-Reden sind, so gilt das auch im vorliegenden Fall: Dem Clip »›Die gescheiterte Hoffnung‹ Paraphrase zu einem Bild Caspar David Friedrichs« ist nämlich im die DVD begleitenden Heft eine Geschichte unter dem Titel »›Die gescheiterte Hoffnung‹« beigeordnet, in der Friedrichs Gemälde ebenfalls eine Rolle spielt. Der Text verweist auf den Minutenfilm nicht nur durch seine Überschrift, die mit dem ersten Titelsegment des Films bis auf die Anführungszeichen hin identisch ist. Kluge implantiert seiner sehr knappen Erzählung außerdem ein Symbol, um dieses Verweisverhältnis zu etablieren. Der zweite, kurze Absatz der Geschichte lautet: »Friedrich hat eine Polarlandschaft nie unmittelbar gesehen. Die Konsistenz des Eises kannte er von dem aufbrechenden Wintereis der Elbe, das bizarre Barrieren bildete: ›Mit scharfen, spitzen Eisplatten, die sich übereinander lagern‹. (! Kapitel 6 der DVD)«.7 Das hier eingefügte, nach rechts deutende schwarze Dreieck kann einmal als die Spitze 7 Alexander Kluge: »Die gescheiterte Hoffnung«, in: ders.: Wer sich traut, reißt die Kälte vom Pferd, Frankfurt a.M. 2010, S. 9–11.
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Abbildung 3: Alexander Kluge, Wer sich traut reißt die Kälte vom Pferd (2010). Bildschirmfoto.
eines auf Kapitel 6 der DVD verweisenden Pfeils verstanden werden. Es kann auch als typographische Approximation jenes Icons funktionieren, mit dem auf technischen Abspielgeräten wie Discplayern die Play-Taste markiert ist; bzw. die durch einen Cursor-Klick aktivierbare Bildschirmrepräsentation dieses Symbols im Menü eines computerintegierten DVD-Players. Die Lektüre der Geschichte und das Abspielen des Clips funktionieren also als beigeordnete Ströme. Die im entsprechenden Absatz gegebene Information, dass Friedrichs bildliche Darstellung der Polarlandschaft nicht auf Augenschein beruht, sondern dass er sie nach dem Eisbruchmuster der durch Dresden fließenden Elbe gestaltete, wo sich das Atelier des Künstlers befand, ist korrekt. Bei diesem narrativen Addendum handelt es sich allerdings um mehr als eine bloße Wiedergabe der kunsthistorischen Faktenlage. Vielmehr erzeugt Kluge durch die Zuordnung dieser Satzfolge zum Film eine historische Konstellation zwischen seiner eigenen visuellen Fiktion der Welt in Eis und Friedrichs Bild. Während Friedrich das für ihn visuelle Vorfindliche – das Elbeis – zur Darstellung des Eismeers verwendet, setzt Kluge found footage – darunter Segmente aus Friedrichs Malerei – zur Darstellung der Welt in Eis zusammen. Gleichzeitig konstelliert Kluge auch sein eigenes Verfahren mit demjenigen Friedrichs – zunächst
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im kinematographischen Sinn, indem dokumentarische Anteile als solche, d. h. nicht um das Gewicht ihrer Sachhaltigkeit reduzierte Bestandteile in filmische Zusammenhänge montiert werden, in denen sie neben – nennen wir sie der Einfachheit halber fiktiven – Elementen stehen. Dies gilt auch für Kluges erzählerisches Verfahren, das ja bekanntermaßen ebenfalls die Kategorien des historischen Dokuments und des drastisch formuliert Erfundenen nebeneinander herlaufen lässt. Wenn der Minutenfilm also eine »Paraphrase zu einem Bild Caspar David Friedrichs« darstellt, so gewährleistet die dieser Clip-Paraphrase parataktisch beigeordnetet narrative Einholung kunsthistorischer Faktizität, dass zwischen Friedrichs und Kluges Verfahren eine den geschichtlichen Abstand durchkreuzende Konstellation entsteht. Die Tatsache, dass Friedrichs Darstellung der Polarlandschaft nicht auf Augenschein beruht, wird damit nachträglich zur Antizipation der für Kluges Werk essentiellen Scheidung von Dokument und Fiktion. Im Akt dieser Erzählung, die Präzendenzen für Kluges eigene Methode sucht, entsteht so ein historischer Tiefenraum der Bildgeschichte, in der aktuelle mit romantischen Verfahren konstellieren. Paraphrasieren heißt hier also auch eine Geschichte der eigenen Methode generieren. Diesem bis hierhin analysierten zweiten Absatz der Erzählung steht folgender, etwas längerer Anfangsparagraph voran: »Im Jahr 1822 hatte Caspar David Friedrich eine Polarlandschaft gemalt (das Bild ist nicht erhalten): EIN GESCHEITERTES SCHIFF AN GRÖNLANDS KÜSTE IM WONNEMOND. An dem Schiff war die Aufschrift ›Hoffnung‹ zu lesen. Das war ein durchaus üblicher Schiffsname. Das großformatige Bild ›Das Eismeer‹, das später entstand, wurde mit dem verschollenen Bild verwechselt und erhielt so den Namen DIE GESCHEITERTE HOFFNUNG«.8
Auch diese Angaben entsprechen – weitestgehend – der kunsthistorischen Sachlage. Der Titel von Friedrichs verlorenem Gemälde war wohl Ein gescheitertes Schiff auf Grönlands Küste im Wonne-Mond.9 Diese Passagen modifizieren aber Kluges Friedrich-Paraphrase wesentlich. Wie unschwer zu erkennen ist, trägt das mit seinem Heck in die Sichtbarkeit ragende Schiff auf Friedrichs Bild in der Tat keinen Namen, sondern bleibt namenlos; und umgekehrt etabliert Kluges Narration eine (kunst)historische Sachlage, der zufolge der Titel, den Kluge im Minutenclip über das Gemälde Friedrichs legt, gar nicht zu diesem Bild gehört. Tatsächlich heißt dieses Bild Das Eismeer. Diesem Umstand trägt auch die vollständige Betitelung zum sechsten DVD-Kapitel Rechnung, die neben den beiden bereits erwähnten Segmenten »›Die gescheiterte Hoffnung‹. Paraphrase zu einem Bild Caspar David Friedrichs« noch ein drittes Element umfasst: »Das 8 Ebd., S. 9. 9 Vgl. Wolfgang Stechow, »Caspar David Friedrich und der ›Griper‹«, in: Gert von der Osten (Hg.), Festschrift für Herbert von Einem, Berlin 1965, S. 241–246, hier S. 241.
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Bild trägt den Titel ›Das Eismeer‹«. Allein in seiner Titelform reicht dieser Zusatz allerdings nicht aus, die Identität des gegen Ende von Kluges Clip einmal in Gänze aufgenommenen Bildes zu entscheiden. Es entsteht vielmehr ein Widerspruch zwischen der Betitelung onscreen und auf der Druckseite. Das projizierte oder auf dem Bildschirm erscheinende Bild vermittelt den Eindruck, Die gescheiterte Hoffnung sei der Titel des Gemäldes; die Kapitelangabe im Booklet legt nah, das Gemälde hieße Das Eismeer. Über dieses Spiel einer Passung und Nichtpassung von Namen und Schiffen, Titeln und Bildern hinaus führt die Erzählung aber einen weiteren, nicht weniger wichtigen Faktor ein, nämlich das angeblich existiert habende, vermutlich verschollene Gemälde Ein gescheitertes Schiff an Grönlands Küste im Wonnemond, auf dem angeblich ein Schiff mit dem Namen »Hoffnung« zu sehen gewesen ist. Kraft der Fiktion tritt dieses in seiner historischen Faktizität fragwürdige Bild samt seines durch Gerücht und Hörensagen verschliffenen Titels Die gescheiterte Hoffnung zum in seiner Faktizität verbürgten, durch Kluges Kamera (in einer Reproduktion) aufgezeichneten Gemälde Das Eismeer hinzu. Es steht damit ein faktisches, verbürgtes, von der Kamera aufnehmbares Bild gegen eines das vielleicht, vielleicht aber auch nicht existiert hat, das vielleicht verschollen ist, und das damit in den Bereich des Anekdotischen, der Geschichten-Schreibung bzw. der Überlieferung fällt. Angesichts dieser Konfrontation stellt sich die Frage, auf welches Bild sich eigentlich die klugesche Paraphrase bezieht. In der DVD-Kapitelüberschrift steht das Segment »Paraphrase zu einem Bild Caspar David Friedrichs« genau zwischen den jeweiligen Bildtiteln Die gescheiterte Hoffnung und Das Eismeer. Der Artikel »einem« ist hinreichend unbestimmt, um beide Varianten zuzulassen. Alexander Kluge hat einmal die Leitlinien seiner Montagepraxis dahingehend definiert, dass er eine Einstellung mit einer anderen Einstellung montiere, an deren Schnittstelle ein drittes Bild entstehe – »ein Bild, das nie zu sehen war«.10 In gewisser Hinsicht lassen sich ähnliche Maßstäbe für Kluges Praxis der Paraphrase ableiten. Im Gegensatz zum rein auf raffende Wiedergabe ausgerichteten umgangssprachlichen Paraphrasieren, aber auch im Unterschied zur Umarbeitung vorgefundener Formen, definiert die klugesche Paraphrase dasjenige, was sie umarbeitet nicht einfach als das historisch-faktisch Vorfindliche. Sie bezieht vielmehr auch die Kategorie des Möglichen ein, und lässt es sogar anwachsen. Kluge entwickelt damit quasi eine Technik des kontrafaktischen Paraphrasierens. Hierin teilt die klugesche Paraphrase einen zentralen geschichtsphilosophischen und zeitpolitischen Einsatz seines gesamten Werkes, 10 Alexander Kluge, »Kino und Grabkammer. (Gespräch mit Florian Rötzer)«, in: Christian Schulte (Hg.), Die Schrift an der Wand. Alexander Kluge, Rohstoffe und Materialien, Osnabrück 2000, S. 31–43, hier S. 35.
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der darin besteht, die Kategorie des Möglichen im Bereich des Vergangenen aufzusuchen, sie dort zu verorten und zu stärken. Denn das, was in der Vergangenheit hätte (anders) sein können, darf nach Kluge nicht verloren gegeben werden. In dem Sinn, in dem Kluge andern Orts einmal formuliert hat, dass das Publikum die (unverwirklichten) Errungenschaften der Filmgeschichte eines Tages einfordern wird; bzw. in dem Sinn, in dem er auf der Wirklichkeit auf der in der Vergangenheit nicht eingetretenen Zukünfte insistiert, sind das dann eben – ohne pathetisch werden zu wollen – die »Mittel gegen ›die gescheiterte Hoffnung‹«, die im Untertitel der Geschichtensammlung Stroh im Eis vorkommen.11
Einige Empfindungen, paraphrasiert Kluge lässt seine Leserinnen und Leser, Zuschauerinnen und Zuschauer nicht allein mit den verwirrenden Bild/Titel-Wechseln und Verwechselungen, sondern er gibt ihnen, in der Form malerischer Rückenfiguren (siehe Abbildung 4), wie sie bei Friedrich regelmäßig vorkommen, zwei Vertreterinnen, die in der zweiten Hälfte seiner Geschichte »Die gescheiterte Hoffnung« zu Wort kommen: »Nach der Besichtigung des Bildes in der Hamburger Kunsthalle saßen Elfriede Ewers und Carla Stiffels (…) noch lange bei Kaffee und Sahne. Ihnen war aufgefallen, daß im Katalog das Bild mit »Das Eismeer/Die gescheiterte Hoffnung«, im Ausstellungsraum aber nur als »Das Eismeer« bezeichnet war. Die Wortwahl DIE GESCHEITERTE HOFFNUNG hatte Elfriede beeindruckt. – Was findest du besser, den Titel oder das Bild? – Es kommt ja nicht darauf an, was ich meine. – Wieso? – Es kommt doch angesichts des Bildes auf mein Urteil gar nicht an! Du sollst kein Urteil abgeben, wenn es um Erhabenheit geht, so steht es wenigstens im Katalog. (…) – Es ist ja auch nicht gesagt, daß das Bild »Die gescheiterte Hoffnung« heißt. Sicher ist nur der Name »Das Eismeer«. – So wie man hinfährt, man wirft einen Blick auf das Erhabene, und auf der Rückfahrt tritt die Hoffnung schon wieder hervor. – Das könntest du im Katalog nicht schreiben.«12
Ohne an dieser Stelle Fragen des Erhabenen und der Urteilskraft weiter zu erörtern, bleibt festzuhalten, dass Kluge mit diesen Zeilen seine Friedrich-Paraphrase noch um eine zusätzliche Dimension erweitert. Denn der Einwand der einen Betrachterin – »Es kommt ja nicht darauf an, was ich meine« – bezieht sich über knapp 200 Jahre hinweg auf die Aufzeichnung eines weiteren Austauschs 11 Ekardt, »Returns of the Archaic«, S. 124. 12 Kluge, »Hoffnung«, S. 10–11.
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Abbildung 4: Caspar David Friedrich, Zwei Männer am Meer (1817). Öl auf Leinwand. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie.
von »Meinung(en)«, bzw. der Erörterung der Frage »Aber was meinen Sie denn eigentlich von dem Bilde?« die in der Begegnung mit Friedrichs Arbeit gestellt wurde.13 Damals hieß es etwa: »HERR: Herrlich, herrlich, dieser Mann ist doch der einzige, der in seinen Landschaften ein Gemüt ausdrückt, es ist eine große Individualität in diesem Bilde, die hohe Wahrheit, die Einsamkeit (…) er weiß doch, was er malt.« / »ZWEITER HERR: Und malt auch, was er weiß, und fühlt es, und denkt es, und malt es.«14
Oder – »HERR: Unendlich tief und erhaben. / DAME: Sie meinen die See (…) ?/ HERR: Nein, Frau Kriegsrat, ich meine die Empfindung des einzigen Friedrichs bei diesem Bilde.«15 Im diese Äußerungen damals begleitenden Prosatext wurde bereits die später bei Kluge von Elfriede Ewers oder Carla Stiffel skizzierte Reise zum Erhabenen und zurück »So wie man hinfährt, man wirft einen Blick auf das 13 Achim von Arnim/Clemens von Brentano: »Verschiedene Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich, worauf auf ein Kapuziner«, in: Clemens Brentano, Werke, Bd. 2, Friedhelm Kemp (Hg.), München 1963, S. 1034–1038, hier S. 1038. 14 Ebd., S. 1035. 15 Ebd., S. 1034.
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Erhabene, und auf der Rückfahrt tritt die Hoffnung schon wieder hervor« kartiert: »Herrlich ist es (…) auf eine unbegrenzte Wasserwüste, hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, daß man dahingegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber möchte, daß man es nicht kann, daß man Alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch (…) im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken (…) vernimmt«.16
Der Text ist einschlägig: Es handelt sich um die sogenannten Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft, bzw. die Verschiedenen Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich von Heinrich von Kleist bzw. Clemens Brentano und Achim von Arnim, die 1810 in den Berliner Abendblättern bzw. mit Verzögerung 1826 in der Zeitschrift Iris. Unterhaltungsblatt für Freunde des Schönen und Nützlichen erschienen. Die Dialogminiaturen, auf die sich die Form der klugeschen Unterhaltung im Museumscaf¦ bezieht, entstammen Brentanos und Arnims Text; die Passage zum Hin und Zurück ins Erhabene aus dem Prosastück, das in beiden Fassungen enthalten ist. Dabei geht Kleists Text dabei aus einer Bearbeitung von Brentanos und Achims Fassung hervor. Will sagen: der Paraphrase zu einem Bild Caspar David Friedrichs stellt Kluge die erzählerische Paraphrase zweier zeitgenössischer Texte zu Friedrich beiseite, von denen der eine wiederum als Umarbeitung des anderen zustande kam. Während sich auf der Seite der Texte damit eine in immer größere Tiefen führende Trajektorie der Umformungen auftut, verlängert sich mit diesem narrativen Segment der klugeschen Paraphrase auch die Serie aufgerufener Bilder um ein weiteres. Denn Brentanos, Arnims und Kleists Verschiedene Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich bezogen sich gar nicht auf das immerhin maritime Motive des Eismeer, sondern auf Friedrichs Mönch am Meer. Kluges Friedrich-Clip und -Geschichte stellen damit nicht weniger als drei Gemälde des Künstlers – Das Eismeer, Mönch am Meer, das verschollene Ein Schiff im Wonnemond nebeneinander, ergänzt um eine verknappte und verwechselte Titulierung Die gescheiterte Hoffnung – ein Bild, das es nie gegeben hat; hierzu gesellen sich Variationen auf Arnims und Brentanos Text sowie dessen Umarbeitung durch Kleist.
16 Heinrich von Kleist, »Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft«, in: ders., Sämtliche Werke. Brandenburger Ausgabe, Roland Reuß/Peter Staengle (Hg.), Bd. II/7, Frankfurt am Main 1997, S. 61–62, hier S. 61.
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Halb Praxis, Halb Form Dabei funktioniert die Paraphrase – in bildlicher und textlicher Form – bei Kluge als eine Praxis, in der sich Geschichte entfaltet. Und zwar weniger als Erzählform, denn als Verhältnis zwischen Bildern, Narrativen, Filmen verbürgter und spekulativer, historischer wie hypothetischer Natur. Es ist eine Geschichte der Werke, deren Zeit sich als über temporale Distanzen erstreckende Konstellationen, aber auch als eine der Bearbeitungen darbietet. Genauso wie die Montage einerseits die Konjunktion verschiedener Elemente, aber auch eine Herstellung dieser Verhältnisse im emphatischen Sinne als Produktion meint, treten in der klugeschen Paraphrase Elemente zueinander in Beziehung, weil sie umgearbeitet werden. Während eines der zentralen organisatorischen Prinzipien von Kluges Werk die wiederkehrende Behandlung »komplexer Themen« ist, um einen Ausdruck zu verwenden, den Joseph Vogl in einem Text über Kluges Fragetechnik geprägt hat, sorgen solche paraphrastischen Momente für spezifische Lokalisierungen, im Sinne von Anmessungen, und Peilungen, in der Geschichte der Werke.17 Gleichzeitig bleibt die klugesche Praxis dem Übungscharakter der paraphrastischen Umschreibung insofern treu, als dass, was hier in Werkform zueinander tritt, zunehmend die klassische Schwere des ergon verliert. In Kluges System entwickeln die Namen Kleist, Brentano, Arnim und Friedrich, oder Titel wie Das Eismeer oder Mönch am Meer nicht länger die Eigengravitation kanonischer Positionen; und umgekehrt strebt auch Kluges Produktion nicht auf den Zustand eines fortifizierten Werkes hin. Die Paraphrase ist mithin eine kleine Form – oder auch, und das ist näher an Kluges eigener Terminologie, eine Kurzform. Halb Praxis, halb Form markiert sie ein Feld der Umarbeitungen – jede eine klugesche Erzählung, ein Bild, ein Film, zwischen denen sich Kluges Geschichte aufspannt.
17 Joseph Vogl, »Kluges Fragen«, in: Maske und Kothurn 53/1 (2007), S. 119–128, hier S. 122.
Kathrin Lämmle
Doing Undoing. Störung, Umordnung und Bewusstmachung – Brüche in Alexander Kluges Fernsehformaten
Seit fast drei Jahrzehnten gestalten die Fernsehmagazine Alexander Kluges die sogenannten Kulturfenster der Privatsender RTL und Sat1. Sie bieten eine fernsehuntypische Ansicht im und auf das stark konventionalisierte Medium Fernsehen, kontrastieren seine Formate und dessen Programmfluss sowie die rezeptionsseitigen Erwartungen an diesen und werden als Störung desselben markant. Diese Kontrastierungen, die sich ihrerseits als Brüche und spezifisches, intendiertes undoing beschreiben lassen, bergen einen kritischen Blick auf gattungsmäßige Strukturen des Fernsehens, so die These die es im Folgenden auszuführen gilt. Der Begriff des undoings bezeichnet dabei ein praktiziertes Absehen, das wiederum als konstruktive Leistung verstanden wird.1 Er ist zurückzuführen auf den ethnomethodologischen Begriff des doings, der sich auf die Vorstellung eines Vollzugs- und Herstellungscharakter sozialer Wirklichkeit gründet.2
Doing. Fernsehen, Experteninterview und Kulturmagazin Betrachtet man das Fernsehen als »Kontinuum der in ihm ausgestrahlten Sendungen«3, das verschiedene mediale kommunikative Gattungen4 aushandelt, 1 Vgl. hierzu Stefan Hirschauer, »Die soziale Fortpflanzung von Zweigeschlechtlichkeit«, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 4 (1994), S. 668–693; Hirschauer bezieht sich explizit auf ein undoing Gender, der vom hier Behandelten insofern unterschieden ist, als dass es sich um relativ verfestigte Formen der Geschlechterdarstellung handelt. Der Grundgedanke des absehenden doings kann nichtsdestotrotz für eine allgemeine Betrachtung fruchtbar gemacht werden. 2 Vgl. hierzu Harold Garfinkel/Harvey Sacks, »Über formale Strukturen praktischer Handlungen«, in: Elmar Weingarten u. a. (Hg.), Ethnomethodologie – Beiträge zu einer Soziologie des Alltagshandelns, Frankfurt a.M. 1976, S. 130–176. 3 Angela Keppler, »Konversations- und Gattungsanalyse«, in: Ruth Ayaß/Jörg Bergmann (Hg.), Qualitative Methoden der Medienforschung, Reinbek bei Hamburg 2006, S. 293–323, hier S. 316.
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zueinander in Beziehung setzt, miteinander verbindet, lebensweltliche Ordnungen und Orientierungen stiftet sowie gesellschaftliches Wissen bildet und herausstellt, lässt sich zeigen in welcher Qualität die Fernsehmagazine Kluges eine Störung des Immergleichen vollziehen. Denn die Fernsehformate Kluges sind durch Umordnungen und Irritationen der Inszenierungsweisen sowie des Gesprächsverlaufes gekennzeichnet, die mit gängigen Konventionen des Fernsehens brechen. Sender- wie produktionsseitig werden die Formate als Kulturmagazine angekündigt und in Interviewform dargebracht, es sind also zunächst die Gattungen Magazin bzw. die Subgattung Kulturmagazin und Interview bzw. die Subgattung Experteninterview die auf spezifischen Konventionen beruhen und damit Erwartungen schüren. Das Kulturmagazin zeichnet sich gattungsgemäß durch ein festgelegtes Corporate Design, eine Struktur unterschiedlichster Magazinbeiträge, mehr oder weniger lose aneinandergekoppelte Themen und eine diese verbindende und kommentierende Moderation aus.5 Die Leistung des Magazins bzw. Kulturmagazins liegt in der Bereitstellung eines gesellschaftlichen Orientierungsrahmens und der facettenreichen Reflexion von Welt.6 Die Sendungen Kluges sind im Gegensatz zum klassischen Kulturmagazin monothematisch und assoziativ aufgebaut. Der einführende Vorspann ist ebenso fernsehuntypisch wie das fehlen eines markanten Sendungsendes – dies nur einige Gattungsabweichungen.7 Das Experteninterview hingegen ist durch eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung sowie sein turn-design8 ausgezeichnet. Als asymmetrische Kommunikationsform, für die eine klare Rollenverteilung kennzeichnend ist, liegt 4 Vgl. ebd. sowie Thomas Luckmann, »Grundformen der gesellschaftlichen Vermittlung des Wissens. Kommunikative Gattungen«, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 27 (1986), S. 191–211. 5 Vgl. Anja Kreutz, Kultur im Magazinformat. Zur Geschichte, Form und Funktion von »Aspekte« und »Titel, Thesen, Temperamente« im deutschen Fernsehen, Wiesbaden 1995; Harald Burger, »Gespräche in den Massenmedien«, in: Klaus Brinker u. a. (Hg.), Text- und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung, 2. Halbband, Berlin 2001, S. 1492–1505; Karl N. Renner, »Der ›Salomon-Effekt‹ als Herausforderung der Fernsehmacher. Zur Gestaltung von Magazin-Beiträgen«, in: Helmut Schanze (Hg.), Medientheorien – Medienpraxis. Fernsehtheorien zwischen Kultur und Kommerz, Arbeitshefte Bildschirmmedien 48, Siegen 1994, S. 61–78. 6 Vgl. z. B. Knut Hickethier, »Von anderen Erfahrungen in der Fernsehöffentlichkeit. Alexander Kluges Kulturmagazine und die Fernsehgeschichte«, in: Christian Schulte/Winfried Siebers (Hg.), Kluges Fernsehen. Alexander Kluges Kulturmagazine, Frankfurt a.M. 2002, S. 195–219. 7 Vgl. z. B. Kathrin Lämmle, Televisuelle Intellektualität. Möglichkeitsräume in Alexander Kluges Fernsehmagazinen, Konstanz 2013; Matthias Uecker, Anti-Fernsehen? Alexander Kluges Fernsehproduktionen, Marburg 2000. 8 Vgl. Paul Drew/John Heritage, »Analyzing Talk at Work: An Introduction«, in: dies. (Hg.), Talk at Work. Interaction in Institutional Settings, Cambridge 1992, S. 3–65.
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die Funktion des Interviews darin, Wissen zu erweitern, Weltorientierungen und Unterhaltung sowie Wertungen und Begründungen zu liefern.9 Weiterhin bedarf es einer beglaubigten Expertise. Von Experteninterview kann in den klugeschen Formaten die Rede sein, insofern die Gäste stets als Experten kontextualisiert werden. In der Regel werden sie im Vorspann als »über« etwas sprechend eingeführt und so ihr Wissen als legitimiertes inszeniert. Im Abspann hingegen werden die Gäste zumeist erneut als über etwas berichtend genannt. Durch diese Zusätze wird ihnen ein Deutungsmonopol sowie den Überblick über ein Sonderwissen zugeschrieben, wodurch inszenatorisch eine Wissensasymmetrie zwischen Gast und dem Interviewer Kluge hergestellt wird. Diese wird gestützt durch die Nennung der konkreten Profession bzw. Spezifikation des jeweiligen Gastes, seiner Reputation oder seiner Institution. Dass der Herstellung dieser Asymmetrie und der Beglaubigung des Experten einen besondere Relevanz zukommt, zeigt die Tatsache, dass diese Inszenierungsstrategien gleichermaßen – bei aller Absurdität – in den Facts & Fakes eingesetzt werden. So hat in den Formaten selbst bereits eine Störung bzw. ein Bruch statt. Dieser Bruch berührt dabei eine wesentliche Grundunterscheidung des Fernsehens selbst, die von Unterhaltung und Information.
Undoing. Umordnungen, Irritationen, Brüche in den Fernsehmagazinen Kluges Widmet man sich der visuellen Ebene der Formate, fällt die Montage von Bildern, Filmen, Fotografien und dergleichen mehr sowie ihr Einsatz auf. Nicht selten sind die visuellen Mittel einem themenabseitigen Kontext zuzuordnen, werden durch Schwarzbilder getrennt und kommen ohne Quellennachweis aus. Sendungsinhalte konkretisierende Informationen im Vorspann werden allein schriftsprachlich vermittelt und je eigen musikalisch unterlegt – ein grundsätzlicher Bruch mit den Konventionen des Fernsehsendungsvorspanns. Im Verlauf der Sendung werden Äußerungen aufgegriffen und verschriftlicht visualisiert. So erfahren sie eine Dopplung und werden als relevant markiert. Die Dominanz der Schrift stellt eine Sonderform dar und bricht mit Inszenie9 Vgl. Johannes Schwitalla, Dialogsteuerung im Interview. Ansätze zu einer Theorie der Dialogsteuerung mit empirischen Untersuchungen von Politiker-, Experten- und Starinterviews in Rundfunk und Fernsehen, München 1979; Stephen E. Clayman, »Displaying Neutrality in Television News Interviews«, in: Social Problems 35/4 (1988), S.474–492; David L. Greatbatch, »A Turn Taking System for British News Interviews«, in: Language and Society 17/1988, S. 401–430; Deidre Boden/Don H. Zimmermann (Hg.), Talk and Social Structure. Studies in Ethnomethodology and Conversation Analysis, Berkeley 1991.
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rungsweisen des Mediums sowie den Konventionen der Gattung Magazin, aber auch des Interviews, denn sie ersetzt gleichsam die Moderation. Die Dominanz dieser Visualisierungen unterstellt und fördert einen aktiven Rezipienten, dem Einordnungen und Deutungen abverlangt werden. Perspektivierungen neuer, in der Regel themenabseitiger Aspekte, sowie eine zeitweilige Abkehr vom Thema der jeweiligen Sendung und ein Verweis auf unmarkierte Relevanzen werden in den Formaten Kluges angestrebt. Das eigentliche Sendungsthema wird dadurch erweitert, verschoben und neu kontextualisiert womit eine Veränderung der Stellung bzw. des Deutungs- und Relevanzbereichs des Experten einhergeht. Eine weitere visuelle Besonderheit ist die Fokussierung des Gastes bei nahezu völligem Ausbleiben von Kameraoperationen. Eine der Gattung Experteninterview entsprechende Inszenierungsweise, die den Experten als Wissensautorität und zentralen Akteur perspektiviert. Die Bebilderung, Verschriftlichung ebenso wie die Interviewerstimme aus dem Off sorgen jedoch dafür, dass diese Perspektivierung irritiert wird. Auf der Gesprächsebene werden – zumeist im Rahmen von Ergänzungsfragen oder Einschüben – Motivbereiche kontextualisiert, die eine Themenabkehr oder Neuperspektivierung anstreben. Der zunächst sendungsseitig, durch Verweise auf Profession, Institution und Reputation als Akteur legitimierte Experte wird durch diese Kontextualisierungen seines Zuständigkeitsbereiches entbunden. Seine Argumentation hat sich nicht mehr länger zwangsläufig auf die zentralen Relevanzen seiner Expertise zu stützen. Vielmehr wird eine Reflexion dieser Relevanzen angeregt, das Deutungs- und Prozesswissen des jeweiligen Experten veranschaulicht und geprüft. Hierdurch wird markant mit der Darstellung von Experten und der Interaktion mit diesen im Rahmen von Informationssendungen des Fernsehens gebrochen. Auch die Interaktionsrolle des Interviewers Kluge ist keine, die den klassischen aus entsprechender Gattung bekannten Interaktionsmustern folgt. Dadurch, dass der Interviewer visuell verdeckt wird und nur als Stimme aus dem Off vernehmbar ist, wird er zunächst als weniger relevanter Akteur zurückgesetzt.10 So werden Inszenierungsweisen, Konventionen des Interviews und Erwartungen an dieses präsent gehalten, jedoch nicht erfüllt. Denn die interviewerseitige Kontextualisierung, wiederkehrender Motivbereiche11 führt dazu, dass der Interviewer als dominanter Akteur in den Vordergrund tritt. Auch wenn dieser durch den Verweis auf autoritäre Wissensquellen, Verallgemeinerungen und Hypothesen nur sehr selten eine Wissensdominanz beansprucht, also in den 10 Vgl. Kathrin Lämmle, »Die Stimme aus dem Off. Zu Form und Funktion der Interviewstimme in den Fernsehmagazinen Alexander Kluges«, in: Oksana Bulgakowa (Hg.), Resonanz-Räume. Die Stimme und die Medien, Berlin 2012, S.258–279. 11 Vgl. hierzu die Ergebnisse in: Lämmle, Televisuelle Intellektualität.
