Gesunde Menschen machen: Die deutsch-deutsche Geschichte der Gesundheitsaufklärung, 1945–1967 9783110664171, 9783110660104

Christian Sammer draws upon the East German Hygienics Museum and the West German Health Museum to examine media-based an

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German Pages 557 [558] Year 2020

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Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kapitel 1. Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums, 1945–1950
Kapitel 2. In die neuen sozialen Ordnungen überführen – Hygienische Volksbelehrung in West und Ost der 1950er Jahre
Kapitel 3. Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz: Beziehungen und Abgrenzungen im Systemkonflikt, 1950–1959
Kapitel 4. Kritik, Krise und Reformvorschläge: Der Niedergang der hygienischen Volksbelehrung, 1956–1962
Kapitel 5. Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung im Modus der Gesundheitserziehung, 1962–1967
Fazit: Die Entflechtung der hygienischen Volksbelehrung und die Modernitäten der Wissensvermittlung
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Auswahlbiografien
Quellen- und Literaturverzeichnis
Register
Ordnungssysteme
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Gesunde Menschen machen: Die deutsch-deutsche Geschichte der Gesundheitsaufklärung, 1945–1967
 9783110664171, 9783110660104

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Christian Sammer Gesunde Menschen machen

Ordnungssysteme

Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit Herausgegeben von Jörg Baberowski, Anselm Doering-Manteuffel, Florian Meinel und Lutz Raphael

Band 57

Christian Sammer

Gesunde Menschen machen Die deutsch-deutsche Geschichte der Gesundheitsaufklärung, 1945–1967

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein, der Axel Springer Stiftung sowie des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Zugleich Dissertation (Dr. phil.) an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld, 2018.

ISBN 978-3-11-066010-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-066417-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-066034-0 ISSN 2190-1813 Library of Congress Control Number: 2020939975 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Danksagung Das Beste daran, eine Dissertation zu verfassen, ist wohl nicht nur, dass man sich über eine lange Zeit in ein Thema versenken, manchmal auch versteigen kann. Genauso dankbar bin ich heute dafür, welchen Personen ich in dieser Zeit begegnete. Alle sind respektierte bis bewunderte Kollegen, viele von ihnen Freunde geworden. Für all diese darf man am Ende eines entbehrungsreichen Prozesses ein Denkmal errichten – dafür, mich und die Arbeit bis zur Einreichung an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld im November 2017 getragen, bei der Disputation im Februar 2018 beigestanden und anschließend dabei geholfen zu haben, einen rohen Stein nochmals umfassend zu schleifen. Hier sei zuerst Sybilla Nikolow und Willibald Steinmetz für die Übernahme der Gutachten gedankt sowie Thomas Welskopp und Bettina Brandt für ihre Mühen in der Disputation. Ein herzlicher Dank gilt auch Hans-Peter Müller, Thomas Mergel und Anke te Heesen für die Hilfe dabei, mich überhaupt so weit zu bringen, dass ich mich für Gutachten bedanken kann. Dem Vorstand der Stiftung Deutsches Hygiene-Museum, insbesondere Klaus Vogel und Gisela Staupe, wie auch Susanne Illmer und dem Team der Abteilung Sammlung, Susanne Roeßiger, Marion Schneider, Uta Krepper sowie den weiteren namentlich nicht genannten Mitarbeiter*innen bin ich für freundliche Obhut, ausdauernde Unterstützung und Abbildungsgenehmigungen zu großem Dank verpflichtet. Vertrauen, Zusprache oder hilfreiche Kritik fand ich auch bei Volker Roelcke, Hans-Jörg Rheinberger, Doris Kaufmann und Herbert Mehrtens – den weiteren Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats des von Sybilla Nikolow eingeworbenen und von der VW-Stiftung großzügig unterstützten Forschungsprojektes „Erkenne Dich Selbst“. Die Arbeitsgruppe „Deutsches Hygiene-Museum Dresden“  – Anna-Gesa Leuthardt, Thomas Steller, Lioba Thaut, Berit Bethke und Jan-Christoph Thon – hieß mich herzlich auf meiner ersten Station der Promotion willkommen und sorgte dafür, dass ich mich im doch recht existenten Bielefeld wohlfühlte und nun ein Anhänger mit dem Abdruck eines Ortsschildes „Bielefeld“ an meinem Schlüsselbund befestigt ist. Das Graduiertenkolleg „Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft“ des Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung, ganz persönlich Dana Mahr, Julia Schöningh, Malte Stöcken, Berthold Lampe und Tim Flink, umsorgte den Neu-Bielefelder herzlich. Die Bielefeld Graduate School in History and Sociology, allen voran Levke Harders, offerierte ein bereicherndes Forschungsumfeld  – Katharina Pohl und Hanna Acke die dazugehörige Unterkunft. Ihnen allen, und auch „Chez Anja“, sei gedankt. Die Möglichkeit, erste Ideen aus der Dissertation zu präsentieren, gaben mir die bereits genannten Personen und Institutionen, darüber hinaus auch Hartmut https://doi.org/10.1515/9783110664171-202

VI 

 Danksagung

Kaelble. Bei Uta Schwarz aus der BZgA fand ich Gehör und Interesse, bei Sebastian Weinert und Katharina Kreuder-Sonnen Freundschaft. Martin Lengwiler und Jeannette Madarász-Lebenhagen setzten mich auf die Gleise der Präventionsgeschichte oder lockten mich nach Mainz. Mit den dortigen Kolleg*innen  – Livia Prüll, Susanne Michl, Axel C. Hüntelmann, Claudia Buir, Christine Forcina sowie Johannes Mellein  – erlebte ich seltene, aber wenn dann immer gute Zeiten  – und verschlief fast eine Weltmeisterschaft. Den Münsteraner Kollegen will ich nicht nur für neue Perspektiven danken, sondern auch für ihr außerordentlich großes Verständnis dafür, dass intellektuelle Redlichkeit erzwingt, Anforderungen der projektförmigen „Modularisierung der Forschung“ bisweilen zu ignorieren: Lieber Georg, lieber David, lieber Ralf, herzlichen Dank für die Abstützung meines Verständnisses, dass eine marktförmige Steuerung der Wissenschaft sich verhält zu Innovation wie Wasser zum Feuer – es löscht. Daher sei an dieser Stelle auch Karen Nolte gedankt, nicht nur für ihr Verständnis, dass es manchmal länger dauert als gehofft, sondern auch für das neue akademische Zuhause, das sie mir zur Verfügung stellt. Ebenso schulde ich den Herausgebern der Reihe Ordnungssysteme, Lutz Raphael, Jörg Baberowski, Anselm Doering-Manteuffel und Florian Meinel, Dank dafür, dass sie meiner Arbeit einen Ort gegeben, den Druckkostenzuschussgebern, dass sie diesen finanziert, und Rabea Rittgerodt und Jana Fritsche, dass sie diesen umzäunt und gehegt haben. Ohne historisches Material wäre diese Arbeit ebenfalls unmöglich gewesen. Thomas Glad vom Defense Technical Information Center in Ft. Belvoir bewies mir, dass man manchmal einfach fragen muss; Philipp Osten bestätigte dies und Jonas Kühne bestärkte mich mit seiner herausragenden Masterarbeit zu den ERP-Ausstellungen des OMGUS, die er mir zur Verfügung stellte, nachhaltig in meinem Glauben an die Kooperation in der Wissenschaft. Aber auch an alle beteiligten Archivar*innen und Archivmitarbeiter*innen, die mir namentlich unbekannt blieben, soll ein Dankeschön gehen. Dieses Buch ist nicht nur mithilfe vieler Personen entstanden. Es wurde auch an vielen Orten in mehr als eine Tastatur gehackt. Ich denke an Schreibflächen in Berliner, Mainzer und Münsteraner Bibliotheken, in Büros in Rheinhessen, dem Münsterland und im Rhein-Neckar-Kreis. Ich erinnere mich an Groß- und Kleinraumabteile der Deutschen Bahn, an solche Schreibtische, an denen ich schon vor Jahrzehnten gesessen hatte – aber damals nur Flugzeuge abmalte – und an Arbeitsflächen mit sonnigen oder auch verhagelten Blicken aufs Grüne in Göttingen und Esh Winning. Vor allem an die letzten beiden denke ich gerne zurück. Ohne die Gastfreundschaft von Ludmilla Jordanova und Howard Nelson sowie von Christian Vogel und Lisa Peppler für den Schreibexilanten hätte ich wohl die Arbeit niemals fertiggestellt: Thank you very much – I kept my nose to the grindstone only with a tiny bit of dilly-dallying; vielen herzlichen Dank!

Danksagung 

 VII

Neben den bereits genannten Personen haben Vina Zielonka, Sylvia Rochow, Roxolana Bahrjanyj, Christoph Schmaus, Lydia Strauss, Silke Bittkow, Eve Hablick, Birgit Nemec und Matthias Müller Teile der Arbeit gelesen, manche sogar diese komplett. Sie haben das Manuskript in seinen unterschiedlichen Fassungen jeweils entscheidend verbessert. Vielen lieben Dank, ich kann und will mir keine Arbeit mehr ohne ihre Hilfe vorstellen. Das gilt auch für alle weiteren Menschen, die ich in dieser Liste vergessen habe aufzuführen. Ihr, meine Freunde, habt mit Nachsicht, Bier, Schnaps und Humor unheimlich geholfen. And last, and most important: Ohne meine Eltern wäre das Studieren und Promovieren nicht möglich gewesen – und ohne Christina hätte es keinen Sinn gemacht. Ich kann nicht behaupten, ich hätte das Buch für sie geschrieben. Aber, weil sie am meisten unter mir und dem Dritten litt, während es entstand, und zugleich am meisten half, kann das Buch nur ihr gewidmet sein. Aus der Heterotopie Homeoffice Frühling 2020

Inhaltsverzeichnis Danksagung 

 V

 1 Einleitung  Gesundheitsaufklärung zwischen Mündigkeit und Disziplin   1 Gesundheitsaufklärung und die deutsch-deutsche (Zeit-)Geschichte der Prävention   7 Museen der Hygiene/Gesundheit   23 Quellen und Vorgehen   30 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums, 1945–1950   35 1.1 Auferstanden aus Ruinen? Dresden und sein Hygiene-Museum  1.2 Köln und die Verdopplung des Hygiene-Museums   72 1.3 Zusammenfassung   87

 35

Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen überführen – Hygienische Volksbelehrung in West und Ost der 1950er Jahre   89 2.1 Mythos, Konzept und mediale Praxis der hygienischen Volksbelehrung   91 2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des Deutschen Gesundheits-Museums   103 2.3 Das Hygiene-Museum in Dresden zwischen eigener Tradition und sozialistischer Geschichtspolitik   162 2.4 Zusammenfassung – Vom Mythos Deutsches Hygiene-Museum   219 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz: Beziehungen und Abgrenzungen im Systemkonflikt, 1950–1959   223 3.1 Museen der Gesundheitsaufklärung durch die Brille der deutsch-deutschen Teilung   225 3.2 Ideologie und Wirtschaft: Abgrenzung und Annäherung auf dem gemeinsamen Lehrmittelmarkt   232 3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind   243 3.4 Zusammenfassung   270

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 Inhaltsverzeichnis

Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge: Der Niedergang der hygienischen Volksbelehrung, 1956–1962   273 4.1 Ausgangslage: Die Felder des öffentlichen Gesundheitswesens   274 4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen: Organisationale und präventive Unzulänglichkeiten   288 4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus   321 4.4 Zusammenfassung   359 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung im Modus der Gesundheitserziehung, 1962–1967   363 5.1 Von der Veränderbarkeit des Handelns in der Zeit der Planungseuphorie   363 5.2 Überlagerte Reform: Das Deutsche Hygiene-Museum wird Erziehungsund Lehrmittelanstalt   373 5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung: Vom Gesundheits-Museum zur Bundeszentrale   397 5.4 Zusammenfassung   427 Fazit Die Entflechtung der hygienischen Volksbelehrung und die Modernitäten der Wissensvermittlung   431 Rückblick   431 Schlussfolgerungen   438 Ausblick   443

Anhang Abbildungsverzeichnis 

 449

Abkürzungsverzeichnis 

 451

Auswahlbiografien 

 453

Inhaltsverzeichnis 

 465 Quellen- und Literaturverzeichnis  Unveröffentlichte Quellen und Sammlungsbestände  Veröffentlichte Quellen   472 Sekundärliteratur   487 Register 

 523

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Einleitung Gesundheitsaufklärung zwischen Mündigkeit und Disziplin Ende der 1960er Jahre, ein kleiner Seminarraum. Künstliches Licht beleuchtet einen adrett in grauen Dreiteiler gekleideten, großen und schlanken Mann um die 40 Jahre am Katheder. Seine Zuhörerschaft, 13 junge Frauen und Männer zwischen 20 und 30 Jahren, hat sich in die vier engen und hölzernen Hörsaalbankreihen gezwängt. Gespannt richten sie ihre Aufmerksamkeit auf den Vortragenden. Der Referent doziert über Geburtenkontrolle durch Empfängnisverhütung, ein „Problem“, das „uns Ärzten“, wie er sagt, am Herzen liege.1 Mit der Realität müsse man sich beschäftigen und dies bedeute unter anderem, dass einer Million Geburten jährlich eine Million Abtreibungen gegenüberstünden: „Eine erschreckend hohe Zahl, hinter der sich eine Fülle von Sorgen, Elend und menschlicher Not verbirgt.“2 Damit werde, so weiter, die Empfängnisverhütung eine Sache der Volksgesundheit und damit Auftrag der Medizin. Dabei sei es aber „einfach nicht wahr“, so der Arzt in zivil, dass Empfängnisverhütung und Geburtenregelung einer hemmungslosen Sexualität Raum geben müssen.“3 Jetzt ändert sich die Kameraeinstellung, der Arzt erscheint in einem frontalen Close-up und spricht direkt, einen Appell an die Gesellschaft explizierend, in die Kamera: Wir wollen eine gesunde Familie, die sich zum Kind bekennt. Aber gerade darum müssen wir auch den Eltern die freie Entscheidung überlassen, ob, wann und wie viele Kinder sie haben wollen.4

Viele Geschichten ließen sich erzählen anhand dieser knapp vier Minuten des ab 16 Jahren freigegebenen westdeutschen „Straßenfegers“ der Jahre 1967 und 1968 Helga – Vom Werden des menschlichen Lebens:5 eine Mediengeschichte der Bundesrepublik der 1960er Jahre, speziell des medizinischen Mediums des

1 Bender, Erich F.: Helga – Vom Werden des menschlichen Lebens, Rinco-Film, Düsseldorf, 1967, 30:24 min. 2 Ebd., 31:13–31:22 min. 3 Ebd., 33:41–34:02 min. 4 Ebd., 34:03–34:14 min. 5 Vgl. ausführlich zur mediengeschichtlichen „Biografie“ des Films: Schwarz, Uta: Helga (1967) West German Sex Education and the Cinema in the 1960s, in: Sauerteig, Lutz D. H./Davidson, Roger (Hrsg.): Shaping Sexual Knowledge. A Cultural History of Sex Education in Twentieth Century Europe, New York 2009, S. 197–213. Siehe ebenso: http://www.filmportal.de/film/helga_5cc0c8faef8f4dde9669c53910d5b7ce, 4.4.2020. https://doi.org/10.1515/9783110664171-001

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 Einleitung

Dokumentar(spiel)films oder des Beginns der „Sexfilmwelle“;6 eine Geschichte der Sexualaufklärung und der Empfängnisverhütung im Modus der wissenschaftsgestützten Beratung;7 eine Geschichte der öffentlichen Repräsentation der Vorstellungen der Ärzteschaft von sich selbst und von ihren Beziehungen zu ihren Patienten.8 Solche Geschichten sind bereits geschrieben worden und berühren die, welche ich im Folgenden erzähle, ja überlappen sich mit ihr. In ihrem Zentrum steht die Rekonstruktion der Art und Weise, wie zur Mitte des 20. Jahrhunderts in beiden deutschen Staaten Wissen über Gesundheit und Krankheit zirkulierte und wie Subjekte in Bezug auf ihre soziale Einbettung darin konzeptualisiert wurden.9

6 Vgl.  Iken, Katja: So bieder begann die Sexfilmwelle, 21.9.2017, https://www.spiegel.de/geschichte/aufklaerungsfilm-helga-wie-die-sexfilmwelle-1967-begann-a-1168669-amp.html, 6.4.2020. Vgl. medien- und wissenschaftssoziologisch zum „populären Wissenschaftsfilm“: Verdichio, Dirk: Das Publikum des Lebens. Zur Soziologie des populären Wissenschaftsfilms, Bielefeld 2010. Zur Geschichte des Mediums Film als Instrument einer medizinischen/hygienischen Wissenschaftspopularisierung exemplarisch: Cantor, David (Hrsg.): Cancer in the Twentieth Century. Special Issue Bulletin of the History of Medicine 81/1, Baltimore 2007; Ritzmann, Iris/ Schmutz, Hans-Konrad/Wolff, Eberhard (Hrsg.): Moving Images: Film in Medicine and Science – Medicine and Science in Film. Special Issue Gesnerus 66/1, Basel 2009; Ostherr, Kirsten: Empathy and Objectivity. Health Education through Corporate Publicity Films, in: Serlin, David (Hrsg.): Imagining Illness: Public Health and Visual Culture, Minneapolis, MN 2010, S. 62–82; Bonah, Christian/Laukötter, Anja (Hrsg.): Screening Diseases: Films on Sex Hygiene in Germany and France in the First Half of the 20th Century. Special Issue Gesnerus 72/1, Basel 2015; Bonah, Christian/Cantor, David/Laukötter, Anja (Hrsg.): Health Education Films in the Twentieth Century, Melton 2018; Borge, Jessica/Close-Koenig, Tricia/Schnädelbach, Sandra (Hrsg.): Broadcasting Health and Disease. Bodies, Markets and Television, 1950s–2000s. Special Issue Gesnerus 76/2, Basel 2019. 7 Vgl. Hohmann, Joachim S.: Geschichte, Ziele, Leistungen und Perspektiven der Sexuologie in der DDR, in: Hohmann, Joachim S. (Hrsg.): Sexuologie in der DDR, Berlin 1991, S. 9–50; Sauerteig, Lutz D. H./Davidson, Roger (Hrsg.): Shaping Sexual Knowledge. A Cultural History of Sex Education in Twentieth Century Europe, New  York 2009; Bänziger, Peter-Paul et al. (Hrsg.): Fragen Sie Dr. Sex! Ratgeberkommunikation und die mediale Konstruktion des Sexuellen, Berlin 2010; Wellmann, Annika: Beziehungssex. Medien und Beratung im 20. Jahrhundert, Köln u. Wien 2011; Laukötter, Anja: Medien der Sexualaufklärung, in: NTM 20/2012, S. 225–232. Zur Geschichte der Sexualität im 20. Jahrhundert grundlegend: Herzog, Dagmar: Die Politisierung der Lust. Sexualität in der deutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, München 2005. 8 Vgl.  knapp: Münch, Ragnhild/Lazardzig, Jan: Inszenierung von Einsicht und Überblick. Hygiene-Ausstellungen und Prävention, in: Stöckel, Sigrid/Walter, Ulla (Hrsg.): Prävention im 20.  Jahrhundert. Historische Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Deutschland, Weinheim u. München 2002, S. 78–95. 9 Zum Verständnis des Subjekts als Produkt historisch spezifischer Subjektivierungsformen pointiert: Reckwitz, Andreas: Auf dem Weg zu einer praxeologischen Analyse des Selbst, in: Eitler, Pascal/Elberfeld, Jens (Hrsg.): Zeitgeschichte des Selbst. Therapeutisierung – Politisierung –

Gesundheitsaufklärung zwischen Mündigkeit und Disziplin 

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In diesem Sinne steht der Ausschnitt aus Helga für die gesellschaftlichen Bemühungen um eine gesunde Lebensweise und für die Rolle der öffentlichen Wissenschaftskommunikation. Diese Bestrebungen rekurrieren auf eine Grundherausforderung: Bürger zu bilden, die „sich selbst kontrollieren, aber nicht […] nur die Anpassung an Außenerwartungen befriedigen“10, sondern auch Kompetenzen zur gesellschaftlichen Teilhabe entwickeln, die potenziell anders eingesetzt werden können als ursprünglich gedacht. Mit der damit bezweckten Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften geht aber notwendigerweise ein Grad an Unsicherheit einher. Die tendenzielle Unplanbarkeit der Zukunft bedingt eine abstrakte Offenheit der Bildungsziele. Diese bestehen im Kern darin, Bürger*innen zu befähigen, auf unvorhersehbare Herausforderungen kreativ zu reagieren und sich dabei sozialen Erwartungen gegenüber kritisch zu verhalten, diese rezeptiv umzuformen oder sich ihnen zu verweigern.11 Die Anleitung zur kreativen Selbstführung ist es, die in der beschriebenen Szene aus Helga in einem Setting ins Bild gesetzt wird, während im Namen der Wissenschaft Position zum Verhältnis zwischen Subjekt und Gesellschaft bezogen wird. All die filmisch mobilisierte Autorität der Wissenschaft zielt darauf, die Selbstbestimmung der zu dieser Zeit umstrittenen Praxis der Empfängnisverhütung zu ermöglichen  – und damit auch die Verantwortung dafür in die Hände der Zuhörerinnen zu legen. Das ist eine Umstellung gesellschaftlicher Regierung auf den Modus der (angeleiteten) Selbststeuerung, den die Forschung mit einer neoliberalen Ökonomisierung des Sozialen seit den 1970er Jahren, der „Geschichte nach dem Boom“, verbindet.12 Es ist aber zugleich der Versuch, durch eine bei Helga

Emotionalisierung, Bielefeld 2015, S. 31–45. Die Vokabel der Zirkulation signifiziert die beständige gesellschaftliche Bewegung von Wissen zwischen Produktion, Stabilisierung (z. B. durch Verdinglichung) und Adaption bzw. Rezeption, was Produktions- und Diffusionsmodelle überwinden soll. 10 Tenorth, Heinz-Elmar: Geschichte der Erziehung. Einführung in die Grundzüge ihrer neuzeitlichen Entwicklung, Weinheim u. München 2010 [1988], S. 387. 11 Zur Zeitgeschichte der Variante, durch wissenschaftsgestützte Prognostik die Offenheit der Zukunft zu reduzieren, diese planbar zu machen, siehe: Seefried, Elke: Zukünfte. Aufstieg und Krise der Zukunftsforschung 1945–1980, Berlin 2015; Hannig, Nicolai/Thießen, Malte (Hrsg.): Vorsorgen in der Moderne. Akteure, Räume und Praktiken, Berlin 2017. Um das Konzept der Zweigeschlechtlichkeit auch sprachlich zu hinterfragen, verwende ich in dieser Arbeit für die Bezeichnung von Personengruppen, die männliche und weibliche Form sowie das „Gendersternchen“ willkürlich. 12 Vgl.  exemplarisch aus kultursoziologischer Perspektive: Bröckling, Ulrich/Krasman, Susanne/Lemke, Thomas (Hrsg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen, Frankfurt a. M. 2000; Bröckling, Ulrich: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt a. M. 2007; Ders.: Gute Hirten führen sanft. Über Menschenregierungskünste, Berlin 2017 und als zeithistorische Charakterisierung:

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 Einleitung

ambivalent gebrochene Wissenschaftsbelehrung13 zur Ermächtigung über den Reproduktionskörper zu befähigen.14 Die Sorge um sich und das jeweilige Bezugskollektiv – Gemeinschaft, Volk, Nation – hatte historisch tief reichende Wurzeln. Spätestens mit der Hygienisierung der Diätetik im 19. Jahrhundert hat sie bürgerliche Selbstvergewisserungs-, Abgrenzungs- und soziale Missionierungsbemühungen maßgeblich geprägt, den Körper politisiert und den Vorsorgestaat mit entstehen lassen.15 Möglichkeit und soziale Erwartung einer „gesunde[n] Lebensführung der Einzelnen im Hinblick auf die Wohlfahrt des Ganzen“16 war wesentlicher Bestandteil der Vorstellung eines bürgerlichen Subjekts geworden. Aus einem inneren Antrieb heraus sollte dieses sein Leben entsprechend der als gesund und richtig definierten (und internalisierten) Kriterien selbstkontrolliert führen.17 Das Ideal der Doering-Manteuffel, Anselm/Raphael, Lutz: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008. 13 Vgl.  zum Modus der „wissenschaftsautoritativen Belehrung“: Benner, Dietrich/Brüggen, Friedhelm: Geschichte der Pädagogik. Vom Beginn der Neuzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 2011, S. 317. 14 Zum Begriff des Reproduktionskörpers: Planert, Ute: Der dreifache Körper des Volkes. Sexualität, Biopolitik und die Wissenschaft vom Leben, in: Geschichte und Gesellschaft 26/2000, S. 539–576. 15 Vgl.  Sarasin, Philipp: Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765–1914, Frankfurt  a.  M. 2001; Möhring, Maren: Marmorleiber. Körperbildung in der deutschen Nacktkultur (1890–1930), Köln u. a. 2004, S. 262–283; als Überblicke über Ansätze und Ergebnisse der Körpergeschichte: Lorenz, Maren: Leibhaftige Vergangenheit. Einführung in die Körpergeschichte, Tübingen 2000; Siemens, Daniel: Von Marmorleibern und Maschinenmenschen. Neue Literatur zur Körpergeschichte in Deutschland zwischen 1900 und 1936, in: Archiv für Sozialgeschichte 47/2007, S. 639–682. Zum Vorsorgestaat: Ewald, François: Der Vorsorgestaat, Frankfurt a. M. 1993 [1986]; zur „inneren Kolonisierung der Lebenswelt“ der Unterschichten im Namen der Hygiene: Frevert, Ute: Krankheit als politisches Problem 1770–1880. Soziale Unterschichten in Preußen zwischen medizinischer Polizei und staatlicher Sozialversicherung, Göttingen 1984; aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive: Dies.: „Fürsorgliche Belagerung“. Hygienebewegung und Arbeiterfrauen im 19. und frühen 20.  Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 11/1985, S. 420–446. 16 Helmstetter, Rudolf: Der stumme Doktor als guter Hirte. Zur Genealogie der Sexualratgeber, in: Bänziger, Peter-Paul/Duttweiler, Stefanie/Sarasin, Philipp/Wellmann, Annika (Hrsg.): Fragen Sie Dr. Sex! Ratgeberkommunikation und die mediale Konstruktion des Sexuellen, Berlin 2010, S. 58–93, S. 71. 17 Zum Begriff der Lebensführung, der auf Max Webers religionssoziologischen Arbeiten beruht: Müller, Hans-Peter/Sigmund, Steffen (Hrsg.): Max-Weber-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung, Stuttgart  u.  Weimar 2014,  S.  84–87; in sozialhistorischer Anwendung auf die „longue durée“ des gesellschaftlichen Umgangs mit Gesundheit und Krankheit: Labisch, Alfons: Homo Hygienicus. Gesundheit und Medizin in der Neuzeit, Frankfurt  a.  M.  u.  New  York 1992. Siehe hierzu auch maßgeblich Norbert Elias’ These der zunehmenden Selbstkontrolle bedingt durch

Gesundheitsaufklärung zwischen Mündigkeit und Disziplin 

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bürgerlichen Lebensführung, der auf Selbsterkenntnis fußenden, disziplinierten Selbstüberwachung und -regulation, ging nicht zuletzt mit verschiedenen Bemühungen zur Krankheitsprävention einher, die auf eine Veränderung des Verhaltens der Einzelnen abzielten. Als Ergebnis dieser Bemühungen kann die Gesundheitsaufklärung und als eine wichtige Instanz dieser das 1913 in Dresden gegründete Deutsche Hygiene-Museum (DHM) gelten.18 Anhand dieser Organisation und ihres seit 1949 bestehenden westdeutschen Pendants, des Deutschen Gesundheits-Museums (DGM), untersuche ich die deutsch-deutsche Geschichte des Praxisfelds der Gesundheitsaufklärung.19 Organisationen verstehe ich hierbei als bewusst geschaffene soziale Gebilde mit informellen und formellen Abläufen sowie repräsentativen gesellschaftlichen Schauseiten, mit Zwecken, Mitgliedern, Hierarchien und einer relativen Autonomie über interne Entscheidungen. Am Hygiene- und Gesundheitsmuseum werde ich die strukturierte, strukturierende und verflochtene Gesamtheit von Akteuren, Praktiken, Wissensordnungen und Artefakten der Gesundheitsaufklärung in beiden deutschen Staaten zwischen 1945 und 1967 rekonstruieren und auf die Vorstellungen von Körpern, Gesundheit und Krankheit hin befragen, die in diesem Feld zirkulierten und über ihre Popularisierung anverwandlungsfähig gemacht wurden.20 die Verdichtung wechselseitiger gesellschaftlicher Abhängigkeiten: Elias, Norbert: Über den Prozess der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Bd. 2: Wandlungen der Gesellschaft. Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation, Frankfurt a. M. 1997, S. 323–444. 18 Zur Gründung und der 1913 verabschiedeten Satzung des Vereins für das National-HygieneMuseum Dresden siehe: Steller, Thomas: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern. Das Deutsche Hygiene-Museum 1912–1930, 2014, http://d-nb.info/1070371769/34, 16.9.2019, S. 52–94, insbesondere S. 81 f. 19 Vgl.  zum Begriff der Organisation pointiert: Kühl, Stefan: Organisationen. Eine sehr kurze Einführung, Wiesbaden 2011, S. 9–22, 89–157. Der Begriff des Praxisfelds folgt dem des Sozialen Feldes Pierre Bourdieus als strukturierter und strukturierender Raum sozialer Differenzen und Konflikte, zusammengehalten durch das Feldinteresse der Aufklärung über Gesundheitsgefahren, in dem seine Mitglieder entsprechend feldspezifischer Logiken, Regeln, Ressourcen, Dispositionen und Wahrnehmungsschemata um Distinktion und Positionierung ringen. Der Fokus liegt jedoch weniger auf Prozessen der Distinktion und Differenzierung als auf den Praktiken des Feldes. Vgl.  knapp: Bourdieu, Pierre/Wacquant, Loïc: Die Ziele der reflexiven Soziologie. Chicago-Seminar, Winter 1987, in: Dies.: Reflexive Anthropologie, Frankfurt  a.  M. 1996,  S.  95– 250, S. 124–147. 20 Vgl.  konzeptuell zur Gesundheitsaufklärung als Praxis des biopolitischen Regierens auf Basis der Freiheit der Einzelnen und auf die Gesundheit der Bevölkerung gerichtet: Gastaldo, Denise: Is Health Education Good for You? Re-thinking Health Education through the Concept of Bio-Power, in: Petersen, Alan/Bunton, Robin (Hrsg.): Foucault, Health and Medicine, New York 1997, S. 113–133; zum Konzept der Biopolitik: Foucault, Michel: Vorlesung vom 17. März 1976, in: Foucault, Michel: In Verteidigung der Gesellschaft. Vorlesungen am Collége de France (1975–76), Frankfurt a. M. 1999 [1996], S. 276–305; Ders.: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1,

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 Einleitung

Der geschäftsführende Direktor, Georg Seiring (1883–1972), steuerte das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden zwischen 1916 und 1947 durch Krieg, Inflation und Nationalsozialismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er das Deutsche Gesundheits-Museum in Köln auf, das ebenfalls dem Organisationsmodell eines selbstständigen Vereinsmuseums folgte, welches von staatlichen Stellen getragen und beeinflusst wurde. Nach der Gründung der beiden deutschen Staaten stand dem „Deutschen Hygiene-Museum. Zentralinstitut für medizinische Aufklärung“ im Osten das „Deutsche Gesundheits-Museum. Zentralinstitut für Gesundheitsaufklärung“ im Westen gegenüber. Aus Letzterem ging 1967 schließlich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als Bundesbehörde hervor – die Behörde, die Helga in Auftrag gab, Regisseur und Produzenten beriet und sie mit den gezeigten Modellen und Präparaten, also den Wissensobjekten versorgte.21 Damit waren bis zum Ende der 1960er Jahre in beiden deutschen Staaten zwei Behörden im Geschäftsbereich der jeweiligen Gesundheitsministerien entstanden, die sich gegenseitig genau beobachteten. Die beiden Einrichtungen rangen um Prestige und Absatzmöglichkeiten ihrer in hauseigenen Werkstätten hergestellten Lehr- und Unterrichtsmittel. Und sie rezipierten internationale Entwicklungen, insbesondere solche der Mediengestaltung und Produktionsrationalisierung sowie der Methodik und Zielausrichtung der Gesundheitsaufklärung.22 Die beiden Einrichtungen waren damit nicht nur gesellschaftliche Forschungseinrichtungen und Relais der Gesundheitskommunikation sowie spezielle Wissenschaftsmuseen. Sie waren auch Entwicklungsund Produktionsbetriebe für anatomische Lehr- und Unterrichtsmaterialien. Die als Wissensgeschichte angelegte Untersuchung folgt den Organisationen. Denn an ihnen und ihren Praktiken lässt sich zeigen, wie sprachliche, visuelle und dingliche Repräsentationen – konstruierte und sinnstiftende Sichtbarmachungen, Bezeichnungen, Artefakte – von Gesundheit und Krankheit ausgehandelt und mit

Frankfurt a. M. 1983, S. 129–153; Ders.: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Geschichte der Gouvernementalität I. Vorlesung am Collège de France 1977–1978, Frankfurt a. M. 2006. Zur Rezeption des Konzepts exemplarisch: Jones, Colin/Porter, Roy (Hrsg.): Reassessing Foucault. Power, Medicine and the Body, London u. New York 1994; die Beiträge in: Martschukat, Jürgen (Hrsg.): Geschichte schreiben mit Foucault, Frankfurt  a.  M. 2002; Möhring, Maren: Die Regierung der Körper. „Gouvernementalität“ und „Techniken des Selbst“, 2006, http://www.zeithistorischeforschungen.de/16126041-Moehring-2-2006, 4.4.2020. 21 Zum Begriff des Wissensobjekts als Artefakte mit Bedeutungszuschreibungen im Ausstellungskontext der Wissensvermittlung vgl. Jordanova, Ludmilla: Objects of Knowledge: A Historical Perspective on Museums, in: Vergo, Peter (Hrsg.): The New Museology, London 1989, S. 22–40. 22 Vgl.  ausführlich: Sammer, Christian: Gesundheitserziehung – die Ver(sozial)wissenschaftlichung der Gesundheitsaufklärung in den 1950er und 1960er Jahren, in: NTM 27/2019, S. 1–38.

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einem materiellen Träger verschmolzen (medialisiert) wurden.23 Wie wandelten sich Konzepte, Methoden und Medien der Gesundheitsaufklärung und ihrer zentralen Organisationen im Rahmen einer deutsch-deutschen Parallel- und Beziehungsgeschichte? Die Untersuchung erstreckt sich dabei, mit vereinzelten Rückgriffen, auf den Zeitraum von 1945 bis 1967. Sie reicht damit bis zu dem Jahr, in dem Helga die Ambivalenz der wissenschaftsgestützten Belehrung zur Mündigkeit sinnfällig machte und in dem das Deutsche Gesundheits-Museum von einer staatlich geförderten gesellschaftlichen Einrichtung zu einer rein staatlichen Instanz der Gesundheitsaufklärung wurde.

Gesundheitsaufklärung und die deutsch-deutsche (Zeit-)Geschichte der Prävention Diese Studie zielt auf eine Historisierung der Gesundheitsaufklärung. Unter Gesundheitsaufklärung fasse ich ein vielfältiges Set an Praktiken, mit denen Wissen über die Anatomie und Physiologie menschlicher Körper sowie die Bedingungen von Gesundheit und Krankheit popularisiert wird, um eine gesunde Lebensführung zu fördern. Vorrangig ist Gesundheitsaufklärung damit eine sich in historisch variablen Modi vollziehende Technologie der Prävention, die bestimmte Zukunftsszenarien verhüten will, indem sie auf die Beeinflussung des Subjekts und seines Handelns abzielt – eine Technologie der Verhaltensprävention.24

23 Zum Konzept der Repräsentation exemplarisch: Hall, Stuart: The Work of Representation, in: Hall, Stuart (Hrsg.): Representation. Cultural Representations and Signifying Practices, London u. a. 1997, S. 13–74, S. 17–30; aus bildwissenschaftlicher Perspektive: Mitchell, W. J. T.: Vier Grundbegriffe der Bildwissenschaft, in: Sachs-Hombach, Klaus (Hrsg.): Bildtheorien. Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn, Frankfurt  a.  M. 2009,  S.  319–327; in der Wissenschaftsgeschichte: Rheinberger, Hans-Jörg/Wahrig-Schmidt, Bettina/Hagner, Michael (Hrsg.): Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur, Berlin 1997. Zur sozialen Konstruktion von Gesundheit einschlägig: Lachmund, Jens/Stollberg, Gunnar (Hrsg.): The Social Construction of Illness. Illness and Medical Knowledge, Stuttgart 1992; Rosenberg, Charles E./ Golden, Janet Lynne (Hrsg.): Framing Disease. Studies in Cultural History, New Brunswick, NJ 1992. Zur Perspektive einer Wissensgeschichte siehe: Sarasin, Philipp: Was ist Wissensgeschichte?, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 36/2011, S. 159–172. 24 Vgl. Bröckling, Ulrich: Vorbeugen ist besser … Zur Soziologie der Prävention, in: Behemoth. A Journal on Civilisation 1/2008, S. 38–48, S. 38–42; zur Geschichte der Präventionskonzepte in Bezug zu den jeweiligen Gesellschaftsentwürfen: Leanza, Matthias: Die Zeit der Prävention. Eine Geneaologie, Weilerswist 2017; zur Begriffsunterscheidung anhand der Interventionsebene von Verhalten oder Verhältnissen (Verhaltens- und Verhältnisprävention): Rosenbrock, Rolf/Gerlinger, Thomas: Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung, Bern 2004, S. 57–65.

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Gesundheitsaufklärung verwende ich in diesem Sinne als Terminus technicus und somit als zeitneutralen Begriff, um mit ihm einen Aspekt der jüngsten Geschichte der Prävention in Deutschland zu untersuchen und die Wandlungen seiner Ausformung sichtbar zu machen.25 Als gesellschaftliche Unternehmung der vorausschauenden und fürsorglichen Selbstverbesserung ist Gesundheitsaufklärung ein Projekt der Moderne. Als Teil der Gesundheitsfürsorge stand sie spätestens um 1900 im Kontext einer staatlich organisierten Verantwortlichkeit für die Bevölkerungsgesundheit (Gesundheitspflege) und der entsprechend informierenden Disziplin der „Sozialen Hygiene“ als Teilbereich der Gesundheitswissenschaft Hygiene.26 Durch Vermittlung von gesichertem Wissen bezweckte sie eine gesunde Lebensführung zu erreichen, indem sie darauf baute und baut, Evidenz durch die sprachliche, bildhafte und dingliche Visualisierung von Wissen zu erzielen – im Sinne der Annahme, dass aus Wissen Handeln folge.27 Diese Popularisierung von Wissen bedingte wiederum, dass ihre Visualisierungen flexibel und robust sein mussten, das heißt durch bestimmte Techniken und Stile Bedeutung fixierten und zugleich die kommunikative Anschlussfähigkeit gewährleisteten. Gesundheitsaufklärung machte und macht Wissen um den Körper, um Gesundheit und um Krankheit verständlich und hat damals wie 25 Vgl.  zur begriffsgeschichtlichen Abgrenzung von Aufklärung (Implikation einer Selbstbefreiung durch Selbsterkenntnis), Bildung (Emphase der Selbstentfaltung und Entwicklung von Selbstreflexivität) und Pädagogik (Beschäftigung mit Erziehungs- und Bildungsfragen): Roessler, Wilhelm: Pädagogik, in: Brunner, Otto/Conze, Eckart/Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 4: Mi– Pre, Stuttgart 1978, S. 623–649, S. 623–626, 646 f.; Vierhaus, Rudolf: Bildung, in: Brunner, Otto/ Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1: A–D, Stuttgart 1972, S. 508–551, S. 511; Stuke, Horst: Aufklärung, in: Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1: A–D, Stuttgart 1972, S. 243–342. 26 Vgl. Dietrich, E.: Die Organisation der Gesundheitsfürsorge, in: Gottstein, Adolf/Schlossmann, Arthur/Teleky, Ludwig (Hrsg.): Handbuch der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge, Bd. 1: Grundlagen und Methoden, Berlin 1925, S. 401–438, S. 401. 27 Vgl.  exemplarisch zur Visualisierung von Wissen über Gesundheit und Krankheit: Löwy, Ilana/Krige, John (Hrsg.): Images of Disease. Science, Public Policy and Health in Post-War Europe, Luxembourg 2001; Serlin, David (Hrsg.): Imagining Illness: Public Health and Visual Culture, Minneapolis, MN 2010; zu Bildern in der Wissenschaftsgeschichte: Pauwels, Luc (Hrsg.): Visual Cultures of Science. Rethinking Representational Practices in Knowledge Building and Science Communication, Lebanon 2006; Nikolow, Sybilla/Bluma, Lars: Die Zirkulation der Bilder zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Ein historiographischer Essay, in: Hüppauf, Bernd/ Weingart, Peter (Hrsg.): Frosch und Frankenstein. Bilder als Medium der Popularisierung von Wissenschaft, Bielefeld 2009,  S.  45–78; Gugerli, David/Orland, Barbara (Hrsg.): Ganz normale Bilder. Historische Beiträge zur visuellen Herstellung von Selbstverständlichkeit, Zürich 2002.

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heute Rückkopplungseffekte auf die Wissensproduktion selbst.28 Gesundheitsaufklärung popularisierte zwischen dem unhinterfragten Wert der Gesundheit, dem Bedürfnis nach Gesundheit, dem wissenschaftlichen Geltungsstreben und der politischen Fürsorgevergewisserung biologisches und hygienisches Wissen und trug vor allem zur Ordnung des letzteren bei, indem sie geteilte Bilder- und Vorstellungswelten produzierte. Ihre vermittelten Verständnisallianzen führten zu einer wechselseitigen Mobilisierung von Ressourcen im Gefüge von (Gesundheits-)Politik, der Medienlandschaft, der Wissenschaft und der Gesellschaft.29 Hierbei überschnitten sich Ordnungen – sinnstiftende Vorstellungen, Muster oder Systeme eines systematisch gegliederten und funktionalen Zustands – politische, gesellschaftliche und solche des Wissens.30 Gesundheitsaufklärung ist daher eine politische Angelegenheit, die Auseinandersetzungen um gesundheitliche Sinnzuschreibungen und Geltungsbehauptungen durchzieht. Sie machte darüber hinaus Körper sichtbar, differenzierbar, bewertbar, vergleichbar. Sie trug zur normalisierenden Normierung und Ordnung der Körper bei.31 Die Präsentation hergestellter statistischer Kurvenlandschaften

28 Vgl. zum Konzept und der Geschichte der Popularisierung als dialogisches Modell der Wissenschaftskommunikation in einem Kontinuum aus Öffentlichkeit und Wissenschaft, als wechselseitige Beziehung zwischen Wissensproduktion, -distribution und -nutzung zusammenfassend: Nikolow, Sybilla: Wissenschaft, Öffentlichkeit und die Rolle der Medien: Problematik, Konzepte und Forschungsfragen, in: Brandt, Sebastian/Klein, Christa-Irene/Kopp, Nadine/Paletschek, Sylvia/Prüll, Livia/Schütze, Olaf (Hrsg.): Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit in Westdeutschland (1945 bis ca. 1970), Stuttgart 2014, S. 39–57, und an mehreren historischen Fallstudien expliziert: Nikolow, Sybilla/Schirrmacher, Arne (Hrsg.): Wissenschaft und Öffentlichkeit als Ressourcen füreinander. Studien zur Wissenschaftsgeschichte im 20.  Jahrhundert, Frankfurt a. M. u. New York 2007. 29 Vgl. zum Konzept, die Interdependenzen von Politik und Wissenschaft als Verhältnis einer gegenseitigen Mobilisierung breitester „Ressourcen füreinander“ zu verstehen: Ash, Mitchell G.: Wissenschaft und Politik als Ressourcen für einander, in: Bruch, Rüdiger vom/Kaderus, Brigitte (Hrsg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik – Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 32–51. Analoge Fallstudien finden sich in: Berridge, Virginia (Hrsg.): Making Health Policy. Networks in Research and Policy after 1945, Amsterdam 2005. 30 Vgl.  zu den Komposita des Begriffs Ordnung in der (Ideen- und Sozialgeschichte der) Moderne exemplarisch: Raphael, Lutz: Ordnungsmuster und Selbstbeschreibungen europäischer Gesellschaften im 20. Jahrhundert, in: Raphael, Lutz (Hrsg.): Theorien und Experimente der Moderne. Europas Gesellschaften im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2012, S. 9–20; Etzemüller, Thomas: Social Engineering, Version 2.0, 2017, https://docupedia.de/zg/Etzemueller_social_engineering_ v2_de_2017, 13.4.2020. 31 Vgl. dazu das Konzept des Normalismus, in dem Jürgen Link den Zusammenhang von Normalität, Norm und Normativität systematisiert und periodisiert. Dabei, so Link, wird die Bestimmung der Norm aus der Normalität durch die Verfeinerung der Diagnosetechniken zunehmend

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dient(e) beispielsweise als ein entsprechendes Instrument, um einen differenzierten Gesellschaftskörper durch das Zusammenziehen einzelner Daten aus der Beobachtung von Individuen hinsichtlich bestimmter Variablen (zum Beispiel Erkrankungen und ihrer Betroffenengruppen) sicht- und wahrnehmbar zu machen.32 Die öffentliche Zurschaustellung von Nachbildungen von durch Geschlechtskrankheiten veränderten Körperoberflächen aus Wachs versinnbildlichte die Vermengung von kollektiver und individueller Ordnung sowie deren mögliche Auflösung zwischen medizinischer Aufklärung, dem bürgerlichen Idealsubjekt, dem Kitzel sexueller Begierde und einer Regierung des Sexes mithilfe der Angst: „Lust und Abschreckung, Sensation und Gesundheitserziehung, Panoptikum und Wissenschaft sind untrennbar verbunden.“33 Heute nun versteht man unter Gesundheitsaufklärung den „zielgruppenorientierten Einsatz der Massenmedien im Rahmen von Aufklärungskampagnen“,34 bettet diesen ein in ein multimediales Konzept der Gesundheitskommunikation, dessen Wirkung und Rezeption evaluativ beforscht werden soll. Die unmittelbare Vorgeschichte eines solchen aktuellen Verständnisses der Gesundheitsaufklärung zu beschreiben, ist Inhalt meiner Untersuchung. Durch ihre Historisierungsarbeit soll die Studie auch dazu beitragen, die These einer Subjektivierung der Präventionsverantwortung und -praxen vor allem im letzten Drittel des 20.  Jahrhunderts zu diskutieren, die seit Martin

flexibler und dynamischer. Vgl.  Link, Jürgen: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, Opladen 1997; und für einen kritischen Kommentar aus Perspektive der Wissenschaftgeschichte: Mehrtens, Herbert: Kontrolltechnik Normalisierung. Einführende Überlegungen, in: Sohn, Werner/Mehrtens, Herbert (Hrsg.): Normalität und Abweichung. Studien zur Theorie und Geschichte der Normalisierungsgesellschaft, Opladen 1999, S. 45–64. 32 Vgl.  Nikolow, Sybilla: Der statistische Blick auf Krankheit und Gesundheit. ›Kurvenlandschaften‹ in Gesundheitsausstellungen am Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland, in: Gerhard, Uta/Link, Jürgen/Schulte-Holtey, Ernst (Hrsg.): Infografiken, Medien, Normalisierung: Zur Kartografie politisch-sozialer Landschaften, Heidelberg 2001, S. 223–241. 33 Sauerteig, Lutz D. H.: Lust und Abschreckung. Moulagen in der Geschlechtskrankheitenaufklärung, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 11/1992, S. 87–104, S. 98. Vgl. ebenso: Ders.: Krankheit, Sexualität, Gesellschaft. Geschlechtskrankheiten und Gesundheitspolitik in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999, S. 187–280; Meyer-Hermann, Eva (Hrsg.): Blicke! Körper! Sensationen! Ein anatomisches Wachskabinett und die Kunst, Göttingen 2014; Steller, Thomas: Seuchenwissen als Exponat und Argument. Ausstellungen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten des Deutschen Hygiene-Museums in den 1920er Jahren, in: Thießen, Malte (Hrsg.): Infiziertes Europa. Seuchen im langen 20.  Jahrhundert, Berlin 2014,  S.  94–114; für die longue durée: Jordanova, Ludmilla: Sexual Visions. Images of Gender in Science and Medicine between the Eighteenth and Twentieth Centuries, New York u. a. 1989. 34 Jazbinsek, Dietmar: Gesundheitskommunikation. Erkundungen eines Forschungsfeldes, in: Jazbinsek, Dietmar (Hrsg.): Gesundheitskommunikation, Wiesbaden 2000, S. 11–31, S. 15.

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Lengwilers und Jeannette Madarász-Lebenhagens gleichnamigem Sammelband mit dem Schlagwort des „präventiven Selbst“ verbunden ist.35 Ein subjektiviertes Präventionsregime sei in dieser Zeit hegemonial geworden, in dem, getragen von der Obsession der Leistung und der Institution des Wettbewerbs, die Selbstvermessung, -gestaltung und -optimierung des Subjekts sowohl proliferiert als auch von diesem abverlangt werde, ohne ihm Deutungshoheit zuzugestehen.36 Genese und Etablierung eines solchen Regimes lassen sich aber nicht von der Geschichte des Sozialstaates und der wissenschaftlichen Expertise sowohl seiner Organisierung als auch der Orientierung der Subjekte trennen. Die unmittelbare Vorgeschichte dieser Präventionsordnung führt in die Zeit der Planungseuphorie, als die Verwissenschaftlichungsexperten des Sozialen mit systemanalytischkybernetischen Steuerungsmodellen und einem technokratischen Glauben an den wissenschaftsgestützten Fortschritt den Sozialstaat zur Bewältigung der selbst konzeptualisierten Risiken starkmachten.37 Doch schnell offenbarten sich in der Wissensgesellschaft die Grenzen der Gestaltbarkeit des Sozialen: Es zeigte sich, dass mit den neuen Methoden, Experten und Erkenntnissen viel weniger effektiv geplant und gesteuert werden konnte als vorher angenommen. Ökonomische Imperative der Kosteneinsparungen setzten in den Jahren der Stagflation den Wohlfahrtsstaat unter Druck.38 Und auch die korporatistischen Eigenlogiken 35 Vgl.  Lengwiler, Martin/Madarász, Jeannette (Hrsg.): Das präventive Selbst. Eine Kulturgeschichte moderner Gesundheitspolitik, Bielefeld 2010. 36 Vgl.  grundlegend: Rose, Nikolas: The Politics of Life Itself, in: Theory, Culture & Society 18/2001, S. 1–30; jüngst: Martschukat, Jürgen: Das Zeitalter der Fitness. Wie der Körper zum Zeichen für Erfolg und Leistung wurde, Frankfurt a. M. 2019; zur Differenzierung von Deutungshoheit und Verantwortung am Beispiel der Diabetestherapie: Falk, Oliver: Der Patient als epistemische Größe. Praktisches Wissen und Selbsttechniken in der Diabetestherapie 1922–1960, in: Medizinhistorisches Journal 53/2018, S. 36–58. Zur Geschichte der Leistung in der Moderne: Verheyen, Nina: Die Erfindung der Leistung, Hamburg 2018. 37 Vgl.  zur Verwissenschaftlichung des Sozialen, verstanden als zunehmende Beschreibung gesellschaftlicher Probleme und deren Lösungsentwürfe durch (sozial)wissenschaftliche Experten: Raphael, Lutz: Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als methodische und konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20.  Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesellschaft 22/1996,  S.  165–193. Zur Planungseuphorie der 1960er siehe: Metzler, Gabriele: „Geborgenheit und gesicherter Fortschritt“. Das Jahrzehnt von Planbarkeit und Machbarkeit, in: Frese, Matthias/Paulus, Julia/Teppe, Karl (Hrsg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn 2003, S. 777–797; Kaelble, Hartmut: Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat. Europa 1945–1989, München 2011, S. 111–113, 136 f.; Laak, Dirk van: Planung, Planbarkeit und Planungseuphorie, Version 1.0, 2010, https:// docupedia.de/zg/Planung, 10.9.2019; und zur neueren Historiografie der Kybernetik: Stadler, Max: Die Kybernetik hört nicht auf, in: NTM 27/2019, S. 79–93. 38 Vgl. exemplarisch und auf die Geschichte des Gesundheitswesens bezogen: Vincenti, Aurelio/Igl, Gerhard: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit und im Pflegefall, in: Geyer,

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der Sozialversicherungen begrenzten die Reichweite ihrer Verwissenschaftlichung.39 Dennoch erreichte in den 1960er Jahren die wohlfahrtsstaatliche Verantwortung für die Sorge um die Gesundheit der Bürger*innen einen Höhepunkt – und mit der Gründung der BZgA in der Bundesrepublik ihren Ausdruck in Form eines nunmehr rein staatlichen Kollektivakteurs auf dem Praxisfeld der Gesundheitsaufklärung. Gleichwohl machen auch sozial- und medizinhistorische Arbeiten eine Subjektivierung von Präventionshandeln in der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte aus.40 Grosso modo betonen sie zu Recht den appellativen Charakter der medialisierten verhaltenspräventiven Botschaften zur Verhütung von

Martin H. (Hrsg.): Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6: 1974–1982. Bundesrepublik Deutschland. Neue Herausforderungen, wachsende Unsicherheiten, Baden-Baden 2008,  S.  515–564; Wasem, Jürgen/Mill, Doris/Wilhelm, Jürgen: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit und im Pflegefall, in: Boyer, Christoph/Henke, Klaus-Dietmar/Skyba, Peter (Hrsg.): Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 10: 1971–1989. Deutsche Demokratische Republik. Bewegung in der Sozialpolitik, Erstarrung und Niedergang, Baden-Baden 2008,  S.  363–415. Ein extensiver Forschungsüberblick der historischen Wohlfahrtsstaatsforschung findet sich bei: Rudloff, Wilfried: Im Souterrain des Sozialstaates: Neuere Forschungen zur Geschichte von Fürsorge und Wohlfahrtspflege im 20. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte 42/2002, S. 474–520. 39 Vgl. Lengwiler, Martin: Konjunkturen und Krisen in der Verwissenschaftlichung der Sozialpolitik im 20. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte 50/2010, S. 47–68, S. 63–68. Zur „Wissensgesellschaft“ als analytischer und zugleich Quellenbegriff: Szöllösi-Janze, Margit: Wissensgesellschaft – ein neues Konzept zur Erschließung der deutsch-deutschen Zeitgeschichte?, in: Hockerts, Hans Günter (Hrsg.): Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-WestKonflikts, München 2004,  S.  277–305; Dies.: Wissensgesellschaft in Deutschland. Überlegungen zur Neubestimmung der deutschen Zeitgeschichte über Verwissenschaftlichungsprozesse, in: Geschichte und Gesellschaft 30/2004, S. 277–313; Reinecke, Christiane: Wissensgesellschaft und Informationsgesellschaft, Version 1.0, 2010, https://docupedia.de/zg/Wissensgesellschaft, 10.9.2019. 40 Vgl. Schenk et al. (Hrsg.): Zeitgeschichte der Vorsorge, Potsdam 2013; am Beispiel des Impfens in der longue durée: Wolff, Eberhard: Einschneidende Maßnahmen. Pockenschutzimpfung und traditionale Gesellschaft im Württemberg des frühen 19.  Jahrhunderts, Stuttgart 1998; Thießen, Malte: Immunisierte Gesellschaft. Impfen in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2017; mit einem (geschlechtergeschichtlichen) Blick auf die Anverwandlung von Präventionsangeboten in der DDR beziehungsweise der Bundesrepublik: Linek, Jenny: Gesundheitsvorsorge in der DDR zwischen Propaganda und Praxis, Stuttgart 2016; Linek, Jenny/Pfütsch, Pierre: Geschlechterleitbilder in der Gesundheitsaufklärung im deutschdeutschen Vergleich (1949–1990), in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 34/2016, S. 73–110; Madarász-Lebenhagen, Jeannette: Medico-Politics of Gendered Health. The Case of Cardiovascular Prevention in East and West Germany, 1949–1990, in: Social History of Medicine 28/2015,  S.  869–888; Pfütsch, Pierre: Das Geschlecht des „präventiven Selbst“. Prävention und Gesundheitsförderung in der Bundesrepublik Deutschland aus geschlechterspezifischer

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Erkrankungen vor allem des Herz-Kreislauf-Systems.41 Die Subjektivierung der Prävention an solchen Krankheitsformen festzumachen ist nicht zuletzt durch die epidemiologische Epistemologie der Risikofaktoren plausibel. Sie begann sich in der Nachkriegszeit durchzusetzen und trug dazu bei, dass diese Erkrankungen mithilfe stochastischer Techniken als chronische identifiziert wurden, also als kumulierte Effekte riskanten Handelns und individueller, biomedizinischer Kennziffern.42 Eine solche Konzeption des Risikohandelns revitalisierte das verhaltenspräventive, liberale und bildungsbürgerliche Modell einer Selbstverantwortung der Prävention aus dem 19.  Jahrhundert und wertete eine auf Verhaltensmodifikation abzielende Gesundheitsaufklärung generell als mögliche Option der Verhütung auf. Denn im Modell der Risikofaktoren wurden diese Erkrankungen eine Frage des individuellen Verhaltens. Der Reduktionismus des Risikofaktorenkonzepts – die fehlende soziale Situierung der vorrangig biomedizinisch definierten Risikofaktoren, deren Wechselwirkung darüber hinaus übersehen worden sei – wurde auch in historischen Rückblicken aus den Gesundheitswissenschaften beklagt: Ein biomedizinisches Paradigma des Gesundheits- und Krankheitsgeschehens habe sich nach 1945 in der Prävention zulasten einer sozialmedizinischen Deutung der pathologischen Perspektive (1949–2010), Stuttgart 2017; Hähner-Rombach, Sylvelyn (Hrsg.): Geschichte der Prävention. Akteure, Praktiken, Instrumente, Stuttgart 2015. 41 Vgl. Offermann, Stefan: Socialist Responsibilization. The Government of Risk Factors for Cardiovascular Diseases in the German Democratic Republic in the 1970s, in: Rethinking History 23/2019, S. 210–232; Ders.: „Now even Television is Promoting Health?“. On the Intertwined History of Television and Cardiovascular Disease Prevention in the German Democratic Republic, 1950–1970s, in: Gesnerus 76/2019, S. 247–278. 42 Vgl.  zur Geschichte des Status chronischer Erkrankungen: Weisz, George: Chronic Disease in the Twentieth Century. A History, Baltimore, MD 2014; zum „Framing“ speziell der HerzKreislauf-Erkrankungen: Aronowitz, Robert A.: Making Sense of Illness. Science, Society and Disease, Cambridge 1998,  S.  111–144; zum Modell der Risikofaktoren: Rothstein, William G.: Public Health and the Risk Factor. A History of an Uneven Medical Revolution, Rochester, NY 2008; Giroux, Elodie: The Framingham Study and the Constitution of a Restrictive Concept of Risk Factor, in: Social History of Medicine 26/2012,  S.  94–112; Aronowitz, Robert Alan: Risky Medicine. Our Quest to Cure Fear and Uncertainty, Chicago 2015, S. 69–93; Parascandola, Mark: Epidemiology in Transition: Tobacco and Lung Cancer in the 1950s, in: Jorland, Gérard/Opinel, Annick/Weisz, George (Hrsg.): Body Counts. Medical Quantification in Historical and Sociological Perspective, Montréal 2005, S. 226–248, S. 236 f.; und zur Rezeption des Modells in beiden deutschen Staaten: Timmermann, Carsten: Risikofaktoren: Der scheinbar unaufhaltsame Erfolg eines Ansatzes aus der amerikanischen Epidemiologie in der deutschen Nachkriegsmedizin, in: Lengwiler, Martin/Madarász, Jeannette (Hrsg.): Das präventive Selbst. Eine Kulturgeschichte moderner Gesundheitspolitik, Bielefeld 2010, S. 251–277; Gausemeier, Bernd: Von konditionierten Ratten und gestressten Werktätigen. Rudolf Baumann und der Stress- und Umweltdiskurs in der DDR, in: NTM 27/2019, S. 311–341.

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Wirkung von Lebensverhältnissen durchgesetzt. Und das gelte sowohl für die Bundesrepublik als auch für die DDR trotz der anfänglichen sozialhygienischen Renaissance im staatlichen Gesundheitswesen des sozialistischen Deutschlands.43 In der Praxis seien entweder physiologische Kennziffern (beispielsweise die Risikofaktoren der Hypertonie, der Fettleibigkeit und eines hohen Cholesterinspiegels) registriert und (medikamentös) manipuliert worden. Oder es sei mithilfe von Gesundheitsaufklärung und -erziehung an ein gesundheitsbewusstes Verhalten appelliert worden. Für den Zeitgenossen und ehemaligen Direktor des Instituts für Sozialmedizin (und Epidemiologie) der Humboldt-Universität zu Berlin zwischen 1990 und 1995, Jens-Uwe Niehoff, zeigte sich in der Präventionspolitik der DDR ein rapider Legitimationsverlust des sozialistischen Staates: Die politisch bestimmte Unmöglichkeit, gesellschaftlichen Wandel in der Präventionspolitik lebensnah zu spiegeln, habe dieser in den 1970er und 80er Jahren die nötige Flexibilität, die für ihr Wirken notwendige Bindung an das Alltagserleben der Angesprochenen und gesundheitswissenschaftliche Innovativität geraubt.44 Dies wog umso schwerer, als die Subjektivierung der Prävention in den 1970er Jahren nochmals im Zusammenhang der Medizinkritik hinterfragt worden sei (was in der DDR nicht nachvollzogen wurde). Soziale und ökologische Faktoren sowie Ungleichheit von Krankheit und Gesundheit seien wieder thematisiert worden. Unter dem Begriff der Gesundheitsförderung seien Präventionsmaßnahmen eingefordert worden, die auf der Basis einer sozialen Situierung des Handelns auf Gemeindeebene ansetzten, die Lebenswirklichkeiten der Menschen 43 Vgl. exemplarisch: Elkeles, Thomas et al. (Hrsg.): Prävention und Prophylaxe. Theorie und Praxis eines gesundheitspolitischen Grundmotivs in zwei deutschen Staaten 1949–1990, Berlin 1991; Niehoff, Jens-Uwe: „Sozialismus ist die beste Prophylaxe“? Anmerkungen zum Präventionsdiskurs in der DDR, in: Roeßiger, Susanne/Merk, Heidrun (Hrsg.): Hauptsache gesund! Gesundheitsaufklärung zwischen Disziplinierung und Emanzipation, Marburg 1998,  S.  180–201; Ders.: Leitbilder der Prävention seit den 1970er Jahren, in: Stöckel, Sigrid/Walter, Ulla (Hrsg.): Prävention im 20. Jahrhundert. Historische Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Deutschland, Weinheim u. München 2002, S. 218–230. Die sozialhygienischen Anfänge der Präventionspolitik in der DDR betonen: Baader, Gerhard: Von der Sozialen Medizin und Hygiene über die Rassenhygiene zur Sozialmedizin (BRD)/Sozialhygiene (DDR), in: Schagen, Udo/Schleiermacher, Sabine (Hrsg.): 100 Jahre Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland, Berlin 2005,  S.  1–36; Schleiermacher, Sabine: Prävention und Prophylaxe in BRD und DDR. Eine gesundheitspolitische Leitidee im Kontext verschiedener politischer Systeme, in: Schagen, Udo/ Schleiermacher, Sabine (Hrsg.): 100 Jahre Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland, Berlin 2005, S. 1–7. 44 Vgl.  Niehoff, Jens-Uwe/Röding Torsten: Steuerung und Regulierung von Prävention in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Elkeles, Thomas/Rosenbrock, Rolf/Ewert, Günter/ Abolz, Heinz-Harald (Hrsg.): Prävention und Prophylaxe. Theorie und Praxis eines gesundheitspolitischen Grundmotivs in zwei deutschen Staaten 1949–1990, Berlin 1991, S. 159–167.

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beachteten und deren Gesundheitsressourcen fördern sollten.45 Aus der Kritik am Risikofaktorenmodell habe sich in den 1970er und 80er Jahren ein „Paradigmenwechsel“ vollzogen: Biomedizinisch orientierte Gesundheitserziehung als Verhaltensformung mit dem erhobenen Zeigefinger habe sich unter dem Einfluss psychologischer und soziologischer Modelle, die das Krankheitsgeschehen als sozial bestimmtes verstanden und präventive Interventionen demzufolge im sozialen Setting ansetzten, grundlegend gewandelt. Es habe sich schließlich das sozialökologisch inspirierte Konzept der Salutogenese herausgebildet, demzufolge gesundheitsförderliche Lebenswelten zu bestärken sind, ausgehend von der Annahme, dass Gesundheit keine biomedizinische Ausgangslage, sondern eine soziale Leistung sei. Dieses Paradigma fand sein Label im Begriff des New Public Health, einer auf Gesundheit fokussierenden Gesundheitspolitik und eines entsprechend orientierten öffentlichen Gesundheitswesens.46 In den historischen Reflexionen der Gesundheitswissenschaftler*innen wird demnach ein Narrativ der unverschuldeten Unterlegenheit gegenüber einer für sozialstrukturelle Ursachen von Krankheit und ungleicher Gesundheit blinden Perspektive entfaltet.47 Wenngleich diese Erzählung mit dem Fluchtpunkt des New Public Health vor allem eine identitätsstiftende Traditionsarbeit leistet, bereichert sie auch die Zeitgeschichte der Prävention an einem Punkt: Die Subjektivierung der Prävention der 1970er Jahre ging offenbar mit einer Gegenbewegung der gesundheitswissenschaftlichen Konzeptarbeit und Medizinkritik parallel, in der menschliches Verhalten psychologisch, sozialpsychologisch und soziologisch informiert als sozial bestimmt interpretiert wurde – Gesundheitshandeln wurde 45 Vgl. exemplarisch: Franzkowiak, Peter/Sabo, Peter (Hrsg.): Dokumente der Gesundheitsförderung. Internationale und nationale Dokumente und Grundlagentexte zur Entwicklung der Gesundheitsförderung im Wortlaut mit Kommentierung, Mainz 1993, S. 11–17; Ruckstuhl, Brigitte: Gesundheitsförderung. Entwicklungsgeschichte einer neuen Public-Health-Perspektive, Weinheim u. München 2011. 46 Zum Begriff Public Health: Hurrelmann, Klaus/Laaser, Ulrich/Razum, Oliver: Entwicklung und Perspektiven der Gesundheitswissenschaften in Deutschland, in: Hurrelmann, Klaus/Laaser, Ulrich/Razum, Oliver (Hrsg.): Handbuch Gesundheitswissenschaften, Weinheim 2006, S. 11–46. Historische Fallstudien in dieser Perspektive finden sich in: Stöckel, Sigrid/Walter, Ulla (Hrsg.): Prävention im 20. Jahrhundert. Historische Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Deutschland, Weinheim u. München 2002. 47 Vgl. exemplarisch: Kühn, Hagen/Rosenbrock, Rolf: Präventionspolitik und Gesundheitswissenschaften. Eine Problemskizze, in: Rosenbrock, Rolf/Kühn, Hagen/Köhler, Barbara Maria (Hrsg.): Präventionspolitik. Gesellschaftliche Strategien der Gesundheitssicherung, Berlin 1994, S. 29–53; Rosenbrock, Rolf: Gesundheitspolitik, in: Hurrelmann, Klaus/Laaser, Ulrich (Hrsg.): Handbuch Gesundheitswissenschaften. Neuausgabe, Weinheim  u.  München 1998,  S.  707–751, und jünger bspw.: Paul, Bettina/Schmidt-Semisch, Henning (Hrsg.): Risiko Gesundheit. Über Risiken und Nebenwirkungen der Gesundheitsgesellschaft, Wiesbaden 2010.

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somit selbst als soziales Handeln verstanden. Dementsprechend hatte eine Verhaltensprävention als Gesundheitsaufklärung eine soziale Kommunikation zu werden, die sich an Personen und Zielgruppen wendete, deren Handeln mit seinen sozialen Kontexten als interdependent gedacht wurde.48 Mochten chronische Erkrankungen als Krankheiten des Verhaltens gedeutet werden, so musste dies nicht gleichbedeutend sein mit einem Mangel an Disziplin und Willen, wie dies Martin Lengwiler im Präventionsregime der USA erkennt, wobei er die Relevanz bevölkerungsgesundheitlicher Überlegungen sowie gesundheitspolitische Effekte des Verbraucherschutzes unterschätzt.49 Das Risiko chronischer Erkrankungen wurde durchaus als sozial geprägt gesehen. Gesundheitsaufklärung bestand nicht nur aus moralisierenden Appellen, sondern auch aus einer differenzierten sozialund kommunikationswissenschaftlichen Praxis mit durch sozialwissenschaftliche Expertisen vermittelten Rückkopplungsschleifen. Die Subjektivierung der Prävention stand also in zwei weiteren Zusammenhängen, die sie konturierten, bisweilen ihr auch zuwiderliefen: die synchrone Aufwertung einer staatlichen Verantwortung für die Gesundheitsaufklärung sowie die Revitalisierung einer Perspektive auf Krankheit, Gesundheit und menschliches Handeln als sozial bedingt. Zwischen den Arbeiten zur Zeitgeschichte der Prävention und dem historischen Rückblick der Gesundheitswissenschaften tut sich demnach eine sowohl zeitlich-räumliche als auch konzeptuelle Forschungslücke auf: Erstens bleibt der Zeitraum der Nachkriegszeit bis zu den 1970er Jahren, der erklärten Radikalisierung einer Subjektivierung der Prävention, Terra incognita. In der gesundheitswissenschaftlichen Identitätsarbeit wird beispielsweise zwischen der „Verfassung der Weltgesundheitsorganisation“ 1946 und der „Resolution der 30. Weltgesundheitsversammlung“ 1977 kein einziges historisches Begründungsdokument aufgelistet. Verhaltensprävention wird generell aufseiten des biomedizinischen Paradigmas verortet, in dem ein als riskant beurteiltes Verhalten des Einzelnen zur Ursache von Krankheit und Gesundheit erklärt wurde und einen moralisierenden Appell zur Verhaltensänderung speiste.50 Zweitens fehlt eine

48 Vgl.  Niehoff, Jens-Uwe: Anmerkungen zu präventionskonzeptionellen Diskussionen in der DDR, in: Argument 31/1999, S. 103–127; Walter, Ulla/Stöckel, Sigrid: Prävention und ihre Gestaltung vom Kaiserreich bis zur Jahrtausendwende. Zusammenfassung und Ausblick, in: Stöckel, Sigrid/Walter, Ulla (Hrsg.): Prävention im 20. Jahrhundert. Historische Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Deutschland, Weinheim u. München 2002, S. 273–299. 49 Vgl.  Lengwiler, Martin: Risikowahrnehmung und Zivilisationskritik: Kulturgeschichtliche Perspektiven auf das Gesundheitswesen der USA, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 10/2013, S. 479–490, S. 488 ff. 50 Vgl.  Franzkowiak/Sabo: Dokumente der Gesundheitsförderung I; Franzkowiak, Peter/ Luetkens, Christian/Sabo, Peter: Dokumente der Gesundheitsförderung II.  Internationale und

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analytische Durchdringung der zeitgenössischen Relationen und Wechselbeziehungen des Geflechts, in das Gesundheitsaufklärung eingewoben ist – zwischen Gesundheits‐ und Gesellschaftspolitik, dem System der medizinischen Versorgung, gesellschaftlichen Selbstbeobachtungen und Idealen sowie Auseinandersetzungen um die Wahrheitsgeltungen von Deutungen des Krankheitsgeschehens. Ferner fehlen Arbeiten, die kleinteilig und mit der Annahme der prinzipiellen Symmetrie politischer, wissenschaftlicher, sozialer, finanzieller, personeller, materieller oder auch apparativer Ressourcen Gesundheitsaufklärung als Repräsentierung von Gesundheitsvorstellungen untersuchen und diese zugleich als Symbolisierung individueller und körperlicher Ordnungsvorstellungen verstehen. Und zuletzt fehlen Versuche, die Praxis der Gesundheitsaufklärung in den (Infra-)Strukturen des Felds der Gesundheitsaufklärung zu situieren und diese vergleichend und beziehungsgeschichtlich in Relation zu umgebenden und überschneidenden Feldern und Systemen zu setzen.51 Anhand der Aufklärung über die Gesundheitsgefahren des Rauchens haben Virginia Berridge für den britischen und Luc Berlivet für den französischen Nationalstaatskontext eine solche Lücke gefüllt, indem sie die Aufwertung der Gesundheitsaufklärung als staatliche Strategie der Verhaltensprävention auf Basis einer Epistemologie des Risikos von Verhaltenskrankheiten sowie ihre mediale und konzeptionelle Modernisierung elaborierten.52 Für den deutschen Fall, insbesondere für den deutsch-deutschen Kontext, fehlt dies jedoch nahezu vollständig. Das überrascht zweifach: angesichts der Nachkriegszeit als Scharnier zwischen klassischer Moderne, Nationalsozialismus und Postmoderne allgemein sowie nationale Dokumente und Grundlagentexte zur Entwicklung der Gesundheitsförderung von 1992 bis 2013, Mainz 2013. 51 Vgl. zu den Potenzialen einer dermaßen vorgehenden Kulturgeschichte der Medizin in der Nachkriegszeit: Hofer, Hans-Georg/Sauerteig, Lutz D. H.: Perspektiven einer Kulturgeschichte der Medizin, in: Medizinhistorisches Journal 42/2007, S. 105–141. 52 Vgl. insbesondere: Berridge, Virginia/Loughlin, Kelly (Hrsg.): Medicine, the Market and the Mass Media. Producing Health in the Twentieth Century, London u. New York 2005; Berridge, Virginia: Marketing Health. Smoking and the Discourse of Public Health in Britain, 1945–2000, Oxford u. New York 2007; Dies.: Medizin, Public Health und die Medien in Großbritannien von 1950 bis 1980, in: Lengwiler, Martin/Madarász, Jeannette (Hrsg.): Das präventive Selbst. Eine Kulturgeschichte moderner Gesundheitspolitik, Bielefeld 2010,  S.  205–228; Berlivet, Luc: Uneasy Prevention. The Problematic Modernisation of Health Education in France after 1975, in: Berridge, Virginia/Loughlin, Kelly (Hrsg.): Medicine, the Market and the Mass Media. Producing Health in the Twentieth Century, London u. New York 2005, S. 95–122; Ders.: Information is not good enough: The Transformation of Health Education in France in the late 1970s, in: Journal of Epidemiology and Community Health 62/2008, S. 7–10. Vgl. hierzu ebenso: Sammer, Christian: Die „Modernisierung“ der Gesundheitsaufklärung in beiden deutschen Staaten zwischen 1949 und 1975. Das Beispiel Rauchen, in: Medizinhistorisches Journal 50/2015, S. 249–294.

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als unmittelbare Vorgeschichte der Subjektivierung der Prävention speziell; und angesichts der gemeinsamen Herkunft der Gesundheitsaufklärung und ihrer Entwicklung in zwei unterschiedlichen politischen Systemen. Wie politische Ordnungsvorstellungen und ihre konsequent unterschiedlichen Politiken die jeweiligen Praktiken der Gesundheitsaufklärung prägten, lässt sich in ihrer Gegenüberstellung konturieren, wobei aufgrund der gemeinsamen Geschichte und Öffentlichkeiten trotz der unterschiedlichen Blockeinbindungen auf Transferprozesse zu achten ist.53 Dabei folge ich nicht dem normativen Konzept einer bürgerlichen Öffentlichkeit als Sphäre der räsonierenden Legitimierung eines repräsentativen politischen Systems, sondern einem, das Öffentlichkeiten als gleichzeitig und nebeneinander bestehende Kommunikationsräume versteht.54 Christoph Kleßmann prägte für die vielfältige deutsch-deutsche Bezogenheit die Vokabel der „asymmetrisch verflochtenen Parallelgeschichte“.55 Diese Perspektive baut auf den Annahmen auf, dass gemeinsame Bezugspunkte in der Tradition und in institutionellen Arrangements beider deutscher Staaten

53 Vgl. Kaelble, Hartmut: Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. u. New York 1999; zur Debatte um die Dynamisierungs-, und Transnationalisierungsfähigkeit des historischen Vergleichs: Werner, Michael/Zimmermann, Bénédicte: Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28/2002,  S.  607–636; Kaelble, Hartmut: Die Debatte über Vergleich und Transfer und was jetzt?, 2005, http://hsozkult.geschichte.huberlin.de/forum/id=574&type=artikel, 10.4.2020; Welskopp, Thomas: Vergleichende Geschichte, 2010, http://ieg-ego.eu/de/threads/theorien-und-methoden/vergleichende-geschichte/thomaswelskopp-vergleichende-geschichte, 10.4.2020 sowie den Ansatz einer Historisierung der Praktiken des Vergleichens: Epple, Angelika/Erhart, Walter (Hrsg.): Die Welt beobachten. Praktiken des Vergleichens, Frankfurt a. M. 2015. 54 Vgl. zum Konzept der Öffentlichkeit: Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchung zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1990 [1962]; zu einem weniger politikgeschichtlichen/politikwissenschaftlichen Verständnis der Öffentlichkeiten zusammenfassend: Schirrmacher, Arne: Nach der Popularisierung. Zur Relation von Wissenschaft und Öffentlichkeit im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 34/2008, S. 73–95, S. 84–88. 55 Vgl. Kleßmann, Christoph: Spaltung und Verflechtung – Ein Konzept zur integrierten Nachkriegsgeschichte 1945 bis 1990, in: Kleßmann, Christoph/Lautzas, Peter (Hrsg.): Teilung und Integration. Die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte als wissenschaftliches und didaktisches Problem, Bonn 2005, S. 20–37; zu Kleßmanns eigener Synthese: Wolfrum, Edgar/Mittler, Günther R.: Zwei Bücher, eine Idee. Christoph Kleßmanns Versuch der einen deutschen Nachkriegsgeschichte, 2011, http://docupedia.de/zg/Kle%C3%9Fmann,_Zwei_Staaten,_eine_Nation, 10.4.2020 und Kleßmanns Perspektive explorierend: Bauerkämper, Arnd/Sabrow, Martin/Stöver, Bernd (Hrsg.): Doppelte Zeitgeschichte. Deutsch-deutsche Beziehungen 1945–1990, Berlin 1998; Bender, Peter: Deutschlands Wiederkehr. Eine ungeteilte Nachkriegsgeschichte 1945–1990, Stuttgart 2007.

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fortbestanden und dass die Bezugnahmen in erster Linie asymmetrisch zugunsten der Bundesrepublik als „geheimes Referenzsystem“56 verliefen. Im Zuge der Debatte darum, wie die DDR-Historiografie ihre ausgemachte Selbstisolierung beheben könne, wurde Kleßmanns Konzept als ein Ausweg neben einer Europäisierung und Transnationalisierung genannt, der um die Dimension der Erfahrung zu erweitern sei.57 Ähnlich plädierte Mary Fulbrook für eine Normalisierung der DDR-Geschichtsschreibung, worunter sie eine thematische Pluralisierung in der Analyse des alltäglichen Vollzugs der Diktatur mit seinen Spannungen, Grenzen und Nischen sowie die Ablösung vom erinnerungs- und demokratiepolitischen Aufarbeitungsethos versteht.58 In diesem Sinne ist auch die Geschichte der Gesundheitsaufklärung eine der nationalen Kontinuitäten und Pfadabhängigkeiten, Blockbildung und -bindung sowie blockübergreifenden, mehrschichtigen Transferprozesse, ohne in eine Erzählung diktatorischer Unterdrückung und Gewalt münden zu müssen. Ihre Analyse erweitert dabei die Politik- und

56 Sabrow, Martin: Die Diktatur des Paradoxons. Fragen an die Geschichte der DDR, in: Hockerts, Hans Günter (Hrsg.): Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts, München 2004, S. 153–174, S. 160. 57 Vgl.  Kocka, Jürgen: Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung. Hermann Weber zum 75. Geburtstag, in: Möller, Frank/Mählert, Ulrich (Hrsg.): Abgrenzung und Verflechtung. Das geteilte Deutschland in der zeithistorischen Debatte. Berlin 2008, S. 143–152; Jarausch, Konrad H.: „Die Teile als Ganzes erkennen“. Zur Integration der beiden deutschen Nachkriegsgeschichten, 2004, http://www.zeithistorische-forschungen.de/site/40208146/default.aspx, 10.4.2020; Lindenberger, Thomas/Sabrow, Martin: Zwischen Verinselung und Europäisierung: Die Zukunft der DDR-Geschichte, in: Möller, Frank/Mählert, Ulrich (Hrsg.): Abgrenzung und Verflechtung. Das geteilte Deutschland in der zeithistorischen Debatte, Berlin 2008, S. 163–170; Lindenberger, Thomas: Divided, but not Disconnected. Germany as a Border Region of the Cold War, in: Hochscherf, Tobias/Laucht, Christoph/Plowman, Andrew (Hrsg.): Divided, but not Disconnected: German Experiences of the Cold War, New York u. Oxford 2010. Zur Kritik einer mit dem Blickwinkel der Totalitarismustheorie argumentierenden Geschichtsschreibung, eine beziehungsgeschichtliche Perspektive ebne die Unterschiede zwischen Diktatur und Demokratie ein, siehe bspw.: Wentker, Hermann: Zwischen Abgrenzung und Verflechtung: deutsch-deutsche Geschichte nach 1945, in: Aus Politik und Zeitgeschichte/2005, S. 1–2, 10–17. 58 Vgl.  programmatisch: Fulbrook, Mary: Approaches to German Contemporary History since 1945: Politics and Paradigms, 2004, http://www.zeithistorische-forschungen.de/site/40208147/ default.aspx, 10.4.2020; und an Fallbeispielen umgesetzt: Dies. (Hrsg.): Power and Society in the GDR, 1961–1979. The ‚Normalisation of Rule‘?, New York 2009; Fulbrook, Mary/Port, Andrew I. (Hrsg.): Becoming East German. Socialist Structures and Sensibilities after Hitler, New York 2013; ebenso in diesem Sinne bspw.: Lüdtke, Alf/Becker, Peter (Hrsg.): Akten. Eingaben. Schaufenster. Die DDR und ihre Texte. Erkundungen zu Herrschaft und Alltag, Berlin 1997; Hartewig, Karin/ Lüdtke, Alf (Hrsg.): Die DDR im Bild. Zum Gebrauch der Fotografie im anderen deutschen Staat, Göttingen 2004.

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Sozialgeschichtsschreibung zu „gesellschaftlichen Basisprozessen“59 durch die Untersuchung der Konstruktion und Kommunikation wissenschaftlich geordneter und zertifizierter Informationen, also der Soziabilität und Historizität von Körper- und Gesundheitswissen. Die deutsch-deutsche Geschichte der Gesundheitsaufklärung nimmt damit Anleihen aus drei weiteren Forschungskomplexen. Erstens durchzieht sie die Mediengeschichte der Bundesrepublik und der DDR. Laut Adelheid von Saldern zeichnen das SED-Regime vor allem Defizite aus: keine Deutungskonkurrenz; kein Eingeständnis, nur Teilgruppen zu vertreten; keine öffentliche Transparenz von Entscheidungsstrukturen. Stattdessen weise die Diktatur eine Typologie von Öffentlichkeiten auf: eine Präsentationsöffentlichkeit zur Legitimation der Diktatur, eingehegte informelle Öffentlichkeiten sowie geschlossene (Fach-)Öffentlichkeiten, die aber einmütigen Konsens produzieren sollten.60 Die Kriminalisierung und moralpolitische Bekämpfung „abweichenden“ Verhaltens spaltete eine von oben durchpolitisierte Gesellschaft und förderte dadurch eine Abwendung vom SED-Regime, was wiederum die Spirale des Misstrauens zwischen Staat und Staatsvolk vorantrieb. Die in Nischen abgedrängte Nutzung von Westmedien bedrohte den allgemeinen Führungsanspruch der SED gegenüber den Bürgern der DDR. Die Taktiken, dieses System zu verteidigen, ließen lediglich weitere Nischen entstehen. Eine offizielle, staatliche und massenmedial kommunizierende Gesundheitsaufklärung war damit in ein spezifisches Spannungsverhältnis der Glaubwürdigkeit zwischen Nutzer- und politischem Anspruch gestellt.61 Gleichwohl ist aber auch ein analoger Medienwandel hin zum neuen Leitmedium des Fernsehens in der Bundesrepublik und der DDR zu beachten.62 Dieser änderte die Bedingungen der Medialisierung und die Zirkulation gesundheitsrelevanten Wissens. Laut Kaspar Maase verstärkten sich mit der massenmedialen Diversifizierung und Pluralisierung auch die beiden „Basistrends des langen

59 Wierling, Dorothee: Über Asymmetrien, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 12/2015,  S.  115–123,  S.  115. Vgl.  ebenso: Bösch, Frank: Geteilte Geschichte. Plädoyer für eine deutsch-deutsche Perspektive auf die jüngere Zeitgeschichte, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 12/2015, S. 98–114. 60 Vgl. Saldern, Adelheid von: Öffentlichkeiten in Diktaturen. Zu den Herrschaftspraktiken im Deutschland des 20. Jahrhunderts, in: Heydemann, Günther/Oberreuter, Heinrich (Hrsg.): Diktaturen in Deutschland – Vergleichsaspekte. Strukturen, Institutionen und Verhaltensweisen, Bonn 2003, S. 442–475. 61 Vgl. Kuschel, Franziska: Schwarzhörer, Schwarzseher und heimliche Leser. Die DDR und die Westmedien, Göttingen 2016; am Beispiel des Zeitschriftenwesens: Barck, Simone/Langermann, Martina/Lokatis, Siegfried (Hrsg.): Zwischen »Mosaik« und »Einheit«. Zeitschriften in der DDR, Berlin 1999. 62 Vgl. Hickethier, Knut: Geschichte des deutschen Fernsehens, Stuttgart u. Weimar 1998.

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20.  Jahrhunderts […]: das Streben nach Unterhaltung und Stimmungsmanagement sowie die Personalisierung des Mediengebrauchs.“63 Der eine beschreibt dabei den Kompetenzgewinn bei der subjektiven und situativen Medienauswahl entsprechend ihrem Unterhaltungs- und Informationswert, der andere die Individualisierung der Nutzungspraktiken.64 Zweitens haben sich die Fragen nach den Prozessen des Kulturtransfers über den deutsch-deutschen Rand hinaus und ihre Thesen der Westernisierung, Amerikanisierung, Sowjetisierung und Europäisierung als produktiv für die Forschung erwiesen.65 Diese Begriffe bezeichnen einen historischen Entwicklungsprozess der Adaption jeweils vermeintlich dominierender Einflüsse in den beiden deutschen Staaten. Die Annahme einer bloßen Übernahme amerikanischer, sowjetischer oder anderer kultureller Stile ist dabei einem Modell des komplexeren, eigensinnigen und zirkulären Transfergeschehens gewichen. Gerade ein solches Verständnis von Transfer fokussiert den Forschungsblick auf den „freiwilligen Mitvollzug“,66 also auf Prozesse der Rezeption und Abgrenzung sowie auf deren Rückkopplungen. Drittens sind auch, vornehmlich sozialhistorische, Arbeiten zur Gesundheitspolitik der Nachkriegszeit vergleichend vorgegangen. Beispielsweise skizzierte Ulrike Lindner die vielfach konträren Entwicklungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), der staatlichen Institutionen der Bevölkerungsgesundheit, der Stellung der Ärzte sowie des Krankenhauswesens.67 Winfried Süß unternahm einen Vergleich des sozialen Systems der medizinischen Versorgung im nationalsozialistischen Deutschland, der Bundesrepublik und der DDR.68 Dagmar Ellerbrock und Jessica Reinisch untersuchten die gesundheitspolitischen Transferprozesse in der unmittelbaren Nachkriegszeit zwischen „deutschen“ Traditionen und Konzepten  einerseits und den gesellschafts- und gesundheits-

63 Maase, Kaspar: Massenmedien und Konsumgesellschaft, in: Haupt, Heinz-Gerhard/Torp, Claudius (Hrsg.): Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890–1990. Ein Handbuch, Frankfurt a. M. u. New York 2009, S. 62–78, S. 62. 64 Vgl. ebd., S. 76 ff. 65 Vgl.  Doering-Manteuffel, Anselm: Wie westlich sind die Deutschen? Amerikanisierung und Westernisierung im 20. Jahrhundert, Göttingen 1999; Jarausch, Konrad H./Siegrist, Hannes (Hrsg.): Amerikanisierung und Sowjetisierung in Deutschland 1945–1970, Frankfurt a. M. u. New York 1997. 66 Vgl. Doering-Manteuffel, Anselm: Amerikanisierung und Westernisierung. Version 2.0, 2019, https://docupedia.de/zg/Doering-Manteuffel_amerikanisierung_v2_de_2019, 27.2.2020, S. 13. 67 Vgl. Lindner, Ulrike: Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit. Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, München 2004. 68 Vgl. Süß, Winfried: Gesundheitspolitik, in: Hockerts, Hans Günter (Hrsg.): Drei Wege deutscher Sozialstaatlichkeit. NS-Diktatur, Bundesrepublik und DDR im Vergleich, München 1998, S. 55–100.

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politischen Vorstellungen der vier Besatzungsmächte andererseits.69 Die darin implizierte Frage nach der „Stunde null“, das Bilanzieren von Kontinuität und Neuanfang nach 1945, ist anhand der Reichweite der sozialen Umschichtungen der Ärzteschaft zwischen Nationalsozialismus und DDR oder am Fortbestand älterer Konzepte expliziert worden.70 Diese Untersuchungen haben gezeigt, wie in der Bundesrepublik nach 1949 überkommene Strukturen der Gesundheitspolitik restauriert, signifikante Problemlagen perpetuiert, aber auch Neuausrichtungen und Neukontextualisierungen vorgenommen wurden. Sie stecken mit ihrer Perspektive einer „Nachgeschichte des Nationalsozialismus“71 damit auch das Umfeld der Frage nach dem Wiederaufleben der Gesundheitsaufklärung nach dem Zweiten Weltkrieg und den frühen Jahren des Kalten Kriegs ab. Diese Forschungskontexte umrahmen eine Studie, die anhand zweier Organisationen die organisationalen, konzeptuellen und medialen Entwicklungen der Gesundheitsaufklärung in der Bundesrepublik und in der DDR aus einer beziehungs- und vergleichsgeschichtlichen Perspektive untersucht. Sie füllt eine Lücke, denn die Nachkriegsgeschichte des Deutschen Hygiene-Museums und des Deutschen Gesundheits-Museums, in der die Asymmetrie der gegenseitigen Bezugnahme aufgrund des gewachsenen Prestiges des Hygiene-Museums bis in die 1960er Jahre hinein keinesfalls zulasten der Dresdner Einrichtung in der DDR strukturiert war, ist von der Forschung bislang weitgehend übersehen worden.

69 Vgl.  Ellerbrock, Dagmar: »Healing Democracy« – Demokratie als Heilmittel. Gesundheit, Krankheit und Politik in der amerikanischen Besatzungszone 1945–1949, Bonn 2004; Reinisch, Jessica: The Perils of Peace. The Public Health Crisis in Occupied Germany, Oxford 2013, S. 289. 70 Vgl. Ernst, Anna-Sabine: „Die beste Prophylaxe ist der Sozialismus“. Ärzte und medizinische Hochschullehrer in der SBZ/DDR 1945–1961, Münster  u.  New  York 1997; Moser, Gabriele: „Im Interesse der Volksgesundheit … “. Sozialhygiene und öffentliches Gesundheitswesen in der Weimarer Republik und der frühen SBZ/DDR. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des deutschen Gesundheitswesens, Frankfurt  a.  M. 2002; Woelk, Wolfgang/Vögele, Jörg (Hrsg.): Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland. Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der „doppelten Staatsgründung“, Berlin 2002; Bruch, Rüdiger vom/Gerhardt, Uta/Pawliczek, Aleksandra (Hrsg.): Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2006; Oehler-Klein, Sigrid/Roelcke, Volker (Hrsg.): Vergangenheitspolitik in der universitären Medizin nach 1945. Institutionelle und individuelle Strategien im Umgang mit dem Nationalsozialismus, Stuttgart 2007; den Forschungsüberblick Hachtmann, Rüdiger: Wissenschaftsgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Archiv für Sozialgeschichte 48/2008, S. 539–606; Reinisch: Perils of Peace, S. 95–147; Wahl, Markus: Medical Memories and Experiences in Postwar East Germany. Treatments of the Past, London u. New York 2019, S. 28–71. 71 Hofer, Hans-Georg: Medizin und Gesellschaft in Westdeutschland 1945–1970. Koordinaten, Kontexte, Korrelationen, in: Medizinhistorisches Journal 45/2010, S. 1–23, S. 8.

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Museen der Hygiene/Gesundheit Das Hygiene-Museum entstand aus den Gewerbe- und Großausstellungen als Leitmedien des 19. Jahrhunderts einerseits sowie aus volksbildenden Wissenschaftsmuseen andererseits.72 Diese ereignishaften, temporären Zurschaustellungen von Ensembles aus Wissensobjekten und wirtschaftlichen Gütern konstituierten Zeige- und Argumentationsräume der Selbstdarstellung und Wissenspopularisierung sowie des Gütermarktes. Ein solches Format visueller Darstellung stand einer politischen Aufladung offen – vor allem, wenn in ihrem Zentrum bildungsbürgerliche Antworten auf die soziale Frage standen.73 Um 1900 herum fanden diese Bestrebungen der Volksbildung eine Institutionalisierung in Form auch musealer Volksbildungseinrichtungen. Getragen vom Zutrauen in die Möglichkeiten der visuellen Verschmelzung von Wissen und Ästhetik machten diese Einrichtungen zum gesellschaftlichen Wohl Erkenntnisse der Natur- und Sozialwissenschaften bekannt.74 Solche Gegenwartsmuseen schufen mit ihren Expositionen Diskurs- und Präsentationsarenen und statteten diese mit eigens geschaffenen Exponaten als didaktischen Hilfsmitteln (Modelle, Schaubilder, Reproduktionen) aus, mit denen die Ansprüche und Möglichkeiten einer kontrollierten Lebensführung des vernünftigen, bürgerlichen Subjekts anschaulich an die breite Bevölkerung vermittelt wurden.75 Die Wissenschaftsgeschichte hat sich solcher Museen und Wissenschaftsausstellungen als Orte des Sammelns, des

72 Vgl.  zum „Jahrhundert der Ausstellungen“: Geppert, Alexander C. T.: Welttheater: Die Geschichte des europäischen Ausstellungswesens im 19. und 20. Jahrhundert. Ein Forschungsbericht, in: Neue Politische Literatur 1/2002, S. 10–61; Großbölting, Thomas: Im Reich der Arbeit. Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1914, München 2008. 73 Vgl.  bspw. zu Messen und Großausstellungen als Bühnen des Systemkonflikts im Kalten Krieg: Vagt, Kristina: Politik durch die Blume. Gartenbauausstellungen in Hamburg und Erfurt im Kalten Krieg (1950–1974), München 2013; Schultze, Sven: »Land in Sicht?«. Agrarexpositionen in der deutschen Systemauseinandersetzung: Die »Grüne Woche« und die DDRLandwirtschaftsausstellung in Leipzig-Markkleeberg 1948–1962, Berlin 2015. 74 Vgl. knapp: Köstering, Susanne: Die Museumsreformbewegung im frühen 20. Jahrhundert, in: Walz, Markus (Hrsg.): Handbuch Museum. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart 2016, S. 52–57. 75 Vgl. als disziplinierungstheoretische Zuspitzung des Museums: Bennett, Tony: The Birth of the Museum. History, Theory, Politics, London 1995, S. 17–105; die Agency der Museen auch als Instanzen ernst nehmend, die nicht unbedingt zur Hegemonie elitärer Perspektiven beitragen, sowie zum Typus des Gegenwartsmuseums: Heesen, Anke te: Theorien des Museums zur Einführung, Hamburg 2012, S. 95–104.

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Systematisierens, Rahmens und Popularisierens von Wissen aber kaum zeitgeschichtlich angenommen.76 Ein solches Gegenwartsmuseum war auch das Deutsche Hygiene-Museum, aus dessen Historiografie vier jüngere Arbeiten herausragen: Petra Lutz überzeugte in ihrer Analyse des Konzepts und der Praxis medialer Popularisierung.77 Sybilla Nikolow bündelte in ihrem Sammelband „Erkenne Dich Selbst“ mehrere Fallstudien, die die Geschichte der Sichtbarmachungsstrategien von Körperwissen des Hygiene-Museums thematisieren und kontextualisieren.78 Thomas Steller elaborierte die verschlungene Organisationsgeschichte des Museums bis zum Ende der Weimarer Republik.79 Sebastian Weinert untersuchte die körperlichen Ordnungsvorstellungen, die auf Gesundheitsausstellungen in der klassischen Moderne ausgehandelt, visualisiert und reifiziert wurden.80 Wir wissen aus diesen Arbeiten, deren zeitlicher Fokus auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

76 Vgl.  bspw.: Jordanova, Ludmilla: Museums: Representing the Real?, in: Levine, George (Hrsg.): Realism and Representation. Essays on the Problem of Realism in Relation to Science, Literature, and Culture, Madison 1993,  S.  255–278; Macdonald, Sharon (Hrsg.): The Politics of Display. Museums, Science, Culture, London 1998; Lindqvist, Svante/Hedin, Marika/Larsson, Ulf (Hrsg.): Museums of Modern Science, Canton, MA 2000; Heesen, Anke te/Spary, E. C. (Hrsg.): Sammeln als Wissen. Das Sammeln und seine wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung, Göttingen 2001; Laukötter, Anja: Von der „Kultur“ zur „Rasse“ – vom Objekt zum Körper? Völkerkundemuseen und ihre Wissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2007; jüngst zur Geschichte der Röntgenausstellungen als Geschichte der Konstitution und Schließung einer medizinischen Disziplin im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts: Vogel, Christian: Exponierte Wissenschaft. Röntgenausstellungen als Orte der Wissensproduktion und -kommunikation, 1896–1934, 2020, https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/22001;jsessionid=44107FD7A3B855923A6D61FEEF06AEC8, 18.4.2020. Perspektiviert sind dies Studien zumeist durch das Konzept des „Grenzobjektes“ des symbolischen Interaktionismus Susan Stars und James Griesemers, die den Blick auf die Objekte richteten, die mehrere „soziale Welten“ verbinden und somit eine Kooperation ohne Konsens unterschiedlicher Akteure in der Wissensproduktion ermöglichen. Siehe hierzu: Star, Susan Leigh/Griesemer, James R.: Institutional Ecology, ‚Translations‘ and Boundary Objects: Amateurs and Professionals in Berkeley’s Museum of Vertebrate Zoology, 1907–1939, in: Social Studies of Science 19/1989, S. 387–420; und zur medienwissenschaftlich kommentierten Werkgeschichte: Gießmann, Sebastian/Taha, Nadine (Hrsg.): Susan Leigh Star. Grenzobjekte und Medienforschung, Bielefeld 2017. 77 Lutz, Petra: Die Popularisierung des Menschen. Konstellationen von Objekten und Betrachtern im Deutschen Hygiene-Museum, in: Förster, Larissa (Hrsg.): Transforming Knowledge Orders. Museums, Collections and Exhibitions, Paderborn 2014, S. 161–197. 78 Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015. 79 Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern. 80 Weinert, Sebastian: Der Körper im Blick. Gesundheitsausstellungen vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus, Berlin u. Boston 2017.

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liegt, dass das Hygiene-Museum aus der I.  Internationalen Hygiene-Ausstellung (IHA) in Dresden 1911 und der Initiative des Odol-Fabrikanten Karl August Lingner (1861–1916) hervorgegangen war.81 Mit der Entwicklung des Weimarer Wohlfahrtsstaates, der Akademisierungs- und Professionalisierungsversuche der sozialen Hygiene aus der breiten bürgerlichen Hygienebewegung heraus sowie der Gesundheitsfürsorge etablierte sich das Museum im Laufe der Weimarer Republik als ein Knotenpunkt im Netz der Gesundheitsaufklärung.82 Auch die Ärzteschaft profitierte von den Potenzialen einer an die Verbesserung des Individuums glaubenden Politik. Sie zog Nutzen aus dem Aufkommen einer Regierung der Körper, die sie selbst befeuerte, indem sie sich die Lösungsversprechen und -wege für diejenigen Probleme exklusiv zuschrieb, die sie selbst definierte, näher bestimmte und beforschte.83 Gegen diese wechselseitig ineinandergreifenden Prozesse von medizinischer Professionalisierung, Medikalisierung der Lebenswelten und einer Expansion des Sozialstaats opponierten unterschiedliche Gegenströmungen. Vor allem die heterogene, aber besonders öffentlichkeitswirksame Naturheilbewegung lebte im Deutschen Reich als Kritik an der Modernisierung und Rationalisierung der „Schulmedizin“, als Alternative in Krankheitsdeutung und -behandlung auf. Sie begründete die Legitimationsnotwendigkeit ärztlicher Praxis und medizinischen Wissens, indem sie alternative Interpretationen und Zugriffsmöglichkeiten auf Gesundheit und Krankheit

81 Vgl.  zur I.  Internationalen Hygiene-Ausstellung und ihrer Vorläufer bspw.: Poser, Stefan: Museum der Gefahren. Die gesellschaftliche Bedeutung der Sicherheitstechnik. Das Beispiel der Hygiene-Ausstellungen und Museen für Arbeitsschutz in Wien, Berlin und Dresden um die Jahrtausendwende, Münster  u.  New  York 1998; Nikolow, Sybilla/Brecht, Christine: Displaying the Invisible. Volkskrankheiten on Exhibition in Imperial Germany, in: Studies in History and Philosophy of Biology and Biomedical Sciences 31/2000, S. 511–530; Stein, Claudia: Organising the History of Hygiene at the Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden in 1911, in: NTM 21/2013, S. 355–387; Weinert: Der Körper im Blick, S. 19–52. 82 Vgl.  Berger Ziauddin, Silvia: Bakterien in Krieg und Frieden. Eine Geschichte der medizinischen Bakteriologie in Deutschland, 1890–1933, Göttingen 2009 sowie das ca.  4400 Seiten umfassende, sechsbändige Hand- und Lehrbuchprojekt der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge in den 20er Jahren: Gottstein, Adolf/Schlossmann, Arthur/Teleky, Ludwig (Hrsg.): Handbuch der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge, Berlin 1925–1927. Zur Hygiene-Bewegung des 19. Jahrhunderts bspw.: Latour, Bruno: The Pasteurization of France, Cambridge, MA 1988; Hardy, Anne I.: Ärzte, Ingenieure und städtische Gesundheit. Medizinische Theorien in der Hygienebewegung des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2005. 83 Vgl.  zur Medikalisierung und Professionalisierung des Arztberufs exemplarisch: Eckart, Wolfgang Uwe/Jütte, Robert: Medizingeschichte. Eine Einführung, Köln 2014,  S.  312–324. Zum medizinhistorischen Methodenstreit der 1980er Jahre zusammenfassend: Fangerau, Heiner/Gadebusch Bondio, Mariacarla: Spannungen in der jüngeren Medizingeschichte: Legitimationsstrategien und Zielkonflikte – ein Beitrag zur Diskussion, in: NTM 23/2015, S. 33–52, S. 42 f.

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aufrechterhielt. Daher wurde es erforderlich, die stets prekäre Grenze zwischen Medizin und „Kurpfuscherei“ zu befestigen.84 Beide Seiten brauchten überzeugende Repräsentationen ihrer Positionen und Ansprüche, die Evidenz produzierten. Gesundheitsaufklärung wurde hierfür zu einem Instrument.85 Ihre Mischung aus Unterhaltung, Nützlichkeit und Belehrung ordnete „neues“ Wissen, verband dieses mit alten Wissensbeständen und alltagspraktischen Notwendigkeiten in kurzweiligem Gewande und ermöglichte dadurch erst eine Breitenwirkung des medizinischen Wissens der Physiologie, die über die bürgerliche Öffentlichkeit jener Zeit hinausging.86 Die ärztliche Profession nahm jedoch zunächst eine widersprüchliche Position zur Gesundheitsaufklärung ein: Befürchtungen des Verlustes von Deutungshoheit und Kompetenz stand die Hoffnung auf eine Förderung kritischer Urteilsfähigkeit zulasten der „Kurpfuscher“ und zugunsten einer erhöhten Compliance gegenüber der „Schulmedizin“ entgegen.87 Vor diesem Hintergrund war es wichtig, dass das Hygiene-Museum ab den 1910er Jahren für die „Zertifizierung“ seiner Produkte geschickt mit staatlichen Stellen auf Kommunal-, Länder- und Reichsebene, mit gesundheitsfürsorgerischen, zivilgesellschaftlichen Vereinen und Verbänden sowie mit einschlägigen Wissenschaftlern kooperierte. Es verschickte Ausstellungen weltweit und verkaufte erfolgreich anatomisch-biologische Lehrmittel, die in museumseigenen Werkstätten hergestellt wurden. Diese Hybridität aus musealer, kommerzieller und volksbelehrender Tätigkeit folgte aus der dreifachen Leerstelle in den Strukturen des Gesundheitswesens im Deutschen Reich: Das Museum stand zwischen kommunalen, föderalen und zentralstaatlichen Verantwortlichkeiten für die Gesundheit des Einzelnen und des Staatsvolks. Das Museum besetzte den Raum

84 Zu den einzelnen Strömungen der Medizinkritik um die Jahrhundertwende siehe: Dinges, Martin (Hrsg.): Medizinkritische Bewegungen im Deutschen Reich (ca. 1870–ca. 1933), Stuttgart 1996; die Grenzen zwischen Magie, Heilkunst und naturwissenschaftlicher Medizin im historischen Verlauf vermessend: Schott, Heinz: Magie der Natur. Historische Variationen über ein Motiv der Heilkunst, Aachen 2014; aus wissenschaftstheoretischer Perspektive: Gieryn, Thomas F.: Boundary-Work and the Demarcation of Science from Non-Science. Strains and Interests in Professional Ideologies of Scientists, in: American Sociological Review 48/1983, S. 781–795. 85 Vgl. Weindling, Paul: Hygienepolitik als sozialintegrative Strategie im späten Deutschen Kaiserreich, in: Labisch, Alfons/Spree, Reinhard (Hrsg.): Medizinische Deutungsmacht im sozialen Wandel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Bonn 1989, S. 37–55; Regin, Cornelia: Selbsthilfe und Gesundheitspolitik. Die Naturheilbewegung im Kaiserreich, 1889 bis 1914, Stuttgart 1995, S. 303–317. 86 Vgl.  auch zur weiteren Vorgeschichte der „medizinischen Aufklärung“ Sarasin: Maschinen, S. 27, 32–94, 128. 87 Vgl.  Gebhard, Bruno: Health and Hygiene at International Expositions, in: Ciba Symposia 8/1947, S. 593–600.

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zwischen versicherungslogischer medizinischer Versorgung und einer seuchenpolizeilichen Ratio des öffentlichen Gesundheitswesens.88 Es operierte in einer eigenen ökonomischen Aufmerksamkeits- und Gewinnrationalität, die sich in der Organisationsstruktur des Museums als Verein und zugleich wirtschaftlich selbstständiges Unternehmen widerspiegelte. Einerseits konnten infolge einer solchen Verfasstheit im Laufe der 1920er bis 30er Jahre unterschiedliche Akteure mit ihren bisweilen konfligierenden Interessen und Vorstellungen interessiert beziehungsweise über ein Netz diverser und verschachtelter Gremien ins Museum inkorporiert werden. An die politischen Rahmenbedingungen und ideologischen Forderungen des Nationalsozialismus passte sich das Museum dadurch leicht an. Andererseits integrierte diese Struktur Konfliktlinien in das Museum: zwischen dem Anspruch exakter Wissenschaftlichkeit und pädagogischer Vermittlungsaufarbeitung; zwischen der moralischen Aufladung von Gesundheit und Bildung gegenüber einer kommerziellen und unterhaltsamen Tätigkeit; zwischen Zumutung und Befähigung individuellen Handelns zu Zwecken der Verhaltensprävention und der Propagierung gesellschaftlicher und politischer Ordnungsvorstellungen.89 Nach einer Phase der Restauration dieser Feld- und Organisationsstruktur in der Nachkriegszeit, vor allem im Kölner Gesundheits-Museum, wurde Gesundheitsaufklärung in den 1960er Jahren neu ausgerichtet: Verhaltensprävention wurde als ihr Zweck priorisiert und das Verhalten einer psychologischen und mikrosoziologischen Reflexion unterworfen; massenmediale Kommunikation geriet vornehmlich zu einer Frage der Werbung und des Fernsehens. Diese Verschiebungen zogen das Kölner wie das Dresdner Museum in einen Prozess der „Entmusealisierung“: Im Medienwandel schwächte die Ausstellungs- und Museumskrise der 1950er und 60er Jahre die Beharrungskräfte einer vorrangig ausstellenden, musealen Organisation gegenüber dem Zugriff der Medizinalbürokratien. Diese wiederum sahen in den Museen vorrangig Agenturen der Verhaltensprävention, die – im Fall der DDR – darüber hinaus Devisen erwirtschaften und Gesundheitspropaganda im In- und Ausland betreiben sollte. Dieser mehrschichtige Prozess, mit dem ein Relevanzverlust der gemeinsamen Herkunft und der Verflechtung zugunsten einer Parallelentwicklung einherging, ist Gegenstand meiner Studie.

88 Zu diesem Raum „intermediärer Instanzen“ in der öffentlichen Gesundheitsversorgung siehe: Labisch: Homo Hygienicus, S. 150–163, 265–268. 89 Vgl.  Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern,  S.  433–441; zum „symbiotischen Verhältnis“ zwischen Museum und nationalsozialistischem Regime: Fäßler, Peter E.: Eine symbiotische Beziehung? Zur Kooperation zwischen Deutschem Hygiene-Museum und NS-Regime, in: Czech, Herwig/Hüntelmann, Axel C./Vossen, Johannes (Hrsg.): Gesundheit und Staat. Studien zur Geschichte der Gesundheitsämter in Deutschland, 1870–1950, Berlin 2006, S. 63–75.

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Eine solche vergleichende und auf Beziehungen zwischen Ost und West blickende Wissensgeschichte der Gesundheitsaufklärung zwischen 1945 und 1967 liegt bislang nicht vor. Abgesehen von einigen Image- und Public-Relations-Artikeln und Broschüren, die in erster Linie als Quellen des (historisch veränderlichen) Selbstverständnisses und der Außendarstellung zu lesen sind, fehlen sogar Überblicksdarstellungen zur Geschichte des Kölner Gesundheits-Museums.90 Die zeitgeschichtliche Bedeutung des Dresdner Museums wurde erstmals zum 75-jährigen Jubiläum 1987 vom eigenen Haus geschildert. Im Zusammenhang mit einer vitalisierten Brauchtumspflege in der DDR der 1980er Jahre entstanden mehrere politisch tendenziöse Dissertationen zur Geschichte des Hygiene-Museums, die eher als Quellen der Erinnerungskultur und Geschichtspolitik am Ende der DDR denn als Forschungsliteratur gelesen werden müssen.91 Als Nachschlagewerk über die Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen des Hygiene-Museums  ist Ulrike Budigs museologische Diplomarbeit von nicht überschätzbarem Wert.92 Auch

90 Vgl.  Deutsches Gesundheits-Museum/Göllner, Herbert (Hrsg.): Deutsches GesundheitsMuseum Köln. Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, Köln 1954, o.  S.; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Vom deutschen Gesundheits-Museum zur Bundeszentrale, Köln 1967; Pott, Elisabeth: Gesundheit in der Gesellschaft, Information der Bevölkerung heute. Aufgaben und Konzepte der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seit Beginn ihrer Gründung und ihre Veränderungen in den folgenden Jahrzehnten, in: Stöckel, Sigrid/Walter, Ulla (Hrsg.): Prävention im 20. Jahrhundert. Historische Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Deutschland, Weinheim u. München 2002, S. 204–217; Dies.: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ihre Geschichte und Aufgaben, in: Deres, Thomas (Hrsg.): krank – gesund. 2000 Jahre Krankheit und Gesundheit in Köln, Köln 2005, S. 334–347. 91 Neumann, Jochen et al.: 75 Jahre Deutsches Hygiene-Museum. Ein historischer Abriß, Dresden 1987; Formann, Helga: Vorgeschichte und Geschichte der Dresdner „Akademie für ärztliche Fortbildung“, Dresden 1986; Schubert, Ulrich: Vorgeschichte und Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden (1871–1931), Dresden 1986; Stephan, Ludwig: Das Dresdner Hygiene-Museum in der Zeit des deutschen Faschismus (1933–1945), Dresden 1986; Kowark, Ursula: Die Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums in der DDR von 1945 bis zur Gegenwart, Dresden 1986. Zur Erinnerungskultur des Hygiene-Museums im Dresdner Kontext: Nikolow, Sybilla/Steller, Thomas: Das lange Echo der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung in der Dresdner Gesundheitsaufklärung, in: Dresdner Hefte 29/2011, S. 16–27; Sammer, Christian/Thaut, Lioba: Im Mittelpunkt steht der Mensch. Zur Geschichtspolitik des Deutschen Hygiene-Museums in der DDR, in: Brait, Andrea/Früh, Anja (Hrsg.): Ethnografische und historische Museen als Orte geschichtspolitischer Verhandlungen vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, Basel 2017, S. 45–60 u. 174. Eine neuere, aber knappe Gesamtdarstellung ist: Vogel, Klaus (Hrsg.): Das Deutsche HygieneMuseum Dresden. 1911–1990, Dresden 2005. 92 Vgl. Budig, Ulrike: Formen der Ausstellung am Beispiel des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden, Leipzig 1994.

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architektur- und lokalhistorische Arbeiten haben einzelne Facetten der Geschichte des Hygiene-Museums thematisiert.93 Wenige Autor*innen beschäftigten sich jedoch mit der Zeit nach 1945 und behandelten dabei die Museen als situierte und aufeinander bezogene Kollektivakteure in den Feldern der Gesundheitsaufklärung in der Bundesrepublik und der DDR.94 Prinzipiell ist der Forschungsstand zum Hygiene- und Gesundheits-Museum dünn, abgesehen von Arbeiten über einzelne Themenfelder der Gesundheitsaufklärung, die, wenn überhaupt, die beiden Organisationen aber nur en passant behandeln.95 Das mag daran liegen, dass die Organisationen schwer einem der aktuell priorisierten Zugriffe der Geschichtswissenschaft zuzuordnen sind. Für die Politikgeschichte mag es ein zu banales Politikfeld (außer im Zusammenhang mit nationalsozialistischer Vernichtungspolitik) sein; für die Wissenschaftsgeschichte ein abseitiges Thema einer lange Zeit als defizitär und verfälschend wahrgenommenen Wissenspopularisierung;96 für die Medizingeschichte ein Thema

93 Vgl. Schulte, Sabine: Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden von Wilhelm Kreis. Biografie eines Museums der Weimarer Republik, Bonn 2001; Behling, Hendrik: Das Anatomische Labor am Deutschen Hygiene-Museum Dresden. Ein Beitrag zur Geschichte der Anatomie in Dresden, Dresden 1996; Vogel, Klaus: Das Deutsche Hygiene-Museum als Diskussionsort eines modernen Menschenbildes, in: Dresdner Hefte 17/1999, S. 83–93; Luehr, Hans-Peter: Auf der Suche nach Ganzheitlichkeit. Dresden und die Utopien der Lebensreform, in: Dresdner Hefte 25/2007, S. 32–48. 94 Vgl.  bspw. Roeßiger, Susanne/Merk, Heidrun (Hrsg.): Hauptsache gesund! Gesundheitsaufklärung zwischen Disziplinierung und Emanzipation, Marburg 1998; Klotz, Katharina: Zur Bildsprache der Krebsaufklärung, in: Stiftung Deutsches Hygiene-Museum (Hrsg.): „Rechtzeitig erkannt – heilbar“. Krebsaufklärung im 20. Jahrhundert, Dresden 2001, S. 33–44; Schwarz, Uta: Vom Jahrmarktsspektakel zum Aufklärungsinstrument. Gesundheitsfilme in Deutschland und der historische Filmbestand des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, in: Roeßiger, Susanne/ Schwarz, Uta (Hrsg.): Kamera! Licht! Aktion! Filme über Körper und Gesundheit 1915–1990, Dresden 2011, S. 12–49; Tümmers, Henning: AIDS. Autopsie einer Bedrohung im geteilten Deutschland, Göttingen 2017, S. 150–162, 178–189, 224–253, 265–272, 275–292. 95 Aus diesen weiten Forschungsfeldern zur Geschichte der Ernährung, des Suchtmittelgebrauchs, des Übergewichts oder des Sports seien nur einige ergänzend herausgehoben: Briesen, Detlef: Das gesunde Leben. Ernährung und Gesundheit seit dem 18.  Jahrhundert, Frankfurt a. M. u. New York 2010; Neumann, Gerhard/Wierlacher, Alois/Wild, Rainer (Hrsg.): Essen und Lebensqualität. Natur- und kulturwissenschaftliche Perspektiven, Frankfurt a. M. u. New York 2001; Teuteberg, Hans Jürgen (Hrsg.): Die Revolution am Esstisch. Neue Studien zur Nahrungskultur im 19./20. Jahrhundert, Stuttgart 2004; Kochan, Thomas: Blauer Würger. So trank die DDR, Berlin 2011; Thoms, Ulrike: Der dicke Körper und sein Konsum im Visier von Wissenschaft und Politik in der DDR und der BRD, in: Comparativ 21/2011, S. 97–113; Laukötter, Anja: „Anarchie der Zellen“. Geschichte und Medien der Krebsaufklärung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, 2010, http://www.zeithistorische-forschungen.de/site/40208992/default.aspx, 13.4.2020. 96 Gleichwohl existieren Forschungen, vor allem dinghistorische, zur historischen Zirkulation von Vorstellungen, Vorstellungsträgern und Wissensrepräsentationen über Gesundheit

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außerhalb ihrer biomedizinischen Referenzwissenschaften beziehungsweise des Systems der medizinischen Versorgung; für die Geschichte der Marketing- und Werbeforschung nach 1945 ein wenig augenscheinlicher Gegenstand;97 und für die Geschichte des Public Health eine wenig wichtige, effektive oder bisweilen sogar als kontraproduktiv eingeschätzte individualisierende Technik der Prävention, die in ihrer historischen Komplexität wenig ernst genommen wird. Hinzu kommt außerdem, dass sich die Beliebtheit institutionengeschichtlicher Zugänge in Grenzen hält.98 Genau aus dieser multiplen Grenzposition heraus will ich die Geschichte des Deutschen Hygiene- und des Deutschen Gesundheits-Museums schildern – als Geschichte der in das Praxisfeld der Gesundheitsaufklärung eingebetteten Kommunikation, Bedeutungsaufladung und gesellschaftlichen Anverwandlung von Wissen und Vorstellungen von Körpern, Gesundheit und Krankheit.

Quellen und Vorgehen In fünf Kapiteln zeichne ich die Organisationsgeschichte des Deutschen Gesundheits-Museums und des Deutschen Hygiene-Museums chronologisch nach und binde diese ein in eine deutsch-deutsche Parallel- und Beziehungsgeschichte präventiver Gesundheitspolitik. Mein Blick richtet sich hierfür erstens auf das Feld der Gesundheitsaufklärung in Ost und West und auf etwaige grenzüberschreitende Transferprozesse. Zweitens soll diese Ebene der Gesundheitsaufklärung anhand ihrer methodologischen Entwicklungen geschildert werden. Drittens wird beides in Bezug zu den kommunikativen Instrumenten

und Krankheit bspw.: Borck, Cornelius (Hrsg.): Anatomien medizinischen Wissens. Medizin Macht Moleküle, Frankfurt a. M. 1996; Schmölders, Claudia/Gilman, Sander L. (Hrsg.): Gesichter der Weimarer Republik. Eine physiognomische Kulturgeschichte, Köln 2000; bezogen auf das Hygiene-Museum zur Aufbereitung von Körperwissen in Bildtafeln und Modellen in Gesundheitsausstellungen: Bethke, Berit: Bodies on Display. Die Aufbereitung von Körperwissen in transkulturellen Ausstellungsmedien des Deutschen Hygiene-Museums Dresden (1950–1980), in: Keller, Reiner/Meuser, Micheal (Hrsg.): Körperwissen, Wiesbaden 2011, S. 249–269. 97 Vgl.  als Überblick: Borscheid, Peter: Agenten des Konsums: Werbung und Marketing, in: Haupt, Heinz-Gerhard/Torp, Claudius (Hrsg.): Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890– 1990. Ein Handbuch, Frankfurt a. M. u. New York 2009, S. 79–96. 98 Als thematische nahestehende Ausnahme siehe: Hüntelmann, Axel C.: Hygiene im Namen des Staates. Das Reichsgesundheitsamt 1876–1933, Göttingen 2008. Vgl. ebenso im Rahmen der Aufarbeitung der deutsch-deutschen Nachgeschichte des Nationalsozialismus von Ministerien und Behörden bspw.: Creuzberger, Stefan/Geppert, Dominik (Hrsg.): Die Ämter und ihre Vergangenheit. Ministerien und Behörden im geteilten Deutschland, Paderborn 2018.

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und den Vorstellungen von individuellen und kollektiven Körpern, Gesundheit und Krankheit gesetzt, die darin medialisiert waren. Als Quellen dienen die publizistischen und archivalischen Überlieferungen der beiden Organisationen und der für sie zuständigen Stellen der öffentlichen Gesundheitsverwaltung.99 Hierfür wurden die Bestände von insgesamt elf Organisations-, Universitäts-, Kommunal-, Landes- und Staatsarchiven ausgewertet. Diese ermöglichen, das Selbstbild der Organisationen für die jeweils angesprochenen Öffentlichkeiten mit internen Einschätzungen und Schriftwechseln zu kontextualisieren. Die deutsch-deutsche Dimension des Kontakts, der Beziehungen und der Abgrenzungen lässt sich insbesondere aus den überlieferten Reiseberichten der Mitarbeiter erschließen. Aber auch Archivalien der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) helfen hierbei, legte doch der Geheimdienst eine besondere Aufmerksamkeit auf deutsch-deutsche Begegnungen, Konspirationen überall vermutend. Zum anderen werden einzelne exemplarische Medien der beiden Einrichtungen auf ihre Aussagen und Gestaltung sowie auf die Aushandlungsprozesse in ihrer Entstehung hin untersucht, die in Geschäftsberichten und Protokollen der Beirats-, Gruppenleiter- und Referententreffen ihren Niederschlag fanden. Zu diesen zählen analytisch gleichberechtigt Ausstellungen, Exponate, Lehrmittel, Filme, Fernsehspots und Broschüren. Angesichts der Fülle dieser Medien kann hier nur eine Auswahl getroffen werden. Aber mit Blick darauf, welche Medien von den Zeitgenossen als zeitgemäß und wichtig erachtet und wie diese reflektiert wurden, ist eine Auslese in der historiografischen Rekonstruktion durchaus begründbar. Eine weitere Kontextualisierung erfolgt durch Quellen, die Spuren zur Reflexion und zum Austausch über Funktion, Ziele und Methodologie der Gesundheitsaufklärung enthalten. Hierzu zählen insbesondere methodologische Publikationen. Zur Erschließung dieser Quellen sowie der Medien der Gesund99 Bis zum Abschluss dieser Arbeit waren die Bestände des Historischen Archivs Köln, zu denen die Akten des Vorstandsvorsitzenden des Museumsvereins gehören, durch dessen Einsturz 2009 nur höchst beschränkt zugänglich. Einigermaßen gefüllt wurde diese ca.  4  300 Blätter (92 Aktenbände) umfassende Leerstelle durch das für eine Publikation 1997 verfasste Exzerpt dieser Akten durch Heidrun Merk (Merk, Heidrun: Ergebnis der Recherchen im Historischen Archiv der Stadt Köln zum Deutschen Gesundheitsmuseum (DGM), Sammlung Deutsches Hygiene-Museum), die Doppelüberlieferungen im Bundesarchiv Koblenz und im Landesarchiv Nordrhein-Westfalens sowie die Findbücher der Kölner Bestände (Acc. 1824 53 Gesundheitsamt (Gesundheitsmuseum)  – 1945–1961; Acc. 2 (Amt des Oberbürgermeisters 1945–1961); Acc. 170 (Büros der Stadtvertretung, 1954–1965; Acc. 1301 531 (Gesundheitspflege, Gesundheitsfürsorge 1945–1966)). Davon war, zuletzt im April 2020, nur die Accession 2 digitalisiert zugänglich, deren Einheiten gesichtet und ausgewertet wurden.

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heitsaufklärung erwiesen sich die Sammlung des Deutschen Hygiene-Museums und dessen Bibliothek als reichhaltiger Fundus. Schließlich rundet die Auswertung massenmedialer Berichterstattung die Kontextualisierung und Historisierung in Richtung der breiten Öffentlichkeit ab. Neuere Datenbanken zur Volltextsuche in Tageszeitungen der DDR, wie ZEFYS, erleichterten es, entsprechende Quellen aufzufinden, konfrontierten jedoch andererseits mit einer Überfülle an Material. Gewichtungen ergaben sich hier aus der systematischen Durchsicht auch der Zeitungsausschnittsammlung des Hygiene-Museums und aus dem Nachgehen vorhandener Querverweise aus archiviertem Schriftgut der Organisationen und Ministerien. Nicht zuletzt in präventionshistorischen Arbeiten wurde betont, dass eigendynamische Prozesse epistemischer Reflexivität wissenschaftsgestützter Praktiken und pfadabhängiger Felder politikhistorische Periodisierungen konterkarieren.100 Rückt man die soziopolitischen Ordnungen, die in einem wechselseitigen Beeinflussungsverhältnis mit (den Medien) der Gesundheitsaufklärung standen, in den Mittelpunkt der Untersuchung, ergibt der Startpunkt 1945 dennoch Sinn: In der unmittelbaren Nachkriegszeit veränderten sich Ressourcenensemble und Netzwerk des Hygiene-Museums grundlegend, dessen Gesundheitsaufklärung, die zeitgenössisch als hygienische Volksbelehrung bezeichnet wurde, mit dem Kalten Krieg eine deutsch-deutsche Dimension erhielt. Gleichwohl werden die thematischen Vorgeschichten, die über die mehrfach hinterfragte „Stunde null“ zurückreichen, an relevanter Stelle miteinbezogen. So schildere ich in Kapitel 1 zunächst, mit welchen unterschiedlichen überkommenen Mitteln – Argumenten, Strategien, Verbündeten und Dingen – die Verantwortlichen des Hygiene-Museums nach dem Krieg ihre Einrichtung stützten und wieder rasch arbeitsfähig machten. In einem zweiten Schritt wende ich mich der Verdopplung des als „Zentralinstitut für medizinische Aufklärung“ deklarierten Dresdner Museums 1949 in Köln zu. Die Fragen nach dem Umgang mit der Vergangenheit und der Anpassung an die neuen Bedingungen der 1950er Jahre stehen in Kapitel 2 im Zentrum. Ausgehend von der Rekonstruktion des Konzepts, der Medien und der Organisationsform der Gesundheitsaufklärung, die sich in den 1920er Jahren herausgebildet hatten, zeige ich anhand der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben 1951 in Köln, wie sich das neue Museum in Köln als zentraler Akteur der Gesundheitsaufklärung in der Bundesrepublik zu positionieren und sich ein Netzwerk 100 Vgl. bspw.: Lengwiler, Martin: Risikopolitik im Sozialstaat. Die schweizerische Unfallversicherung 1870–1970, Köln u. a. 2006, S. 19–25; Lengwiler, Martin/Beck, Stefan: Historizität, Materialität und Hybridität von Wissenspraxen. Die Entwicklung europäischer Präventionsregime im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 34/2008, S. 489–523, S. 522.

Quellen und Vorgehen 

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aus Medizinalbürokratie, Wissenschaft und kommerziellem Ausstellungswesen zu schaffen suchte. Das Gesundheits-Museum balancierte wieder zwischen den Aufgabenspektren eines Wirtschaftsbetriebs, einer musealen Bildungseinrichtung sowie einer Relaisstelle massenmedialer Kommunikation. Es übersetzte und veranschaulichte körperliche und kollektive Ordnungen und ihre unterschiedlichen Ordnungsprinzipien, schrieb sich in die Dresdner Tradition ein – und beschwieg die Zeit des Nationalsozialismus beziehungsweise interpretierte diese selektiv. In der Ausstellungspraxis verband auch das Dresdner Hygiene-Museum die Bebilderung eines Körper- und Gesundheitswissens mit der Visualisierung der nunmehr sozialistischen Gesellschaftsordnung. Ebenfalls im punktuellen und interessengeleiteten Rückgriff auf alte Medien und Exponate setzte das HygieneMuseum die sozialistische Utopie der kollektiv orientierten, gesunden und leistungsfähigen Bürger*innen in Szene und amalgamierte mit dem Versprechen auf eine bessere Zukunft Gesundheitspropaganda mit Gesundheitsaufklärung. Hygiene- und Gesundheits-Museum operierten in den 1950er Jahren unter anderen Bedingungen: in der jeweiligen Blockorientierung der sich darüber verfestigenden deutsch-deutschen Teilung. Aber anfänglich bestand ein altes Netzwerk fort, das diese Grenzen überwand. Nicht zuletzt wirkten zudem der gemeinsame Markt anatomischer Lehrmittel wie auch der internationale Austausch über Konzepte und Medien der Gesundheitsaufklärung als Kontaktzonen zwischen den beiden Einrichtungen. Zum Ende der 1950er Jahre bestand an ihrer jeweiligen Eigenständigkeit kein Zweifel mehr und die Beziehung wurde konfrontativ, nachdem Kooperationspläne gescheitert waren, wie ich in Kapitel 3 verdeutliche. Personelle Wechsel und die strukturelle Einbettung in die jeweiligen Felder der Krankheitsprävention hatten die Organisationen in der Bundesrepublik beziehungsweise der DDR verankert. Das Hygiene-Museum konnte immer noch als größere und prestigereichere Einrichtung gelten und machte sich auf dem westlichen Ausstellungs- und Aufmerksamkeitsmarkt sichtbar. Doch gerade als eine parallele Koexistenz beider Einrichtungen alternativlos zu werden schien, gerieten beide Museen und ihre hygienische Volksbelehrung um 1960 in die Kritik. Kritik und Krise der beiden Organisationen in den 1950er und frühen 1960er Jahren ist Gegenstand des vierten Kapitels. In diesem werde ich den Weg nachzeichnen, auf dem die hygienische Volksbelehrung und mit ihr die beiden Einrichtungen im Laufe der 1950er Jahre als Museen untragbar wurden. Die spezifische Organisationsform, welche die eigentümliche Verfasstheit des Feldes der Gesundheitsaufklärung jahrzehntelang widergespiegelt hatte, begann in Ost und West nur noch als Geschichte nachzuwirken. Die Krise der beiden Museen eröffnete für die in beiden deutschen Staaten an politischem Einfluss gewinnende Medizinalbürokratie die Chance, das Institutionengefüge der Gesundheitsaufklärung neu zu ordnen und dabei die beiden Museen zu Agenturen einer zentrali-

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sierten, koordinierten und ver(sozial)wissenschaftlichten Verhaltensprävention umzugestalten. Die Transformation von unabhängigen Museen zu Behörden/Zentralinstituten, die gleichbedeutend war mit einer Verschiebung des Modus der Gesundheitsaufklärung von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung, fand in beiden deutschen Staaten 1967 ihren sichtbaren Niederschlag: Das Hygiene-Museum erhielt 1967 ein neues Statut, das die Gesundheitserziehung aufwertete; das Gesundheits-Museum wurde im selben Jahr gar in die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung umgewandelt. In einer Zeit der wissenschaftsgestützten Planungseuphorie, der Risikofaktoren und der Verhaltenskrankheiten wich die visuelle Aufklärung über individuelle Körper(funktionen) der verheißungsvollen Verhaltensmotivierung und -formung. Das klassische Medium der Ausstellung schien sich überholt zu haben; neue Massenmedien galten dafür als effizientere Kommunikationsvehikel. Diese Entwicklung der organisationalen, konzeptionellen und medialen „Entmusealisierung“ führe ich in Kapitel  5 aus. Die Zeitgenossen in beiden deutschen Staaten verstanden diesen mehrschichtigen Wandlungsprozess zur Gesundheitserziehung als Modernisierung. Historiker*innen können dies als Effekt der Etablierung eines internationalen Professionsnetzwerkes sehen, das vor allem Perspektiven der Behavioral Sciences aus den USA adaptierte, auf die Veränderung von Verhaltensweisen abzielte und dafür sozialwissenschaftlich-evaluativ verfahrende Expertisen rezipierte. Agenda und Instrumentarium der Gesundheitserziehung machten insbesondere die kulturellen, psychologischen und sozialen Faktoren sichtbar, die individuelles Handeln beeinflussten. Gesundheitserziehung wurde damit doppelt sozial situiert: in ihrer eigenen Tätigkeit und in Hinsicht auf ihren operativen Gegenstand. Dass sich darüber Präventionsverantwortung und Präventionspraxis individualisierten, mag stimmen. Gleichwohl wurden die sozialen Bedingungen der individuellen Verantwortung und des Handelns genauso sichtbar, wie die Aufklärung über Gesundheit und Krankheit eine gesundheits- und präventionspolitische Kompetenz und Verantwortung beider deutscher Staaten wurde. Angesichts dieser Verschiebungen nimmt die Genese von Gesundheitsförderung (als New-Public-Health-Perspektive) in den 60er Jahren ihren Anfang und stellt vielmehr eine graduelle Entwicklung als einen radikalen Umbruch dar.

Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums, 1945–1950 Das Jahr 1945 markierte auch für das Hygiene-Museum in Dresden einen Einschnitt. So wie die Stadt war auch das Museumsgebäude zerstört worden. Das Fortbestehen des Deutschen Hygiene-Museums war keine Selbstverständlichkeit. Gleichwohl trifft auch der mehrfach hinterfragte und relativierte Topos der „Stunde null“ für das Museum am Großen Garten in Dresden nicht zu. Es zeigt sich ganz im Gegenteil zum vermeintlich radikalen Bruch des Jahres 1945, dass die Verantwortlichen des Museums diesem rasch neuen Schwung verleihen konnten. Doch wie kam es dazu und wie veränderte sich das Museum in seiner Renaissance? Das Hygiene-Museum verfügte 1945 über ein erworbenes Ensemble vollkommen unterschiedlicher personeller, materieller und finanzieller Ressourcen, welches es nach dem Krieg wieder für sich mobilisieren konnte. Dieses Netz fing das Museum in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf: Das Hygiene-Museum hatte noch ein Museumsgebäude, Prestige, Finanzen, Exponate und Personal. Immer noch interessierte es Verbündete in den Gesundheitsverwaltungen des besetzten Deutschlands. Doch schließlich war es gerade dieser Erfolg, der das Ende des Hygiene-Museums in seiner bisherigen Form einläutete. Denn mit der Aufmerksamkeit der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), die der Museumspräsident erfolgreich auf das Hygiene-Museum zog, sorgte er zwar für dessen Fortbestehen. Aber genauso trug er damit auch dazu bei, dass dem Museum seine relative Unabhängigkeit (gegenüber gesundheitspolitischen Interessen) verloren ging. Es war das aktive Zusammenspiel vieler verschiedener kooperierender und konfligierender Akteure, Vorstellungen, Bekanntschaften, Argumente und Räume, welches das rasche „Wiederaufleben“ des Museums ermöglichte. Diese Dynamik führte letztendlich aber auch zur Verdopplung des Hygiene-Museums, als mit der deutsch-deutschen Spaltung auch ein bundesrepublikanisches Pendant in Köln entstand.

1.1 Auferstanden aus Ruinen? Dresden und sein Hygiene-Museum Dresden im Herbst 1945: Die Kamera blickt vom Rathausturm vorbei an der Personifikation der Bonitas, der Allegorie der guten Stadtregentschaft, auf ein Meer von Ruinen und Schuttbergen – Skeletten aus Stein, Beton und Stahl. Es ist die https://doi.org/10.1515/9783110664171-002

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

zerstörte Dresdner Altstadt vom Rathaus bis zum Bahnhof, die das betrachtende Auge auf Richard Peters Fotografie „Blick vom Rathausturm“ erkennen kann (vgl. Abb. 1). Aber es ist nicht unbedingt nur der Mythos Dresden, der in diesem Bild aufscheint, sondern darüber hinaus die umfassende Zerstörung deutscher Städte in Folge des Zweiten Weltkrieges, die hier repräsentiert und im weiteren Verlauf der Bildgeschichte ikonisiert wurde.1

Abb. 1: Richard Peter: Blick vom Dresdner Rathausturm nach Süden (nach dem 17. September 1945).

Bereits im Moment der Aufnahme war diese Bedeutungsebene erinnerungspolitisch intendiert, die durch die Bildverwendung in der Erstveröffentlichung von 1950 nochmals zugespitzt wurde. Denn Peter positionierte das Bild an einer narrativen Gelenkstelle des Buches, um den materiellen und moralischen Ruin des nationalsozialistischen Deutschlands, die totale Zerstörung im Bombenhagel der Westalliierten, aber auch, um die Hoffnung des sozialistischen Wiederaufbaus 1 Vgl.  zum Begriff des Mythos als narrative Bewältigung der Welt mit der Funktion, Identitäten politischer Gemeinschaften über die Anlage eines Gedächtnisses zu stiften und ihnen Selbstbilder, Handlungsanleitungen und Orientierung zu geben, knapp: Münkler, Herfried: Die Deutschen und ihre Mythen, Reinbek bei Hamburg 2010 [2009], S. 9–29, 362–387; Konzise Begriffsarbeit und -historisierung zur ausgiebigen Forschung zur Geschichtskultur findet sich bei: Cornelißen, Christoph: Erinnerungskulturen, Version 2.0, 22.10.2012, http://docupedia.de/zg/Erinnerungskulturen_Version_2.0_Christoph_Corneli%C3%9Fen#cite_ref-13, 23.2.2020.

1.1 Auferstanden aus Ruinen? Dresden und sein Hygiene-Museum 

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zu symbolisieren.2 Der Band leitete mit Bildern von der Schönheit der unversehrten, schlafenden und unschuldigen Stadt vor dem Krieg ein und suchte mit dem „Blick vom Rathausturm“ eine maximale Kontrastierung mit anschließenden Fotografien totaler Zerstörung. Doch die darauffolgenden Abbildungen der Jahre zwischen 1945 und 1950 suggerierten umgehend das Versprechen, dass die Wunden, die der Krieg gerissen hatte, nach und nach verheilten und die alte Blüte wiederhergestellt werden könnte.3 Es steht außer Frage, dass Dresden verheerenden Schaden erlitten hatte. Dieser Umstand wurde jedoch derart früh erinnerungspolitisch dominant, dass Kontinuitäten, selbst baulicher Art, überblendet wurden. Dass Peter seine Fotografien vom Dach des Rathauses aufnehmen und die Ruine mehrmals besteigen konnte, dass diese Fotografie mehrfach intentional beschnitten und nicht alle Blickrichtungen vom Rathaus fotografisch dokumentiert wurden, und dass Fassaden tragfähig und bestehen blieben – das trat in der Ikonisierung des Bildes zum Emblem der Zerstörung Deutschlands und Dresdens zurück. Auch die neuere Forschung zum Hygiene-Museum beziffert den Grad der Gebäudezerstörung Mitte Februar 1945 mit beträchtlichen 80%.4 Eine Aufnahme entgegengesetzt der Blickrichtung Peters, vom Rathausdach nach Osten in Richtung des Großen Gartens, hätte das teilzerstörte Gebäude des Hygiene-Museums vor das Objektiv gerückt und die ausgebrannten, lückenhaften und fensterlosen Rohbauten des Museums gezeigt. Das Hygiene-Museum war durch die Bombar-

2 Vgl.  Poutrus Patrice G.: Bomben auf Elbflorenz. Die Zerstörung Dresdens als Thema in der antiamerikanischen Propaganda der DDR, in: Behrends, Jan C. (Hrsg.): Antiamerikanismus im 20. Jahrhundert. Studien zu Ost- und Westeuropa, Bonn 2005, S. 143–158; Fache, Thomas: Gegenwartsbewältigungen. Dresdens Gedenken an die alliierten Luftangriffe vor und nach 1989, in: Arnold, Jörg/Süß, Dietmar/Thießen, Malte (Hrsg.): Luftkrieg. Erinnerungen in Deutschland und Europa, Göttingen 2009, S. 221–238; Süß, Dietmar: Bomben aufs Abendland. Bis heute bestimmt die NS-Propaganda das Erinnern an die Zerstörung Dresdens vor 70 Jahren, in: Die Zeit, 12.2.2015, S. 17. 3 Vgl. Hesse, Wolfgang: Der „Engel“ von Dresden. Trümmerfotografie und visuelles Narrativ der Hoffnung, in: Paul, Gerhard (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder, Bd. 1: 1900 bis 1949, Göttingen 2009, S. 730–737; ausführlich zu Entstehungsbedingungen sowie Komposition und Interpretation des Bildbandes: Ziegner, Sylvia: Der Bildband Dresden – eine Kamera klagt an von Richard Peter senior. Teil der Erinnerungskultur Dresdens, Marburg 2010. 4 Vgl. Schulte: Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden, S. 153. Schulte bezieht sich auf eine zeitgenössische, generalisierende Schätzung aus dem Haus, die an die finanzierenden Mitglieder des Museumsvereins zwischen 1945 und 1946 mehrfach kommuniziert wurde. Es ist aber davon auszugehen, dass die Zerstörung eher über- als unterschätzt wurde. Und auch wie die exakte Prozentzahl errechnet wurde, wird aus den Quellen nicht ersichtlich. Vgl. dazu: Bericht über das Geschäftsjahr und das Rechnungswerk 1944/45, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13686, Nr. 44/12, 1944.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

dements vom 13. bis 15. Februar schwer getroffen worden. Die Bebauungen des Innenhofes und der eingeschossige Pavillonanbau mit seinem apsisähnlichen Ende, der an den Mittelbau in der Zentralachse des Gebäudes angeschlossen worden war, waren komplett vernichtet. Im Nordflügel der Museumsanlage klaffte eine nicht unwesentliche Bombenlücke. Auf den Bildern vom Februar 1945 hinterlässt das Hygiene-Museum einen ziemlich bedauernswerten Eindruck. Trotz seines dokumentierten desolaten Zustands kann das Gebäude des Hygiene-Museums kaum zu einem Symbol völliger Vernichtung erhoben werden. Und dennoch wurde auch noch in der jüngeren Vergangenheit das Gegenteil versucht: eine doppelseitig vergrößerte Fotografie des Museumsgebäudes von 1946 wurde 2005 in einem Buch über das Museum ähnlich prominent präsentiert wie Peters Fotografie in der „anklagenden Kamera“ (vgl. Abb. 2).5

Abb. 2: Das Deutsche Hygiene-Museum, Bombenlücke des Nordflügels um 1946.

5 Vgl. Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, S. 109 f.

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Ressourcen für den Wiederaufbau Das Museumsgebäude Schon im September 1945, als Richard Peter die zerstörte Dresdner Altstadt vom Rathausturm aus festhielt, schrieb der langjährige Präsident Georg Seiring in Sachen Renovierung des Museumsgebäudes an seinen ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Rudolf Neubert (1898–1992), der zu dieser Zeit stellvertretender Dezernent für das Gesundheitswesen in Dresden war.6 Es lag an Neuberts Zugang zur lokalen Verwaltung, dass Seirings Drängen, das Hygiene-Museum an das Fernheizwerk und an das Telefonnetz anzuschließen, erfolgreich war.7 Und bereits im Dezember 1945 meldete die Berliner Zeitung, „daß viele der Werkstätten [des Hygiene-Museums, C.S.] ihre Tätigkeit bereits aufnehmen konnten.“8 Etwas mehr als zwei Jahre später, im Frühjahr 1948, beauftragte die Deutsche Zentralverwaltung für Gesundheitswesen (DZVG) in Berlin den ehemaligen Bauhaus-Architekten Gustav Hassenpflug, den baulichen Zustand des HygieneMuseums zu begutachten. Hassenpflug, der zu dieser Zeit die Professur für Städtebau an der Hochschule für Baukunst und Bildende Künste in Weimar bekleidete und zugleich das Sozialdezernat Krankenhausplanung der Stadt Berlin mitleitete, schätzte daraufhin die Gesamtanlage des Hygiene-Museums als außerordentlich günstig ein. Angesichts der Modernität, des geringen Alters des Gebäudes von nur 18 Jahren und des geringen Zerstörungsgrades von 25% sei der Wiederaufbau möglichst nachdrücklich voranzutreiben.9 Schon knapp ein Jahr später wurden im Quartalsbericht des Hygiene-Museums weitere Fortschritte vermerkt: Das Dach sei zu 90% renoviert, die Bombenlücke zu 55% geschlossen, die im Haus gelagerten und noch verwendbaren Geräte und Materialien für die Herstellung von Lehrmitteln und Schaustücken seien aus diesem weitgehend gehoben und die Räumlichkeiten des Hauses insgesamt zu 80% erbaut und sogar zu 40% eingerichtet.10 Das Museumsgebäude war damit bis 1949 nicht wieder vollständig hergestellt. Aber es war möglich geworden, die Arbeit vor Ort wieder aufzunehmen. Schon ab März 1946 konnte das Museum seine erste Wanderausstellung Geschlechtskrankheiten – Verhütung und Heilung zeigen, zunächst im eigenen

6 Vgl. zu Rudolf Neubert Neubert, Rudolf: Mein Arztleben. Erinnerungen, Rudolstadt 1974 sowie den Personennachlass Rudolf Neubert im Sächsischen Staatsarchiv-Hauptstaatsarchiv Dresden, Bestandssignatur 12741. 7 Vgl. Seiring an Neubert, 4.9.1945; Georg Seiring an Rudolf Neubert vom 13.9.1945; Georg Seiring an Rudolf Neubert vom 18.9.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140, 1938–1946. 8 Anonym: Dresdener Hygiene-Museum wird wieder aufgebaut, in: Berliner Zeitung, 9.12.1945, S. 3. 9 Vgl. BArch, DQ 1/960, 1946–1949, unpag. 10 Vgl. Tätigkeitsbericht 2. Quartal 1949, in: BArch, DQ 1/1094, 1947–1949, unpag.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

Haus in Dresden, dann mit insgesamt sieben Kopien auch in der gesamten SBZ.11 Schenkt man einer internen Auflistung aus dem Hygiene-Museum von 1976 Glauben, begleitete diese Ausstellungen ein ganzes Arsenal an Aufklärungsmaterial. Zu diesem gehörten Vorträge in Schulen und Ausschüssen, Broschüren in einer Auflage von mehr als 300  000 Stück, 400  000 Kopien zweier DIN A 2 Plakate, Plakatstreifen, Schriftplakate und achtseitige Merkblätter, welche zusammen mit Lebensmittelmarken verteilt wurden.12 1947 folgte die zweite Serie an Wanderausstellungen mit dem Titel Volkskrankheiten. 1948 wurde die erste provisorische Hausausstellung nach dem Krieg eröffnet; erste Sonderausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen durchgeführt. Das 1930 eröffnete Museumsgebäude bot günstige Wiederaufbaubedingungen, was wiederum in einer Zeit der öffentlichen Krankheitsgefährdung entscheidend dazu beitrug, das Interesse weiterer Akteure zu wecken. Und die Unterstützer trugen durch ihr Engagement dazu bei, das Gebäude zu rekonstruieren, das sich jedoch im Zuge dessen auch veränderte.13 Am Museumsgebäude verband sich damit das Gestern mit dem Morgen, so wie sich unterschiedliche Akteure mit ihren Interessen und Rationalitäten dort vermengten.14 So zogen zwischen 1945 und 1949 neue Mieter in abgetrennte Räumlichkeiten, für die man das Haus umbaute. Vor allem nutzten die neuen Mieter die neu entstehenden Säle, an denen es in Dresden zu jener Zeit mangelte.15 Ab 1946 produzierte hier der

11 Vgl. Oechsner: Bericht des DHM über die Durchführung der Wanderausstellung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, o. D., in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 46/1, 1946–1947, unpag. Zu den analogen gesundheitspolitischen Herausforderungen durch Geschlechtskrankheiten in den Besatzungszonen siehe: Reinisch: Perils of Peace, S. 195–197, 211–214, 230–248, 252–263, 270–299; Eckart, Wolfgang Uwe: Medizin in der NS-Diktatur. Ideologie, Praxis, Folgen, Wien 2012, S. 366–370. Zur Geschichte der „Bekämpfung“ von Geschlechtskrankheiten: Regin: Selbsthilfe und Gesundheitspolitik, S. 220–225, 303–317, 364, 419–421; Sauerteig: Krankheit, Sexualität, Gesellschaft; und zu ihrer Visualität in Ausstellungen und Filmen: Saryusz-Wolska, Magdalena/ Labentz, Anna: Bilder der Normalisierung. Gesundheit, Ernährung und Haushalt in der visuellen Kultur Deutschlands 1945–1948, Bielefeld 2017, S. 130–168. Die Tafeln der Ausstellung befinden sich als Fotografien in der Sammlung des Deutschen Hygiene-Museums: DHMD 2013/483.1–112. 12 Vgl. N. N.: Aktivitäten DHM zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, 4.2.1976, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 46/39, 1945–1976, unpag. Vgl. ebenso Saryusz-Wolska/Labentz: Bilder der Normalisierung, S. 94. 13 Zu den baulichen Veränderungen des Museums seit 1945 leider nur kursorisch und als Problem eines nicht denkmalsgerechten Wiederaufbaus problematisiert siehe: Schulte: Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden, S. 185–213. 14 Vgl. Foucault, Michel: Andere Räume, in: Barck, Karlheinz/Gente, Peter/Paris, Heidi/Richter, Stefan (Hrsg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig 1992, S. 34–46. 15 Vgl. Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, S. 106.

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Landessender, ab August 1947 war die Gast- und Tanzstätte des Museums neu verpachtet worden. Hierdurch wurden manche Wege zum Wohle des Museums kurz: Der Sender Dresden beispielsweise sendete einen Vortrag aus dem Museum zum Thema Geschlechtskrankheiten bereits 1946. Die Gaststätte sorgte nicht nur für zusätzliche finanzielle Mittel, dort konnte auch gleich ein Schriftplakat zur Warnung vor Geschlechtskrankheiten aufgehängt werden.16 Ab Oktober 1947 probten und präsentierten die Dresdner Philharmoniker ihre Kunst in den Räumlichkeiten des Hygiene-Museums.17 Im selben Jahr schon zählte der für die Saalvermietung zuständige Verantwortliche des Hygiene Museums insgesamt 279 weitere politische und kulturelle Veranstaltungen auf, für die er Mieteinnahmen verbuchte.18 Die Organisationsstruktur Aus dem schieren „Überleben“ des Museumsgebäudes ließen sich so Kapitalien für den weiteren Wiederaufbau gewinnen, das Gleiche bewirkte auch die Organisationsstruktur des Hygiene-Museums, die sich im Verlauf der 1920er Jahre als pragmatische Lösung der Dauerkrise herausgebildet und dem Museum sowohl eine relative Unabhängigkeit als auch mehrere Einnahmequellen gesichert hatte. Ein Verein war Kern des Dresdner Modells. In der Rechtsform des eingetragenen Vereins garantierte er, Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft anbinden zu können und diese die Geschäfte grundlegend finanzieren zu lassen. Im Rechnungsabschluss 1944/1945 waren fünf Organisationen als Hauptfinanziers aufgeführt: das Deutsche Reich, das Land Sachsen, die Stadt Dresden, die Deutsche Arbeitsfront und die Reichsärztekammer.19 Das Museum ging darüber hinaus aber noch wirtschaftlichen Unternehmungen nach. So bestand das Hygiene-Museum im Mai 1945 aus mehreren Teileinheiten: dem Museumsverein (als eine Art gemeinnütziger Holding), einer Aktiengesellschaft für

16 Vgl.  Anonym: Aktivitäten DHM zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, 4.2.1976, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 46/39. 17 Vgl. Rechtsstreit des Deutschen Hygiene-Museums mit dem Pächter der Gaststätte Horst Mierenberg, 1948, in: BArch, DQ 1/1094. 18 Vgl.  Tätigkeitsbericht des DHM 1947, in: ebd.; Hauptstaatsarchiv Dresden, 12464, Nr.  288, 1947–1950, unpag; Mail der ehemaligen Archivarin des DHM, Marion Schneider, an den Verfasser zu den relevanten Mietverträgen (Landessender-DHM, Beginn 1946; Philharmonie-DHM, Beginn 1.10.47) vom 14.5.2013. Zur Praxis der Vermietung von Gebäudeteilen seit 1930 vgl. Stephan: Das Dresdner Hygiene-Museum, 1986, S. 121 f.; 156; 191 f. 19 Insgesamt steuerten diese rund 275  000 Reichsmark zum Museumsbudget bei, die Deutsche Arbeitsfront trug hiervon den größten Anteil (160  000 RM). Vgl.  Rechnungsabschluss, Hygiene-Museum e. V. 1944/45, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

hygienischen Lehrbedarf, welche Lehrmittel entwickelte und produzierte, und dem Verlag Deutsches Hygiene-Museum (bis 1935 Deutscher Verlag für Volkswohlfahrt), welcher Begleitmaterialien zu Ausstellungen oder populärwissenschaftliche Broschüren vertrieb. Ergänzt wurden diese Gliederungen durch den Internationalen Gesundheitsdienst, der „alle Zweige der […] missionierenden Tätigkeit des Deutschen Hygiene-Museums organisatorisch“ zusammenfasste.20 Das Hygiene-Museum war damit kein „Museum alten Stils“, sondern glich eher einem vereins- wie steuerrechtliche Vorteile geschickt miteinander verschränkt ausnutzenden „Hygiene-Konzern“, wie dies dessen Präsident Georg Seiring 1931 pointiert formuliert hatte.21 Schon im Sommer 1945 war diese Ordnung wieder funktionstüchtig aufgebaut, als die Hygiene-Akademie des Landes Sachsen – eine Schulungs- und Fortbildungsorganisation für medizinische Berufe – im Auftrag der Landesverwaltung Gesundheitswesen ihren ersten Lehrgang für Fürsorgehelfer nach dem Krieg abhielt. Der Lehrgang 1945 fand zwar nicht am Museum statt, sondern in einer Schule, was Mietkosten verursachte. Doch die Teilnahmegebühren sowie die Kosten der verwendeten Bücher und Lehrmittel (hergestellt vom Verlag des Deutschen Hygiene-Museums) sorgten für ein positive Bilanz.22 Durch altes Vermögen und die Lehrgangseinnahmen war das Museum liquide, so dass mit Hilfe der provisorischen Stadtverwaltung rasch nach Kriegsende auch Hilfsarbeitskräfte zur Bergung von Bau- und Produktionsmaterial zugewiesen und bezahlt werden konnten. Der gebürtige Dresdner und spätere Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (1961–1963) und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion von 1968 bis 1991 Wolfgang 20 Albrecht, Egon Erich: Das Deutsche Hygiene-Museum und sein Internationaler Gesundheitsdienst. Eine Denkschrift, Dresden 1931, S. 71. 21 Seiring, Georg: Protokoll der Sitzung des Vorstands des Deutschen Hygiene-Museums am 29.1.1931, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13686,  Nr.  48, 1913–1935, unpag. Zur Organisationsgeschichte des Hygiene-Museums in den 1920er Jahren siehe: Steller, Thomas: „Kein Museum alten Stils“. Das Deutsche Hygiene-Museum als Geschäftsmodell zwischen Ausstellungswesen, Volksbildungsinstitut und Lehrmittelbetrieb, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015, S. 72–87; Ders.: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern, S. 370–378, 436–443. Damit entwickelte sich das Hygiene-Museum anders als das Musterbeispiel der Verstetigung einer volksbildenden Initiative, das Deutsche Museum in München. Siehe hierzu: Trischler, Helmut/Vaupel, Elisabeth/Wolff, Stefan L.: Einleitung: Das Deutsche Museum in der Zeit des Nationalsozialismus. Konturen einer Bestandsaufnahme, in: Vaupel, Elisabeth/Wolff, Stefan L./Messerschmidt-Franzen, Dorothee (Hrsg.): Das Deutsche Museum in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Bestandsaufnahme, Göttingen 2010, S. 13–42, S. 22. 22 Vgl.  Brief Georg Seirings an Rudolf Neubert vom 13.9.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140.

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Mischnick (1921–2002) und sein Vater waren zwei von diesen Arbeiter*innen.23 Im Sommer 1945 sperrte jedoch der „Bankenbefehl“ (Befehl Nr.  01) der SMAD sämtliche Konten der Museumseinheiten.24 Ohne Zugriff auf finanzielle Ressourcen wurde der Wiederaufbau schwieriger. Seiring schaute sich nach alten und neuen Alliierten für den Betrieb des Hygiene-Museums um und fand sie in den erwähnten neuen Mietern. Ebenso halfen ein Darlehen, eine Hypothek sowie zwei steuerfreie Lotterien.25 Und Anfang 1946 wurde das Hygiene-Museum auch in den offiziellen Wiederaufbauplan Dresdens aufgenommen – neue Finanzmittel standen demnach in Aussicht.26 Vor allem aber garantierten die Aufträge der Aktiengesellschaft für die Produktion neuer Lehrmittel im Wert von knapp 527 000 Reichsmark das Fortbestehen des Dresdner „Hygiene-Konzerns“. Hier konnten die Mitarbeiter*innen nicht unmaßgeblich auf alte Entwürfe, Modelle und Expertisen zurückgreifen.27 Überkommene Exponate In der Bauruine des Museums fand sich unterschiedliches Material für Aufklärungsmedien und -objekte in roher oder bereits verarbeiteter Form. An offizielle Stellen meldete Seiring im Februar 1945, mit der Bergung von Material begonnen zu haben.28 Bereits „kurz nach Kriegsende“ nahm das anatomische Laboratorium in einigen Kellerräumen provisorisch wieder seine Tätigkeit auf, spätestens ab Mai 1946 wurde begonnen, neue Präparate herzustellen.29 Das traf auch auf Moulagen zu. Mit der Produktion dieser dreidimensionalen und bemalten anatomi-

23 Vgl. Mischnik, Wolfgang: Von Dresden nach Bonn. Erlebnisse – jetzt aufgeschrieben, Stuttgart 1991, S. 201–207. Laut Bilanz Ende 1947 verfügten die Glieder des Museums insgesamt über ein Guthaben von ca.  127  000 Reichsmark. Vgl.  Aktenvermerk Feuerboether vom 2.1.1948, in: BArch, DQ 1/1094. 24 Vgl.  Zank, Wolfgang: Wirtschaftliche Zentralverwaltungen und Deutsche Wirtschaftskommission (DWK), in: Broszat, Martin/Weber, Hermann (Hrsg.): SBZ Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 1945–1949, München 1990, S. 253–290, hier S. 254. 25 Vgl. Kowark: Deutsches Hygiene-Museum, S. 7 f; Seiring an Neubert am 13.9.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140. 26 Vgl. Le., R.: Dresden, heute und morgen. Lebendiger Aufbauwille schafft eine neue Stadt, in: Neue Zeit, 31.3.1946, S. 3. 27 Vgl. Aktenvermerk Feuerboether vom 2.1.1948, in: BArch, DQ 1/1094. 28 Vgl. Seiring, Georg: Der Wiederaufbau des Deutschen Hygiene-Museums, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140. 29 Vgl. Behling: Anatomisches Labor, S. 42 f.

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schen Wachsabformungen von zumeist krankhaften Veränderungen von Haut, Organen oder Knochen musste nach 1945 nicht bei Null begonnen werden.30 In ihrem 1984 verfassten und 2010 veröffentlichten Erinnerungsbericht über die Moulagenherstellung am Deutschen Hygiene-Museum schilderte die Mouleurin Elfriede Walther-Hecker (*1919) ihre Erlebnisse bei der Sicherung und Bergung von Material aus der Moulagenwerkstatt und Gipsbildhauerei. Walther-Hecker war von 1946 zunächst als Zeichnerin und von 1957 bis 1980 als Leiterin der Moulagenwerkstatt am Deutschen Hygiene-Museum beschäftigt. Ihr zufolge war zwar jegliche Ordnung in der Sammlung von Originalabdrücken früherer Jahre, Ausgussformen und Gipsmodellen durch das Abbrennen der Regale im Keller zerstört worden. Doch einige Wachsmodelle waren erhalten geblieben. Von anderen wurden mit den verbliebenen Gipsformen neue Ausgüsse hergestellt und diese aus dem Gedächtnis von Ella Lippmann, der Vorgängerin Walter-Heckers als Leiterin der Moulagenwerkstatt, oder mithilfe entsprechender Abbildungen in anatomischen Atlanten bemalt. Ab 1949 stellte das Hygiene-Museum sogar wieder neue Moulagen und deren Abgussformen her. Die erfahrene Mouleurin Ella Lippmann sowie Walter Ulbricht, Leiter der Gipsbildhauerei vor und nach Kriegsende, ermöglichten auch Dank des vorhandenen Materials den raschen Neubeginn der Moulagenherstellung nach 1945.31 Schließlich hatte auch ein besonderes Vorzeigeobjekt aus den Werkstätten des Museums beinahe unbeschädigt den Brand des Hauses überstanden: eine „Gläserne Frau“. Dieses Wissensobjekt, als „Gläserner Mann“ erstmals 1930 präsentiert, bestand aus dem lebensgroßen Modell eines Menschenkörpers. Um das weiß gestrichene Skelett aus Aluminium waren Kupferdrähte gewickelt, deren Färbung in blau, rot und gelb Adern, Arterien und Nervenbahnen symbolisierten. Einzelne kleine Lämpchen bestrahlten die modellierten Organe von innen

30 Vgl. exemplarisch zur „historischen Tiefe“ dieser Objekte: Schnalke, Thomas: Moulagen in der Dermatologie. Geschichte und Technik, Marburg 1987; Ders.: Diseases in Wax. The History of the Medical Moulage, Chicago, IL 1995; Maerker, Anna: „Wunderbarer Vorrichtungen“ oder „nutzloses Spielzeug“? Debatten über den öffentlichen Nutzen der Visualisierung des Körperinneren vom 17. bis zum 19.  Jahrhundert, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015, S. 133–143 und zu ihrer Geschichte am Hygiene-Museum: Lang, Johanna/Mühlenberend, Sandra/Roeßiger, Susanne (Hrsg.): Körper in Wachs. Moulagen in Forschung und Restaurierung, Dresden 2010. 31 Vgl. Walther-Hecker, Elfriede: Moulagen und Wachsmodelle 1948–1980 in Dresden, in: Lang, Johanna/Mühlenberend, Sandra/Roeßiger, Susanne (Hrsg.): Korper in Wachs. Moulagen in Forschung und Restaurierung, Dresden 2010,  S.  147–169,  S.  147–152, 159–165. Siehe zur Biografie Elfriede Walther-Heckers auch: Goettle, Gabriele: Totenmaske der Krankheit. Eine Kapazität der Moulagenkunst erzählt, 2006, http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/02/27/a0214, 25.9.2019.

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und leuchteten so das Körperinnere aus, das durch eine Haut aus transparentem Kunststoff umschlossen war. Diese Objekte repräsentierten auf diese Weise nicht nur einen weiblichen und männlichen Normalkörper des Menschen dem Durchschnitt entsprechend. Sie rekurrierten durch ihre Pose, die stark an Hugo Reinhold Karl Johann Höppeners (Fidus, 1868–1948) Lichtgebet erinnerte, auf antike Vorbilder der Körperdarstellung. Diese waren in der Nacktkultur der Lebensreformbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts zu Symbolen einer nachahmenswerten Verschmelzung von Kraft, Leistung, Schönheit und Gesundheit erhoben worden.32 Sie popularisierten aber auch einen Blick in den menschlichen Körper, der einem medizinisch-szientistischen Körperverständnis der Erfassung und Kontrolle entsprach. Sie verschoben damit die körperliche Naturnorm der Lebensreform in Richtung ihrer technischen Reproduzier- und Adaptierbarkeit.33 Eine „Gläserne Frau“ war im Mai 1945 nun fast vollständig zusammengebaut, nachdem sie täglich aus dem Luftschutzkeller geholt und am Ende des Arbeitstages dorthin wieder zurückgebracht worden war. Bereits 1946 wurde sie in Berlin und im Mai 1947 im Rahmen der Leipziger Messe präsentiert.34 Es waren also das Museumsgebäude, wohlwollende Unterstützung aus der Stadt, Präparate, Moulagen und die „Gläserne Frau“, die 1945 für die geschäftliche, thematische und materielle Kontinuität des Deutschen Hygiene-Museums standen, ja sogar für diese mit sorgten. Allen voran garantierte aber das bereits seit Jahren dort beschäftigte Personal zusammen mit alt bewährten Bekanntschaften den sanften Übergang vom Nationalsozialismus in die Zeit der sowjetischen Besatzung. Alte Netzwerke Im Kern des Hygiene-Netzwerks standen Georg Seiring und Rudolf Neubert. Seiring war nach dem Tod des Museumsinitiators und Odol-Mundwasser32 Vgl. Möhring: Marmorleiber, S. 169–257, insbesondere S. 237–243. 33 Vgl. Beier, Rosmarie/Roth, Martin (Hrsg.): Der Gläserne Mensch – Eine Sensation. Zur Kulturgeschichte eines Ausstellungsobjekts, Stuttgart 1990; Vogel, Klaus: The Transparent Man. Some Comments on the History of a Symbol, in: Bud, Robert/Finn, Bernard/Trischler, Helmut (Hrsg.): Manifesting Medicine. Bodies and Machines, Amsterdam 1999, S. 31–61; Sammer, Christian: Durchsichtige Ganzkörpermodelle im Krieg der Systeme. Die Gläsernen Figuren aus Dresden und Köln, 1949–1989, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015, S. 179–197; Thaut, Lioba: Wandel musealer Strategien. Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden und das Museum für Naturkunde in Berlin nach 1989/90 – ein Vergleich, Köln u. a. 2018, S. 49–51, 80–83, 111–120. 34 Siehe hierzu: Spruchkammer Heidelberg an DHM vom 10.9.1947; Seiring an Tschackert vom 2.10.1943; Aktennotiz über die „Gläserne Frau“, die im Besitz des DHM ist, vom 7.11.1947; Aktennotiz über Franz Tschackert vom 6.2.1948, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 47/33, 1946–1959, unpag.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

Millionärs Karl August Lingner zur zentralen Leitungsfigur des Museums aufgestiegen. 1930 wurde ihm zur Einweihung des Museumsgebäudes gar der Ehrentitel Präsident verliehen.35 Bis 1945 behielt Seiring – langjähriges Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, das 1934 Aufnahme in die NSDAP und die Reichsschrifttumskammer fand – die formelle Leitung des Hygiene-Museums und der AG für hygienischen Lehrbedarf.36 Doch einflussreichere Parteigenossen übernahmen entscheidende Stellen am Museum und im Verein, beispielsweise der „Reichsärzteführer“ Gerhard Wagner sowie der „Staatskommissar für das gesamte Gesundheitswesen im Freistaat Sachsen“ Ernst Wegner (1900–1945). Sie schränkten Seirings Entscheidungskompetenzen durchaus ein, enthoben ihn aber nicht seiner Ämter. Seiring seinerseits hatte sich als „Betriebsführer“ den politischen Konstellationen zwischen 1933 und 1945 zum Wohl des Museumsgebildes angepasst.37 Nach 1945 redete er seine Rolle am Museum während des Regimes des Nationalsozialismus konsequent klein.38 Rudolf Neubert hingegen hatte im Herbst 1933 das Hygiene-Museum verlassen müssen und zunächst eine eigene Praxis eröffnet, bevor er unterschiedliche Posten im Sanitätswesen der Wehrmacht übernahm. Laut seiner Autobiografie entwarf er bereits kurz vor Ende des Krieges zusammen mit dem damals ehemaligen Grafiker des Hygiene-Museums Rudolf Kramer (*1900) Lehrplakate zum Seuchenschutz. Kramer gehörte zu den alten Experten des Museums. Er hatte beispielsweise das Titelblatt des ersten Lehrmittelkatalogs von 1927 und mehrere Lehrtafeln entworfen; entlassen wurde er 1935. Als Neubert kurz nach Kriegsende auf Bitte seines langjährigen Freundes Eduard Grube (1896–1967) dessen Stellvertretung als Dezernent für Gesundheitswesen in Dresden übernahm, standen diese Plakate zur Verfügung. Lehrplakate zur Aufklärung über Geschlechtskrank-

35 Vgl.  Albrecht: Das Deutsche Hygiene-Museum, 1931,  S.  123; Stephan: Das Dresdner HygieneMuseum, 1986, S. 427. 36 Vgl.  Georg Seirings Entnazifizierungsfragebogen vom 24.6.1949. Der Sonderausschuss des antifaschistisch-demokratischen Blocks Sachsen beurteilte Seirings Tätigkeit während des Zweiten Weltkriegs am 19.1.1946 gar als antifaschistisch, da Seiring selbst unter Überwachung der Gestapo und vor einem Parteigerichtsverfahren gestanden, Antifaschisten verteidigt und die Zweckentfremdung des Hygiene-Museums verhindert habe: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 1049 Nr. 1751, 1949, unpag. 37 Vgl. Stephan: Das Dresdner Hygiene-Museum, 1986, S. 116–141 und 445 ff.; Fäßler: Symbiotische Beziehung. 38 So berichtet Seiring Ende 1945 in seiner Zusammenfassung des Wiederaufbaus des Deutschen Hygiene-Museums von seiner Ausschaltung durch die Deutsche Arbeitsfront und das Rassenpolitische Amt der NSDAP, die „alles am Museum gemacht“ hätten. Siehe hierzu: Seiring, Georg: Der Wiederaufbau des Deutschen Hygiene-Museums, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140.

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heiten und zur Seuchenkontrolle aus Dresden von zwei ehemaligen Mitarbeitern des Museums – da konnte das Hygiene-Museum kaum unbeteiligt gewesen sein.39 In der Tat verdichtete sich die Zusammenarbeit zwischen Neubert und Seiring spätestens wieder im September 1945. Der Präsident des Hygiene-Museums und Neubert als leitender Mitarbeiter des städtischen öffentlichen Gesundheitswesens mobilisierten sich gegenseitig aus einer geteilten Problemwahrnehmung des nötigen Wiederaufbaus. Und auch davon, dass sich in der Stadt Dresden ein personeller und materieller Knotenpunkt im Netzwerk des aufzubauenden Gesundheitssystems der SBZ herauskristallisierte, profitierte das Hygiene-Museum. Beide Präsidenten der Vorgängerinstitutionen des späteren Ministeriums für Gesundheitswesen der DDR befanden sich am Ende des Krieges in Dresden.40 Der Sozialmediziner und Hygieniker Paul Konitzer (1894–1947), der in den 1920er Jahren als Stadt- und Bezirksfürsorgearzt, 1933 bis 1940 als praktischer Arzt und anschließend als beratender Hygieniker der Wehrmacht tätig gewesen war, arbeitete im Juli und August 1945 als Staatssekretär für das Gesundheitswesen der Landesverwaltung Sachsen. Sein Nachfolger, der Dermatologe Karl Linser (1895– 1976), hatte bis zu seiner Präsidentschaft 1947 bis 1950 mehrere dermatologische Krankenhausabteilungen geleitet, vor 1947 zuletzt die Hautklinik des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt. Beide waren während des Nationalsozialismus im Deutschen Reich verblieben, kannten sich im deutschen Gesundheitswesen gut aus und waren daher eher pragmatische Entscheidung denn politische Wahl der SMAD (Konitzer starb 1947 in sowjetischer Gefangenschaft).41 Nach dem Krieg nun erneuerten Konitzer und Linser ihre alten Verbindungen zum Deutschen Hygiene-Museum. Linser hatte 1940 eine 124-seitige Abhandlung über Geschlechtskrankheiten verfasst, die 1942 im Verlag des Deutschen Hygiene-Museums erschienen war. Mit einigen Veränderungen in den Formulierungen zur gesellschaftlichen und politischen Rahmung der Geschlechtskrankheiten, jedoch mit derselben Gliederung, wurde dieses Buch 1946 neu aufgelegt. Dessen letzte Sätze riefen 1942 in einem

39 Vgl. Neubert: Mein Arztleben, S. 53–55, 76–121. 40 Die obersten Gesundheitsorgane der deutschen Verwaltung in der SBZ (und der DDR) waren die Deutsche Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen (DZVG), 1948–1949 die Hauptverwaltung Gesundheitswesen (HVG) in der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK), die Hauptabteilung Gesundheitswesen im Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen von 1949 bis 1950 und ab 1950 das Ministerium für Gesundheitswesen. 41 Vgl. Klimpel, Volker: Politiker – Ärzte. Biographisch-bibliographisches Lexikon, Hürtgenwald 2001, S. 80 f., 89; Engelhardt, Dietrich von (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner, München 2002, S. 379 f. und zu Paul Konitzer: Schneck, Peter: Paul Konitzer (1894–1947): Hygieniker, Amtsarzt, Sozialmediziner, Gesundheitspolitiker, in: NTM 12/2004, S. 213–232.

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optimistischen Ton noch die (nationalsozialistische) Volksseele und Nation an, die über die Geschlechtskrankheiten Herr werden sollten: Es gilt, die starken geistigen und sittlichen Kräfte unserer Volksseele immer mehr zu wecken und sie auch in dieser Richtung einzusetzen. Die Nation allein, die im Wege einer vollkommenen Erneuerung die Ideale der Gemeinschaft, der Liebe, der Treue, des Opfersinnes und der Wahrhaftigkeit vom Wort zur Tat werden läßt, wird schließlich auch Herr werden der Geschlechtskrankheiten, denen Jahrtausende unterlegen sind.42

1946 wurde die nationalistische Volkssemantik ersetzt durch eine allgemein humanistische Kraft: Es gilt, die starken geistigen und sittlichen Kräfte der Menschheit immer mehr zu wecken und sie auch in diese Richtung einzusetzen. Denn die Geschlechtskrankheiten sind vermeidbar, und weil sie vermeidbar sind, sind sie auch ausrottbar. Mit Energie muß die Menschheit schließlich auch Herr werden der Geschlechtskrankheiten, denen sie Jahrtausende unterlegen ist. 43

In der 31-seitigen Kurzversion, einer von der sächsischen Landesverwaltung herausgegebenen „gemeinverständlichen Darstellung“, rahmte Linser die von Neubert und Kramer entworfenen Lehrtafeln, welche zu einer Wanderausstellung Geschlechtskrankheiten – Verhütung und Heilung 1946 arrangiert wurden, narrativ.44 Auch mit Konitzer verbanden das Museum schon vor 1945 einige Linien. So hatte er 1928 als Stadtrat (SPD) und Stadt-Medizinalrat Magdeburgs in der zwischen 1926 und 1931 monatlich erscheinenden und vom Verlag des HygieneMuseums herausgegebenen Fachzeitschrift der hygienischen Volksbelehrung, dem Hygienischen Wegweiser. Zentralblatt für Technik und Methodik der hygienischen Volksbelehrung über die Magdeburger Gesundheitswochen berichtet.45 42 Linser, Karl: Die Geschlechtskrankheiten. Ihre Gefahr für Familie und Volk, ihre Behandlung und Bekämpfung, Dresden 1942, S. 114. 43 Ders.: Die Geschlechtskrankheiten. Ihre Gefahren für Familie und Volk, ihre Behandlung und Bekämpfung, Dresden 1946, S. 110. 44 Vgl. Ders.: Geschlechtskrankheiten. Verhütung und Heilung. Eine gemeinverständliche Darstellung, Dresden 1946. Zur Wanderausstellung siehe: Budig: Formen der Ausstellung, S. 96 und zu den Broschüren im Medienensemble des Hygiene-Museums: Leuthardt, Anna-Gesa: „Die Fülle des Ausstellungsmaterials allgemeinverständlich zusammenfassen“. Populäre Führer im Medienensemble der Ausstellungen des Deutschen Hygiene-Museums, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015, S. 343–356. 45 Vgl.  Konitzer, Paul: Die Magdeburger Gesundheitswochen des Jahres 1928, in: Hygienischer Wegweiser. Zentralblatt für Technik und Methodik der hygienischen Volksbelehrung 3/1928, S. 184–187. Zur Reichsgesundheitswoche 1926: Weinert, Sebastian: Ein »Belehrungsfeldzug großen Stils«. Die Reichsgesundheitswoche als frühe Form des Campaigning, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 18/2016,  S.  111–128. Zum Hygienischen Wegweiser siehe: Kauf-

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Unmittelbar nach Kriegsende trafen sich nun die Wege Konitzers und Neuberts erneut, beide an verantwortungsvollen Positionen der Gesundheitsverwaltung Sachsens beziehungsweise Dresdens. Es waren finanzielle Ressourcen, Expertise und Einfluss, die sich Seiring von der Rekonstruktion des alten Unterstützernetzwerkes des Hygiene-Museums erhoffte. So suchte er noch im Februar 1946 energisch den Kontakt auch zu den langjährigen Mitgliedern. Zu diesen gehörte beispielsweise auch die Stadt Frankfurt am Main. Mit der Versicherung, das Museum arbeite wieder mit „voller Energie“, und mit dem Verweis auf die baulichen Fortschritte des Museums und dessen Wiederaufnahme der Ausstellungstätigkeit forderte Seiring den ausstehenden Mitgliedsbeitrag für die Rechnungsjahre 1945 und 1946 ein und bat im Hinblick auf den weiteren Wiederaufbau des Museums um dessen Erhöhung. Das Interesse der DZVG und der Stadt Dresden, so Seiring, reiche für die finanzielle Absicherung noch nicht aus und die Notwendigkeit der Seuchenbekämpfung mache die Arbeit des Museums so dringlich wie selten zuvor. Wie auch andere Mitglieder des Vereins sandte die Regierung Frankfurts am Main schließlich einige Monate später ihre säumigen Mitgliedsbeiträge in Höhe von zwei Mal 50 Mark.46 Seiring und Neubert suchten in der unmittelbaren Nachkriegszeit auch bei ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Museums nach Unterstützung. Dazu zählte der in die USA emigrierte Bruno Gebhard (1901–1985), der mittlerweile das Cleveland Health Museum leitete.47 Im Gegensatz zum Auftreten gegenüber den Mitgliedern des Museumsvereins, der Dresdner Verwaltung und der DZVG betonten dabei beide die Probleme des Museums, insbesondere bei der Versorgung mit Baumaterial, Rohstoffen für die Produktion, man, Karin: Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden von 1926–1932, München 1987. 46 Vgl. Schriftwechsel zwischen Georg Seiring und der Stadtkanzlei Frankfurt/M. sowie die entsprechenden Aktenvermerke vom 14.2., 28.2., 7.3., 28.3., 7.5. und 18.5.1946, in: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, MA 8.133, 1930–1954, unpag. 47 Gebhard hatte zwischen 1927 und 1935 als wissenschaftlicher Assistent am Dresdner Hygiene-Museum gearbeitet und war 1932 als „Verbindungsmann“ an die Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH beurlaubt worden. Noch nach seiner Emigration 1937 in die USA hielt er zu Seiring Kontakt, beispielsweise um über den Ankauf einer Gläsernen Figur zu verhandeln. Vgl. Ergebnisprotokoll der Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums e.  V., 21.3.1935, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13686, Nr.  51, 1921–1935, Bl. 31; Schreiben Georg Seirings an Bruno Gebhard, 10.10.1939, in: Dittrick Medical History Center: Nachlass Bruno Gebhard, Box 1, I-6, 1925–1975; Gebhard, Bruno: Im Strom und Gegenstrom. 1919–1937, Wiesbaden 1976, S. 55, 116–117. Zum Messeamt Berlin siehe: Schultze, Sven: Die visuelle Repräsentation der Diktatur. Berlin, sein Messeamt und die Propagandaschauen im Nationalsozialismus, in: Hachtmann, Rüdiger/Schaarschmidt, Thomas/Süß, Winfried (Hrsg.): Berlin im Nationalsozialismus. Politik und Gesellschaft 1933–1945, Göttingen 2011, S. 113–131, S. 114–115.

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Transportmöglichkeiten und Facharbeitern. Gebhard schrieb daraufhin zwei Nestoren der öffentlichen Gesundheitspflege/Bevölkerungsgesundheit (Public Health) an und leitete Neuberts Bitte an diese weiter. Der Generalsekretär der American Public Health Association (APHA) Homer Northup Calver (1892–1970) und Haven Emerson (1874–1957), Professor für Präventivmedizin am Columbia College of Physicians, hatten sich trotz verheißungsvollem Beginn eher mit bescheidenem Erfolg um eine Adaption des Hygiene-Museums in den Vereinigten Staaten bemüht.48 In den 30er Jahren durch den um deutsch-amerikanischen Austausch bemühten Oberlaender Trust gefördert, hatten sie Exponate aus dem Dresdner Museum angekauft, scheiterten aber dabei, für ihr American Museum of Health eine eigene permanente Bleibe zu finden. Gleichwohl inkorporierte dieses Netzwerk auch Bruno Gebhard und holte ihn in die Vereinigten Staaten.49 Bruno Gebhard schickte 1946 auch Marta Fraenkel (1896–1976) Neuberts Bitte um Material, explizit um Poster und Zeitschriften.50 In der Folgezeit entspann sich eine kurze, aber sehr vertraulich gehaltene Konversation zwischen Seiring und seiner ehemaligen Mitarbeiterin. Allein, dass die beiden wieder miteinander ins Gespräch kamen, überrascht, war Marta Fraenkel doch 1933 auf Basis der vorauseilend gehorsamen Anwendung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (da das Museum zu weniger als 50% aus öffentlichen Geldern bestritten wurde, entschied der Vorstand, dass besagtes Gesetz für die Einrichtung galt) entlassen worden. Nach ihrer Flucht nach Belgien und ihrer Emigration in die USA 1938 arbeitete Fraenkel wieder als Sozialhygienikerin, ab 1946 als medizinische Beraterin der US-amerikanischen Bundesregierung.51 In 48 Zu Emerson und Calver: Bolduan, Charles: Haven Emerson – The Public Health Statesman, in: American Journal of Public Health 40/1950, S. 1–4; ebd.; Anonym: Haven Emerson. Obituary, in: American Journal of Public Health and the Nation’s Health 47/1957,  S.  1009–1011; Hiscock, Ira V.: Homer Northup Calver, 1892–1970. Obituary, in: American Journal of Public Health 60/1970, S. 2049–2050. 49 Vgl. Gebhard, Bruno: Vom Sozialhygieniker zum Health Educator, in: Hippokrates 38/1967, S. 200–206, S. 200; Ders.: Im Strom und Gegenstrom, S. 68–70, 108–110. Zu diesem deutschamerikanischen Transfer: McLeary, Erin/Toon, Elizabeth: “Here Man Learns about Himself”. Visual Education and the Rise and Fall of the American Museum of Health, in: American Journal of Public Health 102/2012, S. e27–e36; Weinert: Der Körper im Blick, S. 195–217; Tymkiw, Michael: Den Körper spielerisch erkunden. Die Ausstellung Wunder des Lebens 1935 in Berlin und ihr Nachleben, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015, S. 320–342. 50 Vgl. Bruno Gebhard an Haven Emerson, 3.6.1946, in: Leo Baeck Institute. Center for Jewish History, Series I, Box 1, Folder 3, 1946–1947, unpag. Ich danke Sebastian Weinert für die freundliche Überlassung dieser Quelle. 51 Protokoll der Vorstandssitzung des Deutschen Hygiene- Museums, 12.5.1933, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13686,  Nr.  48. Zu Marta Fraenkel: Aschenbrenner, Susanne: Marta Fraenkel

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seinen Briefen bat Seiring nun sie um Care Pakete, allem voran aber um die Vermittlung von Kontakten zu weiteren potenziell einflussreichen Akteuren in den Vereinigten Staaten. Er berichtete über die Erfolge des Museums, zum Beispiel, wie im Winter 1945/1946 der Ausbruch von „Seuchen irgendwelcher Art“ durch die russische Administration verhindert werden konnte und welchen Beitrag die sechs Wanderausstellungen zur Seuchenbekämpfung trotz personeller Neubesetzungen und finanzieller Probleme daran geleistet hätten.52 1946 sah Seiring einer erfolgreichen Wiederauflage seines Museumsmodells noch positiv entgegen.53 Zum Anfang des Jahres 1947 schwand jedoch seine Zuversicht. Nun bilanzierte Seiring die herben personellen Verluste des Museums, insbesondere seiner ehemaligen Fachleute und Unterstützer, die entweder verstorben oder in die westlichen Besatzungszonen abgewandert waren.54 Vor allem beklagte Seiring eine zu geringe gesundheits- und kulturpolitische Rückendeckung der Dresdner Stellen. Denn als Neubert als neuer wissenschaftlicher Direktor ans Hygiene-Museum wechselte, verloren Seiring und sein Museum diese Lobbyarbeit innerhalb der kommunalen Gesundheitspolitik, für die Neubert bis dato gesorgt hatte.55 Gleichzeitig verschoben sich auch die gesundheitspolitischen Kompetenzen zu Ungunsten Dresdens und damit des Museums, was Seiring und Neubert unbeabsichtigt mit bewirkten. Denn auf der Suche nach Unterstützung machten sie auch die zentrale Gesundheitsverwaltung in Berlin-Mitte und die Sowjetische Militäradministration in Karlshorst auf das Hygiene-Museum aufmerksam, das sie diesen Akteuren gegenüber als notwendige und effektive gesundheitspolitische Instanz und nicht als kulturelle Einrichtung Dresdens bewarben.

Das Hygiene-Museum und die Gesundheitsverwaltungen in der SBZ Die Sowjetische Militäradministration Mit der SMAD war ein neuer Akteur mit zentraler Befehlsgewalt in das Akteursnetzwerk des Hygiene-Museums getreten.56 Die SMAD hatte nur wenige Tage, nachdem (1896–1976): Ärztin, Museumspädagogin und Public Health Officer, Aachen 2000; Marta Fraenkels Nachlass im Leo Baeck Institut, New York City: http://findingaids.cjh.org/?pID=476376, 27.9.2019. 52 Georg Seiring an Marta Fraenkel, 30.7.1946, in: Leo Baeck Institute. Center for Jewish History, Series I, Box 1, Folder 3. 53 Vgl. Georg Seiring an Marta Fraenkel, 2.12.1946, in: ebd. 54 Vgl. Georg Seiring an Marta Fraenkel, 30.1.1947, in: ebd. 55 Seiring an Fraenkel, 14.3.1947, in: ebd. 56 Vgl.  Schagen, Udo: Kongruenz der Gesundheitspolitik von Arbeiterparteien, Militäradministration und der Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen in der Sowjetischen Besatzungszone, in: Woelk, Wolfgang/Vögele, Jörg (Hrsg.): Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland.

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sie die Errichtung der DZVG bestimmt hatte, im Sommer 1945 den Seuchenschutz, insbesondere in Bezug auf Geschlechtskrankheiten, ins Zentrum der Gesundheitspolitik gerückt.57 Mit Neuberts und Kramers Tafeln war das Hygiene-Museum hierfür gut aufgestellt, sodass Seiring schon am 13.  September 1945 Neubert einen Brief an Marschall Shukov zur Durchsicht ankündigen konnte.58 Nur einige Tage später skizzierte Seiring seine Strategie: Um mit dem Museum voranzukommen, müsse man Shukov davon überzeugen, sich für das Museum einzusetzen. Dafür gelte es, umgehend von der Ausstellung über Geschlechtskrankheiten mehrere Kopien herzustellen – eine davon auf russisch –, die vorhandenen Lehrtafeln über Typhus zu vervielfältigen und für Kurse anzubieten.59 Seiring wusste, womit er das Interesse der sowjetischen Besatzungsbehörden für das Museum wecken konnte.60 Laut seiner autobiografischen Skizze sorgte Il’ia Davidovich Strashun (*1892) für den unmittelbaren Kontakt zwischen dem Präsidenten des Deutschen Hygiene-Museums und dem damaligen Oberkommandierenden der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland.61 Mit dem Sozialhygieniker und Medizinhistoriker Strashun, der am Ende des Krieges das Institut für die Organisation des Gesundheitswesens und der Geschichte der Medizin der Medizinischen Akademie in Moskau leitete, war Seiring seit den 1920er Jahren bekannt.62 In dieser Zeit hatte der damalige Leiter der Abteilung für hygienische Volksbelehrung im Volkskommissariat für das Gesundheitswesen der UdSSR nicht nur in der Zeitschrift des Hygiene-Museums, dem Hygienischen Wegweiser, mehrfach über sein Arbeitsgebiet publiziert. Strashun hatte auch 1930 die fachliche Leitung am sowjetischen Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der „doppelten Staatsgründung“, Berlin 2002, S. 379–404, S. 391–401; Wasem, Jürgen et al.: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit und im Pflegefall, in: Wengst, Udo (Hrsg.): Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 2/1: 1945–1949. Die Zeit der Besatzungszonen. Sozialpolitik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten, Baden-Baden 2001, S. 461–528, S. 511. 57 Vgl.  Kima, Th: Maßnahmen des Seuchenschutzes aufgrund der Befehle der SMAD  und in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitswesen der Sowjetunion, in: Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.): Die Bedeutung der Befehle der SMAD für den Aufbau des sozialistischen Gesundheitswesens der Deutschen Demokratischen Republik. Dokumentation aus Anlaß des 50. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, Berlin 1967, S. 46–53; Moser: Volksgesundheit, 2002, S. 159–170; Ellerbrock: Healing Democracy, S. 291–301; Lindner: Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit, S. 283–397. 58 Vgl.  Brief Georg Seirings an Rudolf Neubert vom 13.9.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140. 59 Brief Seirings an Neubert, 18.9.1945, in: ebd., Bl. 10. 60 Vgl. Reinisch: Perils of Peace, S. 230–248. 61 Vgl. Seiring, Georg: Erinnerungen, Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, 1961, S. 44. 62 Zur Biografie Strashuns siehe: Defense Documentation Center for Scientific and Technical Information, AD 406 005, 1963, Bl. 75–76.

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Pavillon auf der II.  Internationalen Hygiene-Ausstellung des Hygiene-Museums in Dresden inne.63 Seiring zufolge arrangierte nun Strashun nach dem Ende des Krieges ein Treffen mit Shukov. Dieser ließ sich überzeugen, dass angesichts der hygienischen Lage nicht nur die deutsche Zivilbevölkerung von Seuchen, insbesondere Geschlechtskrankheiten, bedroht sei, sondern auch die sowjetischen Besatzungssoldaten.64 Es ist wahrscheinlich, dass Seiring seine Rolle bei den Entscheidungsprozessen übertrieb, die zu einer Förderung des Hygiene-Museums vonseiten der SMAD führte.65 Zumindest legt der Schriftwechsel Rudolf Neuberts eine abweichende Rekonstruktion der Geschehnisse in der zweiten Jahreshälfte 1945 nahe. Konitzer und Neubert hatten bereits im September/Oktober begonnen darüber nachzudenken, welches Aufklärungsmaterial man den Sowjets zeigen könne, um ihnen zu verdeutlichen, dass die medizinische Volksbildung „in Ablehnung medizinischer Nazi-Theorien (Rassen- und Erbhygiene)“66 nicht nur hilfreich, sondern sogar notwendig sei. Schon am 11. Oktober traf sich Neubert in Berlin mit drei weiteren Vertretern der deutschen Gesundheitsverwaltungen in der SBZ, darunter Fritz von Bergmann (1907–1982), damals Leiter der Abteilung Wissenschaften der DZVG und drei Jahre später Mitbegründer der Freien Universität Berlin, sowie Hermann Redetzky (1901–1978), Leiter der Hauptabteilung Gesundheitswesen der Abteilung Arbeit und Sozialfürsorge der Landesverwaltung Mecklenburg.67 Bei

63 Vgl.  Straschun, J.: Zeitgemäße Fragen der sanitären Aufklärung, in: Hygienischer Wegweiser. Zentralblatt für Technik und Methodik der hygienischen Volksbelehrung 1/1926,  S.  29–34; Ders.: Die Bühne in den sanitären Aufklärungsfilmen, in: Hygienischer Wegweiser. Zentralblatt für Technik und Methodik der hygienischen Volksbelehrung 2/1927, S. 113–119; Ders.: Die hygienische Volksaufklärung in der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken, in: Hygienischer Wegweiser. Zentralblatt für Technik und Methodik der hygienischen Volksbelehrung 3/1928, S. 69– 81, 96–106; Ders./Vogel, Martin: Organisation der Gesundheitsfürsorge in der R.S.F.S.R. und die Beteiligung der Bevölkerung am Gesundheitsdienst, in: Hygienischer Wegweiser. Zentralblatt für Technik und Methodik der hygienischen Volksbelehrung 3/1928, S. 113; Neubert: Mein Arztleben, S. 52. 64 Seiring: Erinnerungen, S. 44. 65 Das gilt vor allem im Hinblick auf die Struktur und Arbeitsabläufe der Abteilung Gesundheitswesen beim Stellvertreter des Obersten Chefs für Zivilverwaltung der SMAD. Vgl.  ZarewskajaDjakina, Tatjana W.: Stellvertreter des Obersten Chefs für Zivilverwaltung; Abteilung Gesundheitswesen, in: Möller, Horst/Tschubarjan, Alexandr O. (Hrsg.): SMAD-Handbuch. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945–1949, München 2009, S. 413–417, 446–455. 66 Deutsche Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen/Konitzer an Rudolf Neubert, 1.10.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140. 67 Vgl.  Artikel „Hermann Redetzky“, in: Schagen, Udo/Schleiermacher, Sabine (Hrsg.): 100 Jahre Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland, Berlin 2005; Wasem et al.: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit, Bd. 2/1, S. 469.

