Frühneuhochdeutsches Wörterbuch: Band 9.1 l - maszeug 9783110311273, 9783110311068

The Early New High German Dictionary is an alphabetically-ordered dictionary of the varieties of High German from the 14

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Frühneuhochdeutsches Wörterbuch: Band 9.1 l - maszeug
 9783110311273, 9783110311068

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Frühneuhochdeutsches Wörterbuch Band 9.1

Frühneuhochdeutsches Wörterbuch Herausgegeben von

Ulrich Goebel · Anja Lobenstein-Reichmann Oskar Reichmann Begründet von

Robert R. Anderson · Ulrich Goebel Oskar Reichmann Band 9.1 l − maszeug Bearbeitet von

Anja Lobenstein-Reichmann und Oskar Reichmann

De Gruyter

Das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch ist auf einen Umfang von dreizehn Bänden zu jeweils rund 1000 Seiten berechnet. Die einzelnen Bände werden nebeneinander von je eigenen Bearbeitern oder kleinen Bearbeiterteams erstellt und in jeweils vier Lieferungen publiziert. Ein Registerband wird relevantes Datenmaterial des Wörterbuches zusammenstellen und damit für unterschiedliche lexikologische Untersuchungen erschließen. Lieferung Lieferung Lieferung Lieferung

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l − leben, erschienen Dezember 1999 leben − leschen, erschienen September 2003 lescheur − machen, erschienen November 2011 machen − maszeug, erschienen Dezember 2012

冎 冎

bearb. von Anja Lobenstein-Reichmann bearb. von Oskar Reichmann

ISBN 978-3-11-031106-8 e-ISBN 978-3-11-031127-3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 쑔 1999/2003/2011/2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Satz: Meta Systems, Wustermark Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen 앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier 앪 Printed in Germany www.degruyter.com

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lescheur − lese

anbrinne / vnnd alßdann nyemandt mehr sey / der jn lËschen künde. Spechtler, Mönch v. Salzb. 36, 98 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): gelaubig sel tröst, herr, behend, 兩 durch all dein güt lesch ab ir prend. Turmair 4, 81, 4 (moobd., 1522/ 33): Der gemein man [...] trank kain wein nit, lescht und püest den hunger, ersettiget die natur mit milich. Kummer, Erlauer Sp. 4, 459 (m/soobd., 1400/40): Lesche, herr lesche 兩 disen man also vreche! 兩 [...] 兩 er prinnt recht als ein o glut. − Luther, WA 34, 2, 403, 14; Reichmann, Dietrich. Schrr. 142, 12; Sudhoff, Paracelsus 10, 273, 18; Andreae. Ber. Nachtmal 114v, 15; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 391, 14; Alberus u v; Hulsius L iijr; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 304.

3. ›etw. (in der Regel: gebrannten Kalk) mit Wasser mischen‹. J. W. von Cube. Hortus 23, 3 (Mainz 1485): so faret eß von eynander glicher wyse als kalck der geleschet wirt mit wasser. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 106, 16 (Frankf. 1535): Kalck. [...] Lebendiger kalck. Geleschter kalck.

4. ›(Schulden) tilgen‹. − Rwb 8, 1415 (a. 1354). lescheur, s. leschen (V.) 2. leschgrube, s. leschen (V.) 1. leschhorn, das. ›Wassergefäß zum Löschen von Kerzen‹; spöttisch auch mit Bezug auf die Nase. Fischer, Folz. Reimp. 36, 81 (Nürnb., um 1520): Des dein harschober ungefer 兩 Gar köstlich zu arswischen wer 兩 [...] 兩 Und dein nas gut zu eim leschorn. Sachs 14, 62, 10 (Nürnb. 1550): Hab ie auch ein schönes leschhorn, 兩 Das henckt mir herab ubers maul. Ders. 20, 107, 9 (1559): Ich glaub, der nasen-küng dw seist, 兩 Auß allen grossen nasn erkorn; 兩 Du hast ie ein schönes leschhorn!

leschkole, leschkrug, leschpandel, leschschaufel, leschspies, s. leschen (V.) 1. leschtrog, der. ›Wassereimer zum Löschen von Feuer bzw. zum Abkühlen von heißen Gegenständen (in der Schmiede)‹; auch obszön und abwertend für den Menschen sowie als Schimpfwort gebraucht; zu leschen (V.) 1. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 24, 17 (Hs. 2omd., 14659): ein mensche [ist] [...] ein leimen raubhaus, ein unsetig leschtrog [Var.: leschkrug], ein gemalte begrebnüß. Fastnachtsp. 255, 11 (nürnb., v. 1486): Du leschtrog, harmkrug, lochrete tasch, 兩 Du stinkender eimer, du kunige flasch. Ebd. 733, 32 (15. Jh.): Das sie mir gern het ab gelescht mein prant 兩 Unden in irem leschtrog (obszön). Sachs 17, 291, 16 (Nürnb. 1562): Nach dem der herr zu dem lesch-