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meisten Fällen hinter den perspektivierten, thematisierten und so letztlich kontextualisierten Bereichen zurücksteht, ist er nur bedingt der Teilnehmerkategorie Interviewer zuzuordnen. Vielmehr zeigt sich Kluge als Interaktant, der ein spezifisches Ziel, nämlich die Umordnung der expertengestützten Stellungnahme, anstrebt. Das als verfestigt zu bezeichnende Frageverhalten Kluges, das beständige Anbringen von Rezeptionssignalen sowie das Turnabschlussverhalten verdeutlichen dies und verweisen auf das Brechen mit gattungsmäßig Konventionen. Die Gesprächsform Interview wird grundsätzlich durch ihre Teilnehmer wechselseitig konstituiert und hervorgebracht. Geleitet durch einen institutionellen Rahmen werden Rollenverteilung und kategoriegebundene Aktivitäten im Gespräch erzeugt und relevant. Fragen und Antworten, Topicwechsel, Eröffnung und Beendigung sind dabei in der Regel auf die Interviewteilnehmer relativ streng verteilte Aktivitäten.12 Nach Greatbatch ist die Produktion von »statement turn components« des Interviewers, die einer Frage, den sogenannten »questioning turn components«, vorgelagert werden und eine bestimmte Perspektivierung anstreben, eine gängige und relevante Form der Organisation in Nachrichteninterviews13 die auch für die allgemeine Intervieworganisation in verfestigter Form festgehalten werden kann, denn sie dient neben der Fragevorbereitung, der Rollenverteilung und ist als Positionierungsakt beschreibbar. In den Formaten Kluges ist als Muster erkennbar, dass Aufforderungen häufig in der Form eines »wenn sie mal beschreiben« oder »wenn sie mal berichten« an die vorherige Äußerung angebunden werden wodurch sie an die »analytische Wahrnehmung, in der man sich der hypothetischen Existenz des Beschriebenen nähert«14 appelliert. In der Aufforderung zum Beschreiben und Berichten wird unmittelbar an die im Vorspann vorgenommene Ankündigung des Gastes der über etwas berichtet angeknüpft, wodurch eine Bezugnahme auf im Vorspann generierte Teilnehmerkategorien und Aktivitätstypen hergestellt wird. Der Experte wird in seiner Position des Wissenden und Berichtenden gestärkt, durch die Aufforderung zum Berichten und Beschreiben mit einer Zeugenschaft ausgestattet und die zu Grunde liegende interviewspezifische Wissensasymmetrie grundsätzlich unterstrichen. Der Aufforderung voraus geht in der Regel die Nennung oder Zusammenfassung eines Teilaspekts des jeweiligen Gegenstandsbereiches. Dabei wird an bereits Besprochenes angeknüpft, ein Nebenaspekt oder aber ein neuer, nahe am Expertenbereich liegende Aspekt in das 12 Vgl. Greatbatch, »A Turn Taking System for British News Interviews«. 13 Vgl. ebd., S. 404 und 407ff. 14 Joseph Vogl, »Kluges Fragen«, in: Maske und Kothurn. Internationale Beiträge zur Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Die Bauweise von Paradiesen, 53/1 (2007), S. 112–128, hier S. 123.
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Gespräch eingebracht. Im Gegensatz dazu sind die »questioning turn components«, die auf eine Bestätigung oder aber Korrektur zielen (bspw. »kann man das so sagen«) zu sehen. Das einer solchen Äußerung vorangehende Statement besteht hier in der Regel nicht aus referiertem Fremdwissen, sondern aus abweichenden Reformulierungen und Paraphrasierungen wiederkehrender Motive, aber auch markiertem Eigenwissen und assoziativen Bezugnahmen auf den Gegenstandsbereich des Gesprächs, die ihrerseits als komplexe Positionierungen daherkommen. Zwar bleibt in diesen Fällen die Rolle des Interviewten und so auch das Wissensgefälle grundsätzlich bestehen, nicht aber die Beteiligungsrolle des Interviewers, der in die Position eines Wissen präsentierenden und generierenden Teilnehmers wechselt. Das präsentierte Wissen steht dabei zur Disposition, denn geäußert werden Reformulierungen und Assoziationen widerkehrender Motive, die das Potential eines Perspektiven- und Statuswechsels des Experten bergen. Stets werden dabei die Themenkompetenz des Interviewten und dessen thematische Flexibilität geprüft und dessen Bereitschaft assoziativ weiterzudenken getestet, so dass hierin eine Positionierung und weitere mögliche Teilnehmerrolle des Gastes implementiert wird. Schließlich bietet die konkrete Aufforderung zur Bewertung und Positionierung hinsichtlich expertisenabseitiger Themenaspekte dem Experten Raum für eine Stellungnahme, die seiner Expertise qua der, der Frage vorausgehenden, Erläuterungen bereits entbunden ist, wodurch die Möglichkeit aber auch Aufforderung nicht allein expertisengestützt zu argumentieren, sondern Eigensinn zu entwickeln befördert wird. Neben den beschriebenen Frageformen sind verfestigte Turnabschlüsse in der Form eines »ja, nicht;« ein auffallendes und stets wiederkehrendes Merkmal im Interviewerverhalten Kluges. Das turn-taking-systems, im Interview als Frage-Antwort-System ausgeprägt,15 weist dem Interviewer eine zurückhaltend steuernde Funktion zu, wobei speziell im Experteninterview die Selbstdarstellung des Interviewers stark in den Hintergrund rückt.16 15 Vgl. hierzu Steven E. Clayman/John C. Heritage, The News Interview. Journalist and Public Figures on Air, Cambridge 2002, S. 95; Susanne Uhmann, »Interviewstil: Konventionelle Eigenschaften eines sozialwissenschaftlichen Erhebungsinstruments«, in: Volker Hinnenkamp/Margret Selting (Hg.), Stil und Stilisierung. Arbeiten zur interpretativen Soziolinguistik. Tübingen 1989, S. 161. 16 Vgl. grundlegend: Stephen E. Clayman, »Displaying Neutrality in Television News Interviews«, in: Social Problems 35/4 (1988), S.474–492; David L. Greatbatch, »A Turn Taking System for British News Interviews«, in: Language and Society 17 (1988), S. 401–430; John Heritage/David Greatbach, »On the Institutional Character of Institutional Talk. The Case of News Interviews«, in: Deidre Boden/Don H. Zimmermann (Hg.), Talk and Social Structure. Studies in Ethnomethodology and Conversation Analysis, Berkeley 1991, S. 93–137; Zur Vermeidung von Parteinahme durch Unterlassen von Hörersignalen in Nachrichteninterviews vgl. Steven E. Clayman/John C. Heritage, The News Interview. Journalist and Public
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Als Interviewer hält sich Kluge gerade nicht zurück und nimmt formal keine neutrale Position ein, was Rezeptionssignale sowie die auf Bestätigung zielenden Turnabschlüsse belegen. Kluges markantes »ja, nicht;«, das den Großteil seiner Äußerungen beendet, zeigt die potentiell dominante Position des Interviewers bei der Themenausgestaltung und -lenkung. Schließlich zielt dieser Äußerungspartikel auf Bestätigung und Zustimmung (»ja,«) und hat zugleich feststellenden Charakter (»nicht;«). Das Turnabschlussverhalten Kluges sucht darüber hinaus eine spezifisch an den vorherigen, durch das »ja, nicht;« zur Disposition gestellten Aspekt anschließende Bezugnahme des Experten zu erreichen. Derart wird eine streng auf den Expertisenbereich des Experten fokussierte Antwort unterbunden und eine Einbindung der vom Interviewer markierten Relevanzbereichs in die Anschlusskommunikation erreicht. Eine Neupositionierung des Experten und ein möglicher Wechsel der Rollenkategorie werden als folgender Redezug angestrebt und erwartbar gehalten. Die interviewspezifische Asymmetrie, die sich nach Martinez interviewintern durch einen übergeordneten Status bei gleichzeitig untergeordneten externen Status auszeichnet, wird so verwischt.17 In den Interviews werden zwar den Rollenkategorien entsprechende Asymmetrien erkennbar hervorgebracht, sie entsprechen aber gerade nicht durchgängig den für das Interview herausgearbeiteten Rollen- und Wissensasymmetrien. Kluges Akteursrolle Interviewer wird durch sein Rezeptions- und Turnabschlussverhalten aufgebrochen. Zum einen ist sein feststellendes, auf Bestätigung zielendes und darin gerade nicht zurückhaltendes kommunikatives Verhalten an ein Wissen gebunden, das einen Relevanzbereich markiert. Zum anderen zielt es auf Bestätigung einer korrekten oder aber angebrachten Verarbeitung des Diskutierten durch den Interviewten. Frageverhalten, Rezeptionssignale und Turnabschlüsse dienen daher vorrangig als Mittel zur Positionierung des Interviewers sowie in der Folgeaktivität des Interviewten und somit zur Perspektivierung von Interessenlage sowie zur Steuerung der Themenbehandlung. Auch der in der Funktion der Präsequenz18 inszenierte Vorspann, der sequenziell auf das nachfolgende und dessen Verfasstheit vorbereitet, die AufFugures on Air, Cambridge 2002, S. 121; Zur generellen Rolle der Rezeptionssignale vgl. Emanuel Schegloff, »Discourse as an Interactional Achivement. Some Uses of ›uh huh‹ and Other Things that Come between Sentences«, in: Deborah Tannen (Hg.), Georgetown University Roundtable of Language and Linguistics, Washington D.C. 1982, S. 71–93; Gail Jefferson, »Notes on a Systematic Development of the Acknowledgement Tokens ›Yeah‹ and ›Mh hm‹«, in: TILL. Tilburg Papers in Language and Literature, 30/1983, S. 1–18. 17 Vgl. Esperanza Rama Martinez, Political Interviews, Talk Show Interviews and Debates on British TV. A Contrastive Study of the Interactional Organisation of Three Broadcast Genres, Vigo 2000, S. 97. 18 Vgl. Emanuel Schegloff, »Presequences and Indirection. Applying Speech Act Theory to Ordinary Conversation«, in: Journal of Pragmatics 12 (1988), S. 55–62.
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nahme zentraler Argumente und Schlagwörter im Rahmen der Zwischentitel, die kontextualisierten Motive und nicht zuletzt der Umgang mit Fakten und Fiktionen im Rahmen der Facts & Fakes aber auch darüber hinaus, stellt einen Bruch mit den Gattungskonventionen des Magazins sowie den Darstellungskonventionen der Gattung Information dar. Ganz grundsätzlich bieten die Formate in ihrer Verfasstheit so eine Irritation im Programm der sie beherbergenden Sender RTL und Sat1 insofern die in ihnen inszenierten Abweichungen, Neukonzeptionen und Irritationen mit Routinen und Konventionen brechen. Sie konstruieren Leerstellen, befördern gewissermaßen einen Prüfmoment, machen Neuorientierungen möglich und eröffnen einen Raum für eine Auseinandersetzung mit den, durch die Formate gebrochenen, Konventionen. Der Bruch ist daher als ein wesentliches Stilelement und eine Verfestigung in den Formaten Alexander Kluges festzuhalten. Der Bruch mit Konventionen des Fernsehens hat die Funktion, die Gemachtheit, das Gewordensein des Mediums Fernsehen, der Gattung Magazin und Interview aber auch spezifische rollenund relevanzgestützte Argumentationsstrukturen kritisch und reflexive aufzuzeigen. Störungen und Brüche dienen hier gattungstheoretisch als Lösung für das Problem eines schnellen, einfachen, unhinterfragten Verstehens sowie der einfachen Herstellung von Zusammenhang und Verständnis im Medium Fernsehen. Sie multiperspektivieren und sorgen für Offenheit. Prominent gemacht wird das Verhältnis zwischen Fakten und Fiktionen, konventionalisierte Darstellungsweisen, Seh- und mithin Verstehensgewohnheiten. Letztlich führt dies, so ist inzsenierungslogisch zu unterstellen, zu einer aktiven, kritischen Rezeption. Irritationen, Störungen und Brüche reagieren in den Formaten auf das Problem der Herstellung von Zusammenhang, was sich an Montage und Dramaturgie aber auch am Vorführen des Experten in seinem durch ein spezifisches Wissen begründeten und in einer spezifischen Sprache artikulierten Relevanzbereich zeigt. Die Formate Kluges verweisen insofern auf die konventionalisierte Darstellung des Experten als im legitimierten Besitz spezifischen Wissens, als dass ihm der Raum gegeben, er quasi dazu angehalten wird, seine Rolle aufzugeben, sie zu hinterfragen oder aber sein Deutungs- und Prozesswissen auf Bereiche zu beziehen, die außerhalb seiner primären Relevanz liegen und dies ohne die Gefahr dabei zu dilettieren.19
19 Vgl. zum Dilettanten als »Figur des Scheiterns« Anina Engelhardt, »Der Dilettant«, in: Stephan Moebius/Markus Schroer (Hg.), Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart, Frankfurt a.M. 2010, S. 68–80.
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Doing undoing. Verfestigte Formen in den Fernsehformaten Kluges Für die Fernsehformate Kluges lassen sich nun grundlegende Verfestigungen, ein spezifisches doing festhalten – das nicht zuletzt durch das charakteristische undoing gekennzeichnet ist, wodurch sich ihre Stellung als mediale kommunikative Gattung im Fernsehen als »Kontinuum der in ihm ausgestrahlten Sendungen«20 bestimmen lässt. Ganz allgemein geben Gattungen Aufschluss über den kommunikativen Haushalt einer Gesellschaft, die in ihr etablierten Vermittlungs- und Verstehensprozesse sowie über mehr oder weniger verbindliche Traditionen des Sprechens, Sehens und Interagierens. Der Gattungsbegriff benennt daher sowohl die Verdichtungen vielschichtiger Abläufe als auch Lösungsmuster für kommunikative »Probleme gesellschaftlichen Handelns«.21 Ihre Realisation erfahren Gattungen auf zwei Ebenen, einer außerstrukturellen Ebene, die die äußere Rahmung betrifft und eine binnenstrukturelle Ebene, die die jeweiligen internen Strukturen bezeichnet. Kluges Formate nun werden an festen Tagen gesendet, allerdings variiert die Sendezeit in Abhängigkeit vom Tagesprogramm der Sender. Die Formate haben keinen festen Sendeplatz, sondern werden entsprechend der Programmpassung platziert. Eine geringe Gewichtung der Formate im Programm der jeweiligen Sender ist erkennbar. Hinzu kommt die fehlende Ankündigung, bspw. durch Trailer in den Werbeunterbrechungen, der beiden Formate im Vorfeld ihrer Ausstrahlung sowie fehlende Werbeunterbrechungen. Durch die fehlende Vorankündigung im laufenden Programm erhalten sie einen unvermittelten Anstrich. Fehlende Werbeunterbrechungen verleihen einen konzentrierten Charakter. Außenstrukturell ist festzuhalten, dass die Beziehung zwischen den Formaten und den Strukturen der Sender, der Programme der privaten Sendeanstalten und die Einbettung in diese, ebenso wie die medienpolitische Verankerung der klugeschen Formate von denen anderer Formaten des Fernsehens grundsätzlich unterschieden ist, in Kontrast zu diesen stehen und mit ihren Konventionen brechen. Auch binnenstrukturell sind vielfältige Verfestigungen festzuhalten. Der Vorspann bietet eine in sich geschlossene ästhetische Form. Seine präsequenzielle Funktion ist dabei eine klare Antwort auf mediale kommunikative Probleme, insofern er auf eine Weise auf das Nachfolgende vorbereitet die keine eindeutigen Zuordnungen und Erwartbarkeiten zulassen und so auf irritative Momente in der Postsequenz vorausweist. Darüber hinaus stellen die aufge20 Keppler, »Konversations- und Gattungsanalyse«, S. 317. 21 Luckmann, »Grundformen der gesellschaftlichen Vermittlung des Wissens«, S. 200.
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zeigten Verwendungsweisen von Schrift, Bild, Musik und die gewählten Mittel zur visuellen Darstellung von Gast und Experte verfestigte Sonderformen dar, die als Alleinstellungsmerkmal der Formate bezeichnet werden können. Ebenso charakteristisch sind das Ausbleiben eines markierten Interviewbeginns und -endes, das Fehlen von Quellenangaben und des Abspanns. Auch auf der Interviewebene zeichnen sich die Formate durch spezifische Besonderheiten aus, die mehr oder weniger stark von der Normalform abweichen. Sie zeigen einen Interviewer, der keinen neutralen Standpunkt vertritt, der Alternativansichten thematisiert und perspektiviert. Hierdurch wird eine Offenheit von Sinnstrukturen forciert und ein wesentlich erweiterter Interpretationsspielraum gestaltet. Die zielorientierte institutionelle Kommunikation bekommt durch die zeitweilige Relativierung der für das Interview vorauszusetzenden Asymmetrien einen symmetrischen Anstrich und wird ihrem starren institutionellen Charakter entbunden. Eine Loslösung von kategoriespezifischen Aktivitäten findet statt. Grundlegende Verfestigung und mithin Alleinstellungsmerkmal der Formate Alexander Kluges sind letztlich die Brüche mit gattungs- sowie mediumspezifischen (binnen- wie außenstrukturellen) Konventionen selbst. Die hervorzuhebende Leistung ist, dass sie die Gattungen, mit deren Konventionen sie brechen, nicht aufheben, sondern auf ihr doing verweisen, es zur Diskussion und auf den Prüfstand stellen. Ist für kommunikative und mithin für kommunikative mediale Gattungen zentral, dass sie nicht nur Verfestigungen bieten, sondern dass diese verfestigten Muster überdies »zu Bestandteilen des gesellschaftlichen Wissensvorrates geworden sind und im konkreten kommunikativen Handeln typisch erkennbar sind«,22 konturiert der Bruch die Gattung gerade ob des zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Wissens über ihr spezifisches doing. Die Fernsehformate Kluge zeigen darüber hinaus konkrete Entsprechungen zu den genannten Gattungen. Die Behandlung vielschichtiger Themen sowie die Berücksichtigung verschiedener gesellschaftlicher Bereiche haben in den Formaten Kluges ebenso statt wie die Vermittlung dessen, was als Bestandteile einer Kultur gilt, ihren Bedingungen sowie das Aufzeigen von Zusammenhängen zwischen dem behandelten Thema und anderen gesellschaftlichen Bereichen. Zwar zeichnen sie sich nicht durch einen Aktualitätsanspruch aus, die behandelten Themen werden jedoch stets mit grundsätzlichen Fragen und den wiederkehrenden Motivbereichen konfrontiert und beanspruchen darüber ihre spezifische Aktualität und Omnipräsenz. Anhand der Motivbereiche wird auf das klugesche Theoriekonzept referiert und so ein grundsätzliches Verständnis
22 Edb., S. 202.
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der Bedingungen von Kultur und Gesellschaft kontextuell relevant und dadurch fortwährend aktuell gesetzt. Die regelmäßig eingeführten Motivbereiche unterteilen die Sendungen ebenso wie eingeblendete Schrifttafeln, Bilder, Filme etc., sodass zwar von einer monothematischen, nicht aber von einer einseitigen Darstellung des behandelten Gegenstandes die Rede sein kann. Vielmehr werden die verschiedenen Elemente als zueinander in Beziehung gesetzte vermittelt und kommentiert. Ein weiter Kulturbegriff und das, von Hickethier für das Kulturmagazin konstatierte Herstellen von nicht oberflächlich präsenten Zusammenhängen sind darüber hinaus wesentliche Merkmale der Formate Kluges. Zudem werden die Formate durch die Stimme Kluges aus dem Off personalisiert. Die Personalisierung der Sendungen über den Moderator gilt ebenfalls als ein Merkmal der Magazinform. Auch den Merkmalen des (Experten-)Interviews wird nicht vollständig wiedersprochen. Bspw. Liegt die Gesprächslenkung deutlich auf Seiten des Interviewers, ebenso ist die Rollen- und Wissensasymmetrie, auch wenn sie zeitweilig aufgebrochen wird, als ein grundsätzliches Element erkennbar. Des Weiteren lassen sich die von Kluge geführten Interviews als eine Mischform aus Informationsvermittlung, Meinungsdarstellung und kommunikativem Rollenspiel, wie sie von Ecker et al beschrieben wurde, bezeichnen.23 Die Mehrfachgerichtetheit von Fernsehinterviews wird in den Formaten Kluges hingegen nicht explizit. Allerdings wird der Rezipient in einer aktiven Rolle durchgängig, wenn auch implizit, adressiert und so konzeptuell hervorgebracht. Wesentliche Unterschiede sind das Fehlen einer neutralen Interviewerhaltung. Kritische Äußerungen des Interviewers bleiben nicht aus und auch der Verzicht auf eine Selbstdarstellung des Interviewers kann nicht verzeichnet werden. Ebenso wenig beschränken sich die Interviewerfragen allein auf das spezifische wissenschaftliche oder berufliche Wissen des Interviewten. Auf das Ausbleiben dieser Merkmale wird nun durch das Brechen mit diesen und die Variation dieser verwiesen. Die Brüche referieren auf Verfasstheiten, Konventionen und strukturelle Bedingungen. Können die Formate insgesamt zur Gattung Kulturmagazin gezählt, die in ihnen geführten Interviews, auch wenn sie nicht den strengen Regeln des Experteninterviews entsprechen, gattungsmäßig als solche bezeichnet werden, gilt es sich nun gesondert auf das praktizierte Absehen von diesen, also auf das undoing in den Formaten zu beziehen. Abgesehen wird in den klugeschen Formaten von gattungsmäßigen wie mediumspezifischen Konventionen und Übereinkünften, wodurch ihnen eine eigene Qualität erwächst. Durch die aufgezeigten Abweichunegn wird ein Absehen 23 Hans-Peter Ecker u. a., Textform Interview. Darstellung und Analyse eines Kommunikationsmodells, Düsseldorf 1977.
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methodisch realisiert und praktiziert, das als undoing von spezifischen medialen wie gattungsmäßigen Konventionen im Rahmen der Formate Kluges sichtbar wird. Geprägt ist dieses Absehen von einem kritisch reflexiven Gestus. Das undoing verweist dabei auf die Spezifität eines doings, wobei verschiedene Ebenen der Adressierung auszumachen sind. Durch den Verzicht auf eine scharfe Trennung zwischen Fakten & Fakes wird der institutionell geregelte, sich in Gattungen verfestigte, Umgang mit Realität und Fiktion aufgezeigt. Durch das Absehen von einem geschlossenen Sendungskonzept wird auf die Präsentation von Phänomenen als in sich abgeschlossene negiert und auf den vielfach kritisierten Mangel an Zeit im Medium verwiesen.24 Durch die Abweichung von konventionellen, für das Medium prägende Kommunikationsformen, wird die Kommunikation im Fernsehen an sich in Frage und auf den Prüfstand gestellt. Durch die Dominanz der Schrift wird auf die in Produkten des Fernsehens angelegte Nebenbei-Rezeption angespielt. Durch die uneindeutige Bildmontage sowie das uneindeutige bildliche Unterlegen von Themen werden konventionelle Praktiken der Herstellung von Zusammenhang, der Begründung und Argumentation aufgezeigt. Grundsätzlich beziehen sich diese Momente auf das Fernsehen als Kontinuum von prozessual ausgehandelten Gattungen. Primär an den Zuschauer adressiert, beziehen sie dessen Erwartungen konkret mit ein, um schließlich mit ihnen zu brechen. Im Produkt ist eine Neuorientierung und aktive Auseinandersetzung dadurch fest verankert. Hingegen wird den Experten im undoing ein Forum zur kritischen Reflexion ihrer Rolle sowie daraus resultierenden Wissens und Relevanzen geboten. Das Absehen von Rollen- wie Wissensasymmetrien verweist auf deren Institutionalisierung. Das Absehen von einer, sich rein am Deutungs-, Prozess- sowie am technischen Wissen des Experten orientierenden und dieses hervorkehrenden Fragetechnik verdeutlicht die Verfestigung der Behandlung und Darstellung eines Experten ebenso wie die grundsätzliche Anerkennung seines Standings und seiner zu Grunde liegenden Relevanzen. Selbstverständlichkeiten werden ebenso hinterfragt, wie die Erklärungsstrukturen der Experten selbst, wobei die kommunikative Herstellung von Zusammenhängen und Beglaubigungen stets kritisch vorgeführt wird. Dem Experten wird die Möglichkeit dargelegt, sich seiner Rolle und deren Eingebundenheit in der Gesellschaft gewahr zu werden, diese beizubehalten, sie zu verlassen oder ihren Aktions- und Argumentationsradius zu verändern. Möglichkeitsbedingungen von Handlungsfähigkeiten werden in die Schwebe gebracht und präsent gehalten. Grundsätzlich zeigt sich dadurch nicht nur das Absehen von einem spezifi24 Vgl. grundlegend Pierre Bourdieu, Über das Fernsehen, Frankfurt a.M. 1998; Harald Burger, Gespräche in den Massenmedien, Berlin 1991.
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schen doing, sondern auch dessen potentielle Neufassung. Es dient als Verweisstruktur auf die Verfasstheit sowie auf mögliche Qualitäten fernsehspezifischer, audiovisueller Kommunikation. Demnach ist das undoing nicht nur an sein spezifisches doing gebunden, sondern schafft methodisch einen Möglichkeitsraum für denkbar andere Durchführungspraktiken. Wesentlich ist nun, dass die Formate Kluges nicht etwas völlig neues bieten, sondern im Rahmen von spezifischen Grenzen operieren. Hieraus erwächst ihre kritische und zur Reflexion anhaltende Qualität. Die Verweisstruktur eines undoing auf ein doing, also auf denkbare, abgewandte Durchführungspraxen, zeigen in einer Jahrzehnte langen Praxis Kluges dass und wie sie sich auf zentrale Grundstrukturen der audiovisuellen und kommunikativen Darstellung, Plausibilisierung und Präsentation im Medium Fernsehen beziehen. Sie geben einen wesentlichen Aufschluss über im gesellschaftlichen und kulturellen Haushalt fest verankerte Modi und beziehen sich kritisch aufzeigend auf diese. Auch die Kontextualisierung wiederkehrender Motive setzt hier an, denn ihre Funktion besteht darin, ein persönliches, aber auch gesellschaftliches und kulturelles Gewordensein zu perspektivieren und gleichsam kritisch zu reflektieren – auch dies ein kritischer Verweis auf ein mögliches, vom Konventionellen unterschiedenes, doing. Das undoing, das auf ein spezifisches doing verweist, lässt sich daher insgesamt als Grundcharakteristika der Fernseharbeit Kluges, als eine kritisch, reflexive Praxis der Aneignung und Bearbeitung von im gesellschaftlichen Haushalt verankerten Kommunikationsmodi, fassen.
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Heidegger at Wildenstein Castle Translated by Wieland Hoban1
Grey geese swept across the land. Above them, fighter-bombers on their morning patrol, too high to hear. The valley lay silent between the mountains on one side and those on the opposite side. The river that divided the terrain was unrecognisable beneath the whitish cover of the early morning mist. The gods once lived here, Hölderlin says. The moon, still visible from the night, hung as a crescent in the western sky. Students shuffled half-asleep into the morning. None of this, not even the stores in the castle’s larders, paid suitable tribute to the hardship and gravity of these days. Wildenstein Castle hosted ten teachers and thirty students. These were joined by others, whether they had come along, escaped or been invited, who felt kinship with the circle. Martin Heidegger, who had not belonged to the faculty since being drafted into the Volkssturm (though the house of his grandparents lay directly beneath the castle), had installed himself as a teacher and was welcomed gratefully by all present.
An Enclave of German Spirit It was strange, Hannah Arendt opined much later on, when she learned of this scene, that this INTELLECTUAL CONSPIRACY OF THE REICH’S FINAL HOUR was not noticed by any Allied secret service or any of the front units that occupied the country and had already passed very close by days ago, heading for Sigmaringen: an enclave of German spirit that, at this moment, could not be precisely assigned to any present, any past or any future.
1 The following stories are selections taken from the chapter »Heidegger auf Burg Wildenstein« originally published in Alexander Kluge’s 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann (Berlin 2014). An English translation of the entire book is forthcoming with Seagull Books.
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Wildenstein Castle Was No Ship Sailing away from contemporary events, that which is merely existent in the world, and landing on German shores ten years later – that would be a project worth committing oneself to. There was a box deposited in Wildenstein Castle’s wine cellar containing »messages to posterity«. But there were no means to bring the product of Wildenstein Castle into the world. After the air raids, it would already have been impossible to send telegrams into the world from Freiburg. And what was »world« supposed to mean, considering the closure of the German Reich? How could one have connected a message to the invisible network of the worldwide scholars’ republic? One could just about have sent a message in a bottle from Wildenstein Castle down the Danube in a closed container, like a one-man boat! But whom would one reach across the Black Sea, given that the coasts of Abkhazia no longer harbour any Mingrelians or Medea?
The Night March to Neu-Breisach We marched quickly, Heidegger said. Through the night, the Volkssturm battalion keeps moving towards Neu-Breisach with bags and weapons. The first four units of the column consist of academics. Two cases of cancer, three prostate infections, one foot injury from the First World War. The doctor, a party member and slightly mad, did not issue anyone a certificate exempting them from drafting to the Volkssturm. Heidegger walked in the first row of troops. (Those in the first few rows can set their own rhythm. The last in the column have to run to keep pace.) One could hear enemy night fighters, but they did not find the road. It was because of those aeroplanes, which were hunting everywhere, that the march took place at night, as no larger group could show itself on the Reichsstrasse by day anymore. It was cold and foggy. The fog gave the marchers cover in addition to the night. The weapons of the men in this Volkssturm were unsuitable to fend off the expected attempt by a French tank army to cross the Rhine. Some of them carried anti-tank rocket launchers on their shoulders, and they all had guns. They would only have had a chance if they had been incorporated into a professionally-trained army unit. No such intention was known. Letters had been sent to save the philosopher. Friends asked the Reich University Teachers’ Leader, who was also a Gauleiter, to issue a letter of discharge for Heidegger. Heidegger had not agreed to that, for a task must be taken as it is set. His friends had written nonetheless. The reply was non-committal, and
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called for a new attempt. The Reich University Teachers’ Leader was known as an opponent of Heidegger. By five in the morning we had marched any »what for?« out of our systems, Heidegger reported. Only a wherever-the-way-leads was driving us forwards. Then we lay down in barns near Neu-Breisach. The column lay there, mowed down and tired. The bodies of the eight academics rested in dreams alongside one another. Dream is close to death. The following morning, the news came that the French advance from the Vosges mountains to the Rhine had turned north towards Strasbourg. These were the troops of General Leclerc. The order to march back to Freiburg that night came around noon. There was pea stew. Pushed around like tin figures. No contact with myself. None with the enemy. None with the land we were defending. Like lemurs.
Heidegger on Actuality Martin Heidegger best liked to let the day’s news sink in at breakfast time, a custom familiar to him from Hegel. The only newspapers available at the castle were weeks-old issues in the toilet. But the group enclosed in the castle had a radio device, an Italian model made of plastic, quite small, with an illuminated dial. Heidegger’s favourite was the Swiss station Beromünster. The current as something ephemeral, he said, as something derived from the degenerated form of idle talk, was not simply distracting or superficial. He stated that through the intonation of the news, with the real voices sprinkled in, even a propaganda broadcast contained much that was unsaid, a broad stream of impressions that were certainly capable of establishing a connection with the outside. One should not speak at all disparagingly of what is referred to as »idle talk«, he said. »Idle talk is the possibility of understanding everything without any previous appropriation of the matter.« »The fact that something has been said groundlessly, and then gets passed along in further retelling, amounts to perverting the act of disclosing into an act of closing off.« »Thus, by its very nature, idle talk is a closing off since it omits going back to the foundation of what was being talked about.«2 This applied to the radio as much as to printed news. But why, Heidegger asked further, did Hegel entrust himself so willingly to this »byway of the thoughts«? That morning, Heidegger wanted to connect his judgement on the quality of 2 [Translator’s citation: Martin Heidegger, Being and Time, John Macquarrie/Edward Robinson (trans.), Oxford 1978, p. 213.]