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diesem Treffen fiel Strashuns Name, den man, so Neubert, vonseiten der Gesundheitsverwaltung gewinnen müsse.68 Es waren die Akteure der deutschen Gesundheitsverwaltungen, die ohnehin um die Unterstützung der SMAD warben und auf dem Gebiet der Gesundheitsaufklärung dazu das Museum in Dresden benötigten. Das konnte Seiring nicht unrecht sein. Mit den Aufklärungsobjekten und -materialien sowie den ausstellungstechnischen Expertisen gelang es, die Förderung der SMAD zu erlangen. Spätestens im Dezember 1945 hatte die SMAD die vom Hygiene-Museum vorbereitete Wanderausstellung über Geschlechtskrankheiten genehmigt und entschieden, das Museums rückwirkend ab dem 1. September 1945 bei der Herstellung von Aufklärungsmaterialien und Gesundheitsausstellungen finanziell zu unterstützen.69 So waren bereits zum Jahreswechsel 1945/1946 mehr als tausend Kopien von Lehrtafeln aus acht thematisch unterschiedlichen Unterrichtssammlungen am Museum in Handarbeit angefertigt worden.70 Die Förderung hatte jedoch ihren Preis und sollte sich letztlich als kontraproduktiv für das Dresdner Modell des Hygiene-Museums erweisen. Differenzen Die Interessen der neuen Allianz der Gesundheitsaufklärung in der SBZ überschnitten sich nämlich nur teilweise. Dem Organisator Seiring ging es in erster Linie um das Überleben und Florieren seines „Hygiene-Konzerns“, wozu er inhaltlich wie auch strukturell überwiegend an Altbewährtem festzuhalten versuchte. Die SMAD dagegen hatte eine zentralisierte Struktur im Sinn.71 Im Fall des

68 Vgl. Besprechung am 11.10.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140. 69 Vgl. Landesverwaltung Sachsen an Rudolf Neubert, 23.12.1945, in: ebd. 70 Vgl.  Görres, Franz: Der Wiederaufbau des Deutschen Hygiene-Museums (Befehl Nr.  16 der SMAD  vom 14.1.1947), in: Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.): Die Bedeutung der Befehle der SMAD  für den Aufbau des sozialistischen Gesundheitswesens der Deutschen Demokratischen Republik. Dokumentation aus Anlaß des 50. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, Berlin 1967, S. 88–90, S. 89. Die Themen dieser Unterrichtssammlungen waren: Biologie-Anatomie, Der Mensch, Anatomisch-physiologische Grundlagen der Leibesübungen, Vererbungslehre, Säuglingspflege, Arbeitshygiene-Arbeitsschutz, Laienhilfe, Geschlechtskrankheiten. Siehe hierzu: Aufstellung der vorhandenen Lehrtafeln, o. D., in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140. 71 Zur Debatte um die Fortsetzung bzw. den Abbruch deutscher Gesundheitspolitik nach 1945 (hier: Sowjetisierung) im Gesundheitswesen der SBZ siehe: Schagen, Udo: Sozialhygiene als Leitkonzept für Wissenschaft und Gesellschaft. Der Bruch mit dem Biologismus in der Medizin der SBZ, in: Bruch, Rüdiger vom/Gerhardt, Uta/Pawliczek, Aleksandra (Hrsg.): Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2006, S. 223–232; Schagen: Kongruenz der Gesundheitspolitik; Moser, Gabriele: „Kommunalisierung“ des Gesund-

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Deutschen Hygiene-Museums bedeutete dies die direkte Unterstellung unter die DZVG, welche im September 1946 rückwirkend zum 1. September 1945 angeordnet wurde. Ab sofort sollte das Hygiene-Museum „mit Genehmigung des Departments Gesundheitswesen der SMAD“ als Institut für hygienisch-medizinische Propaganda der DZVG fungieren und neben der hygienischen Belehrung durch seine „Aufklärung über alle Fragen der öffentlichen Gesundheitspflege die Voraussetzungen für eine einheitliche Gesundheitspolitik schaffen.“72 Strukturell zog die Unterstellung des Museums unter die DZVG die Auflösung des alten Museumsvereins und die Überführung dessen Kapitals in das neue „Institut“ nach sich. Paul Konitzers Anordnung sparte inhaltliche Vorgaben aus. Nur im Hinblick auf die zu verwendenden Medien schrieb sie die Tradition explizit fest: Das Hygiene-Museum sollte – und zwar in der hier ausgeführten Reihenfolge – eine ständige Schausammlung aufbauen, Sonderausstellungen zu aktuellen Teilgebieten der Hygiene im Museumsgebäude zeigen, Wanderausstellungen organisieren, Lehrmittel aller Art und Schriften zum Gesundheitsunterricht und zur gesundheitlichen Volksbelehrung herstellen und vertreiben sowie Lehrgänge für Ärzte, Schwestern, Fürsorgerinnen, Lehrer und Verwaltungsbeamte abhalten.73 Dafür wurde zunächst die alte anatomisch-physiologische Ausstellungskerngruppe Der Mensch wieder aufgebaut und Rudolf Kramer dafür fest engagiert.74 Doch erwies sich die Unterstellung des Museums unter die Berliner Zentrale der Gesundheitsverwaltung in der SBZ nur vermeintlich als eindeutige Lösung unklarer Zuständigkeiten und Arbeitsaufträge.75 Denn Seiring kämpfte kontinuierlich für die Zuweisung neuer Aufgaben an das Hygiene-Museum. Ende 1945 versuchte er Neubert, der zu dieser Zeit als Referatsleiter für hygienische Volksbelehrung in der DZVG „im Gespräch war“, davon zu überzeugen, im Falle einer Wiederbelebung des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung  – ein

heitswesens. Der Neuaufbau der Gesundheitsverwaltung in der SBZ/DDR zwischen Weimarer Reformvorstellungen und „Sowjetisierung“, in: Woelk, Wolfgang/Vögele, Jörg (Hrsg.): Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland. Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der „doppelten Staatsgründung“, Berlin 2002, S. 405–418. 72 Deutsche Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen in der sowjetischen Besatzungszone – Anordnung des Präsidenten Konitzer vom 24.9.1946, in: BArch, DQ 1/31, 1948, Bl. 106. 73 Ebd., Bl. 107. 74 Vgl. Neubert an Kramer, 30.8.1946, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 46/26–29, 1946; Neubert: Mein Arztleben, S. 53–55. 75 Vgl. Wasem et al.: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit, Bd. 2/1, S. 515–519 sowie im Bezug auf die Probleme bei der Materialversorgung des Hygiene-Museums: Neubert an Konitzer, 12.9.1946 und Radetzky (DZVG) an das DHM, 5.9.1946, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 46/26–29. Schriftwechsel zwischen Neubert und Redetzky vom August 1946, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 46/23, 1946, unpag.

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1921 gegründeter Zusammenschluss gesundheitsaufklärerischer Akteure auf Nationalstaatsebene – diesen dem Museum bei- oder unterzuordnen.76 Es sei nämlich „die Gelegenheit […], die gesamte Volksgesundheitliche [sic!] Aufklärungsarbeit im Deutschen Hygiene-Museum zu zentralisieren. Es ist die einzige zweckmäßige Lösung, die der Sache am besten dient“,77 so Seiring. Denn das Museum verfüge nicht nur über den internationalen Ruf sowie geeignetes Personal in den Werkstätten, sondern auch über die fachlichen Experten, die über Jahrzehnte hinweg ihr Können bewiesen hätten und dieses sofort wieder beweisen könnten. Im Kern ging es Seiring bei seinem Streben um die Anerkennung seiner Einrichtung als exklusiven Dienstleister einer national und international operierenden Gesundheitsaufklärung. Es ging ihm um Ressourcenakkumulation, Prestige, Aufträge und damit letztlich auch um die Macht seiner Museumsorganisation – seines „Hygiene-Konzerns“.78 Dass in der DZVG die Pläne 1946 auf Eis gelegt wurden, lag vermutlich weniger an Seirings Argumentation, welche von einer basalen Interessenskonvergenz an Gesundheitsaufklärung ausging. Entscheidend scheint vielmehr Neuberts Stellenabsage an die DZVG gewesen zu sein – und damit der Verlust der avisierten personalen Nähe von Museum und zentraler Gesundheitsverwaltung. Statt nach Berlin wechselte er Anfang 1946 als wissenschaftlicher Leiter an das Deutsche Hygiene-Museum. Wie die neuerliche Zusammenarbeit zwischen Neubert und Seiring aussehen sollte, beschrieb der Präsident des Hygiene-Museums mit einer Metapher aus der Botanik: „Ich bin die Schale und Sie der Kern.“79 Der „Macher“ Seiring wollte also wieder das Gefäß der Institution und Organisation bereitstellen, in dem Neubert die Gesundheitsaufklärung keimen lassen sollte. Und einen Trieb gab Seiring ex negativo vor: In den Jahren des NS habe das Museum

76 Vgl. Seiring an Neubert, 6.11.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140. Zum Reichsausschuss (ab 1933 Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst) und seiner Verbindung zum Hygiene-Museum (bspw. über die gemeinsam herausgegebene Zeitschrift Hygienischer Wegweiser) siehe: Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern, S. 210–222; Moser: Volksgesundheit, 2002, S. 139–150; Cromm, Jürgen: Gesundheitserziehung in der Schule vom Kaiserreich bis zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Ehmer, Josef/Ferdinand, Ursula/Reulecke, Jürgen (Hrsg.): Herausforderung Bevölkerung. Zur Entwicklung des modernen Denkens über die Bevölkerung vor, im und nach dem „Dritten Reich“, Wiesbaden 2007, S. 163–179, S. 163–167. 77 Seiring, Georg: WARUM muss der Sitz der Zentralstelle für hygienische Volksbelehrung im Deutschen Hygiene-Museum sein?, o. D. (September 1945), in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140. 78 Vgl. Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern, S. 242. 79 Vgl. Seiring an Neubert, 31.12.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140.

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„das Rassenproblem überspannt.“80 Dieser Ast müsse und könne abgeschnitten werden, damit das Museum weiterlebe. Die Unterstellung unter die DZVG beurteilte Seiring 1946 noch als nur geringfügige Neuerung und durchwegs positiv, hatte dies doch die Aussicht auf mehr Einfluss eröffnet.81 Doch 1947 verstärkte die SMAD ihre personelle und inhaltliche Kontrolle der DZVG und favorisierte die Zentralisierung gesundheitspolitischer Kompetenzen. Und nun geriet diese sukzessive in Widerspruch mit Seirings Vorstellung vom Hygiene-Museum.82 Er sah das Dresdner Hygiene-Museum immer noch als besonderes und unabhängiges Gebilde, das zugleich einer nationalen Einrichtung der Gesundheitsaufklärung und des Gesundheitswesens entsprach, das aber auch als eine Dresdner Kultureinrichtung, ein Museum der Stadt Dresden, gelten sollte.83 Doch es sollte sich rasch erweisen, dass mit der Unterstellung unter die DZVG und der dahinter stehenden SMAD die gesundheitspolitische Dimension des Museums in den Vordergrund rückte. 1947 versuchte Seiring noch dieser Entwicklung entgegenzusteuern und dafür die Landesverwaltung des damals noch bestehenden Landes Sachsen in sein Unterstützernetzwerk zu holen. Die Sächsische Landesverwaltung solle mit der DZVG an einem Strang ziehen, sprich das Museum mit Ressourcen ausstatten und ihm und seinen Mitarbeitern ansonsten die Planung und Durchführung der praktischen Arbeit überlassen. Sonst drohe nicht nur, dass das Land den Einfluss auf das Museum verliere, sondern sogar das Ende des gesamten HygieneKonzerns. Seirings Ansprechpartner waren der sächsische Ministerpräsident Rudolf Friedrichs (1892–1947) sowie der spätere Doppelagent Hermann Kastner (1886–1957), zu jener Zeit noch sächsischer Justizminister und Landesvorsitzender der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD). Beide bekamen Seirings Wunschzettel postalisch zugestellt. Die Landesregierung solle verfügen, dass die sächsischen Behörden alle Anträge des Museums durchwinken, so unter anderem weitere Lotterien genehmigen, eine Sonderbriefmarke des Museums auflegen, jeweils einen LKW und PKW zu Verfügung stellen, Bau- und Produkti-

80 Seiring an Neubert, 31.12.1945, in: ebd. 81 Vgl.  Georg Seiring an Marta Fraenkel, 2.12.1946, in: Leo Baeck Institute. Center for Jewish History, Series I, Box 1, Folder 3. 82 Im Hinblick auf die Wissenschaftspolitik: Malycha, Andreas: Wissenschafts- und Hochschulpolitik in der SBZ/DDR 1945 bis 1961. Machtpolitische und strukturelle Wandlungen, in: Schleiermacher, Sabine/Pohl, Norman (Hrsg.): Medizin, Wissenschaft und Technik in der SBZ und DDR. Organisationsformen, Inhalte, Realitäten, Husum 2009, S. 17–40, S. 23 f. 83 Formuliert als „Hauptsehenswürdigkeit Dresdens“ und „Hygiene-Zentrale für die gesamte Welt“ in: Albrecht: Das Deutsche Hygiene-Museum, 1931, S. 25.

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onsmaterialien zuteilen und Seiring eine private Wohnung zuweisen.84 Der Präsident des Hygiene-Museums hatte sich an ein Leben auf großem Fuß und an kurze Dienstwege zu seinen und des Museums Gunsten gewöhnt. So legte Seiring dabei auch eine beharrliche Renitenz zu Tage, seinen alten Ehrentitel des Präsidenten gegen die Bemühungen der Zentralverwaltung um eine Vereinheitlichung der Rangbezeichnungen zu verteidigen.85 Doch Seirings Taktik ging nicht auf. Nur vier Tage nach seinem Brief an Friedrichs und Kastner machte die SMAD später per obersten Befehl deutlich, dass das Museum alleinig der DZVG unterstehe.86 Die allgemeine deutschlandpolitische Entwicklung des Jahres 1947 und die sich abzeichnende Blockbildung, die Vorrangstellung und Stalinisierung der SED fanden ihre Entsprechung auch in der Gesundheitspolitik in der SBZ.87 Dies ist als Zentralisierung und Konzentration gesundheitspolitischer Kompetenzen beschrieben worden; sie spiegelt sich seit August 1947 personalpolitisch an den einflussreichen Vizepräsidenten der DZVG (bzw. Hauptabteilung Gesundheitswesen der Deutschen Wirtschaftskommission (HVG in der DWK) ab November 1948) Maxim Zetkin (1883–1965), Alfred Beyer (1885–1961) und ab 1948 Kurt Winter (1910–1987) wider.88 Im Zuge dessen nahm die Kontrolle und „Anleitung“ des Hygiene-Museums durch die DZVG schon in diesem Jahr spürbar und 1948 dann entscheidend zu.89 So wurde 1947 öffentlich, dass entgegen Seirings Plänen die koordinierende Instanz der Gesundheitsaufklärung innerhalb der DZVG gegründet werden sollte. Und zum Jahreswechsel 1947/48 wurden gar Seiring und Neubert ihrer Ämter enthoben.90 84 Vgl. Seiring an Hermann Kastner, 10.1.1947, sowie Seiring und Neubert an die Präsidialkanzlei der Landesregierung Sachsen, 10.1.1947, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12970, Nr. 7, 1946–1947, unpag. 85 Vgl. Positionen zu Satzungsentwürfen des DHM: BArch, DQ 1/31, Bl. 1–4. Erst 1948 setzte die HVG den Amtstitel „Direktor“ durch: Dienstanweisung an das DHM vom 20.9.1948, in: BArch, DQ 1/1094. 86 Vgl. Auszug aus dem Befehl Nr. 16 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland vom 14.1.1947 in: ebd. 87 Vgl.  Stöver, Bernd: Der Kalte Krieg 1947–1991. Geschichte eines radikalen Zeitalters, Bonn 2007,  S.  67–106; Weber, Hermann: Geschichte der DDR, München 2000,  S.  91–122. Zur Stalinisierung der SED Malycha, Andreas/Winters, Peter Jochen: Die SED. Geschichte einer deutschen Partei, München 2009, S. 26–98. 88 Zum Einfluss dieser Personen vgl. Schleiermacher, Sabine: Rückkehr der Emigranten: ihr Einfluss auf die Gestaltung des Gesundheitswesens in der SBZ/DDR, in: Schleiermacher, Sabine/ Pohl, Norman (Hrsg.): Medizin, Wissenschaft und Technik in der SBZ und DDR. Organisationsformen, Inhalte, Realitäten, Husum 2009, S. 79–94, S. 84–85, 88–94. 89 Vgl. zu den gesundheitspolitischen Leitlinien der SED und dem Personal der DZVG: Wasem et al.: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit, Bd. 2/1, S. 511–519; Schleiermacher: Rückkehr der Emigranten. 90 Vgl. Anonym: Zentralausschuß für hygienische Volksbildung, in: Berliner Zeitung, 19.2.1947, S. 2; Anonym: Deutscher Zentralausschuß für hygienische Volksbildung, in: Neues Deutschland,

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Das Hygiene-Museum ohne Georg Seiring Als Grund für die Entlassung der beiden Leitungspersonen wurde im Beschluss der Dresdner Entnazifizierungskommission vom 15. August 1947 deren Mitgliedschaft in der NSDAP angegeben.91 Die in der SBZ als personal- und parteienpolitisches Instrument genutzten Kommissionen wurden in diesem Fall recht spät auf die NSDAP-Mitgliedschaft der beiden aufmerksam. Bis dahin hatten schon mehrere ehemalige Mitarbeiter das Museum aus gleichem Grund verlassen müssen.92 Dabei zeigte sich das zu dieser Zeit für die Kontrolle und Anleitung des Hygiene-Museums vonseiten der DZVG zuständige Referat Hygienische Volksbildung in der Abteilung Wissenschaft mit der Arbeit des Museums zufrieden. Die Moulagen fanden Anklang und auch der Museumsverlag sollte fortbestehen.93 Im April 1947 wurde zwar die umfangreichste der insgesamt drei Ausstellungen Geschlechtskrankheiten – Verhütung und Heilung zurückbeordert, um neu kompiliert und erweitert zu werden.94 Doch ab September schickte das Deutsche Hygiene-Museum unter dem Titel Volkskrankheiten drei unterschiedlich zusammengestellte Wanderausstellungen auf Tour durch die SBZ – zwei kleinere und eine umfangreichere mit der Teilgruppe Tuberkulose – die als Beitrag der großen Aufklärungsaktion über Verhütung, Verlauf und Behandlung der Tuberkulose nur lobende Anerkennung fanden.95

20.2.1947,  S.  2; Anonym: Neue Wege in der Gesundheitserziehung. Plakate, Kino und Rundfunk klären auf – Bewußte hygienische Volksbildung, in: Neues Deutschland, 23.11.1946, S. 3; Anonym: Volkskampf gegen die Tbc. Aufklärung auf breitester Basis, in: Berliner Zeitung, 4.3.1947, S. 4. 91 Vgl.  Aktenvermerk Feuerboether, 2.1.1948, in: BArch, DQ  1/1094. Der antifaschistischdemokratische Block Sachsen hatte im Januar 1946 noch Seirings „bewußten Kampf gegen den Nazismus“ hervorgehoben und ihm die Aufnahme in die Blockparteien erlaubt. Der Entnazifizierungs-Hauptausschuss Köln sortierte Seiring in die Kategorie 5 (Entlastete) ein. Vgl.  Bestätigung über den erbrachten Nachweis der antifaschistischen Betätigung für Herrn Präsident Dr. Seiring, 19.1.1946, beglaubigte Abschrift vom 27.1.1948 und EntnazifizierungsHauptausschuss für den Regierungsbezirk Köln: Arbeitsblatt. Georg Seiring, 1.10.1949, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 1049 Nr. 1751. 92 Vgl.  Georg Seiring an Marta Fraenkel, 30.1.1947, in: Leo Baeck Institute. Center for Jewish History, Series I, Box 1, Folder 3. 93 Vgl.  Arbeitsberichte des Referats I/3 vom 10.4.1947, in: BArch, DQ 1/960; Aktennotiz einer Besprechung über den Verlag Deutsches Hygiene-Museum und die Zeitschrift Magazin der Gesundheit am 10.7.1947, 11.7.1947, in: ebd. 94 Vgl. Arbeitsberichte des Referats I/3 vom 10.4.1947, in: ebd. 95 Vgl. Budig: Formen der Ausstellung, S. 94–95; Eröffnung der Ausstellung des Deutschen Museums für Hygiene am 15.10.1947, 21.10.1947, in: BArch, DQ 1/960. Die Ausstellungstafeln sind dokumentiert in der Sammlung des Deutschen Hygiene-Museums Dresden (DHMD 2001/255.1–44

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Die beiden Betroffenen entwarfen in ihren Erinnerungen unterschiedliche Narrative ihrer Entlassungen. Während Seiring allgemein und nur kurz für seine Demission „deutsche Stellen“ verantwortlich machte und den Vorwurf der Mitgliedschaft in der NSDAP überhaupt nicht erwähnte, führte Neubert die Ereignisse etwas weiter aus.96 Abgesehen von seiner Weigerung, sich an den Schwarzmarktgeschäften mit Präparationsalkohol aus dem Museum zu beteiligen, betonte er die Unzufriedenheit vonseiten der DZVG mit Seiring. „In der Zentralverwaltung hatte man richtig erkannt, daß Seirings Geschäftstüchtigkeit keine Garantie bot für die Weiterentwicklung unserer Einrichtung im Sinne einer demokratischen und sozialistischen Gesundheitspropaganda.“97 Vor dem Hintergrund der Zentralisierung der SBZ erscheint Neuberts Interpretation, Seiring sei aus politischen Gründen nicht mehr tragbar gewesen, nicht unwahrscheinlich. Die Versuche des Präsidenten, die Unabhängigkeit des Museums zu bewahren, sowie seine Nähe zu eher liberalen Offiziellen, machen diese Deutung ebenfalls plausibel. Offenbar war die Entscheidung gegen Seiring bereits im Sommer 1947 gefallen, wurde aber erst vollstreckt, als ein kompetenter und mutmaßlich politisch verlässlicherer Organisator als Ersatz gefunden zu sein schien. Mit Helmut Sickel übernahm ein promovierter Zahnmediziner und Chirurg die Leitung des Museums, der seine medizinischen Kenntnisse wie organisatorischen Fähigkeiten als Geschäftsführer seiner Leipziger Firma für chemisch- und dental-pharmazeutische Präparate nachgewiesen hatte.98 Die Rolle der SMAD ist hierbei nicht zu unterschätzen, wusste man dort doch genau über die Arbeit und das Personal des Deutschen Hygiene-Museums Bescheid. Sie prüfte die Arbeitsberichte und die Personalakten – auch die der DZVG – monatlich.99 Eine personalpolitische Entscheidung ohne Zustimmung der SMAD, die auf die Zusammenfassung aller Kompetenzen in Sachen Gesundheitsaufklärung am DHM bei einer gleichzeitigen engmaschigen Kontrolle des Museums durch die Zentralverwaltung drängte, ist kaum denkbar.100 Seiring passte nicht zum sich stabilisierenden System (der Gesundheitspolitik) in der späten SBZ.

und DHMD 2014/948.1–112). Für eine knappe, exemplarische Bildanalyse vgl.  Saryusz-Wolska/ Labentz: Bilder der Normalisierung, S. 115 f. 96 Vgl. Seiring: Erinnerungen, S. 44. 97 Neubert: Mein Arztleben, S. 126. 98 Aktenvermerk Feuerboether vom 2.1.1948, in: BArch, DQ 1/1094. 99 Vgl. Arbeitsbericht des Referats I/3 vom 8.3.1947, in: BArch, DQ 1/960. 100 Vgl.  Aktennotiz einer Besprechung über den Verlag Deutsches Hygiene-Museum und die Zeitschrift Magazin der Gesundheit am 10.7.1947, in: ebd.; Linser an Sokolow, 28.12.1948: Tätigkeitsbericht DHM 1948, in: BArch, DQ 1/1094.

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Der Unterordnungsprozess des DHM unter die DZVG durch den Antrieb der SMAD zeigte sich auf inhaltlicher, organisationsstruktureller und rechtlicher Ebene und führte zu Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten der drei Organisationen. Die Sowjetische Militäradministration drängte und kritisierte die DZVG: Am Museum bestünde kein präziser Arbeitsplan, dort beschäftige man sich nur ungenügend mit der Hauptaufgabe der größtmöglichen Propaganda medizinischer Erkenntnisse und die Finanzgeschäfte seien vollkommen im Argen, so Andrej J. Sokolov, Leiter der Abteilung Gesundheitswesen. Struktur, Etat und Arbeitsplan des Museums müssten umgehend überprüft, die Werkstätten ausgebaut und reichhaltigere Wanderausstellungen geschaffen werden.101 In der Zentralverwaltung und dem Hygiene-Museum reagierte man auf die sowjetische Rüge sowohl aktionistisch als auch unsicher. Gegenüber der Militäradministration versicherte der Präsident der DZVG, Karl Linser, nach einem persönlichen Besuch des Museums, alle Forderungen umzusetzen.102 Auch die Arbeit an einer Dienstanweisung, welche die Unterordnung des Museums nicht nur festschreiben, sondern auch inhaltlich definieren sollte, wurde innerhalb der DZVG auf Abteilungsleiterebene intensiviert. Richard Wegener, der 1948 in Personalunion die wissenschaftliche Abteilung des Hygiene-Museums und die Abteilung Medizinische Forschung und Ausbildung der DZVG leitete, sah dabei jedoch entscheidende Probleme. Zum einen wusste man in der Zentralverwaltung über die alten Verhältnisse des Museums wenig Genaues. Zum anderen schien es unklar zu sein, wie in der SMAD sich die stärkere Einbindung des Museums genau vorgestellt wurde, außer dass konservative Elemente bei der Abfassung der Dienstanweisung nicht herangezogen werden und die Sowjetunion als Vorbild dienen sollte. Doch was hieß konservativ und wie war Gesundheitsaufklärung in der UdSSR organisiert?103 Exkurs: Gesundheitsaufklärung in der Sowjetunion bis zum Ende der 1940er Jahre Im Kern ging es ab 1948 um einen Re-Import von in der Sowjetunion rezipierter und adaptierter sozialhygienischer Konzepte. Der Transfer in die Sowjetunion der 1920er Jahre und der Rücktransfer in die SBZ am Ende der 1940er Jahre lässt 101 Vgl. Sokolow an DZVG, 19.3.1948, in: ebd. 102 Vgl. Linser an Sokolow, 15.4.1948, in: BArch, DQ 1/31, Bl. 36. 103 Vgl. Aktennotiz Dr. Wegener, 10.4.1948, in: BArch, DQ 1/1094. Das anfängliche Fehlen sowjetischer Vorbilder in der Gestaltung des öffentlichen Gesundheitswesens betont auch: Reinisch, Jessica: „Zurück zu unserem Virchow!“. Medizinische Karrieren, Nationalhelden und Geschichtsschreibung nach 1945, in: Czech, Herwig/Hüntelmann, Axel C./Vossen, Johannes (Hrsg.): Gesundheit und Staat. Studien zur Geschichte der Gesundheitsämter in Deutschland, 1870–1950, Berlin 2006, S. 255–271, S. 293 f.

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sich schlagwortartig mit der zentralistisch organisierten, staatlichen Verantwortlichkeit für einen allgemeinen Gesundheitsschutz für die ganze Bevölkerung beschreiben.104 In diesem sollte Prävention und Kuration, Verhütung und Behandlung miteinander verkoppelt werden, was eine Aufwertung der Planung des Gesundheitswesens, obligatorischer Gesundheitsnormen und technischer Spezialisierung unter streng zentralistischer Anleitung der Provinz nach sich ziehen sollte.105 Die Widerstände, auf die die frühen sowjetischen Gesundheitspolitiker in ihrem Umgestaltungseifer aber in den 1920er Jahren stießen, verstärkten nur ihre Ausgangsüberzeugung, ein rückschrittliches Vielvölkerreich zu regieren. Als Konsequenz dieser Erfahrung blieb nur, die avisierten Reformen mit noch mehr Druck und Rücksichtslosigkeit umzusetzen, um die Sowjetunion in ein modernes Utopia „neuer Menschen“ verwandeln zu können. Eine Alternative dazu bestand nur darin, den Kampf gegen die Rückständigkeit weiterhin ostentativ fortzusetzen, aber die egalitaristischen und universellen Ansprüche der Gesundheitsreformen zurückzunehmen. Genau dies passierte um 1930 aus machtpolitischen Erwägungen heraus an der Schwelle zum Stalinismus.106 Die großen Assanierungs- und Aufklärungskampagnen wurden zugunsten einer differenzierten, arbeitsmedizinischen und sanitären Versorgung zurückgefahren. Sozialhygienische Forschungseinrichtungen wurden aufgelöst und das staatliche Institut für Sozialhygiene in das Institut für die Organisation des Gesundheitswe-

104 Für den (selektiven) Transfer der deutschen Sozialhygiene in die UdSSR der 1920er Jahre siehe: Gross Solomon, Susan: Social Hygiene and Soviet Public Health, 1921–1930, in: Gross Solomon, Susan/Hutchinson, John F. (Hrsg.): Health and Society in Revolutionary Russia, Bloomington 1990, S. 175–199. Für die Rückübersetzung: Wasem et al.: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit, Bd. 2/1, S. 511–528; Schagen, Udo/Schleiermacher, Sabine: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit, in: Hoffmann, Dierk/Schwartz, Michael (Hrsg.): Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 8: 1949–1961. Deutsche Demokratische Republik. Im Zeichen des Aufbaus des Sozialismus, Baden-Baden 2004, S. 387–433, S. 401–408; Schleiermacher, Sabine: Contested Spaces. Models of Public Health in Occupied Germany, in: Murard, Lion/Zylberman, Patrick/Gross Solomon, Susan (Hrsg.): Shifting Boundaries of Public Health. Europe in the Twentieth Century, Rochester, NY 2008, S. 175–204, S. 188–197. 105 Vgl. Redetzky, Hermann: Entwicklung, Vereinheitlichung und Demokratisierung des öffentlichen Gesundheitswesens, Berlin 1949, S. 61–78. 106 Vgl. Weissman, Neil B.: Origins of Soviet Health Administration. Narkomzdrav, 1918–1928, in: Gross Solomon, Susan/Hutchinson, John F. (Hrsg.): Health and Society in Revolutionary Russia, Bloomington 1990, S. 97–120; Davis, Christopher M.: Economics of Soviet Public Health, 1928–1932. Development Strategy, Resource Constraints, and Health Plans, in: Gross Solomon, Susan/Hutchinson, John F. (Hrsg.): Health and Society in Revolutionary Russia, Bloomington 1990, S. 146–172; zur sozialistischen Zivilisierungsmission bspw.: Baberowski, Jörg: Zivilisation der Gewalt. Die kulturellen Ursprünge des Stalinismus, in: Historische Zeitschrift 281/2005, S. 59–102.

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sens und Hygiene mit vornehmlich administrativen Aufgaben der medizinischen Versorgung umgewandelt.107 Die Grundzüge der Organisation der hygienischen Volksaufklärung trafen die gesundheitspolitische Seite des „great retreat“ (Nicholas Timasheff) der Bolsheviki um 1930 kaum. Ihre Bedeutung im Politikfeld sozialistischer Gesundheitspolitik wurde insgesamt aber zugunsten einer medizinischen Versorgung abgewertet, die stationär durchaus in Form von „Dispensaires“ präventive mit kurativen und rehabilitativen Elementen verband.108 In seiner Skizze des sozialistischen Gesundheitswesens schilderte der langjährige Bekannte Seirings, der bereits erwähnte Strashun, einem deutschsprachigen Fachpublikum, dass die hygienische Volksbelehrung in der Sowjetunion vornehmlich auf zwei zentralen Organisationen beruhte. Die Abteilung für hygienische Volksbelehrung im Volkskommissariat für das Gesundheitswesen bzw. das Zentralamt/die Zentralstelle für hygienische Volksaufklärung beim Gesundheitskommissariat sei, so Strashun, für die Methodik, die Durchführung und Materialienproduktion sowie -distribution der Aufklärungskampagnen verantwortlich.109 Dafür besitze die Organisation einen eigenen Verlag für die Herstellung von Aufklärungsplakaten und -schriften, einen Dokumentationsapparat und eigene Werkstätten zur Produktion von Diapositiven, Modellen, Moulagen, Filmen und Radiovorträgen.110 Ebenfalls würde sie bei ihrer Arbeit auf das „Staatliche Institut für Sozialhygiene“ zurückgreifen. Dieses wiederum böte in seinen Räumen eine „populäre, instruktive Ausstellung und das Museum für Sozialhygiene“111 und kümmere sich vor allem um die hygienische Belehrung in der Schule. Zweck und eingesetzte Medien (Ausstellungen, Modelle, Moulagen, Filme und Radiovorträge) erinnern stark an die Tätigkeit des Hygiene-Museums in Dresden. Und mehr noch: selbst Verlag und Produktionsbetrieb wurden – wie beim Dresdner Organisationsvorbild – kaufmännisch geführt und würden ihre eigenen Mittel erwirtschaften.112 Hinsichtlich zweier Aspekte unterschied sich das Zentralamt in Moskau jedoch vom Deutschen Hygiene-Museum in Dresden. Zum einen war es integraler Bestandteil einer zentralen Organisation des nationalen Gesundheitswesens 107 Vgl. Gross Solomon: Social Hygiene and Soviet Public Health. 108 Als Indiz hierfür kann das Ende der großen Gesundheitsaufklärungskampagnen in der Sowjetunion Ende der 1920er Jahre und die Umwidmung des Instituts für Sozialhygiene gelten. Vgl. Winogradow, N. A.: Das Gesundheitswesen in der Sowjetunion 1917–1957, Moskau 1957. 109 Aufgrund des Arbeitsspektrums und der Größe ist es naheliegend, davon auszugehen, dass es sich hier um eine der Abteilung für hygienische Volksbelehrung im Volkskommissariat unterstellten Einrichtung (Zentralamt/Zentralstelle für hygienische Volksaufklärung) handelte. 110 Vgl. Straschun: Hygienische Volksaufklärung, 1928, S. 78. 111 Ebd., S. 77. 112 Vgl. ebd., S. 78 f.

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und diesem unmittelbar weisungsgebunden. Zum anderen sollte es in dieser zentralistischen Struktur äquivalente Einrichtungen in der Provinz (sog. Häuser für hygienische Volksaufklärung) mit Materialien versorgen, kontrollieren und anleiten.113 Kurzum, der Grad der Verstaatlichung und Zentralisierung (von der Spitze in die Glieder, von Moskau in die sibirische Tundra) scheint in der Sowjetunion zumindest auf dem Papier deutlich höher gewesen zu sein. Es lässt sich damit schlussfolgern, dass auch 1948 innerhalb der SMAD die Vorstellung prominent war, das Hygiene-Museum sei als Äquivalent der Zentralstelle für hygienische Volksaufklärung eine staatliche Einrichtung, die zentralistisch vom Ministerium aus geführt und kontrolliert werde, hygienische Aufklärungsmaterialien methodisch reflektiere, entwickle, herstelle, vertreibe und dabei die verantwortlichen Stellen in der Provinz anleite. Als „Freundschaftsdienst“ sollte die DZVG dieses Modell nunmehr in die DDR übertragen, traf dort jedoch auf andere Voraussetzungen und Beharrungskräfte.114 Personalpolitische Engführung In enger Tuchfühlung mit der SMAD fokussierte die DZVG in der Folgezeit ihre Bemühungen darauf, das Museum auf einer strukturellen, rechtlichen und auf einer personalpolitischen Ebene auf Linie zu bringen. Vor allem die Entstehung der ersten Dienstanweisung für das Museum vom 31. August 1948 gibt Auskunft darüber, wie die Interessen und Vorstellungen der SMAD mit denen der DZVG und Sickels sowie mit den Traditionen des Hauses verbunden wurden. Auf einer strukturellen Ebene sah die Dienstanweisung das Museum, wie von der SMAD gewollt, als wissenschaftliche Zentrale einer „Belehrung, Aufklärung und Erziehung der breiten Volksmassen in allen Fragen der Gesundheitslehre“.115 Diese Konzentration fand auch bei Sickel Zustimmung, versprach sie doch die Bedeutung des Museums allgemein aufzuwerten. Auch bei einigen spezielleren Punkten sah Sickel seine Positionen zum Teil bestätigt. Allerdings verlor er die Haushaltshoheit über das Museum. Auch

113 Das Personal dieser Häuser sollte eine solche Anleitung der wiederum kleinteiligeren Gesundheitszellen bspw. in Betrieben vornehmen. Siehe hierzu: ebd., S. 76, 78. 114 Vgl. Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion (Hrsg.): Die Sowjetunion. Tatsachenberichte über Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur der Sowjetvölker, Weimar 1948; FDGB, Zentralvorstand der Gewerkschaft Gesundheitswesen (Hrsg.): Von der Sowjetunion lernen – heißt siegen lernen. Berichte und Abhandlungen aus dem sowjetischen Gesundheitswesen, Berlin 1952. Zur propagandistischen Erfindung der deutsch-sowjetischen Freundschaft siehe: Behrends, Jan C.: Die erfundene Freundschaft. Propaganda für die Sowjetunion in Polen und in der DDR, Köln 2006, S. 149–170. 115 Vgl. Dienstanweisung für das Hygiene-Museum vom 31.8.1948, in: BArch, DQ 1/1094.

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seine Idee eines Verwaltungsbeirats wurde verworfen, über den sich der Dresdner Stadtrat und die Sächsische Regierung Einfluss auf das Museum gesichert hätten. Während sich die sächsische Landesregierung formell schon im Februar 1948 zurückgezogen hatte, weil sie den Wiederaufbau des Museums nicht ohne maßgeblichen Einfluss auf das Museum leisten wollte, versuchten die deutsche sowie die sowjetische Zentralstelle auch die städtische Verwaltung auf Abstand zu bringen.116 Das Dresdner Interesse am Museum dürfe nicht dazu führen, so Richard Wegener, dass „das Hygiene-Museum von einem Werkzeug des ganzen Volkes zu einem örtlichen Unternehmen herabsinkt.“117 Die Dienstanweisung sah darüber hinaus auch die Gründung eines Beirats vor, der zentral die gesamte Gesundheitsaufklärung in der SBZ bestimmen, begutachten und koordinieren sollte. Sickel direkt überstellt wurde der Präsident der DZVG.118 Karl Linser war wie auch Sickel der Idee eines weitgehend unabhängigen Museums zugetan.119 Bei der Personalpolitik entschieden zunehmend Experten der DZVG/HVG und der SMAD mit. So bestand Sokolov auf personellen Konsequenzen für die als ungeeignet interpretierte Darstellungsart (zu pessimistisch, zu symbolisch und zu textlastig), der noch von Rudolf Neubert konzipierten Wanderausstellungen Geschlechtskrankheiten – Verhütung und Heilung und Volkskrankheiten.120 Sickel hatte sich von Rudolf Kramer, dem langjährigen Grafiker des Hygiene-Museums und Neuberts Partner bei der Gestaltung der Ausstellung 1944/1945, zu trennen. Hinzu kamen weitere Personalprobleme. So gelang es nicht, nach der Entlassung Neuberts einen Mediziner am DHM anzustellen. Das monierte die Berliner Gesundheitsverwaltung, schlage sich dies doch in einem Abfall der Qualität nieder. Da daher auch der geplante wissenschaftliche Beirat nicht arbeitsfähig

116 Vgl. Minister für Arbeit und Sozialfürsorge des Landes Sachsen an die Deutsche Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen, 21.2.1948; Notiz betreffend das Deutsche Hygiene-Museum für die Besprechung mit Herrn Ministerpräsidenten Seydewitz, 27.7.1948, in: ebd. 117 Richard Wegener: Aktenvermerk Deutsches Hygiene-Museum Dresden, o.  D. (Februar 1948), in: ebd. 118 Vgl. Dienstanweisung für das Hygiene-Museum vom 31.8.1948, in: ebd. 119 Vgl.  Brief von Werner an Fräser über die Mitteilung Linsers, 3.6.1948; Bericht über die Dienstreise Stoletzkys nach Dresden, 26.7.1948, in: ebd. 120 Vgl. Arbeitsbericht Monat Januar 1948, in: BArch, DQ 1/31, Bl. 13–20; Aktennotiz über die Besprechung in Karlshorst vom 28.7.1948 mit Prof. Pschenitschnikow von der SMAD, in: BArch, DQ 1/960; Sickel an Linser, 20.4.1948; Sickel: Tätigkeitsbericht des DHM – Skizze des neuen Aufbaus, 16.12.1948, in: BArch, DQ 1/1094. Eine exemplarische Bildanalyse der Ausstellung findet sich in: Saryusz-Wolska/Labentz: Bilder der Normalisierung, S. 146–155.

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wurde, blieb es bei der bisherigen Praxis, von Fall zu Fall die benötigten Experten heranzuziehen oder thematische Fachausschüsse zu konsultieren.121 Die personalpolitisch wichtigste Weichenstellung betraf Sickel selbst, nachdem dieser im Streit um Einfluss mit der Betriebsgewerkschafts- und der Betriebsparteiorganisation (BGL bzw. BPO) des Museums unterlegen war.122 Im Herbst 1950 zog der neue „starke Mann“ in der zentralen Gesundheitsverwaltung den Schlussstrich: Das Museum stecke in einer Besucher- und Absatzkrise, so Maxim Zetkin.123 Er forderte umgehend eine neue Geschäftsordnung für das Museum, welche die kollektive Leitung des Museums durch den Museumsdirektor, den Verwaltungsdirektor, die Betriebsgewerkschaftsleitung und die BPO vorsah. Die SED-nahe Massenorganisation und die SED-Vertretung innerhalb des Hygiene-Museums sollten sogar jegliche Tätigkeits- und Planungsberichte gegenzeichnen.124 Einige Monate zuvor war auch Sickels private Leipziger Firma enteignet worden, sodass dieser Ende 1950 protestierend das Deutsche Hygiene-Museum und die DDR in Richtung Bundesrepublik verließ.125

121 Vgl.  Bericht über die Dienstreise Stoletzkys nach Dresden, 26.7.1948; Bemerkungen zum Stellenplan des DHM, 26.11.1948; Sickel Tätigkeitsbericht, 16.12.1948; Bericht über die Haushaltsberatung mit dem Gesundheitsdepartment der SMAD, 22.12.1948; Bericht über die Festsetzung des Haushalts beim Finanzdepartment SMAD, 23.12.1948; HVG an die Personalbestandskommission bei der Hauptverwaltung Finanzen der DWK, 10.1.1949; Protokoll der Präsidialsitzung vom 18.7.1949; Sickel: Planung für das 3. Vierteljahr 1949, o. D., in: BArch, DQ 1/1094; Lemke: Reisebericht über die Dienstreise nach Rostock und Greifswald am 8. bis 9.8.1949 vom 13.9.1949, in: BArch, DQ 1/960. Zum Ärztemangel in der SBZ bzw. zum Ärzteüberschuss in der Trizone vgl.: Wasem et al.: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit, Bd. 2/1, S. 482, 502. 122 Vgl.  Sickel an Leiter der HVG zu Händen Maxim Zetkins, 2.5.1949, in: BArch, DQ  1/1094; SED-Betriebsgruppe an Heinz Stoletzky, Ministerium für Gesundheitswesen, in: BStU, MfS, BV Dresden, Abteilung IV, Nr. 87/53 (AOP 127/55), 1953–1955, Bl. 14–20. Zur Geschichte der SED im Betrieb siehe: Kott, Sandrine: Die SED im Betrieb, in: Gieseke, Jens/Wentker, Hermann (Hrsg.): Die Geschichte der SED. Eine Bestandsaufnahme, Berlin 2011, S. 210–238 und hier zur innerparteilichen Disziplinierung sowie zur spannungsreichen Beziehung zwischen BPO und Betriebsparteileitung S. 214–217, 228–232. 123 Vgl. Wasem/Igl/Vincenti/Behringer/Schagen/Schleiermacher: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit, Bd. 2/1, S. 517. 124 Vgl. Entwurf einer Geschäftsordnung für das DHM, o. D. (Herbst 1950), in: BArch, DQ 1/1622, 1948–1950, unpag.; Maxim Zetkin: Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht und Planungsbericht für das 2. und 3. Quartal des DHM, 16.10.1950, in: ebd. 125 Vgl. zur Enteignung und dem anschließenden Patentrechtsstreit: BArch, DQ 1/24575, 1949– 1957, passim.; zu Sickels Kündigung: Sickel an Zetkin, 20.11.1950, in: BArch, DQ 1/1622; zur verschärften ideologischen Bevormundung von Forscher*innen durch die SED in dieser Zeit siehe: Malycha: Wissenschafts- und Hochschulpolitik, S. 32.

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Das Hygiene-Museum als Staatseinrichtung: Zwischen Gesundheitsaufklärung und sozialistischer Propaganda Die Einflussnahme auf das Deutsche Hygiene-Museum durch zentrale Stellen nahm ebenfalls bei der Entwicklung von Aufklärungsmedien zu. Diese Kontrolle vollzog sich einerseits, wie erwähnt, als kleinteilige Prüfung der Arbeitsberichte und Personalakten aus dem Hygiene-Museum und der Berliner Zentralverwaltung, andererseits als direkte Begutachtung der Aufklärungsmedien des Museums durch die SMAD oder die DZVG. Letztere war im Mai 1949 nach der scharfen Kritik seitens der Sowjetischen Militäradministration zur Vorprüfung aller Publikationen der Arbeitsgemeinschaft medizinischer Verlage, zu der auch der Verlag des Deutschen Hygiene-Museums gehörte, verpflichtet worden.126 Die Aufsicht beschränkte sich aber nicht nur auf „Papiermedien“, zu deren Kontrolle die SMAD über ihre Zuteilung von Papierkontingenten ein wirksames Instrument in der Hand hatte.127 Die Hauptverwaltung Gesundheitswesen (HVG) beklagte ebenfalls fachliche Fehler und falsche bildliche Darstellungen in der Anatomieschau des Museums, die unter Sickel im Laufe des Jahres 1948 entstanden war.128 Schon zuvor hatte das Hygiene-Museum, wie oben erwähnt, Neuberts und Kramers Ausstellung Geschlechtskrankheiten – Verhütung und Heilung ebenso wie die entsprechende Diapositivreihe und Tafelwerke auf Anweisung aus Karlshorst zurückziehen und überarbeiten müssen. Wirtschaftliche Verluste mussten hingenommen werden.129 Auch eine Trickfilmreihe zur Anatomie und Physiologie des Menschen, die Seiring und Neubert noch Mitte des Jahres 1947 bei der Deutschen Film AG (DEFA) in Auftrag gegeben hatten, wurde von

126 Vgl. Rundschreiben Dr. Mendel, 17.5.1949, in: BArch, DQ 1/960; Fräser an Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf, 6.8.1949; Tätigkeitsbericht DHM für das 3. Quartal 1949, in: BArch, DQ 1/1094. 127 Vgl. Hausmitteilung Stoletzkys zur Gesundheitspropaganda, 14.7.1948, in: BArch, DQ 1/960. Selbst für die DZVG wurde das benötigte Papier (als conditio sine qua non einer bürokratischen Herrschaftsform) von den sowjetischen Besatzungsbehörden zugeteilt: Arbeitsberichte des Referats I/3 1947 = Bericht über die Koordinierungsarbeit des Referats bei der Gesundheitspropaganda, 8.3.1947, in: ebd. Zur Wirtschaftsgeschichte der SBZ allgemein: Steiner, André: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, München 2004, S. 19–49. 128 Vgl. Lemke: Bericht über die Dienstreise nach Rostock und Greifswald vom 8.8 bis 9.8.1949, 13.9.1949, in: BArch, DQ 1/960. 129 Vgl. Arbeitsbericht des Referats I/3 Gesundheitspropaganda März 1947, 10.4.1947; Hausmitteilung Stoletzkys zur Gesundheitspropaganda, 14.7.1948; Aktennotiz über die Besprechung in Karlshorst, 28.7.1948, in: ebd.; Memorandum der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf, 28.3.1949, in: BArch, DQ 1/1094.

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der SMAD ein Jahr später offiziell angesichts des „Nichtgenügens medizinischer Ansprüche“ und hoher Kosten gestrichen.130 Ganz offenbar wollten sich die deutsche und die sowjetische Gesundheitsverwaltung ab 1947 von den Aufklärungsmedien trennen, mit denen Seiring 1945 noch ihr Interesse geweckt und die Kooperation zwischen ihnen und dem Museum ermöglicht hatte, obwohl sich in der Praxis zunächst wenig änderte. Das Schlüssel- und zentrale Schauobjekt des Museums, der „Gläserne Mensch“, genügte allen Ansprüchen, fand Zuspruch von allen Seiten und legitimierte sogar, notwendige Rohstoffe aus den westlichen Besatzungszonen zu importieren. Zwei Exemplare der Figuren wurden 1949 als Zeichen der Verbundenheit von der Stadt Dresden feierlich der Sowjetunion geschenkt.131 Auch die Kernthemen des Museums blieben unverändert: Die Aufklärung über Bau und Funktion des menschlichen Körpers sowie über die Bedingungen von Krankheitsentstehung und Verhütung sollte räumlich wie auch sozial so breit wie möglich betrieben werden und auf die menschliche Anatomie und Physiologie, Infektionskrankheiten im Allgemeinen und Geschlechtskrankheiten sowie Tuberkulose im Speziellen fokussieren.132 Der Aspekt der Propaganda trat als weiterer zentraler Aufgabenkomplex des Museums neben die Gesundheitsaufklärung. Mit dem verstärkten Zugriff der zentralen Verwaltungen auf das Deutsche Hygiene-Museum wurde dessen Arbeit zunehmend sozialistisch eingefärbt. Im Kern ging es hierbei um Werbung für die Gesundheitspolitik der DDR, deren programmatische Leitlinien spätestens im März 1947 feststanden.133 Dementsprechend produzierte und vertrieb das Museum unter kritischer Begutachtung vonseiten der SMAD oder der HVG Tafelwerke, Modelle, Ausstellungsgruppen und ganze Sonderausstellungen,

130 Vgl.  Bericht über die Festsetzung des Haushalts des DHM beim Finanzdepartment der SMAD, 23.12.1948; Tätigkeitsbericht des DHM, 16.12.1948, in: ebd. 131 Vgl. Sammer: Durchsichtige Ganzkörpermodelle; Steidle an Ministerium für Handel & Versorgung, o. D. (Ende 1949); Sickel an HV Gesundheitswesen, 15.12.1949, in: BArch, DQ 1/1094; Anonym: Landtage der Republik ehren Stalin. Feierstunden in Großbetrieben/Vorfristige Planerfüllung zu Ehren des Führers der Werktätigen, in: Neues Deutschland, 21.12.1949, S. 2. 132 Vgl.  Aufgaben & Arbeit des DHM vom 18.8.1949; Dienstanweisung für das Deutsche Hygiene-Museum, 31.8.1948; Tätigkeitsberichte des DHM 1948 in: BArch, DQ 1/1094; Hausmitteilung Stoletzkys 14.7.1948, in: BArch, DQ 1/960. 133 Zu diesen Kernelementen des sozialistischen Gesundheitswesens, die an die gesundheitspolitischen Forderungen der KPD und SPD aus der Weimarer Republik anschlossen, gehörten der „staatliche Charakter […], die einheitliche Sozialversicherung für alle Arbeiter und Angestellten, die prophylaktische Orientierung, [und] der Aufbau poliklinischer Einrichtungen und eines Betriebsgesundheitswesens“. Vgl. hierzu Wasem et al.: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit, Bd. 2/1, S. 513 und Kap. 3.2.

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zum Beispiel 30 Jahre Gesundheitswesen in der Sowjetunion 1947/1948 oder zum zweijährigen Jubiläum des SMAD-Befehls Nr. 272 über den Aufbau von Polikliniken und Ambulatorien 1949. Das Manuskript der Broschüre zum Befehl 234, der den Aufbau des Betriebssozial- und Gesundheitswesens betraf, korrigierte Prof. Pschenitschnikow, der gesundheitspolitische Berater der SMAD, eigenhändig, obwohl das schon mehrfach von Fachausschüssen und der HVG unternommen worden war. Für Universitäten, allgemeinbildende Schulen, Krankenhäuser, Gesundheitsämter, Ärztetagungen, Landesregierungen und für Ausstellungen in eigenem Namen gestaltete das Museum in Dresden anlässlich der Arbeitsschutzwoche 1948 Medien über die Gestalt des neuen Gesundheitswesens, über Betriebswerkküchen und über Arbeitshygiene. Schließlich entstanden in Dresden auch Dioramen von vorbildlichen Betriebskindergärten.134 Die Expertise des Museums, anatomische und physiologische Grundkenntnisse allgemein verständlich visuell aufbereiten zu können, ließ es im neuen sozialistischen Regime auch dafür prädestiniert erscheinen, ein neues Gesundheitswesen zu bebildern, das die gleiche und damit gerechte medizinische Versorgung und Vorbeugung für alle sicherstellen sollte.135 So hatte das Museum mitzuhelfen, „die Lücke zwischen dem sozialistischen Bewußtsein der parteipolitischen Avantgarde und dem der übrigen Bevölkerung zu schließen.“136 Für die Zeitgenossen in der DZVG beziehungsweise der HVG umfasste der Begriff der Propaganda Werbung wie auch Aufklärung.137 Eine kohärente, offizi-

134 Vgl. Tätigkeitsbericht DHM 1948; Stellenplan des DHM vom 26.11.1948; Tätigkeitsbericht des DHM für das 3. Quartal 1949; Aufgaben & Arbeit des DHM vom 18.8.1949, in: BArch, DQ 1/1094; Aktenvermerk zur Rücksprache mit Prof. Pschenitschnikow vom 8.9.1948, in: BArch, DQ 1/960. 135 Vgl. zum Verhältnis von visueller Kultur und Propaganda (am Beispiel von Fotografien und des Fotografierens) in Diktatur und Demokratie programmatisch jüngst: Vowinckel, Annette/ Wildt, Michael: Fotografie in Diktaturen, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 12/2015, S. 197–209. 136 Klotz, Katharina: Das politische Plakat der SBZ/DDR 1945–1963. Zur politischen Ikonographie der sozialistischen Sichtagitation, Aachen 2006, S. 19. Zu Propaganda in der DDR: Gibas, Monika: Propaganda in der DDR, Erfurt 2000, S. 5–30, insbesondere 16f.; Liebert, Tobias (Hrsg.): Public Relations in der DDR. Befunde und Positionen zu Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda, Leipzig 1998. 137 Vgl. Hausmitteilung Stoletzkys 14.7.1948, in: BArch, DQ 1/960. Diese Begriffsverwendung geht mit einer wirtschaftsnahen und politisch-konservativen Semantik einher, die einerseits die  Begriffe von Werbung und Propaganda, insofern sie um den massenmedialen Einsatz zur Bewusstseinsbeeinflussung kreisten, kaum trennte, und andererseits den Begriff trotz der älteren pejorativen Assoziation positiv aufzuladen suchte. Vgl. Schieder, Wolfgang/Dipper, Christof: Propaganda, in: Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5, Stutt-

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elle Sprache der DDR hatte sich 1948 in der HVG noch nicht durchgesetzt.138 Im Gegensatz hierzu unterschied Sickel die Begriffsbedeutungen von Propaganda, Werbung und Aufklärung explizit. Für ihn, so lässt sich aus seinen Äußerungen ersehen, bedeutete Propaganda als Reklame für das neue sozialistische Gesundheitswesen auf keinen Fall eine unpolitische und implizit wissenschaftsnahe Aufklärung über menschliche Körper, ihre Gesundheit und ihre Krankheitsgefährdung. Der Museumsleiter trennte beispielsweise in seinen Tätigkeitsberichten die Beschaffung von Werbe- und Propagandamaterial, wie Fotografien von Polikliniken, von der „darstellenden Aufklärung, Publizistik und der Lehrmittelherstellung.“139 Die erste Gruppe gehörte zur Werbung bzw. Propaganda für das neue Gesundheitswesen, die zweite zur Gesundheitsaufklärung. Doch Sickel wusste, was die Nähe des Museums zur zentralen Gesundheitsverwaltung für das Museum mittlerweile bedeutete – dass Propaganda zu betreiben unabdingbar geworden war.140 In seinem Beschwerdebrief an Maxim Zetkin, der seine Entlassung maßgeblich bedingte, verwahrte er sich gegen den ihm wegen seiner fehlenden parteipolitischen Bindung zur Seite gestellten Verwaltungsdirektor: Da ich meine politische Einstellung nicht durch Worte, sondern durch Schaffung der ersten Poliklinik der Zone und durch meine bisherige Arbeit im Hygiene-Museum hinreichend dargetan zu haben glaube […], kann es nicht interessieren, ob auf mich aufgepaßt wird oder nicht. Dagegen aber, daß mir im Widerspruch zu den mir immer wieder namens der gesamten Hauptverwaltung Gesundheitswesen abgegebenen Vertrauensversicherung ein Aufpasser ins Haus gesetzt wird, muß ich protestieren, da hierdurch zwangsläufig mein Vertrauen zu ihrer Hauptverwaltung erschüttert werden muß.141

Um das gegenseitige Vertrauensverhältnis zu bewahren, war nunmehr nicht nur gesundheitspolitische, sondern auch parteipolitische Loyalität vonnöten. Dass nach Sickel mit Walter Axel Friedeberger (1898–1967) ein SED-Mitglied und ehemaliger Leiter der Abteilung Allgemeine Verwaltung der DZVG/HV Gesund-

gart 1984, S. 69–112. Die gleiche Begriffsverwendung findet sich auch in: Straschun: Hygienische Volksaufklärung, 1928, S. 77. 138 Vgl. Jessen, Ralph: Diktatorische Herrschaft als kommunikative Praxis. Überlegungen zum Zusammenhang von „Bürokratie“ und Sprachnormierung in der DDR-Geschichte, in: Lüdtke, Alf/Becker, Peter (Hrsg.): Akten. Eingaben. Schaufenster. Die DDR und ihre Texte. Erkundungen zu Herrschaft und Alltag, Berlin 1997, S. 57–75. 139 Vgl. Tätigkeitsbericht für das 3. Quartal 1949, in: BArch, DQ 1/1094. 140 Andreas Malycha macht auch für das Feld der Wissenschafts- und Hochschulpolitik eine sukzessive Engführung/Entdifferenzierung in den 1950er Jahren aus. Als Grund führt er eine zunehmende Ideologisierung der Wissenschaft an, die einherging mit dem Aufbau selten fachpolitisch kohärenter, bürokratischer Apparate. Vgl. Malycha: Wissenschafts- und Hochschulpolitik. 141 Sickel an Leiter der HVG (zu Händen Zetkin), 2.5.1949, in: BArch, DQ 1/1094, hier S. 2.

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heitswesen 1951 den Direktorenposten des Deutschen Hygiene-Museums übernahm, erstaunt deshalb nicht und unterstreicht Sickels Einschätzung.142 Die vollzogene Inkorporierung des Museums in die sozialistische Gesundheitspolitik und das Gesundheitswesen der DDR wurde nur allzu deutlich. Sickels noch 1950 öffentlich gemachte Wertschätzung reichte nicht hin, um ihn am Museum in der leitenden Position zu belassen.143 Zu dieser Zeit stand fest, dass das Dresdner Hygiene-Museum nur noch als dem Gesundheitsministerium untergeordnete Einrichtung der Gesundheitsaufklärung und Gesundheitspropaganda eine Zukunft in der DDR besaß. Seirings erfolgreiche Einbindung der sowjetischen Militär- und der deutschen zentralen Gesundheitsverwaltung der SBZ in das Museum aus dem Jahr 1945 erwiesen sich für ihn und für Sickel im Nachhinein als fatal. Seirings ursprüngliches Modell eines von Stadt, Land und Reich getragenen Vereins mit vielfältigem Tätigkeitsspektrum, wirtschaftlichem Eigenhandeln und entsprechend hybrider Organisationsstruktur wurde durch die Zentralisierungspolitik der SMAD, welche die deutsche Verwaltung „auf Linie“ brachte, unmöglich.144 Das Hygiene-Museum als organisatorisch unabhängiges Gebilde aus Wirtschaftsunternehmen, Museum und Akademie hatte zusammen mit den Organisatoren Seiring und Sickel ausgedient. Trotzdem entstand am Museum strukturell wie inhaltlich eine eigentümliche Melange aus sozialistischer Politisierung der Gesundheit und einer Fortsetzung beziehungsweise Adaption von gewissen Traditionsbeständen. Zu letzteren gehörten die wieder aufgenommenen Museumsaufgaben der Aufklärung über Körper- und Gesundheitswissen sowie einige der dabei verwendeten Medien oder die Weiter- und Umnutzung des Museumsgebäudes. Trotz der direkten Unterstellung unter die Zentralverwaltung(en) der Gesundheitspolitik – was das Museum aus dem Politikfeld der Kultur oder dem der Wissenschaft, wo die „eigentlichen“

142 Zur Person Friedebergers siehe die Berufungsakte Friedebergers zum nebenamtlichen Professor für Hygiene an der Medizinischen Akademie Carl Gustav Carus in Dresden: BArch, DR3B/15303, 1956–1963; Schleiermacher: Rückkehr der Emigranten,  S.  86 f. Mit Friedeberger übernahm ein „Doppelstaatsbürger“ von Partei und Fach die Leitung des Museums in Dresden, der fachliche Kompetenz und (nun auch konkretisierte) sozialistische Gesinnung verkörperte. Siehe zu den Konjunkturen der akademischen Elitenpolitik in der SBZ und der frühen DDR: Jessen, Ralph: Akademische Elite und kommunistische Diktatur. Die ostdeutsche Hochschullehrerschaft in der Ulbricht-Ära, Göttingen 1999, S. 261–327. 143 Vgl. Fe: Um das Volk Verdiente. Deutsche Kulturschaffende, die einer hohen Auszeichnung würdig sind. Helmuth Sickel, in: Berliner Zeitung, 6.8.1950, S. 3. 144 Ein solches Drängen auf die deutschen Behörden durch die SMAD lässt sich generell in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik der Zeit finden. Vgl. Malycha: Wissenschafts- und Hochschulpolitik, S. 22 f.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

Museen in der DDR angesiedelt waren, herausnahm – behielt das Museum damit eine gewisse Selbständig- und Eigentümlichkeit.145

1.2 Köln und die Verdopplung des Hygiene-Museums Am Ende des Zweiten Weltkriegs war nicht absehbar, dass sich 1949 mit dem deutschen Staat auch das Hygiene-Museum verdoppeln würde. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war der Umstand, dass am Ende des Krieges bereits eine Wanderausstellung des Hygiene-Museums in den westlichen Besatzungszonen unterwegs war.146 Der ehemalige Ausstellungsbegleiter Johannes Erler begann nach einer kurzen Kriegsgefangenschaft aus den Überbleibseln der Ausstellung Gesund oder krank eine neue Exposition zusammenzustellen. Obwohl in einer Dorfscheune in Petersdorf bei Fehmarn die Exponate demoliert und „die Tafeln [aus Holz und Papier, C.S.] von Landsern zum Zeltbau“147 verwendet worden waren, gelang es Erler, bis zum Mai 1946 diverse Exponate zu einer Schau zum Thema Geschlechtskrankheiten zu kompilieren. Er begleitete diese bis 1950 durch Schleswig-Holstein, Bremen, Bayern und das Rheinland. Mithilfe dieser Thematik mit dem Museum zu reüssieren, darauf setzten zeitgleich auch Neubert und Seiring in der SBZ.148 Erler repräsentierte nicht nur mit seiner Ausstellung das Hygiene-Museum in den westlichen Besatzungszonen, er erneuerte auch dessen alte Netzwerke, um an fehlende Schlüsselexponate zu gelangen. Erler frischte dafür die Verbindungen zu Hermann Röschmann auf, der bis 1935 als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (DGBG) fungiert hatte und der 1946 deren Schleswig-Holsteiner Landesverband in Kiel neu gründete.149

145 Vgl. vor allem am Beispiel der Heimatmuseen: Scheunemann, Jan: Museen in der DDR, in: Walz, Markus (Hrsg.): Handbuch Museum. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart 2016, S. 61–65. 146 Vgl. zur Entstehungsgeschichte und der These der Wanderausstellung: Stephan: Das Dresdner Hygiene-Museum, 1986, S. 228–230 und zu diversen Werbe- und Fotodokumentationsmaterialien: Sammlung DHMD 2003/143; DHMD 2006/485; DHMD 2006/508–513. Mit Blick auf den „Gläsernen Menschen“ der Ausstellung: Schauerte, Ulrike: Der Gläserne Mann aus dem Hygiene-Museum Dresden – Die „Gläsernen Figuren“ des Deutschen Hygiene-Museums Dresden. Recherchen zur Frühzeit ihrer Produktion, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 29/2015, S.  55–78, S. 69–72. 147 Erler an Ausstellungsamt des DHM, o. D. (Ende 1945), in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59/37, 1945–1959, unpag. 148 Vgl. Erler an Ausstellungsamt des DHM, 11.4.1946, in: ebd. 149 Vgl.  zur Gesellschaft im Allgemeinen und Röschmann im Besonderen: Borelli, Siegfried: Geschichte der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, Berlin 1992, S. 46–67 und als pressure-group in der Gesundheitspolitik zu Beginn des 20. Jahrhunderts:

1.2 Köln und die Verdopplung des Hygiene-Museums 

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Röschmann vermittelte Erler nicht nur die Möglichkeit, im Juli 1946 die erneuerte und thematisch anders fokussierte Ausstellung im Kieler Haus der Landwirte zu präsentieren. Er lieferte auch Ersatz für die zerstörten Moulagen: 50 Fotografien von Hautkrankheiten kamen aus der Kieler Universitäts-Klinik, 12 Moulagen aus einer vergangenen Produktion des Hygiene-Museums in Dresden, die im Kieler Schulmuseum den Krieg überdauert hatten. Entgegen erster Skepsis aufseiten Neuberts und Seirings verfing letztlich Röschmanns und Erlers Argument, wie wichtig es doch sei, das Museum aus Dresden über die SBZ hinaus sichtbar zu machen. Das rechtfertige, so Erler, auch seinen Alleingang bei der Neuerstellung einer Ausstellung aus disparaten Quellen.150 Die Ausstellung in den westlichen Besatzungszonen zu zeigen und damit das Dresdner-Museum präsent zu halten, entsprach Seirings Interessen – die des Museums sicherlich, seine persönlichen mutmaßlich. Doch allzu leicht gestaltete sich dies nicht. Es bedurfte einiger Tricks durch Röschmann, Seiring und Erler, um die wirtschafts- und kulturpolitischen Gegebenheiten der Jahre 1946 und 1947 zu ihren Gunsten zu nutzen. Um das Verbot der SMAD, eine Dresdner Ausstellung in einer der westlichen Besatzungszonen zu zeigen, und um die Handelsbeschränkungen über die Zonengrenzen hinweg zu umgehen, firmierte Erler nunmehr als offizieller Angestellter der DGBG, der seinen Lohn aus den Umsätzen der Ausstellung erzielte. Die Eigentumsrechte wurden dafür ebenfalls genauso wie die Einnahmen aus der Ausstellung zwischen dem Hygiene-Museum und Röschmanns Gesellschaft geteilt.151 Ähnlich trickreich agierte Seiring dabei, weitere Einnahmequellen wieder aus der eigenen Lehrmittelproduktion zu generieren. Bereits Ende 1946 hatte er erfolgreich die Kontakte zu zwei Vertretern erneuert, welche die amerikanische und französische Besatzungszone abdecken sollten.152 Die Gesundheitsverwaltungsstellen in der SBZ erteilten dem Deutschen Hygiene-Museum bis zur Gründung der DDR zwar keine Erlaubnis, ganze Ausstellungen in die westlichen Sauerteig: Krankheit, Sexualität, Gesellschaft, S. 89–125. Zum konfrontativen Verhältnis zur Naturheilbewegung, der Nähe zur staatlichen Gesundheitspolitik, ihrer Tätigkeit im Kaiserreich: Regin: Selbsthilfe und Gesundheitspolitik, S. 220–225, 364, 419–421 und zum Kontakt Röschmanns zum DHM, der dem Museum bereits 1921 die Option eröffnet hatte mit der hiesigen Landesversicherungsanstalt – kontrovers diskutierte – Wanderausstellungen über Geschlechtskrankheiten im Rheinland zu zeigen vgl. Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern, S. 188 f. 150 Vgl. Erler an Ausstellungsamt des DHM, 2.5.1946; 16.5.1946; 19.5.1946; Antwort auf das Einschreiben vom 10.7.1946, 28.7.1946, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59/37. Zu Röschmanns Fürsprache: Seiring an Erler, 21.10.1946, in: ebd. 151 Vgl. Deutsches Hygiene-Museum über Hermann an Johannes Erler, 29.1.1947; DHM an Erler, 21.10.1946; 28.11.1946; 9.6.1947; Seiring an Erler, 25.8.1947, in: ebd. 152 Vgl. DHM an Erler, 25.10.1946; 28.11.1946, in: ebd.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

Zonen zu senden. Doch trotz des Ausfuhrverbotes von Holz oder Papier aus der SBZ im Jahre 1948 gelangten Broschüren, Moulagen oder Lehrtafeln aus den Museumswerkstätten zu den Vertreibern der DHM-Waren, nach Heidelberg und Coburg, die auch für Ausstellungsprojekte ohne direkte Organisationshoheit des Hygiene-Museums vom Bayerischen Institut für Volkshygiene in München oder dem Hygienischen Aufklärungsdienst Offenbach angefragt worden waren.153 Im Laufe des Jahres 1948 verlor Erlers Ausstellung jedoch zunehmend an Attraktivität. Nicht nur war sie bereits an vielen Orten gezeigt worden; durch den Transport waren auch die Exponate verschlissen. Zugleich hatte sich das Museum durch den Export von Ausstellungsgut selbst Konkurrenz verschafft, als zwei ehemalige Mitarbeiter des Museums 1947 damit begannen, eine eigene Ausstellung zur Ätiologie, Prävention und Symptomatik von Geschlechtskrankheiten in Heidelberg aufzubauen. Johannes Erler und Hermann Röschmann verfolgten den Aufbau aufmerksam, sprachen Paul Ehrkes (*1883) und Franz Tschackerts (1887–1958) Ausstellung jedoch Qualität und Besuchererfolg ab.154 Der ehemalige Betriebsleiter des Museums und technische Direktor der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf, Ehrke, war 1935 entlassen worden.155 Tschackert, der 1913 als Präparator in die Dienste des Museums getreten war und zwischen 1927 und 1946 die dortige „Cellon-Abteilung“ leitete, in der die Gläsernen Figuren hergestellt wurden, musste erst 1946 aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft das DHM verlassen.156 Beide kannten sich seit einer langen Zeit, nicht zuletzt seit der Entwicklung des „Gläsernen Menschen“ am Ende der 1920er Jahre.157 Nach wie vor blieben jedoch offizielle Ausstellungen im Namen des Deutschen Hygiene-Museums in den Westsektoren vonseiten der DZVG und der SMAD nicht gestattet. Damit begründete das Ausstellungsamt des Museums die Absage an Erlers wiederholte Aufrufe, ihm weitere und neue Ausstellungen anzuver-

153 Vgl. Leitung Lehrmittelherstellung und -produktion Oechsner an Erler, 2.6.1948, in: ebd. 154 Vgl. Röschmann an Seiring, 4.8.1947; Erler an DHM, 23.8.1948, in: ebd. 155 Vgl.  Protokoll der Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses des DHM, 25.4.1935, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13686, Nr.  51,  Bl.  24; Stephan: Das Dresdner Hygiene-Museum, 1986, S. 394 f. 156 Vgl.  zu Tschackert und seiner Entlassung am DHM: Betriebsrat Uhlmann an Tschackert, 31.1.1946; Tschackert an Seiring, 24.1.1946; Tschackert an Uhlmann, 21.8.1947; Seiring an die Kriminalpolizei Dresden, 30.7.1946; Uhlmann an die Kriminalpolizei Dresden, 19.8.1946; Uhlmann und Zill an Spruchkammer Heidelberg, 10.9.1947, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 47/33. 157 Vgl. den Brief Isolde Seyfarths an den damaligen Generaldirektor des DHM, Franz Görres, vom 5.11.1974, in: DHMD Archiv Abteilung Ausstellungen, Projektakten Leibesvisitation vorl. 1_ Der gläserne Mensch, 1974.

1.2 Köln und die Verdopplung des Hygiene-Museums 

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trauen, wie es dies noch im Oktober 1947 angekündigt hatte.158 Während Erler also mit einer an Anziehungskraft verlierenden Ausstellung unterwegs war und vermutlich Optionen – wie ihren gesamten Verkauf – sondierte, wurde Seiring in Dresden entlassen. In diesem Moment trat das Kölner Gesundheitsamt mit dem Wunsch auf den Plan, sein – vermutlich vom Dresdner Hygiene-Museum mit Exponaten beliefertes – 1943 zerstörtes Museum für Volkshygiene wieder aufzubauen. Und höchstwahrscheinlich führte nun im Laufe des Jahres 1948 Erler all diese Elemente zusammen – und sollte damit die Voraussetzung für eine Neugründung des Hygiene-Museums in Köln schaffen.159

Der Import aus Dresden In seinen Erinnerungen entfaltete Seiring eine Geschichte, in der er mit viel persönlichem Einsatz und Geschick die Neugründung eines Gesundheits-Museums im Dezember 1949 bewerkstelligte. Ihr zufolge trat nach Seirings Entlassung der Kölner Gesundheitsdezernent und ehemalige Solinger Kreiskommunalarzt Helmut Gaumitz (*1893) an ihn heran, um ihm den Wiederaufbau des zerstörten Volkshygiene-Museums zu übertragen.160 Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass

158 Vgl. DHM an Erler, 29.10.1947; Oechsner an Erler, 2.6.1948, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59/37. 159 Vgl. Merk: Ergebnis der Recherchen. 160 Seiring: Erinnerungen, S. 45. Gaumitz, so Seiring, stammte aus Dresden und habe die I. IHA 1911 noch aus eigener Anschauung gekannt. Siehe hierzu: Seiring: Entwicklung des Deutschen Gesundheits-Museums e.  V. Köln, 13.2.1952, in: BArch, B 142/400, 1950–1960, unpag. und zur Biografie Gaumitz‘ die nicht zugängliche Personalakte im Historischen Archiv der Stadt Köln: Personalamt (PA) (Acc. 781) A 544: Gaumitz, Helmut, (geb. 30.04.1893). Zum 1914 gegründeten Kölner Volkshygiene-Museum: Vossen, Johannes: „Ausmerze“  und „Auslese“. Das Kölner Gesundheitsamt im Nationalsozialismus, in: Deres, Thomas (Hrsg.): krank – gesund. 2000 Jahre Krankheit und Gesundheit in Köln, Köln 2005, S. 270–293, S. 279; http://historischesarchivkoeln. de/de/lesesaal/Bestand/2130/Acc.%201824+53%20Gesundheitsamt%20Gesundheitsmuseum), 18.10.2019. Zu dessen Leitern, Eugen Czaplewski (1865–1945) bis 1931, und Karl Pesch (1889–1941) siehe: Lentze, Friedrich: Czaplewski, Alexander Emil Hermann Eugen, in: Neue Deutsche Biografie 3/1957, S. 456; Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt a. M. 2015 [2003], S. 454; Harten, Hans-Christian/Neirich, Uwe/Schwerendt, Matthias: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs. Bio-bibliographisches Handbuch, Berlin 2006, S. 23; Svobodný, Petr: Wanderungen und Wandlungen: Die medizinische Fakultät der Deutschen Universität Prag und ihre Beziehungen zu deutschen und österreichischen Universitäten in den Jahren 1882–1945, in: Pape, Walter (Hrsg.): Zehn Jahre Universitätspartnerschaft. Univerzita Karlova v Praze – Universität zu Köln. Kolloquium zur Universitäts- und Fachgeschichte, Köln 2011, S. 15–30, S. 24.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

Erler diese Bitte im Rahmen seiner Ausstellung über den damaligen Leiter des Gesundheitsamtes Franz Vonessen (1892–1970) vorbereitet und Seiring als Leiter und Organisator des Museumswiederaufbaus in kommunaler Zuständigkeit ins Gespräch gebracht hatte.161 Doch Seiring trieb ein doppeltes Spiel: Noch als Präsident des HygieneMuseums hatte er in Erfahrung gebracht, dass ein Neuaufbau in Köln geplant war. Er hatte also genug Zeit, sich die Strategie für seine Rückfalloption zurechtzulegen. Und weil nun in der Domstadt die Verhandlungen für ihn zäh verliefen und er auch das Dresdner Museum noch nicht aufgegeben hatte, nahm er alsbald Verbindungen nach Düsseldorf, Essen und Gelsenkirchen auf, um den Druck auf alle Seiten zu erhöhen. Denn in seiner Vorstellung ging sein Engagement nicht in einem kommunalen Volkshygiene-Museum auf.162 In seiner Vorstellung kam für ihn nur ein Zentralinstitut für gesundheitliche Aufklärung in Frage, das in Düsseldorf in (struktureller) Nähe zum Sozialministerium des Landes Nordrhein-Westfalen beheimatet sein sollte.163 Zum Ende des Jahres 1948 versuchte Seiring zunächst von Erler und direkt aus dem Hygiene-Museum Ausstellungsmaterial für den Aufbau des Kölner Volkshygiene-Museums anzukaufen. Obwohl der neue Leiter des HygieneMuseums mit diesem Geschäftsvorschlag mehr als einverstanden war, obstruierten die zuständigen Verwaltungsstellen in der SBZ wiederum erfolgreich: Material aus dem DHM durfte nicht verkauft werden und Erler keine eigenen Verhandlungen mit Seiring führen.164 Nunmehr setzte Seiring alles darauf, einen dem Dresdner Hygiene-Museum vergleichbaren „Hygiene-Konzern“ im Rheinland als Konkurrenz zum DHM zu installieren. Seiring sammelte nun seine Ressourcen, Kontakte und Helfer im Rheinland. Dazu gehörte nicht nur der Arbeits- und provisorische Wohnraum, den die Stadt Köln in Köln-Merheim zur Verfügung stellte. Seiring holte auch seine ehemaligen Mitarbeiter aus Dresden, die er noch einige Jahre zuvor entlassen hatte oder

161 Vgl.  zum Forschungsfeld der kommunalen Gesundheitsämter in Deutschland: Czech, Herwig/Hüntelmann, Axel C./Vossen, Johannes (Hrsg.): Gesundheit und Staat. Studien zur Geschichte der Gesundheitsämter in Deutschland, 1870–1950, Berlin 2006 und zum Kölner speziell: Schmidt, Klaus: Franz Vonessen (1892–1970), in: Deres, Thomas (Hrsg.): krank – gesund. 2000 Jahre Krankheit und Gesundheit in Köln, Köln 2005, S. 296–297; Vossen: Ausmerze und Auslese. 162 Vgl.  Oechsner/Ausstellungsamt DHM an Erler, 18.1.1949, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59/37; Seiring: Erinnerungen, S. 45. 163 Vgl. Erler an Röschmann, 13.6.1948; Oechsner an Erler, 2.6.1948; Erler an DHM, 26.6.1949, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59/37. 164 Oechsner an Erler, 18.1.1949, in: ebd.

1.2 Köln und die Verdopplung des Hygiene-Museums 

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die „wegen starker politischer Belastung“ ausgeschieden waren.165 Im Laufe der Jahre 1949 und 1950 kamen eine ganze Reihe an handwerklichen und kaufmännischen Experten an die Werkstätten in Köln-Merheim. Zu ihnen gehörten die bereits erwähnten Ehrke und Tschackert, der Zeichner Martin Röhl, der ebenso nach 1945 ausgeschiedene Vorarbeiter Hapatzky und der ehemalige Leiter des Ausstellungsamtes Erich Lehmann. Schließlich sollte auch noch Johannes Erler dazu stoßen. Im Mai 1949 arbeiteten schließlich 16 Fachkräfte in den „Hygienisch anatomischen Laboratorien“, wie die Werkstätten des späteren GesundheitsMuseums zunächst hießen. Dessen Mitarbeiter kamen zumeist aus Sachsen.166 Mit dem Verweis auf die erfolgreiche Arbeit in Dresden und die mittlerweile im Rheinland verfügbaren Fachkräfte suchte Seiring die Unterstützung derjenigen Stellen, die eine zentrale und große Einrichtung einem lokalen Museum des Kölner Gesundheitsamtes vorzogen, konkret der Gesundheitsverwaltungen auf Landes- und Bundesebene. Nicht zuletzt aufgrund seiner Verhandlungen mit mehreren Kommunen in seiner Position gegenüber der Kölner Stadtregierung gestärkt, hatte Seiring spätestens in den ersten Monaten des Jahres 1949 auch die Abteilung Öffentliches Gesundheitswesen im Sozialministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in Person des Leiters Josef Hünerbein (1883–1965) von einem Zentralinstitut überzeugt.167 Gleichzeitig machten sich auch Seirings Kontakte in die Wirtschaft bezahlt. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens gewährte

165 Georg Seiring an Marta Fraenkel, 30.7.1946 und 30.1.1947, in: Leo Baeck Institute. Center for Jewish History, Series I, Box 1, Folder 3. 166 Zu Franz Tschackert und seinem Sohn Fritz siehe: Seiring: Entwicklung des Deutschen Gesundheits-Museums e. V. Köln, 13.2.1952, in: BArch, B 142/400; zu Konrad Meyer vgl. Finanzministerium (ORR Süper), o. D. (um 1960), in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, 1956–1962, Bl. 39; zu Hapatzky, Lehmann und Röhl siehe: Seiring an Marta Fraenkel, 30.1.1947, in: Leo Baeck Institute. Center for Jewish History, Series I, Box 1, Folder 3; Gebhard, Bruno: Personal notes on my European Trip, in: Dittrick Medical History Center: Nachlass Bruno Gebhard, B 17, 7.14a, 1950, unpag. und zu den weiteren Personalien: Erich Lehmann an den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt/Main, 16.6.1942, in: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, MA 8.133; Stephan: Das Dresdner Hygiene-Museum, 1986, S. 413 f.; Vermerk zur Prüfung des DGM durch den Landesrechnungshof vom 29.8.1960, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr.  13,  Bl.  31–45, hier  Bl.  39. Zum Personalbestand des Museums im Mai 1949: Sozialminister NRW an Finanzminister NRW, 13.5.1949, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 10, 1950–1952, Bl. 208. Für die Überlassung des Materials aus den Gebhard Papers danke ich herzlich Thomas Steller und Sebastian Weinert. 167 Vgl. zu Josef Hünerbein: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, RWN 0139, Nr. 5, 1965, unpag.; Fleckenstein, Gisela/Klare, Wilhelm/Klefisch, Peter (Hrsg.): Die Kabinettsprotokolle der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen 1950–1954, Siegburg 1995, S. 278; Vossen, Johannes: Gesundheitsämter im Nationalsozialismus. Rassenhygiene und offene Gesundheitsfürsorge in Westfalen 1900–1950, Essen 2001, S. 429.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

Seiring einen Vorschuss und auch Jost Henkel (1909–1961), Leiter von Henkel & Cie, unterstützte Seirings Projekt finanziell.168 Der Düsseldorfer Großindustrielle bestand darauf, dass dafür das zukünftige Zentralinstitut in der Landeshauptstadt seinen Sitz finden sollte. Dieses Drängen, das ganz in Seirings Interesse war, befeuerte wieder die Debatte um den Standort des Museums.169 In den ersten Monaten des Jahres 1949 hatte sich also eine Allianz gebildet, die ein neues, westdeutsches Hygiene-Museum und Zentralinstitut für Gesundheitsaufklärung nach Dresdner Vorbild in Düsseldorf beheimatet wissen wollte. Seiring, die Firma Henkel, die Düsseldorfer Stadtverwaltung, die Nordwestdeutsche Ausstellungsgesellschaft (NOWEA) sowie die Gesundheitsabteilung des Sozialministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen bemühten sich ab Mai desselben Jahres um die notwendige Unterstützung des Finanzministeriums. Seiring steuerte für diese Allianz nicht nur die Organisationsstruktur in seinen Satzungsskizzen bei, sondern besorgte auch die passenden argumentativen Versatzstücke des alten (Entwicklungs-)Modells des Dresdner Hygiene-Museums: Nur eine konzertierte Aktion aus Parteien, Behörden, Organisationen und Versicherungsträgern könne in einer Zeit des „Sein oder Nichtsein unseres Volkes“ die Wunden des Krieges heilen. Dafür sei es notwendig, bei jedem Einzelnen die Pflicht zu einem gesunden Leben zu wecken und ihn dazu zu bringen, mit „seinem höchsten Gut, seiner biologischen Kraft und Gesundheit vernünftig und verantwortungsbewußt umzugehen“. Eine solche Gesundheitsfürsorge erziehe nicht nur allgemein sittlich, indem sie „Bewunderung und Ergriffenheit gegenüber der Schönheit, Zweckmäßigkeit und Harmonie des Körpers“ wecke; sie spare auch diverse Kosten der Krankenbehandlung und des Arbeitskraftausfalls ein. Dafür benötige man eine „Gesundheitsaufklärung wie in Dresden“, die durch die „Zusammenarbeit von Künstlern, namhaften Wissenschaftlern und Pädagogen“ Gewähr böte, dass allen „pädagogischen und wissenschaftlichen Anforderungen“ genüge getan werden würde. Und wer könne eine solche besser realisieren als die ehemaligen Dresdner in Köln?170 168 Vgl. Seiring: Erinnerungen, S. 46; Protokoll über ein Treffen 26.8.1949 in Düsseldorf, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 192. 169 Vgl. zu Seirings Kontakt (u. a. über seine Mitgliedschaft im Rotary Club) zur Dresdner Wirtschaft vor dem Zweiten Weltkrieg: Seiring: Erinnerungen, S. 52–58; Seirings „großen Erfolg“ beim Industriellen Jost Henkel beschreibt: Karl Leyendecker an Helmut Sickel, o. D. (Oktober 1949), in: BArch, DQ 1/1094. 170 Alle Zitate in: Seiring, o. J.: „Das Deutsche Gesundheits-Museum, eine Zentrale für gesundheitliche Volksaufklärung. Rückblick und Ausschau“, 24.8.1949, in: Landesarchiv NordrheinWestfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 197–198 und Seiring: Kurze Denkschrift zur Gründung des Deutschen Gesundheits-Museums e. V., o. D. (vor Dezember 1949), in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 38, Nr. 71, 1949, Bl. 2.

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Die Gründung des Deutschen Gesundheits-Museums in Köln Im Sozialministerium in Nordrhein-Westfalen fand Seirings Position keinen Widerspruch. 1948/1949 war es Seiring, der das symbolische Kapital des HygieneMuseums besaß und in die Waagschale warf, um zusammen mit seinen Unterstützern die Ministerialbeamten von der Notwendigkeit der gesundheitspolitischen Funktion der Gesundheitsaufklärung (für das Land) und der außenpolitischen Wichtigkeit einer internationalen Kooperation (für den Bund) zu überzeugen. Dafür brauchte die neue Organisation einen repräsentativeren Ort als das ehemalige Kasernengebäude eines Fliegerhorstes in Merheim.171 Die Unterstützer fassten dafür den „Ehrenhof“ des heutigen NRW-Forums in Düsseldorf ins Auge. Wilhelm Kreis (1873–1955) sollte, wie in Dresden in den späten 20er Jahren, dort das Gebäude eines nationalen Hygiene-Museums errichten, und das Landesmuseum für Volk und Wirtschaft ersetzen, das aus den Exponaten der Hauptabteilung Soziale Fürsorge auf der Großen Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf (GeSoLei) 1926 als sozial- und wirtschaftsgeschichtliches Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde hervorgegangen und nun nicht mehr erwünscht war.172 Eine solche Entwicklung sollte der anvisierte Lehrmittelverkauf verhindern, indem mit ihm garantiert werden sollte, dass das Museum sich langfristig selbst tragen könne. An Lehrmitteln und Ausstellungsexponaten wurde in Merheim bereits gearbeitet. Die finanziellen Beteiligungen seien daher eher als Investition denn als langfristige Zahlungsverpflichtung anzusehen.173 171 Vgl. das Protokoll eines Treffens zwischen Vertretern des Finanzministeriums NRW, Sozialministeriums NRW, der Regierung Düsseldorfs und der Henkel-Werke: Protokoll über ein Treffen in Düsseldorf, 26.8.1949, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 192. 172 Zur GeSoLei: Stöckel, Sigrid: Die große Ausstellung über GEsundheitspflege, SOzialfürsorge und LEIbesübungen – GESOLEI – 1926 in Düsseldorf, in: Weber, Wolfhard (Hrsg.): Ideologie der Objekte – Objekte der Ideologie. Naturwissenschaft, Medizin und Technik in Museen des 20. Jahrhunderts. Vorträge von der 73. Jahrestagung in Mannheim 2.-5. Oktober 1990, Kassel 1991, S. 31–38; Dies.: Rationalität als Leitmotiv: Die Große Ausstellung über GEsundheitspflege, SOzialfürsorge und LEIbesübungen – GESOLEI – 1926 in Düsseldorf, in: Acta medico-historica Rigensia 1/1992, S. 98–117; Genge, Gabriele (Hrsg.): Kunst, Sport und Körper, Weimar 2004; Körner, Hans/Stercken, Angela (Hrsg.): 1926–2002. GeSoLei. Kunst, Sport und Körper, Ostfildern 2002; Hilbig, Henrik: »Ein Spiegelbild Deutscher Qualitätsarbeit«. Das Haus Henkel auf der GeSoLei, in: Körner, Hans/Stercken, Angela (Hrsg.): 1926–2002. GeSoLei. Kunst, Sport und Körper, Ostfildern 2002, S. 209–216. Zur Gründung und dem Scheitern des Reichsmuseums auch im Vergleich zum Deutschen Hygiene-Museum: Weinert, Sebastian: Eine Museumsgründung in schwierigen Zeiten. Zu den Anfangsjahren des Reichsmuseums für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde, in: Düsseldorfer Jahrbuch 83/2013, S. 193–212. 173 Vgl. Briefe des Sozialministers NRW an den Finanzminister NRW, 13.5.1949; 28.6.1949; Dr. Weiß (Nordwestdeutsche Ausstellungsgesellschaft) an Sozialministerium NRW, 24.6.1949, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 202–205, 208.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

Doch das Finanzministerium in NRW verweigerte eine Finanzierungszusage für den Umzug und den Betrieb des Museums in Düsseldorf. Die Finanzbeamt*innen beharrten auf dem Standpunkt, dass sich die Landesregierung nur dann beteiligen könne, wenn die wirtschaftliche Grundlage für Seirings Zentralinstitut durch die Beteiligung von Kranken- und Lebensversicherungen, Krankenkassen sowie von Industrie- und Handelskammern abgestützt sei.174 Auch die explizite Parteinahme des Düsseldorfer Oberstadtdirektors Walther Hensel (1899–1986) brachte diesen Standpunkt nicht ins Wanken.175 Nicht einmal seine Drohung verfing, dass man sonst Seiring, sein Museum und damit die bereits getätigte Investition für Nordrhein-Westfalen verlöre.176 Dieser Streit schlug so große Wellen, dass sich das Kabinett der Landesregierung damit im September 1949 befasste: Die Kontrahenten aus dem Finanz-, Wirtschafts- und Kultusministerium einerseits und dem Sozialministerium sowie aus den Reihen der Vertreter der Stadt Düsseldorf andererseits sollten sich einigen.177 Den Kompromiss teilte der damalige Ministerpräsident und Präsident des Bundesrates der Bundesrepublik Deutschland, Karl Arnold (1901–1958), Seiring nur zwei Tage nach der Besprechung mit. Für eine Förderung brauche es eine Satzung, welche die Finanzierung durch breite Kreise festlege, das Risiko also aufteile.178 Da Köln außerdem in der Lage sei, den Museumsverein zu tragen, sofern das Land einen „Spitzenbetrag“ übernehme, und die Kultusministerin Christine Teusch (1888–1968) darauf bestehe, habe der Standort für Seirings Museum Köln zu sein.179 Damit konkretisierte sich die Gründung einer strukturellen Neuauflage der Organisation des Dresdner Hygiene-Museums in Köln, die sich auf mehrere Träger

174 Vgl. Protokoll über ein Treffen in Düsseldorf, 26.8.1949, in: ebd., Bl. 192. 175 Zur Rolle und Geschichte der (Düsseldorfer) Oberstadtdirektoren kursorisch: Troschitz, Frank: Büro Oberstadtdirektor 1946–1976, Systematisches Findmittel. Einleitung, Düsseldorf 1995. 176 Vgl.  Walther Hensel an Ministerpräsident Arnold, 26.8.1949, in: Landesarchiv NordrheinWestfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 189–191. 177 Vgl.  152. Kabinettssitzung am 15.9.1949, in: Kanther, Michael Alfred (Hrsg.): Die Kabinettsprotokolle der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, 1946 bis 1950. Teil 2, Siegburg 1992, S. 794–797. 178 Vgl. Arnold an Seiring, 21.9.1949, in: BArch, B 142/1997, 1949–1965, unpag. Zu Arnold siehe: Hüwel, Detlev: Karl Arnold (1901–1958), in: Gösmann, Sven (Hrsg.): Unsere Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen. Neun Porträts von Rudolf Amelunxen bis Jürgen Rüttgers, Düsseldorf 2008, S. 42–69. 179 Vgl.  Vermerk vom 19.9.1949 auf der Grundlage eines Kabinettsbeschlusses, 15.9.1949, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 186. Zu Christine Teusch biografisch: Zehender, Kathrin: Christine Teusch. Eine politische Biografie, Düsseldorf 2014.

1.2 Köln und die Verdopplung des Hygiene-Museums 

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(und deren unterschiedliche Interessen) stützte. Ende 1949 waren die nach dem Krieg versprengten Elemente des alten Netzwerkes – Akteure, Gelder, Expertisen, Entwicklungskonzepte und Problemwahrnehmungen, Exponate, Lehr- und Schaumittel – in ausreichender Menge und Dichte in einem Knotenpunkt zusammengekommen, aus dem alternativlos das Deutsche Gesundheits-Museum hervorgehen sollte. Alternativen zerschlagen sich Franz Tschackert, der Präparator der Schlüsselobjekte der Gläsernen Figuren, dessen Beziehung zu Seiring zwischen Kooperation und Konkurrenz oszillierte, hatte den Plan gefasst, selbst sein eigenes Hygiene-Museum zu gründen und zu leiten. Dieser zerschlug sich erst Ende 1949. Erler hatte im Juli 1949 in Seirings Auftrag – in Einklang mit dessen Strategie, durch Alternativen zu Köln seine Verhandlungsposition zu stärken – in Frankfurt am Main vorgefühlt, ob Interesse bestünde, einem Hygiene-Museum wie in Dresden Obhut zu gewähren. Die „Mainmetropole“, Hauptverwaltungssitz der Trizone, galt als potenzielle Bundeshauptstadt – und damit als idealer Ort einer Organisation von nationaler Bedeutung, wie sie sich Seiring vorstellte. Der Frankfurter Stadtrat hatte auch versucht, Kompetenzen im öffentlichen Gesundheitswesen an sich zu ziehen und in der Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitspflege zu verfestigen.180 Doch dessen Leiter, Wilhelm von Drigalski (1871–1950) – zwischen 1925 und 1933 verantwortlich für das öffentliche Gesundheitswesen in Berlin und in der Zeit des Nationalsozialismus ärztliche Tätigkeiten ausübend – äußerte rasch Bedenken gegenüber einer Museumsgründung am Main, indem er vor einer finanziellen Überforderung warnte.181 Tschackert schickte trotzdem im September 1949 „wunschgemäß einen Entwurf für ein Gesundheitsmuseum in Frankfurt am Main.“182 Der „Leiter der Werkstätten des Deutschen Gesundheits-Museums“, wie er sich auf seiner beigefügten Visitenkarte betitelte, warb darin mit deutlich bescheideneren

180 Vgl. Hentges, Gudrun: Die Bundeszentrale für Heimatdienst 1952–1963, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 62.46–46/2012, S. 35–43; Dies.: Staat und politische Bildung. Von der „Zentrale für Heimatdienst“ zur „Bundeszentrale für politische Bildung“, Wiesbaden 2013. Zu dessen späterem Leiter, dem Rasse- und Sozialhygieniker Carl Coerper (1886–1960), siehe: Vossen: Ausmerze und Auslese; Liebermann, Peter: Carl Coerper (1986–1960), in: Deres, Thomas (Hrsg.): krank – gesund. 2000 Jahre Krankheit und Gesundheit in Köln, Köln 2005, S. 294–295. 181 Vgl. Wilhelm von Drigalski an Städtisches Gesundheitsamt Frankfurt/M., 27.7.1949, in: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, MA 8.133. 182 Tschackert an Städtisches Gesundheitsamt Frankfurt/M., 14.9.1949, in: ebd.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

„Forderungen“ als denen, die „Herr Seiring“183 gestellt hatte. Er wolle eine große und finanziell erträgliche Ausstellung gestalten und deren Exponate anschließend in ein von ihm geleitetes, sich durch den Verkauf von Lehrmitteln selbst tragendes und im Vergleich zum Hygiene-Museum durch fortlaufende Wechselausstellungen „äußerst lebendig und abwechslungsreich gestaltetes […] und dem Besucher interessantes und verständliches“184 Gesundheits-Museum überführen. Internationale Anerkennung sei einer solchen Gesundheitsausstellung und dem aus ihr entstehenden Museum sicher, so Tschackert. Darüber hinaus verspreche eine solche Ausstellung Einnahmen von mindestens einer halben Million Mark und ermögliche einen Grundstock für das Museum, um eine anatomische Sammlung unter dem vom Hygiene-Museum bekannten Titel Der Mensch aufzubauen. Tschackert offerierte damit ein Entwicklungsmodell, wie es in Dresden funktioniert hatte und Seiring in Köln zur selben Zeit umsetzte – nur besser und billiger. Dafür versuchte er mit der Gunst der Stunde zu punkten: Im Moment stünde er noch zur Verfügung, aber seine Expertise als Präparator der „weltberühmten Gläsernen Menschen“185 sei – von Seiring – stark nachgefragt.186 Den Ausschlag für den Frankfurter Stadtrat gab nicht nur Drigalskis Warnung, sondern auch die fehlende Unterstützung vonseiten des Messe- und Ausstellungsamtes. Wie die GeSoLei 1926 für Düsseldorf werde eine Ausstellung in Frankfurt am Main nur Fehlbeträge verursachen.187 Aus finanziellen Erwägungen solle der Stadtrat auch die Finger von einem Gesundheits-Museum vor Ort lassen, das überdies nicht von einem Präparator geleitet, sondern „doch wohl nur einer medizinischen Kapazität anvertraut werden könne.“188 Die endgültige Absage für Ausstellung und Museum erhielt Tschackert noch im November 1949.189 Nur kurze Zeit später hatte auch ein anderer Akteur der Gesundheitsaufklärung um die Unterstützung des Frankfurter Stadtrats gebeten: Im September 1949 rief Helmut Sickel an, um die neue Wanderausstellung Volkskrankheiten vor Ort zeigen zu dürfen, damit „die Arbeit des Deutschen Hygiene-Museums nun auch

183 Tschackert, Franz: Vorschläge für den Aufbau eines „Deutschen Gesundheits-Museums in Frankfurt/M.“ 14.9.1949, in: ebd., S. 5. 184 Ebd., S. 3. 185 Ebd., S. 2. 186 Ebd., S. 1. Zum Ankauf der Ausstellung Wir bleiben gesund durch Seirings DGM-Vorläufer: Brenner an Finanzministerium, 28.6.1949; Nordwestdeutsche Ausstellungsgesellschaft an Sozialministerium NRW, 24.6.1949, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 204 f. 187 Vgl. Messe- und Ausstellungs-Gesellschaft m.b.H. Frankfurt am Main an Bürgermeister Walter Leiske, 27.10.1949, in: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, MA 8.133, hier S. 2. 188 Ebd., S. 3. 189 Oberbürgermeister Walter an Franz Tschackert, 14.11.1949, in: ebd.

1.2 Köln und die Verdopplung des Hygiene-Museums 

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wieder der Bevölkerung Westdeutschlands zugute kommt.“190 Doch auch in diesem Fall lehnten die Frankfurter Stellen ab: das „Ausstellungsbedürfnis“ sei übersättigt, weswegen mit einem „finanziellen Erfolg nicht gerechnet werden kann.“191 Nicht nur aus Gründen der Aufmerksamkeit und des Umsatzes als zentralen Kriterien der Ausstellungsbewertung schlug die Stadtverwaltung in Frankfurt am Main Sickels Angebot aus. Mittlerweile war auch zu ihr gedrungen, dass in Köln die Bildung eines neuen Hygiene-Museums bevorstand und die Frage nach Urheberschaft und Repräsentationsberechtigung sich damit eröffnet hatte und noch ungeklärt war.192 Doch Sickels Versuche, eine Gegengründung zum Dresdner Museum in der Bundesrepublik zu verhindern, kamen 1949 schlichtweg zu spät. Auch der letzten diesbezüglichen Anstrengung vonseiten der KPD im Düsseldorfer Stadtparlament und der SED in der Hauptverwaltung Gesundheitswesen der DWK war kein Erfolg gegönnt.193 In der entscheidenden Kabinettssitzung im September 1949 streute der damalige Kulturdezernent Hanns Kralik (1900–1971) Zweifel an der Möglichkeit, ein Museum der Gesundheitsaufklärung gründen zu können. Denn immerhin sei das Hygiene-Museum in Dresden gar nicht zerstört, sondern wieder aufgebaut und funktionstüchtig. Dieses Vorgehen war Teil einer Doppelstrategie, um zugleich „Herrn Seiring […] das Handwerk zu legen“194 und Sickel zu kontrollieren. Mit Kralik verabredete dazu der damalige Vizepräsident der Hauptverwaltung, Kurt Winter, eine offizielle Anfrage an das Dresdner Museum zu stellen und daraufhin Sickels Reaktion zu überprüfen. Kralik und Winter sahen in dieser Frage also eher eine politische Bewährungsprobe, einen Loyalitätstest für Sickel, dem sie ohnehin bereits misstrauten, als einen ernsthaften Versuch, die Museumsgründung im Rheinland zu verhindern. Mit den Genossen in Düsseldorf zusammen sollte der Leiter des Dresdner Museums die Düsseldorfer Stadtverwaltung umfangreich über das Hygiene-Museum in Kenntnis setzen sowie Gesundheitsausstellungen und eventuell auch Aufbauhilfe für ein eigenes

190 Vgl.  Leiske an Oberbürgermeister, 5.10.1949; Zitat in: Sickel an Bürgermeister Leiske, 29.9.1949, in: ebd. und in BArch, DQ 1/1094. 191 Leiske an Sickel, 16.11.1949, in: ebd.; Oberbürgermeister Walter an Sickel, 15.11.1949, in: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, MA 8.133. 192 Vgl. Stadtrat Prestel an Herrn Oberbürgermeister, 9.11.1949, in: ebd. 193 Vgl. Karl Leyendecker an Sickel o. D. (Oktober, November 1949), in: BArch, DQ 1/1094. Siehe hierzu auch: Sammer, Christian: „Das Ziel ist das gesunde Leben!“. Die Verflechtungen zwischen dem Deutschen Gesundheits-Museum in Köln (DGM) und dem Deutschen Hygiene-Museum in Dresden (DHM) in den 1950er Jahren, in: Brunner, Detlev/Grashoff, Udo/Kötzing, Andreas (Hrsg.): Asymmetrisch verflochten? Neue Forschungen zur gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte, Berlin 2013, S. 131–145, S. 136 f. 194 Bericht von Dr. Kurt Winter über das Hygiene-Museum in Köln/Düsseldorf, 29.9.1949, in: BArch, DQ 1/1094 .

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

Museum offerieren, um darüber die Gründung eines eigenständigen Museums zu obstruieren. Mit Fotos vom wieder aufgebauten Deutschen Hygiene-Museum sollte Karl Leyendecker (1902–1965), der Redakteur der Düsseldorfer KPD-Zeitung Freies Volk, zusammen mit Kralik mehr Informationen über Seirings neues Museumsprojekt herbeischaffen, das Museum aus Dresden in Düsseldorf bekannt machen, für einen Wanderausstellungsauftrag sorgen und somit eine Museumsneugründung in Düsseldorf verhindern.195 Um den formellen Schein zu wahren, stellte Kralik noch eine offizielle Anfrage an den Magistrat der Stadt Dresden, auf die Sickel prompt antwortete, dass das Hygiene-Museum voll arbeitsfähig sei, wieder Lehrmittel anfertige, Ausstellungen entwerfe und durchführe und daher beim Aufbau eines Düsseldorfer Museums behilflich sein könne. Auch sei niemand autorisiert worden, so Sickel, um über den Aufbau eines Pendants in Nordrhein-Westfalen zu verhandeln.196 Und auch Leyendeckers Artikel kam „rot unterstrichen als letzter Vorgang [zu, C.S.] den Akten [des, C.S.] Hygiene-Museums.“197 Obwohl sich Sickel vordergründig als verlässlicher Repräsentant des Hygiene-Museums in dieser Episode erwiesen hatte, führte die Berliner Linie der HVG, eine sozialistische Gesundheitspolitik auszuarbeiten und das Gesundheitswesen nach diesen Kriterien umzugestalten, dazu, die Trennung voranzutreiben und schließlich auch die Gründung des Gesundheits-Museums in Köln zu befördern. Sickel verkannte, dass sich diese Position in der Hauptverwaltung bzw. dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen durchgesetzt hatte. Dass gerade Sickels Bemühungen um Ausstellungs- und Exportmöglichkeiten spätestens mit der Gründung der Bundesrepublik von der Hauptverwaltung/dem Ministerium aus hintertrieben wurden, lässt sich am Zerwürfnis zwischen dem Dresdner Hygiene-Museum und dem Begleiter seiner Wanderausstellung in den Westsektoren, Johannes Erler, zeigen. Spaltung und Verdopplung Erler hatte bereits 1947 angefangen, das Deutsche Hygiene-Museum um eine neue Ausstellung sowie um Ergänzungen, neue Exponate und Reparaturmaterialien für seine alte Ausstellung in den Westsektoren zu bitten.198 Doch bis auf 195 Vgl. ebd. Zu Emmi und Karl Leyendecker siehe: Stadt Remscheid/Ilse Faeskorn: Zeitzeuginnen des 20.  Jahrhunderts, 2007, http://www.remscheid.de/leben/medienpool/dokumente020/ RZ_Zeitzeuginnen_Web.pdf, 15.4.2020, S. 15–22. 196 Vgl. Kralik an Magistrat der Stadt Dresden, 16.10.1949; Sickel an Oberstadtdirektor Walther Hensel, 4.11.1949. Beides in: BArch, DQ 1/1094. 197 Karl Leyendecker an Helmut Sickel, o. D. (Oktober 1949), in: ebd. 198 Vgl. DHM an Erler, 9.6.1947; Seiring an Erler 25.8.1947, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59/37.

1.2 Köln und die Verdopplung des Hygiene-Museums 

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einige Tafeln, die über den Lehrmittelvertreter des Hygiene-Museums in Bayern Ende 1948 an Erler gingen, und sieben Moulagen, die im Januar 1949 aus Dresden kamen, fand der Ausstellungsbegleiter in dieser Hinsicht keine Unterstützung.199 Immer wieder wurden seine Anfragen aufgeschoben mit dem Hinweis, dass die Museumsleitung im Westen ausstellen und Materialien exportieren wolle, aber die Zustimmung der Dienstherren aus Berlin noch ausstehe.200 Erler intensivierte im Laufe des Jahres 1949 seine Klage: Das Ausstellungswesen liege darnieder, die Konkurrenz eigener kommunaler Veranstaltungen sei bedrohlich. Seine Exposition aus „Trümmern“ offenbare sich als finanzielles Verlustgeschäft. Ohne neues Material bleibe, so Erler, nur die Option, die Überreste seiner alten Ausstellung mitsamt dem „Gläsernen Menschen“ zu verkaufen.201 Vonseiten des DHM wurde ihm daraufhin für den August 1949 eine Kopie der gesamten Wanderausstellung Volkskrankheiten versprochen mit insgesamt 70 Tafeln, 62 Moulagen, 6 Leuchtschränken, 11 Mikroskopen, 5 Diapositiven und jeweils einem Präparat zu Infektions-, Geschlechts- und Gewerbekrankheiten sowie zu Rachitis und Krebs – der Grund dafür lag wohl im Misstrauen der vorgesetzten Stellen gegenüber Sickel, der vermeintlich Kooperationen mit westdeutschen Stellen anvisiere. Um Werbung Dritter zu verhindern, dürfe aber Erler weder die Ausstellungsexponate verkaufen, noch die Bindungen zur DGBG in Person von Hermann Röschmann aufrechterhalten. Der „Wanderplan“ für die Ausstellung müsse außerdem vom Hygiene-Museum vorgegeben und von einem Mitarbeiter aus Dresden begleitet werden.202 Doch auch diesem Plan, der bereits ein deutlich höheres Maß an Kontrolle Erlers vorsah, schob die HVG in Berlin-Mitte einen Riegel vor: Die Hauptverwaltung verlangte eine nochmalige Prüfung, die ständige Begleitung der Ausstellung durch eigenes Personal in der Bundesrepublik sowie die gleichzeitige politische Anerkennung des Museums als Behörde der SBZ-Verwaltung.203 Deswegen bemühte sich Sickel um Anfragen vonseiten offizieller Stellen aus Düsseldorf oder Frankfurt am Main. Im November 1949 wies schließlich das Hygiene-Museum Erler an, jedwede Ausstellungstätigkeit abzubrechen.204 Ohne Einnahmemöglichkeit und ohne Aussicht darauf, Ersatz aus Dresden zu bekommen, aber mit Kontakten zu Seiring und dem sich konkretisierenden Museum in Köln, suchte Erler dort Hilfe und 199 Vgl. Oechsner an Erler, o. D. (Januar 1949), in: ebd. 200 Vgl. Oechsner an Erler, 2.6.1948; Oechsner an Erler, 18.1.1949, in: ebd. 201 Erler an DHM, 26.6.1949, in: ebd. 202 Vgl. Oechsner an Erler, 2.8.1949, in: ebd. 203 Vgl. Helmut Sickel: Aktennotiz betreffend Westausstellungen, 16.8.1949, in: ebd. 204 Vgl. Oechsner/Ausstellungsamt an Erler, 3.11.1949, in: ebd.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

ließ seine Ausstellungsexponate in den Werkstätten des Deutschen GesundheitsMuseums in Köln überarbeiten. Seine Rufe nach einer Kooperation der beiden Einrichtungen „zum Segen der Allgemeinheit“205, die er in der Gesundheitsaufklärung sah, blieben ungehört. Aus Sickels Sicht war klar, dass Erlers Vorgehen als Reaktion auf die fehlenden Lieferungen aus Dresden zu sehen war.206 Das Problem lag nun aber darin, dass ein Gegenpart des Dresdner Museums in Köln im Entstehen war, der sich Erlers Ausstellungsstücke einverleiben konnte. Zetkin überlegte entsprechend, wie die Exponate wieder zurück in die DDR zu holen seien.207 Erlers Ausstellung war ein letztes Puzzleteil für die Entstehung des Kölner Museums – aber nicht, weil deren Exponate nun im Besitz Seirings waren, sondern, weil mit dieser ein letzter direkter Konkurrent für Seiring ausfiel. Der Allianz um Seiring gelang es bis Ende des Jahres 1949, eine Satzung auszuarbeiten. Diese sah vor, die Vertreter aus Land und Stadt paritätisch als engeren Vorstand zusammenzufassen, wobei die Kölner Position gestärkt wurde, da die Stadtregierung nicht nur den Beisitzer stellen durfte, sondern dem Kölner Oberbürgermeister als Vorsitzenden bei Stimmengleichheit die Entscheidungsbefugnis zugesprochen wurde. Ein erweiterter Vorstand fungierte als Aufsichtsrat, in dem zusätzlich Vertreter*innen der Finanzbehörden sowie das spendabelste Körperschaftsmitglied, das nicht zum Kreis der „tragenden Mitglieder“ gehörte, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), eingebunden wurden. Ansonsten bestand dieser erweiterte Vorstand aber hauptsächlich aus den Mitgliedern des engeren Vorstands. Der Umstand, dass Firmen und Freiwilligenverbände eine Mitgliedschaft im Museumsverein erwerben konnten, ermöglichte es, die Finanzierung breit aufzustellen. Vor allem die „Kosmetische Industrie“ stellte „namhafte Beträge“ in Aussicht, falls – wie am Hygiene-Museum zuvor – eine „Prüfstelle für hygienische Bedarfsartikel […] geschaffen“208 werde. Die historisch bereits enge Verbindung von Museum und Wirtschaft wurde genauso erneuert wie die Verknüpfung von Hygiene und Reinlichkeit mit Sauberkeit und Schönheit.209 Durch die Berufungen in den wissenschaftlichen Beirat sollte ferner die 205 Erler an die Leitung des Deutschen Hygiene-Museums, 9.1.1950, in: ebd. 206 Für Sickel zog sich das Problem, dass die Hauptverwaltung Ausstellungsgenehmigungen im Ausland nur ad hoc und für ihn ohne erkennbares Prinzip erteilte, bis zum Ende seiner Amtszeit fort. Vgl. Sickel an Zetkin, 20.11.1950, in: BArch, DQ 1/1622. 207 Sickel an HA Gesundheitswesen, 25.1.1950; Zetkin an Sickel, 7.9.1950, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59/37. Siehe ebenso hierzu: Schauerte: Der Gläserne Mann, S. 70 ff. 208 Bericht über die Gründung des Vereins „Deutsches Gesundheitsmuseum e. V.“ am 17.12.1949 in Köln, 20.12.1949, in: BArch, B 142/1997. 209 Vgl. zu diesem diskursiven Nexus unter den Bedingungen der Besatzungszeit: Ellerbrock: Healing Democracy, S. 370 ff. Darin kamen wohl auch Seiring, das Gesundheits-Museum und die Firma Henkel überein.

1.3 Zusammenfassung 

 87

Arbeit des Museums ebenfalls an den Interessen der akademischen Sozialhygiene in Köln und der Kölner Gesundheitsverwaltung ausgerichtet werden.210 Anfang Dezember 1949 holte das Kölner Netzwerk des Gesundheits-Museums noch die Gesundheitsabteilung des Bundesministeriums des Innern (BMI) mit ins Boot. Ausschlag dafür gab hier das Argument, dass eine zentrale Einrichtung der Gesundheitsaufklärung in der Bundesrepublik nötig sei, die nach der „vollständigen Zerstörung“ des Dresdner Hygiene-Museums für die „Ausbildungsstätten für die Heilhilfsberufe“ einheitliches und durch die Erfahrung der Dresdner Mitarbeiter hochwertiges Anschauungsmaterial herstellen könne. Dass deren Produktion begonnen habe und auch das Land NRW und Köln die Einrichtung bereits förderten, kam hinzu. Am 28.  Dezember  1949 wurde schließlich das Deutsche Gesundheits-Museum e. V. in das Vereinsregister der Stadt Köln eingetragen.211

1.3 Zusammenfassung Ausgangspunkt der Verdopplung der Museen der Gesundheitsaufklärung war der Umstand, dass Seiring 1945 mit den Mitteln und Personen, die ihm 1945 zur Verfügung standen, das Wiederaufleben des Deutschen Hygiene-Museums hatte bewerkstelligen können. Doch unter den Bedingungen einer Zentralisierung politischer Kompetenzen in der SBZ waren Seiring und sein Organisationsmodell eines formell selbständigen Museumsvereins unmöglich geworden.212 Seirings erfolgreiche Einbindung der sowjetischen Militäradministration und der deutschen zentralen Gesundheitsverwaltung der SBZ in das Museum erwiesen sich für ihn und für seinen Nachfolger Sickel im Nachhinein als fatal. Die deutsche Verwaltung musste zwar selbst von der SMAD erst „auf Linie“ gebracht werden.213 Spätestens Ende 1947 stand jedoch fest, dass das Dresdner Hygiene-Museum nur noch als eine ministeriell untergeordnete Einrichtung der Gesundheitsaufklärung

210 Vgl.  Satzung des Vereins „Deutsches Gesundheitsmuseum e.  V.“ in der Fassung vom 15.12.1949, in: BArch, B 142/1997. 211 Vgl. Der Oberbürgermeister der Stadt Köln an Gustav Heinemann, 6.12.1949; Koch an Ritter von Lex, 29.12.1949; Amtsgericht Köln, 28.12.1949, in: ebd. 212 Vorlage eines solchen Modells der Verstetigung einer volksbildenden Initiative in einem Gegenwartsmuseum war sicherlich das Deutsche Museum in München. Vgl.  Trischler/Vaupel/ Wolff: Einleitung Deutsches Museum, S. 22. 213 Ein solches Drängen auf die deutschen Behörden durch die SMAD lässt sich auch generell in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik der Zeit finden. Vgl. Malycha: Wissenschafts- und Hochschulpolitik, S. 22 f.

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 Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums

und Gesundheitspropaganda eine Zukunft besaß.214 Seirings Kampf um sein Museum ist in gewisser Weise paradigmatisch für letztlich scheiternde Überlebensbemühungen alter bürgerlich geprägter Strukturen, die auf persönlichen Netzwerken beruhten, in der neuen sowjetisch-zentralistischen Umgebung. Und dennoch entstand am Museum strukturell wie inhaltlich eine eigentümliche Melange aus sozialistischer Politisierung der Gesundheit und einer Fortsetzung gewisser Traditionsbestände. Zu letzteren gehörten die wieder aufgenommenen Museumsaufgaben der Aufklärung über Körper- und Gesundheitswissen, einige der dabei verwendeten Medien sowie die Weiter- und Umnutzung des Museumsgebäudes. Sowohl Seiring als auch sein Nachfolger Sickel hatten sich bis 1949 darum bemüht, das Museum mit seinen Dienstleistungsangeboten der Gesundheitsaufklärung auch in den westlichen Besatzungszonen zu positionieren. Dass einiges an altem Material des Hygiene-Museums dort überdauert hatte, und auch einige der ehemaligen Dresdner Mitarbeiter bereits dorthin übergesiedelt waren, half ihm dabei, nach seiner Entlassung in Dresden die museale hygienische Volksbelehrung im Rheinland fortzusetzen. Mit dem aus Dresden übernommenen, erfahrenen Personal, der Erneuerung alter Kontakte, mit der deutsch-deutschen Spaltung, die rhetorisch auch eine Zentralstelle der Gesundheitsaufklärung in Westdeutschland als nötig erscheinen ließ, und mit dem konzeptionellen Modell der hygienischen Volksbelehrung, getragen von der Organisationsform des Hygiene-Museums, konnte Seiring schließlich so viele technische, finanzielle, konzeptionelle, materielle und personelle Ressourcen versammeln, dass das Deutsche Gesundheits-Museum in Köln realisiert werden konnte. Es auch zu etablieren, das Museum und sein Konzept von Gesundheitsaufklärung in die neue Zeit zu überführen, stand jedoch noch aus – für beide Museen.

214 Das Hygiene-Museum sollte also nicht auf dem Politikfeld der Kultur oder dem der Wissenschaft ressortiert sein, auf dem die „eigentlichen“ Museen in der DDR angesiedelt waren. Vgl. vor allem am Beispiel der Heimatmuseen: Scheunemann: Museen in der DDR.

Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen überführen – Hygienische Volksbelehrung in West und Ost der 1950er Jahre Aus der Geschichte begründen sich Zukunftserwartungen. Repräsentationen und Narrative der Vergangenheit schaffen Sinn und verbinden Akteure mitein­ ander. Personen, Gemeinschaften oder Gesellschaften und Organisationen schaffen sich über ihre Erinnerung eine Vorstellung ihrer selbst, eine Vorstel­ lung über Herkunft, Zweck, Erfolge und Misserfolge und von zeitlicher Kohä­ renz.1 Weil nun die Arbeit der Museen der hygienischen Volksbelehrung gerade in der mehrfachen Übersetzung und Aushandlung von unterschiedlichen Vor­ stellungen und Interessen aus Gesundheitspolitik, Gesellschaft und der Wissen­ schaft – in der öffentlichen Kommunikation von Körperwissen, Hygiene­ und Gesundheitsbildern – bestand, wurde es besonders wichtig, eine Identität nach innen zu konstruieren und diese in ihrer Umwelt sichtbar zu machen. Nicht nur die Mitarbeiter der jeweilgen Einrichtung, auch die Interessierten brauch­ ten Sicherheit, was die Organisation leisten konnte und damit leisten könnte – gerade, weil beide Museen in ihren neuen Umwelten um 1950 keinesfalls als stabilisiert gelten konnten. Die Träger und Repräsentanten des Hygiene­ und des Gesundheits­Museums beriefen sich auf eine geteilte Tradition. In Dresden waren es Name, Ort, Gebäude und Mitarbeiter, welche die Verbindung zu den populären Höhepunkten der Museumsgeschichte und dem Mäzen Lingner herstellten. Doch das neue Manage­ ment im Haus und in der Gesundheitsverwaltung in Berlin­Ost wollte zuneh­ mend deutlicher nur diejenigen Elemente der erinnerten Vergangenheit validiert wissen, die mit den Leitbildern einer sozialistischen Gesundheit und Gesund­ heitspolitik aus der Weimarer Republik in Deckung gebracht werden konnten.2 In diesen Rahmen gehörte die voll umfassende staatliche Verantwortlichkeit für die Gesundheit sozialer Klassen einer sozialistischen Gesellschaft, die wiederum imaginiert wurde als körperliche Unversehrtheit, Kraft und Leistungsfähigkeit,

1 Grundlegend: Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a. M. 1979. Zur „Erinnerung“ von Organisationen vgl. Luhmann, Niklas: Organisation und Entscheidung, Wiesbaden 2006, S. 59. 2 Vgl. Schagen: Kongruenz der Gesundheitspolitik. https://doi.org/10.1515/9783110664171-003

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 Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen überführen

Normentreue und Konformität.3 Gleichwohl bestand die gewachsene Hybridität des Dresdner Museums aus Volksbildungsmuseum, Lehrmittel produzierendem Wirtschaftsbetrieb und Gesundheitsaufklärungs­ und Hygienefortbildungsinsti­ tut de facto in Dresden wie auch in Köln­Merheim fort.4 Das Gesundheits­Museum in Köln verfügte dagegen weder über Bekanntheit, Prestige, Man­ und Womanpower noch über hinreichende Ausstellungs­ und Depotflächen. Als neuen Einrichtung mangelte es ihm an einem anerkannten Selbst­ und Fremdverständnis seiner Prinzipien und Tätigkeiten.5 Gerade deshalb knüpften die Verantwortlichen des Kölner Museums im Gegensatz zur perso­ nell erneuerten Leitung des Dresdner Museums an eine rhetorisch als kohärent konstruierte, einheitliche Tradition des Dresdner Museums seit 1911 an.6 Eine „Identität“ der Organisation sollte aus ihrer Vorgeschichte hergeleitet werden. Aber dabei wurden nicht nur die personellen Kontinuitäten, sondern auch die inhaltlichen und methodischen Erbschaften aus der Zeit des Nationalsozialismus beschwiegen – wie auch in Dresden. In diesem Kapitel werde ich zeigen, wie von beiden Einrichtungen aus die gemeinsame Vergangenheit gedeutet wurde, um in der jeweiligen Gegenwart an­ zukommen und sich dort zu etablieren. Hier geht es um die Arbeit am Mythos des Deutschen Hygiene­Museums und um die Antwort auf die Frage, inwieweit Gesundheits­ und Hygiene­Museum in ihrer Arbeit konzeptionell,  personell und medial an die zurückliegende hygienische Volksbelehrung anschlossen, ihre alten

3 Vgl.  Niehoff, Jens­Uwe/Schrader, Ralf­Raigo: Gesundheitsleitbilder – Absichten und Rea­ litäten in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Elkeles, Thomas/Rosenbrock, Rolf/ Ewert, Günter/Abolz, Heinz­Harald (Hrsg.): Prävention und Prophylaxe. Theorie und Praxis eines gesundheitspolitischen Grundmotivs in zwei deutschen Staaten 1949–1990, Berlin 1991,  S. 51–74, S. 53. 4 Vgl. Seiring, Georg: Kurze Denkschrift zur Begründung des Deutschen Gesundheits­Museums e. V., o. D. (vor dem 6.12.1949), in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 38, Nr. 71, Bl. 2. 5 Vgl.  Seiring an Finanzministerium Nordrhein­Westfalen mit dem geplanten Programm der Großen Gesundheits­Ausstellung 1951 in Köln, o.  D. (Januar/Februar 1950), in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 156–161. 6 Zwar überstieg das Personal des DHM in seiner Gesamtzahl bis in die 1960er Jahre hinein die des DGM durchgehend um das fünf­ bis siebenfache, doch der Anteil der (vor allem leitenden) Mitarbeiter, die am Museum in Dresden bereits vor 1945 gearbeitet hatten, war im Gesundheits­ Museum deutlich höher als im Hygiene­Museum. Vgl. hierzu: Sammer: Das Ziel ist das gesun­ de Leben,  S.  138; Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut), 1945–1991; Leitungspersonal des DGM im Juli 1952, in: BArch, B 310/341, 1952–1956 und zum wechseln­ den Leitungspersonal des Hygiene­Museums in Dresden: Rolf Thränhardt: Dienstleistungsbe­ richt zu Egon Damme 1954, o.D, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 6 (Personalakten), 1949–1977.

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Netzwerke wieder knüpften. Inwiefern wurde dabei das Dresdner Hygiene­Museum an die neuen Leitlinien und ­bilder der sozialistischen Ordnung angepasst; inwie­ weit das Kölner Gesundheits­Museum entlang vorwiegend US­amerikanisch neu kontextualisierter Kriterien ausgerichtet? Entstanden aus der Homologie beider Museen erinnerungspolitische Disparitäten oder Analogien? Wie gingen die Vert­ reter bzw. Fürsprecher der beiden Museen mit der geteilten Geschichte ihrer Insti­ tution, aber auch mit der Geschichte ihrer Tätigkeit um und wie passten sie diese an ihrer neuen Gegenwarten an? Hierfür gilt es zunächst in einem ersten Schritt Mythos, Konzept und mediale Praxis der hygienischen Volksbelehrung zu rekon­ struieren.

2.1 Mythos, Konzept und mediale Praxis der hygienischen Volksbelehrung Mythos und ideengeschichtliche Fundierung Seiring hatte bereits in der Gründungsphase des Gesundheits­Museums das Erbe des Hygiene­Museums und seiner hygienischen Volksbelehrung für sich und seine neue Organisation nachdrücklich und beharrlich reklamiert.7 Er konnte sich und sein neues Museum dabei in ein bekanntes Narrativ einschrei­ ben, in dem der Museums­Mäzen Karl August Lingner und das Hygiene­Museum bereits um 1930 in einer „Standardgeschichte“ zu Ikonen der hygienischen Volksbelehrung und zu Emblemen Dresdens als „Stadt der Hygiene“ stilisiert worden waren.8 Im Rahmen der Feierlichkeiten zur Eröffnung des Museumsge­ bäudes 1930 wurde darüber hinaus Seiring zum treuen, geschickten und einzig

7 Vgl.  Seiring, o.  J.: „Das Deutsche Gesundheits­Museum, eine Zentrale für gesundheitliche Volksaufklärung. Rückblick und Ausschau“, 24.8.1949, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 197–198; Seiring: Kurze Denkschrift zur Gründung des Deutschen Gesundheits­ Museums e.  V., o.  D. (vor Dezember 1949), in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 38, Nr. 71, Bl. 2. 8 Vgl.  Heidel, Günter: Die Stadt der Hygiene. Historische Wurzeln und Hauptereignisse einer bedeutenden Dresdner Tradition, in: Dresdner Hefte 7/1989, S. 21–27; Hofmann, Tatjana: Die Fa­ cetten des Feinen. Über die Dresdner Symbiose von Wirtschaft und Wissen, in: Lindner, Rolf/ Moser, Johannes (Hrsg.): Dresden. Ethnografische Erkundungen einer Residenzstadt, Leipzig 2006, S. 101–139; Nikolow/Steller: Das lange Echo. Zur beständigen Bearbeitung dieser Standard­ geschichte für das Hygiene­Museum in der DDR mit ihren Konjunkturzyklen: Sammer/Thaut: Im Mittelpunkt steht der Mensch.

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wahrhaftigen Sachwalter Lingners stilisiert, der das Museum und damit Ling­ ners Vermächtnis über die harten Jahre ab 1914 gerettet hatte: Nach einem endlosen Arbeitstag […] fand [Karl August Lingner, C.S.] es ziemlich selbstver­ ständlich, daß Seiring ihm mit Eifer noch zur Verfügung stand. Dieses Zusammenarbeiten mit Lingner selbst ist nicht nur für Seiring und seine spätere Arbeit von gar nicht zu über­ schätzender Bedeutung gewesen. Denn ohne Seiring wäre der ganze wissenschaftliche, organisatorische und erzieherische Schatz des Hygiene­Museums verkümmert, ja zugrun­ degegangen, in jener Zeit, da die Vermögensverhältnisse des werdenden Hygiene­Museums so trüb waren wie die jedes Privatmannes. Daß es Seiring gelang, über diese kritischen Jahre all das zu erhalten, was für das Hygiene­Museum vorbereitet, alles das, was im Werden war, ist erstaunlich.“9

Seirings so wichtige Rolle wurde vor allem damit begründet, dass er durch die Ausweitung der Tätigkeiten des Museums auf die Lehrmittelproduktion und die Dienstleistungstätigkeiten im Bereich der sozialen Fürsorge in Zeiten der Krise der 20er Jahre Lingners Erbe den Gegebenheiten der Zeit angepasst und damit gerettet habe: Da war es das unschätzbare Verdienst Dr. Seirings, daß er die nach außen gehende Tätig­ keit des Deutschen Hygiene­Museums wieder aufnahm und sie zielbewußt zusammen mit seinem Stab ausgezeichneter und sachkundiger Mitarbeiter in geradezu vorbildlicher, weil unter geschickter Benutzung aller technischen Errungenschaften, schlechthin umfassen­ der Weise ausbaute, so daß sie sogar zum Teil zu einem heute nicht mehr zu entbehrenden finanziellen Träger des Museums selbst wurde. So verhalf Dr. Seiring dem alten Lingner­ schen Gedanken zum Durchbruch, daß das Deutsche Hygiene­Museum eben kein Museum im eigentlichen Wortsinne ist, das da kostbare Schätze aufzubewahren und nach Möglich­ keit der Mittel zu vermehren hat, sondern daß das Deutsche Hygiene­Museum […] das ‚Mutterhaus der hygienischen Volksbildung‘ zu sein hat.10

An der Mythisierung einer solchen Kontinuitäts­, ja Bewahrungsgeschichte, arbeitete Seiring auch selbst, beispielsweise zum Anlass der Grundsteinlegung des Museums 1927, als er verkündete: „Dem Meister Lingner zum Gedächtnis/ dem Deutschen Volk zur Ehre/der Menschheit zum Nutzen“. Im neuen Muse­ umsgebäude wurde Lingner gleich mehrfach ikonisiert, beispielsweise im Tri­ ptychon von Otto Dix, dem Lingner­Fenster im großen Saal des Museums oder gar im „Lingner­Gedächtniszimmer“.11 Und 1937 machte Seiring seinen Vorgän­ ger in der Illustrirten Zeitung und dessen „Großtat“ öffentlich zum Markstein

9 Wollf, Julius Ferdinand: Linger und sein Vermächtnis, Hellerau 1930, S. 95. 10 Albrecht: Das Deutsche Hygiene­Museum, 1931, S. 47 f. 11 Siehe hierzu: ebd., S. 11–38; Nikolow/Steller: Das lange Echo, S. 20–23.

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einer hygienischen Volksbelehrung, welche von seinem nun von einem Haken­ kreuz geschmückten Museum ausgehend wirklich „belehren“ könne.12 Die foto­ grafische Abbildung Lingners, selbst Ikone, bürgte bildlich für die Kontinuität in den Nationalsozialismus hinein (vgl. Abb. 3).13 Es überrascht kaum, dass dieses personalisierte Erfolgsnarrativ auch im Nationalsozialismus wiederholt – und im Sinne des weltanschaulichen Zeitgeistes neu gerahmt – wurde: Der „Freund der Menschheit aus Berufung“ habe mit der Skizze seiner volkstümlichen Darstel­ lung der Hygiene den Weg gewiesen, das Volk vom Nutzen der Medizin zu über­ zeugen. Aber „was dem Schöpfer des Deutschen Hygiene­Museums, dem Vater der gesundheitlichen Volksbelehrung in seinen Richtlinien einst vorschwebte […], kann nun, da alle Voraussetzungen durch den Staat Adolf Hitlers im deut­ schen Volke selbst geschaffen worden sind, seiner schönen Vollendung entge­ gengehen.“14 Wie ein Katalysator vollende Hitler in dieser Interpretation, was Lingner wollte. Elaboriert hatte dieses Narrativ vor allem der Journalist Julius Ferdinand Wollf (1871–1942), enger Vertrauter Lingners, Vorstandsmitglied des Hygiene­Museums bis zu seiner erzwungenen Entlassung 1933, und publizistisch umtriebiger Pro­ ponent der hygienischen Volksbelehrung des Hygiene­Museums. Wollf personifi­ zierte eine solche Tätigkeit mit Karl August Lingner. Lingner habe mit seinen Aus­ stellungen und seinem Museum all denjenigen „ein großartiges Instrument in die Hände gegeben […], die für die Volksgesundheit zu sorgen haben.“15 Er habe, so Wollf, ebenfalls dafür gesorgt, „daß das [medizinisch, C.S.] Menschenmögliche und klug Besonnene ausstellungstechnisch geschah, um alle, die in dem großen Buch vom Menschen lernen sollten, weder zur Krankheitsfurcht, noch zur Ent­ mutigung zu leiten, weil er wußte, daß sie gerade damit dem Aberglauben und der Kurpfuscherei ausgeliefert würden.“16

12 Vgl.  Seiring, Georg: Der Ursprung hygienischer Volksbelehrung, in: Illustrirte Zeitung, 26.8.1937, S. 302. 13 Aus dieser Bilderserie finden sich Varianten bis weit in die jüngere Vergangenheit hinein an zentralen Stellen, meist vor dem Titelblatt. Vgl.  Wollf: Linger und sein Vermächtnis; Albrecht: Das Deutsche Hygiene­Museum, 1931; Lorentz, Friedrich: Wege zur Gesundheit. Ein Beitrag zur Geschichte der hygienischen Volksaufklärung, Köln o. J. [1953],  S.  1; Vogel: Das Deutsche Hygiene­Museum Dresden, S. 16. 14 Vgl. Die Werkstätten des Deutschen Hygiene­Museums, o. D. (um 1938), in: Hauptstaatsar­ chiv Dresden, 13688, Nr. 25/1, 1938–1940, unpag., hier S. 8. und in ähnlicher Formulierung: Frey, Gottfried: Hygienische Erziehung im Volksgesundheitsdienst, Berlin 1940, S. 18. 15 Wollf: Linger und sein Vermächtnis, S. 135. Vgl. zur Beziehung zwischen Seiring und Wollf: Fritzsche, Jens: Die „Dresdner Neueste Nachrichten“ und Julius Wollf, Leipzig 1996, S. 94–98. 16 Wollf: Linger und sein Vermächtnis, S. 143. Zum „Kampf gegen die Kurpfuscherei“ auf den Gesundheitsausstellungen zwischen 1911 und 1930: Weinert: Der Körper im Blick, S. 139–145.

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Abb. 3: Seiring, Georg: Der Ursprung hygienischer Volksbelehrung, 1937.

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Mitten in der „Vertrauenskrise der Patienten“17 gegenüber der Universitätsmedi­ zin – gemeint war damit das, was in der Weimarer Republik als „Krise der Medi­ zin“18 beschrieben werden sollte – habe es Lingner geschafft, eine Form der (hygie­ nischen) Aufklärung zu entwerfen, die dem Laien ein Wissen über sich selbst vermittle, das dieser „gerne nehme“, ebenfalls verdauen könne und die „nicht zu neuem Aberglauben oder unnötiger Sorgenbelastung gedeiht.“19 Seine „großartig durchgeführte“ Methodik der gesundheitlichen Volksbelehrung stelle plastisch dar und wirke dadurch auf die Laien. Statistische Belege zur Morbidität, Morta­ lität und anderen hygienischen Kennziffern sei in Ergänzung mit pathologisch­ anatomischem Material „der Auffassungsmöglichkeit und den psychischen Vor­ aussetzungen [der Besucher, C.S.] angepasst“20 und spreche dadurch die für die Laien notwendige deutliche Sprache. Dieses Vorhaben könne nur, und hier begann Wollf, Lingner im Anhang seines Buches selbst zu Wort kommen zu lassen, in Form eines „Schnellanschauungsunterrichts“ zum Tragen kommen, „eine Beleh­ rung durch methodisches Nebeneinanderstellen der Lehrobjekte in körperlicher oder bildlicher Form […], also eine Ausstellung oder ein Museum.“21 In Form eines Lehrbuchs müsse eine solche Exposition wissenschaftlich exakt gegliedert sein, „dergestalt, daß der Text durch anschauliche Gegenstände ersetzt, die Kapitel durch einzelne Räume markiert […] und mit interessanten Kuriosis durchzogen“ werden, „um das an und für sich spröde Thema für den Laien schmackhafter zu machen“.22 Eine klare und nachvollziehbare Gliederung des Inhalts sollte sowohl der Erwartung wissenschaftlicher Exaktheit standhalten als auch das Wissens­ Interesse der Besucher wecken. Eine solche hygienische Volksbelehrung arbeite daran, einen von vier Prinzipien getragenen „Idealzustand“, so Lingner 1912, zu erreichen. In diesem habe und pflege der Mensch „ein klares Gefühl für den Wert der Gesundheit“. Er kenne seinen „eigenen Körper in seiner Organisation und seinen Verrichtungen“, so dass er kluge, gesundheitsförderliche Entscheidungen treffe. Außerdem habe in diesem der Mensch einen „Sinn für den Wert der Volks­ 17 Wollf: Linger und sein Vermächtnis, S. 137. 18 Vgl. Moses, Julius: Die Krise der Medizin, in: Biologische Heilkunst 10/1929, S. 804–805; Hau, Michael: Experten für die Menschlichkeit? Ärztliche Berufsethik, Lebensreform und die Krise der Medizin in der Weimarer Republik, in: Frewer, Andreas/Neumann, Josef N. (Hrsg.): Medi­ zingeschichte und Medizinethik. Kontroversen und Begründungsansätze 1900–1950, Frank­ furt a. M. u. New York 2001, S. 124–142; Geiger, Karin: „Krise” – zwischen Schlüsselbegriff und Schlagwort. Zum Diskurs über eine „Krise der Medizin” in der Weimarer Republik, in: Medizin­ historisches Journal 45/2010, S. 368–410. 19 Wollf: Linger und sein Vermächtnis, S. 138. 20 Ebd., S. 141. 21 Ebd., S. 220. 22 Ebd., S. 222.

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gesundheit“ und ein „unbedingtes Vertrauen zu der vom Staate anerkannten Wissenschaft“23 entwickelt. Lingner dachte also von der staatlich anerkannten Wissenschaft, vom Wissen der Experten aus. Von einer solchen gesundheitlichen Volksbelehrung profitiere schließlich auch der Staat. Denn hygienisch aufgeklärte Laien folgten, beseelt von den vermittelten und entwickelten Werten der individu­ ellen Gesundheit und der Volksgesundheit, vom Vertrauen in die „staatlich aner­ kannte“ Wissenschaft und in die krankheitspräventiven Verhaltensnormen, dem Rat der Ärzte und den hygienischen Vorschriften.24 Eine solche Tätigkeit gründete Lingner auf ein spezifisches Ordnungsver­ ständnis, das Individuum und Kollektiv miteinander verband. Lingner befand sich damit im Vorlauf zum Ersten Weltkrieg in einem extensiven Diskurs, dessen zentraler Gegenstand der Zusammenhang von Einzelmensch und Kollektiv in der beschleunigten Moderne war und dessen Umfang sich von der Zellularpatholo­ gie der Medizin über die hygienische Diätetik bis zur konstituierenden Soziologie erstreckte.25 Vordergründig war es der Mensch als Organismus und abgeschlosse­ nes Ganzes, aus dem die Prinzipien extrapoliert werden konnten, nach denen das soziale Leben klug zu organisieren war: Vermittle die hygienische Volksbelehrung die Prinzipien der „körperlichen Organisation“ nur anschaulich genug, werde die „Analogie zwischen ihr und einem Idealstaat“ deutlich. Auf diese Weise würden die Besucher die „strenge Zweckgesetzlichkeit und die ideale Vollkommenheit aller Einrichtungen in diesem Organismus begreifen lernen und so eine uner­

23 Alle Zitate in: ebd.,  S.  216. Siehe hierzu auch Lingners Konzeption des Hygiene­Museums (Lingner, Karl August: Denkschrift zur Errichtung eines National­Hygiene­Museums in Dresden, Dresden 1912); Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern, S. 52–76; Weinert: Der Kör­ per im Blick, S. 353 ff. 24 Wollf: Linger und sein Vermächtnis, S. 216 f. 25 Vgl.  Weingart, Peter: Biologie als Gesellschaftstheorie, in: Barsch, Achim/Hejl, Peter M. (Hrsg.): Menschenbilder. Zur Pluralisierung der Vorstellung von der menschlichen Natur (1850–1914), Frankfurt  a.  M. 2000,  S.  146–166, zur Körper­Staatsmetaphorik der Zellularpa­ thologie: Johach, Eva: Krebszelle und Zellenstaat. Zur medizinischen und politischen Meta­ phorik in Rudolf Virchows Zellularpathologie, Freiburg im Breisgau 2008, S. 259–268 und in der deutschen Nacktkultur: Möhring: Marmorleiber,  S.  332–338; professionalisierungsstrate­ gisch in Form der Kommunikation eines szientokratischen Politikverständnisses der Medizin: Weidner, Tobias: Die unpolitische Profession. Deutsche Mediziner im langen 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2012, S. 183–213. Die Soziologie wiederum konstituierte sich an einer Perspekti­ ve, die nach Leitbildern für soziale Ordnungen in einer arbeitsteiligen Moderne suchte. In der Verwendung der Begriffe Organismus, das Organische scheint auf, dass hierbei die vermeint­ lichen Prinzipien des menschlichen Körpers Pate standen Vgl. Ziemann, Benjamin: Die Meta­ phorik des Sozialen. Soziologische Selbstbeschreibungen westeuropäischer Gesellschaften im 20. Jahrhundert, in: Raphael, Lutz (Hrsg.): Theorien und Experimente der Moderne. Europas Gesellschaften im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2012, S. 193–227, S. 197–202.

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schöpfliche Erkenntnisquelle für die Erforschung der Gesetze sozialer Entwick­ lungen finden.“26 An den aufeinander abgestimmten und ineinandergreifenden Prozessen des Körpers, einem „technischen Meisterwerk“, könne man also nicht nur lernen, wie eine funktionale gesellschaftliche Arbeitsteilung und ein entspre­ chender Energiehaushalt der Gesamtmaschine Körper aussehen könne, sondern auch „unzählige Konstruktionsideen“ technischer Instrumente herleiten.27 Gerade darin bestand laut Lingner also die Aufgabe der hygienischen Volksbe­ lehrung – zu vermitteln, dass im menschlichen Körper ordnungspolitische wie auch technische Antworten auf die sozialen Herausforderungen der Zeit schlum­ merten: „Wer den Mensch begreift, begreift die Welt!“28 Lingner übernahm damit die Vorstellung des Körpers als einer arbeitsteiligen, thermodynamischen und in einem funktionalen Gleichgewicht ihrer einzelnen Teile stehenden Maschine und begründete aus ihrem angenommenen Vorbildcharakter die gesellschaftspoliti­ sche Funktion der hygienischen Volksbelehrung als gesellschaftsweite Aufklä­ rung darüber.29 Wie und warum die körperliche Ordnung des Menschen ein Muster für die Ordnung seiner Umwelt darstellen könne und wie dies die hygienische Volksbe­ lehrung bewerkstelligen könne, führten Martin Vogel (1878–1947), wissenschaft­ licher Direktor des Hygiene­Museums in den 1920er Jahren, und Roderich von Engelhardt (1862–1934) 1930 im „Lebensbuch“30 des Museums genauer aus.31 Vor allem Engelhardt übernahm die philosophische Rahmung, die er auf seiner Vorstellung der Natur­ und Kulturgeschichte des Menschen um den Begriff der 26 Lingner, Karl August: Der Mensch als Organisationsvorbild, Bern 1914, S. 19. 27 Zitate in der Reihenfolge ihrer Nennung: ebd., S. 21, 26. 28 Ebd., S. 32. Dies ist als Kern Lingners Überlegungen anzusehen und nicht, „das individuelle Menschenleben im modernen Staat unter ökonomischen Kosten­Nutzen­Relationen zu sehen“: Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern,  S.  67 und zu Lingners Bezugspunkt: Goldscheid, Rudolf: Entwicklungswerttheorie, Entwicklungsökonomie, Menschenökonomie. Eine Pro­ grammschrift, Leipzig 1908; Ders.: Höherentwicklung und Menschenökonomie. Grundlegung der Sozialbiologie, Leipzig 1911. 29 Vgl. Möhring: Marmorleiber, S. 284–298. 30 Engelhardt, Roderich von/Vogel, Martin: Was will „Der Mensch“?, in: Deutsches HygieneMuseum/Vogel, Martin (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus, Leipzig 1930,  S.  IV–V,  S.  V und eine kurze Analyse des Buches bei: Hau, Micha­ el: The Holistic Gaze in German Medicine, 1890–1930, in: Bulletin of the History of Medicine 74/2000, S. 495–524, S. 511 f. 31 Moritz Alexander Roderich Baron von Engelhardt, Internist und Kulturphilosoph, arbeitete 1921/1922 als Abteilungsvorstand an der Sammlung und der Wanderausstellung Der Mensch des Deutschen Hygiene­Museums. Siehe zur Biografie den Eintrag im Baltischen Biografischen Lexi­ kon: https://bbld.de/0000000110370636, letzter Aufruf am 25.2.2020; Steller: Volksbildungsin­ stitut und Museumskonzern, S. 265, 276, 297.

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Persönlichkeit herum aufbaute. Vogel und Engelhardt dachten, von den Tat­ sachen des Körperbaus und der Körperfunktion zu den „Gesetzen des Lebens“ und deren Verflechtung mit der „belebten und unbelebten Umwelt“ zu kommen. Darüber den Sinn in allem Lebendigen zu verstehen und zu vermitteln, mache die hygienische Volksbelehrung zu einem „Führer zur Menschwerdung“. Damit sei ein solches Projekt ein Versuch, die Krise des Geisteslebens nach dem Ersten Weltkrieg zu beheben. Es trage dazu bei, über die „Aufwertung des Menschenle­ bens und des Persönlichkeitswertes“ mechanistische Deutungen (nicht nur der Biologie) zu überwinden und durch ein Verständnis für wahre Kultur als ver­ edelte Natur – für die „Gestaltung des Einzelnen und der Gemeinschaft nach den Idealen des Lebens“32 – zu ersetzen. Engelhardt führte dies in weiteren Artikeln des „Lebensbuchs“ noch umfäng­ licher aus. Dabei argumentierte er lebensphilosophisch­anthropologisch.33 Im Kern kreiste Engelhardt im doppelten Analogieschluss sowohl zwischen Onto­ und Phylogenese als auch zwischen biologischer und sozialer Ordnung um ein dialektisch gedachtes Bildungsideal der Persönlichkeit des Genies, wofür Goethe und Schiller Paten standen: Der Sinnzweck des Lebens bestehe in der „Gestal­ tung und Erhaltung lebendiger Ganzheiten.“34 Erst die Akzeptanz der sozial wie biologisch gedachten Widersprüche zwischen individueller Unabhängigkeit und der Begrenztheit des Einzelnen durch seine Umwelt, zwischen Trieb und Verstand, zwischen Leib und Seele ermögliche die Synthese auf einem höheren Niveau – wenn nicht auf dem des Genies, so doch auf dem einer wahren Persön­ lichkeit, welche das Leib­Seele­Problem gelöst habe und sich und seine Umwelt schöpferisch gestalte.35 Engelhardt unterbaute die hygienische Volksbelehrung des Hygiene­Museums dadurch mit dem Subjektideal einer sich durch Bildung und Selbstbegrenzung, aber auch Selbstentfaltung entwickelnden und auf dem

32 Engelhardt/Vogel: Was will „Der Mensch“, S. V. 33 Engelhardt bezog sich hier auf die philosophische Anthropologie der Zeit eines Max Schelers und Helmuth Plessners. Vgl. pointiert zur philosophischen Strömung: Hartung, Gerald: Philoso­ phische Anthropologie, Stuttgart 2008. 34 Engelhardt, Roderich von: Vom Menschen zum Menschen, in: Deutsches Hygiene-Museum/ Vogel, Martin (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organis­ mus, Leipzig 1930, S. 1–9, S. 1–9. 35 Vgl.  ebd.; Ders.: Umriss der Lebensgesetze, in: Deutsches Hygiene-Museum/Vogel, Martin (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus, Leipzig 1930,  S.  9–17,  S.  9–17; Ders.: Der Mensch als Gestalter seiner Selbst, in: Deutsches HygieneMuseum/Vogel, Martin (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus, Leipzig 1930, S. 384–402, S. 384–402; Ders.: Der Mensch als Gestalter der Welt, in: Deutsches Hygiene-Museum/Vogel, Martin (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus, Leipzig 1930, S. 403–413, S. 403–413.

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„Wertstufenreich“ emporsteigenden Persönlichkeit.36 Eine solche habe sich die Regeln einer gesunden Lebensführung dann zu eigen gemacht. Aus „Ehrfurcht vor den ewigen Gesetzen der lebendigen Natur“ stehe die „Verantwortung für die individuelle und kollektive Gesundheit“37, welcher eine solche Persönlichkeit der hygienischen Volksbelehrung aus eigenem seelischen wie geistigen Antrieb heraus nachkomme. Mit einem solchen Erziehungsideal schloss Engelhardt eine rationale, bio­ logische Ordnung des Körpers argumentativ mit seiner idealen sozialen Ord­ nungsvorstellung kurz und versuchte dies für das Museum fruchtbar zu machen. Pointiert schrieben er und Vogel die hygienische Volksbelehrung in die neuhu­ manistische Bildungsvorstellung des deutschen Idealismus und der Romantik ein.38 Genau dies passierte coram publico auch bei der Grundsteinlegung und zur Eröffnung des Museumsgebäudes, als Julius Wollf – ebenfalls mit Referenz zu Schiller und Goethe – davon sprach, dass die „Erziehung des Menschen den Menschen nur emporführt, wenn sie ihn zunächst zur Selbsterziehung bringt.“39 Genau diese Gleichzeitigkeit von potenziell emanzipatorischer und paternalisti­ scher Aufklärung und Kontrolle durch das Wissen der Hygiene hatte das „Auge der Hygiene“ auf Franz von Stucks (1863–1928) Reklamekunstplakat der I.  IHA 1911 verdichtet. Spätestens mit der von Willy Petzold (1885–1978) für die II. IHA 1930 vorgenommenen Aktualisierung des Hygiene­Auges im Stil der neuen Sach­ lichkeit sollte der noch mehr betonte Blick des einen Auges aus dem Bild, der (die) Weisheit (der Hygiene) reklamierte und den Betrachter mobilisieren wollte, nicht nur zum Signet des Hygiene­Museums, sondern auch zum Symbol der hygi­ enischen Volksbelehrung geworden sein.40

Methodik und mediale Praxis Die konkrete Methodik der hygienischen Volksbelehrung, wie hygienische Er­ kenntnisse am besten anverwandelt werden könnten, hatte Vogel bereits 1925 36 Ebd., S. 406. 37 Alle Zitate in: Engelhardt/Vogel: Was will „Der Mensch“. 38 Vgl. Tenorth: Geschichte der Erziehung, S. 124–138; Benner/Brüggen: Geschichte der Pädago­ gik, S. 161–190. 39 Vgl. Albrecht: Das Deutsche Hygiene­Museum, 1931, S. 45, 121. 40 Vgl. Paul, Gerhard: „Big Brother is watching you“. Der Blick aus dem Bild als visuelle Meta­ pher in Film, Kunst und Politik, in: Paul, Gerhard: BilderMACHT. Studien zur „Visual History“ des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013, S. 285–318, S. 294; Dehmer, Andreas: Im Bannkreis des »Odol­Königs«. Karl August Lingner, Franz von Stuck und der Erfolg symbolistischer Kunst in Dresden um 1900, in: Dresdener Kunstblätter 52/2008, S. 244–257.

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zusammengefasst: Die Zusammenhänge des Krankheits­ und Gesundheitsge­ schehens müssten nur anschaulich genug aufgearbeitet werden, um gesund­ heitsrelevante Verhaltenseffekte zu zeitigen. Die Besucherin müsste dafür ver­ ständlich dazu angeleitet werden, sich als Subjekt mit dem ontologischen Willen zum Leben zu begreifen.41 Der Einzelne erkenne dann in der Wissensvermitt­ lung als „Führung“, dass moralisch richtig mit lebensförderlich zusammenfalle. Gesundheit werde dadurch als höchster, aber bedrohter Wert erkannt, gestützt durch dessen Rahmung mit den „geheimnisvollen Lebensgesetzen“ und dem Gefühl, in einer durch die Zeitläufte permanenten Schicksalsgemeinschaft des Volkes zu stehen. Diese sittliche wie zugleich wertrationale Erkenntnis würde – quasi zwangsläufig – eine gesundheitsgemäße Lebensführung jedes Einzelnen mit sich bringen.42 Die hygienische Volksbelehrung des Hygiene­Museums machte also die Nor­ malität des Körpers mit visuellen Ausdrucksformen attraktiv und anschaulich. Dabei bestimmte die Maxime der Klarheit und Verständlichkeit des Präsentier­ ten (zunehmend) die Grenze der Visualisierbarkeit des Wissens. Hygienische Volksbelehrung definierte ihren Aufklärungsauftrag weniger intellektuell oder wissenschaftlich denn visuell.43 Dadurch ging es nicht um die Komplexität körperlicher Gesundheit (der sichtbar gemachten Normalität), sondern um das Verdeutlichen und Erkennen ihrer Prinzipien. Von dort, aus dem Staunen heraus, sollte dann die Ehrfurcht vor dem Wunder des Lebens zu einer Verbreitung von gesundheitlicher Wertschätzung führen. Genau darin bestand die Verheißung der hygienischen Volksbelehrung – im Versprechen, über die attraktive Veran­ schaulichung individueller und kollektiver Ordnungen Gesundheit herzustellen. Doch konstitutiv für sie war ein Modell der Wissensdiffusion – egal, wie ausge­ feilt die Vermittlung durch Veranschaulichung auch reflektiert wurde, egal, wie

41 Vgl.  Vogel, Martin: Hygienische Volksbildung, in: Gottstein, Adolf/Schlossmann, Arthur/ Teleky, Ludwig (Hrsg.): Handbuch der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge, Bd. 1: Grund­ lagen und Methoden, Berlin 1925,  S.  303–390,  S.  304 und zur Kontinuitätslinie dieser Vorstel­ lung: Frey, Gottfried: Gedanken über hygienische Volksbelehrung, ihre Wege und Hilfsmittel, Berlin 1927 [1926], S. 13; Ders.: Hygienische Erziehung. 42 Martin Vogel hatte hierbei von der sittlichen Erziehung zur Gesundheitspflege gesprochen. Vgl. Vogel: Hygienische Volksbildung, S. 303. 43 Zu dieser Begriffsverwendung, die in der Vermittlung von Wissen von den Grenzen der Ver­ mittelbarkeit ausgeht statt von den Inhalten des zu Vermittelten – was trotzdem die Horizonte und Interessen derjenigen ausblendet, denen zu vermitteln ist: McLeary/Toon: Here man learns about himself, S. 33. Zur Visualisierung in den Naturwissenschaften vgl. Rheinberger, Hans­Jörg: Sichtbar Machen. Visualisierung in den Naturwissenschaften, in: Sachs-Hombach, Klaus (Hrsg.): Bildtheorien. Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn, Frankfurt a. M. 2009, S. 127–145.

2.1 Mythos, Konzept und mediale Praxis der hygienischen Volksbelehrung 

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entschieden ihr „gemeinnütziger, kultureller oder sozialer“ Charakter im Unter­ schied zur „egoistischen Tendenz“ der Reklame betont wurde.44 Hygienische Volksbelehrung differenzierte in Experten und Laien und konstruierte ihre asym­ metrische Beziehung zueinander. Wissen, Vorstellungswelt und Bedürfnisse der Adressat*innen blieben aber weitgehend eine Black Box – abgesehen von der Annahme der Unterhaltungsbedürftigkeit. Das Modell menschlichen Handelns blieb eines, das im philosophischen Idealismus der Bildung fundiert war: Gleich­ bedeutend mit der Anverwandlung des Wissens, als deren Bedingung dessen hinreichende Veranschaulichung galt, resultierte aus Bildung rationales, sprich gesundheitskonformes Handeln. Ein ebensolcher opaker Container für unbe­ kannte Abläufe blieb zugleich auch das wissenschaftliche Wissen selbst. Denn in der Vermittlungsform als visuellem Lehrbuch war es von seinen Entstehungs­ und Begründungskontexten gelöst, von jedwedem Geltungskonflikt befreit.45 Abgestützt wurde ein solches Verständnis der hygienischen Volksbeleh­ rung als Vermittlungspraxis hygienischen Wissens durch eine Differenzierung medialer Instrumente. Vorrangig kam hierbei für Martin Vogel – ganz im Sinne Lingners – das Massenmedium der Zeit, die Ausstellung, zum Einsatz. Sie diene zuvörderst dazu, eine „hygienische Erschütterung“ auszulösen, also eher zu inter­ essieren und Fragen aufzuwerfen, als „eingehende Kenntnisse zu übermitteln“. Das Medium der Wahl werde die Ausstellung aber durch ihre Reichweite und ihr Potenzial, das öffentliche Interesse an der hygienischen Volksbelehrung zu wecken. Andere schriftliche wie mündliche Medien könnten dann die ersehnte „Tiefenwirkung“46 bewerkstelligen, appellativ argumentieren sowie weiter aus­ holend begründen. Im Laufe der 1920er Jahre waren „Mensch­Ausstellungen“ für die hygieni­ sche Volksbelehrung emblematisch geworden, die Martini Vogel und Roderich von Engelhardt 1930 zur gleichzeitigen Eröffnung des Museumsgebäudes und der II.  IHA in Dresden kodifizierten.47 Als einführende oder in Wanderausstel­ lungen auch singuläre Ausstellungseinheiten wurden Bau und Funktion der Organe des gesunden Körpers demonstriert. „Die Vorführungen folgten dabei der Systematik medizinischer Lehrbücher. Begonnen wurde meist mit dem Kno­ chenbau und dem Muskelsystem, dann gelangte man über die Atmung, das

44 Vgl. Vogel: Hygienische Volksbildung, S. 331. 45 Vgl. hierzu ebenfalls: Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung, S. 256. 46 Alle Zitate in: Vogel: Hygienische Volksbildung, S. 362. 47 Vgl. Deutsches Hygiene-Museum/Vogel, Martin (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus, Leipzig 1930, S. III.

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Blut und die Verdauungsorgane bis zu den Nerven und Sinnesorganen.“48 Im Kern der Ausstellungen stand eine didaktische Visualität, getragen von einem massenpädagogischen Machbarkeitsglauben, der wiederum sich auf bildpäda­ gogische Instrumente stütze, mit denen eine für die klassische Moderne typi­ sche Bild­ und Ausstellungssprache entwickelt wurde. In der Abgrenzung von der überkommenen Vorstellung des Museums als Musentempel, in dem sich die bildungsbürgerlichen Besucher in das Kunstwerk versenkten, korrespondierten Wissensobjekte als eigens hergestellte Darstellungsgüter (Modelle, Schaubilder, Reproduktionen) mit der Kernverheißung der hygienischen Volksbelehrung: Die Möglichkeit einer allgemeinverständlichen, getreuen und trotzdem unter­ haltsam Veranschaulichung komplexen Wissens bewirke soziale Nützlichkeit auf Mikro­ und auf Makroebene – individuelle Gesundheit und als Aggregation gedachte Volksgesundheit gleichermaßen.49 Eine solche Visualität lässt sich beispielsweise in Otto Neuraths (1882–1945) Bildpädagogik festmachen. Dieser billigte einer bildhaften und schematischen Auf­ bereitung von komplexer Information über ihre Veranschaulichung die Wirkung einer Bildung der Massen zu.50 Der Boom bildlicher Massenkommunikation fand 48 Nikolow, Sybilla: „Erkenne und prüfe Dich selbst!“ in einer Ausstellungseinheit des Deutschen Hygiene­Museums 1938 in Berlin. Körperleistungsmessungen als objektbezogene Vermittlungs­ praxis und biopolitische Kontrollmaßnahme, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20.  Jahrhundert, Köln u. a. 2015,  S.  227–268,  Anm. 3. 49 Vgl.  zur Museumsreformbewegung: Heesen: Theorien des Museums,  S.  73–142; Joachimides, Alexis: Die Museumsreformbewegung in Deutschland und die Entstehung des mo­ dernen Museums 1880–1940, Dresden 2001, insbesondere S.  99–113; Scheibe, Wolfgang: Die reformpädagogische Bewegung 1900–1932. Eine einführende Darstellung, Weinheim, Basel 1994, S.  353–367; Kuntz, Andreas: Das Museum als Volksbildungsstätte. Museumskonzeptio­ nen in der deutschen Volksbildungsbewegung 1871–1918, Münster 1996 [1976], S. 15–59; Kaldewei, Gerhard: Museumspädagogik und Reformpädagogische Bewegung 1900–1933. Eine historisch­systematische Untersuchung zur Identifikation und Legitimation der Museumspäd­ agogik, Frankfurt a. M. u. a. 1990, S. 1–70 und mit explizitem Bezug zu Hygiene­Ausstellungen: Schaible, Gunter: Sozial­ und Hygiene­Ausstellungen. Objektpräsentationen im Industrialisie­ rungsprozess, Tübingen 1999. 50 Vgl.  zu Neurath: Kaldewei: Museumspädagogik und reformpädagogische Bewegung, S. 382–543; Cartwright, Nancy: Otto Neurath. Philosophy between Science and Politics, Cambridge 1996; Nikolow, Sybilla: Imaginäre Gemeinschaften. Statistische Bilder der Bevölkerung, in: Heßler, Martina (Hrsg.): Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts­ und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit, München 2006,  S.  263–278; Hille, Nicola: Das Gesellschafts­ und Wirtschafts­ museum in Wien. Zielsetzungen und Visualisierungsmethoden im Kontext der zeitgenössischen Museumsdidaktik, in: Imorde, Joseph/Zeising, Andreas (Hrsg.): Teilhabe am Schönen. Kunst­ geschichte und Volksbildung zwischen Kaiserreich und Diktatur, Weimar 2013, S. 299–316; mit Bezug auf das Hygiene­Museum: Nikolow, Sybilla: „Wissenschaftliches Stillleben“ des Körpers im

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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auch eine Entsprechung aufseiten der politischen Bildsprache. Gerade in diesem Entwicklungsstrang wird die wichtige Rolle des Museums deutlich. Es ist die Aus­ stellungsgestaltung von Eliezer „El“ Lissitzky (1890–1941), die als sowjetische Massenpropaganda entworfen wurde und Eingang in das Display des Hygiene­ Museums fand. Erstes Transportvehikel war hier der sowjetische Pavillon auf der II. IHA in Dresden 1930. Für diesen zeichnete er als künstlerischer Leiter verantwort­ lich. Lissitzky hatte nach seinem Studium der Architektur und Ingenieurwissen­ schaften in Darmstadt den konstruktivistischen Stil mitbegründet, der wiederum prägend für die politische Symbolik der Avantgarde in den 1920er Jahren wurde, welche mithilfe einfacher geometrischer Mittel für alle verständlich sein sollte.51 Zu den Kennzeichen von Lissitzkys Pavillondesign gehörten 1930 der massive und ubiquitäre Einsatz von Fotografien sowie ihre überdimensionale Montage, um einen kohärenten Raum zu schaffen.52 Diese kommunikative Gestaltung des Aus­ stellungsraums zur didaktischen Mobilisierung des Besucherblicks basierte indes nicht ausschließlich auf einer propagandistischen Intention. Unter der Annahme der universellen Verständlichkeit des Mediums der Fotografie ging es darum, den ganzen Raum zur visuellen Vermittlung von Argumenten und Emotionen zu nutzen.53 Konzeptionell bedingt lag damit der mediale Schwerpunkt der hygieni­ schen Volksbelehrung auf den Ausstellungen als universalen Vermittlungsvehikeln eines hygienischen Wissens um Gesundheit.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des Deutschen Gesundheits-Museums Reklamierte nun Seiring zur Gründung des Gesundheits­Museums in Köln diese Tradition zur Etablierung seiner neuen Einrichtung als nationalen Organisa­ tion der hygienischen Volksbelehrung, so galt es, diese in die Nachkriegszeit zu 20.  Jahrhundert, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarma­ chung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015, S. 11–43, S. 15–22. 51 Vgl. Hemken, Kai­Uwe: Lehrbuch der Welt: Die Internationale Hygiene­Ausstellung (1930) in Dresden, in: Müller, Anna/Reinhardt, Uwe J. (Hrsg.): Neue Ausstellungsgestaltung 1900–2000. New Exhibition Design 1900–2000, Stuttgart 2014, S. 122–129. 52 Vgl.  die Fotodokumentation der Ausstellung: Museum d’Art Contemporani de Barcelona/ Ribalta, Jorge (Hrsg.): Public Photographic Spaces. Exhibitions of Propaganda from “Pressa” to “The Family of Man”, 1928–1955, Barcelona 2008, S. 145–165. 53 Vgl. Ribalta, Jorge: Introduction, in: Museum d’Art Contemporani de Barcelona/Ribalta, Jorge (Hrsg.): Public Photographic Spaces. Exhibitions of Propaganda from “Pressa” to “The Family of Man”, 1928–1955, Barcelona 2008, S. 11–26; Hurm, Gerd/Reitz, Anke/Zamir, Shamoon (Hrsg.): The Family of Man Revisited. Photography in a Global Age, London u. New York 2018.

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überführen. Dieses Unterfangen hatte eine organisationale und eine mediale Dimension. Denn wie dies 1911 in Form der I. IHA geschehen war, versprach eine große Gesundheitsausstellung, welche die Heterogenität des Feldes der Gesund­ heitsaufklärung abbilden und gleichwohl dem Museum die Rolle einer zentralen Repräsentationsinstanz zusichern konnte, dem neuen Gesundheits­Museum in Köln so viel Schwung zu verleihen, dass es sich in der Bundesrepublik etablie­ ren konnte.54 Einem obligatorischen Passagepunkt gleich sollte die Ausstellung alle Dinge und Akteure, welche im weiten Sinne mit Themen der Gesundheit und Hygiene zu tun hatten und sich am Museum interessierten beziehungsweise das Museum interessierten, zusammenziehen und dessen Interessen entspre­ chend geordnet werden. Mit der Großen Gesundheits-Ausstellung versuchte Sei­ ring, Ressourcen, Weltsichten und Interessen auf eine Weise gegenseitig zu übersetzen, dass das Museum im Zentrum einer Gesundheitsaufklärung stand, welche ohne es nicht denkbar sein sollte. Denn das kollaborative Großereignis, die Große Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben, 1951 in Köln veranstaltet, verhieß nicht nur öffentliche Aufmerksamkeit für das neue Museum, sie stellte zudem in Aussicht, die nötigen Schaustücke kompilieren oder herstellen zu lassen. Interessierte Akteure ließen sich darüber gewinnen und in das Netzwerk der Organisation einbinden.55 Das macht die Großausstellung zu einem histo­ rischen Ereignis, an dem sich zeigen lässt, inwiefern Seiring es gelang, für das Museum vielfältige Ressourcen (Geld, Personal, Expertise, Legitimation, Fürspra­ che) zu mobilisieren und in einem Netzwerk für sich auszurichten und dadurch das Gesundheits­Museum und seine hygienischen Volksbelehrung in der Nach­ kriegszeit zu revitalisieren.

54 Vgl. zu dieser Strategie der Großausstellung: Stein: Organising the History of Hygiene; Weinert: Der Körper im Blick, S. 129–155. Die Metapher „Schwung“ rekurriert hier auf Thomas P.  Hughes’ Konzept der sozialen Konstruktion und Evolution großtechnischer Systeme. Vgl.  Hughes, Thomas Parke: The Evolution of large Technological Systems, Berlin 1986; Ders.: Walther Rathenau:  »System Builder«, in: Ders.: Ein Mann vieler Eigenschaften. Walther Rathenau und die Kultur der Moderne, Berlin 1990, S. 9–31. 55 Zum Begriff Passagepunkt, der das Ereignis der kollektiven Ausrichtung eines Netzwerkes zur (kollaborativen) Erlangung von Deutungshoheit im und durch das Netzwerk beschreibt: Callon, Michel: Some Elements of a Sociology of Translation. Domestication of the Scallops and Fishermen of St Brieuc Bay, in: Law, John (Hrsg.): Power, Action and Belief. A new Sociology of Knowledge?, London 1986, S. 196–223, S. 202 f. und in deutscher Übersetzung: Ders.: Einige Ele­ mente einer Soziologie der Übersetzung: Die Domestikation der Kammmuscheln und der Fischer der St. Brieuc­Bucht, in: Belliger, Andréa/Krieger, David J. (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur­Netzwerk­Theorie, Bielefeld 2006, S. 135–174, S. 149 f.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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Ausstellungskontexte und Ideen für eine museale Erneuerung Was ursprünglich vonseiten der Kölner Gesundheitsverwaltung als Wiederauf­ lage eines kleinen, kommunalen Hygiene­Museums gedacht war, hatte Seiring nach eigenen Angaben bereits im Oktober 1948 in eine „Zentralstelle für gesund­ heitliche Volkserziehung“56 abgeändert. Über eine Großausstellung die natio­ nale Dimension seines Projektes demonstrieren zu können, erschien 1949/1950 günstig. Eine größere Gesundheitsausstellung hatte seit der GeSoLei 1926 in der Region nicht mehr stattgefunden, was eine gute Voraussetzung darstellte, hin­ reichend Aufmerksamkeit zu erlangen und das „Verlangen und Bedürfnis nach gesundheitlicher Aufklärung“57 in einer breiten Öffentlichkeit zu schaffen. Mit Seirings Personal aus Dresden und dem Mythos der von ihm ausgehenden hygie­ nischen Volksbelehrung sollte es möglich sein, Ausstellungstechnik, ­gestaltung und ­exponate des Deutschen Hygiene­Museums zu rezipieren und fortzuentwi­ ckeln. In vielfacher Weise waren jedoch die Bedingungen um 1950 andere als in den Glanzjahren der hygienischen Volkbelehrung. Das betraf zum einen das Ausstellen selbst. Vor allem die US­amerikanische Besatzungsbehörde sollte das Medium im Rahmen der Reeducation entdecken, um eine historisch gedachte Zugehörigkeit der Bundesrepublik zur Kultur­, Zivi­ lisations­ und Wirtschaftsgemeinschaft des Westens zu konstruieren und zu ver­ mitteln.58 Um die Zustimmung der deutschen „Bevölkerung“ bemüht, gründete das Office of Military Governement U.S. (OMGUS) 1947 auch eine Exhibition Sec­ tion.59 Unter dem programmatischen Banner einer „visual information“ sollte die Abteilung mit eigens geschaffenen Ausstellungen ein gemeinsames Werte­ und Normensystem bebildern.60 Deutsche Gestalter sollten dabei unter amerikani­ scher Leitung die visuelle Anschaulichkeit der Propaganda der Weimarer Zeit und der des Nationalsozialismus erreichen, ohne direkte Bezüge dorthin herzu­ stellen. So standen an der Spitze der Production Section innerhalb der Abteilung 56 Seiring, Georg: Entwicklung des Deutschen Gesundheitsmuseums e.  V. Köln, 13.2.1952, in: BArch, B 142/400. 57 Seiring: Kurze Denkschrift zur Gründung des Deutschen Gesundheits­Museums e. V., o. D. (vor Dezember 1949), in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 38, Nr. 71, Bl. 2. 58 Vgl.  Gerund, Katharina/Paul, Heike (Hrsg.): Die amerikanische Reeducation­Politik nach 1945. Interdisziplinäre Perspektiven auf »America’s Germany«, Bielefeld 2015. 59 Vgl. hierzu: Kühne, Jonas: Amerikanische Reeducation­Ausstellungen in Deutschland. Etab­ lierung und Wirkung der OMGUS Exhibition Section 1946–1950, Berlin 2015. 60 Diese kleineren und modularen Wanderausstellungen waren vor allem für die neuen Amerika­Häuser gedacht. Vgl. Hein-Kremer, Maritta: Die amerikanische Kulturoffensive. Grün­ dung und Entwicklung der amerikanischen Information Centers in Westdeutschland und West­Berlin, 1945–1955, Köln 1996.

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zuerst der Bauhaus­Designer Joost Schmidt (1883–1948) und ab 1950 der Ausstel­ lungsarchitekt, Grafikdesigner und Zeichner Claus­Peter Groß (1923–2002).61 Die ersten Ausstellungen aus den Werkstätten der Abteilung, die in das ehe­ malige Atelier des im Nationalsozialismus nachgefragten Architekten und Bild­ hauers Arno Brekers (1900–1991) in Berlin­Dahlem eingezogen waren, sollten über eine essenzialisierende Präsentation der indigenen Bevölkerung Nordame­ rikas die Historizität amerikanischer Kultur demonstrieren (Indianerkunst. Lebendige Traditionen, 1947). Ganz in der Tradition großflächiger Fotografien und einer Raumgestaltung mit argumentativen, typisierenden Darstellungen inszenierte die anschließende Exposition (Tennessee Valley Authority, 1947) die Wirtschafts­ und Aufbauleistung der USA anhand der gewaltigen Infrastrukturmaßnahmen des New Deal. Die Ausstellungen sollten in der Vorstellungswelt der Deutschen ökonomi­ sche Kraft und historische Kulturtiefe mit den Vereinigten Staaten assoziieren.62 Zusammengeführt und verdichtet wurden diese beiden Topoi mit den Marshallplan­Ausstellungen seit 1950, an denen die Exhibition Section betei­ ligt wurde. In der Darstellung des US­amerikanischen Wirtschaftsförderungs­ programms für das kriegsversehrte Europa unterbreitete die Exhibition Section ein Deutungsangebot und Zukunftsversprechen, die eine ökonomische Potenz ins argumentative Zentrum einer transatlantischen Wertegemeinschaft stellte: Der ökonomische Fortschritt Europas werde durch den Marshallplan garantiert sein, was sich für den Einzelnen konkret an der alltäglichen Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Konsumgütern zeige, was wiederum an die Realisierung demokratischer Verfahrensweisen und an den Wert der individuellen Freiheit geknüpft sei. Der Schutz vonseiten der USA vor der Bedrohung des Kommu­ nismus garantiere darüber hinaus die westliche Gemeinschaft. Es war nur folgerichtig, dass diese Vorstellung in einer amerikanischen Idealfamilie und einer modernistischen Idealwohnung symbolisiert wurde. Das Arrangement der im Oktober 1952 eröffneten Marshallplan­Ausstellung Wir bauen ein besseres Leben war das einer Mann­Frau­Kind­Modellfamilie, „die das Wohnen und die richtige Benutzung der Haushaltsgegenstände den Betrachterinnen und Betrachtern physisch vermitteln sollte.“63 Diese Vermittlung funktionierte über insgesamt 20 Berufsschauspielerinnen, welche die Segnungen einer amerika­ nischen „Consumer­Democracy“ demonstrierten, indem sie vorführten, wie ein Kühlschrank richtig zu bedienen sei.64 61 Kühne: Amerikanische Reeducation­Ausstellungen in Deutschland, S. 15–25. 62 Vgl. ebd., S. 21, 26–33. 63 Ebd., S. 34. 64 Vgl.  ebd.,  S.  34–38; Grazia: Pleasures of American Consumer Democracy; Schröder, Hans­ Jürgen: Visualizing the Marshall Plan in Western Germany: Films, Exhibits and Posters, in: Bischof,

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Auf einer inhaltlichen Ebene verband die in diesen Ausstellungen präsentierte US­Imagination über den Konsum die Überlegenheit des kapitalistischen Wirt­ schaftssystems mit individueller Freiheit.65 In medialer Hinsicht suchte die Exhibi­ tion Section eine breite Öffentlichkeit und hierbei auch die Rolle als Gegengewicht zur Öffentlichkeitsarbeit aus Ost­Berlin im Schaufenster der Systemkonkurrenz: So machte 1951 der Europa­Zug mit seiner Marshallplan­Ausstellung in Berlin­West Station – zeitgleich zu den Weltfestspielen der Jugend im Ostteil der Stadt.66 In Hinsicht auf die Praktiken des Ausstellens zeigten die Marshallplan­Ausstellungen ein fast bizarres Nebeneinander von Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Exposi­ tionskopien wurden mit freistehenden und den Ortsgegebenheiten leicht anpass­ baren Tafelgestellen modular arrangiert. Explizite Ansprachen, die Verwendung bildlicher oder haptischer Elemente der Botschaftsaufbereitung wie Piktogramme, Modelle, Fotografien, statistische Diagramme, die Arbeit mit interaktiven Appara­ ten sowie der Einsatz einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit der Wanderausstel­ lungen – das Argumentieren im Raum mit visuellen und haptischen Instrumenten, mit vermeintlich universell verständlichen Darstellungsgütern – knüpften an die Tradition der Volksbildungs­ und Propagandaausstellungen und damit auch an die Visualität der Anschaulichkeit der hygienischen Volksbelehrung an.67 Um sein Museum und seine Ausstellungspraxis auch unter den Bedingung der 1950er Jahre zu einem Erfolg werden zu lassen, suchte Seiring auch von Köln aus Hilfe bei seinem ehemaligen Mitarbeiter Bruno Gebhard, der Seiring bereits 1946 durch die Vermittlung von Kontakten in den USA geholfen hatte.68 Gebhard

Günter/Stiefel, Dieter (Hrsg.): Images of the Marshall Plan in Europe. Films, Photographs, Exhibits, Posters, Innsbruck 2009, S. 69–86. 65 Ein Bild, das sich 1959 auf der Amerikanischen Nationalausstellung in Moskau im Aufeinan­ dertreffen des damaligen US­Vizepräsident Richard Nixon mit dem Regierungschef der UdSSR, Nikita Sergeevič Chruščëv, nahezu ikonisch verdichtete. Vgl.  zur sogenannten „Küchendebat­ te“: Whitfield, Stephen J.: The Culture of the Cold War, Baltimore 1991, S. 24–76; Marling, Karal Ann: As seen on TV. The Visual Culture of Everyday Life in the 1950s, Cambridge,  MA 1996 [1994], S. 242–283; Müller, Andreas: Die „Küchendebatte“. Nixon an Chruschtschow im Wettstreit der Ideologien, in: Geschichte lernen 94/2003, S. 46–51. 66 Vgl.  Müller, Anna/Reinhardt, Uwe J. (Hrsg.): Neue Ausstellungsgestaltung 1900–2000. New Exhibition Design 1900–2000, Stuttgart 2014,  S.  59, Kühne: Amerikanische Reeducation­ Ausstellungen in Deutschland, S. 37; und zur DHM­Beteiligung beim Kampf um die Jugend in den frühen 1950er Jahren Kap 2.3. Zum besonderen Verflechtungsraum Berlin und den Begriff des Schaufensters in diesem Zusammenhang siehe: Lemke, Michael: Einleitung, in: Lemke, Michael (Hrsg.): Schaufenster der Systemkonkurrenz. Die Region Berlin­Brandenburg im Kalten Krieg, Köln 2006, S. 9–27. 67 Vgl. Kühne: Amerikanische Reeducation­Ausstellungen in Deutschland, S. 38–59. 68 Vgl. Kap. 1.1.

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wiederum hatte bereits 1948 signalisiert bekommen, dass eine Neugründung des Hygiene­Museums in der britischen Zone wahrscheinlich sei, weil dort der Neuanfang für politisch belastete Mitarbeiter am leichtesten sei.69 Gebhard über­ nahm eine Vermittlerposition in den nach dem Krieg einsetzenden Evaluations­ und Transferprozessen amerikanischer Modelle der öffentlichen Gesundheit.70 Daran nahm auch William W. Bauer (1892–1967), Direktor des Büros für Health Education der American Medical Association und in dieser Funktion ebenso Advisor to the Secretary of the Army, teil.71 Bauer führte bereits 1949 gegen­ über der Public Health Education Section seiner Fachgesellschaft den zentralen Topos der US­amerikanischen Kritik an den deutschen Gegebenheiten aus: Das zentrale Problem am deutschen öffentlichen Gesundheitswesen sei die abwar­ tende Haltung der Fachleute, von denen keine politische Initiative ausgehe. Eine Haltung, die gespeist sei aus „German traditional authoritarianism.”72 In einer etatistischen Tradition würden die Medizinalbeamten, Amtsärzte und das Fürsor­ gepersonal immer nur auf Gesetze und Verordnungen von oben warten. Gerade dieser Personenkreis sei aber nun gefordert und seine Umorientierung uner­ lässlich – „young and aggressive leadership in public health“73 werde benötigt, so Bauer. Nach Bauers Vorstellung machte eine Gesundheitspolitik vom Lokalen zum Zentralen ein demokratisches Gesundheitswesen aus, wozu Gesundheitsauf­ klärung einen Beitrag leisten sollte und woran es in Deutschland mangele. Mithilfe von Austauschprogrammen müssten den Gesundheitsaufklärern das amerikanische Modell nahegebracht werden, was konkret bedeute, sich von der Vermittlung eines detaillierten und didaktisch aufbereiteten Wissens über die menschliche Anatomie und Physiologie abzuwenden und sich der Darstellung der Bedingungen von Krankheit und Gesundheit in modernen Medien (hier: dem Radio) zuzuwenden. Doch Bauer kannte zugleich die Gegebenheiten in den frühen Monaten der Bundesrepublik. Radioprogramme stünden ihm zufolge unter Propagandaverdacht und genössen kein großes Vertrauen. Daher sollte eine altbewährte deutsche Fertigkeit der Gesundheitsaufklärung wieder genutzt 69 „It is generally well known that people with former Nazi party record have an easier job to get into the British Zone than into the American Zone.” Gebhard, Bruno: Europe Revisited, in: Dittrick Medical History Center: Nachlass Bruno Gebhard, Box II, Folder 2–1, 1948, Bl. 58. Quelle dieser Einschätzung war Albert Wischek, Gebhards ehemaliger Vorgesetzter in der Berliner Mes­ segesellschaft und gebürtiger Dresdner. 70 Vgl. Reinisch: Perils of Peace, S. 188–219. 71 Vgl. hierzu: Ellerbrock: Healing Democracy, S. 241. 72 Bauer, W. W.: Public Health Practices in Germany, in: American Journal of Public Health 40/1950, S. 1077–1083, S. 1077. 73 Ebd., S. 1082.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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werden – die Ausstellungsgestaltung durch die erfahrenen Experten aus Dresden, die im Begriff seien, ihr Museum wieder in Köln aufzubauen.74 In den US­amerikanischen Überlegungen zur Modernisierung und Demo­ kratisierung der Öffentlichen Gesundheit rangierte das Gesundheits­Museum in Köln mit seinen Instrumenten der Gesundheitsaufklärung an einer vorderen Stelle.75 Dies wertete nun Gebhard als Experte und Übersetzer auf, der Bauers Einschätzung teilte: Die Deutschen seien „Meister der ‚visual education‘.“76 Im Hinblick auf thematische Fokussierung und Konzertiertheit, die Vielfalt der ver­ wendeten Massenmedien sowie die gleichzeitige individuelle Ansprache, besäße die Gesundheitsaufklärung aus den USA aber Vorbildcharakter.77 Genau dies – und welche Rolle ein ausstellendes Gesundheitsmuseum dabei spielen konnte – erklärte nun der Emigrant Gebhard am Ende der 40er Jahre bundesrepublikani­ schen Medizinalbeamten.78 Laut Gebhard sei ein Health Museum das Kind der Präventivmedizin und der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, das öffentliche Gesundheitsaufklärung

74 Vgl.  ebd. Zu entsprechenden (frustrierenden) US­amerikanischen Transferinitiativen im Bereich des Öffentlichen Gesundheitswesens, insbesondere der Rockefeller Foundation in den frühen Jahren der Bundesrepublik, siehe exemplarisch: Schleiermacher, Sabine: Die Rockefel­ ler Foundation und ihr Engagement bei einer Neuorientierung von Medizin und Public Health in Deutschland in den 1950er Jahren, in: Medizinhistorisches Journal 45/2010, S. 43–65. Gleich­ wohl äußerte sich 1953 der Referent für Gesundheitsvorsorge im Sozialministerium des Landes Nordrhein­Westfalen Josef Hünerbein, gerade von einer Studienreise in die USA zurückgekehrt, sinngemäß: Ausgebildete Health Educator müssten in enger Kooperation mit Gebhards Health­ Museum in Cleveland konzertierte und massenmediale Kampagnen durchführen. Vgl.  Hünerbein, Josef: Das öffentliche Gesundheitswesen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in: Der öffentliche Gesundheitsdienst 15/1953, S. 2–9 u. 49–55. 75 Vgl. ausführlich: Ellerbrock: Healing Democracy, S. 171–203, 246–250, 319–323. 76 Gebhard, Bruno: Ausstellungen als Mittel der Gesundheitserziehung, in: Der öffentliche Ge­ sundheitsdienst 1/1935, S. 95–99, S. 98. 77 Vgl. ebenso Gebhards Urteil der USA als „Musterland für die Gesundheitserziehung“ in Sa­ chen Schuldgesundheitspflege: Ders.: Gesundheitserziehung in angelsächsischen Ländern, in: Gesundheit und Erziehung 48/1935, S. 309–312, S. 310. 78 Vgl.  Ders.: Gesundheitsbelehrung in den USA. Ein Übersichtsbericht, in: Der öffentliche Gesundheitsdienst 11/1949,  S.  323–325,  S.  325; Ders.: Das Gesundheitsmuseum als Symbol der Gesundheitspflege, in: Der öffentliche Gesundheitsdienst 11/1949,  S.  307–309. Als Erklärer der jeweiligen Verhältnisse in der Gesundheitsaufklärung und dem öffentlichen Gesundheitswesen hatte Gebhard bereits seit den 1930ern gewirkt (vgl.  bspw. Ders.: Bevölkerungsbewegung und Statistik, in: Der öffentliche Gesundheitsdienst A 4/1938, S. 693–694; Ders.: Öffentliche Gesund­ heitspflege in den U.S. A., in: Der öffentliche Gesundheitsdienst B 4/1938, S. 11–15; Gebhard: Ge­ sundheitsmuseum als Symbol; Gebhard: Gesundheitsbelehrung in den USA). Zur Bibliografie Bruno Gebhards, die insgesamt 203 Titel umfasst, siehe Gebhard Bibliography, in: Gebhard Pa­ pers, o. J., unpag.