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drock 兩 Das glüend mennlein hinein zug, 兩 Daß das wasser ob ihm zsamb schlug 兩 Und kühlet es fein sitlich ab. Ebd. 292, 33: Der schmid dacht, kunst geht nit recht zu, 兩 Und sie [weib] herauß der esse zog 兩 Und warff sie nein in den leschtrog. Maaler 274v (Zürich 1561): LËschtrog (der) Darin die schmid das lËschwasser habend. − Bremer, Voc. opt. 14027; Voc. inc. teut. o viijr; Dict. Germ.Gall.-Lat. 304.

leschung, die. 1. ›Durstlöschung; Heilmethode, Heilmittel gegen Krankheiten, deren Bekämpfung man mit dem Löschen von Hitzezuständen in Vergleich setzte‹; vgl. leschen (V.) 2. Keil, Peter v. Ulm 35 (nobd., 1453/4): Ein ander gut leschung. [...] leg das über den presten. Sudhoff, Paracelsus 5, 465, 32 (1527): die löschung [von Entzündungen] von inwendigen ist solatrum, nenufar, opium; von außen acetum, camphora. Ebd. 10, 190, 34 (1536): als sich dan oftmals begibet in büchsenpulvers brant, das auch ein solche leschung muß fürgehen, vor dem und die hiz ausgezogen wird. diselbig leschung ist also: nim distillirten fröschleich, hauswurzen saft, [...] darnach so bind mit den andern brantsalben. Maaler 274v (Zürich 1561): LËschung deß Dursts. Restinctio sitis. − Sudhoff, a. a. O. 10, 186, 24.

2. ›Löschung (einer Schuld)‹. − Bdv.: vgl. ablöschung 1, ablösung 4, abtilgung 2, abwaschung 3, abwischung. Mitzschke, UB Bürgel (thür., 1451): leschung etlicher anliegender notschulde [...], damit der spital befallen ist. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 131, 11, 24 (schles., n 1350): durch leschunge wille der schult vn˜ ouch durch czunemyn der selbin stat.

leschwasser, leschwedel, s. leschen (V.) 1. lese, die; -π/−. 1. ›Weinernte‹; als Metonymie: ›Zeit der Weinlese (auch als Abgabetermin)‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: ernte, herbst 1; 3, weinernte; vgl. ärische, 2laube 3. Buch Weinsb. 1, 278, 30 (rib., um 1560): dieweil es mit den kalten winen noch zu frohe und in der lasen allenthalben war, wolt ich nicht vergeblich hinab nach Coln. Rudolph, Qu. Trier 186, 9 (mosfrk., 1593): welche [bürgermeister und rat] auf einen bestimmten tag die laß um die stadt herum zu besichtigen, nach befindung der sachen wiederum zurück referiren, ist es, daß der traub genug zeitig [...], sollen [...] die vorlaß angezeigt, die zeit der laß angeschlagen und publicirt werden. Ebd. 320, 16 (1351): daz wir die lase setzen und daz wir zwen dage das vorlesen han, ee man gemeinlichen lese. Mell u. a., Steir. Taid. 244, 24 (m/soobd., 1638): des gotshaus sachen und diener seind des schifflons befreit, mueß

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lesebuchstabe − lesen

auch alle läre startin wie auch die möst in lösen hin und her fieren. Mell, Steir. Weinbergr. 119, 24 (smoobd., 1543): Zwai emmer most in gemainen lesen und 4 ∏ zu vogtrecht. − Bastian u. a., Regensb. UB 444, 3; Winter, Nöst. Weist. 1, 175, 2; Alberus Nn ivv; Öst. Wb. 1, 405; 4, 89.

2., s. lesen 4. lesebuchstabe, s. lesen 3. lesegeld, lesehafer, s. lese 2. lesehaus, s. lesen 4. leseheller, s. lesen 2. lesekunst, s. lesen 3. leselich, s. leslich. leselon, s. lesen 2. lesen, V., unr. abl.; zum bedeutungsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen lesen 1; 2 ›sammeln‹ und 3−6 ›Geschriebenes lesen‹ sowie zur Etymologie vgl. Dwb 6, 774; Lexer 1, 1888; Kluge/S., Et. Wb. 2002, 571. 1. ›etw. systematisch (vom Boden) auflesen, sammeln; etw. pflücken‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›etw. (einen Behälter) auflesend füllen‹; speziell: ›etw. aussortieren, das Gute, Wertvolle auswählen‹; von Menschen: ›jn. auswählen; jn. um sich scharen; sich mit jm. treffen, sich versammeln; jn. auserwählen‹; von Vögeln: ›etw. aufpicken‹; offen zu 2. − Phras.: (jm. die) federn lesen ›(jm.) schmeicheln‹; der jare an sich gelesen haben ›älter geworden sein‹; den kopf vol lesen ›sich vollfressen‹. − Bdv.: aufklauben 1, sammeln; vgl. abbrechen 7, auffahen 4, auflesen 1, aufraspen, colligieren, klauben 1. − Synt.: sich zusammen l. ›sich versammeln‹, etw. (z. B. parteken / brot / holz / kraut / wurz, eine blume, den weizen, die raden) l., etw. aus etw. l., etw. von etw. (z. B. von den bäumen, von der erde) l., jn. (helden) an sich l.; (verschoben:) den korb vol lesen. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 513, 1821 (preuß., um 1330/40): daz al dıˆ pfafheit, 兩 dıˆ indirt daˆ zu Akirs was, 兩 mit vroidin sich zusamne las. Luther, WA 10, 1, 1, 666, 6 (1522): Szo wollen sie nur die feddern geleßen haben unnd mit fuchsschwentzen ubirweddellt seyn. Ebd. 46, 441, 25 (1538): die lieben Christen, Die gelesen sind aus dem Judi-