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the news, especially if they came to us from abroad, meaning from a distance, to the daily events that had changed so greatly. The historical (and violent) events of the present could not be transformed in the vessel of a landscape, that is to say through walking and thinking, not even through the probing of the spirit (sensing), into a substance that the soul would have to inhale in order to be present itself. Such an approximate materialisation would be more possible in a superficial mode of apprehension that used secondary things for orientation, he reasoned. The advantage of the self-evidence and self-assurance of average interpretedness was that under its protection, »the uncanniness of the suspension in which Dasein can drift towards an increasing groundlessness remains concealed to actual Dasein itself«.3 The curiosity for which nothing remains closed was not a good guarantor in that context. Even with the »hardness of the concept«, a situation like ours could not be »grasped alive«. »Abyss gapes beneath my feet – Take me now, o ancient night!« (from Heinrich Heine, Book of Songs)
The Entertainment Character of Thought Sitting with others around a table, Heidegger did not speak the way he wrote. Only the listeners had the tendency to silently chant along with what they heard in the terminology of his writings. It is conversationally enjoyable: it is entertaining4 when the facts of life are sung together with certain attributes of eternity (like the fashion of 1630 in which protracted melodies were added to a basso ostinato, as far apart and different as possible).
»Poverty« On 30 April, Heidegger noted down some keywords for a planned lecture on Hölderlin’s motto »For us, everything is focused on the spiritual; we have become poor to become rich«: »What does ›poor‹ mean? […] Poverty is a not-having, a lack of the necessary. Wealth is a non-lack of the necessary, namely having more than what is necessary. […] Beyng truly poor means: beyng such that we lack nothing, except for the unnecessary.«
3 [Translator’s citation: Ibid., p. 214.] 4 [Translator’s note: there is a play on words here and in the title, as Unterhaltung can mean both entertainment and conversation.]
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»But what is the unnecessary? […] What does necessary mean? […] The essence of need, in the fundamental meaning of the word, is compulsion. […] The unnecessary is that which does not come from need, i. e. not from compulsion, but from the free.«
The free – he continued the train of thought without writing it down – is, in our oldest language, the unharmed, the spared, that which is not used for a purpose. It is by no means limited to the negative quality of the non-touching or the useless. The freed is that which is preserved from the compulsion of need, that which is left in its essence. He wrote down: »Thus, when we think the essence of freedom and necessity, then necessity is by no means the opposite of freedom, as the whole of metaphysics believes; only freedom is in itself a turning towards need.« Need that has become turning. Quiet unrest, the sorrowful joy of never being poor enough. The palaeontologist and one of the female students had meanwhile joined the group. That did not interrupt Heidegger’s train of thought; far from it. And instead of speaking to himself and the things he had written, he now spoke once more to these guests. Lean years lie ahead. Heidegger sought to convey the decline of prospects. The danger of famine, he said without waiting for questions, viewed in terms of the whole and authentic part of occidental destiny, does not lie in the fact that many people might die, but in the fact that those who survive will be living only to live. Isn’t that enough? asked a female student. The palaeontologist supported her. There were chains of life extending over more than 40,000 years that deserved respect. In these times, one joined such chains. In one of the radio commentaries that morning, Heidegger had heard the statement that Central Europe was now falling victim to Bolshevism. That, he said, could only apply if we did not ward off the destiny awaiting the historical world, that thing bearing the inappropriate name »communism«, through poverty. He noted: »Communism is not avoided and circumvented in beyng poor ; it is overtaken in its essence.« For a moment the palaeontologist, who was reading along with what had already been taken down, saw the political dimension of that day : COMMUNISM CAN ONLY HELPAGAINST BOLSHEVISM ONCE IT ATTAINS CONCEPTUALISATION.
Paul Rabinow
Assemblage-Work, a Chance Collaboration. Had These Then Eighty-Three-Year-Olds Not Decided to Work Together
Fragments of Alexander Kluge’s vast production of media, theory and writing have come into my life because of an on-going engagement with the work of Gerhard Richter.1 Richter came to my professional attention in part because of a project centered on exploring the concept of the contemporary. Having thought and published on the concept for more than a decade, I was on the lookout for others practicing in a mode that would have resonance with my attempts to articulate concepts and practices and to see how they could be assembled into an ethos that could be called contemporary.2 Unexpectedly, Gerhard Richter kept coming into view. How to approach the contemporary? Just as one can take up the »modern« as an ethos and not a period, one can take it up as a part of a moving ratio. In that perspective, tradition and modernity are not opposed but paired: »tradition is a moving image of the past, opposed not to modernity but to alienation«.3 In a parallel fashion, perhaps one could take up the contemporary as »a moving ratio of modernity, moving through the recent past and the near future in a (nonlinear) space that gauges modernity as an ethos already becoming historical«.4 In order to work on this diagnostic, it was necessary to elaborate and test the concepts, techniques, practices, modes of inquiry and forms in which such ratios are crafted and experienced. When a German friend, Stefan Beck, gave me a gift of December after a lecture I had given in Berlin, I was grateful for his gesture; my German was too weak, 1 My encounter with portions of Alexander Kluge’s vast production has been enriched and clarified by the extraordinary generosity, patience and intelligence of Richard Langston, to whom I most grateful. Mario Wimmer and Joshua Craze provided detailed suggestions that have improved things, for which I am appreciative. 2 Paul Rabinow, Marking Time: On the Anthropology of the Contemporary, Princeton 2008; id., The Accompaniment: Assembling the Contemporary, Chicago 2011; Paul Rabinow/Anthony Stravrianakis, Designs on the Contemporary : Anthropological Tests, Chicago 2014. 3 Paul Rabinow, Symbolic Domination: Cultural Form and Historical Change in Morocco, Chicago 1975, p. 1. 4 Rabinow, Marking Time, p. 2.
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however, to grasp Kluge’s prose. Still, I was intrigued. One of the many dimensions of Richter’s work that have attracted my attention was his intermittent devotion to addressing the challenge of working with others. Over the years, Richter has engaged in punctual collaboration with other artists such as Sigmar Polke and Blinky Palermo. These moments helped to clarify things for him when he was stuck or felt stagnant in his life or work: when situations called for fresh approaches or a changed attitude. These collaborations were not a blending or bending of the artists’ productions toward a common style. Rather they were collaborative in the sense of having a shared sense, however inchoate, of a problem or a situation. They converged on diagnosing the significance of the problem and how that diagnosis made different solutions possible or at least imaginable. Such collaborative solutions posed a compositional challenge: how to give form to contrastive but convergent sensibilities? In that light, one can take up the co-production of December as a Kluge-like event. It could well have not taken place. Chance events, Kluge has insisted, can ramify in unexpected directions. Both of these men were 83 years old at the time of their no doubt not entirely accidental meeting at the Hotel Waldhaus in the Swiss Alps, Sils Maria. Such events may well afford inflections, different forms and distinctive experiences. One can also take up the co-production as part of an enduring challenge with which Richter has struggled throughout his life – how to give form, not illustrate or narrate, to the brutality, arbitrariness and occasional illumination of contemporary events and experiences.
Scenes Frederic Jameson, in a section of his 2010 book The Antinomies of Reason entitled »Coda: Kluge, or, Realism after Affect«, identifies the writing of Alexander Kluge as having reached the limit point of the antinomies of literary modernism and realism.5 For Jameson, modernism in literature turned on exploring the problem and possibilities of what he names as »the brief union« of narrative and affect in the novel, the bourgeois form par excellence. As the bourgeoisie slowly dissipated as a class, the novel endured, constituting a problematic purgatorial zone for post-bourgeois twentieth and twenty-first century fictional prose as well as for its academic critics. Jameson seeks to pin down Kluge’s place in his theory of narrativity. He is relatively at ease in the realism side of the antinomy of reason and affect but at a loss as to what to make of the affective pole. When he introduces a section on 5 Fredric Jameson, The Antinomies of Realism, London 2013, pp. 189–190; Thomas Mann, Dr. Faustus, Helen Lowe-Porter (trans.), New York 1948, p. 240.
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Kluge with the tag »realism without affect«, what he should have said is without bourgeois or petty bourgeois or avant-garde affect.6 This blindness is especially striking given Jameson’s admiration and knowledge of Brecht. Kluge’s affect is not affect degree zero. Rather it is inventive and original in the feelings of disorientation, blocked motion, meteorological changes and the like.7 Where Jameson does not flounder is in his use of Kenneth Burke’s »dramatistic pentad«, as laid out in his 1953 The Grammar of Motives. The pentad consists in: act, agent, agency, purpose and scene.8 One would be frustrated if one were searching for attention and development of the first four of the pentad in Kluge’s work, not to mention that of Richter, although many critics have tried to do so. Rather, instead of seeking deficits one is likely to be more rewarded in Kluge’s extravagant minimalism by focusing on his diverse means of presenting »scene«. There are a number of reasons why drawing attention to the scenic is helpful in orienting to Kluge’s diverse and endlessly ramifying works. First, by backgrounding or eliminating entirely the first four topics of the pentad, the bourgeois novel and most of its successors are left to exist as afterlives (Nachleben). »Scene, however, remains at an unmodified level of narrative complexity, only becoming concrete in the course of the representation.«9 That concreteness, if that is what it is, is reminiscent of Brecht’s techniques but not applied with any easily graspable didactic lessons.10 Jameson casts the problematization of the didactic as a: »narratological problem, a challenge to anthropomorphic representation and the mimesis of human actions and characters: the question of whether such possibilities are not altogether obsolete in the age of nuclear weapons, drones and suicide bombers«.11 We must object, of course, that drives for mimesis are certainly not »altogether« obsolete; rather they are problematic and tend toward the status of an afterlife, Nachleben. »For even atrocities might seem to us today to belong rather to the malignant properties of evil or cursed landscapes than to the savagery of individual actors; and it is as 6 Jameson, Antinomies, p. 187. 7 Clarifying insight into Kluge’s approach to affect is lucidly laid out in: Nora Alter et al., »Landscapes of Ice, Wind and Snow: Alexander Kluge’s Aesthetic of Coldness«, Grey Room 53 (Fall 2013), pp. 60–87. See also: Alexander Kluge, »Straw in the Ice: Storms«, Richard Langston (trans.), Grey Room 53 (Fall 2013), pp. 88–108. 8 Jameson, Antinomies, p. 187; Kenneth Burke, A Grammar of Motives, Berkeley 1953. 9 Jameson, Antinomies, p. 234. 10 On Brecht’s techniques of turning character into gestures, or atlases of gestures, see Devin Fore’s »Gestus Facit Saltus: Bertolt Brecht’s ›Fear and Misery of the Third Reich‹«, in: id., Realism after Modernism: The Rehumanization of Art and Literature, Cambridge 2012, p. 133. 11 Jameson, Antinomies, p. 239.
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though with this and other later plot types we pass from a world of acts and characters to that of space itself – scene, landscape, geography, the folds of the earth that determine military campaigns in the sense of contingency or the main chance, a heterogeneous element which is that of Stimmung or affect fully as much as of some stage or ›context‹ for human gestures.«12
One thinks here of other artists approaching this thorny issue such as Jeff Wall and his tableaus. Taking Wall’s work up would lead us further astray than is warranted here; it is worth mentioning that in Kluge there is only an afterlife (after their withering) of the by now double-non-options of absorption and theatricality. In a mode of the contemporary, their memory lingers, is refused and remediated.13
Instances Over the decades, Kluge has created a vast amount of work in diverse genres ranging from the massive, jointly assembled, theoretical treatise to the film script. Here, the genre – if that is what it is – of interest both for Jameson and for us, is Kluge’s explorations in short recountings of an incident or an episode or an event. Such accounts, Jameson points out, seem to have no author, not even an implied one; they »could well be clippings from a newspaper«.14 Although that identification might well be plausible, in fact that is not what they are. Jameson writes »Most of Kluge’s narrative work (at least in writing) falls into that no man’s land between [the fait divers and the anecdote].«. The former is defined, he goes on to explain, »by its historical reality – it really did take place«.15 Kluge’s manner and skill in handling these accounts seem at first reading to provide a kind of »guarantee of its actuality«.16 That first somewhat comforting, or at least vaguely familiar, reaction, however, turns disconcerting when one realizes that there is no way of knowing whether these short pieces, these apparent fait divers, actually are drawn from newspapers or have been invented by Kluge either whole cloth, or in shreds and patches. In either case, it gradually dawns on the reader that the problem of how to take up these intercessions does not turn on their origins. What is disconcerting is not the undecidability of authorship or unspecified origins; rather, what disconcerts is the form given to these narrative interventions. That form 12 Ibid., p. 240. 13 Jeff Wall, Jeff Wall: The Complete Edition, New York 2009. Many of the art critical essays in this volume turn on Michael Fried’s canonical distinction of theatricality and absorption. 14 Jameson, Antinomies, p. 189. 15 Ibid. 16 Ibid.
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and its affect yield a troubling uncertainty as to what is being said. Although when reading Kluge we definitely experience something, it remains elusive as to what affect a skilled artist such as Kluge has made these seeming faits divers produce. It also remains elusive but very much worth pondering as to what they afford. Jameson closes his coda with a tentative claim that Kluge has (or has been attempting) to separate realism and affect as well as to efface the line between fiction and non-fiction. Another remark provides a clue as to why Jameson is hesitant about his own claim. Kluge’s pedagogy, Jameson writes, »is at best a quantitative rather than a qualitative concept, one of the measurement of intensities rather than any content-laden value«.17 For an inveterate dialectician such as Jameson his interpretation presents a quandary of his own making. He inserts a remark of Pierre Bourdieu – »the intellectual’s perpetual guilt about his preoccupation with art in the midst of universal suffering and starvation«.18 Jameson seems to observe his own assent to such a crude sentiment, and moves on. Jameson characterizes Kluge’s style (or mode or mood) as striving to achieve »realism without affect«.19 It seems to me that it would have been more empirically accurate and diagnostically acute to have entitled the coda »after modernist realism and modernist affect«. After all, today, for many of us, it seems evident that affect is an inescapable constituent of human affairs, especially crafted human productions. Hans Ulrich Gumbrecht, for example, arrives at a similar conclusion from a different angle in his book Atmosphere, Mood, Stimmung: On a Hidden Potential of Literature.20 Today, the joining of one genre of narrative and one range of affect can be seen, as Jameson says, to have been a brief, if fertile, union. It was a union tied for a time to specific understandings of epochs, of culture, of form. What might be a way onward? Jameson tentatively proposes one candidate: »the absolute superposition of Deleuze’s ›faux‹ upon the strictest empirical fact«.21 Another version is Foucault’s bemused assertion that all of his works have been fictions. In either case, despite the repeated death announcements of the critics (and some artists), time and art have not ceased their vitality ; today there is neither a general erasure between fiction and non-fiction nor a divorce of actuality and affect. Rather, we are in the midst of re-inventions and diverse couplings. The challenge for artist and anthropologist alike, although in different 17 18 19 20
Ibid., p. 192. Ibid., p. 190. Ibid., p. 188. Hans Ulrich Gombrecht, Atmosphere, Mood, Stimmung: On the Hidden Potential of Literature, Palo Alto 2012. 21 Jameson, Antinomies, p. 190.
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modes and within different practices, is to re-invent multiple relations of logos, ethos and pathos within forms that will animate or re-animate the blocked motion of the afterlife of the modern and of modernism. The anthropologist of the contemporary faces the challenge of identifying (and contributing to) narrative genres and distinctive intensities of affect that saturate and structure situations (whether poetic, pragmatic or logical). The anthropologist of the contemporary wants to understand how a situation’s specific affective viscosity is animated and/or sustained. In order to pursue this line of inquiry and invention, it has been apparent for some time that yet another blockage point from the modern obstructs motion – the reliance on, and belief in, the reality of a chronology of epochs. As Hans Blumenberg has argued in The Legitimacy of the Modern Age, the reigning modern understanding of epoch as a defined and unified period of history replaced the older sense of the term as a point of view on things (originally the stars). The time has come, it has seemed to me for some time now, to go back to the older meaning and use of the term, in order to go ahead. In sum, the challenge is: how to achieve a stylization and a practice in a contemporary mode that might enable new capacities and afford a future anthropology with pragmatic intent.
December 2010: Calendar Stories In December, a joint production of Richter and Kluge (both born in 1932, a few days apart), we find an ambitious and incisive attempt at collaboration. December consists of 39 of Kluge’s short interventions assembled without any overt narrative structure; they are accompanied by 39 plates by Richter, the latter picturing snow laden trees in the Alps, although they certainly are not to be taken to be illustrations of Kluge’s interventions. The site in the Swiss Alps, however, is not any site; it is Sils Maria where Nietzsche spent his summers at a house that is currently a museum. Sils Maria is also where Richter (as well as Kluge, and his mentor Adorno vacationed on a regular basis) spent many winters resulting in, among other things, a small book of over-painted photographs.22 December is divided into two sections of unequal length: calendar and commentary. The calendar section follows the days of the month of December in consecutive order. The years of these days, however, vary enormously from 21,999 B.C. to late December 2009 when Kluge was working with Richter. Most of Kluge’s interventions cluster around incidents during World War II and 2009.
22 Gerhard Richter, Sils, New York 2002.
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They recount »accidents, crises and missed opportunities«.23 A famous one that Kluge has returned to a number of times is a barely avoided car accident between Hitler and Goebbels on December 3, 1931 that would likely have killed Hitler. Among other consequences had such an accident not been avoided, Kluge observes elsewhere, is that he would not have grown up under the Nazis. Martin Chalmers, the translator of Kluge’s contribution to December, writes: »Kluge’s themes are consistent indeed throughout his career. Central, for example, is the concern with the decline, the collapse of power. The moment when power shifts, when the gods abandon the once powerful.«24 Taken broadly this thematization is insightful but not entirely accurate. Things for Kluge are rather more complicated when it comes to time and grammar. Thus in the section of December entitled »Future Perfect« Kluge writes: »What manifests itself in my story, the story of a living person, is not COMPLETED PAST (what was, because it no longer is), also not the perfect tense in what has been is what I am but instead the OTHER of what I shall have been for what I am in the process of becoming.«25 It is strange that the Nietzschean position assumed by Kluge’s first person narrator should be so troublesome even for sophisticated readers. The second section of the book »Calendars are Conservative« consists of equally gnomic interventions loosely focused on human attempts to control time. »Revolutionary calendars, competing Christian chronicles, Islamic divisions of time into spheres, and even a discussion of the future perfect tense«, LaRue explains in her review, »all ultimately reveal that the multiplicity of time is an illusion, an all-too-human invention.«26 Calendars and time reckoning are human inventions but neither Kluge nor Richter have expressed the view that time is an illusion.
23 Madeleine LaRue, Review of December, by Alexander Kluge/Gerhard Richter, Martin Chalmers (trans.), The Quarterly Conversation, No. 28 (Summer 2012), Online-Journal, quarterlyconversation.com/december-by-alexander-kluge-and-gerhard-richter (Accessed: 01. 03. 2015). 24 Martin Chalmers, »5 Questions for Martin Chalmers on December by Alexander Kluge«, Interview by Madeleine LaRue, in: Conversational Reading, 13. 08. 2012, Online-Publication, conversationalreading.com/5-questions-for-martin-chalmers-on-december-by-alexanderkluge/ (Accessed: 01. 03. 2015). 25 Alexander Kluge/Gerhard Richter, December, Michel Chalmers (trans.), New York 2012, p. 105. 26 LaRue, Review.
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Ethos One critic characterizes the mood, Stimmung, of December as: »a winter at once ominous and intimate, the last breath of the year in anticipation of its end and rebirth.«27 Either this statement is a banal invocation of the rhythm of the seasons or it is erroneous. Where the breath of the year comes from it is not a topic in December; there is no naturalism (metaphoric, allegorical or literal of any traditional sort) in December. Rather, Kluge coolly describes how the Western calendar year ending in December is utterly arbitrary. »According to German law the following applies: December begins with the same day of the week as September ; so if 1 September is a Monday, then so is 1 December. If 29, 30 or 31 December is a Monday, the days from Monday of the first calendar week are included with the following year. In accordance with the DIN norm in this case the last calendar week of the year ends with the last Sunday of December. If people wish to experience one or two more weekdays then they do so outside of time. Organizations on the other hand always move forward in fifty-two intact weeks.« (D 117–118)
Of course, we do not know whether this claim is factual or convincingly has the appearance of actuality. Which perfect tense does it instantiate? As to rebirth, to be a plausible metaphor would require that nature in almost any manner be a source of animation and concern. These two Germans clearly will have none of that sentiment. One critic names December’s mood as »ominous and intimate«.28 The claim of intimacy needs nuance as the same critic claims that Richter’s plates make it hard to determine where the ground or horizon lies. This arrangement complicates the scale and the proximity or distance of the winter’s scene. Are we adjacent to it? Are we in an intimate relationship with it? Or are these pictures shot with a powerful telephoto lens, making them appear vigilant? Vigilant: there is certainly an acute ethos of uncertainty scrupulously attended to both in Kluge’s writing and in Richter’s plates. What exactly there is to be vigilant about remains uncertain making this alertly attentive surveillance appropriate. As to ominous, this mood might seem to be underscored by Richter’s famous quote about nature being completely brutal, inhuman and without care: »Nature is so inhuman that it is not even criminal. It is everything that we must basically overcome and reject – because, for all our own superabundant horrendousness, cruelty and vileness, we are still capable of producing a spark of hope, which is coeval with us, and which we can also call love (this has nothing to do with uncon-
27 Ibid. 28 Ibid.
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sciousness, bestial, mammalian nurturing behavior). Nature has none of this. Its stupidity is absolute.«29
For Richter, nature is not ominous although the weather and time can intercede in human affairs in a manner that disrupts or inflects the course of events. The last two plates of the book differ from the others. In the penultimate one, one gets a clear view through a pair of snow-laden trees of the Nietzsche museum. Consequently, the penultimate plate can be seen as an epochal one in Blumenberg’s sense of observational and historical but hardly totalizing and determinative. In the final plate, we see a plowed paved road set in a dense winter scene; at the edge of the plate the road turns and leads – we have no clear idea where (see figure 1). Perhaps it continues to one of the December days that have escaped from the German Industrial Standards and the organizations that follow it; the future perfect beckons, ominous and intimate.
29 Gerhard Richter, Writings 1961–2007, New York 2009, p. 158.
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Figure 1. Alexander Kluge/Gerhard Richter, December, p. 120.
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Dispatches from Moments of Calm (Nachricht von ruhigen Momenten) Retranslated as: Posts: Regarding Composed Instances In the autumn of 2012, Gerhard Richter brought a collection of pictures to an editor in Berlin. The theme of this collection was »the contrast between sharp and blurred (or hazy)«, (Kontraste zwischen Schärfe und Unschärfe). Alexander Kluge was invited to participate in a joint project on the sharp and the blurred, as anchored in ordinary states of existence that would stand in contrast to the woeful state of larger world events and politics. In their previous collaboration, December, Gerhard Richter’s photo-images anchored the rhythm of the book with their steady, yet insistently subtle, variations on the snow covered trees on the Swiss mountainside while Alexander Kluge’s contributions followed a mode taken from the older much more disparate set of so-called calendar stories. In their second joint work, Dispatches from Moments of Calm, to a degree at least, the roles are reversed. Richter’s photo-images are diverse with no immediately obvious continuity of subject matter although they can no doubt be characterized as »moments«, perhaps calm ones, and, stretching one’s imagination a bit, even dispatches or posts from diverse situations, or perhaps technically the better term is »scenes«.30 Although these scenes are diverse they do not qualify as newsworthy in the usual sense of the term. The talents of Kluge and Richter converge on presenting instances of everyday and/or ordinary life. Kluge’s contributions pivot consistently around a small number of topics: chance events, form and dispatches. Those familiar with Kluge’s vast corpus are alerted to his distinctive insistent return to these topics and the manner in which he transforms them into themes. If the contrapuntal motion of December was anchored by the base line of Richter’s photo-images, then in Dispatches a more complicated compositional arrangement is put in play but anchored thematically by Kluge’s attention to situations of motion and stasis. We must not lose sight of the obvious fact that we are once again offered a composition of images and words. The challenge for these two great artists was: How to make the images and the words work together. At first blush, Kluge’s posts are all sharp in an immediate sense although why we are being told what we are being told is frequently unclear. Richter’s images, at least in the German edition, come closer to the »hazy« than the »blurred« 30 Cf. Alexander Kluge/Gerhard Richter, Nachricht von ruhigen Momenten, Frankfurt a.M. 2014. I have benefited from a pre-publication draft of the English translation to be published by Seagull Press. I offer special thanks to Richard Langston, Thomas Combrink, and translator Nathaniel McBride whose generosity and trust I greatly appreciate.
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although there is at least one explicitly blurred image, a genre for which Richter has become famous.31 *
I have neither credentials nor desire to challenge the phrasings provided by the book’s translator. For my own idiosyncratic conceptual and interpretive purposes, however, I propose to modify a few terms. An English language synonym for »calm« is »composed«. Although the no doubt more strictly correct translation of the title is the one that the book will bear : Dispatches from Moments of Calm. It seems to me that a plausible alternative would be: Posts: Regarding Composed Instances. I suggest these changes for conceptual not linguistic reasons. Although linguistically ruhigen is no doubt best translated as »calm«, it has a first-order ring while all of these scenes are observed and cast in a secondorder mode perhaps a more precise fit in a second-order frame would be »composed« in the twin English language sense of »calm« as well as »to be given an orderly arrangement«. Although Momenten translated as »moments« is technically correct it once again loses the sense of a second-order observation. In that light, it is plausible to appropriate the older English language term »instance«, (as in Iain Pears’ mystery novel An Instance of the Fingerpost [1997]) as referring to something taking place that cannot yet be cast either as an episode in a structured narrative or as an event assigned a significance worthy of being narrated. This series of terms (posts, regarding, composed, images) applies both to Kluge’s prose and to Richter’s images. It also applies to the highly complex composition of their punctual, delayed and contrapuntal relationships – and to the affect it affords. *
Here are spliced segments of Kluge’s first contribution. I have spliced them to have them serve to make the general points of orientation. By so doing, they are stripped of their fuller dimension of details that renders them as posts regarding composed instances. I present them here as topics and themes not as Kluge’s distinctive literary stylization. »These are the things he wanted to remember.« »Where should he put these images? Which part of the mind is responsible for remembering images? He wanted to remember everything so that he could he could find words for it later.« »This was a chance occurrence that he did not expect to experience a second time in his life.«32 31 There is a large amount of secondary literature on Richter’s blurring of photographs. For example: Gertrud Koch, »The Richter Scale of Blur«, October 62 (Autumn 1992), pp. 103–113. 32 Alexander Kluge/Gerhard Richter, Dispatches from Moments of Calm, Nathaniel McBride
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Hence Kluge gives us the main themes of the book: second-order recollection, the place of images, storing and recalling, narrating, chance and its instances. Kluge’s entry is preceded by Richter’s first photo-image. It appears to be a photo perhaps of a port facility taken from an airplane. The scene appears to be shrouded in either a light fog or smog. The tone of the image is somber. It could be called hazy. It could be called unscharf. There is nothing obviously calm about it. The image, however, is certainly a composed one, at least in the sense of having been taken and selected by Richter and worked over to give it its tone. Upon closer inspection, and consistent with Richter’s manner of working, one finds areas of sharpness in the image – ripples on the water – that contrast with the initial sense of haziness. Upon further inspection, there are other such areas of sharpness. Those who know Richter’s work will not be surprised that what appears a casual detail initially often turns out to be a re-composition of what appears at first to be simply the way things appear. *
Some of Kluge’s posts are reports of others’ reflections, almost maxim-like short entries in which a general claim is staked out, apparently in an affirmative manner. »Walter Benjamin called one of the members of the Bauhaus he knew a CIRCUS DIRECTOR OF CHANCE (Zufall) He intended the remark as a form of encouragement. He said that training this UNRULY, CONSTANTLY SURPRISING, BREED OF REAL CONDITIONS THAT WE CALL CHANCE.« »The tension between UNCONTROLLABILITY AND DISCIPLINE…this says Benjamin is the principle of art.« (DC; NrM 32–32).
Kluge invokes »training« and »discipline« and sets them against worldly encounters. The latter is surprising largely because, I believe, Kluge understands these instances to be singular ; he balances that impulse which might well have led him in the direction of a modernist »make it new« with his philosophic anthropology (or theory) that draws attention to micro-practices and situations and the obstinate resilience of their dynamics. Richter’s image that comes after Kluge’s post is a non-descript, slightly hazy, image of a peasant in a rice field. It could well be taken as a moment of ordinary life somewhere else; a tourist photo, a second-order commentary on tourist images, and the like. Perhaps it can be seen to be about »uncontrollability and discipline«: the hard, disciplined work of peasants engaged in rice agriculture; the uncontrollability of the environment. Perhaps it is best seen as a distinctly non-art image, carefully composed. (trans.), London, forthcoming. Cf. Alexander Kluge/Gerhard Richter, Nachrichten von ruhigen Momenten, Berlin 2013, p. 10. Henceforth cited as DC and NrM, respectively.
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Here is one of the more extended posts from Kluge regarding a composed instance: »The blue tit, a habitu¦ of smart hotels, whose courage had never truly been tested by the guests on the terrace, approached the cup of cappuccino with its gaze firmly fixed on the biscuit, twice the size of a two-euro coin that lay next to its saucer. The bird’s delicate feet were barely able to gain a hold on the glass tabletop. The rush matting beneath the glass gave it the appearance of a surface it did not really have. The blue tit ‘smelt’ the sugary confection with its eyes. It knew the value of this particular piece of loot, precisely assessing it despite the fact that it could only be carried off in crumbsized pieces. The delicacy’s yellow color could not be mistaken for anything else. It approached the object twice before pecking at it. Its beak was unable to gain any purchase on the large biscuit. The blue tit flew off, and it was some time before, with great vigilance, it approached the desirable item again. It was a pretty animal – so pretty, that could one could imagine it stuffed, the pride and joy of an eighteenth century ornithological institute – assuming, that is, it wasn’t considered too commonplace a specimen to form part of a collection. There were no Enlightenment thinkers on the terrace, or indeed anyone with any experience in catching a bird by hand, killing and stuffing it. Where in their homes would the people on the terrace have put such a splendid specimen? In the meantime the animal had conducted several more experiments, and had actually managed to shove the biscuit to the edge of the table by batting at it with its beak. Did the bird think it was possible to push the cookie off the edge so it would break into pieces? None of the adults at the table imagined the bird was ‘thinking’ anything. Having briefly referred to this incident, the conversation turned to other subjects. Then, about eight minutes later, the blue tit actually seized the biscuit in its beak and flew several meters to a graveled area that bordered the terrace – and from there it (along with its prize) flew under a bush, from where the biscuit would presumably be carried in pieces to a nest over the course of the afternoon and shared among its young. Never before had the bird made off with such an enormous store of provisions. It took twenty-three attempts to achieve a balance between bird’s small, airworthy body (whose delicate feet were indicative of its frailty), its greed and the object’s substantial weight.« (DC; NrM 10–11).
All of Kluge’s main topics and themes – persistence of living creatures, little appreciated capacities in unusual situations, attention and lack of attention to the micro-environment, etc., – are contained in this post. It is not surprising that there is no corresponding image accompanying this post. One could imagine that illustrating or even evoking Kluge’s themes through an image would be ruinous for the compositional pace of the book. It would reduce chance and increase discipline without adding anything. Perhaps one could say the absence affirms an avoidance of stasis. Perhaps it is better to say that Richter’s photos have their own rhythm of instances and composition.
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Kluge invokes the Bauhaus artist Moholy-Nagy, who, translating again, can be understood to be claiming that composition always mediates images. That composed reservoir (or repertoire) of image-instances serves to disorient and reorient those who seek artistic work. »Moholy-Nagy (who thought that photography had far better things to do than represent reality) said that all camera images produced by human beings tell a parallel history : an ideal landscape. Photographs, he added, are an ideal reservoir for insights into the observation of a second order in other words they are the triggers and detonating caps for art.« (DC; NrM 93–94).
There is a certain ambiguity here: could one simply represent reality if one did not have far better things to do? The answer for Kluge must be »probably not« as situations are in their particularity obstacle ridden and occasion responses, obstinate or otherwise. Kluge’s view of encounter and blockage as the site and spur to thought and creation is quite close to an understanding of thinking held by John Dewey.33 However, Kluge is passionate about the chance and singularity dimensions of different situations.