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mit einem Bildungsauftrag für die Gegenwart betreibe.79 Man dürfe sich daher nicht vom Begriff des Museums täuschen lassen, „which for so many people sounds like ‚mausoleum‘.“80 Statt der Präsentation toter Dinge, von Kuriositäten oder pathologisch verformter Organe und Körper, gehe es in seinem „Museum vom Menschen“81 vielmehr darum, als „angewandte Biologie“82 dem Laien seine biologische Natur vorzustellen und ihn damit zum richtigen Leben und Zusam­ menleben zu befähigen.83 Laien würden an diesen Orten des informellen, objek­ tiven und demonstrativen Lernens – wo nichts anderes verkauft werden würde als „true facts”84 – darüber aufgeklärt, wie sie ihre Gesundheit verbessern könn­ ten.85 Ein Gesundheitsmuseum schaffe dem öffentlichen Gesundheitswesen und seinen präventiven Maßnahmen überhaupt erst Sichtbarkeit in der visuellen Welt des Kommerzes.86 Entgegen den alten Befürchtungen der Ärzteprofession, eine Gesundheitsauf­ klärung für Laien würde Selbstdiagnosen, Selbstbehandlungen, Hypochondrie und Ängste schüren, bewirke sie im Gegenteil eine gesteigerte Rezeptivität für die Erkenntnisse der Medizin. Sie verringere den Widerstand gegenüber Maßnah­ men des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, ermögliche die selbstständige und aufgeklärte Abgrenzung zur Kurpfuscherei und flöße Respekt vor dem „Wunder des Lebens“ ein.87 Diese Wirkung beruhe auf der angenommenen wissenschaft­ lichen Neutralität des Museums und auf der besonderen Visualität und Taktilität seiner Medien. Wie vom Deutschen Hygiene­Museum vorexerziert, würden drei­ dimensionale und „push­button exhibits“88, die allmählich die altmodischen statistischen Tafelwerke zu ersetzen hätten, den Besucher ins Experimentieren

79 Vgl. Gebhard, Bruno: Art and Science in a Health Museum, in: Bulletin of the Medical Library Association 33/1945, S. 39–49, S. 42; Ders.: The Origin of Hygiene and Health Museums, in: Ciba Symposia 8/1947, S. 584–592. 80 Gebhard: Art and Science, S. 43. 81 Ebd., S. 44. 82 Ders.: What good are Health Museums?, in: American Journal of Public Health 36/1946,  S. 1012–1015, S. 1013. 83 Vgl.  Ders.: Art and Science,  S.  42. Vgl.  ebenso: Ders.: The Health Museum, in: The Health Education Journal 6/1948, S. 129–133. 84 Ebd., S. 130. 85 Vgl. Ders.: Art and Science, S. 44; Ders.: The Health Museum as a Visual Aid, in: Bulletin of the Medical Library Association 55/1947, S. 329–332, S. 331. 86 Vgl. Ders.: What good are Health Museums, S. 1013–1014. 87 Vgl. Ders.: Health and Hygiene, S. 598–599; Seiring: Erinnerungen, S. 10–11 und ferner eben­ falls als jeweilige Quellen für erinnerungskulturelle Perspektivierungen zu lesen: Lorentz: Wege zur Gesundheit, S. 14; Neumann et al.: 75 Jahre, S. 10. 88 Gebhard: Origin of Hygiene, S. 591.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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involvieren.89 Ebenso würden noch Sonder­ und Leihausstellungen zu aktuel­ len Themen und „exhibits of the month“90 die Neugier der Besucher wecken. Nur auf Basis von Neugierde und persönlicher Interaktion könne das Zeigen und Demonstrieren seine Vorteile bei der Vermittlung von Wissen ausspielen – nämlich zu überzeugen: „Seeing is easier and more convincing than limited reading or hearing.“91 Symbolisiert, so Gebhard, würden die Gesundheitsmuseen durch einen Objekt­ typ: durch die „Gläsernen Menschen“ des Deutschen Hygiene­Museums, von denen sich 1946 vier Exemplare in den Vereinigten Staaten befanden.92 Mit den neuen Kunststoffmaterialien und der Verschmelzung von Wissenschaft und Kunst, die im „Gläsernen Menschen“ Verwendung bzw. Ausdruck fanden, sei ein alter Traum wahr geworden, das Innere des Menschen möglichst naturgetreu sichtbar zu machen. Mehr noch, die lebensgroße Figur gebe ein lange Zeit opakes Wissen über den menschlichen Körper auf einen Blick hin frei.93 Gebhards Wertschätzung der Figuren rührte wohl daher, dass diese aufmerksamkeitsökonomisch attraktive Schaustücke der Hygiene­Ausstellungen geworden waren. Die Figuren waren durch die Reifikation einer körperlichen Naturnorm von Kraft, Schönheit und Gesundheit, die sie als technische Meisterwerke tragen konnten, zu Sinnbildern des Körpers als Organisationsvorbild einer technisierten Moderne – und damit zum Vorstellungs­ kern der hygienischen Volksbelehrung – geworden. Gebhard hatte damit die Vorstellungen über die Wirkweisen und Notwendig­ keiten eines Gesundheits­Museums in den USA ausgearbeitet und dabei grundle­ gend auf dem Dresdner Modell der hygienischen Volksbelehrung eines Hygiene­ Museums aufgebaut. Um 1950, als die Rollen des Exporteurs und Importeurs gewechselt hatten, war er derjenige, der den Weg skizzierte, über den Re­Import

89 Vgl. Gebhard: Health and Hygiene, S. 594; Ders.: What good are Health Museums, S. 1012. 90 Ders.: Health Museum, S. 130. 91 Ebd., S. 133; vgl. ferner: Ders.: What good are Health Museums, S. 1013. 92 Jeweils eine „männliche“ Figur stand im Medical Museum of the Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, im Science Museum in Buffalo und eine in Gebhards Health Museum. Eine „weib­ liche“, vom Büstenhalterhersteller S.H. Camp & Company gesponserte Figur, wurde im Chica­ go Museum of Science and Industry gezeigt. Siehe hierzu: Gebhard: Art and Science, S. 44–45. Gebhard hob die „Transparent Figures“ in jedem seiner hier zitierten Artikel als besonderes Expo­ nat hervor: Ders.: What good are Health Museums, S. 1012; Ders.: Origin of Hygiene, S. 589; Ders.: Health and Hygiene, S. 596; Ders.: Health Museum, 1947, S. 331; Ders.: Health Museum, S. 131–132. Zu den „Gläsernen Figuren“ in den Vereinigten Staaten siehe: Vogel: The Transparent Man, 1999,  S.  48; Rader, Karen A./Cain, Victoria E. M.: Life on Display. Revolutionizing U.S.  Mu­ seums of Science and Natural History in the Twentieth Century, Chicago, IL 2015,  S.  117–118, 127–128, 162–163, 172. 93 Vgl. Gebhard: Art and Science, S. 45–47.

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seiner US­amerikanischen Adaption des Hygiene­Museums in Köln eine erneute Anpassung des Dresdner Modells etablieren zu können. Konzeptionell stand im Zentrum eines solchen Gesundheits­Museums die zertifizierte Neutralität der Wissenschaft, die Unterstützung aus dem ÖGD, Besucher und aufmerksamkeit­ sökonomisch beeindruckende, plastische und interaktive Exponate wie „Glä­ serne Figuren“ und Testapparate in räumlich wie zeitlich mobilen Ausstellungen. Als Gebhard im Sommer 1950 erneut nach Europa reiste, führte ihn sein Weg auch nach Köln, zu den Werkstätten des neuen Museums, um die „Gläserne Frau“ zu begutachten, die er aus Köln für sein Museum in Cleveland beziehen sollte. Wie in Dresden in der unmittelbaren Nachkriegszeit waren es diese „gläsernen“ Premiumprodukte und Symbole der expositorischen hygienischen Volksbeleh­ rung, die ein Interesse am Museum mobilisierten. Daher hatte Seiring schon vor der Gründung des Gesundheits­Museums in Köln den Beginn ihrer Fertigung ver­ anlasst – sicher über Gebhards Erwerbungswunsch.94 Bereits vom 29. August bis 9. September 1950 wurde diese erste Figur aus Köln auf der British Food Fair in London präsentiert, noch bevor sie nach Cleveland reiste (vgl. Abb. 4).95 Für den Neuaufbau des Kölner Museum erwies sich die robuste Beziehung zwischen Seiring und Gebhard in mehrfacher Hinsicht als außerordentlich hilf­ reich.96 Gebhard hatte nicht nur Kontakte zu Public Health Experten aus den USA vermittelt, sondern auch für die initiale Nachfrage nach „gläsernen“ Model­ len vonseiten anglo­amerikanischer Wissenschaftsmuseen, nun nicht mehr aus dem Dresdner, sondern dem Kölner Museum gesorgt – und viele sollten der ersten Figur in die USA, aber auch beispielsweise nach Australien folgen.97 Gebhard gab auch den Weg vor, wie ein Hygiene­Museum nach US­amerikanischen Krite­ rien in der Bundesrepublik mutmaßlich funktionieren konnte. Was sich dadurch

94 Gebhard, Bruno: Personal Notes on my European Trip 1950, in: Dittrick Medical History Cen­ ter: Nachlass Bruno Gebhard, B 17, 7.14a, hier S. 9. Vgl. ferner: Anonym: Das größte Wunder, in: Der Spiegel, 10.8.1950,  S.  44; Anonym (Gebhard, Bruno): Facts about the Transparent Talking Woman, 25.9.1950, in: Dittrick Medical History Center: Nachlass Bruno Gebhard, BGP 7, 4–31, 1950–1972, unpag.; Seiring: Erinnerungen, S. 46. 95 Vgl. Gebhard, Bruno: Personal Notes on my European Trip 1950, in: Dittrick Medical History Center: Nachlass Bruno Gebhard, B 17, 7.14a; Anonym: Das größte Wunder; Seiring, Georg: Die Auslandsarbeit des Deutschen Gesundheits­Museums, 19.4.1954, in: BArch, B 142/2016, 1952– 1960, unpag. 96 Zur Kooperation zwischen Seiring und Gebhard bis zur Mitte der 50er Jahre siehe: Vorstands­ sitzung, 1.4.1954, in: BArch, B 310/341, unpag. 97 Vgl.  Sammer: Durchsichtige Ganzkörpermodelle; Hicks, Megan/Sear, Martha: Prescribing Salutary Instruction at the Museum, in: Davison, Graeme/Webber, Kimberley (Hrsg.): Yester­ day’s Tomorrows. The Powerhouse Museum and its Precursors 1880–2005, Sydney 2005, S. 68– 81, 268–269.

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Abb. 4: Eine Frau erkennt ihr Innerstes. Abbildung der ersten „Gläsernen Frau“ des DGM in einem Werbeprospekt des britischen Tourismusverbandes auf der British Food Fair 1950 in London.

an Gebhards Person und Position in der Nachkriegszeit nachzeichnen lässt, ist eine Amerikanisierung, verstanden als Anerkennung der US­amerikanischen Gesundheitsaufklärung als Bezugspunkt westdeutscher Rezeptionen. Dagmar Ellerbrock hat dies eine „Neukontextualisierung“ deutscher Legitimationswei­ sen und Abgrenzungen genannt.98 Die Konstellation, von einem ehemaligen Mitarbeiter und seinem Gesundheitsmuseum lernen zu können, spiegelte genau diese rhetorische Neuausrichtung bundesrepublikanischer Verhältnisse auf die USA wider. Das wurde auch dadurch leichter, dass das Original des Clevelander Museums in Dresden gestanden hatte und hygienische Volksbelehrung wie auch

98 Vgl. Ellerbrock: Healing Democracy, S. 445–459, insbesondere S. 453–456. Vgl. ebenso: DoeringManteuffel: Wie westlich sind die Deutschen; Möller, Frank/Doering-Manteuffel, Anselm: Der Kampf um „Frieden“ und „Freiheit“ in der Systemrivalität des Kalten Krieges, in: Möller, Frank/ Mählert, Ulrich (Hrsg.): Abgrenzung und Verflechtung. Das geteilte Deutschland in der zeithistori­ schen Debatte, Berlin 2008, S. 29–42; Doering-Manteuffel: Amerikanisierung und Westernisierung.

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ihre Organisationsform als Museum plausibel als deutsche Originale dargestellt werden konnten.99 Die Amerikanisierung der hygienischen Volksbelehrung war also eine sanfte. Im Kern beschränkte sie sich auf die Forderungen nach einer Stärkung zivilgesellschaftlicher Inititativen von unten sowie danach, durch Schlüsselexponate wie die „Gläserne Frau“, durch begreifbare, multisensori­ sche und interaktive Exponate und durch regelmäßig Neues und Wechselvolles größeres Gewicht auf die Aufmerksamkeitsökonomie der Besucher zu legen. Das waren Kriterien der Ausstellungsgestaltung, die durch ihren Fokus auf die Besu­ cher*innen das Augenmerk auf Dynamik, Anschaulichkeit und Involvierung setzten und in den Wissenschaftsmuseen der USA seit den 30er Jahren – auch als Import aus den Ausstellungen des Hygiene­Museums – wirkmächtig gewor­ den waren.100

Mehr Kontinuität als Aktualisierung und die Ausklammerung der nationalsozialistischen Vergangenheit Auch für Seiring standen die „Gläsernen Figuren“ für ein innovatives und in den Augen der Betrachtenden spektakuläres Schlüsselobjekt, welches das aufklä­ rende Bemühen um Gesundheit repräsentierte. Sie symbolisierten eine hygieni­ sche Volksbelehrung, die Seiring nicht nur an die eigene Tradition anknüpfte, sondern auch mit politischen Leitsemantiken assoziierte: Das Deutsche Gesundheits­Museum in Köln für die Westzonen ist […] Mittler und Sprach­ rohr eines Volkes, das sich auf dem Gebiet der Gesundheitsarbeit zu einer europäischen Zusammenarbeit bekennt. […] Seine Aufgabe ist […] eine internationale. Es muß alle Men­ schen, so verschieden sie auch sein mögen, ansprechen. Es soll Aufklärung geben über das Leben des Menschen und seine Gesundheit. In gleicher Weise soll es aber auch die Menschen über die Gefährdung ihrer Gesundheit aufklären, ihnen Wege zu deren Erhaltung aufzeigen und sie zu selbstverantwortlichem gesundheitlichem Handeln erziehen.101

In seinem Museumsexposé verwendete Seiring gleich mehrere stark aufgeladene Begriffe aus dem Bedeutungsfeld kollektiver Ordnung. Nicht nur reklamierte er die Zuständigkeit seines einen kommunikativen Auftrag erfüllenden Museums für

99 Vgl. Deutsches Gesundheits-Museum/Göllner: Deutsches Gesundheits­Museum Köln, 1954. 100 Vgl.  Rader/Cain: Life on Display,  S.  153–199; Sappol, Michael: Body Modern. Fritz Kahn, Scientific Illustration, and the Homuncular Subject, Minneapolis, MN 2017, S. 141–146. 101 Seiring, Georg: Das Zentralinstitut für gesundheitliche Aufklärung. Deutsches Gesundheits­ Museum e. V, in: BArch, B 142/402, Bl. 549f.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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die Westsektoren, wodurch er sowohl für dieses einen überregionalen Stellenwert in Anspruch nahm, als auch den provisorischen Charakter der Bundesrepublik unterstrich – Worte wie Nation, Republik oder Staat vermeidend. In mehrfacher für die Zeitgenossen deutlicher Abgrenzung vom Nationalsozialismus bekannte er sich zur europäischen – gar internationalen – Zusammenarbeit und betonte die Verschiedenheit der nunmehr mit dem universalisierenden Begriff der Men­ schen bezeichneten Adressaten der hygienischen Volksbelehrung. Er rief ihre Selbstverantwortung als Erziehungszweck seines Museums an, was gleichwohl nicht die Förderung individueller Autonomie, Selbstbestimmung, zur Zielgröße erklärte. Das Verantwortungsverhältnis zwischen Individuum und Kollektiv blieb einseitig zugunsten des sozialen Zusammenhangs gedeutet. Denn die Ausstellun­ gen des Deutschen Gesundheits­Museums, so Seiring weiter, würden das Wissen vermitteln, damit die Einzelnen „ihren hygienischen Verpflichtungen gegenüber ihrer Umgebung und ihrem Körper nachkommen könnten.“102 Mit der Benen­ nung als „unpolitische Aufbauarbeit“103 distanzierte er darüber hinaus sich und seine hygienische Volksbelehrung von all dem, was 1950 als nominell politisch gedacht wurde – und damit nicht nur von kollektiv verbindlichen Ordnungssys­ temen und ­praktiken der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch vom Alltag der Politik. Seine Depolitisierungsstrategie beanspruchte für sein Museum, dessen Auftrag und Praktiken eine überpolitische Position.104 Wurden in der Beziehung zwischen Individuum und Kollektiv die Grenzen Seirings semantischer Erneuerung angedeutet, so wurden sie in seiner Bezeich­ nung des sozialen Zusammenhangs noch deutlicher. Auf den Begriff des Volkes konnte der Leiter des Gesundheits­Museums nicht verzichten. Mit Blick auf seine inklusive Menschensemantik, knüpfte er damit weniger an ein Verständnis des Volkes als ein nach rassistischen Kriterien ausgrenzend und mit tödlicher Gewalt zu Schaffendes an, als an die utopischen gemeinschaftlichen Einheitshoffnun­ gen, die der Begriff in der Weimarer Republik nach Revolution und Bürgerkrieg im politisch linken wie rechten Spektrum zu tragen vermocht hatte. Gleichwohl klang aber in Seirings Aussage, vorrangiges Ziel der Aufklärungsbemühungen seines Museums müsse es sein, dem deutschen Volk „seine Substanz“105 zu

102 Ebd., Bl. 550. 103 Ebd., Bl. 548. 104 Vgl.  konzeptionell zu sprachlichen Depolitisierungsstrategien in der Geschichte der Me­ dizin (und am Beispiel der Bakteriologie aufgezeigt): Weidner: Die unpolitische Profession,  S. 19–22, 238–242. 105 Seiring, Georg: Das Zentralinstitut für gesundheitliche Aufklärung. Deutsches Gesundheits­ Museum e. V., in: BArch, B 142/402, Bl. 550.

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erhalten (was für Seiring bedeutete, eine Dreikinderehe zu propagieren), die na­ tionalsozialistische Bedeutungsaufladung des Begriffs Volk als vorstaatliches Kollektiv nach.106 Seirings populationsbezogene, pronatalistische Gesundheitsaufklärung sollte  – dem Dresdner Vorbild folgend – von den Exponaten, Lehrmitteln und Publikationen aus den eigenen Werkstätten bzw. dem eigenen Verlag getragen werden.107 Die aus Dresden bekannten Lehr­ und Schauexponate sollten nach Dresdner Vorbild durch die unterschiedlichen und miteinander verschränkten Organisationsglieder des Museums nicht nur medizinische und fürsorgerische (Fach­)Öffentlichkeiten erreichen und an Einrichtungen der Kinder­ und Erwach­ senenbildung sowie der gesundheitlichen Fürsorge verkauft werden. Sie sollten unter anderem durch die eigenen Ausstellungen auch in eine massenmediale, breite Öffentlichkeit ausstrahlen.108 Auch eine ursprünglich von der „Waschmitte­ lindustrie“ geforderte Prüfstelle für hygienische Artikel sollte am Museum gegrün­ det werden (vgl.  Abb.  5).109 Den passenden Grundstein für Realisierung dieses Museumsplans hatte nun die Große Gesundheits-Ausstellung zu legen. Mit der vor­ gesehenen Kerngruppe Der Mensch – das Wunder des Lebens schloss Seiring the­ matisch direkt an den lebenswissenschaftlichen Nukleus des Deutschen Hygiene­ Museums 1911 und semantisch an eine Ausstellung aus dem Jahr 1935 an.110 Mit der Großen Gesundheits-Ausstellung rezipierte Seiring die Vergangen­ heit der hygienischen Volksbelehrung umfassend – auch die jüngere. So griff er ausgiebig auf die Ausstellung Das Wunder des Lebens zurück, die vom 23. März bis zum 5.  Mai  1935 in den Berliner Messehallen gezeigt worden war und deren anatomisch­physiologischer Teil anschließend unter unterschiedlichen Bezeichnungen als Wanderausstellung durch Europa und ab 1939 durch die besetzten Staaten getourt war.111 Die Exposition als reine nationalsozialistische

106 Vgl. zur Geschichte des Begriffs Volk: Wildt, Michael: Volk, Volksgemeinschaft, AfD, Ham­ burg 2017, S. 51–90. 107 Vgl. Kap 1.1 (Organisationsstruktur) sowie zum Verlag des Gesundheits­Museums: Abschrift: Gründung des Verlages Deutsches Gesundheits­Museum G.m.b.H., o. D. und Dritte Verwaltungs­ anordnung vom 30.5.1951, in: BArch, B 142/1997. 108 Vgl. Seiring, Georg: Das Zentralinstitut für gesundheitliche Aufklärung. Deutsches Gesundheits­ Museum e. V, in: BArch, B 142/402, Bl. 552–554. 109 Vgl.  Brief Seirings an Finanzministerium, o.  D. (Januar/Februar 1950), in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 156. 110 Der andere bestand in der historisch­ethnologischen Abteilung der I. IHA 1911 in Dresden (Der Mensch). Siehe hierzu: Stein: Organising the History of Hygiene; Steller: Volksbildungsinsti­ tut und Museumskonzern, S. 77–105. 111 Dieser Ausstellungsteil wurde unter den Namen Das Wunder des Lebens, Das Leben oder Der Mensch (siehe Kap.  1.2) in diversen deutschen Städten, 1938 in Wien und vor 1939 in den

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Abb. 5: Aufgaben des DGM, o D. (September 1950).

Propagandaausstellung abzuqualifizieren, würde jedoch zu kurz greifen. Denn dies würde sie nur anhand der narrativen Rahmung durch Rassenhygieniker und Funktionsträger des Nationalsozialismus bewerten und diesen selbst monoli­ thisch darstellen. Es würde auch verdunkeln, wie die charakteristische Verqui­ ckung unterschiedlicher Interessen und Traditionen organisatorisch, personell oder gestalterisch genau funktionierte.112 Zur Ambivalenz der Ausstellung gehörte die Raumgestaltung. Über den ver­ antwortlichen Bauhaus­Designer Herbert Bayer (1900–1985) ging in diese ein Gutteil der Raum­ und Bildsprache des sowjetischen Avantgardisten Eliezer

Niederlanden, Österreich, Griechenland, Türkei, Bulgarien, Rumänien, Luxemburg und ab 1939 in der ehemaligen Tschechoslowakei, Polen und im Sommer 1944 in Spanien gezeigt. Vgl. Budig: Formen der Ausstellung, S. 84–92. 112 Entgegen also Schultze: Visuelle Repräsentation der Diktatur,  S.  122; Vgl.  ebenfalls: Kivelitz, Christoph: Die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen. Konfrontation und Ver­ gleich: Nationalsozialismus in Deutschland, Faschismus in Italien und die UdSSR der Stalinzeit, Bochum 1999, S. 97–104.

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Lissitzkys ein.113 Als „dynamisches Raumdesign“ systematisiert ging diese mit Bayer zusammen am Ende der 30er Jahre in die USA.114 Von dort kam diese und ihre fotografische Visualität wieder zurück in die Ausstellungen, die die Exhibi­ tion Section des OMGUS entwarf oder aus den USA importierte – und schließlich in Form der Ausstellung Vom Glück des Menschen (1967) in die DDR.115 Darüber hinaus verbanden lebensphilosophische Zielstellung und Rhetorik die beiden Ausstellungen und diese mit dem ursprünglichen Konzept der hygienischen Volksbelehrung, die angesichts der Wunderhaftigkeit des Lebens Ehrfurcht erwe­ cken und darüber eine gesundheitliche Verpflichtung der Besucher sich selbst und dem Volke gegenüber befördern sollten – Rahmungsfragmente der hygieni­ schen Volksbelehrung seit Lingner und Vogel/von Roderich. Es lag wohl an diesen politischen Uneindeutigkeiten, dass Seiring so massiv auf eine ehemalige Ausstellung des Hygiene­Museums aus dem Jahr 1935 zurück­ griff. Und pragmatische Gesichtspunkte der Konzeption, Exponatbeschaffung und des ­arrangements trugen dazu vermutlich genauso bei wie die Person Bruno Gebhards, der für die wissenschaftlichen Abteilungen der Ausstellung gesamt­ verantwortlich gezeichnet hatte, und nun die von Seiring so stark gemachte unpolitische Aufbauarbeit und Westanbindung der hygienischen Volksbelehrung zertifizierte.116 So ermöglichte Gebhard zusammen mit Seirings rhetorischem Mühen, sein Museum und seine Ausstellung neu zu rahmen, an Überkomme­ nes anzuschließen – und die Verstrickungen Seirings, seines Museums und der hygienischen Volksbelehrung in das nationalsozialistische Regime und dessen Gesundheitspolitik auszusparen. Dieser Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit korrespon­ dierte mit dem weithin pejorativen Politikverständnis in der Bezugsprofession der Ärzteschaft. Diese hatte professionalisierungsstrategisch im Rahmen von

113 Vgl. oben, Kap. 2.1. 114 Vgl. hierzu knapp: Tymkiw: Den Körper spielerisch erkunden. 115 Vgl. Ribalta: Introduction; Pohlmann, Ulrich: El Lissitzky’s Exhibition Designs: The Influence of his Work in Germany, Italy, and the United States, 1923–1943, in: Museum d’Art Contemporani de Barcelona/Ribalta, Jorge (Hrsg.): Public Photographic Spaces. Exhibitions of Propaganda from “Pressa” to “The Family of Man”, 1928–1955, Barcelona 2008, S. 166–191; Kühne: Amerikanische Reeducation­Ausstellungen in Deutschland; Goodrum, Sarah: A Socialist Family of Man. Rita Maahs’ and Karl­Eduard von Schnitzler’s exhibition ›Vom Glück des Menschen‹, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 12/2015, S. 370–382. 116 Vgl.  Gebhard, Bruno: Rundgang, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-G.m.b.H. (Hrsg.): Amtlicher Führer durch die Ausstellung Wunder des Lebens, Berlin 1935, S. 141–156; Ders.: „Das Wunder des Lebens“. Ausstellung Berlin 1935, in: Messe und Ausstellung 17/1935, S. 1–4; Ders.: Im Strom und Gegenstrom, S. 90–99.

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Rassen­ und Sozialhygiene gleichwohl Deutungshoheit über bevölkerungs­ bzw. sozialpolitische Problematisierungen reklamiert, szientokratische Lösungsan­ sätze versprochen und sich teilweise tief in nationalsozialistische Verbrechen verstrickt.117 Nach 1945 sollte die Rückbesinnung auf die ältere Politikferne – allen voran durch die Präsentation der eigenen Naturwissenschaftlichkeit und dem ethischen Verweis auf die eigene humanistische Grundorientierung – die Ablenkungs­, Rückzugs­ und Rechtfertigungskämpfe der Profession gegenüber ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit vorstrukturieren.118 Ganz in diesem Sinne behauptete Seiring im Vorfeld der Ausstellung auf der ersten Sitzung des wissenschaftlichen Beirats des Gesundheits­Museums im März 1950, seit 1933 keinerlei eigene Pläne in Dresden umgesetzt zu haben, da ihm ein „Kommissar“ vorgesetzt worden sei.119 In seinen 1961 festgehaltenen Erinnerungen relativierte dies Seiring und gestand ein, dass ihm „ein Staatskommissar beigeordnet [wurde, C.S.], der mich aber frei arbeiten ließ.“120 Dafür behauptete er nun, „schwierige Darstellungen rassischer Art von den Ausstellungen“ ferngehalten zu haben.121 Doch Seiring simplifizierte an beiden Stellen seine Rolle. Denn zum einen unterschlug er die außerordentlich hohe Bereitschaft des Museumsvorstandes zu seiner Selbstgleichschaltung.122 Im Zuge dessen übernahmen nicht nur immer mehr erklärte Rassenpolitiker und ­hygieniker Ämter im Museum. Schließlich

117 Vgl. Weidner: Die unpolitische Profession, S. 288–328, 347–363. 118 Vgl. Topp, Sascha: Geschichte als Argument in der Nachkriegsmedizin. Formen der Verge­ genwärtigung der nationalsozialistischen Euthanasie zwischen Politisierung und Historiogra­ phie, Göttingen 2013. Zu den personellen und konzeptionellen Kontinuitäten der westdeutschen (kursorisch auch der ostdeutschen) Sozialhygiene/Sozialmedizin siehe allgemein: Hubenstorf, Michael: Sozialhygiene, Staatsmedizin, Public Health – Konzeptwandel oder deutscher Sonder­ weg?, in: Schagen, Udo/Schleiermacher, Sabine (Hrsg.): 100 Jahre Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland, Berlin 2005, S. 1–27, S. 24–27. 119 Bericht über die 1. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Gesundheits­ museums, 29.3.1950, in: BArch, B 142/1997, hier S. 1. Zur Historisierung der Sozialhygiene kur­ sorisch: Labisch, Alfons/Woelk, Wolfgang: Geschichte der Gesundheitswissenschaften, in: Hurrelmann, Klaus/Laaser, Ulrich (Hrsg.): Handbuch Gesundheitswissenschaften. Neuausgabe, Weinheim u. München 1998, S. 49–89. 120 Seiring: Erinnerungen, S. 38. Vgl. ebenfalls: ebd., S. 38–43. 121 Ebd., S. 38. 122 Das betraf den bereitwilligen Rücktritt aller Vorstandsmitglieder im Mai 1933, die freiwillige Anwendung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums sowie Seirings Bereit­ schaft, eine politische Prüfung des Museumspersonals vornehmen zu lassen. Vgl. Ergebnispro­ tokoll der Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses, 8.5.1933, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13686, Nr.  51,  Bl.  4–6; Protokoll der Vorstandssitzung, 12.5.1933, in: Hauptstaatsarchiv Dres­ den, 13686,  Nr.  48,  Bl.  1–4; Protokoll der Vorstandssitzung des Deutschen Hygiene­Museums, 29.5.1933, in: ebd., Bl. 8–11.

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zog auch das Rassenpolitische Amt der NSDAP in Sachsen ins Museumsge­ bäude, dessen Leiter Hermann Vellguth (1906–1958) zunächst die Abteilung Erb­ und Rassenpflege übernahm. 1934 wurde darüber hinaus die Hygiene­ in die Staatsakademie für Rassen­ und Gesundheitspflege überführt.123 Zum anderen apostrophierte Seiring das nationalsozialistische Personal als eine Gruppe mit einer geschlossenen Gegenposition zu seiner eigenen. In der Rückschau stellt sich diese jedoch diffus und dynamisch dar. Das war auf die Kompetenzkonflikte zwi­ schen Partei und Staat, einzelnen Parteigruppierungen und Stellen des ÖGD auf der Stadt­, Landes­ und Reichsebene zurückzuführen. Seiring verschwieg, dass er zusammen mit dem neuen Vorsitzenden, dem Staatskommissar für das Gesund­ heitswesen im sächsischen Innenministerium Ernst Wegner, 1935 den tragfähi­ gen Kompromiss für die Kompetenzstreitigkeiten ausgehandelt hatte: Deutsche Arbeitsfront und Nationalsozialistische Volkswohlfahrt traten den Trägern des Museumsvereins bei und sollten garantieren, „die Sammlungen des Museums den Gedankengängen der nationalsozialistischen Bewegung anzupassen“124, indem sie Rassenhygiene und Eugenik in die Sammlung und die Ausstellungen des Museums einpflegten. Seiring erwähnte in seiner Legendenbildung auch nicht, dass er noch 1937 völkische Semantik nutzend für das Museum warb.125 Er verschwieg, dass er im Arbeitsausschuss beziehungsweise im Präsidium der Aus­ stellungen Das Wunder des Lebens 1935 und Gesundes Leben – Frohes Schaffen 1938 saß oder, dass er bis 1943 als Präsident des Hygiene­Museums regelmäßig an den Sitzungen des Vorstandes teilnahm und deren Protokolle unterzeichne­ te.126 Und weder autobiografisch noch in der Binnenöffentlichkeit des Museums wiederholte Seiring, was er 1945 Rudolf Neubert rückblickend geschrieben hatte: „Wir haben das Rassenproblem überspannt.“127 Genau diese Aussage bringt zum Ausdruck, dass in Seirings Augen die museale Volksbelehrung des Museums fort­ gesetzt werden konnte, sobald sie diesen thematischen Fokus ablegte. Vor dem Hintergrund erschien eine Neuauflage von Das Wunder des Lebens für die Verfesti­ gung des Museumsentwurfes nicht nur möglich, sondern auch verheißungsvoll – sofern die rassenhygienischen „Überspannungen“ herausgenommen würden. 123 Zur sukzessiven Gleichschaltung des Museums und dem involvierten Personal vgl. Stephan: Das Dresdner Hygiene­Museum, 1986, S. 414–422, 430–431, 438–440, 445–447. 124 Protokoll der Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses, 25.4.1935, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13686, Nr. 51, Bl. 23. 125 Seiring: Ursprung hygienischer Volksbelehrung. Vgl. Abb. 3. 126 Vgl.: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-G.m.b.H.: Wunder des Lebens, S. 6; Dies. (Hrsg.): Gesundes Leben. Frohes Schaffen. Amtlicher Katalog für die Aus­ stellung, Berlin 1938, S. 5; Protokoll der Vorstandssitzung des Deutschen Gesundheits­Museums, 14.5.1943, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13656, Nr. 49, 1935–1943, Bl. 47–49. 127 Seiring an Neubert, 31.12.1945, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 140.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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Anstatt die „Zusammenhänge von Einzelwesen, Sippe, Volk und Rasse“128 zu verdeutlichen, wie der Rassenhygieniker Gottfried Frey (1871–1952) in seinem Standardlehrbuch die Aufgabe der hygienischen Erziehung definiert hatte, erhob Seiring nun das im semantischen Feld der christlichen Demut angesiedelte „Dienen“ zur Leitvokabel, um den Körper des Individuums mit demjenigen des Volkes und der Völkergemeinschaft zu einem Ordnungsmodell für das (biologi­ sche und soziale) Leben und seiner Aufklärungspraxis zu verbinden. So betonte er in seinen einleitenden Äußerungen im Katalog der Großen GesundheitsAusstellung, dass „gerade das Dienen miteinander in unserem Körper auch den Irrtum ausrotten [sollte, C.S.], als ob im Leben der Gesamtheit etwas anderes helfen könnte, als das Dienen miteinander.“129 Demütiges Dienen aus Ehrfurcht vor dem Leben und für das Leben – diese christliche Semantik umriss die Moral der Kölner Gesundheitsausstellung 1951. Seiring wiederholte damit nicht nur Karl August Lingners Diktum vom Menschen als Organisationsvorbild sowie Martin Vogels und Roderich von Engelhardts Wirkungsannahme der hygieni­ schen Volksbelehrung über das ehrfurchtsvolle Erkennen der Wunderhaftig­ keit des Lebens. Seiring nutzte auch die durch Albert Schweitzer (1875–1965) im medizinischen Kontext christlich­charitative Aufladung der Worte Wunder und Ehrfurcht.130 Es war die durchwegs bürgerlich­romantische und bisweilen etatis­ tische Rahmung seiner visuellen Gesundheitsaufklärung und ihrer Objekte als Mittel einer sittlichen Bildung der Besucher, an die Seiring 1951 anzuschließen versuchte und damit sich, seinem Museum und der hygienischen Volksbelehrung insgesamt einen vom Politischen distanzierten Ort zuweisen wollte. Doch durch ihre Auswahl und Rahmung waren die Volksbelehrung und ihre Objekte niemals unpolitisch gewesen.

128 Frey: Hygienische Erziehung, S. 18. Das Buch Freys erschien bis 1940 in jeweils erweiterten – und zunehmend ideologisierten – Fassungen, ab 1934 in der Handbücherei für den ÖGD. Vgl. zu Frey: Labisch, Alfons/Tennstedt, Florian: Der Weg zum „Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ vom 3.  Juli 1934. Entwicklungslinien und ­momente des staatlichen und kommunalen Gesundheitswesens in Deutschland, Düsseldorf 1985, S. 407 f.; Süß, Winfried: Der „Volkskörper“ im Krieg. Gesundheitspolitik, Gesundheitsverhältnisse und Krankenmord im na­ tionalsozialistischen Deutschland 1939–1945, München 2003, S. 465. 129 Seiring, Georg: Wesen und Ziele der Großen Gesundheits­Ausstellung und des Deut­ schen Gesundheits­Museums in Köln, in: Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches Gesundheits-Museum Köln (Hrsg.): Große Gesundheitsausstellung Köln 1951, Köln 1951, S. 19. 130 Vgl. Günther, Siegwart­Horst/Götting, Gerald: Was heißt Ehrfurcht vor dem Leben? Begeg­ nungen mit Albert Schweitzer, Berlin 2005; Hauskeller, Michael (Hrsg.): Ethik des Lebens. Albert Schweitzer als Philosoph, Zug 2006.

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Die Große Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben, 1951 Die Große Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben fand zwischen dem 23. Juni und dem 12. August 1951 auf dem alten Messegelände der Stadt Köln am Rhein­ park statt. Sie war nach einer ersten Wanderausstellung des Museums mit dem Titel Gesundes Leben (Juni 1950 in Münster), die erste Bewährungsprobe des Gesundheits­Museums – ein munteres Stelldichein von neun internationalen und 19 nationalen fürsorgerischen und gesundheitspolitischen Vereinen und Verbänden.131 Hinzu kamen Selbstdarstellungen der Bundesverwaltung sowie von 29 kommunalen Gesundheitseinrichtungen und acht Bundesländern. Die Veranstaltung wurde durch insgesamt 60 wissenschaftliche Vorträge, für die zwei Kongresssäle zur Verfügung standen, sowie die Präsentation von vorrangig medi­ zintechnischen Geräten und durch die Stände von 201 industriellen Ausstellern abgerundet, die gesundheitsrelevante Erzeugnisse vorführten.132 Sie erreichte damit ein Ausmaß, das einem Viertel der II. IHA 1930/31 in Dresden entsprach.133 Sechs der insgesamt acht Hallen waren mit Gruppen des Gesundheits­Museums bespielt. Diese teilten sich den Platz jeweils mit Schaustellungen und Ständen von unterschiedlichen Medizin­ und Sozialverbänden und Vertretern aus Indus­ trie und Wirtschaft. Aufgegliedert war die Schau des DGM in mehrere Abteilun­ gen. Eine Ehrenhalle verdienter Mediziner „als Schrittmacher der Heilkunde“134 der Medizin diente als thematischer Prolog und räumlicher Eingangsbereich. Dieser monumentalisierende Beginn der Exposition rekurrierte auf die Gestal­ tung des Hygiene­Museums in Dresden, wo seit 1930 in der Wandelhalle der Bel­ etage Büsten berühmter Mediziner präsentiert wurden.135 An sie schlossen sich

131 Vgl.  zur Ausstellung in Münster: Sozialministerium NRW an Finanzministerium NRW, 12.6.1950, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 136. 132 Vgl.  Bericht über die Große Gesundheits­Ausstellung in Köln 1951, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 945, Nr. 142, 1951. 133 Eigene Berechnung aus: Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches GesundheitsMuseum Köln: Große Gesundheitsausstellung; Seiring: Große Gesundheits­Ausstellung. Stand der Vorarbeiten, 4.1.1951, in: BArch, B 142/402, Bl. 51. 134 Seiring: Wesen und Ziele der Großen Gesundheits­Ausstellung und des Deutschen Gesundheits­Museums in Köln, in: Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches Gesundheits-Museum Köln: Große Gesundheitsausstellung,  S.  18 und elaboriert in: Venzmer, Gerhard: Große Ärzte und Schrittmacher der Heilkunde, Köln 1954. Zu Gerhard Venzmer (1893–1986): Nolte, Mathis: „Der Mensch und sein Leben“. Zur Popularisierung nationalsozia­ listischer Körperbilder und Körperkonzepte in Gerhard Venzmers „Volksbuch vom menschli­ chen Körper“, Bielefeld 2013. 135 Vgl. Schulte: Das Deutsche Hygiene­Museum in Dresden, S. 201–204; Steller: Volksbildungs­ institut und Museumskonzern, S. 407ff.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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die Abteilungen Die Lehre des Lebens (Physiologie und Anatomie des menschli­ chen Körpers), Träger des Lebens (Gesundheit und Gesunderhaltung der Frau), Entwicklung des Lebens und die Erhaltung des Lebens (Pathogenese, Behandlung und Prävention von „Volkskrankheiten“) sowie Die Stätten des Lebens (kommu­ nale Leistungen im Bereich der Hygiene) an. Ergänzt wurden diese durch die Sonderschauen Die Welt der Frau und Die Welt des Kindes. Ferner umfasste die Ausstellung ein sogenanntes Staatenhaus mit Teilschauen der Bundesländer, welche die Geschichte und die Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in der Bundesrepublik darstellten (vgl. Abb. 6).136 1935 hatte eine nahezu identische Aufteilung eine Narration im Raum arran­ giert, nach der die Masse der in ihrer Funktionalität dargestellten einzelnen menschlichen Körper über die zu fördernde Reproduktion in den Bevölkerungs­ körper überging. Individuelle und kollektive Körper wurden als durch Krankhei­ ten bedrohte dargestellt, was aber präventiv wie kurativ gebändigt werden konnte, was Sache jedes Einzelnen, der Medizin und einer durch Regulations­ und Für­ sorgearbeit im Öffentlichen Gesundheitswesen realisierten Hygiene sei. Die Leit­ bilder der „Volksgemeinschaft“ und des „Führerprinzips“ waren darin geschickt mit Erkenntnissen aus der biologischen Forschung verquickt und den Besuchern als angeblich natürliche Gesetzmäßigkeit vor Augen geführt worden.137 In einer Traditionslinie mit den früheren Hygiene­Ausstellungen glich die Ausstellung von 1951 eher einer Gewerbe­Ausstellung. Gleichwohl wurden ihre „ideellen Teile“, also diejenigen, die das Gesundheits­Museum verantwortet hatte und die als nicht kommerziell galten, ausgegliedert und anschließend in mehreren westdeutschen Städten, vom 12. bis 25. Oktober sowie vom 5. bis zum 18. November des Jahres beispielsweise in Frankfurt am Main, präsentiert.138 Die Große Gesundheits-Ausstellung bediente also das Bedürfnis nach Information, Unterhaltung und kommerzieller Präsentation zugleich.

136 Vgl.  Seiring an Finanzministerium NRW, o.  D. (Januar/Februar 1950), in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 161. 137 Vgl. zur Narration der Ausstellung: Gütt, Arthur: Neuordnung des Gesundheitswesens, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-G.m.b.H. (Hrsg.): Amtlicher Führer durch die Ausstellung Wunder des Lebens, Berlin 1935, S. 12–16; Reiter, Hans: „Gesundes Volk“, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-G.m.b.H. (Hrsg.): Amtlicher Führer durch die Ausstellung Wunder des Lebens, Berlin 1935, S. 17–20. 138 Vgl. zur Organisation der Frankfurter Ausstellung, die von den lokalen Ämtern für Gesun­ dheit, Schule, Verkehr und Wirtschaft mit spezifischen Frankfurter Beispielen bei den Exponaten versorgt wurde, den Schriftwechsel im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, MA 8.133.

Abb. 6: Gliederung der DGM-Gruppen auf der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben 1951.

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2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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Unter dem Symbol der auf der Seite liegenden Sanduhr, des angehaltenen Zeitverlaufs des Lebens im Gleichgewicht, sollte die Ausstellung das Gesundheits­ Museum in der Bundesrepublik der 50er Jahre etablieren (vgl. Abb. 7). Dafür musste das Museum für Interesse an der Ausstellung sorgen, wofür Vielfalt und Abwechs­ lung unabdingbar waren: Vereine und Verbände, die Sonderschauen entwarfen und präsentierten; Firmen, deren attraktives Image und spektakuläre Produkte anzogen, eine breite Besucherwerbung über Plakate, Prospekte, Preisnachlässe, Reportagen und Ankündigungen im Rundfunk sowie in den Printmedien, akquirierte Studienkommissionen und Abordnungen sowie Sonderzüge nach und ab Köln.139 Wissenschaftler*innen wurden gebraucht, die ihre Geräte bzw.

Abb. 7: Ausstellungsplakat Ein Ja dem Leben.

139 Vgl.  Seiring, Georg: Große Gesundheits­Ausstellung. Stand der Vorarbeiten, 4.1.1951, in: BArch, B 142/402, Bl. 51–60. Zur Organisation der Fortbildungsveranstaltung der Berufsorganisa­ tion der Jugendwohlfahrt am 7.7.1951 auf der Großen Gesundheits-Ausstellung siehe: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 41, Nr. 196, 1951. Als Werbekanäle gewannen die Ausstellungsmacher vor allem die beiden Lokalzeitungen Kölnische Rundschau und den Kölner Stadt-Anzeiger. Für eine engere Öffentlichkeit der Mediziner berichteten sie als sichtbarer Absender im von medi­ zinischen und pharmazeutischen Berufsverbänden herausgegebenen Gesundheitsmagazin Du und die Welt.

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Erfindungen präsentieren wollten; Themenwochen, Redner, Tagungen und diverse andere Veranstaltungen, eine „Kölner Ladenstraße des Einzelhandels“, „billiges Essen, beschwingte Freude bei Spiel und Tanz; Unterhaltungskonzerte von 15:30 bis 18:30 Uhr, sonntags von 11 bis 13 Uhr, von 20 bis 24 Uhr Tanzmusik“, um die Ausstellung selbst in der Zeit zu variieren und zum lokalen Ereignis zu machen.140 Wie es zur Eröffnung Ende Juni 1951 in Der Fortschritt. Parteifreie Wochenzeitung für neue Ordnung affirmierend wie bewerbend hieß: „Die gesamte deutsche Volksgesundheitspflege mit ihren außerordentlichen Leistungen wissenschaft­ licher, organisatorischer und wirtschaftlicher Art findet in dieser beachtlichen Schau ihren Ausdruck.“141 In einem Wechselverhältnis von Geben und Nehmen erhielten die ausgewählten Teilnehmer die Möglichkeit, sich selbst darzustellen, womit sie wiederum nicht nur die Attraktivität, sondern auch das Netzwerk der Ausstellung vergrößerten, indem Zusagen weitere Beteiligungen wie in einem Schneeballsystem nach sich zogen.142 Das war es, worauf Seiring und die Inter­ essierten am Museum setzten – dass durch die Ausstellung in die Mitte dieses immer größer werdenden Netzwerks der Akteur gerückt wurde, der für die Expo­ sition stand – das Deutsche Gesundheits­Museum. So sollten beispielsweise alle fünf Spitzenvereine der bundesrepublikani­ schen Wohlfahrtsverbände (Deutsche Caritasverband, der Central­Ausschuss für die Innere Mission, das Deutsche Rote Kreuz, der Deutsche Paritätische Wohl­ fahrtsverband und die Arbeiter­Wohlfahrt) mit einem jeweils eigenständig gestal­ teten Stand anwesend sein. Nur die in diesem Jahr neu gegründete Zentralwohl­ fahrtsstelle der Juden in Deutschland fehlte.143 Wie auf der GeSoLei 1926 wollten die Verbände vor allem aufmerksamkeitsökonomische Effekte erzielen und boten Seirings Rahmung entsprechend gemeinschaftliche Integrationsbegriffe sowie neue Wertehierarchien an – gleichwohl ebenfalls unter Rückgriff auf national­ sozialistische Semantiken.144 Mit der christlich abgeleiteten Achtung des Lebens

140 Vgl.  dazu (und zur Woche der Frau) den Flyer: Die Große Gesundheits­Ausstellung Köln 1951; Sonderschau Die Welt der Frau, o. D. (1951), in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 41, Nr. 407, 1951, Bl. 8 sowie den Schriftverkehr zwischen dem Arbeits­ und Sozialministerium NRW und den Fürsorgerinnenverbänden des Landes, in: ebd.,  Bl.  2. Vgl.  zur Ausstellung als Arena der Dachverbandsgründung bspw.: Anonym: „Medizin­Mechanik“ tagte in Köln, in: Kölner Stadt­ Anzeiger, 4.7.1951, S. 11. 141 N. N., 26.6.1951, in: BArch, B 142/402, Bl. 267. 142 Vgl. für eine Auflistung der ausstellenden Vereine, Verbände und Firmen mit ihren Selbst­ präsentationen: Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches Gesundheits-Museum Köln: Große Gesundheitsausstellung, S. 25. 143 Vgl. ebd., S. 55–70, 115–117. 144 Vgl. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (Hrsg.): Schriften zur Großen Gesundheits­ ausstellung in Köln 1951, Frankfurt a. M. 1951, S. 13, 42.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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und der Pflicht zum Helfen sollte für den Paritätischen Wohlfahrtsverband nach der Hybris des Nationalsozialismus die Wohlfahrt wieder Ausgangspunkt einer Bewegung [sein, C.S.], die das gemeinschaftliche Leben nach dem Gesichtspunkte größerer Gerechtigkeit und Vollkommenheit ordnen will. Sie ist ein Mittel derer, die Klassengegensätze zu überwinden suchen und überzeugt sind, daß überkom­ mene Schuld nur durch persönliche Hingabe, nur durch Opfer und Liebe gutzumachen [ist, C.S.] […]. Das Mittel zur Gesundung einer schier entarteten, gefahrenvollen Welt.145

Angetan von Gerechtigkeit, Vollkommenheit, Dynamik und Gemeinschaft, offe­ rierte der Verband Opfer und Liebe als Heilmittel nicht nur gegen individuelle, sondern auch gegen implizierte kollektive Schuld – moralisch beurteiltem Fehl­ verhalten. Persönliche Hingabe könne darüber hinaus in einer – biologistisch essenzalisiert – entarteten Welt der Gegenwart neue Gemeinschaften ohne Klas­ sengegensätze – Gesundung – bewirken. Eine ähnliche Mischung aus fürsorgender Verpflichtung, christlicher Wer­ tegrundierung, der Sehnsucht nach Wiederaufbau einer (normalen) sozialen Ordnung und dem tastenden Entwurf eines integrativen Gemeinschaftsver­ ständnisses in deutlicherer Abgrenzung zum sozialistischen Gemeinschaftsent­ wurf als zum nationalsozialistischem brachte auch die Sonderschau Die Welt der Frau der Frauenorganisationen des Bundesgebietes zum Ausdruck.146 Eleonore Kraus aus dem Katholischen Deutschen Frauenbund übernahm die separate Selbstpräsentation. In zehn Kojen entwarf sie zum „volklichen Wiederaufbau“ eine Normalbiografie der Frau, die ihren Höhepunkt in der Verantwortung für Kinder und Familie und der „richtigen Kochtopfpolitik“147 erreichte. Helfende Bemühungen für Frauen auf dem Land müssten darüber hinaus „bedacht sein, einen Stamm gesunder Bauernfamilien zu erhalten und zu fördern […], alles nicht im Sinne des Ostens verstanden.“ Kraus betonte in der Kurzpräsentation des Standes des Weiteren die hygienische Gatekeeperfunktion der Frau, die „in der Hauptsache in einer vom Manne erschaffenen Welt“ und vor allem in

145 Ebd., S. 13. 146 An der Kollaboration beteiligten sich der Deutsche Frauenring, der Katholische Deutsche Frauenbund, die Arbeiterinnenberufsschule Köln, die Bildungsanstalt für hauswirtschaftliche Frauenberufe, der Landfrauenverband, die Deutsche Angestellten Gewerkschaft, der Verband der weiblichen Angestellten, das städtische Gesundheitsamt in Köln und die Stadtverordnete Sibilla Hartmann. Vgl. Anonym: Große Gesundheitsausstellung 1951 in Köln, 2014, http://wiki. frauengeschichtsverein.de//index.php?title=Gro%C3%9Fe_Gesundheitsausstellung_1951_in­ _K%C3%B6ln, 1.3.2020. 147 Kraus, Eleonore: Die Große Gesundheits­Ausstellung Köln 1951, in: Landesarchiv Nordrhein­ Westfalen, NW 41, Nr. 407, Bl. 8.

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„Frauenberufen“ zu Hause sei, „die sich aktiv der Volksgesundheit widmen.“ Und diese Elemente zusammengenommen – im Kern die pflegende Fürsorge für den Reproduktionskörper – mache die Frau zur idealen Friedensstifterin in der „Volks­ und Völkergemeinschaft“: „Der Völkerfriede ist das ureigenste Anliegen der Frau und das entscheidende Ja zum Leben überhaupt.“148 Kraus affirmierte damit entschieden eine Rahmung der Geschlechterverhältnisse, die um die Frau als Mutter gravitierten, welche dadurch besonderen Schutz, aber auch eine eng geführte Anleitung spezieller Hygienevorschriften, bedürfe.149 Genau dies, die Restauration patriarchaler Geschlechterverhältnisse durch die erneuerte hygie­ nische Volksbelehrung anzustreben, hatte Seiring in seinem Exposé bereits naturalisierend begründet: Vor allen Dingen wird es wichtig sein, der Frau wieder den ihr gebührenden Platz in Familie und Staat zu erkämpfen, der ihren körperlichen Eigenschaften entspricht. Im Mittelpunkt der Familie und des Staates steht die Frau als Mutter, und sämtliche anderen Gesichts­ punkte haben sich diesem unterzuordnen.150

Eine separate Kleinausstellung aus ca. 30 Bildertafeln über Kinder mit körperli­ chen Beeinträchtigungen unter dem Titel Trotzdem – Frohe Kinder ergänzte im Erdgeschoss der Halle VI als erste Unterabteilung Die Welt des Kindes. Als Bera­ terin hatten die Ausstellungsorganisatoren eine Düsseldorfer „Berühmtheit“, Emigrantin und Remigrantin, mobilisieren können. Die Pädiaterin Erna Eckstein­ Schlossmann (1895–1998), Tochter des für die Vor­ und Frühgeschichte des Hygiene­Museums wichtigen Dresdner Pädiaters und Sozialhygienikers Arthur Schlossmann (1877–1932),151 war der Thematik und den Gesundheitsausstellun­ gen des DHM seit Jahren verbunden und hatte sich auch dafür starkgemacht,

148 Alle Zitate in: ebd. 149 Vgl. zur Soziologie der Geschlechterdifferenz: Villa, Paula­Irene: Sexy Bodies. Eine soziolo­ gische Reise durch den Geschlechtskörper, Wiesbaden 2006 [2000]; zur Hygienisierung der Frau und des Reproduktionskörpers: Frevert: Fürsorgliche Belagerung; Planert: Planert: Körper, 2000 und der Umsetzung auf der Großen Gesundheits­Ausstellung 1951: Enzmann, Eleonore: Wegwei­ ser durch die Gesundheitsausstellung Ein Ja dem Leben, Frankfurt a. M. vom 12.–25. Okt. und vom 5.–18. Nov. 1951. Ein Rundgang durch die Gesundheitsausstellung, Köln o. J. (1951), S. 12–14. 150 Seiring, Georg: Das Zentralinstitut für gesundheitliche Aufklärung. Deutsches Gesundheits­ Museum e.V, in: BArch, B 142/402, Bl. 551. Seiring befand sich damit durchaus in Übereinstim­ mung mit anderen Akteuren der zeitgenössischen Gesundheitsaufklärung. Vgl. Meinecke, Georg: Erziehung zum gesunden Leben. Die Wertschätzung des Geschlechtlichen, in: Volksgesund­ heitsdienst 1/1950, S. 44–48, S. 47. 151 Vgl. Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern, S. 335.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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das Gesundheits­Museum in Düsseldorf zu gründen.152 Manche Behinderun­ gen könnten bei entsprechend aufgeklärter Fürsorge und Förderung vermieden werden. Auch ein „Krüppel“ könne Freude empfinden und seine Leistungsfä­ higkeit unter Beweis stellen, solange er sich nicht gehen lasse, so die zentrale Aussage der Ausstellung: „Der Wille ist die beste Prothese.“153 Das Deutsche Gesundheits­Museum entwarf die Ausstellung und kreierte ihr Design, Eckstein­ Schlossmann begutachtete diese und steuerte für deren weitere Verbreitung ihre Kontakte zur International Union for Child Welfare bei. Eckstein­Schlossmann schuf zusammen mit dem Gesundheits­Museum eine aus der Großen GesundheitsAusstellung auskoppelbare Wanderausstellung, die im Auftrag der Union 1951 in Stockholm und im folgenden Jahr in Wien und Graz gezeigt wurde.154 Die Große Gesundheitsausstellung bot nicht nur Vereinen und Verbänden, sondern auch Medizinern und Hygienikern eine Bühne für die Präsentation ihrer Personen und Erkenntnisse. Der Exposition liehen sie ihr Prestige und Image und ließen die Veranstaltung trotz ihres unterhaltungsaffinen und viel­ schichtigen Messecharakters als wissenschaftlich rahmen. Dies lässt sich an Gerhard Domagks (1895–1964) und Hermann Muckermanns (1877–1962) Auftrit­ ten zeigen. Domagk hatte mit seiner Sulfonamidforschung Ruhm und 1939 den Nobelpreis erworben und konnte 1951 als Vertreter der Wissenschaften für einen der drei Eröffnungsvorträge gewonnen werden.155 Die Aussage des Forschers der

152 Vgl.  Eckstein-Schlossmann, Erna/Johannsen, Lorenz Peter: „Eigentlich bin ich nirgendwo zu Hause“. Aufzeichnungen, Berlin 2012,  S.  184–242; sowie die Überlieferung Erna Eckstein­ Schlossmanns (Schriftwechsel, Fotografien und Drehbuch) zu dieser Ausstellung im Archivbestand des Deutschen Hygiene­Museums Dresden: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Au Nr. 1a, 1951, unpag. 153 Ebd., Tafel 5–6. Dieser Slogan stammt in leichter Variation vom Erziehungsdirektor des Oskar­Helene­Heims, Hans Würtz (1875–1958), als Aussage des einarmigen Kurt Hertel („Im üb­ rigen aber bin ich der Meinung, daß ein frischer und tapferer Arbeitswille die beste Prothese ist“). Vgl. Würtz, Hans: Der Wille siegt! Lebensschicksale neuertüchtigter Kriegsinvaliden, Bd. 1, Berlin 1916, S. 105. In diesen paradigmatischen Claim der Überwindungsausrichtung des „Krüp­ pelfürsorgediskurses“ stimmte auch der ärztliche Leiter der orthopädischen Privatanstalt in Berlin­Dahlem, Konrad Biesalski (1868–1930), ein: „Es gibt kein Krüppeltum, wenn der eiserne Wille vorhanden ist, es zu überwinden!“. Siehe hierzu: Biesalski, Konrad: Kriegskrüppelfürsor­ ge. Ein Aufklärungswort zum Troste und zur Mahnung, Leipzig u. Hamburg 1915, S. 4 und zum Oskar­Helene­Heim: Osten, Philipp: Die Modellanstalt. Über den Aufbau einer „modernen Krüp­ pelfürsorge“ 1905–1933, Frankfurt a. M. 2004. 154 Vgl. den Briefverkehr zwischen Erna Eckstein­Schlossmann, Hans Hoske und der Interna­ tional Union for Child Welfare im Sommer 1951, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Au Nr. 1a; Bericht über die Große Gesundheits­Ausstellung in Köln 1951, in: Landesarchiv Nordrhein­ Westfalen, NW 945, Nr. 142. 155 Vgl. Görlinger: Niederschrift der Sitzung des engeren Vorstandes des Deutschen Gesundheits­ Museums e. V. am 7.5.1951, in: BArch, B 142/400, hier S. 1.

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Bayer AG, „daß die Tuberkulose als Volksseuche in den Hintergrund getreten sei“156, waren dem Kölner Stadt-Anzeiger, der Zeit und dem Spiegel jeweils Mel­ dungen beziehungsweise Artikel wert.157 Domagk und die Ausstellungsmacher hatten nicht nur im Fall des Spiegels ein Multiplikatormedium erreicht, das sie im Vorfeld nicht für sich hatten einnehmen können. Im Nachrichtenmagazin wurden Ausstellung und Forscher miteinander verschränkt und in einen offen­ bar wichtigen Punkt der Medizingeschichte eingeschrieben, wovon letztlich die Medizin, Domagk und die Ausstellung profitierten.158 Das Wechselverhältnis von Geben und Nehmen zwischen Wissenschaftlern und Ausstellungsmachern lässt sich auch am öffentlich weniger beachteten Vortrag Muckermanns nachzeichnen.159 Als einer der wenigen Anthropologen und Eugeniker, von dem zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass seine Karriere unter den Nationalsozialisten gelitten hatte – hatte er zwar noch das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ maßgeblich initiiert, so hatte er 1933 seinen Posten als Abteilungsleiter im Berliner Kaiser­Wilhelm­Institut für Anthropologie für Fritz Lenz (1887–1976) räumen müssen und zwischen 1936 und 1938 nur mit Imprimatur der katholischen Kirche veröffentlichen dürfen –, war Muckermann prädestiniert, mit der auf der Ausstellung hegemonialen christli­ chen Weltdeutung Rassenkunde aus der Genetik herauszuschneiden und diese damit zu rehabilitieren.160 Mit impliziten Anleihen aus der philosophischen Anthropologie vollzog Muckermann dies mit einer Umgewichtung von Rasse und

156 Anonym: Wie einst Robert Koch. Domagk, in: Der Spiegel, 26.12.1951, S. 22–25. 157 Vgl. Anonym: Notizen, in: Die Zeit, 28.6.1951; Anonym: Gegen die Tuberkulose. Das Gespenst des Krebses. „Tausendfache Wunderheilung heute selbstverständlich“, erklärte Nobelpreisträger Prof. Dr. Domagk auf der Eröffnungsfeier der Gesundheitsausstellung, in: Kölner Stadt­Anzeiger, 25.6.1951, S. 3. 158 Einige Monate später korrigierte Der Spiegel allerdings die hohen Erwartungen, indem er vor ungenügend geprüften Arzneimitteln auf dem Markt warnte. Vgl. Anonym: Diskretion Ehren­ sache. TBC­Heilmittel, in: Der Spiegel, 30.4.1952, S. 30–31. 159 Nur in der lokalen Kölnischen Rundschau, die mit dem Kölner Stadt-Anzeiger intensiv von der Ausstellung in den Messehallen berichtete, wurde Muckermanns Vortrag angekündigt. Siehe hierzu: Anonym: Gesundheits­Ausstellung feierlich eröffnet. Bundeskommissar Dr. Pünder: „Jetzt bereits ist das Echo der Schau und ihre Ideen außerordentlich“, in: Kölnische Rundschau, 24.6.1951. 160 Vgl.  zu Muckermann und zur katholischen Eugenik: Richter, Ingrid: Katholizismus und Eugenik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Zwischen Sittlichkeitsreform und Rassenhygiene, Paderborn 2001, S. 52–53; Schmuhl, Hans­Walter: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser­Wilhelm­Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927–1945, Göt­ tingen 2005, S. 49.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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Person, Natur und Kultur. Und er sprach von den Verbrechen des Nationalso­ zialismus und dem Beitrag einer Wissenschaft, die ihre Grenzen nicht kannte: So wurden aus statistischen Berechnungen Folgerungen gezogen, die viele ohne Grund mit Angst und Verzweiflung erfüllten. Schlimmer noch ist die Tatsache, daß die Unmenschlich­ keit so vielfach die der Entartung verfallene Erbforschung in ihren Dienst nahm und Verbre­ chen über Verbrechen beging, deren letzte Auswirkungen in Klagen und Anklagen unser Zeitalter beschweren.161

Selbst nationalsozialistisches Vokabular verwendend charakterisierte er die Erbforschung im Nationalsozialismus als entartet, doch seine die medizinische Disziplin exkulpierende Stoßrichtung wurde in der Verharmlosung deutlich, die Unmenschlichkeit habe sich der Wissenschaft bedient. Dass dieses Verhältnis ein wechselseitiges war, unterschlug er.162 Diese der „Entartung verfallene Erbforschung“ habe nun nicht mehr erkannt, dass Gene nur eine Grundlage darstellen würden, die sich erst unter dem maßgeb­ lichen Einfluss der Umwelt jeweils spezifisch entfalten würden. Die eigentlichen Generkrankungen, welche diese Erbforschung dachte ausmachen zu können, seien stattdessen Stoffwechselerkrankungen – Defekte im Zusammenspiels der Organe und ihrer Steuerung im Körper. Für Muckermann erhoben sich nicht mehr die genetischen Eigenschaften der Rasse als letzter Grund für Ontogenese und Phylogenese, sondern gerade umgekehrt stand am Anfang jeglicher anthropolo­ gischer Entwicklung „das eigentliche Wesen des Menschen, das in der persona­ len Individualität, die mit Selbstbewusstsein und Selbstmächtigkeit des Willens ausgestattet ist, unvergleichlich zum Ausdruck kommt.“163 Kultur entwickle sich nicht aus Rasseeigenschaften heraus, sondern aus dem Wesen und der Potenzi­ alität des Menschen im Wechselspiel mit seiner Umwelt. Dadurch blieben drei Möglichkeiten, die Problem­ und Fragestellung der Erbbiologie zu lösen: Die

161 Muckermann, Hermann: Entwicklung – Vererbung – Erziehung. Vortrag auf der Großen Gesundheits­Ausstellung Köln, 24. Juni 1951, Berlin 1951, S. 19. Analog und für die Innere Me­ dizin: Martini, Paul: Eröffnungsansprache, in: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 54/1948, S. 1–11 und dazu: Hofer, Hans­Georg: Der Arzt als therapeutischer For­ scher: Paul Martini und die Verwissenschaftlichung der Medizin, in: Acta Historica Leopoldina 74/2019, S. 41–59, S. 54. 162 Vgl. dazu grundlegend: Schmuhl, Hans­Walter: Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Eutha­ nasie. Von der Verhütung zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“, 1890–1945, Göttingen 1987; Weingart, Peter/Kroll, Jürgen/Bayertz, Kurt: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, Frankfurt a. M. 1988, S. 367–668; Weindling, Paul: Health, Race and German Politics between National Unification and Nazism, 1870–1945, Cambridge u. a. 1989, S. 489–532. 163 Muckermann: Entwicklung, S. 14.

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Gestaltung der Umwelt, eine präventive „Auslese bei der Eheschließung“164 und die Erziehung, d. h. Persönlichkeitsformung. „Euthanasie“165 sei hingegen ein moralisch verkommener Irrweg gewesen. Muckermann wies der Erbbiologie mit seiner anthropologischen Ausrichtung einen Weg in die Bundesrepublik, der im Kern den Nationalsozialismus einklammerte und in Form der Eheberatung an die Weimarer Republik anschloss. Mit Blick auf die Etablierung eben dieser eugeni­ schen Praxis in dieser Zeit kappte er quasi die Spitze des Eisbergs der Erbbiolo­ gie im Nationalsozialismus; die große, eugenische Masse, die in seiner Wortver­ wendung von „Auslese“ oder „erbgesundem Nachwuchs“166 enthalten war, blieb unter der Oberfläche.167 Von Muckermanns anderer Empfehlung, die hygienische Volksbelehrung zur Persönlichkeitsformung zu stärken, profitierten wiederum die Ausstellungsorga­ nisatoren, allen voran das Gesundheits­Museum. Denn für die Rehabilitierung der Erbforschung band Muckermann das Schlüsselexponat der hygienischen Volksbelehrung, den „Gläsernen Menschen“, mit ein: Das Modell vom leuchtenden Menschen, das ein Glanzstück der Ausstellung ist, soll nicht nur morphologisch­physiologisch aufhellen. Es ist zugleich ein Symbol für jene Weisheit der Antike […] – „Erkenne dich selbst“ – nicht zu vergessen, ein gewaltiges Wort, das jener Anthropologie entspricht, die nicht mehr die Physis des Menschen vom Menschen selbst löst und verselbstständigt, sondern die sie als geistbeseelte Physis erschaut – als personel­ les Sein mit Selbstbewusstsein und Selbstmächtigkeit des Willen.168

Muckermann erhob das Exponat des „Gläsernen Menschen“ zum Symbol seiner neu ausgerichteten Erbforschung, die die Geistbeseeltheit des Menschen als Grundlage und conditio sine qua non definierte. Damit verband Muckermann die Aufladung der Figuren als Symbole der hygienischen Volksbelehrung mit

164 Ebd., S. 12. 165 Ebd., S. 30. 166 Vgl. ebd., S. 29. 167 Vgl.  Soden, Kristine von: Die Sexualberatungsstellen der Weimarer Republik. 1919–1933, Berlin 1988; Klautke, Egbert: Rassenhygiene, Sozialpolitik und Sexualität. Ehe­ und Sexual­ beratung in Deutschland, 1918–1945, in: Bruns, Claudia (Hrsg.): Von Lust und Schmerz. Eine historische Anthropologie der Sexualität, Köln 2004,  S.  293–312. Zur Kontinuität eugenischer Perspektivierungen in der Humangenetik der Bundesrepublik exemplarisch: Cottebrune, Anne: Eugenische Konzepte in der westdeutschen Humangenetik, 1945–1980, in: Journal of Modern Eu­ ropean History 10/2012, S. 500–518; Schenk, Britta­Marie: Bevölkerungspolitik im Kleinen: Steri­ lisation in der humangenetischen Beratungspraxis im Hamburger AK Barmbek, in: Etzemüller, Thomas (Hrsg.): Vom „Volk“ zur „Population“. Interventionistische Bevölkerungspolitik in der Nachkriegszeit, Münster 2015, S. 223–240. 168 Muckermann: Entwicklung, S. 5.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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einer in der Würde des Menschen grundierten Wissenschaft und beteiligte sich an der Unternehmung, welche die ganze Ausstellung durchzog: die Selbstver­ gewisserung der bundesrepublikanischen Eliten mit ihrem Deutungsangebot einer konservativ, patriarchal, kooperativ, charitativ­christlich ausgerichteten und essenziellen Gemeinschaft, mit dem der Nationalsozialismus einklammernd überwunden werden sollte. Dazu gehörte auch die Verortung der jungen Bun­ desrepublik im Weltgeschehen, die darin bestand, die Verteidigung des „Abend­ landes“ gegen die Völker des Ostens „diesseits und jenseits des Atlantischen Ozeans“169 zu sichern.170 Der in der Ideenfigur des Abendlandes enthaltene Anti­ kommunismus war dabei konsensual; der ebenfalls inhärente antiamerikanische Antimodernismus jedoch ambivalent.171 Ähnlich verhaftet zwischen Vergangenheit und Gegenwart verhielten sich die Ausstellungsverantwortlichen auch im Hinblick auf die Auswahl der Exponate der Abteilungen des Deutschen Gesundheits­Museums. Einig mit Seiring (und Gebhard) zeigten sie sich darin, die Exponate so plastisch wie möglich zu gestal­ ten, dreidimensionale Darstellungsgüter zu entwerfen und mit bildender Kunst zu verschönern.172 Die Gestaltungsprinzipien der Modelle aus Kunststoff und der Apparate lauteten: schematisieren, vergrößern, über Beleuchtungen betonen und dynamisieren, symbolisieren, transparent machen, ‚interaktivieren‘. Weil sie diesen Kriterien nicht entsprachen, sollte die Anzahl der Tafeln – ein klassischer

169 Ebd., S. 17. 170 Vgl. zur Ideenfigur des Abendlandes: Schildt, Axel: Eine Ideologie im Kalten Krieg – Ambi­ valenzen der abendländischen Gedankenwelt im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Kühne, Thomas (Hrsg.): Von der Kriegskultur zur Friedenskultur? Zum Mentalitätswandel in Deutschland seit 1945, Münster 2000, S. 49–63; Sarasin, Philipp: Die Grenze des „Abendlan­ des“ als Diskursmuster im Kalten Krieg, in: Eugster, David/Marti, Sibylle (Hrsg.): Das Imaginäre des Kalten Krieges. Beiträge zu einer Kulturgeschichte des Ost­West­Konfliktes in Europa, Essen 2015, S. 19–43. 171 Vgl. Herbert, Ulrich: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, München 2014, S. 690–697; Bollenbeck, Georg: Zivilisation, in: Ritter, Joachim/Gründer, Karlfried/Gabriel, Gottfried (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel 2004,  S.  1365–1379; Schildt, Axel: Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre, München 1999, S. 167–195; Conze, Eckart: Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009, S. 151–154. 172 Für Die Lehre des Lebens waren möglichst viele Originale aus der städtischen Kunstsamm­ lung vorgesehen. Ebenso sollten Dioramen, plastische Statistiken, anatomische Funktions­ modelle, ein vereinfachtes Mikroskop zur Selbstprüfung der eigenen Kapillaren der Besucher, ein vergrößertes Herzmodell und so viele Röntgenfilme von „Lebensvorgängen“ wie möglich zu sehen sein. Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats des DGM am 20.7.1950, in: BArch, B 142/1997, hier S. 5 f.

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Träger komplexer Information in Mensch­Ausstellungen der hygienischen Volks­ belehrung – überschaubar bleiben.173 Es lässt sich rekonstruieren, dass übergroße Kunststoff­Modelle eines Her­ zens, einer Niere und eines Auges im Querschnitt, vergrößerte Plexiglasmodelle einer Zelle und eines Backenzahns und ein Körpermodell, an dem sich der Puls erfühlen ließ, in Köln und Frankfurt gezeigt wurden. An einer überlebensgro­ ßen „Geburtenuhr“ sollten Schwangere den Geburtstermin ihres Ungeborenen ausrechnen können und eine Verdauungsuhr zeigte „ganz genau an, wo sich der Bissen zu einer bestimmten Zeit gerade befindet.“174 Um den Äquator eines Erdballmodells zogen sich rote Lampen, die darstellten, dass „22 Billionen Blut­ zellen […], nebeneinander gelegt, mehr als viermal um den Äquator“175 reichen. Diese Objekte sowie der verkleinerte Nachbau des Kölner Messeturms, der die abstrakte physiologische Erkenntnis der summierten Tagespumpleistung des menschlichen Herzens anhand des Vergleichs mit der Kraftanstrengung, ein den Besuchern geläufiges, hohes Gebäude zu besteigen, veranschaulichte, knüpften an ältere Exponate des Hygiene­Museums an: Die Geburtenuhr war bereits auf der GeSoLei 1926 zu sehen gewesen, die anderen hatten 1935 das Wunder des Lebens hypostasiert.176 Der Globus mit den roten Blutkörperchen ging auf eine Zeichnung Georg Helbigs zurück, die in einem Buch Fritz Kahns (1888–1968) aus dem Jahr 1924 zu sehen, und in unterschiedlichen Variationen zwischen der So­ wjetunion, den USA, Deutschland in den 20er und 30 Jahren und eben auch der Rheinischen Republik zirkuliert war.177 Andere Objekte und ihre Arrangements sollten zur Berliner Reichsausstel­ lung Gesundes Leben – Frohes Schaffen vom 24. September bis zum 6. November

173 Vgl. Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches Gesundheits-Museum Köln: Große Gesundheitsausstellung, S. 106; Hagen an Seiring, 14.5.1951 sowie Seiring an Hagen, 19.5.1951, in: BArch, B 142/402, Bl. 221–226. 174 Enzmann: Wegweiser, S. 6 f.; Vgl. ebenso: Ave: Bleibe schlank und heirate! – Dann hast du mehr vom Leben. Bummel durch das „Ja dem Leben“, vorbei an Blutzapfstellen, Seifenblasen und „enem Graubrud“, in: Kölnische Rundschau, 25.6.1951. 175 ch: Ihr Herz „treibt“ vier Kölner auf den Messeturm. Und die Zahl ihrer Blutkörperchen geht 4½mal um den Globus – „Vorstudien“ zur kommenden Ausstellung, in: Kölnische Rundschau, 9.6.1951. 176 Vgl. Gebhard: Wunder des Lebens, 1935, S. 1–3; Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messeund Fremdenverkehrs-G.m.b.H.: Wunder des Lebens, S. 141–145; Sammlung Deutsches Hygiene­ Museum Dresden, DHMD 2006/311.36; Zur Geburtenuhr vgl. Sammlung des Deutschen Hygiene­ Museums Dresden, 2012/330.3. 177 Vgl.  Sappol: Body Modern,  S.  136–141. Zu Fritz Kahn siehe ausführlicher unten, Kap.  2.3: Erkenne dich selbst.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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1938 zurückführen.178 Jene Ausstellung hatte allgemein die nationalsozialis­ tische Volksgemeinschaft repräsentieren und zementieren sollen, durchzogen von Bildern schöner Landschaften und Menschen, sowohl in einem fürsorglich inkludierenden als vonseiten der Selbstdarstellungen der SS und des nationalso­ zialistischen Fliegerkorps auch in einem radikal exkludierenden Sinne.179 Unter dem Schlagwort der „Gesundheitsführung“180 hatte es 1938 nicht mehr nur um „die hygienische Ausgestaltung des täglichen Lebens“, den „Kampf gegen Krank­ heiten und Seuchen“ und „die Vielheit der Maßnahmen zur Wiederherstellung des kranken Menschen“181 zu gehen, wie der damalige wissenschaftliche Direktor des Hygiene­Museums Theodor Pakheiser (1898–1969) formuliert hatte.182 Nicht der Norm entsprechende Menschen(bilder) sollten in der Ausstellung zugunsten gesunder und leistungsfähiger Menschen(bilder) zurückstehen. Ein zu bebil­ dernder „Sozialismus der Tat“ sollte normale, „gesunde“ und ergo leistungsbefä­ higende Eigenschaften der einzelnen Glieder der Volksgemeinschaft erhalten.183 Vor allem die Halle der Selbsterkenntnis sowie der „Gläserne Gigant“ verding­ lichten 1938 diese Rahmung. In Halle 10 der Messehallen am Funkturm hatten sich die Besucher*innen in Form von vorgedruckten Testkarten, die Apparate bei ihrer

178 Vgl.  Seiring, Georg: Große Gesundheits­Ausstellung. Stand der Vorarbeiten, 4.1.1951, in: BArch, B 142/402, Bl. 51–60. 179 Vgl. Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-G.m.b.H.: Gesundes Leben,  S.  56. Zur inklusiven wie exklusiven Komponente des nationalsozialistischen Volksge­ meinschaftskonzepts: Wildt, Michael: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939, Hamburg 2007, S. 352–374. 180 Vgl. zum Begriff der Gesundheitsführung: Kater, Michael H.: Die „Gesundheitsführung“ des Deutschen Volkes, in: Medizinhistorisches Journal 18/1983, S. 349–375; Reeg, Peter: Deine Ehre ist die Leistung … Auslese und Ausmerze durch Arbeits­ und Leistungs­Medizin im National­ sozialismus, in: Deutsches Ärzteblatt 85/1988, S. 3652–3659 und zu den Auseinandersetzungen zwischen Partei (Gesundheitsführung) und Staat (Öffentlicher Gesundheitsdienst) im national­ sozialistischen „Doppelstaat“ auf dem Feld der öffentlichen Gesundheit: Labisch, Alfons/Tennstedt, Florian: Gesundheitsamt oder Amt für Volksgesundheit? Zur Entwicklung des öffentlichen Gesundheitsdienstes seit 1933, in: Frei, Norbert (Hrsg.): Medizin und Gesundheitspolitik in der NS­Zeit, München 1991, S. 35–66. 181 Zitate in: Pakheiser, Theodor: Volksgesundheit – das Ziel der Reichsausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, in: Messe und Ausstellung 20/1938, S. 4. 182 Zu Pakheiser vgl.: Bock, Gisela: Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien zur Rassenpolitik und Geschlechterpolitik, Münster 2010 [1986],  S.  183; Stephan: Das Dresdner Hygiene­Museum, 1986, S. 419–422; Faulstich, Heinz: Von der Irrenfürsorge zur „Euthanasie“. Geschichte der badischen Psychiatrie bis 1945, Freiburg im Breisgau 1993,  S.  144; Ruck, M.: Korpsgeist und Staatsbewusstsein: Beamte im deutschen Südwesten 1928 bis 1972, München 1996, S. 139–140; Süß: Volkskörper im Krieg, S. 472 f. 183 Vgl. Pakheiser: Volksgesundheit.

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Benutzung ausfüllten, selbst vermessen – erkennen – können und damit die Inschrift des Apollotempels in Delphi „Erkenne dich selbst“ technizistisch umgesetzt.184 Hier übertrifft Technik sich selbst. […] Nicht nötig Psychologe zu sein, um sich den Ansturm in diesen Kojen der […] Selbsterkenntnis auszumalen! Man steckt eine Vordruckkarte in einen Schlitz, tritt auf das Fußbrett einer Waage, pustet so stark man kann in das (ausge­ wechselt stets frische) Mundstück eines Rohres, drückt gegen Druck mit Gewalt, beobachtet durch einen Schlitz irgendetwas […]! Der normal­individuelle Grundkalorienbedarf, Kör­ pergewicht und Größe, Blutdruck, Puls, die Ermüdungskurve der Fingermuskulatur, das Stemmvermögen des werten Körpers, das Reaktionsvermögen […], Sehkraft und Farbseh­ vermögen – alle erdenklich physischen Leistungen werden hier diskret, aber haarscharf geprüft und nach dem unerbittlich richtigen Maß befunden und auf der Karte zur nach­ denklichen Beachtung vermerkt.185

Selbstbewusstsein wurde 1938 nicht unter „Erkenne dich selbst“ verstanden, sondern „Selbstaufklärung durch Selbstvermessung“186. Eigentlich war es we­ niger Selbstaufklärung denn Selbstoptimierung durch Demonstration von und Abgleich mit nationalsozialistischen Leitbildern von Kraft, Schönheit, Gesund­ heit, worauf die Ausstellungseinheit abzielte. Die Besucher handhabten die uner­ bittlich richtigen, diskreten und exakten Selbstbedienungsmaschinen selbst, die sie in die physiologischen Vorgaben einer nationalsozialistisch gedrehten Leis­ tungsmedizin normalistisch eingliederten. Sie wurden in die Etablierung eines Netzwerkes wechselseitiger Sozialkontrolle eingebunden und nahmen selbst Teil an der Konstruktion von Wettbewerb auf dem Quasi­Markt der Gesundheit.187 Beim 3,5 Meter hohen „Gläserner Gigant“ hatte 1938 nur der Oberkörper aus dem durchsichtigen Kunststoff Cellon bestanden, der den Blick auf nachgeformte Organe (Gehirn, Herz, Lunge), ein künstliches Adergeflecht und (vermutlich) das Skelett freigab. Der Rest war aus Presspappe geformt.188 Doch ein dynamisches

184 Vgl. Kivelitz: Propagandaausstellung, S. 104–109. Siehe zur analogen Einheit Erkenne Dich selbst 1951 in der DDR: Kap. 2.3. 185 Wischek, Albert: Zur Reichsausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, in: Messe und Ausstellung 20/1938, S. 1–4, S. 3–4; Frey: Hygienische Erziehung, S. 129. Zur Historisierung der Ausstellung ausführlich: Nikolow: Erkenne und prüfe Dich selbst. 186 Mau, Steffen: Das metrische Wir. Über die Quantifizierung des Sozialen, Berlin 2017, S. 170. 187 Vgl. ebd., S. 179–197, 249–256 und konzis zu Begriff und Konzept des Normalismus: Link, Jürgen: Normalismus: Konturen eines Konzepts, in: KultuRRevolution 27/1992, S. 50–70. Zur Idee und Praxis der Leistung(ssteigerung) im Nationalsozialismus kursorisch: Verheyen: Erfindung der Leistung, S. 182–190. 188 Vgl.  Rossmann, W.: Aus der Werkstatt des Deutschen Hygiene­Museums in Dresden, in: Messe und Ausstellung 20/1938, S. 5–6, S. 5; Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-G.m.b.H.: Gesundes Leben, S. 147.

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Element in seiner Präsentation, das Gesundheit als Etwas symbolisierte, das durch den Schmerz aufgezehrt wird, entschädigte für die nur bedingt beeindru­ ckende Materialität: Plötzlich zuckt es im Körper des Giganten, Lichtblitze flammen auf, wie ein kleiner ste­ chender Schmerz. Zugleich sinkt eine Lichtsäule neben dem Modell langsam in sich zusam­ men. Das Aufblitzen wird heftiger. Die Lichtsäule, die die Gesundheit darstellt, wird immer kleiner. Was bedeutet das? Das erste Warnzeichen der Natur ist der Schmerz.189

Zwar scheiterte 1951 die geplante Wiederauflage der Halle der Selbsterkenntnis, doch einige der „Subaussteller“ brachten 1951 vergleichbare Apparate der Körper­ messung mit, welche die Besucher*innen involvierten. So wurden auf der Son­ derschau der Stadt Berlin unterschiedliche medizintechnische Geräte gezeigt. Stereoskopische Röntgenbilder wurden so hintereinander geschaltet, dass sie als Film gezeigt werden konnten und damit Lebensvorgänge im Prozessverlauf transparent machten.190 Auf dem Freigelände hatte die Bundesbahn ihren in Hessen operierenden Röntgenwagen aufgestellt.191 „Ein kleines transportables Röntgengerät“192 für Lungenreihenuntersuchungen aus der Klinik Hugo Wilhelm Knippings (1895–1984) wurde an den Besuchern vorgeführt. Auch wurde ein von Knipping entwickelter Spiro­Ergometer zur Leistungsmessung der Lungenfunk­ tion aus der Kölner Sporthochschule von Doktorand*innen präsentiert.193 Und auch der überarbeitete „Cellongigant“ erfüllte eine von Gebhard einge­ forderte Eigenschaft eines guten Schauobjektes für eine Gesundheitsausstellung: Der Gigant versprach, als spektakulär wahrgenommen zu werden. Er schemati­ sierte und vergrößerte den Blutkreislauf und machte seinen dynamischen Verlauf 189 Ebd. Für eine ähnliche Erklärung der Figur und der Lichtsäule des physischen Schmer­ zes, kontinuierlich die Gesundheit aufzehrend, siehe: Wischek: Reichsausstellung Gesundes Leben, S. 2; Rossmann: Aus der Werkstatt, S. 5. 190 Vgl. Senat von Berlin (Hrsg.): Sonderführer durch die Berliner Halle der Großen Gesundheits­ Ausstellung Köln 1951, Berlin 1951,  S.  26–28. Zur (etwas sehr fortschrittsgläubig dargestellten) Technik­Geschichte der Röntgenkinematografie: Kütterer, Gerhard: Ach, wenn es doch ein Mittel gäbe, den Menschen durchsichtig zu machen wie eine Qualle! Die Röntgentechnik in ihren ers­ ten beiden Jahrzehnten – ein besonders faszinierendes Stück Medizin­ und Technikgeschichte, dargestellt in Zitaten, Norderstedt 2005, S. 325–333. 191 Vgl. Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches Gesundheits-Museum Köln: Große Gesundheitsausstellung, S. 123. 192 Kuhn, Fred­M.: Lebenserinnerungen: Höhen und Tiefen eines Arztes, Books on Demand 2004, S. 230. 193 Vgl. ebd., S. 228. Zur Geschichte dieser Spiro­Ergometer: Kroidl, R. F./Schwarz, S./Lehnigk, B.: Historische Aspekte zu Belastungsuntersuchungen, speziell zur Spiroergometrie, in: Der Pneumologe 61/2007, S. 291–294 und zur Präsenz solcher Vermessungsgeräte auf älteren Ausstel­ lungen des Hygiene­Museums: Weinert: Der Körper im Blick, S. 227 ff.

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über Abfolgen der Beleuchtung augenscheinlich. In Seirings Sinne sollte die Figur prinzipiell positive Assoziationen wecken. Das wurde in der Öffentlichkeit auch durchaus so wahrgenommen.194 Dafür wurde der rechte Arm der Figur erhoben, dessen Hand einen Äskulapstab in die Höhe hielt. Die Figur repräsentierte also weniger den Schmerz als die Heilkunde.195 Neben dem beleuchteten Herzen und dem schematisierten Kreislauf waren keine anderen Organe in diesem Objekt nachgebildet worden. Zwischen dem weiß gefärbten Aluminiumskelett und der transparenten Kunststoffhaut durchzogen Ketten kleiner Glühbirnen den Körper, welche aufleuchtend einige der menschlichen Arterien und Venen repräsen­ tierten (vgl. Abb. 8 und 9). In diesem Fokus auf das Blut und seine Zirkulation schufen Seiring und Tschackert eine dem Zeitgeist 1951 entsprechende Variante des „Gläsernen Giganten“. Denn er rückte nun nicht nur eine aktuelle Grenze des medizinischen Fortschritts (die Entwicklung eines künstlichen Herzens) assozia­ tiv ins Augenmerk, sondern auch die Schäden an Herz und Kreislauf, die zeitge­ nössisch als Folgen einer Amerikanisierung der Berufswelt diskutiert wurden.196 Die Thematik des Schmerzes als Warnung der Natur vor Krankheiten wurde 1951 in Form eines bedienbaren elektrooptischen Apparates thematisiert, der in der Presse als „Schmerzensmensch“ bezeichnet wurde. Die Maschine übersetze dem Besucher seine Schmerzerfahrung in eine objektive Krankheitsdiagnose, über welche Ärzte jedoch explizit die diagnostische wie therapeutische Hoheit zugesprochen bekamen.197

Netzwerkbildung im Kompetenzengeflecht der Rheinischen Republik Knüpfte die Ausstellung an die Tradition der hygienischen Volksbelehrung und ihre Sinnstiftung mit punktuellen Veränderungen an die Bedürfnisse und Bedingungen der frühen 1950er Jahre an, so galt dies auch für die Netzwerke und 194 Vgl. Anonym: Gesundheits­Ausstellung feierlich eröffnet, 1951; Matzke, Eine optimistische Aus­ stellung, in: BArch, B 142/402, Bl. 264; Kr.: Panopticum humanum oder der Gläserne Mensch, in: Süddeutsche Zeitung, 30.6/1.7.1951, S. 5; Pa: Erhöhte Krebsfürsorge ist erforderlich. Kölns Gesund­ heitsdezernent über die geeignetsten Bekämpfungsmethoden, in: Kölnische Rundschau, 30.7.1951. 195 Vgl. Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches Gesundheits-Museum Köln: Große Gesundheitsausstellung, S. 20; Niederschrift über die Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats am 20. Juli 1950 in den Werkstätten des Deutschen Gesundheits­Museums e. V, in: BArch, B 142/1997, hier S. 4. 196 Vgl.  Klausenitzer: Zur Großen Gesundheitsausstellung. Die Geburt des Gläsernen Men­ schen. Dienst an der Volksbildung – Triumph deutscher Qualitätsarbeit, in: Du und die Welt 2/1951, S. 18; Enzmann: Wegweiser, S. 11; und zur „Managerkrankheit“ Kap. 4.2 und 4.3. 197 Vgl. Anonym: Heute wird die Ausstellung eröffnet, in: Kölner Stadt­Anzeiger, 23.6.1951, S. 14.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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Abb. 8: Der „Cellongigant“ auf der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben: Bestaunende Personen im Bildhintergrund von links nach rechts: Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Karl Arnold, Bundesminister für Wirtschaft Ludwig Erhard, Oberbürgermeister der Stadt Köln Robert Görlinger, Bundestagspräsident Hermann Ehlers, Georg Seiring, Domkapitular Albert Lenné, Bundeskommissar Hermann Pünder.

Strukturen des Gesundheits­Museums. Seirings Intention war es ja gerade, die Großausstellung zur Etablierung seiner dafür zu vernetzenden Organisation zu nutzen und dessen Einbettung zu verbreitern; mehr noch, die Ausstellung des­ wegen überhaupt zu veranstalten. Mit der Gründung hatten sich bereits mehrere Unterstützer um das Museum gruppiert, die allesamt um eine finanzielle und strukturelle Stabilisierung rangen, jedoch auch jeweils eigene Vorstellungen von einem Museum der hygienischen Volksbelehrung hatten und jeweils eigene Inte­ ressen verfolgten. Zum einen sind hier die Befürworter eines lokal sichtbaren Sozialmuseums zu nennen, die Köln eine weitere Sehenswürdigkeit hinzufügen wollten. Ihnen war es wichtig, dass Seiring in Köln verblieben war und sein Gesundheits­Museum alsbald ein vorzeigbares Gebäude in der Stadt bekommen sollte. Zu dieser Gruppe

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Abb. 9: Staunende Besucher*innen zu Füßen des „Cellongiganten“ und eines „Gläsernen Homunkulus“ (Kleine „Gläserne Figur“ zwischen den Beinen des Giganten) auf der Ausstellung Ein Ja dem Leben in Frankfurt am Main, Oktober und November 1951.

gehörten die Kölner Initiatoren und Erstfinanziers, allen voran der Oberbürger­ meister und der Oberstadtdirektor Willi Suth (1881–1956) und sein Nachfolger Max Adenauer (1910–2004), Sohn des amtierenden Bundeskanzlers. Doch mit dem umtriebigen Seiring war ein lokales Museum alleine nicht machbar. Er bestand auf einem Gebilde wie in Dresden, also einer produzierenden, ausstel­ lenden, forschenden, unterrichtenden und unabhängigen Zentrale für Gesund­ heitsaufklärung mit nationaler Bedeutung, drohte mit dem Weggang aus Köln und mobilisierte insbesondere die Gesundheitsfürsorger (der Bundesländer) als Gegengewicht. Diese machten die zweite Gruppe aus, die vornehmlich an der Arbeit der Gesundheitsaufklärung des Deutschen Gesundheits­Museums interessiert  war. In Person des Professors für Hygiene der Universität Köln und des Kölner Gesundheitsdezernenten sollte diese Gruppe in den engeren Vorstand des

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Museumsvereins eingebunden werden.198 Die Sozialhygieniker und Gesund­ heitsfürsorger – zumeist in Personalunion auch Ministerial­, Medizinalräte bzw. Gesundheitsdezernenten in den Gesundheitsverwaltungen – sahen das DGM als Organisation an, die im Aufgabenfeld des ÖGD operierte und diesen profilierte.199 Es ging ihnen vor allem darum, dass eine solche Zentraleinrichtung als Teil einer „Vorbeugenden Gesundheitsfürsorge“200 gelten konnte, wie Wilhelm Hagen (1893–1982), Referent für Gesundheitsfürsorge von 1950 bis 1956 im Bundes­ ministerium des Innern, in seiner Denkschrift für ein Präventionsgesetz 1953 andachte.201 Wichtig erschien es den Gesundheitsfürsorgern aus Länder­ und Bundesverwaltung, dass von dort eine präventiv wirksame Gesundheitsaufklä­ rung ausging, die alle entsprechenden Methoden und Medien nutzte und dabei nicht nur bei Ausstellungen und  Schausammlungen stehenblieb.202 Zumeist hatten die Mitglieder dieser Gruppe die Bemühungen der Gesundheitsaufklärung des Dresdner Museums aus ihrer Zeit als Kommunalärzte in der Weimarer Repub­ lik kennen und schätzen gelernt.203 Dazwischen stand nun eine dritte Gruppe derjenigen Personen, die eigent­ lich am ehesten an einer weitgehend identischen Fortsetzung des Dresdner Hygiene­Museums in Köln mit seiner visuellen und volksbildenden Gesundheits­ aufklärung interessiert waren. Eine solche Organisation sollte formell unabhän­ gig und wie ein Verein durch Leitung, (engerem) Vorstand, Aufsichtsrat (erwei­ tertem Vorstand) und Mitgliederversammlung strukturiert sein. Dadurch und über unterschiedliche Teilfirmen sollte sie vielfältige Akteure inkorporieren und ihre unterschiedlichen Interessen gleichermaßen bedienen können sowie als Dienstleister ein eigenes kommerziell orientiertes Wirtschaften mit den selbst produzierten Ausstellungen und Lehrmitteln ermöglichen. Daran waren nicht nur einige wirtschaftsnahe Vereinsmitglieder wie die Firmen Henkel und Madaus

198 Vgl. ebd. 199 Vgl. zur Historisierung dieser Fachrichtungen überblicksartig: Labisch/Woelk: Geschichte der Gesundheitswissenschaften. 200 Vgl. Hagen, Wilhelm: Vorbeugende Gesundheitsfürsorge, Stuttgart 1953. 201 Vgl.  Lindner: Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit,  S.  44; Wasem, Jürgen et al.: Ge­ sundheitswesen und Sicherung bei Krankheit und im Pflegefall, in: Schulz, Günther (Hrsg.): Ge­ schichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3: 1949–1957. Bundesrepublik Deutsch­ land. Bewältigung der Kriegsfolgen, Rückkehr zur sozialpolitischen Normalität, Baden­Baden 2005, S. 439–487, S. 463–466. 202 Vgl. MinR. Gerfeld an Seiring, in: 15.9.1950, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 217. 203 Vgl. Schabel, Elmer: Soziale Hygiene zwischen Sozialer Reform und Sozialer Biologie. Fritz Rott (1878–1959) und die Säuglingsfürsorge in Deutschland, Husum 1995, S. 413–441.

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interessiert, die auf eine gesundheitliche „Zertifizierung“ ihrer Arzneimittel bzw. Hygieneprodukte hofften. Vor allem Seiring setzte auf dieses Modell mit ihm alleine an der Spitze. Anfängliche Ideen, die Leitung des Museums zwischen ihm und einem Fachvertreter zu teilen, wies er entschieden zurück.204 Stattdessen tat Seiring alles, um durch die Ausstellung ein Netzwerk zu kreieren, das seine Muse­ umsidee trug. Die Ausgangslage dazu bildeten die ehemaligen Mitarbeiter aus Dresden, die Seiring bereits zum Jahreswechsel 1949/50 an seinem Museum versammelt hatte. In einem zweiten Schritt mobilisierten Seiring und die Vertreter Kölns die Medi­ zinalbürokratie – und hofften auf Folgeeffekte. Bereits im Februar 1950 ging die Aufforderung der Kölner Vertreter aus dem Museumsvorstand in der Gesundheits­ abteilung des Bundesministeriums des Innern ein, sich ebenfalls am Museum zu beteiligen. Die Herstellung und die Veranstaltung von „Wanderausstellungen aktueller Teilgebiete der Hygiene“ für das gesamte Bundesgebiet und die anste­ hende Große Gesundheits-Ausstellung würden die nationale Relevanz und damit die Beteiligung der Bundesverwaltung begründen, so Oberbürgermeister Ernst Schwering (1886–1962), Oberstadtdirektor Willi Suth und der Beigeordnete Franz Vonessen.205 Im BMI traf der Brief auf einen alten Bekannten und Unterstützer des Museums in der Weimarer Republik. Wilhelm Hagen hatte bereits 1920 zur hygienischen Volksbelehrung promo­ viert und war Anfang 1950 von Franz Redeker (1891–1962) ins Bundesministerium des Innern geholt worden, wo er bis 1956 das Referat für Gesundheitsfürsorge leitete. Der ehemaliger Amtsarzt vertrat auch nach dem Krieg die Überzeu­ gung, dass Präventivleistungen eine öffentliche, staatliche Aufgabe seien und diese als Fürsorge gegenüber besonders gefährdeten sozialen Gruppen orga­ nisiert sein sollte.206 Aus der Weimarer Zeit stammte Hagens Affiliation mit

204 Vgl. Seiring, Georg: Entwicklung des Deutschen Gesundheitsmuseums e. V. Köln, 13.2.1952; Vorstand des DGM: Bestätigung der Gesamtleitung des Deutschen Gesundheits­Museums e. V. und der Großen Gesundheits­Ausstellung 1951 durch Georg Seiring, 28.8.1950, beides in: BArch, B 142/400. 205 Schwering, Suth, Vonessen an das BMI, Abteilung Gesundheitswesen, 25.2.1950, in: BArch, B 142/1997. 206 Vgl.  ebd.; Schleiermacher, Sabine: Contested Spaces.  Models of Public Health in Occu­ pied Germany, in: Murard, Lion/Zylberman, Patrick/Solomon, Susan Gross (Hrsg.): Shifting Boundaries of Public Health. Europe in the Twentieth Century. Rochester, NY 2008, S. 175–204; Schleiermacher, Sabine: Gesundheitspolitische Traditionen und demokratische Herausfor­ derungen. Gesundheitspolitik in Niedersachsen nach 1945, in: Woelk, Wolfgang/Vögele, Jörg (Hrsg.): Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland. Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der „doppelten Staatsgründung“, Berlin 2002, S. 265–283, S. 274–276, und zu Hagens bereits in den 1960er Jahren umstrittener Rolle als Warschauer Amtsarzt (1941–1943):

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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dem Hygiene­Museum, die über den wissenschaftlichen Direktor des Hygiene­ Museums Martin Vogel begründet und über Rudolf Neubert belastbar wurde, mit dem Hagen eine enge Freundschaft pflegte.207 Hagen war 1925 auch in die engere Auswahl für die Besetzung des Postens des wissenschaftlichen Direktors des Hygiene­Museums gekommen und publizierte nach dem gescheiterten Auswahl­ verfahren mehrfach für das Hygiene­Museum.208 Es überrascht daher kaum, dass Seiring Hagen, noch im Februar 1950, zu seiner Ernennung im BMI gratulierte und seine Hoffnung auf gute Zusammenarbeit ausdrückte – explizit mit Blick auf die anstehende Gesundheitsausstellung.209 Hagen verständigte sich anschließend mit Seiring und signalisierte, eine breite Förderung des Hauses innerhalb der Bundesverwaltung durchsetzen zu können, da „Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer persönlich regen Anteil an der geplanten Gründung nehme.“210 Seiring und Hagen einigten sich auf eine Stra­ tegie, die zum Ziel hatte, den Dresdner Entwicklungspfad auch in Köln einzu­ schlagen. Dafür müsse eine „streng wissenschaftliche Grundlage“ gewahrt und aus Gründen der „Abschnürung der Ostzone“ und der „Tendenzgebundenheit“ der Aufklärungsarbeit von jeglicher Kooperation mit dem Dresdner Museum abgesehen werden.211 Aber nicht nur aus diesen deutsch­deutschen und anti­ kommunistischen Beweggründen wollte Hagen den Bund das Kölner Museum fördern lassen, sondern auch, um eine Balance der Zuständigkeiten zu errei­ chen. Denn die Regierung aus Nordrhein­Westfalen hatte die Unterstützung des Museums bereits zugesagt, weswegen der Bund nicht zurückstehen sollte, gerade weil bundesweit Wanderausstellungen zu veranstalten sowie Lehrmittel

Caumanns, Ute/Esch, Michael G.: Fleckfieber und Fleckfieberbekämpfung im Warschauer Ghet­ to und die Tätigkeit der deutschen Gesundheitsverwaltung, in: Woelk, Wolfgang/Vögele, Jörg (Hrsg.): Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland. Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der „doppelten Staatsgründung“, Berlin 2002,  S.  225–262; Berg, Nico­ las: Der Holocaust und die westdeutschen Historiker. Erforschung und Erinnerung, Göttingen 2003, S. 337–370. 207 Vgl. Neubert: Mein Arztleben, S. 30–35 sowie die Briefwechsel zwischen Hagen und Neubert zwischen 1936 und 1949, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 12741, Nr. 114, 1936–1949, passim und um 1969: Hagen an die BZgA, 15.10.1969, in: BArch, B 310/1114, 1969–1973, unpag. 208 Vgl.  Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern,  S.  281–282; Albrecht: Das Deut­ sche Hygiene­Museum, 1931, S. 62; Hagen, Wilhelm: Auf­ und Abstieg des Menschenlebens, in: Deutsches Hygiene-Museum/Vogel, Martin (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus, Leipzig 1930, S. 357–383. 209 Seiring an Hagen, 26.2.1950, in: BArch, B 142/400. 210 Hagen: Aktennotiz Deutsches Gesundheits­Museum und Deutsche Gesundheits­Ausstellung in Köln, Rücksprache mit Herrn Dr. Seiring am 7.3.1950, 8.3.1950, in: BArch, B 142/1997. 211 Vgl. ebd.

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zu produzieren waren, was eine Aufgabe des Bundes sei. Selbstverständlich würde sich die Bundesregierung dann auch paritätisch in die Verantwortung des Museums und die Entscheidungsbefugnisse des Vorstandes einkaufen.212 Hagen traf wie seine Kollegen in Nordrhein­Westfalen auf nachhaltigen Widerstand der Finanzministerien. Die Lage war vertrackt: Angesichts der von Seiring anvisierten Tätigkeit des DGM für das gesamte Bundesgebiet wollten weder die Kölner Stadtregierung noch das Land Nordrhein­Westfalen den Haupt­ teil der Lasten am Museum tragen und bestanden auf einer entsprechenden Bundesbeteiligung. Aber auf Bundesseite bestritten sowohl das Ministerium des Innern als auch das Bundesfinanzministerium überhaupt die Bundeszu­ ständigkeit für Gesundheitsaufklärung, Volksbildung oder ein Museum.213 Die Finanzministerien des Bundes und Nordrhein­Westfalens versuchten daraufhin gemeinsam, auf eine Aufnahme des Museums in das Königsteiner Staatsabkom­ men zur Finanzierung überregionaler Forschungseinrichtungen und kultureller Institute hinzuarbeiten und damit den Bund auszuschließen.214 Die Kultus­ und Finanzministerkonferenzen der Länder wiederum wiesen diesen Versuch zurück, sahen sie doch im Museum keine nationale, sondern eine lokale bis regionale Einrichtung.215 Mit Verweis auf die anstehende Großausstellung mit gesamtdeut­ scher und internationaler Bedeutung erhielt Hagen schließlich die Erlaubnis, dass sich das BMI am Gesundheits­Museums beteiligen durfte – unter der Bedin­ gung, dass die Kölner Organisation „als Zentrale für gesundheitliche Volksbeleh­ rung für das ganze Bundesgebiet Lehrmaterial ausarbeiten und die internationale

212 Vgl. ebd.; Hagen an Seiring, 31.1.1952, in: BArch, B 142/401, 1950–1960, Bl. 41. 213 Vgl.  Finanzministerium Nordrhein­Westfalen an Sozialministerium Nordrhein­Westfalen, 15.2.1950, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW  366, Nr.  10,  Bl.  148–150; Kurzprotokoll über die Besprechung der Finanzierung des Gesundheitsmuseums und der Großen Gesundheits­ Ausstellung am 29.6.1950, 7.7.1950, in: BArch, B 142/1997, hier  S.  3; Notiz über ein Telefonge­ spräch zwischen MinRat Vialon (BMF) und Giesen (Finanzministerium NRW), 11.10.1950, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW  366, Nr.  10,  Bl.  60. Zu den Widerständen im eigenen Haus Hagen ex post: Hagen, Wilhelm: Auftrag und Wirklichkeit. Sozialarzt im 20. Jahrhundert, München­Gräfelfing 1978, S. 230–232. 214 Vgl. Kurzprotokoll über die Besprechung der Finanzierung des Gesundheitsmuseums und der Großen Gesundheits­Ausstellung am 29.6.1950, 7.7.1950, in: BArch, B 142/1997, und ferner den diversen Schriftverkehr aus der Überlieferung des Landes: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 30–150. 215 Vgl. Hagen: Vermerk zur Finanzierung des DGM, 8.5.1951, in: BArch, B 142/401, Bl. 19–20 sowie das Argument des Finanzministeriums des Landes NRW beim neuerlichen Versuch 1956, das Museum sei zu klein und die paritätische Finanzierung aus Stadt, Land und Bund dürfe nicht riskiert werden. Vgl. Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 12, 1956–1957,  Bl. 1–15.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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Verbindung aufrechterhalten“216 müsse. In Hagens Augen rechtfertigten ohnehin die Kontakte Seirings (z. B. nach Cleveland), die „deutsche Kulturpropaganda“217 seiner Exponate und Wanderausstellungen sowie die Abwehr der „kommunis­ tischen Propaganda“ aus dem Hygiene­Museum eine Bundesbeteiligung an der Ausstellung und am Museums selbst.218 War somit ein weiterer Verbündeter gewonnen, so inkorporierte Seiring dadurch zugleich eine Bruchlinie zwischen den Förderern des Museums: An der „zentrale[n] Lenkung und methodische[n] Schulung der Aufklärungsarbeit auf dem Gebiete des Gesundheitswesens“219, international orientiert am Öffent­ lichen Gesundheitswesen der USA und dem Health Museum in Cleveland (als Zentraleinrichtung missverstanden), hatte der Bund Interesse. Das unter­ schied sich von der städtischen Zweckzuschreibung des Museums als lokaler Bildungseinrichtung und Repräsentationsorganisation sowie von föderalen gesundheitspolitischen Interessen an einer Aus­ und Fortbildungseinrichtung für den ÖGD.220 Seiring und Hagen hatten unterdessen weitere Alliierte gefunden, die es Mitte 1950 für die Förderer verunmöglichten, ohne Gesichtsverlust aus der Ausstellungsplanung auszusteigen: Zum einen hatte das Bundeskabinett seine

216 Hagen, Wilhelm: Chronologische Aufstellung, o. D. (zwischen Oktober 1950 und März 1951) in: BArch, B 142/401, Bl. 15. 217 Vgl. Seiring an Finanzministerium NRW, 27.1.1950, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 162; Bericht über die 1. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Gesundheitsmuseums, 29.3.1950, in: BArch, B 142/1997, hier S. 2. Siehe zur Begriffsgeschichte der „Kulturpropaganda“ aus der Diskussion um Karl Lamprechts „Über auswärtige Kulturpolitik“, in der der pejorative Begriff in konservativen Kreisen positiv umgedeutet werden sollte: Schieder/ Dipper: Propaganda, S. 101–103. 218 Vgl. Hagen, Wilhelm: Chronologische Aufstellung, o. D. (zwischen Oktober 1950 und März 1951), in: BArch, B 142/401,  Bl.  10, 15. Die Begründung, mit der hygienischen Volksbelehrung auf Gesundheitsausstellungen Kulturpropaganda zu leisten, rechtfertigte bereits seit der I. IHA 1911 Unterstützung für das DHM vonseiten der Reichsregierung. Vgl.  Weinert: Der Körper im Blick, S. 157–219. 219 Vgl. Hagen, Wilhelm: Chronologische Aufstellung, o. D. (zwischen Oktober 1950 und März 1951), in: BArch, B 142/401, Bl. 12. 220 Vgl.  Redeker an das BMF, 31.3.1950, in: BArch, B 142/1997. Zu Public Health­Schools als solche Ausbildungsorganisationen in der Neukontextualisierung der bundesrepublikanischen Gesundheitspolitik siehe: Gebhard: Öffentliche Gesundheitspflege in den U.S.A; Ders.: Die Aus­ bildung der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes in den Vereinigten Staaten, in: Der öf­ fentliche Gesundheitsdienst B 12/1950, S. 47–50; Ellerbrock: Healing Democracy, S. 179–191; Fee, Elizabeth/Acheson, Roy M. (Hrsg.): A History of Education in Public Health. Health that mocks the Doctors‘ Rules, Oxford, New York 1991; Schleiermacher: Rockefeller Foundation.

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Förderungsbereitschaft der Ausstellung signalisiert und diese mit der langfristige­ ren Beteiligung des Bundes am Museum verbunden.221 Mit der Unterstützung Konrad Adenauers erwirkten Hagen, Seiring und Max Adenauer auch die Mitwir­ kung des Bundesministers des Innern, Gustav Heinemann.222 Daraufhin bestellte im Mai 1950 das Bundeskabinett Hermann Pünder (1888–1976), Mitglied des Bundestags, ehemaliger Staatssekretär der Reichskanzlei (1926–1932), Oberbür­ germeister der Stadt Köln (1945–1948) und Oberdirektor der Bizone, zum Bun­ deskommissar der Gesundheitsausstellung.223 Pünder machte umgehend Druck auch auf die zaudernden Finanzreferenten und drohte, trotz des einstimmigen Beschlusses des Bundeskabinetts, im Sommer 1950 mit seinem Rücktritt.224 Bis Ende Juni 1950 hatte auch Bundespräsident Theodor Heuss seine Schirmherr­ schaft über die Ausstellung zugesagt. Konrad Adenauer, die thematisch zustän­ digen Bundes­ und Landesminister Nordrhein­Westfalens und weitere Honora­ tioren aus Politik, Verwaltung und Verbänden, wie beispielsweise der damalige Vorsitzende des DGB, Hans Böckler, waren in das Ehrenpräsidium der Ausstel­ lung eingetreten.225 Die Unterstützer und Finanziers des Gesundheits­Museums hatten im Laufe des Jahres 1950 ihren Kreis und das Netzwerk der Ausstellung auf der politischen Ebene erweitern können. Im komplizierten und fluiden Kom­ petenzengeflecht der neuen Republik, gerade auch konzentriert im Rheinland, war es dem umtriebigen Seiring mit Hilfe von Verbindungen aus der Weimarer und der nationalsozialistischen Zeit gelungen, erhebliche Ressourcen zu mobili­ sieren – Kapital, Aufmerksamkeit und Sinn.226

221 Vgl. Hagen, Wilhelm: Chronologische Aufstellung, o. D. (zwischen Oktober 1950 und März 1951), in: BArch, B 142/401, Bl. 12–13. 222 Vgl.  ebd.,  Bl.  11; Kurzprotokoll über die Besprechung der Finanzierung des Gesundheits­ museums und der Großen Gesundheits­Ausstellung am 29.6.1950, 7.7.1950, in: BArch, B 142/1997, hier S. 2; Seiring an Bundeskanzler Adenauer, o. D. (März 1950); Hans Globke an Seiring, o. D. (März 1950), in: BArch, B 142/402, Bl. 351. 223 Vgl. Hagen, Wilhelm: Chronologische Aufstellung, o. D. (zwischen Oktober 1950 und März 1951), in: BArch, B 142/401, Bl. 12. Zur Biografie Pünders: Wehrmann, Hildegard: Hermann Pünder (1888–1976): Patriot und Europäer, Essen 2012. 224 Vgl. Kurzprotokoll über die Besprechung der Finanzierung des Gesundheitsmuseums und der Großen Gesundheits­Ausstellung am 29.6.1950, 7.7.1950, in: BArch, B 142/1997, hier S. 6. 225 Vgl.  ebd., hier  S.  3; Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches GesundheitsMuseum Köln: Große Gesundheitsausstellung, S. 12. 226 Vgl.  zum noch flüssigen Kompetenzengeflecht in den „schwierigen Anfängen westdeut­ scher Staatlichkeit“: Wolfrum, Edgar: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepu­ blik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 2006, S. 46–59 sowie ferner: Conze: Suche nach Sicherheit, S. 110–157.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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Nun kam es darauf an, auch die nötigen Kooperationspartner aus der Wis­ senschaft für die Gestaltung der eigenen Ausstellungsteile und zum Kuratieren der separaten Teilexpositionen zu gewinnen, in das eigene Netzwerk einzubin­ den und in diesem auszurichten. Das hatte nicht nur praktische Gründe; die Wissenschaftler*innen sollten auch ihr Renommee der Neutralität, des Fort­ schritts und der Humanität auf die Ausstellung übertragen. Dafür trat bereits im März 1950 der wissenschaftliche Beirat des Museumsvereins zusammen.227 Zu Seiring, dem Kölner Gesundheitsdezernenten und Mit­Initiator des Deutschen Gesundheits­Museums, Helmut Gaumitz, und Hagen gesellten sich medizinische Honoratioren, wie der Dekan der medizinischen Fakultät in Köln, Hans Schulten (1899–1965), der dortige Lehrstuhlinhaber für Hygiene Reiner Müller (1879–1953) und Carl Bennholdt­Thomsen (1903–1971), Leiter der Kinderklinik der Universität zu Köln. Ferner entsandten auch interessierte Freiwilligenverbände bzw. (berufs­ ständische) Organisationen Vertreter: Michael Calmes für die Arbeitsgemein­ schaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, Dr. Wiegleb für den DGB, Dr. von Watter für die Ärztekammer Nordrhein. Für Seiring, der sein Museum nicht als Forschungseinrichtung sah, sondern als Organisation, die die „schwere Sprache der Wissenschaft in eine dem Laien verständliche Form“228 bringe, ging es darum, die Mitglieder des Beirats als Netzwerkmultiplikatoren einzuspannen. Vor allem sollten sie helfen, kompromissfähige wissenschaftliche Mitarbeiter*in­ nen für die Ausstellung und vielleicht sogar für das Museum zu rekrutieren.229 Auf diese Weise gewannen Seiring und Hagen den Sportarzt, Sozialhygieni­ ker – und ehemaliges Mitglied der NSDAP und der SS – Hans Hoske (1900–1970) für die Abteilungen Lehre des Lebens, Träger des Lebens, Die Welt des Kindes sowie einige Unterabteilungen des Staatenhauses (Freizeit, Sport, Jugendliche, Wandern).230 Hoske, dessen Name mit der Deutschen Hochschule für Leibes­ übungen bzw. Sporthochschule in Köln verbunden ist, war den hygienischen Volksbelehrern vertraut: 1931 hatte er bereits in ihrer Fachzeitschrift, dem Hygie-

227 Vgl.  Bericht über die 1. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Gesund­ heitsmuseums, 29.3.1950, in: BArch, B 142/1997. 228 Ebd., hier S. 2. 229 So fand der Fachreferent für Jugendzahnpflege im Thüringischen Ministerium (aufgrund deutsch­deutscher Befindlichkeiten) Wilhelm Hopstein (*1900) keine Anerkennung. Die Doyens der Sportmedizin, Arthur Mallwitz (1880–1968) und Carl Diem (1882–1962), konnte hingegen nicht gewonnen werden. Vgl. Seiring an Hagen, 24.8.1950, in: BArch, B 142/402, Bl. 427. Zu Diem und Mallwitz siehe: Krüger, Michael (Hrsg.): Der deutsche Sport auf dem Weg in die Moderne. Carl Diem und seine Zeit, Münster 2009. 230 Vgl. Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches Gesundheits-Museum Köln: Große Gesundheitsausstellung, S. 106–123.

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nischen Wegweiser, zum Medium der Kleinausstellungen publiziert.231 1933 führte ihn der Vorstand des Dresdner Hygiene­Museumsvereins noch als Persönlich­ keit, die „für besondere Aufgaben oder allgemein richtungsgebende Beschlüsse“ zum wissenschaftlichen Ausschuss des Museums hinzugezogen werden sollte.232 Hoske hatte während des Nationalsozialismus Gesundheit explizit als Leistungs­ fähigkeit und Gesundheitspolitik als Mittel der Leistungsmaximierung definiert, und dies mit Wehrfähigkeit und der Sterilisierung „untauglicher“ Menschen ver­ schränkt.233 1950 schien das die Verantwortlichen des DGM indes wenig zu stören. Den sehnlichst gewünschten Mitarbeiter, Rudolf Neubert, bekamen Seiring und Hagen jedoch nicht. Trotz der Unterstützung vonseiten der Inhaber der Firma Madaus sagte Rudolf Neubert den beiden im Sommer 1950 ab.234 Statt Neubert fand sich jemand für das DGM, der ebenfalls an der Ausstellung Das Wunder des Lebens 1935 beteiligt gewesen war: Herbert Göllner (*1905) hatte dem Fachausschuss Die Lehre vom Leben angehört.235 Über ein Referenzennetz­ werk, an dem Hermann Muckerman, der Sozialhygieniker und ­pädiater Fritz Rott (1878–1959) sowie der Eugeniker/Genetiker Hans Nachtsheim (1890–1979) beteiligt waren, gelangte Göllner nun im September 1950 an das Gesundheits­ Museum und zeichnete 1951 für die Abteilungen Die Entwicklung des Lebens, Die Heimat sowie für die Zusammenstellung der einzelnen Stände der Freiwil­ ligenvereine und ­verbände verantwortlich.236 Göllners Weg an das DGM zeigt,

231 Vgl.  Hoske, Hans: Erfahrungen mit Ausstellungen kleinsten Umfangs, in: Hygienischer Wegweiser. Zentralblatt für Technik und Methodik der hygienischen Volksbelehrung 6/1931,  S.  251–255. Zur Biografie Hoskes: Beck, Herta: Leistung und Volksgemeinschaft. Der Sportarzt und Sozialhygieniker Hans Hoske (1900–1970), Husum 1991 und zu seiner „sportanthropome­ trischen“ Forschung in der Weimarer Republik: Dinçkal, Noyan: Sportlandschaften. Sport, Raum und (Massen­)Kultur in Deutschland 1880–1930, Göttingen 2013, S. 251–260. 232 Protokoll der Vorstandssitzung des Deutschen Hygiene­Museums, 29.5.1933, in: Haupt­ staatsarchiv Dresden, 13686, Nr. 48, Bl. 10. 233 Vgl.  Hoske, Hans: Entwicklungs­Förderung und Anlagepflege. Vortrag, gehalten an der Staatsmedizinischen Akademie, Berlin, Leipzig 1934; Ders.: Die menschliche Leistung als Grundlage des totalen Staates, Leipzig 1936; Reeg: Deine Ehre ist die Leistung ..., S. 3655; Reeg, Karl­Peter: Friedrich Georg Christian Bartels (1892–1968). Ein Beitrag zur Entwicklung der Leistungsmedizin im Nationalsozialismus, Husum 1988, S. 52; Eckart: Medizin in der NS­ Diktatur, S. 321. 234 Vgl. Seiring an Hagen, 24.8.1950; Neubert an Seiring, o. D., in: BArch, B 142/402, Bl. 427–428. 235 Vgl.  Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-G.m.b.H.: Wunder des Lebens, S. 7. 236 Vgl. Messe- und Ausstellungsgesellschaft Köln/Deutsches Gesundheits-Museum Köln: Große Gesundheitsausstellung,  S.  106–123. Zu Göllner und den Personen seines Netzwerks siehe: Göllner, Herbert: Volks­ und Rassenkunde der Bevölkerung von Friedersdorf (Kreis Lauban, Schlesien), Jena 1932; Abschrift Herbert Göllner an Hermann Muckermann, 30.7.1950, in: BArch,

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wie stark sich die Allianz um das Museum zum Wohle der Ausstellung wieder in die 1950 noch bestehenden Netzwerke des öffentlichen Gesundheitswesens und der hygienischen Volksbelehrung einklinkte und diesen ein erneuertes „Knüpf­ muster“ gab. Der Kölner Gesundheitsdezernent, Helmut Gaumitz, übernahm den Posten des Wissenschaftlichen Generalsekretärs und zeichnete für die Planung der Exposition der kommunalen Gesundheitswesen (Deutschen Selbstverwaltungen/ der kommunalen Spitzenverbände) mitsamt der Sonderschau der Stadt Berlin verantwortlich.237 Der personell größte Wurf gelang den Ausstellungsalliierten aber mit dem arrivierten Bakteriologen und Hygieniker Theodor Josef Bürgers (1881–1954) als honorablem „Aushängeschild“. 1926 hatte er in der Hauptabtei­ lung Gesundheitspflege/Gesundheit der GeSoLei die Unterabteilungen Kleidung und Körperpflege, Die übertragbaren Krankheiten“ und Die Chemie im Dienst der Gesundheitspflege verantwortet und damit Erfahrung mit hygienischen Großaus­ stellungen.238 Im Herbst 1950 wurde er mit der Gesamtleitung des Teils Erhaltung des Lebens, dem Vorsitz über den Wissenschaftlichen Ausschuss der Ausstellung sowie mit der Rolle des Kurators im Prüfungsausschuss betraut, um eine inhalt­ liche Gesamtkontrolle und kohärente Narration über die einzelnen Teilschauen

B 142/402, Bl. 114 f.; Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S. 120 f.; Schabel, Elmer: Soziale Hygiene zwischen Sozialer Reform und Sozialer Biologie. Fritz Rott (1878–1959) und die Säuglingsfürsorge in Deutschland, Husum 1995; Stöckel, Sigrid: Sozialmedizin im Spiegel ihrer Zeitschriften­ diskurse. Von der Monatsschrift für soziale Medizin bis zum Öffentlichen Gesundheitsdienst, in: Schagen, Udo/Schleiermacher, Sabine (Hrsg.): 100 Jahre Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland, Berlin 2005, S. 1–35; Weindling, Paul: Genetik und Menschenver­ suche in Deutschland, 1940–1950. Hans Nachtsheim, die Kaninchen von Dahlem und die Kinder vom Bullenhuser Damm, in: Schmuhl, Hans­Walter (Hrsg.): Rassenforschung an Kaiser­Wilhelm­ Instituten vor und nach 1933, Göttingen 2003, S. 245–274; Schwerin, Alexander von: Experimen­ talisierung des Menschen. Der Genetiker Hans Nachtsheim und die vergleichende Erbpatholo­ gie, 1920–1945, Göttingen 2004. 237 Vgl. Broschüre „Ein Ja dem Leben“, 1951, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 945, Nr. 142. 238 Vgl.  Körner/Stercken: Körner, Stercken (Hg.) 2002–1926–2002. GeSoLei,  S.  401. Zur Bio­ grafie Bürgers siehe: Vossen: Gesundheitsämter im Nationalsozialismus,  S.  417; Anonym: Art. „Josef Bürgers“, 2014, http://www.uni­leipzig.de/unigeschichte/professorenkatalog/leipzig/ Buergers_396, 7.3.2020 und zum Konnex GeSoLei, Bürgers und dem im Oktober 1950 ernann­ ten Bundesminister des Innern und ehemaligen Düsseldorfer Oberbürgermeisters Robert Lehr (1883–1956): Sent, Eleonore: Dr. Robert Lehr (20.8.1983–13.10.1956): Düsseldorfer Oberbürger­ meister, Oberpräsident der Nord­Rheinprovinzen und Bundesinnenminister, in: Düsseldorfer Jahrbuch 78/2008, S. 87–115.

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hinweg zu gewährleisten und das prekäre Gleichgewicht aus wissenschaftlichem und kommerziellem Teil in Balance zu halten.239 Auf der einen Seite brauchten die Ausstellungsmacher nämlich eine Vielzahl an Ideengebern, Entwicklern, Gestaltern und Beiträgern, um die Attraktivität der Ausstellung zu erhöhen – ein verzweigtes Netzwerk. Auf der anderen Seite mussten sie die Zentralität der eigenen Abteilungen und damit des Museums aufrechterhalten und deren Wis­ senschaftlichkeit zertifiziert sehen.240 In der Praxis entwickelte sich eine Aufgabenteilung, um die in ihren Effekten tendenziell widerstrebenden Notwendigkeiten der Ausstellung miteinander zu versöhnen. Seiring kümmerte sich um spektakuläre Objekte und „Attraktionen“ und um die Konkurrenz: Expositionen andere Betreiber, die nicht zu Alliierten der Ausstellung wurden, kaufte er auf, wie beispielsweise eine über Geschlechts­ krankheiten der gerade aufgelösten Hygiene Gesellschaft m.b.H. Und über seine Kontakte zu den lokalen Ausstellungs­ und Messegesellschaften erreichte er mehrfach, dass einer Wanderausstellung aus dem Hygiene­Museum der Zugang zum westdeutschen Aufmerksamkeitsmarkt der Gesundheitsausstellungen ver­ wehrt blieb.241 Das Prestige der Wissenschaft zu leihen, übernahm neben Bürgers noch der wissenschaftliche Beirat der Ausstellung. Nach einer Ortsbegehung durch die Merheimer Werkstätten im Juli 1950 und der Begutachtung der bisherigen Vorar­ beiten bestätigte der Beirat, der sich aus sechs Vertretern der drei hauptsächlichen Finanziers und acht Mitarbeitern des Gesundheits­Museums bzw. den bereits im März des Jahres anwesenden Medizinern zusammensetzte, die Exponatdisposi­ tion und die Raumaufteilung der Ausstellung. Die Mitglieder steuerten ferner ihre Expertisen und Wünsche bei: So stellten sie sich gegenseitig benötigtes Material zur Verfügung, einigten sich auf einen Verantwortlichen für die Gesamtgestal­ tung (den ehemaligen Dresdner Mitarbeiter Martin Röhl, nunmehr Leiter des Zei­ chensaals und des Malateliers des Kölner Museums) und diskutierten mögliche Beiträger von Ausstellungsstücken, wie die städtische Kunstsammlung und das

239 Vgl. Seiring an Hagen, 11.10.1950, in: BArch, B 142/400. 240 Vgl. die Briefvorlage Hagens, mit der er im Sommer um Unterstützung für die Ausstellung warb: Vorlage des Briefs Hagens an diverse Vereine, Verbände, Ministerien, o. D. (Sommer 1951), in: BArch, B 142/402, Bl. 106–111 und die Korrespondenzen mit den beteiligten Subausstellern von Januar bis Mai 1951: ebd., Bl. 176–220. Siehe exemplarisch zu zurückgewiesenen Ansprüchen der Beiträger die Verhandlungen zwischen der Landesarchivverwaltung und Josef Bürgers: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 4, Nr. 5, 1950–1954, Bl. 88–96. 241 Vgl.  Seiring an Hagen, 19.9.1950; Auskunft aus dem Handelsregister über die Hygiene­ Gesellschaft mbh, in: BArch, B 142/402, Bl. 112.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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Frankfurter Senckenberg­Museum. Namen externer Wissenschaftler wurden auf­ gelistet und für diejenigen Gruppen angefragt, die nicht durch einen Akteur aus der Allianz des Museums beglaubigt werden konnten.242 Bedenken umkreisten innerhalb des wissenschaftlichen Beirats jedoch die Popularisierungszwecke der Ausstellung. Zwar bestanden seine Mitglieder auf dem Grundsatz, medizinisch­wissenschaftliche Kontroversen zu vermeiden, damit sich solche Auseinandersetzungen nicht auf die Ausstellung übertrugen und die öffentliche Vorstellung der Wissenschaft als Findungsinstanz von indiskutablen Wahrheiten in Frage stellten. Anatomie, Physiologie, Volksreproduktion, Krank­ heitsprävention und die Darstellung hygienischer Maßnahmen sollten nicht hinsichtlich der Konstruktion ihrer Wahrheitsgeltung oder gar im Hinblick auf ihre politische Dimension präsentiert werden. Das Thema „Innere Sekretion“ hatte daher im Allgemeinen gehalten zu werden.243 Selbstverständlich war hier ein Zerrbild wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion und Erkenntnismöglich­ keit zu popularisieren. Dieses passte aber gleichwohl kongenial zum autoritär­ fürsorglichen Gestus der Experten gegenüber Laien. Weniger einig waren sich die Mitglieder bei ihren jeweiligen Wunschlisten der Präsentation: Vertreter des DGB insistierten, dass in Absprache mit den ausstellenden Verbänden und Lan­ desgesundheitsverwaltungen „auch allgemeine Nöte gezeigt werden.“244 Hagen wiederum erwartete, dass „irgendwo auch die Forderung nach einem Bundes­ gesundheitsministerium“245 genannt wurde, während die Ländervertreter darauf bestanden, dass Muster­Gesundheitsämter präsentiert wurden.246 Einig waren sich die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats wiederum bei dem Punkt, dass der Wert der Gesundheit vor den der Wirtschaft gestellt werden musste.247 Die prinzipielle Forderung der Gewichtung und Entgegensetzung der Werte von Gesundheit und Kommerz sollte das Gesundheits­Museum über die Ausstellung hinaus begleiten und Seirings Modell zweifach bedrohen: einerseits durch eigene wirtschaftliche Tätigkeit zum Erhalt einer relativen Unabhängigkeit 242 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats am 20. Juli 1950 in den Werkstätten des Deutschen Gesundheits­Museums e. V., in: BArch: B 142/1997. 243 Vgl.  Göllner, Herbert: Niederschrift über die Sitzung des wissenschaftlichen Beirats am 14.12.1950, in: ebd., Bl. 170–175. Dies steht in Zusammenhang mit einer Marginalisierung der En­ dokrinologie nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland in Folge eines „Braindrain“ renom­ mierter Forscher. Siehe hierzu: Kury, Patrick: Der überforderte Mensch. Eine Wissensgeschichte vom Stress zum Burnout, Frankfurt a. M. u. New York 2012, S. 196–199. 244 Göllner, Herbert: Niederschrift über die Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats am 14.12.1950, in: BArch, B 142/402, Bl. 173. 245 Ebd. 246 Vgl. ebd., Bl. 174. 247 Vgl. ebd.

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gegenüber den Trägern, andererseits in Form eines generellen Zweifels gegen­ über notwendigerweise auch kommerziellen Großausstellungen als Mittel einer visuellen Gesundheitsaufklärung.

Begrenzter Erfolg: Kritik der Ausstellung und der prekäre Stand des Deutschen Gesundheits-Museums Die Ausstellung hatte dem Gesundheits­Museum und dem Modell der hygie­ nischen Volksbelehrung in der neuen Republik eine Grundlage geschaffen. Ihretwegen waren Exponate neu aufgelegt oder zusammengetragen, Akteure interessiert, zugeteilt und repräsentiert worden. Doch die Stabilisierung des Museums blieb eine fragile. Das lag an dem gemischten Echo, das Ein Ja dem Leben hervorrief und an den Effekten auf die Netzwerke der Organisation, die die Ausstellung(skritik) zeitigte. Zwar versuchten die Verantwortlichen, namentlich Wilhelm Hagen und Josef Bürgers, die Ausstellung in der ärztlichen Fachöffent­ lichkeit vor zu hohen Erwartungen abzusichern; eine präventive Verhaltensän­ derung sei nicht zu erwarten („mancher Knoten der Verbindung zwischen dem Wissen und seiner Anwendung auf das Leben wäre noch zu knüpfen“) und nicht alles habe behandelt werden können, so ihr Tenor.248 In der überregionalen Öffentlichkeit wurde jedoch genau das Gegenteil kritisiert: Es sei nicht zu wenig, sondern gerade zu viel behandelt und ausgestellt worden. Im Berliner Tagesspiegel war die Rede von „Uebervollständigkeit und Hypertrophie.“249 Dieser Kritik schloss sich auch Die Zeit an: Während der Auswahl der 300 ausstellenden Firmen offenbar eine gewisse ‚liberale‘ Inter­ pretation der Parole ‚Ein Ja dem Leben‘ zugrunde lag, haben die Firmen der pharmazeuti­ schen, medizinischen, kosmetischen, textilen, technischen, literarischen Branchen ihren Beitrag zur menschlichen Gesunderhaltung offenbar sehr ernst genommen. […] Das Aus­ stellungsangebot ist umfassend, ja vielleicht zu umfassend, um im Sinne der Ausstellung noch als einheitlich gelten zu können.250

Die Überfülle sahen auch die Rezensent*innen der Süddeutschen Zeitung und mehr noch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Problem einer fehlenden 248 Hagen: Abschied von der Großen Gesundheits­Ausstellung. Hagens Entwurfsarbeiten zu diesem Artikel finden sich in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW  945, Nr.  142. Vgl.  eben­ falls: Bürgers, Josef: Zweck und Ziel der deutschen Gesundheitsausstellung, in: Du und die Welt 2/1951, S. 2, S. 4. 249 Matzke, Eine optimistische Ausstellung, in: BArch, B 142/402, Bl. 264. 250 Anonym: Kölns Gesundheitsausstellung, in: Die Zeit, 2.8.1951.

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Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit an. Darüber hinaus äußerten sie eine tiefe Skepsis gegenüber den Exponaten, ihrer Anordnung und narrativen Rahmung. Beide machten ihre Kritik an dem „Gläsernen Giganten“ fest. Für Vilma Sturm verkörperte der „Leuchtende Gigant“ in der FAZ quasi blasphemisch den Gott des Jahrhunderts, der keine Geheimnisse dulde und zum Ausdruck bringe, dass Gesundheit keine Gnade mehr von oben, sondern „ein durch Arbeit beizube­ haltender oder zu erringender Zustand“251 sei. Doch in Wirklichkeit – hier griff sie die Symbolik der liegenden Sanduhr des Ausstellungsplakats auf – „läuft unsere Sanduhr unaufhaltsam, und ohne ein Ja zum Tod gibt es ein Ja zum Leben nicht.“252 Die Ambivalenz der riesigen Figur wurde auch in der SZ hervorgeho­ ben. Der sakralisierenden, überhöhenden Präsentation des Giganten stünde die tatsächliche Betrachtung entgegen: „Aber der schönen Schale ihres Staunens fehlte offenbar der süße Kern der Ehrfurcht. Sie [die Besucher, C.S.] gingen bald, einer nach dem anderen, hin und besahen sich des Riesen durchsichtiges Hin­ terteil.“253 Der hier offenbarte Widerspruch zwischen Erstaunen und Bewunde­ rung wurde gar erweitert zu einer Kritik an der Apotheose des leibvergessenen Menschlichen und des wissenschaftlichen Fortschritts. Die Ausstellung gleiche einem „panopticum humanum“, das alles Körperliche sichtbar machen wolle, dabei aber nicht nur die Individuation qua Leibeserfahrung durch Schmerz ver­ neine, sondern im Giganten einen „riesigen Gipfel des Normativen, nicht mehr unvollkommenes Ebenbild des Göttlichen, sondern vollkommenes Abbild des Allzumenschlichen“ aufgebaut habe. Den einzigen Halt, den die Ausstellung den Besuchern noch anbiete, sei die hier als irrig implizierte „Überzeugung von der Größe der wissenschaftlichen Leistungen.“ Doch, so die Kritiker*in, als ich nach der überwältigenden Heerschau der Kampfgeschwader für das ‚Ja zum Leben‘ nach einer Aspirin­Tablette greifen wollte, stieß ich mich noch an einer Wandtafel. […] Auch der Krieg wird immer hygienischer; wenn das so weiter geht, wird man im nächsten Krieg nur noch totgeschossen, aber sterben, sterben braucht keiner mehr.254

Die Kritiker*innen beanstandeten demnach zwei Punkte, die für Seirings Modell der hygienischen Volksbelehrung gleichsam paradigmatisch waren: die Gleich­ zeitigkeit von Bildung und Kommerz im Widerspruch zwischen ausstellerischer Überfülle und klarer Botschaft einerseits sowie zwischen der Individualität des

251 Sturm, Vilma: Der geheimnislose Gott. Ein Bericht von der Kölner Gesundheitsausstellung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.6.1951, S. 4. 252 Ebd. 253 Kr.: Panopticum humanum. 254 Alle Zitate ebd.

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Menschen, die gerade auch im Kranksein bestehe, und einer Gesundheitsauf­ klärung, welche Krankheiten präventiv eliminieren sollte und dazu Gesundheit absolut setzte und zu Verhaltensnormen ausformte, andererseits.255 Deutlich pragmatischer evaluierten verständlicherweise die Experten des ÖGD und die Engagierten des Museums die Ausstellung. Franz Klose (1887–1978), als Direktor des Hygiene­Instituts in Kiel, Leiter des Staatlichen Medizinal­ Untersuchungsamtes, Gründungspräsident des Bundesgesundheitsamtes (1952– 1953) sowie als Leiter der Gesundheitsabteilung des Bundesinnenministeriums (1953–1954) eine einflussreiche Figur in der Gesundheitspolitik der Nachkriegs­ zeit, bedankte sich gerade wegen ihrer Fülle an Informationen, nicht aber ohne deren technische Überspitzung zu monieren.256 Ferner habe die Ausstellung gleichermaßen einen zu großen Umfang angenommen, eine geringe Systematik aufgewiesen und mit sieben Wochen Dauer zu lange angedauert – drei Wochen hätten gereicht. Einige fachliche Mängel hätten nur dem Fachmann auffallen können. Trotz dieser Monita und einer mangelhaften Öffentlichkeitsarbeit könne man mit 300 000 Besucher*innen aber insgesamt sehr zufrieden sein.257 Schwerer wog hingegen die explizite Abrechnung Bürgers mit der von ihm selbst verantworteten Ausstellung, die er nicht nur innerhalb der Gremien zirku­ lieren ließ, sondern auch „an ihm bekannte Professoren und Industriekreise“258 schickte. Bürgers beklagte nicht nur, dass der Inhalt vollständig zerrissen und die Tafeln allesamt eintönig gestaltet waren. Die Art der Zusammenarbeit zwischen Messegesellschaft, dem Museum und ihm erschien ihm insgesamt missglückt: Einschränkungen beim Personal sowie mangelnde Wertschätzung, Zuarbeit und Deutungshoheit hätten nicht nur zu seiner Verstimmung geführt, sondern dazu,

255 Kritik an einer verwirrenden Überfülle begleitete die großen Gesundheitsausstellungen be­ reits seit 1911. Siehe hierzu: Weinert: Der Körper im Blick, S. 120 ff. 256 Vgl. Klose an Seiring, 3.7.1951, in: BArch, B 142/402, Bl. 273. Zu Klose siehe: Franz Hugo Ju­ lius, in: Schagen/Schleiermacher: 100 Jahre Sozialhygiene; Vossen: Gesundheitsämter im Natio­ nalsozialismus, S. 316; Stoff, Heiko: Franz Klose, Kiel: „Auch Glück ist kein Ersatz für Arbeit“. Das Projekt der Gesundheitsvorsorge als Pflicht zur Selbstoptimierung, 1930–1970, in: Wolters, Christine/Becker, Christian (Hrsg.): Rehabilitation und Prävention in Sport­ und Medizinge­ schichte. Bericht der gemeinsamen Tagung des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte e. V. Hannover (NISH) und des Instituts für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) vom 10. bis 11. November 2012, zugleich Tagungs­ bericht der 11. Tagung des NISH, Berlin u. a. 2014, S. 169–188. 257 Vgl.  Bericht über die Große Gesundheits­Ausstellung in Köln 1951, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 945, Nr. 142. 258 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des engeren Vorstands des DGM am 6.12.1951, in: BArch, B 142/400, hier S. 1.

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dass „die […] Hygiene als Wissenschaft und Praxis viel zu kurz gekommen“259 sei. Mehr noch, so Bürgers‘ Fazit, „[j]eder Fachgenosse muss […] notgedrungen mit einem Kopfschütteln die Ausstellung verlassen, in dem Bewusstsein, erfah­ ren zu haben, wie man eine Ausstellung nicht aufziehen soll. Dem berühmten ‚Ja dem Leben‘ muss ich, ehrlich gesagt, entgegenhalten ‚Ein Nein der Ausstellung‘. Salvavi animam meam.“260 Ob Bürgers, immerhin Vorsitzender des wissenschaft­ lichen und des Prüfungsausschusses der Ausstellung mit der Kritik „seine Seele“ retten konnte, hätten wohl weder die Ausstellung selbst noch die Gremienmit­ glieder mit einem ähnlichen bildungsbürgerlichen Hintergrund beantworten können. Gleichwohl traf er mit seinem Urteil die Ausstellung ins Mark: Er säte nicht nur Zweifel an ihrer Organisation, sondern auch an ihrer Wissenschaftlich­ keit sowie überhaupt an ihrem Sinn. Eine ähnlich grundlegende Kritik an der Ausstellung äußerte auch Heinz Reuter (*1913), damals Kieler Medizinalrat und stellvertretender Präsident des ÖGD in Schleswig­Holstein.261 Reuter sah zwar in der Ausstellung eine „zusam­ menfassende Darstellung des Standes des Gesundheitswesens in der Bundesre­ publik nach dem Kriege“262, die immer sehenswert sei, weil der Laie irgendetwas mitnehme, wenn Wort und Bild eine Popularisierungssymbiose eingingen. Auch der Experte könne sehen, wie eine Thematik des Gesundheitswesens zur Ver­ mittlung aufbereitet werden könne. Doch beides sei in Köln nicht gelungen. Das Fehlen einer „straffen Gesamtplanung“263 habe die Besucher mit einer Vielzahl von Bildern und Texten erdrückt. Manches sei unverständlicherweise wiederholt (z. B. die Säuglings­ und Kinderpflege, Tuberkulose­ und Suchtgefahrenbekämp­ fung) und die dreidimensionalen Exponate entsprechend vergeudet, da nicht sinnvoll platziert, worden. Selbiges gelte für die über 200 Stände der Industrie: Am Anfang der Ausstellung hätten sie besser als potenzielles Instrument genutzt werden können, um die Besucher wie ein Magnet durch die ideellen Teile zu ziehen. Stattdessen hätten sie mit ihren „an alle Sinne appellierenden Reklamet­ ricks und suggestiven Werbemethoden“ den Besucher am Ende „ganz besonders

259 Bürgers: Bericht über die Große Gesundheits­Ausstellung Köln 1951, in: BArch, B 142/402, Bl. 274 Bl. 277. 260 Ebd. 261 Vgl. biografisch zu Reuter: Lenhard-Schramm, Niklas: Das Land Nordrhein­Westfalen und der Contergan­Skandal. Gesundheitsaufsicht und Strafjustiz in den „langen sechziger Jahren“, Göttingen 2016, S. 280 f., Anm. 1497. 262 Reuter, Heinz: Ein Ja dem Leben! – Auch der Gesundheitsausstellung?, in: Städtehygiene 2/1951, S. 269–270, S. 269. 263 Ebd.

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strapaziert.“264 Ebenso sei der Alkoholausschank auf dem Gelände besonders kritisch zu sehen. Dass der Verkauf von alkoholischen Getränken und Gesund­ heitsaufklärung nicht zusammenpasse, war ein Vorwurf, der die Großausstellun­ gen der hygienischen Volksbelehrung seit ihren Anfängen begleitet hatte.265 Und auch in Dresden hatte sich dieser nach Seirings Entlassung Bahn gebrochen, als 1948 die neuen Verantwortlichen des Hygiene­Museums verbissen versuchten, dem verpachteten Tanzlokal mitsamt seinem Alkoholausschank zu kündigen, das Seiring aus finanziellen (und traditionellen) Gründen in das Dresdner Muse­ umsgebäude eingemietet hatte.266 Das prinzipielle Dilemma der hygienischen Volksbelehrung durch ein ausstel­ lendes Museum bestand auch 1951 noch darin, dass sie auf industrielle Beteiligung und Werbemethoden genauso wenig verzichten konnte, wie auf die Beteiligung von gesundheitsfürsorgenden Freiwilligenverbänden und Gesundheitsverwaltun­ gen. Jahrmarktliche Volksbelustigung und wissenschaftsgeleitete Volksbelehrung mussten miteinander versöhnt werden. Anhand der Berliner Ernährungsausstel­ lung von 1928, an der sich auch das Hygiene­Museum beteiligt hatte, hatte Walter Benjamin dazu einen Weg skizziert: Dem Ziel, Besuchern, die „nicht ‚belehrt‘ werden [wollen, C.S.]“ Neues und Wahres zu vermitteln, müsse durch eine „straffe und glückliche Organisation“ alles Andere untergeordnet werden. Dann sei auch die Vermittlungsarbeit mit einem „Chock“ gerechtfertigt, der das „Erlebte im Innern festnagelt“ – die Methoden eines „Jahrmarktes“ mitsamt des „Gratisaus­ schanks“ seien dann nicht nur statthaft, sondern gar nötig.267 Und auch Gebhard

264 Ebd., S. 296 f. 265 Vgl.  Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern,  S.  276 und die Fotodokumenta­ tion der I. IHA 1911 in Dresden, auf der die Ausstellung der Brauerei­Union direkt anschloss an die Präsentation von Molkereiprodukten und alkoholfreien Getränken: Internationale Hygiene­ Ausstellung Dresden, 6. Mai bis 31. Okt. 1911, Fotodokumentation der Ausstellung, Band 2, in: Sammlung DHMD 2001/196.54. 266 Vgl.  Stellungnahme Prof. Wegners HVGes, Abt. IV an das Amtsgericht Dresden vom 5.10.1948, in: BArch, DQ 1/1094 und Kap. 1.1. 267 Benjamin, Walter: Jahrmarkt des Essens. Epilog zur Ernährungsausstellung, in: Benjamin, Walter: Gesammelte Schriften IV.1, Frankfurt a. M. 1972 [1928], S. 527–532, S. 528. Zur historischen Verortung Benjamins Ausstellungsrezension siehe: Nikolow: Statistischer Blick. Zur museologi­ schen Kontextualisierung, gerade im Hinblick auf das Dilemma zwischen Warenästhetik, Aus­ stellungswesen, Kaufhaus und Museum vgl.: Korff, Gottfried: Die Eigenart der Museums­Dinge. Zur Materialität und Medialität des Museums, in: Fast, Kirsten (Hrsg.): Handbuch der muse­ umspädagogischen Ansätze, Opladen 1995, S. 17–28; Ders.: Omnibusprinzip und Schaufenster­ qualität: Module und Motive der Dynamisierung des Musealen im 20. Jahrhundert, in: Grüttner, Michael/Hachtmann, Rüdiger/Haupt, Heinz­Gerhard (Hrsg.): Geschichte und Emanzipation. Festschrift für Reinhard Rürup, Frankfurt a. M. u. New York 1999, S. 728–753, S. 728–735.

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hatte 1935 ganz Ähnliches gefordert und dabei „Mammutausstellungen“268 gänz­ lich verworfen: Ausstellungen haben heute nur dann Berechtigung, wenn sie der Lösung gegenwärtiger Zeitfragen dienen. Die Zeit repräsentativer Ausstellungen ist vorbei. Ausstellungen, denen nicht ein festes Programm zugrunde liegt, sind nicht zu rechtfertigen. […] Eine klare Gliederung des Themas ist unbedingte Voraussetzung für den Erfolg. Ebenso wichtig ist Beschränkung auf das Notwendige; jedes Zuviel an Ausstellungsmaterial belastet unnötig den Besucher. […] Die innere Gliederung des Stoffes muß ihren Niederschlag finden in der Anordnung der Räume. Der Weg des Besuchers muß mehr oder weniger zwangsläufig dem roten Faden der Gedankenführung entsprechen. Was die Darstellungen selbst angeht, so müssen sie einfach und verständlich sein, eine klare Schrift haben, dabei geschmackvoll und einwandfrei in der künstlerischen Gestaltung sein. Man vergesse nicht, daß gefühlsmä­ ßige Entscheidungen weit wichtiger sind als verstandesmäßige Überlegungen. Bewegungs­ modelle, die dem Spieltrieb des Menschen entgegenkommen, sind oft sehr wirksam.269

Doch gerade dies, die Popularisierung hygienischen Wissens zentral zu setzen und durch einen gliedernden roten Faden zentral zu halten, sprach 1951 Reuter dem Ja dem Leben ab. Die Große Gesundheitsausstellung habe eher einem Jahr­ markt geglichen, denn Volksbildung betrieben. Für ihn stand daher fest, die Große Gesundheitsausstellung in Köln 1951 ist ohne wesentliche Reaktion im In­ und Ausland verlaufen. Sie hat ihr gestecktes Ziel, der Bundesrepublik das Deutsche Hygiene­ Museum in Dresden zu ersetzen, nicht erreichen können. Wir werden in den nächsten Jahren in Deutschland keine große Ausstellung über das gesamte Gesundheitswesen mehr sehen.270

Keine Anerkennung und Aufmerksamkeit, kein Ersatz für das Deutsche Hygiene­ Museum, keine fachlich hinreichende Repräsentation des gesamten Gesund­ heitswesens und damit eine verschenkte Chance – das attestierte Reuter nicht nur der Ausstellung, sondern dem Deutschen Gesundheits­Museum. Der Vorstand des Gesundheits­Museums reagierte auf die Kritik zwiegespal­ ten. Reuters Verriss wurde als „kleinlich und offensichtlich ungerecht“ beurteilt und man beschloss, sie auszusitzen. Mit Bürgers dagegen galt es die Wogen zu glätten.271 Seiring wiederum versuchte, die Vorwürfe zu seinen Gunsten zu

268 Gebhard: Ausstellungen als Mittel, S. 98. 269 Ebd.,  S.  99. Vgl.  zum Spieltrieb der Besucher*innen in Hygiene­Ausstellungen Kap.  2.3: Erkenne dich selbst. 270 Reuter: Ein Ja dem Leben, S. 270. 271 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des engeren Vorstands des DGM am 6.12.1951, in: BArch, B 142/400, hier S. 2.

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wenden, als er 1953 gegenüber dem BMI eingestand, dass die Ausstellung von 1951 „ nicht restlos gelungen“272 war. Es habe sich gezeigt, so Seiring, daß Universitätsprofessoren wohl Studenten belehren können, aber für gesundheitliche Volkserziehung und Aufklärung selten geeignet sind. Die Sprache der Wissenschaft ist eben für das Volk zu schwer verständlich, deshalb wird das Museum als Mittler zwischen Wissen­ schaft und Volk dienen und dem Volke die wissenschaftlichen Ergebnisse der Forschung in gemeinverständlicher Form darbringen müssen.273

Bürgers sei zu akademisch gewesen und habe nicht zum Volk sprechen können. Das sei aber für die Aufklärung Vieler elementar. Hier läge, so Seiring, die genuine Leistung seines Museums. Mit dem Gedanken der Populärwissenschaft als einer gemeinverständlichen Aufarbeitung wissenschaftlicher Erkenntnisse, als einer Kommunikation vom Komplexen ins Allgemeine und vom Experten zum Laien, konstruierte und reklamierte Seiring in exkulpierender Strategie eine Expertise für sich und sein museales Modell der Volksbelehrung. Doch mit seiner Kritik hatte Reuter gerade dieses Modell insgesamt infrage gestellt. Dieses sah ja gerade vor, das Museum durch die Netzwerkkonstitution qua Ausstellung zu stabilisieren – die Anerkennung in Kreisen des Öffentlichen Gesundheitswesen war dafür eine Voraussetzung. Den Zweck, das Deutsche Gesundheits­Museum in der Bundesrepublik zu etablieren, erfüllte die Ausstel­ lung somit nur teilweise. Das zeigt sich erstens auf der Ebene der Mitarbeiter*in­ nen. Einen wissenschaftlichen Leiter fand das Museums nämlich nicht durch die Ausstellung, ganz im Gegenteil ließ diese mehr Kandidat*innen ausschließen als in Betracht kommen: Hoske war zu teuer und Bürgers kam durch seine Kritik nicht mal mehr für den wissenschaftlichen Beirat infrage.274 Den wissenschaft­ lichen Mitarbeiter*innen, Herbert Göllner und Eleonore Enzmann, traute man die wichtige Leitungsfunktion und Seirings Stellvertretung (mit der Perspektive, eine*n Nachfolger*in des mittlerweile 68­jährigen Seirings zu benötigen) nicht zu. So übernahm Wilhelm Hagen selbst Anfang 1953 zunächst einige Arbeiten der wissenschaftlichen Leitung und 1956 schließlich nebenberuflich die Rolle des Stellvertreters.275 Doch trotz Hagens Engagement sollten dem DGM lange Zeit

272 Seiring: Stellungnahme zum Vermerk des BMI vom 22.8.1953, 19.10.1953, in: BArch, B 310/341, hier S. 2. 273 Ebd. 274 Vgl. Görlinger: Niederschrift der Sitzung des engeren Vorstands des Deutschen Gesundheits­ Museums e. V. am 7.5.1951, in: BArch, B 142/400, hier S. 4; Niederschrift über die Sitzung des en­ geren Vorstands des DGM am 6.12.1951, in: ebd., hier S. 1 f. 275 Vgl.  Sitzung des engeren Vorstands am 16.1.1954 sowie Sitzung des engeren Vorstands, 21.8.1956, in: BArch, B 142/2013, 1952–1959, Bl. 14, 72.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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die wissenschaftlichen Mitarbeiter fehlen, welche die Neuauflage des „Hygiene­ Konzerns“ tragen, die vielfältigen Aufgaben ausbalancieren konnten. Zweitens blieb auch die strukturelle Ordnung des Gesundheits­Museums und dessen Absicherung eine fragile. Sie nahm an Brüchigkeit sogar noch zu: Über die Ausstellung wurde die feste Mitgliedschaft des Bundes am Museums­ verein erreicht. Das sicherte zwar zunächst die Finanzierung des Museums, hatte aber ambivalente Folgen, denn der Interessensgegensatz zwischen Bund und vor allem Köln wurde so in die Gremien des Museumsvereins (weniger in die Mit­ gliederversammlung oder den wissenschaftlichen Beirat, sondern vor allem in die beiden Vorstände) integriert. Institutionalisiert wurde damit eine Organisa­ tionsstruktur, in der der engere Vorstand sich durch den hohen Grad an Perso­ nalunionen in beiden Vorstände quasi selbst entlastete. Spätestens als mit der Satzungsversion von 1958 auf Drängen des Bundes hin das anfangs eingeräumte Vorrecht der Stadt Köln gestrichen wurde, sowohl den Vorsitzenden – der Ober­ bürgermeister der Stadt, dessen Stimme bei Stimmengleichheit entschied – als auch den Beisitzer zu stellen, wurden Lösungen der Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Vorstellungen vom Museum aufseiten der Träger ergaben, zunehmend schwerer. Diese Struktur sollte sich im Laufe der 50er Jahre als wenig krisenfest erweisen.276

Zwischenfazit Mit der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben hatten Seiring und die Interessierten ihr neues Museum öffentlich gemacht und dieses wieder in ein Netz­ werk der hygienischen Volksbelehrung eingebunden, das es selbst maßgeblich mit knüpfte. Ihnen war es gelungen, viele Vereine, Verbände, Medizinalbeamte aus dem ÖGD sowie Wissenschaftler*innen für einen Beitrag auf der Ausstellung zu gewinnen und dem Museum einen Grundstock an Exponaten zu sichern. Die Initiatoren schafften es auf diese Weise, an das Dresdner Modell der hygienischen Volksbelehrung anzuschließen: Die heterogene Exposition mit ihrem unterhal­ tenden, belehrenden und aufklärend ermächtigenden Charakter hatte ein hygie­ nisches Gegenwartsmuseum, das einer Mischung aus öffentlichem Dienstleister,

276 Vgl.  Vermerk, 15.11.1951; Brief Hagens an Seiring, 31.1.1952, in: BArch, B 142/401,  Bl.  31, 41; Finanzministerium NRW an Sozialministerium NRW, 11.2.1952, in: Landesarchiv Nordrhein­ Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 30; die Satzungen des DGM sowie die Niederschrift über die Mitglie­ derversammlung des Deutschen Gesundheits­Museums e. V., 20.11.1958, in: BArch, B 142/1997; Än­ derungen der Satzung von 1952, in: Landesarchiv Nordrhein­Westfalen, NW 366, Nr. 15, 1958, Bl. 16.

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 Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen überführen

Volksbildungsinstitut und kommerziellem Unternehmen entsprach, provisorisch abgesichert. So wie sich Seiring bemühte, die Tradition der hygienischen Volksbelehrung, als deren entscheidender Vertreter der Legendenbildung nach Seiring selbst galt, von Dresden nach Köln zu übertragen, so bereitwillig griffen die Ausstellungsma­ cher*innen 1951 auf Elemente älterer Ausstellungen zurück. Sie erneuerten alte Exponate, wie den „Gläsernen Giganten“, und legten die alte Ausstellungsglie­ derung aus Das Wunder des Lebens von 1935 neu auf. Seirings noch aus Dresdner Zeit stammende Mitarbeiter verwendeten wieder vertraute Popularisierungstech­ niken der Sichtbarmachung und Vermittlung durch bildhafte Vergleiche, Vergrö­ ßerungen, Schematisierungen und Bedienbarkeit. Ein Ethos der Gemeinnützig­ keit, des Kampfes um die Gesundheit jedes Einzelnen und der Völker half, auf die Vergangenheit zu bauen. In diesem Denken galt jegliche Arbeit für die Gesundheit als apolitisch. Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen könne niemals diskutabel, geschweige denn schlecht sein. Und nach dem „Chaos des Zweiten Weltkrieges“277 könne eine kooperative Bildungsarbeit in Sachen Gesundheit, die „das eigene Denken und Lernen in Erziehungs­ und Gesundheitsfragen“278 fördere, nur als unpolitische Kultur­ und Weltgesundheitsarbeit gesehen werden, mit der die Bundesrepublik wieder zu einem wertgeschätzten Mitglied der inter­ nationalen – und damit vor allem westlichen – Staatengemeinschaft werde. So rahmten die Publikationen des Gesundheits­Museums die eigene Arbeit nach der Ausstellung von 1951 und fanden im Vitruvianischen Menschen von Leo­ nardo da Vinci ein Symbol dafür. Die Grafiker des Gesundheits­Museums sche­ matisierten die Proportionszeichnung Leonardos massiv und setzten den entlang seiner mittleren Längsachse in einem schwarz­weiß Muster angedeuteten Män­ nerkörper von einer farblich entgegengesetzt gestalteten und durch Längen­ und Breitengrade angedeuteten Weltkugel im Hintergrund ab. Die Menschen­Ikone des Renaissance­Humanismus ersetzte nunmehr das wissende und kontrollie­ rende „Auge der Hygiene“, das noch in der Ausstellungsbroschüre 1951 präsent gewesen war, als Erkennungszeichen des Gesundheits­Museums.279 Die Strategien der ostentativen Entpolitisierung sowie die der Traditions­ übertragung von Dresden nach Köln schien jedenfalls zumindest teilweise erfolg­ reich gewesen zu sein. In den USA betrachtete man 1952 das Dresdner Museum

277 Lorentz: Wege zur Gesundheit, S. 27. 278 Ebd., S. 27. 279 Vgl.  ebd.,  S.  27–30; Broschüre „Ein Ja dem Leben“, 1951, in: Landesarchiv Nordrhein­ Westfalen, NW  945, Nr.  142; Deutsches Gesundheits-Museum/Göllner: Deutsches Gesundheits­ Museum Köln, 1954.

2.2 Reichweiten und Grenzen der Neukontextualisierung des DGM 

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als nach Köln umgezogen;280 und zur Großen Gesundheitsausstellung titelte der West­Berliner Tagesspiegel: „Köln übernimmt Dresdens Hygiene­Tradition.“281 Unpolitisch war die Arbeit des Gesundheits­Museums und seine erste Groß­ ausstellung jedoch nicht nur mit Blick auf die betriebene Geschichtspolitik ganz und gar nicht. Die Rahmung einer Transzendentalität des Lebens und der Würde­ haftigkeit des Körpers distanzierte die Ausstellung und die hygienische Volksbe­ lehrung von den Verbrechen (der Mediziner und Hygieniker) im Nationalsozialis­ mus. Die Wunderhaftigkeit des Lebens, dessen Reproduktion und dessen Erhalt wurden (nicht nur) in den Abteilungen des DGM naturalisiert: Die intendierte Ehrfurcht vor dem Leben war wie zuvor gekoppelt an die autoritäre Vermittlungs­ haltung und die Restauration eines pronatalistischen, patriarchalen Geschlech­ terverhältnisses. Der „Volkskörper“ ging in einer um Selbstsicherheit ringenden Gemeinschaft der Deutschen neu auf. In diesem Kern war die Ausstellung des Gesundheits­Museums, sein Vergemeinschaftungsprojekt des bundesrepubli­ kanischen Wiederaufbaus und der Westintegration, nicht unpolitisch. Sie traf den hegemonialen Zeitgeist einer christlich­wertkonservativ verpflichteten, anti­ materialistischen und antikommunistischen Schicksalsgemeinschaft, die sich vorsichtig an die USA anlehnte und explizit von der DDR – und ihrem Hygiene­ Museum – abgrenzte. Der alte Vertraute Bruno Gebhard, nunmehr eine Figur der Übersetzung zwischen den USA und der BRD und zwischen Vergangenheit und Gegenwart, wies für die Neukontextualisierung der hygienischen Volksbelehrung den Weg – und vermittelte die notwendigen Kontakte.282 Trotz dieser Erfolge erwies sich die Stabilisierung des Gesundheits­Museums als nicht unproblematisch. Die Leitreferenz für eine allgemein verständliche, visuelle Gesundheitsaufklärung in Form eines Echos aus der Zeit vor 1945 blieb das Hygiene­Museum in Dresden. Die Medizinalbürokratie hatte von der Ausstel­ lung eigentlich Schwung erwartet, den sie zur Aufwertung ihres Feldes politisch

280 „The oldest, most distinguished and effective health education in Germany […] has been the Gesundheits­Museum now at Köln, and formerly at Dresden.” Emerson an U.S. High Commissio­ ner John McCloy, 21.4.1952, in: ebd.: o. S. 281 Matzke, Franz: Eine optimistische Ausstellung. Köln übernimmt Dresdens Hygiene­ Tradition – Gesundheitsausstellung als neuer Beginn, in: BArch, B 142/402, Bl. 264. 282 Vgl.  Haven Emerson an John J. McCloy, 21.4.1952, in: Deutsches Gesundheits-Museum/ Göllner: Deutsches Gesundheits­Museum Köln, 1954; Vermerk, 6.12.1952. Zu Seirings Vorstoß (mit Verweis auf die Wertschätzung des Gesundheits­Museums in den USA), ein eigenes Ge­ bäude für das DGM zu bauen siehe dessen Brief an den Sozialminister NRW, 4.11.1952, in: Lan­ desarchiv Nordrhein­Westfalen, NW  366, Nr.  10,  Bl.  2–9. Und zu Josef Hünerbeins – Vertreter Nordrhein­Westfalens im engeren Vorstand des DGM – Schlussfolgerung seiner Studienreise in die USA, das DGM müsse sich stark an Gebhards Health Museum in Cleveland orientieren: Hünerbein: Das öffentliche Gesundheitswesen, S. 8.

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zu instrumentalisieren hofften. An der Kompetenzzersplitterung des ÖGD wie auch an seiner niedrigen Relevanz im System der medizinischen Versorgung, die im Laufe der Jahre kontinuierlich abnehmen sollte, konnten seine Vertreter mit­ hilfe der Ausstellung nichts ändern.283 Langfristig und kompensatorisch erhöh­ ten die Medizinalbürokraten beziehungsweise Gesundheitswissenschaftler*in­ nen aber ihren Einfluss auf das Museum – was zusammen mit den chronischen Finanzierungsproblemen zulasten Seirings Modells des Gesundheits­Museums gehen sollte. Und auch der Umstand, dass es dem ehemaligen Präsidenten des Hygiene­Museums nicht gelingen sollte, dem Museum ein eigenes repräsentati­ ves Gebäude im Stadtzentrum zu verschaffen, wirkte seinem Modell einer lokal verankerten und unabhängigen Bildungseinrichtung entgegen. All diese Ein­ schränkungen sorgten dafür, dass 1951 eine Traditionslinie der hygienischen Volksbelehrung in der BRD endgültig zu Ende ging: Angesichts des immensen Arbeitsaufwands, dem geringen (krankheitspräventiven) Ertrag und dem Wissen darum, dass Großausstellungen nur nach längeren Abständen eine Chance auf wirtschaftlichen wie aufmerksamkeitsökonomischen Erfolg haben konnten und sich daher auf Jahre hinaus nicht wiederholen ließen, blieb Ein Ja dem Leben die einzige Großausstellung des Deutschen Gesundheits­Museums.284

2.3 Das Hygiene-Museum in Dresden zwischen eigener Tradition und sozialistischer Geschichtspolitik Im Gegensatz zum Gesundheits­Museum in Köln ging vom Hygiene­Museum in Dresden in den frühen 1950er Jahren keine öffentliche, zwischen Ministerium und Museum teilöffentliche oder innerhalb des Dresdner Hauses binnenöffent­ liche Traditionsarbeit aus. Gleichwohl knüpfte auch das Hygiene­Museum in seiner praktischen Arbeit an die hygienische Volksbelehrung an: Ausstellungen wurden wieder aufgelegt und entsprechend neuer Ansprüche und ideologi­ scher Vorstellungen gerahmt. Mitarbeiter*innen wurden entlassen, eingestellt, befördert oder degradiert; bestimmte Facetten der Tradition ausgespart, andere

283 Vgl.  Lindner: Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit,  S.  33; Woelk, Wolfgang: Zur Ge­ schichte der Gesundheitspolitik in Nordrhein­Westfalen und in der Bundesrepublik Deutsch­ land, in: Woelk, Wolfgang/Vögele, Jörg (Hrsg.): Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutsch­ land. Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der „doppelten Staatsgründung“, Berlin 2002, S. 285–312. 284 Entgegen Weinert: Der Körper im Blick, S. 97 finden die großen Gesundheitsausstellungen damit nicht zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ihr Ende, sondern in der Bundesrepublik 1951 und 1961 in der DDR.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

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betont; Exponate und Lehrmittel fallengelassen, erneuert oder neu gestaltet; alte Themen wurden wieder aufgegriffen, alte Aufgaben weiterverfolgt, andere, die die Gesundheitsverwaltung dem Museum übertragen hatte, kamen hinzu. Und das Hygiene­Museum wurde als Organisation insgesamt in das historische Legiti­ mationsnarrativ der DDR eingefügt.

Tradition und Ansprüche Mit Seirings und Neuberts Entlassung war der personalpolitisch entscheidende Bruch mit dem alten Hygiene­Museum Lingners bereits vollzogen worden. Mit der Aufwertung der Gremien der Partei­ und der Massenorganisationen innerhalb des Museums setzte das SED­Regime im Laufe der nächsten Jahre seinen Zen­ tralisierungskurs fort, wobei Phasen der Härte und solche des Zurückweichens sich charakteristischerweise abwechselten.285 Dieser sollte das Dresdner Museum zu einer Ausführungsorganisation der Gesundheitspolitik umformen. Bereits Seiring und Neubert hatten sich zum Zwecke des Fortbestand des Museums bereit erklärt, Gesundheitspropaganda für die SMAD und DZVG zu betreiben und ließen die ersten Erfolge des Gesundheitswesens als Anzeichen einer Überwindung des Kriegs und einer besseren Zukunft feiern.286 Auf das DHM aufmerksam gemacht, formulierte die Zentralverwaltung nun sukzessive weiterreichende Ansprüche und kritisierte die bisherige Arbeit zunehmend schärfer.287 Im März 1948 zählte der Tätigkeitsbericht des Hygiene­Museums für die ins­ gesamt vier Wanderausstellungen ca. 28 000 Besucher, knapp 50 Aufklärungs­ vorträge, ca. 300 Führungen und über 5 000 verkaufte Ausstellungsbroschüren. Zehn Ausstellungskojen waren fertiggestellt worden, von denen neun mit ihren anatomisch­physiologischen Darstellungen, Präparaten und Modellen Teil der zentralen Ausstellungseinheit Der Mensch werden sollten. Moulagen, anatomi­ sche Modelle und „Restbildtafeln Geschlechtskrankheiten“ befanden sich in Serienfertigung; der Verlag stellte Bücher und Broschüren sowie anatomische Bildtafeln für den Verlag Volk und Wissen her.288 Das Museum war wieder im Geschäft.

285 Vgl.  hierzu überblicksartig: Herbert: Geschichte Deutschlands, 2014,  S.  699–745. Zur Si­ cherung der Parteimacht in den Betrieben der DDR und deren Grenzen siehe: Kott: SED im Be­ trieb, S. 212–217, 221–237. 286 Vgl.  Neubert an Redetzky, o.  D. (August 1946), in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 46/23. 287 Vgl. zu diesem Absatz auch Kap. 1.1. 288 Vgl. Tätigkeitsbericht für März 1948, in: BArch, DQ 1/31, Bl. 60.

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 Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen überführen

Doch zufrieden zeigte sich die Berliner Zentralverwaltung nicht und drängte Seirings Nachfolger Helmut Sickel dazu, die Wanderausstellungen aufgrund „wenig guter“ und „zum Teil unzweckmäßiger“ Darstellungsart zu überholen.289 Im Sommer 1948 beschloss die SMAD schließlich, das „vorhandene, schlechte Material auch mit wirtschaftlichen Verlusten“290 zurückzuhalten. Die Tafelwerke Geschlechtskrankheiten und Biologische Unterrichtssammlung, die „noch von Seiring kommen und einfach schlecht sind“ sollte man am besten, „weil hier der Name des Museums auf dem Spiel steht, […] einstampfen.“291 Sickel gehorchte und meldete im Dezember desselben Jahres: „Grafiker entfernt, die für die allgemein abgelehnte Darstellungsweise der früheren Wanderausstellungen verantwortlich waren.“292 Das Museum hatte sich in den Augen der Zentralverwaltung und der SMAD unbedingt vom Ausstellungsmaterial der unmittelbaren Nachkriegszeit zu trennen. Doch worin genau bestand die Kritik der Gesundheitspolitiker aus der SBZ an den frühen Aufklärungsmedien des Deutschen Hygiene­Museums? Den SED­Genossen missfiel die formalistische und in ihren Augen wenig realis­ tische – gemeint war optimistische – Darstellung. Individualismus, Subjektivismus, die Grau­in­Grau­Malerei des kapitalistischen Niedergangs, das alles war durch die realistische „Abbildung“ des sozialistischen Lebens­ und Arbeitsalltags und durch sozialistische Farbenfreude zu ersetzen.293 Die ZK­Entschließung vom März 1951 erklärte den sozialistischen Realismus zum künstlerischen Ausdrucksstil, um die Herzen der Menschen für den neuen Staat zu gewinnen. Selektiv und synkre­ tistisch knüpften in der Folge dieses kulturpolitischen Beschlusses beispielsweise Plakatkünstler, von denen das DHM auch für seine Ausstellungstafeln mehrere beschäftigte, an unterschiedlichste Topoi, Motive und Gestaltungstechniken an.294 289 Sickel an Linser, 20.4.1948, in: BArch, DQ 1/1094. Vgl. ebenso: Arbeitsbericht Monat Januar 1948, in: BArch, DQ 1/31, Bl. 13–20. 290 Aktennotiz über die Besprechung in Karlshorst vom 28.7.1948 mit Prof. Pschenitschnikow von der SMAD, in: BArch, DQ 1/960. 291 Bericht über die Dienstreise Stoletzkys nach Dresden, 26.7.1948, in: ebd. 292 Sickel: Tätigkeitsbericht des DHM – Skizze des neuen Aufbaus, 16.12.1948, in: BArch, DQ 1/1094. 293 Vgl. Hartmann, Anne/Eggeling, Wolfram: Sowjetische Präsenz im kulturellen Leben der SBZ und frühen DDR 1945–1953, Berlin 1998, S. 145–230; La Presti, Thomas: Bildungsbürgerliche Kon­ tinuitäten und diktatorische Praxis. Zur Kulturpolitik in der DDR der 50er­Jahre, in: Bollenbeck, Georg/Kaiser, Gerhard (Hrsg.): Die janusköpfigen 50er Jahre. Kulturelle Moderne und bildungs­ bürgerliche Semantik III, Opladen 2000, S. 30–52. Goeschen, Ulrike: Vom sozialistischen Realis­ mus zur Kunst im Sozialismus. Die Rezeption der Moderne in Kunst und Kunstwissenschaft der DDR, Berlin 2001, S. 13–116. 294 Vgl.  hierzu die Kunstausstellungen in der Frühphase der DDR, wie der 2. Deutschen Kunstausstellung 1949 in Dresden: Lindner, Bernd: Gedämpfter Jubel. Kunstinszenierungen und zentrale Ausstellungen zu den Dezennien, in: Gibas, Monika/Gries, Rainer/Jakoby, Barbara/

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

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Im Zentrum stand dabei der von der SED eingeforderte und institutionell abgesi­ cherte „allgemeine Wertmaßstab […] der Volkstümlichkeit.“295 Dieser Wertekern grundierte die Auffassung, mittels visueller Instrumente eine unmittelbare und uni­ versale Verständlichkeit erzeugen zu können und verband politische Propaganda mit volkspädagogischer Bildungsarbeit, somit also auch hygienische Volksbeleh­ rung mit Gesundheitspropaganda. Im Bestreben, eine spezifische Ordnungsvorstellung des neuen sozialis­ tischen Staates in seiner zeitlichen, räumlichen und sozialen Dimension zu inszenieren, setzten die unterschiedlichen Medien der Sichtagitation sowie die ritualisierten Feiern und Feste auf die Tradition der volkspädagogischen Bild­ kommunikation.296 Sie bearbeiteten den Raum, um eine Vorstellungswelt zu schaffen, in der zwischen Staatsvolk und Staatspartei eine Einheit imaginiert wurde, beseelt von einem affirmativen Optimismus und der „Dreifaltigkeit“ von Einheit – Aufbau – Fortschritt. Gezeichnete Hände und Brücken symbolisierten die Einheit der Arbeiterklasse; ihre politische Organisation streckte die Arme nach einem Staatsvolk aus, für das sie als Avantgarde voranschreiten wollte. Aktfotografien kräftiger Körper und geballter Fäuste versinnbildlichten die Kraft dieser Einheit. Sie schmiedeten mit ihren Hämmern die Gegenwart, deren Entwicklung nur voraus oder nach oben würde zeigen können – deutlich gewor­ den in den Grafiken statistischer Erfolgskurven, deren anhaltender Anstieg die neuen Wirtschaftsinstrumente des Plans garantierte – was mit einem Meer an Gerüsten verbildlicht wurde.297 Die weiten Horizonte der Baulandschaften und die plakatierten Friedenstauben standen für die Überwindung der unmittelba­ ren Vergangenheit der kriegerischen Zerstörung und der Entbehrungen in einer prosperierenden und friedlichen Zukunft. Voraussetzung hierfür war die Bereit­ schaft gegen die vermeintlichen Gegenkräfte zu kämpfen – entmenschlicht in montierten Tieren und Bestien, die (wie auch in der propagandistischen Bil­ dersprache der zurückliegenden Kriege) US­amerikanische und bundesrepub­ Müller, Doris (Hrsg.): Wiedergeburten. Zur Geschichte der runden Jahrestage der DDR, Leipzig 1999, S. 118–131. 295 Klotz: Politisches Plakat der SBZ/DDR, S. 39. 296 Vgl. zur Theorie von (Erinnerungs­)Festen und Feiern als Ereignisse und Rituale politischer Kommunikation konzis: Rolf, Malte: Das sowjetische Massenfest, Hamburg 2006, S. 13–24; zur Selbstinszenierung der DDR am Beispiel der Dezennienfeiern siehe: Gibas, Monika et al. (Hrsg.): Wiedergeburten. Zur Geschichte der runden Jahrestage der DDR, Leipzig 1999. 297 Zur Visualisierung gesellschaftlicher Zustände und Entwicklungen auf der Basis statisti­ scher Kennziffern siehe bspw. Nikolow: Statistischer Blick; Dies.: Statistische Bilder der Bevölke­ rung in den großen Hygieneausstellungen als Wissensobjekte, in: Mackensen, Rainer/Reulecke, Jürgen (Hrsg.): Das Konstrukt „Bevölkerung“ vor, im und nach dem „Dritten Reich“, Wiesbaden 2005, S. 476–488.

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 Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen überführen

likanische Politiker verzerrten.298 Es war also eine synkretistisch kompilierte Erlösungs­ und Heilsmetaphorik, in der sich der neue Staat verbildlichte und alte Symbole dafür genauso heranzog wie neue Bilddogmen der politischen Eschatologie schuf.299 Das Hygiene­Museum passte seine Medien dieser Bilderwelt und der Aufgabe, die sozialistische Zukunft bunt zu bebildern, an. Seine Mischung aus Gesund­ heitspropaganda und Gesundheitsaufklärung amalgamierte de facto früh nach dem Krieg die Tradition des Hauses mit der Rhetorik und Bildsprache des neuen sozialistischen Aufbruchs – und geriet damit in den „prinzipielle[n] Gegensatz zwischen der ideologisch determinierten Funktion der Massenmedien beim Aufbau des Sozialismus und den Bedürfnissen der Rezipienten.“300 In der Auf­ gabentrias aus Gesundheitsaufklärung, Gesundheitspropaganda und Lehrmit­ telproduktion vermengte sich bereits unter Sickel Wissenspopularisierung mit Propaganda, Geschichts­ mit Zukunftsorientierung. Konkret stand zu Beginn des Jahres auf der Agenda des Museums, Anatomie und Physiologie des Körpers anschaulich zu machen, den Wert einer vernünftigen Hygiene und Lebensfüh­ rung zu betonen, Arbeitshygiene zur Verhütung gesundheitlicher Gefahren und zur Beanspruchung des Körpers bei der Arbeit sowie ein gesundes Familienleben wie auch die Fürsorge für Mutter und Kind unter besonderer Berücksichtigung der werktätigen Frau zu bewerben. Eine „intensive Aufklärungsarbeit“ sollte ferner gesundheitliche Maßnahmen unterstützen, um die Seuchengefahr einzu­ dämmen, die Impfbereitschaft zu heben und die Annahme von neuen medizini­ schen Einrichtungen, wie Polikliniken, zu verbessern.301 Allerdings war weder in den frühen Jahren der DDR der Anspruch nach Par­ teilichkeit des Deutschen Hygiene­Museums restlos umgesetzt, noch war das Selbstbild der hygienischen Volksbelehrer*innen zu tilgen, eine überpolitische Bildung im Sinne einer hygienischen Lebenshilfe zu betreiben. Und die turnus­ mäßige Kritik in der DDR an der politischen Ineffektivität der angewandten Kunst trug ein Weiteres zur Verunsicherung bei.302 So scheiterte beispielsweise das Aus­ stellungsprojekt des Hygiene­Museums zur Feier des zweijährigen Jubiläums des 298 Vgl. zu diesen Motiven: Klotz: Politisches Plakat der SBZ/DDR, S. 33–114. Zur allgemeinen legitimatorischen Bedeutung des „Friedens“ für die DDR siehe: Droit, Emmanuel: Frieden, in: Sabrow, Martin (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR, München 2009, S. 152–160. 299 Vgl. Klotz: Politisches Plakat der SBZ/DDR, S. 84, 116–118 und den umfangreichen Bildan­ hang. 300 Classen, Christoph: DDR­Medien im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik, in: Zahlmann, Stefan (Hrsg.): Wie im Westen, nur anders. Medien in der DDR, Berlin 2010, S. 385– 407, S. 401. 301 Vgl. Aufgaben & Arbeit des DHM, 18.8.1949, in: BArch, DQ 1/1094. 302 Vgl. Klotz: Politisches Plakat der SBZ/DDR, S. 20–24.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

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Aufbaus von Polikliniken 1949. In der Berliner Gesundheitsverwaltung setzte sich die Kritik an den Entwürfen durch, der zufolge die Ausstellung und die dazu­ gehörige Broschüre die Struktur des neuen Gesundheitswesens nicht erfassen, die Rolle des Kollektivs unter­, und den gegenwärtigen Wert der Polikliniken in der DDR überschätzen würden. Das könne enttäuschende Vergleiche mit der „Wirklichkeit“ herausfordern. Stattdessen sei die gemeinsame Arbeit für eine ver­ heißungsvolle Zukunft herauszustreichen, nämlich „dass wir unablässig an der Verbesserung unserer Einrichtungen arbeiten müssen, um solche Polikliniken zu haben, wie sie von uns gewünscht werden.“303 Auch personalpolitisch lavierte das Hygiene­Museum zwischen dem Goutie­ ren von ideologischer oder fachlicher Expertise. Das lässt sich an der Erwerbsbio­ grafie des Physikers Egon Damme (1906–1977) zeigen. Er war 1949 von Helmut Sickel als Leiter der wissenschaftlichen Abteilung an das Hygiene­Museum geholt worden und dort zu Sickels Stellvertreter aufgestiegen. Politisch zeigte er sich jedoch wenig „kämpferisch“. 1950 wurde er von Maxim Zetkin, dem für die Personalpolitik zuständigen stellvertretenden Leiter der Hauptabteilung Gesund­ heitswesen, durch den ideologisch zunächst als zuverlässiger geltenden Ver­ waltungsleiter Otto Kunkel (1918–1982) ersetzt.304 Damme wurde zum Leiter der Produktionsabteilung degradiert, bevor er 1958 doch wieder in der Funktion eines Direktors für die gesamte technische Dimension der Ausstellungs­ und Lehrmit­ telentwicklung verantwortlich wurde. Denn schließlich sollte die Betriebspartei­ leitung Damme zugutehalten, dass es „seiner Initiative“ zu verdanken sei, „dass die formalistische Darstellung […] in eine realistische umgewandelt wurde.“305

Der Neuanfang im Schaufenster der Systemkonkurrenz Die Verantwortlichen des Hygiene­Museums suchten vornehmlich die nicht immer kohärenten Anforderungen an sie pragmatisch nebeneinander zu erfüllen oder darstellerisch und inhaltlich miteinander zu verflechten. Auf diese Weise popularisierte das Museum ein visuelles Hygiene­Wissen aus geordneter und

303 Kritik der Abt. III/2 (Heilwesen) an dem Manuskript des DHM zur Feier des 2. Jahrestags des Befehls 272 zum Aufbau von Polikliniken, Dezember 1949, in: BArch, DQ 1/1094. 304 Vgl.  Entwurf einer Geschäftsordnung für das DHM, o.  D. [um 1950]; Sickel an Zetkin, 20.11.1950, in: BArch, DQ 1/1622 und zur Biografie Kunkels: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 95 (Personalakten), 1950–1982. 305 Beurteilung Egon Damme, 14.4.1952 (gegenüber der SED­Stadtleitung Dresden), in: Haupt­ staatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut), 1945–1974, unpag. Siehe ebenso zu Damme am Hygiene­Museum: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 6 (Personalakten).

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geprüfter Information und kreierte ein ebensolches Bild­Wissen über den neuen Staat und seine sozial­ und gesundheitspolitischen Ideologeme gleichermaßen. Das wird an den Ausstellungen und ihren Exponaten zwischen 1949 und 1951 ersichtlich, die im Museumspavillon in Berlin gezeigt wurden. Mit dem Pavillon am Vorplatz des Berliner Bahnhofs Friedrichstraße hatte sich das Hygiene­Museum einen Ausstellungsraum verschafft, der durch die Nachbildung der Dresdner Hausfassade das Hygiene­Museum im Berliner Schaufenster der DDR duplizierte.306 Gerade dieser Ort, die ehemalige Theater­ meile Berlins unweit der Museumsinsel und zugleich ein Verkehrsknotenpunkt, eignete sich ideal für die gleichzeitige Bewerbung des neuen Staates und des Hygiene­Museums.307 Er offerierte auf ca. 300 m2 Grundfläche einen Raum, der mit wechselnden Expositionen bespielt werden konnte (vgl. Abb. 10–12). Im Berliner Pavillon zeigte das Hygiene­Museum vom 3.  Oktober bis zum 15.  November 1949 seine Wanderausstellung Mutter und Kind, die vom Präsi­ denten der Hauptabteilung Gesundheitswesen/Minister für Arbeit und Gesund­ heitswesen Karl Linser eröffnet wurde. Den Raum beherrschte ein frei stehendes, übergroßes, fünfteiliges Polyptychon, auf dem freudige Kinder, von lachenden Fürsorgerinnen umhegt, den Slogan „Schafft Betriebskindergärten“ illustrier­ ten.308 Kleinere Fotografien von vorbildlichen Kindertagesstätten zeigten an, wie die Umsetzung dieser Forderung konkret aussehen sollte und implizierten durch den Authentizitätsanspruch des Mediums, dass diese bereits begonnen habe.309

306 Von März 1950 bis 1961 stand der hölzerne Pavillon des DHM gegenüber dem heutigen Admiralspalast, bis er dem Bau der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße weichen musste. Vgl. Aktennotiz Maxim Zetkin: Genehmigung eines zweiten Pavillons, 8.12.1949; Brief­ wechsel Sickel zwischen Friedrich Ebert (Berliner Oberbürgermeister) Dezember 1949, in: BArch, DQ  1/1094; Budig: Formen der Ausstellung,  S.  44; Anonym: Hygiene­Ausstellung eröffnet, in: Neue Zeit, 4.10.1949, S. 5 und zum Status Berlins als Schaufenster der Systemkonkurrenz: Lemke, Michael (Hrsg.): Schaufenster der Systemkonkurrenz. Die Region Berlin­Brandenburg im Kalten Krieg, Köln 2006. 307 Vgl. zum entsprechenden, letzlich fragmentarisch gebliebenen, architektonischen Gestal­ tungseifer der SED­Führung in Berlin: Düwell, Jörn: »Willst Du für Jahrhunderte bauen, dann mußt Du Menschen erziehen«, in: Gibas, Monika/Gries, Rainer/Jakoby, Barbara/Müller, Doris (Hrsg.): Wiedergeburten. Zur Geschichte der runden Jahrestage der DDR, Leipzig 1999, S. 103–117. Laut der damaligen Staatssekretärin im Gesundheitsministerium Jenny Matern (1904–1960) er­ hofften sich die Gesundheitspolitiker*innen in der DDR von den Ausstellungen des Hygiene­ Museums in Berlin einen Effekt auf die Wahlen in der Frontstadt. Siehe hierzu: Aktennotiz Jenny Matern, 13.7.1957, in: BArch, DQ 1/6301, 1954–1960, unpag. 308 Vgl. Fotodokumentation der Ausstellung Mutter und Kind. Sammlung Deutsches Hygiene­ Museum Dresden, DHM 4, 3/6–7. 309 Vgl. ebd., DHM 4, 3/9.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

Abb. 10: Rückansicht des „Berliner Pavillon“ um 1949 f.

Abb. 11: Rückansicht des „Berliner Pavillon“ um 1949 f.

Abb. 12: Vorderansicht des „Berliner Pavillon“ um 1949 f.

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Ebenso in das Themenfeld der Propaganda für die Errungenschaften des sozi­ alistischen Gesundheitswesens fielen die mehrteiligen Tafelwerke zu den nach Lebensalter und Lebenslagen unterschiedenen Fürsorgestellen.310 Hinzu kamen solche zu 30 Jahre Gesundheitswesen in der Sowjetunion sowie Fotografien vor­ zeigbarer Polikliniken, welche die medizinische Versorgung der Bevölkerung mit ihren unterschiedlichen Abteilungen in einer Organisation integrierten.311 Fotografien lichtdurchfluteter, imposanter Einrichtungen mit ihren freudigen, arbeitsamen und umsorgten Patientinnen illustrierten gleich mehrere Aussa­ gen, welche die Konturen einer guten und schönen sozialistischen Gesellschaft zeichneten. Die Sowjetunion wurde als Vorbild für die DDR auf dem Weg in eine glorreiche Zukunft präsentiert: Stetig wachsende Investitionen in den Ausbau wissenschaftlicher und kurativer Einrichtungen sowie die Rationalisierung der pharmazeutischen Industrie hätten die allgemeine Sterblichkeit drastisch redu­ ziert und eine gesunde sowie leistungsfähige Gesellschaft geschaffen.312 Die wei­ teren Abteilungen übersetzten diese Interpretamente in den eigenen Kontext der DDR und deren Gesundheitswesen. Polikliniken und Ambulatorien wurden zu einem zentralen Infrastrukturelement des neuen Gesundheitswesens erhoben.313 Der Ausstellungsteil zur Arbeitshygiene repräsentierte die Fundierung des neuen Staates in der Gesellschaft der Arbeiter und Bauern und dessen Fürsorge diesen gegenüber.314 Das Hygiene­Museum popularisierte damit ein sozialistisches Gesellschaftsbild, welches die glorreiche Zukunft eines Arbeiter­ und Bauern­ staates aus der Auferstehung aus Ruinen illustrierte. In ihren Grundzügen ent­ sprach diese Darstellung damit der sinnstiftenden Erzählung der stalinistischen Sowjetunion der 1930er Jahre über Zukunft und Vergangenheit: Eine strahlende, für alle gerechte Zukunft würde anstehen, wenn es gelänge, gemeinsam und

310 Vgl. ebd., DHM 4, 3/8. 311 Vgl. ebd., DHM 4, 3/22, 13 f. Zur Beschaffung der Fotografien siehe: Tätigkeitsbericht für das 3. Quartal 1949, in: BArch, DQ 1/1094. 312 Vgl.  Sammlung Deutsches Hygiene­Museum Dresden, DHM 4, 3/22; Plakate 30 Jahre sowjetisches Gesundheitswesen, Sammlung Deutsches Hygiene­Museum, ohne Signatur, gesichtet durch den Verfasser am 10.2.2011 im Depot des Museums. 313 Vgl. zur Streitfrage um die Errichtung von Polikliniken und Ambulatorien und zur Ausein­ andersetzung um deren Abbau in West­Berlin als Symbole einer sozialistischen Staatsmedizin in den 1950er Jahren: Arndt, Melanie: „Die Frage der Polikliniken ist augenblicklich in Berlin wie­ der heiß umstritten“. Die Entwicklung der Berliner Polikliniken und Ambulatorien 1948–1961, in: Lemke, Michael (Hrsg.): Schaufenster der Systemkonkurrenz. Die Region Berlin­Brandenburg im Kalten Krieg, Köln 2006, S. 247–268; Dies.: Gesundheitspolitik im geteilten Berlin 1948 bis 1961, Köln u. a. 2009, S. 137–163. 314 Vgl. Sammlung Deutsches Hygiene­Museum Dresden, DHM 4, 3/23 f.

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entbehrungsreich die eigene Rückständigkeit zu überwinden und sich gegenüber den Aggressionen von außen zu verteidigen.315 Den eigentlichen thematischen Schwerpunkt, die Schwangerschafts­, Ge­ burts­, und Säuglingshygiene, behandelte nur eine Koje. Dort war neben dem Polyptychon und der „Gläsernen Frau“ das dritte Schlüsselobjekt der Ausstellung zu finden: ein „Schwangerschaftskalender“.316 Eingerahmt von Tafelwerken, Moulagen und Modellen des Geburtsvorgangs aus Pappmaschee, war am Ende eines Ganges eine raumhohe Installation arrangiert, in welcher unter der Über­ schrift „Wann erwarte ich mein Kind?“ ein im Kreis drehbares, uhrförmiges Gerät angebracht war. An dessen Rand befanden sich neun Reliefmodelle, welche die monatlichen Stadien der „Keimesentwicklung“ darstellten. Das Gleiche, die Entwicklung des Lebens im Mutterleib, sollten auch die neun teilweise transpa­ rent gemachten Präparate veranschaulichen.317 Dieses Arrangement aus Text, Modellen und Präparaten war, genauso wie die „Gläserne Figur“, ein „Klassi­ ker“ des Museums. Ein solches Ausstellungsstück war nicht nur bereits auf der GeSoLei 1926 gezeigt worden, sondern sollte auch gut ein Jahr später auf der Großen Gesundheits-Ausstellung in Köln als „Geburtenuhr“ zu finden sein.318 Die „Geburtenuhr“ zeigt, dass beide Museen Anfang der 1950er Jahre ihre Tradition einer anschaulichen und unterhaltsamen, aber gleichsam wissenschaftlich zer­ tifizierten, „naturgetreuen“319 Visualisierung von Gesundheit bis in die Objekte hinein parallel fortsetzten und adaptierten. Sie rahmten sie in der Gegenwart ihrer unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Ordnungen neu: Statt mit dem konservativen Pronatalismus des DGM konturierte das Hygiene­Museum die The­ matik von „Mutter und Kind“ als Facette einer kinderfreundlichen Arbeitsgesell­ schaft. Diese kümmere sich, so die wörtlich auf den Tafeln ausgemalte und in der Ausstellung in Szene gesetzte Botschaft, fürsorglich in den neuen Einrichtungen

315 Vgl. Fitzpatrick, Sheila (Hrsg.): Stalinism. New Directions, London u. New York 2000, S. 8–11. Zur „diskursiven Leitkategorie“ des Fortschritts und dem Verlust ihres Pathos im Laufe der 1970er Jahre: Sabrow, Martin: Zukunftspathos als Legitimationsressource. Zu Charakter und Wandel des Fortschrittsparadigmas in der DDR, in: Haupt, Heinz­Gerhard/Requate, Jörg (Hrsg.): Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er Jahre zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. DDR, ČSSR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Weilerswist 2004, S. 165–184, insbe­ sondere S. 167. 316 Die Bezeichnung und Bewertung eines solchen Exponats mit herausgehobener Stel­ lung folgt der zeitgenössisch öffentlichen Bewerbung der Ausstellung. Vgl.  Anonym: Hygiene­ Ausstellung eröffnet, in: Neue Zeit, 4.10.1949,  S.  5. Zur Herstellung: Tätigkeitsbericht für das 3. Quartal 1949, in: BArch, DQ 1/1094. 317 Vgl. Sammlung Deutsches Hygiene­Museum Dresden, DHM 4, 3/10–12. 318 Vgl. Kap. 2.2. 319 Vgl. Karl Linser nach: Anonym: Hygiene­Ausstellung eröffnet.