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schen volck. Alberus, Barf. 188, 2 (Wittenb., 1542): Ein BrÈderlin war seer demÈtig / vnd hielt sich im Wald / vnd las Holtz zusamen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 100, 1787 (Magdeb. 1608): du must kein mangel leiden / 兩 Die brËcklein nicht von bencken lÁsen. Ebd. 123, 2484: Die [Hühner] lehrt er from vnd heußlich wesen / 兩 Die kËrnlein von der Erden lesen. Thiele, Minner. II, 31, 12 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): sy hatte der jaer an sich gelesen, 兩 sy hatte die jogent over strebet. Kurz, Waldis. Esopus 4, 7, 70 (Frankf. 1557): Jr seit am guten ort gewesen 兩 Und habt ewrn kropff gar voll gelesen. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 13, 28 (osächs., 1343): Wiltu daz wir [...] lesin [Lang 1521: samlen; Luther 1545: aus getten] si zuo samene? Und her sprach: Nein, daz ir lichte icht zuo houfe lesinde di raˆten uz roufit vorsament mit en ouch den weisze. Mon. Boica, NF. 2, 1, 942, 23 (nobd., 1464): [Wilhelm Megerlein] hat auch recht, holz zwo lesen in afterslegen. Kl‰ui, Schweiz. Urbare 3, 193, 1 (halem., 1370− 80): von den gÈtren ze Niderwile 3 ½ pfennig lespfennig. Welti, Stadtr. Bern 503, 27 (halem., 15. Jh.): zuo welchen zitten er ein jegklich krut oder wurtz [...] solle lesen vnd samnen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 304 (Genf 1636): lesen / Zusammen machen [...] Colligere. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 137, 11 (schwäb., 1605): Welcher biren, aichelin oder büechelin lißt, anderst dann es verkündet wirdt, soll [...]. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 81, 25 ([Augsb.] 1548): Federn klauben / Federn lesen / Heüchlen unnd schmaichlen / umb genieß willen. Primisser, Suchenwirt 3, 88 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Di stoltzen held er an sich las, 兩 Wie wol ez wer in fremdem lant. Klein, Oswald 123, 14 (oobd., 1415): Ain hand si mir im part vergass, 兩 die langen har si darawss las. Ebd. 19, 161 (1416): Ain edler nam ward mir gelesen [›ausgewählt‹]; wisskunte von Türkei. Munz, Füetrer. Persibein 26, 4 (moobd., 1478/ 84): da ich nächt hab manng schöne plu´em gelesen. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 2976; Quint, Eckharts Pred. 1, 200, 11; Ettm¸ller, Heinr. v. Meißen 2, 15; Schottenloher, Flugschrr. 64, 29; Hauber, UB Heiligkr. 2, 416, 32; Alberus gg iijr; Pf‰lz. Wb. 4, 940. − Vgl. ferner s. v. ätzen 1, aufklauben 1, parteke 1.

2. ›etw. (die Frucht, den Ernteertrag) einbringen‹; zumeist: ›(Trauben im Weinberg) lesen‹; mit mehrfacher Verschiebung der Bezugsgröße: den wein / weingarten, die reben lesen; im Unterschied zu 1 auf das von Menschenhand Gepflanzte bezogen; subst.: ›Ernteertrag‹; metonymisch: ›Zeit der Lese, Jahreszeit Herbst (auch als Abgabetermin relevant)‹; als Spezialisierung zu 1 auffaßbar. − Gewisse Beleghäufung für Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: abblatten 3, abbrechen 7, ausbrechen 3, herbsten, weinernen; vgl. abaugsten, abbringen 2, abfechsnen, behalten 12, 2berechen 2, heimen 6. − Synt.:

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lesen

etw. (z. B. den weizen, die trauben, das obest von den bäumen) l.; verschoben: most / wein, reben, den weingarten l.; subst.: das lesen inbringen. Wbg.: lesassach ›Traubenbottich‹ (vgl. zum Gw: assach), leselon ›Bezahlung für die Erntehelfer‹, lesenschaffer ›Aufseher über die Weinlese‹, lesen(s)zeit, leset ›Herbst als Zeit der Weinlese‹, leskernen ›die nach der Hauptlese übrig gebliebenen Trauben lesen‹ (Gegenstand von Rechtsregelungen), leskerner, lestag ›festgesetzter Tag für den Beginn der Weinlese‹, leswagen ›Wagen für die Weinlese‹, 2lesegeld, lesehafer, leseheller, lesgarbe, lespfennig9 jeweils: ›Abgabe (in Naturalien oder Geld) zur Erntezeit an eine bezugsberechtigte Person‹, lesstat ›Ort, an den die Ernte eingebracht wird‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 20194 (nrddt., 14. Jh.): So werde wir gescheiden, 兩 Die lieben von den leiden, 兩 Als do man agaleize 兩 Leset den schonen weize. Grosse, Schwabensp. 177a, 9 (Hs. 2nd./md., um 14109): Als duo din o o ouet lesest von den boumen. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 353, 40 (rib., 2. H. 15. Jh.): wan man die wyne aldae lesen sall. Struck, Marienst. Wetzlar 570, 90 (hess., 1400): 28 tn. czu koste unde czu lone den wingarten in deme hirbeste czu lesen. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 11, 16 (hess., M. 15. Jh.): Frauwen [...] von irer arbeit mit miste tragen, brechen, hefften, reben lesen [...] zehen heller. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 248, 19 (Frankf. 1563): Ins Franckenland kam ein Baier im herbst, den wein lesen zuo helffen. Schwartzenbach 2v (Frankf. 1564): Wir sagen Blumen / Opffel [...] abbrechen oder abnemmen / Aber nit Hopffen abbrechen / [...] / Also auch Wein oder Trauben lesen / vnd nicht abbrechen. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 162, 10 (osächs., 1570/7): Im September lisset man wein in warmen landen. Burkhardt, UB Arnstadt 120, 29 (thür., 1369): daz man dries in deme iare phliet czu sampne, an lesegelde unn an snetegelde. Ebd. 216, 1 (1418): darnach sollen die genanten [...] leselon, tragelon, furlon, tretelon, hutelon, kelterlon, adder was von dem wyn koift inzubrengen [...] und usgeben. Gille u. a., M. Beheim 222, 29 (nobd., 2. H. 15. Jh.): eur weingart ist volpracht furbas. 兩 ist chain lesen darinne. Kl‰ui, Schweiz. Urbare 3, 29, 26 (halem., u werden dem sigristen in dem Hove 1324): Der kuster lat och die lesgarbin, die ein ielicher buman [...] von alter gewonhet gen sol. Kocher, Rechn. Schönenwerd 177, 79 (halem., 1374): ze lesen die reben und den trottknechten XI. Maaler 261r (Zürich 1561): Der Läset. Der herpst. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 204, 34 (schwäb., 1624): so man anfacht zu leßen, soll ein jeder zu den keltern leßen. Drescher, Hartlieb. Caes. 279, 22 (moobd., 1456/ 67): ,Warumb habt ir nit gelesen ew¨ren weingarten bisher?‘ Der ritter sprach: ,Er ist langst gelesen.‘ Der prister sprach:

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,Er ist in chain weis gelesen, wann ich hab in yecz gesehen steen voller weintrawben.‘ Fuchs, Kart. Aggsbach 387, 7 e (moobd., 1469): davon man jÁrleich gibt in dem lesen newn viertaill most. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4653, 12 (moobd., 1477): [ob] das lesen destpas inbracht wurde. Winter, Nöst. Weist. 1, 183, 26 (moobd., 1580): Eß soll auch ein ieder den pergrechtmost alsbalt er gelösen vom weingahrten zu meines gnedigen herrn etc. keller [...] füehren. Ebd. 1, 530, 20 (um 1450): den [weingarten] sulln si nicht lesen dieweil ain weingarten in irer huet ze lesen ist; und darnach sulln si das ze wissen tun dem lesenschaffer im perghof ob er in well lesen lassen fur das perkrecht. Ebd. 1, 531, 37: wellich leser oder leserin puttner [...] weinper verpergen, es sei in lesassach in puttn in furtucher [...]. Ebd. 2, 75, 4 (1610): In verlesnen panthäding befindt sich das die gemain jährlichen lesenszeit ainem leswagen zue schicken schuldig. Ebd. 2, 214, 22 (1437): Daz ist auch unser recht daz wir kaufen most in dem lezen unz auf sand Merten tag. Ebd. 2, 460, 15 (1506): so hat der richter mit der gemain zu setzen ain lesstag. Ebd. 4, 110, 5 (1578): Die hieter sollen [...] auf die lößkörner ihr aufmerken haben und dieselben nit lößkörnen lassen. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 401, 24 (m/soobd., 16. Jh.): Vermerkt die ruegatt die ain richter [...] pald nach dem lesen reiten, besitzen und den pauern den eid vorhalten soll. Mell u. a., Steir. Taid. 246, 31 (m/soobd., 1638): In diser weinzüerlei [...] haben zu lösenzeit die lösmaister [...] ir unterkomen und werden darin alle sachen zu dem lösen aufgehalten. Mollay, Ofener Stadtr. 217, 3 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): Den czehent sol man an aller stÁt vonn den ofnern nemen auff der leß stat. − Hilliger, a. a. O. 278, 23; Herborn u. a., Rechn. Jülich 74, 17; Ermisch u. a., a. a. O. 161, 31; Rennefahrt, Zivilr. Bern 46, 31; Bastian, Runtingerb. 2, 335, 2; Uhlirz, a. a. O. 2, 1, 736, 4; 2, 3, 4689, 9; 4994, 9; Winter, a. a. O. 1, 250, 37; 3, 18, 2; Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 220, 18; 339, 13; Mell, Steir. Weinbergr. 121, 2; 122, 24; 145, 16; Schmitt, Ordo rerum 635, 26; Dasypodius 371r; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 304; Rwb 8 (hier eine Reihe weiterer Wortbildungen), 1233; Pf‰lz. Wb. 4, 941; Schweiz. Id. 3, 1419; Öst. Wb. 1, 405; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 190. − Vgl. ferner s. v. ackerbauungschaft, afterlesen, ausbrechen 3, auslesen 2.