Instances: Faits divers Daily life began to be organized in terms of events and faits divers around 1800. The main technology and medium for this shaping was the daily newspaper. Among its other characteristics is its narration of heterogeneous instances into what Kluge calls »news values.« He then makes a rather curious and challenging claim. »It is out of such NEWS VALUES and not from the facts themselves, that the daily image of our world is put together. The products of poetry form an antithesis to this daily fluctuation. In painted images, and in the narratives of short stories and narratives, time outside stands still.« (DC; NrM 83).
The claim is challenging because previously he had provided one of those ontological assertions that seem to guide him in the vast atlas of instances he relentlessly catalogues. »That all the atoms in the nuclei of our cells are in a state of turmoil, in other words, that this turmoil is what we call life.« (DC; NrM 12). It follows that by the time this first-order realm of life reaches the second-order operations of fiction it is not calm but composed. Let us note that the English in the quotation reads in art or image making »time outside stands still«. Where 33 Cf. John Dewey, How We Think, Amherst (NY) 1991.
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Figure 2. Alexander Kluge/Gerhard Richter, Nachrichten von ruhigen Momenten, p. 63.
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one would encounter and report the posts regarding composed instances is internal to such situations. Kluge then makes yet another challenging claim in his matter-of-fact tone: »Newspapers and their pictures remain responsible for our knowledge of what is happening in reality. Very little of this can be checked using our senses. However, without such news the world we immediately perceive around us would have no collective rhythm. Indirect experience, such as the view of things from a distance, is unreal. But proximity is in its own way equally unreal.« (DC; NrM 109).
For Kluge, composition and second order observation are what we have.34 *
Two of Richter’s photos (and Kluge’s direct comment on one of them) are revelatory.35 One is an image of a building in Beirut that had suffered bomb damage at some point in recent times (see figure 2). The supporting internal pillars are exposed to view. Kluge writes (in part): »COLUMNS THAT ONCE SUPPORTED AN UPPER STOREY HANG IN THE AIR LIKE UPROOTED TREES. On 26 April 2012, Gerhard Richter photographed this makeshift building site in Beirut. He was in the city for an exhibition of his work at the BEIRUT ART CENTRE. He took a taxi to tour the city.« (DC; NrM 65).
An adjoining image is of a forest scene; it appears to be drawn from a large book of images Richter published entitled Wald (Woods).36 In that monograph, arbitrary and banal passages from a German nature magazine are set alongside 285 images of a forest near Cologne that Richter frequented. One soon realizes that these images are highly worked over ; the familiar forest scenes evoked as a given in the magazine text are turned into an alternate landscape in which tree trunks hang suspended in mid-air (see figure 3). Nature here, as Richter has asserted elsewhere, is utterly foreign and discomforting in these highly aesthetic variations and the complex serial compositions Richter has forged. The exposed pillars of the shelled Beirut building is not like the trees in Richter’s reworked image of a woodland scene except in their compositional function. Richter’s image is orthogonal to Kluge’s prose. Thus neither prose nor image illustrate the other ; rather they establish a tension that disrupts the analogy of nature and culture as well as that of analogy per se. By so doing they are pervaded with a calm, if uncanny, affect. The shelled building, with its 34 I am aware that there is a rich scholarly discussion about the changes in Kluge’s approach to observation and narration between earlier and later work. In that light, my claim is simply an observation of the later co-productions with Richter. 35 The images are back-to-back, beginning part 3 of the German edition, Kluge/Richter, December, pp. 64–65. 36 Gerhard Richter, Wald, Cologne 2008.
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Figure 3. Alexander Kluge/Gerhard Richter, Nachrichten von ruhigen Momenten, p. 63.
multiple archaeological layerings from occupations past, awaits yet another reconstruction. The unhinged trees in the forest landscape are rendered as what Richter calls »abstract images« not naturalistic representations. For these great
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artists, Artificiality, second-order observations and interventions are the way lived experience works or, better, is worked-over. Taken up with a certain ethos, lived time, afterlives and roads taken and not taken can lead us somewhere.
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Fährtenleser des organisierten Unglücks. Alexander Kluges »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter« im Literaturunterricht »Ich glaube, dass die Realitäten sich alle selbst erzählen und dass unsere Texte Spiegelbilder oder Raster dieser wirklichen Erzählung sein können.«1 Alexander Kluge
In diesem Beitrag sollen Überlegungen angestellt werden, weshalb und unter welchen Voraussetzungen Alexander Kluges Erzählungen »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter« im Literaturunterricht der Oberstufe behandelt werden können. Diese 48 Geschichten für Fritz Bauer kreisen zum einen um die Logik und Ablaufketten der Verbrechen des Dritten Reiches sowie um die Bedeutsamkeit aufrechtzuerhaltender Tugenden in Zeiten eines schier unbezwingbar übermächtigen Bösen. Die im Schnitt nur ein bis zwei Seiten langen Episoden handeln allerdings nicht unmittelbar von der Person des humanistisch-antifaschistischen Generalstaatsanwalts, der in der bundesdeutschen Nachkriegsjustiz eine rühmliche und außerordentliche Demokratieinstanz war. Die von ihm initiierten Frankfurter Auschwitz-Prozesse (1963–1965, 1965, 1967–1968) kommen in den Prosaminiaturen thematisch ebenso wenig vor wie der Eichmann-Prozess in Jerusalem (1961). Bauer hatte damals die Information über den getarnten Aufenthalt Eichmanns in Argentinien an den israelischen Geheimdienst weitergegeben, wodurch dessen Festnahme und Überführung nach Israel ermöglicht wurde. Die den Band einleitenden Erinnerungen an die Trauerfeier anlässlich Bauers Tod (1968) liefern eine knappe Skizze der Isolation Bauers in der Kältezone einer anti-antifaschistischen Justiz und Verwaltung der 50er und 60er Jahre. Auch wenn nicht von Fritz Bauer unmittelbar erzählt wird, so ist er dennoch durch seine Sichtweise auf die anhaltende Virulenz der Vergangenheit und die hieraus folgenden Aufgaben für die Gegenwart permanent präsent. In der abschließenden »Widmung« verdichtet Kluge diese Überlegungen sodann zu einem
1 »Alexander Kluges Erzählungen im Unterricht. Jens Birkmeyer im Gespräch mit Alexander Kluge«, in: Der Deutschunterricht 3 (2012), S. 10–15, hier S. 13.
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Substrat, das die innere Logik und Choreographie dieses Erzählbandes markiert: »Monströse Verbrechen haben die Eigenschaft, sagte Fritz Bauer, dass sie, sobald sie in die Welt treten, für ihre Wiederholung sorgen. Es ist wichtig, meinte er, in ihrer Beobachtung und der Erinnerung nicht zu erlahmen. Es gibt nämlich ›gespenstische Fernwirkungen‹ und ›nicht-kausale Netze‹ zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen den Attraktoren des Bösen und uns. Sie dürfen nicht wirkmächtiger werden als unsere Erfahrung.«2
Nimmt man diese Überlegungen aus guten Gründen wörtlich, dann schreibt Kluge sowohl gegen den Wiederholungszwang der Barbarei an als auch dafür, den Eigensinn von Erfahrungen gegenüber den Organisationspotentialen und Sogwirkungen des Bösen post festum in Stellung zu bringen. Insofern erinnern diese Geschichten nicht bloß an Vergangenes, sondern wollen den Diagnoseblick für Gefahrenquellen in der Gegenwart mittels einer Verbindung von Vergangenem und Jetzt-Zeit wachhalten und trainieren. Diese Episoden sind so verstanden eine tieffrostige Geschichtssondierung, um einen literarischen Stimulus gegen die Atrophie der unbedingt erforderlichen historisch zugleich informierten wie gesättigten Gegenwartsdiagnostik beizusteuern. Auch wenn in Kluges umfangreichen Erzählsammlungen der letzten zehn Jahre jeweils dutzende Texte zu den Komplexen Nationalsozialismus, Kriegserfahrung, Täter- und Opferlebensläufe verfasst wurden, zu keinem Zeitpunkt standen die Geschehnisse der Shoah selbst im Zentrum.3 Vorwiegend ging es in diesem mäandernden Erzähllabyrinth stets darum, mit analytischem Blick und einer gegen jedes illusionäre Kontinuum gewendeten Poetik der Montage aus Lebensläufen, Katastrophenereignissen, Kriegsepisoden, Bürokratieabläufen, Alltagsunfällen, Gewaltszenarien und scheiternden Liebesversuchen etc. immer wieder die verborgenen Gefühlslagen der Beteiligten und Betroffenen freizulegen und deren gestaute Emotionen, die in den jeweiligen Situationen sich nicht Geltung verschaffen können, herauszupräparieren. Gefahndet wird in einem komplexen Erzähluniversum vor allem nach jenen Konstellationen und Augenblicken, in denen Subjekte nicht nur von den übermächtigen Realitätsmassen der Varianten an Unterdrückung, des Krieges und der Verbrechensorganisation beherrscht werden, sondern auch ihre tatsächlichen Gefühle von ihren Handlungen abgespalten und getrennt werden und auf diese Weise fatale Kältezonen entemotionalisierter Subjektivität entstehen. 2 Alexander Kluge, »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter«, 48 Geschichten für Fritz Bauer, Berlin 2013, S. 113. Im Folgenden wird diese Ausgabe mit der Sigle (WWT) zitiert. 3 Jens Birkmeyer, »Kältezonen aus nächster Nähe. Alexander Kluges neue Erzählungen über Nationalsozialismus und Krieg«, in: Torben Fischer u. a. (Hg.), Der Nationalsozialismus und die Shoah in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Amsterdam 2014, S. 293–312.
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Man kann trotz vieler dunkler Episoden und Schreckensnachrichten in Kluges Texten dennoch von der Annahme ausgehen, dass diese insgesamt keine bilanzierende Gesamtschau einer insgesamt katastrophischen Vergangenheit beabsichtigen. Eher sollen die Texte zum Komplex des Nationalsozialismus offenkundig ganz unterschiedliche Blicke auf disparate Aspekte der Realgeschichte so freilegen, dass immer auch ein Zusammenhang zwischen großer Ereignis- und kleiner Erlebnisgeschichte erkennbar wird.4 Für diesen Zusammenhang ist zunächst der Hinweis darauf von Belang, dass Kluges Miniaturen nicht vom Paradigma eines ästhetischen Darstellungsproblems der Shoah aus konzipiert sind. Es lassen sich insgesamt keine eindeutigen Hinweise für die Annahme finden, die Kurz- und Kürzesterzählungen beabsichtigten in erster Linie, die Verbrechen des Faschismus selbst erzählerisch in Angriff zu nehmen und darstellen zu wollen. Ebenso verfügen die elliptisch kreisenden Erzählungen, die sich erklärtermaßen nicht am Modell des linearen und chronologischen Erzählens des 19. Jahrhunderts ausrichten, über kein thematisch oder motivisch angelegtes Zentrum, das ethische Reflexionen über das Monströse des Geschehenen anstellt. Wohl eher stellt sich die Frage, weshalb gerade der Holocaust keine zentrale Rolle spielt, während dies doch in der Gegenwartsliteratur der letzten Jahre, die sich primär diesem dominanten Motiv der Erinnerungskultur verpflichtet sieht, der Fall ist. Mit einer gewissen Vorsicht soll nun behauptet werden, Kluges Erzählungen über den Nationalsozialismus seien thematisch letztlich keiner Täter-OpferDichotomie verpflichtet, die für die literarischen Erinnerungsperspektiven der letzten Jahre – häufig zudem mit moralischer Aufladung – maßgeblich war. Eher fahnden sie unter dem Aspekt der Pathologien von Subjektivität nach möglichen Auswegen und Umbrüchen dieser Subjektivität, etwa von Akteuren des Krieges, in auswegloser Zeit. Das Erzählvorhaben zielt vielmehr darauf ab, die Konstellationen von blindem, d. h. automatisiertem Handeln und unreflektierten Erlebnissen einerseits und Erfahrungsmöglichkeiten andererseits sichtbar und mitteilbar zu machen. Daher nähert sich Kluge dem Komplex Nationalsozialismus nicht von seinem katastrophischen Ende des Holocaust her, sondern geht stattdessen von einem gigantischen Reservoir an kontingenten Geschichten und Ereigniskonstellationen an den disparaten Rändern der Realgeschichte aus. Die neuen Episoden ohne Trostreserven jedoch setzen einen etwas anderen Akzent. Der eigenartige Buchtitel, ein entlehntes Wutzitat von Bazon Brock aus dem Jahr 1967, geäußert anlässlich des Todes von Siegfried Kracauer und gegen eine kritisierte Ohnmachtskultur gegenüber Verstorbenen gerichtet, lässt sich 4 Jens Birkmeyer, »Kürze als Kritik der Zeit. Verdichtung und Verknappung in Alexander Kluges Erzählungen«, in: Sabine Autsch u. a. (Hg.), Kulturen des Kleinen. Mikroformate in Literatur, Kunst und Medien, Paderborn 2014, S. 101–117.
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zunächst als ein Plädoyer für Nüchternheit im erinnernden, rekonstruierenden und erzählenden Umgang mit der unannehmbaren Vergangenheit verstehen. Doch auf den zweiten Blick lässt es sich auch als implizite Forderung nach einem zu erhellenden Gegenwartsstandpunkt und einer hellwachen Aufmerksamkeit gegenüber den Kontinuitäten des Gewesenen im Gegenwärtigen lesen. Geht es doch in all diesen monströsen Geschichtspartikeln immer auch darum, deren innere Struktur, Logik und Kausalität mit den Gegenwartserfahrungen kurz zu schließen, um in vergangenen Regimemustern (Elitenkorrumpierung, Behördenterror, Solidaritätsverweigerung) auch bedrohliche unvergangene Konstellationen des Gegenwärtigen auszumachen.5 Kluge geht es hier vor allem darum, die Organisationsformen des Unglücks und das unorganisierte Wohlwollen der Menschen zugleich anzusprechen. Seiner nicht optimistischen Weltsicht, jedoch grundsätzlich positiven Anthropologie zufolge treffen in Diktaturen Taten von Minderheiten mit der Schuld der Mehrheit in einem äußerst barbarisch rigiden, durchaus noch brüchigen, niemals vollständig geschlossenen System zusammen. In dieser Haltung steckt ein fundamental antifatalistisches Grundverständnis, denn immer gebe es einen Ausweg, wenn auch keinen garantiert glücklichen.6 So stehen in diesem Band mehrheitlich Geschichten mit einem katastrophischen Ausgang neben wenigen mit einem – wie auch immer motivierten – glücklichen Ausgang.
Perspektiven des Literaturunterrichts Für die schulische Beschäftigung mit diesen Erzählungen sind vorab folgende Sachverhalte zu bedenken: In diesem Geschichtennetz gibt es kein thematisches Zentrum und keinen motivischen Mittelpunkt, da die einzelnen Texte Teil einer konstellativen Choreographie sind und somit Bezüge, Verweise und thematische Gravitationen zu anderen Texten maßgeblich sind. Da diese realistischen Narrative sich lateral von den Rändern her dem in Einzelteile zerlegten »Wirklichkeitsroman« und damit dem Erzählgeschehen nähern.7 Immer koexistierten mehrere Wirklichkeiten real und optional nebeneinander und zur gleichen Zeit, lautet ein poetisch-politischer Grundsatz, den Kluge seit langem verfolgt. Damit 5 Jens Birkmeyer, »Verhinderte Lernprozesse und subjektive Reserve. Alexander Kluges Erzählungen im Unterricht«, in: Der Deutschunterricht 3 (2012), S. 26–35. 6 Jens Birkmeyer, »Das Gedächtnis der Emotionen. Alexander Kluges Chronik der Gefühle als verborgene Erinnerungstheorie«, in: Gedächtnis und kultureller Wandel. Erinnerndes Schreiben – Perspektiven und Kontroversen, Judith Klinger/Gerhard Wolf (Hg.), Berlin 2009, S. 257–276. 7 Vgl. Alexander Kluge, Theorie der Erzählung. Frankfurter Poetikvorlesungen, Berlin 2013; Alexander Kluge, Personen und Reden, Berlin 2012.
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sind sowohl die Parallelwelten gemeint, die nur durch Montagen erzählt werden können, als auch die vernachlässigten Möglichkeiten, die ebenso Wirklichkeit ausmachen. Konjunktive einer möglichen Wirklichkeit existieren wie Heterotopien Tür an Tür direkt neben der Wirklichkeit selbst. Danach zu fahnden und zu ermitteln, diese Augenblicke der verpassten Möglichkeiten ebenso zu erfassen wie die Wirkungen von Gefühlen und erkalteten Entscheidungen in einer aufgezwungenen Wirklichkeit, bestimmt die Tragweite dieses dokufiktionalen Realismus. Für die Lehrer hieße das auch, mögliche Schwierigkeiten im Umgang mit diesem Textuniversum, zunächst nicht vorschnell in den Mittelpunkt der Beschäftigung zu stellen. Wichtiger ist es hingegen, bereit zu sein, etwas Ungewohntes überhaupt aufnehmen zu wollen und auf dessen genuine Wirkung zu vertrauen. Der Literaturunterricht wäre gut beraten, diese Texte als Terrain zu offerieren, auf dem der möglicherweise zunächst desorientierte Leser und Zuschauer einem poetischen Material begegnet, das ihn zu Genauigkeitsübungen veranlassen kann. Genaues Lesen und präzises Sehen sind die Tugenden, von denen auszugehen wäre und die mit Kluges Material einzuüben sind, währenddessen es nicht ratsam ist, sich vorschnell in Deutungsprobleme einzelner Passagen zu verstricken. Stattdessen käme es bei literarischer Kurzprosa dieser Art darauf an, die jeweiligen Kerne in einer kasuistischen Lektüre so freizulegen, dass jeweils die Grunderfahrungen, Grundmuster und Grundüberzeugungen der Sequenzen sichtbar werden und formuliert werden können. Kluges Texte müssen demzufolge gar nicht isoliert interpretiert werden, sondern als eine Art Brennglas aufgefasst werden, denn wer sich auf Texte von Alexander Kluge einlässt, bewegt sich in aller Regel entlang einer fragilen Trennlinie zwischen historischen Fakten und narrativer Fiktionalisierung. Hier gehen Facts & Fakes ein Mischverhältnis ein, ohne jedoch selbst literarisierte Geschichtsschreibung zu werden. Ein Literaturunterricht, der dieser Intuition folgt, zielt in besonderem Maße darauf ab, Fragen aufzufinden, zu erfinden, zu formulieren und zu beantworten, nicht allein, um Antworten, welcher Art auch immer, zu generieren, sondern vor allem um abermals Fragen hervorzubringen. Erst wenn die Welt als eine zu erfragende Sphäre gedacht wird und denkend auch so ihr gegenüber sich verhalten wird, erst dann erhalten Fragen einen hinreichenden Eigenwert. Ein frageorientierter Literaturunterricht meint hier eine Lernumgebung, in der kontinuierlich gehaltvolle und verunsichernde Frageperspektiven an die Texte herangetragen werden. Entscheidend dürfte es sein, zugleich inspirierende und irritierende frageorientierte Denk- und Lesehaltungen systematisch einzuüben. Der fragende Literaturunterricht will primär dabei helfen, die Weltbezüge metaphorisierend herzustellen und vor allem die kontrafaktisch gedachte Welt der Literatur mit Literatur komplizierter zu machen als sie mitunter jeweils er-
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scheint.8 Dadurch erst kommen für den Leser gezielt die unrealisierten Möglichkeiten und unerfüllten Wünsche paralleler Wirklichkeiten ins Spiel. Literatur kann im Unterricht wie ein Ensemble von Antworten gelesen werden, deren Fragen immer erst noch gefunden und formuliert werden müssen. Erzählungen wären daher als erklärungsbedürftiges Phänomen nicht so zu behandeln, als seien sie vor allem ein Symptom, das Fragen stelle, auf die im Akt einer im Unterricht stets ungeklärten Interpretationsbewegung Antworten zu finden seien. Wer Fragen zu Texten (er)findet, vermag deren Latenz explizit zu machen, und diese Denkfigur ist nicht identisch mit jener, die Antworten auf Fragen gibt, die vermeintlich der Text stellt. Texte sind eher Antworten, deren implizite Fragen suchend rekonstruiert und explizit gemacht werden müssen, denn Literatur stimuliert stets auch ein Ahnungsvermögen für Möglichkeiten.9 Das lässt sich besonders an der chronistischen Literatur Alexander Kluges über die Subjektreserven des zugleich überforderten und unterschätzten Menschen erlernen und erproben. Zu bemerken wäre hier also die grundsätzliche ethische Dimension dieses Erzählvorgangs selbst gegenüber der moralischen Zurückhaltung des Erzählers in der einzelnen Erzählung. Erst wenn anhand dieser Texte über Krieg, Verbrechen und Grausamkeiten noch mehr gesehen wird als das jeweils Faktische, kann sich sodann auch ein Ahnungshorizont öffnen für weiterführende relevante Zukunftsfragen, die bereits in dieser realistisch-antirealistischen Literatur kontrafaktisch angelegt sind. Folgt man hierbei Kluges eigenen Anmerkungen zum schulischen Umgang mit seinen Texten10, so ergeben sich diese didaktisch gehaltvollen Perspektiven, die es hinsichtlich der hier zu skizzierenden Lektüre durchaus erlauben, gleichermaßen Lernhorizonte zu erschließen und die Relevanz der Texte zu begründen. Kluge hält seine Texte grundsätzlich »nicht für unzugänglicher als die wirklichen Verhältnisse, wenn man sie ohne den Mantel des Gewohnheitsblicks betrachtet. Man sollte also zunächst weder bei der Realität noch bei literarischen Texten pädagogisieren. Also keine Erleichterung, kein Rabatt.«11 Folgende drei Unterscheidungen sind hierbei maßgeblich, die keine vom Textgegenstand unabhängige pädagogisch gedachte Didaktik skizzieren, sondern der Kompositionslogik der Erzählungen und der Schreibform Kluges selbst 8 Vgl. Jens Birkmeyer, »Was sind gute Lernaufgaben? Die verborgene Relevanz von Fragen im Literaturunterricht«, in: Volker Frederking u. a. (Hg.): Taschenbuch des Deutschunterrichts, Bd. 3: Aktuelle Fragen der Deutschdidaktik, Baltmannsweiler 2013, S. 757–778. 9 Jens Birkmeyer, »Kritik als Möglichkeitsform. Literaturstudium und Deutschlehrerbildung«, in: Jens Birkmeyer/Constanze Spieß (Hg.): Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes. Kritik und Wissen – Probleme germanistischer Deutschlehrer/-innenausbildung 2 (2014), S. 120–131. 10 Kluge, »Alexander Kluges Erzählungen im Unterricht«, S. 10–15. 11 Ebd., S. 10.
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folgen und auf diese Weise sowohl einen Lesekontakt skizzieren als auch Lernhorizont eröffnen, wie in einer schulischen Lektüre sinnvollerweise und dem Textmaterial angemessen vorgegangen werden könne: Es ist (1) von der Autonomie des Schülers auszugehen, d. h. von seinem Interesse, von seiner Neugier und seiner Suchbewegung, wenn er mit seiner Lektüre die Fährte aufnimmt. Hierzu sind in einer puristischen Lektüre die einzelnen Sätze minimalistisch emotional- empathisch zu lesen und wörtlich zu nehmen. Es gelte nun, diese Sätze wirken zu lassen und sodann weitergehend deren Wirkungen zu verfolgen, um Subtexte sichtbar werden zu lassen. Kurze Texte sollten (2) als Attraktoren am besten mit kurzen Texten in Verbindung gebracht werden, um vor allem Kontexte zwischen den Texten und Subtexte als gemeinsame Referenzbezüge ausbilden zu können. Wenn der Subtext wirkt, können die subjektiven Anteile des Textes sichtbar werden und mit den subjektiven Anteilen des Lesers in Kontakt treten. Texte sind Werkzeuge, Navigationsinstrumente, Magnete, um in sich nach Erfahrungen zu suchen und anzusprechen, gibt es doch einen Überschuss an Meinungen und ein Unterquantum an Unterscheidungsvermögen. Schüler sollten (3) zudem zu diesen Texten selbst Reihen von Resonanzerzählungen schreiben, um als Lehrer ihrer selbst tätig zu werden und das Subjektive und das Objektive, die zwei Welten, in denen Menschen zugleich leben, zu verknüpfen. Hierbei kann der Gefühlsstrom in den Erzählungen und in der Lektüre selbst Unterscheidungen vornehmen, um einen subjektiv-objektiven Wirklichkeitsbezug herauszubilden. Da in dieser Literatur Sätze montiert und gegeneinander gestellt sind, wirken sie mimetisch. Auf diese Weise ordnet Literatur subjektive Verwirrung und stellt das authentische Sinnliche wieder her. Insgesamt müsste es im Literaturunterricht darum gehen, nicht daran zu verzweifeln, die historische Fakten- und Quellenlage nicht ohne weiteres von der Fiktionalität der Episoden unterscheiden zu können bzw. Zuordnungen vornehmen zu können. Vielmehr kann es produktiv und weiterführend sein, zu diesen wuchtigen Katastrophenmeldungen Konstellationen herzustellen. Das bedeutet zum einen, die Lektüre nicht diffus sinndeutend vorzunehmen, sondern vorrangig eigene Erfahrungen, Beobachtungen und Assoziationen mit dieser Fernwelt so in Verbindung zu bringen, dass eine Lektüre befördert wird, die darauf abzielt, Konstellationen herzustellen und nicht hilflos darauf angewiesen ist, eine punktuelle Verlegenheitshermeutik zu praktizieren.12 Eine solche Bewegung hat zwei Richtungen: zur Vergangenheit hin – Erfahrungen der eigenen Jetzt-Zeit in den Abgrund der Geschichte halten – und von 12 Jens Birkmeyer, »Macht das denn Sinn? Metaphorische Fragestellungen im Literaturunterricht«, in: Ulrich Gebhard (Hg.), Sinn im Dialog. Zur Möglichkeit sinnkonstituierender Lernprozesse im Fachunterricht, Heidelberg 2014, S. 33–50.
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der Vergangenheit ausgehend – Megaverbrechen auf jene Organisationsformen zurückführen, die Menschen vernichten (z. B. Versagen der Eliten, organisierter böser Wille von Behörden, Seltenheit von Solidarität und Rettung). Zum anderen lernen Schüler ein kalkuliert realistisches Erzählkonzept kennen, das in der deutschen Gegenwartskurzprosa auch hinsichtlich der NS- und Holocaustthematik eine Sonderstellung einnimmt. Die antirhetorische und stilistisch minimalistische Prosa verbleibt so nahe an den herangezogenen historischen Quellen, von denen sie ausgehen, dass es in der schulischen Lektüre nicht primär um deren ästhetische Machart gehen kann (Reduktion, Fokussierung, Lakonie, Unmittelbarkeit), sondern eher darum, ausgehend von den Konzentraten dieser kasuistischen Minimalepisoden eine Spurensuche nach der Logik des Verbrechens und der Kontingenz der Rettungen vorzunehmen.13 Eher sind die Erzählungen als Material zur rationalen Navigation über den Holocaust zu lesen, denn als ästhetische Gegenstände, die es sinndeutend zu dechiffrieren gilt. Die einzelne Erzählung, meist nicht mehr umfassend als eine knappe Realepisode, bietet weder hinsichtlich des präsentierten Stoffes noch hinsichtlich seiner ästhetischen Bearbeitung einen außergewöhnlichen Blick auf die monströsen Vorkommnisse. Ihr besonderer Wert besteht eher darin, die stoffliche Seite des Geschehens dermaßen radikal zu verknappen, verdichten und zu fokussieren, dass es dem Leser möglich wird, das Unfassbare nicht seiner Totalität zu fassen, aber punktuell zu beobachten. Eine solche Beobachtung erlaubt es dann auch, anhand dieser völlig empathiefreien Prosaminiaturen gleichermaßen die interne Geschehenslogik und Ereigniskontingenz verstehend nachzuvollziehen sowie Bausteine des Genozids kennen zu lernen und zu unterscheiden. Nach thematischen Motivgruppen geordnet können Episoden, die für die Schullektüre eines Oberstufenkurses besonders relevant sind, folgendermaßen eingeteilt werden: 1) Logik der Vernichtung (WWT 16, 25, 27, 84, 85, 98, 100) 2) Gewalt der Bürokratie (WWT 34, 35, 78, 83) 3) Organisation des bösen Willens und Folgen durch Überforderung (WWT 43, 49, 58, 59) 4) Bedingungen der Möglichkeiten von Moral (WWT 105, 107, 109)
13 Wolfgang Reichmann, »›Attraktoren des Bösen‹. Zu Alexander Kluges Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter«, in: Richard Langston u. a. (Hg.), Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1: Vermischte Nachrichten, Göttingen 2014, S. 193–202; Reichmann führt hier folgende Titel an: Saul Friedländer, Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden. Zweiter Band. 1939–1945, München 2006; Götz Aly u. a. (Hg.), Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. Bd. 1, München 2008; Susanne Heim u. a. (Hg.), Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. Bd. 7, München 2011.
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Perspektiven der Erzählweise Bereits in der ersten Erzählung »Durch ungewöhnlichen Zufall in Luft aufgelöst wie ein Gas« (WWT 13–15) prallen ausweglose Vernichtung und zufälliges Entkommen hart und unvermittelt aufeinander. Keine Erzählstimme dämpft diese Wucht, bettet sie in eine gefühlsmoralische Haltung ein oder führt die erbarmungslosen Tatsachen in ein wie auch immer angelegtes sinnsuchendes bzw. sinnstiftendes Narrativ über : »Zu dem Zeitpunkt, an dem der Vorfall auf Bahnhof Flörsheim endgültig ermittelt worden war, konnten nur noch 18 der Ausgeladenen aufgegriffen werden, die noch im Bahnhofsrestaurant an ihr Glück geglaubt hatten. In Auschwitz wurden sie umgebracht. Der Rest, also die überwiegende Anzahl, war ›dissipiert‹ (in den zahllosen im Durchschnitt der Verhältnisse nicht repräsentierten Kanälen, Wegen und Auswegen des Terrorsystems, das sich für wenige Tage konfus zeigte, versickert). Einige kamen bis in die Vorstädte von Lyon. Andere verbargen sich in Nordfrankreich (ohne Papiere, ohne Kontakt zu den französischen Behörden, welche sie aus gutem Grund mieden).« (WWT 14–15).
Das Erzählen ist hier bis zu einem bloßen Berichten zurückgenommen, dessen Erzählstimme zugleich das Faktische betont nüchtern präsentiert und die eigene Teilnahmslosigkeit demonstrativ ausstellt. In hermeneutischer Hinsicht ist dieser Passus unbedeutend und muss nicht gedeutet werden, sondern die Diegese selbst will in funktionaler Hinsicht als eine ethische Haltung kalter Genauigkeit ohne Einfühlung verstanden sein. Diese lakonische Erzählform speist sich aus dem Gefühl, monströser Kälte nicht mit subjektiver Wärme begegnen zu wollen, sondern mit Einsicht in deren Ursache, Logik und Zwangsläufigkeit. Mit dieser extrem kalkulierten kalten Sachlichkeit, die der Mimesis ans Dokumentarisch-Historische folgt und jede empathische Beurteilung suspendiert, korrespondiert die Erzählstimme, die sich nur kurz, fast unmerklich zu erkennen gibt, um eine abstrahierende Verallgemeinerung der Verwaltungsvorgänge als Erinnerungsvorgänge in aufklärerischer Absicht einzustreuen: »Inzwischen war dieser Transport von Frankreich nach Südpolen (Auschwitz) nicht ›vergessen‹ worden. Verwaltungsvorgänge können ihrer Erinnerungsfähigkeit nicht abschwören, solange es Akten gibt. Die Nachforschungen führten jedoch stets nur zu den aus dem umdisponierten Zug ausgeladenen Geräten und Maschinen, nicht zu den in einer ganz anderen Hierarchie registrierten aus dem Zug geladenen Personen. So verzögerte sich längere Zeit die Wahrnehmung im Reichssicherheitshauptamt, auf welche Weise die 977 verhafteten Juden nicht nach Auschwitz gelangt waren. Es kam hinzu, daß die zuständigen Verantwortlichen sich in dieser Phase des Vernichtungsprojekts viel auf Reisen befanden. Jede Ermittlung in dieser Sache hatte eine Zuständigkeitsgrenze zu überwinden.« (WWT 14).