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der Gesundheitsfürsorge um den Nachwuchs der Arbeiter*innen. Konsequen­ terweise deutete auch das Geschlechter(rollen) leitbild bereits in die für die DDR typische Doppelrolle der Frau als Arbeiterin und Mutter.320 Mutter und Kind konstruierte mit überkommenen, beauftragten und neu her­ gestellten Exponaten eine emphatische sozialistische Gemeinschaftsvorstellung in Vergangenheit und Gegenwart visuell im Raum. Eine solche synkretistische Darstellungs­ und Inszenierungsweise entsprach nicht nur den Aufgaben des Museums der Propaganda und Aufklärung. Sie entsprang auch dem weiteren Tätigkeitsfeld der Produktion von Lehrmitteln und Unterrichtsmaterialien, die präsentiert, beworben und verkauft werden wollten und der eigenen Organisa­ tion halfen, aber auch als Beleg für die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Kontext von Warenpräsentationen der DDR instrumentalisierbar waren.321 Aber auch im Rahmen ihrer hygienischen Aufklärung inszenierte die Ausstellung die neue sozialistische Gesellschaft als zusammengehöriges, gemeinschaftliches und friedliches Kollektiv.322 Die ubiquitären gezeigten Aufmärsche und Kundge­ bungen symbolisierten die „Fürsorge durch die Herrschenden und Zustimmung durch die Beherrschten.“323 Die nur leicht modifizierten und durch Modelle und Moulagen erweiterten Tafelserien zu Infektionskrankheiten, Geschlechtskrank­ heiten, Krebs und Tuberkulose behandelten jeweils die Ätiologie und Sympto­ matik der Erkrankungen.324 Ihre Prävention und Heilung wurde aber nur dann als möglich dargestellt, wenn Krankheitsverursacher, individuelle Körper, indivi­

320 Vgl. Gysi, Jutta/Meyer, Dagmar: Leitbild: berufstätige Mutter – DDR­Frauen in Familie, Part­ nerschaft und Ehe, in: Helwig, Gisela/Nickel, Hildegard Maria (Hrsg.): Frauen in Deutschland 1945–1992, Bonn 1993, S. 139–165; Merkel, Ina: Leitbilder und Lebensweisen von Frauen in der DDR, in: Kaelble, Hartmut/Kocka, Jürgen/Zwahr, Hartmut (Hrsg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 359–382. 321 Vgl. die Berichterstattung zum DHM zur 6. Frühjahrsmesse in Leipzig 1949: Anonym: 6. Tag der Frühjahrsmesse. Gutes Auslandsgeschäft, in: Neues Deutschland, 12.3.1949, S. 3. 322 Vgl.  als zeitliche Einbettung und lokale Kontextualisierung: Goodrum: A socialist Family of Man. 323 Eckert, Rainer: «Führer der Arbeiterklasse». Der visuelle Kult um die «Liebe der Genos­ sen», in: Paul, Gerhard (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder, Bd.  2: 1949 bis heute, Göttingen 2008, S. 56–63, S. 63. 324 Vgl. Sammlung Deutsches Hygiene­Museum Dresden, DHM 4, 3/15–21. Die Tafeln zu Infek­ tionskrankheiten entsprachen beispielsweise grafisch genau denjenigen aus der Ausstellung Volkskrankheiten des Jahres 1948. Ihre neuerliche Präsentation erschien trotz der oben zitier­ ten Kritik möglich. Vgl. Fotodokumentation der Ausstellung Volkskrankheiten, 1948. Sammlung Deutsches Hygiene­Museum Dresden, Leporello 1, 3/9, 8, 17, 23 f., 47–49. Die entsprechenden Abläufe zur Gestaltung der einzelnen Ausstellungsteile und ihre Quellen finden sich in: Proto­ koll der Präsidialsitzung vom 18.7.1949; Tätigkeitsbericht für das 3. Quartal 1949; Aufgaben und Arbeit des DHM, 18.8.1949, in: BArch, DQ 1/1094.

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duelles Verhalten und gesellschaftliche Ordnung gleich ausgerichtet waren. Die Ausstellung plausibilisierte damit auf visuelle Weise sozialistische Wahrheitsvor­ stellung zur Mobilisierung von sozialistischer Realität.325 Die nächste Ausstellung des DHM zum Arbeitsschutz setzte die DDR im Ber­ liner Pavillon als Arbeitsgesellschaft in Szene.326 Sie sollte „als Teil der neuen Gesundheitspolitik“327 dienen, indem sie von den Bemühungen zum Erhalt der Arbeitskraft Zeugnis abzulegen versprach. Wenn man die Berichterstattung des SED­Organs, Neues Deutschland, mit der aus Tageszeitung der Ost­CDU, Neue Zeit, vergleicht, wird deutlich, dass es nicht leicht war, die Balance zwischen dem Feiern des bereits Erreichten und der Forderung nach weiteren Verbesse­ rungen zu halten. Ebenso auf der Kippe standen die staatliche Verpflichtung und die der Betriebsführer einerseits, die individuellen Anforderungen an eine gewis­ senhafte, unfallvorbeugende Arbeitsweise andererseits. Die Neue Zeit interpre­ tierte die Ausstellung als drastische Veranschaulichung von allerlei Unfällen und Schäden und betonte die Kosten der Arbeitsunfälle sowie die Schutzbedürftigkeit der von (Trümmer­)Frauen. Sie malte damit ein eher düsteres Bild anstehender Probleme.328 Das Neue Deutschland gab sich hingegen optimistisch. Die Aus­ stellung könne als Beleg dafür gesehen werden, welche Marksteine die Verord­ nungen, Einrichtungen und Aufwendungen des neuen Staats im Jahrhunderte alten „Kampf der Arbeiterklassen gegen den Unternehmer“ darstellen würden.329 Beide Berichte zu ein und derselben Ausstellung verdeutlichen einmal mehr den Charakter der Ausstellung als polyvalentes Medium. In dieser Mehrdeutigkeit lag für das Hygiene­Museum das Potenzial, seine alten Objekte mitsamt den an sie geknüpften eigenen Organisationsinteressen und ­vorstellungen neu gerahmt in die neue gesellschaftliche Ordnung mitzunehmen, und auf diese Weise alte Arbeitsweisen fortzusetzen.

325 Vgl. hierzu das Thomas­Theorem, das übertragen auf die Ausstellung in dieser die Funktion erkennen lässt, Situationen und Konstellationen in einer bestimmten Vorstellung als real zu de­ finieren. Vgl. Merton, Robert K.: The Thomas Theorem and the Matthew Effect, in: Social Forces 74/1995, S. 379–424. 326 Vom Herbst 1949 bis zum Herbst 1950 wurden im Pavillon insgesamt fünf Ausstellungen ge­ zeigt: Mutter und Kind, eine allgemeine Hygiene­Ausstellung, die Arbeitsschutzausstellung, Jugend schafft für die Jugend sowie Der gesunde Mensch. Vgl. Budig: Formen der Ausstellung, S. 96. 327 Minister für Arbeit und Gesundheitswesen Luitpold Steidle zitiert nach: Anonym: Arbeits­ schutz in Bildern, in: Neue Zeit, 16.3.1950, S. 3 und Anonym: Ausgebrochene Sägezähne flogen ihm ins Auge. Eröffnung der Arbeitsschutzausstellung durch Minister Steidle und Oberbürger­ meister Ebert, in: Neues Deutschland, 16.3.1950, S. 6. 328 Vgl. Anonym: Arbeitsschutz in Bildern. 329 Anonym: Ausgebrochene Sägezähne.

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Die darauffolgende Ausstellung, die nur vier Tage nach dem Schluss der Arbeitsschutzausstellung eröffnet wurde, hieß Jugend schafft für die Jugend und war vom „Jugend­Aktiv des Hygiene­Museums“330 als Beitrag zum Deutschland­ treffen der Jugend zu Pfingsten 1950 zusammengestellt worden. Öffentliche Kon­ gresse, Feste, Vorführungen, Auftritte, Ausstellungen und ein Abschlussfeuer­ werk; ein Aufmarsch von 500 000 Jugendlichen im Berliner Lustgarten defilierte vorbei an ausländischen Delegierten und Präsident Wilhelm Pieck – das alles sollte die „verirrte Generation zurückgewinnen und im Geiste einer neuen Zeit […] erziehen.“331 Fackelzüge und „gewaltige Kundgebungen“ markierten nicht nur die synkretistische Eigenart, das Amalgamhafte der hybriden Fest­ und Symbolland­ schaft der frühen DDR. Das Massenfest präsentierte die deutschen Einheitspläne der Staatsspitze genauso, wie es die „massenhafte Unterstützung des Regimes als Quelle der Legitimität“ versinnbildlichte und die „harmonischen Verbundenheit darstellte, die zwischen den Repräsentanten der Macht und den Massen bestand [...].“332 In Abgrenzung zum Nationalsozialismus sollte die gesamtdeutsche Jugend nach ihrer „Totalerfassung“ mit der Demonstration des deutschen Eini­ gungswillens der SED vom neuen Staat und seiner gesellschaftlichen Ordnung überzeugt werden.333 Damit diente die Jugend aber nach wie vor als „wesentliche Projektionsfläche für die Formatierungsträume“334 des neuen Menschen.335

330 Anonym: Streiflichter aus Berlin, in: Neues Deutschland, 12.5.1950, S. 6. 331 Creuzberger, Stefan: Kampf für die Einheit. Das gesamtdeutsche Ministerium und die politi­ sche Kultur des Kalten Krieges 1949–1969, Düsseldorf 2008, S. 325. 332 Rolf: Massenfest,  S.  334. Vgl.  zum Programm: Anonym: Das Programm des Deutschland­ treffens. Gewaltige Demonstration für den Frieden/Großartige kulturelle und sportliche Veran­ staltungen/Moissejew­Tanz­Ensemble kommt nach Berlin/Sowjetische Fußball­Elf erwartet, in: Neues Deutschland, 15.4.1950, S. 1. 333 Vgl.  Skyba, Peter: Vom Hoffnungsträger zum Sicherheitsrisiko. Jugend in der DDR und Jugendpolitik der SED 1949–1961, Köln u. a. 2000, S. 84–96. 334 Rolf: Massenfest,  S.  322. Zum Leitbild des „Neuen Menschen“ in der klassischen Moder­ ne exemplarisch: Lepp, Nicola/Roth, Martin/Vogel, Klaus (Hrsg.): Der neue Mensch – Obses­ sionen des 20.  Jahrhunderts, Ostfildern 1999; Bauerkämper, Arnd: Der Neue Mensch, Version 1.0, 2017, http://docupedia.de/zg/Bauerkaemper_neue_mensch_v1_de_2017#Die_.E2.80.9Eso­ zialistische_Pers.C3.B6nlichkeit.E2.80.9D_als_Leitbild_in_den_kommunistischen_Diktaturen, 17.10.2019; Seibring, Anne/Shabafrouz, Miriam/Weiß, Benjamin (Hrsg.): Der Neue Mensch, Bonn 2018. 335 Das Hygiene­Museum zeigte zum Deutschlandtreffen der Jugend sogar noch eine zweite Ausstellung. Die Frau wurde an der Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden im „Fahrbaren Pavil­ lon“ präsentiert, einem Ausstellungsraum, der aus mehreren zueinander gestellten umbaubaren Transportern geschaffen werden konnte. Vgl. Anonym: Zwei Gesundheitsschauen, in: Neue Zeit, 21.5.1950, S. 5 und zur Konstruktion(­sgeschichte) des „Fahrbaren Pavillons“: Tätigkeitsbericht für das 3. Quartal 1949, in: BArch, DQ 1/1094.

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Der Beitrag des Hygiene­Museums zur Festwoche des Deutschlandtreffens pries den neuen Staat vor allem hinsichtlich seines Gesundheitswesens und seiner Sportförderung als einen Fürsorger der Jugend. Alle Kinder und Jugend­ liche betreffende Politik­ und Kulturfelder wurden behandelt, freilich ohne eine eigenständige Jugendkultur außerhalb der SED­Jugendorganisationen zu erwähnen. In der ersten Abteilung setzten die Bildtafeln „die künftige, schon im Aufbau befindliche Betreuung unserer Jugend“336 in Szene: In neuen Wohnhei­ men und den Massenorganisationen keimte nicht nur eine spielerische Gesellig­ keit unter den Jugendlichen. Dort wurde auch die jugendliche Leistungsfähigkeit ohne Zwang entwickelt, um gleichzeitig das individuelle und kollektive Poten­ zial der Arbeitskraft zu entfalten. Dafür schritten die Kinder der DDR solidarisch und uniform unter dem Banner der roten Flagge voran in eine bessere Zukunft (vgl. Abb. 13).337 Ausgangspunkt für die kräftigen Arbeiter*innen der Zukunft war Sport. Das knüpfte an die Obsessionen der Lebensreformbewegungen mit dem durch Lei­ besübungen geformten Körper als transparentem Signum der Leistungsfähigkeit direkt an.338 Eine sportliche Betätigung wurde mit einem zivilisationskritisch­ naturalisierenden Argument ins Positive gedreht: Die Zusammenballung in Großstädten, der ständige Aufenthalt in dumpfen Räumen und im staubigen Häusermeer, Verweichlichung, Bequemlichkeit und verfeinerte Ernährung entfernen den Menschen immer mehr von seiner naturgemäßen Lebensweise. Dies hat aber eine Reihe von Krankheiten, Leiden und körperlichen Schäden zur Folge, denen man durch Leibesübungen wirksam entgegentreten kann.339

Fünf Jahre nach Kriegsende wurde in der Ausstellung ein reichhaltiges Angebot an allen möglichen körperlichen Betätigungen, Sportgeräten und ­infrastrukturen zusammengestellt und in klassischer Geschlechteraufteilung mit jeweils entspre­ chenden Fotografien Sport treibender und dabei freudig dreinschauender Kinder und Jugendlicher illustriert. Während Jungen warfen, stießen, rangen, boxten, 336 Anonym: Zwei Gesundheitsschauen. 337 Vgl. Fotodokumentation Jugend schafft für die Jugend 1950. Sammlung Deutsches Hygiene­ Museum, Leporello 2, Nr. I, Bild 493–529. 338 Vgl.  zur langen Geschichte des Sports im „Zeitalter der Fitness“ allgemein: Martschukat: Zeitalter der Fitness; zum Körperideal der Nacktkultur: Möhring: Marmorleiber,  S.  55–133; zur Geschichte der Leistung „als Unschärfeformel und Ordnungsprinzip“ zugleich: Verheyen: Er­ findung der Leistung (Zitat auf S. 23); zur Rolle des Sports und der Leistungsfähigkeit im Kör­ perdiskurs der Gesundheitsausstellungen bis zum Zweiten Weltkrieg: Weinert: Der Körper im Blick, S. 231–238, 253–257. 339 Fotodokumentation Jugend schafft für die Jugend 1950. Sammlung Deutsches Hygiene­ Museum, Leporello 2, Nr. III, Bild 545.

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Abb. 13: Bildtafel aus der Ausstellung Jugend schafft für die Jugend, 1950.

Fußball spielten und auf Geräten turnten, beschäftigten sich Mädchen mit Gym­ nastik, Dauerlauf und Tennis. Mit dem Medizinball spielen, Hochsprung, Rad­ fahren, Schwimmen, Paddeln, Rudern, Wandern, Klettern sowie der Wintersport (Langlauf und Rodeln) war hingegen für beide präsentierten Geschlechter etwas, auch wenn sie dabei fast ausschließlich in gleichgeschlechtlichen Gruppen dar­ gestellt wurden. Im Verhältnis der Geschlechter wurden Frauen von Kraft, Gewalt und Kontakt entkoppelt.340 Die Jugend musste nicht mehr flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl sein. Der neue Staat warb nun mit Sport, Spiel und Vergnügen. Er forderte dennoch die Entwicklung des Leistungsvermö­

340 Vgl. Fotodokumentation Jugend schafft für die Jugend 1950. Sammlung Deutsches Hygiene­ Museum, Leporello 2, Nr. II, Bild 530–544; Nr. III, 545–567.

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gens und seinen Einsatz für die Arbeitsgesellschaft der DDR ein. Genau in dieser Tätigkeit zwischen Popularisierung und Propaganda bestand die Expertise des Hygiene­Museums auch unter neuer Führung: Das Museum verband in der Aus­ stellung unterschiedliche Wissensbestände und soziale wie politische Ansprüche und Erwartungen miteinander für anvisierte Gruppen und repräsentierte diese anschaulich. Dass diese Vorgehensweise von einer gewissen Eigenlogik bestimmt war und auf nicht unerheblichem Eigeninteresse des Museums fußte, zeigen die weite­ ren Abteilungen der Ausstellung sowie ihr Begleitmaterial. Diese thematisierten komprimiert und für die Tradition der Mensch­Ausstellungen recht typisch Ana­ tomie und Physiologie des menschlichen Körpers.341 An Kinder und Jugendliche mit ihren vermeintlichen Kommunikationsvorlieben richtete sich auch die soge­ nannte „Spöttergasse“. Sie „belehrt in heiteren Versen und Bildern über gesunde Lebensweise“342, wie in der Neuen Zeit geworben wurde. Zeichnungen mit grö­ berer Linienführung und expressiver Gestik, entsprechende in den Tafeln einge­ baute Dioramen sowie leichte gereimte Merksätze galten wohl in den Augen der Texter und Gestalter für das junge Publikum als interessant bzw. leicht memo­ risierbar.343 An das Gelernte konnten sich die Besucher*innen darüber hinaus anhand von Scherenschnittpostkarten erinnern, die sie für 50 Pfennige mit nach Hause nehmen konnten. Auf diesen wurden nochmals in Schwarz­Weiß einige Szenerien der Ausstellungstafeln wiederholt und somit bildhafte Entwürfe eines gesunden Lebens gezeichnet: Sport treibende Kinder und Jugendliche, welche die Sonne in einer idyllischen und unversehrten Landschaft genossen, zur (Röntgen­) Reihenuntersuchung gingen, sich ausgiebig wuschen und bei Nacht schliefen. Der Kommentar unterstrich nochmals den moralisierenden Rat der Ausstellung zu einer gesunden, jugendlichen Lebensweise, verstanden als Zusammenfall von brav, froh, heiter und dem Ausbleiben von Krankheit (vgl. Abb. 14).344

341 Vgl. ebd., Nr. II, Bild 530–544; Nr. IV, 568–575. 342 Anonym: Zwei Gesundheitsschauen, S. 5. 343 Vgl. Fotodokumentation Jugend schafft für die Jugend 1950. Sammlung Deutsches Hygiene­ Museum, Leporello 2, Nr. VI, 1685–1717. 344 Vgl. ebd., Nr. VII, 614 a­c. Zur Geschichte der Reihenuntersuchung als Technik der Tuber­ kulose­ und Krebsfrühdiagnostik: Jütte, Robert: „Wer keine Nachricht erhält, darf sich als ge­ sund betrachten.“ Zur Geschichte der zwangsweisen Prävention, in: Roeßiger, Susanne/Merk, Heidrun (Hrsg.): Hauptsache gesund! Gesundheitsaufklärung zwischen Disziplinierung und Emanzipation, Marburg 1998, S. 22–33. In der Nachkriegszeit monierten gerade im Vergleich mit den Zuständen in der DDR die Gesundheitspolitiker der Bundesrepublik ihre geringe Erfassung und Reichweite. Vgl.  Buurman, Otto: Gedanken zur Gesundheitspolitik in der Bundesregie­ rung, in: Deutsche Versicherungszeitschrift 6/1952, S. 199–205 sowie: Süß: Gesundheitspolitik, 1998, S. 67–73.

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Abb. 14: Fotodokumentation Jugend schafft für die Jugend 1950.

In der Ausstellung wurden somit die Vermengung von Propaganda für die neue gesellschaftliche Ordnung, der Anspruch auf eine blühende Zukunft und die Vermittlung anatomischen, physiologischen und hygienischen Wissens mithilfe einer zielgruppenspezifischen Mediengestaltung sichtbar. Diese Praxis verband Tradition mit einem gesellschaftspolitischen Neuanfang, verband scheinbar unpolitisches Wissen mit Werbung für den neuen Staat. So erfüllte sie das Interesse der neuen Machthaber und zeigte die politische Funktion der hygienischen Volksbelehrung auf.

Erkenne dich selbst und die hygienische Volksbelehrung im Sozialismus Die Praxis des Hygiene­Museums folgte einer Logik der Aufmerksamkeitsgene­ rierung.345 Seine Attraktivität für Besucher*innen machte das Museum sowohl als Propaganda­ als auch als Aufklärungsinstanz für die politischen Systeme im 20. Jahrhundert interessant. In nahezu allen Objekten und Ausstellungen stellte die hygienische Volksbelehrung das Typische dar. Das entsprach dem Muster des „wissenschaftlichen Lehrbuchs“ – Lingners Metapher der Wissensprä­ sentation und ­ordnung – und der reklamierten Anschaulichkeit sowie den

345 Zu den historischen Instrumenten der Aufmerksamkeitslenkung des Museums wie Füh­ rungen, Rundgänge, Wegbeschreibungen und auffällige Exponate: Weinert: Der Körper im Blick, S. 122–128.

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Funktionsnotwendigkeiten von Propaganda und Aufklärung. Hygienische Volks­ belehrung hypostasierte kollektive Ordnungen, machte deren Normative anschau­ lich und auf spielerischem Wege attraktiv. Sie trug damit dazu bei, die jeweiligen sozio­politischen Ordnungen zu stabilisieren, indem sie sie bewarb und in der Gleichsetzung von individueller und kollektiver Körperordnung naturalisierte. Dazu war es nötig, Idealvorstellungen zu einem Idealbild zu verdichten und die bisweilen widerstrebenden Geltungsansprüche unterschiedlichen Wissens sowie die soziale Interdependenz der Wissensproduktion zu verschleiern. Das so von seiner Kontingenz befreite „Lehrbuchwissen“ wurde dafür auch in Objekten, Modellen und Apparaten mit dem Zweck der größtmöglichen Plastizität verding­ licht und in Ausstellungen (und anderen Medien) narrativ geordnet und gerahmt. Die hygienische Volksbelehrung des Hygiene­Museums übersetzte damit zwischen Wissenschaft und Politik und beeinflusste dadurch Wahrnehmungs­ und Reprä­ sentationsschemata des Körpers, der Gesundheit und der Gesundheitserhaltung, verlieh ihnen einen offiziellen Charakter und trug sie in eine breite Öffentlich­ keit – generierte epistemische Autorität.346 Hierin hatte das Hygiene­Museum eine eigene Expertise erlangt – den Status eines krediblen und kredibilisierenden Kol­ lektivexperten. (Gesundheits­)Propaganda war damit in gewisser Weise der hygi­ enischen Volksbelehrung von Anfang an inhärent – und damit aus der eigenen Tradition heraus auch kompatibel mit den Ansprüchen des SED­Regimes. Die Verschränkung von Gesundheitsaufklärung und Gesundheitspropaganda soll noch an einer weiteren Ausstellung im Berliner Pavillon beleuchtet werden. Wie üblich, um der Ausstellung Gewicht zu verleihen und im Gegenzug von ihrer als wissenschaftlich neutral geltenden Demonstration der Fürsorge zu profitie­ ren, wurde die Ausstellung Erkenne dich selbst am 5. April 1951 im Berliner Pavil­ lon durch den Minister für Gesundheitswesen eröffnet. Nach drei Monaten vor Ort ging sie anschließend auf Wanderschaft durch die DDR. Als Besonderheit der Ausstellung wurden Apparate hervorgehoben, die „deine Leistung“347 prüften. Aber auch die anderen Elemente der hygienischen Volksbelehrung in der DDR zu Beginn der 1950er Jahre – Aufklärung über den menschlichen Körper und Propa­ ganda über die Entwicklungen von Medizin und des neuen Gesundheitswesens

346 Vgl. Pierson, Robert: The Epistemic Authority of Expertise, in: Proceedings of the Bienni­ al Meeting of the Philosophy of Science Association 1/1994,  S.  398–405; Mau: Das metrische Wir, S. 60–75, 185–203. 347 Vgl.  Deutsches Hygiene-Museum (Hrsg.): Erkenne dich selbst! Ein allgemeinverständli­ cher Führer, Berlin 1952. Zur Ausstellung in der Berliner Presse: I. K.: Kennen Sie ihre Ermü­ dungskurve. Neue Ausstellung des Deutschen Hygiene­Museums Dresden, in: Berliner Zeitung, 6.4.1951, S. 6.

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für alle – kamen zur Sprache. Mit Erkenne dich selbst sollten die Ausstellungs­ verantwortlichen im Museum und ihre Vorgesetzten im Ministerium schließlich so zufrieden sein, dass sie 1954 nochmals im Berliner Pavillon gezeigt, 1955 neu gestaltet und bis 1960 in dieser Version durch die DDR tourte.348 Geplant hatte diese Exposition aus 64 Tafeln und mehreren Selbsttestap­ paraten an zehn Stationen noch Helmut Sickel im Laufe des Jahres 1950. Die neue Ausstellung müsse neue Apparate und Möglichkeiten für Besucher*innen beinhalten, sich zu prüfen. Vor allem gelte es, die Tests zur Sinnesphysiologie zu diversifizieren. Das Hauptanliegen, so lässt sich Sickel zusammenfassen, bestehe nämlich darin „den Eindruck einer Aufwärmung der Ende der zwanziger Jahre gezeigten gleichnamigen Ausstellung zu vermeiden.“349 Diese Aussage ist aus zwei Gründen interessant. Zum einen datierte Sickel diese Ausstellung um gut zehn Jahre falsch. Geht man davon aus, dass der Leiter des DHM über weit­ reichende Kenntnis über und Gespür für sein Gegenüber Maxim Zetkin verfügte, lässt sich vermuten, dass eine richtige Terminierung der Ausstellung in der Zeit des Nationalsozialismus ihre Neuauflage schwer gemacht hätte. Zum anderen lassen sich auch die Wertehierarchien der Museumslogik an ihr erschließen: Neue Prüfapparate mussten in die Ausstellung, damit diese als etwas Neues, eben nicht als etwas Aufgewärmtes wahrgenommen werden würden. Die Über­ arbeitung altbewährter Exponate und Ausstellungseinheiten sollte gleicherma­ ßen ehemalige Aufmerksamkeitserfolge des Museums wiederholbar machen. Und so griffen Sickel und sein Nachfolger genauso auf das Ausstellungskon­ zept der Halle der Selbsterkenntnis auf der Großausstellung Gesundes Leben – Frohes Schaffen von 1938 zurück, wie dies Seiring in Köln für Ein Ja dem Leben angedacht hatte. Beide Seiten vertrauten auf das Versprechen der hygienischen Volksbelehrung: einer (kollektiven) Selbsterkenntnis durch wissenschafts­ und technikgestützte Körpersichtbarkeit. In beiden Museen folgte man einer Logik, die Aufmerksamkeit und eine effektive Wissensvermittlung in einer Dynamik der Interaktivität und des Spektakulären zwischen Exponaten und Besuchern begründet sah.350 Die Ausstellung begleitete wiederum eine entsprechend werbende Öffentlich­ keitsarbeit des Museums durch die regionale und überregionale Presse. Der „all­

348 Vgl.  Budig: Formen der Ausstellung,  S.  97–107; Anonym: Apparate geben über alles Aus­ kunft. Ausstellung „Erkenne Dich selbst“ wurde im Pavillon Bhf. Friedrichstraße eröffnet, in: Neue Zeit, 7.3.1954, S. 8. Zur internen, parteipolitischen Einschätzung der Ausstellung vgl.: Pro­ tokoll über die öffentliche Mitgliederversammlung am 11.5.1954, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 349 Sickel an Zetkin, 20.11.1950, in: BArch, DQ 1/1622. 350 Vgl. oben, Kap. 2.2: Die Große Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben, 1951.

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gemeinverständliche Führer“ sorgte in seiner Widmung und seinem Geleitwort für die gesellschaftspolitische Rahmung der Exposition sowie für eine eingehen­ dere Behandlung der Themen: Jede der Tafeln und sämtliche Apparate wurden hier der Gliederung der Ausstellung entlang eingebettet in die Themenkomplexe Körperaufbau, (Sinnes­)Organe, Verdauungs­ und Nervensystem. Ein Glossar erklärte die wichtigsten Fachbegriffe zum Abschluss.351 In drei Abteilungen ging es um die möglichst anschauliche und im wörtlichen Sinne greifbare Vermittlung anatomischen und physiologischen Wissens sowie einiger zentraler Verhaltens­ ratschläge zur Pflege und zum Erhalt der individuellen Gesundheit. Mit Fragen aus dem Alltagsleben wie „Warum schwitzen wir bei der Arbeit?“352, „Was ist Gän­ sehaut?“353 oder „Warum greift die Salzsäure des Magens den Magen selbst nicht an?“354, sollte die Sprache der Experten in die der Besucher (und vice versa) über­ setzt werden. Vergleiche zwischen Körperfunktionen und der vermeintlichen Vor­ stellungswelt der Besucher sowie kuriose Leistungsmerkmale, wie die Aussage, dass „drei menschliche Schienbeine die Last eines Elefanten tragen“355 könnten, sollten das Wissen der Experten an das angenommene Wissens­ und Unterhal­ tungsbedürfnis sowie den Kenntnishorizont der Besucher*innen anschlussfähig machen. Der Schwerpunkt der Ausstellung lag auf der „volkstümlichen“ Seite, auf der die Sprache und Bildwelt der Wissenschaft dafür genauso den Laien über­ setzt wurde, wie ihre Vorstellungswelt die expositorische Ordnung strukturierte. Dem vorgeschlagenen Rundgang folgend wurden die Besucher*innen zunächst durch Bild­Text­Tafeln zum allgemeinen Körperbau, über Haut, Haare, das Skelett­ und Muskelsystem, die Fettverteilung, über das Nervensystem, das Blut und die Sinnesorgane informiert.356 Im Gegensatz zu den früheren Mensch­Ausstellungen des Deutschen Hygiene­Museums war Erkenne dich selbst von der lebensphilosophischen Grundierung aber befreit worden. Die Besu­ cher*innen sollten weniger die Mikro­ bis Makroebene durchziehenden Lebens­ gesetze verstehen und ehrfürchtig diesen entsprechend handeln. Es ging nicht

351 Vgl.  Deutsches Hygiene-Museum: Erkenne dich selbst, 1952 und zu diesem Medium des allgemein verständlichen Ausstellungsführers als Bestandteil der medialen Konzertiertheit der Popularisierungsarbeit: Leuthardt: Populäre Führer. 352 Vgl.  Deutsches Hygiene-Museum: Erkenne dich selbst, 1952,  S.  15–20; Fotodokumentation Erkenne dich selbst, Sammlung Deutsches Hygiene­Museum, Leporello 41, Tafel 962. 353 Ebd. 954. 354 Ebd. 1005. 355 Vgl. ebd., Tafel 960; Deutsches Hygiene-Museum (Hrsg.): Erkenne dich selbst, 1952, S 14. 356 Vgl.  zum Rundgang: Gu.: Zu wenig „Puste“ oder farbenblind? Jeder kann sich selbst un­ tersuchen – Lehrreiche Gesundheitsausstellung am Bahnhof Friedrichstraße, in: Neue Zeit, 6.4.1951, S. 5.

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um die historische Herleitung einer „Leib­Seele­Ganzheit“357, sondern um die maximale Anschaulichkeit, um ein volkstümliches Infotainment avant la lettre. Damit setzte sich eine Entwicklung fort, die in der Forschung bereits für die II. IHA 1930 vermerkt wurde und zwar, dass die Ausstellungen sich fortbewegten vom Ordnen eines abstrakten Wissens der Hygiene für die Wissenschaft hin zu dessen volkstümlicher Veranschaulichung für die Besucher*innen.358 1951 blick­ ten die Besucher*innen selbst von der Oberfläche ins Innere, vom Allgemeinen ins Konkrete ihrer Körper. In der zweiten Sektion kamen die Schlüsselobjekte der Ausstellung zum Einsatz – die (auch von Experten vor Ort erklärten) Apparate der Selbstbedie­ nung und ­dokumentation (vgl. Abb. 15 und 16): Beim Eintritt in den Pavillon erhält man eine Karte mit allerlei Zahlen und Strichen drauf und eine Papphülse. […] Man steckt sie in den Schlitz des ersten Apparates, steigt auf die Waage, stellt die Größe mittels eines Lotes fest, drückt den Knopf, und schon hat der Apparat Gewicht und Größe auf der Karte eingetragen. Beim nächsten Apparat werden diese Zahlen sowie das Alter eingestellt. In Blitzgeschwindigkeit ‚rechnet‘ der Apparat den Grundumsatz, das heißt die Kalorienmenge, die der Körper in 24 Stunden bei völliger Ruhe umsetzt, aus. Jetzt wird tief Luft geholt, das Pappröhrchen an einen Schlauch gesetzt und die ganze ‚Puste‘ hindurchgeblasen. Als Ergebnis erhält die Karte einen Strich, der uns sagt, wieviel Kubikzentimeter Luft nach einem tiefen Atemzug ausgeatmet wurden. Die Arm­ muskulatur wird geprüft, in dem (sic!) man durch Ziehen eines Hebels sein Hebevermögen in Kilogramm feststellt. Ein Fingerabdruck legitimiert einen Menschen viel besser als sein Name. Um zwei Abdrücke zu finden, die in 17 Merkmalen übereinstimmen, müßten 17 Mil­ liarden Menschen ihren Finger, wie hier, auf ein mit schwarzer Farbe getränktes Band legen und auf die Karte ihre ‚Linien‘ abdrücken. Der Pulsschlag, so stellt man nach einer Minute fest, ist durch die Anstrengung des ‚Pustens‘ und Hebens etwas hoch. An einem anderen Apparat mißt man seine Ermüdungskurve, an einem weiteren sein Reaktionsvermögen. Ob man farbenblind ist, wird ebenfalls geprüft.359

Das alles sollte in erster Linie unterhaltsam sein, um – in der öffentlichen Legi­ timationsdarstellung – anzuregen, „sich mit dem menschlichen Körper zu beschäftigen, um durch die Kenntnis seiner natürlichen Funktionen gesund zu leben.“360 Denn an den Apparaten „gibt es manche Überraschung. Der junge stattliche Mann z. B. hat eine beängstigend geringe Atembreite, und die resolute 357 Engelhardt, Roderich von: Der Körper als Ganzes, in: Deutsches Hygiene-Museum/Vogel, Martin (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus, Leipzig 1930, S. 253–265, S. 265. 358 Vgl.  Weinert: Der Körper im Blick,  S.  62, 73, Münch/Lazardzig: Inszenierung von Einsicht und Überblick, S. 92 korrigierend. 359 Gu.: Zu wenig Puste. 360 I. K.: Kennen Sie ihre Ermüdungskurve.

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Abb. 15: Personen an der Waage in der Ausstellung Erkenne dich selbst.

Dame, die mit ihren Sprößlingen hierher gekommen ist, zeigt ein erstaunliches Reaktionsvermögen.“361 Die unterhaltende Wirkung der Apparate bestand, folgt man dem Artikel, in der Überraschung – oder besser gesagt – in der Inkongru­ enz der sichtbar gemachten körperlichen (Leistungs­)Fähigkeit und der sozialen Erwartung derselben. Die Apparate demonstrierten, dass die Wahrheit der Körper nicht mit „biopolitischen“ Annahmen übereinstimmen musste. Gerade darin lag ihr Reiz – und vermutlich auch die Hoffnung Sickels (und Seirings in Köln), mit ihnen Aufmerksamkeit für ihr Museum zu erringen. Nach der vergnüglichen Verblüffung an den Apparaten, welche das Museum auch entsprechend zu bebildern wusste, hielten die Besucher nun – wie auch 1938 – eine ausgefüllte Karte in der Hand (vgl. Abb. 17–19). Dass diese aber

361 Ebd.

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Abb. 16: Ein fröhliches Paar mit Prüfkarten in den Händen in der Ausstellung Erkenne dich selbst.

keinesfalls einen „Arzt ersetzen [kann und will, C.S.]“362, verdeutlicht nochmals ex negativo den gleichzeitigen Unterhaltungs­ und Vermittlungsauftrag der Aus­ stellung. Eine diagnostische Verwendung sollte die Karte selbst nicht finden. In einer Zeit, in der „der ständige Leistungsvergleich und die Erwartung der Leis­ tungssteigerung […] zu einer weit verbreiteten Alltagserfahrung“363 geworden war, stellten die Besucher*innen selbst im durch die Prüfkarte vorgegebenen Rahmen standardisierte Inskriptionen ihrer körperlichen Individualität (Fin­ gerabdruck) und Leistungsfähigkeit – z. B. ihrer Schnelligkeit, Kraft, normalen Relation aus Gewicht und Größe sowie ihres Ermüdens – her.364 Dass überra­ schende Erkenntnisse extra betont wurden, die von diesen Aufzeichnungen

362 Ebd. 363 Verheyen: Erfindung der Leistung, S. 181, vgl. darin auch S. 155–190. 364 Vgl. hierzu auch die Geschichte der öffentlicher Personenwaagen, die bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre Ergebnisse auf Karten druckten, somit Souvenirs der Selbstbeob­ achtung herstellten, und zugleich den Selbstabgleich mit der Norm über abgebildete Normalge­ wichtstabellen ermöglichten: Frommeld, Debora: Die Personenwaage. Ein Beitrag zur Geschichte und Soziologie der Selbstvermessung, Bielefeld 2019, S. 175–248, insbesondere S. 180–206.

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Abb. 17: Vorderseite der Prüfkarte.

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Abb. 18: Rückseite der Prüfkarte.

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Abb. 19: Innenseite der Prüfkarte.

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ausgehen konnten, relativierte nicht die normierende Kraft ihrer vermeintlicher Objektivität, die auf dem Glauben an den Realismus der datenhaften Verdopplung der Welt durch Mechanik und Zahlen beruhte.365 Ganz im Gegenteil wurde ihnen diese als Prämisse gerade zugeschrieben, was sich in der Empirie bewähren sollte. Denn von diesem Vertrauen in die Objektivität aus schuf die Praktik der Selbst­ vermessung und ­dokumentation Vergleichbarkeit individueller Körperdaten mit denen kollektiv aggregierter und damit den Selbstanschluss an die Überwa­ chung der gesellschaftlichen Norm. In der die Arbeitskraft idealisierenden Leis­ tungsgesellschaft der DDR, in der die Aktiv(ist)en die Norm setzten und nicht den Besucher*innen die Deutungshoheit über diese zugestanden wurde, bezweckten Regime und Ausstellungsmacher*innen eine kollektive Leistungssteigerung, weil sie auf das bauten, was man mit Steffen Mau als eine „auf Nachahmung angelegte Grundkonditionierung der Menschen“ bezeichnen kann. Die Ausstellung machte Leistungsnormen attraktiv, während die Besucher*innen ihre Selbstbeobachtung an den Apparaten spielerisch einübten. Als eine solche „Arena der wechselsei­ tigen Beobachtung“ machten die Ausstellung und ihre Geräte eine „interperso­ nale Beeinflussung unvermeidbar.“366 Fremd­ und Selbstkontrolle griffen hier zum Zweck der gleichzeitigen Ordnung von kollektivem und individuellem Körper sowie zur allgemeinen Leistungssteigerung ineinander.367 Im Anschluss an die Apparate wurden in der dritten und letzten Abteilung Fragen zur Ernährung thematisiert. Auch hier ging Unterhaltung mit der Propa­ gierung der neuen gesellschaftlichen Ordnung und mit der Popularisierung ana­ tomischen und physiologischen Wissens sowie mit dem hygienisch legitimierten Rat einer gesunden Lebensweise einher. So entstand insgesamt eine eher unüber­ sichtliche Gemengelage aus wechselseitiger Kulturalisierung und Moralisierung des Biologischen und einer Biologisierung des Gesellschaftlichen. Anschauungsmaterial über die Verdauung und die Verdauungsorgane belehren (sic!) uns darüber, was für unseren Körper gut und schlecht ist. Interessant ist, zu wissen, warum wir um 19 Uhr Abendbrot essen und was wir vor dem Schlafengehen essen sollen. So sind z. B. Bier, Fleisch und Kirschen bis 21 Uhr verdaut, während Bratkartoffeln und Kalbsbraten bis 23 Uhr, Gänsebraten und Hering in Oel sogar erst bis 1.30 Uhr des nächsten Tages aus dem Magern wandern.368

365 Vgl. Porter, Theodore M.: Trust in Numbers. The Pursuit of Objectivity in Science and Public Life, Princeton 1996; Daston, Lorraine/Galison, Peter: Objektivität, Frankfurt a. M. 2007, S. 121–200. 366 Alle Zitate in: Mau: Das metrische Wir, S. 182, vgl. hierin auch S. 167–184. 367 Bezeichnenderweise bewarben die Ankündigungen der Ausstellungen die Geräte als Mög­ lichkeit, den eigenen Gesundheitszustand mithilfe der Apparate selbst kontrollieren zu können: Anonym: Deutsches Hygiene­Museum im Jahre 1951, in: Neue Zeit, 31.1.1951, S. 3. 368 Gu.: Zu wenig Puste.

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Diese Geleitworte zeichneten ein Idealbild der sozialistischen Gegenwarts­ gesellschaft, im Kern ihre Verheißung einer luxuriösen Zukunft. Wer hatte schon 1951 während der Lebensmittelrationierung die Wahl zwischen Gänsebraten und Kirschen zum Abendbrot, um seine Schlaftiefe zu verbessern?369 Dass der Staat für eine gesunde Ernährung in der Arbeitsgesellschaft der DDR Verantwor­ tung übernehme und dass dies einen immensen Fortschritt im Vergleich zu den dunklen Zeiten des Kapitalismus darstelle, sollte aus der physiologischen Not­ wendigkeit einer ausgewogenen Ernährung erklärt werden. Dies wurde implizit mit einem Apparat verbunden, welcher die kurzfristige Ermüdungskurve sichtbar machte. Werkküchen und helle Speiseräume würden dem Arbeiter die Leistungs­ fähigkeit und „Arbeitsfreude“ erhalten, und ihn seine Ermüdung überwinden lassen. Nur auf diese Weise werde der Arbeiter nämlich richtig – mit nährwer­ treichem Essen – versorgt und seinem Körper die Chance gegeben, die Nahrung effizient zu verdauen (vgl. Abb. 20).370 Der Körper musste demnach in Ordnung gebracht werden. Nur das richtige Ineinandergreifen von Erholung und Belastung garantiere seine kontinuierliche Leistungsfähigkeit im Optimum, das Halten der Leistungskurve über den gesamten Arbeitstag hinweg im oberen Bereich. Dieser Rat ging zurück auf thermodynamische Erkenntnisse der Physiologie, welche zum Gegenstand der Ratgeberpopularisierung der bürgerlichen Hygiene bereits im 19. Jahrhunderts geworden waren.371 Die Intentions­ und Wirkungsvielfalt wird noch in einer weiteren Tafel dieses Ausstellungsteils sichtbar. Auf dieser sollte ein aufgetragenes Relief den Weg der Speisen durch die Verdauungsorgane illustrieren, der daneben angebrachte Text die einzelnen Schritte erklären. Wie in Fritz Kahns Ikone unter den Illustrationen des „modernen Körpers“ aus dem kommerziellen Mischraum zwischen naturwis­ senschaftlicher Bildung und Alltagspraxis der Weimarer Republik, Der Mensch als Industriepalast (1926), übernahmen Homunkuli die aufwendige Arbeit auch

369 Vgl. Sammlung Deutsches Hygiene­Museum, Leporello 41, Tafel 1015. 370 Vgl. ebenfalls ebd., Tafel 1014. Zur Geschichte der Arbeiterverpflegung vgl. Thoms, Ulrike: Essen in der Arbeitswelt. Das betriebliche Kantinenwesen seit seiner Entstehung um 1850, in: Teuteberg, Hans Jürgen (Hrsg.): Die Revolution am Esstisch. Neue Studien zur Nahrungskultur im 19./20. Jahrhundert, Stuttgart 2004, S. 203–218 und zur Ernährungsforschung: Dies.: Die Kate­ gorie Krankheit im Brennpunkt diätetischer Konzepte, in: Neumann, Gerhard/Wierlacher, Alois/ Wild, Rainer (Hrsg.): Essen und Lebensqualität. Natur­ und kulturwissenschaftliche Perspekti­ ven, Frankfurt a. M. u. New York 2001, S. 77–106; Dies.: Einbruch, Aufbruch, Durchbruch? Ernäh­ rungsforschung in Deutschland vor und nach 1945, in: Bruch, Rüdiger vom/Gerhardt, Uta/Pawliczek, Aleksandra (Hrsg.): Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2006, S. 111–130. 371 Vgl. Sarasin: Maschinen; und knapp anhand des Konzepts der Leistung: Verheyen: Erfin­ dung der Leistung, S. 127–139.

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Abb. 20: Warum Werkküche? Ausstellungstafel für Erkenne dich selbst.

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des Verdauungsapparats.372 Bei Kahn repräsentierten die kleinen Menschen verteilt im ganzen Körper vertraute Sozialtypen einer (auch nach Geschlecht differenzierten) arbeitsteiligen Gesellschaft: „Kopfarbeiter“ sinnierten im Kom­ partiment „Vernunft“, Philosophen diskutierten in der Vernunft und im Willen. Schaltbrettbediener überwachten und beeinflussten die Arbeit der Drüsen, der Muskeln, des Herzens, der Adern und der Atmung. Telefonistinnen leiteten ihre Anweisungen aus der Nervenzentrale in den ganzen Körper. Techniker bedienten den Fotoapparat (das Auge) oder den antennenförmigen Schallempfänger (das Ohr). (Vor­)Arbeiter packten in der Körperfabrik an: Sie bespritzen den Nahrungs­ brei mit (Verdauungs­)Säften, gaben ihm den Weg in den Darm auf Anweisung frei (Pförtner), sortierten, stapelten und prozessierten die Ernährungsbausteine in der Leber und stanzten im Knochenmark rote Blutkörperchen aus dem Blech des Hämoglobins.373 In Erkenne dich selbst wurden die Organe des Verdauungssystems jedoch nicht als technische Entsprechungen dargestellt, sondern in einer „natürliche­ ren“ Form wiedergegeben und selektiv aufgeschnitten, um ihr Inneres zu offenba­ ren. Auch war die Informationsdichte ausschließlich auf den Verdauungsvorgang reduziert; andere Organe oder umgebendes Gewebe des Körpers wurden nicht als Teile einer Fabrik dargestellt, sondern ausgespart. Eine weitere Veränderung, die mit der geringeren technizistischen Analogiebildung von Organ und Maschine im Vergleich zu Kahns Vorlage des Verdauungsprozesses einherging, bestand in der quantitativen Aufstockung der Homunkuli. Die Homunkuli im Relief von 1951 wurden aber immer noch typisiert, das heißt in ihrem Geschlecht und ihrer Funktion im Arbeitsprozess kenntlich gemacht: In der Mundhöhle schnitten und stampften Männer, während eine Frau den hergerichteten Nahrungsbrei begoss. Diesen zogen eine Frauen­ und eine Männerfigur an der Speiseröhre hängend in den Magen. Dort rührte eine dickliche Frauenfigur, der Experte im weißen Kittel gab Fermente hinzu. Weitere Homunkuli schoben die angedauten Speisen voran  bzw. verkörperten die Arbeit von Gallenblase und Bauchspeicheldrüse. Im Dünn­ und Dickdarm folgte nun die „harte“ körperliche Arbeit der Peris­ taltik einerseits und die „Feinarbeit“ der Drüsen andererseits. Frauenfiguren

372 Vgl. Eilers, Miriam: Fritz Kahns Das Leben des Menschen. Zur Produktion und Transkription eines populären Werks, in: NTM 23/2015, S. 1–31. 373 Vgl. Sappol: Body Modern, S. 18 f., Bildtafel 1 und zu Kahns Werk ferner: Borck, Cornelius: Der industrialisierte Mensch. Fritz Kahns Visualisierungen des Körpers als Interferenzzone von Medizin, Technik und Kultur, in: Werkstatt Geschichte 47/2008, S. 7–22. Das Bild ist bspw. ab­ rufbar unter: https://www.christies.com/lotfinder/posters­signage­advertising/fritz­kahn­der­ mensch­als­industriepalast­5708467­details.aspx, 17.3.2020.

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übernahmen Letztere, schafften aber auch Flüssigkeit eimerweise aus dem Ver­ dauungsbrei in den Körper. Männer mit nackten Oberkörpern sorgten für die „wurmförmigen Bewegungen“, mit denen die Speise den Darm abwärts geführt wurde, und personifizierten die Tätigkeit des Afterschließmuskels (vgl. Abb. 21). Das Museum hatte bereits vor der NS­Zeit ähnliche Flach­Tafeln bzw. Relief­Tafeln hergestellt. Eine bekannte Zeichnung fand sich beispielsweise in Martin Vogels Ausstellungsband „Der Mensch“ von 1930.374 Hier war die textliche Gestaltung noch deutlich knapper und die bildliche merklich abstrakter. Schicht und Klasse der Homunkuli waren an den Tafeln kaum abzulesen. Als Frauen codierte Figuren fehlten im Arbeitsprozess gänzlich. Verarbeitungs­ und Aus­ scheidungsprozesse waren stark formalisiert, aber eben auch personalisiert. Nur der Wegweiser einer rundlichen Nahrungsfigur machte sie als Ordnung schaffen­ den Polizisten erkennbar. Eine erste Relief­Tafel lässt sich aus den frühen 1930er Jahren aufspüren. Auch hier waren die Homunkuli wenig differenziert und abs­ trakt, dennoch als Menschen erkennbar.375 Was die „Modernisierung“ dieser Dar­ stellung körperlicher Verdauungsprozesse demnach in Erkenne dich selbst zum Ausdruck brachte, war eine veränderte Vorstellung von kooperativer Arbeit und ihrer ausführenden Glieder. Auf der Relief­Tafel von 1951 verliehen die Zeichner, Schreiner und Modelleure des DHM ihrer Vorstellung der kooperativen Arbeitsge­ sellschaft der DDR bildhaften Ausdruck. In dieser hatten Männer die harte Arbeit zu verrichten. Gleichwohl blieb die Tätigkeit eine arbeitsteilige: Unterschiedliche „Expertisen“, Talente und Leistungsvermögen wurden zur Arbeit an der und für die Gesamtgesellschaft komplementär miteinander verbunden. Zufrieden waren die Ausstellungsmacher*innen aber weder mit dieser gegenständlichen Darstellung noch mit dem Medium selbst. In der überar­ beiteten Version von Erkenne dich selbst, die ab 1955 gezeigt wurde, wurde der erklärende Text der Relief­Tafel an einigen Stellen neu gegliedert, gerafft oder ergänzt. In weiten Teilen blieb er aber unverändert. Die Tafel selbst wurde nun aber als Leuchtsystem mit einer abstrakteren Zeichnung anstelle des Reliefs aus­ geführt. Synchron illuminierte Zahlen links des kommentierenden Textes und in der Zeichnung dynamisierten das Medium. Sie assoziierten Ort und Funktion des jeweiligen Organs und weckten und lenkten dadurch die Aufmerksamkeit der Besucher*innen. Die Homunkuli verloren die Merkmale ihrer sozialen Funk­ tion und Gruppierung. Sie gingen damit auf in einer anderen Form von Kollek­ 374 Deutsches Hygiene-Museum/Vogel: Der Mensch, S. 15. Informationen finden sich auch in der DHMD­Objektdatenbank unter der Inventarnummer: DHMD 2002/2118. 375 Vgl. DHMD 1992/697. Vgl. auch knapp zur Verwendung einer solchen Tafel auf der Ausstel­ lung Das Wunder des Lebens 1935 mit dem „Mindestens­Verweis“ auf 1930: Tymkiw: Den Körper spielerisch erkunden, S. 323 f.

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Abb. 21: „Der Weg der Speisen durch die Verdauungsorgane“. Ausstellungstafel für Erkenne dich selbst.

tiv. Nicht mehr individuelle und sozial unterschiedliche Figuren verarbeiteten nach der gestalterischen Modernisierung die Nahrung für das Funktionieren des Körpers. Die Arbeit verrichteten nunmehr einzelne anonyme – aber nach wie vor kooperative – Agenten. Ins Bild gesetzt wurde keine Gemeinschaft der kraftvollen

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oder fachgebildeten Individuen – kein Volk des Aufbaus aus Fach­ und Handar­ beiter*innen –, sondern ein Kollektiv abstrakter Teile – eine klassenlose Gesell­ schaft (vgl. Abb. 22).

Abb. 22: „Der Weg der Speisen durch die Verdauungsorgane“. Ausstellungstafel für Erkenne dich selbst.

Was war es nun, das Erkenne dich selbst zum Höhepunkt des Verschmelzens von Gesundheitsaufklärung und Gesundheitspropaganda, von Tradition und Neuan­ fang machte? Es war die Widersprüchlichkeit von unterschiedlichen Aufgaben und Stoßrichtungen, welche in dieser Ausstellung besonders augenscheinlich wurde. Genau diese Widersprüchlichkeit auszuhalten und die unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen, die ihr zugrunde lagen, gleichzeitig zu visuali­ sieren – das machte den Kern der Expertise des Hygiene­Museums und seiner hygienischen Volksbelehrung aus. Diese Fertigkeit ließ die sich abzeichnende Idealvorstellung des Sozialismus bebildern, besaß aber auch eine Eigenlogik der hygienischen Volksbelehrung und Aufmerksamkeitsgenerierung für das Museum. Vier Jahre später sollte Friedeberger zeitgleich zum Erscheinen der überar­ beiteten Ausstellung diese Ratio des Museums in folgende Worte fassen: Eine Ausstellung

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darf nicht unwissenschaftlich und darf nicht langweilig sein. Eine Ausstellung, die nur aus Bildtafeln besteht, die noch dazu mit übermäßig viel Text überladen sind, ermüdet den Beschauer in kürzester Frist. Bildtafeln sollen mit Modellen, Moulagen, Apparaten, Dio­ ramen abwechseln. Dabei sind solche Apparate am eindrucksvollsten, an denen sich die Besucher selbst betätigen können. Eine Ausstellung wird ihren Zweck erreichen, wenn sie bei dem einzelnen echte Neugier erweckt, ihn zu selbständigem Nachdenken und zu ernst­ haftem Verarbeiten des Dargebotenen veranlaßt.376

Eine Ausstellung des Hygiene­Museums hatte also (immer noch) zum Ziel, Wissen auf eine Weise zu vermitteln, welche die Anverwandlung desselben durch den Besucher quasi mit sich brachte, dadurch, dass sie Neugierde und eigenständiges Nachdenken weckte. Dafür durfte sie textlich und bildlich nicht überfordern und musste in ihren Exponaten abwechslungsreich sein. Apparate zum Selbstbedie­ nen erschienen als die eindrucksvollsten Ausstellungsstücke. Getragen von der Überzeugung, eine hygienische Volksbelehrung müsse genauso wissenschaftlich korrekt und belegt wie überraschend und unterhalt­ sam sein, um die Volksmassen belehren zu können, hatte sich die Praxis des Ausstellens der hygienischen Volksbelehrung von den 1920er bis in die 1940er Jahre bewährt. Ihre Wissensvermittlung erfüllte die Forderungen der wissen­ schaftlichen Experten, der Gesundheitspolitiker*innen und schien den Bedürf­ nissen der zu bildenden und damit zu umsorgenden Laien zu entsprechen.377 Die dingliche Besuchermobilisierung durch die Selbstvermessungsapparate folgte daher nicht nur der Maxime der Leistung, sondern auch der Anschaulichkeit und Volkstümlichkeit, die im Laufe der Jahre gegenüber dem Auftrag der Ordnung von Hygiene­Wissen an Gewicht erlangt hatte. Diese Prioritätenverschiebung hatte sich bereits in der Weimarer Republik abgezeichnet. An sukzessive kürze­ ren Laufzeiten, interaktiven Exponaten, spektakulären Inszenierungen und klei­ neren, konzentrierteren Ausstellungen zeigte sich die Aufgabe des Anspruchs, „einen eigenen wissenschaftlichen Beitrag zu leisten.“378 Hygienische Volksbe­ lehrung prägte sich stärker volkstümlich aus, zumal das tragende Museum um sein Überleben und um die an Besucherzahlen gemessene Gunst der Zuschauer kämpfen musste.

376 Friedeberger, Walter: Über die hygienische Aufklärung der Bevölkerung in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Wissenschaftliche Annalen 4/1955, S. 275–283, S. 281. Dieser Äu­ ßerung ging der parteipolitischen Einschätzung innerhalb des Museums voraus, mit Erkenne dich selbst den Ruf des Museums wiederhergestellt zu haben. Vgl. Protokoll über die öffentliche Mitgliederversammlung am 11.5.1954, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registra­ turgut). 377 Vgl. Kap. 2.1. 378 Weinert: Der Körper im Blick, S. 96 und ferner 241.

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Selbst bedienbare und unterhaltsame Apparate zu entwickeln und einzu­ setzen war nur konsequent. Sie sorgten für Abwechslung und entfalteten eine besondere Wirkung, da sie den Besucher*innen die eigene Betätigung und Beob­ achtung ermöglichten.379 Man kann daher diese Technik der spielerischen Besu­ cheraktivierung nicht als „Übergangsphänomen“380 bewerten. Es ist aus diesem Grund auch zu hinterfragen, ob es einen „radikalen Bruch“ darstellte, „als 1938 erstmals in Kombination mit der individuellen Aufzeichnung der Messergebnisse aus den ehemaligen Instrumenten zur Selbsterfahrung Prüfapparate zur Bestim­ mung der eigenen Leistungsfähigkeit geworden waren.“381 Es stellte vielmehr eine angelegte, latente und situativ in Anschlag zu bringende Sichtbarkeitsstra­ tegie der hygienischen Volksbelehrung seit dem Beginn des 20.  Jahrhunderts dar, welche dem musealen Kalkül der Aufmerksamkeitsgenerierung und Recht­ fertigung entsprach. Was sich änderte, war, dass Prüfapparate nunmehr auch als (nahezu) eigenständige Ausstellung denkbar waren. Eine Verdopplung und Doppelpräsenz von Demonstrations­ und Prüfapparaten, wie dies in den 1930er Jahren noch notwendig war, schien nunmehr verzichtbar.382 Individuelle Körper technizistisch zu entschlüsseln und sie damit auch auf technisch objektivierbare „Daten“ zu reduzieren, stellte durchaus eine logische Weiterentwicklung der eigenen Darstellungsgüter dar.383 Diese sollten ja gerade eine Wahrheit veranschaulichen, die aus dem Inneren und Natürlichen der Körper zum Ausdruck gebracht wurde. Und dass diese eher in normalistischen Leistungskennziffern bestanden, lag mehr an der longue durée einer allgemein geteilten – ontologischen – Körpervorstellung als verbesserbarer Maschine als an einer regimespezifischen Biopolitik.384 Dieser Art der Körpersichtbarmachung begegneten Betrachter in Fritz Kahns Bild Der Mensch als Industriepalast und in nationalsozialistischen Propagandaausstellungen genauso wie in der Großen Gesundheits-Ausstellung in Köln oder in Erkenne dich selbst. Die Sichtbarmachungen der Körperordnungen gingen aber in den unter­ schiedlichen politischen Regimen mit den jeweils hegemonialen Vorstellungen von Gesellschaftsordnungen eine symbiotische Beziehung ein. Hier unterschie­ den sich Ein Ja dem Leben und Erkenne dich selbst über die Differenz zwischen

379 Vogel: Hygienische Volksbildung, S. 347. 380 Im unsystematischen und quellenkritisch wenig fundierten, überinterpretierenden Ver­ gleich: Tymkiw: Den Körper spielerisch erkunden, S. 336. 381 Nikolow: Erkenne und prüfe Dich selbst, S. 228. Vgl. ferner Kap. 2.2. 382 Vgl. zur Doppelpräsenz in den 1930er Jahren rückschauend: Neubert an Seiring, 6.2.1956, in: BArch, B 142/400, hier S. 1. 383 Vgl. Weinert: Der Körper im Blick, S. 229 ff. 384 Vgl. ebd., S. 225–271; Sarasin: Maschinen.

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einer Groß­ und Kleinausstellung hinaus. In explizitem Anschluss an die Legen­ denbildung der hygienischen Volksbelehrung präsentierte das Gesundheits­ Museum in Köln eine konservative und patriarchale Fiktion einer unpolitischen Gemeinschaft in der Not, die zum Wunder des Lebens Ja sagte, das Abendland gegen den Kommunismus verteidigte und sich nicht unkritisch an den USA ori­ entierte. Der Rückgriff auf alte Objekte und das Medium der Großausstellung schürte indes auch Kritik an der Überladenheit, der fehlenden narrativen Kohä­ renz, der Kommerzialität sowie an der monumentalisierenden Objektivierung des Lebens und des Leids – lief dies doch auch der eigenen lebensphilosophischen Rahmung zuwider. In der DDR brachten die Apparate der Selbstvermessung zur gleichen Zeit die „fortschreitende Technisierung“ zum Ausdruck.385 Doch umge­ hend wurde der Assoziation einer Gemeinschaft der Körpermaschinen entgegen gearbeitet: Man darf aber niemals vergessen, daß selbst die besten Apparate nicht dazu ausreichen, den Menschen, der eben keine Maschine ist, zu verstehen, solange er gesund ist, und zu behandeln, wenn er krank wird. Wie wichtig hierbei die Zusammenhänge zwischen Mensch und Umgebung sind, und daß für einen harmonischen Ablauf dieses unaufhörlichen Wech­ selspiels zwischen innen und außen Anteilnahme und liebevolle Pflege gehören, darauf hat der […] große russische Physiologe I. P. Pawlow wiederholt hingewiesen […]. Der Leser […] wird dann Verständnis für die Maßnahmen erhalten, die die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik getroffen hat.386

Erkenne dich selbst wollte also den ganzen Menschen in Einklang mit seiner Umwelt denken lassen und dazu beitragen, das Verhältnis zwischen Kollektiv und Individuum durch Anteilnahme und Pflege – und Verweise auf das wahr­ lich fürsorgliche Gesundheitswesen mit seiner medizinisch­wissenschaftlichen, vermeintlich materialistischen Grundlage aus der Sowjetunion – harmonisch zu gestalten. Mit seinen Ausstellungen malte das Hygiene­Museum die mora­ lische und humanistische Integrität des verheißungsvollen und fürsorgenden neuen Staates bunt und positiv aus.387 Es verschmolz Gesundheitsaufklärung mit Gesundheitspropaganda und unterstrich den Charakter der DDR als Gesellschaft der Arbeiterinnen und Arbeiter. Die symbolische und praktische Ordnung der 385 Vgl. Zitate in: Deutsches Hygiene-Museum: Erkenne dich selbst, 1952, S. 3. 386 Ebd., S. 4. Zur Pavlov­Rezeption in der DDR der 1950er Jahre siehe Kap. 4.2 und 4.3. 387 Vgl.  die von der Nachrichtenagentur des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes zirkulierte Jahresvorschau 1951, in der nochmals die wichtigen Themen und Beiträge des Hygiene­Museums für die sozialistische Arbeiter­ und Bauern­Gesellschaft unterstrichen wur­ den (Gesundheitsschutz der Werktätigen, Erkenne dich selbst, Gewerbe­Hygiene, Gesundheits­ schutz für Mutter und Kind, Entwicklung des modernen, sozialistischen Gesundheitswesen): Anonym: Deutsches Hygiene­Museum im Jahre 1951.

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hygienischen Volksbelehrung überwand es damit nicht. Gerade die Vermischung von Aufklärung und Propaganda machte die Tradition des Hygiene­Museums aus, deren Kurzschluss von Kultur­, Natur­ und Gesellschaftsordnung kaum proble­ matisiert und dessen Wirken im Nationalsozialismus weitestgehend beschwiegen wurde. Solange diese als apolitisch und zugleich als präventiv und aufklärerisch nützlich galt, erschien die Arbeit des Museums und damit auch das Museum als Organisation gerechtfertigt. Solche Askriptionen machten das Museum und seine Gesundheitsaufklärung konservativ: Einerseits war es dadurch anpassungsfähig, andererseits drängten sie dieses zu einer Fortsetzung des Alten – und sorgten für das Hygiene­Museum und seine Art der hygienischen Volksbelehrung sogar im Sozialismus für eine gewisse Pfadabhängigkeit.

Das progressive Erbe der hygienischen Volksbelehrung und das DHM Suchten die Verantwortlichen des Gesundheits­Museums in Köln nachdrücklich die Einschreibung in die eigene Traditionsbildung der hygienischen Volksbeleh­ rung, so geschah dies im Dresden der 1950er Jahre zurückhaltender – zwiegespal­ tener. Das lässt sich an der Presse des Museums zeigen.388 Ein kürzerer Beitrag in der Tageszeitung der CDU in der DDR vermeldete im August 1951 kursorisch das „Entsteigen des Museumsbaus“ aus der „Vernichtung“. Das Museum, das auf „die Verdienste Karl August Lingners“ zurückgehe, arbeite wieder umfassend als „aufklärendes Bollwerk“ gegen die Gefahren der Krankheit. Der „lebendige Museumsorganismus“ sei durch die sukzessive erweiterte Hausausstellung, die Lehrmittelproduktion, ein wissenschaftliches Archiv, Verwaltungs­ und Perso­ nalabteilung, Lehrmittelverkauf und Packerei, eine öffentliche Fachbibliothek, einen eigenen „Aufklärungsschriftenverlag, Buchbinderei sowie eine Gaststätte wieder vielfältig.“ Das Vestibül sei zu einem Veranstaltungsort verwandelt worden, „Landessender Dresden und Dresdner Philharmonie genießen weiter Hausrecht.“ Was noch anstehe in den nächsten Jahren, das sei der „restlose

388 Durchsucht man die Zefys-Datenbank DDR-Presse, werden für den Zeitraum von 1945 bis 1990 insgesamt 1014 Textstellentreffer für den Begriff „Hygiene­Museum“ in den überregionalen Tageszeitungen Neues Deutschland (381 Treffer), Neue Zeit (335) und in der Berliner Zeitung (298) aufgelistet. Ein anderes Bild ergibt sich bei den Indikatoren der Traditionskonstruktion „Interna­ tionale Hygiene­Ausstellung“ (13 Treffer in der Neuen Zeit, vier im Neuen Deutschland, drei in der Berliner Zeitung) und „Karl August Lingner“ (14 Treffer in der Neuen Zeit, sieben in der Berliner Zeitung, vier im Neuen Deutschland). Diese Verteilung indiziert, dass vorrangig das Organ für die konservativ­bürgerlichen Milieus der DDR Interesse an der Geschichte des Hygiene­Museums als Kultureinrichtung zeigte.

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Aufbau des Hauses, gegenwartsnahe Breitenarbeit und neuartige Aufklärung der Bevölkerung.“389 Die Neue Zeit verkündete damit, dass das gemeinnützige Hygiene­Museum wieder präsent war, und schilderte umfassend die Leistungen des Museums. Verantwortlich für den ausführlicheren Artikel vom November 1951 zeichnete Rosemarie Schuder (1928–2018). Die Schriftstellerin publizierte damals als freie Journalistin noch in der Täglichen Rundschau und gehörte dem Hauptvorstand der Ost­CDU an, deren Mitglied sie von 1951 bis 1990 war.390 Schuder unterstrich den Nutzen des Hygiene­Museums für den Erhalt der Volksgesundheit und der Arbeitskraft. Sie schloss appellativ die individuelle mit der Ebene der Bevölkerung kurz, indem sie den Einzelnen in die Pflicht nahm, einen Beitrag zur Volksgesundheit zu leisten. Die Anschauungs­ und Lehrmittel, so Schuder, würden die Besucher*innen einladen, durch sie an „allen Vorgängen um die Gesundheit des Menschen teilzunehmen, […] an der Erhaltung der Volks­ gesundheit mitzuwirken, und […] mit dieser Mitarbeit sofort zu beginnen, jeder Besucher bei sich selbst.“391 Aus der Visualisierung von Wissen über Körper, Gesundheit und Krankheit entsprang also die Möglichkeit, ihre Wahrheit zu erfassen, woraus die sittliche Verpflichtung resultiere, zur Gesundheit des Abs­ traktums „Volk“ durch Arbeit an sich selbst beizutragen. Dazu musste die Selbst­ regierung nur mit den popularisierten Prinzipien in Einklang stehen. Das war im Kern die alte pädagogische funktionale Legitimationsfigur der hygienischen Volksaufklärung. Und auch die (gewachsene) Hybridität des Museums fände in dieser Aufgabe seine Nützlichkeit, denn [d]er Rundgang durch das Deutsche Hygiene­Museum begann mit einer Entdeckung: Wir waren einer Täuschung zum Opfer gefallen. Irregeführt hat uns die Bezeichnung ‚Museum‘. Das Haus in Dresden ist keineswegs eins. Drei Arbeitsgebiete kommen hier zusammen. Das Haus ist das Zentralinstitut für Volksgesundheitspflege, also Forschungsstätte um das höchste Gut des Menschen, die Gesundheit. Das Haus ist zugleich Produktionsbetrieb, also Fertigungsstätte […]. Und das Haus ist auch Museum, also Bildungs­ und Lehrstätte für die Bevölkerung. Und wir erkennen, daß alles in einem Zusammenhang steht: Die Erkenntnisse des Zentralinstituts werden für die Produktion in Nutzanwendung gebracht, die Produktion ermöglicht die Durchführung der musealen Aufgaben; was in den Schauen gezeigt wird, kommt aus den eigenen Fertigungsstätten.392

389 Alle Zitate in: Anonym: Aufbau des Deutschen Hygiene­Museums, in: Neue Zeit, 5.8.1951, S. 9. 390 Vgl.  Barth, Bernd­Rainer/Müller-Enbergs, Helmut: Art. „Schuder, Rosemarie“, 2009/2018, https://www.bundesstiftung­aufarbeitung.de/de/recherche/kataloge­datenbanken/biographische­ datenbanken/rosemarie­schuder, 17.3.2020. 391 Schuder, Rosemarie: Forschungsstätte und Produktionsbetrieb. Das Deutsche Hygiene­ Museum ist nicht nur ein Museum – Ein Beispiel für den Friedenswillen der DDR, in: Neue Zeit, 28.11.1951, S. 3. 392 Ebd.

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Obwohl also auch für Schuder Modus, Organisation und Medien der hygieni­ schen Volksbelehrung zum Zweck der kollektiven Gesunderhaltung nach wie vor gerechtfertigt erschienen, veränderte sie doch den historischen Bezugspunkt der „Begründung“. Eine Referenz zu Karl August Lingner suchten die Leser*innen bei ihr nämlich vergebens. Schuder klammerte die Vorgeschichte des Hygiene­ Museums stattdessen in eine Black Box seiner Zielsetzung ein. Und die Gemein­ nützigkeit spiegele sich im Raum, so Schuder: Das altehrwürdige Deutsche Hygiene­Museum war, was auch immer seine wahren Wurzeln gewesen sein mochten, zusammen mit Dresden durch den „angloamerikanischen Bomben­ terror“ schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Doch die „neuen Freunde“, die Gesandten der Sowjetunion, sollten helfen, die Schäden zu beheben. Sie unterstützten beim Erhalt und der Pflege und schufen die Voraussetzungen für den Wiederaufbau. Die Rekonstruktion übernahmen aber die ehemaligen deut­ schen Gegner, die Arbeitenden an einer neuen Gesellschaftsordnung, an einer neuen, strahlenden Zukunft. Es war der Topos des „gemeinsamen Anpackens“, um die Gegenwart umzugestalten, den Schuders Artikel pflegte, der aber durch­ aus – zusammen mit dem des „anglo­amerikanischen Bombenterrors“ auch aus der NS­Propaganda bekannt gewesen sein durfte. In dieser neuen Zukunft war das Hygiene­Museum „ein lebendiges Beispiel für die friedlichen Absichten der Regierung, die hier ein Millionenprojekt, das überhaupt nur im Frieden denkbar ist, mit allem Nachdruck fördert.“393 Mit dem sowjetischen „Kick­Start“ war die DDR auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt. All das verkör­ perte der Wiederaufbau, die Verstaatlichung und die Produktion des Hygiene­ Museums für Schuder, was sie mit einer Fotografie im Artikel illustrierte. Darauf war zu sehen, wie Adolf Hennecke (1905–1975), der Aleksej Grigor’evič Stachanov (1905–1977) und Arbeitsnormübererfüller der DDR, die Produktionsstätten des DHM mit seinem Besuch adelte.394 Schuders Legitimationsfigur des Deutschen Hygiene­Museums folgte auch der Leiter des Museums, Wilhelm Axel Friedeberger, vor den 62 weiteren Partei­ mitgliedern des Dresdner Museums 1954. Der internen Kritik, das Museum habe zu wenig Neues entwickelt und sei einseitig auf die Produktion von Lehrmitteln fokussiert, widersprach der Direktor, sich gerne auch mit den Federn seiner Vor­ gänger nach 1945 schmückend. Der Aufbau des Museumsgebäudes, der hölzerne Pavillon an der Berliner Friedrichstraße und der durch die Republik reisende, 393 Schuder: Forschungsstätte und Produktionsbetrieb; vgl. ebenso Kap. 1.1. 394 Vgl. zu Stachanow, Hennecke und der Visualisierung des Kults der Normübererfüllung in den sozialistischen Staaten: Satjukow, Silke: Hennecke. Ikone der Aufbaugeneration und des „neuen Menschen“ in SBZ und DDR, in: Paul, Gerhard (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder, Bd. 1: 1900 bis 1949, Göttingen 2009, S. 768–775.

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fahrbare Ausstellungspavillon hätten die vom Museum ausgehende gemeinnüt­ zige Gesundheitsaufklärung erneuert. Auch die neuen Ausstellungen (Hygiene auf dem Land, Mutter und Kind, Erkenne dich selbst) hätten den durch die natio­ nalsozialistische Vergangenheit umfassend ruinierten Ruf wieder verbessert.395 Schuder und Friedeberger schrieben damit die museale Erzählung der eigenen Geschichte in die offizielle Geschichtspolitik der DDR ein, in deren Zentrum die „Dimitroff­Formel“ stand.396 Mit der Interpretation des Nationalsozialismus als terroristischen Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten und imperialistischsten Elemente des Finanz­ kapitals wurde das politische System des Nationalsozialismus in die Geschichte der Klassenkämpfe des historischen und dialektischen Materialismus eingebettet und seiner (deutschen) Spezifität beraubt – über die „Kategorie des Faschismus universalisiert.“397 Die DDR habe nun durch die umfassende materielle Umgestal­ tung diesen grundlegend und für immer überwunden.398 Dieser antifaschistische Gründungsmythos der DDR entsprach der positiven Seite des negativen Kontrast­ bezugs zum Nationalsozialismus. Darin eingelassen war das Interpretament der umfassenden Umgestaltung einer moralisch wie politisch bankrotten gesellschaft­ lichen Ordnung, der Anspruch der SED­Führung in Tradition der KPD (und nicht der SPD) eine Partei der Antifaschisten zu sein, die Avantgarde der nicht zur NSDAP übergelaufen Arbeiterklasse. Diese Geschichtserzählung stellte Deutsche als resis­ tente Opfer des Nationalsozialismus dar, sparte den Holocaust aus und bestimmte die Sowjetunion als helfende Retterin. Und schließlich lag hierin auch der Kern für die Delegitimation der Bundesrepublik, welche sich nicht in die Tradition der Anti­ faschisten stellte und den Nationalsozialismus nicht überwunden habe.399 395 Vgl. Protokoll über die öffentliche Mitgliederversammlung am 11.5.1954, in: Hauptstaatsar­ chiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 396 Vgl. Saage, Richard: Faschismus: Konzeptionen und historische Kontexte. Eine Einführung 2007, S. 39–48. 397 Lepsius, M. Rainer: Das Erbe des Nationalsozialismus und die politische Kultur der Nach­ folgestaaten des „Großdeutschen Reiches“, in: Lepsius, M. Rainer: Demokratie in Deutschland, Göttingen 1993 [1989], S. 229–245, S. 232. Für eine differenzierte, Überlappungen, gegenseitige Bezugnahmen und Entwicklungen der Erinnerung an den Nationalsozialismus in den Nach­ folgestaaten – Lepsius Typisierung der Externalisierung (Österreich), Universalisierung (DDR), Internalisierung (BRD) dynamisierend – siehe: Hammerstein, Katrin: Gemeinsame Vergangen­ heit – getrennte Erinnerung? Der Nationalsozialismus in Gedächtnisdiskursen und Identitäts­ konstruktionen von Bundesrepublik, Deutschland und Österreich, Göttingen 2017, pointiert S. 492–494. 398 Vgl. Zimmering, Raina: Mythen in der Politik der DDR. Ein Beitrag zur Erforschung politi­ scher Mythen, Opladen 2000, S. 37–56. 399 Vgl. Münkler: Mythen, S. 421–437 und zu den Legitimationsstrategien und ­effekten aus der Erinnerungspolitik der DDR: Meuschel, Sigrid: Legitimation und Parteiherrschaft. Zum Paradox

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Bezogen auf die Erinnerungsarbeit des Hygiene­Museums fanden zwei Topoi des Antifaschismus in Schuders Artikel eine Konkretisierung: Zum einen fiel der Sowjetunion beim Wiederaufbau des Museums nur eine helfende Rolle zu. Zum anderen schien die Bundesrepublik auf Westintegrationskurs indirekt als Abgrenzungsfolie auf, da als das primäre moralische Feindbild die Vereinigten Staaten von Amerika dargestellt wurden – als Heimstätte des Finanzkapitals und als Verantwortliche für die Zerstörung deutscher Städte, so auch Dresdens. Im Zentrum stand für das DHM entscheidend aber vor allem der Anspruch einer moralischen Überlegenheit des Sozialismus, der sich insbesondere im Gesundheitswesen zeigen sollte. Er wurde vorrangig am Recht des Einzelnen auf den Schutz seiner Gesundheit festgemacht, für das der Staat volle Verantwortung übernahm. Dazu hatte dieser Verwaltungszuständigkeit zentralisiert und, einem sozialhygienischen Paradigma sowie einem holistischen Verständnis von Krank­ heit und Gesundheit verpflichtet, Prävention, Heilung und Rehabilitation in staat­ lichen Fürsorge­ und Behandlungseinrichtungen integriert zusammengefasst. Zwei Mechanismen sollten die Verantwortung realisieren – die Zentralisierung der Planung des Gesundheitswesens sowie die Verbannung aller kommerziellen Interessen. Letzteres Versprechen war dabei als Angebot an die knappe Ressource der Ärztinnen zu verstehen: Dafür, dass das sozialistische Gesundheitswesen die Bedingungen realisiert habe, die Gebote des Hippokratischen Eides auch erfül­ len zu können – indem es sie vom Risiko des Unternehmertums befreit habe –, sollten sie auf ihre standespolitischen Institutionen, wie die Ärztekammern, ver­ zichten.400 Auf rhetorischer Ebene war damit jegliche Form der Ausbeutung und Zersplitterung überwunden und die medizinische Versorgung unentgeltlich und allgemein zugänglich. Dem Selbstbild einer Gesellschaft der Arbeitenden entspre­ chend hatten diese Prinzipien in erster Linie in der Versorgung am Arbeitsplatz,

von Stabilität und Revolution in der DDR, 1945–1989, Frankfurt  a.  M. 1992,  S.  10–70; Kowalczuk, Ilko­Sascha: Legitimation eines neuen Staates. Parteiarbeiter an der historischen Front. Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Berlin 1997,  S.  37–70; Ebenfeld, Stefan: Geschichte nach Plan? Die Instrumentalisierung der Geschichtswissenschaft in der DDR am Bei­ spiel des Museums für Deutsche Geschichte in Berlin (1950 bis 1955), Marburg 2001. 400 Vgl.: Mette, Alexander/Misgeld, Gerhard/Winter, Kurt: Der Arzt in der sozialistischen Gesell­ schaft, Berlin 1958. Zur ärztlichen Standespolitik in der SBZ und den Friktionen zwischen organi­ sierter Ärzteschaft und der SED­Gesundheitspolitik: Gerst, Thomas: Ärztliche Standesorganisati­ on und Standespolitik in Deutschland 1945–1955, Stuttgart 2004, S. 82–103; Müller, Klaus­Dieter: Die Ärzteschaft im staatlichen Gesundheitswesen der SBZ und der DDR 1945–1989, in: Jütte, Ro­ bert (Hrsg.): Geschichte der deutschen Ärzteschaft. Organisierte Berufs­ und Gesundheitspolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Köln 1997, S. 241–273; Ders.: Zwischen Hippokrates und Lenin. Gesprä­ che mit ost­ und westdeutschen Ärzten über ihre Zeit in der SBZ und DDR, Köln 1994.

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als Betriebsgesundheitsfürsorge, zu greifen.401 Die besondere Verpflichtung des neuen Fürsorgestaates für seine Bürger*innen sollte aber zugleich die umge­ kehrte Pflicht zur Loyalität legitimieren.402 Und darin fand das DHM seine Funk­ tion, die es beispielsweise in seinen Ausstellungen im Berliner Pavillon erfüllte, aber nicht nur dort, sondern auch im Organ der Gesellschaft für Klinische Medi­ zin.403 Als Instanz der Gesundheitsaufklärung, der Gesundheitspropaganda und auch der Bildung symbolisierte das Hygiene­Museum die humanistische Tradi­ tion Deutschlands. Es verbildlichte und verkörperte den „Anspruch der SED, his­ torische Vollenderin aller ‚progressiven‘ und ‚humanistischen‘ Tendenzen in der deutschen Geschichte zu sein.“404 Im Gesundheitswesen bedeutete dies, wie es eine Ausstellung sowie eine bilderreiche Publikation aus dem Hygiene­Museum verhieß: „Im Mittelpunkt steht der Mensch!“405 Bereits Anfang 1952 hatte Walter Friedeberger das Ministerium für Gesund­ heitswesen darum gebeten, ihm „Wünsche, Anregungen und Unterlagen“406 für die vorrangig als Propagandaausstellung gedachte Exposition Im Mittelpunkt steht der Mensch zukommen zu lassen. Anatomie und Physiologie menschlicher Körper traten in das zweite Glied. Eine explizite und ausführliche Selbsteinschrei­ bung des Museums in die progressive Tradition der deutschen Geschichte suchte man jedoch zunächst vergeblich. Die von Seiring so eifrig bemühte Legende der

401 Vgl.  Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen, Hauptabteilung Gesundheitswesen (Hrsg.): Das demokratische Gesundheitswesen in der Deutschen Demokratischen Republik, Ber­ lin 1950, S. 3 f.; Niehoff/Schrader: Gesundheitsleitbilder; Schagen/Schleiermacher: Gesundheits­ wesen in der DDR, Bd. 8, S. 402–408. 402 Vgl.  Jarausch, Konrad H.: Fürsorgediktatur, 2010, http://docupedia.de/zg/F%C3%BCrsor­ gediktatur, 17.3.2020 und zur sprachlichen Rhetorik des sozialen Ein­ und Ausschlusses der SED­DDR: Jessen, Ralph: Einschließen und Ausgrenzen. Propaganda, Sprache und symbolische Integration der DDR­Gesellschaft, in: Fix, Ulla/Bock, Bettina/Pappert, Steffen (Hrsg.): Politische Wechsel – Sprachliche Umbrüche, Berlin 2011, S. 135–152. 403 Vgl. Zentralinstitut für medizinische Aufklärung – Deutsches Hygiene-Museum Dresden (Hrsg.): Der Gesundheitsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1957, S. 5, 6, 24. 404 Schubert, Charlotte: Phasen und Zäsuren des Erbe­Verständnisses der DDR, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete­Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Fol­ gen der SED­Diktatur in Deutschland“, Bd.  3.3: Rolle und Bedeutung der Ideologie, integrati­ ver Faktoren und disziplinierender Praktiken in Staat und Gesellschaft der DDR, Baden­Baden 1995, S. 1773–1811, S. 1774. 405 Vgl. Deutsches Hygiene-Museum Dresden (Hrsg.): Im Mittelpunkt steht der Mensch. Das so­ zialistische Gesundheits­ und Sozialwesen in der Deutschen Demokratischen Republik, Dresden 1959; Budig: Formen der Ausstellung, S. 99. 406 Vgl. Friedeberger an Steidle, 19.2.1952, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 52/11, 1952, unpag.

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hygienischen Volksbelehrung wurde allerdings ebenso wenig erzählt.407 Bis zur Mitte der 1950er Jahre fanden sich nur vereinzelt Ausführungen leitender Mitar­ beiter*innen des DHM, die sich mit dem Mythos Hygiene­Museum befassten. In seinem für eine breite Öffentlichkeit geschriebenen Präsentationsartikel zur „Gläsernen Figur“, verwies Friedeberger überhaupt nicht auf die Geschichte des Hauses. Und auch nur mit einer kleinen und zugleich bescheidenen politischen Note schloss der Artikel:408 Das transparente Schaustück des Museums verkörpere die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Technikern und Kunsthandwer­ kern, die sich zu der schönen Aufgabe vereint haben, den Menschen das Wissen um ihren Körper zu vermitteln und ihnen damit eine Waffe in die Hand zu geben, den friedlichen Kampf zur Verhütung von Krankheiten erfolgreich zu führen.409

Friedebergers Oxymoron des friedlichen Kampfes machte das lebensgroße Kör­ permodell zum Sinnbild des Beitrags des DHM zu einem ehrenwerten Ziel und rekurrierte implizit auf die universelle Überwindung des Nationalsozialismus, auf den Anspruch des SED­Regimes, die Ursachen für Kampf und Krieg ein für alle Mal beseitigt zu haben. Expliziter geschichtspolitisch formulierte Friedeberger im selben Jahr in den Wissenschaftlichen Annalen, der seit 1951 von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin herausgegebenen populärwissenschaftlichen Monats­ schrift „zur Verbreitung neuer Forschungsergebnisse“. Der Direktor schlug einen weiten historischen Bogen: Die Vergangenheit der Gesundheitsaufklärung sei die Geschichte eines Defizits von einem mythisch verklärten Urzustand bis zum Ausgang der Menschen aus ihrer gesundheitlichen Unmündigkeit qua hygieni­ scher Aufklärung. Doch selbst als die Relevanz einer hygienischen Aufklärung mit Beginn des 20.  Jahrhunderts deutlich geworden und der ärztliche Wider­ stand überwunden worden war, so Friedeberger, seien die Ergebnisse beschei­ den gewesen. Eine hygienische Wissensvermittlung erreichte nur das Bürgertum und ihr Niederschlag im Schulunterricht sei „kaum erwähnenswert.“410 Doch die Rettung nahte: „Der Staat der Arbeiter und Bauern schuf […] die entschei­ dende Wandlung in der richtigen Erkenntnis und Zielsetzung, daß der Gesund­ heitsschutz die Sache der Werktätigen selbst ist.“411 Das Hygiene­Museum reprä­ 407 Vgl.  Fotodokumentation Im Mittelpunkt steht der Mensch, 1955. Sammlung Deutsches Hygiene­Museum, Leporello 3, Foto Nr. 4134–4179. 408 Anlass war die Präsentation der „Gläsernen Frau“ auf der St. Eriks­Messe in Stockholm. Vgl. Budig: Formen der Ausstellung, S. 100. 409 Friedeberger, Walter: Der gläserne Mensch, in: Urania Universum 1/1955, S. 37–41, S. 41. 410 Ders.: Hygienische Aufklärung, 1955, S. 276. 411 Ebd.

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sentiere nun, wie „gewaltig die Bemühungen sind, unseren Menschen Wissen auf dem Gebiete der Medizin, des Gesundheitsschutzes und der Krankheitsver­ hütung zu vermitteln.“412 So müsste es gelingen, „unsere Menschen“ dazu zu bringen, „bewußt am Gesundheitswesen mitzuarbeiten.“413 Und nicht nur dies, „ihr Gewissen aufzurütteln, sie zum kollektiven Verantwortungsbewußtsein, zur Erkenntnis ihrer gesellschaftlichen Pflicht zu erziehen“ – das könne den „unbe­ herrschten Egoismus“, der aus Faschismus und Krieg erwachsen sei, überwin­ den.414 Darin wollte Friedeberger die Zielvorstellung einer hygienischen Volksbe­ lehrung in der DDR und ihren Beitrag zur Friedenssicherung sehen. Dabei tilgte er den Gründer, Karl August Lingner, mitsamt der Vergangenheit des Museums aus dessen bisheriger Geschichtserzählung. Statt eines Echos der Vergangenheit ließ er einen Appell zur gemeinschaftlichen Arbeit der DDR­Bürger an sich selbst und an ihrem Staat erklingen. Die Erinnerung an die hygienische Volksbelehrung oszillierte auch im Dresd­ ner Museumsgebäude zwischen Beschweigen, Abwertung der nicht­sozialis­ tischen Vorgeschichte und dem Beschwören einer besseren Zukunft. Als das 750­jährige Bestehen der „Stadt der Hygiene“415 im Juni 1956 gefeiert wurde, ver­ anstaltete das Museum „Festwochen“, die der Minister Luitpold Steidle (1898– 1984) eröffnete, und erweiterte seine Ausstellungsfläche um mehrere Räume. Mindestens fünf neue Teilschauen wurden präsentiert, eine einheitliche Dau­ erausstellung aber noch nicht realisiert. Stattdessen wurden Ausstellungen für den Einsatz auf Wanderschaft oder im Pavillon kompiliert.416 Auch „Gastausstel­ ler, wie zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz, das Ministerium für Land­ und Forstwirtschaft, die Deutsche Bauakademie, das Sächsische Serumwerk und die pharmazeutische Industrie“417 waren an der „großen Lehr­ und Leistungsschau des Gesundheitswesens“418 beteiligt. Darüber hinaus präsentierte das Museum

412 Ebd., S. 278. 413 Ebd., S. 280. 414 Zitate in: ebd. 415 Vgl. Heidel: Stadt der Hygiene. 416 Themen waren Anatomie und Physiologie (Körperbau und Körperfunktion), Reproduktion (Die Frau, Mutter und Kind), Pavlov (Geheimnisse des Lebens), die eigenen Lehr­ und Unter­ richtsmittel (Musterschau) und Gesundheitsaufklärung im Ausland (Internationale Plakate des Gesundheitswesens). Ob eine Teilschau zum Gesundheitswesen der Sowjetunion und die Wan­ derausstellung Hygiene auf dem Lande im Museumsgebäude aufgebaut waren, lässt sich nicht sicher rekonstruieren. Vgl. Budig: Formen der Ausstellung, S. 101. 417 Vgl. Hd. H.: „Gläsernes Pferd“ – ein Wunderwerk. Bedeutsame Ausstellung zu den Festwo­ chen des Deutschen Hygiene­Museums Dresden, in: Neues Deutschland, 24.6.1956, S. 9. 418 Anonym: Dresdner Gemäldegalerie eröffnet. Höhepunkt der Feierlichkeiten zur 750­Jahr­ Feier der Elbestadt, in: Neue Zeit, 5.6.1956, S. 1.

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„Gläserne Figuren“ und das brandneue „Gläserne Pferd“.419 In der Festschrift zum Stadtjubiläum rückte Friedeberger die „Gläsernen Menschen“ in den Vorder­ grund seines erinnerungspolitischen Beitrags. Nun ließ er auch den Museums­ gründer und Odol­Fabrikanten, Karl August Lingner, als gewichtigen Akteur der Dresdner Stadtgeschichte nicht aus.420 Ließe sich die Thematisierung Lingners als Eingeständnis an lokale Erin­ nerungen verstehen, wurde Friedeberger 1959, nunmehr zum stellvertretenden Gesundheitsminister befördert, staatsübergreifend noch deutlicher: Die „[h]istorische Wahrheit [fordere, C.S.], Lingner an vorderster Stelle zu nennen, wenn von der Geschichte des Deutschen Hygiene­Museums gesprochen wird. Er war der Erste, der für die medizinische Volksaufklärung mit Mut und persönlichem Einsatz gekämpft hat.“421

Lingners Bedeutung zeige sich, so Friedeberger weiter, in der „Keimzelle“ des Museums, Lingners Sonderschau Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung auf der Deutschen Städte-Ausstellung in Dresden und im Erfolg der I. IHA 1911.422 Lingner wurde nun auch in dieser Darstellung zum Spiritus Rector der hygienischen Volksbelehrung. Doch Seiring, im Mythos des Hygiene­Museums zu Lingners Sachwalter erhöht, fehlte – genauso wie der gesamte Zeitraum zwischen Lingners Tod und der sozialistischen Umgestaltung des Museums. Die Zeit zwischen 1916 und 1946 sei nämlich durch ein entscheidendes Defizit gekennzeichnet gewesen. Die herrschende Klasse habe das Bildungsprivileg auf ihren Kreis […] zu beschränken verstanden. […] Erst der Staat der Arbeiter und Bauern hat alles getan und gefördert, was den Menschen Aufklärung und Belehrung über ihren Körper, seine Organe und deren Funktionen, über Krankheitsursa­ chen und vor allem über eine wirkungsvolle Prophylaxe vermittelt.423

419 „Gläserne” Nutztiere zu entwickeln, war vonseiten des Ministeriums für Arbeit und Gesund­ heit bereits 1950 angeregt worden (Vogel: The Transparent Man, 1999, S. 54). Mit Sickels Demissi­ on und durch praktische Probleme bei der Abformung und Zusammenarbeit mit Veterinärmedi­ zinern lag dieser Plan die nächsten Jahre jedoch auf Eis. Vgl. hierzu: Sickel an Zetkin 20.11.1950, in: BArch, DQ 1/1622; Damme an Friedeberger, 1.1.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1, 1954–1958, unpag. 420 Vgl. zu Marcussons Biografie, damals Leiter der Hauptabteilung Heilwesen im Ministerium für Gesundheitswesen und Stellvertretender Minister: Art. Erwin Marcusson, in: Schagen/Schleiermacher: 100 Jahre Sozialhygiene. 421 Friedeberger, Walter: Gläserne Menschen, in: Rat der Stadt Dresden/Kempe, Lothar (Hrsg.): Festschrift Dresden zur 750­Jahr­Feier der Stadt. 1206–1956, Dresden 1956, S. 93–95, S. 93. 422 Ebd., S. 93 f. Vgl. zur Schau von 1903: Nikolow/Brecht: Displaying the Invisible. 423 Friedeberger: Gläserne Menschen, S. 93.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

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Die DDR habe nicht nur die Bildungsprivilegierung abgeschafft, sondern auch den Charakter des Deutschen Hygiene­Museums als kapitalistisches Unternehmen besonderer Prägung; es hat mit dem Wiederaufbau einen neuen, sauberen Inhalt und Aufgabenkreis bekommen. Es gibt jetzt keine Verpflichtungen gegenüber irgendwelchen pharmazeutischen und kosmetischen Betrieben mehr, es gibt keine Abhängigkeit gegenüber Nährmittelfabriken, Brauereien oder sonstwie ‚Unterstüt­ zenden‘ Industrien. Das Deutsche Hygiene­Museum ist Eigentum des Volkes, es kennt keine Profitinteressen und ­rücksichten, sein Wirken wird allein von dem Streben geleitet, dem Volke, seinem Wohle und seiner Gesundheit zu dienen.424

Damit waren die zentralen Topoi des sozialistischen Gesundheitswesens auf das DHM hin spezifiziert: Nunmehr galt dieses nicht mehr als kommerziell abhän­ gige Organisation, sondern erstmalig wirklich als eine Bildungseinrichtung für alle – realisiert durch die „Initiative der Arbeiter und Angestellten […], die sich ihren Arbeitsplatz wieder schaffen wollten […] und mit Unterstützung der dama­ ligen Sowjetischen Militäradministration und zentraler Hilfe.“425 So komme es, dass das Museum seine alte Aufgabenstellung auf einem ganz anderen Niveau betreibe. Weniger als bloßes Museum, sondern vielmehr als Zentralinstitut für medizinische Aufklärung verwirkliche es die prophylaktische Grundorientie­ rung des Gesundheitswesens und sorge für alle, gleichbedeutend mit wahrer Emanzipation.426 Zum Ende der 1950er Jahre – als das SED­Regime sich mit einer neuen Staats­ flagge und dem Übergang zum sowjetischen Siebenjahresplan ein Image der Selbständigkeit gab, die Partei Gebote einer mutmaßlich spezifisch sozialisti­ schen – aber eher auf Sekundärtugenden aufbauenden kleinbürgerlichen – Moral verkündet hatte, und den Anspruch erhob, die Bundesrepublik in der Konsumgü­ terproduktion nicht nur einzuholen, sondern zu übertrumpfen – durfte Lingner bei der historischen Legitimation des sozialistischen Zukunftsversprechens durchaus genannt werden. Seine Defizite mussten aber genauso betont werden, wie die Zeit unter Seiring mitsamt seiner Person ausgespart blieb. Lingner galt dann als der Begründer einer richtungsweisenden hygienischen Volksbelehrung, dessen progressive Tradition in der DDR nicht nur fortgeführt, sondern dessen Ansprüche und Ziele erst umfassend verwirklicht wurden. So überrascht es auch nicht, dass das Museumsgebäude durch die gesamten 40 sozialistischen Jahre

424 Ders.: Zehn Jahre Deutsches Hygiene­Museum, in: Das Deutsche Gesundheitswesen 14/ 1959, S. 1833–1837, S. 1833. 425 Ders.: Gläserne Menschen, S. 95. 426 Vgl. ebd., S. 93; Ders.: Zehn Jahre Deutsches Hygiene­Museum, S. 1833.

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hindurch an einem Platz stand, der Lingners Namen trug und darüber hinaus über eine „Lingnerallee“ von Norden aus erreichbar war.427

Das Deutsche Hygiene-Museum im Sozialismus: Das Gedenkjahr 1961 Die lokale Erinnerung an Lingner und seine Großausstellungen war seit Mitte der 1950er Jahre präsent. Sie wurde vom Hygiene­Museum genutzt, umgedeutet und dadurch am Leben gehalten. Das Museum inszenierte diese Geschichte, es machte sie sichtbar und variierte sie. Es schrieb damit weiter am Mythos Dresden und an seinem eigenen. Der vorläufige Schlusspunkt sollte sich mit der Nationalen Hygiene-Ausstellung (NHA) und ihrer Begleitpublizistik finden, als das Museum zwischen dem 1. Juni und dem 31. August 1961 sein 50­jähriges Jubiläum feierte. Das Amalgamieren von Tradition und Politisierung des Museums, seiner Arbeit und seiner Geschichte zur Legitimation und zur eigenen Relevanzgewin­ nung erreichte hier seinen Höhepunkt. Sogar das Politbüro des Zentralkomitees der SED beschäftigte sich mit der Ausstellung und Walter Ulbricht schickte zur Eröffnung Grußworte.428 Die Jubiläumsveranstaltung von 1961 wies über den Kontext der lokalen Dresd­ ner Erinnerungskultur weit hinaus. So steckte im Titel der Nationalen HygieneAusstellung der Anspruch auf eine „nationale“ Reichweite, was über zehn Jahre vor dem Diktum der zwei Nationen, zwei Staaten und einer Nationalität prinzi­ piell eine gesamtdeutsche oder eine auf die DDR begrenzte bedeuten konnte. Die Ausstellung ließ dies auch offen, implizierte aber durch die Präsentation von Staatsflaggen mit dem Emblem der DDR in der Zeit des Mauerbaus – als die Option eines neutralen oder sozialistischen Gesamtdeutschlands sich offenkundig end­ gültig zerschlagen hatte – das Verständnis einer sozialistischen Staatsnation.429 Doch eigentlich hatten die Mitarbeiter*innen und Verantwortlichen des Museums die Ausstellung nicht als „nationale“ intendiert. Internationaler Besuch sollte die Relevanz der Ausstellung erhöhen. Aber einen internationalen Stellenwert erreichte die Exposition von 1961 nicht. Angesichts der internationalen Isolierung

427 Vgl. Kregelin, Karlheinz/Starke, Holger/Stadtmuseum Dresden (Hrsg.): Dresden. Das Namen­ buch der Straßen und Plätze im 26er Ring, Halle (Saale) 1993, S. 9. 428 Vgl. Beschluss des Politbüros über die Bildung eines Festkomitees für die Eröffnungsfeier der NHA in Dresden am 18.4.1961, in: BArch SAPMO, DY 30/J IV 2/2/760, 1961, unpag.; Ulbricht, Walter: Grußadresse des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, in: Alles für Deine Gesundheit 6/1961, S. 1. 429 Vgl.  Deutsches Hygiene-Museum Dresden (Hrsg.): Nationale Hygiene­Ausstellung Dresden 1. Juni bis 31. August 1961, o. O. 1961, Titelseite.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

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der DDR kann es kaum überraschen, dass keine internationalen Zuträger und Mit­ aussteller gewonnen und nur wenige internationale Gäste angezogen wurden.430 Geschichtspolitisch besaß der nationale Anspruch der Ausstellung damit durch­ aus das Potenzial, für das Museum kontraproduktiv zu wirken. Wer sich an die Internationalen Hygiene­Ausstellungen des Museums von 1911 und 1930/1931 erinnerte, dem musste ein Defizit (im Vergleich mit den internationalen Ausstel­ lungen damals) an der nationalen Ausstellung aus dem Jahr 1961 auffallen. Erste Planungen für eine Gedenkveranstaltung zum 50. Geburtstag der I. IHA fanden bereits 1954 statt: Bis 1961 mussten neue „attraktive Modelle“ entwickelt werden und die bislang peu à peu eröffneten Ausstellungsteile nicht nur zu einem gemeinsamen Zeitpunkt erneuert, sondern diese auch in einer Narration zusammengeführt werden, um somit eine kohärente Dauer­ beziehungsweise Hausausstellung zu schaffen.431 Wie bei den Großexpositionen von 1911 und 1930 (sowie der 1951 in Köln) sollten zusätzliche Aussteller das Spektrum der Expo­ sition erweitern.432 Angedacht war, dass verschiedene Produktionsbetriebe und Massenorganisationen der Sozialfürsorge Kongresse und eigene Teilschauen organisierten und ein populärwissenschaftliches Rahmenprogramm anboten. Im Juli 1960 berichtete die Neue Zeit über die bevorstehende „große, natio­ nale Hygiene­Ausstellung in Dresden.“433 In der Rubrik „Gesundheitsschutz  – Dienst am Leben“ wurde die Erzählung vom Beitrag des Gesundheitswesens zur Entwicklung des Sozialismus mit der Tradition der hygienischen Volks­ belehrung verwoben: Gegen die Widerstände der wirtschaftlich abhängigen Ärzteschaft habe Lingner auf der Suche nach „einem großen Geschäft für sein Odol­Mundwasser“ die Ausstellung zum gesundheitlichen Wohl der Bevölkerung organisiert. Daraus sei 1930 das Hygiene­Museum als Institut mit Gebäude her­ vorgegangen. Nach der „sinnlosen Zerstörung Dresdens“ habe mit der Unterstüt­ zung durch „dem Museum treu gebliebene ‚Museaner‘“ schließlich die „Einsatz­ freude über das Chaos“ gesiegt. Aus diesem sei ein Deutsches Hygiene­Museum in der DDR hervorgegangen – noch besser, noch größer, noch fürsorgender und noch moderner.434 Das Deutsche Hygiene­Museum in der DDR stand nunmehr

430 Vgl. ebd.; Budig: Formen der Ausstellung, S. 51. 431 Vgl.  Protokoll der Parteileitungssitzung des Deutschen Hygiene­Museum Dresden vom 19.5.1954, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 432 Vgl. Schrödel, Gottfried: Nationale Hygiene­Ausstellung 1961, in: Alles für Deine Gesundheit 6/1961, S. 1–2, S. 2. 433 K. P.: Vom Mundwasser zum Gläsernen Pferd. Seit 30 Jahren steht das Dresdner Hygiene­ Museum im Dienst der Volksgesundheit, in: Neue Zeit, 23.7.1960, S. 3. 434 Zitate in: ebd.

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explizit in einer progressiven Linie deutscher Geschichte, die in Lingner persona­ lisiert, in der hygienischen Volksbelehrung konzeptualisiert und im Museumsge­ bäude materialisiert sei: Bereits dem Gründer Karl August Lingner, dessen Namen der Platz vor dem Institut trägt, schwebte der Plan vor, ein Museum neuer Art zu errichten, ein Volksbildungsinstitut auf dem Gebiete der Hygiene. Heute erfüllt die Stadt Dresden das Vermächtnis dieses Mannes.435

Lingner durfte zwar als Gründer, Ideengeber oder Vorläufer firmieren, aber der Faschismus und die sozialistische Umgestaltung von Politik und Gesellschaft mussten als entscheidende Pfeiler der hygienischen Volksbelehrung in den Vordergrund gerückt werden. Ob in den Sächsischen Heimatblättern, in DDR in Wort und Bild, in dem Gesundheitsmagazin Deine Gesundheit, in der eigens seit 1956 vom Museum herausgegebenen Zeitung Alles für deine Gesundheit, im Neuen Deutschland, in der Berliner Zeitung, in der Neuen Zeit oder in der Jubilä­ umsbroschüre 50 Jahre Deutsches Hygiene-Museum Dresden – überall wurde die Argumentation wiederholt, dass das Hygiene­Museum von Lingner zwar initiiert worden war, dieser Ansatz aber erst in der DDR sich voll entfalten könne.436 Für einen solchen Gleichklang der Narration sorgte die enge Absprache zwischen dem Redaktionskollegium des DHM, der Abteilung Wissenschaft im Ministerium und dem nunmehr zum Stellvertretenden Minister für Gesundheitswesen beför­ derten Friedeberger.437 Im Erinnerungskompromiss von 1961 wurden Lingner und seine Leis­ tung honoriert, aber auch relativiert. Lingner „griff die richtigen Gedanken der Hygiene auf und führte sie konsequent – das sei ihm hoch angerechnet – bis zur Durchführung der Internationalen Hygiene­Ausstellung und zur Grün­ dung des Hygiene­Museums durch.“438 Doch diese „richtigen Erkenntnisse

435 Ebd. 436 Vgl.  bspw. Schrödel: Nationale Hygiene­Ausstellung; Ulbricht: Grußadresse; Anonym: Im Mittelpunkt steht der Mensch. Sonderbeilage zur Eröffnung der Nationalen Hygiene­Ausstellung, in: Alles für Deine Gesundheit, 1961, S. 7–9; Hj. P.: Testfragen an den Besucher. Gang durch die Nationale Hygiene­Ausstellung in Dresden, in: Neue Zeit, 25.6.1961,  S.  3; Deutsches HygieneMuseum Dresden (Hrsg.): 50 Jahre Deutsches Hygiene­Museum Dresden. Zentralinstitut für me­ dizinische Aufklärung der Deutschen Demokratischen Republik, Dresden 1962, und zur weiteren Berichterstattung (bspw. in der Nationalzeitung oder in Die Union) die Zeitungsausschnittsamm­ lung zur Ausstellung: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Z/13, 1961. 437 Vgl.  Bildung eines Redaktionskollegiums, 6.6.1961; Zensurwege der Broschüre 50 Jahre DHM, in: BArch, DQ 1/5225, 1961–1963, unpag. 438 Kunkel, Otto: 50 Jahre Deutsches Hygiene­Museum Dresden, in: Sächsische Heimatblätter 7/1961, S. 244–248, S. 245.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

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Lingners kamen nicht von ungefähr!“439 „So verdienstvoll dieses Unterfangen des Dresdner Industriellen Karl August Lingner auch war, so sehr war er doch Kind seiner Epoche.“440 Bourgeoise Ausbeuter brauchten, so die Argumentati­ onslinie, eben Arbeiter, deren Arbeitskraft auszubeuten war. Als solcher wurde „Odol­Lingner“441 eingeordnet, der als Investor das Interesse verfolgte, aus der „Vermittlung primitivster gesundheitlicher Kenntnisse“442 Gewinn zu schöpfen. Eine moralisch integre Form der Gesundheitsfürsorge war mit den kommerziel­ len Tätigkeiten einer hygienischen Volksbelehrung und ihres sich weitgehend selbst finanzierenden Museums unvereinbar. Auf der einen Seite stand Lingners Initiative, auf der anderen seine bourgeoise Klassenposition, das Streben nach Gewinn. Pejorativ konnotierte Bezeichnungen wie „Odol­Lingner“ transportier­ ten diese Widersprüchlichkeit selbst im Lob Lingners. Entsprechend des nur bedingt als Monument brauchbaren Lingners wurde seine Rolle an der Institutionalisierung der hygienischen Volksbelehrung ein­ geschränkt: Die neuen methodischen Wege des Pavillons Der Mensch der I. IHA 1911 – „eine anschauliche, plastische Darstellungsweise und das Experiment“443 – seien weniger auf Lingner zurückzuführen als auf das Drängen des Stadtrates.444 Die I. IHA von 1911 sei darüber hinaus voller Schwächen gewesen. Als „Vergnü­ gungsplatz“ und mit den Präsentationen der Brauerei­Union und der Darstellung des „Bremer Bordells“ habe die Ausstellung ihrem hehren Ziel widersprochen, die Volksgesundheit zu verbessern.445 „Wichtige Bestandteile des gesamten hy­ gienischen Bildes oder eine allseitige Beurteilung der Sozialversicherung“446 hätten gefehlt. 1961 hielten die Verantwortlichen dem Museumsgründer Unter­ haltung, Vergnügen, kommerzielle Interessen, das Unterschlagen historischer Vorläufer und das Behandeln von Epiphänomenen vor.447 Lingner habe zwar die „Methodik und Systematik […] bedeutend verbessert“, aber „keinen Augenblick

439 Ebd., S. 245. 440 Weisig, Dieter: Zum Wohle der Menschheit. 50 Jahre Deutsches Hygiene­Museum, in: Ber­ liner Zeitung, 11.6.1961, S. 12. 441 Schrödel, Gottfried: Die gläserne Eva. Zum 50. Jahrestag des Deutschen Hygiene­Museums, Dresden, in: Neues Deutschland, 5.5.1961, S. 11. 442 Kunkel: 50 Jahre, S. 245. 443 Schrödel: Die gläserne Eva. 444 Vgl. ebd. und zur Ereignisgeschichte: Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern, S. 40–57. 445 Vgl. Schrödel: Die gläserne Eva. 446 Beides in: Kunkel: 50 Jahre, S. 246. 447 Der Sozialhygieniker der ersten Generation, Alfons Fischer (1873–1936), diente dabei als po­ sitive Referenz. Zur Biografie Fischers: Art. „Alfons Fischer“, in: Schagen/Schleiermacher: 100 Jahre Sozialhygiene.

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daran gedacht, an der Wurzel der sozialen Not des Volkes, der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu rütteln.“448 Er und sein namentlich genannter Getreuer Seiring hätten es nicht verstanden, dass die wirkliche Gesunderhaltung der Werktätigen sich nicht anders herbeiführen läßt als auf der Grundlage weitgehender und tiefgreifender sozialer Maßnahmen, die ein hohes Lebens­ niveau der Werktätigen gewährleisten, und auf der Grundlage der Kulturrevolution, die eine Neugestaltung der Lebensform im Gefolge hat.449

Als Referenzpunkt einer dermaßen konsequenten Gesundheitsaufklärung wurden nicht Lingner und seine Ausstellungen gewählt, sondern der Sowjeti­ sche Pavillon der II. IHA von 1930.450 Lingner und die I. IHA 1911 hätten kein Wort über die Ursachen des Volkselends (Kapitalismus) verloren – „das blieb dem sowjetischen Pavillon […] vorbehalten.“451 Erst durch diesen Beitrag des „Großen Bruders“ und dessen freundschaftlicher Unterstützung sei erreicht worden, daß […] heute im ersten Arbeiter­ und Bauernstaat auf deutschem Boden das Deutsche Hygiene­Museum Dresden als das Zentralinstitut für medizinische Aufklärung in der Deut­ schen Demokratischen Republik seiner wirklichen Bestimmung voll gerecht werden kann. Basis und Vorbedingung […] ist der sozialistische Staat.452

En passant wurde erwähnt, dass der „Gläserne Mann“ 1930 erstmalig gezeigt wurde. Dieses Schlüsselexponat geriet damit in eine Assoziation mit der nun gegenüber der I.  IHA stärker und positiver konnotierten II.  IHA.453 Das dem Museum zeitlich, räumlich und dinglich Genuine – die „Gläsernen Menschen“ als Symbole der hygienischen Volksbelehrung – blieben dem DHM damit trotz der Umbewertung der beiden Ausstellungen erhalten. Das trieb selbstverständlich die Ikonisierung dieser Figuren voran, worauf auch die Pressefotografien aus der

448 Päßler, Günther: Die Geschichte des Deutschen Hygiene­Museums Dresden bis 1945, in: Deutsches Hygiene­Museum Dresden (Hrsg.): 50 Jahre Deutsches Hygiene­Museum Dresden. Zentralinstitut für medizinische Aufklärung der Deutschen Demokratischen Republik, Dresden 1962, S. 4–13, S. 7. 449 Kunkel: 50 Jahre, S. 246. 450 Vgl. Päßler: Geschichte des DHM, S. 12. 451 Weisig: Zum Wohle der Menschheit. 452 Sefrin, Max: Erziehung zu gesunden Lebensgewohnheiten ist eine gesellschaftliche Aufga­ be, in: Alles für Deine Gesundheit, 1961,  S.  1–2,  S.  2. Zur Betonung des sowjetischen Beitrags siehe: Schrödel: Die gläserne Eva. 453 Vgl.  Einert, Elke: Vom Gläsernen Menschen zum sozialistischen Gesundheitswesen. Zum 50. Jahrestag des Deutschen Hygiene­Museums Dresden, in: DDR in Wort und Bild. Journal aus der Deutschen Demokratischen Republik 10/1961, S. 12–14, S. 13.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

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NHA 1961 abzielten (vgl. bspw. Abb. 23). Dabei griff die Haltung der Versenkung ins Objekt alte Ansprüche von der besonderen Bildungskraft musealer Wissens­ objekte auf. Wechselwirkend sollten das Museum und sein „achtes Weltwun­ der“454 voneinander profitieren.

Abb. 23: Die „Gläserne Frau“, inszeniert auf der NHA, 1961.

Mit dieser Narration der Realisierung einer progressiven Ausrichtung der hygie­ nischen Volksbelehrung erst durch den sowjetischen Pavillon, der die sozialen Bedingungen von Krankheit und Gesundheit thematisierte, ließ sich auch das

454 Weisig: Zum Wohle der Menschheit und als „Dresdner Weltwunder“ bezeichnet in: Anonym: Dresdner Weltwunder, in: Neues Deutschland, 5.5.1961, S. 11.

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Überleben des Museums im Nationalsozialismus erklären – eine Geschichte des antifaschistischen Widerstandes ausgehend vom Museum wurde als Kehrseite aber unmöglich. Aufgrund der Klassenposition Seirings und seiner hygienischen Volksbelehrung sei er mit seinem Museum „Anfang 1933 mit fliegenden Fahnen zu Hitler übergegangen.“455 Der Faschismus fand „in diesem Haus ein ideologi­ sches Nest seiner Rassedünkelgedanken.“456 Dies war das Credo, das in keinem der Artikel fehlen durfte: „Nur die sozi­ alistische Gesellschaftsordnung, in der die Sorge um den Menschen oberstes Gebot der Gesellschaft ist, [kann, C.S.] einen umfassenden Gesundheitsschutz entwickeln.“457 Das Museum nahm seinen Platz in der sich paternalistisch um die Gesundheit jedes einzelnen Bürgers sorgenden Diktatur ein: Nur in einem sozialistischen Gesundheitswesen stehe der Mensch im Mittelpunkt; nur in ihm sei mit dem konzeptionellen Beitrag der Sowjetunion 1930 und der sorgenden Hand der SMAD 1945 bis 1949 Lingners Erbe in diesem Sinne weiterentwickelt, seine humanistischen Ziele umgesetzt worden.458 Und auch die „tausend west­ deutschen Besucher“459 würden belegen, dass das Museum und der sozialisti­ sche Staat zusammen für das moralisch bessere Deutschland, für die bessere Tradition standen. Das bessere Deutschland sei darüber hinaus von einer besonderen Beziehung zwischen Staat und Bürger*in gekennzeichnet: Kollektive Kooperation getragen von der Fürsorge des Staates einerseits und von einem „neuen Menschen“, beseelt vom „neuen Geist“ des „wahren Humanismus“, andererseits.460 Als „Schule der Gesundheitserziehung und der gesunden Lebensführung“461 hatte in diesem Ver­ ständnis von „im Mittelpunkt steht der Mensch“ das Museum einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Interessen und moralischen Vorstellungen von Individuum und Staat in eins fielen. Zur Formung des neuen Menschen, der sich als Teil einer DDR­Gemeinschaft begriff, sollte das Museum nicht durch eine „gewisserma­ ßen unverbindliche Aufklärung“ beitragen, sondern durch eine „zielgerichtete Erziehung“ zu gesundheitsfördernden und ­bewahrenden Lebensgewohnhei­ ten aller.462 Das Museum hatte zu Beginn der 60er Jahre damit ein moralisches

455 Kunkel: 50 Jahre, S. 246. 456 Schrödel: Die gläserne Eva, und zur Selbstgleichschaltung des Museums: Kap. 2.2. 457 Einert: Vom Gläsernen Menschen, S. 13. 458 Vgl. Schrödel: Die gläserne Eva; Hj. P.: Testfragen an den Besucher; Kunkel: 50 Jahre, S. 247. 459 Einert: Vom Gläsernen Menschen, S. 14. 460 Kunkel: 50 Jahre, S. 247. 461 Einert: Vom Gläsernen Menschen, S. 13; gleichlautend: Sefrin: Erziehung zu gesunden Le­ bensgewohnheiten, S. 2. 462 Alle Zitate in: Schrödel: Nationale Hygiene­Ausstellung, S. 1.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

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Individuum im Kollektiv mitzuformen, welches den „Übergang vom Ich zum Wir“463 gleichermaßen trug wie bezeugte. Für die Verantwortlichen im Museum und im Ministerium stand die Erzie­ hung zu gesunden Lebensgewohnheiten und die Propaganda für den Gesund­ heitsschutz im Zentrum der „Leistungsschau des sozialistischen Gesundheitswe­ sens.“464 Es war von vornherein klar, daß diese Ausstellung unter die neuen gesellschaftlichen Aspekte gestellt und von allen gesundheitspolitischen Mängeln freigehalten werden mußte, die den Ausstellungen von 1911 und 1930 angehaftet hatten. Der Schwerpunkt lag […] daher auf dem, was nach 1945 bei uns auf dem Gebiete des Sozial­ und Gesundheitswesens entstanden ist.465

Dafür wurde 1961 jeder der vorhandenen 15 Räume bespielt und den zwei Stock­ werken des Dresdner Museumsgebäudes entsprechend in zwei Kapitel unterteilt, die in einem vorgegebenen Rundgang durchschritten werden sollten, wie die Begleitbroschüre nachdrücklich nahelegte. Von der Geschichte des Öffentlichen Gesundheitswesens wurden die Besucher*innen über die Darstellung des sozi­ alistischen Gesundheitswesens, der Betreuung des arbeitenden, kranken, rural lebenden und alten Menschen, der sozialistischen Wohnkultur, der medizini­ schen Forschungslandschaft sowie der Geschichte des Museums in das Oberge­ schoss geführt. Dort erwarteten sie die „klassischen“ Themen des Museums. Auf die Abteilungen zur Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers folgten solche der Hygiene – im Sinne der Gesunderhaltung – speziell des Kindes, zur Ernährung, zum „Genußmittelmißbrauch“, sowie zur Sexualbiologie und ­erzie­ hung. Den Abschluss des Rundgangs markierten die kleine Schauausstellung der eigenen Lehrmittelproduktion sowie die „Gläserne Frau“ (vgl. Abb. 24 und 25).466 Darüber hinaus präsentierten in den Sälen und Nischen des Museums diverse Fremdaussteller der Industrie und der Massenorganisationen die „Breite“ und die Fortschrittlichkeit der gesellschaftlichen Bemühungen um die Gesundheit des Volkes.467 Außerhalb des Museums wurden im Fahrbaren Pavillon internatio­ nale Plakate der Gesundheitserziehung gezeigt.468

463 Päßler, Günther: Für den Sieg des Lebens!, in: Alles für Deine Gesundheit, 1961,  S.  1. Vgl. ebenso: Deutsches Hygiene-Museum Dresden: Nationale Hygiene­Ausstellung Dresden, S. 4. 464 Bericht über die NHA 1961, o. D., in: BArch, DQ 1/5225, hier S. 2. 465 Ebd., S 1 (Unterstreichung im Original). 466 Vgl.  Deutsches Hygiene-Museum Dresden: Nationale Hygiene­Ausstellung Dresden, Um­ schlagseiten. 467 Vgl. Schrödel: Nationale Hygiene­Ausstellung, S. 2. 468 Vgl. Bericht über die NHA 1961, in: BArch, DQ 1/5225, hier S. 2.

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Abb. 24 und 25: Rundgang durch die Nationale Hygiene-Ausstellung 1961.

2.3 Das DHM zwischen Tradition und Geschichtspolitik 

Abb. 24 und 25 (fortgesetzt)

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 Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen überführen

In der breiten Öffentlichkeit wurde diese Zweiteilung in Propaganda und Aufklärung als aus einem Guss dargestellt: „Was unten im Großen, in einer sozi­ alhygienischen Überschau, zu sehen war, wird hier vertieft, spezialisiert und vom Individuum aus gestaltet.“ Wie auch schon Lingner benutzte der Sozialhygieni­ ker Gottfried Schrödel, der 1960 vom, von Rudolf Neubert geleiteten, Institut für Sozialhygiene in Jena Friedeberger an die Spitze des Hygiene­Museums nachge­ folgt war, 1961 die Metapher des Lehrbuchs: die obere Mensch­Ausstellung sei ein „plastisches Lehrbuch für die gesunde Lebensführung.“469 Doch ganz so harmonisch wurde diese Zweiteilung der Ausstellung im Museums nicht interpretiert. Denn die eigenen Mitarbeiter*innen hatten nur den hygienischen zweiten Teil im Obergeschoss des Museums selbst gestalten dürfen. Das gesamte untere Stockwerk musste man dem SED­Parteibetrieb Deut­ sche Werbe­ und Anzeigengesellschaft (DEWAG) überlassen, was man scharf und unmissverständlich kritisierte. Der Grund dafür war, dass die Verantwortlichen im Ministerium für Gesundheitswesen die Planungen des DHM zur Exposition Anfang 1960 komplett verworfen und die Teile der Propaganda dem Parteibe­ trieb überantwortet hatten.470 Eine als Populärwissenschaft wahrgenommene Gesundheitsaufklärung stellte offenbar andere Anforderungen als die Gesund­ heitspropaganda. Und gerade bei Letzterem schien man im Ministerium den Museumsmitarbeiter*innen nicht so ganz zu vertrauen. 1961 wiederholte sich damit eine Aufteilung, die 1959 ausprobiert worden war. So hatte die DEWAG schon auf der Jubiläumsausstellung zum 10­jährigen Geburtstag der DDR (10 Jahre DDR) 1959 im Museum für Deutsche Geschichte die Gestaltung der propagandistisch wichtigen Teile übernommen. Mit raum­ füllenden Fotografien und Darstellungsgütern arbeitend vermittelte die visuelle Inszenierung der DEWAG eine einfache Botschaft – dass unter der Führung der Partei sich ein stabiler und prosperierender deutscher Staat entwickelt habe, dessen Legitimität sich nicht nur aus dem historischen Materialismus, sondern auch aus dem spürbaren Wohlstand herleiten ließe.471 Als Beleg dafür konnten die Besucher*innen im Restaurant „Zur Mondrakete“ den Weltraum sinnlich erobern, zum Beispiel durch den Genuss einer „Mondrakete“, einem Cocktail aus Gin, Cherry, Vermouth und Kirsche, oder einer „Mondlandung“, einer Mischung

469 Zitate in: Schrödel: Nationale Hygiene­Ausstellung, S. 2. 470 Bericht über die NHA 1961, in: BArch, DQ 1/5225, hier S. 2. 471 Vgl.  Vorsteher, Dieter: »Ich bin 10 Jahre«. Die Ausstellung im Museum für Deutsche Ge­ schichte anlässlich des Zehnten Jahrestages in der DDR, in: Gibas, Monika/Gries, Rainer/Jakoby, Barbara/Müller, Doris (Hrsg.): Wiedergeburten. Zur Geschichte der runden Jahrestage der DDR, Leipzig 1999, S. 135–146; zur DEWAG knapp: Klotz: Politisches Plakat der SBZ/DDR, S. 24–30.

2.4 Zusammenfassung – Vom Mythos Deutsches Hygiene-Museum 

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aus Rum, Vanille und Soda.472 Neben den Cocktails zog zudem ein Vortrag aus dem Begleitprogramm die Besucher in den Bann, welcher die Wege aufzuzeigen versprach, wie ein hundertjähriges Leben erreichbar sei – gleichlautend mit dem Titel einer Ausstellung, die das Hygiene­Museum seit 1957 touren ließ.473 Das Hygiene­Museum war hier als Beiträger der unterhaltsamen Momente gebucht – mit plakativen, verheißungsvollen Versprechungen und spielerisch zu bedienen­ den Selbsttestapparaten.

2.4 Zusammenfassung – Vom Mythos Deutsches Hygiene-Museum Im Kern der hygienischen Volksbelehrung stand seit dem Anfang des 20. Jahrhun­ derts die Überzeugung, mit anschaulich gemachtem und wissenschaftlich zerti­ fiziertem biologischem und hygienischem Wissen die Entwicklung der Hygiene und die Hygienisierung der Gesellschaft voranzutreiben. Diese Praxis der öffent­ lichen Kommunikation etablierte sich als Übersetzungsinstanz für Wissenschaft und Gesundheitspolitik und produzierte damit als solche hygienische Benen­ nungsmacht mit – zunehmend darin eine eigene Expertise gewinnend. Zwischen Gesundheitspolitik und Wissenschaft einerseits und zwischen Bildung und auch kommerziell orientierter Unterhaltung andererseits fand sie ihre Institutionalisie­ rung im Dresdner Hygiene­Museum, das bereits in den 1920er Jahren mythisiert worden war. Und genau auf diese Traditionsbildung nahmen die Vertreter des Hygiene­Museums in der DDR und die des Gesundheits­Museums in der Bundesre­ publik in den 1950er Jahren Bezug. Seiring schrieb dabei sein neues Kölner Museum rasch und explizit in die eigene Legendenbildung der treuen Verwaltung und konstruktiven Fortent­ wicklung des Erbes Lingners ein. Er versuchte damit, die Bekanntheit und das Prestige des Dresdner Museums auf das Kölner Projekt zu übertragen, um ein Entwicklungsmodell für ein Museum der hygienischen Volksaufklärung zu rea­ lisieren, das er selbst erlebt, erfahren und entworfen hatte. Es ist unverkennbar, dass dabei die Anrufung der vermeintlich apolitischen und gemeinnützigen

472 Vgl. Vorsteher: 10 Jahre, S. 145. 473 Vgl. zur Ausstellung Wie werde ich 100 Jahre alt?: Anonym: Man kann 160 Jahre alt werden. Neandertaler kam durchschnittlich nur auf zehn Lebensjahre, in: Neue Zeit, 10.3.1957, S. 8, und zu den Quellen der 100­Jahres­Metaphorik: Lickint, Fritz: Der „Goldene Schnitt“ eines 100jäh­ rigen Lebens. (Betrachtungen über das Ziel einer zukünftigen ärztlichen Prophylaxe), in: Zeit­ schrift für prophylaktische Medizin 1/1956, S. 166–168. Zu Lickint vgl. Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung, S. 259.

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Begründung des Museums dessen Wirken als Popularisator essenzialistischer und in Gewalt und Verbrechen mündender Gemeinschaftsphantasmen des Nationalsozialismus überwinden und die Geschicke des Hygiene­Museums in dieser Zeit beschweigend invisibilisieren sollte. Die Einklammerung des Natio­ nalsozialismus und die nahezu parasitäre Reputationsübertragung harmonier­ ten mit einem Geschichtsbild, das die Brüche auf 1933 und 1945/1949 datierte und diese Einschnitte als doppelten Verlust wertete. Zuerst war Seiring von den Nationalsozialisten entmachtet worden, wodurch Lingners Erbe verloren ging. Durch den Krieg war schließlich noch die materielle Grundlage zerstört worden, zuerst durch Bomben und dann durch die Aneignung durch den SED­Staat. Gerade durch Letzteres, so wurde zugespitzt, war das Hygiene­Museum vernich­ tet worden, das Deutsche Gesundheits­Museum sollte an seine Stelle treten. Das neue Deutsche Gesundheits­Museum hatte die gemeinnützige Arbeit des verlo­ renen Hygiene­Museums fortzusetzen, die sich einfügte in die Aufbauarbeit der Weltgemeinschaft, konkret aber in die des Westens. An den neuen Leitraum USA tasteten sich Seiring und die Träger des Museums vorsichtig heran und verbanden die neue Orientierung, die Bauer, Emerson und Gebhardt personifizierten beziehungsweise vorgaben, mit der alten Praktik der hygienischen Volksbelehrung und ihren konzeptionellen, medialen und orga­ nisationalen Leitbildern. Traditionell war diese Orientierung der Arbeit bis in die Objekte hinein, solange sie als reine, unpolitische Transportvehikel eines Körperwissens beschrieben und angesehen werden konnten. Doch unpolitisch war die hygienische Volksbelehrung nie, was sich nicht nur an der Arbeit an der Geschichte zeigte, die sich bis auf solche Objekte wie den „Gläsernen Giganten“ erstreckte. Auch das konservativ orientierte und nach Integrationskraft suchende Gemeinschaftsbild, das das Gesundheits­Museum in der Großausstellung Ein Ja dem Leben popularisierte, zeugt von der gesellschaftlichen Selbstversicherung, die in der hygienischen Volksbelehrung eingelassen war. Im Unterschied dazu trat in Dresden zur Vermittlung anatomischen, phy­ siologischen und hygienischen Wissens die explizite Propagierung des neuen Gesundheitswesens hinzu. Seine Wertbegründungen und vermeintlichen Errungenschaften arrangierte das Hygiene­Museum durch die gesamten 1950er Jahre hindurch im Schaufenster der Systemkonkurrenz. Die Verantwortlichen in Ost­Berlin forderten vom verstaatlichten Zentralinstitut für medizinische Aufklärung, mit der öffentlichen Bebilderung der Gesundheitspolitik politische Legitimationsarbeit für das SED­Regime zu betreiben. So wurde in der DDR an einem anderen Geschichtsbild der hygienischen Volksbelehrung gearbeitet als in der Bundesrepublik. Es überschnitt sich mit ihm in der Distanzierung zum Museum im Nationalsozialismus – jedoch deutlich expliziter und anders gelagert. In den späten 1940er und sehr frühen 1950er Jahren blieben die Deu­

2.4 Zusammenfassung – Vom Mythos Deutsches Hygiene-Museum 

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tungsversuche der eigenen Geschichte spärlich und vorsichtig. Erst ab Mitte der 1950er Jahre tauchte eine explizite Auseinandersetzung mit der eigenen Tradi­ tion auf. Die Zerstörung des Hygiene­Museums 1945 und seine Wiederbegrün­ dung durch sowjetische Hilfe nach dem Krieg wurden als zentrale Bruchstellen der Geschichte gedeutet. Die Geschichte des DHM, allen voran sein Begründer Karl August Lingner, wurde zunächst ausgespart. Stattdessen wurde mit der Vokabel des Wiederaufbaus der Anspruch eines Neubeginns formuliert. Die Errungenschaften der Gegenwart wurden in das Zentrum der Deutung gerückt und eine glorreiche Zukunft versprochen. Ähnlich wie das Gesundheits­Museum in Köln griffen die Dresdner bei ihrer Neuausrichtung auf alte Darstellungen, Modelle und andere bewährte Exponate zurück, vor allem auf solche, die große Aufmerksamkeitserfolge versprachen, wie die Selbsttestapparate aus Erkenne dich selbst. Und ähnlich wie in Köln folgten die Medien einer Entwicklung der hygienischen Volksbelehrung – weg davon, einen Beitrag zur Stabilisierung des hygienischen Wissens zu leisten, hin zur Vorrangstellung der Anschaulichkeit und Volkstümlichkeit. Erst zum Ende der 1950er Jahre wurde ein Bezug zur gemeinsamen Herkunft aus der I.  IHA und Karl August Lingner hergestellt. Doch diese Bezugnahme blieb im Vergleich zum Gesundheits­Museum in Köln weitaus weniger empha­ tisch, mitunter sogar widersprüchlich in ihrer gleichzeitigen Anlehnung und Abgrenzung. Eine Auflösung sollte sich in der Formel der Progressivität finden. So konnten Lingner und die I. IHA von 1911 als Verkörperungen bzw. Materiali­ sierungen einer fortschrittlichen Tradition gelten, beide jedoch gefangen in der Klassenherrschaft der Bourgeoisie. Erst in der sozialistischen DDR, so die zur Anverwandlung anschaulich und attraktiv gemachten Ideologeme, hätten diese Ansätze ihre Umsetzung gefunden, befreit von Kommerzinteressen und gestellt in den Dienst einer gemeinnützigen Aufklärung Aller.474 Aber nicht nur die eigene Geschichte prägte die beiden Museen, sondern auch die laufende Bezugnahme aufeinander. In Köln zelebrierte man das Renommee des Hygiene­Museums, hielt damit aber auch das Dresdner Museum in Erinne­ rung; und nicht immer verfing die Behauptung, der einzige deutsche Nachfolger zu sein. Und intern versuchte Seiring bereits 1954 die Planung der NHA für sich zu nutzen. Nur er habe die Erfahrung, eine solche Großveranstaltung durchzufüh­ 474 Als das SED­Regime in den 1980er Jahren einen neuen, letzten Anlauf dazu nahm, seine Existenzberechtigung aus der deutschen Geschichte zu begründen, erhielt die Geschichte des Hauses und mit ihr die Verehrung für Lingner einen sehr hohen Stellenwert. Für Lingner und  das Gedenken an die I. IHA sparte man 1987 die Ereignisse von 1961 aus. Vgl. Sammer/Thaut: Im Mittelpunkt steht der Mensch; Schubert: Phasen und Zäsuren des Erbe­Verständnisses,  S. 1794–1801.

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 Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen überführen

ren, weswegen auch die Dresdner ihn zurückgewinnen wollten. Nur eine extensi­ vere Förderung seines Kölner Projektes könne ihn noch halten, so Seirings Instru­ mentalisierungsversuch des Hygiene­Museums in Dresden zum Nutzen seines Kölner Museums.475 In der DDR kehrte das Hygiene­Museum die Überlegenheit des Arbeiter­ und Bauernstaates heraus und zeigte aus diesem Grund in der NHA 1961 auch „pornographische Schundliteratur für Jugendliche und einige Ausga­ ben von ‚Der Landser‘, damit man Negativbeispiele für Jugendliteratur aus dem Westen hat.“476 Dies hatte aber zur Folge, dass die Bundesrepublik als Vergleichs­ folie präsent blieb. Der stete Vergleich mit der Bundesrepublik unterminierte die Versuche, etwas Eigenes zu finden; es hielt die Zweistaatlichkeit und die Präsenz eines anderen Deutschlands und eines anderen Gesundheitswesens permanent wach.477 Die beiden Museen blieben durch ihre Vergangenheit, gemeinsame und fortdauernde Netzwerke sowie die gleiche Tätigkeit aufeinander bezogen – allein schon deswegen, weil diese die Mitarbeiter*innen auf westdeutschen und inter­ nationalen Ausstellungen und Messen zusammenführte.

475 Vgl. Seiring an Hagen: Streng vertraulich – Das Deutsche Hygiene Museum in Dresden – Äußerungen eines früheren Angestellten, der mich besuchte, 12.2.1954; Seiring an Bundesminis­ terium des Innern, 26.10.1954, in: BArch, B 142/2017, 1954–1961, Bl. 195. 476 Schrödel an Misgeld, 29.4.1961, in: BArch, DQ 1/5225. Zu Gerhard Misgeld vgl. Schneck, Peter: Art. „Misgeld, Gerhard“: In: Müller-Enbergs, Helmut/Wielgohs, Jan/Hoffmann, Dieter (Hrsg.): Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon, Berlin 2000. 477 Vgl. bspw. Deutsches Hygiene-Museum Dresden: Im Mittelpunkt steht der Mensch, 1959.

Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz: Beziehungen und Abgrenzungen im Systemkonflikt, 1950–1959 Das Deutsche Hygiene-Museum und das Deutsche Gesundheits-Museum waren zu Beginn der 1950er Jahre etabliert und in der gemeinsamen Vergangenheit verankert. Die Einschreibung in die gemeinsame Vergangenheit sah unterschiedlich aus, die Praxis der visuellen Gesundheitsaufklärung – des sichtbaren Ordnens der individuellen und kollektiven Körper  – mitsamt der Lehrmittelproduktion wies jedoch Ähnlichkeiten auf.1 Das Hauptaugenmerk galt einer ausstellerischen Veranschaulichung (normaler, d. h. gesunder) menschlicher Anatomie und Physiologie, der Prävention, dem Verlauf und der Behandlung einiger bevölkerungsrelevanter Krankheitsphänomene sowie gesundheitspolitischer Zusammenhänge. Bei Letzterem waren die Medien der beiden Museum wiederum systemspezifisch gestaltet. In diesem Kapitel wird es darum gehen, wie im Kontext des Ost-WestSystemkonflikts beide Museen um Aufmerksamkeit und Absatz ihrer Produkte konkurrierten. In welchen Arenen fand eine gegenseitige Beobachtung statt? Wie wurden die Museen voneinander abgegrenzt, auf welche Weise wurden sie miteinander in Beziehung gebracht? Das historiografische Interpretament der asymmetrischen Verflechtung zwischen Ost- und Westdeutschland, der stärkeren impliziten wie expliziten Bezugnahme der DDR auf die Bundesrepublik, deutet viele Bereiche der Lebenswelt sowie Politikfelder zutreffend  – die Gesundheitsaufklärung und die Arbeit der beiden Museen jedoch nicht.2 Es war das Hygiene-Museum in der DDR, welches von Rang

1 Die Vielzahl der (produzierten bzw. vertriebenen) Exponate und Lehrmittelt sowie ihre Parallelität  – abgesehen von Moulagen und Modellen, welche (weiterhin) nur das DHM herstellte – findet sich exemplarisch in den zeitgenössischen Lehrmittelkatalogen der beiden Museen: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden, DHMD  2008/674, ca.  1958; Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden, DHMD 2008/654, 1964. 2 Vgl. Kleßmann: Spaltung und Verflechtung; Ders.: Was bleibt von der Mauer?, 2014, http://www. bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/197550/einleitungsvortrag-von-christophklessmann, 18.3.2015. Für weitere Forschungsarbeiten, die mit der Perspektive einer asymmetrischen Verflechtungsgeschichte arbeiten: Brunner, Detlev/Grashoff, Udo/Kötzing, Andreas (Hrsg.): Asymmetrisch verflochten? Neue Forschungen zur gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte, Berlin 2013; Bösch: Geteilte Geschichte. Plädoyer und eher als deutsch-deutsche Parallelgeschichte die Beiträge in: Ders. (Hrsg.): Geteilte Geschichte. Ost- und Westdeutschland 1970–2000, Göttingen 2015. https://doi.org/10.1515/9783110664171-004

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

und Namen war. Das Gesundheits-Museum in Köln genoss hingegen den Vorteil, zu einem größeren Absatzgebiet der Lehr- und Gesundheitsaufklärungsmedien Zugang zu haben. Daher blieben beide Museen füreinander jeweils Referenzen. Die Bezugnahme von West auf Ost vollzog Seiring durch seine Traditionsarbeit, in der zugleich die Fortsetzung der Arbeiten und Struktur des Hygiene-Museums nunmehr in Westdeutschland projektiert war. Umgekehrt drängten die Vertreter des Hygiene-Museums zu den Orten des internationalen Warenaustauschs in der Bundesrepublik.3 Fasst man den Begriff des Marktes weit als hergestellte und reproduzierte soziale Struktur, welche soziales Handeln prägt  – als kulturelle und kognitive Ordnung  –, kann man von einem Ausstellungs- und Aufmerksamkeitsmarkt der Gesundheitsaufklärung sprechen.4 Beide Museen arbeiteten als Übersetzungsagenturen von hygienischem und medizinisch-biologischem Wissen in anschauliche Bilder und greifbare Objekte menschlicher Anatomie und Physiologie und in interdiskursive Sprachräume von Gesundheit und Krankheit. Diese Objektivierungen von Wissensordnungen waren gleichsam die Dinge, mit denen auf einem gemeinsamen Markt seinen Bewertungskriterien entsprechend um Sichtbarkeit, Aufmerksamkeit und Absatz gerungen wurde. An den Orten eines entsprechenden Austausches kamen die Vertreter der beiden Einrichtungen zusammen. Sie beobachteten sich argwöhnisch und versuchten die Beziehung zueinander in Form von direkter Konkurrenz, Nischenbildung oder Marktaufteilung zu koordinieren. Ideologisch bestimmte Abgrenzungen schlossen die pragmatische Interaktion der Akteure nicht aus. Mit der beständigen gegenseitigen Beobachtung ging indes ein gegenseitiges Lernen, Kopieren oder Adaptieren einher, das darin begründet war, dass beide Organisationen ihre Exponate und Objekte selbst herstellten und aus dem Verkauf der abgeleiteten Lehrmittel finanziellen Gestaltungsspielraum gewannen. In der Bundesrepublik folgte die Abhängigkeit von eigenen Umsätzen aus der Übernahme des Museumsmodells, das in der Weimarer Republik entwickelt worden war und dem Dresdner Museum seinen Fortbestand gesichert hatte. In der DDR

3 Zur internationalisierten Wirtschaft Westeuropas: Kaelble:  Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat, S. 133–142. 4 Vgl. zur Soziologie der Märkte mit ihrer zentralen Annahme der sozialen Konstruktivität ökonomischen Handelns und wirtschaftlicher Prozesse exemplarisch: Beckert, Jens/Diaz-Bone, Rainer/Ganßmann, Heiner: Einleitung. Neue Perspektiven für die Marktsoziologie, in: Beckert, Jens/Diaz-Bone, Rainer/Ganßmann, Heiner (Hrsg.): Märkte als soziale Strukturen, Frankfurt a. M. 2007, S. 19–39; Zelizer, Viviana: Economic Lives. How Culture Shapes the Economy, Princeton u. Oxford 2011, S. 1–12, 128–135, 383–397.

3.1 Die Brille der deutsch-deutschen Teilung 

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zeigte man sich weder im Museum noch im Ministerium für Gesundheitswesen den Devisen abgeneigt, die aus dem Lehrmittelverkauf zu erwirtschaften waren. So entstand in den Interaktionen und Kommunikationen der Museumsvertreter eine widersprüchliche Gemengelage aus Beobachtung, implizitem und explizitem Austausch, antikommunistisch respektive antifaschistisch motivierter Abgrenzung, Verbundenheit und Verflechtung zwischen ökonomischem Gewinnstreben, Deutschlandpolitik und dem Systemkonflikt des Kalten Kriegs. Dieses Mäandern werde ich in einer beziehungsgeschichtlichen Perspektive für die 1950er Jahre untersuchen. Dabei sehe ich davon ab, die Geschichte der Museen in der DDR und der Bundesrepublik nacheinander zu rekonstruieren und abschließend zu vergleichen. Was eine solche Gestaltung an Übersichtlichkeit gewinnt, verliert sie darin, gerade interrelationale Gemengelagen, Mischungen und Verbindungen zu beleuchten. Eben diese Bezogenheit aufeinander möchte ich aber ins Zentrum stellen, indem ich nach den expliziten Bezugnahmen der Akteure auf beiden Seiten und ihren organisatorischen und praktischen Verflechtungsbeziehungen sowie nach den Versuchen ihrer Auftrennung frage.5

3.1 Museen der Gesundheitsaufklärung durch die Brille der deutsch-deutschen Teilung Die Existenz eines vertrauten Gegenübers spielte als Argument auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze eine bedeutende Rolle für die Museen. Die Teilung Deutschlands und die Verdopplung der hygienischen Volksbelehrungsmuseen fand darin Resonanz, wie die beteiligten Akteure über die Herausforderungen, Probleme und Entwicklungschancen ihrer Einrichtungen sprachen. Die (weltanschauliche) Abgrenzung voneinander wurde ein rhetorisches Element für deren jeweilige Ausrichtung.6 Das wird im Hinblick auf das Kölner Haus an den taktischen Zügen deutlich, mit denen Seiring das Wohl seines neuen und heikel stabilisierten Museums nicht nur sichern, sondern auch mehren wollte – selbst wenn er damit nur mäßigen Erfolg hatte.

5 Vgl. Sammer: Das Ziel ist das gesunde Leben. 6 Vgl.  exemplarisch die gegenseitige Unterstellung, mit materiellem oder geistigem Diebesgut (beispielsweise die „Gläsernen Frau“) das jeweilige Museum nach dem Krieg aufgebaut zu haben: Anonym: Das größte Wunder; Rahne, Erwin: Freie Diskussion: Beim Lügen ertappt, in: Berliner Zeitung, 18.8.1950, S. 2; Anonym: Arbeitsschutz in Bildern; Kap. 1.2.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Die Wiedervereinigung als Drohung, die Spaltung als Existenzgrundlage – Kölner Ängste vor dem großen Bruder aus Dresden Nach der Ausstellung von 1951 lag Seiring viel daran, aus dem Provisorium eines ehemaligen Fliegerhorstes in Merheim in ein repräsentatives Museumsgebäude umzuziehen. Der eifrige Leiter des Kölner Museums präsentierte einen groben Finanzplan für einen Neubau, der vorsah, die Hauptlasten zwischen den Trägern aufzuteilen. Köln sollte das Grundstück unentgeltlich zur Verfügung stellen.7 Bund und Land sollten hierzu jeweils eine Summe von knapp unter einer Million beisteuern. Den Rest zu den avisierten 6,6 Millionen Mark wollte Seiring mit der Unterstützung Emersons und John McCloys, Hoher Kommissar der westlichen alliierten Siegermächte zwischen 1949 und 1952, aus den USA besorgen. Seiring präsentierte seinen Plan gegenüber der Regierung in NRW als risikolos. Der Baugrund sei längst reserviert, McCloy habe fast schon zugesagt und mit Wilhelm Kreis, der bereits das Gebäude für das Dresdner Museum konzipiert hatte, sei er über einen Entwurf einig. Wie in den 1930er Jahren im Haus in Dresden sollte in einer zeitgemäßen Gestalt alles unterkommen, was eine Zentraleinrichtung für Gesundheitsaufklärung benötigte: Schauräume, Werkstätten, Verwaltung, eine Gesundheitsschule, Wandelräume und mindestens zwei Hörsäle.8 Gegenüber Seirings Plänen bezog die Gesundheitsabteilung im Innenministerium NordrheinWestfalens zunächst eine ablehnende Position. Ein solcher Bau, so der Tenor, müsse zuerst vom Vorstand beschlossen werden, bevor der Leiter ihn umzusetzen gedenke – nicht anders herum.9 Doch der Leiter des Gesundheits-Museums gab nicht klein bei. Stattdessen trieb er den Vorstand in dieser Frage in den folgenden Jahren vor sich her. Bisweilen schreckte er auch nicht davor zurück, einzelne Träger gegeneinander auszuspielen und mit der Veröffentlichung der Pläne zu drohen.10 Die Neubaupläne scheiterten schließlich aufgrund einer schlechten Kooperation zwischen Seiring und dem Vorstand, durch Uneinigkeiten der Vorstandsmitglieder untereinander und wegen der rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Unklarheiten des Museums. Immer wieder wurden 7 Seit 1977 befindet sich am Aachener Weiher, dem vorgesehenen Baugrund, das Museum für Ostasiatische Kunst. 8 Vgl. Seiring an Sozialminister, 4.11.1952, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl.  4–9. Zu den Bauplänen: Deutsches Gesundheits-Museum/Göllner: Deutsches GesundheitsMuseum Köln, 1954; Bauplan Neubau Gesundheits-Museum, o. D., in: BArch, B 142/2017, Bl. 3; Kap. 2.2. 9 Vermerk zum Vorstoß Seirings, 6.12.1952, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 2–3. 10 Vgl. Vermerk Hagens über eine Besprechung mit Seiring und Ackermann, 30.1.1954, in: BArch, B 310/341; Seiring vertraulich an Vonessen, 29.8.1955, in: ebd.

3.1 Die Brille der deutsch-deutschen Teilung 

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die Verhandlungen unterbrochen.11 Bedingt auch dadurch, dass die Träger unter dem Museum je etwas anderes verstanden, konnten sie sich nie über ihre Beteiligung an der Finanzierung einigen, geschweige denn diese synchron genehmigen lassen und das Museum somit auf eine stabile Grundlage stellen. Dass auch noch Wilhelm Kreis 1955 starb und ein neuer Architekt gefunden werden musste, der aus Köln stammen, sich aber ebenfalls an die Pläne Kreis‘ halten sollte, vereinfachte die Frage des Neubaus nicht.12 Ähnlich problematisch erwies sich auch Seirings Rhetorik, mit welcher er das Kölner Museum sowohl in Bezug auf die USA neu kontextualisierte als auch im Blick auf das Dresdner Museum rekontextualisierte. Denn Gelder aus den USA sollten den Neubau ermöglichen, der Vergleich mit der drohenden Dresdner Überlegenheit die Vorstände motivieren.13 Seiring nutzte den Bezug zu seinem ehemaligen Museum in Dresden beständig, um den Vorstand des Museums für sich und das neue Museum in Bewegung zu bringen. „Es ist ja fast eine Gewohnheit geworden“, so Seiring im Juni 1952 an Hagen, „daß man mir über alles berichtet, was im Hygiene-Museum in Dresden vorgeht. Jetzt besuchte mich ein Abteilungsleiter, seine Mitteilungen bestätigten, was ich schon von anderer Seite hörte.“14 Das Hygiene-Museum verfüge über ein im Vergleich außerordentlich hohes Budget, so Seirings Zusammenfassung. Es sei ja bekannt, „daß in der Ostzone für das Gebiet Gesundheits-Belehrung und Erziehung sehr viel Geld ausgegeben wird, während hier im Westen noch mit Pfennigen gerechnet werden muß.“15 Seirings Klage über die schlechte Finanzierung des Kölner Museum unterstrich nochmals, dass der Maßstab seiner Kritik sein altes Museum blieb. Diesen Winkelzug wiederholte Seiring mehrfach, und immer war Hagen der Ansprechpartner. Die Präsenz eines ostdeutschen Pendants zum GesundheitsMuseum schien die Bundeszuständigkeit am einfachsten und deutlichsten begründen zu können. Gleichzeitig hielt dies den Vorstandsmitgliedern stets präsent, dass Seiring nach wie vor über blendende Kontakte zum Dresdner Museum verfügte und das Hygiene-Museum dem Kölner Gesundheits-Museum allgemein für überlegen hielt. So schrieb Seiring zwei Jahre später an Hagen streng vertraulich, es habe ihn ein ehemaliger Präparator aus Dresden besucht, der für den Staatssicherheitsdienst arbeite. Er habe aber seinem ehemaligen

11 Vgl. Seiring: Erinnerungen, S. 48. 12 Vgl. Besprechung im Rathaus der Stadt Köln, 9.12.1955, in: BArch, B 310/341. 13 Vgl.  Seiring an Josef Weber (Sozialminister NRW), 4.11.1952, in: Landesarchiv NordrheinWestfalen, NW 366, Nr. 10, Bl. 4. 14 Seiring an Hagen, 11.6.1952, in: BArch, B 142/400. 15 Ebd.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Mitarbeiter die Antworten für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) diktiert und dafür im Einvernehmen alles Interne aus dem Museum in Dresden erfahren: Wie viele Mitarbeiter die Stasi im Museum habe; woran gerade gearbeitet werde; dass der ehemalige Leiter Sickel nun nach Hamburg geflohen sei; dass bereits seit 1951 die Verantwortlichen des Dresdner Museums die Arbeiten des GesundheitsMuseums genau verfolgten und bei Ausstellungen vor Ort in Augenschein nahmen; dass Rudolf Neubert – ehemaliger Mitarbeiter Seirings in Dresden und persönlich eng mit dem Vertreter des Bundes im Vorstand des Gesundheitsmuseums, Wilhelm Hagen, befreundet  – nun in Jena Professor sei, seine Frau aber in die Bundesrepublik kommen wolle; und dass die Stasi Seiring nach Dresden zurückholen wolle.16 Der Leiter des Gesundheits-Museums entfaltete eine Agentengeschichte vor Hagens Augen, in der Seiring durchaus die Möglichkeit insinuierte, den lockenden Rufen des Hygiene-Museums nach Dresden folgen. Es müsse die Frage geklärt werden, was passiere, wenn beide Staaten wiedervereinigt werden würden, schrieb der Leiter einen Monat später an Hagen. Er widersprach explizit der von ihm eröffneten Möglichkeit seines Weggangs nach Dresden. Diese Versicherung begründete er damit, dass das Hygiene-Museum eine Ruine und von dort nur eine Belehrung „mit politischer Note“ möglich sei: „Zwischen uns und dem Kommunismus gibt es keinen Weg zur Einigung.“17 Gleichzeitig verknüpfte er sein Bleibeversprechen mit einer Forderung: Die Umtriebe des HygieneMuseums zeigten, dass das Gesundheits-Museum in Köln unbedingt rasch ausgebaut werden müsse, um gegen die Konkurrenz aus Dresden bestehen zu können. Seiring agierte demnach taktisch mit Argumenten und Assoziationen betriebswirtschaftlicher Gedankengänge genauso wie aus politischen Erwägungen der Blockabgrenzung. Als der Kölner Oberstadtdirektor Max Adenauer für Köln in den Vorstand des Museums einrückte, verfuhr Seiring ganz ähnlich. Er zeigte ein gutes Gespür für die Bruchlinien innerhalb der Träger, als er Adenauer die jeweiligen Interessen und Problem aus Land und Bund darlegte. Josef Hünerbein aus NRW sei

16 Vgl. Seiring an Hagen – Streng vertraulich. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden – Äußerungen eines früheren Angestellten, der mich besuchte, 12.2.1954, in: BArch, B 142/2017, Bl. 195–197. Das MfS wiederum wusste von diesem Kontakt und schätzte die Loyalität eher aufseiten Seirings liegend, enttarnte den Mitarbeiter jedoch nicht. Siehe hierzu: Operativplan ÜV, „Hygiene-Museum“, 30.11,1953; Treffbericht, 30.12.1953; Zwischenbericht, 3.2.1954, in: BStU, MfS, BV Dresden, Abteilung IV, Nr. 87/53 (AOP 127/55), Bl. 148, 166, 180. Der Bericht des „frühen Angestellten“, in dem vor allem die Beziehungen von Mitarbeitern des DHM zu Sickel eruiert wurden, findet sich in: ebd., Bl. 183–187. 17 Seiring an Hagen, 23.3.1954, in: BArch, B 310/341.

3.1 Die Brille der deutsch-deutschen Teilung 

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dem Museum außerordentlich wohlgesinnt, so Seiring. Dieser versuche, seinen Finanzminister zum Vorteil des Museums zu beeinflussen. Mit Wilhelm Hagen sei Seiring seit fast 30 Jahre gut vertraut. Nur seien die Bundespläne, so dachte Seiring Adenauer mitteilen zu können, am Widerstand des Staatssekretärs im BMI Karl Theodor Bleek (1898–1969) gescheitert, der im Falle einer Wiedervereinigung der deutschen Staaten die Gesundheitsaufklärung wieder an das Dresdner Museums verschieben wolle.18 Damit deutete der Leiter des DGM der Kölner Seite an, dass die Rheinstadt das Museum durchaus wieder an Dresden verlieren könnte. Seiring sprach seine Vorstandsmitglieder spezifisch und abseits der offiziellen Wege an und versuchte, die Einzelnen gezielt zu beeinflussen beziehungsweise gegeneinander auszuspielen. Wichtiger Topos wurde hierbei die (als reversibel wahrgenommene) deutsch-deutsche Teilung und die Existenz zweier Museen der Gesundheitsaufklärung. Er skizzierte darin ein Bedrohungsszenario für das Kölner Museum, von dem aus er Unterstützung für das DGM und dessen spezifische Form mobilisieren wollte. Ein Scheitern des Kölner Projekts im Falle einer Verweigerung der Unterstützung vonseiten der Träger in der Konkurrenzsituation mit Dresden stellte Seiring dabei zumindest implizit in Aussicht. Sein Muster hatte Bestand: Er warnte vor der Überlegenheit des Dresdner Museums, dessen Gesundheitsaufklärung vermeintlich nur ideologische Propaganda enthalte, und vor dessen Drängen in die bundesrepublikanische Einflusssphäre. Er kokettierte mit den Lockungen des Museums in Dresden, ihn wieder zurückholen zu wollen. Seiring drängte dadurch zur Förderung seines Museums seiner Pläne entsprechend und benutzte dafür das zeitgenössische Weltdeutungsmuster des Ost-West-Gegensatzes.19 Zu Seirings Vorgehen passt es, dass, während er den Vorstand über seinen Verbleib in Sicherheit wiegte, er seinem ehemaligen Mitarbeiter jedoch das genaue Gegenteil zuzusichern schien.20 Dieser berichtete zumindest, dass Seiring die Arbeit des neuen Direktors des Dresdner Museums, Walter Friedeberger, kritisch bewerte, was in der Flucht des kompetenten Personals (aus dem Museum und bisweilen nach Köln) zum Ausdruck komme. Dem Informanten des MfS zufolge sehe Seiring Dresden als „volksaufklärendes Institut“ und garantiere zurückzukehren,

18 Seiring an Adenauer: Positionen der Vorstandsmitglieder, 28.4.1954, in: ebd. 19 Vgl. exemplarisch dafür: Seiring an BMI, o. D. (Ende 1955): Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, in: BArch, B 142/2017, Bl. 97–99. 20 Vgl. Seiring an Hagen – Streng vertraulich. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden – Äußerungen eines früheren Angestellten, der mich besuchte, 12.2.1954, in: ebd., Bl. 195–197.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

falls er noch lebe und erwünscht sei.21 In einem späteren Bericht wurde dies wiederholt: Seiring sei jederzeit bereit, in den „Demokratischen Sektor“ von Berlin zu kommen, um mit den Behörden über seine Rückkehr zu verhandeln.22

Das Deutsche Hygiene-Museum im Visier der Staatssicherheit – Der Feind ist überall Im Ministerium für Gesundheitswesen in Ost-Berlin war man über die Gründung des Gesundheits-Museums bestens informiert, nachdem die Bemühungen gescheitert waren, das Kölner Museum zu verhindern.23 Mit der Verdopplung des Hygiene-Museums durch ehemalige hygienische Volksbelehrer*innen aus Dresden konfrontiert, nahm der SED-Staat den potenziellen Feind im Inneren der Organisation in den Blick. Es überrascht nicht, dass die Partei, die sich selbst seit Anfang der 1950er Jahre zunehmend einem zentralistischen Kadermodell verschrieb, Widerstände gegen ihre Zentralisierungsbemühungen als (reaktionären) Widerstand interpretierte. So klagte die Betriebsparteiorganisation des Hygiene-Museums im September 1951 über den „Kleinkrieg“, den sie gegen die „kleinbürgerlichen Belegschaftsmitglieder – gerade in der wissenschaftlichen Abteilung“24 führen müsse. Die BPO sah sich auf verlorenem Posten: Die SED sei mit 64 Genossen bei einer Belegschaft von ca. 340 innerhalb des Museums wenig gefestigt. Keines ihrer Mitglieder aus der Produktion sei ideologisch geschult und traue sich, auch gegen die Leitung eine kritische Position zu vertreten. Die SED musste also gerade innerhalb ihrer vermeintlichen Basis der Arbeiterschaft besser im Museum verankert werden.25 Dafür müsse die BPO das Hygiene-Museum „planmäßig und systematisch“ führen und zum „Motor des Museums“ werden, so die Forderung.26

21 Vgl. GI „Star“: Treffbericht mit Georg Seiring, 28.2.1954, in: BStU, MfS, BV Dresden, Abteilung IV, Nr. 87/53 (AOP 127/55), Bl. 183. 22 Treffbericht GI „Star“, 2.4.1954, in: ebd., Bl. 197. 23 Vgl. Kap. 1.1. 24 Bericht über die Auswertung und Popularisierung der Regierungserklärung, 20.9.1951, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut). 25 Leitungssitzung der BPO am Hygiene-Museum, 3.8.1953, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). Zur Reaktion der SED auf den Volksaufstand vom 17.6.1953, als dessen Nachwirkungen diese Äußerungen zu sehen sind, vgl. Malycha/Winters: SED, S. 103–126. 26 Rechenschaftsbericht der BPO am Hygiene-Museum, 8.11.1953; Auswertung des 17.6.1953 der Betriebskampfgruppe des Hygiene-Museums, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut).

3.1 Die Brille der deutsch-deutschen Teilung 

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Die geringe Durchdringung der Belegschaft mit Parteimitgliedern verstärkten den argwöhnischen Blick des MfS aufs Museum. Sickels „Entwestung“ ließ zudem inoffizielle Westkontakte zwischen Dresden und Akteuren in der Bundesrepublik vermuten. So hatte bereits im September 1952 das MfS einen Überprüfungsvorgang eröffnet, denn es seien „einige Vorgänge im DHM bekannt, die auf Verbindungen des DHM mit dem Gesundheitsmuseum in Köln mit ehemaligen Leitenten (sic!) Angestellten des DHM welche sich nach dem Westen absetzten (sic!) hindeutenden (sic!).“27 Das MfS begann, Informationen über einen Geheimen Informator (bis 1968 die Bezeichnung für einen Inoffiziellen Mitarbeiter des MfS) und mithilfe der Personalleitung des Museums zu sammeln, um zu bestimmen, ob noch Kommunikation zwischen Museumsmitarbeiter*innen und Sickel bzw. Seiring in der Bundesrepublik bestand. Aus allen möglichen internen Beschwerden, Notizen und Zeugenaussagen ehemaliger Mitarbeiter rekonstruierte das MfS das, was es vermutet hatte: Es gebe Kontakt und dieser diene gesteuert aus Köln der „Sapotage (sic!) […], um eine Aufwärtsentwicklung im DHM zu verhindern.“28 Da gegen Sickel, der für die Einstellung ehemaliger Mitarbeiter Dresdens in Köln verantwortlich gemacht wurde, wenig zu unternehmen war, fing die Stasi an, gegen den Betriebsingenieur und zwei seiner Mitarbeiter aus der Produktionsabteilung zu ermitteln.29 Konkret äußerte „GI Harry“, der im Kollektiv der „Gläsernen Figuren“ arbeitete, dass seine Vorschläge zur Verbesserung der Figuren vonseiten des Betriebsingenieurs abgelehnt worden waren. 1952 waren diese jedoch in einer Ausstellung des Gesundheits-Museums in Berlin gezeigt worden.30 Die Aussagen weiterer Parteigenossen ergaben noch mehr Kleinigkeiten  – darunter Hinweise auf beschädigte Ausstellungsstücke des Museums –, die als Informationsfluss aus der Produktionsabteilung des Dresdner Museums nach Köln gedeutet wurden.31 Insbesondere der Mitarbeiter und GI des MfS, der Seiring im Februar 1954 besucht hatte, geriet ins Augenmerk.32 Die Überprüfung seiner Vertrauenswürdigkeit durch „GI  Harry“ und dessen Eifer, mit dem er immer wieder neue Kontakte zwischen Ost und West, erfolgreiche Abwerbeversuche von Dresdner

27 Erste Meldung, 8.9.1952, in: BStU, MfS, BV Dresden, Abteilung IV, Nr. 87/53 (AOP 127/55), Bl. 7. 28 Vgl. Sachstandsbericht, 16.12.1952, in: ebd., Bl. 36. 29 Vgl. Sachstandsbericht-Operativplan, 19.3.1953, in: ebd., Bl. 78. 30 Vgl. Berichte 1–9 Frühjahr 1953, in: ebd., Bl. 58–98. Zur Sport- und Gesundheitsausstellung des DGM: Seiring: Erinnerungen, S. 48 und Seiring: Stellungnahme zum Vermerk des BMI, 22.8.1953, in: BArch, B 310/341. 31 Vgl. Sachstandsbericht, 3.12.1953, in: ebd., Bl. 145. 32 Treffbericht, 11.6.1954, in: BStU, MfS, BV Dresden, Abteilung IV, Nr. 87/53 (AOP 127/55), Bl. 213.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Mitarbeitern nach Köln sowie eher kleinere Unzulänglichkeiten in der Produktion und im Handel „aufdeckte“, verlängerten den Vorgang bis ins Jahr 1954. Da eine „Schädlingstätigkeit“ des Betriebsingenieurs dadurch für das MfS offensichtlich geworden war, wurde im Oktober schließlich der Überwachungs- zu einem Gruppenvorgang erhoben.33 Als Ergebnis dessen wurden zwei Hauptbeschuldigte und vier „Mittäter“ im November 1954 verhaftet.34 Letztlich spiegelte diese Vorgehensweise das Phantasma des MfS, überall von Feinden umgeben zu sein. Jedwede Kommunikation mit dem Westen wurde als eine dem Sozialismus schadende Sabotage gedeutet, die kontrolliert oder beendet werden musste. Das führte letzten Endes zu dem Dilemma, dass prinzipiell jeder zugetragenen Information misstraut werden musste. Die Überprüfung eines GI durch einen anderen GI war da systemisch notwendig. In den Berichten des MfS scheint aber auch die Selbstverständlichkeit enger Beziehungen zwischen alten Bekannten auf, die sich am Dresdner Museum kennengelernt hatten, und von denen mittlerweile einige in Köln zu Hause waren. Das Schild und Schwert der Partei sah in diesen persönlichen Kontakten ausschließlich Kanäle, über die wirtschaftlich verwertbares Wissen abfloss.35 Doch selbst wenn diese Verbindungen getrennt wurden, blieben immer noch andere übrig, die die beiden Organisationen zusammenbrachten, aufgrund ihrer gleichgerichteten Tätigkeit zusammenbringen mussten – nämlich die Konkurrenz auf dem Markt der ausstellerischen Aufmerksamkeit und auf dem für biologische Unterrichts- und Lehrmittel.

3.2 Ideologie und Wirtschaft: Abgrenzung und Annäherung auf dem gemeinsamen Lehrmittelmarkt Das Ringen um Absatzchancen in einer Zeit ideologischer Abgrenzung kam auch in der weiteren Geschichte der Beziehungen zwischen Johannes Erler, dem Hygiene- und dem Gesundheits-Museum zum Tragen. Erler hatte in der Nachkriegszeit eine Ausstellung zu Geschlechtskrankheiten aus Exponaten des

33 Vgl. Beschluß, 13.10.1954, in: ebd., Bl. 269. 34 Liquidierung des Gruppenvorgangs „Sonne“, 9.11.1954; Festnahmeplan für den G-V. „Sonne“, 26.11.1954; Festnahmeberichte, 1.12.1954, in: BStU, MfS, BV Dresden, Abteilung Dresden, Nr. 49/54 (AOP 127/55), 1954–1955, Bl. 40. 35 Aus einer Vielzahl an Literatur zum MfS (als Überblick: Gieseke, Jens: Die Stasi. 1945–1990, München 2011) für die Rekonstruktion des prävalenten Selbstleitbildes am aussagekräftigsten: Wanitschke, Matthias: Methoden und Menschenbild des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Köln 2001; Kowalczuk, Ilko-Sascha: Stasi konkret. Überwachung und Repression in der DDR, München 2013.

3.2 Ideologie und Wirtschaft 

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Hygiene-Museums kompiliert und diese auf deren Wanderschaft in den westlichen Besatzungszonen begleitet. Nachdem er den Kontakt zwischen Seiring und der Gesundheitsverwaltung in Köln hergestellt hatte, der zur Gründung des Deutschen Gesundheits-Museums führte, überwarf er sich mit den Verantwortlichen in Dresden und Berlin-Ost.36 Ende 1950 hatte Maxim Zetkin sich für die nunmehr wirkmächtige Version dieser Geschehnisse entschieden. In dieser hatte Erler die Exponate aus einer Exposition des Hygiene-Museums aus der Kriegszeit und die seit 1945 hinzugekommenen Ausstellungsstücke dem GesundheitsMuseum überlassen.37 Fälschlicherweise ging auch das neue Leitungspersonal des Museums davon aus, dass die „Gläserne Figur“ Erlers Pate gestanden haben müsse für die Figuren, welche ab 1950 wieder von Franz Tschackert – nun aber in Merheim – gefertigt wurden. Auf einen Gerichtsprozess in der Bundesrepublik wollte man es aber nicht ankommen lassen; für zu schlecht hielt die neue Leitung des Hygiene-Museum in Absprache mit dem Ministerium für Gesundheitswesen die Aussichten auf Erfolg und für zu gefährlich die möglichen Konsequenzen des Rechtswegs.38 Denn gerade die „Gläsernen Figuren“, Aushängeschild und Schlüsselexponate beider Museen, machten das DHM abhängig von einem guten handelspolitischen Verhältnis mit der Bundesrepublik: Importe des für die Modelle verwendeten Kunststoffs Cellon aus dem nichtsozialistischen Ausland konnten nämlich trotz intensivster Bemühungen nicht durch einheimische Produkte ersetzt werden.39 Aus Sicht der Verantwortlichen in der DDR war das Problem mit Erler nicht mehr zu lösen, die Niederlage war schon erlitten und ein neuer Konkurrent entstanden. Vonseiten des Gesundheits-Museums machte man jedoch Erler 1954 einen sehr ähnlichen Vorwurf, obwohl dieser nicht nur die Gründung des Kölner Museums mitverhandelt hatte, sondern zu dieser Zeit die Geschäfte des Hausverlags führte. Seine Ausstellung aus der Nachkriegszeit mitsamt seiner „Gläsernen Figur“ galt nunmehr retrospektiv als Aufmerksamkeitsinstrument für die Gegenseite.40 36 Vgl. Kap. 1.2. 37 Vgl. Zetkin an Sickel, 7.9.1950; Notiz Betrifft Angelegenheit Erler (o. D.), in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59/37. 38 Vgl. Friedeberger an Matern, 13.11.1951; Aktennotiz Dr. Fräser (o. D.), in: ebd. 39 Vgl.  Bericht über das Internationale Symposium über die Alterung von Kunststoffen, 27.10.1959, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd.  2, 1959–1965, unpag. Siehe ferner auch: Dringlichkeitsbescheinigung des MfG an das Staatliche Chemiekontor Berlin, 21.7.1959, in: BArch, DQ 1/6646, 1956–1960; Kowark: Deutsches Hygiene-Museum, S. 40; Vertraulicher Bericht Damme an Friedeberger: Abhängigkeit der Produktion von Importen & Maßnahmen zur Umstellung, 19.8.1961, in: BArch, DQ 1/5225; Behling: Anatomisches Labor, S. 53–67; Sammer: Durchsichtige Ganzkörpermodelle, S. 193. 40 Vgl. Hagen an Seiring, Schwering, Hünerbein, 19.2.1954, in: BArch, B 310/341.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Ungeachtet dieser ideologischen Abgrenzung und Umbewertung des Geschehenen, bedeutete die Praxis beider Museen, etwas sehr Ähnliches herzustellen und zu vertreiben. Dass beide Einrichtungen als wirtschaftliche Akteure im Modell der hygienischen Volksbelehrung Medien der Gesundheitsaufklärung sowie biologische Lehr- und Unterrichtsmaterialien herstellten, brachte sie auf einen gemeinsamen Markt, was die gegenseitige Bezugnahme erzwang.41 Durch eine solche gegenseitige Beachtung und Erfolgsbemessung der Objekte wurden sie sich erst darüber bewusst, mit welchen Produkten und entsprechenden Preisund Qualitätsassoziationen sie auf dem Markt überleben konnten.42 Letztlich gab dieser Umstand auch den Ausschlag für den Versuch, die jeweiligen Positionen durch Kooperation und Marktabsprachen zu verbessern.

Vorsichtige Annäherungen Spätestens 1954  – also synchron zu den Ermittlungen des MfS gegen inoffizielle Kontakte zwischen Ost und West  – war es das Hygiene-Museum, das aus der Haltung einer schweigenden Beobachtung ausbrach und Seiring explizite Absprachen anbot.43 Es bleibt offen, aus welchen Gründen diese offizielle Kontaktaufnahme zustande kam. War es, weil das Gesundheits-Museum mit einer

41 Vgl. exemplarisch für die Evaluation der Konkurrenz: Seiring an Hagen, Hünerbein, Vonessen, 5.5.1955, in: ebd.; Kunkel, Otto: Bericht über die Reise nach Westdeutschland vom 20.8.– 23.8.1954, o. D., in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1, 1954–1958. Für die Werbung des Museums in eigener Sache vornehmlich als Lehrmittelproduzent siehe bspw: Anonym: 6. Tag der Frühjahrsmesse; Anonym: Das Deutsche Hygiene-Museum – Forschungsstätte, Produktionsbetrieb und Bildungsvermittler, in: Leipziger Messeinformationen, 1954, o.  S.  (für das DHM); und Ackermann, Wilhelm: Das Deutsche Gesundheitsmuseum. Anschauungs- und Lehrmaterial für Schulen und Volksaufklärung – Engste Verbindungen zu gesundheitlichen Organisationen in allen Erdteilen – Kostenlose Beratung über alle Gesundheitsgefahren, in: Du und die Welt, 4.5.1953, S. 22–23 (für das DGM). 42 Vgl. exemplarisch zur ineinander verwobenen sozialen Zuschreibung von Preis, Qualität und Marktnische: White, Harrison C.: Varieties of Markets, in: Wellmann, Barry/Berkowitz, S. D. (Hrsg.): Social Structures. A Network Approach, Cambridge 1988, S. 226–260; Burt, Ronald S.: The Social Structure of Competition, in: Nohria, Nitin/Eccles, Robert (Hrsg.): Networks and Organisations, Boston 1992,  S.  57–91; Burt, Ronald S./Talmud, Ilan: Market Niche, in: Social Networks 15/1993, S. 133–149; Callon, Michel (Hrsg.): The Laws of the Markets, Oxford 1998; Callon, Michel/Méadel, Cécile/Rabeharisoa, Vololona: The Economy of Qualities, in: Economy and Society 31/2002, S. 194–217. 43 „Genosse Friedeberger berichtete über seine Vorbesprechung in Berlin, um Verbindung mit dem DGM in Köln aufzunehmen.“ Protokoll der Parteileitungssitzung 1.12.1954, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut).

3.2 Ideologie und Wirtschaft 

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Ausstellung Sport und Gesundheit 1952 in Berlin und damit auch in der DDR auf sich aufmerksam machen konnte, wie der Museumsleiter meinte? Oder weil darin vonseiten des Hygiene-Museums eine Chance gesehen wurde, in der Bundesrepublik auszustellen?44 Entscheidend sind allerdings weniger die Gründe hinter dieser Anfrage als vielmehr ihre Wirkungen. Aufseiten der Träger des Gesundheits-Museums löste diese nämlich ein hektisches Treiben aus. Seiring befeuerte diese Aktivitäten nicht nur durch die Betonung seiner hervorragenden Kontakte innerhalb seines gesamtdeutschen Netzwerkes, die Zweifel an seiner Kölner Loyalität aufkommen lassen mussten, sondern auch durch seine regelmäßigen Einschätzungen darüber, wie eine Kooperation der beiden Einrichtungen zum Vorteil des Kölner Museums aussehen könnte. Im Mai 1954 holten die Vorstandsmitglieder zunächst die Positionen der betreffenden Fachministerien und -ämter zu einem möglichen Treffen mit Vertretern des Deutschen Hygiene-Museums ein. Sowohl das Auswärtige Amt (AA), das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen als auch das Bundesamt für Verfassungsschutz zeigten sich prinzipiell aufgeschlossen. Alle Beteiligten waren sich einig, dass zunächst die Vorschläge aus dem Osten gehört werden sollten.45 Ein Treffen musste aber in der Bundesrepublik stattfinden, so der Verfassungsschutz, dessen Leiter Otto John zwei Monate später in der DDR für die Wiedervereinigung Deutschlands eintreten und für einen der ersten politischen Skandale in der Bundesrepublik sorgen sollte.46 Ebenso dürfe man nicht zulassen, so war aus dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen zu hören, „dem Deutschen Hygiene-Museum in Dresden den Weg zur internationalen Plattform zu ebnen.“47 Denn die Absicht des DHM werde es sein, „das Deutsche Gesundheits-Museum in Köln als unliebsamen und überlegenen Konkurrenten dadurch auszuschalten oder wenigstens zu neutralisieren, daß es zu ihm freundschaftliche Beziehungen herstellt.“48 Auch hier definierte die Perspektive des Antikommunismus eine entsprechende Wahrnehmung der Geschehnisse: Selbstverständlich musste das neuere Museum im Westen das überlegene sein; selbstverständlich mussten freundschaftliche Beziehungen eine Waffe darstellen.49 44 Vgl. Seiring: Stellungnahme zum Vermerk des BMI, 22.8.1953; Seiring an Hagen, Hünerbein, Vonessen – vertraulich, 5.5.1955, in: BArch, B 310/341; Seiring: Erinnerungen, S. 48. 45 Siehe den Schriftverkehr hierzu in: BArch, B 142/2017, Bl. 206–223, 225–228. 46 Bundesamt für Verfassungsschutz an BMI, 22.5.1954, in: ebd., Bl. 220. Zum Skandal Otto John: Gieseking, Erik: Der Fall Otto John. Entführung oder freiwilliger Übertritt in die DDR?, Lauf an der Pegnitz 2005. 47 Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen an BMI, 14.6.1954, in: BArch, B  142/2017, Bl. 214. 48 Ebd. 49 Vgl. zur Geschichte des Ministeriums: Creuzberger: Gesamtdeutsches Ministerium, S. 431–480.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Seiring wiederum versuchte die Annäherung erneut zu seinen Gunsten zu nutzen. Das Muster blieb dabei das eingeschliffene: Er verfüge dank seiner Kanäle über Informationen zu Interna aus dem Museum und wisse daher sicher, dass das Museum in Dresden deutlich besser ausgestattet sei als seines. Ganz knapp habe er eine Ausstellung des Hygiene-Museums in Graz zwar nicht verhindern, so doch verschieben können. Nur er könne letztlich – unterstützt durch politische sowie finanzielle Hilfe der angesprochenen Vorstandsmitglieder – dem DGM dazu verhelfen, im konstatierten Wettkampf der Museen um Ausstellungsmöglichkeiten nicht abgehängt zu werden.50 Verhandlungen zwischen den Vertretern beider Organisationen, auf die Seiring drängte, dürften nur den Zweck verfolgen, das Hygiene-Museum vom Ausstellungsmarkt im Westen fernzuhalten.51 Diese Sichtweise eigneten sich auch die Vorstandsmitglieder des Bundes und des Landes NRW gegenüber ihren Finanzministerien an. Ob diese die Perspektive des Systemkonflikts selbst vertraten oder nur taktisch verwendeten, ist hier von nachgeordnetem Interesse. Entscheidend ist, dass Hagen versuchte, die Bundesbehörden mit dieser Anschauung als Alliierte zu gewinnen: Nur durch mehr Geld sei die Konkurrenz aus Dresden, die mit Dumpingpreisen agiere, auszuschalten und die Gefahr zu unterbinden, die in der versteckten „Ostpropaganda“ der Lehrmittel liege.52 Für das Dresdner Museums hatte der Interzonenhandel, den die Bundesregierung förderte, ohnehin schon einen Weg auf den Markt der Bundesrepublik eröffnet. Mit Reinhold Wagner (*1893) in Heidelberg verfügte es über einen Produktvertreter in der Bundesrepublik und damit auf dem Weltmarkt. Wagner hatte Mitte der 1920er Jahre die Aufgabe übernommen, die Lehr- und Unterrichtsmittel des Museums zu vertreiben. Mitte der 1950er Jahre wurde er darüber hinaus ein Mittelsmann darin, beide Museen füreinander sichtbar und beurteilbar zu machen.53 Von Besuchen und Treffen mit dem Vertreter und der Begutachtung

50 Seiring an BMI, 26.10.1954, in: BArch, B 142/2017, Bl. 223. Vgl. hierzu auch: Bericht Seiring: Beziehungen des Deutschen Gesundheits-Museums in Köln zum Deutschen Hygiene-Museum in Dresden, o. D. (Februar/März 1955), in: BArch, B 310/341. 51 Vgl. Seiring an BMI, o. D. (Ende 1955): Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, in: BArch, B 142/2017, Bl. 97–99. 52 Buurman an Bundeswirtschaftsministerium, 7.8.1954, in: ebd., Bl. 200–204; ferner zu diesem Vorgang: Seiring an Buurman, 31.8.1954, in: ebd., Bl. 191–193; Position des Deutschen Lehrmittelverbandes, o. D., in: ebd., Bl. 184–187; Bundeswirtschaftsministerium an Buurman, 20.8.1954, in: ebd., Bl. 205. 53 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Reise nach Westdeutschland vom 20.8.-23.8.1954, o. D., in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1 sowie die Exportkataloge des Hygiene-Museums für Reinhold Wagner seit 1953. Darunter vor allem: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden, DHMD 2008/654.

3.2 Ideologie und Wirtschaft 

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der jeweiligen Konkurrenzprodukte berichteten sowohl Seiring als auch der damalige Verwaltungs- und Absatzleiter des Hygiene-Museums, Otto Kunkel. Wagner und Kunkel besprachen bei ihren Treffen unter anderem Fragen der wirtschaftlichen Erwartungen und Optionen: Der Generalvertreter hatte mindestens einen Umsatz von 40  000  DM zu erwirtschaften. Dafür sei ein Rabatt von fast 33 % genehmigt, durch den die Produkte des Hygiene-Museums preiswerter seien als die des Gesundheits-Museums.54 Seirings Behauptung, das Hygiene-Museum dränge mit Dumpingpreisen auf den Markt, ist also auch im Rückblick nicht ganz unplausibel. Wagner agierte darüber hinaus auch als Agent der Rationalisierung der bereits 1954 beanstandeten Modelle des Hygiene-Museums. Er gab genaue und sehr spezifische Verbesserungsvorschläge weiter, um die Qualität der Produkte zu steigern. Von Wagner „können wir immer wieder lernen, wie man das Geschäft fördern kann“55, so Otto Kunkels Urteil über den Nutzen des Austausch mit Wagner, dem Vorposten des Hygiene-Museums auf dem westlichen Lehrmittelmarkt. Wagner ermöglichte den Verantwortlichen des Hygiene-Museums und denen des Gesundheits-Museums, die eigenen Produkte mit denen des jeweiligen Konkurrenten zu vergleichen. Wagner half somit dabei, den Eindruck einer Konkurrenz zu verfestigen, in der das Gesundheits-Museum unterliegen werde. So zeigte sich Seiring von der technischen und künstlerischen Qualität der Tafeln des Hygiene-Museums begeistert, die er bei Wagner im Frühling 1955 gesehen hatte.56 Da das Gesundheits-Museum nicht konkurrenzfähig zu sein schien, bat Seiring die Bundesverwaltung erfolglos darum, den deutsch-deutschen Handel zu sperren: Doch die Hoffnung darauf zerschlug sich bereits im BMI, in dem man zur Einschätzung kam, dass der Vertrieb „sowjetischen Materials in der Bundesrepublik“ nicht unterbunden werden könne, aufgrund des „sehr rührigen Vertreters Wagner in Heidelberg“.57 Und schließlich war es der Mittelsmann Wagner dann auch, der die Sondierungen mit Hagen über eine Marktabsprache zwischen Hygiene- und Gesundheits-Museum führte, nachdem es im Januar 1955 zu einem ersten Treffen zwischen den Leitern beider Museen gekommen war.

54 Kunkel, Otto: Bericht über die Reise nach Westdeutschland vom 20.8.–23.8.1954, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1. 55 Ebd. 56 Seiring an Hagen, Hünerbein, Vonessen, 5.5.1955, in: BArch, B 310/341. Vgl. ebenso Wagners Werben für die Produkte des DHM gegenüber der Abteilung Gesundheitswesen des BMI: Reinhold Wagner an Abteilung Gesundheitswesen des BMI, 10.1.1950, in: BArch, B 142/2017, Bl. 111–116. 57 Alle Zitate in: Buurmann an Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen und an das AA, 5.2.1955: Beziehungen zwischen dem Deutschen Gesundheitsmuseum in Köln und dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden, in: BArch, B 310/341.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Offizielle Begegnungen und Kooperationsverhandlungen, 1954–1956 Mit Billigung der BPO waren der Leiter der wissenschaftlichen Abteilung, die Personalreferentin und die Gewerkschaftsvertreterin des Dresdner Museums ins Rheinland gereist.58 Ihnen zufolge ging es dabei darum, einer „beiderseitigen Zusammenarbeit, nicht nur zwischen den Institutsleitungen, sondern auch zwischen den Belegschaften“59 vorzufühlen. Die Dresdner hofften wohl, aufseiten der Belegschaft Unterstützung zu finden. Erst am zweiten Tag, so der wissenschaftliche Leiter Rolf Thränhardt (*1918), sei die Dresdner Delegation von Seiring abgeholt und an das Gesundheits-Museum gefahren worden, „das in der Stadt niemand kannte“, und das über keinerlei Schauräume und nur über einen Bruchteil der Räume des Hygiene-Museums verfüge. Es habe insgesamt einen „unfreundlichen Eindruck“ hinterlassen. Die Gespräche seien in einer freundschaftlichen Atmosphäre erfolgt, aber bestenfalls als Informationsaustausch zu verstehen. Erste Ideen, Neuentwicklungen bei den Exponaten und Ausstellungen auszutauschen oder das jeweils andere Museum in den eigenen Geschäftskontakten mit zu vertreten, seien angerissen, aber nicht konkretisiert worden. Erst am vierten und letzten Tag habe sich, so Thränhardt, eine Möglichkeit ergeben, im Hotel mit Seiring persönlich ohne seine Mitarbeiter zu reden. In dieser Unterredung sei klargeworden, dass Seiring sich aufgrund atmosphärischer Verstimmungen am Museum und zwischen ihm und dem Museumsvorstand in Köln wenig wohl fühle. Daher sei eine Kooperation der Museen mittels seiner Person am wahrscheinlichsten, nicht zuletzt, weil die anderen ehemaligen Dresdner (Erler und Tschackert wurden explizit genannt) im Dresdner Museum nicht wie Seiring nur einen „kaufmännischen Konkurrenten“, sondern einen Feind erblickten.60 Entgegen einer ersten Vermutung liest sich Seirings Bericht, gerichtet an den Museumsvorstand, im Nachhinein ähnlich wie Thränhardts. Beide berichteten von einer dreiköpfigen Kommission aus Dresden, der Seiring den Kontakt zu Belegschaft weitgehend verwehrt habe. Die blamablen Räumlichkeiten in Merheim habe er vorzeigen müssen, jedoch umgehend auf die opulenten Neubaupläne verwiesen, was jedoch sicherlich nicht den Druck auf die Realisierung eben dieser im Vorstand zu senken half. Ebenso ging er ins Detail, was die Qualitäten der einzelnen Medien des Hygiene-Museums anbetraf und konkludierte, dass das Hygiene-Museum medial immer noch größtenteils seinem alten Modell 58 Vgl.  Protokoll der Parteileitungssitzung des Deutschen Hygiene-Museums, 1.12.1954, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 59 Thränhardt, Rolf: Bericht über die Dienstreise nach Köln vom 11. bis 15.1.1955 zum Besuch des Deutschen Gesundheits-Museums, o. D., in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1. 60 Ebd.

3.2 Ideologie und Wirtschaft 

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der hygienischen Volksbelehrung – vor allem auf der Basis von Wanderausstellungen – folgte. Primär sei es jedoch mit der Herstellung und dem Vertrieb von Lehrmitteln beschäftigt.61 Seiring spekulierte auch über die Gründe für diese Kooperationsinitiative des „Großbetriebs“ aus Dresden: Entweder würden die Dresdner Ideen und Fachleute für Ausstellungsgestaltungen und -inhalte brauchen, oder sie würden versuchen, Seirings bislang größtenteils erfolgreichen Bemühungen zu unterlaufen, dem Hygiene-Museum Ausstellungsmöglichkeiten im „nichtsowjetischen Ausland“ zu verwehren. In Seirings Augen (deren Blickrichtung sich auch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen anschloss) waren es seine Verbindungen und seine (ehemaligen) Dresdner Mitarbeiter, die das Verhandlungsunterpfand des Gesundheits-Museums gegenüber dem DHM darstellten. Mit dieser mutmaßlich hinreichend sicheren Verhandlungsposition ließe sich durchaus ins Auge fassen, populärwissenschaftliche Veröffentlichungen und Expositionen austauschen. Ebenso könne man sich gegenseitig ein Publikum in Ost und West verschaffen, und gegebenenfalls sogar Lehrmittel gemeinschaftlich herausgeben oder zumindest Preisabsprachen treffen. Seiring wünschte sich also eine Zusammenarbeit, doch sah er darüber die Entscheidungsbefugnis beim Vorstand.62 Hagen sprach sich daraufhin nochmals mit dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen ab, das sich auf die erste Anfrage vom Sommer 1954 sehr interessiert gezeigt hatte. Laut dem erreichten Verständnis zwischen diesem und dem BMI sollte die Geschäftsführung des Museums mit den Vertretern des Hygiene-Museums für wissenschaftliche Fragen in Kontakt treten. Jegliche Form von Zusammenarbeit müsse aber unterlassen werden, sobald die Ausstellungen, die Öffentlichkeitsarbeit oder die Produkte irgendeine „politische Färbung“ aufwiesen.63 Ganz konkret träfe dies auf die avisierte Dresdner Beteiligung an der Ausstellung des „Marshallplan-Zugs“64 zu. Unter allen Umständen gelte es, das Hygiene-Museum aus diesem Prestigeprojekt der Neukontextualisierung der Bundesrepublik in eine westliche Allianz herauszuhalten, was Seiring Mitte 1955 auch gelang.65 Seiring drängte. Er wollte die Absprache und die Kooperation zwischen den beiden Museen. Das AA entschied im März 1955 jedoch dagegen, aus einem Verständnis der Zusammenarbeit als Instrument der Einflussnahme heraus: „Selbst

61 Bericht Seiring: Beziehungen des Deutschen Gesundheits-Museums in Köln zum Deutschen Hygiene-Museum in Dresden, o. D. (Februar/März 1955), in: BArch, B 310/341. 62 Alle Zitate ebd. 63 Hagen: Aktenvermerk, 23.5.1955, in: BArch, B 142/2017, Bl. 176. 64 Vgl. Erler an Bundesbahndirektion, 25.6.1956, in: ebd., Bl. 65 sowie Kap. 3.1. 65 Vgl. Hagen: Aktenvermerk, 23.5.1955; Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, o. D. (Frühling 1955), in: ebd., Bl. 176; 97–99.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

wenn der Vertrieb der Erzeugnisse aus der Ostzone in die Bundesrepublik nicht verhindert werden kann, wäre vorzuziehen, daß eine Zusammenarbeit abgelehnt wird.“66 Im Herbst 1955 verständigten sich beide Ministerien mit Hagen abschließend darauf, dass „die Zusammenarbeit mit dem DHM kein Forum für prokommunistische Infiltration des Bundesgebietes“67 offerieren dürfe. Nachdrücklich forderten sie ihn dazu auf, eine Präsenz des Hygiene-Museums  – wenn schon nicht der Lehrmittel, so doch wenigstens auf der Ebene der Ausstellungen – in der Bundesrepublik zu verhindern.68 Seirings Interessen entsprach diese Vereinbarung nicht. Im März 1955 hatte er gegenüber Hagen seine Position nochmals verdeutlicht: Eine Zusammenarbeit hätte für beide Seiten Vorteile, wenn sich die Kölner Erfahrungen, Künstler, Techniker und Beziehungen mit den Geldmitteln und den billigeren Produktionskosten aus Dresden vermählen könnten. Falls eine solche Synergie nicht zustande käme, würde der Wettbewerb um Lehrmittelabsatz und Ausstellungsmöglichkeiten durch ein aggressiveres Auftreten des Hygiene-Museums für das DGM schwierig werden. Wenn nicht die Kooperation, so könne nur der entschiedene Ausbau des Kölner Museums zu einer – entsprechend finanzierten – nationalen Zentralstelle für Gesundheitsaufklärung diese Bedrohung einhegen.69 Der Leiter des Gesundheits-Museums wollte sogar der beim Besuch in Köln ausgesprochenen Gegeneinladung nach Dresden folgen.70 Zugleich hatte nun auch Wagner als Sprachrohr des Hygiene-Museums den Druck auf Hagen anwachsen lassen, zu einer Entscheidung über das Kooperationsangebot zu gelangen. Wagner ließ ausrichten, im Hygiene-Museum wolle man wissen, „ob es die Verhandlungen abbrechen und den Kalten Krieg eröffnen soll.“71 Indes beruhigend versicherte er nachdrücklich, dass die Dresdner Seite keine „politische Platte“72 auflegen wolle.