3. ›(selbst) lesen, still, in Gedanken lesen; schriftlich fixierte Texte semantisch und kommunikativ erfassen (als individuelle kulturelle Fähigkeit)‹; davon in den meisten Belegen nicht trennbar: ›etw. (einen geschriebenen Text oder geschriebene Textteile, mit Bezugsgrößenverschiebung: ein Buch) rezipieren, etw. kognitiv auf- und wahrnehmen‹; mit besonderer Betonung des Inhalts: ›(einen Textinhalt) verstehen, erkennen; durch das Verstehen des Textes Einsicht in etw. bekommen, etw. erfahren;

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lesen

etw. erforschen, studieren‹; oft ütr.; subst.: ›Lektüre; gelesener Text‹. − Phras. (in Urkunden): etw. sehen, hören oder lesen. − Synt.: nicht l. können, nach dem buchstaben, nach dem sin l.; etw. (z. B. das buch / geheimnis / js. leiden, den brief / buchstaben, die copei / materie / tugend, schriften / verse, deutsch / latein, die evangelisten, St. Augustin) l., etw. in etw. (z. B. in dem ewangelio, in büchern / chroniken) l., die tugent an jm. l., etw. von jm. (z. B. von den märtyrern) l., jm. etw. für laster l., den glauben an im selber l. ›sich den Glauben durch Lesen aneignen‹, l., das [Objektsatz]; innerlich / inwendig / recht / übel / wol l.; subst.: des lesens fertig / läuftig sein, jn. auf lesen abrichten; das deutsche lesen, das lesen ›die Lektüre‹ des ritters, der verstand des lesens. − Wbg.: lesbüchlein, lesebuchstabe, lesekunst, les(e)werk, lesewort. Ingen, Zesen. Ros. 94, 5 (Hamb. 1646): Du / Liebe / lehrest jederman 兩 [...] 兩 wie er die schriften lesen kan. Pfefferl, Weigel. Ges. 27, 11 (Hamburg 1646): gleich wie die Engel im Himmel das innere buch ihres Herzens lesen. Ebd. 42, 12: ist kundt vndt offenbar an den Gelerten, daß sie ihnen selber nimmermehr mögen den Glauben lesen. Luther, WA 1, 274, 42 (1518): Erkennen, das Christus ist der rechte Brieff, [...], darinnen wir lesen, Lernen in sehen. Ebd. 9, 548, 24 (1521): di Juden, die do dy schriefft lasßen und verstanden, sein dennoch nicht zw im kumen. Ebd. 28, 233, 11 (1528): Wer nu Christus leiden recht lesen wil. Ebd. 31, 1, 67, 25 (1530): es sind doch ja nicht Lesewort, [...], Sondern eitel Lebewort drinnen [jnn der ... schrifft]. Ebd. 53, 598, 8 (1543): Da hËrestu eine verstendliche rede, nach der Grammatica oder lesebuchstaben. Ebd. 54, 30, 8 (1543): Wer aber des lesens leufftig und fertig ist, der leufft uber hin, fasset den synn, ungeacht, ob er etliche buchstaben oder wort nicht eigentlich ansihet, Ehe der ander ein wort buchstabet, hat er den gantzen brieff ausgelesen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 554, 1487 (Magdeb. 1608): Wie wir auch selbst hËren vnd lesen / 兩 Das Alexander des sinns gewesen / 兩 Als er wolt bezwingen die Welt. Toeppen, Ständetage Preußen 3, 500, 26 (preuß., 1452): Och zo weys ew. gn. wËl, das ich nicht selben schreiben noch leszen kan. Lohmeyer, K. v. Nostitz 29, 21 (preuß., 1578): [Thonius] und ich schigkten einmal in die cantzley nach dem registrant und lassen die copei. Chron. Kˆln 1, 50, 63 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Men leist, dat hie vurmals ein man 兩 zein dusenden den sege ane gewan. Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 132 (pfälz., 1436): Dauon wer geleret werden wil, der lese jnnerlichen jn dem obgenanten liecht. Froning, Alsf. Passionssp. 1172 (ohess., 1501 ff.): ßo man lißet uberall, 兩 das nymmandes vorsuchen sal 兩 synen schepper! K¸ther, UB Frauensee 177, 36 e alle (thür., 1390): [Wir] bekennen offinlich an dysim brıfe den, dye in sehen hËrin adir lesin, daz [...]. Kehrein, Kath.