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Didaktisch gehaltvoll wäre es nun, dieser eingestreuten Erzählerreflexion – »Verwaltungsvorgänge können ihrer Erinnerungsfähigkeit nicht abschwören, solange es Akten gibt« – als Leser unmittelbar zu folgen und eine generalisierende, weiterführende und vor allem metaphorisch tragfähige Frageperspektive zu eröffnen, die es erlaubt, weitere Texte Kluges aus diesem Themenfeld heranzuziehen, anzuschließen und deren Verzweigungen fragend zu folgen: Kann Verwaltung als Stahlgehäuse ein verdeckter Gewaltzustand sein? Ist Verwaltung ein Aggregatzustand gesellschaftlicher Kälte? Organisiert Verwaltung das Unglück von Menschen, weil diese sich politisch nicht selbst verwalten? Resultiert die maßlose Macht der Verwaltung aus der Selbstentmachtung der Menschen, die keine Beziehungsmaße finden? Die einzelnen Episoden sind zwar ihrem Ausdruck nach autonom, doch erst wenn die partikularen und montageartig nebeneinander stehenden Einheiten durch den Leser in eine Konstellation gesetzt werden, kann aus der disparaten Kontingenz ein wirklicher Zusammenhang divergierender Perspektiven ersichtlich werden. Verklammert sind diese durch eine Erzählhaltung maximaler Authentizität und stofflicher Nähe, nicht jedoch durch eine moralisch-psychologische Haltung einer Erzählerfigur. Es ist gerade die abwesende Emotionalität von antihumanen Verwaltungsvorgängen, die den Leser zu irritieren und zu verstören mag, so dass die brachiale Gefühlskälte der Wirklichkeit selbst ersichtlich wird. Diese kontrastiv-konstruierte Erzählmethode lässt die unterschiedlichen harten Realitäten nebeneinander bestehen und unvermittelt aufeinanderprallen. So stehen etwa die Episoden »Aus Verwaltungsgründen: keine Ausnahme« (WWT 83) und »Wechsel der Wachen. Liquidierung einer überholten Planung« (WWT 34) in keiner chronologischen Beziehung zueinander, jedoch korrespondieren sie über das Motivspektrum totaler Amoralität und maximaler Verwaltungsrigidität, denn es geht hier um die Vermeidung von Präzedenzfällen und um die bedingungslose Liquidierung von Menschen. Doch nicht der Tötungsfuror der Nazis an sich dürfte für heutige Schüler bei der Lektüre von herausragender Bedeutung sein. Kluges Erzählungen machen eher die Erbarmungslosigkeit der Entscheidungsketten und die unfassbare Bedingungslosigkeit der Handlungen sichtbar. Insofern enthalten die Prosastücke erst auf den zweiten Blick den gesammelten Protest gegen eine objektive Realität, die Gefühle, Erfahrungen und Wünsche von Subjekten entwertet, übergeht und vernichtet. In seiner Laudatio zum Heine-Preis 2014 verwendet Anselm Kiefer daher die Metapher »Teilchenbeschleuniger«, um Kluges Verfahren zu kennzeichnen: »Du erzählst nicht in sich stimmige Geschichten, sondern pickst aus der Welt der Geschichte, aus dem Wust von scheinbaren und wirklichen Fakten, ein Teilchen heraus,
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das dann wie ein Kristallgitter funktioniert, um das herum sich dann ein ganz anderer kunstvoller Zusammenhang herauskristallisiert.«14
Ein weiteres Teilchen aus dem Organigramm der Terrorverwaltung ist die Geschichte »Verwaltete Grausamkeit« (WWT 78–82). Anhand der ergebnislosen Ermittlungen im Jahr 1941 zu einem Attentat an einem Nazifunktionär im besetzten Frankreich wird die Entscheidungslogik der Militäradministration detailliert rekonstruiert, um die erzählte dokumentarische Recherche des Falles aus der distanzierten Berichtssphäre zu dieser analytischen Konklusion zu führen: »Einem Poeten, ausgeliehen an die Abteilung Abwehr des deutschen Oberbefehlshabers in Frankreich, verdanken wir den genauen Bericht über die Praxis der Geiselerschießungen und Repressalien. Ein Stück lateinischer Jurisprudenz (auf französischer Seite) und ein Stück barbarischen Rechts (wie im Sachsenspiegel) begegnen sich auf dem engen Korridor, der Massenmord und Kriegsrecht verbindet. Das Prinzip der Repressalien ist definiert seit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und kodifiziert in der Landkriegsordnung von 1907. Es ist ein Produkt ›verwaltender Ratio‹. Behörden, in denen sich der Volkswille verfangen hat und denen (bei hoher Konzentration auf allen Seiten) die Kriegsauslösung anvertraut ist, formen auch die Aktionen, welche die Gegenwehr eines okkupierten Landes lähmen sollen. Die Instrumente haben eine abstrakte Natur. So soll die ›Blutpumpe von Verdun‹ eine unbestimmte Zahl von Willenskräften in ganz Frankreich in einen Kapitulationswillen verwandeln. Die markanteste und auf ihre Abstraktheit hin durchsichtigste Preßmethode sind jedoch die Geiselnahme und die Bestrafung täterloser Attentate durch Massaker. Angenommen, bemerkte der Poet (der in seinem weiteren Bericht die Zusammensetzung der zu erschießenden Geiselgruppen notierte, die zunehmend an den Attentaten kaum beteiligte Gruppen, vor allem Hundertschaften von Juden, einbezog), wir würden auf der Gegenseite führen, wir hätten also (als englischer Feind) die Chance, die Gleichgewichte zwischen Deutschland und Frankreich zu stören, dann wären wir froh, wenn unsere Maßnahmen zu zunehmenden Geiselerschießungen führten. Die Spaltung zwischen Besatzungstruppe und Bevölkerung, die sich aus wechselseitiger Empörung ergibt, wäre durch nichts wieder zu beseitigen.« (WWT 81–82).
Eine solche Reflexion – möglicherweise handelt es sich bei dem erwähnten Poeten um Ernst Jünger – erlaubt es dann auch, die atavistische Prozedur der Barbareiverwaltung, zumindest in dieser juristischen Hinsicht, etwas rationaler als eine Logik der Verwaltungsbarbarei zu fassen und in Fragen dieser Art zu überführen: Enthält Willkür noch ein Maß der Vergeltung? Wodurch vergegenständlicht sich die abstrakte Natur der Behördeninstrumente? Stützt Ver14 Anselm Kiefer, »Alexander, du bist ein Teilchenbeschleuniger« (Laudatio auf Alexander Kluge anlässlich des Heinrich-Heine-Preises 2014), in: Die Welt, 13. 12. 2014, Web-Adresse: www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article135326592/Alexander-du-bist-ein-Teil chenbeschleuniger.html (Stand 08. 06. 2015).
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waltungslogik sich auf eine Menge an Willenskräften? Was befördert wechselseitige Empörung?
Perspektiven der Texterschließung Es gilt in didaktischer Hinsicht, gerade diese Herstellung von thematisch-motivischen Konstellationen divergierender Texte mit divergierenden Perspektiven gegenüber der instrumentellen Festlegung schulischen Lernens auf monistische Kompetenzen einzuüben und den Eigenwert von Literatur mit dem Eigensinn von subjektiven Lesarten zu verbinden und lebendig zu halten. Die hier angedeuteten Frageperspektiven erlauben es, metaphorische Horizonte zu eröffnen, in denen es möglich ist, sachliche Sphären mit empathischen Lektürehaltungen zu verbinden. Wer sich im Schulunterricht auf Texte Kluges einlässt, sollte darum bemüht sein, die Katastrophenkasuistik dieser Prosa mit ihren immanenten Frageperspektiven zu verbinden, statt davon auszugehen, es müsse ein verborgener Sinnbezug sichtbar gemacht werden. Denn der Gestus dieser Genauigkeitsprosa belehrt und erklärt nicht, sondern zeigt auf, verknüpft Spuren und weist auf Konstellationen hin. Kluges punktuelles Erzählen am Rande des Abgrunds als einen Protest gegen die Realität zu fassen, ohne dass dabei explizit in der Form des Protestes erzählt wird, verlangt vom Leser die doppelte Einsicht, dass nämlich weder die Übertreibung des Dokumentarischen allein noch dessen vollständige Ausblendung diesen Protest kennzeichnen, sondern immer nur deren Synthese. Für die Vernichtungsthematik dieser Erzählberichte ergibt sich hieraus eine besondere Schwierigkeit, die Maßverhältnisse und Proportionen zwischen dem Dokumentarischen und dem Empathischen auszumachen. Dies scheint allein dadurch noch möglich zu sein, indem die besondere Erzählhaltung dieser Ausschnitte berücksichtigt wird. Es ist eine Haltung, die darauf angelegt ist, aus dem schier unübersichtlichen Ausmaß an unwirklichen Realitätsmassen knappste Verdichtungen herauszudestillieren.15 In der Miniatur »Erst forschen, dann töten« (WWT 16–17) ist es die zynische Perversion der sog. Rasseforschung, die sich durch die zügige Menschenauslöschung um ihren Forschungsgegenstand betrogen sieht, da »erst die Erforschung dessen, was man tötet, Einblicke in die rechte Art und Weise der Eliminierung« (WWT 17) ergebe:
15 Jens Birkmeyer, »Zeitzonen des Wirklichen. Maßgebliche Momente in Alexander Kluges Erzählsammlung Dezember«, in: TEXT+KRITIK. Zeitschrift für Literatur. Alexander Kluge 85/86 (2011), S. 66–75.
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»Die Forscherinnen legten Einspruch bei der vorgesetzten Stelle in Lemberg gegen die Weiterführung der Umsiedlungs- und Vernichtungsmaßnahmen ein, wie sie ›direkt neben und unter Beeinträchtigung ihrer Forschungsarbeit stattfanden‹. Sie begründeten die Beschwerde folgendermaßen: Es sei bisher nicht erforscht, welche Auswirkung Umsiedlung in unwirtliche Gebiete und Dezimierung einer Bevölkerung haben würden. Ertüchtigung unter Extrembedingungen, also Selektion (das zeige ja die Tabelle Nr. 15 ›Erfolg nach Auswanderung in die USA‹), könne Eigenschaften hervorbringen, die einen leicht unterwerfbaren Feind zu einem nur schwer überwindlichen machten. Hierzu hatten sie die Weltgeschichte exzerpiert und auf einer Tabelle dargestellt (Nr. 23). Das von ihnen entdeckte ›anthropologische Wunder‹ sei überdies durch zwei ganz unterschiedliche Charaktere gekennzeichnet: erstens durch eine offensichtliche Homogenität der Abstammung, die bis Mesopotamien zurückreiche (Blutvergleich); zweitens durch sprachliche Mischungsverhältnisse. Dieses deute darauf hin, daß Angehörige der untersuchten Gruppe in den vergangenen tausend Jahren im nahen Kontakt mit sehr unterschiedlichen gesellschaftlich-anthropologischen Strukturen gelebt hätten und so quasi kulturell vielsprachige Lebewesen seien, was (wenn eine solche Gruppe als Feind aufzufassen sei) sich als Vorteil für diesen Gegner und als ein Nachteil für das Reich erweisen würde.« (WWT 16–17).
Den Blick frei zu machen auf die Bestialität, ohne ein Wort des Trostes, des Protestes oder des Mitleids, sondern mit der antirhetorischen Diktion der exemplarischen Benennung und der nahezu buchhalterischen Disziplin und Exaktheit, kennzeichnet hier die Haltung des Erzählvorgangs. Dieser Haltung geht es offenkundig darum, nüchternste Erzählkerne aus dem unfasslichen Lavastrom der Ereignisse herauszubrechen. Eine Grundfrage zu dieser Geschichte wäre etwa: Ist Forschung über Menschen, um sie zu vernichten, ein Mythos gegen Menschen? Erkundet Rassekunde eher die Innenwelt der Mörder als eine halluzinierte Außenwelt? Zu dieser Erzählhaltung gehört auch, die monströse Absurdität solcher ideologischen Halluzinationen des 3. Reiches mit dem faktischen Kalkül der Verbrechensorganisation in Verbindung zu setzen, so dass die unvermeidliche Gleichzeitigkeit von Wahn und Terror, Phantasma und Vernichtung, Ideologie und Planung sichtbar wird. Die beiden Erzählungen »Entgrenzte Anfänge: Anfertigung einer Kartei« (WWT 25) und »In der Zeit, in der noch nichts endgültig entschieden war« (WWT 27) führen zurück in die frühe Planungsphase der Wehrfähigkeit jüdischer Männer und deuten einige Verwaltungs- und Entscheidungsschritte an, aus denen dann sukzessive die Holocaustplanung gespeist wird: »Die Ausdrucksweise des Vermerks, die an die Hauptabteilung ging, mit Durchschlag an die Abteilung I, empfand deren Leiter Dr. Best als ›ungelenk‹. Es schien, daß das Judenreferat sich erst noch einarbeitete. […] Im Jahr 1935, als die Verwaltungsbehörden zur Praxis der Judenverfolgung ihre Auffassungen noch herausbildeten (sie suchten geldwerte Vorteile wahrzunehmen, Devisen zu sichern, Nachteile für das Reich
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aus Anlaß der Verfolgung berechenbar zu halten), lieferte das Reichs- und preußische Ministerium des Inneren durch den Statistiker Dr. Friedrich Burgdörfer eine Vorlage an die Adjutantur der Wehrmacht in der Reichskanzlei zu Händen von Major Hoßbach. Darin waren Schätzungen enthalten über die Zahl wehrfähiger Juden im Reich. Die Vorlage diente der Vorbereitung des Gesetzes über die Wehrpflicht. […] Wenig später wurden in §15 des Wehrpflichtgesetzes Juden und Mischlinge vom Wehrdienst ausgeschlossen.« (WWT 26–28).
Für eine literaturdidaktische Perspektive auf solche Prosa ist von Belang, dass Kluge im Grunde die aberwitzige Wirklichkeit selbst erzählen lassen will und ihr nicht imaginär mit künstlerischer Raffinesse gegenübertritt, wobei es in einem solchen Narrationskonzept vor allem darum zu gehen scheint, diese Wirklichkeitsstimmen so einzufangen, zu strukturieren, zu komprimieren und in Konstellationen zu anderen Texten zu bringen, dass Geschichte in Geschichten erzählbar wird, d. h. Teil des Erzählvermögens und des Erfahrungsraumes heutiger Subjekte werden kann.16 Vom Genozid ist in dieser Hinsicht wie von einem Ermittlungsvorgang aus den Akten des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer die Rede. Die Geschichte »Wie in einer anderen Welt, durch eine unsichtbare Wand vom Übrigen getrennt« handelt von der Deportation griechischer Juden und endet folgendermaßen: »Die Verladung besichtigte ein spanischer Konsul, den der italienische Kollege in Athen alarmiert hatte. Der Diplomat meinte, nicht mehr tun zu können, als sich zu zeigen und den Wachmannschaften gegenüber auszuweisen. Das sollte heißen: ›Die Welt sieht zu, was hier geschieht‹. Den Vollzug der Verladung und die Abfahrt verhinderte das nicht. Die Transportzüge, die auf der schwierigen Strecke auf den zum Teil eingleisigen griechischen Bahnen mit Vorrang abgefertigt wurden, kamen am 16. August in Auschwitz an. Die Gefangenen wurden sogleich in die Gaskammern geführt. 151 der Gefangenen von Rhodos und 12 aus Kos überlebten, weil sie wegen ansteckender Krankheit ausgesondert und auf Bahnstationen zurückgelassen wurden.« (WWT 84).
Es folgt die knappe Episode »Der Pogrom von Ias¸i«: »In der Hauptstadt des einstigen Fürstentums Moldau, das – rückwirkend betrachtet – deswegen nie von der toleranten osmanischen Herrschaft hätte befreit werden dürfen, begannen am 26. Juni 1941, von rumänischen und deutschen Abwehroffizieren angestiftet, ›Vergeltungsschläge‹ gegen die jüdische Bevölkerung. Nach der Mordaktion wurden auf dem Güterbahnhof Waggons zweier dort verfügbarer Transportzüge mit Juden gefüllt, die Türen mit Plomben verschlossen und die Züge auf eine ziellose Fahrt geschickt. Im ersten der Züge lagerten (als er, vom Lokomotivpersonal verlassen, auf offener Strecke stehend aufgefunden wurde), erstickt und verdurstet, 1194 Tote.« (WWT 85). 16 Andreas Sombroek, Eine Poetik des Dazwischen. Zur Intermedialität und Intertextualität bei Alexander Kluge, Bielefeld 2005.
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Der »Bericht eines Abwehroffiziers in Odessa« erzählt aus dessen Perspektive vom Anschlag auf ein deutsches Hauptquartier und dem anschließenden Strafmassaker an den ortsansässigen Juden: »Wenige Minuten nach der Katastrophe standen zwei große Scheinwerfer einer rumänischen Flakartillerie zur Verfügung und beleuchteten die Rettungsarbeiten in der Dämmerung. Am Morgen des 23. Oktober wurden auf einem geräumigen, im Gebiet der Hafenanlage befindlichen Platz, der von einem Bretterzaun eingefaßt war, nach dem Bericht der Truppe Tausende von Juden erschossen. Der Platz hatte die Größe eines Jahrmarktgeländes, es waren sechs deutsche und vier rumänische Pelotons angetreten. Mit Wegräumen der Toten, die als Hügel gestapelt wurden, kostete ›ein Durchgang‹ etwa zwölf Minuten.« (WWT 99).
Darauf folgt unmittelbar »Ein Massaker als Repressalie für ein Attentat in Odessa«: »Wir konnten nicht mit Pak-Geschützen in die Totenberge hineinschießen. Das hätte die Protein-Substanz nur zerkleinert. Mit der versuchten Verbrennung hatte sich die Situation verschlechtert, da man ursprünglich die Leichen noch durch Hilfskräfte abtragen und auf Pferdewagen hätte transportieren können. Mit den durch Brand ›verklebten‹, voneinander nicht mehr recht trennbaren Substanzen war das nicht möglich. Man kann sie nicht portionieren. Schließlich teilten wir das Problem in zwei Hälften: Im östlichen Teil des Platzes ließen wir durch Fuhrwerke Helfer vom Rand her in die Berge eine Schneise hauen. Von dort ließ sich ein gewisser, kleinerer Teil abtragen. Den Rest überdeckten wir durch miteinander verbundene großflächige Planen (ein Einfall der Marineleitung, die in den Tropen ihre Schiffe in solcher Weise abdeckt). So, hofften wir, würde die in unseren Köpfen und in der Erinnerung nicht tilgbare Spur, sich – wenigstens als Objekt der Außenwelt – mit der Zeit auflösen. Das erwies sich allerdings bis zu Odessas Rückeroberung durch die Russen (und damit bis zu meiner Abberufung nach Berlin) nicht als zutreffend.« (WWT 100–101).
Müssen solche drastischen Erzählungen zwangsläufig den Leser erstarren und ratlos zurück lassen? Und wie kann anhand eines solchen Materials noch eine produktive Lektüre für Schüler vorzustellen sein? Kluge, der seine Texte »nicht für unzugänglicher als die wirklichen Verhältnisse [hält], wenn man sie ohne den Mantel des Gewohnheitsblicks betrachtet«, erläutert in einem Gespräch mit mir seine Vorstellungen über Unterricht folgendermaßen: »Also zunächst einmal ist es gut, wenn Sie mit kurzen Texten beginnen und dann dazu anregen, kurze Geschichten mit anderen kurzen Geschichten zu verbinden. Sie entwickeln dann zwei Dinge, nämlich den Kontext, den Zusammenhang und zweitens den Subtext, der die Geschichten in Wirklichkeit bestimmt. Meine Geschichten sind nicht bloß von der Grammatik oder von der Logik geführt oder Sie enthalten Informationen, sondern Sie enthalten auch einen subjektiven Bestandteil, der sozusagen die Form der Geschichten ausmacht, und der wirkt spontan.«17 17 Kluge, »Alexander Kluges Erzählungen im Unterricht«, S. 10.
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Kontext und Subtext zu unterscheiden hieße dann im erzählten Kaleidoskop des Genozid zweierlei: zum einen geht es darum, zu jeder Geschichte weitere Anschlussgeschichten zu finden, die das Wirklichkeitsverhältnis dessen, was so unfassbar erschüttert, komplexer zu verstehen, indem die vielfältige Zusammengesetztheit der Ereignisse erst sukzessive ein Bild entstehen lassen. Der zu ermittelnde Subtext der Wirklichkeit wirft für den Leser u. a. die Fragen danach auf, wie die Organisation des Unglücks überhaupt diesen Verlauf nehmen konnte: Aus welchen Bausteinen setzt sich der willkürliche Massenmord zusammen? Über welche Organisationsgrade und Kooperationsformen verfügt das Böse? Welche Bauformen der Kälte gehen der ausbleibenden Rettung jeweils voraus? Durch welche Maßnahmen und zu welchen Zeitpunkten hätte die Zwangsläufigkeit dieser Katastrophe noch verhindert werden können? Antworten hierauf sind aber nicht durch isolierte Textauslegungen möglich. Nur die äußerst genaue und konnektive Lektüre, die nach weiteren Texten, Quellen und Bezügen fragt, vermag der moralischen Überforderung noch eine Dimension erschließender und weiterführender Beschäftigung entgegenhalten: »Kürze hat ja einen Sog. Wenn irgendetwas in dem Text den jungen Menschen interessiert, der sie liest, dann wird er, gerade weil er eventuell mehr verlangt, weil ihm noch was fehlt, weiter fragen und dann kann er den Text selbst fragen, er kann aber auch Nachbartexte nehmen und er kann sogar springen und wird wieder den Subtext finden, der zu dieser Geschichte gehört. Also die klügste Art eines Lehrers mit diesen Texten im Sinne der Anregung umzugehen wäre, wenn man den Schüler anleitet, einzelne Sätze zu lesen, emotional, also mit Empathie sie auszufüllen und das dann beim nächsten Satz zu machen und beim dritten Satz und beim vierten Satz und dann abzuwarten was kommt.«18
Zu ergänzen ist die Lektürearbeit sinnvollerweise sodann durch Schreibarbeiten, in denen Schüler eigene Erzählungen verfassen und resonanzartig auf gelesene Texte Kluges beziehen können. Schülertexte können sich hierbei ebenso auf historische Quellen und Dokumente beziehen und einem ähnlichen Verdichtungsprinzip wie Kluges Arbeiten folgen, um thematische Felder zu präzisieren oder auszudehnen. Ebenso ist es denkbar, unmittelbare Reaktionen auf gelesene Prosastücke zu verfassen, um mit den Maßen von Subjektivität und Faktizität zu spielen. In jedem Falle geht es stets darum, Schüler nicht in der pädagogischen Beugehaft einer wie auch immer gearteten moralistisch-nationalen Schuldbefangenheit oder erinnerungsrituellen Ratlosigkeit zu hinterlassen.19 Viel entscheidender ist es, Lernchancen und produktive Betätigungen so zu befördern, dass im Hinblick auf die Holocaustthematik unter Erinnerung 18 Ebd. 19 Jens Birkmeyer (Hg.), Holocaust-Literatur und Deutschunterricht. Erinnerungskultur in schulischer Perspektive, Hohengehren 2007.
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immer zuerst eine Reaktualisierung des Vergangenen durch einen gewonnenen Gegenwartsstandpunkt verstanden und eingeübt wird: »Und da sind Sie selber im Grunde wie ein Autor tätig. Wir reden ja hier jetzt von jungen Lesern, das heißt, es werden Schüler der Oberstufe sein, die sich von einem Lehrer beraten lassen und dann ist der Rat der, dass wenn der Schüler selber schreibt, ist es das allerbeste Verhältnis zu meinen Geschichten. Wenn er selber Lehrer ist, ist er besser als Schüler, Schüler sind die besten Lehrer. Wenn Sie ihn anregen, sich selber solche Reihen zu bilden, dann tun Sie etwas Gutes.«20
Dokumentarisch-realistisches Erzählen dieser Provenienz lässt sich als ein Brennglas betrachten, unter dem die Bauformen barbarischer Wirklichkeit ausschnitthaft vergrößert und beobachtet werden können. Dies gilt auch für die Motivfelder der Willenskräfte (WWT 43, 49, 58, 59) und der Reflexionen über Moralität (WWT 105, 107, 109). Besonders die etwas längere Erzählung »Die Ohnmacht eines herkömmlichen Einverständnisses gegenüber Kaltenbrunners Leuten« (WWT 43–48) lenkt den Blick auf die Machtkämpfe und Befugniskonflikte innerhalb des faschistischen Lagers. In dieser Geschichte sind montageartig eine Tosca-Aufführung 1943, ein Konflikt um Deportationsabsichten und den damit einhergehenden Zuständigkeitsdissens unter Nationalsozialisten in Rom sowie ein Tagungsbericht aus unserer Zeit über die Rolle des organisierten Willens für die Organisation von Massenverbrechen: »Wie antwortet man, wurde gefragt, unter heutigen Verhältnissen auf den Beharrungswillen einer kleinen Minderheit, wenn diese sich auf ein zentrales Befehlsnetz beruft? Wie kann sich die Majorität der Kommunizierenden, die doch einem entgegengesetzten Handlungsschema folgen will, die allerdings nicht an die Zentrale, sondern an vorangegangene Traditionen und Trägheiten angeschlossen ist, durchsetzen und ihr zerrissenes Netz flicken? […] Die Mehrheit der Anwesenden gelangte zu dem Eindruck, daß der Fanatismus einer Befehlskette, die mit der Drohung der Isolation sich durchsetzt, nur dadurch zu bekämpfen ist, daß man sie zerstört, bevor sie entsteht.« (WWT 46, 48).
Die Bedeutung solcher Fragestellungen zum Verständnis von Geschichte liegt auf der Hand, und die Relevanz für Gegenwartsfragen ist gleichermaßen unübersehbar. Von hier ausgehend kann ein Gegenwartsstandpunkt der Schüler entwickelt werden, der sowohl darum bemüht ist, ausschnitthaft dem Betriebsgeheimnis der NS-Diktatur auf die Spur zu kommen als auch diagnostisch den Bedrohungen und Gefährdungspotentialen der eigenen Gegenwart gegenüber sensibel zu sein. Der Schüler würde sich Umgang mit dieser Literatur wie ein Fährtenleser betätigen, der die Spuren der Erzeugung von Unglück zu rekonstruieren und differenziert zu lesen lernt. Eine solche symptomale Lektüre20 Ebd., S. 12.
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und Schreibhaltung ist durchaus dem Profiling verwandt und hierzu gehört auch die Klärung von Moralansprüchen und hegemonialer Amoralität. Der Band schließt mit drei Texten zu den Bedingungen der Möglichkeiten von Moral: »Vorrang des Praktischen vor der bloßen Moralität im Verfolgungsfall« (WWT 105–106), »Die Fähigkeit des Golems, die Wahrheit herauszufinden« (WWT 107–108) und »Die Verletzung der Menschenwürde in uns selbst« (WWT 109–111). Im Mittelpunkt stehen hier Überlegungen von Spinoza, des Rabbi Löw und Kant, die besonders um das Zentrum kreisen, ob und wie monströse Unmenschlichkeit überhaupt zu verhindern sei. Während aus kantischer Perspektive – jede Untat gegen die Menschenwürde anderer verletze auch die Würde in uns selbst – die Ernüchterung im Gespräch des protestantischen Pfarrers mit einem jüdischen Gelehrten lautet: »So war die ›Würde in uns selbst‹ in dieser Zeit nicht wiederherzustellen (angesichts des kleinen Arsenals möglicher guter Taten)« (WWT 110) erläutert Spinoza: »Er habe, ergänzte Spinoza, schon Vorratslager von Tugenden gesehen, die den politischen Mord nicht verhindern konnten. Umgekehrt kenne er Vorräte von Irrtümern und einzeln negativ zu beurteilenden Vorsätzen, die gemeinsam und quasi unabsichtlich das öffentliche Wohl, Generosität, überraschende Begnadigung und die Abwesenheit von Mord und Hinrichtung bewirkt hätten. So sei das Gute auch mit den Methoden der Glücksuche und auf Nebenwegen zu versammeln, ohne daß eine Navigation Gottes oder der absichtsvollen Gutartigkeit die Ursache davon sein müsse. Insofern sei Güte eher ein Erfahrungssatz als eine dem Willen offene Chance.« (WWT 105–106).
Sichtweisen dieser Art sind vor dem Hintergrund der strikten Trennung einer Binnen- von jeder Außenmoral und der grundsätzlichen Zerstörung des Geltungsanspruches eines moralischen Universalismus als eines zentralen Betriebsgeheimnisses der nationalsozialistischen Weltkonstruktion zu betrachten. Ansprüche an Ungleichheiten in Extermination überführt und okkasionelle Gewalt planmäßig zu einer systematisch autotelischen Eliminationsgewalt dynamisiert werden, ist die Literatur ein Medium, an dem sich diese ethischen Phänomene beobachten, beschreiben und kommunizieren lassen.21 Die Berechenbarkeit des Handelns der anderen, die auf der Möglichkeit der Perspektivenverschränkung beruht, wird durch die prinzipielle Unberechenbarkeit des Terrors zerstört. Daran lässt sich unter anderem verdeutlichen, was in ethischer Hinsicht Literatur über den Holocaust mit dem jugendlichen Interesse an der eigenen Zukunft verbindet, das sich auf ein Urvertrauen in eine
21 Vgl. Wolfgang Sofsky, Die Ordnung des Terrors: Das Konzentrationslager, Frankfurt a. M. 1993; Jan Philipp Reemtsma, Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg 2008.
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moralisch sicher geglaubte Idealisierung der eigenen Fortexistenz im Sinne der prospektiven ethischen Gewissheit stützt. Wo unser normativ gesättigter Blick heute ethische Grenzen sieht, die realiter permanent überschritten wurden, bestanden für die damaligen Täter überhaupt keine Grenzen, weswegen es stets eine Illusion war zu glauben, der Zivilisationsprozess sei insgesamt stabil und unumkehrbar. Es kommt daher vor allem darauf an, neben dem Blick auf das Grauen die Frage zu schärfen, wie sich überhaupt in modernen Gesellschaften solche gravierenden normativen Verschiebungen etablieren und durchsetzen können. Wer als junger Leser dafür sensibilisiert wurde und an literarischen Texten dieser Art nachvollzogen hat, dass die Fragen nach den Organisationsformen des Unglücks für die conditio humana unhintergehbar zentral sind, der dürfte auch über eine chancenreiche Perspektive verfügen, derart ernüchtert-ernüchternde Erzählungen von Alexander Kluge als einen gehaltvollen Beitrag zur Erkundung der zivilisatorischen Kernfrage aufzunehmen: woran, womit und wodurch lassen sich rechtzeitig Gefahren und Indizien eines drohenden erneuten Zivilisationsbruches erkennen?
REZENSIONEN
Kai Lars Fischer, Geschichtsmontagen. Zum Zusammenhang von Geschichtskonzeptionen und Text-Modell bei Walter Benjamin und Alexander Kluge, Hildesheim: Georg Olms Verlag, 2013. 264 pp. E 38,00 (paper). ISBN: 978-3-487-15014-7.