66 AA an BMI, 24.3.1955, in: ebd., Bl. 171. Dieses Verständnis einer antikommunistischen Selbstverständlichkeit findet sich auch in: Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen an BMI, 1.3.1955, in: ebd., Bl. 144. 67 Ministerium für gesamtdeutsche Fragen an Hagen, Oktober 1955, in: ebd., Bl. 82. Siehe hierzu ebenso: AA an Hagen (November 1955), in: ebd., Bl. 80. 68 Vgl. Hagen an Stadtgesundheitsamt Frankfurt/M., Oktober 1955, in: ebd., Bl. 79. 69 Vgl.  Seiring an Hagen, 21.3.1955, in: ebd.,  Bl.  156; die Einladung Seiring wird erwähnt in: Thränhardt an Seiring, 7.2.1955, in: ebd., Bl. 118. 70 Vgl. Seiring: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, o. D. (Frühling 1955), in: ebd., Bl. 97–99. Hierzu ebenso Seirings Unterrichtung der anderen Trägervertreter, welche insgesamt in der Frage der Kooperation mit dem DHM schweigsam blieben: Seiring an Hagen, Hünerbein und Vonessen, 14.5.1955, in: BArch, B 310/341. 71 Hagen: Aktenvermerk, 25.6.1955, in: BArch, B 142/2017, Bl. 89. 72 Vgl. Wagner an Hagen, 6.8.1955, in: ebd., Bl. 85.

3.2 Ideologie und Wirtschaft 

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Er und Hagen trafen sich schließlich im August 1955 und vereinbarten ein offizielles Treffen der beiden Geschäftsführungen. Am 24. und 25. Januar 1956 kamen bei Wagner die jeweiligen Museumsspitzen zusammen. Wie Hagen richtig vermutet hatte, ging es um Marktabsprachen.73 Während sich Otto Kunkel im Nachhinein verhalten zuversichtlich zeigte, noch eine „Zusammenarbeit in irgendeiner Weise zu finden“,74 gab sich Hagen pessimistischer. Er widersprach der Annahme der Dresdner Delegation, dass das gemeinsame Interesse an der gesundheitlichen Volksbelehrung grosser (sic!) sei, als etwaige Differenzen in der politischen Anschauung. Demgegenüber wurde vom DGM darauf hingewiesen, dass die politischen Grundsätze der verschiedenen Regierungen sich zweifellos auch auf den Inhalt und die Darstellungsweise bei gesundheitlicher Volksbelehrung auswirken.75

Daraus schlussfolgerte Hagen eigentlich eine Position, die mit den Wünschen aufseiten des Hygiene-Museums kaum vereinbar war und die Kooperationsanfrage eigentlich ad absurdum führte: Die Zusammenarbeit muss also beschränkt bleiben auf Gebiete, bei denen die Differenzen in der Weltanschauung nicht in Erscheinung treten. Das Angebot der Gegenseitigkeit, d. h. der Vertrieb von Erzeugnissen des DGM in der Sowjetzone und die Veranstaltung von Ausstellungen im dortigen Bereich, ist ohne Interesse für das DGM.76

Hagen und Seiring ließen sich von drei unausgesprochenen Leitlinien lenken. Erstens betrachteten sie eine Konkurrenz mit dem Hygiene-Museum bei den Lehrmitteln als aussichtslos: Es biete eine größere Anzahl an Lehrtafeln zu einem niedrigeren Preis und von guter Qualität an; anatomische Lehrmodelle stelle es von besonderer Qualität und in „vorzüglicher Nachformung“ her, besser als die Vertragsfirmen des Gesundheits-Museums.77 Zweitens dürfe „weltanschaulich

73 Vermerk Hagen: Besprechung mit den Vertretern des Deutschen Hygiene-Museums in Heidelberg am 24./25.1.1956, 25.1.1956, in: ebd., Bl. 74–76. 74 Kunkel, Otto: Bericht über die Besprechung von Hagen und Seiring mit Friedeberger, Wagner und Kunkel, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut). 75 Vermerk Hagen: Besprechung mit den Vertretern des Deutschen Hygiene-Museums in Heidelberg am 24./25.1.1956, 25.1.1956, in: BArch, B 142/2017, Bl. 74. 76 Ebd., Bl. 74. 77 Vgl. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden, DHMD 2008/674, Bl. 29–65; Mühlenberend, Sandra: „Dingliche Sendboten in alle Welt“. Die anatomischen Lehrmodelle des Deutschen Hygiene-Museums, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015, S. 198–211.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

beeinflusstes Material, wie Lichtbilderreihen und Broschüren“78 keinesfalls in der Bundesrepublik vertrieben werden. Das Gesundheits-Museum müsse deshalb unbedingt rasch für ein umfänglicheres Angebot sorgen.79 Und drittens dürfen keine Ausstellungen des Hygiene-Museums in der Bundesrepublik zugelassen werden. Zwar sahen Hagen und Seiring voraus, dass Beteiligungen auf Messen und Industrieausstellungen aufgrund des fehlenden ministerialen Einflusses auf die privaten Veranstalter nur schwer zu verhindern waren. Eigene Wanderausstellungen des Hygiene-Museums mussten in der Bundesrepublik jedoch unterbunden werden.80 Die Aufklärungsmedien, die also Wissen kommentierten, narrativierten und selektiv präsentierten, galten im Gegensatz zu Tafeln und Modellen, welche solches reifizierten, als ideologisch gefährlich. Hier verlief für Hagen (und auch für Seiring) die Grenze zwischen Ideologie und Biologie, die sich mit der Differenzvorstellung von reiner und populärer Wissenschaft überschnitt – rein bildliche Repräsentationen galten für sie als harmlos. Ein Verständnis für eine Politik des Klassifizierens, das in der Veranschaulichung von Wissen enthalten ist, hatten sie nicht. Das Ergebnis der Verhandlungen entsprach der Ausgangshaltung aufseiten des Kölner Museums: Zwar durften nun die jeweiligen Handelsvertreter Produkte beider Seiten anbieten, auf Messen und Industrieausstellungen sollte das Hygiene-Museum aber nur dann auftreten, wenn das Gesundheits-Museum ebenfalls vertreten wäre. Jedwede weitere Kooperation wurde genauso abgelehnt wie eine offizielle Beteiligung des Gesundheits-Museums an einer Veranstaltung in der DDR oder überhaupt ein Besuch des Dresdner Museums durch Seiring oder Hagen, „solange nicht geordnete Beziehungen zwischen den beiderseitigen Regierungen hergestellt sind.“81 Der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik und der antikommunistische Generalverdacht machten letztlich eine Zusammenarbeit unmöglich. In summa schrieb Seiring im Juni 1956 schließlich an das Auswärtige Amt, dass eine Kooperation mit dem Deutschen Hygiene-Museum nicht zustande gekommen war, weil das Gesundheits-Museum in solch einer Verbindung nur der „Gebende gewesen wäre.“82 Die Beziehung zwischen den beiden Museen konnte nur noch eine konfrontative sein.

78 Alle Zitate: BArch, B 142/2017, Bl. 74. 79 Vgl.  den Überblick zu den Veröffentlichungen des DGM bis 1960: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden, DHMD 2008/674, Bl. 106–111. 80 Vermerk Hagen: Besprechung mit den Vertretern des Deutschen Hygiene-Museums in Heidelberg am 24./25.1.1956, 25.1.1956, in: BArch, B 142/2017, Bl. 75. 81 Ebd., Bl. 75. 82 Seiring an die Kulturabteilung des AA, 11.6.1956, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, B 94/131, 1956–1958, unpag.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

 243

Das Drängen des Deutschen Hygiene-Museums auf den westlichen Ausstellungsmarkt hatte ein Interessengeflecht aus Gesundheits-Museum, der Gesundheitsabteilung des BMI, dem AA und dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen entstehen lassen, in dem das Motiv der Abwehr des Dresdner Museums eine wirkmächtige Eigendynamik entfaltete. Seit Oktober 1956 insistierte beispielsweise das AA darauf, dass das Hygiene-Museum 1957 nicht auf der „Grünen Woche“ in Berlin ausstellen sollte, und beauftragte die Gesundheitsabteilung des BMI, entsprechend vorzugehen.83 Nachdem aufseiten des Bundesministeriums des Innern das DGM als eigenständiger Verein dargestellt worden war und es somit eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Museum verneinte, ergriff das AA selbst die Initiative. Mehrmals erinnerten die Mitarbeiter des Amts die zuständigen Organe  – die Berliner Ausstellungsgesellschaft (Berliner Ausstellungen) sowie den Berliner Senat  – an die außenpolitische Bedeutung davon, das HygieneMuseum aus Dresden zurückzuweisen und somit eine Präsenz im Schaufenster des Ost-West-Konflikts zu verhindern.84 Auf der anderen Seite sah man im Deutschen Hygiene-Museum, dass mit der Positionierung Seirings unter die „mehrfache politische Abhängigkeit des DGM“ eine Zusammenarbeit ohnehin schwierig werden würde. Aber zumindest ein Zwischenziel war erreicht: Die vorläufige Absprache mit Seiring, Wagner und Hagen ermöglichte dem Hygiene-Museum seine Expositionen und Lehrmittel in der Bundesrepublik zu zeigen. Die Lehrmittel des Hygiene-Museums und seine Beteiligung an Messen und Industrieausstellungen machten den Eisernen Vorhang porös.85

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind Eigentlich sanktionierte Hagen eine bereits begonnene Entwicklung, welche vonseiten des Gesundheits-Museums nicht mehr zu unterbinden war – was es gleichwohl versuchte. Das Hygiene-Museum hatte bereits seine Wege gefunden, um auf den Lehrmittel- und Ausstellungsmarkt zu gelangen, auch wenn dies nur über Beteiligungen auf Messen und Industrieausstellungen der Fall sein sollte. Beide Organisationen operierten international, wobei genauso um die Anerkennung 83 Vgl. Horst/AA an BMI, 27.10.1956, in: BArch, B 142/2016. Zur Grünen Woche in dieser Zeit siehe auch: Schultze: Land in Sicht, S. 215–232. 84 Vgl. Zoller/BMI an AA, 4.12.1956, in: BArch, B 142/2016; Roedel/AA-Dienststelle Berlin an AA, o. D. (vor dem 21. Januar 1957 und nach dem 4.12.1956), in: ebd. 85 Leitungssitzung der BPO, 2.2.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut).

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

der beiden Einrichtungen und der Staaten, die sie repräsentierten, gerungen wurde wie um die Absatzchancen der Lehrmittel.86 In den 1950er Jahren beteiligte sich das Dresdner Museum fünf Mal an kollektiven Ausstellungen in der Bundesrepublik und mehrmals an internationalen – jeweils Ereignisse, welche das Netzwerk des Gesundheits-Museums destabilisierten. Insbesondere die Beteiligungen des Hygiene-Museums an den Industrie- beziehungsweise Agrarausstellungen der DDR in Kairo 1954 und in Neu-Delhi jeweils 1955 und 1959 wurden in einem deutsch-deutschen Kommunikationsraum als Durchbrüche der Anerkennung des DHM gerahmt.87 Für beide Seiten waren die blockfreien und im Zuge der Dekolonisierung entstehenden Staaten Arenen eines Wettkampfes um Aufmerksamkeit.88 Es ging darum, wer im „Humanitarian-Regime“ des Kalten Krieges die unentschiedenen Dritten mit dem Nachweis der humanistischen Hilfsbereitschaft bei der Modernisierung der jungen Staaten von der moralischen Überlegenheit der jeweiligen Seite überzeugen konnte.89

86 Vgl.  hierzu die detaillierten Marktbeobachtungen in den Reiseberichten der privilegierten DHM-Vertreter im Sächsischen Hauptstaatsarchiv sowie BArch, B 310/341, passim. Zu den zusehends standardisiert und durch die Sicherheitsorgane der DDR kontrollierten Berichten der Reisekader: Gries, Sabine: Die Pflichtberichte der wissenschaftlichen Reisekader der DDR. Rahmenrichtlinien, Daten und Textaussagen, in: Voigt, Dieter (Hrsg.): DDR-Wissenschaft im Zwiespalt zwischen Forschung und Staatssicherheit, Berlin 1995, S. 141–168; Klussmann, Paul Gerhard: Berichte der Reisekader aus der DDR. Textform und Wertung im Horizont der Gattung, in: Voigt, Dieter (Hrsg.): DDR-Wissenschaft im Zwiespalt zwischen Forschung und Staatssicherheit, Berlin 1995, S. 131–137. Als stark (selbst-)zensierte Quellen legen diese genauso Spuren politisch-ideologischer Ängste, von Wünschen der SED nach internationaler Anerkennung sowie eines umfassenden Verfolgungsgefühls dar wie ihre eigentlichen Gegenstände. 87 Vgl. Kunkel: Kairo-Bericht der Industrieausstellung der DDR 1954; Damme: Bericht über die Industriemesse in Indien 28.10.1955 bis 1.1.1956; Damme: Beurteilung meiner Tätigkeit in Neu Delhi 20.2.1956; Damme: Betreuerbericht und die weitere Korrespondenz zwischen Delhi und Dresden 19.10.1955–25.12.55, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1; Baensch/Kreutel: Bericht über die Industriemesse 1959 in Neu Delhi, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd.  2a, 1958–1965, unpag.; Anonym: DDR  auf Weltagrarschau in Indien. Ausstellung „10 Jahre DDR“ und „Gläserne Kuh“ sind mit von der Partie, in: Neues Deutschland, 26.11.1959, S. 5. Zur deutsch-deutschen Wahrnehmung gerade der „Gläsernen Figuren“ in Ägypten und Indien: Kunkel, Otto: Das Deutsche Hygiene-Museum im Ausland, in: Deutsches Hygiene-Museum Dresden (Hrsg.): 50 Jahre Deutsches Hygiene-Museum Dresden. Zentralinstitut für medizinische Aufklärung der Deutschen Demokratischen Republik, Dresden 1962,  S.  23–24; BArch, B 142/2018, 1961–1967, unpag. 88 Vgl. Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, B 94/131; Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, MfAA LS-A 393, 1960; Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, MfAA A 15803, 1963–1966. 89 Vgl.  insbesondere mit Blick auf gesundheitliche Entwicklungshilfe und die Rolle des Hygiene-Museums: Hong, Young-sun: Cold War Germany, the Third World, and the Global Humanitarian Regime, New York 2015, S. 177–214 sowie Sammer, Christian: Politik des Unpolitischen.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

 245

Die Präsenz des Hygiene-Museums auf internationalen Wirtschaftsausstellungen war eine Sache, eine ganz andere stellten jedoch Expositionen auf dem Bundesgebiet dar. Weil in diesen Passagepunkten der jeweiligen Gatekeeper (wie  bspw. des internationalen Lehrmittelverbands) des westlichen Markts gerade das Hygiene-Museum mit seiner Bekanntheit und mit seinem erworbenen Prestige wuchern konnte, entschied sich dort letztlich die Wirksamkeit des Alleinvertretungsanspruchs des Gesundheits-Museums in allen Belangen der hygienischen Volksbelehrung.90 Darüber hinaus waren sie Kontaktzonen der Begegnung der Museumsrepräsentanten miteinander.

München, Oktoberfest 1955 – Ernährung und Wohnkultur Sich in München zu zeigen, „um als das Zentralinstitut für medizinische Aufklärung der Deutschen Demokratischen Republik auch in Westdeutschland wieder den guten Ruf des Hygiene-Museums zu festigen“91, unterstützte der Minister für Gesundheitswesen sofort, wie der Absatzleiter des HygieneMuseums Otto Kunkel im Juli 1955 an die Kammer für Außenhandel meldete. Immerhin ging es darum, „zur Steigerung des Absatzes unserer Produktion“92 beizutragen. Nach weiteren Zusagen des Ministeriums für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (MAIH) habe Kunkel in „persönlichen Verhandlungen

Gesundheitsaufklärung im Global Humanitarian Regime, 2018, http://www.bpb.de/geschichte/ zeitgeschichte/deutschlandarchiv/263389/politik-des-unpolitischen-gesundheitsaufklaerungim-global-humanitarian-regime, 11.9.2019. 90 Vgl. hierzu auch die Auseinandersetzung um die Rechte an der Marke „Hygiene-Museum“: Das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen untersagte 1960 dem Kölner Museum schließlich die bis dahin gängige Bezeichnung als Nachfolgeeinrichtung des Dresdner Museums – so verständlich der Versuch aus Köln auch sei, Bekanntheit und Prestige aus Dresden für die neue Einrichtung zu nutzen. Ausschlaggebend war die Sorge, dass eine erfolgreiche Unterlassungsklage in der Bundesrepublik, die das Dresdner Museums angedroht hatte, indirekt auch die Anerkennung der DDR durch ein Gericht der Bundesrepublik bedeuten könnte. Vgl.  Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen an BMI, 1.2.1960 und Stralau an den Oberbürgermeister der Stadt Köln, 24.2.1960, in: BArch, B 142/2017, Bl. 18. Zur Vorgeschichte dieser Auseinandersetzung: Seiring an Hagen, Hünerbein, Vonessen, 5.5.1955 – vertraulich, in: BArch, B 310/341; Kunkel, Otto: Bericht über die Rücksprache mit dem Generalvertreter für das Gebiet der BRD, 18.12.1959, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 3, 1954–1960, unpag; Friedeberger als Direktor DHM & Stellvertreter an Petri, 3.12.1959, in: BArch, DQ 1/20544, 1960, unpag. 91 Vgl. Kunkel an Kammer für Außenhandel, 23.7.1955, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 55/54, 1955, unpag., hier S. 1. 92 Ebd., S. 4.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

mit dem Ausstellungsdirektor in München“93 350m2 Fläche für einen günstigen Preis und an einem besuchergünstigen Ort zugesprochen bekommen. Kunkel zählte auf, welche Exponate, Lehrmittel und ganze Ausstellungsgruppen mit nach München genommen werden sollten. Er bat die Kammer, dafür die benötigten Devisen von 10 000 DM bereitzustellen, um die Ausstellung vor Ort auch betreiben zu können – inklusive Trinkgelder von insgesamt 30 DM.94 Kunkels Ausführungen und Auflistung zeigen, wie wichtig dem Museum seine Präsenz vom 16. September bis 2. Oktober 1955 in München war. Nicht nur der Organisationsaufwand zeugt davon, der in der Absprache mit insgesamt sieben unterschiedlichen Stellen steckte, sondern ebenfalls die Teilnahme des Museumsdirektors Friedeberger sowie der schiere Umfang der zu präsentierenden Dinge: Eine „Gläserne Frau“, drei Kleinausstellungen (die aus jeweils ca.  20 Tafeln bestanden), eine Ausstellungsgruppe „Vorratsschädlinge in Haus und Hof“, bestehend aus neun Holzmodellen, elf Tafeln und 39 Moulagen, ein „Durchleuchtungskasten“ mit vier Mikroskopen, ein „biologischer Schaukasten“ mit fünf Modellen, fünf Spalteholz-Präparate, fünf anatomische Modelle, vier Stopfpräparate, sechs Dorfmodelle und neunzehn Lehrtafeln wurden nach München verschickt. Diese Objekte waren aus dem Bestand des HygieneMuseums thematisch passend ausgewählt und zusammengestellt worden.95 Die Kleinausstellungen waren en bloc zu kaufen – für einen Betrag zwischen 3000 und 6000 DM.96 Es war diese Ausstellung, welche letztlich den Ausschlag für Hagens Treffen mit den Dresdner Museumsvertretern im Januar 1956 gab und ebenso für seine Schlussfolgerung, solche Auftritte nicht mehr verhindern zu können. Schon weit im Vorfeld war aufseiten des Deutschen Gesundheits-Museums bekannt geworden, dass das Hygiene-Museum sogar bereit war, für die Ausstellung eine Standmiete zu begleichen und ein Auftritt Dresdner Exponate somit kaum aufzuhalten war.97 Das offerierte aber auch eine Gelegenheit, viele der Exponate und Lehrmittel des Hygiene-Museums in Augenschein zu nehmen.98 93 Ebd., S. 1. Zur Geschichte des innerdeutschen Handel als politisches Instrument: Fäßler, Peter E.: Durch den „Eisernen Vorhang“. Die deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 1949–1969, Köln u. a. 2006. 94 Kunkel an Kammer für Außenhandel, 23.7.1955, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658,  Nr. 55/54, hier S. 5 f. 95 Vgl. ebd., S. 2–4. 96 Vgl. Buurmann (BMI) an Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen & an das AA; 5.2.1955: Beziehungen zwischen dem Deutschen Gesundheitsmuseum in Köln und dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden, in: BArch, B 310/341. 97 Ebd. 98 Vgl. Seiring an Vorstandsmitglieder, 28.9.1955, in: ebd.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

 247

Eigentlich hätte das Ausstellungsereignis in München den Vorstandsmitgliedern des Kölner Museums klarmachen sollen, dass die Bezichtigung der kommunistischen Propaganda nicht bei allen Ausstellungsgesellschaften gegen deren kommerzielle Interessen verfing. Gleichwohl intensivierten sie jedoch die Verwendung dieser ideologischen Trope. Ihnen blieb auch kaum ein anderer taktischer Zug. Den Anlass dafür gab ein Zeitungsartikel, den Kunkel geschrieben hatte und der vermutlich zwischen Herbst 1955 und Frühjahr 1956 erschienen war. In der entsprechenden Akte des Bundesarchivs ist der Publikationsort mit Dresdner Zeitung vermerkt. Bleibt die Provenienz auch unklar, so referierte Kunkel doch in der in den Beständen des Bundesgesundheitsministeriums abgelegten und bearbeiteten Kopie von der Ausstellung des Dresdner Museums in München. Oben links im Artikel war das Schlüsselexponat „Gläserne Frau“ als Illustration abgebildet, die als „weitgereiste Dame“ die internationale Anerkennung und die humanistischen Intentionen der DDR verkörperte (vgl. Abb. 26). Trotz der Unterstellungen der ideologischen Propaganda, so Kunkel, hätte das DHM endlich eine Möglichkeit gefunden, in der Bundesrepublik auszustellen. Seine Exposition habe einen hervorragenden Eindruck bei den Münchnern hinterlassen und damit Folgendes erreicht: Das Bestehen unserer souveränen Republik läßt sich durch keine Propaganda des ‚großdeutschen Konrad‘ oder des ‚gesamtdeutschen‘ Jakob (wie man Adenauer und Kaiser bezeichnet) in der Bevölkerung mehr leugnen. […] Der erste Start im Westen unserer Heimat war ein guter Erfolg, der sich nicht nur auf das nicht mehr aufzuhaltende gesamtdeutsche Gespräch, sondern auch auf unsere Verkäufe an Lehrmitteln auswirken wird.99

Die Unterstreichungen in der Kopie des Zeitungsartikels aus dem Bestand der Gesundheitsabteilung des Bundesministerium des Innern geben Auskunft darüber, was einigen Trägern des Kölner Museums an diesem Text als wichtig erschien: Der Beleg einer kommunistischen Propaganda, sobald man den Dresdnern die Präsenz im Westen erlauben würde. Genau registriert wurde, wer das Hygiene-Museum nach München eingeladen hatte, wie viele Besucher gezählt wurden und welche Honoratioren unter ihnen waren und den Ausstellungsstand damit würdigten. Selbstverständlich wurden Kunkels Spitznamen für den Bundeskanzler Konrad Adenauer und den Minister für gesamtdeutsche Fragen und Mitbegründer des „Kuratoriums Unteilbares Deutschland – Ausschuss für Fragen der Wiedervereinigung e. V.“ – Jakob Kaiser unterstrichen. Auch Kunkels Einlassungen wurden hervorgehoben, dass man das Oktoberfest bei diesen Preisen nicht mehr volkstümlich nennen könne und dass die vielen amerikanischen Bars den Eindruck erweckten, 99 Kunkel, Otto: Eine weitgereiste Dame, o. D., in: BArch, B 142/2017, Bl. 68.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Abb. 26: Kunkel, Otto: Eine weitgereiste Dame.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

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„nicht mehr in einer deutschen Stadt zu sein.“100 Aus der Perspektive der Akteure des Gesundheits-Museums waren am Artikel zwei Punkte problematisch: Kunkel insinuiere mit antiamerikanischen Anklängen, für die deutsche Einheit zu stehen und das Dresdner Museum sei in der Bundesrepublik gewürdigt worden.101 Kunkels Artikel wurde annotiert, kopiert und verschickt. Er wurde unter den Ausstellungsgesellschaften und Organisationen, die Ausstellungen verantworteten, als Beleg für die kommunistische Propaganda genutzt, die in die Bundesrepublik einsickere, sobald man dem Hygiene-Museum Präsenz gewähre. Das macht nun zweierlei deutlich: Die Museen hatten mit ihren Ausstellungen eine deutschlandpolitische Propagandafunktion insofern, als dass sie eine „soft power“ auf die Wahrnehmungen auf beiden deutschen Seiten ausübten. Ebenfalls bestand überdeutlich eine asymmetrische Bezugnahme zwischen Ost- und Westdeutschland – doch die DDR-Organisation orientierte sich nicht etwa ängstlich oder bewundernd an der Einrichtung in der Bundesrepublik. Das Gegenteil war der Fall.

Bremen, Spätsommer 1956 – Landwirtschaft und Wirtschaft Die Ausstellung im September 1955 war jedoch nur ein Vorspiel im kostspieligen Drängen des Hygiene-Museums auf den westdeutschen Lehrmittelmarkt. Zum eigentlichen Durchbruch des Dresdner Museums kam es ein Jahr später – wieder auf einer Agrarmesse  – auf der Bremer Ausstellung Landwirtschaft und Wirtschaft vom 24. August bis 13. September 1956. Das lag unter anderem daran, dass Kunkel geschickt die Unzufriedenheit der Ausstellungsgesellschaft mit dem Kölner Gesundheits-Museum nutzte. Jenes habe nämlich im Jahr zuvor nur „Werbung betrieben“ und „nichtssagende Themen mitgebracht.“102 Die Bremer Messe- und Ausstellungsgesellschaft zeigte sich von der damaligen Exposition aus Köln derart enttäuscht, dass es auch die letzten Versuche vonseiten des Kölner Museums abblockte, eine Präsenz des Hygiene-Museums zu verhindern.103 Wiederum lag es aber vor allem an der Bereitschaft, Standgebühren zu bezahlen,

100 Ebd. 101 Die gerade erlangte Souveränität der Bundesrepublik (Mai 1955), die alliierte Gipfelkonferenz in Genf (Juli 1955) und die neuen diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesregierung und der Sowjetunion (September 1955) nach „Adenauers Moskaureise“ machten im Jahr 1955 die bipolare Spaltung Deutschlands evident. 102 Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, Oktober 1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1, hier S. 1. 103 Vgl. Bremer Messe- und Ausstellungs-Gesellschaft an das DGM, 21.7.1956, in: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 423A, Acc. 2, A 2084, 1956, Bl. 8 f.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

die dem Hygiene-Museum den Weg nach Bremen eröffnete und ihm am Ende ein stattliches Defizit von 70 000 DM bescherte.104 Kunkel hatte arrangiert, dass das Hygiene-Museum genau zu der Zeit in Bremen ausstellte, in der auch die Lehrmittelmesse didacta stattfand. Dieser galt das eigentliche Augenmerk. Am Widerstand des tragenden Verbandes war eine Teilnahme des DHM an ihr jedoch gescheitert. Laut des extra dafür „betrunken gemachten“ Sekretärs des Verbandes hatte dieser aber dem Drängen des engeren Vorstands des Gesundheits-Museums, insbesondere Max Adenauers und „Bonner Ministerialbeamten“, nachgegeben.105 Das Dresdner Museum hatte seit Anfang des Jahres mit dem Sekretär des Verbandes in Verhandlungen gestanden. Dieser hatte die Leitlinie ausgegeben, dass eine Zulassung des Dresdner Museums nur dann möglich sei, wenn eine Übereinkunft mit dem Deutschen Gesundheits-Museum getroffen würde.106 Das jedoch scheiterte. Der Verband, so Kunkel in einem Bericht an seinen Direktor Walter Friedeberger, schätze zwar die Produkte des Hygiene-Museums, aber in der politischen Auseinandersetzung sei dieser schwach. Die Messegesellschaft habe aber eine Ausstellung in einem Bildungszentrum etwas abseits des städtischen Messegeländes akzeptiert.107 Auch zu dieser Gelegenheit brachte das Hygiene-Museum mit, was es zu bieten hatte: ein „Gläsernes Pferd“, zwei Kleinausstellungen, anatomische Modelle aus dem vermeintlich robusteren und zugleich formbareren Material der Zukunft: Plastik; alle anatomischen Lehrtafeln im Verkaufssortiment sowie 60 Moulagen und Spalteholz-Präparate, auch die in Kunstharz.108 Letztere, deren Herstellung Franz Tschackerts Sohn für das DGM 1955 zum Patent angemeldet hatte, galten zur Mitte der 1950er Jahren als strapazierfähige Fortentwicklung einer Spezialität des Hygiene-Museums und der objektgestützten hygienischen Volksbelehrung.109 Wie jedoch auch bei den Gläsernen Figuren gelang es letztlich in der DDR nicht,

104 Kunkel oder Kühn: Bericht über die Ausstellungen des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1, hier S. 10. 105 Vgl. ebd., hier S. 5. 106 Vgl. Protokoll der Parteileitungssitzung des Hygiene-Museums, 2.2.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut). 107 Vgl.: Kunkel an Friedeberger: Zweiter Wochenbericht, o.  D. (Anfang September 1956), in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1. 108 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, Oktober 1956, in: ebd., hier S. 2. 109 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, in: ebd., hier S. 9 f.; Tschackert, Fritz: Patentschrift: Verfahren zum Einbetten eines durchsichtigen menschlichen oder tierischen Organs in ein Polyesterharz, 4.8.1955/1957 und zu den Präparaten allgemein Kap. 1.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

 251

die autarke Entwicklung und Versorgung des Museums mit einem geeigneten Kunststoff sicherzustellen. Die deshalb nötigen Rohstoffimporte aus dem Westen machten die Präparate teuer.110 Und weil sich die Kunststoffmodelle auf dem Lehrmittelmarkt eh zum Brot- und Buttergeschäft entwickeln sollten, wurde das anatomische Labor, welches im Museum die entsprechenden Präparate herstellte, schließlich 1971 geschlossen.111 Die Ausstellungsbeteiligung in Bremen ermöglichte dem DHM nun zweierlei: erstens die bloße Präsenz auf einer Ausstellung mit deutschlandpolitischer Dimension. Trotz Friedebergers öffentlichen Beteuerungen, dass das Museum nur friedlich und unpolitisch seine Leistungen präsentieren wolle, musste die Delegation andauernde Diskriminierungen ertragen und verkraften. Auch wurde versucht, die Beteiligung des Museums zu verschweigen, so Otto Kunkels Berichte.112 Dafür, dass die Exposition jedoch auch aktiv zur Anerkennung des sozialistischen Staates beitragen sollte, wurde die Staatsflagge der DDR sichtbar angebracht, wo immer es möglich war. Landwirtschaft und Wirtschaft wurde hierin als Erfolg beurteilt, da politische Amtsträger wie der damalige Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Kai-Uwe von Hassel (1913–1997), den Stand des Hygiene-Museums besucht hatten.113 Dem DHM war diese Beteiligung auch aus einem zweiten Grund eminent wichtig.114 Auf der Landwirtschaftsmesse hatte sich eine Allianz der dort ausstellenden Lehrmittelhersteller gebildet, die erfolgreich eine Verlängerung der Ausstellung aushandelte. Dadurch überschnitt sie

110 Vgl. Damme, Egon: Bericht der Dienstreise nach Bremen, zur Messe „Kunststoff für alle“ in Münster und zum Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Gießen, 20.9.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1. Vgl. ferner: Vermerk Hagen, 25.1.1956: Besprechung mit den Vertretern des Deutschen Hygiene-Museums in Heidelberg am 24./25.1.1956. BArch, B 142/2017, Bl. 74. Zur langsamen Wendung der Kunststoffbedeutungszuschreibung von einem minderwertigen Ersatz- zu einem gleichberechtigten Werkstoff. Vgl. hierzu: Westermann, Andrea: Plastik und politische Kultur in Westdeutschland, Zürich 2007. 111 Vgl. Behling: Anatomisches Labor, S. 53–61, 68–76. 112 Von denen parteipolitisch auch verlangt war, solche Kriterien der vermeintlichen Diskriminierung der DDR zu thematisieren. Vgl. Kunkel, Otto/Auerwald, Richard: Brief an Friedeberger über Bremen 24.8.1956; Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, Oktober 1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1, hier S. 5–8. 113 Vgl. ebd.; Friedeberger und Kunkel an HA Wissenschaft im Ministerium für Gesundheitswesen: Reisebericht über die am 19. und 20.9.1957 nach Hannover und Bremen durchgeführte Dienstreise, o. D., in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1. 114 Das kommt alleine schon in der Größe der Delegation (elf Personen) zum Ausdruck. Zu dieser gehörte das gesamte Leitungspersonal des DHM. Siehe hierzu: Protokoll der Parteileitungssitzung des DHM, 6.7.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut).

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

sich zeitlich mit der didacta.115 Das Drängen auf Aufmerksamkeit und auf Marktchancen hatte schließlich doch die ideologisch motivierte Abgrenzung überwunden. Friedebergers Argument, der in Ost und West geteilte Topos der politischen Unschuld und inhärenten Friedfertigkeit der Objekte der hygienischen Volksbelehrung, mag seinen Beitrag dazu geleistet haben. Für das Hygiene-Museum bedeutete die Synchronizität der Ausstellungen, die feilgebotenen Lehrmittel der Mitbewerber auf der didacta begutachten, die eigenen für ein entsprechendes Fachpublikum sichtbar machen und diese mit denen der Wettbewerber abgleichen zu können.116 Selbstverständlich wurden auch konkrete Verkaufsgespräche geführt.117 In der Delegation übernahmen der Direktor, Walter Friedeberger, und der wissenschaftliche Leiter, Rolf Thränhardt, die politische Ebene, der Leiter des Vertriebs, Otto Kunkel, und der Produktionsleiter, Egon Damme, die technisch-kaufmännische. Kunkel fasste seine Beobachtungen dahingehend zusammen, dass das Hygiene-Museum im Bereich der anatomischen Modelle und der Lehrtafeln unumstritten an der Spitze der Qualitätsprodukte stehe. Hier sehe er keine „ernstzunehmende (sic!) Konkurrenz aus dem Westen, aus dem Ausland schon gar nicht.“118 Problematischer, so ist in Kunkels Marktbeobachtung weiter zu lesen, sehe die Marktlage allerdings bei Moulagen und Lichtbildern aus. Während letztere aus dem Dresdner Museum zu teuer, aber nachgefragt seien, interessiere sich für die Wachsnachbildungen krankhaft veränderter Körperteile niemand mehr.119 Die Lehrmittel müssten stattdessen so robust wie möglich gebaut werden, damit sie auch in die Hand genommen werden könnten.120

115 Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, Oktober 1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1, hier S. 1 f. 116 Freilich hatten Mitarbeiter des DHM auch vorausgegangene Messen der didacta besucht und dort die Lehrmittel kontrastiv begutachtet. Siehe bspw. hierzu: Damme, Egon: Bericht über die 3. Europäische Lehrmittelmesse in Ludwigsburg, 11.9. bis 17.9.1954; Kunkel, Otto: Bericht über die Lehrmittelmesse in Ludwigsburg, o.  D.; Europäischer Lehrmittelverband: Presseberichte über Ludwigsburg, in: ebd. 117 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, Oktober 1956, in: ebd., hier S. 14–21. 118 Ebd., hier S. 9. 119 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, Oktober 1956, in: ebd., hier S. 10. 120 Vgl.  Damme, Egon: Bericht der Dienstreise nach Bremen, zur Messe „Kunststoff für alle“ in Münster und zum Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Gießen, 20.9.1956; Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, Oktober 1956, in: ebd., hier S. 2 bzw. 14.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

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Auch für die Fachöffentlichkeit der DDR betonte das Hygiene-Museum die Notwendigkeit einer Rationalisierung seiner Lehrmittel. Modelle und Plastik statt biologischem Material und flüssigen Konservierungsmitteln im Glas stünden für die Zukunft einer standardisierten Lehrmittelproduktion billigerer, handlicherer, widerstandsfähigerer und anschaulicherer  – dadurch aber auch schematischerer – Demonstrationsmittel. Präparate und Moulagen, die vor allem auf die Naturtreue ihrer Materialisierung abhoben, könnten nur noch für höhere Schulen und exklusiveres Fachpublikum verwendet werden.121 In diesem Ausblick der Medienentwicklung spiegelte sich eine Verschiebung im Selbstverständnis der hygienischen Volksbelehrung als kommerzielle Praxis der Lehrmittelproduktion – eine Bewegung weg von der exakten Visualisierung der Anatomie hin zur schematischeren und anschaulicheren Demonstration von typischen Zusammenhängen in rationell fertigbaren Modellen; weg von der biologischen Authentizität, hin zur pädagogischen Anschaulichkeit. Eng verbunden mit dem Kriterium der Verständlichkeit des reduziert Typischen war dabei das der Interaktivität. Zusammen mit Gebhards konzeptionellen Aussagen zu einem modernen Gesundheitsmuseum (mit Blick auf die Testapparate der Ausstellung Erkenne Dich selbst), die in Kapitel 2.1 erwähnt worden sind, entsprach die Forderung, mit den strapazierfähigen Objekten in eine haptische Beziehung zu treten, ganz der neuen Leitlinie der Fortentwicklung der Lehrmittel der hygienischen Volksbelehrung in der Mitte der 1950er Jahre: Sie mussten den avisierten Empfänger involvieren, ihn fesseln, ihn berühren lassen. Nur dadurch sahen die Lehrmittelentwickler und Marktbeobachter eine Chance gegeben, dass das reifizierte Wissen anverwandelt werden könnte. Die Exaktheit der Wissensmaterialisierung spielte eine untergeordnete Rolle; zur zentralen Frage wurde vielmehr, wie Wissensvermittlung am besten eine Veränderung des Handelns bewirken könne. Das natürlich unterwarf die Dinge in ihrer Konzeptualisierung und Produktion der sozialen Welt ihrer Rezipienten, ihren imaginierten Vorstellungen und Interessen. Und so wurden Objekte (wie zum Beispiel Moulagen), die diesem Rationalisierungs- und Modernisierungsprinzip nicht entsprachen, sukzessive aus dem Universum der Lehrmittel verdrängt. Dazu passt auch, dass Kunkel als Lehre aus Bremen notierte, lateinische Krankheitsbegriffe seien auf den Moulagen zu vermeiden, weil sie nicht verstanden würden.122 Der Interdiskurs, der auf diesen Lehrmitteln geschrieben war, verschob sich von der Fachsprache in Richtung einer elementaren, in Richtung der Sprache der Betrachter und nicht der Zeigenden. 121 Vgl. Thränhardt, Rolf: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden als Lehrmittel-Anstalt, in: Wissenschaftliche Annalen 5/1956, S. 517–524. 122 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Ausstellung des DHM in Bremen vom 24.8. bis 13.9.1956, Oktober 1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 1, hier S. 13.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Aus Bremen zogen die Akteure auf beiden Seiten unterschiedliche Lehren. Aufseiten des Hygiene-Museums hatte man einen genauen Überblick darüber bekommen, welche Objekte zu welchen Konditionen Aufmerksamkeit erhalten und Absatzchancen erlangen konnten. Um die politischen Ziele zu erreichen, so schlussfolgerten Kunkel und Damme, mussten zukünftig Expositionen in der Bundesrepublik in „modernster Aufmachung“123 präsentiert werden, an denen auch an den kleinsten Äußerlichkeiten gefeilt werden musste.124 Für das Gesundheits-Museum wiederum hatte der Auftritt des Hygiene-Museums grundlegende Auswirkungen. Nicht nur schien die argumentative Taktik des Antikommunismus bei den Messegesellschaften nicht mehr zu greifen; zu ihr bestand darüber hinaus auch – abgesehen von ihrer Intensivierung – keine ernstzunehmende Alternative.125

Bochum, Mai 1958 – Richtig Wirtschaften Die Maxime Hagens, dass bei Beteiligungen des Hygiene-Museums auf Messen in der Bundesrepublik auch das Gesundheits-Museum präsent sein müsse, kam vom 10. bis 18. Mai 1958 in Bochum zum Tragen – wieder auf einer im Hinblick auf Gesundheitsaufklärung thematisch eher peripheren Veranstaltung. Die dortige Ausstellung wurde zum Anlass eines  – im Vergleich zu Bremen  – intensiveren Austausches zwischen den Mitarbeitern und Leitern der beiden Museen. Ein weiteres inoffizielles und eigentümlich konfrontatives Aufeinandertreffen hatte es auf der 3. Konferenz der Union internationale d’education pour la santé/ International Union for Health Education of the Public/Internationalen Union für Gesundheitserziehung (IUHEP) 1956 in Rom bereits gegeben. Die IUHEP war fünf Jahre zuvor als „Weltparlament der Gesundheitserzieher“ gegründet worden, das den Erfahrungs- und Wissensaustausch sowie die Institutionalisierung von nationalen Vereinigungen und Berufsverbänden für Gesundheitserziehung fördern wollte.126 Im Nachklang der Gründung der Weltgesundheitsorganisation (WHO)

123 Ebd., hier S. 13. 124 Damme, Egon: Bericht der Dienstreise nach Bremen, zur Messe „Kunststoff für alle“ in Münster und zum Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Gießen, 20.9.1956, in: ebd. 125 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands am 21.8.1956, in: BArch. B 142/2013, Bl. 74–80; Zoller an König (Westfalenhalle Dortmund), 6.2.1958, in: BArch. B 142/2017, Bl. 50 sowie den Schriftwechsel hierzu Bl. 34–56. 126 Vgl.  Lamarre, Marie-Claude: L’Union internationale de promotion de la sante et d’education pour la sante. Un reseau professionnel mondial, in: Promotion & Education 15/2008, S. 76–79; Berlivet: Uneasy Prevention; Parisot, Jacques: Message, in: International Journal of Health Education

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

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(1946/1948) verdichtete sich ein transnationales Netz der Gesundheitsaufklärung, das von einer Generation vermeintlich unpolitischer Expertenweltbürger*innen geknüpft wurde. Diese Kohorte verband die geteilte Vorstellung, globale Probleme der Gesundheit nur mit Mitteln der internationalen Kooperation lösen zu können und, angesichts der Weltlage am Ende der 1940er Jahre, auch lösen zu müssen.127 Dieser internationale Verband der Gesundheitsaufklärer stellte mit seinen Konferenzen, der didacta gleich, eine internationale Bühne im Tätigkeitsbereich beider Einrichtungen dar, auf welche das Hygiene-Museum als Repräsentant der DDR-Regierung zum Zwecke der internationalen Anerkennung mit Macht drängte. Auf der Konferenz in Rom war das Hygiene-Museum im Gegensatz zum Gesundheits-Museum gar nicht eigenständig aufgetreten, sondern hatte einige seiner Objekte und Schaustücke auf dem Stand des Deutschen Roten Kreuzes der DDR untergebracht. Die Ausstellung auf dem Gelände der Esposizione Universale di Roma präsentierte somit zwei „Gläserne Frauen“ – eine aus dem Hygiene-, die andere aus dem Gesundheits-Museum. Zudem zeigte das Hygiene-Museum anatomische Modelle und einige Lehrtafeln.128 Die Lehrmittel des Museums und das DHM selbst waren aber unter dem Signet als eigene Marke sichtbar geworden.129 Genau dies befürchtete auch Seiring, als er nochmals das AA um finanzielle Unterstützung bat. Sein Museum könne dem Dresdner Museum ohne politische und finanzielle Unterstützung nur „vorbildliche Arbeit entgegensetzen.“130 Bis zur Ausstellung in Bochum zeitigte die Abwehrhaltung vonseiten des DGM und seiner Träger noch einige Erfolge. So hatte sich 1956 zwar Friedeberger intensiv um eine Teilnahme des Hygiene-Museums an einer Ausstellung des Kneipp-Bundes in Hannover bemüht. Der Wunsch des Bundes, das Kölner Museum zu ersetzen, war vorhanden; Vorverhandlungen waren bereits

1/1958,  S.  2; Viborel, Lucien: What is the IUHEP?, in: International Journal of Health Education 1/1958, o. S. 127 Sichtweise und Kollektiv hatten sich in den 1920er Jahren bereits im weiteren Umfeld des Völkerbundes stabilisiert und in Form einiger erster Zusammenschlüsse bisweilen sogar institutionalisiert. Vgl. hierzu: Zimmer, Thomas: Welt ohne Krankheit. Geschichte der internationalen Gesundheitspolitik 1940–1970, Göttingen 2017. Stellvertretend für die IUHEP siehe: Viborel, Lucien: How the Union was born, in: International Journal of Health Education 1/1958, S. 108–110. 128 Das wiederum betrachtete der Berichterstatter des Roten Kreuzes als deplatziert, weil die Ausstellung keine „Verkaufsmesse“ sei. Vgl. N. N. Das Deutsche Rote Kreuz und die Gläserne Frau in Rom 1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 1, 1952–1957. 129 Vgl. ebd. 130 Vgl. Seiring an die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts, 11.6.1956, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, B 94/131.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

abgeschlossen.131 Im Januar 1956 hatte Hagen noch auf dem offiziellen Treffen mit Friedeberger vermittelt, dass eine Beteiligung des Hygiene-Museums auf jeglichen Jahresausstellungen des Kneipp-Bundes nicht erwünscht sei.132 Letztlich funktionierte in diesem Fall die Taktik der Vertreter des Gesundheits-Museums. Das Hygiene-Museum wurde wieder ausgeladen. Dies wiederholte sich sogar nochmals zwei Jahre später.133 Und ebenfalls erfolgreich war dieses Vorgehen 1958 in Dortmund, als sogar der Bundesminister des Innern Gerhard Schröder selbst das Votum unterschrieb, das Hygiene-Museum keinesfalls an der Ausstellung Wohne und lebe zeitgemäß zu beteiligen. Auf die Anfrage Kunkels schrieb man an die Gesellschaft der Westfalenhalle, man dürfe dem „Propagandainstitut der sowjetischen Besatzungszone“ für die Verherrlichung des Ostens kein Forum geben, auch wenn dies sehr „geschickt“ geschehe.134 1959 setzte der technische Leiter des Gesundheits-Museums nochmals nach und schrieb mit dem gleichen Inhalt alle Gesundheitsabteilungen der Landesregierungen an.135 Doch für Bochum im Mai 1958 reichte der politische Einfluss des BMI auf die Veranstalter und das entsprechende Engagement vonseiten des GesundheitsMuseums nicht. Im Arbeitsbericht des Kölner Museums ist zu lesen: „Wir erfuhren zu kurzfristig von der Veranstaltung, sodass wir die Veranstalter nicht veranlassen konnten, das DHM rauszuschmeißen. Andere Versuche des DHM konnten im Vorfeld unterbunden werden.“136 Auch der Einfluss des Deutschen Roten Kreuzes in der Bundesrepublik und der DDR – beide Gesellschaften waren über die Mitgliedschaft in der Rotkreuzliga international anerkannt und miteinander im Gespräch – untergrub die Ausgrenzungsbemühungen. So blieb auch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen bei seiner Linie, die Verbindungen zwischen Ost und West nicht abreißen zu lassen und verweigerte sich den Bitten aus dem Gesundheits-Museum, Kaufempfehlungen für Lehrmittel des DHM vonseiten des bundesrepublikanischen Roten Kreuzes oder westdeutscher Medizinordinarien

131 So sahen diese vor, dass sich das Dresdner Museum im Gegenzug für die Ausstellungsgelegenheit, welche mit der „Gläsernen Frau“ und gegen eine Standgebühr durchgeführt werden sollte, um die Zulassung des Kneipp-Bundes in der DDR bemühen sollte: Vgl. Friedeberger/Kunkel: Reisebericht über die am 19. und 20.9.1957 durchgeführte Dienstreise, o. D., in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1. 132 Vgl. Vermerk Hagen, 25.1.1956: Besprechung mit den Vertretern des DHM in Heidelberg am 24./25.1.1956, in: BArch, B 142/2017, Bl. 74. 133 Petri an BAfgV, Anfang 1958, in: BArch, B 310/115, 1957–1960, unpag. 134 Schröder an Helmut König, 6.2.1958; und ebenfalls: Vermerk für Herrn Staatssekretär am 5.2.1958, in: BArch, B 142/2017, Bl. 50 und 51–56. 135 Vermeulen an Gesundheitsabteilungen, 12.6.1959, in: ebd., Bl. 34. 136 Arbeitsbericht des Deutschen Gesundheits-Museums 1958/1959, in: Landesarchiv NordrheinWestfalen, NW 366, Nr. 16, 1958–1960, Bl. 48.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

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zu verhindern. Das laufe den Prinzipien einer Marktwirtschaft zuwider, so die Position des Ministeriums.137 Zum Ende der 1950er Jahre konterkarierten das Deutsche Rote Kreuz, aber auch Messegesellschaften, Lehrmittelhersteller und -vertreter wie auch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen die ideologisch grundierten Versuche der Träger des Kölner Museums, das DHM aus dem Markt der Bundesrepublik herauszuhalten. Als Argument wurde angeführt, selbst entscheiden zu wollen, welche Lehrmittel oder Aussteller man nehme. Das Gesundheits-Museum könne sich ja dem Wettbewerb mit dem Konkurrenten aus Dresden stellen.138 Marktwirtschaftliche Überlegungen amalgamierten hier mit dem Sentiment der überpolitischen Bemühungen um Gesundheit und dem Abschwächen eines antizipatorischen Konformismus gegenüber der öffentlichen Verwaltung. So kam es dazu, dass beide Museen eine Woche lang in Bochum ausstellten. Dem gemeinsamen Themenfeld war geschuldet, dass der Stand des HygieneMuseums, der die neue Wanderausstellung Wie werde ich 100 Jahre alt?139, eine „Gläserne Frau“ und ein Querschnitt durch die Lehrmittelproduktion präsentierte, sich direkt neben den Ausstellungseinheiten Arbeit und Muße und Anatomie des Gesundheits-Museums befand.140 Auch dieses Mal war es über den Veranstalter zur Teilnahme des Hygiene-Museums an einer Ausstellung in der Bundesrepublik gekommen.141 Anscheinend spielte der Organisator in Bochum sogar die Rolle eines Kommunikators. Er gab in beide Richtungen auf Nachfrage Hinweise, was die jeweils andere Seite zu präsentieren beabsichtigte, um „ja etwas Neues und Anderes zu zeigen.“142 Unmittelbar vor der Ausstellung, so Kunkel, habe sich

137 Vgl. Petri an Gesundheitsabteilung BMI, 27.3.1958, in: BArch, B 142/2017, Bl. 39–41. 138 Vgl. DRK in der BRD an BMI, Fachverband der Lehrmittelhersteller der BRD an BMI sowie die Kommunikation zwischen BMI und dem Verband deutscher Rentenversicherungsträger, in: ebd., Bl. 25 f., 36, 38. 139 Diese griff eine Formulierung Fritz Lickints (1898–1960) auf, der in beiden deutschen Staaten als renommierter Rauch- und Krebsbekämpfer galt: Lickint: Der Goldene Schnitt. Vgl. zur Ausstellung auch knapp Kap. 2.4. 140 Vgl. Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 16, Bl. 80; Kunkel, Otto: Bericht über die Beteiligung an der Westdeutschen Hauswirtschaftlichen Fachausstellung ‚Richtig Wirtschaften‘. 5.6.1958, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 2a. 141 Vgl. zu einer Vielzahl von gescheiterten Verhandlungen, bei denen dieses Argument wiederum griff, die zeitgenössischen Gespräche zwischen Kunkel und dem Veranstalter der Michaelis-Woche in Gütersloh 1958–1960, oder die mit Horst Kinold vom Messe- und Ausstellungsdienst Ravensburg. Bei letzteren wurde vonseiten des DHM die Anerkennung der DDR zur expliziten Bedingung einer Beteiligung gemacht. (Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 60/28, 1958–1960, unpag.). 142 Kunkel, Otto: Bericht über die Beteiligung an der Westdeutschen Hauswirtschaftlichen Fachausstellung ‚Richtig Wirtschaften‘, 5.6.1958, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd.  2a.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

das Gesundheits-Museum mit dem Argument, das Dresdner Museum werde nur Propaganda betreiben, massiv gegen die Ausstellung des Dresdner Museums ausgesprochen. Das Vorzeigen von Lehrmitteln passe nicht zum ideellen Zweck der Ausstellung und das Deutsche Gesundheits-Museum habe auch noch nicht in der DDR ausstellen dürfen. In dieser Argumentation kam nicht nur wieder der Topos der ideologischen Abgrenzung zum Tragen, auch Reflexe der Ungleichbehandlung und der Kommerzkritik schienen durch.143 Überspringt man Kunkels topische Einlassungen zur Diskriminierung des Museums, sind vor allem drei Aspekte an dieser Ausstellung interessant: die genaue gegenseitige Beobachtung, die informellen Gespräche, die sich zwischen den Vertretern beider Einrichtungen ergaben, und die von beiden Seiten präsentierten, stark individualisierenden Hygiene-Vorschriften. So bestätigte sich für Kunkel der Eindruck von der Bremer Ausstellung 1956: Die größten Publikumserfolge seien die interaktiven Leucht-, Prüf- und Testapparate gewesen, wie zum Beispiel der Apparat zur Überprüfung der Zitterbewegung der eigenen Hand. (vgl. Abb. 27). Die Besucher*innen steckten dabei einen Metallstift in eine vorgefräste Zickzacklinie und bewegten diesen in ihr von links nach rechts. Stellte sich ein Kontakt zwischen Stift und Aussparung her, signalisierte ein ertönendes Geräusch eine unruhige Handbewegung. Als behutsame Veränderung gegenüber den Maschinen der Ausstellung Erkenne dich selbst bezweckte die Interaktion zwischen Besucher*in und Gerät hier damit weniger die Abgleichung individuellen Leistungsvermögens mit einer gesetzten biophysischen Norm, sondern eher die unterhaltsame Demonstration einer körperlichen Normalität.144 Auf einer Ausstellung in der Bundesrepublik, die so attraktiv und modern wie möglich und zugleich so unpolitisch wie nötig zu sein hatte, müssten genau solche Exponate verstärkt Anwendung finden. Auch ein Blick auf den Stand des Gesundheits-Museums habe nochmals affirmiert, dass „Besucher etwas wollen, mit dem sie spielen können.“145 Das Kölner Museum habe nämlich einen „Gläsernen Torso“ präsentiert, bei dem nicht eine vorgegebene Beleuchtungsreihenfolge beherzigt wurde, sondern ein Knopfdruck die entsprechenden Organe des Körperinneren aufstrahlen ließ. Gegenüber einem

Vgl. ebenfalls: Kunkel, Otto: Bericht meiner Dienstreise nach Heidelberg und Stuttgart vom 24.3. bis 28.3.1958, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1. 143 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Beteiligung an der Westdeutschen Hauswirtschaftlichen Fachausstellung ‚Richtig Wirtschaften‘. 5.6.1958, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 2a. 144 Vgl. Kap. 2.3: Erkenne dich selbst. 145 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Beteiligung an der Westdeutschen Hauswirtschaftlichen Fachausstellung ‚Richtig Wirtschaften‘. 5.6.1958, in: Hauptstaatsarchiv Dresden/13658, Rb/1 Bd. 2a.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

Abb. 27: „Prüfe die Zitterbewegung Deiner Hand“. Testapparat der Ausstellung Wie werde ich 100 Jahre alt?

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

solchen Exponat sei der „gläserne“ Frauenkörper des Hygiene-Museums abgefallen und habe sich als „nicht mehr zugkräftig“146 erwiesen. Des Weiteren notierte Kunkel, dass nicht nur Anfragen nach weiteren Auftritten des Hygiene-Museums in der Bundesrepublik gestellt worden seien, sondern auch, dass er mit den Betreuern der Ausstellung des GesundheitsMuseums ins Gespräch gekommen sei. Kunkel schrieb nach Dresden und Berlin, dass die Kölner Einrichtung eigentlich nur noch Expositionsbeteiligungen verantworten würde und Probleme bei der Fertigung von mechanischen Modellen und wissenschaftlichen Zeichnungen habe. In Köln, so Kunkel, halte man Filme für das neue Leitmedium der Gesundheitsaufklärung. Und schließlich fasste der kaufmännische Leiter des Hygiene-Museums auch eine Nachfrage der Ausstellungsbegleiter aus Köln zusammen: Die ehemaligen Dresdner, explizit der Zeichner Martin Röhl, seien nun am Gesundheits-Museum ausgeschieden. Doch Horst Hühnemann, der die damalige Version des Markenzeichens des Hygiene-Museums entworfen hatte, sei offenbar in Köln auf der Suche nach einer Beschäftigung vorstellig geworden. Und nun hätten die Kölner Kunkel gefragt, ob besagter „republikflüchtiger“ Hühnemann auch ein guter wissenschaftlicher Zeichner sei.147 Es ist eine Form der Normalisierung der Beziehungen, die sich in dieser Zusammenfassung abzeichnet. Die Gesundheitsaufklärung im geteilten Deutschland blieb zwar politisiert, gleichwohl deutete sich aber auch eine Verschiebung an. Die Kommerzialisierung der Anlässe des Aufeinandertreffens sowie die Abschwächung der Homologie auf personeller Ebene durch das Ausscheiden der ehemaligen Dresdner Mitarbeiter*innen aus dem Netzwerk der hygienischen Volksaufklärung implizierte eine Entwicklung hin zur Koexistenz beider Einrichtungen. Und auch eine konzeptionelle Änderung der Gesundheitsaufklärung schien in der kritischen Bewertung der Exponate durch. Beide Museen hatten sich nämlich dazu entschieden, ihre Standpräsentation in zwei Teile zu differenzieren. Der anatomischen Gruppe, zu welcher jeweils entsprechende „Gläserne Figuren“, Modelle, Präparate oder Moulagen gehörten, wurde ein individualpräventiv-hygienischer Ausstellungsteil beigefügt. Sowohl in Arbeit und Muße als auch in Wie werde ich 100 Jahre alt? ging es um die für die Gesundheit bestmögliche alltägliche Lebensführung des Individuums. Während sich das Gesundheits-Museum auf die richtige Freizeitgestaltung kaprizierte,

146 Ebd. 147 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht über die Beteiligung an der Westdeutschen Hauswirtschaftlichen Fachausstellung ‚Richtig Wirtschaften‘, 5.6.1958, in: ebd.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

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folgte die Ausstellung des Hygiene-Museums einer Differenzierung nach Lebensphasen, um die „Aussichten auf Lebensverlängerung“148 zu erhöhen. Im allgemeinverständlichen Ausstellungsführer hieß es: Die Natur macht uns nur in ganz groben Umrissen Vorschriften für unser Verhalten während der einzelnen Lebensabschnitte. Unsere Aufgabe muß es sein, die einzelnen Phasen, vor allem die Zeit vor der Reife, der vollen Entfaltung der Persönlichkeit, zu nützen, um den letzten Abschnitt, das Greisen- und Matronenalter, möglichst lange fernzuhalten.149

Im Prinzip bestand in beiden Fällen die Anleitung zu einem richtigen Lebenswandel im moralisierenden und individualisierenden Kurzschluss von Vorstellungen der Vernunft und Gesundheit mit solchen der Mäßigkeit und der Diszipliniertheit. Während aufseiten Kölns gefordert wurde, die Freizeit als zur Arbeit distinkte Zeit zur aktiven Erholung (zum Beispiel durch Briefmarkensammeln) oder durch den sinnvollen Wechsel aus Ruhe und Reiz zu nutzen, forderte die Dresdner Seite generell eine aktive und kontrollierte Lebensführung. Gemäß der Ausstellung Wie werde ich 100 Jahre alt? bedeutete ein dermaßen bewusster und selbstbeherrschter Lebenswandel, regelmäßig zu schlafen und mit Saunagängen und Kaltduschen den Kreislauf abzuhärten; die Zähne mussten täglich geputzt werden; man sollte regelmäßig gemischte Kost zu sich nehmen, Sport treiben, den Körper mit Kosmetika pflegen, sich von Alkohol, Tabak, Kaffee und Tee fernhalten und die Nerven vor übermäßigen Reizen der Umwelt schonen. Wenn der staatliche Gesundheitsschutz in Anspruch genommen werde, um mit Vorsorge, Behandlung und Nachsorge die beiden bedeutendsten Todesursachen – Herz-Kreislauf-Störungen und maligne Tumore – zu umgehen, dann winke ein langes Leben – nicht nur den oberen Zehntausend, sondern – im Sozialismus – allen.150 Die gesunde Lebensführung wurde hier sozialistisch gerahmt und als Überlappung von kollektiver und individueller Gesellschaftsund Lebensordnung in einer Dialektik aus Umwelt und Körper beschrieben. Die Gesellschaft bilde sich nämlich ab auf der Großhirnrinde, die wiederum für alle Steuerungen des Körpers zuständig sei. Eine noch nicht perfekte Gesellschaft

148 Deutsches Hygiene-Museum Dresden/Schmieder, Heinz (Hrsg.): Wie werde ich 100 Jahre alt? Ein Ratgeber für vernünftige Lebensführung, Berlin 1957, S. 44. 149 Ebd. 150 Vgl. ebd., S. 44–110 und die Fotodokumentation der Ausstellung in der Sammlung des Deutschen Hygiene-Museums Dresdens: Leporello 46.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

mache daher einerseits die Menschen krank. Andererseits könne nach diesem dialektischen Denkstil eine Veränderung nicht nur über den Wandel der Gesellschaft erfolgen, sondern auch individualpräventiv durch den Wandel des individuellen Verhaltens.151 Die Ausstellung bereitete die hygienisch-politischen Zusammenhänge subtiler und auch polyvalenter auf als der allgemeinverständliche Führer. So schien beispielsweise beim bereits besprochenen Prüfapparat zur Zitterbewegung erst in Verbindung mit dem auf dem Gerät befindlichen und kommentierenden Text ein diskretes, ideologisches Deutungsangebot auf, nach dem die Unruhe der Hand eng mit dem „Zustand des Nervensystems“ zusammenhänge. Ebenso individualisierte die Exposition stärker, indem in ihr neben dem in hellen Farben gehaltenen Bild eines sportlichen Greises (vgl. Abb. 28) die Verantwortung für das individuelle Altern auf einer kontrastiv dunkel gehaltenen und mit Absätzen und Sperrschrift möglichst explizit formulierenden Tafel klar dem Einzelnen zugeschrieben wurde: „Der Mensch stirbt nicht, er tötet sich!“, durch Unkenntnis, „unzweckmäßige Gewohnheiten“, präventive Untätigkeit sowie durch den Genuss von Giften wie Alkohol und Tabak (vgl. Abb. 29). Die doppelte apodiktische Prognose  – das Versprechen, 100 Jahre alt werden zu können sowie die Versicherung, sich durch eine ungesunde Lebensführung zu töten  – schrieb dabei nicht nur dem Individuum die alleinige Verantwortung zu, sondern grenzte sich ausdrücklich vom so wirkmächtigen Wunschbild der ewigen Jugend ab, das in der allgemeinverständlichen Ausstellungsbroschüre auch bemüht wurde. Nicht die Vorstellungen der Verjüngung bewarben in der Exposition nun die Ausstellungsmacher*innen, sondern den „Kampf dem Altwerden“ – ein weiterer Handlungsappell an die erwachsenen Besucher*innen, durch ihr eigenes Zutun so lange wie möglich ihre Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit zu erhalten.152

151 Vgl. zum forcierten Pavlov-Paradigma der 1950er Jahre in der DDR: Kap. 4.2 und 4.3.; zur metaphorischen Parallelität mit Lingners Bezeichnung des Gehirns als leitenden Organs des (Zellen-)Staats: Kap. 2.1. 152 Vgl. Stoff, Heiko: Ewige Jugend. Konzepte der Verjüngung vom späten neunzehnten Jahrhundert bis ins Dritte Reich, Köln 2004. Anvisiert war wohl hier die Generation zwischen 44 und 69 Jahren, die laut der damaligen Alterspyramide die obere Ausbuchtung konstituierte und ca. ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachte. Siehe hierzu: https://service.destatis.de/bevoelkerungspyramide/#!y=1959&v=2, 20.4.2020.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

Abb. 28 und 29: Ausstellungstafeln für Wie werde ich 100 Jahre alt?

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Abb. 28 und 29 (fortgesetzt)

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

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Düsseldorf, Mai 1959 – 4. Konferenz der Internationalen Union für Gesundheitserziehung 1959 gelang dem Hygiene-Museum schließlich der Durchbruch in seinen Bemühungen, in der Bundesrepublik und zugleich international anerkannt zu werden. Ihm glückte es nämlich, seine neue Wanderausstellung mit dem Namen ABC des Lebens auf der 4. Konferenz der IUHEP vom 2. bis 9. Mai 1959 zu platzieren. Diese Exposition war eine Weiterentwicklung der Bochumer Exposition Wie werde ich 100 Jahre alt. Man hatte die Lehren aus den vorangegangen Ausstellungen im Westen gezogen und viele interaktive Apparate eingefügt, die stark an Neuauflagen aus der Ausstellung Erkenne Dich selbst von 1951 und wiederum an deren Vorgänger erinnern. Allerdings wurde die politische Rahmung, die materialistische Physiologie als Brückenglied der Mensch-Umwelt-Dialektik und das sozialistische Versprechen auf ein 100 Jahre langes, jugendliches Leben, herausgenommen. Die Düsseldorfer Ausstellung verankerte das Hygiene-Museum nicht nur im internationalen Verband der Gesundheitserzieher, der IUHEP. Sie untergrub auch die Position der Gesundheitsabteilung im Bundesministerium des Innern, bei nichtkommerziellen Ausstellungen gleichzeitige Präsenzen von west- und ostdeutschen Organisationen kategorisch abzulehnen. In diesem Fall nämlich organisierte zwar der Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung (BAfgV) – der 1954 gegründete und vom BMI finanzierte Freiwilligenverband der an hygienischer Volksbelehrung Interessierten – als formell einziges deutsches Mitglied der IUHEP die Konferenz. Er musste sich aber mit dem Verband absprechen und einigen. Das Hygiene-Museum hatte sich durch den Generalsekretär Lucien Viborel (1883–1959), Herausgeber des französischen Standardwerks der hygienischen Volksbelehrung von 1930, aber bereits 1957 als aktives Mitglied im Verband eintragen lassen.153 Gegen diese wohl bereitwillige Tat seitens der Pariser Zentrale der IUHEP opponierte der Bundesausschuss entschieden. Letztlich konnte sich 153 Vgl. Vermerk Friedeberger, 2.7.1959, in: BArch, DQ 1/20542, 1959, unpag. Zu Viborel: Canaperia, Giovanni/Turner, Clair E./Parisot, Jacques: In Memoriam Lucien Viborel, in: International Journal of Health Education 3/1960, S. 2–5; Bonah, Christian: “A Word from Man to Man”. Interwar Venereal Disease Education Films for Military Audiences in France, in: Bonah, Christian/ Laukötter, Anja (Hrsg.): Screening Diseases: Films on Sex Hygiene in Germany and France in the First Half of the 20th Century. Special Issue Gesnerus 72/1, Basel 2015, S. 15–38; Danet, Joël: Represantation of Dangerous Sexuality in Interwar non-fiction Sex Hygiene Films. A FrancoGerman Comparison, in: Bonah, Christian/Laukötter, Anja (Hrsg.): Screening Diseases: Films on Sex Hygiene in Germany and France in the First Half of the 20th Century. Special Issue Gesnerus 72/1, Basel 2015, S. 39–55. Zu Plänen und Struktur der Düsseldorfer Konferenz: Viborel, Lucien: Progress and Plans for the Duesseldorf Conference, in: International Journal of Health Education 2/1959, S. 2–7.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

jedoch der BAfgV mit seinen Argumenten nicht durchsetzen, dass eine Organisation aus der DDR nur als staatliche begriffen werden könne, die Aufnahme einer solchen der Satzung der IUHEP widerspreche, und ohnehin nur ein koordinierender Verband pro Staat Mitglied werden könne.154 Dem Hygiene-Museum wurde erlaubt, eine Ausstellung auf der 4. Konferenz – ausgerechnet in Düsseldorf – zu präsentieren.155 In diesem Fall hatte nicht die Macht des Marktes die antikommunistisch motivierte Abgrenzungshaltung vonseiten der bundesrepublikanischen Vertreter überwältigt, sondern die Internationalität der Entscheidungsgremien, welche offenbar für den noblen Zweck der Gesundheitsaufklärung kein Verständnis für die deutsch-deutsche Auseinandersetzung aufbrachten. Während diese Entscheidung in der Bundesrepublik heftigen Streit und gegenseitige Schuldzuweisungen von DGM und BAfgV nach sich zog, zeitigte dieser Erfolg auf ganzer Linie für das Hygiene-Museum zwiespältig Effekte: Noch stärker als 1958 in Bochum mischte sich nunmehr das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA) in die Gestaltung des Ausstellungsstandes ein, zu der Zeit als Kunkel in Bad Godesberg die Verhandlungen mit dem BAfgV führte. Das Ministerium bestand darauf, dass weder das Hygiene-Museum als alleinverantwortlich sichtbar gemacht noch dessen Mitarbeiter als exklusive Vertreter vor Ort sein würden. Präsentation und Repräsentanten sollten ein Kollektiv der DDR bilden, das einer Direktive unterworfen wurde: Die Ausstellung habe als eine der DDR zu firmieren, und im Fall einer Zurückweisung eines weltbekannten Museums sei in der Presse mit einem demonstrativen Auszug zu drohen. Bei jeglicher Benachteiligung der DDR hätte die Delegation die Ausstellung umgehend abzubauen und das Gelände zu verlassen.156 Die Abordnung wurde entsprechend breit aufgestellt mit Vertretern der Wissenschaft (darunter, als Doyen der hygienischen Volksbelehrung, Rudolf Neubert), des Hygiene-Museums, des Deutschen Roten Kreuzes, der Ärzteschaft sowie der Ministerien für Volksbildung, für Gesundheitswesen und für Auswärtige Angelegenheiten. Bis zur letzten Tafel wurde das Ministerium für Gesundheitswesen – und damit vermutlich auch die anderen beteiligten Stellen – über die Exponate des Museums unterrichtet.157 Unter strenger politischer Kontrolle sollte 154 Vgl. Vermerk: Vertretung der Ostzone in der IUHEP, 18.6.1958, in: BArch, B 142/397, 1953–1958, Bl. 522. 155 Indirekt zu schlussfolgern aus der Niederschrift über die Vorstandssitzung vom 19.3.1959, in: BArch, B 142/398, 1959–1962, Bl. 17–28. 156 MfAA an den stellvertretenden Minister Walter Axel Friedeberger, 17.2.1959; Friedeberger an MfAA, 18.2.1959, in: BArch, DQ 1/20542. 157 Vgl. Protokoll über die Abschlussbesprechung der IV. Konferenz der IUHEP in Düsseldorf im Ministerium für Gesundheitswesen am 1.6.1959, in: ebd.; Damme, Egon: Ausstellungsmaterial für die Ausstellung anläßlich der 4. Konferenz der IUHEP in Düsseldorf, 3.4.1959, in: BArch, DQ 1/20313, 1959–1960, unpag.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

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die Ausstellung aus einem angenommenen Blickwinkel des Westens heraus das Beste der DDR repräsentieren – die staatlichen Bemühungen um die Gesundheit des Einzelnen, verdinglicht in herausragend gestalteten Anschauungsmaterialien. Letztlich war es die „außenpolitische Offensiv-Politik“ der DDR, welche die Ausstellung formte und vom Hygiene-Museum erzwang, „von unserer Seite aus jede nur mögliche Unterstützung zu geben.“158 Das Dresdner Museum hatte sich damit endgültig als Instrument der Auslandspropaganda der DDR manifestiert. Konnte der BAfgV schon nicht die Präsenz des Hygiene-Museums verhindern, so gelang es ihm immerhin, das Exekutivkomitee der IUHEP davon zu überzeugen, die Ausstellung der DDR an einem abseitigen Standort innerhalb des Düsseldorfer Messegeländes zu positionieren. Die Exposition wurde denen der IUHEP, der Internationalen Liga des Roten Kreuzes und des Deutsches Roten Kreuzes, denen der Kultusministerien der Bundesländer und der des Gesundheits-Museums in einer Nebenhalle nachgeschaltet. Um dem Auftritt der DDR so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zukommen zu lassen, hatte das Kölner Museums auf Anraten des Bundesministeriums des Innern ebenfalls die wichtigen Seiten der relevanten Ausgabe der Zeitschrift der IUHEP für sich reserviert, damit das „ostzonale“ Institut dort nicht annoncieren konnte.159 Beide Organisationen mussten also Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse teilen und anderen Zwecken dienen als denen des Lehrmittelmarktes oder der Gesundheitsaufklärung. Die Gliederung der DGM-Ausstellung folgte einer thematischen Ordnung.160 Sie zeigte zwei Filme, eine Plakatserie zur Gesundheitserziehung in der Schule, mehrere Lehrbeispiele in Form von Unterrichtseinheiten, eine Kleinausstellung zur spinalen Kinderlähmung, die Themen Anatomie und Zahngesundheit sowie eine Auswahl von Lehr- und Lernmitteln zur Verwendung in allgemeinbildenden Schulen. Das Hygiene-Museum hingegen präsentierte die Wanderausstellung ABC des Lebens, zwei Kleinausstellungen Rauchen oder nicht rauchen und Der Alkohol. Freund oder Feind? sowie diverse Lehrtafeln, Büchervitrinen und Fotos (vgl.  Abb.  30).161 Torsi aus Plexiglas, Tafeln, Relieftafeln und Experten  – einerseits im weißen Kittel, andererseits im Anzug  – waren Teil beider üppig floral gestalteter Ausstellungen (vgl. Abb. 31).

158 Friedeberger an Schrödel, 29.10.1959, in: BArch, DQ 1/20544. 159 Brief Petri an Stralau, 23.11.1958, in: BArch, B 310/115. 160 Vgl. Niederschrift über die Vorstandssitzung vom 19.3.1959, in: BArch, B 142/398, Bl. 17–28. 161 Vgl. Ausstellung 1959 in Düsseldorf (4. IUHEP), in: BArch, B 310/115; Damme, Egon: Ausstellungsmaterial für die Ausstellung anläßlich der 4. Konferenz der IUHEP in Düsseldorf, 3.4.1959, in: BArch, DQ 1/20313; Protokoll über die Abschlussbesprechung der IV. Konferenz der IUHEP in Düsseldorf im Ministerium für Gesundheitswesen am 1.6.1959, in: BArch, DQ 1/20542.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

Abb. 30: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden. Zentralinstitut für medizinische Aufklärung der Deutschen Demokratischen Republik auf der 4. Konferenz der IUHEP, Mai 1959.

Abb. 31: Stand des Deutschen Gesundheits-Museums – Zentralinstitut für GesundheitsErziehung der Bundesrepublik Deutschland auf der 4. Konferenz der IUHEP, Mai 1959.

3.3 Wo sich Kollegen treffen: Ausstellen beim Klassenfeind 

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Es war der Leiter der Produktionsabteilung im Dresdner Museum, Egon Damme, der diese Aufnahmen machte. Nahezu minutiös hielt dieser die Ausstellungen fest. Man selbst, so Damme, habe eine attraktive Präsentation, insbesondere durch mechanische Schränke, Apparaturen und Modelle aufgeboten.162 An der Arbeit des Instituts der Tschechoslowakischen Republik könne man sehen, dass die sparsame Verwendung von Text die Aufnahmefähigkeit der Besucher fördere. Das Deutsche Gesundheits-Museum habe vor allem mit seinem „Gläsernen Torso“ und den Präparaten in Kunstharz Aufmerksamkeit erlangt. Die Torsi, um Arme und Beine reduzierte „Gläserne Figuren“, brachten durch ihre Bedienbarkeit in Form von Knöpfen auf dem Sockel, deren Betätigung einzelne Organmodelle beleuchtete, nicht nur ein interaktives Element in diese zentralen Schaustücke beider Museen. Sie stellten auch deutlich mobilere und robustere Varianten der „Gläsernen Menschen“ dar und lagen damit genau im Entwicklungstrend von Exponaten der hygienischen Volksbelehrung. Auf diese und ebenfalls auf großformatige Fotos beziehungsweise Tafeln sowie bewegliche Modelle und Leuchtschränke setze man künftig verstärkt in Köln, eine Entwicklung, die man in Dresden genauesten beobachten sollte, so Egon Dammes Fazit.163 Auf der 5. didacta im selben Jahr in Darmstadt sollte „der Stand der westlichen Lehrmittelentwicklung“ noch detaillierter von Damme und einem Kollegen aus der wissenschaftlichen Abteilung erfasst und ausgewertet werden – und zugleich ein entsprechendes fachliches Gespräch zum Alltag gehören. Damme berichtete dabei freimütig von seinen Unterhaltungen mit Vertretern des Deutschen Gesundheits-Museums und davon, dass Kunkel die Informationsunterlagen und Bestellkataloge des Kölner Museums mitgenommen habe. Der Markt, so Damme, sei insgesamt dichter und rationeller geworden. Die Prävalenz von Lichtbildern, Tafelwerken und anatomischen Modellen zeichne sich als Folge davon ab. Sobald die neuen Kunststoffe auch aus der DDR qualitativ verlässlich seien und das Hygiene-Museum intern eine strengere Qualitätskontrolle durchführen würde, bestünden sehr gute Chancen, in einer Zurschaustellung entsprechender Lehrmittel international zu brillieren. Mit Neuentwicklungen und Modelldiver162 Vgl.  Damme, Egon: Bericht über die Teilnahme am Internationalen Symposium über die Alterung von Kunststoffen an der 8. Deutschen Kunststofftagung und den Besuch der Kunststoffmesse in Düsseldorf vom 19.10. bis 23.10.1959, 27.10.1959, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 2. 163 Vgl.  Damme, Egon: Bericht der 4. Konferenz der IUHEP, 22.5.1959, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd.  2a. Einen solchen Torso hatten die Vertreter des DHM bereits auf der Ausstellung des DGM in Bochum gelobt. Sie selbst setzten einen „gläsernen“ Torso – das ebenfalls bedienbare Modell eines im 5./6. Monats schwangeren Frauenkörpers  – seit 1953 in der Dresdner Hausausstellung ein. Vgl. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Bildbestand DHMD 2018/892.1–11.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

sifizierungen müsse der bisherige Vorsprung der Werkstätten des Museums zu halten sein – wenn man diesen nur ausreichend sichtbar machte. 1959 war das DHM nämlich noch nicht Mitglied des Lehrmittelverbandes und damit nicht berechtigt, auf der didacta auszustellen.164 Damme schaute sich beide Ausstellungen in der Bundesrepublik 1959 mit Interesse an der Technik der Lehrmittel an und überlegte, wie eine Exposition zur Gesundheit Ende der 1950er Jahre anziehend gestaltet werden könne. Aus politischem Blickwinkel war die Exposition in Düsseldorf ein Gewinn für die an der Delegation und an dem Kollektivstand beteiligten Ministerien – bis auf eine Ausnahme. Die Abordnung der DDR hatte bemerkt, dass ein Rostocker Arzt sich mit den Vertretern des Bulgarischen Instituts für Gesundheitsaufklärung unterhalten und über das Hygiene-Museum als „zu politisch“ beschwert hatte. Folglich hatte die Delegation in Zukunft noch geschlossener aufzutreten und die Präsenz nicht reglementierter Reisender aus der Deutschen Demokratischen Republik zu unterbinden. Davon abgesehen zählte zu den Erfolgen vor allem der kleine Schritt Richtung einer Mitgliedschaft in der IUHEP und damit einer internationalen Anerkennung und Teilhabe.

3.4 Zusammenfassung Mit den Ausstellungen in der Bundesrepublik war das Hygiene-Museum auf den westlichen Märkten der Gesundheitsaufklärung und der biologischanatomischen Lehrmittel angekommen. Das Reklamieren eigener Entscheidungsbefugnisse der Veranstalter und die Kraft in der Prävalenz marktwirtschaftlicher Überlegungen drängten die Entwicklung in diese Richtung. Die in diesem Kapitel vorgelegten Fallstudien zeigen aber auch, dass die Leitideen aus Propaganda, Kommerz und Gesundheitsaufklärung ein Amalgam bildeten, und situativ in jeweils spezifischen Mischungen handlungsleitend wurden. Auf diesem Markt war es das Museum aus Dresden, welches über mehr Prestige, über ein breiteres Spektrum an Lehrmitteln und Ausstellungen sowie über größere finanzielle Mittel verfügte als das DGM. Die Vertreter des Hygiene-Museums besaßen genug kaufmännisches und technisches Sachverständnis, um die Positionierungschan164 Vgl. Fischer, Udo: Bericht über die Dienstreise und den Besuch der V. didacta in Darmstadt, 6.10.1959; Damme, Egon/Weidler: Einschätzung der V. didacta in Darmstadt und Schlussfolgerungen für die Arbeit der Werkstätten des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, 26.10.1959, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 2. Siehe ebenso den Katalog der didacta: Deutscher Lehrmittelverband in Verbindung mit dem Europäischen Lehrmittelverband (Hrsg.): 5. DIDACTA. 5. Europäische Lehrmittelmesse, Schlüchtern 1959, S. 8, 121, 123.

3.4 Zusammenfassung 

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cen des Museums auf diesen Märkten und deren Entwicklungen abzuschätzen. Auf den Märkten bestand die Verflechtung der beiden Organisationen in einer wechselseitigen, bereichsabgängigen Asymmetrie. Während das DHM um Anerkennung warb und eine „soft power“ des Humanismus und des Einheitswillens der DDR repräsentierte, mussten die Verbündeten des Gesundheits-Museums ein fachfremdes Ideologem  – die Unterstellung sozialistischer Propaganda durch das Hygiene-Museum verbunden mit dem Appell, diese zu verhindern – zu Hilfe nehmen, um Anteile im Aufmerksamkeits- und Lehrmittelmarkt nicht nach Dresden zu verlieren. Dieses wurde sukzessive schärfer formuliert, verfing hingegen jedoch immer seltener. Das lag auch daran, dass weitere Spieler auf das Feld traten, die – wie das Beispiel der Konferenz der IUHEP 1959 in Düsseldorf offenbar macht  – für die deutsch-deutsche Eigentümlichkeit und den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik wenig Verständnis zeigten. Nicht nur wurde es für das HygieneMuseum zunehmend aussichtsreicher, sich unter erheblichem Einsatz finanzieller Mittel in den Lehrmittelmarkt der Bundesrepublik und damit auch in den Aufmerksamkeitsmarkt einer ausstellenden Gesundheitsaufklärung mit seinen Exponaten und Lehrmitteln einzukaufen. Es taten sich auch neue Schauplätze der Auseinandersetzung in Form der neuen Nationalstaaten auf. Die Dekonolisation führte zu einem Messen der Blöcke, welches Entwicklungsmodell das moralisch bessere und modernere war. Die Märkte verbanden die beiden Organisationen auf einer formellen, die Bekanntschaften zwischen Seiring und seinen ehemaligen Mitarbeitern aus Dresden auf einer persönlicher Ebene. Zu diesem Kreis gehörte nicht nur der Vertreter des Hygiene-Museums in der Bundesrepublik, Reinhold Wagner. So sollte es zum Beispiel Hermann Karl (*1918) sein, Ministerialrat im Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Ärzte und Mitglied in der Kommission Gesundheitswesen im Parteivorstand der SPD, der dem Hygiene-Museum (nach Meinung Kunkels) „die vielen Wege für die Ausstellung in Düsseldorf [die IUHEP Konferenz 1959, C.S.] geebnet hatte.“165 Karl hielt einerseits eine deutsch-deutsche Kooperation auf einem aus

165 Kunkel an Friedeberger, 29.10.1959, in: BArch, DQ 1/20544. Vgl. ebenso hierin: Vertrauliche Aktennotiz Walter Friedebergers über ein Gespräch mit Hermann Karl, 20.5.1959. Zu Hermann Karl siehe: Stöckel, Sigrid: Wandel medi(k)aler Öffentlichkeiten? Standespresse als Gestaltungsraum intraprofessioneller und gesellschaftspolitischer Diskurse in der frühen Bundesrepublik, in: Brandt, Sebastian/Klein, Christa-Irene/Kopp, Nadine/Paletschek, Sylvia/Prüll, Livia/Schütze, Olaf (Hrsg.): Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit in Westdeutschland (1945 bis ca. 1970), Stuttgart 2014, S. 343–367, S. 350 f. und Lenhard-Schramm: Nordrhein-Westfalen und Contergan, Anm. 1293.

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 Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz

seiner Sicht politikfreien Gebiet wie dem der Gesundheitsaufklärung für unproblematisch. Andererseits trieben ihn auch persönliche Wünsche an: Er hoffte schlichtweg darauf, seine Mutter in der DDR wiedersehen zu können. Das blieb ihm jedoch als Beamten der Bundesrepublik verwehrt.166 Persönliche Verbindungen und Empfindlichkeiten traten in der Beziehungsgeschichte der Museen zwar immer wieder auf, doch gerieten sie insgesamt immer mehr in den Hintergrund. In der DDR trennte das MfS alte Verbindungen, in der BRD das Ausscheiden Seirings und seiner Getreuen im Laufe der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Als 1956 die intendierte Marktaufteilung scheiterte, wurden die Relationen zwischen den Organisationen förmlich und zunehmend konfrontativ. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre verfestigte sich damit die Abgrenzung der beiden Museen voneinander – aber auch die konkurrierende Koexistenz wurde alternativlos. Zugleich zogen in der Bundesrepublik und in der DDR staatliche Stellen der Gesundheitsverwaltung die Verantwortlichkeit für die Gesundheitsaufklärung als Prävention zusehends an sich. Dadurch wurden das alte Modell des Deutschen Hygiene-Museums und der hygienischen Volksbelehrung aus den 1920er Jahren mitsamt der überkommenen Lehrmittel infrage gestellt. Auf organisationaler, konzeptioneller und medialer Ebene gerieten beide Museen in die Kritik und in einem sich wandelnden institutionellen Arrangement des öffentlichen Gesundheitswesens in eine Krise.

166 Vgl.  Vertrauliche Aktennotiz Walter Friedebergers uber ein Gesprach mit Hermann Karl, 20.5.1959, in: BArch, DQ 1/20544.

Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge: Der Niedergang der hygienischen Volksbelehrung, 1956–1962 Während die Koexistenz beider Museen auf dem westlichen Ausstellungs- und Lehrmittelmarkt der Hygiene offenbar wurde, geriet das alte Modell der hygienischen Volksbelehrung in die Kritik und darüber in handfeste Krisen. Diese abwärtsweisende Spirale aus Kritik und Krise – an deren Ende ein neuer Modus der Gesundheitsaufklärung nur noch seiner Implementation harrte, werde ich in diesem Kapitel nachzeichnen. Ich lege dabei ein Verständnis von Krise als Wahrnehmungsphänomen zugrunde, in der Ordnungen sich als instabil erweisen und versucht wird, die als verloren empfundene Struktur und Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Versucht wird ebenso, passende Lösungen – Stabilisierungen – zu den diagnostizierten Problemen zu finden und umzusetzen. Krise und Kritik sind also Teile und Motoren der stets von neuem beginnenden Prozesse, in denen Probleme definiert, Lösungen skizziert, Allianzen gebildet, Akteure mobilisiert werden und trotzdem Instabilität zurückbleibt.1 Auf beiden Seiten planten die Gesundheitspolitiker, Medizinalbeamten und Sozialhygieniker mit neuem Personal und neuen Konzepten, mehr Einfluss auf die Museen geltend zu machen und diese stärker als Zentren einer Verhaltensprävention zu konturieren denn als Bildungseinrichtungen. In der Bundesrepublik stand vor allem der Versuch vonseiten der Ministerialbeamten auf Bundes- und Länderebene hinter diesen Bestrebungen, den Bedeutungsverlust des ÖGD gegenüber der selbstverwalteten Ärzteschaft wenn nicht zu bremsen, so doch aufzuhalten. In der DDR speisten dagegen genauso außenpolitische und ökonomische – wie im Kapitel zuvor beschrieben – wie auch politische Motive die Umgestaltung des Feldes der Gesundheitsaufklärung. Die Suche nach internationaler Anerkennung, nach harten Devisen und nach einer genuin sozialistischen Organisations- und Praxisform der Gesundheitsaufklärung – letztlich die forcierte Rezeption sowjetischer Modelle – prägten die Umgestaltungsbemühungen in Ostdeutschland. 1 Vgl.  Koselleck, Reinhart: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt  a.  M. 2013 [1959]; Imbriano, Gennaro: »Krise« und »Pathogenese« in Reinhart Kosellecks  Diagnose über die moderne Welt, in: Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte 2/2013, S. 38–48; Mergel, Thomas: Einleitung: Krisen als Wahrnehmungsphänomene, in: Mergel, Thomas (Hrsg.): Krisen verstehen. Historische und kulturwissenschaftliche Annäherungen, Frankfurt a. M. 2011, S. 9–24, S. 11–19. https://doi.org/10.1515/9783110664171-005

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Die Bedingungen und Abläufe dieser komplexen Verschiebungsprozesse aus der Korrelation von Kritik, Krise und Reformideen zu rekonstruieren, gelten die folgenden Ausführungen, die im Wechsel die Bundesrepublik und die DDR behandeln, um die Unterschiede in diesen insgesamt ähnlichen Prozessen zu konturieren. Dazu werde ich in einem ersten Schritt die strukturellen Kontexte, die politischen Strategien, Taktiken, Streitpunkte sowie die Positionen der Museen auf den Feldern der öffentlichen Gesundheitswesen zur Mitte der 1950er Jahre skizzieren. Wie aus den dortigen Auseinandersetzungen Kritik an der bisherigen konzeptionellen Arbeit, den verwendeten Medien sowie den Organisationsstrukturen der beiden Einrichtungen perspektiviert wurde, und wie jene Beanstandungen zu deren – unterschiedlich gelagerten – Krisen führten beziehungsweise die nur leidliche Stabilisierung des Gesundheits-Museums ins Wanken brachten, schildere ich anschließend. Das Kapitel schließt mit der Rekonstruktion davon ab, was die Kritiker in der Bundesrepublik und in der DDR zum Ende der 1950er Jahre stattdessen vom Gesundheits- bzw. dem Hygiene-Museum erwarteten und wie erste Strukturveränderungen am Anfang der 1960er Jahre dahingehend umgesetzt wurden.

4.1 Ausgangslage: Die Felder des öffentlichen Gesundheitswesens In beiden Staaten hatten 1949 die gesundheitspolitischen Akteure vor dem Problem gestanden, sich zu einem überkommenen Gesundheitswesen verhalten zu müssen, das in beiden Besatzungszonen gleichermaßen als widersprüchlich und institutionell zersplittert wahrgenommen wurde. Während in der Bundesrepublik nicht erst versucht worden war, die 1934 im ÖGD zusammengefassten Aufgabenbereiche des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsvor- und -fürsorge mit denen der medizinischen Versorgung zu verbinden, stellte der Versuch, in der DDR diese drei Bereiche im System des Gesundheitsschutzes zusammenzufassen, das Bemühen um einen strukturellen Neuanfang dar. In der systematischen Vereinheitlichung zu einem intendiert kohärenten System spiegelten sich die alten gesundheitspolitischen Träume der Weimarer Republik. Sie symbolisierten zugleich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, auf einen sozialistischen Neuanfang.2 Stießen die Gesundheitspolitiker im sozialistischen Staat bei ihren Umgestaltungen auf die Beharrungskräfte des alten Systems, standen die Kollegen in der Bundesrepublik vor dem Problem, dass die diskrepante Übernahme

2 Vgl. Kap. 2.

4.1 Ausgangslage: Die Felder des öffentlichen Gesundheitswesens 

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der Rechtsstrukturen des Deutsches Reiches bei gleichzeitigem Anspruch, das demokratische Verfahren zu verbessern, maßgebliche Strukturentscheidungen einfach offengelassen hatte. Das ließ die Akteure unsicher zurück, sorgte indessen – eher unabsichtlich – für einen inhärent demokratischen Modus.3 Aus ihrer Perspektive blieb letztlich nichts anderes übrig, als im Rückblick zu konstatieren, dass in der Bundesrepublik dem Gesundheitswesen der DDR gegenüber die Gesundheitspolitik […] ohne langfristiges von Bund, Ländern und Gemeinden getragenes und auf die sozialpolitischen Zielsetzungen abgestimmtes Konzept für ein geschlossenes umfassendes System gesundheitlicher Versorgung und Leistungen zur Gesundheitsvorsorge und Krankheitsfrüherkennung zur rationellen Krankenbehandlung und -rehabilitation [blieb, C. S.].4

Dabei wurde nach einem Konzept für ein ebensolches System durchaus gesucht und um die unterschiedlichen Vorschläge ausgiebig gestritten. Im Zuge dessen schufen die Medizinalbeamten im Bund und den Ländern sich ein Akteurs- und Organisationsnetzwerk, in dem das Gesundheits-Museum helfen sollte, die Marginalisierung des ÖGD zu bremsen (und zumindest die Gesundheitsaufklärung im eigenen Kompetenzbereich zu halten) – was das DGM letztlich in eine existenzielle Krise stürzen sollte.

Bundesrepublik: Die Marginalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und die Taktiken des Gegensteuerns Die Bruchlinien in der Auseinandersetzung um das System des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verliefen in der Bundesrepublik zwischen der Medizinalbürokratie, dem System der Sozialversicherung und der organisierten Ärzteschaft. Befürwortern eines gestärkten ÖGD, der ebenso für den Bereich der Sozialfürsorge verantwortlich sein sollte, standen Akteure gegenüber, die für eine Leistungsausweitung der Sozialversicherungen warben. Dazwischen, so Wilhelm Hagen in der Rückschau, standen die „Verfassungshüter“, die der Gesundheitsabteilung des BMI die Zuständigkeit für alle Regelungen der gesundheitlichen und sozialen

3 Vgl. Lindner: Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit, S. 59–63. 4 Manger-Koenig, Ludwig von: Der öffentliche Gesundheitsdienst zwischen gestern und morgen, in: Das öffentliche Gesundheitswesen 37/1975, S. 433–448, S. 439; Labisch, Alfons/Tennstedt, Florian: Prävention und Prophylaxe als Handlungsfelder der Gesundheitspolitik in der Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland (1949 – ca. 1965), in: Elkeles, Thomas/Rosenbrock, Rolf/Ewert, Günter/Abolz, Heinz-Harald (Hrsg.): Prävention und Prophylaxe. Theorie und Praxis eines gesundheitspolitischen Grundmotivs in zwei deutschen Staaten 1949–1990, Berlin 1991, S. 129–158, S. 156.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Fürsorge wie auch Vorsorge verweigerten.5 Gleichfalls verschärft wurden diese Konfliktlinien durch die umstrittene Kompetenzaufteilung zwischen Bundesund Landes- sowie kommunaler Ebene für die Belange des öffentlichen Gesundheitswesens. Mehrfach versuchten die Medizinalbeamten die Zuständigkeiten für Sozialfürsorge, Krankheitsprävention und Gesundheitsschutz zusammenzufassen und ihrer Verantwortung zu unterstellen.6 Alfons Labisch und Florian Tennstedt haben drei Phasen dieser Politik unterschieden: Die Gründungs- und Rekonstruktionsphase eines kommunalen Gesundheitswesens, das einen „erheblichen Spielraum für freiwillige und professionelle Liebes- und Hilfstätigkeiten“ (wie dem DGM) bot.7 Dieser Phase der Jahre 1949 bis 1952 lassen sie zwei Zeiträume folgen, in denen Gesetze zur Sozialfürsorge (und Prävention) in der Bundesrepublik diskutiert wurden. Das 1955 verabschiedete Kassenarztrecht bildet für sie die Gelenkstelle für die nach wie vor strittige, aber schließlich 1965 in der Änderung des Mutterschutzgesetzes manifestierte gesetzliche Lösung, „Gesundheitsvorsorge als Regelleistung der Sozialversicherung zu gewähren.“8 Die Bemühungen der Medizinalbeamten scheiterten also letztlich, was den ÖGD in eine Abwärtsspirale des sukzessiven Niedergangs brachte. Drei zentrale Entwicklungen sollten den ÖGD in der Bundesrepublik der 1950er Jahre aushöhlen und zu seinem Abstieg führen: erstens der Übergang von Präventions- und Fürsorgeleistungen in die Hoheit der Sozialversicherung und damit das Präjudiz für eine Prävention, die nicht bei sozialen Gruppen, sondern bei Individuen die vorbeugende Intervention suchte. Die Gesetzgebung hatte 1955 das „Monopol der kassenärztlichen Versorgung der sozialversicherten Bevölkerung in der BRD“9 sanktioniert. Damit war der Boden dafür bereitet, dass Maßnahmen der Krankheitsprävention als Vorsorgeleistungen der Sozialversicherung – und damit als Leistung der niedergelassenen Ärzteschaft – konzipiert und finanziert wurden. Hier setzte sich nicht nur die rigide und unkooperative Standespolitik der niedergelassenen Ärzteschaft durch, die in Abgrenzung zu den Regelungen des Gesundheitsschutzes in der DDR gegen eine befürchtete Kollektivierung bzw. Sozialisierung der Kassenärzte bzw. der medizinischen Versorgung

5 Hagen, Wilhelm: Einleitung zu dem Reprint früherer Publikationen, in: Hagen, Wilhelm: 60 Jahre Gesundheitsfürsorge. Ausgewählte Aufsätze von Prof. Dr. Wilhelm Hagen, Düsseldorf 1978, S. 7–9, S. 8. Vgl. ferner: Ders.: Auftrag und Wirklichkeit, S. 226–236. 6 Hierfür und im Folgenden: Lindner: Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit,  S.  63–71; Labisch/Tennstedt: Prävention und Prophylaxe; Manger-Koenig: Der öffentliche Gesundheitsdienst. 7 Labisch/Tennstedt: Der Weg, S. 360. 8 Dies.: Prävention und Prophylaxe, S. 155. 9 Ebd., S. 140.

4.1 Ausgangslage: Die Felder des öffentlichen Gesundheitswesens 

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eintrat.10 Ihr konservativ-liberales Leitbild des niedergelassenen Arztes vertrug sich jedoch besser mit dem überkommenen Versicherungssystem.11 Die Position der Ärzteschaft traf auch auf eine mit Verfassungshütern, Sozialfürsorgern und Versicherungsträgern geteilten Skepsis gegenüber einem starken Zugriff der Politik auf gesellschaftliche Bereiche, gespeist aus der moralischen Diskreditierung der Amtsärzte und ihrer Leitdisziplin der Sozialhygiene im Nationalsozialismus.12 Zweitens weitete das in den Jahren zuvor heftig politisch umkämpfte Bundessozialhilfegesetz von 1961 das Individual- und Subsidiaritätsprinzip aus. Für die Versicherten wurde die Pflege ihrer Gesundheit im Wesentlichen als Leistung der Krankenkassen garantiert. Für die Übrigen sprang der Sozialhilfeträger ein, allerdings nur nach einer individuellen Bedürftigkeitsprüfung.13 Beides wirkte individualisierend und einem fürsorgenden und vorsorgenden Zugriff auf benachteiligte – nicht sozialversicherte – Bevölkerungsgruppen entgegen. All das entzog dem ÖGD letztlich Zuständigkeiten. Dass drittens zugleich das Grundgesetz die gesundheitspolitische Rechts- und Verwaltungshoheit den Ländern übertragen hatte, und die von Hagen sogenannten Verfassungshüter genau darauf achteten, dass eine Regulierung durch die Bundesregierung eine regelungstechnische Ausnahme blieb, behinderte darüber hinaus zentrale Beschlüsse und eine Interessensvertretung der Medizinalbeamten und Amtsärzte. Eigene Konzepte der Aufwertung des ÖGD durch die Zuständigkeit für den Gesundheitsschutz sowie die Gesundheitsfürsorge und -vorsorge, wie Wilhelm Hagens „vorbeugende Gesundheitsfürsorge“ (1953), scheiterten (im Falle Hagens bereits intern im BMI) dementsprechend sowohl an der fehlenden Einstimmigkeit der Medizinalbeamten auf Länder- und Bundesebene als auch an Unklarheit darüber, wie mit dem Vereinheitlichungsgesetz von 1934 angesichts seines nationalsozialistischen

10 Vgl.  ebd.,  S.  139–141; Gerst: Ärztliche Standesorganisation und Standespolitik. Wolfgang Woelk betont darüber hinaus die Unfähigkeit der Mitglieder des ÖGD, eine einflussreiche Pressure Group zu konstituieren. Siehe hierzu: Woelk: Geschichte der Gesundheitspolitik, S. 308–312. 11 Vgl. hierzu die Debatte um eine Präventivmedizin als präventive Krankheitsabwehr und damit als kassenärztliche Vorsorgeleistung (Hagen, Wilhelm: Vorbeugende Gesundheitsfürsorge, in: Der öffentliche Gesundheitsdienst 15/1953,  S.  252–257,  S.  252; Ruppert, Joseph: Präventivmedizin ist keine Gesundheitsvorsorge, in: Zeitschrift für prophylaktische Medizin 1/1956, S. 161–166; Thomsen, W.: Zur Psychologie der prophylaktischen Medizin, in: Zeitschrift für prophylaktische Medizin 2/1957, S. 188–189). 12 Vgl. exemplarisch: Harsch, Donna: Translating Smoke Signals. West German Medicine and Tobacco Research, 1950–1970, in: Social History of Medicine 28/2015, S. 369–391. 13 Vgl. Föcking, Friederike: Fürsorge im Wirtschaftsboom. Die Entstehung des Bundessozialhilfegesetzes von 1961, München 2007, S. 283–292, 507–518.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Kontextes umzugehen sei.14 Da half auch die, aus den USA entliehene, rhetorische neu kontextualisierte Adlung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zum Träger einer Gesundheitssicherung zum Schutz des Menschenrechts auf Gesundheit nicht.15 Den ÖGD aufzuwerten schlug letztlich fehl.16 Gleichwohl hatten die Versuche der Medizinalbeamten, vor allem deren Scheitern, grundlegende Auswirkungen auf die Struktur der hygienischen Volksbelehrung. Konfrontiert mit ihrer Niederlage verschoben die Akteure der Medizinalbürokratie ihre Arbeit in eher informelle Netze und konzentrierten sich auf die Umstrukturierung des Gesundheitswesens in den vorgegebenen Grenzen.17 Dabei kamen sie insbesondere auf die von der Bundesgesundheitsverwaltung geförderten Organisationen zurück. Hagen hatte dafür das alte Instrument des Dispositionsfonds reaktiviert, das sich während der Weimarer Zeit in der Gesundheitspolitik etabliert hatte. Diese „freien Gelder“ – Gelder ohne Zweckgebundenheit im Haushalt – ermöglichten es, „freie“ Vereine und Verbände finanziell zu unterstützen und somit gleichzeitig Einfluss auf sie auszuüben: „Da, wo uns ein legislativer Einfluß auf gewisse Probleme des öffentlichen Gesundheitswesens versagt war, war es um so wichtiger, den Zusammenschluß örtlicher Bestrebungen in Vereinigungen auf Bundesebene zu unterstützen“18, so Hagens lapidare Zusammenfassung dieser fragwürdigen Regierungspraxis. Im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens befanden sich 1955 neben dem Deutschen Gesundheits-Museum noch zwei weitere Organe im indirekten Zugriff der Bundesgesundheitsverwaltung. Der Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung war 1954 als Neuauflage des Reichsausschusses für 14 Vgl.  Hagen: Vorbeugende Gesundheitsfürsorge im Gesundheitsdienst; Ders.: Vorbeugende Gesundheitsfürsorge; Gaumitz, Helmut: Präventiv-Medizin, in: Deutsche Versicherungszeitschrift 6/1952, S. 82–87; Buurman: Gedanken zur Gesundheitspolitik; Karl, Hermann: Gesundheitsamt und kommunale Selbstverwaltung, in: Der öffentliche Gesundheitsdienst 15/1953, S. 325–327. 15 Vgl.  Teleky, Ludwig: Die Entwicklung der Gesundheitsfürsorge. Deutschland  – England  – USA, Berlin, Göttingen, Heidelberg 1950,  S.  140–142; Dr. Koch: Über Gesundheitsfürsorge, in: Deutsche Versicherungszeitschrift 6/1952, S. 81–82, S. 82. 16 Vgl. für diese Prozesse ausführlich: Lindner: Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit, S. 33–47, 59–71, 82–91 und mit Perspektive auf die Strukturbildung des Politikfelds Gesundheit: Döhler, Marian/Manow, Philip: Strukturbildung von Politikfeldern. Das Beispiel bundesdeutscher Gesundheitspolitik seit den fünfziger Jahren, Opladen 1997, S. 31–153. 17 Dazu gehörte beispielsweise die Etablierung des Bundesgesundheitsamtes, dessen „innere Gestaltung“ Hagen 1958 als abgeschlossen vermeldet hatte. Vgl. hierzu: Hagen, Wilhelm: Zum Geleit, in: Bundesgesundheitsblatt 1/1958, S. 1–2. Hagens Plan, aus diesem ein „Institut für Öffentliches Gesundheitswesen“ zu machen, scheiterte jedoch wieder am Problem der mangelnden Bundeskompetenz. Siehe hierzu: Ders.: 60 Jahre Gesundheitsfürsorge. Ausgewählte Aufsätze von Prof. Dr. Wilhelm Hagen, Düsseldorf 1978, S. 250. 18 Hagen: Auftrag und Wirklichkeit, S. 234.

4.1 Ausgangslage: Die Felder des öffentlichen Gesundheitswesens 

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hygienische Volksbelehrung gegründet worden und war, wie im vorhergehenden Kapitel ausgeführt, über die Mitgliedschaft in der IUHEP auch als Kontaktstelle im internationalen Fachaustausch gedacht. Die 1. Europäische Konferenz für Gesundheitserziehung der WHO in London im Jahr 1953 hatte Hagen beflügelt, wie sein Nachfolger Bernhard Zoller vier Jahre später schrieb, „daß auch in der Bundesrepublik die reichen Möglichkeiten gesundheitserzieherischer Arbeit weiter gefördert, entfaltet und zu einem sinnvollen Zusammenwirken angeregt werden sollten.“19 Das Europabüro der WHO in Kopenhagen, die IUHEP in Paris und die Alliierte Hohe Kommission in Bad Godesberg waren Knotenpunkte für ein Netz, in dem die Effektivität und Effizienz der Gesundheitsaufklärung über den internationalen Austausch erhöht werden sollte.20 Für die enge Tuchfühlung mit diesen Organisationen war nun der BAfgV als Dachverband aller „Träger der praktischen Gesundheitserziehung“21 eingerichtet worden. Dafür übernahm er auch die Funktion, auf nationaler Ebene der Bundesrepublik, allen disparaten Akteuren der Gesundheitsaufklärung als zentrale Anlauf-, Koordinierungs- und Vertretungsstelle zu dienen. Unter diesem Dachverband sammelten sich zwar relativ rasch viele Mitglieder, Einigkeit über Sinn und Arbeit bestand aber nicht wirklich.22 Den Gründern fehlte eine genaue Vorstellung [davon, C.S.], was für ein Arbeitsprogramm für die neue geschaffene Organisation nun aufgestellt und wie ihre Zielsetzung verwirklicht werden sollte. So wurde zunächst der Versuch gemacht, die Tätigkeit des Bundesausschusses nach den gewohnten Regeln des Vereinslebens aufzuziehen. Es zeigt sich jedoch rasch, daß bei der Vielgestaltigkeit der Mitgliederliste praktische Ergebnisse […] schwer zu erzielen waren. […] Die Leitung [entschloss, C.S.] sich daher, […] einen aus den verschiedensten Sachverständigen bestehenden Arbeitskreis zu bilden, der ganz bewußt in der Satzung nicht festgelegt, sondern nach dem Anlaß in wechselnder Zusammensetzung einberufen wurde.23

19 Zoller, Bernhard E.: Der Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung e. V. Vorgeschichte, Aufbau, Arbeitsweise, in: Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung e. V. (Hrsg.): Gesundheitserziehung von A–Z. Handbuch in Loseblattform, o. O. 1957, o. S., hier S. 3. Siehe auch Hagen: Auftrag und Wirklichkeit, S. 243. 20 Vgl. Parisot, Jacques/Viborel, Lucien (Hrsg.): L’Education Sanitaire. Manuel Pratique et Précis de Technique, Tours 1953. 21 Zoller: Der Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung, S. 4. 22 Vgl. ebd., S. 4. Hagen/Zoller an BMI, März 1954, in: BArch, B 142/397, Bl. 68–70, 157–160. Sie sprachen von Behörden, Kommunalverbänden, Versicherungsträgern, Presse, Ärzteorganisationen, Lehrerverbänden, Schwestern- und Hebammenverbänden, Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und für Schadensverhütung, Familien- und Frauenverbänden, Jugendverbänden, Fachvereinigungen und einzelnen Persönlichkeiten. 23 Zoller: Der Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung, S. 4.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Der Ausschuss betrieb also mit satzungsfernen Organen Netzwerk- und Konzeptionsarbeit, was Hagen durchaus kritisierte.24 Die Absprache mit den Referenten der Landesgesundheitsabteilungen ergab jedoch zwei weitere Probleme als gewichtige: die unklare Beziehung zwischen Landes- und Bundesverwaltung. So protestierte das Arbeits- und Sozialministerium des Landes NordrheinWestfalen in Abstimmung mit den leitenden Medizinalbeamten der Länder schriftlich gegen die Gründung des BAfgV. Gesundheitspolitik und Gesundheitsaufklärung seien Ländersache, solche Ausschüsse würden die Arbeitsaufteilung zwischen Bund und Ländern verwischen.25 Die Bundesgesundheitsverwaltung auf der anderen Seite betonte, ein Organ zu benötigen, das das Zusammenwirken der einzelnen Vereine und Verbände auf nationaler Ebene ermöglichen sollte.26 Schließlich schälte sich die Kompromissformel heraus, dass der BAfgV durch analoge Landesausschüsse oder -zentralen für gesundheitliche Volksbelehrung ergänzt und balanciert werden sollte.27 Die zweite Komplikation lag in der Abgrenzung zum Gesundheits-Museum: Eine Vorrangstellung des Museums gegenüber dem Ausschuss, wie dies Seiring vorschwebte, wurde entschieden abgelehnt. Denn der neue Verein sollte eine „breite Volksbewegung auslösen“, eine breite Zusammenarbeit mit der Praxis, eben eine „demokratische Entwicklung aus dem Kreis heraus“ ermöglichen, wozu das Museum als nicht geeignet angesehen wurde.28 Das DGM wurde bloßes Mitglied des Bundesausschusses. Eine engere Verzahnung wurde abgelehnt.29 Das Museum mochte zwar keine zentrale Koordinationsstelle sein, hatte aber das Potenzial, als Produzent von Aufklärungsmaterialien ein wesentlicher Mittler zwischen den Interessen der Bundesgesundheitsverwaltung und denen der Länder zu werden. Für eine kurze Zeit mutete diese Aufteilung vernünftig an, in den ersten Jahren teilten sich gar die Geschäftsstelle des

24 Vgl. Kurzbericht über die Beratung der Gründung eines Bundesausschusses für gesundheitliche Volksbelehrung, 7.12.1953, in: BArch, B 142/397, Bl. 3–9. 25 Vgl. Arbeits- und Sozialministerium NRW an BMI, Februar 1954, in: ebd., Bl. 131. 26 Vgl.  hierzu: Anonym: Landesvereinigungen für Gesundheitserziehung, in: Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung e.  V. (Hrsg.): Gesundheitserziehung von A–Z. Handbuch in Loseblattform, o. O. 1977, o. S. 27 Vgl. Hagen/Zoller an BMI, März 1954, in: BArch, B 142/397, Bl. 68–70. 28 Zitate aus: Vermerk betr. Bundesausschuß für gesundheitliche Volksbelehrung, o.  D., in: ebd., Bl. 53. 29 Vgl. Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung (Hrsg.): Zur Gründung des Bundesausschusses für gesundheitliche Volksbelehrung. Mappe mit amtl. Umschlag, verschiedenen Materialien, Beiträgen, Reklamen usw., o. O. 1954.

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Bundesausschusses und das Museum die Räumlichkeiten Köln-Merheim. Im Idealfall griffen also beide Organisationen ineinander.30 Die erhoffte kooperative Aufteilung funktionierte aber nur kurz. Im Zuge der Ausstellung des HygieneMuseums 1959 in Düsseldorf sollten sich die damaligen Leiter des BAfgV und des Gesundheits-Museums unüberbrückbar zerstreiten.31 Die Bundesgesundheitsverwaltung förderte noch eine weitere Einrichtung zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens. Aus unterschiedlichen Initiativen und Gelegenheiten  – unter anderem durch Finanzmittel aus dem European Recovery Program (Marshallplan)  – hatten sich mehrere kleinere Vereine und Verbände gebildet, welche die Gesundheitsabteilung im BMI 1955 „unter eine zentrale leistungsfähige Geschäftsstelle“32 stellte. Als sich die Debatte um die Sozialreform zur Mitte der 1950er Jahre zuspitzte, schloss das Bundesministerium des Innern die Deutsche Sozialhygienische Gesellschaft, die Deutsche Vereinigung für die Gesundheitspflege im Kindesalter, die Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitswesen, die Vereinigung für Krankenhausfürsorge und Hagens eigenes Projekt der Arbeitsgemeinschaft Kinderuntersuchungen in der Hoffnung zur Deutschen Zentrale für Volksgesundheitspflege (DVZ) zusammen, seine gesellschaftlichen Agenten der politischen Einflussnahme zu bündeln.33 Von außerhalb der staatlichen Strukturen sollte eine Zentrale als pressure group wirken, indem sie mit dem Gewicht und der Reputation medizinischer Fachkreise die Positionen verkünden ließ, die die Abteilung von innerhalb des Verwaltungsapparats nicht vorbringen konnte.34

30 Vgl.  Der Geschäftsführer des Ausschusses arbeitete halbtags auch als Schreibkraft für das Gesundheits-Museum. Vgl.  Vorstandssitzung des BAfgV am 24.10.1955, in: BArch, B  142/397, Bl. 190–195. 31 Vgl. Kap. 3.3 (Düsseldorf). 32 Vermerk: Zoller, 18.11.1958, in: BArch, B 142/380, 1949–1961, Bl. 55. 33 Diese sollte in der entsprechenden Form bis 1996 fortbestehen. Erst eine neue GovernanceForm – der Wechsel von der Institutions- zur Projektförderung – sollte das Schicksal der DZV, dieses „Produkt der Nachkriegszeit“, besiegeln, so ihr letzter Vorsitzender Alfons Labisch. Vgl. Labisch, Alfons et al.: 40 Jahre Deutsche Zentrale für Volksgesundheitspflege e. V. (DZV), in: Prävention 19/1996,  S.  75–78,  S.  77; von der Sozialpädiatrie aus gesehen: Schabel: Soziale Hygiene, S. 332–335. 34 Vgl. Vermerk: Zoller, 18.11.1958, in: BArch, B 142/380, Bl. 55; Hagen, Wilhelm: Ärztliches und Soziales Denken, in: Achinger, Hans/Ohl, Otto/Prestel, Rudolf/Schmerbeck, Franz X./Pense, Rudolf (Hrsg.): Neue Wege der Fürsorge. Rechtsgrundlagen, Arbeitsformen und Lebensbilder. Eine Festgabe für Herrn Professor Dr. Hans Muthesius zum 75. Geburtstag, Köln u. a. 1960, S. 187–195.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Gleich der erste Kongress der DZV „Gesundheitspolitische Probleme unserer Zeit“ gab sich 1956 programmatisch.35 Doch die Hoffnung der Bundesgesundheitsverwaltung, dass die Zentrale ähnlich einflussreich agieren könnte, wie dies der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge für eine Politik der Sozialversicherung – und damit für die Trennung von öffentlichem Gesundheits- und Sozialund Fürsorgewesen – tat, erfüllte sich nicht. Entschließungen gerieten banal, persönliche Streitereien verhinderten die notwendige Geschlossenheit, ein Kongress pro Jahr, auf dem „einzelne Persönlichkeiten nur ihre Auffassung“ wiedergäben, könne „kaum eine nachhaltige Wirkung auf die Öffentlichkeit im Allgemeinen und insbesondere auf den Gesetzgeber und den Minister“ ausüben, so Zollers Verdikt 1958.36 Laut Plan der Medizinalbeamten auf Bundesebene hatte die Deutsche Zentrale die Ärzteschaft mit den Sozialhygienikern zu versöhnen und die gesellschaftspolitischen Grundlagen mit den gesundheitspolitischen Schwerpunktsetzungen zu erarbeiten. Der BAfgV sollte diese konzeptionell reflektiert in koordinierte und konzertierte Aktionen umsetzen. Dafür sollte das Museum die mediale Zuarbeit übernehmen. So lautete das aus der Not des ÖGD begründete Ideal der Gesundheitsverwaltung des Bundes. Doch es stellte nur eine instabile Lösung dar, weil es die Eigendynamik der jeweiligen Organisationen unterschätzte.37

DDR: Demokratischer Zentralismus im System des Gesundheitsschutzes Im Gegensatz zu den Kolleg*innen in der Bundesrepublik, mussten die ‚Doppelstaatsbürger von Partei und Fach‘ in der DDR nicht um die Aufwertung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes kämpfen. Sie profitierten davon, dass ihr Ziel mit dem der SED übereinstimmte. Unter dem Begriff des Gesundheitsschutzes wurden dafür die Teilbereiche der Krankenversorgung, der Gesundheitspolizei und der Gesundheitsfürsorge zusammengefasst und in die zentralstaatliche Zuständigkeit überantwortet.38 Diese integrierte Form des öffentlichen 35 Dort wurde nochmals das zentrale Argument kondensiert, dass nur ein ÖGD vom Gesundheitsamt der Kommune bis zu einem geforderten Gesundheitsministerium auf Bundesebene die Effektivität der Prävention u. a. über „einheitliche“ Regelungen und eine „systematische“ Gesundheitsaufklärung bewirken könne. Müller, H. et al.: Gesundheitspolitische Probleme unserer Zeit, in: Zeitschrift für prophylaktische Medizin 1/1956, S. 265–271. 36 Vgl. Vermerk: Zoller, 18.11.1958, in: BArch, B 142/380, Bl. 56. 37 Vgl. ebd., Bl. 55–57. 38 Als Übersetzung aus der Sowjetunion setzte sich der Begriff des Gesundheitsschutzes für das integrative Modell des öffentlichen Gesundheitswesens in der DDR durch. Vgl. Weber, Rudolf: Die gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und organisatorischen Grundlagen des sowjetischen Gesundheitsschutzes, in: Ministerium für Gesundheitswesen der Deutschen Demokratischen

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Gesundheitswesens sollte vollständig staatlich und zentral organisiert, allgemein zugänglich, rechtlich verankert und frei von kommerziellen Interessen aufseiten der Leistungsträger sein.39 Dementsprechend wurden bis 1956 die Sozialversicherungen in mehreren Schritten vereinheitlicht und dem Freien Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) als Transmissionsriemen und dem Ministerium für Arbeit unterstellt.40 Das System des Gesundheitsschutzes übernahm dadurch die traditionelle Bruchstelle  – die zwischen Fürsorge und Versicherung  – des bismarckschen Sozialversicherungsmodells. Zwar trug und verwaltete die Einheitssozialversicherung prinzipiell alle Sozialleistungen für Erwerbstätige und „Erwerbsunfähige“. Die Beiträge, die zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern geteilt wurden, gingen jedoch ein in den allgemeinen Staatshaushalt, wodurch die eigentlichen Bilanzen nicht nur verschleiert, sondern die Leistungen de facto massiv aus anderen Einkünften querfinanziert wurden.41 Auch in der DDR hatten die Ärzte eine Gatekeeper-Funktion. Sie bestimmten nicht nur maßgeblich Nachfrage und Angebot medizinischer Leistung, sondern entschieden auch über die Anspruchsberechtigung von Sozialfürsorge oder – vice versa – über den Verlust derselben im Falle einer konstatierten Arbeitsfähigkeit. „Dauernd arbeitsunfähige Personen“ wurden in den 1950er Jahren von der Sozialversicherung übernommen.42 Der kommunalen Praxis der Gesundheitsfürsorge aus der Weimarer Republik entsprechend waren die Einrichtungen des Gesundheitswesens auch verantwortlich, durch besondere Lebenslagen und Nosologien gefährdete soziale Gruppen zu versorgen – in Vergleich zur Bundesrepublik also kollektiv, nicht individuell zu versorgen.43 An loyalen Ärztinnen mangelte es jedoch der DDR von Beginn an, was nicht zuletzt am deutsch-deutschen Kontext Republik (Hrsg.): Gesundheitsschutz in der Sowjetunion. Ergebnisse einer Studienreise deutscher Ärzte in die Sowjetunion, Berlin 1955, S. 20–43; Steidle, Luitpold: Anordnung über das Statut des „Deutschen Hygiene-Museums, Dresden – Zentralinstitut für medizinische Aufklärung“, in: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, 12.3.1956, S. 62–63. 39 Vgl. Redetzky: Vereinheitlichung; Schagen/Schleiermacher: Gesundheitswesen in der DDR, Bd. 8, S. 401–408. 40 Abgesehen von der staatlichen Versicherung für Mitglieder von Genossenschaften, Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen. 41 Vgl.  Rosenschon, Astrid: Zum System der sozialen Sicherheit in der DDR, in: Die Weltwirtschaft 1/1990, S. 91–100. 42 Vgl. Hoffmann, Dierk: Sozialpolitische Neuordnung in der SBZ, DDR. Der Umbau der Sozialversicherung 1945–1956, München 1996, insbesondere S. 158–170, 280–283. 43 Das dünnte die Sozialfürsorge nicht nur aus, es entprofessionalisierte diese sukzessive sowohl in staatlicher, „freier“ als auch in kirchlicher Trägerschaft. Vgl. Karsdorf, Siegrid/Karsdorf, G.: Prophylaxe und Gesundheitserziehung im Gesundheitswesen der DDR, in: Das öffentliche Gesundheitswesen 53/1991,  S.  176–180,  S.  178–180; Boldorf, Marcel: Sozialfürsorge in der SBZ/ DDR 1945–1953. Ursachen, Ausmaß und Bewältigung der Nachkriegsarmut, Stuttgart 1998;

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lag. Immerhin konnte die umworbene Klientel bis 1961 leicht in die Bundesrepublik abwandern und die „Ärzteschwemme“ der unmittelbaren Nachkriegszeit verlor in der Bundesrepublik zunehmend an Virulenz. Letztlich entschied aber aus Sicht der SED die politisch-ideologische Verlässlichkeit der Mediziner und Ärzte über den Erfolg des staatlichen Gesundheitsschutzes maßgeblich mit. In der zentralen Gesundheitsverwaltung wie in den gesundheitspolitischen Parteigremien hatte zum Ende der 1940er Jahre eine Gruppe bekennender und arrivierter Sozialisten die Führung übernommen. Um Maxim Zetkin, Jenny Matern (1904–1960), Erwin Marcusson (1899–1976), Hermann Redetzky, Gerhard Harig (1902–1966) und Carl Coutelle (1908–1993) hatte sich ein Kreis gebildet, der der SED, der ehemaligen KPD und der Sowjetunion nahestand. Es waren die Erfahrungen nationalsozialistischer Verfolgung, eines antifaschistischen Widerstandes, der Emigration (vorzugsweise in die Sowjetunion) und die Emphase, ein neues, humanistisches Gesundheitswesen zu errichten, was die Mitglieder diese Gruppe miteinander verband.44 Im Zuge einer kaderpolitischen Pendelbewegung zwischen akademischen Positionen, der Praxis des ÖGD und der Gesundheitsverwaltung wurden nach der Entnazifizierungspolitik in Wellen Leitungspositionen mit politisch verlässlichem Personal neu besetzt, wodurch beispielsweise ab dem Beginn der 1950er Jahre Walter Friedeberger als Direktor, Rolf Thränhardt als wissenschaftlicher Leiter und Otto Kunkel als Verwaltungs- und Absatzleiter an das Dresdner Museum kamen. Sie sollten den Rückhalt der SED an wichtigen Organen und in der gesundheitspolitisch wichtigen Ärzteschaft stärken, die insgesamt nicht nur sehr bürgerlich, sondern gemessen an den Mitgliedschaftsraten auch sehr NS-affin gewesen war.45 Die Prinzipien der Verstaatlichung, Zentralisierung und Parteilichkeit trieb das Netz sozialistischer Gesundheitspo-

Willing, Matthias: „Sozialistische Wohlfahrt“. Die staatliche Sozialfürsorge in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR (1945–1990), Tübingen 2008. 44 Vgl. Seidel, Karl/Köhler, Christa/Meyer, Bernhard (Hrsg.): Im Dienst am Menschen. Erinnerungen an den Aufbau des sozialistischen Gesundheitswesens, Berlin 1989, S. 444; Seidel, Karl/ Büttner, Lothar/Köhler, Christa (Hrsg.): Im Dienst am Menschen. Erinnerungen an den Aufbau des neuen Gesundheitswesens 1945–1949, Berlin 1985; Schleiermacher: Rückkehr der Emigranten; Schagen/Schleiermacher: Gesundheitswesen in der DDR, Bd. 8, S. 393–401. 45 Vgl. Ernst: Prophylaxe, S. 143–155; Jessen: Akademische Elite, S. 33 ff.; Dies.: „Bildungsbürger“, „Experten“, „Intelligenz“. Kontinuität und Wandel der ostdeutschen Bildungsschichten in der Ulbricht-Ära, in: Ehrlich, Lothar/Mai, Gunther (Hrsg.): Weimarer Klassik in der Ära Ulbricht, Köln u. a. 2000, S. 113–134; Wahl: Medical Memories, S. 28–71; Von einem Zeitgenossen rückblickend auf die ärztlichen Widerstände gegen die Politik des Gesundheitsschutzes: Weber, Rudolf: Aufgabe und Bedürfnis: Gesundheitspolitiker der Partei, in: Seidel, Karl/Köhler, Christa/Meyer, Bernhard (Hrsg.): Im Dienst am Menschen. Erinnerungen an den Aufbau des sozialistischen Gesundheitswesens, Berlin 1989, S. 401–410, S. 403–409.

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litiker*innen immer wieder bis zu dem Punkt, an dem ihre Umsetzung auf zu viel Widerstand stieß. Erst dann wurde inoffiziell und in kleinerer Öffentlichkeit nach Kompromissen gesucht.46 Abgesichert wurde ein solcher Kurs durch die „Bündnispolitik der Parteiführung“47. Das bedeutete, dass erstens die Parteiführung bis zur Ernennung Ludwig Mecklingers (1919–1994) zum Minister für Gesundheitswesen 1971 daran festhielt, die obersten Repräsentanten der Gesundheitsverwaltung mit Parteigängern der CDU (und ehemaligen NSDAP-Mitgliedern) zu besetzen, darunter die Gesundheitsminister Luitpold Steidle (zwischen 1949–1958) – Mitbegründer des Bundes Deutscher Offiziere in sowjetischer Kriegsgefangenschaft – und Max Sefrin (von 1958 bis 1971) – zwischen 1951 und 1989 Hauptabteilungsleiter in der CDU-Parteileitung bzw. Mitglied des CDU-Hauptvorstands. Diese Personalentscheidungen demonstrierten parteipolitische Distanz bei geringer Gefahr der Abweichung.48 Zweitens warb sie mit der rhetorischen Figur, ein von kommerziellen Interessen und Ungerechtigkeiten befreites System des Gesundheitsschutzes zu realisieren, massiv um Unterstützung der Ärzteschaft. Und genau in einer solchen Öffentlichkeitsarbeit sahen die sozialistischen Gesundheitspolitiker*innen der DDR in den 1950er Jahren den Nutzen des Deutschen Hygiene-Museums.49 Um den konstatierten Rückstand im Grad „der Entwicklung zum Sozialismus“ des Gesundheitswesens aufzuholen, legte der Leiter des Sektors Gesundheitspolitik im Zentralkomitee der SED, Rudolf Weber (*1909), 1954 ein Programm zum Ausbau des Gesundheitsschutzes vor, das als Schlussfolgerung einer „Studiendelegation deutscher Ärzte“ im Dezember 1953 in der Sowjetunion zwischen dem Zentralkomitee der SED und dem Ministerium für Gesundheitswesen zirkuliert hatte.50 Das Programm sah vor, die Aufgaben zwischen Zentralkomitee und Ministerium so aufzuteilen, dass Ersteres die Gesundheitspolitik

46 Vgl. Schagen/Schleiermacher: 100 Jahre Sozialhygiene, S. 408–433. 47 Weber: Gesundheitspolitiker der Partei, S. 408; Vgl. hierzu: Schagen/Schleiermacher: Gesundheitswesen in der DDR, Bd. 8, S. 395 f. 48 Vgl. ebd., S. 398. 49 Vgl.  Kap  2.3 sowie Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion: Die Sowjetunion; FDGB, Zentralvorstand der Gewerkschaft Gesundheitswesen (Hrsg.): Von der Sowjetunion lernen – heißt siegen lernen. Dokumente der Tagung des Gewerkschaftsarchivs des Zentralvorstandes der Gewerkschaft Gesundheitswesen mit der sowjetischen Delegation am 23. Okt. 1951, Berlin 1951; FDGB, Zentralvorstand der Gewerkschaft Gesundheitswesen (Hrsg.): Von der Sowjetunion lernen, 1952; Winogradow: Gesundheitswesen in der Sowjetunion. 50 Vgl. Weber: Gesundheitspolitiker der Partei, S. 406.; Geyer, Fritz: Bekanntmachung des Beschlusses über die weitere Entwicklung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, 17. Juli 1954,  S.  597–608; Ministerium für Gesundheitswesen der Deutschen Demokratischen Republik

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der SED ausarbeitete, Letzteres die allgemeinpolitische Linie umsetzten sollte.51 Doch erst 1959 sollte die Sozialistische Einheitspartei diesen Anspruch pro forma institutionalisieren können. Unter besagtem Rudolf Weber und Werner Hering (1930–2012) wurde der erst 1953 gegründete Sektor (Referat) Gesundheitspolitik in der Abteilung Arbeit, Soziales und Gesundheitswesen zur eigenen Abteilung Gesundheitspolitik im ZK der SED aufgewertet und neben der Ständigen Kommission für medizinische Wissenschaft und Fragen des Gesundheitswesens beim Politbüro des ZK der SED (Ärztekommission) positioniert.52 Institutionell nahm also die Anbindung der Gesundheitspolitik an die SED zu. Die bislang eher informelle parteipolitische Ausrichtung durch verlässliche Personen in der Verwaltung, die sowohl Parteigenossen als auch Mediziner waren, wurde formalisiert. Zugleich hintertrieb aber die Vielzahl an Fachausschüssen und -gremien, Kollegien, Beiräten und Räten, die für die Integration medizinischer Expertise notwendig war, genau diese Entwicklung. Sie verfestigte das Problem des Zentralismus in der DDR, viele Akteure und ihre Expertisen für die fachliche (und räumliche) Breite zu benötigen, diese aber zugleich einer zentralen Kontrolle zu unterwerfen.53 Doch trotz all dieser Bemühungen und dem Oszillieren zwischen Druck und Nachsicht, zwischen Forderung und Umschmeicheln der Mediziner und Ärzte blieb deren aktive Unterstützung für das neue Gesundheitswesen gering. Die SED-Gesundheitspolitiker*innen schienen gegen Ende der 1950er Jahre zu verzweifeln an einer zu geringen institutionellen und personellen Verquickung von Staat und Partei, insbesondere aber an einer Ärzteschaft, deren politisch-ideologische Konservativität man nicht verstand.54 Für das Hygiene-Museums sah das Entwicklungsprogramm von 1954 vor, dass die Dresdner Einrichtung Aufklärungsmaterialien entwickeln und systematisch geordnete und angeleitete Maßnahmen mit allen möglichen Medien und an allen möglichen Orten durchführen sollte, um die „Pflicht eines jeden Bürgers

(Hrsg.): Gesundheitsschutz in der Sowjetunion. Ergebnisse einer Studienreise deutscher Ärzte in die Sowjetunion, Berlin 1955. 51 Vgl. auch mit dieser Wortwahl: Weber: Gesundheitspolitiker der Partei, S. 404. 52 Bis 1967 war die Abteilung dem Sekretär Paul Verner (1911–1986), danach Kurt Hager (1912– 1998) unterstellt. Hager hatte bereits seit den frühen 1950er Jahren für die medizinische Wissenschaft verantwortlich gezeichnet und von 1958 bis 1961 auch die Leitung der Ärztekommission inne. Vgl. Schagen/Schleiermacher: Gesundheitswesen in der DDR, Bd. 8, S. 394. 53 Vgl. Weber: Sowjetischer Gesundheitsschutz, S. 27–33. 54 Vgl. Kommuniqué über die Arbeit mit der medizinischen Intelligenz, 18.9.1958; Beratungen über die Intensivierung der Kooperation zwischen ZK, dem Ministerium für Gesundheitswesen und dem Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen, 17.4.1959–19.1.1960, in: BArch, DQ 1/20313.

4.1 Ausgangslage: Die Felder des öffentlichen Gesundheitswesens 

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zur Gesunderhaltung seines Körpers […] Wirklichkeit“55 werden zu lassen. Diese Fokussierung wertete nun drei Dimensionen der alten hygienischen Volksbelehrung im Kontext des Systems des Gesundheitsschutzes auf, eine andere ab: Öffentlichkeitsarbeit für das öffentliche Gesundheitswesen  – „Gesundheitspropaganda“ –, Erziehung zu gesundheitsgerechtem Verhalten, und die Produktion von entsprechenden Medien, die versprachen, zur Erfüllung dieses Zweckes beitragen zu können, nahmen an Bedeutung zu; anatomische und physiologische Wissenspopularisierung, versinnbildlicht in den ‚klassischen‘ MenschAusstellungen des Museums, erschien weniger wichtig. Die Aufklärungsbemühungen des Museums sahen sich so weniger einem Bildungs-, als einem Kalkül der Verhaltensprävention ausgesetzt und, weil die Bereiche der Schulbildung und der Filmproduktion dem Ministerium direkt nicht zugänglich waren, wurde ein höheres Maß an Ressort übergreifender Kooperation nötig. Mit dieser Relevanzverschiebung innerhalb der hygienischen Volksbelehrung eröffnete sich ein Raum, ihre Effektivität und Effizienz danach zu bestimmen, wie sie zum Erhalt der Gesundheit und der Durchsetzung einer entsprechenden Lebensführung beitragen konnte und wie sie Zustimmung zum sozialistischen Gesundheitswesen generierte.56 Die Konsequenz aus beidem konnte nur heißen, „das bestehende Deutsche Hygiene-Museum in Dresden zu einem wirklichen Zentralinstitut für medizinische Aufklärung zu entwickeln.“57 Juristisch wurde im Zuge dessen das DHM endgültig dem Ministerium untergeordnet. Die Regierungen der Stadt Dresden und des Bezirkes Dresden blieben außen vor.58 Außerdem wurden die verschiedenen Unternehmen des Museums in einer juristischen Person zusammengefasst. Die vormals wirtschaftlich formell unabhängigen Organisationsteile wurden im neuen Hygiene-Museum mit ihrem jeweiligen Vermögen kollektiviert.59 Das Museum wurde keine staatliche Verwaltungsstelle, sondern blieb eine eigenständige Organisation  – jedoch im Geschäftsbereich und im Budget des Ministeriums für Gesundheitswesen.60 Entsprechend flossen seine Einnahmen dem Haushalt der zentralen Gesundheits55 Weber: Sowjetischer Gesundheitsschutz, S. 34. 56 Vgl. Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung, ausführlich unten. 57 Steidle, Luitpold: Anordnung über das Zentralinstitut für medizinische Aufklärung – Deutsches Hygiene Museum  – vom 9.9.1954, in: Zentralblatt der Deutschen Demokratischen Republik, 25.9.1954, S. 461, S. 604. Vgl. gleichlautend die Besprechungen dazu in: BArch, DQ 1/24168, 1952–1955, passim. 58 Vgl. Steidle: Anordnung, 1954; Steidle: Anordnung, 1956. 59 Vgl.  zur Debatte darum: Notiz über eine Unterredung zwischen Lemke und Sickel vom 8.4.1949, in: BArch, DQ 1/1094. 60 Vgl. zur Auseinandersetzung um die relative Selbstständigkeit des Museums: Stellungnahme betr. die juristische Regulierung der der HV Gesundheitswesen unterstehenden wissenschaftli-

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

verwaltung zu.61 Nicht zuletzt dies erklärt, warum der Stellenwert der Lehrmittelproduktion im Verlauf der DDR-Geschichte umso wichtiger für das Ministerium wurde, je abhängiger es von Einnahmen in konvertibler Währung und damit von Lehrmittelverkäufen des DHM in den Westen wurde – was bereits in den 1950er Jahren Anlass für Kritik gab.62

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen: Organisationale und präventive Unzulänglichkeiten Die Zentralisierungs- und Ideologisierungsbestrebungen in der DDR und die Versuche, die Befugnisse des öffentlichen Gesundheitswesens zu erhalten oder in der Bundesrepublik auszuweiten, trieben die beiden Museen der hygienischen Volksbelehrung in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre in eine Spirale aus Kritik und Krise. Ihre Organisationsform, ihre Medien sowie auch ihre Konzepte galten in den Augen der Medizinalbeamten zunehmend als teuer und aufwendig, und je weniger Beharrungskraft die Akteure der Museen den Interessen der Gesundheitspolitiker entgegensetzen konnten  – des unterschiedlichen Grades der Stabilität ihrer (auch deutsch-deutschen) Unterstützernetze und ihrer Institutionalisierung, der unterschiedlichen Höhe ihres Prestiges sowie der Schärfe und des Einflusses der vorgetragenen Kritik wegen –, desto mehr erfüllte sich diese Einschätzung. Der Zugriff vonseiten der Akteure des öffentlichen Gesundheitswesens und auch der Gesundheitsaufklärung selbst wurde enger, und ihr Druck nach einer umgehenden Umgestaltung der hygienischen Volksbelehrung nahm zu.

Bundesrepublik: Das fragile Deutsche Gesundheits-Museum in der Kritik Die Bemühungen, dem ÖGD auf Länder- und Bundesebene Kompetenzen zu erhalten, traf in der Bundesrepublik ein in vielerlei Hinsicht prekär stabilisiertes Gesundheits-Museum, das bereits unmittelbar nach der Großen Gesundheitsausstellung 1951 von Personal- und Finanzproblemen geplagt wurde.

chen Institute, 15.2.1949, in: BArch, DQ 1/960; Statut des DHM, 1954–1956, in: BArch, DQ 1/20566, 1956–1960, unpag. 61 Bereits ab 1948 war das Museum eine Einnahmequelle im Haushalt der DZVG/HV Gesundheitswesen, vgl. Haushalt der DZVG 1948, 19.5.1948, in: BArch, DQ 1/960. 62 Vgl. Protokoll der Parteileitungssitzung vom 21.10.1953; Protokoll über die öffentliche Mitgliederversammlung am 11.5.1954, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut) und Kap. 3.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Personal- und Organisationsprobleme Mitte 1952 bestand das Führungspersonal aus Georg Seiring, einem Arzt als Stellvertreter, zwei weiteren medizinischen Mitarbeitern, Erler als Mitgeschäftsführer des Verlages und einem Verwaltungsdirektor. Entgegen den Plänen der Kölner Verwaltung insistierte Seiring darauf, dass ihm das gesamte Leitungspersonal unterstellt werde.63 Zufriedenstellend schienen diese Verhältnisse aber für mehrere Seiten nicht zu sein. Die Arbeitsverträge der wissenschaftlichen Mitarbeiter liefen zunächst nur befristet.64 Hagen übernahm 1953 nebenamtlich das Amt als Seirings Stellvertreter und wurde damit in einer Dreifachfunktion (ebenfalls als Vertreter des BMI im engeren Vorstand und als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats) der – de facto – „starke Mann“ am Museum.65 Untermauert wurde diese Rolle 1955 dadurch, dass Hagen auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Hauses anleitete. Das band ihn noch tiefer in die Alltagsarbeit des Museums ein. An einem Tag in der Woche kam er nach Merheim, wofür er den Dienstwagen des Museums zur Verfügung gestellt bekam.66 Anlass für Hagens nebenamtlichen Posten als Seirings Stellvertreter im DGM war, dass der Museumsvorstand vom bisherigen wissenschaftlichen Leiter wenig überzeugt war und es ihm nicht gelang, sich zusammen mit Seiring auf einen anderen Kandidaten zu einigen.67 Ebenfalls kam der Vorstand des Museums weder mit Franz Tschackert noch mit Johannes Erler zurecht. Auf Hagens Initiative hin musste der „Erfinder“ der „Gläsernen Figuren“ aus dem Museum ausscheiden.68 1954 entband der Vorstand Erler von der Leitung des Ausstellungsamts, was er mit Erlers verantworteter Wanderausstellung in den Westsektoren zwischen 1946 und 1949 begründete,

63 Vgl. Personal Juli 1952, in: BArch, B 310/341; Seiring, Georg: Entwicklung des Deutschen Gesundheitsmuseums e. V. Köln, 13.2.1952, in: BArch, B 142/400, hier S. 4. 64 Vgl. Personal Juli 1952, in: BArch, B 310/341. 65 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 16.1.1953, in: BArch, B 142/2013, Bl. 14; Sitzung des engeren Vorstands, 13.9.1955, in: BArch, B 310/341. 66 Vgl. Seiring an Horst – vertraulich, 4.7.1955, in: ebd.; Sitzung des engeren Vorstands, 21.8.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 71 f. 67 Vgl. Vermerk eines Gesprächs zwischen Hagen, Seiring, Ackermann, 28.1.1954 sowie Vermerk Hagens über eine Besprechung mit Seiring und Ackermann, 30.1.1954, in: BArch, B 310/341; Sitzung des engeren Vorstands, 1.4.1954, in: BArch, B  142/2013,  Bl.  22 f.; Betriebsrat DGM an den Vorstand des DGM: Denkschrift, 22.3.1956, in: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 423A, Acc. 2, A 2086, 1954–1956, Bl. 18 f., ferner: Bl. 1–10; Sitzungen des engeren Vorstands, 16.3. und 9.4.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 47, 54 f.; Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 423A, Acc. 2, A 2085, 1953–1956, passim. 68 Vgl.  Sitzung des Gesamtvorstands des Deutschen Gesundheits-Museums am 29.11.1955, in: BArch, B 310/341.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

die er nunmehr als Werbung für das Dresdner Hygiene-Museum interpretierte.69 Auf der Leitungsebene war das Gesundheits-Museum damit schlecht besetzt. Für das Museum maßgeblich wurde jedoch die von Hagen vorangetriebene Personalie Seiring, auf dessen Ablösung er drängte. Dafür war anvisiert worden, zuerst einen Stellvertreter zu finden und diesen an die Aufgaben der Gesamtleitung heranzuführen.70 Hagen stieß damit auf den Widerstand des Museumsleiters, der sich Unterstützung vonseiten der Kölner Vorstandsmitglieder erhoffte. Der ehemalige Präsident des Hygiene-Museums sprach sich entschieden gegen Hagens Forderung aus, für diese Position einen Fachmann aus der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zu gewinnen. Ein „Dekorateur“ beherrsche nicht die komplexe Arbeit des Museums, welche der Kenntnisse und Fertigkeiten eines Kaufmanns, eines Werbefachmanns und eines Organisators bedürfe. Dass der mittlerweile 71-jährige Seiring in absehbarer Zeit aus dem Museum jedoch ausscheiden würde, war allen klar. Der Leiter des Kölner Gesundheits-Museums drohte trotzdem mit seiner sofortigen Kündigung.71 Damit positionierte sich Seiring klar und verband seine Person untrennbar mit seiner Stellung und seinem Plan, ein Museum und ein Zentralinstitut für Gesundheitsaufklärung zu leiten. Die Position eines Stellvertreters Seirings wurde dennoch Ende 1955 ausgeschrieben. Die Wahl des Vorstands fiel schließlich auf Harald Petri, der als Betriebsarzt in Nürnberg bei der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) gearbeitet hatte. Den Ausschlag gaben die „ausnahmslos positiven Gutachten“, vor allem aber, dass weder Katholiken noch Protestanten, weder SPD- noch CDU-Mitglieder gegen ihn Einwände vorbrachten.72 Mit der Auswahl Petris zeigte sich Seiring indes nicht einverstanden. Schenkt man dem Bericht des Geheimen Informanten für das MfS Glauben, der Seiring 1954 in Köln besucht hatte, fühlte sich Seiring in der Rheinstadt insgesamt nicht hinreichend gewürdigt: Die katholische Kirche bestimmt hier. vor (sic!) 1945 13 % evangelisch, jetzt ca. 40 %. Die Kölner sind keine Arbeiter wie wir, deshalb der Kampf, man will uns wieder hinaushaben, auch ich (Dr. Sei) und alle meine mitgebrachten Leute sind hier unerwünscht.73

69 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 1.4.1954, in: BArch, B 142/2013, Bl. 23 ff. und Kap. 1.2. 70 Vgl.  Angelegenheit der Wissenschaftler im Deutschen Gesundheits-Museum, Juni 1955, in: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 423A, Acc. 2, A 2085, Bl. 1–4. 71 Vgl. Seiring an Vonessen – vertraulich, 28.9.1955, in: BArch, B 310/341. 72 Vgl.  Sitzung des Gesamtvorstands des Deutschen Gesundheits-Museums am 29.11.1955, in: ebd.; Sitzung des engeren Vorstands am 7.3.1956 und Sitzung des engeren Vorstands am 9.4.1956 (dort auch das Zitat auf Bl. 55), in: BArch, B 142/2013, Bl. 42, 55. 73 Berichtszusatz, 10.3.1954: BStU, MfS, BV Dresden, Abteilung IV, Nr. 87/53 (AOP 127/55), Bl. 188.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Dass nun Hagen sich vor allem für Petri starkmachte und eine ins Auge gefasste interne Lösung verwarf, und dass Seirings ehemalige Dresdner Mitarbeiter sukzessive entlassen wurden, muss Seiring als ähnliche Missachtung seiner Errungenschaften und als ‚Kampf‘ um die Ausrichtung seines Museums verstanden haben. Zumindest versuchte er noch unmittelbar vor der Entscheidung auf den Stellvertreter Kölns im engeren Vorstand, Max Adenauer, einzuwirken, nicht Petri zu ernennen, denn dieser sei zu „journalistisch“.74 In der Rückschau wird an den Personalentscheidungen der 1950er Jahre nochmals deutlich, welche Differenzen Seiring am Museum erkannte und wie er versuchte, diese in seinem Interesse zu lösen: Über halboffizielle Kanäle zu den Vertretern der Stadt bemühte er sich, die Entscheidungen des Vorstands in seinem Sinne zu beeinflussen und dabei Hagens Konzeptions- und Personalpläne zu durchkreuzen, ohne die unterschiedlichen Ansprüche und Anforderungen an das Museum aus der Balance zu bringen. Was in Dresden lange Zeit und sowohl in der Weimarer Republik als auch im Nationalsozialismus funktioniert hatte, sollte in Köln der frühen Bundesrepublik jedoch nicht funktionieren. Seiring wurde durch seine klare Positionierung gegen die personellen Veränderungen für den engeren Vorstand nur noch schwer tragbar. Diese Unzufriedenheit verstärkte Harald Petri (absichtlich), indem er seine Dienstherren detailliert mit Interna versorgte, die ein erschreckendes Bild eines zerstrittenen Museums zeichneten, und sie zum raschen Handeln aufforderte: Es seien allen voran die ehemaligen Dresdner, die gegen den neuen Leiter „intrigierten“.75 Petris Ausführungen führten schließlich den engeren Vorstand dazu, sich für einen personellen Kahlschlag am Museum zu entscheiden. Sie beschlossen im Sommer 1956, „alle negativen Kräfte“ aus der Belegschaft des Museums zu entfernen, um gar eine Auflösung des Vereins zu verhindern, wie dies vereinzelt vonseiten des BMI gefordert worden war.76 Den konkreten Anlass gaben zwei Umstände. Erstens sammelte der Vorstand insgesamt neun überlieferte eidesstattlich versicherte Zeugenaussagen von Mitarbeitern des Museums, die Seiring und seinen Verwaltungsleiter schwer belasteten. Zweitens fand der engere Vorstand heraus, dass sich Seiring im August 1956 vom Chauffeur des Museums in den Urlaub hatte fahren lassen, wo dieser sogar den Dienstwagen hatte zurücklassen müssen. Der Vorstandsvorsitzende legte Seiring nun die am DGM ausgemachten Missstände zur Last: mangelnde Dienstaufsicht, die private Nutzung öffentlichen Eigentums, 74 Seiring an Adenauer: Einstellung wissenschaftlicher Mitarbeiter, 5.4.1956, in: BArch, B 310/341. 75 Vgl.  Petri an Oberstadtdirektor Max Adenauer, 4.8.1956, in: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 423A, Acc. 2, A 2084, Bl. 10–13. 76 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 21.8.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 74–80.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Vergabe privater Darlehen an Mitarbeiter aus Haushaltsmitteln, eigenmächtige Honorarvergaben, die schlechte Finanzlage sowie das Ränkeschmieden gegen seinen Stellvertreter.77 Er wurde daraufhin noch im Spätsommer 1956 freigestellt.78 Diese Personalentwicklung spülte Petri an die Spitze des Museums. Der Vorstand, der sich bei seiner Entscheidung den Urteilen und Empfehlungen der vorangegangenen Wirtschafts- und Organisationsprüfungen anschloss, erwarte von ihm eine grundlegende Umstrukturierung des Museums.79 Defizite in der Organisationsstruktur und Haushaltsführung Die nunmehr regelmäßig erfolgenden Prüfungsberichte prägten die Entwicklung des Kölner Museums. Indem sie die krisenhafte Lage der Organisation markierten, trieben sie Petri und den Vorstand vor sich her. Entscheidend war, dass die Ebene der Prüfung in Form des Landesrechnungshofs bald so hoch angesiedelt war, dass informelle bzw. formalisierte Lösungen innerhalb des Vorstandes unmöglich wurden. Der erste Untersuchungsbericht beschäftigte sich mit dem Verlag des Gesundheits-Museums und monierte die Lösung, die am DHM der 1920er bis 40er Jahre funktioniert hatte: Es könne nicht angehen, dass Erler den Verlag als Geschäftsführer einer eigenen Firma leitete, dem Museum Honorare und Rechnungen stelle, aber zugleich im Museum arbeitete. Erler schustere sich so selbst öffentliche Gelder zu. Der Verlag sei umgehend aufzulösen und in das Museum zu integrieren. Darüber hinaus wurden ernsthafte Zweifel am Sinn eines Neubaus und an einer Organisationsstruktur laut, in der der engere Vorstand über Personalunionen im erweiterten Vorstand sich nahezu selbst entlaste. Ebenso wurde die Belegführung sowie die private Nutzung der Dienstwagen beanstandet.80 Die späte Reaktion Seirings und des Vorstandsvorsitzenden, qua Amt  der damalige Kölner Oberbürgermeister Ernst Schwering, war bezeichnend: Allen ausländischen Gästen (darunter den ehemaligen Dresdner Mitarbeitern Gebhard und Neubert) habe man die Dienstwagen zur Verfügung gestellt, als sie das Museum besucht hatten, und deren private Nutzung sei, genauso wie alle anderen Belange der Organisationsstruktur, prinzipiell Sache des Museums und

77 Vgl. Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 423A, Acc. 2, A 2089, 1956, Bl. 29 f. 78 Seiring wurde im März 1957 pensioniert, wobei diese freiwillig geleistete Versorgung an die Bedingung geknüpft wurde, dass Seiring für keinen Konkurrenten tätig werden durfte. Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 10.12.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 95 f. 79 Vgl.  ebd.,  Bl.  95; Sitzung des Sozialausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 23.2.1962, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 3–17. 80 Vgl. Kurzfassung des Prüfungsberichts für 1953, 14.7.1953 und Prüfungsbericht des Landesrechnungshofs vom 22.12.1954, in: BArch, B 310/92, 1954–1965, unpag.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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nicht des Rechnungshofes.81 Der Vorstand beauftragte daraufhin einen eigenen Wirtschaftsprüfer, um mit einem Gegengutachten aufwarten zu können.82 Doch die Hoffnungen, von diesem Zustimmung zur bisherigen Struktur und Praxis zu erhalten, wurden enttäuscht. Die eingeschalteten Wirtschaftsprüfer sahen die Sache ähnlich wie der Rechnungshof und empfahlen aus den gleichen Gründen die Auflösung des Verlags und dessen Eingliederung als Vertriebs- und Verkaufsabteilung ins Museum.83 Mit den Prüfungen hatten nun andere Organe einen Blick auf das Museum geworfen, was die Aufsicht komplizierter machte. Denn nunmehr wurde nicht nur die Geschäftsführung des Museums infrage gestellt, sondern auch die Qualität ihrer Kontrolle durch die Vorstände.84 1956 beschäftigten sich diese intensiv mit den aufgezeigten Missständen. Betroffen waren vor allem Haushalt und Finanzgebaren des Museums: Ein brauchbarer Haushaltsplan sei eigentlich nicht vorhanden, Zulagen, Honorare für Heimarbeiten der Mitarbeiter und die Überstundenhonorierung seien exorbitant hoch und die Buchhaltung läge um Monate zurück. Gewährte Darlehen an die Mitarbeiter seien mehr als fragwürdig, mehrere fingierte Rechnungen de facto Betrug.85 Zu der Zeit also, zu der das Hygiene-Museum am stärksten versuchte, auf den bundesrepublikanischen Markt zu gelangen und Absprachen zwischen dem Kölner und dem Dresdner Museum anstanden, kulminierte die personelle und organisatorische Krisenwahrnehmung des Gesundheits-Museums. Prüfberichte und Mitarbeiter beanstandeten ein katastrophales Bewirtschaften des Museums, ein desaströses Betriebsklima und ein gutsherrliches Geschäftsgebaren. Versuche, die Finanzierungsquellen des Museums zu vergrößern, waren gescheitert. Und darüber hinaus geriet auch noch die kommerzielle Nähe des Museums ins kritische Augenmerk einer massenmedialen Öffentlichkeit.86

81 Seiring an Landesrechnungshof, 8.2.1955 und Schwering an Landesrechnungshof, 7.5.1955, in: ebd. 82 Vgl.  Knorr an Seiring, 21.12.1955, in: ebd.; Sitzung des engeren Vorstands am 7.3.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 44. 83 Vgl.  Eberhard: Ergebnis der Wirtschaftsprüfung des Verlags des Deutschen GesundheitsMuseums, 26.6.1956, in: BArch, B 310/92; Sitzung des engeren Vorstands am 2.7.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 64. 84 Vgl.  Vermerk des Finanzministeriums NRW zur Prüfung des DGM durch den Landesrechnungshof, 29.8.1960, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 31. 85 Vgl. Sitzungen des engeren Vorstands, 21.8. und 10.10.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 72–80, 82–86. 86 Vgl. Kap. 2.2 und 3.1.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Von Damenbinden, Zahnpasta, und Seife – Die fragwürdige Nähe zur Industrie Unter den Mitgliedern des Gesundheits-Museums befanden sich 1956 nicht nur einige Kommunen, sondern auch mehrere Unternehmen aus der Nahrungs- (CocaCola), Chemie- und Pharma- sowie Lebensversicherungsbranche.87 Wie auch in Dresden hatte Seiring Kontakte zur Wirtschaft gepflegt; mit einer Spende der Henkel AG hatte er in der Gründungsphase 1949 Druck ausgeübt, das Museum in der Nähe der Konzernzentrale in Düsseldorf anzusiedeln.88 Seitdem hatte er weitere Gelder unter anderem des Gerling-Konzerns, der Allgemeinen Versicherungs-AG, der Eau de Cologne- und Parfümerie-Fabrik Glockengasse No. 4711, des Verbands Deutscher Seifenfabrikanten, der Madaus-Gruppe, der Vereinigten Papierwerke Nürnberg sowie der Behring-Werke/Hoechst AG erhalten.89 Die Zusammenarbeit zwischen Museum und den Vereinigten Nürnberger Papierwerken trieb eine bizarre Blüte. Um 1957 gab der Verlag in seiner Reihe Kleine Gesundheitsbücherei eine Broschüre von Heinz Graupner (1906–1966) heraus. Graupner hatte sich seit den 1940er Jahren einen Namen als Ratgeberschriftsteller zu medizinisch-hygienischen Themen gemacht, insbesondere auf dem Feld von Familie und Reproduktion, z. B. mit dem Frauenspiegel. Eine Biologie der Mutter.90 Richtig berühmt wurde er im Laufe der 1950er Jahre mit ähnlichen Publikationen.91 Für den Verlag des Deutschen Gesundheits-Museums verfasste Graupner im typischen Ratgeberduktus des vertraulichen Gesprächs zwischen versiertem Experten und unsicherem Ratsuchenden eine kurze Abhandlung über die Hygiene der jungen Frau.92 Graupner fabulierte darin über die gesunde  – normal-typische – Menstruation und Schönheit des weiblichen Körpers, über die Ernährungsgebote für einen schlanken Körper, über Kosmetika und das Sonnenbaden als Mittel eines schönen Teints. Er skizzierte recht bieder Möglichkeiten

87 Vgl.  Mitgliederliste des Deutschen Gesundheits-Museums e.  V. vom 3.4.1956, in: BArch, B 142/1997. 88 Vgl. Kap. 1.2. 89 Vgl.  Tätigkeitsbericht 1956/1957, 9.7.1957, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 12, Bl. 107; Spendenbestätigung an 4711, Dezember 1953, in: BArch, B 310/341. 90 Vgl. Graupner, Heinz: Der Frauenspiegel. Eine Biologie der Mutter, Berlin 1940. 91 Vgl. Ders.: Jahre zählen nicht. Älter werden ohne zu altern, Heidelberg 1951; Ders.: Lebst Du richtig? Von der Hygiene des Alltags, Berlin 1951; Ders.: Das Elternbuch. Ein Schlüssel zur Kinderwelt, München 1955. Zur Bekanntheit siehe: Anonym: Bücher: Lebenserfolg. Denkt und handelt frohgemut, in: Der Spiegel, 5.12.1951, S. 38–41. 92 Vgl.  zu diesem typischen Duktus in der Sexualaufklärung: Helmstetter: Der stumme Doktor; Eder, Franz X.: Das Sexuelle beschreiben, zeigen und aufführen. Mediale Strategien im deutschsprachigen Sexualdiskurs von 1945 bis Anfang der siebziger Jahre, in: Bänziger, Peter-Paul/Duttweiler, Stefanie/Sarasin, Philipp/Wellmann, Annika (Hrsg.): Fragen Sie Dr. Sex! Ratgeberkommunikation und die mediale Konstruktion des Sexuellen, Berlin 2010, S. 94–122.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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der sportlichen Betätigung der Frau – am besten wenig – und schloss mit weiteren Tipps für eine hygienische „Schönheit – auch für wenig Geld.“93 Auf den letzten Seiten spitzte Graupner nochmals zu: „Die hygienischen Maßnahmen während der Regeltage hat ja deine Mutter mit dir schon längst besprochen – so ist dir, wie ich weiß, die vorbildliche CAMELIA-Hygiene ganz selbstverständlich geworden.“94 Illustriert mit der Fotografie zweier Arm in Arm stehender junger Frauen – im Hintergrund sieht man mathematische Formeln auf einer Schultafel – die lächelnd über die Schulter in die Kamera blicken, schloss der Ratgeber: Heranreifende Mädchen stehen dem Rhythmus des fraulichen Lebens zunächst oft ratlos gegenüber. Deshalb sind sie dankbar für jede taktvolle Hilfe […]. Die millionenfach bewährte CAMELIA-Hygiene ist die sichere Brücke, um ihnen immer – ja auch dann – jene bezaubernde Unbekümmertheit zu bewahren, die Backfische zu so beneidenswerten Menschenkindern macht.95

Expliziter konnte man den Finanzier der Broschüre wohl kaum einflechten, ohne dies als Reklame zu kennzeichnen: Camelia war der Markenname für die Damenbinden der Vereinigten Papierwerke Nürnberg.96 Genau dieser Umstand bestätigte und befeuerte die konsumskeptische Kritik, das Gesundheits-Museum betreibe unter dem Deckmantel einer unabhängigen und wissenschaftlich fundierten Sorge um die Gesundheit der Einzelnen nichts weiter als Absatzförderung.97 Richtig problematisch wurde die Nähe des Museums zur Wirtschaft erst durch ein anderes Ereignis: Am 8.  März 1956 erschien in der Bild-Zeitung die Meldung „Mit Bonbongeschmack“. Eigentlich handelte es sich dabei um eine als Kurznachricht getarnte Anzeige, mit der die Blendax GmbH seine neu eingeführte Kinderzahncreme mit Orangen- und Himbeergeschmack bewarb. Doch die Formulierung „das Deutsche Gesundheitsmuseum in Köln begrüßt die Einführung der neuen Zahnpasta: ‚Es wird das Zähneputzen bei Kindern populärer

93 Graupner, Heinz: So gefällst Du mir … Gespräche mit einem jungen Mädchen über Schönheit und Gesundheit, Köln o.J. [1957], S. 55. 94 Ebd., S. 61. 95 Ebd., S. 63 f. 96 Vgl.  zur Finanzierung auch eines angedachten Filmprojekts: Tätigkeitsbericht des Deutschen Gesundheits-Museums 1956/1957, 9.7.1957, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 12, Bl. 107. Das Filmprojekt der Deutschen Seifenindustrie war bereits 1955 zustande gekommen: Vgl. Schwarz, Uta: „Der Schmutzfink“ und „Großalarm bei Kundi“. Film und Gesundheitsaufklärung nach 1945, in: Roeßiger, Susanne/Merk, Heidrun (Hrsg.): Hauptsache gesund! Gesundheitsaufklärung zwischen Disziplinierung und Emanzipation, Marburg 1998, S. 154–168, S. 154–162. 97 Dieser Vorwurf hatte das Dresdner Modell seit seinen Anfängen begleitet. Vgl. Kap. 2.2.

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machen‘“98 stieß dem engeren Vorstand unisono auf. Dass das kommerzielle Agieren des Museums damit auf die Vorderbühne des Geschehens geriet, gefährdete das notwendige Image des Museums, ein gemeinnütziges und unparteiisches Organ zur Förderung der allgemeinen Gesundheit zu sein. Die Mitarbeit des Museums an einer Arbeitsgemeinschaft Zahngesundheit, welche von der „Körperpflegemittel-Industrie“ gegründet werden sollte, hatte der Vorstand zwar noch gebilligt.99 In die breite Öffentlichkeit sollte diese Kooperation aber nicht gelangen. Der Direktor der Blendax GmbH entschuldigte sich daraufhin beim engeren Vorstand und versicherte, man werde nichts mehr unternehmen und auch keine Richtigstellung verlangen, weil diese auch wieder die Aufmerksamkeit auf die Verbindung von Museum und Zahnpastawirtschaft lenken würde. Damit war der engere Vorstand des Museums zufrieden.100 Eine breite Öffentlichkeit wurde im Vorstand des Museums nicht als Ort einer transparenten Diskussion wahrgenommen, sondern als einer der Problematisierung. Dieses Verständnis, so lässt sich begründet vermuten, nutzten die Vertreter des Bundes zum Ende des Jahres 1956 für sich, als ein vergleichbarer Artikel in Der Spiegel erschien. In diesem wurde die Kooperation zwischen Gesundheits-Museums und der Deutschen Seifenindustrie thematisiert, wobei er eine Presse-Arbeitstagung des Museums vom November 1956 zum Anlass nahm, auf der ein Kuratorium zur Förderung der Gesundheit für jedermann die Kooperation zwischen Museum und Wirtschaftsverbänden institutionalisieren sollte. Die Industrie, so war im Vorfeld der Tagung vom engeren Vorstand beschlossen worden, dürfe durchaus die Unkosten der Veranstaltung tragen, aber nicht öffentlich (zusammen mit dem Museum) in Erscheinung treten.101 Der zweiseitige Bericht des Spiegel entsprach aber genau den Befürchtungen, indem darin die Entrüstung darüber zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine mit öffentlichen Geldern gestützte gemeinnützige Einrichtung aufgrund der eigenen Misswirtschaft „sich für die kommerziellen Ziele einer einflußreichen Gruppe der westdeutschen Seifenindustrie einspannen lasse.“102 Nicht nur öffentliche Gelder, sondern auch die Reputation des Kölner Museums würden für Seifenwerbung verbraucht.103

98 Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 423A, Acc. 2, A 2086, Bl. 11. 99 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 16.3.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 48–50. 100 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 9.4.1956, in: ebd., Bl. 56; vgl. ebenso: Sitzung des engeren Vorstands, 21.8.1956, in: ebd., Bl. 75. 101 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 10.10.1956, in: ebd., Bl. 86. 102 Anonym: Seifen-Werbung. Getarnter Gesundheitsappell, in: Der Spiegel, 19.12.1956, S. 24–25, S. 24. 103 Vgl. ebd., S. 25.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Der Tenor des Spiegel war der Seite des Bundes offenbar recht, wenn er nicht sogar von dort gespeist worden war. Die Verfasser*in schien bestens über die internen Abläufe und aktuellen Problemlagen des Museums informiert. Im typischen Aufdeckungsduktus formte das Hamburger Nachrichtenmagazin die Geschichte einer Verheimlichung der Indienstnahme von Wissenschaft und Politik durch bestimmte Wirtschaftskreise, denen die Kräfte der Aufklärung und Transparenz gegenüberstanden.104 Und zu Letzteren zählte der Beitrag des Spiegel die Vertreter der Gesundheitsabteilung im BMI: Zitiert wurde Bernhard Zoller, Hagens Nachfolger als Leiter des Referats für Gesundheitsfürsorge und gesundheitliche Volksbelehrung des BMI, das Museum lasse sich „einspannen“.105 Ebenfalls hieß es, Zoller habe mit seinem nach Wiesbaden entsandten „kriminalistisch geschulten Späher“106 für die Aufdeckung der Kooperation zwischen Museum und Wirtschaft gesorgt. Und schließlich war es Zollers Dienstherr, Innenminister Gerhard Schröder, der laut Spiegel-Artikel durchgriff: Die Gelder für den Neubau des Museums habe er gesperrt und entschieden dränge er „auf personelle Änderungen in der Geschäftsleitung.“107 Der Artikel des Spiegel machte im Kern den Streit öffentlich, der sich einige Tage zuvor im engeren Vorstand als Konflikt zwischen den Vertretern Kölns und denen des Ministeriums in der Frage der Kommerzialität des Museums entladen hatte. Zollers Vorwurf, die Industrie sei deutlich sichtbarer in Erscheinung getreten, als vorher abgesprochen worden war, widersprachen die Vertreter der Stadt, die es vor allem als Indiskretion sahen, dass der Bundesminister des Innern informiert worden war.108 Obgleich die Vertreter des Landes NRW ausgleichend moderierten und Max Adenauer noch an die „Einsicht und den guten Willen“109 auf beiden Seiten appellierte, war der Konflikt zwischen Kommune und Bund deutlich zutage getreten. Im Zuge des Artikels im Spiegel und des Streits im Vorstand scheiterte schließlich die Kooperation mit der Seifenindustrie, die sich weigerte, Gelder bereitzustellen, solange die „Streitpunkte zwischen Bund und anderen Trägern nicht beigelegt seien.“110 Und Zoller machte für all dies den neuen Leiter des Museums persönlich verantwortlich. Vor allem lastete er Harald Petri an, mit

104 Vgl. zur Sprache des Spiegel Carstensen, Broder: Spiegel-Wörter, Spiegel-Worte. Zur Sprache eines deutschen Nachrichtenmagazins, München 1971. 105 Vgl. Anonym: Seifen-Werbung, S. 24. 106 Ebd., S. 25. 107 Ebd. 108 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 10.12.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 89–98. 109 Ebd., Bl. 92. 110 Sitzung des engeren Vorstands, 9.7.1957, in: ebd., Bl. 124; vgl. ebenso: Sitzung des engeren Vorstands, 6.6.1957, in: ebd., Bl. 108 ff.

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seinen Initiativen die Beziehung zum Bundesausschuss und damit die Strategie der Gesundheitsabteilung des BMI zu riskieren, über die von ihr geförderten Einrichtungen den eigenen Einfluss auf die politischen Prozesse im Gesundheitswesen zu Gunsten des ÖGD zu vergrößern. Von der mangelhaften Kooperation zum offenen Streit zwischen Gesundheits-Museum und Bundesausschuss Im Krisenjahr 1956 rückte das Ideal, den BAfgV „in Wechselwirkung mit  dem Museum“111 treten zu lassen, in weite Ferne. Im Zusammenhang mit dem ‚SeifenSkandal‘, der die Kommerzialität einer öffentlichen und gemeinnützigen Einrichtung als Normüberschreitung markiert hatte, warf Zoller Petri vor, den BAfgV auszuschließen und Kompetenzen des Museums auf dessen Kosten zu erweitern.112 Petri revanchierte sich mit dem Vorwurf an Zoller, er wolle das Museum „zu einem Ausführungsorgan des BAfgV“113 degradieren. Die alte Frage, wer die Gesundheitsaufklärung koordinieren sollte, stand wieder auf der Agenda. Doch war dies nun auf eine so konfrontative Weise geschehen, dass ein Kompromiss zwischen Petri und den Vertretern des BMI und zwischen diesen und jenen der Stadt Köln schwierig wurde.114 Der engere Vorstand versuchte sich als Mediator und strebte an, die Kompetenzen der beiden Organisationen klarer voneinander abzugrenzen. Dafür setzten sich die Vertreter der drei Träger separat zusammen. Einen Kompromiss fanden sie, der im Kern den Vorstellungen aus dem BMI entsprach, praktikabel war er aber immer noch nicht.115 Prinzipiell sollte der BAfgV die Koordination, Materialsammlung und methodologischen Reflexionen der Gesundheitsaufklärung übernehmen. Das Gesundheits-Museum sollte die Medien dazu herstellen und dafür sorgen, dass diese thematisch, sachlich und darstellerisch dem neuesten Stand entsprächen. Die notwendige Kooperation auszuhandeln und

111 Sitzung des engeren Vorstands des Gesundheits-Museums, 2.7.1956, in: ebd., Bl. 70. 112 Zu den Perspektiven einer (Medien- und Politik-)Geschichte der Politik-Skandale, d. h. der gesellschaftlichen Normverhandlung einer wandelnden Medien- und Öffentlichkeitsform: Bösch, Frank: Öffentliche Geheimnisse. Die verzögerte Renaissance des Medienskandals zwischen Staatsgründung und Ära Brandt, in: Weisbrod, Bernd (Hrsg.): Die Politik der Öffentlichkeit  – Die Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen 2003,  S.  125–150; Ders.: Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880–1914, München 2009, S. 1–11. 113 Sitzung des engeren Vorstands, 10.12.1956, in: BArch, B 142/2013, Bl. 93. 114 Vgl. Sitzung des engeren Vorstands, 10.12.1956, in: ebd., Bl. 92–94, 97 f.; Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 423A, Acc. 2, A 2085, passim. 115 Vgl. Vermerk Zoller, 18.11.1958, in: BArch, B 142/380, Bl. 55–57.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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aufrechtzuerhalten, überließen sie den Geschäftsleitungen der beiden Organe.116 Petri zeigte sich vom gefundenen Übereinkommen nicht beruhigt und drängte den Vorstand weiterhin, selbst eine Abgrenzung herbeizuführen. Einige Monate später versuchten die Vertreter aus Nordrhein-Westfalen nochmals ihn zu besänftigen – ohne Erfolg.117 Der Konflikt zwischen BAfgV und Gesundheits-Museum war in der personellen und strukturellen Konstellation der zweiten Hälfte der 1950er Jahre nicht zu lösen. Denn zum einen überwarfen sich Petri und die Sozialmediziner des BAfgV wegen der Frage, wer dafür verantwortlich war, dass das Hygiene-Museums auf der 4. Konferenz der IUHEP ausstellte.118 Zum anderen stellte die nächste Organisationsprüfung 1959 fest, dass ein Arbeitsabkommen bislang noch nicht abgeschlossen worden und eine Abgrenzung der Tätigkeiten nicht machbar sei.119 Die einzig mögliche Alternative laute dazu aber nur, beide Einrichtungen zu einem Organ zusammenzufassen. Diese Option wurde zwar immer häufiger geäußert, fand aber letztlich weder Zustimmung bei den Vertretern aus den Gesundheitsverwaltungen von Stadt, Land und Bund, noch bei den beiden Organisationen selbst.120 In der nicht lösbaren Auseinandersetzung zwischen BAfgV und GesundheitsMuseum spiegelten sich aber nicht nur die Spannungen des ÖGD, sondern auch Verschiebungen in der Vorstellung davon, womit und wozu hygienische Volksbelehrung operieren sollte. Wenn Gesundheitsaufklärung ein fester Bestandteil bundesstaatlicher Kompetenz sein sollte und eines seiner bisherigen Organe in Hinsicht auf Status, Finanzierung und Unterbringung prekär aufgestellt war und mit den anderen Organen auf dem Feld nicht zurechtkam, sich die ehemalige Stärke der Nähe zur Industrie zu einem Angriffspunkt öffentlicher Kritik

116 Vgl. Niederschrift über die Besprechung über die Abgrenzung der Tätigkeit des BAfgV und des DGM, 8.3.1957, in: BArch, B 142/400. 117 Eberhard an Petri, 12.6.1957, in: BArch, B 310/136, 1956–1957, unpag. 118 Vgl. Kap. 3.3.; Steinbiß an Petri, 17.10.1958 und Petri an Steinbiß, 14.11., 4.12. und 10.12.1958, in: BArch, B 310/115; Niederschrift über die Vorstandssitzung am 13.11.1958, in: BArch, B 142/397, Bl. 602–611. 119 Bericht über die Organisationsprüfung des Gesundheits-Museums, 7.11.1959, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr.  11, 1959–1960,  Bl.  4, 15 f. Dies brachte auch der engere Vorstand des Museums zum Ausdruck. Siehe hierzu: Sitzungen des engeren Vorstands, 13.1. und 6.3.1959, in: BArch, B 142/2013, Bl. 205–207, 225. 120 Vgl. Finanzministerium an Innenministerium Nordrhein-Westfalen, 31.10.1960; Sitzung des erweiterten Vorstands, 29.5.1961, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 14, 1960–1962, Bl. 4 f., 165–168; 95. Sitzung des Sozialausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen, 23.2.1962; Vermerk Gesundheits-Museum, 28.2.1962, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 6 f., 46.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

gewandelt hatte  – wozu brauchte man dann ein in erster Linie ausstellendes Gesundheits-Museum? Hier offenbarte sich die methodologische Seite der sich in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre verschärfenden Krise des GesundheitsMuseums, die letztlich eine konzeptuelle und mediale Misere der hygienischen Volksbelehrung widerspiegelte. Auslaufmodell Ausstellung – letzte Verteidigungen des Dresdner Modells Bereits durch die Kritik an der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben 1951 hatte sich Seiring zur Verteidigung seiner Idee der hygienischen Volksbelehrung gezwungen gesehen: Professoren könnten eben keine gesundheitliche Volksaufklärung betreiben, weil ihre Sprache zu schwer verständlich sei. Das Museum müsse Mittler sein. Außerdem müsse unbedingt rasch definiert werden, was gesundheitliche Erziehungsarbeit eigentlich sei. Unabhängig von dieser Bestimmung, müsse das Museum jedoch unbedingt am Medium der Ausstellung festhalten  – wenngleich auch in kleinerem und thematisch konzentrierterem Format  –, denn diese sei immer noch die „repräsentativste Form der Gesundheitserziehung.“121 An Seirings Verteidigung lässt sich ablesen, dass das Medium Ausstellung in den konditionalen Modus geraten war und mit einem Mal unter Begründungsdruck stand  – und mit ihm auch das gesamte Konzept der hygienischen Volksbelehrung ausgehend von einem nicht-staatlichen Gegenwartsmuseum. Mehrfache Versuche, dieses Modell doch noch nach Köln und in die 50er Jahre hinüberzuretten, waren die Folge. Auf Seirings Veranlassung hin hatte eine ausführlichere Denkschrift „für die amerikanischen Geldgeber“ von 1952/1953 die zentrale Leitlinie expliziert: mehr Planung, mehr mediale Vielfalt, konzertierte Aktionen, psychologische Studien und die organisationale Einheit von Museum und einem nationalen Zentralinstitut für Gesundheitserziehung.122 Die Forderung nach einer stärkeren konzeptionellen Ausrichtung und die damit einhergehende Kritik an dem in diesem Sinne als ineffektiv bewerteten Medium Ausstellung verselbstständigte sich trotz aller entgegenwirkenden Bemühungen. Seiring beharrte gegenüber den Vorstandmitgliedern aus Köln auf dem Doppelstatus seines Museums.123 Für Wilhelm Hagen im BMI betonte er die Rolle als Zentralinstitut, wissend um die Relevanz seines 121 Seirings Stellungnahme zum Vermerk des BMI vom 22.8.1953, 19.10.1953, in: BArch, B 310/341. Vgl.  die Ausführungen zur Großen Gesundheitsausstellung und ihre Effekte auf das Gesundheits-Museum in Kap. 2.2. 122 Vgl.  Denkschrift des Deutschen Gesundheits-Museums Köln. Zentralinstitut für Gesundheitserziehung in der Bundesrepublik Deutschland, o. D. (1953), in: BArch, B 142/400. 123 Vgl. Seiring an Vonessen – vertraulich, 28.9.1955, in: BArch, B 310/341. Hierzu auch: Seiring an Adenauer, 16.9.1955, in: ebd.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Museums für die Bundesverwaltung im Systemkonflikt und in der Auseinandersetzung um die Kompetenzen des ÖGD.124 So priorisierte Seiring im Arbeitsprogramm von 1955 eine Ergänzung zur Museumsarbeit, d. h. Mediensammlung und -archivierung, sowie den Aufbau einer Gesundheitsakademie ganz im Sinne seines Dresdner Modells. Hinzu kam eine explizite Aufforderung zur Methodikforschung: Neue Medien wie Rundfunk, Fernsehen und Filmverleiher galt es einzubinden und voranzutreiben. Ausstellungen sollten als Kleinausstellungen entworfen, thematisch fokussiert und als räumlicher „Kristallisationspunkt“ für Aufklärungskampagnen vor Ort fungieren können.125 Selbst organisierte Großausstellungen im Leitbild eines Lehrbuchs der Hygiene waren damit kaum zu vereinbaren. Im Laufe des Jahres 1955 skizzierten zwei weitere Denkschriften  – eine aus dem Hause und eine externe – die Gliederung einer avisierten Schausammlung, welche ein Argument für die Durchführung der Neubaupläne liefern sollte. Seiring schaltete seinen ehemaligen Mitarbeiter  – und mutmaßlichen Verbündeten  – Rudolf Neubert als Gutachter ein. In zwei ausführlichen Briefen verwarf der Jenaer Professor für Sozialhygiene die Programmentwürfe insgesamt als „literarisches Wunschprogramm.“126 Zwar zeigte sich Neubert mit der prinzipiellen Ausrichtung einer solchen Schausammlung zufrieden. Wie früher sollte der Mensch als „lebendiger Organismus“ in den Mittelpunkt gestellt werden. Von der Veranschaulichung seiner Anatomie und Physiologie ausgehend anhand der onto- und phylogenetischen Wechselwirkung des Organismus mit der Umwelt sollten die hygienischen Fragen nach Gesundheit und Gesunderhaltung angesprochen werden.127 Er plädierte jedoch gegen die übliche Gliederung nach Organen und für eine Ordnung nach der historischen Ausdifferenzierung der Lebensfunktionen, weil dies „der Anschauungsweise der Nichtärzte entspricht. […] Ein volkstümliches Gesundheitswesenmuseum muß dieser Betrachtungsweise entgegenkommen.“128 Der Sichtweise des Publikums entgegenzukommen schließe dadurch die Gliederung nach einem medizinischen Lehrbuch aus.129 Das Museum müsse gleichwohl so viele unterschiedliche hygienische Normen der gesundheitlichen Lebensführung

124 Vgl. Seiring an Abteilung Gesundheit des BMI, 21.3.1955, in: BArch, B 142/2017, Bl. 156–160. 125 Vgl. Arbeitsprogramm für das Deutsche Gesundheits-Museum 1955., o. D. (März 1955), in: ebd., Bl. 161, 162, 164. 126 Rudolf Neubert an Georg Seiring: Kritische Bemerkungen zu Dr. H. Göllners ‚Gedanken f. d. geplante Schausammlung im Museums-Neubau‘, 15.2.1956, in: BArch, B 142/400, hier S. 4. 127 Rudolf Neubert an Georg Seiring: Bemerkungen zu Dr. Vogel, 6.2.1956, in: ebd., hier S. 1. 128 Ebd., hier S. 2. 129 Vgl. Rudolf Neubert an Georg Seiring: Kritische Bemerkungen zu Dr. H. Göllners ‚Gedanken f. d. geplante Schausammlung im Museums-Neubau‘, 15.2.1956, in: ebd., hier S. 4.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

setzen, wie es den Lebensgewohnheiten seiner Besucher entspräche. Würde beispielsweise der hygienische Tagesablauf, also die gesunde Einteilung des Tages, nicht mit den Besuchern diskutiert werden, bliebe alles „Chlorodontreklame.“130 In Kenntnis der Publikationen des Gesundheits-Museums verbat sich Neubert außerdem die zivilisationskritischen Untertöne der zu dieser Zeit auch durch Publikationen des Gesundheits-Museums popularisierten Deutung von HerzKreislauf-Erkrankungen als „Managerkrankheit“131: „Das ist etwas für die Sensationszeitung, aber nicht für ein Gesundheitsmuseum.“132 Den entscheidenden Punkt für die hygienische Volksbelehrung berührte Neubert in seinen Begutachtungen zum Medium der Ausstellung. Die Denkschriften forderten für ihn grundsätzlich richtig, daß wir von der Aufklärung zur Belehrung, und schließlich zur Erziehung übergehen sollen. […] Das Höchste, was eine Schau beitragen kann, ist, die Erziehung und Selbsterziehung anzuregen. Wenn man sich das nicht vorher klarmacht, verlangt man von der Schau etwas, was sie nicht leisten kann, überlastet sie und endet in Unzulänglichkeiten, die niemanden befriedigen.133

Weil in einer Ausstellung Inhalt und Darstellung ein „untrennbares Ganzes“ eingingen und die Herausforderung darin bestehe „Vorgänge, aber auch Verhaltungsweisen sichtbar zu machen“134, könne dieses Medium nicht das ausschließliche

130 Vgl. Rudolf Neubert an Georg Seiring: Bemerkungen zu Dr. Vogel, 6.2.1956, in: ebd., hier S. 4. 131 Neubert kritisierte die mit diesem Begriff verhandelte Interpretation von Herz-KreislaufErkrankungen als Krankheit überlasteter, wirtschaftlich erfolgreicher Männer (Vgl. Anonym: Wen die Götter Lieben. Manager-Krankheit, in: Der Spiegel, 14.4.1954, S. 34–37; Graf, Otto: Die Krankheit der Verantwortlichen. Manager-Krankheit, Köln 1953; Kaiser, Karl: Die Manager-Krankheit läßt sich vermeiden, Köln 1953). In dieser schwangen nicht nur Antiamerikanismus und konservative Zivilisationskritik mit, sondern auch personelle Kontinuitäten der Ernährungs- und Arbeitsphysiologie aus dem Nationalsozialismus. Vgl. Kury, Patrick: Zivilisationskrankheiten an der Schwelle zur Konsumgesellschaft. Das Beispiel der Managerkrankheit in den 1950er und 1960er Jahren, in: Overath, Petra (Hrsg.): Die vergangene Zukunft Europas. Bevölkerungsforschung und -prognosen im 20. und 21. Jahrhundert, Köln u. a. 2011, S. 185–207; Ders.: Überforderter Mensch, S. 109–175; Plesser, Theo/Thamer, Hans-Ulrich (Hrsg.): Arbeit, Leistung und Ernährung. Vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie in Berlin zum Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie und Leibniz Institut für Arbeitsforschung in Dortmund, Stuttgart 2012. Zur Kulturalität von Volkskrankheiten allgemein: Roelcke, Volker: Krankheit und Kulturkritik. Psychiatrische Gesellschaftsdeutungen im bürgerlichen Zeitalter (1790–1914), Frankfurt a. M. u. New York 1999. 132 Rudolf Neubert an Georg Seiring: Kritische Bemerkungen zu Dr. H. Göllners ‚Gedanken f. d. geplante Schausammlung im Museums-Neubau‘, 15.2.1956, in: BArch, B 142/400, hier S. 2. 133 Ebd., hier S. 4. 134 Organisationsplan eines Instituts für Gesundheitserziehung, 5.6.1956, in: ebd.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Mittel der Gesundheitserziehung sein. Gesundheitsaufklärung zur Mitte der 1950er Jahre benötige mehr, so Neuberts Urteil. In diesen Tenor stimmte auch der Bundesausschuss mit ein, der im Auftrag der Abteilung Gesundheitswesen des BMI das dritte Konzeptpapier für das DGM seit 1955 verfasste  – inmitten des Abgrenzungskonfliktes zwischen den beiden Organisationen. Seine Schlussfolgerung war vernichtend: „Das Deutsche Gesundheits-Museum bezeichnet sich in seinem Untertitel als Zentralinstitut für Gesundheitserziehung“, ein Anspruch, „dem es bisher nicht nachgekommen ist.“135 „Wissenschaftliche Arbeiten zur Theorie, Praxis oder Technik der Gesundheitserziehung sind aus dem ‚Zentralinstitut für Gesundheitserziehung‘ nicht hervorgegangen, Kurse wurden nicht abgehalten.“136 Aber genau dies, die „ständige Beobachtung der neuesten Entwicklungen der Medizin und des Gesundheitswesens, Meinungsforschung und Statistik, Erfahrungsaustausch mit dem Ausland, Dokumentation“137 und die dementsprechende Ausbildung von Multiplikatoren (Amtsärzte, Lehrer, Ärzte und „ärztliches Hilfspersonal“) sollte ein solches Zentralinstitut bewerkstelligen.138 Das Museum könne nur als Fehlinvestition betrachtet werden, denn zum ersten seien die Lehrmittel nicht konkurrenzfähig, „weder im Vergleich mit privatwirtschaftlichen Lehrmittelverlagen noch […] mit dem Hygiene-Museum in Dresden“; zum zweiten widersprächen die Materialien „einer zeitgemäßen Auffassung vom Wesen der Gesundheitserziehung.“139 Dem vernichtenden Urteil entsprachen die Forderungen. Die Einrichtung sei grundlegend umzustrukturieren: Der Produktionsbetrieb sei einzuschränken, die Neubaupläne für ein Institut der Forschung und Lehre zu revidieren (auf Raum für eine Schausammlung konnte verzichtet werden), die Bezeichnung der Einrichtung zu ändern (lediglich aus Traditionsgründen könne man im Untertitel die Bezeichnung „Museum“ führen). Konsequenterweise sei dann auch die Trägerschaft grundsätzlich zu ändern: Am besten mache der Bund aus dem Museum eine Einrichtung mit behördlichem Charakter und gliedere das Institut an das Bundesgesundheitsamt an.140 Beim Versuch, den Kritikpunkten zu entsprechen und die Forderungen abzuwenden, die der Gesundheitsabteilung des BMI nur recht sein konnten, vertiefte der gerade erst zum Leiter des DGM berufene Harald Petri indes nur die Kluft, die sich zwischen ihm und den anderen beiden Organen aufgetan hatte. Petri 135 Ebd., hier S. 3. 136 Ebd., hier S. 6. 137 Ebd., hier S. 1. 138 Vgl. ebd., hier S. 1 f. 139 Ebd., hier S. 7. 140 Vgl. ebd.

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bemühte sich um einen großen Wurf, der mit der Kritik am Gesundheitsbegriff der WHO begann. Gesundheit sei kein Zustand des „vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“, sondern ein „ständiges SICH-MÜHEN um optimale Lebenstüchtigkeit im Körperlichen, Seelisch-Geistigen und Menschlichen, [… damit man mit, C.S.] jener todbringenden Summation an GEFÄHRDUNGEN dank moderner Zivilisation ‚fertig‘ wird.“141 Die Aufgabe der Gesundheitsvorsorge könne gegen die Gefährdungen der Moderne nur die Hilfe bei der Arbeit am Selbst sein: Gemäß Petris Erziehungsideal ernähre sich eine Person gut, ertüchtige sich körperlich, führe „ein Leben mit rotem Faden“, verweigere sich Genussgiften, passe sich optimal den Zivilisationsbedingungen an und akzeptiere „Reihenuntersuchungen zwecks Auslese trainingsfähiger Leistungsgeminderter zur Förderung des Anpassungsvermögens.“142 Seiring verwarf Petris Vorschlag kurz nach seiner Beurlaubung in Gänze. An den Rand schrieb er „schauerliche Phrase“, „sehr anmaßend“, „Quatsch“, „Schmarren“, „Uff!“143 – alles gehe durcheinander in diesem Entwurf: Ich finde es überhaupt etwas merkwürdig, daß ein Mann, der sich noch nie mit G.E. [Gesundheitserziehung, C.S.] befaßt hat, schon nach 14 Tagen, die er als wissenschaftlicher Leiter am D.G.M. in Köln auf Probe zugebracht hat, sich erdreistet […], den Landesausschüssen ein solches Exposé zu fabrizieren.144

Es sei erforderlich, „Herrn P. […] als G. Erzieher auszubilden, damit er nie solch ähnliche Exposés herausgibt.“145 Problematisch an Petris Konzept, an dem er bis zu seiner Entlassung sechs Jahre später festhielt, war nicht, dass er und Seiring sich dessentwegen zerstritten – das war bereits mit Petris Einstellung passiert.146 Kritisch wurde für Petri das Modell des DGM vielmehr, weil sich Bernhard Zoller im BMI Seirings Urteil anschloss, dass es Petris Exposé an Systematik und Methodik mangele.147 Zoller verlor das Vertrauen in die Fähigkeit des neuen Leiters, die Forderungen des 141 Petri, Harald: Systematik und Thematik der Gesundheitserziehung, o. D. (Mai-Juni 1956), in: ebd., hier S. 1. 142 Vgl. ebd., hier S. 1–4, Zitate auf S. 2. 143 Annotierte Version von Petri, Harald: Systematik und Thematik der Gesundheitserziehung, 16.6.1956, in: ebd., hier S. 1–4. 144 Handschriftliches „Resumée“ zur annotierten Version von Petri, Harald: Systematik und Thematik der Gesundheitserziehung, 16.6.1956, in: ebd., hier S. 5. 145 Ebd., hier S. 4. 146 Vgl. oben; Petri an Finanzministerium NRW, 18.10.1957, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 12, Bl. 18–132, hier Bl. 94–97. 147 Vgl.  Zoller an Petri, 7.6.1956; Petri an Zoller, 28.6.1956, in: BArch, B 310/134, 1950–1960, unpag.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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BAfgV umzusetzen, nach denen das kriselnde Kölner Museum in eine Behörde für Gesundheitserziehung verwandelt und in den Geschäftsbereich der Bundesverwaltung gebracht werden sollte. In den unterschiedlichen Gutachten zur Fortentwicklung war zwar Gesundheitserziehung nicht konkretisiert worden. Deutlich wurde jedoch, dass in diesem Konzept die Zukunft des GesundheitsMuseums lag. Denn die Betonung der Verhaltensänderung des Einzelnen als Zweck der Gesundheitsaufklärung lag ganz im Sinne der Vertreter der Gesundheitsabteilung des BMI auf ihrer Suche nach Stärkung des ÖGD.