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Gesangb. 1, 184, 6 (Bautzen 1567): SËlch Creutz billich zu preisen ist, 兩 Doran man Gotts geheimnus list. M. Cunitia. Ur. Prop. 147, 14 (Öls 1650): Nach dem ich von dem 5ten Jahr an / in dem ich allbereit lesen kËnnen / durch stete lesung so Geist Ú so Weltlicher Historien [...] erkand. Gille u. a., M. Beheim 82, 494 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Man liset nit kainen puchstab, 兩 das Kristus ye gelachet hab, [...] 兩 [...] 兩 der sin ist aber neuten 兩 Zu mainen noch zu lesen nach 兩 dem puchstaben dez gsanges. Rupprich, Dürer 1, 46, 46 (nobd., 1506): Lest den priff noch dem sin, ich hab geeilt. Ebd. 1, 171, 82: Darumb sehe ein jeglicher, der do Doctor Martin Luthers bücher list, wie sein lehr so klar durchsichtig ist. Rieder, Gottesfr. 70, 10 (els., 1377): so ist die geschrift gar u´bele zuo lesende (›zu entziffern‹). Roloff, Brant. Tsp. Widmung 50 (Straßb. 1554): Dieweil nun [...] auch die materi lustig ist zuo lesen. Wickram 4, 9, 24 (Straßb. 1556): Dann ob sie gleich die kinder auff schreiben / rechnen und lesen wol abrichten [...]. Golius 153 (Straßb. 1579): Grammatica, die kunst recht vnd wol lesen / schreiben / reden oder außsprechen. Behrend, Spangenb. Anbindbr. 1, 10 (Straßb. 1611): daß solche FangBrieffe / von vielen gelesen worden. Bachmann u. a., Volksb. 94, 4 (alem., 15. Jh.): Wie die mit einandren strittend, daz fint man in dem lesen des wirdigen ritters Sant Wilhelms ouch hernach an disem buoch. Rieder, St. Georg. Pred. 23, 28 (Hs. 2önalem., 13879): dis drie tugend die wir an u´nserm herren sollent lesen, den antwu´rtent dri ander tugent die an der sele sont sin. Schmidt, Rud. v. Biberach 73, 3 (whalem., 1345/60): want er heisset in latinscher zungen in tellectus, want er inwendig list vnd merket. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 304 (Genf 1636): lesen / eine Schrifft vbersehen. Koller, Ref. Siegmunds 177, 17 (Hs. 2Augsb., um 14409): etlich können die siben tagzeit nit petten noch singen noch lesen. Sappler, H. Kaufringer 26, 136 (schwäb., Hs. 1472): gedultigkait in leiden ist 兩 grösser vil, als man da list. Kohler, Ickelsamer. Gram. 2, 5 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): das es die besten [...] stuck der Grammatic handelt. NÁmlich den verstand der Buchstaben, des lesens vnd der Teütschen wËrter. Ebd. 5, 8: Es ist [...] kau˜ ain werck od. creatur auf erden, die zugleich zu Gottes ehr [...] mehr gebraucht würdt, dan die lesekunst. Ebd. 5, 18: das mich Gott über dises sein ampt setzen wolt, das lesewerck zugebrauchen. Ebd. 23, 2: will ich dauon auch ain wenig sage, vnd nit mehr dan souil zum teütschen lesen gehËrt. Ebd. 42, 21: Damit dises bÈchlin auch ein schul oder leßbÈchlin mËg sein. Schorer, Sprachposaun 43, 5 (o. O. 1648): wiewol er nicht lesen oder verstehen kunte / was dessen Jnhalt seyn mËchte. Klein, Oswald 98, 3 (oobd., 1430): für alles, das ich hör, sich, lis, 兩 mit gütem herzen freust du mich. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 159, 7 (moobd., 1473/8): ich thät, was ir mich hiesset − 兩 und solt man mir’s ymmer für laster lesen! Turmair 4, 329, 5 (moobd., 1522/33): Es ist nichts dan nur leswerk, g’swäz, träum, schuelertand. − Oorschot, Spee/Seifert. Proc. 455, 15; Luther, WA 26, 237, 5; 578, 17; 610, 23; 54, 84, 34; Grosse, Schwabensp. 104a, 24; Quint, Eckharts Pred. 1, 127, 2; 2, 58, 2; Chron. Kˆln 1, 3279; Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp.

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lesen

137; Kollnig, Weist. Schriesh. 276, 25; D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 18, 1; Oorschot, Spee/ Schmidt. Caut. Crim. 213, 3; Mathesius, Passionale 36r, 9; Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 7, 13; v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 19, 14; 79, 33; Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 728; Ingen, Zesen. Ged. 383, 11; Valli, Baldemann 20; v. Keller, Ayrer. Dramen 6, 3; 2876, 2; Bell, G. Hager 117, 2, 21; Thiele, Minner. II, 10, 28; Boos, UB Aarau 42, 4; Morrall, Mandev. Reiseb. 161, 16; Bauer, Geiler. Pred. 316, 24; 462, 11; Kohler, a. a. O. 5, 10; 7, 19; 16, 13; 19, 17; 20, 28; 29, 2; 37, 19; Schorer, Sprach-Verd. 18, 22; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 88, 11; dies., Imitatio Haller 89, 5; Piirainen, Stadtr. Sillein 80r, 20. − Vgl. ferner s. v. abschreiben 1, altar 2, andacht 1, anleiten 1, arzetbuch, aussagen 3, balgen 3.