Kai Lars Fischer’s Geschichtsmontagen. Zum Zusammenhang von Geschichtskonzeptionen und Text-Modell bei Walter Benjamin und Alexander Kluge (2013) departs from a deceptively simple question: How does one write a history? Focusing primarily on the works of Walter Benjamin and Alexander Kluge, Fischer’s study explores the importance of open-ended montage for both authors and their writing and theorizing of history. Structured around close readings of Benjamin’s theory and Kluge’s prose, and with a particular focus on the four iterations of Kluge’s Schlachtbeschreibung, Fischer’s careful analysis argues for montage as a synthesizing force for overcoming the relativism inherent in the conceptual categories of language, genre, and historical evidence. Through this productive power of montage, Fischer argues for the technique »nicht nur als Modus der Darstellung, sondern auch als Ergebnis künstlerischer Produktion und, darüber vermittelt, als Gegenstand theoretischer Reflection…« (71). In their reliance on montage, Fischer argues, both authors share a belief in the status of historical writing as an on-going process. Ultimately, Fischer suggests that Benjamin and Kluge’s use of open-ended montage thus transcends its status as literary technique, and moreover serves as an illustration of their respective theories of conceptualizing history, writing history, and writing about history as continuous tasks. Geschichtsmontagen unfolds over the course of five chapters – the first three chapters being brief theoretical excurses that establish the conceptual groundwork for the project, while the subsequent two chapters provide more substantial investigation of the significance of montage as a history-writing technique in the works of Benjamin and Kluge, respectively. Geschichtsmontagen opens with readings of Gustave Flaubert’s Salammbú (1862) and Nicholson Baker’s cult historical fiction Human Smoke (2008). While the text selection is initially surprising, both case studies – or »Kontroversen« as Fischer titles them – present texts that blur the lines between historiography and literature by recasting and repurposing historical data within fictional narratives. The shock value of these »controversies« propels Fischer’s inquiry into the following two
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chapters, which are devoted to the conceptual and theoretical histories of historiography as a genre and montage as a technique, respectively. These introductory »controversies« provide the reader with a concrete illustration of Fischer’s aims in this opening discussion of key concepts; by illuminating the semantic field in which his study operates, Fischer challenges and problematizes the reader’s conceptions of »history«, »fiction«, and »narration«, and opens up his operating concepts such that they, »…eher dazu geeignet [sind], die Kontingenz des historischen Ablaufs präsent zu halten« (42). The fourth chapter wrestles with the essays of Walter Benjamin. Particular attention is paid here to three of his most important canonical texts: »Über den Begriff der Geschichte«, »Der Erzähler. Betrachtungen zum Werk Michail Lesskows«, and »Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit«. Fischer delivers careful and lucid readings that, on the one hand, establish an additional set of key terms intended to forge parallels to his later discussion of Kluge. On the other hand, his engagement with Benjamin’s essay compellingly argues for the significance of open-ended montage as a literary technique that enables Benjamin to overcome the crises of communication and narration that beset literature in the early twentieth century. Just as Fischer liberates concepts in his theoretical introduction, so, too, does his analysis of Benjamin argue for open-ended montage as a self-reflexive technical method for liberating alienated authors, like Bertolt Brecht, from the narrative challenges of modernity : »… weil sie [Brechts und Benjamins Veränderung] den Aspekt der Technik ernst nimmt und versucht als Element der eigenen kritischen Arbeit zu berücksichtigen…« (106). Fischer asserts that for Benjamin montage corresponds to a transformed relationship between author and text, as well as author and reality. And while the author of montage is ultimately unable to reclaim the status of Benjamin’s original storyteller, Fischer documents Benjamin’s faith in this literary technique as a method for restoring the role of the storyteller as the collector of historical impressions. Building on the significance of open-ended montage for Benjamin, Fischer then sets out to demonstrate the relationship between storytelling and montage in the vast works of Alexander Kluge in the final chapter of his study. In this final case study, Fischer brackets his inquiry to the four revised editions of Kluge’s Schlachtbeschreibung, citing the text’s singular status in Kluge’s oeuvre as, »… exemplarisch, da sich an den Änderungen, die die einzelnen Textfassungen deutlich kennzeichnen, die Entwicklung des Schriftstellers Alexander Kluge ablesen lässt« (241). It is in this longest chapter where Fischer’s study makes its most significant impact. A skilled close reader attentive to detail, Fischer convincingly dissects each rendition of Kluge’s text, tracking changes in form and content, foreword and epilog, mode of description, and tone. By highlighting the constantly shifting nature of what essentially remains the same text, Fischer
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portrays Schlachtbeschreibung as a text completely reliant on open-ended montage. He reads Kluge’s constant revisions of the text as at once emblematic of the continually evolving societal relationship to a historical event, but also as evidence of the failed attempts to faithfully represent the experience of Stalingrad in history or literature, with each subsequent iteration of the text presenting an increasingly unrecognizable account of the battle. Fischer convincingly marshals his readings of Kluge’s Schlachtbeschreibung as evidence of the author’s own conviction that negotiating, experiencing, and therefore writing history must be viewed as on-going, open-ended processes. Structuring his readings of Schlachtbeschreibung around questions of genre and the conceptual viability of history as reflected in Kluge’s text, Fischer places Geschichtsmontagen in dialog with early German-language scholarship on the topic. Drawing on prior readings of Schlachtbeschreibung from Carp, Bosse, and Müller-Michaels, Fischer’s study tracks close to Kluge’s original text, successively refuting readings of Schlachtbeschreibung as an example of a historical novel on the one hand, and as an example of a historiographical study on the other. Rather, Fischer argues that Kluge’s deployment of montage is the key characteristic that prevents the assignment of historical genre to Schlachtbeschreibung, and instead embraces Reemtsma’s assessment of a »Gattung Kluge« (147). Via Schulte, Fischer also alludes to problems of historical ordering, historical connections, and the analytical responsibility Kluge places on his readers. This premise has attracted significant attention in English-language scholarship on Schlachtbeschreibung, for instance in the works of Forrest and Langston, though it remains outside the scope of Fischer’s inquiry. Further, Fischer’s focus on problems of historical writing as process enhances his textbased claims on the importance of montage technique in Schlachtbeschreibung. Curiously enough, Geschichstmontagen refrains from dialoging with the substantial body of English-language Kluge scholarship interested in the importance of history as a theme or montage as a technique across the broader spectrum of Kluge’s works. Given his concern with textual analysis, Fischer’s close readings of Kluge’s prose, particularly those that dissect the author’s montage, yield the most powerful insights in Geschichtsmontagen. The study’s reliance on close reading – its primary analytical method – reveals both the semantic depth of Kluge’s montage and the necessity of careful, synthetic reading strategies that the texts’ montages demand from their audiences. Consider, for example, Fischer’s dissection of Kluge’s title, Schlachtbeschreibung, into the components »Schlacht« and »Beschreibung«. Fischer scrutinizes the significance of »Schlacht« as a signifier of a temporality, the ugliness of war, and the violence of montage, whereas »Beschreibung« portrays for him not only duration and cohesion, but also detachment. On the linguistic level, Fischer identifies the elemental con-
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tradictions at work in open-ended montage by exposing how the work’s very title is at odds with itself. Equally fascinating is Fischer’s successive, brief case studies found in chapter three: »Borges als Leser von Kafka«, »Stefan Zweig als Leser von Charles Dickens«, and »Eisenstein als Leser von Stefan Zweig und Charles Dickens«. Illustrative of the difficulties of writing and receiving history, Fischer cleverly links the responses of the »reading« artists to the texts of their respective authors in order to demonstrate how historical, aesthetic, and ideological preconceptions shape our encounters with works of art. By pointing to the embeddedness of these »reading« artists in the political, cultural, and aesthetic traditions of their respective historical moments, and by illustrating the impact of this historical embeddedness on their reception of their respective authors – for instance, the impact of photography on Zweig’s reading of Dickens – Fischer convincingly demonstrates the influence of historical experience on interpretation. While Fischer could have ostensibly relied on literary theory in order to make these same points, his lucid and eye-opening case studies dig into the material itself to demonstrate the historically variable conception of literary form. Geschichtsmontagen is an engaging and thorough study of the role of openended montage as a tool for writing history, and moreover, a revelation of the technique’s centrality to Kluge’s Schlachtbeschreibung. Some readers might, however, have hoped for more. Fischer’s fourth chapter, devoted to Benjamin, largely recapitulates accepted readings. The well-equipped reader, already familiar with the important work by Schulte on Benjamin and Kluge, will thus find in Fischer a confirmation of Benjamin’s central importance to Kluge’s work. On a different note, readers may find Fischer’s attention to the difficulties encountered when seeking universal definitions of concepts like »history«, »narrative«, or »montage« evasive and inconclusive. While these digressions are certainly intriguing, they also slow the development of the main argument and furthermore suggest the intrinsic difficulty, if not futility, of writing history and writing about historical writing. Similarly, it may strike readers that some seemingly crucial connections in Fischer’s text are left underdeveloped. Chapter three, entitled »Montage bei Walter Benjamin und Alexander Kluge«, devotes, for example, only two paragraphs to either author’s use of montage (46–47). This deficit is also evident in the link between the chapters on Benjamin and Kluge, especially as the critical vocabulary developed in the former readings does not strongly subtend the later readings. Nevertheless, Fischer’s text represents a strong dissertation, and proves to be an important query of Benjamin’s and Kluge’s shared investment in montage. As Fischer himself suggests in his concluding comments, Geschichtsmontagen frames itself as a starting point for assessing montage in the works of Kluge and Benjamin, while also inviting similar scholarship on other authors committed to this literary technique. Given
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the enormity of Kluge’s literary output, it is certain that Geschichtsmontagen stands as a valuable contribution for supporting future research. Richard Lambert III University of North Carolina at Chapel Hill & Duke University
Alexander Kluge, L’utopie des sentiments. Essais et histoires de cinéma, textes réunis et présentés par Dario Marchiori, traduits par Christophe Jouanlanne et Vincent Pauval, Lyon: Presses Universitaires de Lyon, 2014. 228 S. 18 E. ISBN: 978-2-7297-0877-1.
Utopisch, aufgeklärt und glücklich Unter dem Titel L’utopie des sentiments erschien im Mai 2014 beim französischen Verlag Presses Universitaires de Lyon eine feine Textsammlung mit Thesen, Gedanken und Geschichten Alexander Kluges, die sich dem Film und dem Filmemachen widmen. Aus den Dokumenten, die auf etwas mehr als zweihundert Seiten mühelos ein halbes Jahrhundert, von 1964 bis 2014, umspannen, entsteht ein Gesamteindruck, der erstmals dem französischsprachigen Publikum die Gedankenwelt des engagierten Filmemachers erschließt. Lagen in französischer Übersetzung bislang vor allem frühe literarische Texte Alexander Kluges vor (Lebensläufe, Stalingrad, sowie auch ein Bändchen mit Erzählungen aus der Chronik der Gefühle), so ist der vorliegende Essayband von einer Reflektiertheit und Frische, dass man der Realität gleich durch die Linse einer Kamera ins Auge blicken möchte. Doch zunächst zu seiner Entstehung. Der Band lässt sich nämlich durchaus als Einleitung zu einem größeren französischsprachigen Editionsprojekt verstehen, das sich zu weiten Teilen der Initiative und unermüdlichen Überzeugungsarbeit Vincent Pauvals verdankt, der sich die Aufgabe gesetzt hat, Alexander Kluges Schriften in Frankreich bekannt zu machen. Mittlerweile erschienen im Zürcher diaphanes Verlag die französischen Fassungen von Dezember, Soll und Haben und Der Luftangriff auf Halberstadt, während die Rechte an Alexander Kluges Monumentalbänden Chronik der Gefühle, Die Lücke, die der Teufel läßt, und 30. April 1945 bereits vom Verlag P.O.L. erworben wurden, so dass zu hoffen ist, dass auch deren Veröffentlichung demnächst bevorsteht. In L’utopie des sentiments liefert der Herausgeber Dario Marchiori dem französischen Publikum in seiner konzisen Einleitung zunächst einen wertvollen Überblick über das Werk des „berühmten und verkannten“ (5) Alexander Kluge. Knapp gehaltene intellektuell-biografische Eckdaten zeichnen Kluges Werdegang als Jurist, Autor, Filmemacher und Denker nach und verorten sein Schaffen in vielseitigen Zusammenhängen. Genannt seien hier nur Kluges Nähe
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zu Adorno und der kritischen Theorie, die ja in Frankreich rezipiert wurde, sowie seine umfangreichen Studien gemeinsam mit Oskar Negt (Öffentlichkeit und Erfahrung, Geschichte und Eigensinn), von denen seit 2007 immerhin eine ausschnittweise französische Übersetzung (von Alexander Neumann) existiert. Auch die stockende Kluge-Rezeption in Frankreich wird erwähnt, die der Herausgeber darin mitbegründet sieht, dass in seinem Werk die Beschäftigung mit der deutschen Geschichte außerordentlich zentral ist. Nachdem Marchiori Kluges Arbeit solchermaßen auf scheinbar festem begrifflichen Terrain abgesteckt hat, unterstreicht er jedoch, mit welcher singulären Freiheit Kluge sich in der Welt der Märchen und Mythen, der Oper, dem Zirkus und der großen Gefühle bewegt. Und nun wird es wirklich interessant. Kluges Projekt, das in den vorliegenden Texten zum Ausdruck kommt, ist es, einer »Politik der Gefühle« (105) so zum Ausdruck zu verhelfen, dass deren enorme (auch destruktive) Kraft, die er in seinem Film Die Macht der Gefühle (1983) thematisiert: »Man sagt von den Gefühlen, / daß sie brennen, / nicht daß sie kühlen«, nicht länger in schierem Gegensatz zur Aufklärung verstanden würde (104). Wenn die Gefühle sich einerseits in Bewegung, Widerstand und Qualität verwandeln ließen, und wenn man sie zugleich in ihrer nicht-institutionalisierbaren Form zu stärken vermöchte, so bekäme das fehlgelaufene Projekt Aufklärung erneut eine Chance. Vom ursprünglichen Kommentar : »Alle Gefühle glauben an einen glücklichen Ausgang« führt ein Weg zum erweiterten Erfahrungssatz, dass das nicht bloße Illusion sei, denn »auch die traurigsten Gefühle nehmen im Kino einen glücklichen Ausgang« (94). Kluge rollt in der Tat die Geschichte der menschlichen Gefühle, die sich nicht definieren, aber beschreiben lassen (107), noch einmal auf. Die Spannweite reicht dabei von der Unterscheidung zwischen kalt und warm über die Bilderwelt der Jungsteinzeit, von Flauberts Education sentimentale bis zu den verbohrten Gewissheiten und flauen Gefühlen angesichts der erneut forcierten Aufrüstung in den achtziger Jahren. Soll man, wie Marchiori das nahelegt, Kluges breite Auffächerung der Gefühlsthemen und -interessen nicht nur als politisches, sondern auch als utopisches Projekt der Gefühle fassen? Kluge selbst spricht ja gerade nicht von der Utopie der Gefühle, sondern von der schlichten Tatsache, dass es sie gibt, von ihrer Historizität, ihrer Tendenz zur Diktatur (94) und von der Einseitigkeit unserer in die Melancholie verliebten Kultur (91). Diesen Folgen der »durcheinander geratenen Verkabelung« (Die Macht der Gefühle) stellt er die handlichen, vertrauenswürdigen Gefühle als zuverlässige Seismographen gegenüber : Tuchfühlung, Zeitgefühl, Fingerspitzengefühl, die Trägheit, die Selbstverständlichkeit (90). Letztere zu stärken, könnte vielleicht die ängstliche Unterwerfung des Gefühls unter Sachzwänge und die verhängnisvolle »Allianz des Verstandes mit den Ernährungswissenschaften« (103) lösen. Betont wird, dass dafür die
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Arbeit von Zuschauer und Nicht-Zuschauer (119) ebenso wesentlich ist, wie die des Filmemachers. Kants Aufklärungspostulat ins Offene gewendet klingt dann so: »Mündig ist der Mensch, / wenn er Ausgang hat«, womit sowohl Jacques RanciÀres Konzept vom »spectateur ¦mancip¦« vorweggenommen wird, wie bewegt, aufgeklärt und glücklich sein in eins gedacht werden. Dabei beschönigt Kluge nichts. Wirtschaftliche und politische Hintergründe der deutschen Filmmisere beleuchtet er schon 1964 in seinem Text »Die Utopie Film«. Nun, da dieser auf französisch vorliegt (31), bilanziert man ernüchtert das Ergebnis der jahrzehntelangen Schockstarre der institutionellen Filmförderung in Deutschland, für die die Weichen damals schon gestellt wurden. Der Kontrast zum experimentierfreudigen Nachbarland Frankreich könnte größer nicht sein. »Ich habe immer an den Autorenfilm, also die Fortsetzung der frühen Filmgeschichte geglaubt« (116). Die politische Dimension dieser Aussage von 1979 ermisst man, wenn Kluge von Griffith über Rossellini, Godard, Costard, bis zu Woody Allen einige der Filmemacher aufzählt, bei denen er sich in guter Gesellschaft weiß. Wer kennt noch Der kleine Godard von Hellmuth Costard? Oder Besonders wertvoll, dessen freche Kurzfilmreplik auf die Sittenklausel aus dem Filmförderungsgesetz von 1967? Schließlich verleiht ein gelungener Kunstgriff der Textsammlung ihren besonderen Reiz: sieben literarische Erzählungen, übersetzt von Vincent Pauval, von denen jede einen anderen Aspekt des Themas Kino beleuchtet, rahmen und unterbrechen den Fluss der Gedanken (35) des Filmschaffenden Kluge. Eröffnet wird diese Montage durch eine horizonterweiternde Erzählung, deren erster Protagonist ebenfalls Jurist ist, Felix Eberty, und seine Einsichten über die Lichtgeschwindigkeit aus dem Jahr 1846. Diese hätten Einsteins Zeitbegriff beeinflusst, woraufhin eine weitere Figur, mit den Initialen A. K., schließlich die kosmische Dimension der Lichtbewegung mit den Lichtstrahlen von Kinoprojektoren vergleicht: das Medium der Bilder eines universellen Kinos, die beständig durch uns hindurch ziehen (30), das sind wir. Der Gedanke vom Vorrang des Zuschauers lässt sich also formulieren als Ergebnis des gedanklichen Prozesses, der das Filmemachen begleitet, als Pointe der erzählerischen Verdichtung und schließlich, im fünften und letzten Teil des Buches, »Die Utopie Film wird immer besser«, erneut in einer Text-Bild Montage aus Bestandsaufnahme. Utopie Film von 1983, die übrigens, es ist Zeit darauf hinzuweisen, wie die Mehrzahl der vorliegenden Essays, der von Christian Schulte herausgegebenen Anthologie In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod von 1999 entnommen ist. Die Kürzungen und Dichtungen in dem französischsprachigen Band machen diesen jedoch einer neuen Kluge-Leserschaft leichter zugänglich und so ist die Essaysammlung insgesamt sehr ausgewogen. Wünschenswert wäre vielleicht noch etwas mehr Sorgfalt bei den Überset-
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zungen gewesen. Wenn aus dem Film der zwanziger Jahre der Film des zwanzigsten Jahrhunderts wird (115), oder psychologische Abwehr nicht »unterlaufen« wird, sondern fälschlicherweise »gelingt« (127), bedauert man, dass sich nun der Sinn nicht mehr erschließt. Alles in allem aber ist der Band eine Liebhaberlektüre und ein Werkzeug mit neuen Denkanstößen über den Film für entdeckungsfreudige frankophone Leserinnen und Leser. Kein Wunder, dass im Land der nouvelle vague, ohne die es den neuen deutschen Film wohl nie gegeben hätte, die Filmkritik eine Hommage an den Autorenfilm besonders wertzuschätzen weiß. So sei zum Schluss noch St¦phane Delormes Reaktion aus den Cahiers du cin¦ma (12/2014) zitiert: »Les pages les plus belles que l’on a pu lire cette ann¦e dans un livre ’de’ cin¦ma…« – die schönsten Seiten, die in diesem Jahr in einem ›Filmbuch‹ zu lesen waren. Susanne Marten Universit¦ de Strasbourg
Alexander Kluge, Idéologies. des nouvelles de l’Antiquité, Edité et traduit par Bénédicte Vilgrain, Courbevoie: Théâtre Typographique, 2014. 128 pp. 24 E. ISBN: 978-2-9096-5749-3.
Les ¦ditions Th¦tre Typographique publient un livre ¦l¦gant et soign¦, tir¦ d’une œuvre majeure d’Alexander Kluge: Nachrichten aus der ideologischen Antike. Marx, Eisenstein, Das Kapital (2008), un essai multim¦dia constitu¦ de trois DVD-ROM et d’un livret de soixante-quatre pages, r¦unis dans un coffret ¦dit¦ par Suhrkamp en partenariat avec «absolut Medien». L’essai vid¦o a une dur¦e de 8 heures 11 minutes (la mÞme du mythique Empire d’Andy Warhol, film sur le Capital s’il en est), auxquelles s’ajoutent plus d’une heure de bonus et une s¦rie de r¦cits litt¦raires int¦gr¦s dans le livret et, en format PDF, dans les DVD-ROM. On remarquera aussi que Kluge en a r¦alis¦ une version «courte» d’une dur¦e de 83 minutes, destin¦e des projections cin¦matographiques. Un tel essai multim¦dia a attir¦ l’int¦rÞt de diff¦rents milieux, sans doute pour la capacit¦ qu’a le projet de r¦unir les multiples volets de son œuvre (et diff¦rents publics): la pens¦e philosophique, la r¦flexion sur la tradition marxiste et la Th¦orie critique, l’histoire du cin¦ma (notamment, les notes d’Eisenstein, entre 1927 et 1929, pour porter l’¦cran Le Capital de Karl Marx), la pratique t¦l¦visuelle et vid¦o, la litt¦rature – avec des «histoires» extraites de Chronik der Gefühle (2000), Die Lücke, die der Teufel läßt (2003), Tür an Tür mit einem anderen Leben (2006). Nouvelles de l’antiquit¦ id¦ologique s’appuie sur les strat¦gies vid¦ographiques que Kluge a ¦labor¦es au fil des ann¦es pour son œuvre cin¦matographique et surtout t¦l¦visuelle: entretiens avec des personnages r¦els ou imaginaires, r¦citation de textes, courts «films» exp¦rimentaux (souvent en time-lapse), suites de cartons racontant des histoires, remploi de bandes son et d’extraits d’autres films, inserts d’images fixes, captations de mises en scÀne th¦trales, courtm¦trages r¦alis¦s par d’autres r¦alisateurs, etc. õ partir de ces mat¦riaux, B¦n¦dicte Vilgrain a compos¦ un livre qui, dans l’impossibilit¦ de les reprendre ou les traduire tous, r¦ussit rendre compte de la pens¦e prismatique de son auteur. Elle donne une place majeure aux dialogues que Kluge mÀne avec des penseurs allemands de notre temps: les philosophes Peter Sloterdijk et Oskar Negt (d¦j collaborateur de Kluge, notamment dans les ann¦es 1970); l’¦crivain et traducteur Dietmar Dath; le poÀte Durs Grünbein. Tous des auteurs, et notamment
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les deux derniers, qui peuvent Þtre consid¦r¦s comme des essayistes, d¦bordant les cloisonnements disciplinaires pour appr¦hender des questions transversales et tisser des liens. õ son tour, le lecteur explore le livre et passe d’un entretien un r¦cit, d’un montage d’images fixes tir¦es du film (vid¦ogrammes) une composition typographique, invit¦ faire un voyage sans boussole – sans table des matiÀres – qui procÀde par corr¦lations et d¦passe les frontiÀres entre un m¦dium et l’autre. Cet ¦largissement du domaine de la lecture, qui transforme par moments le lecteur en «lecteur-spectateur», se met en place progressivement, notamment vers le milieu du livre avec les premiÀres s¦ries d’images extraites des DVD. õ partir de l, on peut appr¦hender le livre comme un ensemble de fragments, sans pr¦tention d’exhaustivit¦ mais capable de d¦clencher des associations et des r¦flexions, entre philosophie, pens¦e de l’histoire, de la politique et de l’¦conomie. Cette singularisation du lecteur, traÅant son propre parcours dans le volume, est l’image de la question philosophique et politique qui occupe Kluge depuis des d¦cennies, dans sa relecture de Marx et dans le sillon de la Th¦orie critique: la r¦¦criture du rapport entre le sujet et l’objet dans notre appr¦hension de la soci¦t¦ et de l’Histoire. Entre une tradition marxiste o¾ les lois de l’histoire d¦terminent le sujet et l’individualisme lib¦ral, Kluge cherche une synthÀse dialectique qui situe «l’industrie au cœur des hommes», qui articule les sentiments et les concepts, qui fasse dire «je» au Capital. En cela, le projet inabouti d’Eisenstein pour «cin¦fier» Le Capital lui semble particuliÀrement adapt¦, en ce qu’il se pose la question d’incarner dans la vie quotidienne d’une journ¦e de son h¦ros, l’image de l’Ulysse de Joyce, un trait¦ d’¦conomie politique comme celui de Marx. Du titre allemand, l¦gÀrement modifi¦, l’¦diteur renforce la r¦flexion autour de l’id¦ologie, voire des «id¦ologies» qui traversent l’histoire entre le XIXe siÀcle et nos jours. Le XXe siÀcle a une place centrale, comme le lieu o¾ se rencontrent de maniÀre violente, en dehors de toute t¦l¦ologie, les diff¦rents niveaux des ¦vÀnements historiques: Kluge interroge toujours les nœuds historiques pour y d¦celer des marges de manœuvre et des puissances inexprim¦es, que l’enchanement catastrophique de l’histoire ensevelit jour aprÀs jour. Ainsi, on n’a jamais l’impression que Kluge s’arrÞte sur un pass¦ lointain ou fig¦: le siÀcle dernier est au cœur de la contemporan¦it¦, tout comme l’actualit¦ ne se borne pas du tout ce qui s’y produit au jour le jour. Ce qui permet d’autant plus Kluge d’Þtre en phase avec la plus stricte actualit¦, au moment mÞme o¾ il parat s’en ¦loigner : par exemple, il revient souvent sur l’ann¦e 1929 o¾ coexistent le projet d’adaptation du Capital d’Eisenstein, la rencontre entre ce dernier et Joyce, la naissance d’Enzensberger mais surtout le krach boursier le plus c¦lÀbre de l’histoire. DerriÀre celui-ci on lit en filigrane l’actualit¦ de la crise ¦conomique, dont Kluge s’empare trÀs tút grce aux Nouvelles de l’antiquit¦ id¦ologique et son œuvre
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suivante, encore mal connue en France et d’une dur¦e de presque 11 heures, Früchte des Vertrauens (2009). Ainsi, en resituant le discours ¦conomique dans un r¦seau de corr¦lations, Kluge souligne l’importance d’une r¦flexion non¦conomiciste sur l’¦conomie, qui constitue l’un des enjeux fondamentaux de notre temps; l’¦diteur franÅais prolonge et radicalise son geste, en choisissant de reproduire la section «L’Adieu la r¦volution industrielle» (p.64 sqq.) et de lui faire suivre une s¦rie d’interrogations sur l’acte r¦volutionnaire et sur ses mobiles subjectifs. L’image de couverture, tir¦e du film de Kluge, exprime au mieux l’ambition du livre: un carr¦ noir (qui rappelle la proposition d’un ¦cran de projection carr¦ avanc¦e par Eisenstein en 1930) dans lequel sont inscrits deux mots: «flach, spiralförmig» («plat, en forme de Spirale»), le deuxiÀme mot dessinant justement une spirale. En ¦cho au projet de livre «sph¦rique» d’Eisenstein (1929) dont il est question dans le film de Kluge, l’ouvrage propos¦ par Th¦tre Typographique essaie de construire un dispositif «tridimensionnel» qui contrarie et r¦invente de l’int¦rieur le m¦dium-livre, par des proc¦d¦s de montage entre images et textes que Kluge utilise souvent dans ses ouvrages. Cette articulation entre la plan¦it¦ de la page (ou de l’¦cran) et une pens¦e «spiraliforme» peut aussi rappeler une conception de l’histoire dont le travail de Kluge est impr¦gn¦, celle de Walter Benjamin, dont une c¦lÀbre phrase exprime l’id¦e de l’origine comme d’un «tourbillon dans le fleuve du devenir» (L’origine du drame baroque allemand). Cette pens¦e «fluide» de l’histoire, qui n’est pas sans attaches avec H¦raclite (Kluge y a souvent recours), serait capable d’¦chapper au d¦terminisme sans pour autant perdre en pr¦cision et en pertinence. Id¦ologies. des nouvelles de l’Antiquit¦ met en avant cette question en donnant une place la r¦flexion de Kluge sur la notion de flüssigmachen («fluidifier»), une notion qu’il faudra appr¦hender de maniÀre dialectique en ce qu’elle repr¦sente la fois les flux du Capital et les mobilisations r¦volutionnaires, la dynamique de l’oppression et celle de l’¦mancipation. Cette notion permet par ailleurs de mieux comprendre le travail de corr¦lation de Kluge, sa pens¦e m¦taphorique, qui met en crise les partages disciplinaires acquis. B¦n¦dicte Vilgrain a bien choisi parmi les passages les plus int¦ressants des entretiens contenus dans Nouvelles de l’Antiquit¦ id¦ologique, en ¦tant toutefois oblig¦e d’¦carter des moments forts avec des auteurs tels Hans Magnus Enzensberger, Boris Groys ou Werner Schroeter. Les images permettent d’int¦grer de nombreux passages du film qu’il ¦tait impossible de transcrire, et de sugg¦rer la richesse et l’ampleur de la r¦flexion de Kluge: on peut songer l’entretien avec le chef d’orchestre Johannes Harnheit, dont sont repris 8 vid¦ogrammes (p.82 sq.) qui permettent de repr¦senter la gestuelle passionnante et passionn¦e de l’interview¦. L’absence la plus ¦vidente au niveau des dialogues est celle de Joseph Vogl, auteur passionnant, qui s’explique pourtant du fait que de longs ¦changes
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entre Kluge et lui ont ¦t¦ traduits aux ¦ditions Diaphanes (Cr¦dit et d¦bit, 2013). En somme, le choix des mat¦riaux est tout fait judicieux, qui essaie de garder des moments conceptuellement «forts» et productifs, tout en montrant l’¦ventail des r¦f¦rences et des sujets abord¦s. Les images permettent aussi et surtout de rendre compte des exp¦rimentations visuelles du film: montage d’images h¦t¦rogÀnes; cartons graphiquement ¦labor¦s; composition de plusieurs images dans le mÞme cadre; textes incrust¦s dans l’image. On peut regretter que les images soient concentr¦es dans la partie centrale du livre (d’ailleurs il manque l’image du grand-pÀre dont il est question dans l’une des «histoires» la fin du volume), et que l’¦diteur n’ait pas repris au moins certaines images marquantes et trÀs ¦vocatrices du livret allemand (comme la «derniÀre photo» de Marx en 1882, ou le photomontage qui remplace le profil de Staline par celui d’Ovide dans la succession historique des h¦ros du marxisme: Marx, Engels, L¦nine), mais on ne saurait sous-estimer l’int¦rÞt des montages d’images, v¦ritables essais visuels qui produisent des pens¦es plutút que se borner illustrer des propos. Les ¦ditions Th¦tre Typographique proposent un livre la fois beau et n¦cessaire, soigneusement traduit et mis en page, qui montre la n¦cessit¦ et l’actualit¦ de la pens¦e de Marx en ¦tudiant ses r¦sonances historiques et culturelles, et en l’innervant dans la r¦alit¦ d’aujourd’hui. Est «contemporain» tout ce qui coexiste dans un mÞme espace-temps, y compris les couches de l’histoire et les aspirations li¦es l’avenir, mÞme sous une forme fragmentaire. Id¦ologie. des nouvelles de l’Antiquit¦ est l’image de cette id¦e et en mÞme temps prolonge de maniÀre autonome la m¦thode de Kluge, Janus «bifrons» capable d’appr¦hender, tout la fois, le pass¦ le pr¦sent et l’avenir. En op¦rant un choix r¦fl¦chi dans l’œuvre immense de l’auteur allemand, l’ouvrage r¦ussit en transmettre la passion pour l’actualit¦, entendue comme des «nouvelles de l’antiquit¦» – l’encontre de la logique m¦diatique dominante, qui r¦duit l’actualit¦ une suite lin¦aire et acritique d’¦clats ¦ph¦mÀres, ¦v¦nementiels et d¦li¦s, chacun surd¦termin¦ par l’adh¦sion aux besoins des pouvoirs en place sous couvert de «sens commun». Dario Marchiori
BIBLIOGRAPHIE
Bibliographie zu Alexander Kluge 2014 Zusammengestellt von Winfried Siebers
Vorbemerkung Die Bibliographie zu Alexander Kluge für das Jahr 2014 knüpft an das vorhergehende Verzeichnis im Alexander Kluge-Jahrbuch (Bd. 1, Göttingen 2014, 297–312), das den Berichtszeitraum 2011 bis 2013 umfasste, an. Für diese Jahrgänge enthält das vorliegende Verzeichnis einige Nachträge. Mit Ausnahme der Interviews und Gespräche sind keine Zeitungsartikel aufgeführt. Diese sind (einschließlich der Rezensionen zu Kluges Werken) umfassend und aktuell im Artikel zu Kluge in der Online-Ausgabe des Kritischen Lexikons zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur dokumentiert. Bei den Alexander Kluge gewidmeten Sammelbänden und Themenheften von Zeitschriften sind die Einzelartikel nach der Angabe des Haupttitels in der Reihenfolge ihrer Anordnung im Druck verzeichnet. Um eine Doppelnennung von Titeln zu vermeiden, sind die dort vermerkten Einzelbeiträge am Schluss der Sachgruppen nur mit Kurztiteln und einem entsprechenden Rückverweis aufgeführt. Für alle genannten Internet-Adressen gilt, dass sie zuletzt am 15. 04. 2015 abgerufen wurden und an diesem Tag verfügbar waren. Für Hinweise und Ergänzungen zur Bibliographie danke ich Thomas Combrink und Vincent Pauval.