DDR: Transfers aus der Sowjetunion statt „Kapitulation“ vor der eigenen Tradition Wie in der Bundesrepublik das Gesundheits-Museum geriet auch das HygieneMuseum im Laufe der 1950er Jahre in einen Strudel aus Kritik und Krise. Auch in Bezug auf das Dresdner Museum monierten die Gesundheitserzieher*innen das Konzept der Arbeit, die Medien und die Struktur der Organisation. Und auch hier galt eine Pointierung der erzieherischen Funktion bestimmt von den Prinzipien der Einheitlichkeit, Konzertierung und Wissenschaftlichkeit als Lösung für ein Museum der Gesundheitsaufklärung, das zunehmend an den Erfordernissen eines verstaatlichten Gesundheitsschutzes ausgerichtet wurde. In expliziter Rezeption sowjetischer Modelle gruben sich indes DDR-spezifische Debatten um eine dialektisch-materialistische Wissenschaft sowie die Ideologisierung des Erziehungsleitbildes in die Arbeit des Deutschen Hygiene-Museums ein – nicht jedoch ohne auf Widerstand im DHM zu stoßen. Schwung erhielt die Sowjetisierung der Gesundheitsaufklärung der DDR mit der Studienreise des gesamten ministerialen Leitungspersonals in die UdSSR Ende 1953. Das in Folge der Dienstreisen erarbeitete und erlassene Entwicklungsprogramm des Gesundheitsschutzes sah den Import einer zentralistischen Struktur vor.148 Die Abteilung für Hygiene-Aufklärung im Ministerium für Gesundheitsschutz der Sowjetrepubliken leitete das „Zentralinstitut für Sanitär-Hygienische Aufklärung“ an und dieses wiederum die regionalen Gesundheitsämter. Ein spezieller „Arzt für die Methodik der hygienischen Aufklärung“ kümmerte sich laut Plan darüber hinaus um die gesamte Gesundheitsaufklärung im Einzugsgebiet der jeweiligen Einrichtungen des staatlichen Gesundheitswesens, inklusive der Krankenhäuser.149 Angewandt auf den deutschen Fall sollte dementsprechend

148 Vgl. oben, Kap. 4.1 [Anm. 50]. 149 Vgl. Weber: Sowjetischer Gesundheitsschutz.

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das Dresdner Museum ein Ausführungsorgan des Ministeriums werden, das – von diesem thematisch und politisch angeleitet – medizinische Aufklärung entwickeln und durchführen sollte. Das Museum wiederum hatte analoge Partnereinrichtungen in den Provinzen, „Häuser für sanitär-hygienische Aufklärung“ oder „hygienische Aktive“, anzuleiten.150 Das Organisationsprinzip bestand hier formell also in einer Stufung der Hierarchieebenen, der gestaffelten „Anleitung“ von Wissenschaft in die Praxis, vom Zentrum in die Provinz. Nur dieses System der kaskadenförmigen Entscheidungs- und Informationsweitergabe schien den Verantwortlichen der Gesundheitspolitik in der SED und dem Ministerium für Gesundheitswesen die Effektivität  – und politische Unbedenklichkeit  – der Gesundheitsaufklärung zu garantieren. Nur auf diese Weise schien es gesichert, dass das DHM „Aufklärungsliteratur […] in Millionenauflagen […] nach einem bestimmten Plan […], und zwar auf einem hohen politischen Niveau, hohem wissenschaftlich-medizinischen Niveau, hohem methodischen Niveau“ entwickeln würde.151 Ein wissenschaftlicher Beirat und ein methodisches Kabinett am Hygiene-Museum sollten genau dies ermöglichen: konzertierte Aktionen zu vorgegebenen gesundheitspolitischen Themen zu entwerfen, zu begründen, zu entwickeln und mit sozialistisch, d. h. optimistisch, gestalteten Medien zugänglich, interessant und lebendig umzusetzen.152 Der Rat hatte die Abschlussbewertung nach dem Kriterium vorzunehmen, dass die „Bevölkerung von der Richtigkeit des vorgeschlagenen Weges überzeugt wird.“153 Die strukturellen Forderungen nach einer Sowjetisierung bestanden also im Kern aus der Zentralität von politischer Kontrolle als auch wissenschaftlicher Anleitung. Ihre inhaltliche Entsprechung fanden sie in der Rezeption des russischen Physiologen Ivan Petrovich Pavlov (1849–1936).154 Pavlov-Rezeption und die Sozialistische Persönlichkeit als Erziehungsziel Im Kern ging es in der Wiederentdeckung Pavlovs darum, für die Naturwissenschaft eine paradigmatische Entsprechung des historischen Materialismus

150 Steidle, Luitpold: Zentralinstitut für Sanitär-Hygienische Aufklärung, in: Ministerium für Gesundheitswesen der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.): Gesundheitsschutz in der Sowjetunion. Ergebnisse einer Studienreise deutscher Ärzte in die Sowjetunion, Berlin 1955, S. 130–139, S. 133–134. 151 Ebd., S. 134. 152 Ebd., S. 138. 153 Ebd., S. 137. 154 Vgl. die einleitenden Worte in der Berichterstattung der Studiendelegation in die UdSSR: Ministerium für Gesundheitswesen der Deutschen Demokratischen Republik: Gesundheitsschutz in der Sowjetunion, S. XI.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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zu finden. Denn Pavlovs These des 2. Signalsystems schien auf der Basis eines dialektischen Verhältnisses von Mensch und Umwelt vor allem eines leisten zu können: Die Ordnungsidee einer Vorrangstellung der Großhirnrinde über den organischen Körper ließ in einem lamarckianischen, besser lyssenkoistischen, Analogieschluss auf den Gesellschaftskörper das sowjetische Herrschaftsmodell einer zentralistischen Diktatur legitimieren.155 Die Ordnung des Körpers schien in dieser Deutung der Ordnung der sozialistischen Gesellschaft zu entsprechen in der dialektischen Ausdeutung einer Fortschrittsgeschichte von Mensch und Gesellschaft mit einem klaren Telos der Geschichte – dem des Kommunismus.156 ZK und Ministerium reagierten ab 1952 nachdrücklich auf die 1950 in der UdSSR zur „alleinigen Grundlage der Sowjetischen Psychologie“157 dekretierte Lehre Pavlovs. Sie forcierten mehrere Tagungen und institutionalisierten die avisierte Adaption in der Fachkommission für Fragen der medizinischen Wissenschaft beim ZK, in der Staatlichen Pawlow-Kommission beim Ministerium für Gesundheitswesen, und in der Pawlow-Kommission beim Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut in Dresden.158 Aus deren Tätigkeit entsprangen nicht nur intensive Popularisierungsbemühung, vor allem in der Medizin und Psychologie, sondern auch der Aufruf, die „experimentellen Fächer der Medizin“ als Evidenzquelle für die klinischen Disziplinen gegen „Psychosomatik sowie andere idealistische Auffassungen“ heranzuziehen.159 Intendiert war Pavlov als Instrument, die Mediziner (Psychologen und Pädagogen) auf die ideologische Linie der SED zu bringen; doch erfolgreich war dies

155 Vgl.  zu Lamarcks Evolutionstheorie: Gould, Stephen Jay: The Structure of Evolutionary Theory, Cambridge, MA 2002, S. 170–192; Riedl, Rupert: Kulturgeschichte der Evolutionstheorie. Die Helden, ihre Irrungen und Einsichten, Berlin 2003, S. 90–94, 123–134; und zur entsprechenden Rezeption Pavlovs in der Sowjetunion: Rüting, Torsten: Pavlov und der neue Mensch. Diskurse über Disziplinierung in Sowjetrussland, München 2002. 156 Vgl. Ernst: Prophylaxe, S. 310 ff., 318 f., 328–331; und zum Lyssenkoismus in der DDR: Höxtermann, Ekkehard: „Klassenbiologen“ und „Formalgenetiker“ – Zur Rezeption Lyssenkows unter den Biologen der DDR, in: Acta Historica Leopoldina 36/2000, S. 273–300. 157 Ernst: Prophylaxe, S. 311. 158 Vgl.  ebd.,  S.  313–318; Busse, Stefan: „Von der Sowjetwissenschaft lernen“. Pawlowismus und Psychologie, in: Psychologie und Geschichte 8/1998,  S.  150–173,  S.  157 f.; Zabel, Nicole: Zur Geschichte des Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts der DDR. Eine institutionengeschichtliche Studie, Chemnitz 2009, S. 131; Timmermann, Carsten: Americans and Pavlovians. The Central Institute for Cardiovascular Research at the East German Academy of Science and its Precursor Institutions as a Case Study of Biomedical Research in a Country of the Soviet Bloc (c. 1950–80), in: Berridge, Virginia/Loughlin, Kelly (Hrsg.): Medicine, the Market and the Mass Media. Producing Health in the Twentieth Century, London u. New York 2005, S. 244–265, S. 251 f. 159 Vgl. Geyer: Bekanntmachung, S. 599.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

nicht.160 Die erhoffte „‚Bündnisklammer‘ mit der ‚wissenschaftlichen Intelligenz‘ [der Medizin, C.S.] ließ sich so nicht schmieden.“161 Und so ruderten die Gesundheitspolitiker*innen der SED in ihren Sowjetisierungsbemühungen wieder zurück. 1956 beispielsweise, als der Eifer der sozialistischen Gesundheitspolitiker an Pavlov bereits erlahmt war, musste der gesundheitspolitisch einflussreiche Kurt Winter, damals Direktor des Instituts für Sozialhygiene der Humboldt-Universität zu Berlin, in einem Akt der erinnerungspolitischen Renationalisierung den vormals geschmähten Säulenheiligen der Psychiatrie, Wilhelm Griesinger (1817–1869), als Stammvater Pavlovs und Verkörperung der deutschen materialistischen Traditionen der Medizin rehabilitieren.162 Breiteren Widerhall fand die Pavlov-Rezeption jedoch in der Psychologie und Pädagogik  – zwei andere Referenzwissenschaften der Gesundheitsaufklärung. Konzeptionell beschäftigte sich die Psychologie bis zum Ende der DDR auf Basis der Pavlovschen Konsenspositionen mit Reizen und Reflexen, mit dem Subjekt in der sozialistischen Gesellschaft, auch dann noch, als der Name Pavlov nicht mehr explizit als Referenz verwendet wurde.163 Das zeigte nicht zuletzt die enge Verbindung von Pädagogik und Psychologie im Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut der DDR bzw. der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR ab 1970.164 Grund für diese lange Liaison zwischen „Pavlov“ und der DDR-Psychologie und Pädagogik war die Debatte um den Nutzen dieser Disziplinen in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Ihre Antwort war die sozialistische Persönlichkeit: Eine sozialistische Psychologie habe nicht nur der Leitvorstellung eines sozialistischen Menschen zu folgen, sondern diesen auch hervorzubringen.165 In einem hierarchischen Persönlichkeitsmodell der 160 Vgl. Ernst: Prophylaxe, S. 318–323, 328–332. 161 Ebd., S. 329. 162 Das traf auch auf den in der sowjetischen Pavlov-Debatte verdammten Rudolf Virchow zu. Vgl.  zur „Erfüllung einer  Jahrhundertealten humanistischen Tradition des ärztlichen Berufs“: Winter, Kurt: Materialistische Traditionen der deutschen medizinischen Wissenschaft, in: Das Deutsche Gesundheitswesen 11/1956, S. 1263–1270, S. 1269. Bis 1969 sollte in der Zeitschrift Das Deutsche Gesundheitswesen, in der Kurt Winter seine Korrektur vornahm, eine kontinuierlich aktualisierte Bibliografie zur Literatur über die Lehre Pavlovs als Beilage erscheinen: Vgl. Die Lehre I. P. Pawlows. Bibliographie deutschsprachiger Veröffentlichungen. 1.1955–27.1969; vgl. dazu beispielsweise: Krause, Gerhard: Die Lehre I.P. Pawlows. Bibliografie deutschsprachiger Veröffentlichungen, in: Gesellschaft für Klinische Medizin der DDR (Hrsg.): Das Deutsche Gesundheitswesen. Beiheft, Berlin 1957, S. 1–19. 163 Vgl. Busse, Stefan: „Von der Sowjetwissenschaft lernen“. Pawlow – der Stein des Anstoßes, in: Psychologie und Geschichte 8/2000, S. 200–229, S. 223. 164 Vgl. Zabel: Geschichte des Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts. 165 Vgl. Busse, Stefan: Psychologie in der DDR. Die Verteidigung der Wissenschaft und die Formung der Subjekte, Weinheim 2004, S. 81–86, 230–232.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Regulationsebenen hatte eine grundsätzliche gesellschaftliche Bedingtheit der Psyche zu gelten. Ebenso war die Ganzheit einer Organismus-Umwelt-Relation gesetzt, deren monistisch auf die Physiologie des Nervensystems zurückzuführende Prozesse und Interventionsmöglichkeiten in der Psychologie mit experimenteller Methodologie zu beforschen waren. Das Psychische erlangte darin den Charakter einer reflexhaften inneren Verarbeitung äußerer Reize. De facto bedeutete dies die paradigmatische Setzung einer behavioristisch ausgerichteten Psychologie und (psychologisch inspirierten) Pädagogik, was bis in die 1970er Jahre forschungsleitend bleiben sollte.166 Daraus ließ sich ableiten, dass das Lernen als lange Kette bedingter Reflexe zu verstehen sei.167 Gesellschaftliche Verhältnisse bildeten sich in Form solcher bedingten Reflexe im Gehirn ab, was wiederum Persönlichkeit wie Verhalten steuerte. Diese Vorrangstellung des Gesellschaftlichen barg jedoch die Gefahr, das Subjekt, auf das sich Erziehung beziehen sollte, als reine Abbildung des Sozialen zu denken. Eine dialektische Argumentationsfigur sollte diese Gefahr bannen: Der Sozialismus formte Subjekte, die diesen wiederum engagiert zum Kommunismus weiterzuentwickeln hatten. Unter den Schlagworten der Einsicht in die „gesellschaftlichen und historischen Notwendigkeiten“ sowie der „bewusst willentlichen Lebensführung“ hatten im Kern folgsame Subjekte sich am vermeintlich unabwendbaren, objektiven Fortschreiten der historischen wie gesellschaftlichen Entwicklung aktiv zu beteiligen:168 Der Professor für Entwicklungspsychologie an der Humboldt-Universität von 1969 bis 1992, Hans-Dieter Schmidt, pointierte diese Denkfigur im Zusammenhang rückblickend: Die Gewinnung einer Subjekt-Position ist […] identisch mit der Rolle eines aktiven, dem Sozialismus ergebenen und dienenden ‚Mitmachers‘ […]. Nur wer diese tendenziöse, affirmative Logik […] durchschaut, versteht dann auch, warum eine kritische Haltung gegenüber den eigenen Lebensbedingungen in der DDR, gepaart mit Andersdenken, zu keiner Zeit im Eigenschaftskatalog der sozialistischen Persönlichkeit auftauchte.169

166 Vgl. Ders.: Von der Sowjetwissenschaft lernen, 2000, S. 209, 221; ausführlich und vor allem ideengeschichtlich: Ders.: Psychologie in der DDR, S. 59–91, 253–258. 167 Schmidt, Hans-Dieter: Erziehungsbedingungen in der DDR. Offizielle Programme, individuelle Praxis und die Rolle der Pädagogischen Psychologie und Entwicklungspsychologie, in: Trommsdorff, Gisela (Hrsg.): Sozialisation und Entwicklung von Kindern vor und nach der Vereinigung, Wiesbaden 1997, S. 15–172, S. 89. 168 Vgl.  Busse: Von der Sowjetwissenschaft lernen, 1998,  S.  161; zur Sozialistischen Persönlichkeit der Gottschaldt-Schüler: Schmidt: Erziehungsbedingungen in der DDR, S. 27–41 sowie Lemke, Christiane: Persönlichkeit und Gesellschaft. Zur Theorie der Persönlichkeit in der DDR, Wiesbaden 1980, S. 15–82. 169 Schmidt: Erziehungsbedingungen in der DDR, S. 34.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Zu den erwünschten Eigenschaften des sozialistischen Subjekts gehörten stattdessen ein „fester Klassenstandpunkt, belastungswillige Einsatz-, Leistungsund Arbeitsmotivation, gesellschaftspolitisches Engagement für den Sozialismus, sozialistischer Patriotismus und proletarischer Internationalismus.“170 Das entsprach den 10 Geboten der sozialistischen Moral und Ethik, welche auf dem 5.  Parteitag der SED 1958 erlassen wurden, und die darüber hinaus noch Sekundärtugenden wie Strebsam-, Sparsam-, Sauber- und Anständigkeit idealisierten.171 Im Gegenentwurf zum bürgerlichen Menschen zeichnete sich die sozialistische Persönlichkeit durch seine Kollektivität aus. Laut dem pädagogischen Psychologen und Zeitgenossen Gerhard Rosenfeld (1925–1985) äußere sich diese in sozialer Aufgeschlossenheit, in Uneigennützigkeit, in Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit, in Einsatzfreudigkeit und Opferwilligkeit [sowie, C.S.] in Lebensoptimismus […] und [in der Fähigkeit der, C.S.] rationalen Durchdringung aller Lebensbereiche.172

Die sozialistische Persönlichkeit war um 1960 „als Synonym für ein Bündel von Tugenden, als positives Leitbild für die Erziehung“173 zu sehen. Im Hygiene-Museum griff die wissenschaftliche Abteilung, allen voran deren Leiter Rolf Thränhardt, die politisch gewollte Zentralisierung und die neue Leitfigur der sozialistischen Persönlichkeit, die aus der Pavlov-Rezeption hervorgegangen war, im Namen einer sowjetischen Neukontextualisierung bereitwillig auf. Selbst als Dienstreisender unterwegs kam Thränhardt mit umfassender Kritik am Hygiene-Museum zurück, die er auch laut und wiederholt äußerte.174 Denn in Dresden trafen die Neuordnungsversuche auf eine renitente Organisation.

170 Ebd., S. 27 f. 171 Vgl.  Busse: Psychologie in der DDR,  S.  227–230; Dengel, Sabine: Untertan, Volksgenosse, sozialistische Persönlichkeit. Politische Erziehung im Deutschen Kaiserreich, dem NS-Staat und der DDR, Frankfurt a. M. u. New York 2005, S. 82–101. 172 Rosenfeld, Gerhard: Das Menschenbild in seiner Bedeutung für einige Charakterlehren, in: Probleme und Ergebnisse der Psychologie 1/1961, S. 31–45, S. 36. Vgl. zu Rosenfeld: Retter, Hein: Pädagogische Psychologie in der DDR. Zur Entwicklung in den beiden letzten Jahrzehnten, in: Pädagogik und Schule in Ost und West 18/1970, S. 72–83; Busse: Psychologie in der DDR, S. 116–125, insbesondere: 120 f.; Lemke: Persönlichkeit und Gesellschaft, S. 24–32, 43–49, 69–75, 92–98; Margedant, Udo: Bildungs- und Erziehungssystem der DDR – Funktion, Inhalte, Instrumentalisierung, Freiräume, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Bd. 3.3: Rolle und Bedeutung der Ideologie, integrativer Faktoren und disziplinierender Praktiken in Staat und Gesellschaft der DDR, Baden-Baden 1995, S. 1489–1529, S. 1499–1504. 173 Lemke: Persönlichkeit und Gesellschaft, S. 24. 174 Vgl. Beurteilung Rolf Thränhardts, 23.2.1955, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut); Thränhardt, Rolf: Bericht über die Reise der Delegation der Gesellschaft zur

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Personal- und Qualitätsprobleme am Hygiene-Museum Die Gesundheitspolitiker*innen aus der SED und dem Ministerium für Gesundheitswesen stießen beim Versuch, das Dresdner Museum eng zu führen, auf eine starke organisatorische Pfadabhängigkeit. Die leidliche Quote von 19  %–23  % SED-Mitgliedern an der Gesamtbelegschaft blieb auch in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre für die Betriebsparteileitung ein ständiges Problem.175 In dieser Phase musste das Museum mit dem Verlust von Mitarbeitern, vor allem aus der Produktion, zurechtkommen.176 Zur gleichen Zeit beschäftigte sich die Betriebsparteiorganisation außerdem mit der fehlenden Kooperation zwischen der Leitungsebene des Museums, der politisch-ideologischen Arbeit sowie den Massenorganisationen im Betrieb.177 Selbstverständlich ging es hier darum, die der BPO zugeschriebene Kontrollrolle wahrzunehmen und an der Leitung des Betriebs zu partizipieren. Der Motor des Betriebs, wie dies 1953 gefordert worden ist, war die BPO nämlich nicht geworden.178 Im März 1955 beschwerte sich die Betriebsparteileitung darüber, noch kein einziges Mal von dem Verwaltungs- und Absatzleiter Otto Kunkel Rechenschaft abgelegt bekommen zu haben. Sie machte zugleich nochmals explizit, dass sie die der Gesamtbelegschaft verpflichtete Organisation sei, welche die Betriebsleitung kontrolliere. Damit konterte die BPO die ebenfalls auf dieser Sitzung zum Ausdruck gebrachte Kritik Thränhardts, eigentlich sei es seine wissenschaftliche Abteilung, die am DHM zu kurz komme und die in erster Linie die Arbeit der Werkstätten anzuleiten habe.179 Bereits ein Jahr zuvor war ebenfalls zu vernehmen, dass am Hygiene-Museum das Augenmerk einseitig auf der Produktion liege, man mit schlechten Materialien und Werkzeugen die ehemaligen Novitäten der 1920 Jahre reproduziere und viel zu wenig Neues entwickle.180 In dieser Auseinandersetzung zwischen BPO und Thränhardt zeigte sich also eine doppelte museumsinterne Bruchlinie. Diese verlief zum einen zwischen den Mitgliedern der BPO, die in ihrer Mehrheit aus den Produktionsabteilungen des Museums kamen, und denen der Betriebsleitung. Zum anderen tat sich ein Widerspruch zwischen wissenschaftlicher  – verstanden als methodologische Reflexion über die Entwicklung  – und handwerklicher Arbeit, der Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Sowjetunion vom 10. bis 26.6.1955, o. D., in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1. 175 Vgl. Sitzung der Betriebsparteileitung des DHM, 14.12.1955, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut) und Kap. 3.1. 176 Sitzung der Betriebsparteileitung, 18.7.1957, in: ebd. 177 Vgl. Sitzung der Betriebsparteileitung des DHM, 14.12.1955, in: ebd. 178 Rechenschaftsbericht der BPO, 8.11.1953, in: ebd. 179 Sitzung der Leitung der BPO des DHM, 26.3.1955, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 180 Öffentliche Mitgliederversammlung der BPO, 11.5.1954, in: ebd.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Serienfertigung, auf. Das Prinzip der betrieblichen Mitbestimmung überlagerte damit das der Arbeitsaufteilung zwischen den Bereichen des Entwurfs und der Ausführung. Die politische Norm der Entscheidungsfindung in Form der Mitkontrolle durch die BPO verantwortete Konflikte mit einer solchen nach fachlichen Kriterien.181 Eng damit zusammen hing die Beschwerde, dass die Qualität der Lehrmittel nicht auf dem erwünschten Stand sei. Die BPO sah die Lösung in der „Entwicklung eines starken Genossen aus der Produktion, der sich gegen die Betriebsleitung auch durchsetzen kann.“182 Die Museumsleitung reagierte: Ein gestuftes System der Gütekontrolle zuerst durch die Meister der Werkstätten, anschließend durch einen zu ernennenden Kontrolleur und abschließend durch den versierten Leiter der Produktionsabteilung wurde angedacht. Helfen sollte auch eine Entwicklungswerkstatt, um den Informationsfluss zwischen Produktions- und wissenschaftlicher Abteilung zu sichern.183 Doch selbst die begrenzte Rehabilitierung von Sickels wissenschaftlichem Leiter Egon Damme, die in dessen Ernennung zum Produktionsleiter zum Ausdruck kam, behob dieses Problem nicht. Damme wurde in der Mechanikwerkstatt, die als besonders linientreu galt, misstraut; und die Einrichtung der Entwicklungswerkstatt ließ auf sich warten. Die Parteileitung stemmte sich erfolgreich gegen die Forderung der Fachleiter, die Produkte auch „sanktionierbar kontrollieren“ zu können. Die bisherigen Meisterkontrollen, so beklagte Damme, seien „den Fachkontrolleuren bisweilen durch Parteimitgliedschaft oder Parteivorliebe vorangestellt.“184 Ein Güterkontrolleur konnte ebenso wenig gefunden werden.185 Das wahrgenommene Qualitätsproblem der Lehrmittel und Exponate wurde umso dringlicher, je erfolgreicher das Hygiene-Museum sich auf dem westlichen Markt präsentieren konnte. Direktor Friedeberger knüpfte im Zuge dessen explizit die Modernisierung der Lehrmittelproduktion an potenzielle Deviseneinnahmen, die auch für die wissenschaftliche Abteilung von eminenter Wichtigkeit seien.186 1957 sorgte dieser Umstand schließlich zu einer von Friedeberger geforderten „offenen Diskussion“ über die Probleme der Produktion. Das Ergebnis war eine Mängelliste: Torsi und ihre Bedienstifte würden den Belastungen

181 Vgl. Sitzung der Leitung der BPO des DHM, 3.8.1953, in: ebd. 182 Sitzung der Betriebsparteileitung, 8.3.1953, in: ebd. 183 Auswertung der öffentlichen Mitgliederversammlung der BPO am DHM, 19.5.1954, in: ebd. 184 Leitungssitzung der BPO, 15.6.1955; ferner auch Sitzung am 29.6.1955, in: ebd. 185 Vgl. Leitungssitzung der BPO, 14.7.1955, in: ebd. 186 Das wurde vor allem auf der internen Besprechung der Exposition des DHM in Bremen deutlich. Vgl. Leitungssitzung der BPO, 6.7.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut).

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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nicht standhalten; die Skelette seien mangelhaft gefertigt und die anatomischen Modelle vor ihrer Trocknung schlecht bemalt; der verwendete Kunststoff zerbräche, der Leim bliebe nicht fest, Kaschierpapier fehle.187 Die avisierten strukturellen Lösungen zerschlugen bzw. verspäteten sich: Das einzige Sanktionsinstrument war die Reduzierung der Prämie. Eine Entwicklungsabteilung wurde vor 1958 nicht eingeführt.188 Der Bruch zwischen fachlicher und parteilicher Leitung dauerte in der Wahrnehmung einer Qualitätskrise der Lehrmittelproduktion fort. So schlussfolgerte der zum technischen Direktor beförderte Damme im Bericht über die Beteiligung des Hygiene-Museums an einer Lehrmittelmesse, dass im „Vergleich mit der Konkurrenz […] unsere Produkte zum Teil nicht Exportqualität aufweisen.“189 Damme erklärte sich bestürzt über die „zusammengeschusterten“ Produkte und forderte nicht nur nochmals eine „richtige Gütekontrolle“, sondern auch einen Strategieschwenk weg von der Massenfertigung hin zur Produktion von „Exportwürdigem“. Den einzigen Lichtblick, den Damme hin zu dieser Entwicklung sah, war, dass Wolfgang Kuntzsch (*1935) ihn ins nichtsozialistische Ausland begleitet hatte. Der damalige Leiter der Cellonabteilung war 1. FDJ-Sekretär am Hygiene-Museum, Mitglied der Betriebskampfgruppe und der BPO sowie späterer Leiter der Produktionsabteilung.190 Ihn sah Damme als Vertreter der parteilichen Leitung: Dass dieser nun den erschreckenden Zustand der Exponate gesehen hätte und in dieser Bewertung mit Damme übereinstimmte, wirke sicherlich als Mittel, die Werkstätten davon zu überzeugen, dass die Fachleitung nicht übertreibe.191 Studienreisen als Ideengeber und Legitimationsvehikel der Reform Die Aufgaben eines Museums, Lehrmittelproduzenten und Zentralinstituts waren schwer miteinander in Einklang zu bringen. Die zentrifugale Kraft wurde insbesondere mit Rolf Thränhardts Folgerungen aus seinen Studienreisen ins sozialistische Ausland stärker. Das machte ihn sogar bei seinen Parteigenossen innerhalb des Hauses unbeliebt. So wurde seine Leitungstätigkeit der wissenschaftlichen Abteilung wenig wertgeschätzt, er selbst als eigenbrötlerisch und unkommunikativ 187 Leitungssitzung der BPO des DHM, 9.5.1957, in: ebd. 188 Vgl. Leitungssitzung der BPO des DHM, 17.4.1957, in: ebd. 189 Damme, Egon: Bericht über eine Beteiligung des DHM in Lissabon, 2.5.1960, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 2, hier S. 2 f. 190 Vgl.  Personalbeurteilung der BPO zu Wolfgang Kuntzsch, 27.7.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 191 Vgl. Damme, Egon: Bericht über eine Beteiligung des DHM in Lissabon, 2.5.1960, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 2.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

geschmäht.192 Die Beargwöhnung beruhte auf Gegenseitigkeit, auch weil Thränhardt nicht davor zurückschreckte, die Entlassung kritischer Mitarbeiter zu bewirken.193 Allen voran aber kritisierte Thränhardt die Arbeit des Museums – und die Organisation der Gesundheitsaufklärung in der DDR  – ab 1955 ohne Unterlass. Der Kernpunkt blieb dabei von 1955 bis in die 1960er Jahre hinein der gleiche: Das Hygiene-Museum müsse endlich ein Zentralinstitut werden und sich prioritär der Erziehung der Bürger*innen zu sozialistischen Persönlichkeiten mit gesunden Lebensweisen widmen, statt sich auf die Probleme der Rentabilität seiner Produkte zu konzentrieren.194 1956 spitzte Thränhardt diese Kritik nach einer Reise zum Forschungsinstitut für sanitäre Aufklärung in der ČSSR zu: Das Hygiene-Museum habe seit 1933 (!) keinerlei wissenschaftliche Arbeiten mehr vorzuweisen. Das vorhandene „Wissensgut“ sei immer nur reproduziert worden, ohne die geringsten Möglichkeiten zur Feststellung des Erfolgs dieser Arbeiten. Da keinerlei Unterlagen über den Gesundheitszustand und die hygienischen Kenntnisse der Menschen existieren, konnte bisher keine gezielte medizinische Aufklärungsarbeit durchgeführt werden. So blieb die geleistete Arbeit unsystematisch und war meist von praktischen, oft oekonomischen (sic!) Gesichtspunkten bestimmt […]. Wir sind auch nicht der Gefahr entgangen, aus positiven Urteilszetteln der Ausstellungsbesucher Rückschlüsse auf die Güte unseres Materials zu ziehen und uns der Selbstzufriedenheit hinzugeben.195

Als Zentralinstitut, so Thränhardt, müsse das DHM vor allem bestimmen, welche Aufklärung mit welchen Mitteln und auf welche Weise durchgeführt werden sollte. Dafür seien auch ätiologische Kenntnisse wichtig, allen voran aber eine Begründungs-, Wirkungs- und Handlungsforschung, welche in engstem Austausch mit anderen sozialistischen Akteuren zu stehen habe. Das bedinge neue

192 Vgl. Parteileitungssitzung am 15.2.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut). 193 So bspw. 1953 eines Kollegen, der 1952 zur Neuentwicklung von anatomischem Anschauungsmaterial eingestellt worden war und sich über das mangelnde Entwicklungspotenzial beschwerte. Vgl. Protokoll der Parteileitungssitzungen vom 21.10.1953, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 194 Vgl. Thränhardt, Rolf: Bericht über die Reise der Delegation der Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Sowjetunion vom 10. bis 26.6.1955; Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658,  Rb/3  Bd.  1; Protokoll der Parteileitungssitzung vom 21.10.1953; Protokoll über die öffentliche Mitgliederversammlung am 11.5.1954, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 195 Thränhardt, Rolf: Reisebericht Prag, 17.9. bis 23.9.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd. 1, hier S. 10.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Referenzdisziplinen, eine verwissenschaftlichte Methodologie und eigene Forschungsarbeiten: Aufgrund der Studien pädagogisch-psychologischer Veröffentlichungen […] muß eine hochwirksame Methode gefunden werden, die im Einzelfall getestet wird, um die Richtigkeit theoretischer Überlegungen zu beweisen. […] Der Erfolg der systematisch-methodischen Tätigkeit muß bei statistischen Vergleichen feststellbar sein.196

Die statistische Auswertung experimenteller Befunde zur thematischen Notwendigkeit der gesundheitlichen Erziehungsmaßnahmen und zu deren Wirkung (umgesetzt in richtiges Handeln) weise dem Hygiene-Museum den Weg zu einem Zentralinstitut. 1959 fuhr Thränhardt, dieses Mal zusammen mit dem damaligen kaufmännischen Direktor Kunkel und dem Sekretär der BPO, erneut in die Sowjetunion. Ihr 44-seitiger Bericht wiederholte und verschärfte nochmals die Kritik am Museum, betrachtete aber den Transfer aus der Sowjetunion zugleich explizit unter Vorbehalt: Nur dort, wo sowjetische Lösungen den heimischen Verhältnissen angepasst werden könnten, versprächen sie auch eine Verbesserung der Gesundheitserziehung. Fiel damit der Sowjetisierungsappell nicht nur deutlich behutsamer aus als in früheren Aussagen Thränhardts, so empfahlen sich die Unterzeichner doch auch für Höheres. Sie entwarfen nicht nur einen Organisationsplan der Gesundheitserziehung für die gesamte DDR, der Bericht fand sich nunmehr auch in der Überlieferung des Ministeriums für Gesundheitswesen statt nur im Fundus der Reiseberichte aus dem Bestand des Hygiene-Museums. Konkret tauchte dieser Bericht im Aktenbestand des ehemaligen Direktors Friedeberger auf, der 1959 zum stellvertretenden Minister für Gesundheitswesen aufstieg und offenbar die Arbeit an der Gesundheitsaufklärung mit in sein neues Amt nahm.197 Nunmehr sprachen Thränhardt, Kunkel und der Parteisekretär auch explizit von Gesundheitserziehung und fokussierten das Hygiene-Museum als ihr Zentralinstitut, indem sie die Zweckbestimmung „medizinische Aufklärung“ aus dem Titel der Organisation strichen.198 Aus der Sowjetunion, so die Autoren, könne man vor allem lernen, wie Gesundheitserziehung in der Peripherie gemacht werde: mit einem demokra-

196 Ebd., hier S. 13. 197 Exemplarisch dafür das Engagement Friedebergers, für das DHM diverse Kooperationspartner innerhalb der DDR zu „vermitteln“, von einzelnen Dienststellen über Massenorganisationen bis zum MfAA. Vgl. BArch, DQ 1/20544, passim. 198 Studienreise von Rolf Thränhardt und Otto Kunkel in die SU, 23.9. bis 5.10.1959, in: BArch, DQ 1/20542, hier S. 35.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

tischen Zentralismus, in dem ein ministerieller Inspekteur für Gesundheitserziehung lokale Amtskollegen anleite. Ein solches „Netz von Mitarbeitern der Gesundheitserziehung“ mache es dann auch erforderlich, dass eine zentrale Stelle der Aufklärungsmaterialproduktion von der bisherigen „intuitiven, empirischen“ und nicht auf „wissenschaftlich-empirische Arbeitsergebnisse gestützten“ Arbeitsweise abkäme und stattdessen „systematische Aufklärungs- und Arbeitsanleitungen“ entwickele.199 Wie in Zollers Ordnungsvorstellungen in der Bundesrepublik sollte das Hygiene-Museum also die Zentrale der Medienproduktion werden, wobei im Unterschied zu den Vorstellungen des Referenten im Bundesministerium des Innern diese Medien als unidirektionales Anleitungsmaterial eines zentralen Gesundheitserziehungsinstrukteurs für funktionsäquivalente Angestellte vor Ort gedacht waren. Diesem Modell entsprechend gälte es, die verwendeten Medien und Materialien zu überdenken. Priorität sei hier, so die Autoren, die Mobilisierung von Presse, Rundfunk und Fernsehen, um diese für die Verbreitung des produzierten Anleitungsmaterials zu nutzen.200 Neben der Erziehungsarbeit vonseiten des Hygiene-Museums interpretierten die Autoren den Grad der Koordination der staatsweiten Gesundheitserziehung als defizitär. Unabkömmlich nötig sei eine DDR-eigene Gesellschaft für Gesundheitserziehung, die als das Ministerium beratendes Grundsatzorgan die „Generallinie der Arbeit“ bestimmen und grundsätzliche Probleme besprechen sollte. Zugleich könne sie als zentrales Koordinationsorgan der diversen Akteure der Gesundheitserziehung eine stärkere Breitenwirkung der Gesundheitserziehung bewirken, allen voran aber die Mitarbeit in der IUHEP ermöglichen.201 Ein neu zu gründendes Organ sollte also ziemlich genau die Aufgaben übernehmen, die in der Bundesrepublik zwischen Deutscher Zentrale für Volksgesundheitspflege und dem Bundesausschuss für hygienische Volksbelehrung geteilt waren – nur in engerer Anbindung an das Ministerium. Kritik vonseiten des Ministeriums für Gesundheitswesen: Ausstellungskrise, fehlende Erziehungsleistung und mangelhafte Koordination Das Verdikt über Struktur und Arbeit der Gesundheitsaufklärung in der DDR rekurrierte auf fehlende Systematik, Koordination und evaluierend verfahrende 199 Studienreise von Rolf Thränhardt und Otto Kunkel in die SU, 23.9. bis 5.10.1959, in: ebd., hier S. 34. 200 Damit ist gemeint, was Friedeberger als „Campagnen-Charakter“ der Erziehung nannte, also ein multimediales, thematisch und zeitlich fokussiertes, konzertiertes Set an Erziehungsmaßnahmen. Vgl. Friedeberger: Zehn Jahre Deutsches Hygiene-Museum, S. 1836. 201 Vgl.  Studienreise von Rolf Thränhardt und Otto Kunkel in die SU, 23.9. bis 5.10.1959, in: BArch, DQ 1/20542, hier S. 42 ff.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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Wissenschaftlichkeit. In den gerade besprochenen Reiseberichten wurde vorgeschlagen, der Kritik mit einer organisatorischen Umgestaltung des HygieneMuseums und einer gesamten Neuordnung des Feldes der Gesundheitsaufklärung zu begegnen. Angekündigt hatte das schon 1954 die Staatssekretärin Jenny Matern, als sie Friedeberger zum Vorwurf machte, das Museum sei bislang nur „am Volk und nicht im Volk.“ Die Massenaufklärung müsse doch sehr „bunt und einfach sein.“202 Wie auch Thränhardt forderten Matern und das Kollegium des Ministeriums Friedeberger dazu auf, die sowjetische Erfahrung systematischer zu nutzen. Schwerpunktthemen sollten multimedial bearbeitet und unterstützend dazu Aufklärungsfilme aus der Sowjetunion importiert und synchronisiert werden. Die Figur des Sowjetimports wurde auch drei Jahre später vom Kollegium des Ministeriums benutzt, als dieses sich nicht zufrieden zeigte mit „dem wissenschaftlichen Vorlauf“ der Aufklärungsbemühungen. In seinen Augen waren Breite und Anschaulichkeit der benutzten Medien zu beanstanden, wie auch die Kooperation des Museums mit anderen Massenorganisationen und Organen der Gesundheitsaufklärung.203 Friedebergers Verteidigung, dass auch die Produktion von Materialien bereits Gesundheitsaufklärung sei und Kooperation voraussetze, verfing nicht.204 Trotz dieses Drängens und Forderns wurde erst im März 1958 ein wissenschaftlicher Beirat am Hygiene-Museum etabliert, der den Forderungen hätte institutionell entsprechen können. Dieser war zwar fast ausnahmslos weder fachlich noch politisch renommiert besetzt, er inkorporierte jedoch die relevanten Massenorganisationen, die regionalen Gesundheitsverwalter*innen und Fachmediziner*innen.205 Das deckte somit eingeschränkt die disparate Forderungsliste des Ministeriums ab, mit welchen Partnern das Museum eng zusammenarbeiten sollte.206 Das methodische Kabinett blieb hingegen Desiderat.

202 Beide Zitate in: Kollegiumssitzung im Ministerium für Gesundheitswesen, 22.1.1954, in: BArch, DQ 1/24168, unpag., hier S. 5. 203 Vgl. Protokoll der Kollegiumssitzung vom 16.9.1957, in: BArch, DQ 1/3248, 1957, unpag. 204 Ebd. 205 Zu den Mitgliedern gehörten leitende Ärzte aus betrieblichen und kommunalen Kliniken, mehrere Kreisärzte, Vertreter der Massenorganisationen (Freie Deutsche Jugend, FDGB, DRK in der DDR, Demokratischer Frauenbund Deutschland) sowie Stadträte und Mitglieder pädagogischer Bezirkskabinette aus Dresden Vgl. Niederschrift über die 2. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats des DHM am 13.2.1959, in: BArch, DQ 1/6646. 206 Zu diesen gehörten das DRK in der DDR, die Gewerkschaft Gesundheitswesen, der Verlag Volk und Gesundheit, die Bezirks- und Kreisärzte jeweils vor Ort, die Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse (Urania) und der Demokratische Frauenbund Deutschlands. Vgl. Protokoll der Kollegiumssitzung vom 22.1.1954, in: BArch, DQ 1/24168; Protokoll der Kollegiumssitzung vom 16.9.1957, in: BArch, DQ 1/3248.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Letztlich führte die Kritik vonseiten des Ministeriums im Sommer 1958 zu einer großen Aussprache unter den Parteigenossen. Beklagt wurde die zu geringe Politisierung der Aufklärungsmittel: „Alle Aufklärungsmittel und Aktionen müssen einen sozialistischen Inhalt haben.“207 Dies müsse sich auch in Inhalt und Form widerspiegeln: Weniger schlechte Zeichnungen und Plakate, sondern mehr Fotos und Fotomontagen, die das Neue glaubwürdig dokumentieren, farbenfrohe Bilder, technische Apparaturen, die alles interessanter machen, und vor allem müssen auch die Texte sozialistischen Inhalt haben.208

Optimistisch, bunt, anschaulich und propagandistisch – das sollte das Material aus dem DHM sein. Den Genossen sollte bewusst werden, „daß es in erster Line das Zentralinstitut für med. Aufklärung des Ministeriums für Gesundheitswesen der DDR ist, und nicht nur Museum und Produktionsstätte.“209 Den konkreten Anlass zu dieser Unterredung gab die in der Presse als „spielerisch“ gefeierte Exposition ABC des Lebens.210 Die Exposition sei „ohne politische Note und hätte so nie herausgegeben werden dürfen“211, so Friedebergers Notiz nach seinen Gesprächen im Ministerium. Die Betriebsparteileitung müsste einen solchen Lapsus im Vorhinein verhindern. Auf der anderen Seite eigne sich so die Ausstellung für einen anderen Zweck hervorragend: Da der propagandistische Gehalt der Ausstellung gering war, könnte sie ohne Weiteres in der Bundesrepublik gezeigt werden.212 Doch die Genossen vor Ort hielten dagegen und beschwerten sich über das Desinteresse des Ministeriums: Es „muß endlich einsehen, daß es die übergeordnete Dienststelle ist.“213 Das Ministerium müsste, so die Dresdner Genossen, nicht nur besser bezahlen und politisch zuverlässige und im dialektischen Materialismus bewanderte Personen schicken. Allem voran müsse das Ministerium das Museum und seine Partner – den Verlag Volk und Gesundheit, die Urania,

207 Bericht über die Aussprachen mit Genossen des DHM, 11.8.1958, in: BArch, DQ 1/6301. 208 Ebd. 209 Ebd. (Unterstreichung im Original). 210 Vgl. Anonym: Prof. Dr. Friedeberger: Arzt im Sozialismus, in: Neues Deutschland, 23.8.1958, S.  1; UWE: Hier mal drücken, da mal pusten … und schon hat man viel dazugelernt  – „ABC des Lebens“ in der Friedrichstraße, in: Neue Zeit, 24.8.1958, S. 8; Anonym: Du und ich und das „ABC des Lebens“, in: Berliner Zeitung, 19.9.1958, S. 6; Stern, Katja: ABC des Lebens. Rundgang durch eine interessante Ausstellung, in: Neues Deutschland, 11.10.1958, S. 12. 211 Vertrauliche Notiz Walter Axel Friedeberger, o. D. (Ende 1958), in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 58/23, 1958, unpag. 212 Vgl. hierzu auch Kap. 3.3. 213 Bericht über die Aussprachen mit Genossen des DHM, 11.8.1958, in: BArch, DQ 1/6301.

4.2 Ähnliche Kritiken, synchrone Krisen 

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das Deutsche Rote Kreuz sowie die DEFA – jeweils vor Ort konkret anleiten. Das Ministerium sollte, so die Forderung, endlich das DHM nicht mehr „nur als Aushängeschild“214 benutzen, sondern seiner Verantwortung gerecht werden – und das Museum befähigen, zum zentralen Produzenten für Aufklärungsmaterialien und Akteur gesundheitlicher Erziehungskampagnen zu werden.215 Einiges spricht dafür, dass es zutraf, was die Parteileitung des DHM beklagte: Das Ministerium hatte am Ende der 1950er Jahre  – bevor Friedeberger selbst dorthin wechselte  – wenig Interesse daran, eine inhaltliche Dienstaufsicht über das Museum auszuüben. Das zeigt sich am Umgang mit dem Memorandum zur Lage der Werbung, das die SED-eigene Werbefirma, die DEWAG, dem Ministerium 1959 schickte und das dort zunächst liegen blieb.216 Wie Thränhardt attestierten die Werbefachleute der Gesundheitserziehung eine „geringe Kapazität“, eine „mangelhafte Koordinierung zwischen Museum, Ministerium und der Arbeitsgemeinschaft Medizinischer Verlage“ und überflüssige „Doppelarbeiten im DHM“.217 Doch die Autoren der DEWAG wiederholten Thränhardts Forderung: Eine straffere Leitung sei genauso nötig wie ein Nationaler Rat für Gesundheitserziehung.218 Immerhin war das Schriftstück über die Lage der Werbung in der DDR auch in Rücksprache mit jeweiligen Insidern  – und damit vermutlich zusammen mit Thränhardt oder zumindest mit seiner Kenntnis – verfasst worden. Es nimmt dann auch wenig wunder, dass im Abschlussbericht der Nationalen Hygiene-Ausstellung vonseiten des Museums 1961 kritisierte wurde, dass die DEWAG den ideologisch-propagandistischen Teil erarbeitet hatte. Immerhin ging es hier auch darum, wer die gestalterische Hoheit über die Ausstellungen im und für das Museum innehatte. Die Konkurrenz des SED-Parteibetriebs konnte nicht gefallen. Kleinere selbst zu verantwortende Missstände wurden aber dennoch anerkannt und entsprechende Lösungen empfohlen. Die „Flachware“ müsse zugunsten von Modellen und interaktiven Apparaten reduziert werden.219

214 Ebd. 215 Vgl.  Vgl.  Thränhardt, Rolf: Grundkonzeption unserer zukünftigen Arbeit, 25.1.1960, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 60/26, 1958–1960. 216 DEWAG, Institut für Werbemethodik: Grundzüge der Entwicklung der sozialistischen Werbung in der DDR, 1959, in: BArch, DQ 1/20927, 1957–1962, unpag.; Osten, Philipp: „Wer lässt sich schon gerne belehren?“, in: Roeßiger, Susanne/Schwarz, Uta (Hrsg.): Kamera! Licht! Aktion! Filme über Körper und Gesundheit 1915–1990, Dresden 2011, S. 50–70, S. 53 f. (Ich danke Philipp Osten für den Hinweis auf diese Quelle.) 217 Vgl. DEWAG, Institut für Werbemethodik: Grundzüge der Entwicklung der sozialistischen Werbung in der DDR, 1959, in: BArch, DQ 1/20927, hier S. 79 f. 218 Ebd., hier  S.  80 f.; zu Thränhardts Kritik und Forderungen: Studienreise von Rolf Thränhardt und Otto Kunkel in die SU, 23.9. bis 5.10.1959, in: BArch, DQ 1/20542. 219 Vgl. Bericht über die NHA 1961, in: BArch, DQ 1/5225, hier S. 5–8 und Kap. 2.3.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Die interaktivere Gestaltung der Ausstellung war sowohl rhetorischer als auch praktischer Konsens und entsprach der Binnen-Logik eines „Gegenwarts- und Wissenschaftsmuseums“ unter den Bedingungen der sozialistischen Erziehungsdiktatur. Zur NHA war sogar der ehemalige Mitarbeiter und nunmehr wertgeschätzte Direktor des Cleveland Health Museum, Bruno Gebhard, angereist. Selbstverständlich wurde sein Kommen öffentlich als Beleg der internationalen Geltung herausgestellt.220 Nach dem Besuch seiner alten Arbeitsstätte hielt Gebhard für sich fest: Ohne beeindruckende dreidimensionale Objekte und ohne eindrückliche farbliche Gestaltung der Tafeln werde es das Museum nicht schaffen, den Besucherzuspruch zu erhöhen. Anschaulicher, attraktiver, interaktiver, „volkstümlicher“ müssten die Ausstellungen werden, um dem Mangel an Besucherinteresse zu begegnen, an dem laut Gebhard auch sein Museum in Cleveland litt.221 In dieser Einschätzung klang sogar noch Größeres an: Als musealisierte hygienische Volksaufklärung galt die Attraktivität bei den Besuchern als Maßstab, und genau dies sollte um 1960 in eine Krise geraten. Der Zuspruch sank in Dresden wie auch in Cleveland. Für die Hygiene-Museen, so ließe sich aus Gebhards Äußerungen schlussfolgern, wurden Ausstellungen in den 1960er Jahren schwierig. Und so sollte auch die NHA für das Dresdner Hygiene-Museum die letzte Ausstellung sein, die sich an die Maxime der einstigen Großausstellungen anlehnte: die Präsentationsweise einer eher in sich vergleichenden Gewerbe-Ausstellung mit der eines plastischen Lehrbuchs volkstümlich zu verbinden. Die Zeit der hygienischen Volksbelehrung durch Großausstellungen war nach 1961 endgültig vorüber. Die Zukunft lag in Gesundheitspropaganda und Gesundheitserziehung, zu deren „methodischen Zentrum“ das DHM ausgebaut werden sollte.222 Laut den Begleitpublikationen zur NHA bedeute dies dreierlei: Erstens wurden kollektive Besuche der Ausstellung in Gruppen gefordert, die durch ihre Homogenität spezifischer anzusprechen waren.223 Zweitens trat die wissenschaftliche Exaktheit zugunsten der „Volkstümlichkeit“ zurück. Wie Friedeberger 1959 sowie Gebhard und Seiring noch zuvor betont hatten, ging es hierbei darum, die Besucher zu aktivieren.224 Das Involvieren und Aktivieren der Besucher galt als diejenige erstrebenswerte Haltung zum Gezeigten, mit der spielerisch und unterbewusst

220 Vgl. Anonym: Um ein gesundes Leben. Max Sefrin eröffnet Nationale Hygiene-Ausstellung 1961, in: Neue Zeit, 2.6.1961, S. 1; Budig: Formen der Ausstellung, S. 53. 221 Vgl. Gebhard, Bruno: Dresden Revisited 1961, in: Dittrick Medical History Center: Nachlass Bruno Gebhard, B 17, 7.14b, 1961, unpag. 222 Vgl. Sefrin: Erziehung zu gesunden Lebensgewohnheiten, S. 2. 223 Päßler: Für den Sieg des Lebens. 224 Vgl. Kap. 2.3 und 3.3.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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die zu vermittelnden Botschaften sich zu eigen gemacht werden sollten.225 Doch diese Schlussfolgerung hieß noch nicht, zu einer sozialistischen Gesundheit und Persönlichkeit zu erziehen. Vielmehr pointierte sie Ambivalenz von Volksbildungsinstitut und ausstellendem Museum anhand des Kriteriums der Volkstümlichkeit. Drittens verschob sich das, was zu vermitteln war. Otto Kunkel, der kaufmännische Direktor des Museums, wurde explizit, indem er öffentlich in einer kritischen Rückschau ex negativo die zukünftige Ausrichtung umriss: Wir konzentrierten uns zu sehr auf die Darstellung von Anatomie. Wir zeigten auch Krankheiten, doch wir beantworteten die Frage, ‚Wie kann ich mich vor Krankheiten schützen?‘, noch zu ungenügend. Wir klärten damals auf, erzogen aber nicht zu gesunden Lebensgewohnheiten.226

Das Deutsche Hygiene-Museum hatte in der DDR der 1960er Jahre Abstand zu nehmen von einem seiner alten Themen  – der Visualisierung anatomischen Wissens in einer Mensch-Ausstellung. Die Erziehung zu gesunden Lebensgewohnheiten konnte zu dieser Zeit offenbar auf die Popularisierung von Anatomie und Physiologie menschlicher Körper verzichten. Das kam einem  – auch erzwungenen  – Bruch mit Tradition und Traditionseinschreibung des Museums in die hygienische Volksbelehrung gleich. Oder, wie dies Thränhardt, der 1960 seinem Mentor Walter Friedeberger ins Ministerium für Gesundheitswesen folgte und als Leiter des Sektors (Referats) für Gesundheitserziehung die Anleitung des HygieneMuseums übernahm, seinen ehemaligen Kollegen vorhielt: Sie würden „kapitulieren vor der Tradition des Hauses, ohne diese schöpferisch weiterzuentwickeln.“227

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus In beiden deutschen Staaten hatten in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre die Gesundheitserzieher*innen und Pavlovianer*innen den Zugriff auf die jeweiligen

225 Vgl. Schrödel: Nationale Hygiene-Ausstellung; Hj. P.: Testfragen an den Besucher. 226 Kunkel: Das Deutsche Hygiene-Museum im Ausland, S. 24. 227 Thränhardt, Rolf: Vermerk 13.3.1962, hier S. 2, in: BArch, DQ 1/5225. Die Widerständigkeit der Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter gegen die Pläne, das DHM zum Zentralinstitut zuzuspitzen, sind auch in Thränhardts „Grundkonzeption unserer zukünftigen Arbeit“ enthalten, mit der er seine Forderung von 1959 im Haus zirkulieren ließ, und die dort „zu erheblicher Diskussion“ führte. Vgl. Thränhardt, Rolf: Grundkonzeption unserer zukünftigen Arbeit, 25.1.1960, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 60/26, hier S. 1.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Museen verschärft und dabei harsche Kritik an den Organisationen, ihren Medien und ihrer Praxis geübt. Auf beiden Seiten geschah dies, um die präventive Wirkung der Gesundheitsaufklärung zu erhöhen. Geleitet durch Ideale von Wissenschaftlichkeit, Systematik und Koordination setzten sie im Namen der Gesundheitserziehung nunmehr alles daran, das Feld der hygienischen Volksbelehrung umzugestalten.228 Was aber nunmehr dieses Konzept der Gesundheitserziehung genau bedeutete, blieb Gegenstand kontroverser Bestimmungsversuche, die im Kontext verschiedener Subjektleitbilder, Handlungsannahmen und Krankheitsherausforderungen unternommen wurden.

BRD: Gesundheitserziehung als Forschungs- und Praxisprogramm und das Ende des Dresdner Modells in Köln Bestimmungsversuche der Gesundheitserziehung: Friedrich Lorentz, Georg Meinecke, Harald Petri Es kann als Konsens der Staatsmediziner des ÖGD gelten, dass Gesundheitserziehung eine direktere Beeinflussung der Person im Hinblick auf einen gesunden Lebenswandel anstrebte. Zur Mitte der 1950er Jahre äußerten sich in der Bundesrepublik mehrere Stimmen, die diese Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit, Gesundheit und Erziehung zu elaborieren versuchten. So schrieb der Pädagoge, Mediziner und ehemalige Direktor des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung Friedrich Lorentz in seinem Versuch der Revitalisierung der hygienischen Volksbelehrung 1953, Erziehung als pädagogische Praxis gegenüber Schülern begreifend, dass es auf die „Erzielung eines Gesundheitswillens“229 ankomme. Weil es aber, so problematisierte er, nicht stimme, dass „derjenige, welcher weiß, wie er gesundheitlich zu leben hat, auch immer richtig danach handelt“, müsse der Schüler […] zu einer gesunden Lebensweise geführt werden. […] Aus einem umfassenden Wissen über die Lehren der Gesundheit und durch eine planmäßige Bildung des Willens

228 Vgl. exemplarisch für den internationalen Kontext und den weiteren Verlauf der Begriffsverwendung: Parisot/Viborel: L’Education Sanitaire; Derryberry, Mayhew: Some problems in educating for health, in: International Journal of Health Education 1/1958, S. 178–183; Krause, Gerhard: Gesundheitserziehung und Gesundheitsschutz. Bibliographie des deutsch- und fremdsprachigen Schrifttums 1952–1960, Mittweida 1961; Haag, Herbert: Die amerikanische Gesundheitserziehung. Theoretische Grundlagen und Realisierung in der Schule. Ein Beitrag zum Verständnis des Zusammenhangs von Freizeit-, Gesundheits- und Leibeserziehung, Schorndorf bei Stuttgart 1971. 229 Lorentz: Wege zur Gesundheit, S. 21.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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zum gesundheitlichen Handeln muß ein sittliches Pflichtgefühl zur Gesundheit herangebildet werden, eine ‚Gesundheitsinnigkeit‘.230

Mit Verweis auf den Pädagogen Georg Kerschensteiner (1854–1932) sah Lorentz den Weg in der Selbstbeschäftigung mit Lehrmitteln, die „lebenswahr“, naturgetreu und anschaulich zugleich sein müssten.231 Das beschrieb in nuce all jene pädagogischen Prämissen in der Nische, die das Hygiene-Museum in den 1920er Jahren besetzt hatte: die Verkopplung einer Bildung des Menschen zur Ehrfurcht vor dem Lebendigen und so zu einer gesundheitsgemäßen Lebensführung über die Selbstbeschäftigung mit anschaulichen und naturgetreuen Objekten. Eine gesundheitsförderliche Lebensführung wurde darin zum inneren Antrieb einer kulturalisierten Persönlichkeit. In der deutschen klassizistisch-romantischen Persönlichkeits- und Bildungsidealität hieß dies, dass der Trieb so geformt werden sollte, dass er den Verstand mitnehme. Die Lösung der Mensch-Umwelt-Beziehung, der Krise des Menschen in der Zivilisation, lag in seiner wahren Kulturalisierung – nicht das Ich sollte sprechen, wo das Es war. Das Es sollte im Sinne des Ichs mit diesem eine Einheit bilden und selbst gesundheitsbewusst handeln (wollen). Wie präsent eine Vorstellung von Persönlichkeit und Vernunft auch noch in den 1950er Jahren war, lässt sich an der Person Georg Meineckes (*1911) zeigen, der in den 1950er Jahren an dem von Hans Harmsen (1899–1989) geleiteten Hamburger Institut für Hygiene für den Bereich der Gesundheitserziehung tätig war.232 So plädierte er 1950 für eine Hinwendung zum Schöpferischen als Mittel zur Kulturalisierung des Sexualtriebs: „Der Mensch hat die Fähigkeit, seine biologischen Abhängigkeiten […] durch Ausgestaltung einer geistigen Welt im gewissen Ausmaß zu überwinden. Er vermag sie in Werte höherer Ordnung einzuhüllen.“233

230 Vgl. ebd., S. 22. 231 Vgl. ebd., S. 23–26. Zu Kerschensteiner, mit dessen Namen die Einführung von Arbeits- beziehungsweise Berufsschulen verbunden ist, siehe den Eintrag in der Neuen Deutschen Biografie: https://www.deutsche-biographie.de/gnd118561596.html#ndbcontent, 3.9.2016. 232 Meinecke hatte 1938 bei Erich Rothacker (1888–1965) (und Siegfried Behn, 1884–1970) in Bonn promoviert. (siehe: Meinecke, Georg: Herkunftsbeziehungen des Schöpferischen? Grundfragen einer Psychologie des produktiven Denkens, Leipzig 1939). Zu Rothacker, seiner Theorie der „Persönlichkeitsschichten“ sowie seine Engagement im und für den Nationalsozialismus siehe: Stöwer, Ralph: Erich Rothacker: sein Leben und seine Wissenschaft vom Menschen, Göttingen 2011, insbesondere: S. 211–287. Zu Harmsen siehe: Schleiermacher, Sabine: Sozialethik im Spannungsfeld von Sozial- und Rassenhygiene. Der Mediziner Hans Harmsen im Centralausschuss für die Innere Mission, Husum 1998 und BArch N 1336: Nachlass Hans Harmsen und zu dessen Verbindungen zum Hygiene-Museum vor 1940: Weinert: Der Körper im Blick, S. 301 ff. 233 Meinecke: Erziehung zum gesunden Leben, S. 48.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Dafür, so Meinecke an anderer Stelle, müsse die heutige Sozialpädagogik alle Erziehungseinflüsse beachten und sich darum bemühen, mit diesen ein Wertesystem aufzubauen, das „nicht so sehr die Macht […], sondern die helfende und schöpferische Tat schätzt.“234 Im Aufbau eines solchen Wertesystems sah er den Weg bereitet, die Krankheiten zu kurieren, die seiner Meinung nach aus der Entfremdung der modernen Zivilisation resultierten. Nicht nur Meinecke entdeckte als Label für ein solches Konzept den Begriff der Psychohygiene wieder.235 Auch der Leiter des Gesundheits-Museums sollte sich vehement dem kollektiven Versuch widmen, Bemühungen um die Prävention und Kuration psychischer Schäden von ihren rassenhygienisch-eugenischen Ausrichtungen im Nationalsozialismus zu befreien.236 Beide teilten eine gewisse Skepsis gegenüber einer Zivilisations- und Konsumgesellschaft und stimmten in dem oben skizzierten Persönlichkeitsideal mit seiner Befähigung, einen „Gesundheitswillen“ intrinsisch antreiben zu können, weitgehend überein. Beide betonten auch die Notwendigkeit der Kooperation zwischen den vielfältigsten pädagogischen und medizinischen Professionen mit dem Fernziel, ein distinktes Berufsbild des Gesundheitserziehers zu schaffen.237 Während Meinecke Psychohygiene weniger gegenständlich denn vielmehr methodologisch-methodisch fasste, erklärte Petri ähnlich zu seinen Äußerungen im Konzeptpapier für das Kölner Museum und dessen Vorstandsmitglieder aus der Gesundheitsabteilung des BMI (Systematik der Gesundheitserziehung) das psychohygienische Anliegen zu einem universellen, das Mensch und Umwelt gleichermaßen zu formen hatte. Ihr falle, so Harald Petri, die „Aufgabe zu, die heranwachsenden Generationen weitgehend gegen Gefühlsmangelerkrankungen, Gewissensdefekte und artifizielle Dummheit geistig zu immunisieren.“238 Eine Gesundheitserziehung im Modus der Psychohygiene bedeutete für Petri, über das Einüben der „Selbstbesinnung“

234 Ders.: Zivilisation und psychische Hygiene, in: Volksgesundheitsdienst 1/1950, S. 301–304, S. 304. 235 Vgl.  ebd.; Ders.: Was will die psychische Hygiene?, in: Psychologische Rundschau 6/1955, S. 51–65. 236 Vgl. Jütte, Robert et al.: Medizin und Nationalsozialismus. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2011, S. 24–38, 201–213; zur Geschichte von Psychohygiene kurz: Bertolote, José M.: The Roots of the Concept of Mental Health, in: World Psychiatry 7/2008, S. 113–116. Petris Veröffentlichungen hierzu: Petri, Harald: Psychohygiene und die Entwicklung der Menschlichkeit, in: Hippokrates 29/1958, S. 788–794; Ders.: Pädagogische Grundprinzipien in der Gesundheitserziehung, in: Der Landarzt 34/1958, S. 1088–1092; Ders.: Der Stand der Psychohygiene. Auf Grund eines Querschnitts durch das Schrifttum, o. O. 1960. 237 Vgl. Meinecke, Georg: Tagungen. Gesundheitserziehung, in: Städtehygiene 4/1953, S. 172–174; Petri: Der Stand der Psychohygiene, S. 39. 238 Ebd., S. 38.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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und der Entwicklung „des jeweils einmaligen Persönlichkeitskönnens“, „Mut zur echten Societas“ zu wecken und somit demokratiefähige „Staats- oder Weltbürger“ für die „friedliche Zusammenarbeit aller Menschen“ zu erziehen.239 Für Petri bestand der Zweck der Psychohygiene darin, ein friedliches Zusammenleben der Menschen in einer gemeinsamen Welt zu ermöglichen. Wie eine solche Gesundheitserziehung sich entwickeln, in der Praxis funktionieren und von einem Zentralinstitut vermittelt werden sollte, wie eine solche Gesundheitserziehung zu operationalisieren war, ließ Petri allerdings offen. Sein erziehungsphilosophisches Konzept machte Gesundheitserziehung in einer zivilisationskritischen Ausformung des klassizistisch-romantischen Bildungs-, Persönlichkeits- und Gemeinschaftsideals statisch.240 Im Gegensatz zu Petri öffnete Georg Meinecke, trotz einer ähnlichen Wertegrundierung und der analogen Selbsteinschreibung in die Psychohygiene, die Gesundheitserziehung zu einer operationalisierbaren Forschungstätigkeit. Meinecke erweiterte Gesundheitserziehung um die sehr große und undifferenzierte Zielgruppe der Erwachsenen und stellte die Frage nach ihrer Erziehbarkeit, also nach den Voraussetzungen und Hindernissen von Beeinflussung.241 Um „gesunde Wünsche, ein gesundes Unterbewußtsein anzuregen“242 dürfe eine „dozierende Erziehung“243 nicht überbetont werden, so Meinecke. Alle diffusen Erziehungseinflüsse im „Lebensfeld“ des erwachsenen Menschen müssten dafür beachtet und mit ästhetisch ansprechenden Medien ein Gegengewicht zu „den publizistischen Einflüssen unserer Zeit“244 geschaffen werden. Damit löste sich nun Meinecke weder vom organ- und lebensphilosophischen Verständnis der hygienischen Volksbelehrung noch von deren zivilisationskritischem Tenor.245 Dennoch brachte er beides insoweit in Bewegung, als dass er eine methodologische und methodische Reflexion der gesundheitserzieherischen Praxis forderte. Nicht nur sah Meinecke den Zweck der Gesundheitserziehung in der Formung gesunder Verhaltensweisen und Motive; Meinecke komplizierte auch die 239 Petri: Psychohygiene, S. 793. 240 Vgl. Ders.: Pädagogische Grundprinzipien. 241 Meinecke, Georg: Psychologische Voraussetzungen der Gesundheitserziehung, in: Städtehygiene 3/1952, S. 337–340, S. 338. 242 Ebd., S. 339. 243 Ebd., S. 338. 244 Ebd., S. 340. 245 Zivilisationskritisch äußerte sich Meinecke insbesondere in seiner Klage über die „Verführungsmacht“ einer oberflächlichen, einseitig technischen und konsumorientierten Zivilisation, geprägt von rein nüchterner Sachbezogenheit, der er eine Erziehung zur Gemeinschaft und zur Kultur gegenüberstellte. Vgl. Petri: Was will die psychische Hygiene; Ders.: Psychische Hygiene im Zeitalter der Technik, in: Gesundheitsfürsorge 9/1959, S. 85–87.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Bedingungen, den Lebenswandel selbst zu beeinflussen. Es galt, die psychologischen und psychosozialen Einflussfaktoren und Grundlagen des menschlichen Verhaltens zu erforschen, bevor die Gesundheitserziehung dieses verändern könne. Zumindest andeutungsweise machte Meinecke sich damit für eine Empirisierung der Gesundheitserziehung stark, deren Wissensgrundlage er eher in der Psychologie und Soziologie vermutete als in der Philosophie, Pädagogik und Medizin. Und auch die Medien müssten zumindest so gestaltet sein, dass sie in ihrer Attraktivität mit der Publizistik der Gegenwart mithalten könnten. Diese Forderungen machte Meinecke 1955 nochmals explizit: Zur Gesundheitserziehung […] genügen Belehrung und Aufklärung allein nicht mehr […]. Die frühere ‚hygienische Volksbelehrung‘ ist […] zur ‚Gesundheitserziehung‘ zu ergänzen. Nicht nur die Merkwelt, sondern auch die Wirkwelt ist zu beeinflussen. Die meisten Gesundheitserzieher sehen heute die Erziehung zum Gesundheitswillen als ihre vordringlichste Aufgabe an.246

Es ging folglich nicht mehr um die Wissensvermittlung, um die „Merkwelt“, sondern um die Welt der Wirkung, des Verhaltens und der Motive. Klar bedeute dies, so Meinecke, den Willen zu Verzicht und Einschränkung, womit die Pflege um die Gesundheit einhergehe. Gleichwohl müsse aber trotzdem Motivforschung zum Desinteresse der meisten an Gesundheit getätigt werden und Gesundheitserziehung thematisch und medial in der „Alltäglichkeit“ der von ihr Angesprochenen verankert werden und die Verbindung von Ordnung und Lebensfreude zum Ziel haben – „die organische Ordnung zum Vorbild nehmend.“247 Meinecke revolutionierte nicht die Gesundheitsaufklärung als Gesundheitserziehung, sondern perpetuierte im Gegenteil einen romantisch-zivilisationskritischen Grundtenor der hygienischen Volksbelehrung in der Metaphorik des Organismus. Für ihn bildete dieser nach wie vor das Ordnungsmuster der Gesundheit. In dessen Formbarkeitsvorstellung griff er dabei weitgehend auf die romantische Vorstellung der Einheit der Persönlichkeit und ihrer Bildung durch Anverwandlung beziehungsweise durch die Formung eines individuellen Wollens entlang der Maximen gesellschaftlichen Zusammenlebens und wahren Wissens zurück. Er stimmte darin mit dem vorherrschenden zivilisationskritischen Krankheitsverständnis überein. Meinecke äußerte sich als eine Übergangsstimme auf dem Weg von einer geistesphilosophisch grundierten hygienischen Volksbelehrung zu einer pragmatisch-interaktionistischen der Gesundheitserziehung. Denn 1957 fasste er 246 Meinecke, Georg: Gegenwartsaufgaben der Gesundheitserziehung, in: Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde, Infektionskrankheiten und Hygiene 164/1955, S. 279–288, S. 281. 247 Ebd., S. 283.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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in der Schriftenreihe des ÖGD die psychologischen Voraussetzungen der Gesundheitserziehung und ihre zeitgemäße Organisation nochmals zusammen: Eine Vergewisserung über die methodischen und psychologischen Voraussetzungen und die Erfolgsaussichten der Gesundheitserziehung sei bitter nötig.248 Meinecke systematisierte diese nach dem „äußeren (sozialen) und inneren (psychologischen) Erziehungsfeld“, nach Mitteln und Praxis. Er nahm ebenfalls eine thematische, methodische und zweckgebundene Zielgruppendifferenzierung nach Alter vor.249 Der Wille zur Gesundheit und gesunde Wünsche, so Meineckes Fazit, ließen sich nicht mehr durch „Belehrungen, Forderungen, Gebote und Verbote“250 erreichen. Gegenwärtig stehe vor allem eines auf der Agenda: „Das Studium […] der psychologischen Voraussetzungen.“251 Unmittelbar im Anschluss an Meinecke fasste Bernhard Zoller in diesem Band der Schriftenreihe des ÖGD seine Erfahrungen über die Gesundheitserziehung in Frankreich zusammen  – Ergebnis seiner Studienreise im Frühling 1954, welche die IUHEP und das Europabüro der WHO ermöglicht beziehungsweise finanziert hatte.252 Zoller konzedierte zwar, dass die Bundesrepublik nicht französische (und US-amerikanische) Lösungen übernehmen könne. Gleichwohl seien jedoch einige organisatorische Adaptionen möglich, da das übernationale Ziel dasselbe sei  – Gesundheitserziehung.253 Zoller zog zwei zentrale Lehren: Erstens müsste das Berufsfeld des Gesundheitserziehers geschaffen werden. Zweitens sei in der Bundesrepublik eine Zentralstelle nötig, die nicht nur lokale Initiativen einbinden und das Erziehungsmaterial entwerfen sowie verteilen sollte, sondern auch die Arbeit an der Methodik der Gesundheitserziehung übernehmen müsste.254 Damit machte in diesem Band Zoller fachöffentlich, wie eine Gesundheitserziehung organisiert

248 Vgl. Ders.: Gesundheitserziehung. Ihre psychologischen Voraussetzungen und ihre zeitgemäße Organisation, Stuttgart 1957, S. 3–6. 249 Vgl. ebd. 250 Ebd., S. 129. 251 Ebd., S. 130. Meinecke insistierte auch in den folgenden Jahren auf einer Position der Einheit von Natur und Mensch im Lebendigen und sprach sich damit auch für die holistische Offenheit seiner Evidenzquellen. Siehe hierzu: Ders.: Gesundheitserziehung, in: Gärtner, H./Reploh, H. (Hrsg.): Lehrbuch der Hygiene. Grundlagen, Umwelthygiene, Allgemeine Seuchenbekämpfung, Sozialhygiene, Gesundheitsfürsorge, Arbeitshygiene, Stuttgart 1964, S. 349–354; Ders.: Positionen des Lebendigen. Tatsachenmaterial und Überlegungen zur Grundlegung der lebenswissenschaftlichen Psychologie, Stuttgart 1966; Ders.: Psychohygiene des Daseinsgenusses, Stuttgart 1969, S. 1–14. 252 Vgl. Zoller, Bernhard E.: Gesundheitserziehung in Frankreich, Stuttgart 1957, S. 143; Kap. 3.3 und oben, Kap. 4.1. 253 Vgl. ebd., S. 201. 254 Vgl. ebd., S. 202–207.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

sein und wer diese durchführen sollte. Meinecke steuerte die ausgedünnte philosophische Grundierung bei. Wie auch Zoller entwarf aber auch er Gesundheitserziehung als Forschungsprogramm. Und ein im ersten Jahr des vom Anspruch her umfassenden Handbuchs der Gesundheitserziehung, das der BAfgV von 1957 bis 1986 in jährlichen Lieferungen kompilierte, brachte dies ein Beitrag aus der Hamburger Akademie für Staatsmedizin auf den Punkt: Ein Erfolg [der Gesundheitserziehung, C.S.] wird nur dann zu erwarten sein, wenn aus Belehrung und Einsicht eine bewußt korrigierte Verhaltensweise, ein aktiver Einsatz resultiert, der erst als Ergebnis echter Erziehung bezeichnet werden darf.255

Mit dem Entwurf der Gesundheitserziehung als pragmatische Technologie zur Verhaltensänderung griffen die Gesundheitserzieher*innen analoge Verschiebungen innerhalb des pädagogischen Fachdiskurses auf. Wurde die hygienische Volksbelehrung einerseits als Erziehungstätigkeit moduliert, so begann auch die Bedeutung des Erziehungsbegriffs selbst sich innerhalb der Erziehungswissenschaften zu wandeln. Auch in dieser Disziplin begann eine stärker werdende empirische Ausrichtung, eine vor allem hermeneutisch verfahrende geisteswissenschaftliche Pädagogik zu hinterfragen. Zugespitzt machte sich dort eine Kritik bemerkbar, welche die einseitige Präferierung der Erziehung als Anpassung des Individuums an gemeinschaftliche Normen und Werte zugunsten einer Konzeption des Wechselspiels zwischen sozialer Umwelt und Individuum zu überwinden suchte. Als „realistische Wendung“ hin zu Beforschung von Erziehungsverhältnissen wurde die vermeintlich vernachlässigte Seite der zu Erziehenden sichtbar und intelligibel gemacht beziehungsweise die Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gesellschaft untersucht und theoretisierend reflektiert. Das entsprach grob auch einem Wandel in den maßgeblichen Referenzwissenschaften, weg von Philosophie und Theologie hin zur Soziologie und Psychologie  – von der Pädagogik als Geisteswissenschaft hin zur Erziehungswissenschaft als Sozialwissenschaft und von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung.256 255 Weber, K. H.: Zur Geschichte und Entwicklung der Gesundheitserziehung in Deutschland, in: Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung e. V. (Hrsg.): Gesundheitserziehung von A–Z. Handbuch in Loseblattform, o. O. 1957, o. S., hier S. 25. 256 Vgl. Benner/Brüggen: Geschichte der Pädagogik, S. 255–263, 300–342; Tenorth: Geschichte der Erziehung, S. 351–355. Maik Tändler beschreibt im Fall der Psychologie diesen Prozess als in den 1960er Jahren beginnende therapeutische Operationalisierung von Psychowissen, d. h. als Professionalisierungsstrategie, die Psychologie als therapeutische Anwendungswissenschaft zu profilieren. Siehe hierzu: Tändler, Maik: Das therapeutische Jahrzehnt. Der Psychoboom in den siebziger Jahren, Göttingen 2016, S. 95–136.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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Der Niedergang der anatomisch-biologischen Lehr- und Schaumittel und die neuen Zivilisationskrankheiten des Verbrauchs und des Verhaltens Gesundheitserziehung als Anwendungswissenschaft der Verhaltensänderung zu entwerfen konnte auch mit Verschiebungen des epidemiologischen Spektrums legitimiert werden. Was Meinecke und Zoller abstrakt formulierten, fasste Herbert Göllner, Mitarbeiter im DGM und Verfasser eines der von Rudolf Neubert begutachteten Programmentwürfe, konkret. Nicht mehr die Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit oder die Prävalenz von Tuberkulose seien die besorgniserregenden Themen der Bevölkerungsgesundheit, sondern „Verbrauchskrankheiten“, wie „Herz-Kreislauf-Erkrankungen, […] nervöse Störungen, Krebserkrankungen, Rheumatismus, Zahnverfall und noch manch andere.“ Obwohl die Ätiologie dieser Krankheitsphänomene noch nicht restlos geklärt sei, so Göllner, müsse eine durchdachte und planmäßige Gesundheitserziehung entwickelt werden, um einer „natürlichen und gesundheitsgemäßen Lebensweise des einzelnen“257 zum Durchbruch zu verhelfen. Eine Gesundheitspädagogik müsse auf Basis von Studien über Bedingungen und Möglichkeiten der Verhaltensbeeinflussung systematisch entwickelt werden.258 Herz-Kreislauf-Erkrankungen rückten ins Augenmerk der Gesundheitserzieher*innen, insofern sie als Verhaltenskrankheiten gedeutet wurden. Dieses neue Verständnis wurde flankiert von der zeitgenössischen Interpretation dieser Krankheiten als ‚Managerkrankheit‘  – kardiovaskuläre Erkrankungen, die in Zusammenhang mit einem amerikanisierten Wirtschaftshandeln gebracht wurden  –, an deren Popularisierung das Gesundheits-Museum Anteil hatte. Darin wirkte zwar noch die Annahme des vorzeitigen Aufbrauchens, doch implizierte das Interpretament der ‚Managerkrankheit‘, solche Erkrankungen als langfristig und klandestin verlaufendes Krankheitsgeschehen aufzufassen. Die Auslegung kardiovaskulärer Krankheitsereignisse als Kumulation langwieriger Entwicklungen, die von epidemiologischen sowie pathophysiologischen Erkenntnissen gestützt wurde, verschob die Interventionsansätze: Die Zeit vor dem eigentlichen Krankheitsereignis wurde entscheidend. Und das wiederum wertete in der Operationalisierung den Stellenwert derjenigen Instrumente und Techniken auf, welche auf eine Änderung des Handelns abzielten.259

257 Alle Zitate in: Deutsches Gesundheits-Museum/Göllner: Deutsches Gesundheits-Museum Köln, 1954. 258 Vgl. Göllner, Herbert: Bericht über das Seminar für GE, 30.10.1957, in: BArch, B 310/115. 259 Vgl.  Neuberts Kritik an der ‚Managerkrankheit‘ (oben, Kap  4.2.); zur internationalen Evidenzlage: Marks, Harry M.: The Progress of Experiment. Science and Therapeutic Reform in the United States, 1900–1990, Cambridge 2000 [1997], S. 166–172; Aronowitz: Making Sense, S. 84–144 und Kap. 5.1.

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Diese Verschiebung hatte sich in der Gesundheitsaufklärung widerzuspiegeln. Aus diesem Grund zeigte sich Hans Harmsen, Professor für Allgemeine und soziale Hygiene in Hamburg, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaften, Präsident der Deutschen Akademie für Bevölkerungswissenschaften und Begründer des Arbeitskreises zum Studium der Entwicklung und Organisation des Gesundheitswesens in Sowjetrussland, in osteuropäischen Volksdemokratien und in Mitteldeutschland – DDR, im Gegensatz zu Bernhard Zoller, überhaupt nicht überzeugt von den Medien der Gesundheitserziehung aus dem Gesundheits-Museum. Entscheidendes Kriterium seiner Argumentation war das Potenzial der Medien, eine massenwirksame Didaktik und Pädagogik der Verhaltensbeeinflussung zu tragen. Im Vergleich zu den Materialien des Dresdner  Hygiene-Museums schlussfolgerte Harmsen auf einer Arbeitstagung des BAfgV 1957: Zwar ist die Anatomie eine der wichtigsten Grundlagen für eine erfolgreiche Gesundheitserziehung, jedoch müssen höhere pädagogische Ansprüche an ein echtes gesundheitserzieherisches Instruktionsmaterial gestellt werden. Die aktuellen Probleme der Gesundheitserziehung wurden in keiner Weise berücksichtigt […]. Die anatomischen Belehrungen kommen hier erst in sekundärer Hinsicht in Betracht.260

Diese Kritik traf den Kern der hygienischen Volksbelehrung, denn aus der Ordnung des Körpers war für Harmsen keine gesundheitliche Ordnung mehr zu veranschaulichen und zu bewerben. Stattdessen war aus der Unordnung der aktuellen gesundheitlichen Probleme themenspezifisch – und damit krankheitsspezifisch – Instruktionsmaterial für die Anleitung des individuellen Verhaltens zur Gesundheit zu gestalten. Die bereits in den späten 1940er Jahren von USamerikanischer Seite aus geäußerte negative Einschätzung einer auf Anatomie und Physiologie konzentrierten Gesundheitsaufklärung als veraltet wurde nun auch von bundesdeutscher Seite übernommen.261 So überrascht es auch nicht, dass Harmsen eines der beiden Vorzeigemedien des Gesundheits-Museums, den Gesundheits-Atlas, vernichtend kritisierte.262

260 Harmsen, Hans: Praktische Methoden der Gesundheitserziehung. Ergebnisse einer Arbeitstagung vom 11.2. bis 15.2.1957, in: BArch, B 142/397, Bl. 279. 261 Vgl. Bauer: Public Health Practices, S. 1081 f. und Kap. 2.1. 262 Vgl.  Anonym: Das Deutsche Gesundheits-Museum berichtet: Der Gesundheitsatlas. Ein neues Lehrmittel für den Gesundheitsunterricht in den Schulen, in: Du und die Welt, 4.12.1953, S. 12.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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Den Gesundheit-Atlas hatte das Museum seit 1954 in mehreren Auflagen und Formen (gebunden oder als Loseblattsammlung) herausgebracht. Auf 27 von 40 Tafeln wurden primär Bau und Funktion des menschlichen Körpers visualisiert und verbalisiert. Die 13 weiteren behandelten Themen der Hygiene, der Gesundheitspflege und der Organisation des ÖGD: u. a. die Ermüdung und Erholung des Körpers über den Tagesverlauf, Erste Hilfe, virulente Kinderkrankheiten und „Volkskrankheiten“, „gesunde“ Wohnungen und Kleidung sowie Aufgaben des Gesundheitsamtes.263 Selbstverständlich entsprach dies dem thematischen Potpourri eines visuellen Lehrmittels, das unterschiedliche Interessen erfüllen sollte, um vielfältige Anwendungsmöglichkeiten zu eröffnen und somit seine Absatzchancen zu verbessern. Gleichwohl folgte der Atlas auch einer Ratio der Universalisierung und nicht nur der alten visuellen Verdichtung von Körperwissen als schematischen Veranschaulichung des Typischen. Er folgte der Annahme einer Universalität von Ordnung im natürlichen und kollektiven Zusammenwirken. Das alte Konzept einer Ordnung von Zelle zu Zellstaat, der Vorstellung einer aus der Natur des Körpers zu schlussfolgernden Ordnung arbeitsteiliger Einzelbestandteile in ihrem harmonischen Zusammenwirken im Organismus schien hier auf (vgl. Abb. 32).264 Als Informationsgrundlage für den Lehrer sei, so Harmsen, ein solcher Atlas nicht zu gebrauchen, da er nicht nur zu teuer, sondern auch nicht an die Wand zu projizieren war.265 Seine Kritik traf also weniger die konzeptionelle Anlage.266 Es war die mediale Rationalisierung und die Prioritätenverschiebung hin zur Gesundheitserziehung, welche nach Harmsens Ansicht den Wert des Atlas senkte.267 Und das Gesundheits-Museum nahm diese Entwicklung auf: Um „echtes gesundheitserzieherisches Instruktionsmaterial“ zu entwickeln, wie Harmsen forderte, setzte sich das DGM die Zusammenarbeit mit den neuen Massenmedien und die Entwicklung von themen- und zielgruppenspezifischen Kleinausstellungen auf die Agenda. Ausstellungen nicht mehr zum Menschen,

263 Vgl. Deutsches Gesundheits-Museum Köln (Hrsg.): Gesundheits-Atlas, Frankfurt a. M. 1956 [1954]. 264 Das visuelle Medium der Atlanten gilt in der Wissenschaftsgeschichte als didaktisches Hilfsmittel, das sowohl die Autoren und Illustratoren zur Ordnung und Verbildlichung ihres Wissens zwingt als auch den Anspruch auf die Veranschaulichung des Typischen einer Disziplin umsetzt, was auch die hygienische Volksbelehrung für die Hygiene reklamierte. Vgl. zu Atlanten: Daston/Galison: Objektivität, S. 22–28, 195 f. 265 Harmsen, Hans: Praktische Methoden der Gesundheitserziehung. Ergebnisse einer Arbeitstagung vom 11.2. bis 15.2.1957, in: BArch, B 142/397, Bl. 279. 266 Kritik hatte der Atlas von „religiöser Seite“ erfahren. Vgl.  Vorstandssitzung 1.4.1954, in: BArch, B 310/341. 267 Vgl. BArch, B 310/143, 1954–1956, passim.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Abb. 32: Tafel 1 des Gesundheits-Atlasses des DGM: Von der Zelle zum Zellstaat.

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sondern exklusiv zur Hygiene von Herz- und Kreislauf-Erkrankungen gingen auf Tour.268 Parallel zum Bedeutungsverlust des Gesundheits-Atlasses schwand auch die Relevanz der „Gläsernen Figuren“, die zum Symbol einer hygienischen Volksbelehrung im Modus einer ausstellenden Veranschaulichung des Menschen geworden waren. Im Atlas hatte eine „Gläserne Frau“ im Mittelpunkt des Bildes die Spitze der ontogenetischen Zellstaatsentwicklung als auch die Einheit der vielfältigen körperlichen Einzelsysteme und der speziellen Zellenarten verbildlicht  – also die zentrale Vorstellung von Gesundheit als Ordnung visualisiert. Diese teilte aber der BAfgV, der sich zum Organ der Gesundheitserzieher*innen entwickelte, nicht mehr. In seiner Denkschrift für ein Zentralinstitut der Gesundheitserziehung hatte er nicht nur Großausstellungen kritisiert und die Verwendung von Kleinausstellungen gefordert. Auch auf die „Gläsernen Figuren“ war explizit abgehoben worden: „Spalteholzpräparate und Organmodelle sind Lehrmittel – der ‚Gläserne Mensch‘ ist ein Schaustück – die mit Gesundheitserziehung nichts zu tun haben. Der Werkstattbetrieb ist auf ein Minimum einzuschränken.“269 Im Arbeitsbericht der Jahre 1957/1958 konzedierte auch der Leiter des Gesundheits-Museums den Attraktivitätsverlust von Ausstellungen und Figuren: Die „Gläsernen Menschen“ verlören an Zugkraft. Wo sie schon einmal gezeigt worden waren, dürften sie nicht mehr präsentiert werden.270 1960 notierte er gar, dass keine Nachfrage mehr nach diesen Schaustücken bestünde. Nur eine Figur konnte laut Arbeitsbericht im Geschäftsjahr 1959/1960 noch verkauft werden.271 Die Zukunft läge deshalb, so Harald Petri, in einer Intensivierung der „Propaganda“, d. h. in der Medienproduktion für den Rundfunk, das Fernsehen und die Presse.272 Petri und der BAfgV bezweifelten die edukative Nützlichkeit der „Gläsernen Figuren“ und schlossen sich damit auch hier einer Deutung aus den USA an, wo das American Museum of Natural History in New York 1941 mit einem ähnlichen Argument – dem des reinen Schauwertes der Figuren und der geringen

268 Vgl. Arbeitsprogramm des Deutschen Gesundheits-Museums für das Jahr 1955, in: BArch, B 142/2017, Bl. 161–166; Arbeitsbericht über das Geschäftsjahr 1960 des Deutschen GesundheitsMuseums, 20.3.1960, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 14, Bl. 113. 269 Denkschrift des Deutschen Gesundheits-Museums Köln. Zentralinstitut für Gesundheitserziehung in der Bundesrepublik Deutschland, o. D. (1953), in: BArch, B 142/400, hier S. 7. 270 Vgl. Arbeitsbericht des Deutschen Gesundheits-Museums, 1957/1958, in: BArch, B 142/401, Bl. 426; Sammer: Durchsichtige Ganzkörpermodelle. 271 Vgl. Arbeitsbericht für das Geschäftsjahr 1959/1960, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 16, Bl. 179 f. 272 Vgl.  Protokoll der Mitgliederversammlung des Deutschen Gesundheits-Museums e.  V., 22.6.1960, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 17, 1960–1970, Bl. 8, 10 f.

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wissenschaftlichen Exaktheit und Komplexität – die Übernahme zweier „Gläserner Figuren in die eigenen Sammlung abgelehnt hatte.273 Am Wertverlust der „Gläsernen Figur“ kann (exemplarisch) zweierlei abgelesen werden. Zum einen lässt sich schlussfolgern, dass sich die expositorischen Objekte der hygienischen Volksbelehrung im Kontinuum der Wissenschaftskommunikation dem Pool einer breiten Öffentlichkeit zunehmend annäherten und damit aus dem Sichtkreis der Wissenschaftsmuseen herausfielen. Zum anderen zeichnet sich darin die Verschiebung von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung ab. Der anschaulichen Vermittlung einer rudimentären Biologie wurde keine große Wirkung mehr dabei zugesprochen, Verhaltensweisen zu ändern. Mit dem Ziel der präventiven Verhaltensformung stand auch die Existenz des Deutschen Gesundheits-Museums insgesamt infrage. Nicht das Dresdner Modell eines belehrenden Museums, sondern ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung forderten die Staatsmediziner*innen. Die Verhaltensbeeinflussung sollte wissenschaftlich systematisch reflektiert werden, genauso wie der Entwurf, der Einsatz (die Streuung) und die Wirkung von Instruktionsmaterialien. Die Aufklärungsinitiativen und die unterschiedlichen Akteure im Spiel sollten koordiniert und der Erfahrungsaustausch mit dem Ausland intensiviert werden. Verschärfte Krise im Lichte der Gesundheitserziehung Gegen Ende der 1950er Jahre liefen diese organisatorischen, konzeptionellen und medialen Entwicklungen zusammen und bewirkten, dass sich die Krise des Gesundheits-Museums zu einer existenziellen Bedrohung zuspitzte. Anlass dafür gab vordergründig das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das auf weitere Prüfungen drängte, nachdem dort aufgrund der vielen Fehler in den Wirtschaftsplänen des Gesundheits-Museums und dem Fehlen von Jahresbilanzen der Verdacht aufgekommen war, die Leitung des Museums täusche den Geldgeber.274 Die „Afterbürokratie, die sich im Schatten des Bundes ausgebreitet habe, gelte es abzubauen“275, so die Stimme des Vertreters aus dem Finanzministerium im erweiterten Vorstand des Museums. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Die Probleme im Personalbereich dauerten fort. 1959 stellte die Organisationsprüfung, 273 Vgl. McLeary/Toon: Here man learns about himself, S. e33; zur grundierenden Differenz in Fragen der Museumspädagogik zwischen Museen für Naturgeschichte und Wissenschaftsmuseen der USA siehe: Rader/Cain: Life on Display, S. 122–135. 274 Vermerk über die Prüfungen des Vereins 1954–1958, 8.2.1960, in: Landesarchiv NordrheinWestfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 21–30, hier Bl. 22 ff. 275 Vgl. Sitzung des erweiterten Vorstands am 20.11.1958, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 16, Bl. 3–18, hier Bl. 11.

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über deren Form sich die tragenden Mitglieder Anfang des Jahres nur mit Mühen hatten einigen können, gehörige Missstände fest.276 Einige Stellen seien überflüssig, andere Abteilungen zu spärlich besetzt. 52 Mitarbeiter statt der für 1959 beantragten 61 seien vollkommen ausreichend. Allem voran aber sei Petri für ein außerordentlich schlechtes Arbeitsklima verantwortlich, das durch eine zu starke hierarchische Gliederung und Bürokratisierung zustande komme.277 Seine Pedanterie wurde im Fachmagazin Euromed öffentlich für den Verlust an Mitarbeiter*innen verantwortlich gemacht: Der Chef ist das Mißtrauen selbst. Er wittert überall Unrat. Um ihn rechtzeitig aufzuspüren, hat er eine lose Form von ‚Hausgeheimdienst‘ aufgezogen. […] Wer irgendwie kann, kehrt dem unruhigen, vibrierenden Haus […] den Rücken. In einem einzigen Jahr liefen 24 Personen davon, auch unter Gehaltseinbußen.278

Nicht nur das schlechte Arbeitsklima im Museum monierte der Bericht, auch die anderen Kritikpunkte von 1956/1957 wurden wiederholt: Die Buchführung bleibe immer noch weit hinter den Notwendigkeiten zurück, eine grundsätzliche Aufgabenabgrenzung zwischen BAfgV und Gesundheits-Museum sei noch nicht gefunden und die finanzielle Aufwendung der Träger befinde sich in einem eklatanten Missverhältnis zum Stimmengewicht in der Mitgliederversammlung. Eine Entmachtung der Mitglieder sei zu erwägen, vor allem derjenigen, „deren Geschäftszweck schlecht mit einer Mitgliedschaft im Zentralinstitut für Gesundheitserziehung in Einklang zu bringen ist.“279 Auch bestünden aufgrund der Doppelmitgliedschaften der Trägervertreter erhebliche Zweifel an der Rechtmä-

276 Zum Streit über die Form der Organisationsprüfung zwischen Land und Bund, der durch eine Aufgabenteilung gelöst wurde – die Bundesregierung übernahm die Organisationsprüfung, der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen die Rechnungsprüfung – siehe: Sitzung des engeren Vorstands, 27.1.1959, in: BArch, B 142/2013, Bl. 204. Vgl. zu den Personalproblemen ebenfalls: Sitzung des erweiterten Vorstands, 9.7.1957; Sitzung des engeren Vorstands, 21.10.1958, in: ebd., Bl. 114–116, 157; BArch, B 310/136, passim. 277 So musste für jede Abwesenheit eines Mitarbeiters ein schriftlicher Antrag gestellt werden, der über drei Leitungsebenen von Petri persönlich zu genehmigen war. Petri verlangte ebenfalls alle von den Schreibkräften angefertigten Schriftstücke zu begutachten. Vgl. Bericht über die Organisationsprüfung 1959, 7.11.1959, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr.  11,  Bl.  7–10; Organisationsreferat BMI: Bericht über eine Organisationsprüfung beim Deutschen Gesundheits-Museum. Zentralinstitut für Gesundheitserziehung e. V., 9.1.1959, in: BArch, B 142/400, hier S. 9 f. 278 Anonym/Schreiber, Georg: Petri Heil. Dichten macht Spaß, in: Euromed 1/1961, S. 5–7, S. 6. 279 Organisationsreferat BMI: Bericht über eine Organisationsprüfung beim Deutschen Gesundheits-Museum. Zentralinstitut für Gesundheitserziehung e. V., 9.1.1959, in: BArch, B 142/400, hier S. 5.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

ßigkeit der Entlastung des engeren Vorstands durch den erweiterten. Zu guter Letzt bezweifelte das Organisationsreferat des BMI in seinem Bericht Sinn und Wirtschaftlichkeit der Lehrmittelproduktion: Die Undurchsichtigkeit der Wirtschafts- und Finanzlage verhinderte die Beurteilung der an sich für das DGM in seiner jetzigen Struktur – Koppelung von wissenschaftlichem Institut und kaufmännischem Unternehmen – entscheidenden Frage, ob der kaufmännische Teil des DGM so gewinnbringend ist, daß seine Fortführung empfohlen werden kann. Das wäre nämlich nur dann vertretbar, wenn der erzielte Gewinn wesentlich dazu beitragen würde, die Gesundheitserziehung finanziell zu fördern. Nur dann sollte die Gefahr in Kauf genommen werden, daß der kommerzielle Teil das DGM von seiner eigentlichen Aufgabe ablenkt. […] Bereits diese kurze Gegenüberstellung zeigt, daß die Gewinne aus dem kommerziellen Betrieb nicht sehr ins Gewicht fallen können und in ihrer Höhe entscheidend von der Verkaufsmöglichkeit der ‚Gläsernen Menschen‘ abhängen.280

Das alte Modell des Gesundheits-Museums  – die strukturelle Verkopplung von Industrie, Lehrmittelproduktion und Museum, die gleichzeitige Trägerschaft von Stadt, Land und Bund  – wurde im BMI nicht mehr für operabel gehalten. Und auch Lehrmittelverkäufe rechtfertigten im Lichte der Gesundheitserziehung nicht mehr Seirings Modell, insbesondere weil die Nachfrage nach „Gläsernen Figuren“ zurückging. Es setzte sich sogar die Perspektive durch, den kommerziellen Arbeitsbereich des Museums nicht nach ökonomischen Kriterien, sondern nach solchen einer nachgeordneten Behörde zu beurteilen: Das GesundheitsMuseum durfte als gemeinnützige Einrichtung keinen Gewinn machen und nicht in Konkurrenz mit Firmen aus der freien Wirtschaft treten. Die Engführung eines kommerziellen Betriebs an ein mit öffentlich Geldern finanziertes Organ sei prinzipiell nicht rechtens.281 Nicht nur die Gesundheitsabteilung des BMI sah sich vonseiten des zuständigen Finanzministeriums unter Druck gesetzt. Auch die Landesgesundheitsverwaltung in Nordrhein-Westfalen haderte nunmehr mit dem genauen Blick des Rechnungshofs, des Finanzministeriums und schließlich sogar mit dem Sozialausschuss des Landtags. Zwar konstatierte der Rechnungshof eine Besserung der Lage seit Seiring nicht mehr die Geschäfte leitete, sah sich aber dennoch dazu genötigt, erneut auf die Verpflichtung zur Sparsamkeit hinzuweisen und

280 Vgl. ebd., hier S. 22 f. 281 Vgl. Sitzung des Sozialausschusses des Landtags von Nordrhein-Westfalen vom 23.2.1962, Braunöhler: Zusammenfassung der Lage des DGM für Abteilungsleiter I (Finanzministerium NRW), 19.5.1961, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 6, 18–20; Sitzung des engeren Vorstands, 27.1.1959, in: BArch, B 142/2013, Bl. 210; Sitzung des erweiterten Vorstands, 4.11.1959, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 11, Bl. 118.

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die üppigen Sonderzahlungen, Extrahonorare, Geschenke und den privaten Gebrauch der Museumsdienstwagen zu beanstanden.282 Der Bundesrechnungshof und das Landesfinanzministerium sahen aber vor allem den Versuch als problematisch, „alles vor dem Abschluss 1956 unter den Tisch zu kehren.“283 Der ‚Skandal‘ von 1956 war in den Augen der Verwaltung, die durch ihn erst auf das Gesundheits-Museum aufmerksam geworden war, nicht gelöst.284 Der Vorstand entzweit sich und Köln tritt aus Der neue Modus der Gesundheitserziehung, die Seifen-Affäre von 1956 und die Spirale aus Kritik und Krise, die beides vorantrieb, führte letztlich 1960/61 zum Zerwürfnis der Träger im Vorstand. Insbesondere der Bund machte Druck. Josef Stralau (1908–2007), seit 1957 Leiter der Gesundheitsabteilung im Bundesministerium des Innern, schaltete sich nunmehr intensiver in die Vorstandsarbeit ein. Der Ausstellungs- und Lehrmittelwettbewerb mit dem Hygiene-Museum sei, so Stralau, seitens des Gesundheits-Museums nicht zu gewinnen. Das sei aber auch nicht nötig, weil die „Anpassung an neuzeitliche Verhältnisse“ den Umbau des Kölner Museums in ein reines Zentralinstitut bedeute, das mit passgenauen und massenwirksamen Medien – Filme, Diapositivreihen und Broschüren als Begleitmaterial zu Kleinausstellungen  – die unterschiedlichen Vereine und Verbände aktiviere und koordiniere, und somit der Konkurrenz mit dem Hygiene-Museum aus dem Weg gehe.285 Der in Stralaus Positionierung zugunsten eines Zentralinstituts und zulasten eines Museums inhärente Gegensatz zu Kölner Interessen entlud sich auf der Sitzung des engeren Vorstands im Juni 1960. Zum Anlass geriet eine Marginalie in der Reihe der Beanstandungen, nämlich ob Wilhelm Hagen das Museum für die privaten Fahrten mit den Dienstwagen zu entschädigen habe, worauf die Vertreter des Bundes bestanden. Kölns Oberbürgermeister Theo Burauen (1906–1987), über

282 Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen an Innenministerium, 7.12.1959, in: ebd., Bl. 71–79. 283 Finanzministerium an Innenministerium, 8.2.1960, in: ebd.,  Bl.  86. Vgl.  zu den weiteren Rechtfertigungen: Braunöhler an Abteilungsleiter, 19.5.1961; Vermerk zur Metaprüfung des Vereins Deutsches Gesundheits-Museum, 8.2.1960; Vermerk Innenministerium zur Prüfungen des DGM durch den Landesrechnungshof, 29.8.1960; 95. Sitzung des Sozialausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen, 23.2.1962, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 3–45. 284 Das sah auch der der deutschen Rentenversicherungsträger so, als er 1959 die Bitte der Gesundheitsabteilung des BMI ablehnte, für eine eigene Ausstellung Exponate aus Köln statt aus Dresden zu nehmen. Vgl. Verband deutscher Rentenversicherungsträger, o. D. (Ende 1959), in: BArch, B 142/2017, Bl. 36–38. 285 Sitzung des erweiterten Vorstands und der Mitgliederversammlung des DGM, 4.11.1959, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 11, Bl. 113–116, Zitat auf: 115.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

dieses Amt zugleich Vorsitzender des engeren Vorstands, verbat sich, Entscheidungen des damaligen Vorstands im Nachhinein zu korrigieren. Von Landesseite sah man die Versäumnisse bei der Bundesverwaltung, versuchte diese aber mit der damals prekären Situation am Museum zu rechtfertigen: Die private Nutzung des Dienstwagens „dürfe man nicht so eng sehen, wie es in der Stellungnahme des BMI zum Ausdruck kommt.“286 Der Bund wiederum insistierte auf Erstattung, das Museum unterliege den Regeln der Reichshaushaltsordnung und denen der Reichswirtschaftsbestimmungen. Burauen verlor schließlich die Geduld: Der Vorstand habe sich abgequält, den Belangen des Bundes, die sich aus dem Haushaltsrecht ergäben, weitestgehend Rechnung zu tragen. Es sei aber unzumutbar, sich in dieser Partnerschaft vom Bund einseitig und dauernd vorschreiben zu lassen, was an Kleinlichkeiten noch zu beachten sei. Der Bund sei der Partner von dreien, der den beiden anderen nicht in dem Maße beistünde, wie diese es täten. Vielmehr verlange er von ihnen ständig mehr an Opfer, als er selbst zu bringen bereit sei. Er nehme für sich das Recht der größeren Einsicht in Anspruch. Dieses Verhältnis sei […] unerträglich. Warum sage denn der Bund nicht offen, er wolle nicht mehr mitmachen? In diesem Falle brauchten sich das Land, die Stadt Köln und er als Oberbürgermeister und Landtagsabgeordneter nicht mehr im Dienste dieser Sache zu verschleißen. Dann stünde aber auch für ihn nach draußen eindeutig fest, wer die Schuld am Auffliegen des DGM trage. Hier ginge es um eine Aufgabe großpolitischer Art, zu der die Partner zusammenstehen sollten, um eine Aufgabe, die mit den Interessen der Stadt Köln nicht das geringste zu tun hätte.287

Die Organisationsprüfung hatte nicht nur diese eine Vorstandssitzung platzen lassen. Sie hatte auch die widersprüchlichen Vorstellungen über das GesundheitsMuseum so verdeutlicht, dass die geteilte Trägerschaft unmöglich wurde. Einige Monate später hielt ein Memorandum des Finanzministeriums NordrheinWestfalens fest, dass so gravierende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertretern aus Bund und Kommune bestünden, dass ein Austritt Kölns aus dem Verein von Letzteren angestrebt werde. Gesundheitserziehung sei keine Aufgabe einer Kommune, so das Sachargument, mit dem Köln die Neubaupläne endgültig auf Eis legte: Ohne Kölner Beteiligung kein Baugrund, ohne Baugrund kein Neubau, ohne Neubau keine hinreichende Dauerausstellung, und ohne Dauerausstellung kein faktisches Argument für ein Museum.288 Alles lief darauf hinaus, das DGM in ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung umzuformen. Denn auch weiterhin bestanden die Vertreter des Bundes darauf, das Museum 286 Sitzung des engeren Vorstands, 22.6.1960, in: BArch, B 142/2014, 1960–1961,  Bl.  68–77, hier Bl. 75. 287 Ebd., Bl. 76 f. 288 Vgl. Finanzministerium an Innenministerium NRW, 31.10.1960, in: Landesarchiv NordrheinWestfalen, NW 366, Nr. 14, Bl. 4 f.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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mit dem BAfgV zu fusionieren. Die Degradierung des Museums zu einem Ausführungsorgan nationaler Kampagnen jedoch, welche die Kölner Seite im Falle einer Verschmelzung der beiden Organe befürchtete, schließe die Trägerschaft durch die Kommune aus. Und die Medizinalbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen, vom Sozialausschuss des Landtags unter Druck gesetzt, endlich eine Lösung der aufgezeigten Probleme zu finden, neigten dem Vorschlag des Bundes zu.289 Im Frühjahr 1961 hatte sich im engeren Vorstand schließlich eine Mehrheit gegen Köln und das Dresdner Modell gebildet. Zeitgleich zum Zerwürfnis im Vorstand erschienen weitere kritische Stimmen in der Öffentlichkeit, was den Druck auf die Verantwortlichen des DGM erhöhte, Änderungen herbeizuführen. Zunächst wurde das Konzept der Psychohygiene angegriffen. Unter dem Titel „Gesundheitsdiktatur. Psychohygiene oder die rechte Volkserziehung“, der im Handelsblatt erschien, kritisierte der Wissenschaftsjournalist und Chefredakteur der Zeitschrift Euromed Friedrich Weeren (1907–1978), besser bekannt unter dem Pseudonym Friedrich Deich, Petris Psychohygiene als Mischung aus „Dilettantismus und gefährlichem Idealismus“290. Der Traum von der Verbreitung „wirklicher Gesundheit“ durch das Einleiten der Selbsterziehung der Bevölkerung, so Deich, sei nichts weiter als eine zivilisations- und vor allem konsumkritische Fantasie eines gleich ausgerichteten kollektiven Lebens. In diesem sollten psychohygienische Ausbildungsstätten die Menschen sturmfest machen, „um den Flachheiten und Banalitäten der geradezu üblichen Lebensweisen und Weltanschauungen begegnen zu können.“291 Der engere Vorstand schlussfolgerte aus diesem Artikel, Psychohygiene sei viel zu umstritten, um von einem Zentralinstitut für Gesundheitserziehung starkgemacht zu werden. Petri habe bei weiteren Publikationen zur Psychohygiene die Nennung des Gesundheits-Museums zu unterlassen.292 Ein weiterer kritischer Artikel erschien im Januar 1961 in Selecta, einem Magazin für ärztliche Fortbildung. In Form einer Reportage vor Ort stimmte Idris

289 Vgl.  Sitzung des engeren Vorstands, 23.3.1961, in: BArch, B 142/2014,  Bl.  115–128; Sitzung des erweiterten Vorstands, 29.5.1961, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 14, Bl.  165–168. 290 Deich, Friedrich: Gesundheitsdiktatur. Psychohygiene  – oder die rechte Volkserziehung, o. O., o. J. (vermutlich Ende 1960), in: ebd., Bl. 12. Zu Weeren siehe: https://www.aerzteblatt.de/ pdf/81/36/a2581.pdf, 4.9.2019; https://www.aerzteblatt.de/archiv/184796/Dr-Friedrich-Deich-65Jahre, 4.9.2019. 291 Alle Zitate in: Deich, Friedrich: Gesundheitsdiktatur. Psychohygiene  – oder die rechte Volkserziehung, o. O., o. J (vermutlich Ende 1960), in: ebd., Bl. 12. 292 Sitzung des engeren Vorstands am 23.3.1961, in: BArch, B 142/2014, Bl. 128.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Ildar den Abgesang auf die hygienische Volksbelehrung an: Die Geldmittel flössen zu spärlich, zu gering sei die Mitarbeiterzahl des Gesundheits-Museums und der Kommandantur-Bau des ehemaligen Fliegerhorstes ist viel zu eng […]. Mit seinem abblätternden Putz wirkt er von weitem ein wenig verlassen. Es fehlt ihm ein Attribut, das sonst allerorts Ausweis bundesbürgerlicher Betriebsamkeit ist: Die Reihe parkender Autos im Hof. Die Straßenbahn brachte meinen Gesprächspartner und mich von Merheim nach Köln zurück.293

Dieser Artikel gelangte auch in die DDR, wo er umgehend als Referenz für die Überlegenheit des Hygiene-Museums und seiner NHA herangezogen wurde. Während in der Bundesrepublik für das noble Ziel der Bevölkerungsgesundheit nicht hinreichend Geld ausgegeben werde, beweise die Dresdner Ausstellung das Gegenteil. Dem hohen Wert der Gesundheit entspreche ein Großinstitut mit 200 Angestellten, dessen Ausstellungen in der Bundesrepublik belegen würden, dass sich das Hygiene-Museum um die Gesundheit der gesamtdeutschen Bevölkerung bemühe.294 Was in der DDR jedoch aus dem Selecta-Artikel nicht exzerpiert wurde, war, dass die Zukunft der Gesundheitsaufklärung woanders als im Museum als Ort und Medium liegen sollte: „[Das, C.S.] Museum ist obsolet, als Unterrichtsmittel veraltet. Es gibt bessere, anschaulichere Medien mit größerer Breitenwirkung als die kostspielige und nur relativ wenige Menschen erfassende Ausstellung.“295 Gleichwohl diente die Existenz des Dresdner Museums in der Öffentlichkeit als Argument, das Gesundheits-Museum nicht fallen zu lassen, sondern um- oder auszubauen. Die Kritik im bereits erwähnten Artikel in Euromed, in dem Petri ein pedantischer Führungsstil und damit die Verantwortung für die Personalmisere zugeschrieben wurde, fiel umfassend aus: Keines der verwendeten Medien würde als gut bewertet werden und überlastete Mitarbeiter produzierten Merksachen über Themen, die sie nicht verstünden, fachliche Kritik pralle an ihnen ab. Das meiste lande im Keller. Gleichwohl dürfe die Gesundheitserziehung in der Bundesrepublik nicht heimatlos werden, sonst, so das Argument, ziehe die Konkur293 Idris, Ildar: Ein Besuch im Deutschen Gesundheit-Museum zu Köln. Nur für die Gesundheit zahlt man nicht. Emsige Entwicklungsarbeit – ehrwürdige Tradition – aber zu wenig Mäzenatentum, in: Selecta. Medizin aktuell. Das Magazin für ärztliche Fortbildung 3/4/1961, S. 19–21, S. 21. 294 Vgl.  Anonym: Kölner Kummer und Klage. Ein Besuch im westdeutschen GesundheitsMuseum, in: Neues Deutschland, 31.1.1961, S. 5; explizit wurden die Ausstellungen des HygieneMuseums 1958 in Bochum und 1959 in Düsseldorf als Belege hierfür genannt: D.W.: ABC des Lebens. Anschaulich und einprägsam, in: Berliner Zeitung, 23.7.1961, S. 5. Vgl. Kap. 2.3., 3.3 und oben (4.2). 295 Idris: Besuch im Deutschen Gesundheit-Museum, S. 19.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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renz aus Dresden davon.296 Die DMI-Nachrichten, herausgegeben vom Deutschen Medizinischen Informationsdienst und bezuschusst vom BAfgV, sprachen ein ähnliches Urteil: kein Arbeitsziel, keine Arbeitsmethodik, kein gültiges Leitbild für die gesunde Lebensführung des modernen Menschen sowie personelle Fehlgriffe.297 Die mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit – nun explizit mit diesem Begriff auch so benannt – des Kölner Museums wurde Ende des Jahres in einem Artikel in der Kölnischen Rundschau ebenfalls beklagt. Aber auch hier machte sich der Autor mit dem Verweis auf die Dresdner Konkurrenz für die Unterstützung einer zu verbessernden Einrichtung stark.298 Unter dem Eindruck einer nicht abreißenden Kritik an der Arbeit des DGM, am Konzept der Psychohygiene an Petri sowie einer erneut desaströsen Buchprüfung entschied die Mehrheit der Gesundheitserzieher*innen im Vorstand des Museums im Mai 1961, Petris Weiterbeschäftigung zu überprüfen und die Neubaupläne zu überarbeiten. Es sollte auch baulich ersichtlich werden, dass das Merheimer Museum nicht mehr „Produktionsstätte für Massenfertigung sein, sondern sich mehr im Sinne der schöpferischen Entwicklung betätigen sollte.“299 Im selben Monat kam aus dem BMI ein erster Entwurf für ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, das aus der Fusion des Museums mit dem BAfgV hervorgehen sollte. Ein solches sollte für keinen der an das Museum gerichteten Kritikpunkte Anlass bieten und zugleich die ungenügende Öffentlichkeitsarbeit des Bundesausschusses kompensieren. Sofern DGM und BAfgV jeweils ihr Kapital einbrächten, könnte diese neue Organisation sowohl die wissenschaftliche Arbeit erledigen, die entsprechenden Materialien entwickeln und streuen als auch den internationalen Austausch garantieren und die regionalen Akteure koordinieren.300 Im Vorstand kam es nun zu dem, was sich angekündigt hatte – einem kompletten Neuanfang. Da die Allianz der Medizinalbeamten aus Bund und Land

296 Vgl. Anonym/Schreiber: Petri Heil. Es wirkt fast, als habe dieser Artikel die Kritik des BAfgV an der Arbeit des DGM paraphrasiert, die im Juni 1961 an Zoller gerichtet wurde. Die Tätigkeiten des Museums wurden darin als fachlich unrichtig, als ausschließlich Werbung in eigener Sache betreibend, als veraltet, schlecht geführt, nicht fokussiert, nicht lebensnah, wenig wirkungsvoll, wortreich und als pädagogisierend verworfen. Vgl. BAfgV an Zoller, 15.6.1961, in: BArch, B 142/2018. 297 Vgl. Anonym: Die kranke Gesundheitserziehung, in: DMI-Nachrichten 11/1961, S. 1–5. 298 Vgl.  Signon, Helmut: Deutsches Gesundheitsmuseum liegt sterbenskrank in Merheim. Wechsel in der Leitung steht bevor – Neubau gestoppt – Zukunft ungewiß, in: Kölnische Rundschau, 25.11.1961, o. S. 299 Sitzungen des engeren Vorstands, 21. und 26.5.1961, in: BArch, B 142/2014, Bl. 143. 300 Vgl.  Organisationsplan eines Instituts für Gesundheitserziehung, 5.5.1961, in: BArch, B 142/2008, 1961–1965, Bl. 4–16.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

weiterhin auf ihr Zentralinstitut hinarbeiteten, entschied der Kölner Stadtrat mit Wirkung zum 31. Dezember 1961 aus dem Verein auszuscheiden:301 Der Rat [der Stadt, C.S.] habe in der neuen Form der Institution, die sich hier anbahne, keine entsprechende Respektierung der vergangenen und künftigen Leistungen der Stadt Köln und keine angemessene Einwirkungsmöglichkeit mehr gesehen. [… Das DGM, C.S.] würde sozusagen zu einer Bundeseinrichtung. Dann möge […] auch der Bund und wer sonst noch mitwirken wolle, dieses neue Gebilde tragen.302

DDR: Das sozialistische Konzept der Gesundheitserziehung und neue Akteure auf dem Feld In der Bundesrepublik wie auch in der DDR wurde es in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre immer deutlicher, dass hygienische Volksbelehrung nunmehr vorrangig gesunde Lebensweisen herauszubilden hatte und dafür systematisch und koordiniert vorgehen sollte. Doch während in der Bundesrepublik Gesundheitserziehung in der Auseinandersetzung mit Psychohygiene als Anwendungsforschung konzeptualisiert wurde, bemühten sich die Gesundheitswissenschaftler*innen in der DDR, die Ergebnisse der Pavlov-Rezeption in ihre Leitwissenschaft der Sozialhygiene zu integrieren. Sozialhygienische Konzepte der Gesundheitserziehung Eine solche Einbettung wurde in vielen Publikationen zur Sozialhygiene unternommen. Mit der Zeitschrift Neues Deutsches Gesundheitswesen gab seit 1948 das Berliner Zentralinstitut für Sozialhygiene und Gewerbehygiene ein dezidiert sozialhygienisches Fachblatt heraus. In der Zeitschrift für ärztliche Fortbildung, Organ der gleichnamigen Akademie, sollte das anfänglich ausgekoppelte Beiheft Prophylaxe. Zeitschrift für Mikrobiologie, Epidemiologie, Hygiene und Sozialhygiene aufgehen. Alfred Beyer, zu dieser Zeit Professor für Sozialhygiene an der Humboldt-Universität zu Berlin, und sein damaliger Mitarbeiter Kurt Winter gaben 1953 das Lehrbuch für Sozialhygiene heraus, das bis 1970 in fünf Auflagen erscheinen sollte, bevor Winter 1977 und 1980 dieses eigenständig neu entwarf.303 301 Vgl. Sitzung des engeren Vorstandes am 28.6.1961 und Beschluss des engeren Vorstands zur Überprüfung einer Zusammenarbeit zwischen DGM und Bundesausschuß, 20.7.1961, in: BArch, B 142/2014, Bl. 185–189, 195. 302 Sitzung des engeren Vorstands, 5.12.1961, in: ebd., Bl. 197. 303 Vgl. Beyer, Alfred Erich Gerhard/Winter, Kurt (Hrsg.): Lehrbuch der Sozialhygiene, Berlin 1953; Winter, Kurt: Lehrbuch der Sozialhygiene, Berlin 1977. Vgl. ebenso Kap. 1.1 und 5.2.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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Erwin Marcusson verfasste nur ein Jahr später ein Buch zu den Grundlagen und zur Organisation des Gesundheitsschutzes.304 Wiederum ein Jahr später, 1955, ließ Winter in der Reihe Große Sowjet-Enzyklopädie. Reihe Medizin einen Überblick über die Organisation des Gesundheitswesens und über die sozialhygienische Tätigkeit in der UdSSR folgen.305 1956 schlossen sich zwei von Rudolf Neubert verfasste, für eine breitere Öffentlichkeit bestimmte Überblicke über die Probleme der Sozialhygiene bzw. über die Bedeutung der persönlichen Hygiene für die Gesunderhaltung des Volkes an, die 1958 mit einem Grundriß der Sozialhygiene ergänzt wurden.306 Für Marcusson, zu dieser Zeit Leiter der Hauptabteilung Heilwesen im Ministerium für Gesundheitswesen und nebenberuflich Professor für Sozialhygiene an der Humboldt-Universität zu Berlin, war die „medizinische Volksaufklärung […] Teil der Erziehung der Werktätigen zu Menschen, die ihre Verantwortung gegenüber sich selbst und dem Kollektiv erkennen.“ Die Güte ihrer Arbeit liege in der Anschaulichkeit der Medien. Vor allem Plakate, so Marcusson, dürften daher nicht zu abstrakt geraten.307 Die Sowjetenzyklopädie dagegen thematisierte Gesundheitserziehung als Organisationsherausforderung, d. h. im Kontext der Herausforderung, sie als Querschnittsfach in die schulische und außerschulische Kinder- und Jugenderziehung zu integrieren.308 Dies betraf weniger den Bereich der öffentlichen Aufklärung als den der Ausbildung von Multiplikatoren und der Verankerung gesundheitlicher Fragen im Unterricht. Im Lehrbuch der Sozialhygiene zeichnete Rudolf Neubert für den Teil zur „gesundheitlichen Aufklärung und Gesundheitserziehung“ unter dem Rubrum „Vorbeugender Gesundheitsschutz“ verantwortlich.309 Die oben skizzierte Mensch-Umwelt-Dialektik und das folgsame Subjekt anreißend, sah Neubert in der Gesundheitsaufklärung ein demokratisierendes Instrument. In absolutistischen und imperialistischen Staaten würde der Untertan von oben regiert. In einer Demokratie wie der DDR werde dem Bürger ein wohlbegründetes Wissen vermittelt, das es ihm ermögliche, die bestehende Ordnung affirmativ mitzugestalten.310 304 Vgl.  Marcusson, Erwin: Sozialhygiene. Grundlagen und Organisation des Gesundheitsschutzes, Leipzig 1954. 305 Vgl. Anonym/Winter, Kurt/Nikolajewa, Alexandra: Hygiene, Berlin 1955. 306 Vgl. Neubert, Rudolf: Vom Heilen zum Vorbeugen. Probleme der Sozialhygiene, Leipzig u. Jena 1956; Ders.: Die Bedeutung der persönlichen Hygiene für die Gesunderhaltung des Volkes, Berlin 1956; Neubert, Rudolf/Schrödel, Gottfried: Grundriß der Sozialhygiene, Jena 1958. 307 Vgl. Marcusson: Sozialhygiene, S. 284–287, Zitat auf S. 284. 308 Vgl. Anonym/Winter/Nikolajewa: Hygiene, 1955, S. 41–48. 309 Vgl.  Neubert, Rudolf: Gesundheitliche Aufklärung und Erziehung, in: Beyer, Alfred Erich Gerhard/Winter, Kurt (Hrsg.): Lehrbuch der Sozialhygiene, Berlin 1953, S. 728–743. 310 Vgl. ebd., S. 728.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Neubert unterschied ferner im historischen Rückgriff eine diffuse und wenig reflektierte Volksaufklärung von einer systematischen Gesundheitserziehung, deren jüngsten Höhepunkt er im Deutschen Hygiene-Museum verkörpert sah. So überrascht es kaum, dass Neubert die systematische Gesundheitserziehung fest im Konzept Lingners und Vogels fundierte: Alle Aufklärungsmedien müssten, spezifiziert entsprechend der Zielgruppe und der Belehrungssituation, nicht so sehr komplexes Wissen aufarbeiten und anschaulich machen, sondern je in „volkstümlicher“, aber auch nicht verfälschender oder simplifizierender Weise, die Optionen aufzeigen, Krankheiten an sich selbst zu erkennen.311 Ein Topdown-Modell der Wissensvermittlung paarte sich hier unter dem Kriterium der rezipientenspezifischen Anschaulichkeit mit dem Aufruf zur Mitarbeit. In der Neuauflage des Lehrbuchs von 1959 wurde nur wenig an diesem Text verändert, der nun unter der Überschrift „Gesundheitliche Aufklärung und Erziehung, Sucht- und Seuchenbekämpfung und das Alter“ zu finden war.312 Neuere gesetzliche Regelungen wurden eingebaut, die Vielzahl an Bildern, die 1953 hauptsächlich vom Hygiene-Museum beigetragen worden waren, wurden durch eine mit Hilfe eines unterschiedlichen Schriftbildes differenzierte Betonung einzelner Passagen ersetzt. Die Geschichte der Gesundheitsaufklärung, die Skizze des sowjetischen Zentralinstituts für sanitär-hygienische Aufklärung als Organisationsvorlage und die genauere Ausführung zu den einzelnen Medientypen sowie zur Pädagogik wurden in kleinerer Schrift gedruckt. Das betonte noch stärker die tragenden Säulen von Neuberts Verständnis der gesundheitlichen Aufklärung und Erziehung: Zur Führung eines gesundheitsförderlichen Lebens sei ein wohlbegründetes Wissen vonnöten. Dieses dürfe nicht „die Sensationslust befriedigen, sondern den Menschen ein[en] Weg zu Gesundheit […] als Ganzes und im Zusammenhang gesehen mit der gesamten Natur und mit der menschlichen Gesellschaft und deren Einrichtungen [zeigen, C.S.].“313 Aufklärung, so lässt sich schlussfolgern, bedeutete für Neubert Wissensvermittlung, Erziehung sowie die systematisch organisierte Führung zu einem hygienischen  – synonym mit gesunden – Lebenswandel.314 Auch in den 1950er Jahren wiederholte Neubert den Kurzschluss von (anatomischer, physiologischer und hygienischer) Wissensvermittlung und richtigem Handeln, jedoch in stärkerer Pointierung der „richtigen“ Lebensführung. Beides 311 Vgl. ebd., S. 731, 734. 312 Vgl.  Ders.: Gesundheitliche Aufklärung und Erziehung; Sucht- und Seuchenbekämpfung; das Alter, in: Beyer, Alfred Erich Gerhard/Winter, Kurt (Hrsg.): Lehrbuch der Sozialhygiene, Berlin 1959, S. 220–245; nochmals gerafft in: Neubert/Schrödel: Grundriß der Sozialhygiene, S. 97–104. 313 Neubert: Gesundheitliche Aufklärung und Erziehung, 1959, S. 224. 314 Vgl. ebenso: Neubert/Schrödel: Grundriß der Sozialhygiene, S. 102.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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war eng verbunden mit der über Pavlov eingeführten dialektischen Zusammenführung von körperlicher und sozialer Ordnung. Wenn der Gesundheitsschutz Sache aller war, mussten auch alle durch Sachkenntnis befähigt werden, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das erforderte Aufklärung, aber keine Befähigung zur Alternative – ganz im Sinne, dass „vom einzelnen Bürger […] die Einsicht in die Maßnahmen des Staates und seine Mithilfe verlangt“315 wird, wie Neubert dies formulierte. Individuelle Gesundheit wurde zur subjektiven Widerspiegelung der objektiven Ordnung des Sozialismus: Jeder, der seine Gesundheit pflegt, lernt die Grundsätze der Hygiene kennen und erprobt sie […]. Auf diese Weise entsteht ein Volk von wohlgebildeten, wissenden Persönlichkeiten, die dafür sorgen, daß alle Voraussetzungen für die Wiederherstellung, Pflege, Erhaltung und Steigerung der Gesundheit geschaffen und diese Einrichtungen mit Verstand gebraucht werden. Das ist die Dialektik der Gesundheitspflege: Ein Staat, der alle notwendigen Einrichtungen schafft […], und eine Bevölkerung, die diese Einrichtungen fordert, fördert, erhält und benutzt […]. Wir wünschen für unser Volk: Wissen, Einsehen, freiwillig in die Notwendigkeit fügen, das eigene Leben und das der Gemeinschaft nach den unverbrüchlichen Gesetzen der Natur und der Gesellschaft gestalten.316

Doch worin bestand nun genau die Aufgabe der Gesundheitserziehung? Diese korrelierte stark mit dem „Wesen der Krankheit“, das Gesundheitspolitiker und Sozialhygieniker der SED aus Pavlovs Lehre herleiteten: Phylo- und Ontogenese genauso wie Mensch und Umwelt standen darin in einem dialektischen Zusammenhang. Die Umwelt, so der Gedanke, bedinge die Entwicklung von komplexen und arbeitsteiligen Organismen durch deren entsprechende Reizung, der sie sich anpassten. Ein solcher Zustand entsprach einem temporären Gleichgewicht zwischen Organismus und Umwelt durch die Adaption des Organismus an die sich verändernden Umweltbedingungen – und diese seien in erster Linie gesellschaftlich bestimmte Arbeitsbedingungen. Das zweite Signalsystem des Menschen, die Sprache, die höchste Form der bedingten Reflexe, ermögliche die gedankliche Analyse und Synthese seiner Umwelt und damit die Herausbildung eines Bewusstseins seiner selbst in seinem Umfeld. Dieser Prozess war jedoch fehleranfällig, gleichbedeutend mit einer falschen Anpassung an die gesellschaftliche Organisationsform. Krankheit entsprach in diesem Gedankenmodell einer falschen oder ungenügenden Anpassung. Erkrankungen galten als Folge ungewöhnlicher, außerordentlicher Einwirkungen [, die, C.S] zu Störungen der durch die Nerventätigkeit koordinierten Lebensprozesse führen. […] [Wir vertreten die Auffassung,

315 Neubert: Persönliche Hygiene, S. 46. 316 Ebd., S. 48 f. Siehe ferner auch Ders.: Vom Heilen zum Vorbeugen, S. 32 ff.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

C.S.], daß sich in der Krankheit eines Organismus ein Lebensprozeß an der Grenze und jenseits der Grenze seiner Anpassungsfähigkeit an veränderte Bedingungen der Umwelt ausdrückt.317

Krankheit als ungenügende Anpassung an die Umwelt zu deuten, implizierte nun dreierlei: Erstens konnte der Auftrag der Gesundheitserziehung nur darin bestehen, die individuelle Anpassungsleistung und -fähigkeit zu steigern, indem sie den Menschen zum richtigen Bewusstsein, zur richtigen Reaktion auf die Verfasstheit seiner gesellschaftlichen Umwelt brachte und ihn zur sozialistischen Persönlichkeit formte.318 Wenn die Erziehung aber nicht zu sozialistischen – also gesunden – Verhaltensweisen führte, dann konnte das nur aus fehlender Einsicht resultieren, was wiederum nur durch mehr Erziehung korrigiert werden konnte. Die Leitfigur der sozialistischen Persönlichkeit brachte die Gesundheitserziehung demnach in ein Dilemma: ohne eine Abweichung von der Erziehungsnorm tolerieren zu können, konnten Inkongruenzen zwischen Ideal und Realität nur als deviantes Verhalten gedeutet und damit als Effekte einer defizitären Erziehungsrealität verstanden werden. Dem konnte dann nur ein Mehr an effektiver, einheitlicher und besser koordinierter Erziehung begegnen. Und deswegen war es zweitens nur folgerichtig, dass eine wissenschaftlich reflektierte Organisation der Gesundheitsaufklärung über Ketten angeleiteter Multiplikatoren und koordinierter Vermittlungsakteure die Erziehungsarbeit und deren zentrale Kontrolle übernehmen musste.319 Drittens definierte die Bestimmung von Krankheit als falsche Anpassung an die Umweltbedingungen auch indirekt den Positivwert der Gesundheitserziehung: Gesundheit galt als richtige Anpassung an die sozialen Normen der sozialistischen Ordnung. Eine gesundheitliche Lebensführung war demnach nur als eine solche zu denken, die außerordentliche Reizungen vermied, indem sie dem folgte, was der Sozialismus anbot. Neubert konkretisierte dies: Wenn Gesundheit objektiv das Gleichgewicht der inneren Prozesse mit den Anforderungen der Umwelt ist, dann ist Gesundheit subjektiv Lebensfreude, Kraft, Mut, Unternehmungslust. Und wenn Krankheit objektiv gestörtes Gleichgewicht ist, dann ist sie subjektiv Unlust zur Arbeit, Lebensüberdruss, Mattigkeit, Leistungsschwäche bis zum völligen Darniederliegen mit Schmerzen, Fieber und schwerem Krankheitsgefühl.320

317 Mette/Misgeld/Winter: Arzt in der sozialistischen Gesellschaft, S. 27. 318 Vgl. ebd., S. 22–26. 319 Vgl.  Neubert: Gesundheitliche Aufklärung und Erziehung, 1959,  S.  222; ferner: Neubert/ Schrödel: Grundriß der Sozialhygiene, S. 102 ff. 320 Neubert: Vom Heilen zum Vorbeugen, S. 11.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

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Pavlov im Deutschen Hygiene-Museum: Von den Geheimnissen des Lebens zur sozialistischen Persönlichkeit Sportliche, strebsame und engagierte Menschen, diese Idealvorstellung hatte das Hygiene-Museum bereits 1950 im Berliner Pavillon bebildert.321 Doch nun griff Rolf Thränhardt auch auf die aus der Pavlov-Rezeption gespeisten Erziehungs-, Hygiene-, und Gesundheitskonzepte zurück. 1955 begannen die Arbeiten an einer ausschließlich Pavlov gewidmeten Ausstellung, die 1956 zuerst im eigenen Gebäude präsentiert wurde, bevor sie im März 1956 im Berliner Pavillon zu sehen war und anschließend im mobilen Pavillon des Museums durch die Republik fuhr.322 Seine Ausstellung Geheimnisse des Lebens, welche 1957 bereits revidiert wurde, knüpfte insofern an die Tradition der Mensch-Ausstellungen des Museums an, als ihre Gliederung von anatomischen Gegebenheiten und physiologischen Prozessen zu hygienischen Ratschlägen fortschritt. Und allein der Titel, der mit dem Reiz der Aufdeckung des Verborgenen spielte, folgte der Aufmerksamkeitslogik einer solchen Ausstellung.323 Die zweite Version unterschied sich neben einigen darstellerischen und textlichen Veränderungen von der ersten dadurch, dass stärker versucht wurde, die Besucherinnen und Besucher zu mobilisieren. Dazu wurden mehr Selbsttestapparate und „Leuchtschränke“ eingesetzt, bei deren Betätigung bilderklärende Textpassagen oder Elemente der Abbildungen (wie z. B. bestimmte Areale eines gezeichneten menschlichen Gehirns oder schematisierte Reizbahnen von Sinnesorganen zum Gehirn eines hinterlegten und angedeuteten Kopfes) aufleuchteten. Mit Pavlov war dies Programm, sollte sich doch aus der Geschichte, Beschaffenheit und dem Funktionieren des Nervensystems direkt kausal eine gesunde, bewusste sozialistische Lebensführung ableiten lassen. Eingerahmt von Büsten Marx‘ und Pavlovs wurde dafür in der Ausstellung naturhistorisch argumentiert. Die Fortentwicklung des Lebens von einzelligen Lebewesen zum Menschen entsprach der Höherentwicklung des Nervensystems bis zur Entwicklung der Großhirnrinde. Das Agens des Prozesses war dabei die vom Nervensystem veranlasste und durch Verhalten vorangebrachte Anpassung des Organismus an die Umwelt, was als linear evolutionärer Prozess des Komplexitätsaufbaus des Nervensystems gedacht und als Rangfolge in der Ernährungskette vom Einfachen zum Vielschichtigen dargestellt wurde (vgl. Abb. 33).

321 Vgl. Kap. 2.3. 322 Vgl. Budig: Formen der Ausstellung, S. 101 ff. 323 Zu den Beanstandungen an der Pavlov-Ausstellung: Parteileitungssitzung im Deutschen Hygiene-Museum, 15.2.1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/2 (Registraturgut).

348 

 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Abb. 33: Ausstellungsplakat Geheimnisse des Lebens, 1. Version 1956.

Die theoretische Gelenkstelle, die das mechanistische Kausalverständnis mit der materialistischen Dialektik verband, bestand in den Begriffen der Gewöhnung, Anpassung, Hemmung, Analyse, Synthese und des Reizes. Da Gesundheit als durch Anpassung bewerkstelligtes Gleichgewicht zwischen Reiz und Erholung, zwischen der damit widergespiegelten Umwelt und dem Inneren des Menschen konzeptualisiert war, ließen sich Krankheitsphänomene ex negativo als reflektorisches Ungleichgewicht erklären. So hatte beispielsweise auf der Ebene der bedingten (durch Erfahrung erworbenen) Reflexe der „angloamerikanische Bombenterror“ zur Verschränkung von Herzangst und dem Blitzen und Donnern eines Gewitters geführt. Das Beispiel sollte demnach über die explizite Anknüpfung an den Erfahrungsraum (und an die Gefühlswelt), vor allem der Besucherinnen, die Zusammenhänge der Reflexbildung nahezu empathisch verständlich machen. Eine einzige Ausstellungstafel visualisierte diese Absicht in der sprachlich kommentierten Montage der emblematischen Abbildung einer brennenden und bombardierten Stadt, einer Frauenfigur, die sich aus mutmaßlicher Herzangst an die linke Brust fasst und einem stilisierten, farblich vom Hintergrund abgehobenen Blitz (vgl. Abb. 34). Ähnlich griff noch ein anderes Beispiel die jüngste Erlebniswelt der Besucher*innen deutend auf, die jedoch eher an Besucher gerichtet war: Ständige Überreizung und falsche tägliche Zeiteinteilung führten, so folgerte

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

 349

Abb. 34: Ausstellungsplakat Geheimnisse des Lebens, Beide Versionen 1956 & 1957.

Thränhardt in der Begleitbroschüre zur Ausstellung aus dem Zusammenhang der Bildung bedingter Reflexe durch Umwelteinflüsse, zu einer „Funktionärserkrankung“ – zur sozialistischen Variante der westdeutschen „Managerkrankheit“.324 Gegen solches Bedrohen, gegen eine beständige Überforderung des Reizsystems, empfahl die Ausstellung nicht nur Schlaftherapie, Suggestion und Hypnose unter ärztlicher Aufsicht. Generell müsse der Tagesablauf regelmäßig gestaltet  – „geplant“ – werden, der Arbeitsplatz geordnet – „aufgeräumt“ –, das Restaurant und die dargebotenen Speisen sauber bzw. appetitlich erscheinen. Ein „dynamisches Stereotyp“ erleichtere über die Gewöhnung des Körpers an kontrollierte Reize der Umwelt das Leben, indem es die Balance zwischen Körper und Umwelt

324 Vgl.  Thränhardt, Rolf: Geheimnisse des Lebens. Eine Einführung in die Tätigkeit des Zentralnervensystems, Berlin 1959, S. 49, und zur Managerkrankheit oben.

350 

 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

herstelle: Die Konditionierung des Körpers verschränke diesen physiologisch mit den Reizen der Umwelt zu einer Einheit.325 Konsequenterweise bedeutete das also für die hygienischen Optionen zur Krankheitsbehebung und -verhütung zweierlei: Konditionierung des Menschen und die Gestaltung der Umwelt. Damit war implizit eine doppelte Verantwortungszuschreibung verbunden: Krankheit und Gesundheit resultierten aus dem Wechselverhältnis von Außenwelt und Individuum, verbunden mit dem Appell zur Gestaltung von Mensch und Umwelt. So liefen die gesundheitlichen Ratschläge, die beim Gang durch die Ausstellung auf die physiologische Erklärung unterschiedlicher Krankheitsphänomene folgten, immer wieder darauf hinaus, die sozialistische Ordnung nicht nur anzuerkennen, sondern aktiv mitzuformen. Genauso wichtig war es jedoch, dass eine sozialistische Persönlichkeit am Aufbau des Sozialismus mitwirkte, denn das gesellschaftliche Leben, insbesondere die Arbeitswelt, galt als die relevante Außenwelt. Die Krisen der Vergangenheit  – allen voran die Erfahrung des Krieges  – hätten die „am meisten Betroffenen“ reflexartig zu subjektiven Kämpfern für ein besseres Leben gemacht. Ihr Bewusstsein, gebildet aus den vergangenen Reflexen (Erfahrungen), lasse sie zu nichts anderem werden als zu engagierten Fürsprechern des Sozialismus, den sie Multiplikatoren gleich an der Werkbank realisieren würden  – ja, müssten. Denn der Kurzschluss von Reflex, vergangenem Erleben und Bewusstsein deutete Erfahrung nicht als etwas, dem (unterschiedlicher) Sinn zugesprochen werden könnte. Ihre Bedeutung entsprang der Einsicht in die historische Notwendigkeit  – die Sozialismus hieß (vgl.  Abb.  35). Als fortschreitende wechselseitige Höherentwicklung von Gesellschaft und Individuum würden sich neue Komplexitätsoptionen aufbauen lassen: Die von Krisen und Kriegen befreite Gesellschaft ermögliche wiederum ganz andere Subjekte, die wiederum eine bessere Umwelt schaffen würden. Ins Bild gesetzt bedeutete dies in Thränhardts Ausstellung Geheimnisse des Lebens ganz konkret, neue, bessere Städte zu planen und zu bauen, „in denen eine neue und gesündere Generation heranwächst“ (vgl. Abb. 36). Thränhardt hatte unter anderem an diesen zwei Beispielen den Fortschritt der Geschichte verbildlicht und dabei das vermeintlich dialektische Lebensgesetz anschaulich gemacht, das in einem festen Ursache-WirkungsZusammenhang stand. Kausalität wurde darin unidirektional gedacht, aber mit der Dialektik versöhnt, indem sie nicht als zeitgleiche Wechselbeziehung zwischen Umwelt und Individuum verstanden, sondern als zeitlich verschobene konzeptualisiert wurde.

325 Ebd., S. 30–33.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

 351

Abb. 35 und 36: Ausstellungsplakate Geheimnisse des Lebens, 2. Version 1957.

Die Ausstellung visualisierte auch, woher sie die Sicherheit nahm, dass die Utopie, die sie entwarf, auf einer validen Prognostik beruhte. Ins Bild gesetzt wurde dafür eine spezifische Vorstellung von Ursache und Wirkung. Auf jeweils einer Tafel wurde sich dazu aus der Bilderwelt der Industriearbeit bedient, in der Zahnräder Kraft und einem Getriebe gleich ihre Übertragung von einer Dreh-

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Abb. 35 und 36 (fortgesetzt)

in eine andere Drehbewegung symbolisierten. Welches Rädchen nun welches antrieb war im Fall von Ursache und Wirkung klar, doch der kommentierende Text verschleierte mehr als dass er erklärte. Verstanden kann dieser jedoch werden als feste Versicherung, im Leben in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zu stehen, was „Denken und Tun“ umfasste. Das kam sowohl einer Absage an

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

 353

alles Ideelle als auch einer Zusicherung gleich, das Leben und seine Entwicklung als solches verstanden zu haben beziehungsweise verstehen zu können (vgl. Abb. 37). In der zweiten Version der Ausstellung wurde diese Tafel, die zu kryptisch geraten war, durch eine andere ersetzt, auf der das Dargestellte kaum verändert war. Doch nun visualisierten die Zahnräder den Nexus von Theorie und Praxis und die Transmission von Bewegung und Kraft reversibel: Theorie konnte dem Bild zufolge ihre Kraft auf die Praxis übertragen – und vice versa. Somit verdeutlichte die neue Tafel etwas anderes; nicht die Sicherheit, die Gesetze der Geschichte und des Lebens erfasst zu haben, sondern implizit die Frage nach dem Sinn der Pavlov-Rezeption: In einem dialektischen Zusammenhang musste sich beides beweisen und gegenseitig voranbringen – Theorie und Praxis (vgl. Abb. 38). Die Neukonzeptualisierung des Zusammenhangs von Theorie und Praxis verschob implizit den Anspruch der hygienischen Volksbelehrung: Mit Pavlov war das Gesetz des Lebens nun richtig verstanden worden. Aus dieser Einsicht in die zugleich biologisch als auch historische Gesetzmäßigkeit folgten nicht nur die Regeln für das richtige Verhalten, sie ergaben sich aus deren mutmaßlich unverrückbaren Wahrhaftigkeit. Weitere intensive Forschung sei im Lichte der Praxis zwar nötig. Aber, „der von Pawlow gezeigte Weg gibt uns die Gewißheit, daß dieses Ziel erreicht werden wird.“326 Pavlov bewies also die Richtigkeit der sozialistischen Staatsideologie, die getragen wurde vom Bewusstsein sozialistischer Persönlichkeiten, den Sozialismus weiterzuentwickeln. Das Ziel der Erziehung konnte dann nur sein, solche Persönlichkeiten (in der Funktion eines gesellschaftlichen Multiplikators) zu formen  – gedacht als Intervention in die Subjekt-Objekt-Dialektik der historischen Entwicklung. Wie bereits oben erläutert bestand der konkrete Tugendkatalog eines solchen Subjektes in nuce in Leistungsbereitschaft, Ordentlichkeit und im affirmierenden Engagement für den sozialistischen Staat, die in die miteinander eng verbundenen Begriffstrias Bewusstsein, Vernunft und Gesundheit subsumiert wurden. Aus der Dialektik des Lebensgesetzes und dem aus ihm entspringenden Bewusstsein sozialistischer Persönlichkeiten leitete nun der wissenschaftliche Leiter des Hygiene-Museums auch die moralische Verpflichtung zum „Kampf“ gegen die „Unkultur“ der „Schmutz- und Schundliteratur“, der in den 50er Jahren auch in der DDR wieder intensiv geführt wurde.327 Titelseiten von Comics aus den USA 326 Ebd., S. 55. 327 Vgl. für die „lange Geschichte“: Maase, Kaspar: Die Kinder der Massenkultur. Kontroversen um Schmutz und Schund seit dem Kaiserreich, Frankfurt a. M. u. New York 2012, insbesondere S. 316–337 und für die Nachkriegszeit: Jäschke, Petra: Produktionsbedingungen und gesellschaftliche Einschätzungen, in: Doderer, Klaus/Hussong, Martin/Schindler-Frankerl, Hildegard (Hrsg.):

354 

 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Abb. 37 und 38: Ausstellungsplakate Geheimnisse des Lebens, 1. Version 1956 (links), 2. Version 1957 (rechts).

waren mit Textkommentar und dem Bild einer isolierten (internierten) männlichen Kinderfigur zu der Aussage verschmolzen, dass solche Bildergeschichten zum Verbrechertum führen würden  – symbolisiert im Bildstereotyp des kriminellen Westlers mit Menjou-Bärtchen und Augenmaske (vgl. Abb. 39). In der Begleitbroschüre erläuterte Thränhardt und markierte die nationale Wichtigkeit (des Kampfes und damit auch seiner Ausstellung), den Bogen zurück zu Pavlov schlagend: Die Gegner unseres Staates versuchen durch Einschleusen amerikanischer Schund- und Gangsterliteratur, zweifelhafte Tanzvergnügen westlichen Stils und den Einsatz von Lockvögeln unsere Jungen auf falsche Bahnen zu bringen. […] Die Gefahren, die unserer heranwachsenden Generation drohen, werden erst dann jedem vollkommen klarwerden, wenn er die Grundzüge der Arbeit des Zentralnervensystems kennt. Diese Erkenntnis ist nicht nur für die Erziehung und alle Eltern, sondern darüber hinaus für jeden wichtig, denn wir tragen die Verantwortung für die Zukunft unseres Volkes.328

Zwischen Trümmern und Wohlstand. Literatur der Jugend 1945–1960, Weinheim 1988, S. 209–520, S. 314–395. 328 Thränhardt: Geheimnisse des Lebens, S. 55 f.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

 355

Abb. 39: Ausstellungsplakat Geheimnisse des Lebens, 2. Version 1957.

Es nimmt kaum Wunder, dass Pavlovs Physiologie beim Treffen zwischen Thränhardt und Hagen im Januar 1956 als ein Thema bestimmt wurde, dessen Bewertung von tiefen und unüberbrückbaren Differenzen zwischen Gesundheits- und Hygiene-Museum geprägt war. Pavlov gehörte in den Augen der Volksbelehrer*innen im Westen zur sozialistischen Propaganda aus dem Osten.329 Doch

329 Vgl.  Vermerk Hagen, 25.1.1956: Besprechung mit den Vertretern des Deutschen HygieneMuseums in Heidelberg, in: BArch, B 142/2017, Bl. 75; Kap. 3.2.

356 

 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

trotz der vermeintlich so ideologischen Bebilderung der Ideen aus der PavlovRezeption und obwohl Ausstellungskopien von Geheimnisse des Lebens fast allen Volksdemokratien in der jeweiligen Landessprache angeboten wurden, blieb die Nachfrage bescheiden und die Exklusivität Pavlovs in einer Ausstellung des Hygiene-Museums ein singuläres Ereignis.330 In der Arbeit und der Organisation des Hygiene-Museums verfing die Begründung des Modus der Gesundheitserziehung trotz des Scheiterns der Ausstellung mit zumindest indirektem Bezug auf Pavlov. In Wie werde ich 100 Jahre alt wurde ab 1958 en passant auf Pavlov verwiesen. Thränhardt begründete mit Pavlov selbst die Lehrmittelrationalisierung und Friedeberger den Auftrag des Museums, Persönlichkeiten zu formen, die helfen sollten, dass die DDR das geschichtliche Telos des Kommunismus erreichte.331 Das DHM wurde in Thränhardt und Friedebergers Deutung zu einem gesundheitspolitischen Agenten der allgemeinen (sozialistischen) Persönlichkeitsformung. Eine gesunde Lebensweise war demnach willentlich disziplinierte, die den gesellschaftlichen Normen und Institutionen nicht nur entsprach, sondern diese aktiv unterstützte. Die Gesundheitsaufklärung machte plastisch, dass eine solche bewusste Lebensführung in der mit (klein-) bürgerlichen Sekundärtugenden gespickten willentlichen Entsprechung gesellschaftlicher Normvorstellungen aus deren Mittragen bestand. Die Aufgabe der Gesundheitsaufklärung sah in ihrer Umsetzung demnach wie folgt aus: Es wurde eine Anpassung an die sozialistische Gesellschaft ins Bild gesetzt, welche in der nächsten Spiraldrehung der historischen Dialektik von Mensch und Umwelt zur Fortentwicklung des Sozialismus beitrug. Das Dresdner Museum als Institut der Gesundheitserziehung und Instanz der Persönlichkeitsformung zu profilieren, erfüllte aber auch ganz pragmatische Zwecke: Dies sollte das Hygiene-Museum im sich wandelnden – zentralisierenden – Feld des Gesundheitsschutzes gegen neue Akteure abgrenzen und absichern. Das Komitee für gesunde Lebensführung und Gesundheitserziehung Im System des Gesundheitsschutzes der DDR war zum Ende der 1950er Jahre klar geworden, dass Gesundheitsaufklärung zur sozialistischen Persönlichkeit erziehen sollte. Dafür brauchte es im demokratischen Zentralismus eine Organisation, die top-down und sozialhygienisch sowie medizinisch informiert in Kooperation mit den Massenorganisationen auch in der „Provinz“ wirken konnte. Für den traditionsreichen Hybrid aus Museum, Lehrmittelfabrik und Verhaltenspräventionsbehörde in Dresden, dessen Tradition vor Ort präsent gehalten wurde, geriet dies 330 Vgl. Geheimnisse des Lebens, 1956, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 1, unpag. 331 Vgl. Thränhardt: Deutsches Hygiene-Museum Dresden, S. 518 f.; Kap. 2.3.

4.3 Feine Unterschiede: Gesundheitserziehung als Reformmodus 

 357

zum Problem. Unter der mangelnden Unterstützung und „Anleitung“ des Ministeriums und den neuen politischen Ansprüchen leidend verlor das DHM mehrere Kompetenzen – gestalterische gingen an die DEWAG, die der wissenschaftlichen Fundierung und Koordination der Gesundheitserziehung an ein 1959 von Thränhardt gefordertes neu zu errichtendes Koordinationsgremium.332 Die zentrale Koordinierungsstelle der Gesundheitserziehung außerhalb des DHM zu etablieren, stellte sich als durchaus sinnvoll heraus. Die Gründung des Komitees für gesunde Lebensführung und Gesundheitserziehung (NKGE) 1961 stand in einem verzweigten parteipolitischen und organisationspragmatischen Kontext. Zum einen hatte es sich abgezeichnet, dass es aussichtsreicher sein würde, mit einem formell nichtstaatlichen Gremium die Vollmitgliedschaft in der IUHEP zu erreichen als mit dem Hygiene-Museum. Zum anderen schien im Kampf um die Unterstützung des SED-Regimes durch die Mediziner ein nachgeordnetes Beratungsorgan des Ministeriums für Gesundheitswesen ein effektiveres Instrument zur Inkorporierung und Ausrichtung der Ärzteschaft zu sein. Eine Neugründung offenbarte mehr Gestaltungsoptionen und erschien als leichtere Lösung in dieser neuen Welle der Zentralisierung und parteipolitischen Ausrichtung der Organe des Gesundheitswesens als das sperrige Hygiene-Museum. Außerdem hatte das Ministerium zu dieser Zeit andere Sorgen. Durch den mangelnden Zuspruch vonseiten der Ärzteschaft galt es Ende der 1950er Jahre, den Gesundheitsschutz überhaupt zu retten. Die dafür eingerichteten neuen Organe, die Ständige Kommission für medizinische Wissenschaft und Fragen des Gesundheitswesens sowie die Abteilung Gesundheitspolitik des ZK, legten hierfür einen weiteren Perspektivplan vor. Dieser wurde nach einem gestuften Verfahren der Vorlage, Kritik, Wiedervorlage, Beschlussfassung und Auswertung auf der Weimarer Gesundheitskonferenz 1960 verabschiedet.333 Programmatisch setzte dieser sowohl inhaltlich als auch deklamatorisch die bekannten Stützpfeiler des sozialistischen Gesundheitsschutzes um, so wie dies 1958 Alexander Mette (1897–1985), Gerhard Misgeld (1913–1991) und Kurt Winter öffentlich proklamiert hatten.334 Zugleich gestand der Beschluss Ärztinnen und Ärzten einiges zu, z. B. wurde die Niederlassungsfreiheit in Aussicht gestellt.335 Das Hygiene-Museum erschien in diesem Plan vor allem als ausführendes Organ, welches die Medien der Aufklärung bereitstellen sollte. Doch sollte auch eine neue Organisation gegründet werden, welche das Dresdner Museum mit den relevanten Massenorganisationen der Gesundheitserziehung in Kooperation

332 Vgl. zur Gründung des NKGE: BArch, DQ 1/6018, 1961–1962, unpag und oben, Kap. 4.2. 333 Vgl. Schagen/Schleiermacher: Gesundheitswesen in der DDR, Bd. 8, S. 429. 334 Vgl. Mette/Misgeld/Winter: Arzt in der sozialistischen Gesellschaft. 335 Vgl. Schagen/Schleiermacher: Gesundheitswesen in der DDR, Bd. 8, S. 429 ff.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

bringen sollte.336 Den Weg dazu wies – in Übereinstimmung mit Thränhardt – der damalige Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) der DDR Werner Ludwig (1914–2001). Wie in der Sowjetunion sollte ein Rat die zentrale Lenkung und Koordinierung übernehmen, Ludwig diesem von 1963 bis 1976 vorstehen.337 Er genoss einen parteipolitisch ausgezeichneten Leumund und hatte einflussreiche Mentoren. Außerdem leitete er als Präsident des DRK eine Massenorganisation, die international bereits anerkannt war, in Kontakt mit ihrem westdeutschen Gegenpart stand und unzweifelhaft das hohe humanistische und zugleich unpolitische Prestige der selbstlosen Sorge um die Gesundheit aller für sich reklamieren konnte.338 So hatte das Rote Kreuz mit seinem Apparat die besten Ausgangsbedingungen, um die geforderte Breitenwirkung der Gesundheitserziehung zu bewerkstelligen. Ab 1959 hatte es sich bereits um die „administrative Seite“ der Gesundheitserziehung gekümmert, als das Ministerium überlastet zu sein schien.339 So stieg Ludwig zur zentralen Figur der Gesundheitserziehung in der DDR auf, Thränhardt begleitete ihn als Generalsekretär des NKGE.340 Das NKGE galt als geeignetes Organ, Konsens unter den Interessierten an gesundheitlicher Aufklärung herzustellen, das propagierte Idealbild des Gesundheitsschutzes zu versinnbildlichen und zugleich über die dorthin ernannten Gesundheitserzieher*innen die fachliche Kompetenz zu versammeln, ohne die

336 Vgl. Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands/Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes/Ministerium für Gesundheitswesen (Hrsg.): Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Lebensfreude für den Sieg des Sozialismus. Gesamtbericht der Gesundheitskonferenz des Zentralkomitees der SED, des Bundesvorstandes des FDGB und des Ministeriums für Gesundheitswesen der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. bis 13. Februar 1960 in Weimar, Berlin 1960, S. 22, 53. 337 Ebd., S. 158. 338 Vgl. Riesenberger, Dieter: Das Deutsche Rote Kreuz. Eine Geschichte 1864–1990, Paderborn u. a. 2002, S. 490–519. 339 Vgl. Kommuniqué und Beschlussfassung der VI. Sitzung des Präsidiums des DRK der DDR, 4.12.1959, in: BArch, DQ 1/5105, 1959–1961, Bl. 49–52; Thränhardt, Rolf: Grundkonzeption unserer zukünftigen Arbeit, 25.1.1960, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 60/26, hier S. 2. 340 Vgl. Ludwig, Werner (Hrsg.): Grundriß der Gesundheitserziehung, Berlin 1973; Ludwig, Werner (Hrsg.): Grundriß der Gesundheitserziehung, Berlin 1978 [1973]; Lämmel, Rolf: Gesundheitserziehung, in: Spaar, Horst (Hrsg.): Dokumentation zur Geschichte des Gesundheitswesens der DDR. Teil IV: Das Gesundheitswesen der DDR in der Periode des Übergangs zum umfassenden Aufbau des Sozialismus und der Entwicklung des neuen ökonomischen Systems (1961–1971), Berlin 2000, S. 207–216; Lämmel, Rolf: Die Entwicklung der gesundheitserzieherischen Arbeit, in: Spaar, Horst (Hrsg.): Dokumentation zur Geschichte des Gesundheitswesens der DDR. Teil V: Das Gesundheitswesen der DDR in der Periode der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft unter dem Kurs der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik (1971–1981), Teil A, Berlin 2002, S. 107–118.

4.4 Zusammenfassung 

 359

politische und ideologische Kontrolle zu verlieren. Es versprach zudem, das Ministerium von genau dieser „Alltagsarbeit“ zu entlasten.341 Dieses Modell wurde nicht nur beim NKGE umgesetzt, sondern beispielsweise auch beim Staatlichen Komitee für Körperkultur und Sport. Diese Organe, die im Laufe der 1960er Jahre gegründet wurden (wie etwa der Rat für medizinische Wissenschaften am Ministerium 1962), waren Ausdruck des demokratischen Zentralismus mitsamt seiner Effekte der (Voraus-)Kontrolle und (Selbst-)Zensur.342 Die Gesundheitsaufklärung als Präventionspraxis des DHM brachte dies allerdings in einen Widerspruch mit der eigenen Expertise in der Vermittlung scheinbar unpolitischer Wissensbestände.

4.4 Zusammenfassung Im Laufe der 1950er Jahre geriet in beiden deutschen Staaten das überkommene Modell der hygienischen Volksbelehrung unter Druck. Im Bemühen, das öffentliche Gesundheitswesen zu stärken, erhöhten Gesundheitspolitiker*innen in beiden Staaten ihren Einfluss auf die Museen, um Gesundheitsaufklärung in ihren Kompetenzbereich zu integrieren. Die Engführung der Gesundheitsaufklärung in die staatliche Verantwortlichkeit lief jedoch unterschiedlich ab. Sie fügte sich in der DDR ein in die Versuche, unter Rückbindung an ein sowjetisches Vorbild im Gesundheitswesen einen demokratischen Zentralismus einzuführen, ohne die wichtigste Akteursgruppe, die Ärzteschaft, zu verschrecken. In der Bundesrepublik ging die „Verstaatlichung“ der hygienischen Volksbelehrung und des Museums aus einem gegenläufigen Bemühen zum allgemeinen Trend hervor. Gerade weil dort die Ärzteschaft dem Leitbild des freien und niedergelassenen Arztes folgte und entsprechende gesundheits- und sozialpolitische Strukturentscheidungen gesundheitsfürsorgerische Aspekte in dessen Zuständigkeitsbereich verlegten, versuchten die Medizinalbeamten, das Deutsche Gesundheits-Museum als Präventionsagentur in ihren Kompetenzbereich zu ziehen und mit dessen anderen Akteuren abzustimmen. Je mehr der ÖGD im Laufe der 1950er Jahre an Kompetenzen und Bedeutung verlor, desto stärker versuchte die Bundesgesundheitsverwaltung diejenigen Einrichtungen nach ihren Vorstellungen auszurichten, auf die sich ihr Einfluss erstreckte. Das wiederum sollte die klassische dreiteilige Trägerschaft von Stadt, Land und Bund eines formell nicht-staatlichen Organs zur Implosion bringen.

341 Vgl. Kap. 2.3; Mette/Misgeld/Winter: Arzt in der sozialistischen Gesellschaft. 342 Vgl. Jessen: Diktatorische Herrschaft; Jessen: Einschließen und Ausgrenzen.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

Je mehr die Organisationen als Instanzen einer Verhaltensprävention und Gesundheitspropaganda bzw. gesundheitspolitischen Öffentlichkeitsarbeit gesehen wurden, desto weiter geriet die bildende und repräsentative Funktion eines lokalen Museums in den Hintergrund. Die konzeptionelle Verschiebung in der Vorstellung von Auftrag, Zweck, Ordnung und Mitteln der Gesundheitsaufklärung trieb diese Entwicklung weiter an. Im Modus der Gesundheitserziehung sollte die Gesundheitsaufklärung Verhaltensweisen direkter anleiten, als dies im Konzept der hygienischen Volksbelehrung der Fall war. Gesundheitsaufklärung als Staatsaufgabe wurde nunmehr in beiden deutschen Staaten als eine Technologie der Verhaltensprävention verstanden, welche gesundheitskonformes Handeln der Angesprochenen bewirken sollte. In Ost wie West bedeutete dies schlagwortartig ein Mehr an Wissenschaftlichkeit in der Methode und eine umfassendere Koordination der Bemühungen. Als Gesundheitsaufklärung benötigte Gesundheitserziehung konzeptionelle Arbeit, die Einbindung unterschiedlicher Akteure mit ihren Expertisen und zentrale Koordinationsstellen – das NKGE oder den BAfgV. Die genaue Verwirklichung war 1961/62 teilweise noch ungeklärt, genauso wie das Persönlichkeitsideal in der Bundesrepublik, das eine solche Präventionsarbeit als Erziehung von Personen benötigte. Hier war die DDR deutlich festgelegter. An der Formung sozialistischer Menschen – ob mit Pavlov begründet oder nicht – ging kein Weg vorbei. Diese Leitvorstellung war darüber hinaus auch recht rasch konkretisiert: Der Mensch wurde entworfen als folgsames, reinliches, sich einfügendes, überaus fleißiges und mit weiteren kleinbürgerlichen Sekundärtugenden ausgestattetes Subjekt, das über eine zentral angeleitete Kette von Multiplikatoren  – dem Modell des demokratischen Zentralismus entsprechend – „gebildet“ werden sollte. Für das Gesundheits-Museum war um 1960/1961 dagegen nur eines klar: Die Psychohygiene konnte kein Leitbild für die Gesundheitserziehung und deren Methodologie abliefern. Im Gegenteil stand nun für beide (werdende) Zentralinstitute auf der Agenda, andere Quellen des Wissens zu erschließen. Eine auf die Modifikation von gesundheitsrelevanten Handlungsweisen gerichtete Tätigkeit brauchte andere Referenzen – Psychologie, Pädagogik und Soziologie, auf sozialwissenschaftlicher Auswertung der Empirie basiert. Damit spiegelt sich in der Verschiebung von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung ein breiterer ideengeschichtlicher Wandel im Denken und Erforschen des Sozialen: die Marginalisierung einer geistesphilosophischen Tradition des deutschen Idealismus zugunsten einer interaktionistischen in der Linie des US-amerikanischen Pragmatismus. Mit dem verstärkten Drängen auf Verhaltensmodifikation ging die Forderung einher, mutmaßlich geeignetere Medien als Ausstellungen zu nutzen. Entwertete die Erziehungsmaxime anatomische und physiologische Themen als für gesund-

4.4 Zusammenfassung 

 361

heitliches Handeln nicht relevant genug, entwertete dies angesichts neuer Massenmedien auch die Mittel, welche die alten Themen so anschaulich gemacht hatten  – mochten sie auch immer robuster, mobiler und interaktiver werden. Neue visuelle und massenwirksame Medien wie der Kinofilm und das Fernsehen, aber auch die Ausdifferenzierung des Presse- und Magazinmarktes trugen hierzu genauso einen Anteil bei wie die allgemeine Museums- und Ausstellungsmüdigkeit jener Zeit.343 Dieser Wandlungsprozess fügte sich nun in eine weiter gefasste kontextuelle Verschiebung ein: Die sozialpolitische Planungs- und Gestaltungseuphorie der Modernisierung überkreuzte sich in den 1960er Jahren mit einer grundlegenden epistemologischen Veränderung im Verständnis des Verhältnisses von Verhalten und Krankheit – eingefangen im Begriff des Risikos und gespeist aus einer um sich greifenden Objektivierung des Sozialen mit Mitteln der Statistik und in der Ratio der Wahrscheinlichkeit. Der Blick auf virulente Krankheitsphänomene der Herz-Kreislauf-Erkrankungen als durch individuelle Verhaltensweisen und Gewohnheiten bedingt, erhöhte die Relevanz einer Prävention, die am Handeln ansetzte. Doch zugleich wurde das Verhalten selbst deutlich vielschichtiger: Zwischen empirischer Erziehungswissenschaft und soziologischen Sozialisationstheorien klang im Paradigma der empirischen Sozialforschung an, dass zwischen Informationsvermittlung und angestrebter Verhaltensänderung das Problem der Einstellung und Motivation sowie deren Veränderung bzw. Mobilisierung liege. Gesundheitserziehung, Zentralinstitute, mediale Verschiebungen, die Verwissenschaftlichung des menschlichen Verhaltens unter dem Paradigma der Risikoplanung – das waren die Eckpunkte einer zeitgenössisch als Modernisierung verstandenen Verschiebung der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung.344 Wenn in Anbetracht der Reichweite audiovisueller Medien die ausstellerische Sichtbarmachungsexpertise an Gewicht verlor; wenn der Sinn der Vermittlung von anatomischen und physiologischen Zusammenhängen infrage gestellt wurde, weil die Prävention zentraler zeitgenössischer Krankheitsphänomene am Verhalten ansetzte und primär Prävention zu Zweck und Wirkung der Gesundheitsaufklärung wurde; wenn die Deutung des menschlichen Verhaltens und seiner Änderbarkeit mithilfe der Formung der Persönlichkeit durch deren Einsicht in die immerwährenden Lebensgesetze entsprechend der Ansicht der idealistischen Lebensphilosophie der hygienischen Volksbelehrung an Rückhalt verlor; wenn 343 Vgl. Heesen, Anke te/Schulze, Mario: Einleitung, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hrsg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 7–17. 344 Vgl. Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung.

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 Kapitel 4 Kritik, Krise und Reformvorschläge

zwischen der Vermittlung hygienischen Wissens und hygienischem Handeln ein schwer zu erklärender Widerspruch sichtbar wurde; und wenn schließlich die bindende deutsch-deutsche Kraft der gemeinsamen Homologie  – Lingners museales Volksaufklärungsprojekt  – im Zuge einer Internationalisierung der Gesundheitserziehung an Wirkung einbüßte – wozu brauchte man dann noch in erster Linie ausstellende Museen der hygienischen Volksbelehrung? Diesen einzelnen, aber miteinander verflochtenen Strängen im Umschwung von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung widmet sich das nächste und abschließende Kapitel.

Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung im Modus der Gesundheitserziehung, 1962–1967 5.1 Von der Veränderbarkeit des Handelns in der Zeit der Planungseuphorie New York, irgendwann in den Jahren 1964 oder 1965: Why I am quitting tobacco? Recently my advertising agency ended a long relationship with Lucky Strike cigarettes. And I am relieved. For over 25 years we devoted ourselves to peddling products for which good work is irrelevant, because people can’t stop themselves from buying it. The product did never improve, it causes illness and makes people unhappy. But there was money in it, a lot money. In fact, our entire business depends on it. We knew it wasn’t good for us, but we couldn’t stop. And then, when Lucky Strike moved their business elsewhere, I realized, here was my chance to be someone who could sleep at night, because I know, what I am selling doesn’t kill my customers.1

Dieser Off-Monolog aus der US-amerikanischen Fernsehserie Mad Man von 2010 illustriert zum einen die am Erfolg der Serie ablesbare Begeisterung über die zugleich fremden wie verständlichen Verhältnisse der 1960er Jahre – das Porträt des New Yorker Lebens und Arbeitens in einer Werbeagentur dramatisiert dieses Jahrzehnt zwischen wissenschaftsbegeisterter Planbarkeitseuphorie, gesellschaftlichem Aufbruch und der Etablierung der Konsumgesellschaft.2 Er kann zum anderen aber auch für einen sinnvollen End- und Fluchtpunkt einer deutschdeutschen Vergleichs- und Beziehungsgeschichte der hygienischen Volksbelehrung stehen. Das betrifft alle Ebenen meiner Untersuchung, also die Organisationsstruktur, Methoden und Konzepte sowie die Medien der Gesundheitsaufklärung. Wie in einem Zoomobjektiv mit variabler Brennweite schieben sich in dieser fiktiven Szene die relevanten Entwicklungen jenes grundlegenden Wandels in diesem Jahrzehnt zusammen.

1 Slattery, John/Jacquemetton, Andre/Jacquemetton, Maria: Blowing Smoke. Mad Men, Season Four, Episode 12, AMC, 10.10.2010, 29:30–30:45 min. 2 Vgl. hierzu exemplarisch: Frese, Matthias/Paulus, Julia/Teppe, Karl (Hrsg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn 2003; Haupt, Heinz-Gerhard/Requate, Jörg (Hrsg.): Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er Jahre zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. DDR, ČSSR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Weilerswist 2004; Schildt, Axel/Siegfried, Detlef: Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik – 1945 bis zur Gegenwart, München 2009, S. 245–248. https://doi.org/10.1515/9783110664171-006

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Alte Themen erhielten neues Gewicht. Nicht nur die historische Public Health-Forschung hat in den letzten Jahrzehnten die außergewöhnlich wichtige Rolle betont, welche die Rahmung des Rauchens als ein Problem der Bevölkerungsgesundheit spielte.3 Das Zigarettenrauchen war sowohl durch den Bericht des britischen Royal College of Physicians (RCP) 1962 als auch im USamerikanischen Report of the Advisory Committee to the Surgeon General of the United States (Terry-Report) als Agens der Entstehung von Krebs- und HerzKreislauf-Erkrankungen bestimmt worden. Bis 1964 forderten also zwei nationale Fachgremien angesichts der gesundheitlichen Bedrohung durch das Rauchen, umgehend gesundheitspolitische Gegenmaßnahmen einzuleiten.4 Beide hatten ihr Urteil auf eine nicht unumstrittene epidemiologische Evidenz basiert und mit statistischen Methoden der Wahrscheinlichkeitsberechnung eine korrelative Evidenz langfristiger Entwicklungszusammenhänge anstelle eines kausalen Beweises gesetzt.5 Gesundheitspolitische Maßnahmen folgten aus einem aufgebauten Druck, der wiederum maßgeblich auf der Wahrscheinlichkeit langfristiger negativer Entwicklungen basierte – auf dem epistemologischen Kern des Risikos.6 Auf dieser Wissensgrundlage wurden chronische Erkrankungen gleichzeitig konstruiert wie vermeintlich beherrschbar: Frühzeitig galt es, gegen solche Krankheiten an den auslösenden Faktoren, das heißt an den Verhaltensweisen wie dem Rauchen, der Ernährung, der geringen Bewegung, dem Alkoholkonsum

3 Vgl.  Hengartner, Thomas/Merki, Christoph Maria (Hrsg.): Tabakfragen. Rauchen aus kulturwissenschaftlicher Sicht, Zürich 1996; Gilman, Sander L./Zhou, Xun (Hrsg.): Smoke. A Cultural History of Smoking around the World, London 2004; Briesen: Das gesunde Leben, S. 235–245, 289–306; Bächi, Beat: „Langlebige Rauchermäuschen“ und „Selbstverstümmeler“. Zur Genealogie des Rauchverbotes am Arbeitsplatz in Westdeutschland (1930–1990), in: Moser, Gabriele/ Stöckel, Sigrid/Kuhn, Joseph (Hrsg.): Die statistische Transformation der Erfahrung. Beiträge zur Geschichte des Evidenzdenkens in der Medizin, Freiburg 2012, S. 85–111; Hirt, Gerulf et al.: Als die Zigarette giftig wurde. Ein Risiko-Produkt im Widerstreit, Kromsdorf/Weimar 2016. 4 Vgl.  Berridge, Virginia: Post-war Smoking Policy in the UK and the Redefinition of Public Health, in: Twentieth Century British History 14/2003, S. 61–82; Dies.: Medicine and the Public: The 1962 Report of the Royal College of Physicians and the New Public Health, in: Bulletin of the History of Medicine 81/2007, S. 286–311. 5 Vgl. Hill, Bradford: The Environment and Disease: Association or Causation?, in: Proceedings of the Royal Society of Medicine 58/1965, S. 295–300; Parascandola: Epidemiology in Transition; Berlivet, Luc: ‚Association or Causation?‘ The Debate on the Scientific Status of Risk Factor Epidemiology, 1947–c. 1965, in: Berridge, Virginia (Hrsg.): Making Health Policy. Networks in Research and Policy after 1945, Amsterdam 2005, S. 39–74 und zur probabilistischen Transition der Weltwahrnehmung: Hacking, Ian: The Taming of Chance, Cambridge 1990. 6 Vgl. Aronowitz: Making Sense, S. 110–144; Rothstein: Public Health and the Risk Factor. Zum Risikofaktorenmodell allgemein: Giroux: The Framingham Study; Timmermann: Risikofaktoren.

5.1 Von der Veränderbarkeit des Handelns in der Zeit der Planungseuphorie 

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oder dem Sexualverhalten, anzusetzen.7 Der vorauseilende Eingriff in das Leben setzte den Zirkel der Prävention, also den Kreislauf aus weiterer Wissensproduktion zur Absicherung der Prognostik als Grundlage der Intervention, in Gang.8 Die Gründe menschlichen Handelns, beispielsweise für das Rauchen, mussten erforscht werden. Was konnte Verhaltensweisen aus der Perspektive der 1960er Jahre ändern? Die  Zeitgenossen stießen auf der Suche nach einer Antwort auf „hidden persuaders“9. Werbeleute schienen Stimmungen, Einstellungen, Überzeugungen und das Handeln sowohl der Konsumenten als auch der wählenden Bürger beliebig manipulieren zu können. Psychologische Expertise ging mit der Beherrschung neuer, in ihrer Reichweite beeindruckender Massenmedien wie dem Fernsehen eine mächtige und mit gesundheitspolitischem Blick auf die Zigarettenwerbung der Industrie unheilvolle Allianz ein. Entsprechend formulierte der Bericht des Royal College of Physicians als gesundheitspolitische Maßnahmen gegen die Gesundheitsgefahren des Rauchens nicht nur Verkaufsrestriktionen, Raucherkliniken, die Einschränkung des Rauchens an öffentlichen Orten sowie die Erhöhung der Besteuerung. Der RCP setzte vor allem auf die Wirkung der Kennzeichnung der Verpackungen von Tabakerzeugnissen und auf die Beschränkung der öffentlichen Tabakwerbung. Die größte Hoffnung entfiel jedoch auf eine verbesserte und intensivierte Gesundheitsaufklärung. 1965 folgte im Vereinigten Königreich bereits ein (gleichwohl beschränkter) freiwilliger Werbeverzicht der Hersteller für ihre Tabakerzeugnisse im Fernsehen.10 Auch der Umstand, dass der Terry-Report 1964 an einem Samstag erschienen war, um die Wirkung auf die Handelskurse der Wertpapiere von Tabakproduzenten zu minimieren und die Berichterstattung in den Sonntagszeitungen zu maximieren, versinnbildlicht die als eminent wichtig eingeschätzte Rolle der Medien im Geflecht der Gesundheitspolitik. In dieses Netz gehörte die Tabakindustrie genauso wie wissenschaftliche Expertise aus der Epidemiologie oder die Marktforschung.11 7 Vgl. Weisz: Chronic Disease. 8 Vgl.  Bröckling: Vorbeugen ist besser; Wambach, Manfred Max (Hrsg.): Der Mensch als Risiko. Zur Logik von Prävention und Früherkennung, Frankfurt a. M. 1983 und zur theoretischen Konzeptualisierung des Risikos exemplarisch: Luhmann, Niklas: Soziologie des Risikos, Berlin u. New York 1991; Bonß, Wolfgang: Vom Risiko. Unsicherheit und Ungewißheit in der Moderne, Hamburg 1995. 9 Vgl. Packard, Vance Oakley: The Hidden Persuaders, Brooklyn, NY 2007 [1957]. 10 Vgl. Berridge: Marketing Health, S. 64 f.; Dies.: The Policy Response to the Smoking and Lung Cancer Connection in the 1950s and 1960s, in: The Historical Journal 49/2006,  S.  1185–1209,  S. 1203–1206; Dies.: Medicine and the Public, S. 302 f. 11 Vgl.  Bayne-Jones, Stanhope et al.: Smoking and Health. Report of the Advisory Committee to the Surgeon General of the Public Health Service, 1964, https://biotech.law.lsu.edu/cases/

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Wenn Gesundheitspolitik in den USA und Großbritannien nunmehr auch eine Angelegenheit der Public Relations geworden war, scheint die zu Beginn des Kapitels beschriebene Szene aus Mad Men durchaus plausibel. Wer erbat sich die Hilfe von Don Drapers Werbeagentur, nachdem dieser nicht nur alle ideellen und kommerziellen Bande zur Werbebranche gekappt, sondern sie gleichsam zur Inkarnation des Bösen erklärt hatte?12 In der Serie tauchten die Gesundheitsaufklärer der American Cancer Society auf und baten um die Fertigkeiten aus der Werbeindustrie für eine Kampagne gegen das Rauchen.13 Die Gesundheitsaufklärer*innen brauchten neue Alliierte, um Verhaltensweisen über kommunikative Kanäle ändern zu können – sie brauchten Werbefachleute. Diese Konstellation der 1960er Jahre in den gesundheitspolitischen Wissenschafts-Politik-Medien-Netzen ist aber nicht nur Gegenstand fiktiver Darstellungen. Ganz im Gegenteil entspricht die Dramatisierung in Mad Men sehr genau den Verschiebungen des Public Health, die Virginia Berridge für den nationalen Kontext Großbritanniens, genauer Englands, ausführlich untersucht hat. Die Problematisierung des Rauchens als gesundheitspolitische Aufgabe diente in den 1960er Jahren als katalytisches „Pionierthema“.14 Gesundheit wurde auf Basis einer Epidemiologie der relativen individuellen Risikofaktoren zu einem vermarktungsbedürftigen Gut, indem von gesundheitsgerechten Verhaltensweisen zu überzeugen war. Die Sozialpolitik zeigte sich parteiübergreifend einer wissenschaftlichen Beratung gegenüber offen; sie hoffte auf eine empirisch grundierte und evaluative Orientierung. Der staatliche National Health Service wirkte dabei stimulierend auf die Nachfrage nach einer entsprechend statistisch verfahrenden Patienten- bzw. Versorgungsforschung. Gesundheitspolitische Strategien waren in Fluss geraten: Einerseits versuchten ihre Akteure die Schädlichkeit des Rauchens in Kollaboration mit der Industrie graduell zu reduzieren. Andererseits

tobacco/nnbbmq.pdf, 18.4.2020; Milov, Sarah: The Cigarette. A Political History, Cambridge, MA 2019, S. 1–3; Berridge, Virginia: Issue Network versus Producer Network? ASH, the Tobacco Products Research Trust and UK Smoking Policy, in: Berridge, Virginia (Hrsg.): Making Health Policy. Networks in Research and Policy after 1945, Amsterdam 2005, S. 101–124. 12 Vgl.  Berridge: Marketing Health,  S.  70; zur moralisierenden Perspektive, die Finanzierung wissenschaftlicher Studien durch die Tabakindustrie anzuprangern, exemplarisch: Helmert, Uwe: Vom Teufel bezahlt. Die verhängnisvolle verdeckte Zusammenarbeit zwischen der Tabakindustrie und deutschen Wissenschaftlern unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsmediziner. Befunde aus den vormals internen Tabakindustriedokumenten, Bremen 2010; und die im Zuge des Tobacco Master Settlement Agreements 1998 erzwungenen Offenlegung der Archivmaterialien US-amerikanischer Tabakkonzerne: https://www.industrydocumentslibrary.ucsf.edu/ tobacco/, 9.9.2019. 13 Vgl. Slattery/Jacquemetton/Jacquemetton: Blowing Smoke, 43:52–44:40 min. 14 Berridge: Marketing Health, S. 50.

5.1 Von der Veränderbarkeit des Handelns in der Zeit der Planungseuphorie 

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setzten sie auf Gesundheitsaufklärung, die ein Subjekt benötigte und mit konstruierte, das dem Leitbild des selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Bürgers verpflichtet war. Eingebettet war diese Aufwertung der Gesundheitsaufklärung wiederum in eine (wachsende) Verantwortlichkeit des Staates für das Leben seiner Bürger*innen.15 In dieser „Interimsphase“16 wandelten sich die Medien, Konzepte und die tragenden Organisationen der Gesundheitsaufklärung, auf die der Bericht von 1962 große Hoffnung gelegt hatte und die auch leicht politisch umzusetzen waren. In Großbritannien hatte sich die Kritik am damaligen Stand der Gesundheitsaufklärung gegen Ende der 1950er Jahre verdichtet. Diese kam aber vonseiten der lokal tätigen Aufklärer, das heißt der örtlichen Amtsärzte, aus ihrem professionspolitischen Zusammenschluss des Central Council of Health Education (CCHE) selbst, die das britische Gesundheitsministerium dazu brachte, eine Enquetekommission zur Lage der Gesundheitsaufklärung einzusetzen. Erst 1964 folgte die für den weiteren Verlauf maßgebliche Publikation des Gremiums, dessen Mitglieder aus den medizinischen und administrativen Bereichen des Gesundheitswesens, aus dem Rundfunk und Journalismus, aus der Marktforschung, Werbung und aus dem Verbraucherschutz kamen. Neben den Forderungen nach einer besser finanzierten staatlichen Zentralstelle sowie lokaler Implementierung stach eine Schlussfolgerung aus dem Abschlussbericht hervor. Gesundheitsaufklärung hatte mit Mitteln des Journalismus und der Werbung – insbesondere über das Fernsehen – zu gesunden Lebensweisen zu motivieren. Hierfür sollte sie sich von Studien leiten lassen, welche die Einstellungen, Motive und Handlungsweisen in Bezug zu Gesundheit eruierten, und die Wirkung der verwendeten Materialien evaluierten.17 So wurde in Großbritannien die Posterkampagne gegen das Rauchen vom Oktober 1969 zu einer ersten Kampagne, die auf umfangreichen Pretests, Marktevaluierungen, Zielgruppenbestimmungen und Einstellungsforschungen basierte und deren Design wie Durchführung einer US-amerikanischen Werbeagentur übertragen worden war. Die Werbefachleute brachten die Erkenntnis ein, dass

15 Vgl. Dies.: Making Health Policy: Networks in Research and Policy after 1945, in: Berridge, Virginia (Hrsg.): Making Health Policy. Networks in Research and Policy after 1945, Amsterdam 2005,  S.  5–36; Dies.: Medizin, Public Health und die Medien; Dies.: Marketing Health,  S.  1–5, 23–104; Cantor, David: Representing ‚the Public‘: Medicine, Charity and Emotion in TwentiethCentury Britain, in: Sturdy, Steve (Hrsg.): Medicine, Health and the Public Sphere in Britain, 1600–2000, London u. New York 2002, S. 145–168. 16 Berridge: Marketing Health, S. 73. 17 Vgl. Blythe, Max: A History of the Central Council for Health Education, 1927–1968, Oxford 1987, S. 287–338.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

eine (autoritative) Belehrung als Wissensvermittlung nicht mehr reiche, um Bürger von einer gesunden Lebensweise zu überzeugen. Gesundheitsaufklärung wurde als eine massenmediale Technologie der Verhaltensänderung konzipiert. Das machte sie deutlich komplexer, weil zugleich das Handeln abhängig wurde von Einstellungen und Motivationen, die wiederum nicht von gesellschaftlichen Bedeutungsaufladungen und Erwartungen zu trennen waren. Zeitgleich mit der Ausrichtung auf Verhaltensänderung, getragen vom Konzept des relativen Risikos, zerbarst auch der Glaube an die Wirksamkeit der Gesundheitsaufklärung durch die rationale und handlungsleitende Einsicht in anschaulich gemachte Kenntnisse um Gesundheit und Krankheit. Die Priorisierung von Kommunikationsformen aus der Werbewirtschaft zielte auf die Beeinflussung individueller Stimmungen und Gefühle sowie kollektiver Wertvorstellungen zuungunsten einer hygienischen Wissensvermittlung.18 Diese Art und Weise, den Zusammenhang zwischen individuellen und kollektiven Ordnungen über das Handeln der Einzelnen zu denken, speiste sich aus empirisch ausgerichteten, zumeist US-amerikanischen Quellen. Sie kamen aus der Sozialpsychologie bzw. einer behavioristisch informierten Handlungssoziologie, die zum Ende der 1950er Jahre die Annahme der rationalen Wahl (rational choice) zunehmend komplizierte. Gesundheitshandeln wurde soziales Handeln. Dessen Sinn, Form und Funktion wurde als aus spezifischen sozialen Kontexten begründet angesehen. Die individuelle Rezeption ihrer sozialen Umwelt wurde darüber hinaus kognitivistisch differenziert.19 Individuen wurden in dieser Perspektivierung des Sozialen kognitiv dissonant; zwischen Wissen, Einstellungen, Motivationen wurde eine Diskrepanz entdeckt, die in einer komplexen Wechselwirkungsbeziehung mit der sozialen Umwelt stand.20 Mit strukturfunktionalistischen Ansätzen wurden analog die Beziehungen zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft als sozial bestimmte, normative Beschrän-

18 Berridge, Virginia/Loughlin, Kelly: Smoking and the New Health Education in Britain 1950s–1970s, in: American Journal of Public Health 95/2005, S. 956–964; Berridge: Medicine and the Public, S. 302–310; Mold, Alex: Exhibiting Good Health: Public Health Exhibitions in London, 1948–71, in: Medical History 62/2018, S. 1–26. 19 Vgl. zur Soziologie der rationalen Wahl und dessen Reformulierung im (symbolischen) Interaktionismus exemplarisch: Münch, Richard: Soziologische Theorie, Bd. 2: Handlungstheorien, Frankfurt a. M. u. New York 2003, S. 13–88, 251–258, 347–360. 20 Vgl. Festinger, Leon: Theorie der kognitiven Dissonanz, Bern u. a. 1978 [1957]; Tanner, Jakob: Lebensmittel und neuzeitliche Technologien des Selbst: Die Inkorporation von Nahrung als Gesundheitsprävention, in: Lengwiler, Martin/Madarász, Jeannette (Hrsg.): Das präventive Selbst. Eine Kulturgeschichte moderner Gesundheitspolitik, Bielefeld 2010,  S.  31–54,  S.  46 f.; Eghigian, Greg: The Psychologization of the Socialist Self. East German Forensic Psychology and its Deviants, 1945–1975, in: German History 22/2004, S. 181–205 insbesondere S. 200 f.

5.1 Von der Veränderbarkeit des Handelns in der Zeit der Planungseuphorie 

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kung individueller Verhaltensziele theoretisiert. Talcot Parson konzipierte bereits zum Anfang der 1950er Jahre eine Handlungstheorie, in der Akteure in spezifischen Situationen nach bestimmten kombinierbaren Grundmustern ihre Verhaltensweisen entsprechend dem Wechselspiel aus ihren Bedürfnissen, Motiven, sozialen Rollen und den jeweiligen kulturellen Wert(maßstäben) ausrichteten.21 In diesem Verständnis konnte eine krankheitspräventive Änderung des Verhaltens nicht mehr nur eine Frage der anschaulichen Wissensvermittlung sein. Sie musste als Anwendung eines solchen Konzepts eine Aufgabe der zielgruppenspezifischen Ansprache von Vorstellungen, Wünschen und Emotionen werden. Obwohl individuelles Handeln und sein Wechselspiel mit kollektiven Ordnungen als vielschichtig, komplex und riskant angesehen wurde, gab man mit diesen Ansätzen den Anspruch nicht auf, diese Interdependenz nicht nur verstehen, sondern auch beeinflussen zu können. Der Glaube an die Wissenschaft nährte eine Zuversicht, dass das soziale Geschehen beurteilbar, bewertbar und steuerbar sei. Innerhalb der britischen Gesundheitspolitik stabilisierte dies ein damals im Entstehen begriffenes „evaluatives Paradigma“ der auf Dauer gestellten gesellschaftlichen Selbstbeobachtung und vermeintlich objektiven Selbstbeurteilung, mit dem auch die Effizienz der knappen Ressourcen im staatlichen Gesundheitswesen erhöht werden sollte. Auf moderne Konzepte von Verhalten und chronischen Krankheiten musste also die Gesundheitsaufklärung in den Augen der Zeitgenossen der 1960er Jahre mit einer Modernisierung reagieren. Das hieß, die damaligen Massenmedien und ihre Gestaltungsexperten zu nutzen, ihre Wirkung mit Methoden der empirischen Sozialforschung zu evaluieren sowie diese Tätigkeit von einer staatlichen Einrichtung ausführen zu lassen. Ein solches Organ hatte dabei als Bindeglied zwischen Wissens- und Medienexperten sowie Exekutive zu fungieren und darüber die staatliche Fürsorge um die Gesundheit der Bürger zum Ausdruck zu bringen.22 Dieser Nexus von zeitgenössischen Medien, evaluativem Paradigma und staatlich organisierter Koordination einer solchen fortschrittsoptimistischen Ordnungsvorstellung der Modernisierung ist für den britischen und im französischen Kontext gut erforscht.23

21 Vgl. vor allem: Parsons, Talcott/Shils, Edward A. (Hrsg.): Toward a General Theory of Action, Cambridge, MA 1967 [1951], S. 3–29, 47–243. 22 Vgl.  Berridge: Marketing Health,  S.  74–77, 185–207; Dies.: Medizin, Public Health und die Medien und jüngst: Mold, Alex et al.: Placing the Public in Public Health in Post-War Britain, 1948–2012, Cham 2019. 23 Vgl.  zur fortschrittsoptimistischen Ordnungsvorstellung der Modernisierung: DoeringManteuffel, Anselm: Konturen von »Ordnung« in den Zeitschichten des 20.  Jahrhunderts, in: Etzemüller, Thomas (Hrsg.): Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009, S. 41–64.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Virginia Berridge bindet die Modernisierung an die neuen AntiRauchkampagnen 1969 und 1973 sowie an die Umgestaltung des CCHE zum Health Education Council (HEC) 1968. Luc Berlivet konstatiert für Frankreich zeitlich leicht verschoben Ähnliches: 1972 eine Restrukturierung des Centre national d’éducation sanitaire démographique et sociale zum Comité français d’éducation pour la santé (welches Berlivet als French Committee for Health Education übersetzt), gefolgt von einer Kampagne 1976, die mit der britischen vergleichbar war.24 So gewinnbringend Berlivet und Berridge die Verschiebung zur Gesundheitserziehung für zwei weitere nationale Kontexte der „westlichen Moderne“ nachzeichnen, so lassen sie in ihren Studien doch auch wesentliche Fragen offen: Erstens beleuchten sie ihre Gegenstände aus einer Gegenwartsperspektive und damit implizit aus dem normativen Verständnis einer teleologischen Geschichte heraus.25 So verdunkelt Berlivet seinen Gegenstand durch eine abschätzige Beurteilung der Gesundheitsaufklärung vor ihrer Modernisierung als „praising healthy living“ im Wortlaut einer religiös-moralischen Naivität.26 Die Geringschätzung der Vorgeschichten aus den gegenwärtigen Bewertungsmaßstäben heraus insinuiert einen geraden Zeitverlauf und verschleiert Brüche, vor allem aber Neuaufnahmen ehemaliger Abbrüche. Es macht die Geschichte im Rückblick alternativloser, als sie es war, und raubt ihr ihre Diskontinuitäten, Überlappungen und Wendungen. An dieser Stelle muss die Genese des New Public Health an die „Hochphase des Glaubens an die Planbarkeit wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Prozesse“27 differenzierter zurückgebunden werden, als dies in diesem Sinne auch die historische Forschung innerhalb der Gesundheitswissenschaften unternimmt.28 Zweitens unterstellt das Interpretament der Modernisierung tendenziell universale Entwicklungen. Sie blendet nationale Spezifitäten, Eigentümlichkeiten, Pfadabhängigkeiten aus. Dabei hat

24 Vgl. Berlivet: Uneasy Prevention; Ders.: Information is not good enough. Zum Fall der USA knapp: Parascandola, Mark: Cigarettes and the US Public Health Service in the 1950s, in: American Journal of Public Health 91/2001, S. 196–205, 1345. 25 Vgl.  zur Historisierung des Modernisierungskonzepts: Mergel, Thomas: Modernisierung, 2011, http://ieg-ego.eu/de/threads/modelle-und-stereotypen/modernisierung, 9.9.2019. 26 Vgl. Berlivet: Uneasy Prevention, S. 104. Siehe hierzu: Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung. 27 Reinecke: Wissensgesellschaft und Informationsgesellschaft. Vgl. ferner: zur Planungseuphorie der 1950er und 60er Jahre: Caldwell, Peter C.: Dictatorship, State Planning and Social Theory in the German Democratic Republic, Cambridge 2003; Laak, Dirk van: Planung. Geschichte und Gegenwart des Vorgriffs auf die Zukunft, in: Geschichte und Gesellschaft 34/2008, S. 305–326; Doering-Manteuffel, Anselm: Ordnung jenseits politischer Systeme: Planung im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 34/2008, S. 398–406. 28 Vgl. Ruckstuhl: Gesundheitsförderung.