4. ›etw. (einen Text) verlesen, (jm.) laut vorlesen, (jm.) etw. Geschriebenes vortragen, mitteilen‹; speziell auf die Aussprache bezogen: ›etw. laut artikulieren, prononzieren‹; rechtssprachlich: ›etw. öffentlich verkünden, etw. (z. B. ein Gesetz, eine Verordnung oder ein Urteil) durch die öffentliche Verkündigung rechtskräftig werden lassen‹; in der christlichen Liturgie: ›(Gottes Botschaft) verkünden, (die Messe) lesen, zelebrieren; gemeinschaftlich Kommunikation über / mit Gott halten‹; auch: ›meditativ rezitieren (über einen wichtigen biblischen Text oder eine Textpassage)‹. − Phras.: jm. den rechten, einen harten / scharfen text lesen ›jn. scharf zur Rede stellen‹; jm. den kalender lesen ›jm. den Tod vorhersagen‹; jm. sein legend lesen (Beleg s. v. legende 1), einer frauen die mette lesen (obszön); grillen und possen lesen. − Bdv.: vgl. auflesen 5, belesen 1; 2, jarzeiten, verlesen, vorlesen. − Synt.: etw. (z. B. den brief [vielfach], eid, die gerechtigkeit / klage / messe, das evangelium / herkommen / urteil, geschichten / verse / worte) l., etw. zu deutsch l., jm. etw. (z. B. die regel, das buch) l., etw. lesen hören, lesen hören, wie [...], etw. öffentlich l.; von jm. ›über jn.‹ / etw. l., von etw. l., wie [...]; subst.: das lesen der kirche ›in der Kirche‹, das öffentliche lesen; got mit lesen dienen. Wbg.: lesbank 1 ›Kanzel‹ (dazu bdv.: letner, predigtstul), lese 2 (dazu bdv.: lection 1; a. 1561 f.), lesehaus, lesmesse ›Totenmesse‹, lesschule ›Schule, an der der Unterricht in Form von Vorlesungen erfolgt‹ (a. 1601).

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Luther, WA 6, 239, 7 (1520): vil stifften, pfeyffen, lesen und singen [...]: dafur ist yhm [bose geist] nit leyde. Ebd. 8, 496, 19 (1521): alle Christen haben gutt fug und recht, auß der heyligen schrifft tzu leßen und predigen. Ebd. 30, 3, 461, 32 (1531): Jch wil dir, Juncker Meuchler, den rechten text lesen. Ebd. 32, 398, 33 (1532): Stephanus [...] den hohen priestern ein harten scharffen text lieset. Reissenberger, o Väterb. 163 (md., Hs. 14. Jh.): In daz [buch] han ich den sin gewant 兩 Und wil dar uz ze dute lesen, 兩 Daz mich nutze duncket wesen 兩 Zu horen der gemeinschaft. Redlich, Jül.Berg. Kirchenp. 1, 249, 2 (Cleve 1532): das gein nuwerong widder die heilige sacramenten, widder die gesang und lesen der kirchen, [...] ingefurt sollen werden. Buch Weinsb. 1, 106, 36 (rib., um 1560): ist uis sinen testament auch ain leismiss [...] fundeirt worden. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 534, 17 (rib., 1655): nach ihrem absterben gleich lassen lesen per nostros conventuales 300 leessmessen. Voc. inc. teut. o viijv (Speyer um 1483/4): Lese hus stat’kamer lectoriu˜ ´e loc’ lege˜di. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 31, 26 (hess., 14. Jh.): so sal man ir [ins Kloster eintretende Schwester] dise regele lesen von anbeginne biz an daz ende. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 2, 235, 31 (hess., 1490): sollen irs hantwercks meistere diß buche alle fronfasten den gesellen gemeynlich in eyme gebode tun lesen. Kˆbler, Ref. Franckenfort 74, 21 (Mainz 1509): Wir wËllen auch das in allen sachen so in schrifften gehandelt werden / die ende vrteil in schrifften gegeben / vn˜ durch vnsern gerichtschryber gelesen sollen werden. Kurz, Waldis. Esopus 1, 79, 14 (Frankf. 1557): FÈhrt sie [Vögel] mit jm ins hauß hinein, 兩 [...] 兩 Da laß er jnen den Kalander, 兩 Das jre keine wider kam. Karnein, Salm. u. Morolf 14, 1 (srhfrk., Hs. um 1470): Da man das ewangelium laß, 兩 nu horent, was der frauwen opffer waß. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 31, 20 (Hs. 2omd., 14659): Ich han von jugent auf gehöret lesen und gelernet, wie got alle ding beschaffen habe. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 84, 21 (omd., 1559): So die mutzettel zweymal offentlich gelesen sein worden. Opitz. Poeterey 33, 29 (Breslau 1624): weil das Ë von vnns als ein e [...] gelesen wirdt. Mon. Boica, NF. 2, 1, 20, 29 (nobd., 1464): so man armen lewten die lantpucher list. v. Keller, Ayrer. Dramen 3013, 9 (Nürnb. 1610/8): Nun wil ich [...] 兩 [...] 兩 Der Frauen heut die Metten lesen (hier obszön). Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 15, 16 (Straßb. 1650): wenn sie [...] grillen vnd bossen lesen hören. Bremer, Voc. opt. 12016 (wobd. / oobd. 1328 ff.): lespankch [...] Canellus [...] in singulari est locus altus in templis, in quo stans prespiter indicit subditis agenda. Schmidt, Rud. v. Biberach 38, 19 (whalem., 1345/60): Wenne dvi hËrest old lisest daz ewig wort vnd die sel mit ein ander reden, so solt dvi nvti liplich stim old liplich bilde bilden. Maaler 261r (Zürich 1561): o LÁsen vnd buchstaben außsprÁchen [...]. Das offentlich LÁsen vnnd profitieren. Professio. Jerouschek, Nürnb. Hexenh. 14r, 20 (obd., 1491): also leß der richter od‘ laß lesen den proff. Bauer, Geiler. Pred. 464, 23 (Augsb. 1508): denn lobest / und dankest du got / mit werken. wenn du mit singen unnd lesen gott dienest. Barack, Zim. Chron. 3, 55, 15 (schwäb., M. 16. Jh.): Grave Friderrich lass den brief, das