Bibliographien Siebers, Winfried, »Bibliographie zu Alexander Kluge 2011–2013«, in: Alexander KlugeJahrbuch, Bd. 1: Vermischte Nachrichten, hg. von Richard Langston u. a., Göttingen 2014, 297–312.
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Bibliographie zu Alexander Kluge 2014
Wiggen, Beate, »Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013«, in: Alexander KlugeJahrbuch, Bd. 1: Vermischte Nachrichten, hg. von Richard Langston u. a., Göttingen 2014, 315–368. 01–03 Beth, Hanno; Precht, Kai, »Primärliteratur. Rundfunk. Film. Tonträger. Sekundärliteratur. Stand: 15. 06. 2014 / 15. 02. 2015«, in: Artikel »Kluge, Alexander«, in: Munzinger Online / KLG – Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. [http://www.munzinger.de.348942125.erf.sbb.spk-berlin.de/search/klg/Alexan der+Kluge/309.html].
Publikationen Alexander Kluges Bücher 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann. Mit einem Gastbeitrag von Reinhard Jirgl, Berlin 2014. Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945. Mit einem Kommentar von Thomas Combrink, Berlin 2014 (Suhrkamp BasisBibliothek 122). Kluge, Alexander ; Marcovicz, Digne M., Realismus des Herzens. Texte und Bilder, hg. von Wolfgang Jacobsen, München 2014. Kluge, Alexander ; Moses, Stefan, Le Moment fugitif. Fotografien von Stefan Moses und Geschichten von Alexander Kluge, Wädenswil am Zürichsee 2014.
Beiträge in Büchern, in Zeitschriften und im Internet »Der Mann ohne Eigenschaften«, in: Germanica 53 (2013), 249–250. »Zufallswolken. Eine Sammlung von Textauszügen / Fortuity clouds. A collection of excerpts«, in: Peter Bux, Rette die Gefahr! / Rescue danger!, Berlin 2013, 60–65. [Übersetzung ins Englische: Ariane Kossack und Gunnar Wendel]. Negt, Oskar; Kluge, Alexander, »Entfremdete Öffentlichkeit«, in: Texte zur Medientheorie, hg. von Günter Helmes und Werner Köster, Stuttgart 2013, 285–288 [Auszug aus Öffentlichkeit und Erfahrung, Frankfurt a.M. 1972; Nachdruck der ersten Ausgabe Stuttgart 2002]. »Drei Freunde«, in: Felix Droese – Schenkung Hölderlin-Säule – Geld oder Leben [anlässlich der Ausstellung ›Felix Droese – Schenkung Hölderlin-Säule – Geld oder Leben. Druck vom Holz, Druckstöcke 1994–2014‹ vom 26. Juli bis zum 5. Okt. 2014 im Städtischen Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen], Reutlingen/Bonn 2014, Leporellofaltung, 7. [Nachdruck aus Die Patriotin, Frankfurt a.M. 1979, 367]. »Geschichten von Alexander Kluge und Fotografien von Barbara Klemm und Stefan Moses«, in: Barbara Klemm / Stefan Moses. Eine Ausstellung der Stiftung für Kunst und Kultur e.V. [anläßlich der Ausstellung ›Barbara Klemm / Stefan Moses‹ im MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg, 24. Okt. 2014 bis 18. Jan. 2015], hg. von Walter Smerling, Wädenswil am Zürichsee 2014, 8–23.
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»Grußwort an einen Gefährten. Oskar Negt zum 80. Geburtstag«, in: Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte 61/7–8 (2014), 78–83. »Rede bei der Verleihung des Heine-Preises in Du¨ sseldorf am 13. Dez. 2014«, in: Glossen 39 (2014). Online-Journal. [http://blogs.dickinson.edu/glossen/most-recent-issueglossen-392014/alexander-kluge/]. »Reden [!] über das eigene Land«, in: Deutsche Geschichten – vom Ersten Weltkrieg bis heute. Ein Lesebuch, hg. von Gevinon von Medem, Halle (Saale) 2014, 280–282 [Erstdruck: »Rede über das eigene Land«, in: Theodor Fontane, Heinrich von Kleist und Anna Wilde, Berlin 1987]. »Starke Rollen. Protokoll eines glücklichen Programmzufalls«, in: Organisierte Phantasie. Medienwelten im 21. Jahrhundert. 30 Positionen, hg. von Jochen Hörisch und Uwe Kammann, Paderborn 2014, 287–296. ! »Geschichten zum 30. April 1945«. – »Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn«. – »Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim«. – »Provisorisches Protokoll des Treffens mit Oskar Negt am 13. und 14. Juni 2014 in Wien«, siehe Arbeiten über Alexander Kluge, Sammelbände und Zeitschriften: Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1 (2014), 17–27, 81, 143–158, 219–224.
DVD- und CD-Editionen sowie E-Books Gelpke, Basil; Kluge, Alexander, Mörderische Gewalt – die Opfer, die Täter, die Ermittler, 2 DVDs mit Begleitheft, Berlin/Zürich 2013. Bütler, Heinz; Kluge, Alexander, Bilderwelten vom Großen Krieg 1914–1918. Aus der Schweiz, von den Fronten, aus dem Herzen, 1 DVD mit Begleitheft und 5 Postkarten, Berlin/Zürich 2014. 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann. Mit einem Gastbeitrag von Reinhard Jirgl, Berlin 2014. [E-Book; elektronische Ressource].
Übersetzungen »L’Homme sans qualit¦s«, in: Germanica 53 (2013), 273–274. Id¦ologies. Des nouvelles de l’Antiquit¦: Marx – Eisenstein – Le Capital. Traduit de l’allemand et ¦dit¦ par B¦nedicte Vilgrain d’aprÀs le film ›Nachrichten aus der ideologischen Antike‹ (2008), Courbevoie: Th¦tre Typographique 2014. L’utopie des sentiments. Essais et histoires de cin¦ma. Textes r¦unis et pr¦sent¦s par Dario Marchiori, traduits de l’allemand par Christophe Jouanlanne et Vincent Pauval, Lyon: Presses universitaires de Lyon 2014. [Texte aus In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod, Berlin 1999]. »Alexander Kluge. LV.«, in: Les archives du rÞve. Dessins du Mus¦e d’Orsay – Carte blanche Werner Spies [ l’occasion de l’exposition … Paris, mus¦e de l’Orangerie, 26 mars – 30 juin 2014; Vienne, Albertina, 22 janvier – 3 mai 2015]. Organisation de l’exposition: Guy Cogeval et al., Chef du service des ¦d.: Annie Dufour, Paris: Mus¦es d’Orsay et de
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l’Orangerie / Malakoff: Hazan 2014, 243–244. [Kommentar Kluges zu dem Gemälde La barricade (1848) von Ernest Meissonier; Übersetzung ins Französische durch Lydie Êchasseriaud]. Ataque a¦reo a Halberstadt, el 8 de abril de 1945. Eplogo de W.G. Sebald. [Trad. de Jos¦ Luis Arntegui], Boadilla del Monte (Madrid): Antonio Machado Libros 2014 (La balsa de la Medusa 196) [Span. Übersetzung von »Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945«, in: Neue Geschichten, Frankfurt a.M. 1977]. El contexto de un jardn. Discursos sobre las artes, la esfera pfflblica y la tarea de autor. Selecciûn, traducciûn y prûlogo de Carla Imbrogno, Buenos Aires: Caja Negra 2014. »A imaginażo futurista de alem¼es e brasileiros«, in: Folha de S. Paulo, 09. 11. 2014. ¯ dil, al-Qa¯hira: Sifsa¯fa 2014. Tuqb al-alwa¯h as-salba. 133 hika¯ya sı¯ya¯sı¯ya. Targˇamat Ala¯ A ¯ ˙ ˙ ˙ ˙˙ ˙ [Arabische Übersetzung von Das Bohren harter Bretter, Berlin 2011; in arabischer Schrift]. The Air Raid on Halberstadt on 8 April 1945, transl. by Martin Chalmers, London/New York, N.Y./Calcutta: Seagull Books 2014. [Enthält W.G. Sebalds Essay »Between History and National History. On the Literary Description of Total Destruction. Remarks on Kluge«, 125–135]. »The Twilight of the Gods in Vienna«, in: Vienna Tales. Stories selected and translated by Deborah Holmes, ed. by Helen Constantine, Oxford: Oxford University Press 2014, 45–60 [»Die Götterdämmerung in Wien«, in: Chronik der Gefühle, Bd. 1, Frankfurt a.M. 2000, 66–73]. »Five Stories / Fünf Geschichten«, in: Texte zur Kunst 93 (März 2014), Themenheft Spekulation / Speculation, 126–133 (deutsch und englisch). »Garden of Information«, in: Mapping It Out. An Alternative Atlas of Contemporary Cartographies, ed. by Hans Ulrich Obrist and Andrew Brown, with an introduction by Tom McCarthy, London: Thames & Hudson 2014, 102–103. Film Manifestos and Global Cinema Cultures. A Critical Anthology, ed. by Scott MacKenzie, Berkeley, Calif./London: University of California Press 2014. [Darin: Alexander Kluge, Edgar Reitz et al., »The Oberhausen Manifesto (West Germany, 1962)«, 152; Joseph von Sternberg, Alexander Kluge et al., »The Mannheim Declaration (West Germany, 1967)«, 154]. Negt, Oskar; Kluge, Alexander, History and Obstinacy, ed. with an introduction by Devin Fore, translated by Richard Langston with Cyrus Shahan, Martin Brady, Helen Hughes, and Joel Golb, Brooklyn, N.Y.: Zone Books 2014. ! »Heidegger expects to be appointed head of the Führer Teaching Staff.« (Übersetzt ins Englische von Martin Chalmers) siehe Arbeiten über Alexander Kluge, Sammelbände und Zeitschriften: Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1 (2014), 255–264.
Bibliographie zu Alexander Kluge 2014
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Gespräche und Interviews mit Alexander Kluge Estrada, Javier H., »La palabra de un cine potencial«, in: Caimn. Cuadernos de Cine (Juni 2014), 82–83. Fagard, Gawan, »Die Fliege im Bernstein. Alexander Kluge über Rudolf Steiner und Andrei Tarkowski«, in: all-over. Magazin für Kunst und Ästhetik (März 2014). [http://allovermagazin.com/?p=1704]. Küveler, Jan, »›Unwirklichkeit tötet‹. – Wie können wir den ›Islamischen Staat‹ stoppen? Ein Gespräch mit Alexander Kluge über ansteckende Albträume, Lawrence von Arabien, Schizophrenie und unbezahlte Arbeitskräfte im Nibelungenlied«, in: Welt am Sonntag, Nr. 34 vom 24. 8. 2014, 19. [http://www.welt.de/print/wams/kultur/article 131531138/Unwirklichkeit-toetet.html]. Obrist, Hans Ulrich; Kluge, Alexander, »[Gespräch]«, in: Du. Die Zeitschrift der Kultur 74/ 12 (2014), Nr. 852, 24–27. [Redaktionelle Notiz: »Dieses Interview fand im April 2004 zwischen München und Paris statt.«; übersetzt von Marcel Ditt¦]. Schröder, Lothar, »Alexander Kluge: ›Heine wäre heute ein Blogger‹. [Interview]«, in: Rheinische Post vom 10. 12. 2014. [http://www.rp-online.de/kultur/buch/heinrichheine-waere-heute-ein-blogger-aid-1.4729186]. Stienen, Sven; Wischhoff, Mona: »Die Toleranz der Löwenartigen. Alexander Kluge im Stadtaspekte-Gespräch über Religion, Kapitalismus und das Prinzip Stadt«, in: Stadtaspekte – die dritte Seite der Stadt, 17. April 2014. [http://www.stadtaspekte.de/ ?p=8823] Widmann, Arno, »Am gefährlichsten sind Waffen für den Waffenbesitzer selbst«. [Gespräch mit Alexander Kluge], in: Frankfurter Rundschau, Nr. 168 vom 23. 07. 2014, 30–31. [http://www.fr-online.de/kultur/interview-mit-alexander-kluge-am-gefaehr lichsten-sind-waffen-fuer-den-waffenbesitzer-selbst,1472786,27914626.html; erschien gleichzeitig in: Berliner Zeitung vom 22. 07. 2014. http://www.berliner-zeitung.de/kul tur/interview-mit-alexander-kluge-am-gefaehrlichsten-sind-waffen-fuer-den-waffen besitzer-selbst,10809150,27916990.html].
Gedruckte Gespräche aus Alexander Kluges Kulturmagazinen »In erster Linie bin ich Filmemacher. Begegnung mit Christoph Schlingensief anlässlich seiner Hodenpark-Installation 2006 im Museum der Moderne in Salzburg«, in: Christoph Schlingensief [anlässlich der Ausstellung Christoph Schlingensief, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 1. Dez. 2013 bis 19. Januar 2014, MOMA PS1, New York, 9. März bis Aug. 2014], hg. von Klaus Biesenbach u. a., Köln 2013, 80–88. [Interviewtext in dt. und engl. Sprache, übersetzt von Jeremy Gaines; Erstsendung: 10 vor 11, RTL, 04. 12. 2006; Erstdruck in Alexander Kluge – Magazin des Glücks, hg. von Sebastian Huber und Claus Philipp, Wien/New York 2007]. »BigDataCollection. Alexander Kluge im Gespräch mit Georg Mascolo«, in: Zeitschrift für Kulturwissenschaften 8/2 (2014), 99–107. [Erstsendung: 10 vor 11, RTL, 24. 03. 2014].
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Bibliographie zu Alexander Kluge 2014
! »Alexander Kluge im Gespräch mit Fr¦d¦ric Lordon« siehe Arbeiten über Alexander Kluge, Sammelbände und Themenhefte: Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1 (2014), 271–278.
Arbeiten über Alexander Kluge Monographien Biotti, Gabriele, Le cin¦ma l’¦preuve de l’anachronisme. Contribution une r¦flexion sur le visible moderne travers le film-essai. Les cas de Godard, Marker, Kluge et Wenders, Diss. Universit¦ Charles de Gaulle, Lille 3 / Universit degli studi, Siena 2013. Bandeili, Angela, Ästhetische Erfahrung in der Literatur der 1970er Jahre. Zur Poetologie des Raumes bei Rolf Dieter Brinkmann, Alexander Kluge und Peter Handke, Bielefeld 2014 [Zugl. Diss. Bielefeld 2013; zu Lernprozesse mit tödlichem Ausgang. Gelegenheitsarbeit einer Sklavin. Neue Geschichten, 145–239]. Brombach, Ilka, Eine offene Geschichte des Kinos. Alexander Kluge, Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Christian Petzold, Thomas Arslan, Michael Haneke. Filmlektüren mit Jacques RanciÀre, Berlin 2014. [Zu Kluge, 30–48, 112–124]. Kramer, Sven, Transformationen der Gewalt – über Riefenstahl, Am¦ry, Cronenberg, Egoyan, Marker, Kluge, Farocki, Berlin 2014. [Zu Vermischte Nachrichten, BRD 1986, 123–141]. Lehmann, Ulrike, ›Tristan und Isolde nach 5 Jahren‹. Der ›imaginäre Opernführer‹ und die Entdramatisierung der Oper im Werk Alexander Kluges, Hamburg 2014. [E-Book des Erstdrucks Hamburg 2013].
Sammelbände und Themenhefte Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1: Vermischte Nachrichten, hg. von Richard Langston, Gunther Martens, Vincent Pauval, Christian Schulte und Rainer Stollmann, Göttingen 2014. Hierin enthalten: Schulte, Christian; Langston, Richard; Martens, Gunther ; Pauval, Vincent; Stollmann, Rainer : Editorial, 9–11. – Habermas, Jürgen: Rede zum 80. Geburtstag von Alexander Kluge, 13–15. – Kluge, Alexander : Geschichten zum 30. April 1945, 17–27. – Martens, Gunther : Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing, 29–41. – Schulte, Christian: »Die Muskeln der Vorstellungskraft«. Geschichtswahrnehmung und Responsivität bei Alexander Kluge, 43–61. – Harris, Stefanie: On Some Obstinate Images, 63–79. – Kluge, Alexander : Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn, 81. – Combrink, Thomas: Politik der Neuronen. Zur Rolle des Gehirns bei Alexander Kluge, 83–92. – Koch, Jana: »Man lebt wie auf einem fremden Planeten.« Alexander Kluges Nachrichten zwischen Facts & Fakes, 93–100. – Langston, Richard: Permanent Catastrophe and Everyday Life: Remediation of the Political in Kluge’s Vermischte Nachrichten and Chernobyl Broadcasts, 101–123. –
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Mertes, Valentin: »Beweis dessen, daß auch unzulängliche, ja kindische Mittel zur Rettung dienen können«: Eigensinn und Verfahren der Distanzierung in Alexander Kluges Film Vermischte Nachrichten, 125–141. – Kluge, Alexander : Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 143–158. – Pott, Ute: Archivar und Chronist. Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Alexander Kluge, 159–165. – Combrink, Thomas: Die Zeitarmut des Kaisers. Napoleon in Kluges literarischen Arbeiten, 167–177. – Marten, Susanne: Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940. Alexander Kluges Auseinandersetzung mit der deutschen Besatzung Frankreichs, 179–192. – Reichmann, Wolfgang: »Attraktoren des Bösen«. Zu Alexander Kluges »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter«, 193–202. – Stollmann, Rainer : Phoenix Öffentlichkeit. Menschen sind keine Privatiers, 203–217. – Kluge, Alexander : Provisorisches Protokoll des Treffens mit Oskar Negt am 13. und 14. Juni 2014 in Wien, 219–224. – Holl, Herbert (mit Texten von Kza Han: Vier Wasserwürfel): Die Übergabe des Philosophen – wie Kluge Heidegger aussetzt, 225–252. – Kluge, Alexander : Heidegger expects to be appointed head of the Führer Teaching Staff. (Übersetzt ins Englische von Martin Chalmers, 255–264. – Bildergalerie 2014, 265–269. – News & Stories vom 20. Oktober 2013. ÖKONOMIE ALS FRÖHLICHE WISSENSCHAFT / Fr¦d¦ric Lordon über SPINOZA und das BÖRSENGLÜCK, 271–278. – Werbeck, Kai-Uwe: [Rezension von] Christopher Pavsak, The Utopia of Film: Cinema and Its Futures in Godard, Kluge, and Tahimik, New York: Columbia University Press, 2013. […], 281–283. – Fulk, Kirkland A.: [Rezension von] Amir Eshel, Futurity : Contemporary Literature and the Quest for the Past, Chicago: University of Chicago Press, 2013. […], 285–288. – Combrink, Thomas: Virtuelle Durchgänge aus Texten, Tönen und Bildern. Zu Alexander Kluges im Suhrkamp Verlag publizierten iBooks, 289–291. – Combrink, Thomas: Die Formenwelt von Glaube, Geld und urbanen Landschaften. Zu einer Tagung im Haus der Kulturen der Welt in Berlin im April 2014, 293–294. – Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013. Zusammengestellt von Winfried Siebers, 297–312. – Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013. Zusammengestellt von Beata Wiggen, 315–368. – Autorinnen und Autoren, 369–375. October. Art, Theory, Criticism, Politics, No. 149 (Summer 2014), Schwerpunktheft zu Oskar Negt und Alexander Kluge, 3–94. Hierin enthalten: Fore, Devin: An Introduction to Kluge and Negt, 3–8. – Kluge, Alexander ; Negt, Oskar: Elements of a Political Economy of Labor Power, 9–34 [Vorabdruck aus History and Obstinacy, Brooklyn, N.Y. 2014, Kapitel 3]. – Knödler-Bunte, Eberhard; Funke, Hajo; Widmann, Arno: The History of Living Labor Power : A Discussion with Oskar Negt and Alexander Kluge, 35–68 [Übersetzung von: »Die Geschichte der lebendigen Arbeitskraft. Eine Diskussion mit Oskar Negt und Alexander Kluge«, in: Ästhetik und Kommunikation 13/48 (1982), 79–109]. – Schulte, Christian; Stollmann, Rainer : Moles Don’t Use Systems: A Conversation with Oskar Negt, 69–88 [aus Der Maulwurf kennt kein System, hg. von Christian Schulte und Rainer Stollmann, Bielefeld 2005, 11–41]. – Vogl, Joseph: The Undoing of Functional Differentiation, 89–94.
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Bibliographie zu Alexander Kluge 2014
Internetpräsentationen Alexander Kluge: Cultural History in Dialogue. Joint Project of Cornell University, Universität Bremen and Princeton University. [https://kluge.library.cornell.edu/]. [Im Jahr 2014 gestartete Website, die das ältere Projekt Müller–Kluge: Conversations between Heiner Müller and Alexander Kluge in erweiterter Form fortführt; abrufbar sind Videos in den Sektionen Conversations (u. a. mit Heiner Müller, Hans Magnus Enzensberger, Oskar Negt; teilweise mit Transkriptionen in dt. und engl. Sprache), Short Films (Serpentine Gallery Program) und News from Ideological Antiquity].
Publikationen zu allgemeinen und übergreifenden Themen 33–01 Böhm, Michael, »Halberstadt: Bomben und Elefanten«, in: Theater der Zeit. Zeitschrift für Politik und Theater 69/1 (2014), 41. [Zur Aufführung des Nordharzer Städtebundtheaters: Alexander Kluge – Hoffnung und Widerstand (Uraufführung) von Sebastian Fust, Regie: Katrin Plötner, Ausstattung: Anneliese Neudecker]. Etzler, Melissa Starr, Writing from the Periphery. W. G. Sebald and Outsider Art, Diss. University of California, Berkeley, Calif. 2014. [Online-Ressource: http://digitalassets. lib.berkeley.edu/etd/ucb/text/Etzler_berkeley_0028E_14427.pdf; darin zu Kluge, 70–74, 120–121]. Figueroa Snchez, Fernando, »Alexander Kluge, Miniaturista del sinsentido de la Escuela de Francfort«, in: La Palabra y el Hombre, Tercera ¦poca, No. 19 (2012), 49–53. [OnlineRessource: http://cdigital.uv.mx/handle/123456789/33471]. Negt, Oskar, »Kairûs: Über Vertrauen und Kooperation. Die langjährige Produktionsgemeinschaft mit Alexander Kluge«, in: ders., Nur noch Utopien sind realistisch. Politische Interventionen, Göttingen 2012 (= Oskar Negt, Schriften, Bd. 5), 296–308. Pott, Ute, »Alexander Kluge in Halberstadt«, in: ALG-Umschau (Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e.V.) 50 (2014), 20–22. 33–01 Schulte, Christian, »Kritik und Kairos: Essayismus zwischen den Medien bei Alexander Kluge«, in: Inszenierung und Gedächtnis. Soziokulturelle und ästhetische Praxis, hg. von Hermann Blume u. a., Bielefeld 2014, 243–260. Shahan, Cyrus; Backhaus, Gary, »Hope and Suspicion: Alexander Kluge, Peter Sloterdijk, and the Non-Existent Home«, in: Environment, Space, Place 6/2 (2014), 99–126. Uecker, Matthias, »Schreiben, Filmen, Sprechen. Inszenierung und Kommunikation in Alexander Kluges Autorschaft«, in: Subjektform. Autorschaftsinszenierungen als Praktiken der Subjektivierung, hg. von Sabine Kyora, Bielefeld 2014, 103–119. ! Beiträge von Habermas, Schulte, Harris, Combrink (»Politik der Neuronen«), Koch, Stollmann, Holl sowie Combrink (»Die Formenwelt …«) siehe Sammelbände und Themenhefte: Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1 (2014).
Bibliographie zu Alexander Kluge 2014
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Publikationen zur Literatur Wojtera, Nicoletta, »Lesen und Verwandlung als intermediale Relation«, in: Lesen und Verwandlung. Lektüreprozesse und Transformationsdynamiken in der erzählenden Literatur, hg. von Steffen Groscurth und Thomas Ulrich, Berlin 2011, 43–54. [Zur Prinzessin-von-ClÀve-Episode in Das Labyrinth der zärtlichen Kraft, Berlin 2009]. Holl, Herbert, »Les Nouvelles conjonctions d’images et de lettres chez Alexander Kluge«, in: Germanica 53 (2013), 275–290. [Korrektur zu »Kluge-Bibliographie 2011–2013«, in: Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1, Göttingen 2014, 308]. Zelic´, Tomislav, »Intermediale Bruchstellen zwischen Text und Bild in Alexander Kluges Montageromanen«, in: Die Sprache im Bild – Das Bild in der Sprache. V. Jahreskonferenz des Südosteuropäischen Germanistenverbandess (SOEGV), Tirana, 16. bis 18. Nov. 2012, hg. von Brikena Kadzadej u. a., Oberhausen 2013, 92–98. Adelson, Leslie A., »Horizons of Hope. Alexander Kluge’s Cosmic Miniatures and Walter Benjamin«, in: Gegenwartsliteratur. Ein germanistisches Jahrbuch 13 (2014), 203–225. Birkmeyer, Jens, »Kältezonen aus nächster Nähe: Alexander Kluges neue Erzählungen über Nationalsozialismus und Krieg«, in: Der Nationalsozialismus und die Shoah in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, hg. von Torben Fischer, Philipp Hammermeister und Sven Kramer, Amsterdam 2014, 293–312. Lange, Astrid, »Visuelle Poesie im Fernsehen? Alexander Kluges ›Ein Liebesversuch‹«, in: Fontes Litterarum. Typographische Gestaltung und literarischer Ausdruck, hg. von Markus Polzer und Philipp Vanscheidt, Hildesheim u. a. 2014, 279–292. Martens, Gunther, »Reclaiming ›geballte linke Energie‹. War in Alexander Kluge’s Docufiction ›Heidegger auf der Krim‹«, in: Seminar. A Journal of Germanic Studies 50/1 (2014), 69–82. Plath, Nils, »Bildungsbaustellen. Alexander Kluges Schul-Zeit-Nacherzählungen in Prosa und Film«, in: Experimentalanordnungen der Bildung. Exteriorität – Theatralität – Literarizität, hg. von Bettine Menke und Thomas Glaser, Paderborn 2014, 293–312. Tanderup, Sara, »Næbilleder og modfortællinger – intermedialitet, erindring og historiefremstilling hos Kluge, Sebald og Foer«, in: K& K – Kultur og Klasse 42/117 (2014), 81–94. [Online-Ressource: http://ojs.statsbiblioteket.dk/index.php/kok/article/view/ 17561; mit Resümee in engl. Sprache]. ! Beiträge von Martens, Pott, Combrink (»Die Zeitarmut …«), Marten sowie Reichmann siehe Sammelbände und Themenhefte: Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1 (2014).
Publikationen zu den Filmen Alcal, Fabiola, »El cine de lo real. La huella de Alexandre Kluge, Werner Herzog y Harun Farocki«, in: El cine de pensamiento. Formas de la imaginaciûn tecno-est¦tica, ed. de Josep M. Catal, Bellaterra (Barcelona) 2014, 105–119. [Online-Ressource: Documentaciûn en Ciencias de la Comunicaciûn, Nfflmero de Documento 6516, http:// ccdoc.iteso.mx//cat.aspx?cmn=browse& id=6516]. Elsaesser, Thomas, »The Persistant Resistance of Alexander Kluge«, in: ders., German cinema – Terror and Trauma. Cultural Memory since 1945, New York / London 2014,
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Bibliographie zu Alexander Kluge 2014
173–188. [Erweiterte engl. Fassung von: Terror und Trauma. Zur Gewalt des Vergangenen in der BRD, Berlin 2007]. Stollmann, Rainer, »Films by Alexander Kluge that relate to some of the themes in his book History and Obstinacy, which has recently been published in English«, in: Glossen 39 (2014). Online-Journal. [http://blogs.dickinson.edu/glossen/most-recent-issue-glos sen-392014/rainer-stollmann/]. Tedjasukmana, Chris, Mechanische Verlebendigung. Ästhetische Erfahrung im Kino, Paderborn 2014. [Zu Kluge, 224–249]. ! Beiträge von Langston und Mertes siehe Sammelbände und Themenhefte: Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1 (2014).
Publikationen zu den Fernsehmagazinen Gruber, Klemens, »Revitalizing Opera on TV: Alexander Kluge’s TV Program ›A Woman Like a Volcano‹«, in: Intermediality, Performance and the Public Sphere. Selected Papers from Recent Meetings of the Tangier International Conferences, ed. by Kha- lid Amin and George F. Roberson, Denver, Colo. 2014, 50–53 [Zu »Eine Frau wie ein Vulkan«, 10 vor 11, RTL, 26. 05. 2003].
Publikationen zu den DVD- und CD-Editionen Damberger, Thomas, »Human Being 2.0 – The End of Education?«, in: Journal of Human Rights 67/5 (2013), 535–552. [Zur DVD-Edition von Basil Gelpke und Alexander Kluge, Mensch 2.0 – Die Evolution in unserer Hand, Berlin/Zürich 2011]. Galli, Matteo, »Rückdatierung der Katastrophe bei Alexander Kluge. Anmerkungen zu ›Der Erste Weltkrieg‹ (2010)«, in: Der Erste Weltkrieg als Katastrophe. Deutungsmuster im literarischen Diskurs, hg von Claude D. Conter, Würzburg 2014, 369–381. Kriest, Ulrich, »Was in uns mordet. Die Kompilation ›Mörderische Gewalt‹ von Alexander Kluge und Basil Gelpke durchstreift das weite Feld menschlicher Tötungsbereitschaft «, in: Filmdienst 67/8 (2014), 19. Mazierska, Ewa, »The Meanings of History and the Uses of Translation in ›News from Ideological Antiquity – Marx / Eisenstein / The Capital‹ (Video 2008) by Alexander Kluge«, in: Marx at the movies. Revisiting history, theory and practice, ed. by Ewa Mazierska and Lars Kristensen, Basingstoke 2014, 244–266. [E-Book: Basingstoke/New York 2014]. ! Beitrag von Combrink (»Virtuelle Durchgänge …«) siehe Sammelbände und Themenhefte: Alexander Kluge-Jahrbuch, Bd. 1 (2014).
Bibliographie zu Alexander Kluge 2014
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Publikationen zur Theorie Acikgöz, Muharrem, Die Permanenz der Kritischen Theorie. Die zweite Generation als zerstrittene Generationsgemeinschaft, Münster 2014. [Vorher Diss. Trier 2011; zu Kluge, 174–180]. Jay, Martin, »The Little Shopgirls Enter the Public Sphere«, in: New German Critique 41/ 122 (2014), 159–169. [Zum Einfluss von Negt/Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung, Frankfurt a.M. 1972, auf das wissenschaftliche Werk von Miriam Hansen]. Ternes, Bernd, »Verdinglichung als Selbstverwirklichung? Progressive Waren als Subjektformen im Nachgang Marxens und Prokops«, in: Sozialpsychologie des Kapitalismus heute. Zur Aktualität Peter Brückners, hg. von Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch und Benjamin Lemke, Gießen 2013, 221–239. [Darin u. a. zu Negt/Kluge; mit Resümee in engl. Sprache]. ! Beiträge von Fore, Kluge/Negt, Knödler-Bunte u. a., Schulte/Stollmann sowie Vogl siehe Sammelbände und Themenhefte: October, No. 149 (2014).