5.1 Von der Veränderbarkeit des Handelns in der Zeit der Planungseuphorie 

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beispielsweise Rosemary Elliot den Fall der Aufklärung über die Risiken des Rauchens in der Bundesrepublik plausibel als Abkehr von der strengen und restriktiven Nicht-Raucherpolitik des Nationalsozialismus und als Liberalisierung der politischen Kultur beschrieben.29 Dementsprechend überzeugt auch die Deutung der Scheu der organisierten Mediziner, trotz des verfügbaren Wissens über die Krebsentstehung durch das Rauchen eine politische Regulierung zu fordern, als entpolitisierende Reaktion auf die Politik des Nationalsozialismus, aber auch als berufsprofessionelle Strategie der Standespolitik.30 Für die Geschichte der Gesundheitsaufklärung in der DDR und der Bundesrepublik muss daher von den gemeinsamen musealen Ursprüngen aus gedacht und zu erklären versucht werden, warum die etablierte hygienische Volksbelehrung in den 1960er Jahren nicht mehr als akzeptabel galt und wie Gesundheitserziehung an ihre Stelle trat. Die „Modernisierung“ der Gesundheitsaufklärung trieb die Verheißungen einer wissenschaftsgestützten und -orientierten Gestaltung des Sozialen an.31 Dieser Terminus bezeichnet die „Durchwissenschaftlichung von Lebensführung, gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen und staatlichem Ordnungshandeln unter Einschluß wissenschaftlich legitimierter Konstrukte.“32 Es geht hier also um die Prozesse, Techniken und Instrumente, mit denen Gesellschaften sich selbst beobachten, verständlich machen, Entwicklungen und Zustände problematisieren sowie Interventionen planen, durchführen und beurteilen.33 Auch in beiden deutschen Staaten vollzogen sich ähnliche Verschiebungen. Sie konvergierten in einer neuen Figuration der Gesundheitsaufklärung, die die 29 Vgl. Elliot, Rosemary: Smoking for Taxes: The Triumph of fiscal Policy over Health in postwar West Germany, 1945–55, in: The Economic History Review 65/2012,  S.  1450–1474; Dies.: Inhaling Democracy: Cigarette Advertising and Health Education in Post-war West Germany, 1950s–1975, in: Social History of Medicine 28/2015,  S.  509–531. Für die nationalsozialistische Anti-Rauchpolitik maßgeblich: Proctor, Robert N.: The Nazi War on Cancer, Princeton 1999. 30 Vgl. Harsch: Translating Smoke Signals. 31 Vgl. exemplarisch zu diesem Forschungsfeld: Szöllösi-Janze: Wissensgesellschaft; Lengwiler: Konjunkturen und Krisen; Brückweh, Kerstin et al. (Hrsg.): Engineering Society. The Role of the Human and Social Sciences in modern Societies, 1880–1980, Basingstoke u. a. 2012; Reinecke, Christiane/Mergel, Thomas (Hrsg.): Das Soziale ordnen. Sozialwissenschaften und gesellschaftliche Ungleichheit im 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2012. 32 Szöllösi-Janze: Wissensgesellschaft, S. 281. 33 Vgl.  exemplarisch: Ziemann, Benjamin: Sozialgeschichte und Empirische Sozialforschung. Überlegungen zum Kontext und zum Ende einer Romanze, in: Maeder, Pascal/Lüthi, Barbara/ Mergel, Thomas (Hrsg.): Wozu noch Sozialgeschichte? Eine Disziplin im Umbruch. Festschrift für Josef Mooser zum 65. Geburtstag, Göttingen 2012,  S.  131–149; Link, Fabian: Sozialwissenschaften im Kalten Krieg: Mathematisierung, Demokratisierung und Politikberatung, 2018, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/index.asp?id=3095&view=pdf&pn=forum&type=forschungsberichte, 10.9.2019.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

hygienische Volksbelehrung als prioritäre Ausrichtung ablöste – Gesundheitserziehung. Einer Systematisierung aus den 1970er Jahren zufolge bezeichnete Gesundheitserziehung die „angewandte Epidemiologie degenerativer Erkrankungen“ (Blohmke/Schaefer) zur „Verhaltensformung“ (Freytag-Loringhoven, *1924) durch den „Einsatz von zweckgerichteter, zwischenmenschlicher Kommunikation“ (Fritsche, *1923).34 Das Neue in der Bedeutung der Gesundheitserziehung lag aber nicht nur im Ziel der Verhaltensprävention, sondern im Wissenschaftlichkeitsanspruch. Dieser beruhte im Kern auf der Forschung an der soziologisch und psychologisch fundierten Komplizierung des Verhaltens und der Kommunikation. Er resultierte daraus, dass der Automatismus, dass aus Wissen entsprechende Meinungen und passendes Handeln folgen, solange dieses Wissen nur anschaulich und verständlich präsentiert werde, aufgelöst wurde. Gesundheitsverhalten und eine massenmediale Gesundheitsaufklärung wurden ‚versozialwissenschaftlicht‘; sie wurden Gegenstände von anwendungsbezogenen und empirisch operationalisierbaren Theorien sozialen Handelns und einer evaluativen Wirksamkeitsprüfung, was mit dem Anspruch verbunden war, ein eigenes Forschungsfeld zu konstituieren. Genau unter diesen Prämissen und mit diesem Arbeitsauftrag hatten sich Fachdiskurs und Berufsverständnis der Gesundheitserzieher*innen stabilisiert, die in den 1960er Jahren in beiden deutschen Staaten eine rezipierende Institutionalisierung finden sollten und als Modernisierung verstanden wurden.35 Der Übergang zur Gesundheitserziehung zeigte sich dementsprechend auch am Gesundheits- und am Hygiene-Museum: Beide Einrichtungen wurden entmusealisiert, d. h. als Zentren der Gesundheitserziehung profiliert und von musealen Strukturen und Aufgaben entbunden.36 Mit dem musealen Charakter verlor die Gesundheitsaufklärung aber auch einiges ihres Aufklärungspathos. Mit der verhaltenspräventiven Engführung und dem Einsickern der soziologischen und psychologischen Perspektivierung des Handelns verschwand das Vertrauen in die beabsichtigte, aber in dieser Hinsicht auch kreative individuelle Anverwandlung 34 Nach: Schauwecker, Wolfgang: Gesundheitserziehung. Die Relevanz der Entscheidungen des Patienten, „Patientensteuerung“ des Gesundheitswesens, in: Blohmke, Maria/Ferber, Christian von/Kisker, Karl Peter/Schaefer, Hans (Hrsg.): Handbuch der Sozialmedizin, Stuttgart 1976, S. 46–65, S. 48 f. 35 Vgl.  Sammer: Gesundheitserziehung, 2019; Ders.: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung. 36 Ich folge also nicht dem Versuch einer systematischen Begriffsbestimmung à la Wulfhorst, Britta: Gesundheitserziehung und Patientenschulung, in: Hurrelmann, Klaus/Laaser, Ulrich/ Razum, Oliver (Hrsg.): Handbuch Gesundheitswissenschaften, Weinheim 2006, S. 819–844, welche die geringe Trennschärfe der relevanten Begriffe in den Gesundheitswissenschaften zurecht beklagt, aber mit einer Sowohl-als-auch-Lösung wenig zur deren Korrektur beiträgt. Zur aktuellen Definition eines Museums, das materielle Zeugnisse beschafft, bewahrt, bekanntmacht und ausstellt siehe: http://www.museumsbund.de/themen/das-museum/, 10.9.2019.

5.2 Überlagerte Reform 

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eines wissenschaftlich begründeten und zertifizierten Wissens (Bildung) – dabei hatte sich dieses Vertrauen gerade aus einem Zutrauen in die Potenz der visuellen Verschmelzung von Wissen und Ästhetik gespeist. Genau diesen utopischen Überschuss aus der Museumsreform um 1900 verlor die Gesundheitsaufklärung in ihrem Übergang von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung.37 Diesen Prozess der Entmusealisierung werde ich in diesem Kapitel aufzeigen. Meine konkreten Fluchtpunkte sind hierbei der 20.  Juli bzw. 6./29.  April 1967, die Gründung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beziehungsweise das neue Statut der Dresdner Organisation. Die Entmusealisierung von Hygiene- und Gesundheitsmuseum wurde aber nicht nur durch das Konzept der Gesundheitserziehung vorangetrieben. Die synchrone Museumskrise und Ausstellungsskepsis bedingten letztlich gleichermaßen den Zugriff der Gesundheitserzieher*innen auf die beiden Museen. Was den Wandel von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung angetrieben hatte – die höhere Komplexität menschlichen Handelns –, wirkte auch auf die Museumslandschaft: Museen wurden entweder als (möglichst barrierefreier) Lernort pädagogisiert (Bundesrepublik) oder als Instanzen einer weltanschaulichen Erziehung ideologisiert (DDR).38 Es wird sich zeigen, dass die analoge Verstaatlichung von DGM und DHM mit der Stabilisierung von Gesundheitserziehung als Modus der Verhaltensprävention einherging, aber auch unterschiedliche Reichweiten am Gesundheits- beziehungsweise Hygiene-Museum aufwies.

5.2 Überlagerte Reform: Das Deutsche Hygiene-Museum wird Erziehungs- und Lehrmittelanstalt Umsetzungspläne der „Zweiten Generation“ sozialistischer Gesundheitserzieher*innen Ost-Berlin, 1968: Alle Überlegungen müssen davon ausgehen, daß ein großer Teil unserer erwachsenen Bevölkerung raucht und es auch weiterhin tun will. Das Rauchen ist in Jahrhunderten tief in die Gewohnheiten des Menschen eingedrungen[…]. Das Rauchen gehört für viele Menschen

37 Vgl. Joachimides: Die Museumsreformbewegung, insbesondere S. 99–113. 38 Vgl. Scheunemann: Museen in der DDR; Keweloh, Hans-Walter: Museen in der Bundesrepublik, in: Walz, Markus (Hrsg.): Handbuch Museum. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart 2016, S. 65–69; Schulze, Mario: Wie die Dinge sprechen lernten. Eine Geschichte des Museumsobjektes 1968–2000, Bielefeld 2017, S. 84–94.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

zum täglichen Leben, und sie würden alle beschränkenden Maßnahmen als Eingriffe in die persönliche Freiheit betrachten.39

Rolf Thränhardts Diagnose des Rauchverhaltens zeigte sich Ende der 1960er Jahre umsichtig und auf der Höhe einer sozialwissenschaftlichen Deutung. Sogar ein Verständnis für die Wahrnehmung des Rauchens als Teil der persönlichen Freiheit im Alltagshandeln war vom ehemaligen Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des Hygiene-Museums zu vernehmen. Doch als Freiheitsrecht konnte Thränhardt das Rauchen nicht akzeptieren. Ganz im Gegenteil, für ihn markierte das Rauchen ein Problem und einen Handlungsauftrag: Das Rauchproblem ist […] eine Frage der Erziehung und der Gewohnheit. Wir müssen unser Hauptanliegen bei seiner Bekämpfung darauf richten, das Rauchen gesellschaftlich abzuwerten. […] So etwas läßt sich jedoch nicht administrativ erreichen, sondern dazu ist ein jahrelanger Erziehungsprozess notwendig, der um so mehr verkürzt werden kann, je mehr Einsichtige und Überzeugte sich in richtiger Weise daran beteiligen.40

Der Referent für Gesundheitserziehung im Ministerium für Gesundheitswesen und Generalsekretär des NKGE wollte überzeugen und erziehen. Das Rauchen, dessen negative Auswirkungen auf das Herz- und Kreislaufsystem sowie seine Kanzerogenität als Selbstverständlichkeit eher beiläufig erwähnt wurden, war zu einem Gesundheitsproblem geworden, für das es aus Sicht Thränhardts nur eine Lösung gab: die jahrelange Erziehungsarbeit am Einzelnen, die sich schließlich in einer gesellschaftlichen Abwertung des Rauchens auswirken und wiederum zu niedrigeren Zahlen an Raucher*innen und des Tabakkonsums führen würde. Dialektisch denkend rief Thränhardt abschließend zur aktiven Mitarbeit aller DDR-Bürger auf: „Für unsere weitere Erziehungsarbeit brauchen wir […] Geduld, Überzeugungskraft und ständige Aktivität.“41 Sozialistische Persönlichkeiten mussten heranerzogen werden und sollten anschließend helfen, den Sozialismus zu festigen. Erst wenn keine Erziehung mehr nötig sei, was sich am richtigen Verhalten – dem Nichtrauchen – zeige, dann durfte die Erziehungsdiktatur nachlassen.42

39 Thränhardt, Rolf: Überzeugen statt verbieten, in: Deine Gesundheit. Populär-medizinische Zeitschrift 14/1968, S. 26–27, S. 27. 40 Ebd. 41 Ebd. 42 Vgl. zur Rolle der Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit in der Politik gegen das Rauchen in der DDR als positiver Identitätsentwurf in der dualen Abgrenzung von der repressiven nationalsozialistischen Vergangenheit als von einer konsumorientierten Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren: Hong, Young-sun: Cigarette Butts and the Building of Socialism in East Germany, in: Central European History 35/2002, S. 327–344.

5.2 Überlagerte Reform 

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Thränhardt hatte für diesen gesundheitserzieherischen Aufruf die Illustrierte Deine Gesundheit gewählt. Bereits 1954 war die Herausgabe einer „populärwissenschaftlich-medizinischen Zeitschrift für die Bevölkerung“43 zum weiteren Ausbau des Gesundheitsschutzes für das Jahr 1955 verkündet worden. Nach eher verhaltenem Beginn erschien die Zeitschrift ab 1959 monatlich. Ab diesem Jahr leitete Gerhard Misgeld die Redaktion, der nicht nur als Pavlov-Exeget hervorgetreten war, sondern auch der Abteilung für die Physiologie der höheren Nerventätigkeit an der Charité vorstand und später ebenda den Posten des Direktors des Instituts für die Geschichte der Medizin übernahm.44 Nach zehnjähriger Herausgeberschaft durch das Hygiene-Museum, das den Verweis auf die Populärwissenschaft aus dem Untertitel strich, sollte schließlich ab 1972 bis zum Ende der DDR die Zeitschrift vom NKGE herausgeben werden. Das zuerst populärwissenschaftlich angelegte Medium sollte in den 1960er Jahren zu einem Transmissionsriemen der gesundheitlichen Erziehung, der Korrektur von Lebensweisen gemacht werden. Dafür gestaltete eine den Gesundheitserzieher*innen nahestehende Redaktion ein Magazin, das sich an Life orientierte und bilderreich Reportagen aus dem Gesundheitswesen mit hygienischer Information und Aufklärungsmaterialien verband, die wiederum die visuelle Nähe zur Werbung suchten.45 So setzte das Hygiene-Museum zwischen 1974 und 1979 eine multimediale Kampagne zum NichtRauchen visuell kraftvoll und zielgruppenspezifisch (Männer im mittleren Alter) um. Vom Wissensstand um die Gesundheitsgefahren des Rauchens ausgehend formulierte diese eine ans Individuum gerichtete appellative und simple Präventionsbotschaft, gar nicht erst das Rauchen anzufangen. Unter dem Claim „Sei klug – lebe gesund!“ erschien eine immer nur leicht veränderte Text-Bild-Gestaltung, die als „Werbeanzeige“ in der Zeitschrift Deine Gesundheit (vgl. Abb. 40) und als Tafel der Kleinausstellung Guter Rat für Herz und Kreislauf (1976–1979) (vgl. Abb. 41) medialisiert wurde. Die Gesundheitserzieher*innen, so lässt sich vermuten, wussten offenbar, dass eine öffentliche Wiederholung die Wiedererkennbarkeit von Sender und Botschaft erhöhte – Voraussetzung der Möglichkeit einer Rezeption, laut „hidden 43 Geyer: Bekanntmachung, S. 604. 44 Vgl.  zu Misgeld: Schneck, Peter: Misgeld, Gerhard, 2009, https://www.bundesstiftungaufarbeitung.de/wer-war-wer-in-der-ddr-%2363%3B-1424.html?ID=2335, 25.5.2017. Zum Rat vgl. die Einleitung zum Findbuch des Bundesarchivs: http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/ DQ109-29740/index.htm?kid=545eba1f-5180-4d76-8b9d-5f1aebacfb57, 20.3.2020. 45 Vgl. zur Geschichte der Illustrierten in der DDR: Barck/Langermann/Lokatis: Zwischen Mosaik und Einheit; Bobsin, Katrin: Das Presseamt der DDR. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit für die SED, Köln u. Wien 2013; Classen: DDR-Medien; und zu Deine Gesundheit: Mühlberg, Dietrich/Hertel, Ursula/Bertram, Axel: Von »Wasser-Heften« und »Männer-Magazinen«, in: Barck, Simone/ Langermann, Martina/Lokatis, Siegfried (Hrsg.): Zwischen »Mosaik« und »Einheit«. Zeitschriften in der DDR, Berlin 1999, S. 77–90; Linek: Gesundheitsvorsorge, S. 88–107.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Abb. 40: „Werbematerial“ des Hygiene-Museums.

persuaders“. Wo es möglich war, ergänzte ein umfassendes Begleitprogramm die in Werkskantinen aufgebauten Tafeln, Selbsttest- und Quizapparate. Dass Gewerkschafts- und Parteifunktionäre die Besucher*innen zu mobilisierten hatten, steht aber nicht nur für diese Bemühungen um „Barrierefreiheit“ – sondern auch für das Problem, angesichts einer geringen Nachfrage überhaupt Besucher*innen in die Ausstellung zu bekommen (vgl. Abb. 42).46 46 Vgl. Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Au Nr. 164/1, 1976–1979; siehe zu dieser Kampagne auch: Sammer, Christian: Vom Aufstieg und Fall der Utopie Gesundheit. Konzepte, Strukturen

5.2 Überlagerte Reform 

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Abb. 41: Ausstellungsplakat aus Guter Rat für Herz und Kreislauf.

Die Kampagne lag ganz im Einklang mit dem, was Thränhardt 1968 in seinem Artikel in Deine Gesundheit unter Gesundheitserziehung verstanden hatte: Aus diesem Konzept heraus hatte er nicht nur die Arbeit seiner alten Wirkungsstätte in Dresden kritisiert und an einer neuen institutionellen Struktur der Gesundheitserziehung in der DDR gearbeitet.47 Thränhardt antwortete damit auch auf

und Grenzen der Gesundheitsaufklärung im sozialistischen Gesundheitswesen der DDR, in: Wahl, Markus (Hrsg.): „Deine Gesundheit, unser Staat“. Reflexionen zur Sozialgeschichte des Gesundheitswesens der DDR, Stuttgart 2020, S. 175–207, S. 193 f. 47 Vgl. Kap. 4.2.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Abb. 42: Guter Rat für Herz und Kreislauf (aufgebaut an unbekanntem Ort).

an das Ministerium gestellte Eingaben.48 Eine „beharrliche Erziehungsarbeit“49 würde die meisten dringlichen gesundheitlichen Problemlagen, die sich aus dem individuellen Verhalten ergaben, lösen, schrieb er beispielsweise 1963 nach Magdeburg als Antwort auf die Rückfrage, was die DDR-Führung gegen solche Krankheiten unternehme. Thränhardt agierte als einer der Gesundheitserzieher in der DDR, der sich von mehr wissenschaftlicher Systematik in der erziehenden Gesundheitsaufklärung überzeugt gab und damit zweifach als exemplarisch anzusehen ist. Er gehörte zur „Zweite Generation“ der DDR-Akademiker, die „in aller Regel“ akademisch in der SBZ oder der frühen DDR sozialisiert worden waren und mit dem Reformpaket der DDR der 1960er Jahre, in welches auch das Projekt der Gesundheitserziehung einzubetten ist, ihren beruflichen Aufstieg erlebten.50 Einerseits vergrößerte die

48 Zu Eingaben als Quelle historischer Forschung siehe: Jessen: Diktatorische Herrschaft; Betts, Paul: Die Politik des Privaten. Eingaben in der DDR, in: Fulda, Daniel/Herzog, Dagmar/Hoffmann, Stefan-Ludwig/van Rahden, Till (Hrsg.): Demokratie im Schatten der Gewalt. Geschichten des Privaten im deutschen Nachkrieg, Göttingen 2010, S. 286–309. 49 Thränhardt an Liselotte M., 14.3.1963, in: BArch, DQ 1/22239, 1963, unpag. 50 Vgl.  zur Reformpolitik der SED in den 1960er Jahren: Malycha: Wissenschafts- und Hochschulpolitik; Ders.: Biowissenschaften im Zeichen von Forschungsplanung und Fortschritts-

5.2 Überlagerte Reform 

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SED-Spitze auf der Suche nach höhere Produktivität und Innovativität die Möglichkeiten einer empirischen Beobachtung der Gesellschaft; andererseits verzichtete sie jedoch nicht auf den Ausbau hierarchisch gestufter Kontrollschleifen und ritueller ideologischer Integrationsfiguren. Letztlich konnte beides die konstitutive Widersprüchlichkeit der DDR nur verschärfen, weil dies keinen offiziellen Kommunikationsraum außerhalb des politischen Systems entstehen ließ und das Regime allverantwortlich blieb – bleiben musste.51 Die Bildungsreform von 1965 beispielsweise bestimmte die sozialistische Persönlichkeit als unhintergehbares Erziehungsziel und deklarierte wissenschaftliche Bildung (als Vermittlung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen) als in Einheit mit ideologischer Erziehung (von Einstellungen, Überzeugungen, Bewusstsein, Charakter und Verhalten).52 Sie brachte aber auch eine institutionelle Aufwertung der Beobachtung und Analyse der Erziehungsverhältnisse.53 Denn wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen sah das Bildungssystem der DDR eine Proliferation an wissenschaftlichen Beratungsgremien vor (Räte an den Ministerien, Akademien und Zentralinstituten), deren Studienergebnisse und „Bilanzmaterialien“ umso mehr von den politischen Eliten ignoriert wurden, je deutlicher ihre Ergebnisse den parteilich-ideologischen Vorgaben widersprachen.54 Die Gesundheitserzieher*innen hatte mit der Gründung des NKGE einen analogen Schritt in Richtung der Institutionalisierung einer zentralen Koordi-

denken in Ost und West in den 1960er-Jahren, in: Deutschland Archiv 43/2010,  S.  1024–1033; Szöllösi-Janze: Wissensgesellschaft, S. 288–292. Zum Begriff der Zweiten Generation vgl. Jessen: Akademische Elite, S. 336–371. 51 Vgl.  Pollack, Detlef: Die konstitutive Widersprüchlichkeit der DDR. Oder: War die DDRGesellschaft homogen?, in: Geschichte und Gesellschaft 24/1997, S. 110–131; Sabrow: Diktatur des Paradoxons; Jessen: Einschließen und Ausgrenzen. 52 Vgl.  Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem, 28.2.1965, in: Kleßmann, Christoph: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955–1970, Bonn 1988, S. 570 ff. 53 Vgl. Tenorth: Geschichte der Erziehung, S. 284–294, 299–302, 307–310, 320–328; Benner/Brüggen: Geschichte der Pädagogik, S. 282–296. 54 Tenorth: Geschichte der Erziehung, S. 309, ferner: S. 338–351. Vgl. ebenso Hennig, Werner/ Friedrich, Walter (Hrsg.): Jugend in der DDR. Daten und Ergebnisse der Jugendforschung vor der Wende, Weinheim 1991; Niemann, Heinz: Meinungsforschung in der DDR. Die geheimen Berichte des Instituts für Meinungsforschung an das Politbüro der SED, Köln 1993; Reinecke, Christiane: Fragen an die sozialistische Lebensweise. Empirische Sozialforschung und soziales Wissen in der SED-›Fürsorgediktatur‹, in: Archiv für Sozialgeschichte 50/2010, S. 311–334; Mergel, Thomas: Soziale Ungleichheit als Problem der DDR-Soziologie, in: Reinecke, Christiane/Mergel, Thomas (Hrsg.): Das Soziale ordnen. Sozialwissenschaften und gesellschaftliche Ungleichheit im 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2012, S. 307–336; Möller, Christian: Wissen und Umwelt in der „partizipatorischen Diktatur“. Wissenschaftliche Umweltkonzepte und der umweltpolitische Aufbruch in der DDR, in: NTM 26/2018, S. 367–403.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

nation entsprechender Fachexpertise unternommen.55 Nun galt es, im Reformprozess der DDR auch dem Hygiene-Museum einen Platz bei der Zentralisierung von Wissenschaft und Macht zuzuweisen. Es lag ganz auf der Linie der von Thränhardt bereits seit den späten 1950er Jahren geäußerten Kritik, im Zuge der Neuorganisation des gesamten Feldes auch das Hygiene-Museum zu einem Zentralinstitut aufzuwerten, um in Kooperation mit dem NKGE die avisierte beharrliche Erziehungsarbeit umzusetzen. 1959 hatte Thränhardt seine Pläne zum Ausbau des Museums als Zentralinstitut für medizinische Aufklärung gegenüber dem Ministerium skizziert und ihre Umsetzung für 1965 prognostiziert.56 Offenbar stockte diese Entwicklung aber aufgrund von Beharrungskräften innerhalb des Museums. Thränhardt besuchte daraufhin in seinen neuen Funktionen im Ministerium und im NKGE das Dresdner Museum im März 1962 nochmals. Das Ergebnis kam einer erneut desaströsen Kritik gleich: Das Museum würde sich nicht von den Gesundheitserzieher*innen des NKGE anleiten lassen und sich aus ökonomischen und persönlichen Gründen thematisch verzetteln. Die mittlerweile unwirtschaftlichen Ausstellungen müssten sich als ein Aufklärungsmittel in vielseitige, aber thematisch fokussierte Medien einfügen. Das Museum sollte sich auf die Ausarbeitung „methodischer Materialien“ konzentrieren, die Multiplikatoren als Orientierungs- und Mobilisierungsinstrumente dienen sollten. Daher sollten auch thematisch fokussierte Broschüren zu Schwerpunktprogrammen – wie der Aufklärung über die Risiken des Rauchens – die alte „verzettelte“ populärwissenschaftliche Grüne Reihe ersetzen, was 1968 mit der Einstellung der Reihe nach 96 Bänden schließlich geschehen sollte.57 Noch im selben Monat konfrontierte der stellvertretende Gesundheitsminister und ehemalige Dresdner Direktor Walter Friedeberger seine einstigen Mitarbeiter mit diesen Vorwürfen. Die Notiz des früheren Museumsdirektors liest sich bei weitem nicht so scharf formuliert wie Thränhardts. Er kam zu einem wohlwollenderen Urteil über das Museum, weil er stärker als Thränhardt dessen Aufgabe in der Wissensvermittlung sah. Gleichwohl unterstrich auch er, wie eine Gesundheitsaufklärung auf der Schwelle zur Gesundheitserziehung auszusehen hatte: Multimediale und thematisch fokussierte Kampagnen mussten zentral

55 Zur zentralistischen Wissenschaftspolitik im Gesundheitswesen allgemein: Wasem, Jürgen/ Mill, Doris/Wilhelm, Jürgen: Gesundheitswesen und Sicherung bei Krankheit und im Pflegefall, in: Kleßmann, Christoph (Hrsg.): Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland, Bd. 9: 1961–1971. Deutsche Demokratische Republik. Politische Stabilisierung und wirtschaftliche Mobilisierung, Baden-Baden 2006, S. 379–428. 56 Thränhardt: Planvorschlag für die Jahre 1960 und 1961–1963, 28.2.1959, in: BArch, DQ 1/5225. 57 Vgl. Thränhardt: Vermerk über meinen Besuch des Deutschen Hygiene-Museums, 13.3.1962, in: ebd.

5.2 Überlagerte Reform 

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entworfen und koordiniert werden, hatten ideologisch gesichert und wissenschaftlich angeleitet – ergo effizient – zu sein.58 So sollte das „populärwissenschaftliche Herangehen“ der hygienischen Volksbelehrung überwunden werden, wie es rückschauend Thränhardts Nachfolger im Ministerium und im NKGE formulierte.59 Dafür gewann das Museum Anfang der 1960er Jahre Kompetenzen hinzu, was die Herstellung von Filmen anging, das neueste und vermeintlich effektivste Erziehungsmedium. Als die DEWAG 1960 dem Museum anbot, für dieses die nationale Produktion von Aufklärungsfilmen zu übernehmen, suchte das DHM erfolgreich Unterstützung bei Thränhardt im Ministerium, um diesen Vorschlag ablehnen zu können. So sollte 1962 das Dresdner Museum alle Mittel erhalten, um selbst als Auftraggeber ohne Mittelsmann aufzutreten.60 Doch viele Initiativen vonseiten der beteiligten Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter versandeten. Vor allem mit dem Deutschen Fernsehfunk konnte man sich zunächst nicht einigen.61 Erst im Laufe der 1960er Jahre etablierte sich der Modus Operandi, dass das Museum im Auftrag des Ministeriums die konkrete Ausarbeitung der Projekte mit den Filmstudios direkt übernahm.62 Das garantierte jedoch noch nicht, dass die produzierten Filme bzw. Werbespots im Fernsehen auch gezeigt wurden.63 Ganz im Gegenteil: Als zur Mitte der 1970er Jahre gerade mehrere 50-Sekunden-Spots im Werbefernsehen der DDR (Tausend Tele-Tips) gezeigt worden waren, stellte die „Anweisung zur Durchsetzung sozialistischer Sparsamkeit beim Einsatz materieller und finanzieller Mittel für Werbung und Repräsentation“ des Ministerrats von 1975 das Werbefernsehen gänzlich ein. Damit verlor das Museum das zentrale Medium der „Erziehung zur sozialistischen Lebensweise, das eigentlich nur Bedürfnisse geweckt hatte, die man nicht befriedigen konnte.“64 Ein wesentlicher Kommunikationskanal versandete, der als Umschlagpunkt gesellschaftli-

58 Vgl. Friedeberger: Aktenvermerk. Aussprache im Deutschen Hygiene-Museum am 31.3.1962, 7.4.1962, in: ebd. 59 Lämmel: Gesundheitserziehung, 1961–1971, S. 207. 60 Vgl. Schmieder: Bericht der Dienstreise nach Berlin, 11.9.1961, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, 61/8, 1960–1961. 61 Vgl. Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 63/23, 1962–1963, passim. Zum Fernsehen in der DDR der 1960er Jahre allgemein: Kleßmann: Zwei Staaten, S. 388–394. 62 Vgl.  Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, F II/1–8, 1963–1985; Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, F VI, Nr. 1–36, 1963–1990. 63 Vgl.  zur Filmproduktion des Hygiene-Museum materialreich: Roeßiger, Susanne/Schwarz, Uta (Hrsg.): Kamera! Licht! Aktion! Filme über Körper und Gesundheit 1915–1990, Dresden 2011. 64 Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung,  S.  282. Vgl.  Tippach-Schneider, Simone: Tausend Tele-Tips. Das Werbefernsehen in der DDR, 1959 bis 1976, Berlin 2004; Merkel, Ina: Im Widerspruch zum Ideal. Konsumpolitik in der DDR, in: Haupt, Heinz-Gerhard/Torp,

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

cher Kommunikation auch Gefühls- und Erlebniswelten von Konsumenten, und nicht nur von sozialistisch-rationalen Bürgern hätte sichtbar machen und damit politisches Vertrauen hätte spenden können.65 Das Museum musste zurück zur Tradition des Kulturfilms, mit dem es erst Ende der 1970er Jahre (und dann auch nur für kurze Zeit) einen festen Sendeplatz im Fernsehen bekam.66 Zum Drängen auf Modernisierung durch die Gesundheitserzieher*innen aus dem NKGE und dem Ministerium kamen in den frühen 1960er Jahren auch noch Personal- und Ausstellungsprobleme am DHM hinzu. Das schwächte die Beharrungskraft des Museums. Es war nicht entscheidend, dass das Museum 1962 die Wanderausstellung Deine Ernährung – Deine Gesundheit auf Betreiben des Ministeriums für Handel und Versorgung einstellen musste, weil diese Lebensmittel als gesund darstellte, „die z. Zt. [nicht, C.S.] vorhanden sind […], insbesondere Obst und Gemüse.“67 Schwerer wog vielmehr, dass der erst 1960 an das Museum gekommene Nachfolger Friedebergers auf dem Direktorposten, der ehemalige Mitarbeiter Rudolf Neuberts in Jena, Gottfried Schrödel, das Museum bereits 1961 wieder verlassen musste. Ausschlaggebend war nun, dass das Ministerium bis 1966 keinen tragbaren Nachfolger fand.68 Darüber hinaus litt das DHM unter einem geringen Besucherzuspruch. So urteilte zumindest der damalige Leiter des Cleveland Health Museum, Bruno Gebhard, der seine alte Arbeitsstätte in Dresden zur NHA 1961 besucht hatte: „Attendance at the Museum is poor, just about the same as with us, with about ten times the exhibit space we have.“69 In Dresden und in Cleveland stimmten zu Anfang der 1960er Jahre die Besucher*innen in einer Zeit der allgemeinen Museums- und Ausstellungsmüdigkeit mit den Füßen ab – zuungunsten der Gesundheitsmuseen, zuungunsten der hygienischen Volksbelehrung.70 Und wie die Zuschauer, so brachen auch die Gesundheitserzie-

Claudius (Hrsg.): Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890–1990. Ein Handbuch, Frankfurt a. M. u. New York 2009, S. 289–304, S. 300 f. 65 Vgl.  hierzu: Gries, Rainer: Produktkommunikation. Geschichte und Theorie, Wien 2008, S. 77–97, 147–194. 66 Vgl. auch zur Geschichte der weiteren Produktion von Filmen der Gesundheitserziehung in der DDR: Osten: Wer lässt sich schon gerne belehren, S. 55–68; und zur historischen Einbettung Schwarz: Jahrmarktsspektakel, insbesondere S. 27–32; Bonah/Cantor/Laukötter: Health Education Films. 67 Loechel: Aktennotiz, 19.4.1962 und Friedeberger an DHM, 30.4.1962, in: BArch, DQ 1/5225. 68 Vgl. Mitteilung Friedeberger, 6.2.1962, in: ebd.; Protokoll der Ministerdienstbesprechung vom 3.2.1962, 8.2.1962, in: BArch, DQ 1/6153, 1962. 69 Gebhard, Bruno: Dresden Revisited, 11.7.1961, in: Dittrick Medical History Center: Nachlass Bruno Gebhard, B 17, 7.14b, hier S. 3. 70 Vgl. Heesen/Schulze: Einleitung; Schulze: Dinge sprechen, S. 82–84; und speziell zu Gesundheitsausstellungen in London zwischen 1948 und 1971: Mold: Exhibiting Good Health, S. 15 ff., 21.

5.2 Überlagerte Reform 

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her*innen im internationalen Professionalisierungsdiskurs mit dem klassischen Medium Ausstellung.71 Die Position des NKGE wirkte in die gleiche Richtung. Das Gremium sollte eigentlich die Aufnahme eines DDR-Gremiums in einen internationalen Verband ermöglichen sowie die Interessen und Ressourcen der an Gesundheitsaufklärung beteiligten Akteure zusammenfassen.72 Allen voran sollte sich das Komitee aber recht rasch als neu institutionalisierter Resonanzraum der Gesundheitserziehung erweisen. In ihm klangen ihre Konzepte wieder und verstärkten diese (nicht zuletzt Thränhardts) so sehr, dass die Träume der Gesundheitserzieher im technokratischen Reformeifer der Zeit schließlich das Hygiene-Museum nicht nur in Bewegung versetzen, sondern gleichsam umformen sollten. Getragen wurde diese Entwicklung von einem immer deutlicher zu vernehmenden dialektischen Verständnis einer teleologisch orientierten Volkspädagogik, das 1962 der DRKund spätere NKGE-Präsident Werner Ludwig deutlich machte: Durch die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft könne sich die ärztliche Wissenschaft nun vorbehaltlos der Lebensverlängerung, der „gut koordinierten und zielstrebigen Gesundheitserziehung“ widmen. 73 Um den Krankenstand jedoch nachdrücklich zu senken, müsste die Gesundheitserziehung erfolgreich gesunde Lebensweisen bewirken, was Aufklärung alleine nicht erreiche: Das Wissen unserer Bevölkerung um die Gesundheitsprobleme ist durch die intensive Aufklärungstätigkeit […] laufend gestiegen, aber es hat noch nicht genügend sichtbar im Verhalten der Menschen seinen Niederschlag gefunden. Wir haben große Mittel ausgegeben, Filme gedreht, Plakate angeschlagen, Kinowerbung durchgeführt, Millionen Merkblätter verteilt usw. Alles das hat sich nicht auf eine Senkung des Krankenstandes ausgewirkt.74

Ludwig brachte auch den Zweck der Gesundheitserziehung auf den Punkt: „Wir müssen das Schwergewicht unserer Arbeit auf die Erziehung der gesamten Bevölkerung legen, die eine andere Arbeitsmethodik als die Aufklärung erfordert.“75 Die „andere Arbeitsmethodik“ umfasste für ihn zweierlei: die kontinuierliche, konsequente und spezifische Ansprache möglichst gut definierter Gruppen mit Botschaften, die in den jeweiligen Lebenssituationen ihren Widerhall fanden, sowie die Fokussierung auf thematische Schwerpunkte. Dafür müsse in kleinen sozialen Einheiten lokal gearbeitet werden, was wiederum eine gleichmäßige Erziehungs71 Vgl. Sammer: Gesundheitserziehung, 2019, S. 9–12, 18. 72 Vgl. Bericht des Präsidiums, o. D. (Oktober 1962), in: BArch, DQ 1/6018. 73 Vgl. Ludwig, Werner: Die Gesundheitserziehung in der DDR, o. D. (Oktober/Ende 1962), in: ebd., hier S. 1. 74 Ebd., hier S. 5 f. 75 Ebd., hier S. 6.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

arbeit voraussetze, die einer zentralen Anleitung durch das NKGE bedürfe.76 Den ideologisch-theoretischen Überbau für diese Position kodifizierte 1963 das zentrale wissenschaftliche Beratungsgremium des Ministeriums für Gesundheitswesen, der Rat für die Planung und Koordinierung der medizinischen Wissenschaften. Das „funktionale Optimum des lebenden Organismus in der Totalität seiner aktiven und reaktiven Lebensäußerungen in seiner gesellschaftlichen Umwelt“ – Gesundheit – sollte die Gesundheitserziehung stärken, indem sie das richtige, „bewusste Handeln […] in der Lebensweise und der Umweltgestaltung“ hervorrief.77 Konkretisiert wurde dieses Konzept – nun pragmatisch auf eine explizite Referenz zu Pavlov verzichtend – im selben Jahr vonseiten der wissenschaftlichen Abteilung des Hygiene-Museums auf der Vollversammlung des NKGE. Seit Thränhardts Weggang zum Ministerium 1960 wurde diese vom Psychologen Kurt Speier (1921–1981) geleitet, der bis in die frühen 1970er Jahre auch der ständigen methodisch-didaktischen Arbeitsgruppe des NGKE vorstehen sollte.78 Seine Mitarbeiterin (und ebenfalls Psychologin), Gerda Schubert, skizzierte darin erste Ergebnisse zur Methodologie der Gesundheitserziehung im Betrieb. Schubert verwendete hierbei den Begriff des „Gesundheitsbewusstseins“ und nutzte ihn als argumentatives Bindeglied für die nunmehr scheinbar selbstverständliche Trennung von Wissen und Verhalten. Es gehe um die Herausbildung eines solchen Bewusstseins als Voraussetzung für gesundheitliches Handeln, was gleichbedeutend sei mit der „Ausbildung bzw. Veränderung der Motivation und Einstellungen der Menschen im gesundheitlichen Sinne.“79 Sie benannte auch die zentrale Problemerfahrung der Gesundheitserzieher*innen Anfang der 1960er Jahre: „Die Erfahrung lehrt, daß bei den meisten Menschen eine Diskrepanz zwischen Wissen und Kenntnissen über eine gesunde Lebensführung einerseits und ihrer Anwendung im täglichen Leben andererseits besteht.“80 Schubert startete also von der

76 Ebd., hier S. 7–12. 77 Rat für Planung und Koordinierung der medizinischen Wissenschaften beim Ministerium für Gesundheitswesen (Hrsg.): Verhandlungen des Rates für Planung und Koordinierung der medizinischen Wissenschaften beim Ministerium für Gesundheitswesen, Bad Langensalza 1963, S. 20. Vgl. hierzu auch die Erinnerung eines Zeitgenossen: Lämmel: Gesundheitserziehung, 1961–1971, S. 210 f.; Eghigian: Psychologization of the Socialist Self, S. 203; und in einer deutschdeutschen Perspektive auf die Resozialisierung im System des Strafvollzugs bezogen: Ders.: The Corrigible and the Incorrigible. Science, Medicine, and the Convict in Twentieth-Century Germany, Ann Arbor, MI 2015, S. 15–16, 69–84. 78 Vgl. Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 93 (Personalakten), 1956–1981. 79 Schubert, Gerda/Speier, Kurt: Senkung des Krankenstandes durch gesundheitliche Aufklärung und Erziehen im Betrieb. Vortrag für die 3. Vollversammlung des NKGE am 3.12.1963, in: BArch, DQ 1/22446, 1962–1964, unpag., hier S. 3. 80 Ebd.

5.2 Überlagerte Reform 

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Beobachtung aus. Ihr ging es um die Frage, wie Gesundheitsaufklärung Handeln verändern könne, wobei sie von einer Dissonanz zwischen Wissen und Verhalten ausging. Und auch sie fand die Lösung für dieses Problem weniger in der Wissensvermittlung, denn in der Formung/Prägung von Motivation und Einstellung als Bedingung der „Umwandlung passiven Wissens in aktives Handeln.“81 Augenscheinlich referierte Schubert das behavioristische Paradigma in Form der Rezeption Pavlovs der 1950er Jahre: der Organismus stehe über das gesamte Lebensalter hinweg in Wechselwirkung mit seiner Umwelt. Das konkrete Verhalten, so Schubert, sei von der Persönlichkeit, den „inneren Bedingungen“ und der Anpassbarkeit der „höheren Nerventätigkeit“ an die Bedingungen der Umwelt determiniert.82 Ein solches Verständnis markierte also Herausforderung wie auch Chance der Gesundheitserziehung. Denn, wenn die Gesundheitserziehung der dominante Teil in der jeweiligen Umwelt wäre, könnte sie Stück für Stück die Bereitschaft zur gesundheitlichen Prägung der Umwelt und damit auch die individuelle Fähigkeit zur Anpassung steigern. Um eine solche Wirksamkeit zu entfalten, so Schubert, müsse die Gesundheitserziehung einigen methodischen Grundprinzipien folgen. Im Kern bestünden diese darin, möglichst homogene soziale Gruppen emotional und vertrauensvoll so anzusprechen, dass Ratschläge und Forderungen in der jeweiligen Lebenswelt widerhallten; ihre Erfüllung müsste umsetzbar sein. Das hieß also, sich einer zielgruppenspezifischen Kommunikation zu bedienen, die prinzipiell genauso vom anvisierten Rezipienten aus zu denken war, wie vom Wissen über Gesundheit und Krankheit. Eine weitere Voraussetzung bestand für Schubert darin, „positive Hinweise und Bilder“ zu verwenden, um „fatalistische oder Angstreaktionen“ zu vermeiden.83 Nicht von den zukünftigen Belastungen der Krankheit sei auszugehen, sondern von den gegenwärtigen Vorzügen der Gesundheit. Gesundheitserziehung müsse aktuelle Aufmerksamkeiten auszunutzen, mit aktuellen Beispielen kommunizieren. Bis „gesundheitliche Forderungen von der Bevölkerung fest übernommen worden sind“84, müsse beständig, konzertiert, kontinuierlich und mit der notwendigen wissenschaftlichen Aktualität und Wahrhaftigkeit vorgegangen werden. All dies müsste vor Ort unternommen, massenmedial umgesetzt, zentral angeleitet, evaluativ begleitet und, last but not least, breit umgesetzt werden.85 Was demnach nötig wäre, so ihr Fazit, wäre die zentrale Koordination, die Umsetzung und die eigene wissenschaftliche Beobachtung der Gesundheitserziehung – 81 Ebd., hier S. 4. 82 Vgl. ebd., hier S. 6. 83 Ebd., hier S. 10. 84 Ebd., hier S. 11. 85 Vgl. ebd., hier S. 13–18.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

eine Selbstbeobachtung der Gesundheitserziehung. Gerade darin bestünde ihr Wissenschaftlichkeitsanspruch: in ihrer Steuerung und in ihrer zukünftigen Selbstverbesserung durch eine evaluative Begleitforschung, welche für die „Rückmeldung nach den Modellvorstellungen der Regeltechnik“86 sorgen sollte. Aus diesem Glauben an die selbstreferenzielle Wirksamkeit der Wissenschaft speiste sich der Zukunftsoptimismus der entsprechend auf institutionelle Modernisierung drängenden Gesundheitserzieher*innen in der DDR. Diese hatten in den 1960er Jahre institutionelle Posten erobert und sich mit dem NKGE eine nationale Koordinierungsstelle geschaffen, welche die anvisierte Breitenwirkung erreichen sollte.87 Die Gesundheitserzieher*innen träumten von einem sich verfeinernden Instrumentarium und einer breitenwirksamen Bewegung der Experten, um sowohl die DDR als auch ihre Bürger gesund zu machen. Eine solche Machbarkeitsvorstellung fand sich auch in den kleinen Bedeutungsverschiebungen der Lehrbücher für Sozialhygiene – für die Gesundheitsaufklärung in der DDR die Leitdisziplin. Zum einen strich Kurt Winter 1964 aus der Überschrift „Gesundheitliche Aufklärung und Erziehung“ das Wort Aufklärung. Noch 1959 hatte Winter von „gesundheitlicher Volksbelehrung“ gesprochen, damit aber nur die vermeintlichen Defizite in der Bundesrepublik (im Unterschied zur DDR) aufgezählt: die fehlende Systematik, Gesetzeskraft und zentrale Anleitung.88 Erst 1964 fand Kurt Winter eine programmatische Formulierung für die Gesundheitserziehung in der DDR, die an die maschinelle Bilderwelt aus Thränhardts Ausstellung Geheimnisse des Lebens erinnert. Aufbauend auf einem Wechselspiel von Theorie und Praxis sahen die Gesundheitserzieher*innen ihren Auftrag als Teil der „kulturell-erzieherischen Aufgabe des Staates.“ Das hieß, „viele übernommene Gewohnheiten (Alkoholismus, Nikotinabusus) zu überwinden, Körperkultur und Sport zu fördern, richtige Pflege und Erziehung der Kinder zu verbreiten usw.“89 Der eigentliche, jeweils ca. zehnseitige deskriptive Teil veränderte sich hingegen nur in Nuancen. Rudolf Neubert wurde zwar ab 1967 nicht mehr als Verfasser bzw. Koautor (1964) desselben geführt, dennoch wurden nur sehr wenige Absätze, und diese auch nur minimal verändert. Damit spannte sich

86 Ebd., hier  S.  16. Vgl.  zur Kybernetik in der DDR: Witte, Verena: Wandel mit System? Eine Denkstilanalyse der Kybernetik in der DDR, ca. 1956–1971, Bielefeld 2011. 87 Vgl. Arbeitsempfehlung des NKGE für die Jahre 1964 und 1965, o. D. (Ende 1963), in: BArch, DQ 1/22446. 88 Vgl.  Beyer, Alfred Erich Gerhard/Winter, Kurt (Hrsg.): Lehrbuch der Sozialhygiene, Berlin 1959, S. 64, 220; Winter, Kurt/Beyer, Alfred Erich Gerhard (Hrsg.): Lehrbuch der Sozialhygiene, Berlin 1964, S. 76, 199. 89 Beide Zitate in: ebd.,  S.  76; Dies. (Hrsg.): Lehrbuch der Sozialhygiene, Berlin 1967,  S.  157. Vgl. zu Geheimnisse des Lebens Kap 4.3.

5.2 Überlagerte Reform 

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ein Kontinuitätsbogen von 1953 bis 1967, der sogar noch weiter zurückreichte. Denn Neubert hatte 1953 (wie auch Seiring für die Präsentation der Arbeit seines neuen Gesundheits-Museums in Köln) wiederum die Struktur der Darstellung direkt von Martin Vogel übernommen. Die Tradition der hygienischen Volksbelehrung war in der DDR der 1960er Jahre nach wie vor präsent.90

Pfadabhängigkeiten: Zusatzaufgaben zur Gesundheitserziehung Die Gesundheitserzieher*innen kamen im Laufe der 1960er Jahre zu einem spezifischen Konzept einer sozialistischen Gesundheitserziehung, in dem Ideen aus der Pavlov-Rezeption, der Sozialhygiene (auch als Gesundheitssystemforschung) und eines sozial und psychologisch komplexer gewordenen menschlichen Verhaltens, dessen Veränderung die Aufgabe sei, mit einem kybernetischen Planungsoptimismus amalgamiert waren. Ihr Eifer, das institutionelle Feld der Gesundheitsaufklärung diesem Konzept entsprechend anzupassen, stieß jedoch neben der ideologischen Rahmung der Möglichkeiten auch auf praktische Hemmnisse, die auf Seirings Dresdner Modell zurückgingen: Die kommerzielle sowie außenpolitische Bedeutung des Museums, mit der die Gesundheitserzieher*innen eigentlich wenig anzufangen wussten, wurde sogar gestärkt. Mit Produkten und Medien des Hygiene-Museums ließ sich nicht nur die nach dem Mauerbau forcierte Anerkennungspolitik der DDR auf einem Feld stärken, das als zutiefst unpolitisch und humanistisch ausgeflaggt wurde. Das System der medizinischen Versorgung konnte darüber auch als ein maßgeblicher Bereich eines Ost-West-Wettbewerbs um den besseren Modernisierungspfad für die neuen Nationalstaaten dargestellt werden – und auf diesem ließen sich zugleich mit dem Verkauf der Lehrmittel auch harte Devisen erwirtschaften.91 Die Anerkennung der DDR bewirken Die außenpolitische Dimension der Gesundheitsaufklärung hatte bereits 1949 einen Niederschlag in Form des Komitees für die WHO-Arbeit in der DDR am Hygiene-Museum gefunden. Mit dem Forcieren der Anerkennungspolitik der DDR

90 Vgl.  zu diesen Ausführungen insgesamt: Beyer/Winter: Lehrbuch der Sozialhygiene, 1953,  S.  728–743; Dies.: Lehrbuch der Sozialhygiene, 1959,  S.  222–231; Winter/Beyer: Lehrbuch der Sozialhygiene, 1964, S. 199–208; Dies.: Lehrbuch der Sozialhygiene, 1967, S. 286–296; und Kap. 2.1 zur Konzeptgeschichte der hygienischen Volksbelehrung. 91 Vgl. Hong: Cold War Germany, S. 177–200; Sammer: Politik des Unpolitischen.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

wurde es 1969 zum WHO-Konsultationszentrum des MfG aufgewertet.92 Bis zum Ende der 1950er Jahre führte es ein Schattendasein, dessen Arbeit darin bestand, die Personalentscheidungen der Weltgesundheitsorganisation zu beobachten.93 Das änderte sich 1958, als das MfAA die Organe aus dem Gesundheitswesen mit Auslandskontakten dazu drängte, konzertiert die Aufnahme der DDR in die WHO anzustreben.94 Nachdem das Museum es 1959 erreicht hatte, auf der 4. Konferenz der IUHEP auszustellen, verstärkte sich der Zugriff der Außenpolitiker auf das HygieneMuseum weiter. Die Exposition schuf sogar ein Momentum, das NKGE zu gründen, um ein Organ der DDR als Mitglied in der IUHEP zu haben.95 Dem MfAA ging es nunmehr vor allem darum, die Präsentationen des Dresdner Museums im Ausland zu kontrollieren und dessen propagandistischen Gehalt zu erhöhen. Auf Drängen des ZK hatte es 1960 eine ständige Kommission für Auslandsausstellungen gegründet, welche in den folgenden Jahren einen Modus Operandi zu finden und durchzusetzen versuchte, die außenpolitische Botschaft aller „nichtkommerziellen“ Ausstellungen aus der DDR zu bestimmen.96 1963 setzte das MfAA eine organisatorische und inhaltliche Ordnung auf, die es nun gegenüber den jeweiligen Fachministerien als Mittelsmännern der zentralisierten Anleitung durchzusetzen galt. Ziel müsse sein, die internationale Stellung zu festigen und die Vorzüge der DDR herauszustellen. Dazu sollte unter Begutachtung des Ministeriums die Anzahl der Ausstellungen im Ausland zulasten ihres Umfangs erhöht und gleichzeitig versucht werden, harte Devisen zu erwirtschaften. Sogar die Gestaltung sollte für eine ästhetisch-ideologische

92 Und 1987 zur Außenstelle des Nationalen WHO-Büro der DDR in Berlin wieder abgewertet. Vgl.  hierzu: Findbuch des Bundesarchivs Berlin, Bestand DQ 117: Nationales WHO-Büro der DDR: http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/Bestaendeuebersicht/index.htm?kid=64D1892FF7EB4DA8890C11F17C18F11B, 20.3.2020. 93 Vgl. Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, WHO Nr. 1, 1949–1951. 94 Vgl. Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, WHO Nr. 2, 1955–1959; Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, WHO Nr. 3, 1958–1960. Die Aufnahme der DDR in die WHO wurde 1973 durch den Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik möglich. Die Bundesregierung hatte zuvor die Mitgliedschaft der DDR in internationalen Organisationen an eine vertragliche Lösung praktischer deutsch-deutscher Probleme geknüpft. Vgl.  hierzu: Gespräch des Bundeskanzlers Brandt mit dem Generaldirektor der WHO Candau, Bonn, 15.12.1970, in: Bundesministerium des Innern et al. (Hrsg.): Dokumente zur Deutschlandpolitik. VI. Reihe, Band 1: 21. Oktober 1969 bis 31. Dezember 1970, München 2002, S. 980 f. 95 Vgl. zur 4. Konferenz der IUHEP Kap. 3.3. 96 Vgl. Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, MfAA LS-A 393.

5.2 Überlagerte Reform 

 389

Einheitlichkeit im Erscheinungsbild an die DEWAG übertragen werden.97 Ausgenommen wurden lediglich Einrichtungen mit eigenen Werkstätten. Dies offerierte dem Museum ein Schlupfloch und wertete die Werkstätten als Instrument, eigene Kompetenzen zu sichern, auf – wieder entgegen der Absicht der Gesundheitserzieher. Auch wenn sich Vertreter des MfG über die Gängelung durch das MfAA beschwerten, beschloss das Ministerium für Gesundheitswesen trotzdem 1965 eine „Ordnung für die Vorbereitung und Durchführung von Auslandsausstellungen des DHM“, die Rolf Thränhardt federführend verfasst hatte. Selbstverständlich hatten nun Ausstellungen aus Dresden die Erfolge und die Überlegenheit der sozialistischen Gesundheitspolitik zu präsentieren. Gerade mit Blick auf die zwischen West und Ost umkämpften „jungen Nationalstaaten“ mussten die Ausstellungen den lokalen Besonderheiten angepasst werden.98 Sie hatten so modern und instruktiv wie möglich und mit State-of-the-Art-Exponaten ausgestattet zu sein. Es sei so wenig Text wie möglich zu verwenden und eine „wissenschaftlich-sachliche Darstellungsweise“ zu bevorzugen. Gleichzeitig sollten Ausstellungen durch „werbetechnische und psychologische Methoden“ fesseln und dabei sicherstellen, dass Staatsflaggen, Staatsembleme und Staatsmänner zu sehen waren.99 Als das Hygiene-Museum 1970 mit einer Ausstellung in England unterwegs war, deren Titel Man in His World Anleihen an dem der Expo 1967 (Man and His World) nahm, wurde das „Auge der Hygiene“, seit 1911 dreimal aktualisiertes Signet des Hygiene-Museums und seiner mit ihm verbundenen Ausstellungen sowie Symbol der hygienischen Volksbelehrung, auf dem Anfangstriptychon der Ausstellung fast zerdrückt.100 Die Sichtbarkeit der Staatssymbole und -oberhäupter war wichtiger, als das Hygiene-Museum zu signifizieren. Ihm blieb nur, auch auf einer semiotischen Ebene seine eigene Reputation der DDR zu leihen, die Anerkennungspolitik des sozialistischen Staates unterstützend.101

97 Vgl. Ordnung über die Arbeit mit nichtkommerziellen Auslandsausstellungen 1963, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, MfAA A 15803, Bl. 14–19. 98 Vgl.  Aktenvermerk über die Sitzung der Koordinierungskommission, 17.12.1969, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, MfAA C 1278/70, 1967–1969, Bl. 2–4. Zur Anpassung der Ausstellung an die lokalen Kontexte: Bethke: Bodies on Display. 99 Vgl. Thränhardt, Rolf: Ordnung über den Verantwortungsbereich bei der Organisation von Ausstellungen und Messebeteiligungen des Deutschen Hygiene-Museums, Dresden, im Ausland, in Westdeutschland und in Westberlin, 27.8.1965, in: BArch, DQ 1/6162, 1965, unpag. 100 Vgl. zu den Aktualisierung des Hygiene-Auges 1949 und in den 1950ern, als die Sehstrahlen/ der Strahlenkranz des Auges entfiel(en) und es nunmehr durch den rundlaufenden Namen des Museums eingerahmt wurde: DHMD 2006/39. 101 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht der Reise nach England vom 26.10. bis 9.11.1969; Ders.: Reisebericht zur Ausstellung des DHM in der DDR Man in His World in England, o. D. (Ende 1970), in:

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

So betonte der begleitende und fremdsprachengewandte Absatzleiter des DHM, Otto Kunkel, bei jedem Eröffnungsvortrag im Vereinigten Königreich, dass der Sache des Friedens und der Völkerverständigung nicht gedient wäre, wenn der DDR weiterhin die Aufnahme in die WHO verwehrt bleibe. Kunkel verwendete hierbei explizit den Begriff der Diskriminierung der DDR als Bezeichnung einer illegitimen Benachteiligung des sozialistischen Staates und spielte den Ethos der Humanität der WHO und der Universalität von Gesundheit gegen eine Haltung der Nichtaufnahme der DDR aus. Denn dass diese jenen Prinzipien folge und sie erfülle, davon könnten sich die Besucher in der Ausstellung des DHM überzeugen.102 Thränhardts Ordnung erlegte dem DHM nicht nur auf, das außenpolitische Interesse an der Anerkennung der DDR zu erfüllen. Sie setzte gleichrangig die „Gewinnung neuer Absatzmöglichkeiten“ durch die „Demonstration des hohen methodischen und technischen Standards der anatomischen und biologischen Lehrmittelproduktion“ daneben – entgegen der doch vielfach zu hörenden Kritik an Qualität und Absatzchancen seiner Lehrmittel.103 Thränhardts Ordnung sah vor, die Federführung zwar beim MfG zu belassen, jedoch Ausstellungen im nicht-sozialistischen Ausland in enger Absprache mit dem MfAA und dem MAIH zu entwickeln und durchzuführen. Thränhardt positionierte damit den kommerziellen Zweck der Güterpräsentation von Ausstellungen des Hygiene-Museums gleichgewichtig neben den der außenpolitischen Bewerbung der DDR und den der Gesundheitserziehung. Damit pointierte er dreierlei: die Ausstellung als solche; diese als Medium der Außenpolitik und Güterpräsentation sowie die Exponate als veräußerbare Produkte mit Blick auf ihren Export und die Erwirtschaftung von Devisen. Der Ministerbeschluss stärkte diese wirtschaftliche Dimension sogar noch. Die fachliche und politische Leitung des MfG verlangte nicht nur, dass Thränhardt einen besseren Titel für seine Ordnung finden möge, sondern wünschte zudem, dass absehbare Deviseneinnahmen in den Haushalt flossen.104

Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 3, 1966–1975, unpag.; Sammer: Politik des Unpolitischen. 102 Vgl.  die Tonbandmitschnitte der Eröffnungsreden Otto Kunkels: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, TD Nr. 8, 1970. 103 Thränhardt, Rolf: Ordnung über den Verantwortungsbereich bei der Organisation von Ausstellungen und Messebeteiligungen des Deutschen Hygiene-Museums, Dresden, im Ausland, in Westdeutschland und in Westberlin, 27.8.1965, in: BArch, DQ 1/6162, hier S. 1. Vgl. ebenso Kap 3.3 und 4.2. 104 Vgl. Protokoll der Ministerdienstbesprechung vom 6.9.1965, 7.9.1965, in: ebd., hier S. 2 f.

5.2 Überlagerte Reform 

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Devisen erwirtschaften Die ökonomische Dimension der hygienischen Volksbelehrung konnten die Gesundheitserzieher*innen der 1960er Jahre in der DDR nicht außen vor lassen. Sie schafften es nicht einmal, ihre Aufwertung zu relativieren. Über Organe des Außenhandels verschärfte sich darüber hinaus der zentrale Zugriff auf die Vermarktung der Museumsprodukte: Je stärker die DDR-Spitze auf außenpolitische Anerkennung drängte, desto mehr verschwamm auch für das Hygiene-Museum die Grenze zwischen den Interessen der Außenhandelspolitik und denen der Außenpolitik und desto stärker wurde die entsprechende Ausrichtung des Museums als international bekannter Lehrmittelproduzent. Zugleich zeitigte die wirtschaftspolitische Seite der modernisierenden „Verplanung“ der DDR als Förderung von Wissenschaft und Technik Effekte auf das Hygiene-Museum. Die Nutzung marktwirtschaftlicher Instrumente ohne Marktwirtschaft sollte die industrielle Basis erneuern und die Volkswirtschaft der DDR dynamisieren. Doch letztlich zerbrach dieser Modernisierungsversuch der Wirtschaft am Primat der Herrschaftssicherung der SED, der die beständigen und kontradiktorischen Rejustierungen dienten. Auch der wirtschaftspolitische Schwenk der 1970er Jahre folgte dem parteipolitischen Zweck der Legitimationsbeschaffung eines totalen Herrschaftsanspruchs durch ein umfassendes Wohlstandsversprechen – nicht mehr auf Basis einer forciert erhöhten Produktivität, sondern über den Ausbau der Sozialleistungen zulasten der wirtschaftlichen Substanz.105 Für das Hygiene-Museum hieß dies, sich intensiver an Kollektivausstellungen der DDR auf Messen zu beteiligen, welche das Außenhandelsunternehmen Deutscher Innen- und Außenhandel Kulturwaren (DIA-Kulturwaren) organisierte.106 Eine erste Schau hatte das Museum bereits 1953 in China bestritten und sich wenig zufrieden mit der Zusammenarbeit mit dem Handelsunternehmen gezeigt.107 In den 1960er Jahren wurde trotz der verhaltenen Beurteilung diese Form der Zusammenarbeit indes die Regel und eröffnete dem Museum eine neue Gewinn- und Verlust-Rechnung für seine Chancen auf dem exportrelevanten 105 Vgl.  zum „Neuen Ökonomischen System zur Planung und Leitung der Volkswirtschaft“: Steiner: Von Plan zu Plan,  S.  123–172; Fäßler: Durch den Eisernen Vorhang,  S.  256–287; Judt, Matthias: Der Bereich Kommerzielle Koordinierung. Das DDR-Wirtschaftsimperium des Alexander Schalck-Golodkowski – Mythos und Realität, Berlin 2013,  S.  34–47; Malycha/Winters: SED, S. 156–165. 106 Bis 1965 waren für die Auslandslehrmittelmessen mit Beteiligung des DHM die DIAKulturwaren zuständig, anschließend das Außenhandelsunternehmen Feinmechanik Optik, auf das der auf medizinische Produkte und Dienstleistungen (und auf situative Geschäfte über Firmen des Bereichs Kommerzielle Koordinierung) spezialisierte Intermed-Import-Export folgte. 107 Vgl.  Bericht über die Industrieausstellung der Deutschen Demokratischen Republik in China, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 1, Bl. 2–10.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Lehrmittelmarkt. Auf der Habenseite stand der Zugewinn an Ausstellungsmöglichkeiten und deren erleichterte Organisation, welche man den veranstaltenden Außenhandelsunternehmen überlassen konnte. Auf der Verlustseite ließ sich notieren, dass die Sichtbarkeit der Eigenständigkeit des Hygiene-Museums mit dessen Einbindung in Kollektivausstellungen genauso zurückging wie die bespielte Ausstellungsfläche. Zudem mussten die Exponate stärker auf Exportzwecke ausgerichtet werden. Darüber hinaus verloren die Reiseberichte ihren Status als interne, durchaus kritische Beobachtungen des Ausstellungs- und Lehrmittelmarktes. Die Ausstellungsbegleiter und Reisekader des Museums wurden Teil einer Delegation. Ihre Berichte gingen nun auch an die beteiligten Stellen, deren Interessen das Hygiene-Museum zu berücksichtigen hatte.108 Allem voran aber deutete sich hier an, dass die Ausstellungen des Museums in der Tat in zwei Gruppen zerfielen: in eine, welche als Medium der Gesundheitsaufklärung gesehen wurde, aber im Zuge von deren Umwidmung zur Gesundheitserziehung immer mehr an Wertschätzung verlor, und in eine, die auf Export abzielte, auf Messestände reduziert war und die Funktion des Hygiene-Museums als Lehrmittelproduzent betonte. So wurden Ausstellungen des Hygiene-Museums sogar in befreundeten Staaten zunehmend zu Instrumenten einer „Leistungsschau unseres Landes“, die Exporte ermöglichen sollten und deren Erfolg primär nach Verkaufserlösen bemessen wurde.109 Die derart aufgewertete und in einen internationalen Wettbewerb gestellte Lehrmittelproduktion geriet unter Rationalisierungsdruck. Dabei informierten die Mitarbeiter des Museums sowie die Vertreter der Außenhandelsunternehmen alle beteiligten Akteure detailliert über die Lage und Dynamik des Marktes. So stand es für die Beobachter der 8. Europäischen Lehrmittelmesse didacta 1966 fest, dass das Hygiene-Museum noch mithalten könne bei „traditionellen Lehrmitteln der Biologie, Lehrtafeln, Moulagen und Kunststoffnachbildungen von Tieren.“ Bei Farbfilmen für den Unterricht, bei Kunstharzeinbettungen, bei humanbiologischen Modellen sowie transparenten Folien drohe das Museum 108 Vgl. Kunkel, Otto: Bericht Teilnahme an der Lehrmittelausstellung der DDR in London, 30.1.1964, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 2a; Bericht der Deutschen Exportund Importgesellschaft Berlin, Juni 1965; Damme, Egon: Reisebericht. Spezialausstellung der DDR in Kairo, 29.5.1965, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 2b, 1965, unpag.; Kunkel, Otto: Bericht über die Reisen nach Heidelberg, Wiesbaden, Frankfurt am Main, 5.2.1965– 12.2.1965, 18.12.1965, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/3 Bd.  7, 1964–1966, unpag.; Kunkel, Otto: Bericht von der Didacta, 23.6.–30.6.1966 in Basel, 6.7.1966; Bericht der Deutschen Export- und Importgesellschaft Feinmechanik/Optik über die Lehrmittelausstellung in Helsinki vom 17.5.–25.5.1966, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 3, 1966–1990. 109 Damme, Egon: Bericht der Ausstellung ‚Lehrmittel in der DDR‘ in Prag vom 3.5. bis 14.5.1966, 1.6.1966, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 3.

5.2 Überlagerte Reform 

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jedoch den Anschluss zu verlieren. Bei den anatomischen Modellen, dem „Brot- und-Butter-Geschäft“, sei vor allem das Hygiene-Museum aufgerufen, „kostensenkende Methoden in der Modellherstellung“ zu finden. Hier ging es in erster Linie darum, in der Produktion und Vermarktung von robusteren und mobileren Modellen aus Kunststoff – und nicht mehr aus Pappmaché – nicht den Anschluss an den Weltmarktführer, die Firma Marcus Sommer (Somso) aus Coburg, zu verlieren.110 Trotz dieser Bedenken wurde 1966 das Hygiene-Museum zu einem volkswirtschaftlichen Leitbetrieb für die Erzeugnisgruppe der biologisch-anatomischen Lehrmittel aufgewertet. Hintergrund dieser Entscheidung war auch hier die Überzeugung, dass eine Produktivitätssteigerung über eine Modernisierung, verstanden als Zentralisierung, Koordination und Kontrolle einer Branche, zu erreichen sei: Die eher kleinen Hersteller biologischer Lehr- und Unterrichtsmittel sollten auf der mittleren Steuerungsebene der Planwirtschaft von Dresden aus angeleitet werden, um gegenseitig Konkurrenz zu vermeiden bzw. Synergien zu erzeugen. Diese Lösung war aber nicht unumstritten. Vor allem der Umgang mit den in Volkseigentum übergegangenen Teilen von Somso in Sonneberg, dem VEB Anatomisches Lehrmittelwerk Sonneberg, war unklar. Der Beschluss, den Betrieb gänzlich im DHM aufgehen zu lassen, wurde jedoch nicht umgesetzt, was letztlich dem Umstand zu verdanken war, dass die Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen erhalten werden sollten.111 Stattdessen einigte man sich darauf, idealiter bestimmte Modelltypen an den jeweiligen Standorten herstellen zu lassen. Die Firmen sollten untereinander Modelle austauschten und Rationalisierungseffekte nicht nur über die avisierte Spezialisierung, sondern auch durch die Vereinheitlichung der Herstellung nach den Verfahren des Hygiene-Museums erreichen.112

110 Kunkel, Otto: Bericht von der Didacta, 23.6.–30.6.1966 in Basel, 6.7.1966; zum Problem der Kunststoffverarbeitung am DHM: Kuntzsch: Bericht von der 9. didacta Hannover, 25.6.1967, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/2 Bd. 3. 111 Vgl.  Bericht über die Aussprache unter der Leitung des stellv. Ministers Friedeberger im DHM über die Übernahme des VEB Markus Sommer, Sonneberg 21.12.1959, in: BArch, DQ 1/6301; Ministerdienstbesprechung, 30.9.1961 sowie den weiteren Schriftverkehr in dieser Angelegenheit, in: BArch, DQ  1/5225. Zu den weiteren Firmen beispielsweise Damme, Egon: Bericht der Ausstellung ‚Lehrmittel in der DDR‘ in Prag vom 3.5. bis 14.5.1966, 1.6.1966, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Rb/1 Bd. 3. 112 Vgl. BArch, DQ 1/5225 sowie E-Mail von Ina Sommer (Firma Somso) an den Verfasser vom 17.7.2012.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Sozialistischer Kompromiss: Museum und Zentralinstitut Am Museum entfaltete sich der Wandlungseifer von oben als Auseinandersetzung zwischen Gesundheitserzieher*innen und Wirtschaftsreformer*innen. Dieser Konflikt wurde in der Betriebsparteiorganisation 1964 deutlich, als es darum ging, wie sich das Museum zu den Reformplänen Thränhardts verhalten sollte, die der Generalsekretär des NKGE und Referent für Gesundheitserziehung im Ministerium vorantrieb. Konkret spalteten sich die beiden Akteursgruppen an der Frage, wie die wissenschaftliche und die technisch-kaufmännische Abteilung zueinander gestellt werden sollten. Der wissenschaftliche Direktor Kurt Speier interpretierte diese mit Rückgriff auf den 6. Parteitag der SED so, dass in erster Linie die Gesundheitserziehung im Museum gestärkt werden müsse: Die „wissenschaftlich-medizinischen“ müssten mit den „gesellschaftspolitisch-ideologischen“ Aussagen besser verzahnt werden. Für die verbesserte Breitenwirkung müsste die Zusammenarbeit mit den Massenorganisationen intensiviert und die wissenschaftliche Abteilung müsste sich um die Herausgabe von zentralen Anleitungsmaterialien kümmern. Letzteres begann sie 1964 mit der Reihe Methodik der Gesundheitserziehung, einer bis 1983 fortgesetzten Reihe eher direktiv gehaltener Broschüren zu medialen und methodischen Fragen der Gesundheitserziehung mit dem Ziel der Ausbildung von Gesundheitserzieher*innen (als Querschnittsfach in der Lehrer*innenausbildung).113 1968 ergänzten die Mitteilungen für Gesundheitserzieher/Mitteilungen zur Gesundheitspropaganda und Gesundheitserziehung diese Bemühungen (bis 1978), die zwischen 1974 und 1984 von Informations- und Argumentationsmaterialien zur Gesundheitserziehung flankiert wurden. Das Museum müsse sich mit diesem Schwerpunkt auf die „eigentlichen Aufgaben eines Zentralinstituts“ fokussieren und dafür Teile der Produktion ganz abstoßen oder an die Peripherie verlagern, so Speier.114 Der für Absatzfragen zuständige Otto Kunkel hingegen positionierte sich konträr zu Speier: Beide Bereiche sollten organisational getrennt unter einen gemeinsamen Hauptdirektor gestellt werden. Nachdem Kunkels Meinung sich augenscheinlich nicht durchsetzte und die BPO auch nicht darauf bestand, bei der Reorganisation des

113 Vgl. Stellungnahme zur Errichtung von Lehrstühlen für Gesundheitserziehung im Bereich der Volksbildung, 3.7.1972, in: BArch, DR 2/27913, 1972–1979. 1976 wurde schließlich an der Pädagogischen Hochschule in Halle/Saale eine Professur für Gesundheitserziehung eingerichtet. Viel Nachfrage fand der Studiengang Diplompädagoge im Fachbereich Gesundheitserziehung jedoch nicht. Siehe hierzu: Margot Honecker an Minister für Hoch- und Fachschulwesen Genossen Prof. Böhme, 26.1.1977, Johannes Sende: Stundenplan Diplompädagogenausbildung 1981 und Bewerberzahl 1983, in: BArch, DR 2/28139, 1977–1983 unpag. 114 Alle Zitate in: Kurt Speier laut Protokoll der Diskussion zur Wahlberichtsversammlung der BPO des DHM, 20.4.1964, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut).

5.2 Überlagerte Reform 

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Hygiene-Museums intensiv beteiligt zu werden, drohte er sogar mit seinem Weggang vom Museum.115 Das geteilte Interesse der Ministerien für Gesundheitswesen, für Außenhandel und Innerdeutschen Handel sowie für Auswärtige Angelegenheiten an der Präsenz des Museums im Ausland und an möglichen Exporterlösen des Hygiene-Museums bremsten Thränhardt, Speier und die Gesundheitserzieher*innen im NKGE aus: Thränhardts erster Entwurf zur Neugestaltung des Hygiene-Museums wurde 1966 im Ministerium für Gesundheitswesen abgelehnt. Die Leitungsebene bestand darauf, die Aufgaben der Gesundheitserziehung gleichberechtigt neben die der effizienteren Lehrmittelproduktion, vor allem „exportfähiger Produkte“, zu stellen. Das Hygiene-Museum sollte beides werden: die zentrale Institution auf dem Gebiet der Gesundheitserziehung und der Produktion von biologischen Lehr- und Anschauungsmitteln; mit dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung produzierend sollte es zugleich als Forschungseinrichtung sozialistische Bürger formen, die gesundheitsbewusst handelten.116 Nachdem das Museum im Reformprozess seit 1961 kommissarisch vom Triumvirat der Abteilungsleiter, Otto Kunkel, Egon Damme und Kurt Speier, geführt worden war, schien man 1966 auch noch die richtige Person für die Aufgabe der großen Integration von wissenschaftlicher Abteilung und Produktion gefunden zu haben. Der viersprachige Facharzt für Sozialhygiene, Franz Görres (1920– 1986), war 1966 bereits recht hoch dekoriert, im Deutschen Roten Kreuz mobilisiert und hatte sich in der Sowjetunion als Antifaschist und internationaler Gesundheitspolitiker fortgebildet. Er schien demnach ideologisch gefestigt, die Netzwerkbildung und -pflege der Gesundheitserzieher*innen untereinander zu erfassen, vor allem aber die außenpolitische Dimension der Arbeit des HygieneMuseums bewerkstelligen zu können. Seine Mitgliedschaft in den relevanten internationalen Gremien ab 1969 plausibilisiert vor allem letzteres.117 Gleichwohl steht die Personalie Görres für jene Expertise, welche die Pointierung der Aufgaben des Museums zum Ende der 1960er Jahre verlangte: vorrangig außenpolitische Gewandtheit und politisch-ideologische Verlässlichkeit, Kenntnisse der Sozialhygiene sowie Vernetzungsfertigkeit und -bereitschaft. Als im

115 Vgl. Protokoll der Leitungssitzung der BPO des DHM, 22.6.1964; Protokoll der außerordentlichen Leitungssitzung der BPO am DHM, 18.2.1965, in: ebd. 116 Zitate in: Protokoll der Ministerdienstbesprechung am MfG vom 14.3.1966, 18.3.1966, in: BArch, DQ  1/24181, 1966, unpag. Siehe hierzu auch die Diskussionsbeiträge auf der Wahlberichtsversammlung der BPO des DHM am 7.11.1966, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut). 117 Vgl.  zu Franz Görres: BArch, DQ 1/24135, 1953–1984; Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 59 (Personalakten), 1966–1986.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

April 1967 das Hygiene-Museum ein neues Statut erhielt, waren diese Fähigkeiten und ein solcher Werdegang gefragt; es legte nämlich fest, dass das Museum von einem Facharzt für Sozialhygiene in Absprache mit zwei weiteren Direktoren zu leiten sei.118 Die neue Organisationsform wertete die Lehrmittelproduktion und deren Vertrieb auf. Gleichrangig mit dem Institut für Gesundheitserziehung (IfG), das aus der wissenschaftlichen Abteilung hervorging, wurden die Werkstätten zum Institut für biologisch-anatomische Unterrichtsmittel und Anschauungsmaterialien (IfU) erhoben. Das Hygiene-Museum in der Deutschen Demokratischen Republik wurde gleichbedeutend mit einem „leitenden Zentralinstitut“ für diese beiden Bereiche. Es blieb dem Ministerium für Gesundheitswesen direkt unterstellt. In der Hoffnung auf Devisen ging der Haushalt des Hygiene-Museums außerdem in dem des Ministeriums auf. Das Statut institutionalisierte Veränderungsprozesse, in denen die Gesundheitserzieher*innen intendiert hatten, die hygienische Volksbelehrung zu einer Technologie der Erziehung und der Verhaltensformung zu pointieren. Außenpolitische und außenwirtschaftliche Erwägungen konservierten jedoch den renommierten Namen Deutsches Hygiene-Museum, und retteten das Medium der Ausstellung vor dem Verdikt der Gesundheitserzieher*innen – vorrangig als Teil von Lehrmittelausstellungen und -messen.119 Der Reform-, Verwissenschaftlichungs- und Zentralisierungsprozess der DDR brachte dem DHM damit zwei gleichrangige Aufgabengruppen: einerseits die Durchführung „wissenschaftlicher Forschung auf dem Gebiet der Methodologie der Gesundheitserziehung“ sowie die „systematische und mit modernen Methoden [zur Verbreitung der, C.S.] neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit“ inklusive der Anleitung aller hierbei tätigen Personen in der DDR; andererseits die Entwicklung und Produktion biologisch-anatomischer Unterrichtsmittel und Anschauungsmaterialien.“120 In einer ironischen Wendung trieb damit das Statut von 1967 eine Entwicklung weiter, für die Seiring in den 1920er Jahren den Grundstein gelegt hatte, als er das Museum zu einem „Hygiene-Konzern“ ausgebaut hatte: die Entmusealisierung 118 Vgl. Minister für Gesundheitswesen (Max Sefrin): Anordnung über das Statut des Deutschen Hygiene-Museums in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, 29.4.1967, S. 39–41, S. 40. 119 Vgl. ebd., S. 40. Zwar sah das Statut noch den Einsatz von Ausstellungen als populärwissenschaftliches Medium vor, doch vor allem die kleineren und mobilen Ausstellungen wurden ab den 1970er Jahren merklich zurückgenommen. 1971 wurde der „Fahrbare Pavillon“, ab 1972 der Verleih von Kleinausstellungen, ab 1982 die Wanderausstellungen komplett eingestellt. Vgl. Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung, Anm. 88; Budig: Formen der Ausstellung, S. 46–48; und als Quelle für eine offizielle Sichtweise zum Ende der DDR: Kowark: Deutsches HygieneMuseum, S. 69–72. 120 Minister für Gesundheitswesen: Anordnung über das Statut, S. 40.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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des DHM. Und es verschärfte ein Grunddilemma der hygienischen Volksbelehrung, betonte es doch den Konflikt zwischen Kommerz und der Sorge um die (Volks-)Gesundheit. Während ein Institut des Hygiene-Museums sich um die Vermarktbarkeit von Lehr- und Unterrichtsmaterialien kümmerte, gab sich das andere den Verheißungen einer spezifischen Modernisierungsvorstellung der Gesundheitserziehung hin – gespeist aus einer Melange aus internationalen Professionsentwicklungen und sozialistischen Erziehungs- und Persönlichkeitsvorstellungen. Auf der Basis von psychologischen und soziologischen Wissensbeständen zum individuellen Handeln sollte eine moderne Gesundheitserziehung Kommunikationsinstrumente zur erfolgreichen Formung gesunder Verhaltensweisen entwickeln, nutzen, evaluieren und Kampagnen, wie die oben besprochene „Sei klug – lebe gesund!“, mit den Massenorganisationen zentral koordinieren. Dafür hatten sich die Gesundheitserzieher*innen nicht nur einen Knotenpunkt in Form des NKGE institutionalisiert und internationale Studien rezipiert. Sie suchten auch die Kooperation mit dem Zentralinstitut für Jugendforschung, dessen Studien zum Gesundheitsverhalten man im Hygiene-Museum ab 1974 sekundär auswerteten sollte. Einen eigenen Studienverbund, der die hauptsächlich befragende, aber auch intervenierende Erforschung von Gesundheitseinstellungen, -motivationen und -handeln Jugendlicher mit der Evaluation von gesundheitserzieherischen Methoden verband, konnten sie jedoch erst in der zweiten Hälfte der 80er Jahre etablieren.121

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung: Vom GesundheitsMuseum zur Bundeszentrale Wie die Gesundheitserzieher*innen in der DDR waren ihre westdeutschen Pendants in den 1960er Jahren zu einer ähnlichen Konzeption ihrer Arbeit gelangt: Ungesunde Verhaltensweisen mussten auf kommunikativem Wege verändert werden, wobei das menschliche Handeln selbst als in komplexen sozialen und psychischen Kontexten geprägt gedacht wurde. Die Gesundheitserzieher*innen auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze orientierten sich damit stark an den

121 Vgl. Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. M55, Anlage 1.0 bis 1.3, 1986–1990. Zur Arbeit des Instituts siehe: Friedrich, Walter: Zur inhaltlichen und methodischen Forschung am Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig, in: Brislinger, Evelyn/Hausstein, Brigitte/Riedel, Eberhard (Hrsg.): Jugend im Osten. Sozialwissenschaftliche Daten und Kontextwissen aus der DDR sowie den neuen Bundesländern (1969 bis 1995), Berlin 1997, S. 85–101; Friedrich, Walter/Förster, Peter/ Starke, Kurt (Hrsg.): Das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig 1966–1990. Geschichte, Methoden, Erkenntnisse, Berlin 1999.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Positionen, die in einem internationalen Professionsdiskurs entwickelt wurden.122 Der Glaube an die präventive Effizienz einer sozial- und verhaltenswissenschaftlich inspirierten Gesundheitsaufklärung, die konzertiert operierte und evaluative Feedbackschleifen aufbauen sollte, führte in der DDR 1961 zur Gründung des NKGE und 1967 schließlich zum IfG. In der Bundesrepublik resultierte daraus ebenfalls 1967 die Umwidmung des Deutschen Gesundheits-Museums in die BZgA und ein Jahr später die Umbenennung des Bundesausschusses für gesundheitliche Volksbelehrung in die Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung. Waren Aussagen aus Deutschland bislang im Fachgespräch der Gesundheitserziehung so gut wie gar nicht zu vernehmen, stieg vor allem die Bundeszentrale in Köln rasch und umfassend darin ein. So veranstaltete die BZgA ab 1969 in Zusammenarbeit mit der IUHEP Internationale Seminare. Gleich das erste behandelte methodologische Probleme der Verhaltensbeeinflussung durch die Gesundheitserziehung.123 Dieses erste Internationale Seminar für Gesundheitserziehung macht die vielschichtige Verschiebung von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung schlaglichtartig deutlich. Das Selbstverständnis, mit der Gesundheitsaufklärung an einem historischen Punkt zu stehen, formulierte Leo A. Kaprio (1918–1999), der damalige Regionaldirektor der WHO in Europa, in der Einführung des Seminars: Man hat erkannt, dass die Gesundheitserziehungs-Komponenten von Gesundheitsprogrammen auf einer weit wissenschaftlicheren, systematischeren und fortlaufenderen Basis geplant und durchgeführt werden müssen. Es hat sich außerdem gezeigt, dass die Erziehung zur Gesundheit ein viel verwickelterer Prozess ist, als man bisher angenommen hatte, und zwar deshalb, weil die Probleme, mit denen wir befasst sind, aus dem Verhalten des Menschen selbst heraus entstehen. Bisher neigte die Medizin dazu, den exakten und biologischen Wissenschaften grössere Aufmerksamkeit zu widmen, und hat dem von den Verhaltens- und Sozialwissenschaften zu leistenden Beitrag sowie dem Faktor Erziehung als Hilfe bei der Lösung von Gesundheitsproblemen nur geringe Beachtung geschenkt. Die schnelle Zunahme neuer Erkenntnisse in der Erziehungswissenschaft und der damit zusammenhängenden Verhaltenswissenschaft bewirkt eine Änderung und mit ihr eine Einsicht, dass ein gezielteres und wissenschaftlicheres Angehen der Gesundheitserziehung,

122 Vgl. Sammer: Gesundheitserziehung, 2019. 123 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Verhaltensbeeinflussung durch die Gesundheitserziehung. Methodologische Probleme. Beiträge zur Grundlagenforschung in der Gesundheitserziehung unterbreitet dem I.  Internationalen Seminar für Gesundheitserziehung (Kommunikation, Intermediavergleich, Evaluation), Genf 1970. Für den internationalen Austausch zeichnete zwischen 1967 und 1989 Rosmarie Erben verantwortlich, die zur jungen Generation von Verhaltenswissenschaftlern (hier: Psychologen) an der BZgA gehörte. Vgl. Ruckstuhl: Gesundheitsförderung, S. 113–119.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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bei dem gehörig qualifizierte Fachleute eingesetzt werden, nicht nur notwendig ist, sondern tatsächlich immer mehr in den Bereich der Möglichkeiten rückt.124

Blickt man auf die weiteren Beiträge des Seminars und die fachliche Sozialisation der Teilnehmer*innen, so werden sowohl Kaprios programmatische Verschiebung als auch die angesprochenen Multiplikatoren plastisch. Mediziner (vor allem aus dem ÖGD), Soziologen, Pädagogen, Psychologen, Journalisten, aber auch Marktforscher hörten kommunikationswissenschaftliche Grundüberlegungen, unter anderem zur spezifischen Verwendbarkeit moderner Massenmedien, zur Entwicklung audiovisueller Lernprogramme, zur sozial differenzierten Zielgruppenansprache sowie zur Messung der Wirksamkeit mit Methoden der empirischen Sozialforschung.125 Uwe Johannsen, Leiter der Stabsabteilung Marktforschung der Burda Druck und Verlag GmbH, empfahl den Gesundheitserzieher*innen nachdrücklich, die jeweiligen Vorteile der einzelnen Medienformen und -formate themen- und zielgruppenspezifisch in Kampagnen zu kombinieren und dabei nicht vor den Mitteln der Werbung zurückzuschrecken. Nur auf diese Weise seien nicht nur Informationen zu vermitteln, sondern auch Emotionen anzuvisieren – Bedingung der Möglichkeit, Einstellungen und Verhaltensweisen zu ändern.126 Mit Internationalen Seminaren der Gesundheitserziehung verschaffte die BZgA dem internationalen Diskurs der Gesundheitserziehung eine deutschsprachige Variante. Sie veröffentlichte und affirmierte ein professionelles Verständnis, das sich, auf dem humanistischen Ideal der Beförderung von Gesundheit aufbauend, dem Leitbild einer angewandten Verhaltenswissenschaft, einer empi124 Kaprio, Leo A.: Was kann die moderne technisierte Gesellschaft von der Gesundheitserziehung erwarten?, in: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Verhaltensbeeinflussung durch die Gesundheitserziehung. Methodologische Probleme. Beiträge zur Grundlagenforschung in der Gesundheitserziehung unterbreitet dem I. Internationalen Seminar für Gesundheitserziehung (Kommunikation, Intermediavergleich, Evaluation), Genf 1970, S. 3–14, S. 10; Zur Biografie Kaprios: WHO/Europa (Hrsg.): Sixty Years of WHO in Europe, Copenhagen 2010, S. 23–28; http:// www.jhsph.edu/about/history/heroes-of-public-health/leo-kaprio.html, 13.9.2019. 125 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Verhaltensbeeinflussung. 126 Vgl.  Johannsen, Uwe: Ansätze zu einem Intermediavergleich, in: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Verhaltensbeeinflussung durch die Gesundheitserziehung. Methodologische Probleme. Beiträge zur Grundlagenforschung in der Gesundheitserziehung unterbreitet dem I. Internationalen Seminar für Gesundheitserziehung (Kommunikation, Intermediavergleich, Evaluation), Genf 1970, S. 139–156; und zu einem ähnlichen Appell vier Jahre später, der Widerstände gegen die Nutzung von Werbemethoden unter den Gesundheitserzieher*innen zumindest impliziert: Römer, Friedrich: Kann Gesundheitserziehung von der Werbung lernen, in: Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung e. V. (Hrsg.): Gesundheitserziehung von A–Z. Handbuch in Loseblattform, o. O. 1974, o. S. Zu den Arbeitsgruppenprotokollen siehe die Referenzen in: Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung, S. 274.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

risch evaluierten kommunikativen Praxis und eines internationalen Austausches verschrieb. Doch wie kam es dazu, dass die Organisation, die zuvor als Deutsches Gesundheits-Museum das Dresdner Modell der hygienischen Volksbelehrung konserviert hatte, sich am Ende der 1960er Jahre so entschieden für dieses Konzept der Gesundheitserziehung einsetzte? Welche Entscheidungen wurden zwischen der existenziellen Krise des Museums zu Beginn der Dekade und seiner Umwidmung in die BZgA getroffen und umgesetzt? Wie veränderte sich dabei das Institutionengefüge der Gesundheitsaufklärung in der Bundesrepublik?

Neues Personal und die Entscheidung für eine Bundeseinrichtung Zum Jahreswechsel 1961/62 zeichnete sich ab, dass das Deutsche GesundheitsMuseum in seiner damaligen Form nicht fortbestehen würde. Die Stadt Köln hatte entschieden, aus der Trägerschaft des Museumsvereins auszutreten. Alle Leitungsstellen waren vakant. Auf der letzten Sitzung des engeren Vorstands in jenem Krisenjahr besprachen die Vertreter der Träger jedoch weniger Lösungen für die prekäre Lage, als dass sie sich gegenseitig für diese verantwortlich machten. Von Kölner Seite wies man den Vertretern des Bundes die Schuld am Scheitern des DGM zu. Die Ministerialbeamten aus der Bundesverwaltung hätten zu sehr auf „verwaltungsmäßigen Gesichtspunkten beharrt“, um die „gleichgeartete dreigeteilte Partnerschaft“ funktionieren zu lassen. Theo Burauen und Max Adenauer hätten noch alles versucht, doch als der Bund immer stärker auf der Fusion von DGM und BAfgV bestanden habe, hätte sich im Rat der Stadt die „frühere Auffassung […] bestätigt, wonach Köln nichts anderes zu erwarten habe als Schwierigkeiten über Schwierigkeiten, verbunden mit verhältnismäßig hohen Ausgaben. Jetzt sollte ein für allemal Schluß sein.“127 In der Tat hatten vor allem die Medizinalbeamten des Bundes – gestärkt von der Erfüllung eines langen Traumes zur Absicherung des ÖGD, der Gründung des Bundesministeriums für Gesundheitswesen (BMG) unter Elisabeth Schwarzhaupt (1901–1986) im Herbst 1961 – ein Zusammengehen von Museum und BAfgV zu einem Zentralinstitut für Gesundheitserziehung ausgesprochen und dafür bereits eine Kommission gegründet.128 Dieses Gremium scheiterte bereits am ersten Schritt, einen gemeinsamen Geschäftsführer zu finden. Während der BAfgV die Aufgaben der Gesundheitserziehung vollkommen übernehmen wollte, machten die Vertre127 Alle Zitate in: Protokoll der Sitzung des engeren Vorstands des DGM am 5.12.1961, 9.12.1961, in: BArch, B 142/2014, Bl. 196–205, hier Bl. 203. 128 Vgl. Organisationsplan eines Instituts für Gesundheitserziehung, 5.5.1961, in: BArch, B 142/2008,  Bl. 4–16.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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ter des Bundes die Werkstätten am Museum stark, die eine eigene Organisation benötigten.129 De facto war damit eine Fusion an den verhärteten Fronten bereits aussichtslos geworden, bevor sie überhaupt hätte Schwung aufnehmen können – und das, obwohl weder auf Länder- noch auf Bundesebene Zweifel an der Notwendigkeit eines Zentralinstituts für eine moderne Gesundheitserziehung bestanden.130 Das wiederum störte den Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen. Ohne Fusion, ohne Kölner Absicherung eines musealen Neubaus und ohne die Garantie, dass das Land NRW einen ständigen Sitz im Vorstand eines nunmehr fraglich gewordenen neuen Gebildes zugesprochen bekäme, stünde die Beteiligung des Bundeslandes überhaupt auf der Kippe. „Praktisch stehe man damit wieder am Anfang“, so das Fazit am Ende des Jahres 1961.131 Damit lagen auch die Besetzungen der Leitungspositionen zunächst auf Eis, nach denen die Nachfrage ohnehin außerordentlich bescheiden blieb.132 Im Frühling 1962 fiel die Wahl der Bundes- und Landesvertreter auf Wolfgang Fritsche, der einige Tage vor seinem 39. Geburtstag am 1. Juli 1962 die Geschäfte übernahm.133 Mit dem Mediziner und Anatomen, der zwar in Deutschland studiert hatte, aber 1962 nach acht Jahren aus den USA und Kanada zurückkam, sahen sich vor allem die Medizinalbeamten des BMG in der Hoffnung bestärkt, die Gesundheitserziehung am DGM auszuweiten.134 Dafür stellte man die meisten Entwicklungsarbeiten im Museum zurück und gab dem neuen Leiter freie Hand bei der weiteren strukturellen und personellen Ausgestaltung des Zentralinstituts.135

129 Steinbiß (BAfgV) an BMG, o. D. (Anfang 1962), 27.2.1962, in: ebd., Bl. 187–189, 191; Protokoll der Sitzung des engeren Vorstands des DGM am 5.12.1961, 9.12.1961, in: BArch, B 142/2014,  Bl. 199–202. 130 Vgl. ebd., Bl. 198 f.; Anonym: Kranke Gesundheitserziehung. 131 Protokoll der Sitzung des engeren Vorstands des DGM am 5.12.1961, 9.12.1961, in: BArch, B 142/2014, Bl. 200. 132 Gerade einmal zwei Bewerbungen für den Posten des Museumsleiters waren eingegangen, vgl. ebd., Bl. 204 f. 133 Zu Wolfgang Fritsche vgl. Personalakte Wolfgang Fritsche laut E-Mail der WHO Records and Archives an den Verfasser, 15.8.2017. 134 Vgl. Bernhard Zoller an E.W. de Latre-Deleiter, 5.12.1962, in: BArch, B 142/398, Bl. 121 f. 135 Vgl. Zoller, Bernhard: Exposé für ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, 19.2.1962, in: BArch, B 142/2005, 1960–1964, Bl. 277–285; Jahresbericht des Deutschen Gesundheits-Museums 1962 vom 10.12.1963, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW  366,  Nr.  17,  Bl.  16–51, hier  Bl. 18–23.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Von Wolfgang Fritsche versprachen sich die Beteiligten eine Art Frischzellenkur.136 Fritsche sollte einen Neuanfang tragen, der den Prinzipien einer modernen Gesundheitserziehung entsprach. Das nötige Vertrauen des Vorstands in sein Potenzial, eine „bessere, großzügigere und methodisch unkompliziertere“ Arbeit zu betreiben, schöpft dieser gerade aus dem Umstand, dass er „von drüben“ komme.137 Die Verheißung externen Inputs speiste sich im Juli 1962 aber nicht daraus, dass Fritsche Erfahrungen mit der hygienischen Volksbelehrung in Dresden gesammelt hatte. Entscheidend war vielmehr seine Vertrautheit mit der Gesundheitserziehung in den USA und Kanada.138 Der Referenzpunkt für die als zeitgemäß geltende Gesundheitserziehung hatte sich somit von der Elbe an Orte jenseits des Atlantiks verschoben. Fritsche seinerseits machte recht rasch klar, dass viel zu tun sei. Dass das DGM überhaupt nicht den Vorstellungen eines Zentralinstituts für Gesundheitserziehung entspreche und es vor allem an Wissenschaftler*innen mangele, schrieb der neue Leiter bereits Ende Juli 1963 an die Vertreter des Landes NordrheinWestfalen.139 Damit befand sich Fritsche vollkommen in Einklang mit den Exposés aus dem Bundesministerium für Gesundheitswesen.140 Tenor in diesen war es, ein Zentralinstitut zu gründen, das die Grundlagenarbeit, die Aus- und Fortbildung, die Koordinierung und die Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Gesundheitserziehung übernahm und jegliche kommerzielle Tätigkeit der freien Wirtschaft überließ. Das neue Institut sollte nur mehr „Modellwerkstätten“ unterhalten, die „ausschließlich für die Entwicklung und den eigenen Bedarf arbeiten“ 141 sollten. Die Abschaffung der Lehrmittelproduktion, einer zentralen Stütze der hygienischen Volksbelehrung, wie sie Seiring in den 1920er Jahren am HygieneMuseum aufgebaut hatte, war beschlossene Sache. Ausschlag gaben dabei aber

136 Vgl. Hofer, Hans-Georg: 1957 – Frischzellen Fama. Paul Niehans und die westdeutsche Aufbaugesellschaft der 1950er Jahre, in: Eschenbruch, Nicholas/Balz, Viola/Klöppel, Ulrike/Hulverscheidt, Marion (Hrsg.): Arzneimittel des 20. Jahrhunderts. Historische Skizzen von Lebertran bis Contergan, Bielefeld 2009, S. 229–253. 137 Der Vorstand des DGM an dessen neuen Leiter Wolfgang Fritsche, 11.7.1962, in: BArch, B 310/114, 1962–1969, unpag. 138 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Vom DGM zur BZgA, S. 12. 139 Vgl.  Fritsche: Besprechungsvermerk einer Besprechung mit RegDir Günter Eberhard, 25.4.1963, in: BArch, B 310/114. 140 Vgl.  Organisationsplan eines Instituts für Gesundheitserziehung, 5.5.1961, in: BArch, B 142/2008, Bl. 4–16; Zoller, Bernhard: Exposé für ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, 19.2.1962, in: BArch, B 142/2005, Bl. 277–285. 141 Zoller, Bernhard: Exposé für ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, 19.2.1962, in: ebd., Bl. 279.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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nicht nur rechtliche Bedenken, mit öffentlichen Geldern einen funktionierenden Markt zu verzerren, sondern vor allem auch die Geringschätzung, welche die Gesundheitserzieher*innen diesem Bereich entgegenbrachten.142 Das wird beispielsweise in einer Passage zu den „Gläsernen Figuren“ deutlich: Der ‚Gläserne Mensch‘ ist ein reines Schaustück, dem angemessene gesundheitserzieherische Wirkungsmöglichkeiten abzusprechen sind, zumindest was den europäischen Raum betrifft. Es soll nicht verkannt werden, daß der ‚Gläserne Mensch‘ das bekannteste Objekt des Deutschen Gesundheits-Museum ist, das vor allem in den Entwicklungsländern auch heute noch viel Aufmerksamkeit erregt. Es sollte eine Möglichkeit gesucht werden, auch diese Produktion einschließlich des handwerklichen Fachpersonals einem geeigneten Lehrmittelverlag zu übertragen. Festzuhalten ist, daß von seiten des Bundes und der Länder kein gesundheitserzieherisches Interesse an der Produktion des ‚Gläsernen Menschen‘ besteht.143

Für eine gesundheitserzieherisch dienstleistende Behörde schien es überflüssig, Werkstätten oder eine Produktionsabteilung vorzuhalten. Statt Elektrikern, Schreinern, Präparatoren und anderen Handwerkern benötigte ein Zentralinstitut wissenschaftlich kundige Experten aus den Fachgebieten Medizin, Hygiene, Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Statistik, Publizistik und Dokumentation.144 Auf diese Umorientierung konnten sich Länder- und Bundesvertreter einigen. Mit dem Austreten Kölns fand das Konzept der musealen Bildungseinrichtung, welche sich durch Lehrmittelverkäufe zu einem guten Teil selbst trug, ohnehin keine Fürsprecher mehr. Doch fraglich blieb, wie die Organisation nunmehr ohne die Stadt getragen werden sollte. Der Bund versicherte, 50 Prozent der Kosten zu übernehmen, und erhoffte sich die anderen 50 Prozent von Länderseite.145 Doch bereits im Mai 1962 sollte das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen in Rücksprache mit dem BAfgV und gegen die Gesundheitsabteilung im eigenen Innenministerium entscheiden, dass die Tätigkeiten des Gesundheits-Museums alleinig in Bundeszuständigkeit gehörten. Das Land sollte ebenfalls aus dem Verein austreten, um den „Bund zur vollkommenen Übernahme zu zwingen“, so die Empfehlung.146 Am 4. Juli 1962, drei Tage nachdem Fritsche die Geschäfte 142 Vgl.  Drees (Verwaltungsleiter DGM): Vermerk über eine Besprechung im Bundesministerium für Gesundheitswesen, 22.1.1965, in: BArch, B  310/114. Vgl.  ebenfalls: Stellungnahme des Innenministers an den Landesrechnungshof NRW vom 24.4.1962, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 50–58. 143 Zoller, Bernhard: Exposé für ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, 19.2.1962, in: BArch, B 142/2005, Bl. 328. 144 Vgl. ebd., Bl. 278 ff. 145 Vgl. ebd., Bl. 281. 146 Vermerk zur Finanzreferentenbesprechung der Länder am 11.5.1962, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 91.

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 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

übernommen hatte, beschlossen die Finanzreferenten der Länder, diesen Weg zu gehen.147 Dagegen setzten die Medizinalbeamten der Länder auf die Idee, die Arbeitsgemeinschaft der leitenden Medizinalbeamten der Länder (AGLMB), welche die Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (GMK) vorzubereiten hatte, solle erklären, dass die Zuständigkeit für Gesundheitserziehung eigentlich bei den Bundesländern läge und damit diese zu einer Beteiligung bzw. Übernahme des Gesundheits-Museums durch die Länder zwingen.148 In dieser Situation überkreuzten sich die politischen Positionierungen von SPD und CDU mit denen zwischen Land und Bund. Laut einer Einschätzung der Interessenslage im Bundesministerium für Gesundheitswesen verfügten die Befürworter der Übernahme des Museums in die ausschließliche Bundeshoheit über ein SPD-Parteibuch, ihre Opponenten über eines der CDU oder der CSU – egal, ob sie für Bundes- oder Landesangelegenheiten zuständig waren. Ludwig Adenauer (1902–1971), Neffe Konrad Adenauers, ebenfalls CDU-Mitglied und damals Staatssekretär im Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, trat beispielsweise genauso für eine Finanzierung durch die Länder ein wie die Bundesministerin für Gesundheitswesen Elisabeth Schwarzhaupt. Schwarzhaupts Beamte fanden hingegen unter anderem Unterstützung beim SPD-Mitglied Ludwig von Manger-Koenig (1919–1983), Präsident der DZV und bis 1964 Leiter der Abteilung Öffentliches Gesundheitswesen beim Hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen.149 Die Lage war 1964 also folgende: Die Landesfinanzminister hatten bereits im Juli 1962 einer 50–50-Lösung die Zustimmung verweigert. Das BMF sowie der Bun147 Vermerk zur Finanzreferentenbesprechung der Länder am 4.7.1962, in: ebd., Bl. 94. 148 Vgl.  Vermerk Referat I A 4 (Bernhard Zoller, BMG): Deutsches Gesundheitsmuseum. Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder in Lübeck am 9.10.1964. Fernmündliche Rücksprache mit Herrn St. (Walter Bargatzky), 9.9.1964; Ludwig Adenauer an die Staatssekretäre der Ländergesundheitsministerien, 3.5.1964, in: BArch, B 142/2005, Bl. 20–25, hier Bl. 20 f. Zur AGLMB und der GMK siehe nahezu zeitgenössisch: Hopf, Ernst-Johannes (Hrsg.): Fünfundzwanzig Jahre Gesundheitsministerkonferenz in der Bundesrepublik Deutschland. Die Entschließungen der Gesundheitsministerkonferenz der Länder der Bundesrepublik Deutschland 1949–1974, Stuttgart 1976, S. 7–26. 149 Manger-Koenig sollte 1964 die Professur für Sozialhygiene und öffentliches Gesundheitswesen an der Freien Universität Berlin übernehmen, bevor er zwischen 1967 und 1973 im Bundesministerium für Gesundheit (ab 1969 Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit) den Posten des Staatssekretärs übernahm. Siehe hierzu: http://www.bundesarchiv.de/cocoon/ barch/0/z/z1961z/kap1_1/para2_28.html, 20.3.2020. Siehe ebenso den Ruf des DGM nach „Geld, Menschen und Raum“ in der Zeitung der Deutschen Sozialdemokratie: Ruby, Ursula: „Raum fehlt, Personal, Finanzen“. Besuch im Gesundheitsmuseum in Köln, in: Vorwärts. Die Zeitung der Deutschen Sozialdemokratie, 2.3.1966, S. 4.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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desrechnungshof bestanden aus Gründen der vermeintlichen Rationalisierung auf einer Zusammenführung der drei vom BMG geförderten Vereine im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens (DZV, BAfGV). 1963 hatten Gespräche zwischen Bernhard Zoller (BMG) und den Bundestagsfraktionen keinen Fortschritt im Bemühen gebracht, eine Finanzierungslösung für das Gesundheits-Museum zu finden. So sorgte das Land NRW schließlich mit seiner Kündigung der Trägerschaft für die Dringlichkeit, die prinzipiell bereits im Oktober 1964 die Lösung in Form einer alleinigen Bundeseinrichtung brachte.150 Die GMK bat den Bund darum, „die Weiterführung der Arbeit des Zentralinstituts zu gewährleisten […] [sowie, C.S.] diese Institution in einer geeigneten Rechtsform zu übernehmen und die notwendige Finanzierung aus dem Bundeshaushalt zu ermöglichen.“151

Die Politisierung von Gesundheit und die neue Dringlichkeit eines Zentralinstituts für Gesundheitserziehung Die Entscheidung für eine solche Lösung der alleinigen Bundeshoheit war auf einem Referententreffen der Gesundheitserzieher*innen aus den Landesgesundheitsverwaltungen und dem BMG am Gesundheits-Museum im September 1964 vorbereitet worden. Dieser Kompromiss ist wohl dem kommunikativen Stil Fritsches zuzuschreiben, der explizit betont und gelobt worden war.152 Immer wieder bekräftigte der Leiter des Museums auf dem Treffen, dass man sich kennenlernen, ins Gespräch kommen und Meinungen und Erfahrungen austauschen wolle. Mehrfach unterstrich er, dass das Zentralinstitut den Ländern dienen solle und fragte offen danach, welche Wünsche die Ländervertreter an

150 Vgl. BArch, B 142/2005, Bl. 22 f. Dabei hatte der Leiter der Gesundheitsabteilung im Innenministerium des Landes NRW, Hans Studt, noch zu Beginn der 1960er Jahre sich vehement für die maximal föderale Lösung eingesetzt: keine Verschmelzung und das DGM als Landeseinrichtung, notfalls auch getragen von Nordrhein-Westfalen allein. Siehe hierzu: Vorstandssitzung des DGM am 22.6.1960, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 14, Bl. 148; Braunöhler an Abteilungsleiter I: Lage am DGM, 19.5.1961, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 13, Bl. 19. 151 Entschließung der GMK vom 9.10.1964, in: Hopf: Fünfundzwanzig Jahre Gesundheitsministerkonferenz, S. 37 f. 152 So zum Beispiel erklärte der DGB, der seit 1963 Gedanken eines Austritts aus dem Verein binnenöffentlich machte, 1965 wegen Fritsches „umsichtiger […] Tätigkeit“ doch noch (bis zur Auflösung des Vereins) 1967 Mitglied bleiben zu wollen. Vgl.  Ergebnisprotokoll der Sitzung des erweiterten Vorstands des DGM vom 12.11.1963, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 366, Nr. 17, Bl. 113–120, hier Bl. 117 ff.; Hermann Beermann (DGB) an das DGM, 28.9.1964, in: BArch, B 142/2018.

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sein Institut hätten.153 Eine gute und engere Zusammenarbeit aller Interessierten und eine dafür hilfreiche ungebundene, offene Diskussionsatmosphäre standen für ihn im Vordergrund. Auch Zoller aus dem BMG, Manger-Koenig als Präsident der DZV sowie die anwesenden Vertreter des Bundesausschusses betonten ihren Willen zur Kooperation.154 Dazu klammerten die drei Hauptakteure alle strukturellen Streitpunkte aus: Die Frage nach der Organisation von Fortbildungen wurde genauso rasch zurückgestellt wie die nach der Fusion von BAfgV und Gesundheits-Museum.155 Fritsche, Manger-Koenig und Zoller bewarben stattdessen nochmals ihr Konzept von Gesundheitserziehung. Mit ausdrücklichem Verweis auf die WHO gehe es in der Gesundheitserziehung vor allem um die „Beeinflussung, etwas freiwillig zu tun“, so Fritsche. Zoller benannte dies als „Bemühen, eine Verhaltensänderung zu erreichen.“ Um solche Verhaltensweisen über Erziehung von Jugendlichen sowie Information und „Gesundheits-Werbung“ bei Erwachsenen zu fördern, brauche es eine entsprechende Grundlagenforschung, so Manger-Koenig. Das setzte nun einige „Vorarbeiten“ voraus: erstens eine „Kerntruppe an Gesundheitserziehern“; zweitens so viel Geld, dass man beispielsweise bei der Aufklärung über das Rauchen „gegen eine vielfach größere Beeinflussung durch die Werbung ankämpfen“ könne; drittens eine Zentrale, welche eine „koordinierende Funktion für die Zusammenarbeit mit den Ländern und Ministerien und […] Kreisen“ übernehme.156 Die drei nutzten dieses Treffen, die Bedenken auf Landes- und kommunaler Ebene gegenüber einer Bundeseinrichtung zu zerstreuen. Der ständige Verweis auf den kooperativen und den Initiativen vor Ort dienenden Charakter einer solchen Organisation wirkte wohl unterstützend – zumal von diesen Seiten kein  prinzipieller Widerspruch gegenüber einer verhaltens- und kommunikationswissenschaftlichen Ausrichtung der Gesundheitserziehung zum Zweck der Krankheitsprävention dokumentiert wurde.157 Dass die Beteiligten nach institutionellen Wegen der Zusammenarbeit suchten, korrespondierte mit der „unge153 Das war auch dringend nötig, waren doch viele der Anwesenden das erste Mal im Gesundheits-Museum. Einige kannten noch nicht einmal dessen Publikationsmaterial. Vgl. Protokoll des Treffens der Gesundheitserziehungsreferenten am 3./4.9.1964 im Deutschen Gesundheits-Museum. ZENTRALINSTITUT FÜR GESUNDHEITSERZIEHUNG e. V. (Sperrschrift im Original), in: ebd. 154 Vgl. ebd., hier bspw. S. 1, 4, 5, 7f., 13 f. 155 Vgl. ebd., hier S. 5 ff., 12. 156 Alle Zitate in ebd., hier S. 3 f., 10, 13. 157 Dieser Koordinierungsfunktion sollte die BZgA auch nachkommen. Im Jahr ihrer Gründung befanden sich auf ihren Verteilerlisten 4.983 Einträge an Interessierten, Engagierten und Anzusprechenden. Aus der Atmosphäre und dem Beschwören der kommunikativen Zusammenarbeit

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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wollten Politisierung“ der Gesundheit in den 1960er Jahren. Die massenmediale Skandalisierung des Umgangs der Verwaltungen des Gesundheitswesens mit den Auswirkungen der teratogenen Effekte des Wirkstoffs Thalidomid hatte 1962 deren defensive und autoritäre Öffentlichkeitsarbeit massiv überfordert. Im Contergan-Skandal war der Vorwurf eines Politikversagens als mangelhaften Schutzes vor Schaden und als nicht hinreichenden Fürsorge für die Geschädigten sagbar und eine entsprechende Empörung mobilisierbar geworden.158 Vor diesem Hintergrund mögen nicht nur Fritsches verhältnismäßig großer Gestaltungsspielraum bei der Umgestaltung des DGM zur BZgA und das Hoffen auf seine für Öffentlichkeitsarbeit sensible Kommunikativität sowie seine angloamerikanische Erfahrung plausibel erscheinen. Unter anderem wertete der Contergan-Skandal die öffentlich kommunizierte Sorge um die Gesundheit der Bürger vonseiten offizieller Stellen auf – etwas, das gerade den Kernbestand der Gesundheitsaufklärung ausmachen konnte.159 Dementsprechend nutzte auch Manger-Koenig bei dem September-Treffen das entfachte Interesse der Parteien an der Gesundheit als politischem Thema. An der Errichtung des Arbeitskreises „Führung zur gesunden Lebensweise“ der SPD 1963 unter Manger-Koenigs Beteiligung, am Mainzer gesundheitspowurde die BZgA ein kommunikativer Knotenpunkt der Gesundheitserziehung. Vgl. Verteilerlisten BZgA, November/Dezember 1967, in: ebd. 158 Vgl.  zur Sicherheit als universellem Code im Wahlkampf: Mergel, Thomas: Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949–1990, Göttingen 2010, S. 270–281. Weitere hier relevante und bereits in einigen Tiefenbohrungen erschlossene Kontexte einer Politisierung von Gesundheit im Dispositiv der Sicherheit: Stoff, Heiko: Gift in der Nahrung. Zur Genese der Verbraucherpolitik Mitte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2015; Gaudillière, Jean-Paul: Hormones at Risk. Cancer and the Medical Uses of Industrially-produced Sex Steroids in Germany, 1930–1960, in: Schlich, Thomas/Tröhler, Ulrich (Hrsg.): The Risks of Medical Innovation. Risk Perception and Assessment in Historical Context, London u. New York 2006, S. 148–169; Kessel, Nils: 1971 – Arzneimittelschäden zwischen Regulierung und Skandal. Das Beispiel des Appetithemmers Phentermin, in: Eschenbruch, Nicholas/Balz, Viola/Klöppel, Ulrike/Hulverscheidt, Marion (Hrsg.): Arzneimittel des 20. Jahrhunderts. Historische Skizzen von Lebertran bis Contergan, Bielefeld 2009, S. 283–308; Balz, Viola: Zwischen Wirkung und Erfahrung – eine Geschichte der Psychopharmaka. Neuroleptika in der Bundesrepublik Deutschland, 1950–1980, Bielefeld 2010, S. 311–453; Gaudillière, Jean-Paul/Hess, Volker (Hrsg.): Ways of Regulating Drugs in the 19th and 20th Centuries, Basingstoke 2013. 159 Vgl. dazu die in der Bundesrepublik kaum zu überschätzende Rolle des Contergan-Skandals für die Politisierung von Gesundheit: Steinmetz, Willibald: Ungewollte Politisierung durch die Medien? Die Contergan-Affäre, in: Weisbrod, Bernd (Hrsg.): Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen 2003,  S.  195–228; Lenhard-Schramm: Nordrhein-Westfalen und Contergan; Großbölting, Thomas/Lenhard-Schramm, Niklas (Hrsg.): Contergan. Hintergründe und Folgen eines Arzneimittel-Skandals, Göttingen 2017.

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litischen Programm der FDP und auch an der Betonung der Gesundheitserziehung durch die CDU könne man das gesteigerte allgemeine Interesse an der öffentlich gemachten staatlichen Sorge um Gesundheit ablesen, so der Präsident der DZV. Mit den methodologischen Arbeiten der WHO und der IUHEP müsse dies aber auch als Auftrag verstanden werden, die Gesundheitsaufklärung zur Gesundheitserziehung zu modernisieren und darüber das gesamte Feld des ÖGD zu restrukturieren.160 In der Tat wurde 1963 parlamentarische Kritik an der Arbeit des Bundesministeriums für Gesundheitswesen vonseiten der SPD laut. Neben dem Vorwurf an Elisabeth Schwarzhaupt selbst, weder eine klare Haltung, noch Kompromissbereitschaft zu zeigen, beanstandete die SPD-Fraktion, dass ein sicheres Arzneimittelrecht – eingebettet in einem allgemeinen Schutz vor Noxen – noch immer nicht vorgelegt worden sei. Ebenso waren Opposition und Regierung uneins im Hinblick auf die Besetzung der Leitungspositionen des Ministeriums mit Juristen (statt mit (Amts-)Ärzten) sowie die mangelhafte Gesundheitsfürsorge, allen voran der gesetzliche Schutz von Kindern, Jugendlichen und Müttern. Außerdem habe Gesundheitserziehung bislang nur rhetorischen Charakter.161 Die hohe Bedeutung der Sorge um die Gesundheit der Bürger blieb stillschweigender Konsens aller Fraktionen, beispielsweise in den 1964 beginnenden Beratungen der schließlich 1965 vorgenommenen Regulation der Arzneimittelwerbung (Heilmittelwerbegesetz).162 Das wurde vor allem klar in der Rezeption des Royal College of Physicians 1962 und des Terry-Reports im Januar 1964.163 Im März 1962 hatte das Bundesministerium für Gesundheitswesen auf den Bericht des Royal College of Physicians reagiert und am Bundesgesundheitsamt die Kommission „Tabak und Gesundheit“ zu dessen Auswertung eingerichtet.164 Im September des Jahres schlussfolgerte das Fachgremium, dass sofort mit einer sozialpsychologisch grundierten und (medial) konzertierten Gesundheitsaufklärung begonnen werden müsse, die vor allem auf Personen abziele, die mit dem

160 Vgl.  Protokoll des Treffens der Gesundheitserziehungsreferenten am 3./4.9.1964 im Deutschen Gesundheits-Museum. ZENTRALINSTITUT FÜR GESUNDHEITSERZIEHUNG e.  V. (Sperrschrift im Original), in: BArch, B 142/2018, hier S. 1 f. 161 Vgl.  Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll der 75. Sitzung. 4. Wahlperiode (1961–1965), 9.5.1963, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/04/04075.pdf, 3.8.2017, S. 3625–3629. 162 Vgl.  Ders.: Plenarprotokoll der 117. Sitzung, 21.2.1964, http://dipbt.bundestag.de/doc/ btp/04/04117.pdf, 3.8.2017, S. 5395–5399. 163 Vgl. oben, Kap. 5.1. 164 Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll der 22. Sitzung. 4 Wahlperiode (1961–1965), 22.3.1962, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/04/04022.pdf, 3.8.2017, S. 788.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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Rauchen gerade begonnen hatten, nämlich Jugendliche.165 Für Schwarzhaupt genügte es 1962 noch, diese politische Maßnahme einfach bekanntzumachen. Im  Januar 1964 reichte eine bloße Verkündung politischer Intervention nicht mehr aus. Von allen drei im Bundestag vertretenen Fraktionen musste Schwarzhaupts Staatssekretär Walter Bargatzky (1910–1998) sich fragen lassen, was die Bundesregierung zum Schutz der Jugend vor den nunmehr belegten gesundheitlichen Gefahren des Rauchens eigentlich unternehme. Seine Antwort bestand in der Versicherung, eine moderne, multimediale Gesundheitsaufklärung betreiben zu wollen.166 Aus dem Nexus der öffentlichen Sorge um die Gesundheit der Bürger, aus den gesundheitlichen Gefahren des Rauchens und dem unhinterfragt notwendigen Schutz der Jugend als vulnerabler Gruppe speiste sich nunmehr der Antrieb, das brachliegende Institutionengefüge der Gesundheitserziehung rationell zu bewirtschaften. Bis zur Bundestagswahl 1965 erlangte dieser Konnex in der politischen Debatte immer mehr Momentum. Schwarzhaupt und ihr Ministerium hatten sich auf eine dreigleisige Strategie festgelegt, die aus Aufklärung, dem Bedrängen der Tabakfirmen, ihre Werbung freiwillig zu beschränken, sowie einer Reduktion von Giftstoffen in Zigaretten bestand.167 Die Zusammenarbeit mit der Industrie, die von der Hoffnung getragen wurde, politisierbare Konfliktlinien nicht aufbrechen zu lassen (konkret die mit dem Finanzministerium, das die steuerlichen Einnahmen durch den Rückgang des Zigarettenabsatzes bedroht sah), lag ganz im Trend der Zeit. Eine ähnliche Strategie der Risikoreduktion und der Werbebegrenzung wurde zeitgleich beispielsweise ebenfalls in Großbritannien verfolgt.168 Dass dieses Vorgehen allerdings sowohl innerhalb der FDP als auch der SPD als nicht hinreichend erachtet wurde, kam im März 1965 im Bundestag zur Sprache.169 Nicht nur über das Thema des Rauchens profitierte die Gesundheitserziehung von einer Vermischung von gesundheitlichen

165 Vgl.  Elliot, Rosemary: From Youth Protection to individual Responsibility. Adressing Smoking among young People in Post-war West Germany, in: Medizinhistorisches Journal 45/2010, S. 66–101, S. 89f. 166 Vgl.  Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll der 109. Sitzung. 4. Wahlperiode (1961–1965), 24.1.1964, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/04/04109.pdf, 30.7.2018, S. 5027 ff. Die eindeutige Korrelation zwischen Zigarettenrauch und einer höheren Sterblichkeit, interpretiert als hinreichender Beleg eines kausalen Zusammenhangs, räumte Bargatzky schließlich im März 1965 ein. Siehe hierzu: Ders.: Plenarprotokoll der 171. Sitzung. 4. Wahlperiode (1961–1965), 11.3.1965, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/04/04171.pdf, 30.7.2018, S. 8607. 167 Vgl.  Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll der 196. Sitzung. 4. Wahlperiode (1961–1965), 2.7.1965, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/04/04196.pdf, 3.8.2017, S. 10052. 168 Vgl. Kap. 5.1. 169 Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 11.3.1965, S. 8607.

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mit sozialen Aspekten in der Sorge um die Jugend.170 Bei den „klassischen“ sozialen Gruppen der Gesundheitsfürsorge (Frauen, Kinder, Jugendliche), welche das Bismarck’sche Modell der Sozialversicherung durch die Bindung von Versicherungsansprüchen an Erwerbsarbeit vulnerabel gemacht hatte, galt das Bemühen nach wie vor der Schwangeren- und Müttergesundheit. Doch nun wurde es prioritär, die entsprechende Zielgruppe von der Notwendigkeit von Vorsorgeuntersuchungen handlungsleitend zu überzeugen.171 Das Gesetz für Jugendwohlfahrt von 1961 hatte darüber hinaus die Bundesregierung verpflichtet, über die Lage der Jugend regelmäßig zu berichten sowie Möglichkeiten der Verbesserung ihrer sozialen Lage(n) aufzuzeigen. Gleich der erste dieser Berichte erwähnte auch Gesundheitserziehung, erhöhte also deren politische Bedeutung. Explizit wurde darin dem Zentralinstitut für Gesundheitserziehung die Aufgabe zugeschrieben, Unterrichtshilfen und Handreichungen zur Verfügung zu stellen.172 Mit der Sorge um die Jugend gelangten Themen wie Rauch- und Drogenaufklärung auf die Agenda. Ältere Themen der Gesundheitsaufklärung, wie Zahngesundheit, Ernährung oder Sexualität, wurden als Gegenstände einer ausstehenden Verhaltensmodifikation mit kommunikativen Mitteln und zunehmend weniger von den Krankheiten aus gedacht: Es ging nun um Sexualität, weniger um Geschlechtskrankheiten.173 Eine derartige Gesundheitserziehung war politisch wichtig geworden und strukturell wurde dies spätestens 1965 an der Frage festgemacht, wie die Bundesregierung ihre Kompetenzen diesbezüglich institutionalisieren konnte. Das BMG informierte am 2. Juli 1965 das BMF darüber, dass es mit Verweis auf den Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom Oktober 1964 beabsichtige, „den  eingetragenen Verein ‚Deutsches Gesundheitsmuseum‘ in eine nichtrechtsfähige Bundesanstalt mit der Bezeichnung ‚Bundeszentrale für Gesund-

170 Vgl.  allgemein zum Rauchen in der Bundesrepublik und zur Sorge um die Jugend interpretiert als Modernisierung und Demokratisierung: Schildt/Siegfried: Deutsche Kulturgeschichte, S. 250 ff., 292–298. 171 Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll der 167. Sitzung. 4. Wahlperiode (1961–1965), 24.2.1965, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/04/04167.pdf, 3.8.2017, S. 8343; Ders.: Plenarprotokoll der 175. Sitzung. 4. Wahlperiode (1961–1965), 25.3.1965, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/04/04175.pdf, 4.8.2017, S. 8799. 172 Vgl. Deutscher Bundestag: 1. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. 4. Wahlperiode (1961–1965), 14.6.1965, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/04/035/0403515.pdf, 5.8.2017, S. 149–157. 173 Ferner wurde auch die Verantwortungsübernahme zur Ernährungsaufklärung zum Zweck der Kariesverhütung an das Bundesministerium für Gesundheitswesen herangetragen. Vgl. Ders.: Plenarprotokoll der 181. Sitzung. 4. Wahlperiode (1961–1965), 12.5.1965, http://dipbt.bundestag.de/ doc/btp/04/04181.pdf, 4.8.2017, S. 9088 f.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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heitserziehung‘ umzuwandeln.“174 Das Finanzministerium jedoch verweigerte eine Genehmigung mit der Begründung einer Nicht-Zuständigkeit des Bundes. Staatssekretär Bargatzky zeigte sich über diese Nachricht mitten im Wahlkampf 1965 aus politischen Gründen – das ohnehin schon schlechte Image des BMG im Blick – bestürzt: Der Vorgang reiht sich als ein typisches Beispiel mangelnder Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung in die Kette der für unser Haus bedrohlichen Fehlschläge ein. Gerade die Diskussionen im Wahlkampf und gewisse Veröffentlichungen in der Tagespresse zeigen deutlich, daß man unserem Hause in der Aufklärung der Bevölkerung Versäumnisse vorwirft. Erst vor einigen Tagen hat […] Willy Brandt […] eine durch den Bund geleitete Gesundheitserziehung gefordert.175

Bargatzkys Skizze der gesundheitspolitischen Lage dokumentierte, dass eine andere politische Lösung als ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung nicht mehr vorstellbar war. Letztlich, so der Staatssekretär, entscheide sich an dieser die Zukunft der Gesundheitspolitik auf Bundesebene im Allgemeinen und des erst jungen und zur Diskussion stehenden Gesundheitsministeriums im Speziellen: Unser Haus wird daher in seiner Zukunft getroffen werden, wenn es nicht gelingt, den Bundesfinanzminister von Grund auf umzustimmen. Praktisch wird sich ein Wandel nur erreichen lassen, wenn die neue Bundesregierung die Konzeption der Gesundheitserziehung in der oben skizzierten Breite als Kernstück unserer Gesundheitspolitik und als unstreitige Kompetenz des Bundes übernimmt.176

Hatten die Gesundheitsaufklärung und ihre Organe Jahre lang ein politisches Schattendasein geführt, wurde fast plötzlich die Frage um das Zentralinstitut für Gesundheitserziehung (gesundheits-)politisch wichtig. Denn an ihr ließ sich nun der Erfolg oder Misserfolg der Regierung darin, sich um die Gesundheit ihrer Bürger zu sorgen, öffentlich zeigen und festmachen.

Die Neustrukturierung des institutionellen Feldes Der Plan des BMG für das neue Zentralinstitut sah eigentlich vor, zunächst aus Museum, Bundesausschuss und Deutscher Zentrale ein gemeinsames Kura-

174 Staatssekretär Bargatzky an Frau Ministerin Schwarzhaupt, 6.9.1965, in: BArch, B 142/2007, 1965–1966, Bl. 222. 175 Ebd., Bl. 223. Siehe hierzu auch: Ruby: Raum fehlt. 176 Staatssekretär Bargatzky an Frau Ministerin Schwarzhaupt, 6.9.1965, in: BArch, B 142/2007,  Bl. 224.

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torium zu bilden. Daraufhin sollten die Vereine in drei Abteilungen überführt werden und in diese abschließend alle weiteren, geringfügiger bezuschussten Freiwilligenvereine aufnehmen.177 Die Bundesgesundheitsverwaltung verfolgte ein Leitbild der maximalen Zentralisierung des institutionellen Feldes der Gesundheitserziehung. Dass sich ein solches Zentralinstitut allerdings eher als koordinativer und kommunikativer Knotenpunkt eines Netzes realisieren sollte, das war bereits auf dem Treffen im September 1964 deutlich geworden. Einerseits war das Feld der Gesundheitserziehung zu divers, um zentral gesteuert und auch an Akteuren zu vielfältig, um nur „im behördlichen Raum“ koordiniert zu werden. Andererseits entwickelten die Deutsche Zentrale sowie der BAfgV erheblichen Widerstand gegen ihre Auflösung. Diese Renitenz wurde dadurch bestärkt, dass 1964 sowohl der Bundesrechnungshof als auch das BMF ihre Kritik an der vermeintlichen Gießkannentaktik des BMG nochmals wiederholten. Anstelle eines solchen Vorgehens verlangten beide Stellen eine „stärkere Koordination und Konzentration“ unter den drei Zuwendungsempfängern.178 Umgehend wandte sich das Präsidiumsmitglied im Deutschen Ärztetag, der stellvertretende Vorsitzende des BAfgV sowie des Bundestagsausschusses für Gesundheitswesen, Gerhard Jungmann (1910–1981), an seine Parteifreundin Elisabeth Schwarzhaupt und bat sie um Unterstützung dafür, das Überleben der Organisationen zu sichern.179 Vonseiten des Bundesministeriums versicherte man dem BAfgV daraufhin dilatorisch dessen Selbstständigkeit nicht infrage zu stellen und daher auch nichts zu unternehmen, ohne sich verständigt zu haben. Gleichzeitig bestanden die Ministerin und ihr Abteilungsleiter aber darauf, die Zusammenarbeit unter den Organisationen zu vertiefen.180 Gerade der DZV wegen kamen die Medizinalbeamten im BMG aber von ihren eigentlichen Fusionsplänen ab. Dafür exemplarisch zitierte Bernhard Zoller in seinem Vermerk über die Mitgliederversammlung der DZV vom Oktober 1964 aus einem Gespräch, das er mit einem Vertreter des Verbandes der Rentenversicherungsträger geführt hatte: „Wo sonst ist für 180  000  DM so viele geistige,

177 Vgl. Zoller, Bernhard: Exposé für ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, 19.2.1962, in: BArch, B 142/2005, Bl. 23 ff. Zu diesen weiteren Körperschaften gehörten die Deutsche Gesellschaft für Schulgesundheitspflege und Freilufterziehung, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und Ernährungsberatung, der Deutsche Jugendgesundheitsdienst, das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose sowie der Deutsche Zentralausschuss für Krebsbekämpfung und Krebsforschung. 178 Vgl. Vermerk Referat I A des BMG, 12.8.1964, in: BArch, B 142/1971, 1956–1964, unpag. 179 Vgl. Jungmann an Schwarzhaupt, 28.6.1965, in: ebd. 180 Stralau an Kühn, 29.3.1965; Schwarzhaupt an Jungmann, 12.5.1965, in: BArch, B 142/2008,  Bl. 194 f., 215.

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ehrenamtliche Potenz zu finden [wie in der DZV, C.S.]?“181 Es wurde (wieder) klar, dass der ÖGD von einem Organ profitieren würde, das „vorparlamentarische Gesundheitspolitik“182 betrieb. Da jedoch ab 1965 die Zuwendungen des Bundes an die beiden Verbände sanken, während die an das Gesundheits-Museum anstiegen, kamen vor allem innerhalb des BAfgV Vermutungen auf, dass das Ministerium insgeheim dessen Fusion mit dem neuen Zentralinstitut in die Wege leitete.183 So kam es im April 1966 zu einer „stürmischen Mitgliederversammlung“, an deren Ende der BAfgV eine Resolution an das BMG beschloss. Das Ministerium solle den einmaligen „Zusammenschluß der freiwilligen Organisationen“ bewahren und keinesfalls gedenken, ihn mit dem Zentralinstitut zusammenzulegen. Ein solches zivilgesellschaftliches Organ müsse der Gesundheitserziehung erhalten bleiben, weil nur dieses die notwendige Zusammenarbeit im nicht-behördlichen Raum garantieren könne.184 Im Sommer 1966 hatte das BMG schließlich sowohl den Bundesrechnungshof als auch das BMF von der Notwendigkeit der Existenz einer zentralen Behörde für Gesundheitsaufklärung einerseits und von der organisatorischen Selbstständigkeit der beiden anderen Vereine andererseits überzeugt. Dafür bestanden BMF und der Bundesrechnungshof aber auf konkreten Kooperationsabsprachen mit den Ländern, einer langfristigen Absicherung der Organe und der Konzentration der Subventionen auf diese drei Akteure.185 Nach einer letzten Verzögerung durch das Zerplatzen der CDU-FDP-Koalition im Oktober 1966 und durch die Bildung der Großen Koalition im Dezember 1966 (wodurch das Bundesministerium in Person von Käte Strobel (1907–1996) in SPD-Leitung überging), wurde im Juli 1967 die BZgA als nichtrechtsfähige Bundesanstalt eingerichtet.186 Die neue Ministerin hatte noch an der Semantik ihres Titels gedreht und „Aufklärung“

181 Zoller, Bernhard: Vermerk über die Mitgliederversammlung der DZV, 23.10.1964, in: ebd., Bl. 237. Siehe ferner den „Nekrolog“ der DZV von 1996: Labisch et al.: 40 Jahre. 182 Stralau an Kühn, 29.3.1965, in: BArch, B 142/2008, Bl. 194. 183 Vgl. Stralau an Kühn, 29.3.1965, in: ebd., Bl. 194 f. 184 Niederschrift über die Mitgliederversammlung des BAfgV am 5.4.1966, in: BArch, B 310/117, 1960–1968, hier S. 4, 6 f. Siehe ebenso aus Sicht des BAfgV: Anonym: Quo vadis – „Gesundheitserziehung?“, in: DMI-Nachrichten 17/1966, S. 3–4, S. 3. 185 BMF an BMG, 25.8.1966, in: BArch, B 142/2007, Bl. 313. So drängte das BMG in den Folgejahren die Bundeszentrale wiederholt dazu, die Aufgabenabgrenzung mit dem BAfgV zu verschriftlichen. Vgl.  Referat Haushalt, Organisation an die BZgA, 21.11.1968; Referat Gesundheitshilfe, Gesundheitserziehung des BMG an die BZgA, 28.1.1969, in: BArch, B 310/118, 1966–1970, unpag. 186 Vgl.  DGM an den Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, 3.6.1966, in: BArch, B 142/2018. Der Gründungserlass findet sich in: Bundesminister für Gesundheitswesen (Käte Strobel): Erlaß über die Errichtung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom 20. Juli 1967, in: Gemeinsames Ministerialblatt 18/1967, S. 374–375.

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statt „Erziehung“ durchgesetzt. Es ist zu vermuten, dass dies weniger die Arbeitsaufgaben spezifizieren, als vielmehr ihre Tätigkeit möglichst weit fassen und die Konnotation der Belehrung vermeiden wollte.187 In der Begriffsverwendung blieb man allerdings zunächst vor allem vonseiten der Mitarbeiter der BZgA vorrangig bei „Gesundheitserziehung“.188 Diesen Begriff setzte auch der BAfgV zentral, als er sich von der hygienischen Volksbelehrung im Titel trennte. Die Abgrenzung zwischen dem Zentralinstitut und dem BAfgV sanktionierte 1969 dann im Kern die Resolution von 1966. Es wurden die Zuständigkeitssphären aufgeteilt. Mit der Umbenennung des BAfgV zur Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung e. V. legte man den Tätigkeitsbereich „der Spitzenvereinigung der freien Initiative“ auf den „nichtbehördlichen Raum“ fest.189 Sollte also die Bundesvereinigung gesellschaftliche Breitenwirksamkeit herstellen, hatte die BZgA als Dienstleisterin mit methodischem Rat und materieller Tat zur Seite zu stehen – und die Sorge des Staates um die Gesundheit seiner Bürger zu operationalisieren und zu symbolisieren.

Konzeptarbeit für die Bundeszentrale für Gesundheitsaufklärung Der knappe Gründungserlass des Bundesministeriums für Gesundheitswesen setzte der Bundeszentrale insgesamt vier Aufgaben auf die Agenda: Richtlinien und Grundsätze für Inhalt und Methoden der praktischen Gesundheitserziehung auszuarbeiten, entsprechendes Fachpersonal hierfür aus- und weiterzubilden, für die nationale Breitenwirkung der Gesundheitsaufklärung zu sorgen und die Zusammenarbeit mit dem Ausland zu gewährleisten.190 Diese inhaltlich auszuarbeiten, damit hatte Fritsche fast unmittelbar nach seiner Berufung begonnen und im Oktober 1962 eine erste Weiterentwicklung von Zollers Exposé für ein Zentralinstitut der Gesundheitserziehung vorgelegt. Diese Konzeption fußte auf drei 187 Anonym: Public Relations im Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, Dez. 1964, in: BArch, B 310/1, 1962–1967, unpag., hier S. 1. 188 Vgl.  exemplarisch: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll der 98. Sitzung. 5. Wahlperiode (1965–1969), 15.3.1967, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/05/05098.pdf, 10.8.2017,  S.  4527; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Vom DGM zur BZgA. Käte Strobel verwendete Erziehung und Aufklärung nebeneinander, verband mit Erziehung jedoch tendenziell eher den Teilbereich der didaktischen und pädagogischen Praxis. Vgl. exemplarisch: ebd., S. 3; Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll der 187. Sitzung. 5. Wahlperiode (1965–1969), 27.9.1968, http://dipbt. bundestag.de/doc/btp/05/05187.pdf, 10.8.2017, S. 10137. 189 Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung e. V. (Hrsg.): Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung e. V. Ihre Entstehung, Ihre Aufgaben, Ihre Mitarbeiter, Bonn 1989, S. 6. 190 Vgl. Bundesminister für Gesundheitswesen: Erlaß über die Errichtung der BZgA, S. 374.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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Prinzipien. Die wissenschaftliche Abteilung musste personell und funktionell das Übergewicht haben. Das Zentralinstitut hatte die Akteure der Gesundheitserziehung gleichermaßen zu beraten, wie ihren Wünschen Rechnung zu tragen. Und die Produktion und der Vertrieb der vom Zentralinstitut entwickelten Veröffentlichungen musste ausschließlich der freien Wirtschaft überlassen werden; die Produktionsabteilung würde dementsprechend ausschließlich als Modellwerkstätte für die Entwicklung und den eigenen Bedarf arbeiten.191 Im Kern skizzierte dieses Programm damit bereits das Statut von 1967. Die Öffentlichkeitsarbeit war eines der größeren Anliegen Fritsches. Ein Grundsatzpapier aus dem Jahr 1964 führte dafür den Begriff der Public Relations ein. Die „Vertrauenswerbung durch Öffentlichkeitsarbeit“ hatte demnach langfristig und stetig angelegt und durch Meinungsforschung vorbereitet, begleitet und ausgewertet zu werden sowie sowohl auf eine erwünschte Verhaltensänderung abzuzielen als auch ein Image für das Zentralinstitut zu schaffen.192 Beides müsse als miteinander verflochten und untrennbar angesehen werden, denn beides würde das Symbol der Gesundheitserziehung (das Zentralinstitut) selbst bewerben. Die Public-Relations-Arbeit vonseiten eines Zentralinstituts sei demnach gleichbedeutend mit Gesundheitserziehung, das heißt mit der „Erziehung der Öffentlichkeit zu einem gesundheitsfördernden Verhalten.“193 Weil nun das Institut die Leistungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Gesundheitserziehung repräsentiere, müsse entweder auf einen Neubau gedrängt oder sich möglichst schnell von der Bezeichnung Museum getrennt werden. Die periphere Lage in Merheim untergrabe jegliche Chancen, Personen zu erreichen, die aus eigenem Antrieb die ständige Schausammlung besichtigen würden. Eine solche wie bislang alleine für Schülergruppen zu betreiben, reiche nicht aus. Stattdessen sollte das Zentralinstitut auf „das wichtigste Public-Relations-Medium“194 vertrauen – das Fernsehen. Denn dieses garantiere nicht nur eine große Breitenwirkung und ungeplante Schneeballeffekte. Die Modernität des Mediums färbe auf das Thema selbst ab. Diese Erkenntnis war in der Tat brandneu – das Medium selbst sei eine Botschaft.195 Gerade aufgrund der Wichtigkeit der Public Relations als Gesundheitserziehung und der Notwendigkeit, die Symbiose von

191 Vgl. Fritsche: Konzeption eines Deutschen Instituts für Gesundheitserziehung nach einem Exposé von Dr. Zoller, 30.10.1962, in: BArch, B 310/114. 192 Vgl. Anonym: Public Relations im Zentralinstitut für Gesundheitserziehung, Dez. 1964, in: BArch, B 310/1, hier S. 1, 12. 193 Vgl. ebd., hier S. 1 f., 13. Zitat auf S. 13. 194 Vgl. ebd., hier S. 3–5. Zitat auf S. 7. 195 McLuhan, Marshall: Understanding Media. The Extensions of Man, New York 1964.

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Medium und Botschaft durchschauen und beherrschen zu können, erhielt das Zentralinstitut Unterstützung von außen – von Public-Relations-Agenturen.196 Der Gedanke, dass Gesundheitserziehung eine Public-Relations-Arbeit sei, fand sich auch im Mai 1965 prominent in der fast 100-seitigen Denkschrift zur Umwandlung des Museums in eine Bundeszentrale (für Gesundheitserziehung). Gleich in den ersten Sätzen machten die Autoren klar, dass Gesundheitserziehung versucht, mit modernen Methoden der Pädagogik, der Werbung und der sonstigen Beeinflussung dem noch gesunden Menschen Verhaltensweisen näherzubringen, die sich auf die Erhaltung seiner Gesundheit positiv auswirken.197

Das Exposé bestätigte somit nochmals die Priorität der Verhaltensbeeinflussung und die Verwendung der nötigen kommunikativen Methoden. In ihm bekannte sich Fritsche sinngemäß zum ubiquitären und seit Jahren sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR wie ein Mantra wiederholten Statement, durch Gesundheitserziehung „passives Wissen in aktives Handeln umzuwandeln.“198 Dieses Ziel könne immer nur mit modernsten Methoden erreicht werden: Wenn auch die Zielsetzungen der Gesundheitserziehung nicht heutigen Datums sind, so müssen doch ihre Methoden immer modern […] gehalten werden […]. Die thematische und psychologische Vorbereitung gesundheitserzieherischer Aktionen muß durch Ergebnisse angewandter Forschung wissenschaftlich unterbaut werden. Eine empirische Basis für erfolgreiche Gesundheitserziehung setzt Forschungsmittel voraus, die nicht nur eine Beobachtung der Entwicklung anderer Forschungs- und Lehrgebiete ermöglicht, sondern auch Feldstudien, Experimente und Modellversuche.199

An den Anfang der Gesundheitserziehung in der Praxis setzte der Entwurf Forschung – eine sozialwissenschaftliche Forschung, welche Ist- und Soll-Zustände abglich sowie Meinungen und Motive sichtbar machte. Sie sollte „Marktforschung auf dem Gebiete der Gesundheit“ betreiben, die richtigen Medien zielgruppenspezifisch mit externen Medienexperten auswählen, deren Einsatz planen und koordinieren sowie ihre Wirkung kontrollieren und schließlich Empfehlungen für

196 Vgl. zur Öffentlichkeitsarbeit des DGM in dieser Zeit: BArch, B 310/289, 1964–1969, passim. 197 Fritsche: Konzeption eines Deutschen Instituts für Gesundheitserziehung nach einem Exposé von Dr. Zoller, 30.10.1962, in: BArch, B 310/114, hier S. 1 f. 198 Eine frühe Erwähnung findet dieser Ausspruch im Jahresbericht des BAfgV vom August 1956, in: BArch, B 310/115, hier S. 6. Siehe ebenso: Schubert, Gerda/Speier, Kurt: Senkung des Krankenstandes durch gesundheitliche Aufklärung und Erziehung im Betrieb. Vortrag für die 3. Vollversammlung des NKGE am 3.12.1963, in: BArch, DQ 1/22446, hier S. 4. 199 Anonym (Wolfgang Fritsche): Gedanken zur Umwandlung des Deutschen GesundheitsMuseums. Zentralinstitut für Gesundheitserziehung e.  V. in eine Bundeszentrale für Gesundheitserziehung, 15.5.1965, in: BArch, B 310/114, hier S. 4.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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weitere Maßnahmen abgeben. Dafür brauche das zukünftige Zentralinstitut nicht nur das entsprechend qualifizierte Personal, sondern müsse sich darüber hinaus noch selbst als Aus- und Fortbildungsstätte von Schlüsselpersonen betätigen.200 Eine so skizzierte Gesundheitserziehung brauche deswegen eine Bundeszentrale (BZ), die sich umfassend vom bisherigen Gesundheits-Museum unterscheiden müsse: Die BZ unterscheidet sich […] von der bisherigen Arbeitsform des DGM durch eine wesentliche Ausweitung ihres Aufgabenbereiches. Medizinisch-biologische Grundlagenarbeit, Marktforschung, Mediaplanung und Erfolgskontrolle sind unerlässliche Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Gesundheitserziehung und müssen ihren organisatorischen Niederschlag finden. Hauptfunktion der BZ ist Erziehung […].201

Die neue Bundeszentrale sollte sich nicht nur von ihrer eigenen, unmittelbaren Vergangenheit lossagen. Sie wurde im Namen ihrer Modernisierung aus der deutschen Tradition der hygienischen Volksbelehrung entflochten: In den Ausführungen zur Geschichte des Deutschen Gesundheits-Museums wurde Seirings Dresdner Organisationsmodell als Fehlentwicklung beschrieben. In einer Einrichtung, die vor allem auf den Lehrmittelhandel abziele, sei eine moderne Gesundheitserziehung nicht möglich, so der Tenor. Dadurch habe nämlich die technische Abteilung immer Übergewicht und die Öffentlichkeitsarbeit beschränke sich auf Verkaufs- statt Gesundheitswerbung. Aus der kommerziellen Tätigkeit des Museums habe sich zudem eine Personallage ergeben, die eine wirksame Gesundheitserziehung verhindere: Der Versuch, mit einem technisch-künstlerisch orientierten Mitarbeiterstab ohne zusätzliche wissenschaftliche und journalistische Mitarbeiter Gesundheitserziehung betreiben zu wollen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt.202

Hier wurde demnach ebenfalls deutlich, dass das neue Personal vor allem medizinisch-biologische, sozial- und verhaltenswissenschaftliche sowie pädagogische und journalistisch-redaktionelle Expertisen mitbringen sollte.203 Fritsches Denkschrift wurde im Bundesministerium für Gesundheitswesen intensiv überarbeitet, aber schließlich als Grundlage für das Arbeitsprogramm der BZgA akzeptiert.204 Gesundheitserziehung operierte in diesem Konzept als 200 Vgl. ebd., hier S. 4–23, Zitat auf S. 6. 201 Ebd., hier S. 25. 202 Ebd., hier Anlage III, S. 5. Vgl. ebenso: Anlagen IIIb–IIId; Anonym: Entlauste Klasse. Gigantische Gesundheitserziehung, in: Euromed 4/1964, S. 406–411 = Anlage IIIb. 203 Vgl. BArch, B 310/114, Anlage III, S. 10. 204 Vgl. BArch, B 142/2006, 1960–1964, passim.

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„Gesundheits-Werbung“ ausschließlich in Kampagnenformen der Public Relations. Doch welchen Themen sollte sich die „Gesundheits-Werbung“ der neuen Bundeszentrale nun zuwenden?

Themen im Modus der Gesundheitserziehung: Sexualität und Rauchen Nahezu im gleichen Atemzug mit der Aufklärung über die Gefahren des Rauchens war zur Mitte der 1960er Jahre auch das Thema der Sexualaufklärung auf die Agenda der Gesundheitserziehung gekommen. Hier bestand die Stoßrichtung vor allem in einer vertrauensvollen, offiziellen Thematisierung von Kontrazeption.205 Sowohl der Film Helga, als auch der Sexualkunde-Atlas der Bundeszentrale von 1969/1974 waren erste Produkte des neuen Modus der Gesundheitserziehung.206 Mit Käte Strobel als Bundesministerin für Gesundheit wurde dies 1967 programmatisch. Auf der Gewissheit von Aussagen „namhafter Wissenschaftler und Erzieher wie auch mit den Erfahrungen der Eheberater und Erziehungsberater“ beruhend, erklärte sie Sexualaufklärung zur kompensatorischen Aufgabe der Bundesregierung. Denn „die Erziehung der Kinder und Jugendlichen auf geschlechtlichem Gebiete seitens der Eltern geschehe in unbefriedigender Weise.“207 Der Sexualkunde-Atlas polarisierte: Den Konservativen ging er zu weit, den Progressiven nicht weit genug.208 Für die Ersteren markierte er den (nunmehr auch durch die „Pille“ geförderten) Sittenverfall und die Aufforderung zum freizügigen Ausleben jeglicher Sexualität; für die Letzteren trug der Atlas in einem autoritären Ton (wieder) eine Reduktion zwischenmenschlichen Handelns auf

205 Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll, 21.2.1964,  S.  5398; Elliot: From Youth Protection, S. 92; Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll, 24.2.1965, S. 8340, 8343. Siehe für die größeren zeitlichen und räumlichen Linien der Sexualaufklärung exemplarisch: Sauerteig/Davidson: Shaping Sexual Knowledge; Bänziger et al.: Dr. Sex; Wellmann: Beziehungssex; Bonah/Laukötter: Screening Diseases. 206 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Sexualkunde-Atlas. Biologische Informationen zur Sexualität des Menschen, Opladen 1969; Dies. (Hrsg.): Sexualkunde-Atlas. Biologische Informationen zur Sexualität des Menschen, Opladen 1974. 207 Deutscher Bundestag: Materialien zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn, Stingl, Schroeder, Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSU betreffend der Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland. 5. Wahlperiode (1965–1969), 30.11.1967, http://dipbt. bundestag.de/doc/btd/05/024/0502441.pdf, 5.8.2017, S. 8. 208 Vgl. Anonym: So einfach. Sexualkunde-Atlas, in: Der Spiegel, 30.9.1969, S. 107 f.; Wex, Inga: Sexualkunde-Atlas im Kreuzfeuer. Grobe und harte Mittel, 18.7.1969, http://www.zeit.de/1969/29/ sexualkunde-atlas-im-kreuzfeuer/komplettansicht, 14.9.2019; Schubert, Franziska: Verkrampfter Eros, 2009, https://www.fr.de/wissen/verkrampfter-eros-11483117.html, 14.9.2019.

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biologisch-physiologische Prozesse vor.209 In der Tat legte der als Schulmaterial für die 1968 von der Kultusministerkonferenz beschlossene Sexualkundeerziehung gedachte Atlas einen Schwerpunkt darauf, biologische und physiologische Prozesse zeigend zu erklären. Dies traf allerdings auch auf Methoden der Empfängnisverhütung mitsamt der Darstellung von unterschiedlichen rechtlichen Regelungen zur Schwangerschaftsunterbrechung zu. Der Atlas sprach kaum Handeln, Wollen und Gefühle an. Er hielt auch einen wissenschaftlich-belehrenden Duktus durchgehend bei. Doch als Lehrmittel repräsentierte er die Grenzen dessen, was für eine offizielle Stelle in dieser Zeit sagbar war.210 Genauso repräsentierte er ein (gemessen an den Verkaufszahlen) enorm erfolgreiches Bemühen der Bundesregierung um die Thematisierung von Sexualität, das die Balance zwischen der Befähigung zum selbstbestimmten Handeln und der autoritär-paternalistischen Anleitung von einer oberen Regierungsstelle aus suchte.211 Am Rande zeigte sich außerdem, wie weit sich die alten personalen Netzwerke der hygienischen Volksbelehrung von dem getrennt hatten, was 1967 die BZgA wurde. Wilhelm Hagen schickte im Oktober 1969 eine Meinung seines langjährigen Freundes Rudolf Neubert zum Atlas an Wolfgang Fritsche. Neubert beklagte einen amerikanischen Sex-Rummel ohne Liebe sowie das Vorherrschen anatomischer und physiologischer Darstellung. Fritsche, die Personifikation der

209 Vgl.  BArch, B 310/1113, 1970–1973, passim; BArch, B 310/1114, passim; BArch, B 310/1115, 1969–1970, passim. Zur Geschichte der Pille in der Bundesrepublik und der DDR vgl. Leo, Annette/König, Christian: Die »Wunschkindpille«. Weibliche Erfahrung und staatliche Geburtenpolitik in der DDR, Göttingen 2015; Niethammer, Lutz/Satjukow, Silke (Hrsg.): »Wenn die Chemie stimmt … «. Geschlechterbeziehungen und Geburtenkontrolle im Zeitalter der »Pille«, Göttingen 2016; Silies, Eva-Maria: Liebe, Lust und Last. Die Pille als weibliche Generationserfahrung in der Bundesrepublik, 1960–1980, Göttingen 2010. 210 Vgl.  zur Sexualaufklärung in der Bundesrepublik in den späten 1960er und 70er Jahren: Sager, Christin: Das aufgeklärte Kind. Zur Geschichte der bundesrepublikanischen Sexualaufklärung (1950–2010), Bielefeld 2015, S. 125–193 gerade in Abgrenzung „zum Kampf um Sittlichkeit und Anstand“: Steinbacher, Sybille: Wie der Sex nach Deutschland kam. Der Kampf um Sittlichkeit und Anstand in der frühen Bundesrepublik, München 2011. Die Grenzen des Zeigund Sagbaren, insbesondere der „gefährlichen“ kindlichen Sexualität, zeigt sich bspw. an der historisch variablen Bewertung Will McBrides (1931–2015) Aufklärungsbroschüre „Zeig mal!“ von 1974, die Mitte der 90er Jahre als Kinderpornografie bewertet wurde. Vgl. hierzu: Sager: Das aufgeklärte Kind,  S.  222–266; Mayer, Susanne: Der Schatten von 1968. Das Jugendamt Frankfurt will die über zwanzig Jahre alte Aufklärungsbroschüre „Zeig mal!“ indizieren. Begründung: harte Pornographie, in: Die Zeit, 11.10.1996 und zum Werk McBrides: Ziegler, Ulf Erdmann: Die Erfindung des Westens. Eine deutsche Geschichte mit Will McBride, Berlin 2019. 211 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Sexualkunde-Atlas, 1969, S. 5; BArch, B 310/1114, passim; BArch, B 310/1115, passim, insbesondere darin: BMG an die Ständige Konferenz der Kulturminister, 23.9.1969.

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neuen Generation der Gesundheitserzieher*innen am DGM/der BZgA, bedankte sich für die ideelle Mitarbeit, räumte aber auch ein, dass ein Herr Neubert ihm nicht bekannt sei.212 Die öffentliche Kommunikation über Werbeträger wurde als außergewöhnlich einflussreich gesehen. Im Fall des Rauchens wurden daher auch recht rasch Äußerungen laut, dass ein freiwilliger Werbeverzicht, der sich nur auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten bezog, als nicht ausreichend eingeschätzt wurde.213 Aus dieser Vorstellung zogen zugleich Fritsche und Manger-Koenig, Präsident der DZV, Professor für Sozialhygiene und ab 1969 Staatssekretär im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, ihre Überzeugung, dass sich die Gesundheitserziehung als eine „Gegen-Werbung“ etablieren musste. Das setze selbstverständlich die Instrumentalisierung von Methoden und Kommunikationsformen der Werbung für die Gesundheitserziehung voraus – eine Forderung, die mit der politischen Aufwertung der Gesundheitsarbeit auch (fach-)öffentlich laut wurde. So wurde im Juli in der Wochenzeitung Die Zeit eine „Aufklärung durch versierte Publizisten, über Fernsehen, Funk und Presse“ gefordert, die „billiger und weitreichender, aber ‚von oben‘ bislang kaum aktiviert worden“ sei. Eine solche Aufklärung sei nötig, denn: „Wer besucht schon eine Ausstellung? Wer liest schon Broschüren?“214 In Broschüren und Ausstellungen hatte sich aber das Deutsche GesundheitsMuseum unter Fritsche vorrangig mit diesem Thema beschäftigt. Auf Empfehlung des Bundesgesundheitsamtes initiierte es zwei Schulwettbewerbe und gab 1963 die Broschüre „Zum Problem des Rauchens“ heraus.215 Um eine „moderne“ Medialisierung bemüht suchten die Mitarbeiter*innen, allen voran die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Christel Schultze-Rhonhof, Kontakt zu Fernsehanstalten und gab mehrere „Spots“ in Auftrag, die jedoch schwierig zu platzieren waren.216 Daher zeigte man sich im DGM auch aufgeschlossen gegenüber der Anfrage einer privaten Filmfirma, auf Basis der 1963 herausgegebenen Broschüre einen Dokumentarfilm zu drehen. Nach mehreren Diskussionen kam schließlich 212 Korrespondenz Hagen – Neubert – Fritsche, Oktober 1969, in: BArch, B 310/1114. 213 Vgl. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 11.3.1965, S. 8607. Noch ausführlicher und nachdrücklicher zwei Jahre später: Ders.: Plenarprotokoll der 125. Sitzung. 5 Wahlperiode (1965–1969), 12.10.1967, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/05/05125.pdf, 7.8.2017, S. 6315–6318. 214 Zitate in: Schreiber, Georg: Politik gegen den Tod, 16.7.1965, http://www.zeit.de/1965/29/ politik-gegen-den-tod/komplettansicht, 14.9.2019; vgl. ebenso: Deich, Friedrich: Gesundheitserziehung und Presse, in: Physikalische Medizin und Rehabilitation 7/1966, S. 217–221. 215 Vgl. Goetz, Hans J.: Zum Problem des Rauchens. Eine zusammenfassende Darstellung, Wiesbaden 1963. Das DGM beobachtete dabei die erste Aufklärungskampagne in Großbritannien genau und orientierte sich schließlich auch an dieser. Siehe hierzu: Elliot: From Youth Protection, S. 89–91. 216 Vgl. ebd., S. 93 f.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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1966 Der Tod gibt eine Party heraus, der nicht nur an Jugendorganisationen in der Bundesrepublik verliehen wurde, sondern auch im November 1966 im ZDF lief.217 Der Film baute auf Bilder, Schematisierungen, Schnitte und Kommentare in der Art eines Wissenschaftsfilmes, um einerseits physiologisch-toxikologisch die Schädlichkeit des Rauchens zu begründen und visuell zu vermitteln, andererseits um über das Erwecken von Angst das Zielpublikum vom Rauchen abzuschrecken.218 Über die Nachstellung eines Partysettings war Der Tod gibt eine Party offenkundig an Jugendliche als prioritären Adressatenkreis gerichtet. Der Film steht damit laut der Historikerin Rosemary Elliot für eine Übergangsphase der Gesundheitserziehung: Einerseits wurden eine explizite Abschreckungsstrategie benutzt und aus dem vermeintlich apolitisch Biologischen heraus hygienische Verhaltensratschläge erteilt. Andererseits zeigte der Film die Wichtigkeit, thematisch fokussierte, multimediale Kampagnen in als modern geltende Medien einzubauen, die jeweils spezifische Zielgruppen ansprachen.219 Dass sich die Gesundheitserziehung des DGM unter Fritsche zunehmend dem Publikum zuwandte, lässt sich anhand der zweiten Broschüre zum Thema des Rauchens, die das DGM 1967 („Was stimmt nun eigentlich?“) herausbrachte, aufzeigen – gerade im Vergleich zur derjenigen von 1963. Beide Broschüren führten in ihrem argumentativen Kern Evidenzen aus der Biologie, aus der physiologischen Wirkung von Tabakstoffen auf den Organismus, an. Hans Goetz‘ Broschüre („Zum Problem des Rauchens“) von 1963 rahmte diese historistisch. Aktuelle Bemühungen zur Begrenzung des Rauchens, verbildlicht durch Plakate des GesundheitsMuseums, wurden in die lange Tradition solcher Bemühungen in Deutschland, wie beispielsweise dem Rauchverbot in Wäldern des Herzogs von Sachsen aus dem Jahr 1733, eingefügt. Eher diffuse Informationen zum Werbeetat der Zigaret-

217 Vgl. Engler, Herbert/Gericke, F. E.: Der Tod gibt eine Party, Brevis-Film GmbH, 1966. 218 Vgl. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll, 12.10.1967, S. 6316 sowie Schwarz: Schwartz: Schmutzfink, 1998, S. 158 ff. Zum Medium des populären Wissenschaftsfilms: Verdichio: Das Publikum des Lebens; und zu dessen Emotionalisierung in der Geschichte der Sexualaufklärung im 20. Jahrhundert: Laukötter, Anja: Vom Ekel zur Empathie. Strategien der Wissensvermittlung im Sexualaufklärungsfilm des 20. Jahrhunderts, in: Nikolow, Sybilla (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20.  Jahrhundert, Köln u. a. 2015, S. 305–319. 219 Vgl.  Elliot: From Youth Protection,  S.  94–97. Die Forderung nach Schwerpunktprogrammen war in der Bundesrepublik genauso zu vernehmen wie von Thränhardt in der DDR (Vgl. oben, Kap. 5.2 und Anonym: Kranke Gesundheitserziehung). Zur eingeforderten Zielgruppenspezifik siehe: Anonym (Wolfgang Fritsche): Gedanken zur Umwandlung des Deutschen Gesundheits-Museums.  Zentralinstitut für Gesundheitserziehung e.  V. in eine Bundeszentrale für Gesundheitserziehung, 15.5.1965, in: BArch, B 310/114, hier Anlage I, Seite 1, wiederholt in: Schauwecker: Schauwecker: Gesundheitserziehung, 1976, S. 48.

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tenindustrie und den Kosten des Rauchens sollten den moralisierenden Appell des BMG stützen und die Rezipienten aus Gründen des Takts, des Anstands sowie der Vernunft und Verantwortung auf ein „gefährliches Genußgift“220 verzichten lassen. Die Broschüre von 1967 führte ein Fragezeichen ein. Statt eine zusammenfassende Darstellung zum „Problem des Rauchens“ vorzulegen, thematisierte Schultze-Rhonhof die informationelle Unklarheit über das Rauchen – und versprach Klärung. Die historische Darstellung, wie der Tabak nach Deutschland gekommen war, trat hinter die soziale Vermessung des Rauchens und der Rauchmotivation in der Gegenwart zurück. Erst nachdem ein Psychologe das Rauchen als kompensatorische und kognitiv dissonante Ersatzbefriedigung gedeutet hatte, kam die physiologische Wirkung des Rauchens im Modus des Frage-Antwort-Spiels zur Sprache. Zum Abschluss wurden nochmals Collagen aus Fotografien verwendet, um die visuellen Versprechungen der Tabakwerbung mit den eigentlichen Wirklichkeiten des Rauchens zu kontrastieren.221 Selbstverständlich ging es Schultze-Rhonhof und der BZgA genauso wie 1963 Hans Goetz darum, junge Menschen vom Rauchen abzubringen bzw. vom Nichtrauchen zu überzeugen. Doch das Vorgehen dazu war 1967 ein anderes geworden. Das Verhalten als solches, das Rauchen, stand im Vordergrund. Dementsprechend wurde dessen psychologische Deutung wichtiger, als der medizinisch-physiologische Wissensbestand um seine Gefährlichkeit für den Körper. Die Autorin thematisierte die vermeintliche Rauchmotivation und hinterfragte sie fotografisch visuell verdichtet mit den mutmaßlich eigentlichen – deutlich pejorativeren – Motivationen in je eigenen sozialen Settings: Gegen die Rauchbegründung „weil es schick ist“ insinuierte die Abbildung einer mondänen jungen Frau die Motivation der Verlegenheit; ein gediegener junger Mann repräsentierte Prestigestreben statt Geschmack, ein Lässiger Prahlerei statt Fadheit und einer eher getrieben wirkenden Person wurde zugeschrieben, aus Gewohnheit zu rauchen und nicht, weil es sie tatsächlich nach einer Zigarette verlangte (vgl.  Abb.  43). Der Fragecharakter der Broschüre relativierte darüber hinaus den Modus der wissenschaftlichen Belehrung – insinuierte mehr, als dass er unterwies. Vehement versuchte sich die Broschüre mit ihren Botschaften, mit ihrer Visualität und Materialität in die Lebenswelt der fokussierten Gruppe männlicher wie weiblicher Jugendlicher einzuklinken, ausgedrückt durch die das gesamte Heft dominierenden Fotografien rauchender Menschen. Sie sollte

220 Goetz: Problem des Rauchens, o. S., hier S. 3. 221 Schultze-Rhonhof, Christel: Was stimmt nun eigentlich?, o.  D. (1967), in: Archiv BZgA, Schrank D, Fach 50, o. D. (1967).

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

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Abb. 43: Schultze-Rhonhof, Christel: Was stimmt nun eigentlich?, o. D. (1967).

das anzusprechende Publikum dort abholen, wo es stand, und subtile Überzeugungsarbeit leisten. Die Broschüre rezipierte damit nicht nur viel stärker Kommunikationsformen und -methoden der Werbung bzw. Public Relations. Sie verband dies auch mit einem expliziten Bekenntnis zur freien Entscheidung der Jugendlichen, nach deren Meinung fragend (vgl. Abb. 44). Den Kernauftrag der kognitiven Überzeugung konnte eine staatlich sanktionierte Gesundheitserziehung zwar kaum verlassen, doch die Sprecherposition der Broschüre hatte sich geändert. Sie versuchte, Jugendlichen mit wenig Distanz und Gleichrangigkeit vermittelnd zu einer vernünftigen Verhaltensweise zu bringen, die an die Lebenswelt der Jugendlichen anschlussfähig war.222 Doch genau dies, auf Augenhöhe Jugendliche von einer für sie akzeptablen und praktikablen Lebensweise zu überzeugen, begriff die BZgA als Desideratum ihrer bisherigen Arbeit.223 Mehrere beauftragte Evaluationen schlossen sich um 1970 an die Maßnahmen der bisherigen Aufklärung über die Risiken des Rauchens an, um für weitere Aktivitäten Schlüsse zu ziehen.224 Die von der Psy222 Genau in dieser Semantik forderte dies Fritsche explizit einige Jahre später: Fritsche, Wolfgang: Bundesrepublik Deutschland, in: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Gesundheitserziehung in Europa. Organisationsformen, Aktivitäten, Forschungsprojekte, Berufliche Ausbildung, Pläne für die Zukunft, Genf 1973, S. 108–126, S. 120–126. Siehe hierzu ebenso: Elliot: From Youth Protection, S. 97 ff. 223 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Vom DGM zur BZgA, S. 3. 224 Vgl.  Die theoretische Konzeption und einige Versuchsergebnisse zum Anti-Rauch-Programm „Spielen Sie mit?“, in: Archiv BZgA, Schrank K, Fach 59, 1969; Lehmann, Manfred: Gut-

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Abb. 44: Schultze-Rhonhof, Christel: Was stimmt nun eigentlich?, o. D. (1967).

chologin Erika Brückner (1927–2002) geleitete Arbeitsgemeinschaft Sozial- und Wirtschaftsforschung kam dabei 1969 zu einer ernüchternden Beurteilung: Die bisherigen Aufklärungsmaterialien würden vollkommen unverständlich bleiben, da Vernunfts- und Furchtappelle zur Übernahme einer gesunden Lebensführung aufgrund eines zugeschriebenen autoritativen Geltungsanspruchs zurückgewiesen werden. Mehr noch, solche Appelle riefen Schuldgefühle hervor, die nur im Weiterrauchen endeten: „Eine Aufklärung über die Schädlichkeit des Rauchens bei Jugendlichen müßte diese deshalb überzeugen, daß keine autoritären Ansprüche dahinterstehen.“225 Gesundheitsappelle und die von den Gesundheitserziehern als verlockend und erwünscht eingeschätzten Assoziationen mit dem Nichtrauchen, wie zum Beispiel körperliche Fitness, besaßen, so das Verdikt, für die Jugendlichen der Zeit keine Relevanz.226 Jugendliche wollten dazugehören

achten und Evaluation des Rauchentwöhnungskurses In 5 Tagen frei vom Rauchen, in: Archiv BZgA, Schrank J, Fach 39, 1970; BArch, B 310/741, 1971, passim; BArch, B 310/742, 1972, passim; BArch, B 310/743, 1971. 225 Arbeitsgemeinschaft Sozial- und Wirtschaftsforschung: Jugendliche und Rauchen, in: Archiv BZgA, Schrank J, Fach 45, 1969, hier  S.  33. Zu Erika Brückner siehe: Mayer, Karl Ulrich: In memoriam Erika Brückner, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 54/2002, S. 615–617. 226 Vgl. Arbeitsgemeinschaft für Sozial- und Wirtschaftsforschung: Stellungnahme zu Plakatentwürfen für eine Anti-Rauch-Kampagne, in: Archiv BZgA, Schrank N, Fach 25, 1969, hier S. 1 f.

5.3 Eine Behörde für Verhaltensänderung 

 425

und hatten Angst davor, ausgeschlossen zu sein. Daher müsse am positiven Meinungsbild über das Rauchen angesetzt werden: Das Image des jugendlichen Rauchers trägt in der Vorstellung seiner peer group vor allem die positiven Züge des erwachsenen Rauchers: stark, mächtig, physische und psychische Potenz, er ist der, der sich über Verbote und Autoritäten hinwegsetzt, der schon selbst ein Stück unabhängig und erwachsen ist. Er ist auch der ‚Verführer‘ und ‚Männliche‘, meist früher Entwickelte, Ältere.227

Noch im selben Jahr versuchte die BZgA, diese Kritik in einer neuen Kampagne gegen das Rauchen zu berücksichtigen. Mit dem Slogan „Der neue Trend – No Smoking, please“ versuchte die Bundeszentrale sich in die Kommunikationskanäle der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren einzuklinken. Dafür beauftragte sie die Münchner Werbeagentur Yeah, die der Jugendzeitschrift BRAVO hinsichtlich ihrer Kommunikationsfähigkeit getestete Beilagen hinzufügen ließ. Sie schaltete Anzeigen in Schülerzeitungen und initiierte lokale „Non-Smoker Clubs“, um eine Peergroup der Nichtraucher zu schaffen, über die „von innerhalb der Zielgruppe“ das Image des Nichtrauchens gehoben und sozial verfestigt werden sollte.228 1971/1972 beschied das Kölner Institut für Markt- und Werbeforschung jedoch in seiner Nachevaluation der Kampagne rein quantitativ „keinen ausreichenden Erfolg.“229 Aber das bedeutete nicht das Ende einer sozialwissenschaftlich und psychologisch begründeten und evaluierten Kampagne, sondern gerade die Intensivierung einer solchen Praxis Wissensproduktion.230 Immerhin hatte man in der BZgA zu Beginn der 1970er Jahre gelernt: „We had to forget everything that we had assumed young people believed in or wished to do, and start probing into the teenage population to see the problem of smoking and health entirely from their angle.“231 Die Begutachtungen solcher Kampagnen integrierte somit externe Kommunikations- und sozialwissenschaftliche Expertise, die ein spezifisches Leitbild gesellschaftlicher Ordnung affirmierte. In diesem entschieden mündige Bürger

227 Archiv BZgA, Schrank J, Fach 45, hier S. 26. 228 Vgl. Fritsche, Wolfgang: An Antismoking Campaign among Schoolchildren in Germany, in: Richardson, Robert G. (Hrsg.): The Second World Conference on Smoking and Health. The Proceedings of a Conference Organised by the Health Education Council at Imperial College, London, 20th to 24th September 1971, Bath 1972, S. 77–80. 229 BArch, B 310/777, 1972, Bl. V. 230 Vgl. bspw. Lehmann, Manfred: Methodik der Gesundheitserziehung, dargestellt am Beispiel der „Anti-Raucher-Maßnahmen, 8.12.1971, in: BArch, B 310/174, 1971–1977, unpag. 231 Fritsche: Antismoking Campaign, S. 78.

426 

 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

frei nach ihrem „sozial-ethischen Bezugssystem“232; die BZgA konnte nur „Hilfe zur Selbsthilfe“ leisten. Das hatte Käte Strobel der BZgA als Maxime ins Gründungsbuch geschrieben.233 Diese Leitfigur ging damit einher, dass die Voraussetzungen in der Veränderung des Verhaltens im sozialen Setting der Zielgruppen gesehen wurden. Und dies hieß wiederum in der Konsequenz, die kommunizierten Normen gesundheitlichen Verhaltens an die Lebenswelt der anvisierten Gruppen anschlussfähig zu machen. Normgrenzen, die gesundes Verhalten von ungesundem trennten, verflüssigten sich auf diese Weise und flexibilisierten den von Behördenseiten aus sanktionierten Normalitätsraum. Eine solche Dehnbarkeit dessen, was als Normverhalten galt, war mit dem Leitbild der sozialistischen Persönlichkeit hingegen schwer vereinbar.234 Gleichwohl sollten die Kampagnen der BZgA auch die öffentliche Meinung mitformen – individuelle Verhaltensänderungen sollten auf die Gesellschaft zurückwirken und vice versa. So zitierte das Nachrichtenmagazin Spiegel Strobels Aussage, dass von der Anti-Rauch-Kampagne „ein gesellschaftlicher Auffassungswandel gegenüber dem Rauchgenuß ausgehen [sollte, C. S.]: ‚Es müsste schick sein, nicht zu rauchen.‘“235 Das war Teil der zum Ende der 1960er Jahre einsetzenden gesellschaftlichen Reformpolitik, welche die neue sozialliberale Koalition umsetzte, und die von der neuen Bundeszentrale mitgetragen wurde.236 Allein ihre Existenz war Ausdruck der Internationalisierung und Professionalisierung der Gesundheitsaufklärung im Modus der Gesundheitserziehung. Genauso drückte sich auch die allgemeine Aufwertung der Gesundheitspolitik als öffentlich sichtbar zu machende sozialliberale Sorge um die Gesundheit der Bürger in 232 Positionierung des BMG zur Kritik am Sexualkunde-Atlas, o. D. (Oktober 1969), in: BArch, B 310/1114. 233 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Vom DGM zur BZgA, S. 3. Im Oktober 1967 versicherten Käte Strobel und Hans-Dietrich Genscher passend hierzu in der Bundestagsdebatte über das Vorhaben, in Jugendherbergen ein umfassendes Rauchverbot zu erlassen, „daß wir eine Gesellschaft mündiger Bürger mit eigener Urteilsfähigkeit sind“ (Genscher), und dass „Verbote nicht gerade dazu [führen, C.S.], daß das Verbotene unterlassen wird“ (Strobel), in: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll, 12.10.1967, S. 6318. 234 Vgl.  exemplarisch die synchrone handlungssoziologische Bedeutungsverschiebung der Devianz als Folge gesellschaftlich wirkmächtiger Etikettierung: Münch: Handlungstheorien,  S. 347–360. 235 Anonym: Lieber unter den Zug. No-Smoking-Kampagne, in: Der Spiegel, 13.10.1969, S. 74. 236 Vgl. Faulenbach, Bernd: Das sozialdemokratische Jahrzehnt. Von der Reformeuphorie zur Neuen Unübersichtlichkeit. Die SPD 1969–1982, Bonn 2011, S. 67–74, 182–216. Konsequenterweise wurde das Bundesministerium für Gesundheitswesen 1969 mit dem Bundesministerium für Jugend und Familie zusammengelegt, in dem sich bereits in den frühen 1970er Jahren bei der Kampagnenentwicklung um die Integration von (organisierten) Betroffenenpositionen bemüht wurde. Vgl. Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung, S. 279.

5.4 Zusammenfassung 

 427

der Umwidmung zur BZgA aus und genauso verstärkte die BZgA diese beiden Prozesse, im Zuge derer sie entstanden war.

5.4 Zusammenfassung Die 1960er Jahre waren für die Gesundheitsaufklärung in beiden deutschen Staaten eine Zeit des Übergangs. Neue gesundheitliche Problematisierungen ließen mit epidemiologischer Evidenz Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Krankheiten des Verhaltens erscheinen. Konzepte des Risikos und der Risikorolle betonten die Bedeutung, die Gesundheitsaufklärung als Krankheitsprävention haben konnte, wenn sie zielgerichtet auf die Änderung individuellen Verhaltens abzielte.237 In der Operationalisierung dieser Aufgabe zeichnete sich nunmehr ebenfalls eine Verschiebung von einer philosophisch-idealistischen zu einer pragmatisch-interaktionistischen Denkweise ab. Menschliches Verhalten wurde zunehmend als Ergebnis eines komplexen, psychisch-kognitiven Interaktionsgeschehens mit der sozialen Umwelt gesehen.238 Gesundheitsverhalten wurde als ein in Wechselwirkungen aus Wissen, Motiven, Einstellungen und „sozialen Einbettungen“239 verfangenes Handeln verstanden. Eine moderne Gesundheitserziehung müsse dieses Handeln als Ausgangslage ihrer Tätigkeit und dabei ebenso ihre Wirkung auf dasselbe beforschen. Dies zog auch eine Empirisierung des Gegenstandes und des eigenen Vorgehens, zog Technologien der Evaluation und damit auch einen gewissen Grad der Selbstreflexivität – der Wissensrückkopplung – nach sich. Gesundheitserziehung wurde in dem Zuge verwissenschaftlicht und verberuflicht (professionalisiert), wie ihre Referenzwissenschaften der Medizin, Hygiene und Pädagogik selbst sich versozialwissenschaftlichten. Sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik wurde der

237 Vgl. bspw. Baric, Leo: Erkennen der Risikorolle: Ein Mittel zur Beeinflussung des gesundheitsbezogenen Verhaltens, in: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Verhaltensbeeinflussung durch die Gesundheitserziehung. Methodologische Probleme. Beiträge zur Grundlagenforschung in der Gesundheitserziehung unterbreitet dem I.  Internationalen Seminar für Gesundheitserziehung (Kommunikation, Intermediavergleich, Evaluation), Genf 1970, S. 217–228. 238 Vgl. exemplarisch: Triebold, Karl: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der Gesundheitserziehung in Schule und Lehrerbildung, Bielefeld 1967; Haag: Amerikanische Gesundheitserziehung. 239 Freytag-Loringhoven, Wolf Dietrich von: Methodik der Gesundheitserziehung, in: Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung (Hrsg.): Erziehung zu seelisch-geistiger Gesundheit in der Großstadt. Bericht über das Internationale Seminar für Gesundheitserziehung vom 26.–30. November 1962 in Berlin, Bad Godesberg 1963, S. 67–76, S. 72.

428 

 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

sich verfestigende internationale Fachdiskurs der Health Education rezipiert. In diesem galt eine planungs- und interventionsoptimistische Gesundheitserziehung als modern, die sich konzeptionell von einem rationalistischen Verständnis der Handlungsformung durch Wissensvermittlung abkehrte und einer lebensweisenbezogenen Einstellungs- und Verhaltensänderung zuwandte; die Gesundheitserzieher*innen aus- und fortbildete; die in Form von Zentren, welche die Aufgaben übernehmen und koordinieren konnten, institutionalisiert wurde.240 In der synchronen Umwidmung der beiden Museen der hygienischen Volksbelehrung zu Behörden der Gesundheitserziehung amalgamierten sich unterschiedliche Interessen auf eine jeweils spezifische Weise. Das genuin gesundheitspolitische Interesse, die Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung öffentlich zu präsentieren, manifestierte sich in beiden Institutionalisierungsprozessen. Wissenschaft, Planung und Organisation versprachen in einem neuen Ausmaß, Gesundheit (Gesundheitshandeln) managen zu können. Auch die Gesundheitserziehung selbst war Teil dieser Hoffnung auf die Gestaltbarkeit der Zukunft. Außerdem waren diejenigen Kräfte, die für eine museale Eigenständigkeit des Hygiene- und des Gesundheits-Museums hätten sorgen können, in der Museumskrise der damaligen Zeit geschwunden. Im Fall der Bundesrepublik verstärkten sich der Modernisierungseifer der Gesundheitsaufklärer*innen, die neue politische Wichtigkeit der Gesundheit und die Stoßrichtung einer sozialliberalen Sozialpolitik gegenseitig zugunsten einer weitgehenden Institutionalisierung der Gesundheitserziehung in der BZgA. Und gerade weil das Museum in KölnMerheim im Vergleich mit dem Hygiene-Museum in der DDR die kleinere und prestigeärmere Einrichtung war, geriet die Umstrukturierung des GesundheitsMuseums zur BZgA – einer schöpferischen Zerstörung gleich – umfassender.241 In der DDR hingegen konnten die Reformer*innen nicht verhindern, dass sich außenpolitische und volkswirtschaftliche Interessen in der Strukturierung der Gesundheitserziehung niederschlugen. Östlich der innerdeutschen Grenze ging es einerseits um die internationale Anerkennung, andererseits um das Erwirtschaften von Devisen.242 Von den drei Säulen des Hygiene-Museums – Museum, Lehrmittelproduktion und Gesundheitsaufklärung – blieben 1967 in Dresden alle und in Köln nur eine erhalten. Während die Kölner Einrichtung nunmehr ausschließlich auf den Tätigkeitsbereich der Gesundheitsaufklärung beschränkt wurde, wertete das neue Statut in Dresden die Lehrmittelproduktion zu einer 240 Vgl. Sammer: Gesundheitserziehung, 2019. 241 Vgl.  kursorisch: Hasse, Raimund: Bausteine eines soziologischen Krisenverständnisses: Rückblick und Neubetrachtung, in: Mergel, Thomas (Hrsg.): Krisen verstehen. Historische und kulturwissenschaftliche Annäherungen, Frankfurt a. M. 2011, S. 29–45, S. 36–41. 242 Vgl. Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung, S. 274.

5.4 Zusammenfassung 

 429

gleichrangigen Aufgabe auf. In Köln überführte die BZgA die kommerzielle Produktion, mit der die Gesundheitserzieher*innen wenig anfangen konnten, deren Erzeugnisse auch kaum mehr gegen die Konkurrenz aus West und Ost bestehen konnten, und mit denen eine Bundesanstalt auch keinen Handel treiben durfte, in eine Handelsgesellschaft, und verkaufte diese schließlich 1975 an die Firma Somso, die daraus die Coburger Lehrmittelanstalt (CLA) formte.243 Gleiche Vorstellungen von der Professionalität der Gesundheitsaufklärung im Modus der Gesundheitserziehung trafen auf unterschiedliche Ordnungsvorstellungen und dementsprechende Umsetzungen. Während bei der BZgA die kommunikative Zusammenarbeit betont wurde, diente für das Hygiene-Museum das Wort der Anleitung als funktionsäquivalente Bezeichnung. Die Kölner Organisation integrierte eine hierarchische Gliederung, die sich bereits im Verlauf der 1960er Jahre der Differenzierungsstruktur einer Behörde annäherte. Nach außen hingegen wurde die Bundeszentrale als kooperative Dienstleisterin in einem eher formell hierarchisch flachen Netz der Gesundheitserziehung entworfen.244 Die BZgA sollte in allen relevanten gesundheits- und kulturpolitischen Fragen mit den Ländern zusammenarbeiten und dafür einen ständigen Ausschuss entsprechender Vertreter unterhalten, wie er sich erstmals inoffiziell im September 1964 gebildet hatte.245 Das Hygiene-Museum hingegen zeigte auf diesem Feld eine umgekehrte Aufteilung von interner Ordnung und externer Positionierung: Nach innen hin blieb es eher flach, vor allem in Hinblick darauf, welchen Einfluss die Gewerkschafts- und die Betriebsparteileitung hatten, die das Statut gar nicht erwähnte. Nach außen jedoch sollte es neben dem NKGE, Koordinierungsinstrument, Sammelbecken und fachlichem Beratungsgremium der Gesundheitserzieher*innen die zentrale Spitzeneinrichtung der Materialität und Methodologie der Gesundheitserziehung in der DDR sein.246 Wolfgang Fritsches Konzept der Gesundheitserziehung als „Gegen-Werbung“ katapultierte die Gesundheitserziehung in die Konsumgesellschaft. Konsequenterweise wurde die Gründung der BZgA selbst mit umfassendem ImageMaterial begleitet – mit Kleinausstellungen, Besucherführungen in Köln-Merheim,

243 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Vom DGM zur BZgA, S. 38; E-Mail von Hans Sommer an den Verfasser, 13.7.2012; Vermerk über den Besuch eines Mitarbeiter der Firma Sommer im DGM, 16.2.1965, in: BArch, B 310/341; Abteilungsleitersitzung des DGM, 22.3.1965, in: BArch, B 310/112, 1964–1969. 244 Vgl. Referententreffen am DGM 1966, in: BArch, B 310/3, 1964–1969, unpag. 245 Vgl. Bundesminister für Gesundheitswesen: Erlaß über die Errichtung der BZgA, S. 375. 246 Vgl. Minister für Gesundheitswesen: Anordnung über das Statut, S. 41; Komitee für gesunde Lebensführung und Gesundheitserziehung in der DDR (Hrsg.): Grundsätze zur weiteren Entwicklung der Gesundheitserziehung in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1967.

430 

 Kapitel 5 Die Entmusealisierung der Gesundheitsaufklärung

Filmvorführungen (beispielsweise von Helga), Veröffentlichungen, Lehrgängen und TV-Meldungen im ZDF-Gesundheitsmagazin Praxis.247 Mit diesem Konzept ging komplementär ein Leitbild des mündigen Bürgers einher, das der Gesundheitserziehung Ansatzpunkt, Methode und Erfolgsmöglichkeiten diktierte. Wenn gesundes Handeln akzeptabel und praktikabel sein und mediale Kommunikation in der Konsumgesellschaft auf die Bedürfnisse und Wünsche des Zielpublikums eingehen sollte und sozialpsychologische Studien diese sozial kontextualisierten Bedürfnis- und Vorstellungswelten sichtbar machten, dann war der gesundheitlichen Norm- und Zielvorstellung der Experten ein starkes Gewicht entgegengestellt. Demokratisierung ging mit der Stärkung der Laien, der Flexibilisierung der Norm sowie mit der Entfaltung der Ambivalenz von individueller Befähigung und Zumutung zur bzw. der Mündigkeit einher. Selbstverständlich griffen auch die Gesundheitserzieher in der DDR auf moderne Kommunikationsweisen zurück und sollten in den 1970er Jahren komplexe Kampagnen, so beispielsweise gegen das Rauchen gestalten. Doch eine Flexibilisierung der Norm, das heißt ihre Subjektivierung darüber voranzutreiben, blieb widerspruchsvoll. Zum einen blieben Konsum und Konsumkommunikation offiziell und damit auch für ein Zentralinstitut für Gesundheitserziehung umstritten.248 Zum anderen konnte man sich nicht von der unidirektionalen Anpassung des Bürgers an seine soziale Umwelt trennen, was elementarer Bestandteil des Leitbilds der sozialistischen Persönlichkeit war – obgleich ja dadurch Handeln auch als ein soziales Geschehen konzeptualisiert war: Verhalten, das nicht den Normen entsprach, konnte es allenfalls inoffiziell geben. So konnte auch Gesundheitserziehung keine Rolle dabei spielen, die in Fluss geratenden gesundheitlichen Normen von oben zu verstärken.

247 Vgl.  Presseinformationen zur Gründung der BZgA, 1967, in: BArch, B 310/239, 1965–1974, unpag.; bspw. Fritsche, Wolfgang: Ein Blick in das Zentralinstitut für Gesundheitserziehung in Köln. Deutsches Gesundheits-Museum, in: DAK im Dienste der Gesundheit/1967, S. 6–7. Vonseiten des Gesundheits-Museums pflegte man den Kontakt zur Redaktion des Gesundheitsmagazins „Praxis“, das von 1964 bis 2004 vom ZDF gesendet wurde. 248 Vgl.  Merkel: Widerspruch zum Ideal; Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung,  S. 267–272.

Fazit: Die Entflechtung der hygienischen Volksbelehrung und die Modernitäten der Wissensvermittlung Rückblick In den 1960er Jahren kam ein Modus der Gesundheitsaufklärung zu seinem Ende, der seit Beginn des letzten Jahrhunderts eine äußerst erfolgreiche deutsche Eigentümlichkeit gewesen war. Aus der I. IHA 1911 war eine Form der Verhaltensprävention hervorgegangen, welche die Legitimität ihrer Verheißung auf Gesundheit aus der (wissenschaftsgestützten) allgemein verständlichen Veranschaulichung physiologischen, anatomischen und hygienischen Wissens zog. Das Massenmedium der Zeit, die Ausstellung, versprach das in Exponaten dinglich, begreif-, ja berührbar gemachte Wissen über das Funktionieren menschlicher Körper und über die Bedingungen von Gesundheit und Krankheit „auf dem Wege […] des Vergnügens“1 zu vermitteln. Die hygienische Volksbelehrung baute auf drei Prämissen auf: Erstens galten Hygiene-Großausstellungen als attraktive Massenmedien, die – wie die als Vorbilder dienenden Gewerbeschauen und Messen – Besucher in Scharen anziehen konnten. Dafür mussten die Expositionen zweitens vielschichtig aus einzelnen belehrenden wie auch unterhaltsamen Teilausstellungen zusammengestellt werden. Die kuratorische Verklammerung und die Aussicht auf Aufmerksamkeit für alle Teilnehmer stellten den potenziellen Zentrifugalkräften der Zerfaserung dabei zentripetal wirkende Kräfte entgegen. Drittens müsste dann den in Bann gezogenen Besuchern das Wissen über Gesundheit und Krankheit nur anschaulich genug präsentiert werden, damit dieses auch verhaltenspräventiv handlungsleitend wirkte. Diese Wirkungsannahme plausibilisierte bis in die 1950er Jahre auch die Verwendung der einzelnen Ausstellungsexponate, Lehrmittel und anderer Medien der hygienischen Volksbelehrung. Im Deutschen Hygiene-Museum fand dieses Konzept seine organisatorische Institutionalisierung. Das lag einerseits an dem starken Glauben des Bürgertums, bildend gesellschaftliche Wirkung entfalten zu können, der in der Museumsreformbewegung zu Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Niederschlag fand. Andererseits stieß das Hygiene-Museum in eine Lücke im System der medizinischen Versorgung, die sich aus der Strukturierung des Gesundheitswesens in Deutschland ergeben hatte. Die Bindung des Anspruchs auf eine kurativ ausgerichtete

1 Lingner: Denkschrift, S. 15. https://doi.org/10.1515/9783110664171-007

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 Fazit

medizinische Regelversorgung an die Erwerbsarbeit schloss bestimmte soziale Gruppen aus der Versorgung aus. Die Sorge um Kinder, Frauen und Jugendliche wurde einer kommunalen beziehungsweise regionalen gesundheitlichen Fürsorge überantwortet. In dieser doppelten sozialen und präventiven Leerstelle konnte sich eine private Initiative wie das von Karl August Lingner initiierte Deutsche Hygiene-Museum etablieren. Die am Dresdner Museum entstandene Vermittlungs- und Präsentationspraxis der hygienischen Volksbelehrung inkorporierte einige strukturelle Konflikte. Derart heterogene Ausstellungen  – deren Vielfalt und Volkstümlichkeit wiederum ihre Attraktivität steigerten – brachten unterschiedliche Interessen in die Exposition und an das Museum, die so miteinander in Beziehung gesetzt werden mussten, dass sie Kooperationen und Allianzen ermöglichten und das Museum als eigenständige Organisation zum Knotenpunkt des Netzwerks der hygienischen Volksbelehrung machten. Das Museum musste die Interessen der Stadt Dresden an einer lokalen Vorzeige- und Bildungseinrichtung genauso erfüllen wie solche an einer nationalen Präventionsinstanz, die Lehrmaterialien entwickelte und produzierte. Als ein Zentrum der Gesundheitsaufklärung musste das Haus darüber hinaus die lokalen und fachlichen Initiativen zur Zusammenarbeit bringen. Der selbst gestellte Bildungsanspruch stieß sich weiterhin an den rein der Unterhaltung dienenden Ausstellungselementen. Der Humanitätsanspruch der Gesundheitsherstellung kollidierte mit der Praxis des Kommerzes; die Ziele  der wissenschaftlichen Präzision und Exaktheit mit denen der Volkstümlichkeit. Doch Georg Seiring gelang dieses Interessenmanagement lange Zeit ausgesprochen gut. Er gab dem Museum und seiner hygienischen Volksbelehrung in den 1920er Jahren eine Organisationsform, die unterschiedlichen Vorstellungen Raum gab und diese mithin in einer Art Sowohl-als-auch zum Wohl des Museums im Gleichgewicht hielt.2 Modell und Modus der hygienischen Volksbelehrung machte Seiring wieder stark, als es 1945 darum ging, das Museum in Dresden in die Nachkriegszeit zu überführen. Das verhältnismäßig schnell wieder in Stand gesetzte Museumsgebäude, sein Prestige, engagierte Personen sowie die Objekte, die die Mitarbeiter des Museums entworfen, präpariert, modelliert, gezeichnet, geklebt und bemalt hatten, verbanden sich zu einem Netz, welches das Hygiene-Museum vor dem Niedergang bewahrte. Der Eifer des um das Museum besorgten Georg Seiring hievte das Hygiene-Museum in Blickhöhe eines neuen und zentral werdenden Akteurs – der Sowjetischen Militäradministration. In deren Perspektive war ein eigenständiger Museumsverein, der sich zu großen Teilen wirtschaftlich

2 Vgl. Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern.

Rückblick 

 433

selbst trug, unvorstellbar. Seiring musste gehen. Eine Wanderausstellung des Museums, die seit 1945 in den westlichen Besatzungszonen tourte, brachte ihn ins Rheinland, wo das Hygiene-Museum bekannt war und ein kleineres, seit 1914 bestehendes und 1943 zerstörtes, Volkshygiene-Museum ersetzt werden sollte. Der ehemalige Präsident des DHM brachte sich und sein Netzwerk ein und verhandelte mit harten Bandagen. 1949 sorgte dies schließlich mit der Gründung des Deutschen Gesundheits-Museums in Köln-Merheim für die Verdopplung des Hygiene-Museums. Damit begann auch eine asymmetrische deutsch-deutsche Verflechtungsgeschichte offensichtlich zu werden. Doch der größere, bekanntere und traditionsreichere Part blieb weiterhin in Dresden beheimatet und wurde aus Köln aufmerksam und argwöhnisch beobachtet. Seiring brachte sein Museumsmodell aus Dresden mit und versuchte es in Köln zu etablieren, im Rückgriff auf Karl August Lingners bewährte Strategie. Eine große Gesundheits-Ausstellung sollte als Knotenpunkt der hygienischen Volksbelehrung dienen. Wie 1911 sollten über die Ausstellung Allianzen geknüpft, Informationen, Exponate und Gelder zusammengetragen werden. Doch der Erfolg blieb begrenzt. Die Kenntnis von der Existenz des Hygiene-Museums konnte in der Bundesrepublik nicht verdrängt werden, die Erinnerung an das Original, das mittlerweile Konkurrenz geworden war, blieb wach. Die Große GesundheitsAusstellung. Ein Ja dem Leben von 1951 erinnerte die Zeitgenossen zudem an die Propagandaschauen im Nationalsozialismus, deren selektive Wiederauflage die Ausstellung auch war. Da halfen weder die konservativ-religiöse Rahmung der verdinglichten und versinnbildlichten Ordnungs- und Körpervorstellungen als Rückbesinnung noch der enge Kontakt zu Seirings ehemaligem Mitarbeiter Bruno Gebhard, der die US-amerikanische Neukontextualisierung erfolgreich vertreten und verkörpern konnte. Dieser hatte mittlerweile Karriere als Museumsdirektor des Cleveland Health Museum in Ohio gemacht und konnte nun in der Bundesrepublik um 1950 als Pate eines modernisierten US-amerikanischen Modells des Dresdner Hygiene-Museums gelten. Was sich bereits mit dem geringen Zuschauerzuspruch zur II. IHA 1930/1931 angedeutet hatte, wurde nun offensichtlich: Die Zeit der großen Hygiene-Ausstellungen war vorbei.3 Die Verantwortlichen beider Museen knüpften explizit nach dem Krieg an die personelle, mediale sowie materielle Tradition und Traditionserzählung  des Hygiene-Museums an. Dies erst ermöglichte sowohl in der SBZ/DDR als auch in der Bundesrepublik die Fortsetzung beziehungsweise Neubegründung eines HygieneMuseums von nationaler Bedeutung. Vor allem das Deutsche Gesundheits-Museum legitimierte sich aktiv als Fortsetzung des Hygiene-Museums vor 1945  – geprägt

3 Vgl. Weinert: Der Körper im Blick, S. 72–78, 376 f.

434 

 Fazit

durch die Herausforderung des Neuanfangs und getragen durch altbewährtes Personal. Doch auch im sozialistischen Regime der DDR kam das DHM auf das zurück, was dort am besten beherrscht wurde: Es verschaffte organizistischen Vorstellungen eines Wechselspiels von der kollektiven und individuellen Körperordnung einen bildlichen Ausdruck  – primär in Wanderausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen. Es amalgamierte visuelle Gesundheitsaufklärung mit Gesundheitspropaganda; das heißt, es verschmolz das Werben für eine geschichtspolitisch begründete mutmaßliche moralische Überlegenheit des sozialistischen Gesundheitswesens der DDR mit der apolitischen, humanistischen Sorge um die bestmögliche Gesundheit vieler. Das Hygiene-Museum mobilisierte mit seiner Arbeit an der Visualisierung dieses Topos bereits ab den späten 1940er Jahren politische Legitimität für den neuen sozialistischen Staat. Da war es auch aus aufmerksamkeitsökonomischer Perspektive nur konsequent, die Ausstellungsdisplays zu einem Mehr an Volkstümlichkeit, zu einem Mehr an Test- und Quizobjekten beziehungsweise -apparaten fortzuentwickeln.4 Parallel hierzu konkretisierten sich auf beiden Seiten Subjektleitbilder, auf denen die hygienische Volksbelehrung aufbaute und auf die sie hinarbeitete. In Köln wurde eine Art ganzheitliche Menschenschau betrieben, welche die moralisch-christliche Verwurzelung gegen das Gift des Materialismus stärken sollte. Gesundheit war in diesem Bild eine Frage des Charakters und der durch Modernität bedrohten sozialen Gemeinschaft. In der DDR unterbaute die materialistische Interpretation des Behaviorismus nach Pavlov und des deutschen Idealismus das Leitbild der sozialistischen Persönlichkeit. In diesen neuen, sozialistischen Menschen sollte das Bewusstsein in eins fallen mit den Strukturprinzipien der sozialistischen Gesellschaft – die Maxime ihres Wollens sollte den Prinzipien der von der SED gestalteten sozialistischen Gesellschaftsordnung entsprechen. Auch auf die dritte Säule der hygienischen Volksbelehrung – neben der Gesundheitsaufklärung und dem Ausstellungsbetrieb  – hatte der deutsch-deutsche Systemkonflikt Auswirkungen: Auf dem Lehrmittelmarkt bestand seit 1949 eine scharfe Konkurrenz zwischen den Wissensobjekten der beiden Einrichtungen. Vertreter beider Seiten beobachteten einander genau. Die Existenz eines Gegenparts wurde auf beiden Seiten zu einer rhetorischen Ressource des jeweiligen Museums. Im Laufe der 1950er Jahre war es schließlich das Hygiene-Museum, das unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel das von Kölner Seite vorgebrachte Argument aushebeln konnte, einer sozialistischen Propaganda dürfe keine Plattform geboten werden. Das prestigeträchtigere und größere Museum in Dresden hatte mit dem

4 Vgl. zur Geschichte der Displays des DHM in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Nikolow: Wissenschaftliches Stillleben.

Rückblick 

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staatlichen Gesundheitswesen sowie einer auf Anerkennung zielenden Außenpolitik der DDR mehr Ressourcen in der Hinterhand als das Deutsche GesundheitsMuseum. Bemühungen um möglichst subtile politische Präsentationen, gekoppelt mit einer Rhetorik der deutschen Wiedervereinigung, halfen dem DHM zusammen mit den kommerziellen Interessen der Aussteller in der Bundesrepublik in Erscheinung zu treten und seinen Lehrmitteln Zugang zum globalen Markt zu verschaffen. Im Laufe der 1950er Jahre verdunkelten sich die Aussichten für das nie wirklich stabilisierte Gesundheits-Museum. Durch die Präsenz des HygieneMuseums verloren die Fürsprecher für ein Kölner Museum der hygienischen Volksbelehrung an Einfluss. Fragmentierte Zuständigkeiten für den ÖGD setzten dem Museum ebenso zu wie die wenig erfolgreich gestalteten Beziehungen zu den anderen Kollektivakteuren auf dem Feld der Gesundheitsaufklärung. Schließlich verlor Seiring die Gunst des Vorstands und musste im Sommer 1956 das Museum in Köln-Merheim verlassen. Im Zuge seines Weggangs dünnten sich die personellen Verflechtungen zwischen Hygiene- und GesundheitsMuseum aus. Die Verflechtungsgeschichte der hygienischen Volksbelehrung wurde zu einer Parallelgeschichte der Gesundheitserziehung. Letztlich hatte das nach dem Dresdner Modell geformte DGM weder mit noch ohne Seiring ausreichenden Schwung erlangt, um seine strukturellen Konflikte überwinden zu können. Die Nachteile des mit dem Namen Seiring eng verbundenen Dresdner Modells der hygienischen Volksbelehrung wurden im Laufe der 1950er Jahre immer deutlicher formuliert. Eine museale und ausstellende Gesundheitsaufklärung galt zunehmend als teuer und aufwendig. Je weniger Beharrungskraft das alte museale Konstrukt den Medizinalbeamten in Ost und West entgegensetzen konnte, als umso ineffizienter galt das Fortbestehen einer solchen Tätigkeit und eines von einem Verein getragenen Museums. Auf beiden Seiten gerieten Konzepte, Medien und die Organisationsform Museum in jeweils spezifisch gelagerte Krisen. Gerade als das Gesundheits-Museum besonders geschwächt war, begannen die an Prävention interessierten Gesundheitswissenschaftler und -politiker ihren Zugriff auf das DGM zu verstärken. Das gelang auch deswegen, weil die Gesundheitspolitik in der Bundesrepublik einen höheren Stellenwert erlangte. Mit der öffentlich gemachten Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung ließ sich in Zeiten des Contergan-Skandals, der Debatten um die Gesundheitsgefahren des Rauchens, aber auch der vermeintlich hormonell gestützten Enthemmung der Sexualität der Jugend (durch die „Pille“) politisches Kapital mobilisieren. Das Hygiene-Museum sorgte dagegen eher durch den eigenen Erfolg für seine Restrukturierung Ende der 1960er Jahre. Die Ausstellungen in der Bundesrepublik und die durch die Dekolonisation neu entstehenden Aufmerksamkeits- und Lehrmittelmärkte zogen das Museum ebenso in das Politikfeld der Außenpolitik wie in

436 

 Fazit

das der Außenhandelspolitik. Mit der produzierenden und ausstellenden Arbeit des Hygiene-Museums waren Anerkennung und Prestige zu gewinnen sowie harte, konvertible Devisen zu erwirtschaften. Dadurch erlangte in Dresden der Bereich der Gesundheitserziehung ein großes Gewicht, als das Hygiene-Museum 1967 gleichermaßen zum Zentralinstitut für Gesundheitserziehung wie für die Produktion biologisch-anatomischer Unterrichtsmaterialien erklärt wurde. In Köln wurde ebenfalls 1967 die Gesundheitserziehung als primärer Aufgabenbereich festgeschrieben, als das Gesundheits-Museum zur BZgA umgewidmet wurde. Diese Verstaatlichung der Gesundheitserziehung sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik löste einen der zentralen Konflikte der hygienischen Volksbelehrung  – den der Gleichzeitigkeit von humanistischer und selbstloser Sorge um die Gesundheit aller und von kommerzieller Tätigkeit zum Überleben der eigenen Organisation. Die konzeptionelle Verschiebung der Gesundheitsaufklärung von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung sollte sich neben der mit ihr zusammenhängenden Entmusealisierung der Dresdner und Kölner Einrichtung als zweite maßgebliche Entwicklung der 1960er Jahre erweisen. Gesundheitserziehung entfaltete sich als neuer und von einem internationalen Professionalisierungsdiskurs untermauerter Modus der Verhaltensprävention am Kreuzungspunkt mehrerer historischer Entwicklungen: des starken Glaubens an die Problemlösungsfähigkeit der Wissenschaft, der Planungseuphorie des Jahrzehnts, der epidemiologischen Problematisierung von „Bevölkerungskrankheiten“ über das Epistem des Risikos als Verhaltenskrankheiten, des Medienwandels, der Genese der Konsumgesellschaft, in welcher eine öffentliche Gesundheitskommunikation nur als Public-Relations-Arbeit denkbar war, sowie der Soziologisierung und Psychologisierung dieser kommunikativen Praxis einerseits und des menschlichen Verhaltens andererseits. Diese Entwicklungen ließen Gesundheitsaufklärung in jener Zeit nur als Gesundheitserziehung zu  – als evaluativ reflektierte Praxis der Verhaltensänderung. Eine Verhaltensprävention über öffentliche Kommunikation konnte nicht mehr auf die rationalistische Annahme der Anverwandlung von anschaulich gemachtem Wissen vertrauen; sie musste Motivationen, kognitive Dissonanzen, Gruppendynamiken, soziale Images und soziales Handeln verstehen und die Optionen ihrer Beeinflussung empirisch erforschen. Dem rauchenden Cowboy eine positive nichtrauchende Sozial- und Werbefigur entgegenzustellen, hatte nur noch wenig mit der anatomischen und physiologischen Wissensvermittlung über durchsichtige Körpermodelle oder Bildstatistiken in Ausstellungen zu tun, sondern vor allem mit der zielgruppenspezifischen, multimedialen Entwicklung und Streuung von Mediensets. Das erforderte auch andere Experten: Soziologen, Psychologen, Werbe- und Public-Relations-Fachleute. Mouleure, Modelleure, Elektriker, Präparatoren oder

Rückblick 

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Plakatzeichner hingegen waren im Modus der Gesundheitserziehung weniger gefragt. Die evaluative Beforschung des menschlichen Verhaltens und seiner Veränderbarkeit durch die soziale Praxis der kommunikativ operierenden Gesundheitserziehung machte auch zwei andere Sozialfiguren sichtbar, die in der Bundesrepublik mit der Zeit zu Leitbildern der Gesundheitserziehung wurden: den mündigen Bürger und den aufgeklärten Konsumenten, die einhergingen mit einer Subjektivierung der gesundheitserzieherischen Norm. Wenn Gesundheitserziehung funktionieren sollte, musste gesundheitsförderliches Verhalten die praktische und akzeptable Wahl sein. Also waren sozial determinierte Praktikabilität und Akzeptabilität des angestrebten Verhaltens die Kriterien des Erfolgs. So wandelten sich beispielsweise die emotionalen Strategien der Publikumsansprache zur gesundheitsförderlichen Verhaltensänderung vom Erregen von Ekel hin zur Versicherung von Empathie.5 In der DDR hingegen war auch in multimedialen Gesundheitskampagnen dem Leitbild der sozialistischen Persönlichkeit offiziell nicht zu widersprechen und der Erziehungsauftrag der Gesundheitserziehung weniger auf empirisch bestimmbare Erfolgskriterien ausrichtbar. Die Prinzipien und Legitimationsstrukturen der Fürsorge- und Erziehungsdiktatur blieben formell alternativlos. In der Einheit von Bildung und Erziehung galt auch die gesundheitliche Belehrung als Teil der Erziehung zur „sozialistischen Lebensweise“, die in Austausch und Kooperation mit anderen Staaten des „Ostblocks“ im autoritativen Duktus fortgeführt und intensiviert wurde. Auch hier zeigte sich, dass die systemische Integration nicht intendierter Folgen einer „konstitutiven Widersprüchlichkeit“ (Detlef Pollack) die Bearbeitungskapazitäten und Legitimationsressourcen der DDR überfordern und von innen zerreißen sollte. Das Ideal der sozialistischen Persönlichkeit war genauso wenig einzulösen wie ein von kommerziellen Interessen freies, dem Westen moralisch überlegenes, sich präventiv um Gesundheit kümmerndes System der medizinischen Versorgung. Das SED-Regime konnte hierfür stets in die Verantwortung genommen werden, weil es sich selbst stets für verantwortlich erklärte. Ebenfalls zeigte sich ein Dilemma der Verwissenschaftlichung des Sozialen in der DDR: Die gesellschaftliche Selbstbeobachtung, die einer krankheitspräventiven Verhaltensänderung vorausgehen musste und Handeln mit seinem sozialen Umfeld kontextualisierte, verlor umso mehr an politischer Beachtung, je stärker sie sich von den ideologisch vorgegebenen Gesellschaftsentwürfen entfernte. Der Glaube an die „Produktivkraft Wissen-

5 Vgl. Laukötter: Vom Ekel zur Empathie.

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 Fazit

schaft“ löste sich in Desinteresse auf.6 Im gleichen Maße, wie in der DDR die Ablösung von der musealen Tradition weniger umfassend erfolgte, war auch das emanzipative Potenzial schwächer, das dem Modus der Gesundheitserziehung innewohnte.7 Mit der Überlagerung der hygienischen Volksbelehrung durch die Gesundheitserziehung hatte sich die Gesundheitsaufklärung in Ost wie West  – jedoch immer in spezifischen politischen Ausformungen  – auf dreierlei Arten und Weisen gewandelt: Sie wurde strukturell von Behörden betrieben, sie zielte konzeptionell durch kommunikative Instrumente auf eine sozialwissenschaftlich fundierte Verhaltensmodifikation ab und sie tendierte dazu, anstatt Ausstellungen andere Medien zu nutzen.

Schlussfolgerungen Anhand der Geschichte der hygienischen Volksbelehrung in den zwanzig Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lassen sich einige der bisherigen Narrationen zur deutsch-deutschen Geschichte, Gesundheitsaufklärung und Prävention bestätigen. Andere, vor allem solche, die in ihrer Geltung näher an die Gegenwart heranreichen, gilt es zu modifizieren. Wenig zu zweifeln ist daran, dass das Konzept der asymmetrisch verflochtenen Parallelität für die frühen Jahre der Geschichte der Gesundheitsaufklärung in den beiden deutschen Staaten gewinnbringender ist als für die späteren. Mit dem Ausdünnen persönlicher Kontakte und mit der Internationalisierung in den 1960er Jahren sank die Prägekraft der deutsch-deutschen Beziehungen für die Entwicklung der Gesundheitsaufklärung im Allgemeinen und der beiden Einrichtungen im Speziellen. Aus dem Fall der Gesundheitsaufklärung und ihrer beiden Museen lässt sich demnach ein stärkeres Argument dafür begründen, Verflechtungs- und Parallelgeschichte sowohl konzeptionell als auch chronologisch zu trennen, weil die Verflechtungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR, die

6 Vgl. Reinecke: Fragen an die sozialistische Lebensweise. 7 Dies korrespondiert auch mit dem Museumsverständnis in der DDR. In diesem oblag es den Museen, das „neue gesellschaftliche Leben“ mitzugestalten und eine „sozialistische Volkskultur“ zu entwickeln. Museen und Gesundheitserziehung waren damit beiderseitig der Formung von sozialistischen Persönlichkeiten verpflichtet, was das Medium Museum auch bis zum Ende der DDR für die Gesundheitserziehung zumindest programmatisch kompatibel machte. Siehe hierzu: Knorr, Heinz A.: 10 Jahre Aufbau des Heimatmuseumswesens 1948–1958, in: Neue Museumskunde 1/1958, S. 1–5, S. 1; Herbst, Wolfgang/Materna, Ingo: 20 Jahre Museum für Deutsche Geschichte, in: Neue Museumskunde 15/1972, S. 7–14.

Schlussfolgerungen 

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zunächst zuungunsten des Gesundheits-Museums in Köln asymmetrisch strukturiert waren, einer Parallelität zunehmend Platz machten. Die deutsch-deutsche Geschichte der beiden Museen der hygienischen Volksbelehrung zeigt, dass eine Geschichte der Wissensvermittlung und -veranschaulichung auch eine politische Geschichte von Ordnungsvorstellungen und -systemen ist. In den Bemühungen um Gesundheit im Allgemeinen und in der Gesundheitsaufklärung im Speziellen wird deutlich, wie Vorstellungen individueller Körperordnung solche kollektiven Zusammenhänge prägten  – und vice versa. Gesundheitsaufklärung operierte auf der veränderlichen Grenze zwischen Normativität und Funktionalität, zwischen wissenschaftlich zertifiziertem Wissen und der Seh- und Unterhaltungserwartung des Publikums. Die Zirkulation von Gesundheits- und Krankheitswissen, die die Gesundheitsaufklärung vorantrieb, ließ nicht nur individuelle und kollektive Ordnungsvorstellungen kreisen, sie verkoppelte zugleich Wissenschaft und Gesundheitswesen und mobilisierte Ressourcen füreinander. Das kleinteilige und multiperspektivische Vorgehen der Analyse sollte die Vielschichtigkeit dieser Wandlungsprozesse erhellen und von keiner Perspektive aus einseitig vorformen. Diese verwendete Methode verdeutlichte, wie sehr die Akteure der Gesundheitsaufklärung miteinander verwoben waren und dass diese aus der Privatwirtschaft, aus der Zivilgesellschaft und aus dem staatlichen Bereich kamen. Die gesundheitspolitische Problematisierung und das Risikoepistem der chronischen Krankheiten, die Verwissenschaftlichung der Gesundheitsaufklärung und die Konsumgesellschaft einerseits sowie die Diktatur der SED andererseits formten Lingners und Seirings zunächst zivilgesellschaftliches Projekt, das tief in der Privatwirtschaft verankert war, zu einem staatlichen. Die von Niklas Rose skizzierte Geschichte einer Transformation von staatlichen über zivilgesellschaftlichen zu liberal-individualistischen Präventionspraktiken ist angesichts der Gegenläufigkeit der Geschichte der Gesundheitsaufklärung zu relativieren – zu komplizieren.8 Die detailreiche Rekonstruktion und Kontextualisierung der Geschichte beider Häuser lässt die kleinen Verschiebungen im Laufe der Zeit erkennen. Deswegen gibt sie Anlass zu hinterfragen, ob die Etablierung der Gesundheitsförderung, der Health Promotion und des New Public Health seit den späten 1970er Jahren in der Tat einen so einschneidenden Bruch darstellt, wie die Generation ihrer Proponenten behauptet und an das salutogenetische Konzept der Gesundheitsförderung

8 Vgl. Rose: Politics of Life Itself, S. 1–5; Lengwiler, Martin/Madarász, Jeannette: Präventionsgeschichte als Kulturgeschichte der Gesundheitspolitik, in: Lengwiler, Martin/Madarász, Jeannette (Hrsg.): Das präventive Selbst. Eine Kulturgeschichte moderner Gesundheitspolitik, Bielefeld 2010, S. 11–28, S. 15 ff.

440 

 Fazit

(Health Promotion) bindet.9 Denn einige für die Entwicklung der Gesundheitsförderung maßgebliche Personen hatten bereits an der Elaboration der Gesundheitserziehung gearbeitet, allen voran der Begründer der Salutogenese, Aaron Antonovsky (1923–1994), der exemplarisch für eine personelle Kontinuität zwischen Gesundheitserziehung und Gesundheitsförderung steht.10 Ebenso war die Gründung der BZgA und nicht die spätere Elaboration der Gesundheitsförderung im Bereich der Gesundheitsaufklärung die politische Reaktion auf den fachlich „artikulierten Modernisierungsstau“.11 Der Zweifel am revolutionären Übergang von Gesundheitserziehung zu Gesundheitsförderung nährt sich vor allem von der sozialwissenschaftlichen Expertise und Perspektive auf Krankheit und Gesundheit, auf den Zusammenhang von Verhalten und Verhältnis, der bereits mit der Gesundheitserziehung in die Gesundheitsaufklärung Eingang gefunden hatte. Auf der Suche nach den „richtigen Rezepten für die Lenkung der Menschen im Sinne einer effektiven gesundheitlichen Aufklärung“12 institutionalisierte die Gesundheitserziehung einen solchen sozialwissenschaftlichen Blick auf Gesundheitseinstellungen, -motive und -handlungen, getragen vom technokratischen Traum des Social Engineering. Diese Vision von der Planung, Lenkung und Leitung großer sozialer Kollektive wurde auch Bestandteil der zentralen Perspektive der Gesundheitsförderung auf die gesellschaftlichen Bedingungen von Gesundheit – und die BZgA förderte diese mit 120 allein zwischen 1968 und 1975 in Auftrag gegebenen psychologischen und soziologischen Studien.13 Es war die BZgA, die in Person von Rosmarie Erben die Rezeption des internationalen Professionsdiskurses der Health Education maßgeblich vorantrieb.14 Weil also die Gesundheitserziehung das 9 Vgl.  exemplarisch: Labisch/Woelk: Geschichte der Gesundheitswissenschaften; Rosenbrock, Rolf: Die Umsetzung der Ottawa Charta in Deutschland. Prävention und Gesundheitsförderung im gesellschaftlichen Umgang mit Gesundheit und Krankheit, 1998, https://www.econstor.eu/ bitstream/10419/47378/1/278289975.pdf, 16.9.2019; Ruckstuhl: Gesundheitsförderung. 10 Vgl.  Antonovsky, Aaron/Shuvai, Hillei: Evaluation of the Effect of Mass Media in a Health Education Programme, in: International Journal of Health Education 9/1966, S. 58–68; Antonovsky, Aaron: Health, Stress, and Coping. New Perspectives on Mental and Physical Well-Being, San Francisco u. a. 1980 [1979]. 11 Vgl. Rosenbrock: Ottawa Charta, S. 6. 12 Schnocks, Hans: Die Geschichte der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, o.  J. (ca. 1981), S. 17. 13 Vgl. Pott: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2005, S. 341. 14 Vgl.  exemplarisch: Anonym/Erben-Wachsmuth, Rosmarie: Möglichkeiten und Grenzen der Gesundheitserziehung. Zusammenfassender Bericht über die Gruppen-Diskussionen, in: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Herz- und Kreislauf-Krankheiten. Die Rolle der Gesundheitserziehung in der Erst- und Zweitprävention. II. Internationales Seminar für Gesundheitserziehung, Höhenried, 5.–10.7.1970, Genf 1973, S. 126–137; Canaris, Ute/Erben, Rosmarie: Bundesrepublik Deutschland, in: Internationale Union für Gesundheitserziehung (Hrsg.):

Schlussfolgerungen 

 441

„Gestaltsehen“ der Gesundheitsförderung ermöglichte und dieses die Vorstellungen, Motive und Handlungsweisen der Rezipienten in ihren sozialen Kontexten in den Blick nahm, scheint die Unterstellung eines radikalen Bruchs von der Gesundheitserziehung zur Gesundheitsförderung eher der historischen Selbstvergewisserung heutiger Akteure und der Legitimation ihrer wissenschafts- und gesundheitspolitischen Forderungen zu dienen. Wie im Aufklärungsfilm Helga repräsentierten die von der BZgA verantworteten Aufklärungskampagnen keineswegs das damals öffentlich als progressiv Diskutierte. Analog zu den Diskussionen um den Sexualkunde-Atlas 1969 ging Konservativen das von der BZgA Herausgegebene zu weit, anderen nicht weit genug. Aber das Material kann heute für das stehen, was staatlicherseits damals realisierbar war: Das war ein sozialwissenschaftlicher, empirischer Blick auf das von Emotionen, Einstellungen, Wünschen und auch von Wissen abhängige Gesundheitshandeln in seinen jeweiligen sozialen Kontexten. Ein solcher Blick machte zur Verhaltensformung Lebensweisen und Lebenswelten sichtbar. Und die Leitbilder des mündigen Bürgers (oder auch des kritischen Verbrauchers) stärkten sein Gewicht. Damit spiegelt sich in der Verschiebung von der hygienischen Volksbelehrung zur Gesundheitserziehung ein breiterer ideengeschichtlicher Wandel im Denken und Erforschen des Sozialen: die Marginalisierung einer geistesphilosophischen Tradition des deutschen Idealismus zugunsten einer interaktionistischen in der Linie des US-amerikanischen Pragmatismus. Von dem Gedanken einer von den Gesundheitserziehern nicht intendierten Flexibilisierung gesundheitserzieherischer Norm ausgehend lässt sich ferner auch eine Rückfrage an die Arbeiten zur Subjektivierungsgeschichte ab den 1960er Jahren stellen.15 In diesen wird zumeist aus einer genealogischen Perspektive die neoliberale Gegenwart kritisiert, um die Vermarktlichung des Sozialen anzuprangern. Der zentrale Ansatzpunkt ist zumeist der Vorwurf, die allumfassende Kommodifizierung des neoliberalen Kapitalismus habe auch jeder alternativen Subjektkultur ihr emanzipatorisches Potenzial geraubt: Aus der gesellschaftlichen Sprengkraft neuer, alternativer Selbstverhältnisse wurde die Zumutung des individualistischen Selbstmanagements eines neoliberalen

Gesundheitserziehung in Europa. Organisationsformen, Aktivitäten, Forschungsprojekte, berufliche Ausbildung, Pläne für die Zukunft, Genf 1980, S. 27–64; Erben, Rosmarie: Auf dem Wege zur konkreten Utopie. Entwicklungen und Perspektiven der Gesundheitserziehung in Europa, Berlin 1984. 15 Vgl. für einen Überblick: Reichardt, Sven: Rezension zu: „Maik Tändler: Das therapeutische Jahrzehnt. Der Psychoboom in den sechziger Jahren“, 15.3.2017, http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-25367, 19.9.2019.

442 

 Fazit

politischen Regimes. Ein solcher Staat ziehe sich aus der sozialen Verantwortung und überlasse das Einstellen des erwünschten Verhaltens durch subtile Machtverhältnisse der individuellen Selbststeuerung. Die Anverwandlungskraft des Kapitalismus führe demnach über die Managementliteratur des Marketings von der Studentenbewegung zur Ich-AG.16 In dieser bisweilen historisch wenig konkretisierten Kritik werden mitunter die Gegenbewegungen – wie die Gesundheitserziehung – übersehen: die wohlfahrtsstaatlich angetriebene interaktionistische Sozialisierung des Verhaltens durch eine sozialdemokratisch orientierte gesellschaftliche Reformpolitik; die Ver(sozial)wissenschaftlichung von Gesundheit; die Kommunitarisierung der Gesundheitsaufklärung im Modus der Gesundheitsförderung, die direkt aus der Gesundheitserziehung folgte. Es dauerte viel länger als angenommen, bis der Traum der staatlichen (Verhaltens-)Steuerung, der mit seinen Erfolgsannahmen der Wissenschaftlichkeit, Einheitlichkeit und Zentralität erst zum Ende der 1960er Jahre seine organisatorische Entsprechung in den Formen eines Zentralinstituts beziehungsweise einer Bundeszentrale fand, an der Vielfalt der Postmoderne zerplatzte. Ganz im Gegenteil fand dieses Phantasma ab den 1980er Jahren zunächst neue Hoffnung in einer durch die Gesundheitserziehung vorbereiteten, adaptiven Renaissance der Sozialhygiene, was als Gesundheitsförderung oder New Public Health eine Bezeichnung finden sollte.17 Weil Verstaatlichung, Sicherheitsdispositive, die Verwissenschaftlichung und Kommodifizierung des Sozialen in einem komplizierteren wechselseitigen Ermöglichungsverhältnis stehen, als dies manche genealogischen Arbeiten zur gouvernementalen Kritik der Gegenwart erkennen, fehlt beispielsweise bislang eine historische Erklärung dafür, dass die Hinwendung zu „emanzipativen und partizipativen Gesundheitskonzepten noch einem wohlfahrtsstaatlichen Duktus folgte“.18 Und noch ein Weiteres: Mit dem kontrastiven Blick auf die Gesundheitserziehung in der Bundesrepublik und der DDR wird auch deutlich, welches Emanzipationspotenzial die Konsumgesellschaft mit

16 Für dieses Narrativ der Inkorporation auch alternativer Lebensentwürfe in die ökonomische Logik des Kapitalismus und der Flexibilisierung der Arbeit im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts maßgeblich: Boltanski, Luc/Chiapello, Éve: Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz 2006 [1999]; Sennett, Richard: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin 1998; Voß, G. Günter/Pongratz, Hans J.: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 50/1998,  S.  131–158; Bröckling: Unternehmerische Selbst. 17 Vgl. Ruckstuhl: Gesundheitsförderung. 18 Schmidt-Semisch, Henning/Paul, Bettina: Risiko Gesundheit. Eine Einführung, in: Paul, Bettina/ Schmidt-Semisch, Henning (Hrsg.): Risiko Gesundheit. Über Risiken und Nebenwirkungen der Gesundheitsgesellschaft, Wiesbaden 2010, S. 7–21, S. 12.

Ausblick 

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ihren komplementären Leitbildern des mündigen Bürgers und des aufgeklärten Konsumenten entfaltete. Deswegen brauchen wir Arbeiten, welche die Ambivalenz aus Emanzipation und Zumutung, aus Befähigung und der vermeintlichen Selbstausrichtung an flexiblen – mitunter ambivalenten – Normen ernst nehmen und gleichermaßen als Privileg und Zumutung für die Bürger akzeptieren; Arbeiten, in denen in den Blick genommen wird, was die Gesundheitsaufklärung mit der Umstellung ihres Modus von hygienischer Volksbelehrung auf Gesundheitserziehung verlor; Arbeiten, in denen aufgezeigt wird, wo, wann und unter welchen Bedingungen das, was einstmals verloren war, wiedergewonnen wurde.

Ausblick Gesundheitserziehung ließ auch etwas verkümmern: Indem sie sich auf das Ziel einer komplizierten Modifikation des in komplexen Bedingungsnetzen eingewobenen Gesundheitshandels fokussierte, gab die staatlich alimentierte und sanktionierte Gesundheitserziehung die Kultur der Visualisierung körperlichen und hygienischen Wissens aus der hygienischen Volksbelehrung auf. Dies zeitigte ironischerweise ebendort ein antiliberales, entmündigendes Potenzial der Verhaltensmanipulation, wo die Abkehr von der hygienischen Volksbelehrung konsequenter vollzogen wurde – in der Bundesrepublik. Außenpolitische und außenwirtschaftliche Interessen sowie die Beharrungskräfte der bekannten Marke „Deutsches Hygiene-Museum“ hatten in der DDR mehr von der hygienischen Volksbelehrung am Leben erhalten, als es in Köln-Merheim der Fall war. Die Wanderausstellungen des Hygiene-Museums wurden zwar letztlich 1982 gänzlich eingestellt und auch einige Abteilungen der Werkstätten wurden – der Nachfrage entsprechend – verkleinert oder gar geschlossen.19 Aber es war die Fläche des Gebäudes selbst, die weiterhin bespielt werden musste. Wie 1945 waren es das Haus und die übrig gebliebenen Exponate, welche die museale Organisationsform retteten, als diese zur Diskussion stand. Als die Idee des Museums als Bildungs- und Begegnungsstätte mitsamt explizit didaktischer Gestaltung wieder aufkam, wurden die alten Bildungsziele der hygienischen Volksbelehrung wie auch die entsprechenden Darstellungstechniken des Gegenwartsmuseums der Hygiene aus der Mottenkiste geholt. Die Gesundheitserzieher*innen hatten in der DDR mit dem NKGE und dem IfG am Deutschen Hygiene-Museum als zentralem Knotenpunkt ein Netzwerk

19 Ebenfalls wurde 1971 das anatomische Labor geschlossen und damit die Produktion der einstmals weltberühmten transparenten anatomischen Präparate eingestellt. Vgl. Behling: Anatomisches Labor, S. 68–77.

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 Fazit

geknüpft. Sie mühten sich in den 1970er Jahren um die Professionalisierung der Gesundheitserziehung als Hand- und Wörterbuchwissenschaft, indem sie didaktische Anleitungen entwickelten und herausgaben, sowie die Entstehung eines eigenen Berufsbildes anstrebten.20 Sie vergewisserten sich der ideologischen Konformität ihrer Praxis.21 Nach anfänglicher Unklarheit über die Beziehung zwischen Hygiene-Museum und NKGE setzten sie eine Verfahrensstruktur der gestuften Absprache (und Zensur) durch, die den Prinzipien des demokratischen Zentralismus entsprach.22 Sie suchten internationale Kooperationspartner und fanden diese im Zentralinstitut für Gesundheitserziehung in Prag.23 Sie suchten nach neuen Medien, nach Möglichkeiten, Filme und Werbespots für das Kino und das Fernsehen zu produzieren und dort zu zeigen.24 Doch das Interesse der entscheidenden Stellen des SED-Staats an diesen Aktivitäten konnten die Gesundheitserzieher*innen offensichtlich nicht erringen.25 Sie schienen die Aufmerksamkeit des SED-Regimes erst erfolgreich auf sich gezogen zu haben, als sie eine rote Linie überschritten und vor einer internationalen Öffentlichkeit den Tabak- und Alkoholkonsum in der DDR aus epidemiologischer Perspektive problematisierten – und dem Regime zwischen den Zeilen gesundheitspolitische Untätigkeit vorwarfen.26 Das Ergebnis war, dass zu Anfang 20 Vgl. Sammer: Modernisierung der Gesundheitsaufklärung, S. 268 f. 21 Vgl.  Lämmel, Rolf: Gesundheitserziehung. Teil sozialistischer Bewusstseinsentwicklung, in: Spaar, Horst/Horn, K. (Hrsg.): Der Leninismus – der Marxismus unserer Epoche, seine Bedeutung für den Fortschritt der medizinischen Wissenschaft und des Gesundheitsschutzes. Thesen und Berichte der theoretischen Konferenz des Ministeriums für Gesundheitswesen und der Deutschen Akademie für Ärztliche Fortbildung vom 10. und 11. April 1970, Berlin 1970, S. 148–151. 22 Vgl.  exemplarisch: Diskussionsprotokoll der Berichtswahlversammlung der BPO DHM, 9.3.1971, in: Hauptstaatsarchiv Dresden, 13658, Nr. 387/1 (Registraturgut); Stichwortprotokoll über eine Besprechung zwischen MfG, NKGE, DHM, am 19.2.1970, in: BArch, DQ 113/10, 1969–1970; Mecklinger, Ludwig: Anweisung zur weiteren Entwicklung der gesundheitspropagandistischen und gesundheitserzieherischen Arbeit des Gesundheits- und Sozialwesens, in: Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Gesundheitswesen/25.6.1975, S. 71–72. 23 Vgl. Institut für Gesundheitserziehung, Prag/Deutsches Hygiene-Museum in der DDR Dresden – Institut für Gesundheitserziehung (Hrsg.): Sozialistische Lebensweise und Gesundheitserziehung. Material des 1. bilateralen Kolloquiums der Institute für Gesundheitserziehung der ČSSR – DDR, Dresden 1980; Institute für Gesundheitserziehung der sozialistischen Länder Europas (Hrsg.): Internationales Terminologisches Wörterbuch Gesundheitserziehung, Dresden 1980. 24 Vgl. Osten: Wer lässt sich schon gerne belehren. 25 Vgl.  Lämmel: Gesundheitserzieherische Arbeit, 1971–1981; Linek: Gesundheitsvorsorge,  S. 214–220. 26 Vgl.  Nationales Komitee für Gesundheitserziehung der Deutschen Demokratischen Republik: Zum Tabakproblem in der DDR. Ausgewählte Materialien der 4. Tagung des Nationalen Komitees für Gesundheitserziehung der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.10.1978 in Berlin, o.  O. 1978; IfG des DHM: Allgemeine Materialien zum Rauchen, in: Hauptstaatsarchiv

Ausblick 

 445

der 1980er Jahre sämtliche Leitungspositionen auf dem institutionellen Feld der Gesundheitserziehung – von der Abteilung Gesundheitspolitik des Zentralkomitees der SED über das DHM und das Deutsche Rote Kreuz in der DDR zum NKGE  – neu besetzt wurden.27 Die genauen Umstände dieses großen personellen Aufräumens in der Gesundheitspolitik der DDR müssen separat untersucht werden. Hier soll nur darauf hingewiesen werden, dass ein nahezu komplett erneuertes Leitungspersonal für das Hygiene-Museum verantwortlich war  – zu einem Zeitpunkt, an dem das SED-Regime die Geschichte als Legitimationsquelle neu entdeckte.28 Im Zuge dieser geschichtspolitischen Restauration der 1980er Jahre wurde das Museum auch seiner Hausausstellung wieder gewahr. Zusammen mit dem globalen Museums- und Ausstellungsboom jener Zeit sorgte dies für die Wiederaufwertung der Hygiene-Ausstellung in Dresden. Zuletzt verbesserte die doppelte Konjunktur der Science Center und des Public Understanding of Science die Chancen einer Adaption des ehemals in Dresden praktizierten Zeigestils einer Visualisierung und haptischen Verdinglichung wissenschaftlich gewonnenen und zertifizierten Wissens. Auch die Gesundheitsförderung begann die Ausstellung als ein Medium des persönlichen Kontakts wieder wertzuschätzen.29 Am Hygiene-Museum wurde daraufhin nicht nur die Dauerausstellung kontinuierlich erneuert, auch ein eigener Direktionsbereich wurde für das Ausstellen geschaffen. 1987 feierten Stadt und Museum wieder einmal das Jubiläum der Gründung des Hygiene-Museums. Karl August Lingner wurde in der Erinnerungskultur wieder prominent. Seine Denkschrift von 1912 wurde neu aufgelegt und der ehemalige Museumsmäzen erhielt sogar eine eigene Koje in der Hausausstellung.30 Das Deutsche Hygiene-Museum hatte eine Geschichte und diese wurde es wert, ausgestellt zu werden. Mit ehemaligen Exponaten, die nunmehr materielle Zeitzeugen von kulturhistorischem Wert geworden waren, ließ sich verdinglichen, wie in Deutschland im 20. Jahrhundert das Wissen über Gesundheit und Krankheit visualisiert und reifiziert wurde sowie welche gesellschaftlichen

Dresden, 13658, Nr. 1524 (Registraturgut), 1976–1980; Rat für medizinische Wissenschaften beim Ministerium für Gesundheitswesen: Stellungnahmen zum Rauchen in der DDR, in: BArch, DQ 109/133, 1974–1978. Zum Lesen zwischen den Zeilen in den Quellen der DDR: Voigt, Dieter (Hrsg.): DDR-Wissenschaft im Zwiespalt zwischen Forschung und Staatssicherheit, Berlin 1995. 27 Vgl. Lämmel: Gesundheitserzieherische Arbeit, 1971–1981, S. 115 ff. 28 Vgl. Sammer: Utopie Gesundheit, S. 195–198. 29 Vgl. Dauschek, Anja (Hrsg.): Ausstellungen als Medium in der Gesundheitsförderung. Fachtagung, 21. bis 23. November 1996, Dresden 1997. 30 Vgl. Sammer/Thaut: Im Mittelpunkt steht der Mensch.

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 Fazit

Konzepte von und Umgangsweisen mit Gesundheit und Krankheit existierten.31 Das war die Perspektive für das Deutsche Hygiene-Museum: Als das Museum im Kontext des Beitritts der neuen Bundesländer zur Bundesrepublik die Lehrmittelproduktion verkaufte sowie die Zuständigkeit für eine nationale Gesundheitsaufklärung an Köln-Merheim verlor, konnte es als Museum vom Menschen bis in die Gegenwart überleben. Diese Neuausrichtung wurde sowohl durch die partielle Entmusealisierung der 1960er und die Remusealisierung der 1980er möglich als auch durch die neue Expertise der empirischen Kulturwissenschaft, die nach Dresden kam.32 Mit dem Museum vom Menschen kam auch das Vertrauen in den musealen Bildungsauftrag wieder, das der hygienischen Volksbelehrung innegewohnt hatte – nunmehr nicht als Belehrung, sondern als Arena des diskursiven Austausches.

31 Eingebunden war diese Entwicklung auch in die Konzeptualisierung von (Museums-)Dingen als „sprechende“. Siehe hierzu: Schulze: Dinge sprechen, S. 335–346. 32 Vgl. Thaut: Wandel musealer Strategien.

Anhang

Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17–19 Abb. 20 Abb. 21 Abb. 22 Abb. 23 Abb. 24 und 25

Abb. 26 Abb. 27

Abb. 28

Deutsche Fotothek OBJ 88950028; ebenso in: Paul, Gerhard (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder, Bd. 1: 1900 bis 1949, Göttingen, 2009, S. 731   36 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, DHMD 2014/644.75; ebenso in: Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, S. 108 f.   38 Seiring, Georg: Der Ursprung hygienischer Volksbelehrung, in: Illustrirte  94 Zeitung, 26.8.1937, S. 302  British Travel and Holiday Association (Hrsg.): Exhibitions in Britain. Come to Britain, London, o. J. (um 1950)   113 BArch B 142/1997, unpag.   117 Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, NW 945, Nr. 142, unpag.   124 Pott: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2005, S. 334–347, S. 335   125 Historisches Archiv der Stadt Köln; ebenso in: Pott: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2005, S. 334   139 Ullsteinbild; ebenso in: Vogel, Klaus: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, S. 122   140 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, DHM 4, 3/32   169 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, DHM 4, 3/34   169 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, DHM 4, 3/26   169 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 2, Nr. I, Bild 529   176 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 2, Nr. VII, 614 a–c   178 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Bildbestand, Nr. 2709–290-2   183 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Bildbestand, Nr. 2709–287-20a   184 Nikolow, Erkenne und prüfe Dich selbst, S. 249f.   185ff. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 41, Tafel 1013, DHMD 2015/566.63   190 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 41, Tafel 1008, DHMD 2015/566.58   193 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 41, Tafel 7139, DHMD 2015/567.29   194 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Fotodokumentation Hausausstellung, DHMD 2019/330.1   213 Deutsches Hygiene-Museum Dresden: Nationale Hygiene-Ausstellung Dresden, Umschlagseiten; ebenso: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, DHMD 2018/241   216f. Hier aus: BArch, B 142/2017   248 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 46, 6165; ebenfalls gezeigt in ABC des Lebens, Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 48, 6617, DHMD 2019/407.38   259 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 46, 6126, DHMD 2019/407.1   263

https://doi.org/10.1515/9783110664171-008

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 Abbildungsverzeichnis

Abb. 29 Abb. 30 und 31 Abb. 32 Abb. 33–39 Abb. 40 Abb. 41 Abb. 42 Abb. 43 und 44

Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 46, 6133, DHMD 2019/407.8   264 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, 4. IUHEP, Leporello 7, DHMD 2019/277.4, DHMD 2019/276.3   268 Deutsches Gesundheits-Museum Köln: Gesundheits-Atlas, Blatt 1   332 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 44   348 Deine Gesundheit 20/1974, S. 348   376 Sammlung Deutsches Hygiene-Museum, Leporello 51 (zwischen 1976 und 1979), Nr. 14   377 Hauptstaatsarchiv Dresden: 13658, Au Nr. 164/1: Wanderausstellung Guter Rat für Herz und Kreislauf und Jugend und Gesundheit, 1976–1979   378 Archiv BZgA: Schrank D, Fach 50: Schultze-Rhonhof, Christel: Was stimmt nun eigentlich?, o. D. (1967)   423f.

Abkürzungsverzeichnis AA Abb. AGLMB AOP APHA Art. BAfgV Bl. BMF BMG BMI BPO BStU BV BZgA CCHE DEFA DEWAG DGBG DGB DGM DHM DIA-Kulturwaren didacta DRK DWK DZV DZVG FDGB GeSoLei GI GMK HVG IHA IfG IfU IUHEP Kap. KPD

Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland Abbildung Arbeitsgemeinschaft der leitenden Medizinalbeamten der Länder Archivierter Operativer Vorgang (Ministerium für Staatssicherheit der DDR) American Public Health Association Artikel Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung Blatt Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Gesundheitswesen Bundesministerium des Innern Betriebsparteiorganisation (der SED im DHM) Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Bezirksverwaltung (Ministerium für Staatssicherheit der DDR) Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Central Council of Health Education (UK) Deutsche Film AG Deutsche Werbe- und Anzeigengesellschaft Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsches Gesundheits-Museum Deutsches Hygiene-Museum Deutscher Innen- und Außenhandel Kulturwaren Fachmesse für Bildungswirtschaft Deutsches Rotes Kreuz Deutsche Wirtschaftskommission Deutsche Zentrale für Volksgesundheitspflege Deutsche Zentralverwaltung für Gesundheitswesen Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Große Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf, 1926 Geheimer Informant (des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR) Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder Hauptverwaltung Gesundheitswesen Internationale Hygiene-Ausstellung Institut für Gesundheitserziehung Institut für biologisch-anatomische Unterrichtsmittel und Anschauungsmaterialien International Union for Health Education of the Public/ Internationale Union für Gesundheitserziehung Kapitel Kommunistische Partei Deutschlands

https://doi.org/10.1515/9783110664171-009

452  MdB MfAA MfS NHA NKGE

NRW NSDAP OMGUS ÖGD RCP SED SBZ SMAD UdSSR unpag. WHO ZK

 Abkürzungsverzeichnis

Mitglied des Bundestags Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR Ministerium für Staatssicherheit Nationale Hygiene-Ausstellung 1961 in Dresden Komitee für gesunde Lebensführung und Gesundheitserziehung in der DDR (1961–1969); Nationales Komitee für Gesundheitserziehung der DDR (1969–1990) Nordrhein-Westfalen Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Office of Military Government U.S. Öffentlicher Gesundheitsdienst Royal College of Physicians Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sowjetische Besatzungszone Sowjetische Militäradministration Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken unpaginiert Weltgesundheitsorganisation Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands

Auswahlbiografien Max Adenauer (1910–2004): Jurist. Zweites Kind Konrad Adenauers und seiner Frau Emma; Oberstadtdirektor Kölns zwischen 1953 und 1963. Als solcher Vertreter Kölns in den Vorständen des Deutschen Gesundheits-Museums Köln. Walter Bargatzky (1910–1998): Rechtswissenschaftler. SA- und NSDAP-Mitglied. 1935–1938 Assessor beim Oberlandesgericht Karlsruhe. 1941 Beamter beim deutschen Militärbefehlshaber in Frankreich. 1948 Entlastungszeuge für Ernst von Weizsäcker, ab demselben Jahr Direktor und Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Freiburg im Breisgau. Seit 1949 Ministerialdirektor im BMI. 1963–1966 Staatssekretär im BMG und damit maßgeblich beteiligt an der Umwandlung des DGM in die BZgA. 1950–1966 Vizepräsident des Deutschen Roten Kreuzes, 1967–1982 dessen Präsident. William W. Bauer (1892–1967): Arzt und Gesundheitsaufklärer; Direktor des Büros für Health Education der American Medical Association; Advisor to the Secretary of the U.S. Army 1948–1949. Herbert Bayer (1900–1985): Fotograf, Grafikdesigner und Ausstellungsarchitekt. Studium am Staatlichen Bauhaus (1921–1925) und Leiter der Werkstatt für Druck und Reklame ebendort (1925–1928). Bis zu seiner Emigration in die USA 1938 künstlerischer Leiter der Werbeagentur dorland-Studio und als solcher beteiligt an mehreren nationalsozialistischen Propagandaausstellungen, wie Wunder des Lebens 1935. Anschließend erfolgreiche Arbeit als Architekt, Landschaftsgestalter und Designer von Großplastiken in den Vereinigten Staaten von Amerika. Alfred Erich Gerhard Beyer (1885–1961): Sozialhygieniker und Gesundheitspolitiker. 1919– 1933 in der preußischen Medizinalverwaltung (Preußisches Ministerium des Innern). 1933 Entlassung und bis 1939 Verbot ärztlicher Tätigkeit, bis 1945 Vertretungen in Arztpraxen. 1945–1949 Abteilungsleiter und 2. Vizepräsident der DZVG. Von 1947 bis 1956 Professor für Sozialhygiene an der Humboldt-Universität zu Berlin, 1955–1958 Ärztlicher Direktor der Charité. Verfasser des ersten Lehrbuchs für Sozialhygiene in der DDR (vgl. Kurt Winter). Theo Burauen (1906–1987): Kaufmann. Oberbürgermeister der Stadt Köln von 1956 bis 1973; als solcher Vorsitzender der Vorstände des Deutschen Gesundheits-Museums e. V. bis zum Ausscheiden Kölns aus der Trägerschaft 1962. Joseph Bürgers (1881–1954): Bakteriologe und Hygieniker. 1919 außerordentlicher Professor für Hygiene in Leipzig. 1920–1926 Professor für Hygiene und Bakteriologie am Hygienischen Institut Düsseldorf, 1925 und 1926 Prorektor ebenda; verantwortlich für die Hauptabteilung Gesundheitspflege/Gesundheit, die Abteilungen Kleidung und Körperpflege, Die übertragbaren Krankheiten und Die Chemie im Dienst der Gesundheitspflege auf der Ausstellung GeSoLei 1926 in Düsseldorf; anschließend Professor für Hygiene an der Medizinischen Fakultät der Albertus-Universität in Königsberg. Von 1946 bis 1950 Leiter des Hygienischen Instituts der Universität Göttingen, 1950–1951 Vorsitz über den Wissenschaftlichen Ausschuss und den Prüfungsausschuss der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben. Homer Northup Calver (1892–1970): Abschluss in „Sanitary Engineering” (Abwasserhygiene), Arbeit im kommunalen Gesundheitswesen North Carolinas. Ab 1921 Mitarbeit in diversen https://doi.org/10.1515/9783110664171-010

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 Auswahlbiografien

Public-Health-Interventionsstudien der American Public Health Association (APHA), 1923–1931 ihr Generalsekretär. In den 1930er Jahren Leiter des Scientific Exhibits Committee der APHA, anschließend Public Health Berater. Carl Coutelle (1908–1993): Arzt und Pathologe. Nach Entlassung im Allgemeinen Krankenhaus Barmbeck und Relegation von der Universität Freiburg 1933 Emigration in die Sowjetunion und Beschäftigung am Staatlichen Forschungsinstitut für Physiologie in Moskau. Arzt im Spanischen Bürgerkrieg und Internierung in Südfrankreich; danach Tätigkeit für das China Medical Aid Committee in Südchina und British-Indien. Rückkehr in die SBZ 1945 und zuständig in der DZVG für Personal bzw. Medizinalberufe. Ab 1949 Assistent am Pathologischen Institut in Berlin-Buch und am Institut für Pathologie der Charité. Ab 1959 Professor an der HumboldtUniversität zu Berlin; 1963–1971 Direktor des Instituts für Pathologie an der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg. Egon Damme (1906–1977): Lehrer, Physiker und technisch-wissenschaftlicher Fotograf. Seit 1949 Leiter der wissenschaftlichen Abteilung und Stellvertreter Helmut Sickels am Hygiene-Museum. 1950 zum Referenten degradiert, von 1954 bis 1957 Leiter der Produktionsabteilung; anschließend bis 1970 technischer Direktor und Leiter der Entwicklungsabteilung ebendort. Friedrich Deich: siehe Friedrich Weeren. Erna Eckstein-Schlossmann (1895–1998): Kinderärztin und Sozialhygienikerin. 1923–1926 ärztliche Leitung des Auguste-Viktoria-Hauses in Düsseldorf, 1926 ärztliche Leitung des Vasenol-Kinderheims (Mustersäuglingshaus des Vaterländischen Frauenvereins) auf der GeSoLei. Zwischen 1935 und 1950 Exil in der Türkei. 1951 Organisation der Teilausstellung Trotzdem – Frohe Kinder auf der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben 1951 in Köln. Ab 1954 kinderärztliche und krankenhausadministrative Arbeit in der Türkei. Paul Ehrke (*1883): Technischer Direktor des Hygiene-Museums und der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf 1912 bis 1936. Haven Emerson (1874–1957): Leiter des städtischen Gesundheitsamtes (City Health Department) New Yorks in den 1910er Jahren; anschließend Professor für Präventivmedizin am Columbia College of Physicians. Roderich von Engelhardt (1862–1934): Mediziner, Arzt und Publizist. 1918 Leiter der Vortragskommission der Livland-Estland-Ausstellung. 1921 Abteilungsvorstand am Deutschen Hygiene-Museum und Leiter der Wanderausstellung Der Mensch. 1925–1932 Redaktion der Monatszeitschrift Aus deutscher Geistesarbeit und Leiter der Sektion für Hochschulwesen des deutschen Kulturamts Tartu (Dorpat). Beiträge zu „Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus“ (1930) des Deutschen Hygiene-Museums. Johannes Erler: Ausstellungsbegleiter des Deutschen Hygiene-Museums in den 1940er Jahren. Wiederaufbau und Neuausstattung der Wanderausstellung Gesund oder Krank als Kampf den Geschlechtskrankheiten in den westlichen Besatzungszonen 1946–1949; Kontaktaufnahme zur Gesundheitsverwaltung in Köln und Vermittlung Georg Seirings eben dorthin. Seit der Gründung des Deutschen Gesundheits-Museums in Köln-Merheim Leiter des dortigen Museumsverlags (Vertrieb) bis 1958; anschließend Mitbegründer des Herstellers anatomischer Modelle Erler-Zimmer GmbH & Co. KG in Lauf/Baden.

Auswahlbiografien 

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Marta Fraenkel (1896–1976): Medizinerin. 1925–1927 Wissenschaftliche Geschäftsführerin der GeSoLei; anschließend bis 1929 Geschäftsführerin des Reichsmuseums für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde. 1929–1933 Wissenschaftliche Geschäftsführerin der II. IHA, Sachbearbeiterin der Hygiene-Abteilung des Völkerbundes in Genf, Direktorin des Frauenreferats im Internationalen Gesundheitsdienst des Deutschen Hygiene-Museums. Ab 1935: Flucht nach Belgien, 1938 Emigration in die USA: Arbeit am Welfare Council in New York City und als medizinische Beraterin der Social Security Administration, Forschungsdirektorin einer Studie über Infantile Zerebralparese (1948–1949). Statistische Beraterin der Metropolitan Sanatorium Conference in New York City ab 1953. Gottfried Frey (1871–1952): Hygieniker, Ministerialbeamter, Schriftsteller. 1893–1914 Tätigkeit als Kreisarzt in Schlesien. 1918–1920 Medizinaldezernent in Frankfurt an der Oder. 1920– 1933 Direktor der medizinischen Abteilung des Reichsgesundheitsamtes; NSDAP-Mitglied seit Ende 1931. Direktor der medizinischen Abteilung des Preußischen Innenministeriums (seit November 1934 Reichs- und Preußisches Ministerium des Innern) sowie Präsident des Preußischen Landesgesundheitsrats bis zur Verrentung 1937; anschließend Oberfeldarzt und außerordentliches Mitglied des Wissenschaftlichen Senats der Militärärztlichen Akademie der Heeres-Sanitätsinspektion. Wolf Dietrich von Freytag-Loringhoven: (*1924): Psychologe und Gesundheitserzieher. Studium der Psychologie in Jena und Halle an der Saale sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter ebendort. Seit 1958 (bis mindestens 1975) Leiter der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung in Marburg; Mitglied des Bundesausschusses für gesundheitliche Volksbelehrung, seit 1966 im Vorstand. Walter Axel Friedeberger (1898–1967): Arzt und Sozialhygieniker. 1923–1933 in leitender Funktion im Verband der Krankenkassen in Berlin. Emigration in die Schweiz, Großbritannien, Frankreich und die USA. 1947 Rückkehr in die SBZ und leitender Mitarbeiter in der obersten Gesundheitsverwaltungsbehörde. Von 1951 bis 1959 Direktor des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden und ab 1957 Titularprofessor an der Medizinischen Akademie Carl Gustav Carus Dresden. Ab 1959 stellvertretender Minister für Gesundheitswesen und ab 1964 ebenfalls Rektor der Deutschen Akademie für Ärztliche Fortbildung. Wolfgang Fritsche (*1923): Arzt und Gesundheitserzieher. Medizinstudium in Rostock, Berlin und Mainz von 1943–1949. Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Mainz am Anatomischen Institut. Von 1954 bis 1962 Associate Professor für Anatomie an der University of Saskatchewan in Kanada. Zwischen 1962 und 1977 Leiter des DGM und Präsident der BZgA; anschließend Berater, Medical Officer zuerst für Arbeitskräfteplanung, ab 1981 (und bis zur Verrentung 1985) für die Koordination mit anderen Organisationen am Europabüro der WHO in Kopenhagen. Helmut Gaumitz (*1893): Amtsarzt. Vor 1945 Kreiskommunalarzt in Solingen; nach 1945 Gesundheitsdezernent in Köln. 1950–1951 wissenschaftlicher Generalsekretär der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des DGM. Bruno Gebhard (1901–1985): Mediziner, Hygieniker, Museumsdirektor. 1924–1927 ärztliche Tätigkeit in Rostock, Leipzig, Dortmund; anschließend wissenschaftlicher Assistent am Deutschen Hygiene-Museum bis 1932. 1932–1937 vom DHM beurlaubt und Privatangestellter des Berliner Ausstellungs- und Messeamtes (wissenschaftlicher Direktor). 1937–1940 technischer Berater für die Hall of Medicine and Public Health auf der Weltausstellung in

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 Auswahlbiografien

New York. Direktor des Cleveland Health Museum 1940 bis 1965. Als Public Health und Deutschlandexperte aus den USA: Kontakt zu Georg Seiring und dem Deutschen GesundheitsMuseum, Käufer mehrerer „Gläserner Figuren“ von dort; Besuch der NHA 1961. Herbert Göllner (*1905): Arzt und Sozialhygieniker. 1931 Promotion bei Eugen Fischer am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie in Berlin; anschließend Mitarbeiter am KaiserinAuguste-Viktoria-Haus und ab 1934 am Reichsgesundheitsamt in Berlin als Sachbearbeiter für Bevölkerungspolitik, Rassenkunde und Erbstatistik sowie Militärdienst. Ab 1950 für die Große Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben am Deutschen Gesundheits-Museum eingestellt und dort wissenschaftlicher Mitarbeiter bis 1971. Robert Görlinger (1888–1954): Elektromonteur und Politiker. Bürgermeister der Stadt Köln von 1946–1952 (Oberbürgermeister 1948/1949 sowie 1950/1951). Als solcher Vorsitzender der Vorstände des Deutschen Gesundheits-Museums e. V. Franz Görres (1920–1986): Sozialhygieniker. 1946–1948 Besuch der Antifa-Schule in Moskau während der Kriegsgefangenschaft. 1953–1956 Stations- und Kreisarzt, anschließend bis 1966 Bezirksarzt in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). 1966–1980 Haupt- beziehungsweise Generaldirektor des Deutschen Hygiene-Museums. 1981–1986 Leiter des WHO-Konsultativzentrums des Ministeriums für Gesundheitswesen in Dresden (zuvor seit 1969 Sekretär des Komitees für WHO-Arbeit). Kurt Gottschaldt (1902–1991): (Gestalt-)Psychologe. Ab 1935 Leitung der Abteilung Erbpsychologie am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie in Berlin. Ab 1946 Professor und Direktor des Psychologischen Institutes der späteren Humboldt-Universität zu Berlin; wegen Kritik an seiner „bürgerlichen“, nicht-Pavlov‘schen Psychologie Übersiedelung 1961 nach Göttingen und dort Direktor des Instituts für Psychologie. Heinz Graupner (1906–1966): Verfasser und Herausgeber von Ratgebern zu medizinischhygienischen Themen im weiteren Feld der Reproduktion. Verfasser von So gefällst Du mir … Gespräche mit einem jungen Mädchen über Schönheit und Gesundheit für das DGM Mitte der 1950er Jahre. Wilhelm Hagen (1893–1982): Sozialhygieniker und Medizinalbeamter. Ab 1921 Kreiskommunalarzt in Lennep/Remscheid (vgl. Rudolf Neubert – mit diesem eng befreundet), ab 1923 Stadtarzt in Höchst am Main, 1925 in Frankfurt am Main und in diesen Funktionen mit dem DHM vertraut und in Kontakt (1925 Kandidat um den Posten des wissenschaftlichen Direktors ebendort). Ab 1933 niedergelassener Arzt; 1941–1943 Leitung des Gesundheitsamtes in Warschau. Nach Kriegsende Niederlassung als Allgemeinmediziner in Augsburg, 1948/49 Habilitation an der Universität München und Privatdozent ebendort. Ab 1950 Leitung des Referats für Gesundheitsfürsorge des BMI (vgl. Franz Redeker) und als solcher Vertreter des Bundes in den Vorständen des Deutschen Gesundheits-Museums; 1953–1956 kommissarischer Stellvertreter und wissenschaftlicher Leiter ebendort. 1956–1958 Präsident des Bundesgesundheitsamtes. Gerhard Harig (1902–1966): Physiker und Hochschulpolitiker in der DDR. 1927–1933 Assistent am Institut für Theoretische Physik der TH Aachen. Ab 1933 Verhaftung und Emigration in die UdSSR: Ab 1934 im Institut für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik bei der Akademie der Wissenschaften der UdSSR tätig. 1938 als Agent des sowjetischen Volkskommissariats für innere Angelegenheiten (NKWD) nach Deutschland abgeschoben und im KZ Buchenwald

Auswahlbiografien 

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interniert. Ab 1948 geschäftsführender Direktor des Franz-Mehring-Instituts zur Ausbildung von Lehrern für Marxismus-Leninismus. Von 1950–1957 Leiter der Hauptabteilung für Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen im Ministerium für Volksbildung bzw. Staatssekretär im Staatssekretariat für das Hochschulwesen; anschließend Professor und Direktor des Karl-Sudhoff-Instituts für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften an der Karl-MarxUniversität Leipzig. Hans Harmsen (1899–1989): Sozial- und Rassenhygieniker sowie Bevölkerungswissenschaftler. Ab 1927 Leiter des Referats für Gesundheitsfürsorge im Centralausschuss für Innere Mission, ab 1931 Dozent am Institut für Sozialethik der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Zwischen 1933 und 1945 leitender Arzt der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Leiter der Fachkonferenz für Eugenik, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung (bis 1942) und ab 1942 beratender Hygieniker der Heeressanitätsinspektion. Gründungsdirektor des Hygiene-Instituts in Hamburg (mitsamt der Akademie für Staatsmedizin) und dort bis 1969. Hans Hoske (1900–1970): (Sport-)Mediziner und Arzt. Medizinalpraktikant am Kaiser-WilhelmInstitut für Arbeitsphysiologie 1925/1926. Beratender Arzt der Krankenkasse des Deutschen Handlungsgehilfenverbandes beziehungsweise Leiter der Abteilung Gesundheitsfürsorge der Deutschnationalen Krankenkasse; Dozent an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen bzw. Sporthochschule in Köln 1926–1935 und 1948–1951. Zwischen 1933 und 1945 beratender Arzt im Jugendamt der Deutschen Arbeitsfront, Adjutant beim Reichsarzt SS Ernst Robert Grawitz (1899–1945), Referent im Hauptamt für Volksgesundheit der NSDAP-Reichsleitung; ebenfalls Dozent an der Reichsakademie für Leibesübungen in Berlin sowie an der Führerschule der Deutschen Ärzteschaft in Alt-Rehse (Mecklenburg). 1951 verantwortlich für die Abteilungen Lehre des Lebens, Träger des Lebens, Die Welt des Kindes sowie einige Unterabteilungen des Staatenhauses auf der Großen Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben des DGM. Josef Hünerbein (1883–1965): Arzt und Medizinalbeamter. 1927 bis 1935 Kreisarzt in Bitburg, bis 1939 Leiter des Gesundheitsamtes in Wanzleben. Im Zweiten Weltkrieg Adjutant einer Sanitätsabteilung. Ab 1945 Tätigkeiten in den Medizinalverwaltungen Magdeburgs, Düsseldorfs und des Landes Nordrhein-Westfalen (Leitung). Gerhard Jungmann (1910–1981): Arzt und Gesundheitspolitiker. Nach Promotion und Approbation 1935 Tätigkeit in Kliniken in Osnabrück und Wernigerode sowie praktischer Arzt; NSDAP- und SA-Mitglied. Seit 1950 Landesvorsitzender des Verbandes der Ärzte Deutschlands (Hartmannbund) in Niedersachsen; 1952–1961 Ratsmitglied der Gemeinde Markoldendorf sowie Kreistagsmitglied des Kreises Einbeck für die CDU. 1956–1961 Mitglied des Niedersächsischen Landtages; Mitglied des Bundestags von 1961 bis 1972. 1961–1969 stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Gesundheitswesen, 1969–1972 des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit. 1960–1966 im Vorstand des Bundesausschusses für gesundheitliche Volksbelehrung, 1966–1978 dessen Präsident (ab 1969 Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung). Leo A. Kaprio (1918–1999): Gesundheitswissenschaftler. Public Health Studium in den USA durch Förderung der Rockefeller Foundation. Direktor des finnischen Uusimaa Health Teaching and Demonstration Centre Projects. 1952–1956 Leiter aller finnischen Gesundheitsdienste. 1956–1985 Gesundheitsberater der WHO, ab 1966 Direktor des Europabüros der WHO in Kopenhagen.

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 Auswahlbiografien

Hermann Karl (*1918): Mediziner und Medizinalrat. Leiter der Gruppe VI B „Allgemeine und Sozialhygiene“ und des Referats VI B 1 „Hygiene, Gesundheitsschutz, Medizinische Forschung“, seit 1957 im Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Ab 1964 Leiter der Gesundheitsabteilung im Hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen. Georg Kerschensteiner (1854–1932): Pädagoge, Stadtschulrat in München und Begründer der Arbeitsschule/Berufsschule. Franz Klose (1887–1978): Arzt, Sozialhygieniker und Ministerialbeamter. Ab 1925 Leiter des Gesundheitsamtes Kiel, ab 1938 Privatdozent für Sozialhygiene an der Universität Kiel (ao. Professor 1938). Ab 1945 ordentlicher Professor und Direktor des Hygienischen Instituts ebendort sowie Mitarbeit in gesundheitspolitischen Beratungsgremien der britischen Zivilverwaltung. Erster Präsident des Bundesgesundheitsamtes 1952–1953, bis 1954 Leiter der Gesundheitsabteilung im BMI und als solcher Vertreter des Bundes in den Vorständen des DGM sowie Mitbegründer und Präsident (seit 1964 Ehrenpräsident) der DZV. Paul Ignatz Konitzer (1894–1947): Hygieniker, Sozialmediziner und Gesundheitspolitiker. 1921–1933 kommunalärztliche Tätigkeiten in Stollberg im Erzgebirge, Hörde bei Dortmund und Magdeburg; SPD-Mitglied. Ab 1933 praktischer Arzt in Dresden, 1940–1944 beratender Hygieniker der Heeressanitätsinspektion im Wehrkreis IV – Dresden. 1945 Staatssekretär für Gesundheitswesen in der Landesverwaltung Sachsen. 1945–1947 Präsident der DZVG. Rudolf Kramer (*1900): Grafiker. Langjährige Arbeit für das DHM (bis 1935 im eigenen im Museumsgebäude angemieteten Atelier). 1944–1947 Arbeit an der Ausstellung Geschlechtskrankheiten – Verhütung und Heilung, Volkskrankheiten sowie der Museumsgruppe Der Mensch. Wilhelm Heinrich Kreis (1873–1955): Architekt. Professor für Raumkunst an der Kunstgewerbeschule Dresden 1902–1908, anschließend bis 1926 Direktor der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf; ab diesem Jahr Professor an der Kunstakademie Dresden; Architekt der Dauerbauten der GeSoLei sowie des Gebäudes des Hygiene-Museums in Dresden; 1938 Reichskultursenator der bildenden Künste, bis 1941 Leitung der Architekturabteilung der Akademie der bildenden Künste Dresden; anschließend Generalbaurat für die deutschen Kriegsfriedhöfe; 1943 Präsident der Reichskammer der bildenden Künste. Otto Kunkel (1918–1982): Jurist und Volkswirtschaftler; KPD-Mitglied seit 1945 (seit 1946 SED). 1945 bis 1948 Tätigkeit als Standesbeamter in Weißenfels, 1948 bis 1950 Verwaltungsleiter des städtischen Krankenhauses ebendort. Verwaltungs- und Absatzleiter des DHM von 1950 bis 1958, 1958–1961 Kaufmännischer Direktor und von 1961–1967 mit Egon Damme und Kurt Speier kommissarischer Direktor des Hygiene-Museums. 1966–1981 Direktor des Instituts für biologisch-anatomische Unterrichtsmittel und Anschauungsmaterialien (IfU). Wolfgang Kuntzsch (*1935): Modelleur. Leiter der Cellon-Abteilung, Mitglied der Betriebskampfgruppe und der Betriebsparteiorganisation in den 1950er Jahren am HygieneMuseum, zuvor 1. FDJ-Sekretär ebendort. Ab 1966 Leiter der Produktionsabteilung, ab 1975 stellvertretender Direktor des IfU. Fachbereich Ausstellungsbau. Karl Gottlieb Linser (1895–1976): Dermatologe und Gesundheitspolitiker. 1926–1933 niedergelassener Hautarzt in Dresden, seit 1933 Leitung der Abteilung für Hautkrankheiten am

Auswahlbiografien 

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Waldparkkrankenhaus und an der Kinderpoliklinik des Krankenhauses in Dresden-Johannstadt. Ab 1945 Chefarzt der Hautklinik des Krankenhauses in Dresden-Friedrichstadt sowie Professor für Dermatovenerologie an der Universität Leipzig. 1947 Präsident der DZVG, Leiter der HA Gesundheitswesen bis 1950. Anschließend bis 1962 Professor für Dermatovenerologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktor der Hautklinik der Charité. Eliezer „El“ Lissitzky (1890–1941): Avantgardistischer Architekt, Grafikdesigner und Ingenieur. Mitglied der Abteilung für Bildende Künste des sowjetischen Volkskommissariats für Bildung 1918. 1920–1921 Leiter der Architekturabteilung der Höheren Künstlerisch-Technischen Werkstätten in Moskau; 1925–1930 Lehrtätigkeit ebendort. Regelmäßige Aufenthalte in Deutschland und verantwortlicher Designer des sowjetischen Pavillons auf der II. IHA in Dresden 1930. Leitender Künstler-Architekt der Ständigen Bauausstellung im Maxim-Gorki-Park seit 1931. Friedrich Lorentz: Schulrektor und Jugend- und Sportarzt. Mitglied des Reichsgesundheitsrates und des Landesgesundheitsrates Preußen. Pädagogischer Referent und Direktor des Reichsausschusses für hygienische Volksbildung in den 1920er Jahren. Während des nationalsozialistischen Regimes Amtsarzt in Tecklenburg. Werner Ludwig (1914–2001): Arzt und Gesundheitspolitiker. Sowjetische Kriegsgefangenschaft 1943–1947; Besuch der Antifa-Schule in Krasnogorsk und Mitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland [siehe Rudolf Weber]. 1948–1950 Kreisarzt in Grimma, anschließend bis 1952 Abteilungsleiter im Ministerium für Gesundheitswesen der DDR. 1952–1981 Vorsitzender des Zentralausschusses des DRK der DDR bzw. Präsident. 1964–1976 Präsident des Nationalen Komitees für Gesundheitserziehung der DDR. Ebenfalls Professor für Gesundheitserziehung an der Deutschen Akademie für Ärztliche Fortbildung. Ludwig von Manger-Koenig (1919–1983): Medizinalbeamter. 1947–1950 Assistent an der Universitätsklinik und dem Kreisgesundheitsamt Marburg. 1950–1955 Referent im hessischen Ministerium des Innern für Krankenhauswesen und allgemeine Organisationen des Gesundheitswesens; bis 1964 Leitung der Abteilung Öffentliches Gesundheitswesen beim hessischen Innenministerium (seit 1959 im hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen). 1954–1964 Sitz im Vorstand des Bundesausschusses für gesundheitliche Volksbelehrung; ab 1963 Präsident der DZV (Nachfolger Franz Kloses). 1964–1966 Professor für Sozialhygiene an der FU-Berlin, anschließend bis 1973 Staatssekretär im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Erwin Marcusson (1899–1976): Sozialhygieniker, Hochschullehrer und stellvertretender Minister für Gesundheitswesen in der DDR. 1927–1930 Stadtschularzt in Altenburg, Gewerbemedizinalrat in Magdeburg 1930; 1930–1933 Assistenzarzt am Krankenhaus in Berlin-Britz. 1933 Verhaftung und Emigration in die Schweiz und die Sowjetunion; 1938–1940 Untersuchungshaft wegen Spionageverdacht ebendort und „Verbannung“ nach Kasachstan. Rückkehr 1947 in die SBZ: Abteilungsleiter in der DZVG und stellvertretender Direktor. 1949 Direktor des Zentralinstituts für Sozial- und Gewerbehygiene. 1951–1957 Leiter Hauptverwaltung Heilwesen im Ministerium für Gesundheitswesen, 1956–1958 stellvertretender Minister für Gesundheitswesen. 1959–1965 Direktor des Instituts für Sozialhygiene an der Deutschen Akademie für Ärztliche Fortbildung. Jenny Matern (1904–1960): Sekretärin, Redakteurin, Gesundheitspolitikerin. Nach der Tätigkeit als Sekretärin bei der Ortskasse in Bamberg, Arbeit für die Rote Hilfe und die KPD-

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 Auswahlbiografien

Bezirksleitung in Niedersachsen, ab 1931 für die Bezirksleitung Berlin-Brandenburg. 1933 inhaftiert, ab 1934 Emigration nach Prag, Frankreich, Niederlande, Norwegen, Schweden und die Sowjetunion. Ab 1945 Staatssekretärin für Sozialfürsorge in der Landesverwaltung Sachsen, Vizepräsidentin der Deutschen Verwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge und bis 1959 Staatssekretärin im Ministerium für Gesundheitswesen der DDR sowie stellvertretende Gesundheitsministerin. Ludwig Mecklinger (1919–1994): Mediziner und Gesundheitspolitiker in der DDR. 1947–1948 Mitarbeiter des Landesgesundheitsamtes und anschließend bis 1952 Minister für Arbeit und Gesundheit des Landes Sachsen-Anhalt. Bis 1969 stellvertretender Vorsitzender des Zentralausschusses des DRK der DDR, stellvertretender Chef des medizinischen Dienstes der Kasernierten Volkspolizei bzw. der Nationalen Volksarmee und Leiter der militärmedizinischen Sektion an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. 1969–1971 Staatssekretär und erster stellvertretender Minister, von 1971 bis 1989 Minister für Gesundheitswesen der DDR. Georg Meinecke (*1911): Philosoph, Soziologe, Psychologe. Promotion 1938 bei Erich Rothacker (1888–1965, Professor für Philosophie und Psychologie in Bonn). Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Gesundheitserziehung am (von Hans Harmsen geleiteten) Hamburger Institut für Hygiene in den 1950er Jahren. Alexander Mette (1897–1985): Psychiater, Gesundheitspolitiker und Medizinhistoriker. Nach 1945 Aufbau des Gesundheitswesens in Thüringen. 1949–1950 Hauptabteilungsleiter im Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen der DDR; ab 1950 Mitglied der Volkskammer; ab 1951 im Ministerium für Gesundheitswesen, wo er seit 1956 die Hauptabteilung Wissenschaft leitete. 1958–1963 Mitglied des ZK, 1959–1965 Professor und Direktor des Instituts für Medizingeschichte der Charité Berlin. Gerhard Misgeld (1913–1991): Pathologe, Medizinhistoriker, Redakteur. Nach sowjetischer Kriegsgefangenschaft Rückkehr in die DDR und Anerkennung als Facharzt für Pathologie 1950. 1958–1987 Chefredakteur der Zeitschrift Deine Gesundheit, 1959–1967 nebenamtlicher Leiter der Abteilung Physiologie der höheren Nerventätigkeit an der Charité in Berlin. 1960–1967 Leiter der Abteilung Wissenschaft im Ministerium für Gesundheitswesen und Sekretär des Rats für Planung und Koordinierung der medizinischen Wissenschaften. Ab 1965/1967 Inhaber des Lehrstuhls für medizinische Zeitgeschichte des Instituts für Geschichte der Medizin an der Humboldt-Universität zu Berlin, 1970–1977 Direktor ebendort. Hermann Muckermann (1877–1962): Biologe, Eugeniker, Jesuit. 1927–1933 Abteilungsleiter am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie in Berlin. Verfasser der konsensbildenden Vorlage des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. 1933–1945 Leiter der bischöflichen Forschungsstelle für die Gestaltung von Ehe und Familie. 1947–1962 Leiter des Berliner Instituts für Anthropologie; Professor für Anthropologie und Sozialethik an der Technischen Universität Berlin (1949–1954). Rudolf Neubert (1898–1992): Arzt und Sozialhygieniker. 1923–1924 Medizinalpraktikant in Lennep/Remscheid (siehe Wilhelm Hagen) und anschließend bis 1933 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Hygiene-Museum. Bis 1939 Niederlassung in Dresden, anschließend bis 1945 Militärdienst. Seit 1945 stellvertretender Dezernent für Gesundheitswesen in Dresden und wissenschaftlicher Leiter am Hygiene-Museum in Dresden bis 1947; anschließend Dozent für Anatomie an der Hochschule für Bildende Künste Dresden (1948–1952). Professor für

Auswahlbiografien 

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Sozialhygiene an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Direktor des dortigen Instituts für Sozialhygiene (1952–1963). Theodor Pakheiser (1898–1969): SS-Offizier, Ministerialrat im badischen Innenministerium und badischer Sonderkommissar für das Gesundheitswesen. Dozent für Rassen- und Erbbiologie und nationalsozialistische Rassenpolitik an den Universitäten Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg 1934–1937. Ab 1936 im Arbeitsausschuss des DHM und ab 1937 Hauptstellenleiter im Hauptamt für Volkswohlfahrt (Ämter für Volksgesundheit) bei der Reichsleitung der NSDAP sowie wissenschaftlicher Direktor des Hygiene-Museums. Harald Petri: Mediziner und Betriebsarzt. Leiter des Deutschen Gesundheits-Museums zwischen 1956 und 1962, zuvor Betriebsarzt bei der MAN. Franz Redeker (1891–1962): Arzt und Medizinalbeamter. 1921–1923 Stadtarzt in Mülheim an der Ruhr, anschließend Werksarzt bei Thyssen, Kreisarzt in Mansfeld und Medizinalrat in Osnabrück. 1933 bis 1945 Dezernent in der dem Polizeipräsidium zugeordneten Berliner Medizinalabteilung. Nach dem Krieg Mitarbeit beim Aufbau des Berliner Gesundheitsamtes und Berater der Hamburger Gesundheitsbehörde 1946–1949. Anschließend bis 1953 Leiter der Abteilung Gesundheitswesen im BMI und von 1953–1956 zweiter Präsident des Bundesgesundheitsamtes. Hermann Redetzky (1901–1978): Sozialhygieniker und Gesundheitspolitiker. 1925–1930 Assistenzarzt in Berlin und Bad Rehburg (Nienburg/Weser). 1930–1932 Medizinalassessor in der Medizinalverwaltung des Berliner Polizeipräsidiums, bis 1933 im Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt und nach dem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis bis 1939 niedergelassener Internist. Nach 1945 Mitaufbau des Gesundheitswesens in Mecklenburg, Direktor des Berliner Zentralinstituts für Sozial- und Gewerbehygiene und von 1955–1964 Professor und Rektor an der Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und ärztliche Fortbildung/Deutsche Akademie für Ärztliche Fortbildung. 1953–1956 stellvertretender Minister für Gesundheitswesen der DDR, 1954–1958 Kandidat des Zentralkomitees der SED und ab 1962 im Rat für Planung und Koordinierung der medizinischen Wissenschaft beim Ministerium für Gesundheitswesen der DDR. Heinz Reuter (*1913): Arzt und Medizinalbeamter. Medizinalrat in Kiel und stellvertretender Präsident des ÖGD in Schleswig-Holstein 1951. Ab 1958 in der Gesundheitsabteilung des Innenministeriums Nordrhein-Westfalens; Präsident der Akademie für Staatsmedizin in Düsseldorf. Gerhard Rosenfeld (1925–1985): Pädagogischer Psychologe an der Humboldt-Universität zu Berlin: 1961–1962 Ko-Interimsleitung des Instituts für Psychologie (Nachfolge Kurt Gottschaldts) und von 1968 bis 1970 Direktor der Sektion Psychologie ebenda. Publikationen zur Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit und einer marxistischen Psychologie. Gottfried Schrödel: Sozialhygieniker. In den 1950er Jahren Oberarzt am von Rudolf Neubert geleiteten Institut für Sozialhygiene an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1961–1962 Direktor des Deutschen Hygiene-Museums. Rosemarie Schuder (1928–2018): Freie Journalistin, Schriftstellerin. Mitglied der Ost-CDU 1951–1990 und davon zeitweise ebenso des Partei-Hauptvorstandes.

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 Auswahlbiografien

Elisabeth Schwarzhaupt (1901–1986): Juristin und Gesundheitspolitikerin. 1932–1933 beauftragte Richterin in Dortmund und Frankfurt am Main. 1947–1953 Tätigkeit im Außenamt der Evangelischen Kirche, zuletzt als Oberkirchenrätin und Geschäftsführerin der Evangelischen Frauenarbeit. 1953–1969 Mitglied des Bundestags für die CDU. Bundesministerin für Gesundheitswesen 1961–1966. Ernst Schwering (1886–1962): Jurist und Rechtsanwalt. Bürgermeister (1949, 1951, 1957–1958) und Oberbürgermeister (1948, 1950, 1952–1956) der Stadt Köln und als solcher Vorsitzender der Vorstände des Deutschen Gesundheits-Museums e. V. Max Sefrin (1913–2000): Kaufmann, Pilot und Gesundheitspolitiker. 1945–1949 Betriebsleiter und Stadtrat für Handel und Versorgung Jüterbog, bis 1945 Kreisrat Luckenwalde; ab 1946 Mitglied der CDU, 1951–1953 Hauptabteilungsleiter in der CDU-Parteileitung, bis 1989 Mitglied des CDU-Hauptvorstandes. 1958–1971 Minister für Gesundheitswesen in der DDR. Georg Seiring (1883–1972): Kaufmann. Seit 1905 Anstellung bei Karl August Lingner, ab 1906 Verwalter dessen sozialer Einrichtungen und ab 1909 verantwortlich für die Organisation der I. IHA; anschließend geschäftsführender Verwaltungsdirektor des National-Hygiene-Museums (erster Name des DHM) und seit 1930 Präsident des Deutschen Hygiene-Museums. 1919–1941 Geschäftsführer und Vorsitzender (seit 1925) der Lingner-Stiftung; Vorstand des Internationalen Gesundheitsdienstes DHM ab 1930; Vorstand der AG für hygienischen Lehrbedarf; Leiter des Verlages für Volkswohlfahrt (seit 1935 Verlag des Deutschen Hygiene-Museums). 1949–1956/57 Leiter des Deutschen Gesundheits-Museums. 1956–1968 Mitglied im Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung. Helmut Sickel: Zahnmediziner und Unternehmer. Geschäftsführer der Firma Dr. Helmut Sickel, Arzneimittel, zahnärztliche und andere Präparate, Leipzig für chemisch- und dentalpharmazeutische Präparate. Leiter des Deutschen Hygiene-Museums von 1948 bis 1950; anschließend Emigration in die Bundesrepublik. Kurt Speier (1921–1981): Psychiater. 1954 Übersiedlung aus Gießen in die DDR und seit 1956 Mitarbeiter in der wissenschaftlichen Abteilung des Hygiene-Museums in Dresden: 1960–1961 Leiter der wissenschaftlichen Abteilung und bis 1967 wissenschaftlicher Direktor; 1967–1972 Direktor des Instituts für Gesundheitserziehung; ab 1972 stellvertretender Direktor und Abteilungsleiter (normative Grundlagen) ebendort. Luitpold Steidle (1898–1984): Landwirt und Gesundheitspolitiker. Sowjetische Kriegsgefangenschaft 1943. Mitbegründer und Vizepräsident des Bundes Deutscher Offiziere, Frontbevollmächtigter des Nationalkomitees Freies Deutschland; seit 1946 CDU-Mitglied. Ab 1949 Minister für Arbeit und Gesundheitswesen, 1950–1958 Minister für Gesundheitswesen, danach 1960–1969 Oberbürgermeister in Weimar. Josef Stralau (1908–2007): Sozialhygieniker und Medizinalbeamter. Ärztlicher Sozialdezernent der Stadt Köln, ab 1957 Leiter der Gesundheitsabteilung im BMI, ab 1961 im BMG, als solcher Vertreter des Bundes in den Vorständen des DGM. Rolf Thränhardt (*1918): Arzt, Mediziner und Gesundheitspolitiker in der DDR. Aspirantur (Promotion) an der Karl-Marx-Universität Leipzig. 1952–1960 Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Hygiene-Museums; anschließend bis ca. 1971 Obermedizinalrat und Sektorenleiter (Referatsleiter) für Gesundheitserziehung im Ministerium für Gesundheitswesen.

Auswahlbiografien 

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1961–1971 Generalsekretär des Nationalen Komitees für gesunde Lebensweise und Gesundheitserziehung bzw. des Nationalkomitees für Gesundheitserziehung, ab 1971 Vizepräsident desselben. Franz Tschackert (1887–1958): Präparator (der „Gläsernen Figuren“). 1913–1925 Präparator im Deutschen Hygiene-Museum/Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf; 1927–1946 Leiter der Cellon-Abteilung ebenda. 1946–1949 zusammen mit Paul Ehrke verantwortlich für eine Wanderausstellung zu Geschlechtskrankheiten in den westlichen Besatzungszonen und zwischen 1949 und 1956 Leiter der Werkstätten des Deutschen Gesundheits-Museums. Martin Vogel (1878–1947): Mediziner und Hygieniker. Nach der Promotion 1912 in Freiburg ärztliche Tätigkeit in Straßburg bis 1914. Wissenschaftlicher Leiter der Volksborngesellschaft für medizinisch-hygienische Aufklärung (1918–1919). Seit 1919 am DHM, zuerst als Assistent und ab 1923 (bis 1926 kommissarisch) bis 1932 wissenschaftlicher Direktor; seit 1923–1925 Geschäftsführer des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung; wissenschaftliche Leitung der GeSoLei 1926. Seit 1933 Praxis für Naturheilkunde in Dresden; Schriftleiter der Zeitschrift Hippokrates. Leiter des Forschungsinstituts des Reichsgesundheits-Prüfungs- und Beratungsdienstes der Deutschen Lebensreform e. V., das 1941 mit dem Paracelsus-Institut fusionierte und in das DHM umzog. Franz Vonessen (1892–1970): Arzt und Medizinalbeamter. Stadtarzt am Kölner Gesundheitsamt zwischen 1921 und 1935. Zwangspensionierung 1935–1937 und anschließend Tätigkeit in der eigenen Privatpraxis. 1945–1957 Leiter des Kölner Gesundheitsamtes und Beigeordneter der Stadt Köln in den Vorständen des Deutschen Hygiene-Museums 1949–1962. Reinhold Wagner (*1893): Vertreter biologisch-anatomischer Lehrmittel des Deutschen Gesundheits-Museums sowie des Hygiene-Museums bis 1966. Rudolf Weber (*1909) Arzt und Gesundheitspolitiker. Sowjetische Kriegsgefangenschaft 1943–1947; Besuch der Antifa-Schule in Krasnogorsk und Mitglied im Nationalkomitee Freies Deutschland. 1948–1951 Betriebsarzt in Eisenach und Mitglied im Zentralvorstand der Sozialversicherung. 1951–1953 Abteilungsleiter für das Betriebsgesundheitswesen im Ministerium für Gesundheitswesen, anschließend bis 1978 Sektorenleiter (Referatsleiter) und stellvertretender Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik des ZK der SED. Friedrich Weeren (1907–1978): Facharzt für Psychiatrie und Tropenmedizin sowie Wissenschaftsjournalist. Leiter des wissenschaftlichen Ressorts der Neuen Zeitung, Chefredakteur bei Euromed. Ab 1965 verantwortlicher Redakteur des Wissenschaftsressorts der Tageszeitung Die Welt. Kurt Winter (1910–1987): Sozialhygieniker und Gesundheitspolitiker. Ab 1937 Arzt der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, anschließend Exil in Frankreich, Norwegen, Schweden. 1946–1948 Amtsarzt in Teltow, Leiter (der Personalabteilung) des Gesundheitsamtes des Landes Brandenburg. 1948/49 Vizepräsident der DZVG und der HA Gesundheitswesen; 1956–1959 Leiter der Abteilung Medizin im Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen; 1958–1962 Mitglied der Ärztekommission des Politbüros der SED; 1962–1969 Vizepräsident des Rates für Planung und Koordinierung der medizinischen Wissenschaften im Ministerium für Gesundheitswesen der DDR. 1950–1975 Assistent, Professor und Direktor des Instituts für Sozialhygiene bzw. des Hygiene-Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin, 1975–1979 Rektor der Deutschen Akademie für Ärztliche Fortbildung.

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 Auswahlbiografien

Julius Ferdinand Wollf (1871–1942): Journalist. Chefredakteur der Dresdner Neueste Nachrichten; enger Vertrauter Karl August Lingners und publizistischer Förderer seines Hygiene-Museums. 1933 aufgrund seiner Zuschreibung als Jude aus dem Amt des Chefredakteurs und aus dem Vorstand des Hygiene-Museums gedrängt. Suizid 1942. Maxim Zetkin (1883–1965): Arzt, KPD-Mitglied seit 1919 und Sohn von Clara Zetkin. Seit 1920 als Chirurg in der Sowjetunion tätig. Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg als beratender Chirurg. 1945–1949 1. Vizepräsident der Deutschen Zentrale für Gesundheitswesen bzw. der Hauptabteilung Gesundheitswesen und zuständig für Personal- und Organisationsfragen ebendort. 1950–1952 Leiter der Hauptabteilung Wissenschaft und Forschung des Ministeriums für Gesundheitswesen. 1954 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rats ebendort und Leiter der Arbeitsgemeinschaft medizinischer Verlage. 1947–1960 Professor für Chirurgie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bernhard Zoller: Sozialhygieniker und Ministerialbeamter. Leiter des Referats I A 4 (Gesundheitsfürsorge und gesundheitliche Volksbelehrung) im BMI ab 1956 und damit unmittelbar Fachverantwortlicher für das DGM vonseiten der Bundesverwaltung; Mitglied der Vorstände des Deutschen Gesundheits-Museums.

Quellen- und Literaturverzeichnis Unveröffentlichte Quellen und Sammlungsbestände Archiv der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Schrank D, Fach 50: Was stimmt nun eigentlich?, o. D. (1967). Schrank N, Fach 25: Arbeitsgemeinschaft für Sozial- und Wirtschaftsforschung: Stellungnahme zu Plakatentwürfen für eine Anti-Rauch-Kampagne, 1969. Schrank J, Fach 45: Arbeitsgemeinschaft Sozial- und Wirtschaftsforschung: Jugendliche und Rauchen, 1969. Schrank K, Fach 59: Die theoretische Konzeption und einige Versuchsergebnisse zum Anti-Rauch-Programm „Spielen Sie mit?“, 1969. Schrank J, Fach 39: BZgA/Lehmann, Manfred: Gutachten und Evaluation des Rauchentwöhnungskurses In 5 Tagen frei vom Rauchen, 1970.

Bundesarchiv Berlin (BArch) Ministerium für Gesundheitswesen der DDR (DQ 1) 31: Deutsches Hygiene-Museum, Ausarbeitung einer Satzung, 1948. 960: Reiseberichte und Aktennotizen, 1946–1949. 1094: Wiederaufbau des Deutschen Hygiene-Museums, 1947–1949. 1622: Deutsches Hygiene-Museum Dresden: Stellenplan und Geschäftsordnung (Entwurf), 1948–1950. 3248: Kollegiumssitzungen, 1957. 5105: Schriftwechsel Prof. Dr. Friedeberger, 1959–1961. 5225: Abteilung Wissenschaft und Ausbildung. Sektor Forschung, 1961–1963. 6018: Komitee für gesunde Lebensführung und Gesundheitserziehung, 1961–1962. 6153: Ministerdienstbesprechungen, 1962. 6162: Ministerdienstbesprechungen, 1965. 6301: Wissenschaftliche Institute, 1954–1960. 6646: Abteilung Wissenschaft. Sektor Forschung: DHM, Dresden. Schriftwechsel, Berichte, Jahresanalysen, 1956–1960. 20313: Sekretariat des Staatssekretärs: Schriftwechsel, 1959–1960. 20542: Sekretariat des Stellvertretenden Ministers Prof. Dr. Friedeberger, 1959. 20544: Sekretariat des Stellvertretenden Ministers Prof. Dr. Friedeberger, 1960. 20566: Sektor Recht: Deutsches Hygiene-Museum, 1956–1960. 20927: Werbung – Grundsätze, 1957–1962. 22239: Eingaben, 1963. 22446: Komitee für gesunde Lebensführung und Gesundheitserziehung: Protokolle, 1962–1964. 24135: Personalakten Dr. Franz Görres, 1953–1984. 24168: Kollegiumssitzungen, 1952–1955. https://doi.org/10.1515/9783110664171-011

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 Quellen- und Literaturverzeichnis

24181: Ministerdienstbesprechungen, 1966. 24575: Sektor Recht, 1949–1957. Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR (DR 3-B) 15303: Berufungsakte Walter Axel Friedeberger, 1956–1963. Ministerium für Volksbildung der DDR(DR 2) 27913: Ausbildung im Fach Gesundheitserziehung, 1972–1979. 28139: Hauptabteilung Lehrerbildung: Ausbildung im Fach Gesundheitserziehung, 1977–1983. Nationales Komitee für Gesundheitserziehung der DDR (DQ 113) 10: Nationales Komitee für Gesundheitserziehung der DDR, 1969–1970. Rat für medizinische Wissenschaften beim Ministerium für Gesundheitswesen der DDR (DQ 109) 133: Stellungnahmen zum Rauchen in der DDR, 1974–1978. Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) DY 30/J IV 2/2/760: Politbüro des ZK der SED: Protokoll Nr. 18/61, 1961.

Bundesarchiv Koblenz (BArch) Bundesministerium für Gesundheitswesen (B 142) 380: Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitswesen und Deutsche Zentrale für Volksgesundheitspflege, 1949–1961. 397: Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung. Allgemein, 1953–1958. 398: Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung, 1959–1962. 400: Deutsches Gesundheitsmuseum, Bd. 1, 1950–1960. 401: Deutsches Gesundheitsmuseum: Allgemein, Beitrag des Bundes, 1950–1960. 402: Deutsches Gesundheitsmuseum e. V.: Große Deutsche Gesundheitsausstellung in Köln 1951, 1950–1955. 1971: Deutsche Zentrale für Volksgesundheitspflege, Bd. 2, 1956–1964. 1997: Deutsches Gesundheitsmuseum, 1949–1965. 2005: Umwandlung des Deutschen Gesundheitsmuseums in die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Bd. 1, 1960–1964. 2006: Umwandlung des Deutschen Gesundheitsmuseums in die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Bd. 2, 1960–1964. 2007: Umwandlung des Deutschen Gesundheitsmuseums in die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Bd. 3, 1965–1966. 2008: Umwandlung des Deutschen Gesundheitsmuseums in die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Bd. 4, 1961–1965. 2013: DGM Sitzungsprotokolle, 1952–1959. 2014: DGM: Sitzungsprotokolle, 1960–1961. 2016: Bundesinnenministerium: Deutsches Gesundheitsmuseum Köln – Aufgaben, Bd. 1, 1952–1960. 2017: Beziehungen des Deutschen Gesundheitsmuseums zum Deutschen Hygiene-Museum Dresden, 1954–1961. 2018: Deutsches Gesundheits-Museum e. V., Bd. 3, 1961–1967.

Unveröffentlichte Quellen und Sammlungsbestände 

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Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (B 310) 1: BZgA: Gesundheitserziehung allgemein, 1962–1967.92: Rechnungsprüfungen durch den Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshof NRW, 1954–1965. 3: BZgA: Verwaltung, Interne Mitteilungen, Arbeitsbesprechungen, 1964–1969. 112: Deutsches Gesundheits-Museum: Abteilungsleitersitzungen, 1964–1969. 114: Korrespondenz mit Vereinsträgern, 1962–1969. 115: Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung, 1957–1960. 117: Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung, 1960–1968. 118: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Zusammenarbeit mit dem Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung e. V., 1966–1970. 134: Schriftwechsel zwischen dem Deutschen Gesundheits-Museum und dem BMI, 1950–1960. 136: Deutsches Gesundheits-Museum Köln, 1956–1957. 143: Dr. Göllner: Gesundheits-Atlas, 1954–1956. 174: BZgA: Anti-Raucher-Kampagne 1974. Trainingsprogramm „Eine Chance für Raucher – Nichtraucher in 10 Wochen“ – Konzeption und Entwicklung, 1971–1977. 239: BZgA: Der Gläserne Mensch; Aktion Gemeinsinn, 1965–1974. 289: BZgA: Allgemeine gesundheitspolitische Themen – Eingaben und Anfragen, 1964–1969. 341: Geschäftsführung, 1952–1956. 741: Gesundheitliche Gefahren durch Rauchen. Psychologische Studie über Form und Inhalt einer Aufklärung, 1971. 742: Gesundheitliche Gefahren durch Rauchen. Eine qualitative Untersuchung von sechs Plakaten, 1972. 743: Gesundheitliche Gefahren durch Rauchen. Studie über den Wissensstand über die Gefahren des Rauchens, 1971. 777: Quantitative Erfolgskontrolle der Anti-Raucher-Kampagne „Der neue Trend – No Smoking please“ und Psychologische Analyse zum Verständnis jugendlicher Raucher und Nichtraucher, 1972. 1113: Sex-Atlas. Stellungnahmen und Kommentare 1, 1970–1973. 1114: Sex-Atlas: Stellungnahmen, Korrekturen 1, 1969–1973. 1115: Sex-Atlas: Stellungnahmen und Korrekturen 3, 1969–1970.

Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU, MfS) BV Dresden, Abteilung Dresden, Nr. 49/54 (AOP 127/55): Gruppenvorgang „Sonne“, 1954–1955. BV Dresden, Abteilung IV, Nr. 87/53 (AOP 127/55): Überprüfungsvorgang, 1953–1955.

Defense Documentation Center for Scientific and Technical Information des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten AD 406 005: Biographies of Soviet Scientists, 1963.

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 Quellen- und Literaturverzeichnis

Dittrick Medical History Center: Nachlass Bruno Gebhard Box 1, I-6: Korrepondenzen, 1925–1975. Box II, Folder 2–1: Europe Revisited, 1948. BGP 7, 4–31: Gläserne Figuren, 1950–1972. B 17, 7.14a: Personal Notes on my European Trip 1950, 1950. B 17, 7.14b: Dresden Revisited 1961, 1961.

Hauptstaatsarchiv Dresden (HStAD) 12464: FDGB Landesvorstand Sachsen Nr. 288: 1947–1950. 12741: Personennachlass Rudolf Neubert Nr. 114: Schriftwechsel, 1936–1949. Nr. 140: Gesundheitswesen und Hygiene-Museum, 1938–1946. 12970: Personennachlass Hermann Kastner Nr. 7: Arbeit als Rechtsanwalt, 1946–1947. 13658: Deutsches Hygiene-Museum Dresden (1945–1990) Au Nr. 1a: Große Gesundheitsausstellung Köln 1951, 1951. Au Nr. 164/1: Wanderausstellung „Guter Rat für Herz und Kreislauf“ und „Jugend und Gesundheit“, 1976–1979.  F II/1–8: IfG, Medienarbeit: Drehbücher, Szenarien für Filme, die in Auftrag gegeben wurden, 1963–1985. F VI, Nr. 1–36: IfG: Medienarbeit, 1963–1990. Nr. 6 (Personalakten): Personalakte Egon Damme, 1949–1977. Nr. 46/1: Wanderausstellung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, 1946–1947. Nr. 46/26–29: Schriftwechsel, 1946. Nr. 46/23: Diverses, 1946. Nr. 46/39: Aktivitäten des DHM zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und der TBC, 1945–1976. Nr. 47/33: Ausstellungen, 1946–1959. Nr. 52/11: Briefe ans Ministerium für Gesundheitswesen, 1952. Nr. 55/54: Ausstellungen, 1955. Nr. 58/23: Ausstellung „ABC des Lebens“, 1958. Nr. 59 (Personalakten): Personalakte Dr. Franz Görres, 1966–1986. Nr. 59/37: Ausstellungen. Johannes Erler, 1945–1959. Nr. 60/26: Deutsches Hygiene-Museum: Ausstellungen, 1958–1960. Nr. 60/28: Deutsches Hygiene-Museum: Ausstellungen, 1958–1960. Nr. 61/8: Filmproduktion, 1960–1961. Nr. 63/23: Wissenschaftliche Abteilung, 1962–1963. Nr. 93 (Personalakten): Personalakte Dr. Kurt Speier, 1956–1981. Nr. 95 (Personalakten): Personalakte Otto Kunkel, 1950–1982.

Unveröffentlichte Quellen und Sammlungsbestände 

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Veröffentlichte Quellen 

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Register Abendland 133, 197 Adenauer, Konrad 143, 146, 247, 249, 404, 453 Adenauer, Ludwig 404 Adenauer, Max 140, 146, 228f., 250, 291, 297, 400, 453 Ägypten (Kairo) 244, 392 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf 67, 74, 454, 463 Alleinvertretung 242, 245, 271 American Cancer Society 366 Anatomisches Lehrmittelwerk Sonneberg 393 Angst/Furcht 10, 93, 110, 131, 182, 226, 244, 249, 348, 385, 421, 424f. Anschaulichkeit/Veranschaulichung 23, 33, 95f., 100ff., 105, 107, 114, 134, 166, 171, 173, 177ff., 181f., 188, 195f., 211, 219, 221, 223ff., 234, 236, 241f., 253, 301, 317–320, 323, 330–334, 340, 343f., 350, 361, 368f., 372f., 431, 436, 439 Anthropologie 130, 132, 456, 460 Antonovsky, Aaron 440 Arbeit/Beruf 106, 127f., 138, 158, 323, 343, 371f., 378, 454, 458 – Arbeiter*innen 4, 43, 50, 68, 77, 172, 175, 189, 191, 194, 197, 207, 211, 230, 290 – Arbeiter- und Bauern-Gesellschaft/ Staat 170–173, 177, 189, 192, 197, 204, 206, 212, 222 – Arbeits-/Berufsfeld 327 – Arbeitsgemeinschaft der leitenden Medizinalbeamten der Länder (AGLMB) 404 – Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Ärzte 271 – Arbeitshygiene. Siehe Hygiene – Arbeitsschutz 25, 54, 69, 173f. – Arbeitsteilung 96f., 191f., 312, 331, 335, 345 – Berufsbild 324, 444 – Berufsverband/Berufsgenossenschaft 125, 254, 367, 457 – Heilhilfsberuf/Heilhilfspersonal 55, 87, 303 https://doi.org/10.1515/9783110664171-012

– Professionalisierung 25f., 34, 96, 118f., 276, 283, 324, 328, 371, 383, 397, 399, 426f., 436, 440, 444. Siehe auch Netzwerk Arnold, Karl 80, 139 Arzneimittel/Medikament 14, 130, 142, 408 Ärzte/Ärzteschaft 1f., 21f., 25f., 41, 46, 55, 66, 69, 96, 110, 118, 138, 147, 184, 202, 204, 209, 266, 270, 273, 275, 279, 282–286, 289f., 301, 305, 317, 349, 357, 359, 395f., 408, 412, 453–464 – Amtsärzte 108, 142, 277, 303, 367, 408, 455, 459, 463 – Kommunalärzte 47, 75, 141, 317, 455–458 – Niedergelassene Ärzte/Kassenärzte 276f., 359, 456, 458, 461 Ausstellung/Exposition/Aussteller 122, 137, 150, 153, 205, 209, 215, 223, 232, 257, 361, 435 – Ausstellungsbeteiligung 28, 40, 251, 434 – Ausstellungskoje 127, 136, 163, 171, 445 – Ausstellungskrise (Besucher-, Museums-) 27, 66, 74, 314, 316, 320, 373, 376, 382, 428 – Ausstellungsstück/Exponat 23, 31, 33, 35, 43, 50, 72, 74f., 79, 81f., 84ff., 105, 111f., 114, 116, 118, 123, 132ff., 145, 150, 152–155, 159f., 163, 168, 171f., 178, 180, 195, 212, 221, 223f., 231ff., 238, 246f., 258, 260, 266, 269, 271, 312f., 337, 389f., 392, 431, 433, 443, 445 – Berliner Ausstellungsgesellschaft/ Berliner Ausstellungs-, Messe-, und Fremdenverkehrs-GmbH (Berliner Ausstellungen) 49, 118–123, 134ff., 148, 243, 455 – Darstellungsgut 102, 107, 133, 196, 218 – Dauerausstellung/Hausausstellung 40, 198, 205, 209, 269, 338, 445 – Exhibition Section 105ff., 118 – Industrie-/Gewerbeausstellung 23, 122f., 155f., 215, 242ff., 320, 391, 431 – Kleinausstellung 128, 148, 197, 246, 250, 267, 301, 331, 333, 337, 375, 396, 429

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 Register

– Kollektivausstellung 391f. – Leistungsschau 205, 215, 392 – Mensch-Ausstellung 101, 134, 177, 181, 218, 287, 321, 347 – Nordwestdeutsche Ausstellungsgesellschaft (NOWEA)  78f., 82 – Sonderausstellung 40, 55, 68 – Wanderausstellung 39f., 48, 51, 54f., 59, 61, 65, 72f., 82–85, 97, 101, 105, 107, 116, 122, 129, 142–145, 150, 163f., 168, 205, 239, 242, 257, 265, 267, 289, 382, 396, 433f., 443, 454, 463 Ausstellungen (Titel der Erwähnten) – I. Internationale Hygiene-Ausstellung 25, 75, 99, 104, 116, 145, 156, 206, 209, 211f., 221, 431, 462 – II. Internationale Hygiene-Ausstellung 53, 99, 101, 103, 122, 182, 212, 433, 455, 459 – 3. Konferenz der Internationalen Union für Gesundheitserziehung 254 – 4. Konferenz der Internationalen Union für Gesundheitserziehung 265–270, 299, 388 – 10 Jahre DDR 218, 244 – 30 Jahre Gesundheitswesen in der Sowjetunion 69, 170 – ABC des Lebens 265, 267, 318, 340 – Der Alkohol. Freund oder Feind? 267 – Anatomie 67, 257 – Arbeit und Muße 257, 260 – Deine Ernährung – Deine Gesundheit 382 – Deutsche Städte-Ausstellung 206 – Erkenne Dich selbst, 1951 178–198, 201, 221, 253, 258, 265 – Ernährung und Wohnkultur 245–249 – Esposizione Universale di Roma 255 – The Family of Man 103, 118, 172 – Geheimnisse des Lebens 205, 347–356, 386 – Geschlechtskrankheiten – Verhütung und Heilung 39, 48, 59, 65, 67, 458 – Gesund oder krank 72, 454 – Der gesunde Mensch 173 – Gesundes Leben – Frohes Schaffen 120, 134ff., 180

– Guter Rat für Herz und Kreislauf 375–378 – Große Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf (GeSoLei) 79, 82, 105, 126, 134, 149, 171, 453ff., 458, 463 – Große Gesundheits-Ausstellung. Ein Ja dem Leben 32, 90, 104, 116, 121–162, 180, 196, 220, 300, 433, 453–457 – Halle der Selbsterkenntnis (Erkenne Dich selbst, 1938) 135ff., 180 – Hygiene auf dem Land 201, 205 – Im Mittelpunkt steht der Mensch 203f. – Indianerkunst. Lebendige Traditionen 106 – Jugend schafft für die Jugend 173–178 – Landwirtschaft und Wirtschaft 249–254 – Man in His World 389 – Der Mensch 54f., 82, 97ff., 163, 211, 454, 458 – Der Mensch – das Wunder des Lebens 116 – Mutter und Kind 168, 172f., 201, 205 – Nationale Hygiene-Ausstellung (NHA) 208–219, 221f., 320, 340, 382, 455f. – Rauchen oder nicht rauchen 267 – Richtig Wirtschaften 254–264 – Sport und Gesundheit 231, 235 – Staatenhaus 123, 147, 457 – Tennessee Valley Authority 106 – Trotzdem – Frohe Kinder 128, 454 – Volkskrankheiten 40, 59, 65, 82, 85, 172, 458 – Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung 206 – Vom Glück des Menschen 118 – Die Welt der Frau 123, 126f. – Die Welt des Kindes 123, 128, 147, 457 – Wie werde ich 100 Jahre alt? 219, 257–265, 356 – Wir bauen ein besseres Leben 106 – Wohne und lebe zeitgemäß 256 – Das Wunder des Lebens 116–120, 148, 160, 192 Authentizität 168, 253 Bargatzky, Walter 404, 409, 411, 453 Bauer, William W. 108f., 453 Bayer, Herbert 117f., 453 Bayern 72, 85

Register 

Benjamin, Walter 156 Bennholdt-Thomsen, Carl 147 Berlin 39, 45, 51, 53, 56, 81, 85, 116, 134, 137, 149, 156 – Berlin-Bahnhof Friedrichstraße 168, 174, 180, 200 – Berlin-Ost 39, 89, 107, 168, 174, 179f., 203f., 220, 230, 233, 260, 308, 342f., 347, 373 – Berlin-West 106f., 231, 235, 243 – Schaufenster der Systemkonkurrenz 107, 167f., 220, 243. Siehe auch Kalter Krieg Besucher*innen/Zuschauer*innen 74, 82, 95f., 100–103, 110–114, 118, 121, 123, 125, 133–140, 153–157, 163, 177–184, 188, 192, 195f., 199, 214f., 218f., 246f., 258, 262, 269, 302, 314, 320f., 347f., 376, 382, 390, 429, 431, 433 Betrieb 43, 64, 74, 239, 289f., 293, 311f., 317, 336, 384, 461ff. – Leitbetrieb 393 – -sführer 46, 173 – -sgesundheitswesen/-fürsorge 203 – -sgewerkschaftsleitung (BGL) 66. Siehe auch Gewerkschaft – -singenieur 231f. – -skampfgruppe 230, 313, 458 – -skindergarten 69, 168 – -sparteiorganisation (BPO) 66, 163, 167, 230, 238, 243, 311ff., 315, 318, 394f., 429, 444, 458 – -swerkküche/-kantine 69, 189f., 376f. Siehe auch Ernährung Beyer, Alfred 58, 342, 453 Biesalski, Konrad 129 Bildpädagogik/Bildsprache/ Bildkommunikation 29, 102f., 117, 165f. Bildung/Erziehung 3, 8, 27, 33, 64, 98f., 101f., 110, 115f., 121, 132, 145, 153, 160, 162, 166, 189, 199, 203, 206f., 213ff., 219, 250, 273, 287, 300–306, 309f., 314ff., 319–328, 343f., 346f., 353f., 360, 373ff., 378–381, 383–386, 396ff., 403, 406, 414f., 417f., 432, 437, 443, 446 – Aus- und Fortbildung 42, 61, 87, 90, 125, 145, 303, 339, 343, 402, 406, 417, 455, 457, 459, 461, 463

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– Erziehungswissenschaft/Pädagogik/ Didaktik (Lehrer) 4f., 8, 23, 27, 51, 78, 99, 102f., 108, 165, 199, 253, 307–310, 317, 322–331, 341, 344, 360f., 373, 379, 383f., 394, 398, 403, 414–417, 427, 443f., 459, 461 – Volksbildung/-erziehung 23, 53, 59, 102, 105, 107, 144, 157f., 160, 165, 210, 321, 339, 394, 402 Bleek, Karl Theodor 229 Bochum 254–266, 269, 340 Böckler, Hans 146 Bomben 36, 38f., 200, 220, 348 Breker, Arno 106 Bremen 72, 249–254, 312 Brückner, Erika 424 Bundesamt für Verfassungsschutz 235 Bundesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung (BAfgV) 265ff., 278–282, 298f., 305, 316, 328, 330–335, 339, 341, 360, 400, 403, 405f., 412ff., 462 – Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung 398, 414, 457 – Reichsausschuss für hygienische Volksbelehrung 55f., 278f., 322, 459, 463 Bundesregierung/-kabinett 50, 144ff., 236, 249, 277, 355, 388, 409ff., 418f. Bundestag 42, 139, 146, 405, 408ff., 412, 414, 418, 420f., 426, 457, 462 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 6, 12, 34, 143, 373, 397–400, 406f., 410, 413–420, 422–430, 436, 440ff., 453, 455 Burauen, Theo 337f., 400, 453 Bürgerlichkeit 4f., 10, 13, 18, 23, 25f., 88, 102, 121, 155, 164, 189, 198, 204, 207, 230, 284, 310, 356, 360, 431, 456 Bürgers, Theodor Josef 149f., 152, 154f., 157f., 453 Calmes, Michael 147 Calver, Northup Homer 50, 453f. Central Council of Health Education (CCHE)/ Health Education Council (HEC) 367, 370, 425

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Centre national d’éducation sanitaire démographique et sociale/Comité français d’éducation pour la santé 370 China 391, 454 Christlich Demokratische Union Deutschlands (Bundesrepublik) 290, 404, 408, 413, 457, 462 – DDR 173, 198f., 285, 461f. Chruščëv, Nikita Sergeevič 107 Coerper, Carl 81 Contergan 407, 435 Coutelle, Carl 284, 454 Damme, Egon 90, 167, 206, 233, 244, 251f., 254, 266f., 269f., 312f., 392f., 395, 454, 458 Demokratie/Demokratisierung 19, 108f., 69, 325, 343, 410, 430 Demut/Dienen – christlich 121 – sozialistisch 309 Denkfigur, -kollektiv, -stil, -weise; Gestaltsehen 160, 262, 309, 368, 374, 385, 427, 441 Denkschrift/Exposé 42, 78, 90, 91, 96, 105, 114, 128, 141, 289, 300–304, 333, 401ff., 412–417, 431, 445 Deutsche Film AG (DEFA) 67, 319 Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (DGBG) 72f., 85 Deutsche Werbe- und Anzeigengesellschaft (DEWAG) 218, 319, 357, 381, 389 Deutsche Zentrale für Volksgesundheitspflege (DZV) 281f., 316, 404ff., 408, 412f., 420, 458f. Deutsche Zentralverwaltung für Gesundheitswesen (DZVG)/ Hauptverwaltung Gesundheitswesen der Deutschen Wirtschaftskommission (HVG)/Hauptabteilung Gesundheitswesen im Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen 39, 47, 49, 52f., 55–61, 64–71, 74, 83–86, 156, 163f., 288, 453f., 458f., 463 Deutscher Innen- und Außenhandel Kulturwaren (DIA-Kulturwaren) 319 Deutscher Lehrmittelverband 236, 270

Deutsch-Deutsche Verflechtungsgeschichte 18–23, 27, 33, 98, 101, 223–272, 433, 435, 438f. Diätetik 4, 96 Diskurs 23, 86, 95f., 129, 171, 175, 224, 253, 328, 372, 383, 397, 399, 428, 436, 440, 446 Disziplinierung/Selbst- und Fremdkontrolle (/-steuerung/-beherrschung) 3ff., 23, 29, 66, 188, 261, 356, 441f. Dix, Otto 92 Domagk, Gerhard 129f. Dortmund 254, 256, 455, 458, 462 Dresdner Modell 41f., 54, 111f., 151f., 153f., 159f., 162, 272f., 300ff., 322ff., 334, 336, 339, 387, 399f., 435. Siehe auch Organisationsvorbild Drigalski, Wilhelm von 81f. Düsseldorf 76, 78ff., 82–85, 128f., 149, 265–271, 281, 294, 340, 453f., 457f., 461 Eckstein-Schlossmann, Erna 128f., 454 Ehrfurcht (vor den Gesetzen des Lebens) 99f., 118–121, 153, 161, 181, 323 Ehrke, Paul 74, 77, 454, 463 Emerson, Haven 50, 161, 220, 226, 454 von Engelhardt, Roderich 47, 97–101, 121, 182, 454 Entfaltung/Befähigung (Empowerment) 3f., 8, 98f. 110, 261, 430 Enzmann, Eleonore 128, 134, 138, 158 Epidemiologie 13f., 329, 364ff., 372, 427, 436, 444 Erinnerung (Vergangenheit) 44 – Erinnerungsarbeit/Geschichtspolitik 19, 22ff., 28, 32f., 36ff., 89–93, 110–120, 122, 133, 160– 223, 308, 350, 374, 417, 445 – Jubiläum 28, 68f., 166f., 205f., 208, 210, 218, 445 – Progressives Erbe. Siehe Zukunft/ Progressivität Erler, Johannes 72–77, 81, 84, 85ff., 232f., 238f., 289, 292, 454 Ernährung 29, 156, 175, 188–194, 215, 294, 302, 304, 347, 364, 382, 410, 412. Siehe auch Betriebswerkküche

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Eugenik 120, 130f.; 148, 457, 460. Siehe auch Hygiene/RassenEvaluation (Wirkungsforschung/ -überprüfung) 10, 34, 154, 234, 314, 316, 366f. 369, 372, 385f., 397ff., 403, 423ff., 427, 436f. Evolution (Lamarck) 104, 307, 347, 440 Experiment 110f., 211, 307ff., 315, 416 Experte/Expertisen/Fachleute 11, 16, 34, 46, 49, 54, 56, 65f., 69, 77, 81f., 96, 101, 104, 109, 112, 150f., 154f., 158, 167, 177–182, 191f., 194f., 219, 255, 267, 286, 294, 359ff., 365, 369, 380, 386, 395, 403, 416f., 425, 430, 436f., 440, 446, 456 Firma Marcus Sommer (Somso)/Coburger Lehrmittelanstalt (CLA) 393, 429 Fotografie 19, 36–40, 69f., 73, 103, 106f., 129, 165, 168, 170, 175, 200, 212, 218, 295, 422ff. – Collage 422 – Montage 103, 165, 318, 348 Fraenkel, Marta 50f., 57, 59, 77, 455 Frankfurt am Main 49, 81ff., 85, 123, 134, 140, 151, 392, 419, 456, 462 Frankreich (Paris) 265, 279, 327, 370, 443ff., 460, 463 Freie Demokratische Partei (FDP) 42, 408f., 413 Freizeit 147, 260f. Frey, Gottfried 93, 100, 121, 136, 455 von Freytag-Loringhoven, Wolf Dietrich 327, 427, 455 Friedeberger, Walter Axel 70f., 194, 200–206, 210, 218, 229, 233f., 241, 245f., 250ff., 255f., 265ff., 271f., 284, 312, 315–321, 356, 380ff., 393, 455 Fritsche, Wolfgang 372, 401–407, 414–423, 425, 429f., 455 Gaumitz, Helmut 75, 147, 149, 278, 455 Gebhard, Bruno 26, 49f., 77, 107–113, 118, 133, 134, 137, 145, 156f., 161, 220, 253, 292, 320, 382, 433, 455 Gemeinschaft 4, 36, 48, 89, 98, 115, 126f., 133, 161, 172, 193f., 197, 205, 214, 220, 325, 328, 345, 434

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– Schicksals- 100, 161 – Staaten-/Welt- 160, 220 – Volks- 121, 123, 128, 135, 148 – Wirtschafts-/Werte- des Westens 105f. Genussmittel 215 – Alkohol 60, 156, 261f., 364ff., 374, 408f., 421f., 444f. – Koffein/Kaffee 261 – Tabak/Nikotin 261f., 364, 386. Siehe auch Rauchen Geschlechterverhältnisse 128, 133, 161, 197 – Familie 1, 48, 106, 127f., 166, 172, 279, 283, 294, 420, 457, 459, 460 – Reproduktion 1, 4, 92, 116, 123, 128, 134, 151, 161, 166, 171f., 187, 205, 269, 272, 276, 294f., 408, 410, 419, 456 Gesundheit – Amt 31, 69, 75ff.,151, 154, 278, 282, 303, 305, 331, 408, 420, 454–461, 463 – Atlas 330-330, 450 – Erziehung 10, 15, 34, 214f., 254, 267, 279, 300, 302–305, 315f., 319–331, 333–346, 356–362, 370–374, 377f., 380–387, 390, 392, 394–418, 420–423, 426–430, 435–438, 440–445, 455, 457, 459f., 462f. – Förderung/Salutogenese 14f., 34, 439–442, 445 – Führung 135 – Fürsorge 8, 25f., 31, 78, 109f., 140ff., 156, 171f., 202f., 211, 277f., 282f., 297, 359, 408ff., 456f., 464 – Gleichgewicht 97, 125, 345–349 – Health Education 108, 161, 427f., 440f., 453 – Kollektive 99 – Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) 21, 110ff., 120f., 135, 141, 145, 154–155, 159, 162, 273–278, 282, 284, 288, 298–301, 305, 322, 327, 331, 359, 399f., 408, 413, 435, 461 – Pflege (Bevölkerungsgesundheit) 8, 15f., 21, 31, 49f., 54f., 109f., 119f., 126, 149, 199, 281, 329, 331, 340, 345, 364, 453 – Politik 14f., 21f., 30f., 51f., 54f., 58, 60–63, 68f., 70–73, 84, 89, 108, 118, 145, 147f., 154, 163f., 168, 173, 177, 195, 202, 219f., 273–280, 285f., 288, 306ff., 311, 345,

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357ff., 365f., 369, 389, 395, 411ff., 426, 435, 444f., 453, 457–463 – Propaganda 27, 33, 55, 60, 71, 87f., 163–166, 179, 194, 197, 202f., 218, 287, 320, 360, 434 – (New) Public Health 8, 15f., 30, 34, 108, 112, 364, 370, 439, 442, 453–457 – Schutz 61f., 197, 204f., 209, 214f., 261, 274–278, 282–288, 305f., 342–345, 357f., 375, 458 – Volks- 1, 55f., 93–96, 102, 126ff., 199, 211, 457, 461 – Vorsorge 109, 275f., 304. Siehe auch Prävention; Gesundheitsfürsorge – Vorstellung (Bilder, Konzepte) 17, 333, 347, 442. Siehe auch Körper; Ordnung – Weimarer Gesundheitskonferenz 357f. – Werbung (Gegen-Werbung) 406, 417f., 420, 429 – Wissenschaft 8f., 13–16, 161f., 342, 370f., 372, 435, 440, 457 – Zahngesundheit 267, 296, 410 Gewerkschaft (DGB, FDGB)  86, 127, 146f., 151, 238, 283, 285, 317, 358, 376, 405 Gläserne(r) Figur/Mensch 49, 68, 72, 74, 81f., 85, 111f., 114, 132, 171, 204, 206, 231, 250, 260, 269, 289, 333f., 336, 403, 456, 463 – Frau 44f., 112ff., 171, 204, 213, 215, 225, 233, 244, 246f., 255ff., 260, 333 – Gigant 135–140, 153, 160, 220 – Homunkulus 140 – Kuh 206, 244 – Mann 44, 72, 86, 212 – Pferd 205f., 209, 250 – Torso 258, 269 Gleichschaltung 119f., 214 Goetz, Hans 420ff. Göllner, Herbert 28, 114, 148f., 151, 158, 160f., 226, 301f., 329, 456 Görlinger, Robert 129, 139, 158, 456 Görres, Franz 54, 74, 395f., 456 Gottschaldt, Kurt 309, 456, 461 Gouvernementalität 3, 6, 25, 110, 199, 442 Graupner, Heinz 294f., 456 Griesinger,Wilhelm 308 Groß, Claus-Peter 106

Hagen, Wilhelm 134, 141–148, 150ff., 158f., 222, 226–229, 233–237, 239–243, 245f., 251, 254ff., 275–281, 289ff., 297, 300, 337, 355, 419f., 456, 460 Hamburg 23, 132, 288, 297, 323, 328, 330, 457, 460f. Hannover 255, 393 Harig, Gerhard 284, 456 Harmsen, Hans 323, 330–333, 457, 460 von Hassel, Kai-Uwe 251 Heidelberg 45, 74, 236f., 241f., 251, 256, 258, 355, 392, 461 Heinemann, Gustav 87, 146 Henkel (& Cie)/Jost 78f., 86, 141f., 294 Hennecke, Adolf 200 Hensel, Walther 80, 84 Hering, Werner 286 Heuss, Theodor 146 Hitler, Adolf 93, 214 Homunkulus 189–194 Höppener, Karl Johann (Fidus)  45 Hoske, Hans 129, 147f., 158, 457 Hühnemann, Horst 260 Hünerbein, Josef 77f., 109, 161, 228, 233–237, 240, 245 Hygiene – Anatomisches Labor/Hygienischanatomische Laboratorien 43f., 76f., 251f., 443 – Arbeits-/Gewerbe- 54, 69, 166, 170, 342, 459, 461 – Auge der 99, 160, 389 – -Bewegung 4, 24f. – -Gesellschaft m.b.H. 150 – Hygienische Volksbelehrung/ Volksbildung 32ff., 48f., 52, 55f., 59, 63, 88–107, 111–118, 121, 128, 132ff., 138f., 142, 145, 148f., 152f., 155f., 159–162, 165, 178ff., 194–200, 203–214, 219ff., 225, 234f., 238f., 245, 250–253, 265f., 269, 272f., 277ff., 286ff., 299–302, 316, 320ff., 325–331, 333f., 339f., 342, 353, 359–363, 371ff., 380ff., 387–391, 395f., 398ff., 402, 414, 417, 419f., 428, 431–439, 441, 443, 446, 459, 463 – -Konzern 41ff., 54–57, 76, 158f., 396f.

Register 

– Rassen-/Erb- und Rassenpflege (-biologie/ -forschung) 117, 120f., 130ff., 324, 457, 461 – Sozial- 13f., 50–54, 61ff., 81, 86f., 118f., 128f., 140f., 147ff., 202, 211, 218, 273, 277, 281f., 301, 308, 342–346, 356f., 386f., 395f., 404, 420, 442, 453–464 – Siehe auch Psychologie/Psychohygiene Idealismus 99, 101, 339, 360, 434, 441 Ikone/Ikonisierung 36f., 91ff., 107, 160, 189, 212 Indien (Neu-Delhi) 244 Innere Sekretion 151, 435 Institutionalisierung 23, 159, 211, 219, 254f., 285f., 288, 296, 307, 372, 379f., 383, 396f., 410, 428, 431, 440 – Institut für biologisch-anatomische Unterrichtsmittel und Anschauungsmaterialien (IfU)  396, 458 – Institut für Gesundheitserziehung (IfG)  396ff., 443f. Interaktivität 107, 109f., 112, 114, 133f., 137, 180, 195f., 253, 258, 265, 269, 319ff., 360f. International Union for Child Welfare 129 Internationale Union für Gesundheitserziehung (IUHEP)  255f., 265–271, 279, 299, 316, 327, 357, 388, 398, 408 Internationaler bzw. Europäischer Lehrmittelverband 245, 252, 269f. Internationaler Gesundheitsdienst 42, 455, 462 Jena 218, 228, 301, 382, 455, 461 Johannsen, Uwe (Burda Druck und Verlag GmbH)  399 John, Otto 235 Jugend 147, 174–178, 222, 265, 317, 343, 353ff., 373, 397, 406, 418, 420–426, 435f., 457, 459 – Verjüngung 262 – Weltfestspiele der Jugend/ Deutschlandtreffen der Jugend  107, 174

 529

– Wohlfahrt/Schutz/Fürsorge 125, 175, 279, 408ff., 412, 419f., 431f. Jungmann, Gerhard 412, 418, 457 Kahn, Fritz 134, 189ff., 196 Kaiser, Jakob 247ff. Kalter Krieg 107, 220 – Humanitarian Regime/ Entwicklungszusammenarbeit/-hilfe/ Blockfreie/Dekolonisierung 244f., 271, 364, 387, 389, 435 – Siehe auch Berlin/Schaufenster der Systemkonkurrenz Kanada 401f., 455 Kapitalismus 188f., 201f., 206f., 211f., 441f., – Imperialismus 201, 343 Kaprio, Leo A. 398f., 457 Karl, Hermann 271f., 458 Kastner, Hermann 57f. Katholischer Deutscher Frauenbund/ Katholische Kirche 127, 130, 290 Kausalität (Ursache-WirkungsZusammenhang)  347–353, 364, 409 Kerschensteiner, Georg 323, 458 Kiel 72f., 154f., 458, 461 Klose, Franz 154, 458f. Kneipp-Bund 255f. Knipping, Hugo Wilhelm 137 Knochen/Skelett 35f., 44f., 101f., 136ff., 181f., 191, 312f. Kognition 224, 368, 423, 427 – Kognitive Dissonanz 368, 422, 436 Kollektivierung 276, 287 Kommissar/Kommissariat/Kommission 46, 52f., 59, 63, 118ff., 125, 130, 139, 146, 238f., 271f., 278f., 286, 367, 388, 400, 408, 454, 456f., 459, 461, 463 Kommunikation 3, 6, 8ff., 15–20, 27, 30–34, 89, 96, 103, 114f., 156, 165, 177, 219, 224f., 231, 244, 257, 313f., 334, 366ff., 372, 379, 381f., 385, 396–399, 405ff., 410, 412, 416, 420–425, 429f., 436ff. Siehe auch Popularisierung Kommunismus 307, 309, 356 – Antikommunismus 106, 133, 143, 145, 161, 197, 225, 228, 235, 240, 242, 247, 249, 254, 266

530 

 Register

– Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)  68, 83f., 201, 284, 458ff., 464 Königsteiner Staatsabkommen 144 Konitzer, Paul 47ff., 53, 55, 458 Konsum 106f., 158, 165, 207, 295, 324f., 339, 363ff., 374, 381f., 436f., 442f. – Consumer-Democracy 106 – Gesellschaft 29f., 302, 324, 363, 429, 436, 439, 442 – Kommerz 26f., 32f., 109f., 123, 141f., 149–154, 159f., 189f., 196f., 202f., 207, 210f., 219, 221, 247, 253, 258, 260, 265, 270, 283, 285, 293, 295–298, 336, 366, 387–391, 396f., 402, 417, 428f., 432, 434–437 – Kommodifizierung 3f., 441f. – Verbraucher(-schutz)  16, 367, 407, 437, 441 Körper/Leib 3–11, 14, 17, 19f., 30f., 33f., 44f., 68, 70f., 78, 95–102, 109ff., 115, 121ff., 128, 131, 134, 136ff., 153, 160f., 166, 172f., 175, 177, 179ff., 181–184, 188–193, 196, 199f., 203f., 206f., 215, 223, 252, 258–262, 269f., 286f., 304, 306f., 321, 330f., 333, 344f., 349f., 386, 422, 431, 433, 436f., 439 – Blutkörperchen 134, 191 – Ermüdung 136, 179, 182, 184, 189, 194f., 331 – Kraft 45, 78, 89f., 111, 134, 136, 165, 175ff., 184f., 187f., 192ff., 346, 351ff. – Leistung/Fitness 11, 33, 45, 89f., 128f., 134–137, 148, 165, 170, 175f., 179–189, 192, 195f., 258, 262, 302ff., 309f., 346, 353, 424f. – Maschine 97, 191, 196f. – Schönheit 45, 78, 86f., 111, 136, 294f., 456 – Wissen 24f., 30, 88f., 220, 331, 443, – Siehe auch Gesundheit/Gleichgewicht; Ordnung/Körpers; Ordnung/Kollektive Kosmetik 86, 152, 207, 261, 294f. Kralik, Hanns 83f. Kramer, Rudolf 46, 48, 52, 55, 65, 67, 458 Krankheit – Diagnose 110f., 138 – Funktionärs- 348f. – Furcht 93 – Geschehen 13–17, 329

– Geschlechts- 9f., 39ff., 46ff., 52ff., 68, 72, 74, 147, 150, 163f., 172f., 232f., 410, 454, 458, 463 – Gewerbe/Berufs- 85 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 12f., 261, 302, 329, 333, 361, 364, 374, 427 – Infektions-/Seuchen 28f., 46f., 49–53, 68, 129f., 134f., 166, 172f., 344 – Krebs (Maligne Tumore)  85, 172f., 261, 329, 364, 370f., 412, 427 – Manager- 138, 302, 329, 348f. – Rheuma 329 – Tuberkulose 59, 69, 129f., 155, 172f., 177, 329 – Ursache (Ätiologie)  74, 172f., 206f., 329 Kraus, Eleonore 127f. Kreis, Wilhelm 79, 226f. Kultur 21f., 34, 40f., 44f., 51, 57, 69, 71f., 83, 88, 97f., 100f., 105f., 130f., 144f., 160, 175, 197f., 212, 215, 224, 302, 323, 353, 358f., 368–371, 386, 438, 440f., 443ff., 446, 454, 458 – -alisierung 188, 323f. – -geschichte 97f. – -politik 51, 73, 164f., 429 – Zivilisation(skritik)  4f., 105, 175, 302ff., 323–327, 339 Kunkel, Otto 167, 210–214, 234, 236f., 241, 244–254, 256ff., 260, 266, 269, 271f., 284f., 311, 315f., 319, 321, 389f., 392–395, 458 Kunst 39, 41, 78, 99, 102f., 133f., 150, 157, 164ff., 204, 226, 237, 240, 417, 453, 458–461 – Kunststoff/Plastik (Plexiglas/Cellon)  45, 74, 111, 133f., 136–140, 233, 250–254, 267, 269, 312f., 392f., 458, 463 Kuntzsch, Wolfgang 313, 393, 458 Kuration (Behandlung)  25f., 59, 61f., 78, 110, 122f., 202, 223, 261f., 275, 324 Kuriosität/Kuriosis 95, 110, 181 Kurpfuscherei 26, 93, 110 Laie 54, 94ff., 100f., 109f., 147, 151, 155, 158, 180f., 195, 430 Landesregierung/-kabinett 57f., 64f., 68f., 77–80, 83, 255f.

Register 

Leben – -sführung/-swandel 4f., 7ff., 25f., 98ff., 166, 214f., 218, 260ff., 286f., 301f., 309, 322f., 325f., 340f., 344–347, 356ff., 371, 384f., 423ff. – -sgesetz 99f., 181f., 350, 353f., 361f. – -sgewohnheit 214f., 301f., 320f. – -sphilosophie 98f., 117f., 181f., 196f., 325f., 361f. – -sreform 44f., 175, 463 – -swelt 4, 14f., 25f., 223f., 385, 422f., 425f., 441 – Wunder des 100, 110f., 118, 121, 134, 161, 197. Siehe auch Ehrfurcht/Hygienische Volksbelehrung Legitimation/Legitimität 13f., 18, 20, 25f., 68, 102, 104, 112ff., 162f., 166, 171, 174, 182f., 188, 199–203, 207f., 218f., 220f., 306f., 313f., 329, 371, 389ff., 431, 433f., 437, 440f., 444f. Lehmann, Erich 77 Lehr, Robert 149 Lehrbuch/Lebensbuch 94f., 97f., 101f., 121, 178f. 218, 301f., 320, 342ff., 386, 453 Lenz, Fritz 130f. Leyendecker, Karl 78, 83f. Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD)  57 Lickint, Fritz 219, 257 Lingner, Karl August 24f., 45f., 89–97, 101, 117f., 121, 163, 178f., 198ff., 204–212, 214, 218–221, 262, 343f., 361f., 431ff., 439, 444, 462, 464 Linser, Karl 47f., 60f., 65, 164, 168, 171, 458f. Lorentz, Friedrich 93, 110, 160, 322f., 456 Ludwig, Werner 358, 383, 459 Lyssenkoismus 307 Madaus 141f., 148, 294 Magdeburg 48, 378, 457ff. von Manger-Koenig, Ludwig 275f., 404–407, 420, 459 Marcusson, Erwin 206, 284, 343, 459 Markt 3f., 11f., 26f., 97f., 106, 111ff., 224f., 273, 336, 380, 391, 442

 531

– -absprache/-aufteilung 224f., 234, 237f., 241, 272 – Aufmerksamkeitsmarkt 26f., 33, 111–114, 126f., 150, 161f., 224, 271, 433–436 – Devisen/Import/Export 27f., 68, 74, 84f., 223ff., 233, 236, 245f., 273f., 304f., 312f., 316f., 387–393, 395f., 428f., 435f. – -forschung 365, 367, 398f., 416f., 425 – Jahr- 28f., 156f. – Lehrmittelmarkt 232, 237, 243f., 249ff., 267, 270f., 273, 391f., 434ff. – Schwarz- 59f. – Vermarktung 366f., 391ff. Siehe auch Konsum/Kommodifizierung Massenorganisation 66, 163, 175, 209, 215, 311, 315, 317, 356ff., 394, 397 Materie/Materialität/Materialisierung 32, 136f., 156, 209f., 221, 250, 253, 422f., 429. Siehe auch Wissen; Wissen/Materialismus; Medium/ Aufklärungsmaterial Matern, Jenny 168, 233, 284, 317, 459f. McCloy, John Jay 161, 226 Mecklinger, Ludwig 285, 444, 460 Medium/Lehrmittel/Anschauungs- und Unterrichtsmaterial 6f., 12f., 20f., 30f., 183f., 330f., 334, 375, 420f. – Apparate 16f., 107, 110ff., 133–138, 178–184, 187ff., 194–197, 218–221, 253, 258f., 262, 265, 269, 318f., 347, 375f., 433f. – Broschüre/Allgemeinverständlicher Führer 39–42, 48, 68f., 73f., 160, 163, 166f., 179, 210, 215, 241f., 260ff., 294f., 337, 348f., 353f. 380, 394f., 419–423 – Dia(positiv)reihe/Lichtbilder 63, 67f., 85, 241f., 252, 269f., 337 – Fernsehen 20f., 27, 31f., 300f., 315f., 333f., 360f., 365ff., 381f., 415f., 420f., 434f., 443f. – Film 1ff., 31f., 40, 53, 63, 67f., 133, 137, 260, 265ff., 286f., 295, 300f., 316ff., 337, 360f., 381ff., 392f., 418, 420f., 429f., 441, 443f. – Helga – Vom Werden des menschlichen Lebens 1–4, 6f., 418, 429f., 441

532 

 Register

– Leuchtschrank 85, 269, 347 – Massenmedium 9f., 20f., 27, 32–35, 69, 101, 109, 116, 166, 293, 331f., 360f., 365, 367, 369, 371f., 385f., 398f., 406f., 431 – Merkblatt 39f., 398 – Modell 6, 23, 29f., 43ff., 63, 68f., 102, 107, 112f., 132ff., 137, 157, 163f. 171f., 178f., 192, 194f., 204, 209, 220f., 223, 233, 236f., 241f., 246, 250–255, 260f., 269f., 312f., 319f., 333, 392f., 432f., 436f., 454, 458 – Moulage 43ff., 59, 63, 72ff., 85, 163, 171ff., 194f., 223, 246, 250–253, 261, 392f. – Multimedialität 9f., 316f., 375f., 380f., 408f., 420f., 436f. – Plakat 39ff., 46f., 63, 99, 152f., 164f., 215, 267, 318, 343, 348f., 351, 354f., 377, 383, 421f., 424, 436f. – Präparat 6, 43ff., 60, 74, 81f., 85, 163, 171f., 227f., 246, 250–253, 260f., 269, 333, 403, 436f., 443, 462f. – Produktion/Herstellung 69f., 73f., 92, 166, 198f., 215, 223, 251ff., 257, 287f., 312f., 335f., 390ff., 395f., 402, 428f., 445f. – Prüfkarte/Testkarte 135f., 183–187 – Radiovortrag 63 – Tafel (Polyptychon) 30, 40, 46f., 48, 51f., 54, 59, 67ff., 72ff., 84f., 107, 110f., 128f., 133f., 153ff., 163f., 168–172, 175ff., 180f., 189–195, 237, 241f. 246, 250, 252, 255, 262f., 266f., 269, 295, 319f. 331f., 348–353, 375f., 392f. – Der Tod gibt eine Party 420f. – Vitrine 267 – Waage (Personen-) 135f., 182ff. – Siehe auch Markt/LehrmittelMedizin (Heilkunde) 122, 137f., 463 – American Medical Association 107f., 453 – Anatomie 6f., 26f., 33, 43f., 54f., 67ff., 76f., 108, 116f., 122f., 133, 151, 163, 166, 177f., 180, 188, 203ff., 215, 220f., 223f., 241f., 246, 250–255, 260f., 267, 269f., 287, 301f., 312ff., 312, 329f., 344f., 347, 360f., 390, 392f., 396, 419f., 431, 435f., 443, 454f., 458, 460f., 463 – Leistungs- 136, 148

– Medizinalbeamte/-albürokratie/ -dezernent*in 27, 32f., 39, 46f., 75f., 83f., 107ff., 140ff., 147, 149, 159–162, 273–278, 280, 282, 288, 338f., 341f., 359, 400f., 403f., 412f.,435, 455ff., 459, 460–463. Siehe auch Gesundheitswesen; Gesundheitsverwaltung – Physiologie 7, 13f., 25f., 55, 67ff., 108, 116f., 122f., 132, 134, 136, 151, 163, 166, 177, 178, 180f., 188f., 197, 203ff., 215, 220f., 223f., 265, 287, 301f., 306, 308f., 321, 329f., 344f., 349f., 355, 360f., 375f., 418–422, 431, 436f., 454, 457, 460 – Präventiv- 49f., 109f., 277, 454 – Sozialmedizin 13f., 47, 119, 299, 458. Siehe auch Hygiene/Sozial– Versorgung 69, 169f., 202f. – Zahn- 60, 462 Meinecke, Georg 128, 322–329, 460 Meinungsbild/-forschung 303, 379, 415, 424f. – Öffentliche Meinung 426 Mensch – Humanismus 48, 99, 118f., 160, 197f., 202f., 214f., 243f., 247, 270f., 284f., 357f., 387, 399f., 433–436 – Neuer 62f., 174, 200, 214f. – -Umwelt-Dialektik/-Beziehung 165, 323, 343f., 353f. – Vitruvianischer 160 Messe 23, 45, 49, 82, 116f., 122, 129f., 134ff., 204, 222, 241–244, 249–252, 254f., 257, 267, 271, 313, 391f., 395f., 431, 455f. – British Food Fair 112f. – Didacta 250ff., 254f.,269f., 392f. – -gesellschaft 150, 154f., 250, 254, 257 Mette, Alexander 202, 346, 357, 359, 460 Mikroskop 85, 113, 246 Ministerium – für Außenhandel und Innerdeutschen Handel der DDR (MAIH) 245f., 390, 395 – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik (AA) 235, 242ff., 255 – für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA) 266, 315, 387–390 – Bundesministerium des Innern 142ff., 157f., 228f., 237ff., 243, 246, 256, 265,

Register 

275ff., 281, 289, 291f., 297f., 300f., 303ff., 324f., 335–338, 341, 453, 456, 458, 461f., 464 – Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen 235, 237, 239, 242f., 245–248, 256f. – Bundesministerium für Gesundheitswesen (BMG) 400f., 404ff., 410–413, 421f., 426, 453, 462 – Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit 404, 420, 457, 459 – Finanzministerien/-konferenzen 78ff., 144f., 228f., 236, 334–338, 403ff., 409ff. – für Gesundheitswesen der DDR 47, 203, 206, 210, 218, 224f., 230, 232f., 245f., 266f., 285–288, 306f., 311, 315–321, 343, 357, 374, 383f., 389, 395f., 455f., 459–464 – Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (GMK) 404f. – Kultus/-konferenz 418f. – für Land- und Forstwirtschaft der DDR 205f. – für Staatssicherheit der DDR (MfS) 66, 227–232, 234f., 272, 290f. – für Volksbildung der DDR 266, 456f. Mischnick, Wolfgang 42f. Misgeld, Gerhard 202, 222, 346, 357ff., 375, 460 Moderne – Modernisierung 17., 25f., 34, 109, 192f., 244, 253, 312, 361 – Postmoderne 17f., 442f. Muckermann, Hermann 129–133, 148, 460 Müller, Reiner 147 Multiplikator 129f., 147, 303, 343, 346, 350, 353f., 360, 380, 398f. München 42, 74, 245–249, 456, 458 Mündigkeit (Autonomie/Selbstbeobachtung/ Selbstbestimmung, Selbstbewusstsein, Selbstverantwortung, Selbsterkenntnis) 3–7, 12f., 113ff., 131f., 136, 180f., 184, 187f., 210f., 366f., 418f., 425f., 430, 437, 441ff. – Emanzipation 99, 207, 437f., 441ff. – Unmündigkeit 204f. Museum

 533

– American Museum of Health 50 – American Museum of Natural History 333f. – Cleveland Health Museum 49f., 109ff., 145, 161, 320, 382f., 443f., 456 – Deutsches Museum 42, 87 – für Volkshygiene 74f. – Landesmuseum für Volk und Wirtschaft 79 – Lernort 373, 443 – Science Center 445 – Senckenberg- 150f. – Werkstatt 5f., 26f., 39, 44f., 55f., 60f., 63, 73f., 76f., 81f., 85f., 106, 112, 116, 150f., 226f., 269f., 311ff., 333, 388f., 395f., 400–403, 414f., 443, 463 – Wissenschafts-/Gegenwarts- 23f., 87, 159f., 300, 319f., 443 Muskel 101f., 181f., 190ff. Nachtsheim, Hans 148f. Nation – Nationalkomitee für gesunde Lebensführung und Gesundheitserziehung (Nationaler Rat für Gesundheitserziehung) (NKGE) 319, 356–360, 374f., 379f., 380–384, 386ff., 394f., 396ff., 429, 443ff. – Staats- 208 Nationalsozialismus 6, 17f., 21f., 26f., 29f., 32f., 36f., 45–49, 81, 90, 92f., 105f., 114– 122, 126f., 130–136, 146ff., 161, 174, 180, 196ff., 200f., 204, 213f., 219ff., 276ff., 284f., 291, 302, 323f., 370f., 374, 433, 453, 459, 461 – Antifaschismus (Antifa) 46, 59, 201f., 213f., 224f., 284f., 395, 456, 459, 463 – Deutsche Arbeitsfront 41, 46, 120, 457 – Entnazifizierung 46, 59, 284f. – Nationalsozialistische Volkswohlfahrt/ Hauptamt für Volkswohlfahrt 120, 461 – NSDAP 45f., 59f., 74, 119f., 147f., 201, 285, 453, 455, 357, 461 Natur 109f., 130f., 137f., 182 – -alisierung 97ff., 106, 111, 123, 127f., 161, 175f., 178f., 196f., 219, 261, 327, 329, 331f., 344f. Siehe auch Norm – -geschichte 97f., 334, 347 – -getreu 111, 171f., 191, 253, 323

534 

 Register

– -heilkunde/-bewegung 25f., 73, 463 – -wissenschaft 23, 26, 100, 118f., 189f., 306f., 347, 456f. Nerven(system) 44f., 101f., 180f., 190f., 261f., 308f., 347 – Höhere Nerventätigkeit/ Zentralnervensystem 345f., 349f., 354, 375, 385, 460 Netz(werk) 26f., 32–35, 45ff., 49–52, 57, 72f., 80f., 86ff., 90f., 103f., 126, 136, 138f., 141f., 145–152, 158ff., 221f., 234f., 243–246, 260, 275, 278ff., 284f., 288, 315f., 365ff., 395f., 411f., 419f., 429, 432f., 443f. – Passagepunkt/Knotenpunkt 24f., 47, 80f., 104, 245, 279, 397, 406f., 411f., 432f., 443f. – Ressourcen (füreinander) 5, 8ff., 16f., 32, 35, 39, 43, 49, 57f., 76f., 80f., 88, 103f., 146, 366f., 369, 383, 434f., 437ff. Siehe auch Soziales Kapital Neubert, Rudolf 39, 42–58, 60, 65–68, 72f., 120f., 142f., 148f., 163, 196, 218, 227f., 266f., 292f., 301ff., 329, 342–346, 382f., 386f., 419f., 456, 460f. Neukontextualisierung (Re-) 21f., 112f., 145, 161, 239, 310, 433 – Amerikanisierung/Westernisierung 21, 112ff., 137f. – Siehe auch Sowjetisierung Neurath, Otto 102 Niere 134 Nixon, Richard 107 Nordrhein-Westfalen (NRW) 31, 46, 76–80, 83f., 86f., 139, 143–146, 226–229, 236, 271f., 280, 297ff., 336f.–339, 400–405, 407, 457, 458, 461 Norm 44f., 111, 184, 187f., 199f., 258, 298, 301f., 311f., 328f., 346, 356, 429f., 437, 441ff. – Normalität/Normalismus 9f., 18ff., 40, 44f., 100, 127f., 134ff., 184f., 196f., 223, 258, 260, 294f., 425 – Normativität/Normierung 9f., 18, 153f., 178f., 187f., 368ff., 370f., 425f., 439, 462

Objekt 37f., 43, 54, 95, 111, 121, 134f., 137f., 150, 171ff., 178f., 196f., 212ff., 220, 224, 234, 246, 250–255, 319f. 323, 334f., 402f., 432ff. – Boundary Object 24 – -ivierung/Objektivität 109f., 138, 187f., 196f., 224, 309f., 331, 346, 361, 369 – Schlüssel-/Schau- 44f., 68, 81, 114f., 137f., 171f., 182f. – Siehe auch Wissensobjekt Öffentlichkeit 1ff., 8ff., 18, 20, 25f., 31f., 40f., 50f., 58, 70f., 89, 92f., 101, 103f., 105, 107, 116, 119ff., 125, 130f., 137f., 142f., 152f, 159f., 162f. 171, 174, 178f., 182ff., 198f., 204, 218– 221, 226f., 239, 251f., 257, 282, 284f., 292f., 295–300, 315, 319ff., 334ff., 339ff., 343, 357, 359, 365, 375f., 399f., 402f., 405–409, 411f., 414f., 420, 426–430, 435f., 441, 444f. – Fachöffentlichkeit 116, 152, 253, 327f. – Presse 138f., 198f., 212f., 266f., 296, 315f., 318, 333f., 360f., 411, 420 – Public Relations 28f., 415f.,436ff. – -sarbeit 107, 154, 180f., 239f., 285ff., 290, 340f., 360, 402, 406f., 415ff., 420f. – Siehe auch Werbung/Reklame Office of Military Government U.S. (OMGUS) 105f., 118 Ordnung – Individuelle/subjektive 9f., 96f. Siehe auch Subjekt(ivierung) – Körper- 99, 178f., 196f., 306f., 330, 433f., 439 – Kollektive/soziale/politische 9f., 18, 26f., 32f., 96, 98f., 127f., 171f., 178f., 344f., 439f. – -ssysteme 114f. – -svorstellungen/-sverständnis/ -smodelle) 16ff., 24–27, 96f., 99, 121, 165f., 310, 315f., 369, 429, 439 – Wissens- 5, 224 Organ – (Groß-)Hirnrinde 136f., 261f., 306f., 309, 347 – -ismus 96ff., 101, 143, 182, 198f., 301f., 308f., 326, 330f., 345ff., 383ff., 421f., 454

Register 

– Sinnes- 101f., 181f., 347 – Verdauungs- (Magen) 101f., 180f., 188–194 Organisation – -smodell 5f., 87f., 417 – -sstruktur 26f., 41ff., 60f., 71f., 78f., 116, 159, 274, 292ff., 363 – -svorbild 97, 63, 111, 121. Siehe auch Dresdner Modell – Siehe auch Wirtschafts-/ Organisationsprüfung Pakheiser, Theodor 135, 461 Patent 66, 250 Paternalismus 99, 214, 418f. Pathogenese/-logie 122f., 454, 460 Patient 1f., 94f., 170, 366f. Pavillon 205f., 211f., 37f., – Fahrbarer 174, 200f., 215, 347, 396 – Hölzerner 167ff., 173, 179f., 182, 200–203, 347 Pavlov, Ivan Petrovič/Pavlovismus 197, 205, 262, 306–310, 321, 342, 344f., 347–356, 360, 375f., 384–387, 434, 456 – Pawlow Kommission 307 – Reflex/Reiz/Signalsystem 306–310, 345f., 348ff. Siehe auch Organ/(Groß-) Hirnrinde Peter, Richard 35–39 Petri, Harald 256f., 267, 290ff., 297ff., 303ff., 322, 324f., 333ff., 339ff., 461 Petzold, Willy 99 Phylogenese 98, 131f., 301f., 345f. Pieck, Wilhelm 174 Piktogramm 107 Plan/Planung 2ff., 33f., 39, 43, 56ff., 61ff., 65f., 76, 81,85, 90, 116, 119, 137, 143–146, 149f., 155f., 174, 180, 202f., 209f., 218, 221, 226–230, 238, 265, 273, 278, 282, 289–293, 300–306, 315, 321ff., 329, 334f., 338f., 341, 349f., 357f., 361, 371, 378ff., 391, 394, 398, 411f., 416f., 455, 460 – Kybernetik/Regelkreis/Regeltechnik 10ff., 386f. – Marshall- 106f., 239, 281 – -seuphorie/-optimismus 10ff., 34, 171, 361–365, 370, 387, 427f., 436f., 439ff.

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– -wirtschaft 67f., 165f., 207f., 393 Poliklinik 68ff., 166ff., 169f., 458f. Politik/Politisierung – Außen- 79, 242–247, 251f., 254f., 266f., 270f., 273, 387–391, 395f., 428f., 434ff., 443 – Bio- 4f., 102, 132f., 196 – De-/Ent- 114f., 160f., 370f. – des Klassifizierens 241f. – Skandal 235, 298, 336f., 406f.,435f. – Siehe auch Gesundheitspolitik Pragmatismus 41f., 47, 118, 154, 167f., 224f., 326ff., 356f., 360, 384f., 427f., 441 Prävention 4f., 7f., 10–18, 29f., 32ff., 59, 61f., 68, 74, 109, 122f., 130f., 140f., 150f., 166, 172f., 202–205, 223, 261f., 272, 274–277, 282, 303f., 324f., 349f., 359ff., 364f., 374f., 406f., 409f., 427f., 431f., 435f., 438, 460 – Praktik/Praxis 34, 358f., 439 – Präventives Selbst 10–13, 17, 368, 439 – Prophylaxe 68, 206f. – Verhaltensprävention 7, 12f., 15–18, 26f., 33f., 273, 286f., 356f., 359f., 371ff., 431, 436f. – Verhältnisprävention 7 Prestige 5f., 22, 33, 35, 55f., 90, 129f., 146f., 150f., 221f., 219f., 239, 244f., 257, 270f., 288, 317f., 357f., 395f., 422f., 428f., 432–436 Propaganda 54f., 61, 64, 164ff., 67–70, 102f., 105f., 107ff., 116f., 144f., 169f., 176–180, 196ff., 200, 203f., 215, 217ff., 229, 235f., 247ff., 255–258, 266f., 270f., 318ff., 333f., 355f., 388, 433ff., 453. Siehe auch Gesundheitspropaganda Psychohygiene 324–327, 339, 341f., 360 Psychologie 14f., 27, 34, 300f., 307–310, 314f., 323–328, 360, 365, 368f., 371f., 384f., 387, 389, 396f., 403, 408f., 416, 422–425, 429f., 436f., 439f., 455f., 460f. Pünder, Hermann 130, 139, 146 Rat(-geber) 2, 4, 189, 294f., 418, 456 – Appell 1, 12, 14, 16, 101, 155, 199, 205, 262, 271, 350, 375, 399, 422, 424

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 Register

Rationalisierung 5f., 25f., 169ff., 236f., 253, 330ff., 356, 392ff., 404f. – Rationalistisch 427f., 436f. Rauchen 17f., 364–368, 370f., 373ff., 380, 406, 408ff., 418–427, 430, 435ff., 441, 444f. – Tabakindustrie/-firma 365f., 409f. – Zigarette 364f., 409f., 422f. Rechnungshof (Bundes-, Landes-) 77, 292f., 335ff., 403ff., 412ff. Redeker, Franz 142, 145, 456, 461 Redetzky, Hermann 53, 55, 62, 163, 283f., 461 Report of the Advisory Committee to the Surgeon General of the United States (Terry Report) 364f., 408 Repräsentation/Sichtbarmachung 1f., 6ff., 16f., 24ff., 29f., 35f., 44f., 72f., 82ff., 89, 103ff., 134f., 137f., 145, 152, 157, 160, 169ff., 174, 176–179, 190f., 196f., 241–245, 254f., 266ff., 270f., 285, 361f., 381f., 416–419, 422f., 441. Siehe auch Wissen/Visualisierung von Reuter, Heinz 155–158, 461 Revolution 115f., 211f., 326, 439ff. Risiko 12f., 15–18, 80, 202f., 226, 361, 365, 367f. 409f., 427, 436f., 439f. – -faktoren 12–16, 34f., 364–367 – Siehe auch Epidemiologie Röhl, Martin 77, 150, 260 Röntgen 24, 133, 137, 177 Röschmann, Hermann 72ff., 76, 85 Rosenfeld, Gerhard 310, 461 Rott, Fritz 141, 148f. Royal College of Physicians (RCP) 364f., 408 Schleswig-Holstein 72, 155, 251, 461 Schlossmann, Arthur 8, 25, 100, 128 Schmerz 152f., 136ff., 346f. Schmidt, Hans-Dieter 309 Schmidt, Joost 106 Schrödel, Gottfried 209–212, 214f., 218f., 222, 267, 321, 343–346, 382f., 461 Schröder, Gerhard 256, 297 Schubert, Gerda 384ff., 416 Schuder, Rosemarie 199–202, 461 Schulten, Hans 147 Schultze-Rhonhof, Christel 420–424

Schwarzhaupt, Elisabeth 400, 404, 408–412, 462 Schweitzer, Albert 121 Schwering, Ernst 142, 233, 292f., 462 Sefrin, Max 212, 214, 285, 320, 396, 462 Semantik 48, 69f., 89, 114ff., 119ff., 126f., 413f., 423. Siehe auch Demut/christlich Sexualität 1–4, 9f., 72f., 132, 294, 323, 364f., 410, 418–421, 435f. – Ehe-/Sexualberatung 132, 418 – Sexualkunde-Atlas/Sexualbiologie/ Sexualkunde(erziehung) 215, 418f., 441 – Verhütung 1–4, 418f., 435f. Sickel, Helmut 60, 64–68, 70f., 78, 82–88, 164, 166ff., 180, 183, 206, 228, 231, 233, 287, 312, 454, 462 Sokolov, Andrej J. 61, 65 Sowjet – Bolsheviki 63 – -ische Militäradministration in Deutschland (SMAD) 35, 42f., 47, 51–55, 57f., 60f., 64–69, 71–75, 87f., 163f., 214 – -isierung 21, 54f., 61–64, 273, 305–308, 315 – Pavillon 52f., 102f., 212ff., 459 – -union 52f., 61–64, 68f., 134, 169f., 197f., 200ff., 205, 214, 249, 282–286, 305– 307, 310f., 314–317, 342f., 357f., 395, 454, 456f., 459f., 464 Sozial – Engineering (Social) 9, 369f., 439ff. Siehe auch Sozialpolitik/-reform/ Gesellschaftspolitik – Erwartung 3ff., 182f., 367f., 439f. – Feld 4f., 11f., 16f., 27–34, 63, 70ff., 88, 103f., 161f., 175, 223f., 271, 273–288, 299f., 316f., 321f., 342ff., 356, 379f., 387, 407f., 411–414, 429, 435–438, 444f. – -hilfe 276ff. – Klasse 89f., 126f., 165, 173, 192ff., 201, 206f., 211, 212f., 221, 230, 309f. – -liberal 426–429 – -politik/-reform/Gesellschaftspolitik 16f., 96f., 118f., 171f., 178, 180f., 274f., 281f., 309f., 359ff., 366f., 394f., 428f.

Register 

– Praktik/Praxis 4–7, 13–18, 20f., 24ff., 30, 32, 107, 114f., 187f., 437, 434f. – Selbstbeobachtung (gesellschaftlich) 16f., 369, 385f., 437f. – Setting 14f., 420–423, 425f. – Soziologie 14ff., 27f., 96f., 326ff., 360f., 368f., 371ff., 379, 396–399, 403, 426, 436f., 439ff., 460 – -verband 122f. Siehe auch Wohlfahrtsverband – -versicherung 11f., 68, 211f., 275ff., 282f., 409f., 463 – Ver(sozial)wissenschaft(lichung)/ Sozialforschung 10ff., 33f., 314f., 325f., 361, 369, 371, 379, 396, 398f., 427f., 436–439, 442f. – Zivilgesellschaft 26f., 113f., 412f., 439 – Siehe auch Hygiene/Sozial-; Medizin/ SozialSozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 48f., 68, 201, 271f., 290, 404, 407–410, 413f., 442f., 458 Sozialismus 166, 178ff., 194, 197f., 202f., 208ff., 232, 260f., 285f., 344ff., 350, 353, 356, 374 – Persönlichkeit/10 Gebote der sozialistischen Moral 306–311, 313f., 345– 357, 374, 379f., 425f., 430, 434, 437f., 461 – Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 20f., 58, 66, 70f., 83f., 163ff., 167f., 173ff., 178f., 201–204, 207f., 218–221, 244, 282–286, 305–311, 319f., 345f., 349, 357f., 378f., 391, 394f., 434, 437f., 444f., 458, 461, 463. Siehe auch Zentralkomitee – Sozialistischer Realismus 164ff. Speier, Kurt 384ff., 394f., 416, 458, 462 Spielerisch 175, 178f., 187f., 196, 218f., 318, 320f. Sport/Leibesübung 29, 54, 137, 147f., 175ff., 261f., 294f., 347, 386f., 457, 459 Stachanov, Aleksej Grigor‘evič 200 Statistik (Diagramm) 9f., 94f., 107, 110f., 131ff., 165f., 303, 314f., 361, 363–367, 403, 436f., 455f. Siehe

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auch Risiko/-faktoren; Epidemiologie; Versozialwissenschaftlichung Steidle, Luitpold 68, 173, 203ff., 283–287, 306, 462 Stralau, Josef 245, 267, 337, 412f., 462 Strashun, Il‘ia Davidovich 52ff., 63 Strobel, Käte 413f., 418, 426 von Stuck, Franz 99 Subjekt(ivierung)/Individuation/ Individualisierung 1ff., 10–18, 20f., 29f., 34, 131f., 152ff., 183ff., 258–262, 276ff., 321, 344–340, 430, 434, 437, 439, 441f. – Ontogenese 98ff., 131f., 301, 333f., 345f. – Siehe auch Mündigkeit; Sozialistische Persönlichkeit Suth, Willi 140, 142 Technik/Technisierung/Technizismus 7–13, 29f., 44f., 48f., 54, 61ff. 74, 88, 92f., 96f., 105, 111, 122f., 135f., 137, 151f., 154, 160, 164, 167, 180, 190f., 195ff., 204, 237, 240, 252, 256, 270f., 276ff., 303, 313, 317f., 325, 329, 371, 389ff., 391, 394, 417, 443, 454ff., 459f. Teusch, Christine 80 Thermodynamik 97, 189 Thränhardt, Rolf 90, 238ff., 252f., 284, 310–321, 347–350, 353–358, 373f.–386, 389f., 394f., 421, 462f. Tschackert, Franz 45, 74, 77, 81f., 138, 233, 238, 250, 289, 436 Tschechoslowakei (ČSSR) 117, 171, 314, 363, 392f., 444, 460 Tugend (Sekundär-)/Moral(isierung) 16, 20, 27, 36, 100, 121, 127, 132, 177, 188, 197, 201f., 207, 211, 214, 244, 261, 271, 277, 310, 353, 356, 360, 366, 370, 422, 434, 437 Unterhaltung 20f., 25ff., 100ff., 123, 129f., 159f., 171f., 176f., 180–184, 188, 195f., 211f., 218f., 258f., 269f., 402, 429, 431f., 439 – Tanzvergnügen 40f., 125f., 155f., 354 – Siehe auch Markt/Jahr-

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 Register

Vellguth, Hermann 120 Vereinigte Papierwerke Nürnberg 294f. Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 50f., 90f., 105–112f., 165f., 327f., 330, 360, 363–368, 433, 441 – Anti-Amerikanismus 37, 132f., 248f. Vereinigtes Königreich/ Großbritannien 366ff., 390, 407, 409, 420, 455 – London 112f., 279, 368, 382f., 392, 449 Vergleich(sgeschichte) 16–22, 28, 76, 79, 81f., 137, 177, 191f., 208f., 221f., 225, 227, 237, 283, 330, 363, 421f., 428f. – Transfer 18ff., 21f., 30f., 50, 61f., 107ff., 111f., 114, 117f., 315 – Siehe auch Neukontextualisierung/ Amerikanisierung; Sowjetisierung Verhalten (Handeln) 325f., 360, 367ff., 371f., 396f., 439ff., 440ff. – Behaviorismus/Behavioral Sciences 34f., 308f., 368f., 385, 434 – -sänderung/-modifikation/-formung 4f., 12–17, 34, 152, 304f., 328f., 334, 360f., 367ff., 371f., 384f., 395f., 397ff., 406, 410, 415, 426ff., 436ff., 441 – -sforschung 9f., 308f., 328, 427f., 437 – -skrankheit 15–18, 34, 326, 329ff., 427f., 436f. – -smotiv 34, 325f., 361, 367ff., 384f., 396f., 416f., 422f., 427f., 436f., 439ff. Verlag Deutsches Hygiene-Museum (Deutscher Verlag für Volkswohlfahrt) 41f., 59f., 462 Viborel, Lucien 255, 265, 279, 322 Vogel, Martin 53, 97–101, 118, 121, 143, 182, 192, 196, 344, 387, 463 Vonessen, Franz 76, 142, 226, 234f., 237, 240, 245, 290, 300, 463 Wagner, Reinhold 236f., 240f., 243, 271, 463 Walther-Hecker, Elfriede 44 Weber, Rudolf 282, 284–287, 305, 459, 463 Weeren, Friedrich 339, 454, 463 Wegener, Richard 61, 65

Wegner, Ernst 46, 120 Weimarer Republik 24f., 68f., 89f., 94f., 115f., 131f., 140ff., 189f., 195, 224f., 274f., 283f., 291 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 16, 254f., 278f., 303f., 327f., 387f., 390, 398, 406ff., 455ff. Werbung/Reklame 69f., 99ff., 155f., 295, 302, 453 – Agentur 363, 366f., 425, 453 – Fernsehen (Tausend Tele-Tips) 381f. – Hidden Persuaders 365, 375f. – Kampagne 10, 109, 366f., 370, 375ff., 380f., 396f., 399, 417f., 421, 424ff., 430, 437f., 441 – Seifenwerbung 295–298, 337 – Slogan/Claim (Sei klug – lebe gesund!) 129, 168, 375f., 397, 425 – Siehe auch Markt/Vermarktung/ Kommodifizierung; Hygiene-Konzern Wiesbaden 297 Winter, Kurt 58, 83f., 202, 308, 342–346, 357, 386ff., 453, 463 Wirtschafts-/Organisationsprüfung 291ff., 299, 334f., 338. Siehe auch Markt/ Ökonomie Wischek, Albert 108, 136f. Wissen/Epistemologie 12f., 17f., 361, 364f. Siehe auch Statistik; Risiko/-faktoren – Dialektisch-materialistisches 161, 197f., 201, 218f., 265, 305–308, 318, 348, 353, 434 – Disziplin 7f., 24, 131, 276f., 307ff., 314f., 328, 331, 386f. Siehe auch Gesundheitswissenschaft – Lehrbuchwissen 179 – Populärwissenschaft 41f., 158, 204f., 209, 218, 239, 375, 380f., 396 – Produktivkraft Wissenschaft 437f. – -sbestand 25f., 176f., 358f., 398f., 422f. – -sdiffusion/top-down 100f., 343f., 356f. – -sobjekt 6, 23f., 44f., 101f., 212ff., 434f. Siehe auch Objekt/Boundary – -spopularisierung/-vermittlung/ -schaftskommunikation 1–6, 8ff., 18, 23ff., 29, 99f., 122, 151, 156f., 160, 166, 176f., 180f., 188f., 195, 204f., 253, 286f.,

Register 

307, 321, 326, 329, 334, 343ff., 367ff., 380f., 384f., 428, 431, 436f., 439, 445 – -sproduktion 8f., 24, 178f., 364f., 425 – -srückkopplung/Reflexivität 8f., 15f., 32, 427f. – Visualisierung von 7ff., 24f., 32f., 100f., 165, 171f., 194, 199, 252f., 321, 330–334, 348f., 351ff., 433f., 443–446. Siehe auch Repräsentation/Sichtbarmachung – Zirkulation 1–5, 20f., 29f., 134, 439 – Siehe auch Ordnung/Wissen; Sozial/ Verwissenschaftlichung Wohlfahrtsverband. Siehe auch Sozialverband – Arbeiter-Wohlfahrt 126 – Central-Ausschuss für die Innere Mission 126, 323, 457 – Deutscher Caritasverband 126 – Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband 126 – Rotes Kreuz (Gesamtdeutsch: 126; der Bundesrepublik: 256f.; der DDR: 205, 255f., 319, 358, 445; Internationale Liga: 256) – Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland 126 Wollf, Julius Ferdinand 92–96, 99, 464 Würtz, Hans 129 Zeitung/Zeitschrift/Magazin (Titel der als Quellen zitierten) – Alles für deine Gesundheit 208ff., 212, 215 – Berliner Zeitung 39, 58.f, 71, 179, 198, 210f., 225, 318, 340 – Bild-Zeitung 295f. – BRAVO 425 – DDR in Wort und Bild 210, 212 – Deine Gesundheit 208ff., 212, 215, 374–377 – DMI-Nachrichten 341, 413 – Dresdner Zeitung 247ff. – Du und die Welt 125, 138, 152, 234, 330 – Euromed 335, 339f., 417, 463 – Der Fortschritt. Parteifreie Wochenzeitung für neue Ordnung 126 – Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 152f.

 539

– Freies Volk 84 – Hippokrates 50, 324, 463 – Hygienischer Wegweiser 48, 52f., 56, 147f. – Illustrirte Zeitung 92f., 449 – Kölner Stadt-Anzeiger 125f., 130, 138 – Kölnische Rundschau 125, 130, 134, 138, 341 – Life 375 – Magazin der Gesundheit 59f. – Neue Zeit 43, 168, 171–174, 180f., 188, 198f., 205, 209f., 219, 318, 320 – Neues Deutsches Gesundheitswesen 342 – Neues Deutschland (ND) 58f., 68, 172ff., 198, 205, 211, 213, 244, 318, 340 – Prophylaxe. Zeitschrift für Mikrobiologie, Epidemiologie, Hygiene und Sozialhygiene 342 – Sächsische Heimatblätter 210f. – Selecta 339f. – Der Spiegel 2, 112, 130, 294, 296f., 302, 418, 426 – Süddeutsche Zeitung (SZ) 138, 152f. – Tagesspiegel 152, 161 – Tägliche Rundschau 199 – Wissenschaftliche Annalen 195, 204, 253 – Die Zeit 37, 130, 152, 419f. – Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 342 Zelle 64, 134, 206, 331ff., 401. Siehe auch Mensch als Industriepalast und Organisationsvorbild – Zellularpathologie/Zell(en)staat 96, 262, 331ff. Zentralisierung (Verstaatlichung) 57–60, 64, 71, 87, 163, 202, 230, 284, 288, 310, 357, 380, 393, 396, 412 – Demokratischer Zentralismus 282–288, 315, 356, 359f., 444 – Zentralinstitut 6, 32, 34, 76ff., 80, 199, 207, 212, 220, 245, 268, 287, 290, 300, 303, 305, 313ff., 318, 321, 325, 333ff., 337–342, 344, 360f., 379f., 394–397, 400– 416, 430, 436, 442, 444, 459, 461 Zentralkomitee der SED (ZK) 164, 208, 285, 307, 357f., 388, 445, 460f., 463 – Abteilung Gesundheitspolitik 285f. – Politbüro 208, 463 – Ständige Kommission für medizinische Wissenschaft und Fragen des

540 

 Register

Gesundheitswesens beim Politbüro 286, 357 Zetkin, Maxim 58, 66, 70, 86, 167f., 180, 206, 233, 284, 464 Zielgruppe 10, 16, 178, 325, 327, 331, 344, 367, 369, 375, 385, 399, 410, 416, 421, 425f., 436 Zoller, Bernhard 243, 254, 279–282, 297f., 304, 316, 327–330, 341, 401–406, 412–416, 464 Zukunft 3, 7, 33, 71, 78, 88f., 106, 163, 165ff., 170f., 175, 178, 189, 200, 205,

207, 221, 250, 253f., 270, 274, 305, 320f., 333, 340, 354, 385f., 411, 417, 428 – Fortschritt(soptimismus) 11, 39, 49, 106, 137, 147, 153, 165, 171, 189, 215, 221, 307, 350, 369, 405 – Progressivität 198–208, 210, 213, 221, 418, 441 – Utopie 33, 351, 376, 441, 445 Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) 421, 430 – Gesundheitsmagazin Praxis 430

Ordnungssysteme Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit Herausgegeben von Jörg Baberowski, Anselm Doering-Manteuffel, Florian Meinel und Lutz Raphael. Die Reihe Ordnungssysteme nimmt Impulse auf, die sich seit zwei Jahrzehnten aus der Revision politik- und sozialgeschichtlicher Forschungsansätze entwickelt haben. Als Forum einer methodisch erneuerten Ideengeschichte trägt sie der Wirksamkeit politisch-kultureller Traditionen Europas seit dem Zeitalter der Aufklärung Rechnung. Die besondere Aufmerksamkeit gilt dem konkreten Wechselspiel ideeller, politischer und sozialer Prozesse. Die Reihe Ordnungssysteme hat insbesondere das Ziel: – vergleichende Studien zu den nationalen Eigenarten und unterschiedlichen Traditionen in der europäischen Ideengeschichte zu fördern, – gemeineuropäische Dimensionen seit der Aufklärung zu untersuchen, – den Weg von neuen Ideen zu ihrer breitenwirksamen Durchsetzung zu erforschen. Die Reihe Ordnungssysteme verfolgt einige Themen mit besonderem Interesse: – den Ideenverkehr zwischen Europa und Nordamerika, – die Beziehungen zwischen politischen und religiösen Weltbildern, – die Umformung der politischen Leitideen von Liberalismus, Nationalismus und Sozialismus im 20. Jahrhundert, – die Herausbildung traditionsstiftender, regionenbezogener Gegensatzpaare in der europäischen Ideenwelt, wie zum Beispiel den Ost-West-Gegensatz. Die Reihe Ordnungssysteme bemüht sich um eine methodische Erneuerung der Ideengeschichte: – Sie verknüpft die Analyse von Werken und Ideen mit ihren sozialen, kulturellen und politischen Kontexten. – Sie untersucht die Bedeutung von Wissenssystemen in der Entwicklung der europäischen Gesellschaften. – Sie ersetzt die traditionelle Ideengeschichte der großen Werke und großen Autoren durch eine Ideengeschichte, die Soziabilität und Kommunikation als tragende Gestaltungskräfte kultureller Produktion besonders beachtet. – Sie bezieht Institutionen und Medien der Kulturproduktion systematisch in die Untersuchung ein.

https://doi.org/10.1515/9783110664171-013

542 

 Ordnungssysteme

Band 1: Michael Hochgeschwender Freiheit in der Offensive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen 1998. 677 S. ISBN 978-3-486-56341-2 Band 2: Thomas Sauer Westorientierung im deutschen Protestantismus? Vorstellungen und Tätigkeit des Kronberger Kreises 1999. VII, 326 S. ISBN 978-3-486-56342-9 Band 3: Gudrun Kruip Das „Welt“-„Bild“ des Axel Springer Verlags Journalismus zwischen westlichen Werten und deutschen Denktraditionen 1999. 311 S. ISBN 978-3-486-56343-6 Band 4: Axel Schildt Zwischen Abendland und Amerika Studien zur westdeutschen ldeenlandschaft der 50er Jahre 1999. VIII, 242 S. ISBN 978-3-486-56344-3 Band 5: Rainer Lindner Historiker und Herrschaft Nationsbildung und Geschichtspolitik in Weißrußland im 19. und 20. Jahrhundert 1999. 536 S. ISBN 978-3-486-56455-6 Band 6: Jin-Sung Chun Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit Die westdeutsche „Strukturgeschichte“ im Spannungsfeld von Modernitätskritik und wissenschaftlicher Innovation 1948–1962 2000. 277 S. ISBN 978-3-486-56484-6

Band 7: Frank Becker Bilder von Krieg und Nation Die Einigungskriege in der bürgerlichen ÖffentlichkeitDeutschlands 1864–1913 2001. 601 S. und 32 S. Bildteil ISBN 978-3-486-56545-4 Band 8: Martin Sabrow Das Diktat des Konsenses Geschichtswissenschaft in der DDR 1949–1969 2001. 488 S. ISBN 978-3-486-56559-1 Band 9: Thomas Etzemüller Sozialgeschichte als politische Geschichte Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 2001. VIII, 445 S. ISBN 978-3-486-56581-2 Band 10: Martina Winkler Karel Kramář (1860–1937) Selbstbild, Fremdwahrnehmungen und Modernisierungsverständnis eines tschechischen Politikers 2002. 414 S. ISBN 978-3-486-56620-8 Band 11: Susanne Schattenberg Stalins Ingenieure Lebenswelten zwischen Technik und Terror in den 1930er Jahren 2002. 457 S. ISBN 978-3-486-56678-9 Band 12: Torsten Rüting Pavlov und der Neue Mensch Diskurse über Disziplinierung in Sowjetrussland 2002. 337 S. ISBN 978-3-486-56679-6

Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 

Band 13: Julia Angster Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie Die Westernisierung von SPD und DGB 2003. 538 S. ISBN 978-3-486-56676-5 Band 14: Christoph Weischer Das Unternehmen ‚Empirische Sozialforschung‘ Strukturen, Praktiken und Leitbilder der Sozialforschung in der Bundesrepublik Deutschland 2004. X, 508 S. ISBN 978-3-486-56814-1

 543

Band 19: Lorenz Erren „Selbstkritik“ und Schuldbekenntnis Kommunikation und Herrschaft unter Stalin (1917–1953) 2008. 405 S. ISBN 978-3-486-57971-1 Band 20: Lutz Raphael, Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.) Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte 2006. 536 S. ISBN 978-3-486-57786-0

Band 15: Frieder Günther Denken vom Staat her Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949–1970 2004. 364 S. ISBN 978-3-486-56818-9

Band 21: Thomas Großbölting „Im Reich der Arbeit“ Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen1790–1914 2007. 518 S., zahlreiche Abb. ISBN 978-3-486-58128-7

Band 16: Ewald Grothe Zwischen Geschichte und Recht Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970 2005. 486 S. ISBN 978-3-486-57784-6

Band 22: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.) Ordnungen in der Krise Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900–1933 2007. 566 S. ISBN 978-3-486-58177-5

Band 17: Anuschka Albertz Exemplarisches Heldentum Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart 2006. 424 S., zahlreiche Abb. ISBN 978-3-486-57985-7

Band 23: Marcus M. Payk Der Geist der Demokratie Intellektuelle Orientierungsversuche im Feuilleton der frühen Bundesrepublik: Karl Korn und Peter de Mendelssohn 2008. 415 S. ISBN 978-3-486-58580-3

Band 18: Volker Depkat Lebenswenden und Zeitenwenden Deutsche Politiker und die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts 2007. 573 S. ISBN 978-3-486-57970-3

Band 24: Rüdiger Graf Die Zukunft der Weimarer Republik Krisen und Zukunftsaneignungen in Deutschland 1918–1933 2008. 460 S. ISBN 978-3-486-58583-4

544 

 Ordnungssysteme

Band 25: Jörn Leonhard Bellizismus und Nation Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den Vereinigten Staaten 1750–1914 2008. XIX, 1019 S. ISBN 978-3-486-58516-2

Band 31: Susanne Stein Von der Konsumenten- zur Produktionsstadt Aufbauvisionen und Städtebau im Neuen China, 1949–1957 2010. VIII, 425 Seiten, 107 Abb. ISBN 978-3-486-59809-4

Band 26: Ruth Rosenberger Experten für Humankapital Die Entdeckung des Personalmanagements in der Bundesrepublik Deutschland 2008. 482 S. ISBN 978-3-486-58620-6

Band 32: Fernando Esposito Mythische Moderne Aviatik, Faschismus und die Sehnsucht nach Ordnung in Deutschland und Italien 2011. 476 Seiten, 17 Abb. ISBN 978-3-486-59810-0

Band 27: Désirée Schauz Strafen als moralische Besserung Eine Geschichte der Straffälligenfürsorge 1777–1933 2008. 432 S. ISBN 978-3-486-58704-3 Band 28: Morten Reitmayer Elite Sozialgeschichte einer politischgesellschaftlichen Idee in der frühen Bundesrepublik 2009. 628 S. ISBN 978-3-486-58828-6 Band 29: Sandra Dahlke Individiuum und Herrschaft im Stalinismus Emel’jan Jaroslavskij (1878–1943) 2010. 484 S., 9 Abb. ISBN 978-3-486-58955-9 Band 30: Klaus Gestwa Die Stalinschen Großbauten des Kommunismus Sowjetische Technik- und Umweltgeschichte, 1948–1967 2010. 660 S., 18 Abb. ISBN 978-3-486-58963-4

Band 33: Silke Mende „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“ Eine Geschichte der Gründungsgrünen 2011. XII, 541 Seiten, 6 Abb. ISBN 978-3-486-59811-7 Band 34: Wiebke Wiede Rasse im Buch Antisemitische und rassistische Publikationen in Verlagsprogrammen der Weimarer Republik 2011. VIII, 328 S., 7 Abb. ISBN 978-3-486-59828-5 Band 35: Rüdiger Bergien Die bellizistische Republik Wehrkonsens und „Wehrhaftmachung“ in Deutschland 1918–1933 2011. 448 S. ISBN 978-3-486-59181-1 Band 36: Claudia Kemper Das „Gewissen“ 1919–1925 Kommunikation und Vernetzung der Jungkonservativen 2011. 517 S. ISBN 978-3-486-70496-9

Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 

 545

Band 37: Daniela Saxer Die Schärfung des Quellenblicks Forschungspraktiken in der Geschichtswissenschaft 1840–1914 2014. 459 S., 1 Abb. ISBN 978-3-486-70485-3

Band 43: Malte Rolf Imperiale Herrschaft im Weichselland Das Königreich Polen im Russischen Imperium (1864–1915) 2015. 537 S., 31 Abb. ISBN 978-3-486-78142-7

Band 38: Johannes Grützmacher Die Baikal-Amur-Magistrale Vom stalinistischen Lager zum Mobilisierungsprojekt unter Brežnev 2012. IX, 503 S., 9 Abb. ISBN 978-3-486-70494-5

Band 44: Sabine Witt Nationalistische Intellektuelle in der Slowakei 1918–1945 Kulturelle Praxis zwischen Sakralisierung und Säkularisierung 2015. 412 S. ISBN 978-3-11-035930-5

Band 39: Stephanie Kleiner Staatsaktion im Wunderland Oper und Festspiel als Medien politischer Repräsentation (1890–1930) 2013. 588 S., 38 Abb. ISBN 978-3-486-70648-2 Band 40: Patricia Hertel Der erinnerte Halbmond Islam und Nationalismus auf der Iberischen Halbinsel im 19. und 20. Jahrhundert 2012. 256 S., 22 Abb. ISBN 978-3-486-71661-0 Band 41: Till Kössler Kinder der Demokratie Religiöse Erziehung und urbane Moderne in Spanien, 1890–1936 2013. 544 S., 19 Abb. ISBN 978-3-486-71891-1 Band 42: Daniel Menning Standesgemäße Ordnung in der Moderne Adlige Familienstrategien und Gesellschaftsentwürfe in Deutschland 1840–1945 2014. 470 S., 8 Abb. ISBN 978-3-486-78143-4

Band 45: Stefan Guth Geschichte als Politik Der deutsch-polnische Historikerdialog im 20. Jahrhundert 2015. VII, 520 S. ISBN 978-3-11-034611-4 Band 47: Gregor Feindt Auf der Suche nach politischer Gemeinschaft Oppositionelles Denken zur Nation im ostmitteleuropäischen Samizdat 1976–1992 2015. XII, 403 S. ISBN 978-3-11-034611-4 Band 48: Juri Auderset Transatlantischer Föderalismus Zur politischen Sprache des Föderalismus im Zeitalter der Revolution, 1787–1848 2016. XI, 525 S., 3 Abb. ISBN 978-3-11-045266-2 Band 49: Silke Martini Postimperiales Asien Die Zukunft Indiens und Chinas in der anglophonen Weltöffentlichkeit 1919–1939 2017. XI, 492 S. ISBN 978-3-11-046217-3

546 

 Ordnungssysteme

Band 50: Sebastian Weinert Der Körper im Blick Gesundheitsausstellungen vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus 2017. X, 448 S., 14 Abb. ISBN 978-3-11-046677-5 Band 51: D. Timothy Goering Friedrich Gogarten (1887-1967) Religionsrebell im Jahrhundert der Weltkriege 2017. XI, 513 S., 5 Abb. ISBN 978-3-11-051730-9 Band 52: Andrés Antolín Hofrichter Fremde Moderne Wissenschaftspolitik, Geschichtswissenschaft und nationale Narrative unter dem FrancoRegime, 1939-1964 2018. X, 418 S. ISBN 978-3-11-052996-8 Band 53: Fabian Thunemann Verschwörungsdenken und Machtkalkül Herrschaft in Russland, 1866-1953 2019. X, 260 S. ISBN 978-3-11-061647-7

Band 54: Anselm Doering-Manteuffel Konturen von Ordnung Ideengeschichtliche Zugänge zum 20. Jahrhundert 2019. XVI, 452 S. ISBN 978-3-11-063008-4 Band 55: Almuth Ebke Britishness Die Debatte über nationale Identität in Groß-britannien, 1967 bis 2008 2019. X, 372 S. ISBN 978-3-11-062405-2 Band 56: David Schulz Die Natur der Geschichte Die Entdeckung der geologischen Tiefenzeit und die Geschichtskonzeptionen zwischen Aufklärung und Moderne 2020. VIII, 361 S. ISBN 978-3-11-064622-1 Band 57: Christian Sammer Gesunde Menschen machen Die deutsch-deutsche Geschichte der Gesundheitsaufklärung, 1945–1967 2020. 540 S. ISBN 978-3-11-066010-4