VIDEOGRAPHIE
Verzeichnis der Kulturmagazine 2014 Zusammengestellt von Beate Wiggen
10 vor 11 TEN TO ELEVEN Der erste Draht zur Neuen Welt Christian Holtorf über das Transatlantikkabel von 1858 06. 01. 2014
TEN TO ELEVEN Carmen in Speichersdorf Eine Glanzrolle für Hannelore Hoger 13. 01. 2014
TEN TO ELEVEN American Lulu Olga Neuwirth gibt Alban Bergs Oper LULU eine neue Gestalt 20. 01. 2014
TEN TO ELEVEN American Lulu Olga Neuwirth gibt Alban Bergs Oper LULU eine neue Gestalt 20. 01. 2014
TEN TO ELEVEN Die Pyramiden, eines der 7 Weltwunder Dr. Ing. Frank Müller-Römer : »Wie wurden diese Monumente gebaut?« 27. 01. 2014
TEN TO ELEVEN Die Teleskope von Hawaii Prof. Dr. Rolf-Peter Kudritzky über die Astrophysik von heute 03. 02. 2014
TEN TO ELEVEN Die Wolkenjägerin Prof. Dr. Bernadette Weinzierl auf Jagd nach Aerosolen und Aschenstaub aus Vulkanen 10. 02. 2014
TEN TO ELEVEN Die Zarenbraut Eindrucksstarke Oper von RimskiKorsakoff in der Staatsoper im Schillertheater Berlin 17. 02. 2014
TEN TO ELEVEN Schirachs »Tabu« Ferdinand von Schirachs neuer Roman 24. 02. 2014
TEN TO ELEVEN Wie bringt man den 1. Weltkrieg auf die Bühne? Oliver Reese, Intendant des Schauspiels Frankfurt, berichtet 03. 03. 2014
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Videographie
TEN TO ELEVEN Stanley Kubricks Napoleon-Projekt Wouter Wirth über PROMETHEUS IN ST. HELENA 10. 03. 2014
TEN TO ELEVEN Die Royal Navy und die Ordnung der Welt »Sie segelten los, die Schöpfung zu perfektionieren« 17. 03. 2014
TEN TO ELEVEN Big Data Collection Georg Mascolo über Cyberwar, Snowden und die Große Abhorche 24. 03. 2014
TEN TO ELEVEN Wir überlisten den Tod Klaus Schwenk über das ewige Leben der Daphnien 31. 03. 2014
TEN TO ELEVEN Albert Einstein: »Da muss irgendetwas falsch sein!« Rätselhafte Erscheinungen der Natur 07. 04. 2014
TEN TO ELEVEN Der Großstadtförster von New York Ein neues Abenteuer für Helge Schneider 14. 04. 2014
21. 04. 2014 AUSFALL
TEN TO ELEVEN Das Prinzip Bunker Christian Welzbacher : Artenvielfalt in Beton 28. 04. 2014
TEN TO ELEVEN Eidgenossen in den Kolonien Dr. Andreas Zangger über Schweizer in Singapur und Sumatra 05. 05. 2014
TEN TO ELEVEN Tiere kochen für Menschen Eine letzte Warnung der sterbenden Schweine 12. 05. 2014
TEN TO ELEVEN Ein Unglücksrabe zwischen allen Fronten Der wahre Held in Mozarts letzter Oper 19. 05. 2014
TEN TO ELEVEN Paarungsverhalten der Millionenfische Dr. Martin Plath über Evolution und Polymorphie der Fortpflanzung 26. 05. 2014
TEN TO ELEVEN RINALDO Oper in 3 Akten von Georg Friedrich Händel 02. 06. 2014
09. 06. 2014 AUSFALL
TEN TO ELEVEN Max Horkheimer Steuermann der KRITISCHEN THEORIE 16. 06. 2014
TEN TO ELEVEN Einsatz in Afghanistan Oberstleutnant von Blumröder : ein Kampfbericht 23. 06. 2014
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Verzeichnis der Kulturmagazine 2014
TEN TO ELEVEN Der Himmelsbeschreiber Ulf von Rauchhaupt: 88 Sternenkonstellationen 30. 06. 2014
TEN TO ELEVEN Die Friedensmacher Almut Wieland-Karimi über das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze in Berlin (ZIF) 07. 07. 2014
TEN TO ELEVEN Kurzschluss 1914 Jürgen Angelow über den extremen Zeitdruck in der Juli-Krise
TEN TO ELEVEN AUSFALL AUS LIZENZECHTLICHEN GRÜNDEN 14. 07. 2014
TEN TO ELEVEN AUSFALL AUS LIZENZECHTLICHEN GRÜNDEN 21. 07. 2014
TEN TO ELEVEN Ein Alchemist des Denkens Bernard Stiegler : Was heißt Aufklärung im 21. Jahrhundert? 04. 08. 2014
TEN TO ELEVEN Vom Scharfrichter zum Sprengmeister 5 neue Episoden mit Peter Berling 11. 08. 2014
TEN TO ELEVEN Ukrainische Tragödie Martin Aust über Tschaikowskis MAZEPPA, Oper in 3 Akten 18. 08. 2014
TEN TO ELEVEN Karl May, der Einzigartige Rudi Schweikert über den Dichter des Winnetou und Arno Schmidt 25. 08. 2014
TEN TO ELEVEN Berater der Glaubenskrieger Helge Schneider über seine Schwierigkeiten bei Grenzkontrollen 01. 09. 2014
TEN TO ELEVEN Von Salamis bis Trafalgar Olaf B. Rader über legendäre Seeschlachten 08. 09. 2014
TEN TO ELEVEN Barbara Hannigan, Sopran Ein abosluter Glücksfall im Opernbetrieb 15. 09. 2014
TEN TO ELEVEN Geld und Charakter Dr. Joseph Vogl, Verfasser von DAS GESPENST DES KAPITALS, berichtet 22. 09. 2014
TEN TO ELEVEN Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben! Peter Konwitschny inszeniert Bach-Kantate BWV102 szenisch am Theater Chur 29. 09. 2014
TEN TO ELEVEN Hans Richter, der Visionär Timothy B. Benson über den radikalen Modernisten 06. 10. 2014
TEN TO ELEVEN Der Club der grauen Männer Dr. Julia Laura Rischbieter : wer oder was reguliert die Finanzmärkte? 13. 10. 2014
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Videographie
TEN TO ELEVEN Das Gold der Skythen Hermann Parzinger über ein sagenhaftes Reitervolk in der Antike 20. 10. 2014
TEN TO ELEVEN Was heißt verlässlich? Dirk Baecker über Treue und Charakter in der Wirtschaft 27. 10. 2014
TEN TO ELEVEN Die Macht im Cyberraum SPIEGEL-Korrespondent Holger Stark über die Datenschwemme der NSA 03. 11. 2014
TEN TO ELEVEN Der Teufel gründet eine Stadt Alice Gavin über John Miltons PARADISE LOST und James Joyce 10. 11. 2014
TEN TO ELEVEN Eine Kanone namens Bertha Helge Schneider betreut eine deutsche Wunderwaffe 17. 11. 2014
TEN TO ELEVEN Der Einbruch der Philosophie in die Oper Sylvain Cambreling über Richard Wagners »Tristan und Isolde« an der Staatsoper Stuttgart 24. 11. 2014
TEN TO ELEVEN Die Tochter des Pharao Kammersängerin Hannelore Hoger als AMNERIS in Verdis AIDA 01. 12. 2014
TEN TO ELEVEN Städte, die vom Himmel fielen Dr. Ingo Schrakamp über die Uruk-Zeit (etwa 3000 v. Chr.) 08. 12. 2014
TEN TO ELEVEN Vertrauen unter Kaufleuten Der September-Corner von 1888 im Hamburger Kaffee-Handel 15. 12. 2014
TEN TO ELEVEN Glaube in der modernen Welt Die Religionen in der Spannung zwischen »global« und »lokal« 22. 12. 2014
TEN TO ELEVEN Ich singe den Tell Michael Volle in der Titelpartie von Rossinis Oper 29. 12. 2014
News & Stories NEWS & STORIES Ich lass mir nicht in die Suppe spucken! Doppelsendung mit Helge Schneider als Suppentherapeut und in weiteren Rollen 05. 01. 2014
12. 01. 2014 AUSFALL
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Verzeichnis der Kulturmagazine 2014
19. 01. 2014 AUSFALL
NEWS & STORIES Meine Katze jungt stets auf einer schneeweißen Decke Starke Rollen für Hannelore Hoger (Doppelsendung) 26. 01. 2014
02. 02. 2014 AUSFALL
NEWS & STORIES Karl der Große Prof. Dr. Johannes Fried über den fernen Kaiser 09. 02. 2014
NEWS & STORIES Nachrichten vom Großen Krieg (1914–1918) »Kein Mensch hat gewusst, was dieser Krieg an Toten fordert!« 16. 02. 2014
NEWS & STORIES Macbeth Oper in 4 Akten von Giuseppe Verdi 23. 02. 2014
NEWS & STORIES Der Traum vom Sieg im Orient 1914/18 Alexander Will über geheime Dienste und Propaganda im deutsch-österreichischtürkischen Bündnis 02. 03. 2014
NEWS & STORIES Die Kunst der Niederlage Eine Geschichte der Kapitulation 09. 03. 2014
NEWS & STORIES Der Fliegende Holländer Sebastian Baumgarten inszeniert Wagners Werk in Bremen als »unheimliche Begegnung« 16. 03. 2014
NEWS & STORIES Max Weber Jörgen Kaubes Biografie eines ungewöhnlichen Gelehrten 23. 03. 2014
NEWS & STORIES Die Prinzessin, die aus der Küche kam Andrea Moses inszeniert Rossinis LA CENERENTOLA an der Staatsoper Stuttgart 30. 03. 2014
NEWS & STORIES »In Sachen Liebe …« Geschichten der Rechtsanwältin Sabine Thomas 06. 04. 2014
NEWS & STORIES 20. 04. 2014 AUSFALL Gewalt. Die dunkle Seite der Antike Althistoriker Prof. Dr. Martin Zimmermann berichtet 13. 04. 2014 NEWS & STORIES 30. April 1945 Der Tag, an dem Hitler starb und die Westbindung der Deutschen begann 27. 04. 2014
NEWS & STORIES »Früher wollte ich Nachrichtensprecher werden« Late-night show mit Helge Schneider 04. 05. 2014
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Videographie
NEWS & STORIES Die Raubsaurier von Pangäa Paläontologe Dr. Oliver Rauhut berichtet 11. 05. 2014
NEWS & STORIES Was ist ein Sklave? Prof. Dr. Michael Zeuske über die Globalgeschichte der Sklaverei 18. 05. 2014
NEWS & STORIES LA FORZA DEL DESTINO (Die Macht des Schicksals) Oper in 4 Akten von Giuseppe Verdi 25. 05. 2014
NEWS & STORIES MSC: Wieviel Krisen verträgt die Welt? Doppelsendung über Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) als politische Öffentlichkeit 01. 06. 2014
NEWS & STORIES In Ewigkeit CARMEN! 12 Variationen zum beliebtesten Opernthema der Welt (Doppelsendung) 15. 06. 2014
NEWS & STORIES Gehirne von Menschen und Vögeln Prof. Dr. Onur Güntürkün über die Evolution der Denkapparate 22. 06. 2014
NEWS & STORIES LA CLEMENZA DI TITO Mozart an der Bayerischen Staatsoper in München 29. 06. 2014
NEWS & STORIES Der gefährlichste Moment im Kalten Krieg Georg Schild über riskante Missverständnisse zwischen den Supermächten im Herbst 1983 06. 07. 2014
NEWS & STORIES Und all die bunten Blumen, die haben müden Tod … Helge Schneider im Krieg 13. 07. 2014
NEWS & STORIES FALSTAFF Oper in drei Akten von Giuseppe Verdi 20. 07. 2014
NEWS & STORIES Krieg ist ein Meister der Paradoxien Herfried Münkler über den Großen Krieg 1914–1918 27. 07. 2014
NEWS & STORIES Ein Vormittag mit Anselm Kiefer Gespräch im Atelier des Künstlers bei Paris 03. 08. 2014
NEWS & STORIES Vordenker der Vernichtung Götz Aly über die Planer der neuen europäischen Ordnung (1941–1943) 10. 08. 2014
NEWS & STORIES Ameisen (das »politische« Tier) Prof. Dr. Niels Werber : Das Narrativ von den sozialen Insekten 17. 08. 2014
NEWS & STORIES Ein Kerl wie Samt und Seide Peter Berling über den Charakterdarsteller des Jungen Deutschen Films Kurt Jürgens (Osnabrück) 24. 08. 2014
NEWS & STORIES Fürst Metternich Wolfram Siemann über den einzigartigen Artisten des politischen Gleichgewichts 31. 08. 2014
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Verzeichnis der Kulturmagazine 2014
NEWS & STORIES Schneewittchen Oper von Heinz Holliger nach einer Erzählung von Robert Walser 07. 09. 2014
NEWS & STORIES Rein Gold Elfriede Jelinek, Richard Wagner und die Finanzkrise 21. 09. 2014
NEWS & STORIES Die Mörderin des Zaren Liliana Kerns Biographie der Terroristin Sofja Perowskaja 28. 09. 2014
NEWS & STORIES Der Philosoph als fliegender Fisch Was heißt Aufklärung im 21. Jahrhundert? 05. 10. 2014
NEWS & STORIES Reuchlins unsterbliches Herz Mark Andres Oper WUNDERZAICHEN in Stuttgart 12. 10. 2014
NEWS & STORIES Idealtypus des Römers Martin Zimmermann über Signaturen berühmter Personen in der Antike 19. 10. 2014
NEWS & STORIES Evolution des Gewissens Eckart Voland: wie ist die Gewissensmoral in die Welt gekommen? 29. 10. 20141
NEWS & STORIES Die Gedächtnisprüfmaschine Dirk Baecker über die Soziologie des Gehirns 05. 11. 2014
NEWS & STORIES Die offene Stadt Richard Sennett: Welche Stadt passt zu ihren Menschen? 12. 11. 2014
NEWS & STORIES Diamonds, a girl’s best friends? Ulrike Sprenger über den Charme frühen Modeschmucks 26. 11. 2014
NEWS & STORIES Bernd Alois Zimmermanns »Die Soldaten« Ein einzigartiges Werk der Moderne 03. 12. 2014
NEWS & STORIES Das Kriminelle und die Balance Hans Leyendecker über Verlässlichkeit, Korruption und Charakter 10. 12. 2014
NEWS & STORIES Oh, Wonne voller Tücke! Richard Wagners TRISTAN UND ISOLDE an der Staatsoper Stuttgart 17. 12. 2014
1 Ab hier finden Ausstrahlungen mittwochs statt.
Autorinnen und Autoren
Jens Birkmeyer geb. 1957, Dr. phil, hat Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie studiert und über „Die Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss promoviert. Nach seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer ist er seit 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter für Literaturwissenschaft, Literatur- und Filmdidaktik (OStR. i. H.) am Germanistischen Institut der Universität Münster. Seine Arbeits- und Veröffentlichungsschwerpunkte: Literatur des 20. Jahrhunderts (bes. W. Benjamin, P. Weiss, R. Ausländer, E. Hilsenrath, A. Kluge), Literarische Repräsentationen des Holocaust, Bildungstheorie und Literaturdidaktik, Filmdidaktik und Visualität, Kritische Theorie und Kulturwissenschaft. Über Alexander Kluge hat er mehrere Aufsätze publiziert und das Sonderheft zu Alexander Kluge (Der Deutschunterricht 3 [2012]) mit herausgegeben. Andrew Bowie is Professor of Philosophy and German at Royal Holloway, University of London. He has published very widely on modern philosophy, music, and literature, and is a jazz saxophonist. His books are Aesthetics and Subjectivity: From Kant to Nietzsche (1990, 2003); Schelling and Modern European Philosophy ; F.W.J. von Schelling: »On the History of Modern Philosophy«; From Romanticism to Critical Theory : The Philosophy of German Literary Theory ; Manfred Frank: »The Subject and the Text«; F.D.E. Schleiermacher, ‘Hermeneutics and Criticism’ and Other Writings; Introduction to German Philosophy from Kant to Habermas; Music, Philosophy, and Modernity ; Philosophical Variations: Music as Philosophical Language; German Philosophy : AVery Short Introduction; and Adorno and the Ends of Philosophy. Martin Brady teaches in the German and Film Studies Departments at King’s College London (UK). He has published on film (Straub-Huillet, Haneke, Bresson, experimental film, literary adaptation, GDR documentary and children’s films, Wenders,
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Autorinnen und Autoren
Kafka films, Brechtian cinema, Heimat 3, Downfall, Seidl, Peter Nestler, slow cinema), music (Arnold Schönberg, Paul Dessau), philosophy (Adorno), literature (Celan, Handke, Jelinek), Jewish exile architects, the visual arts (Kiefer, Beuys), the portrayal of thalidomide, and foraging. He has translated Victor Klemperer’s LTI and Alexander Kluge’s Cinema Stories (with Helen Hughes), and works as a freelance translator and artist. Grégory Cormann holds a Ph.D. in philosophy and works as a researcher in the Department of Philosophy at the University of LiÀge where he also co-directs the Research Department »Mat¦rialit¦s de la politique«. In addition to numerous articles on French contemporary philosophy and anthropology (mainly Sartre, MerleauPonty, Bergson, Mauss and Freudian psychoanalysis) in books and journals like Les Temps Modernes, Genesis and Germanica, he has directed several collective works in phenomenology and political philosophy and is the editor of the Sartre Yearbook (L’Ann¦e sartrienne) since 2006. Together with Jeremy Hamers he has published articles on Kluge and Adorno (Cahiers du GRM, Cahiers d’Êtudes Germaniques a.o.). With C¦line Letawe, they have directed issue 69 (in press) of the journal Cahiers d’Êtudes Germaniques: Lecteurs/spectateurs d’Alexander Kluge. Cormann and Hamers are currently preparing a book on Kluge to be published in 2015 (Presses Universitaires de LiÀge). Philipp Ekardt studierte Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Berlin, Paris und an der Yale University (USA), wo er über Walter Benjamins Bildtheorie und Alexander Kluges Bildpraxis promovierte. Er war Mitarbeiter am Peter Szondi-Institut der FU Berlin; ehemals Chefredakteur und nun Editor-at-Large der Zeitschrift Texte zur Kunst; ist Kritiker und zurzeit Entsandter an die University of London, wo er über Kunst und Bildzirkulation um 1800, u. a. in Goethes Wahlverwandtschaften, forscht. Veröffentlichungen u. a. »Starry Skies and Frozen Lakes: Alexander Kluge’s Digital Constellations«; »Returns of the Archaic, Reserves for the Future: A Conversation with Alexander Kluge« (beide in: October 138 [Fall 2011]; sowie »Im Sog der Zeit. Ein Gespräch zwischen Joseph Vogl und Philipp Ekardt über Spekulation« (in: Texte zur Kunst 93 [März 2014]). Jeremy Hamers holds a Ph.D. in film studies and works as researcher in the Cinema Studies Department at the University of Liege. He has published articles on German cinema and the nonfictional representation of political violence in books and journals like Cahiers Louis-LumiÀre, Rethinking History, French Forum and Les Temps Modernes. With Geoffrey Geuens, he has directed issue 84 (2014) of the
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journal Quaderni: La radicalit¦ ouvriÀre en Europe. Acteurs, pratiques, discours. Together with Gr¦gory Cormann he has published articles on Kluge and Adorno (Cahiers du GRM, Cahiers d’Êtudes Germaniques a.o.). With C¦line Letawe, they have directed issue 69 (in press) of the journal Cahiers d’Êtudes Germaniques: Lecteurs/spectateurs d’Alexander Kluge. Hamers and Cormann are currently preparing a book on Kluge to be published in 2015 (Presses Universitaires de LiÀge). Wieland Hoban wurde 1978 in London geboren. Er studierte zunächst Musik und Germanistik an der Universität Bristol, wechselte aber zur Musikhochschule Frankfurt, um bei Isabel Mundry, Hans Zender und Gerhard Müller-Hornbach Komposition zu studieren. Seine Musik wird international aufgeführt. Neben der kompositorischen Arbeit ist er als freier Übersetzer tätig, vor allem von Texten in den Bereichen der Musik und Philosophie, z. B. mehreren Büchern von Theodor W. Adorno und Peter Sloterdijk, sowie von zahlreichen Aufsätzen für Sammelbände und Fachzeitschriften. Zudem hat er eigene Analysen und andere theoretische Schriften veröffentlicht. Er ist seit 2000 Dolmetscher bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt und seit 2011 auch bei den Donaueschinger Musiktagen. Helen Hughes teaches and researches in Film Studies at the University of Surrey (UK). She is the author of Green Documentary (Intellect, 2014), co-editor of Deutschland im Spiegel seiner Filme (CILT, 2000), and is a co-translator of Alexander Kluge’s Cinema Stories (2007) and History and Obstinacy (2014). She has written several book chapters and journal articles on German and Austrian cinema and literature, on environmental documentary, adaptation, and experimental film. She is currently working on an edited volume of essays entitled Documentary and Disability and a series of articles on environmental communication. Alexander Kluge geboren am 14. Februar 1932 in Halberstadt, besuchte dort und in Berlin das Gymnasium. Studium der Rechtswissenschaften, Geschichte und Kirchenmusik in Marburg und Frankfurt am Main; promovierte 1956 über die »UniversitätsSelbstverwaltung« zum Dr. jur. Er wurde juristischer Berater des Frankfurter Instituts für Sozialforschung und Vertrauter von Theodor W. Adorno. Nach einem Volontariat bei Fritz Lang 1958 arbeitete Kluge als Filmemacher und erhielt 1966 für Abschied von gestern als erster Deutscher nach dem Krieg den Silbernen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig. Ab 1962 trat Kluge mit Bänden wie Lebensläufe und Schlachtbeschreibung als Schriftsteller hervor. Le-
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sungen bei der »Gruppe 47«. Mit Oskar Negt verfasste er ein umfangreiches theoretisches Werk. Seit 1988 führt er das Konzept des »Kinos der Autoren« mit Kulturmagazinen im Privatfernsehen fort. Er erhielt zahlreiche Preise für sein Filmschaffen und seine Literatur, zuletzt den Georg-Büchner-Preis (2003), den Theodor-W.-Adorno-Preis (2009), den Adolf-Grimme-Preis (2010) und den Heinrich-Heine-Preis (2014). Lutz Koepnick is the Gertrude Conaway Vanderbilt Professor of German, Cinema and Media Arts at Vanderbilt University (Nashville/USA). Koepnick has published widely on film, media theory, visual culture, new media aesthetic, and intellectual history from the nineteenth to the twenty-first century. His most recent monographs include On Slowness: Toward an Aesthetic of the Contemporary (2014); Framing Attention: Windows on Modern German Culture (2007); The Dark Mirror: German Cinema between Hitler and Hollywood (2002); and Walter Benjamin and the Aesthetics of Power (1999). His current projects include Unframing the Long Take: Contemporary Art Cinema and the Wondrous, a book investigating the representation of time and duration in international art cinema and video art today. Richard Lambert III is a doctoral candidate in the Carolina-Duke Graduate Program in German Studies based at both University of North Carolina at Chapel Hill and Duke University (USA). He holds a Bachelor of Arts from the University of Pennsylvania in Germanic Languages and Literatures. His research interests include Austrian Literature, literary modernism, and critical theory. His dissertation examines the intersection of experience and language in the novels of late Viennese modernists. With the support of a Fulbright-Mach Award for Doctoral Candidates, he spent the 2014–15 academic year conducting dissertation research in Vienna, Austria. Kathrin Lämmle studierte Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim, wo sie mit einer Arbeit zu Alexander Kluges Fernsehen promovierte. Derzeit arbeitet sie als Projektleiterin bei einem Kurzfilmfestival, hat diverse Lehraufträge inne und fungiert als Clustermanagerin Filmbildung der Stadt Mannheim. Zuletzt erschien ihre Dissertation Televisuelle Intellektualität. Möglichkeitsräume in Alexander Kluges Fernseharbeiten (2013) auf deren Ergebnisse sich der hier veröffentlichte Artikel stützt sowie einen Artikel zur Rolle der Stimme in Alexander Kluges Fernsehformaten »Die Stimme aus dem Off. Zu
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Form und Funktion der Interviewerstimme in den Fernsehmagazinen Alexander Kluges« (2012). Richard Langston is Zachary Smith Distinguished Term Associate Professor of German literature at the University of North Carolina at Chapel Hill (USA). Author of Visions of Violence: German Avant-Gardes after Fascism (2008), he has also published widely on Alexander Kluge’s television, films, literature, and theory. He is also the lead translator of the revised English-language edition of Negt and Kluge’s Geschichte und Eigensinn entitled History and Obstinacy (2014). His forthcoming book on Negt and Kluge’s social philosophy and its relationship to Kluge’s film, literature and television work is entitled Dark Matter, In Defiance of Catastrophic Modernity. Dario Marchiori matre de conf¦rences en Histoire des formes filmiques l’Universit¦ LumiÀre Lyon 2 et programmateur, travaille sur le cin¦ma moderne, sur l’esth¦tique des m¦dias aussi bien que sur le cin¦ma direct, sur le film-essai et sur le cin¦ma exp¦rimental. Il a organis¦ le Colloque international »Expanded Cinema et arts m¦diatiques: quelles politiques du sensible?« et ¦dit¦ un recueil d’¦crits sur le cin¦ma d’Alexander Kluge aux Presses universitaires de Lyon, L’Utopie des sentiments: essais et histoires de cin¦ma. En 2015–2016, il est l’initiative du projet D¦bordements cin¦matographiques et organise un colloque autour de »L’exp¦rimentation documentaire«. Susanne Marten unterrichtet als Professeure agr¦g¦e d’allemand an der Universität Straßburg. Aufsätze zum filmischen und literarischen Werk Alexander Kluges, unter anderem über das Gerichtsdispositiv in Abschied von gestern. In Frankreich erschienen Essays über die Arbeit des Mythos in Deutschland im Herbst sowie über Wang Bings Tie Xi Qu (A l’Ouest des Rails). Vorträge wurden u. a. beim internationalen Symposium in Wien Die Frage des Zusammenhangs (2010) und in Clermont-Ferrand Alexander Kluge et la France (2012) gehalten. Ausgangspunkt mehrerer Aufsätze ist Kluges Die Lücke, die der Teufel läßt, z. B. in »Bilder von Krieg und Spiel« sowie im Text »Unterirdisch, außerirdisch. Paris, Juni 1940«, der 2014 im ersten Alexander Kluge-Jahrbuch erschienen ist. Matthew D. Miller is Assistant Professor of German at Colgate University (Hamilton/USA). He works on 20th-21st century German literature, theater, and film, critical and aesthetic theory and the Danube river. He has published articles on Alexander
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Kluge, Christian Petzold, the Danube in contemporary cinema and has co-edited a forthcoming anthology Watersheds: The Poetics and Politics of the Danube, which examines the river as an artery of economic, cultural and international exchanges in a diverse Europe. His book project Mauer, Migration, Maps: The German Epic in the Cold War traces the literary evolution of the modern epic in works by Peter Weiss, Uwe Johnson, and Alexander Kluge. Oskar Negt geboren 1934; Sozialphilosoph, studierte Soziologie und Philosophie in Frankfurt a.M. bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, 1962 Promotion mit einer Dissertation über den Gegensatz von Positivismus und Dialektik bei Hegel und Comte, von 1962 bis 1970 Assistent von Jürgen Habermas, 1970–2002 Professor für Soziologie an der Universität Hannover. Zuletzt erschienen: Nur noch Utopien sind realistisch. Politische Interventionen (2012), Gesellschaftsentwurf Europa. Plädoyer für ein gerechtes Gemeinwesen (2012), und Philosophie des Aufrechten Gangs. Streitschrift für eine neue Schule (2014). Mit Alexander Kluge erhielt er 2008 den »Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch« für ihr publizistisches Gesamtwerk. 2011 wurde sein Lebenswerk mit dem AugustBebel-Preis geehrt. Christopher Pavsek is Associate Professor of Film and Associate Director in the School for the Contemporary Arts at Simon Fraser University (Canada). He has written The Utopia of Film: Cinema and Its Futures in Godard, Kluge and Tahimik (2013) and has made several documentary films. Currently he is completing a documentary entitled The Iridium Anomaly about the ongoing mass extinction of species on earth. Paul Rabinow is Professor of Anthropology at the University of California at Berkeley (USA). His most recent books published with the University of Chicago Press include: Designs on the Contemporary, Anthropological Tests (with Anthony Stavrianakis) (2014); Demands of the Day: On the Logic of Anthropological Inquiry (with Anthony Stavrianakis) (2013); and Designing Human Practices: An Experiment with Synthetic Biology, (with Gaymon Bennett) (2012). He is currently assembling a book on Gerhard Richter. Winfried Siebers Dr. phil., geb. 1957, seit 2005 wiss. Mitarbeiter am Interdisziplinären Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Osnabrück. – Studium der Literatur- und Medienwissenschaft sowie der Geschichte in Osnabrück;
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Promotion 1998; Lehrtätigkeit an den Universitäten Osnabrück, Potsdam und Wien. – Publikationen u. a.: Kluges Fernsehen. Alexander Kluges Fernsehmagazine (hg. mit Chr. Schulte, 2002); Das 18. Jahrhundert. Zeitalter der Aufklärung (mit I.-M. D’Aprile, 2008); Aufsätze zur deutschen Literatur- und Kulturgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, darunter mehrere Artikel zu Alexander Kluge. Bert-Christoph Streckhardt ist Geisteswissenschaftler aus Weimar, als Volontär tätig für die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. Promoviert an der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen zu Alexander Kluge und dessen narrativer Fortsetzung der Kritischen Theorie. Promotionsstipendiat der Fazit-Stiftung und Suhrkamp-Stipendiat (DLA Marbach). Volontariat im Sachbuchlektorat von C.H.Beck, zuvor Hospitanzen bei orange-press und im Böhlau Verlag. Tätigkeiten als freier Lektor/ Korrektor. Freier wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kollegs Friedrich Nietzsche der Klassik Stiftung Weimar. Hier u. a. Konzeption/Organisation des philosophischen Festivals »Weimar denkt« mit Diskussionsrunden z. B. in Caf¦s, Galerien und im Kinosaal. Kurator für das Kinderprogramm zur »Langen Nacht der Museen« 2011 in Weimar. Auslandsaufenthalte in Moskau und Rennes. Beate Wiggen ist zuständig für die komplette Programmlogistik der Kulturmagazine (Planung, Dispo, Presse, Gema, Archiv) und die Öffentlichkeitsarbeit der dctp. Sie studierte Psychologie (B.A.) in den USA, machte erste Erfahrungen im Printbereich (Produktion, Anzeigenverkauf) in den USA und Hannover und war 1988 Frau der ersten Stunde im noch kleinen Düsseldorfer Büro der dctp. Neben ihrer Arbeit für Alexander Kluge engagiert sie sich seit vielen Jahren für moderne Kunst und Künstler aus Nepal und blogt zum Thema unter www.theartofencouraging.com. Gregory Williams is Associate Professor of contemporary and modern art history at Boston University (USA). He has written art criticism for periodicals, including Artforum, frieze, Art Journal, Parkett, and Texte zur Kunst, and has published essays on Martin Kippenberger, Imi Knoebel, Rosemarie Trockel, Cosima von Bonin, and Franz Erhard Walther. His book, Permission to Laugh: Humor and Politics in Contemporary German Art, was published by the University of Chicago Press in 2012.