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lesenschaffer − leser

die umbstender das alles hören mögten. Primisser, Suchenwirt 22, 54 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Die weil ich pey der werlt waz, 兩 Ee ich der chlosen regel laz (hier wohl: ›das Klostergelübde ablegen‹). Mell u. a., Steir. Taid. 44, 24 (m/soobd., 1523): [soll] in aines ieden freien willen steen was er nach seinem vermugen singen, lesen oder begenknus halten laßen well. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr. 80 (moobd., A. 15. Jh.): Darumb pit ich in Christo Jhesu alle die, die es lesen oder hören lesen. − Redlich, a. a. O. 1, 273, 35; Sievers, a. a. O. 21, 7; Weingart u. a., Seelb. Rhodt 1, 15; K¸ther, UB Frauensee 114, 9; Opel, Spittendorf 141, 38; Kisch, Leipz. Schöffenspr. 411, 17; Mon. Boica, NF. 2, 1, 25, 19; Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 289, 18; Bihlmeyer, Seuse 414, 5; Vetter, Pred. Taulers 59, 11; 138, 13; 271, 2; 282, 28; Rieder, St. Georg. Pred. 98, 5; Turmair 5, 445, 20; Dirr, Münchner Stadtr. 173, 17; 404, 12; Moscouia D 2v, 38; Baptist-Hlawatsch, a. a. O. 28; 1470; Schmitt, Ordo rerum 133, 21; Voc. Teut.-Lat. dd vijv; z iixr; Rot 345; Rwb 8, 1234 f.; Schweiz. Id. 3, 1420; 8, 614. − Vgl. ferner s. v. abdringen 3, abhören 1, allegieren, altarstein 1, ampt 2, andacht 1, anfahen 1, aufmerken 2, auslecken 2, aussprechen 3.

5. ›etw. lehren; jn. unterrichten; jm. etw. vortragen, erklären, erläutern (zumeist vom lehrenden Vortrag bzw. einer akademischen Vorlesung)‹. − Bdv.: vgl. anfüren 1, anrichten 17, anzeigen 1, beleren, belernen 2, bereden 5, bereiten 6, informieren 2, instituieren, 2leren 1; 2. − Wbg.: 2lesbank 2, lesstul ›Vorlesungskatheder‹9, leshaus ›Hörsaalgebäude‹ (a. 1593), lesrok ›Amtskleidung des Diakons‹, lesstube. Helm, H. v. Hesler. Apok. 578 (nrddt., 14. Jh.): Als sente Johannes drabe las: 兩 ,In dem beginne waz daz wort‘. Buch Weinsb. 2, 218, 19 (rib., 1571): die sint mit umbgegangen in der kirch lessrock und kappen. Ebd. 3, 272, 4 (rib., 1585): Das kreichsfolk hat die chorkappen, gegere, lesrock, alfen angetain. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 491 (mrhein., um 1335): Die wisen arzede alle lesen, 兩 daz der siche si genesen, 兩 so er slafen moge wol. Gille u. a., M. Beheim 96, 74 (nobd., 2. H. 15. Jh.): dy [maister] salche ding fur geben 兩 Mit lesen und mit tispotiern 兩 und auch dar zu mit argubirn. Maaler 261r (Zürich 1561): Offentlich LÁsen vnd leeren. Profiteri. Bremer, Voc. opt. 12016 (wobd., 14./15. Jh.): Pulpitum [...] lespanck [...] Pulpitum, analogium, ambo /-onis significant tabulam eleuatam, super quam libris alte positis quod scriptum est legitur clara voce. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 304, 31 (Genf 1636): lesstube / f. Auditoire [...] Auditorium. [...] leßstul / m. Chaire de professeur, Cathedra. Klein, Oswald 24, 25 (oobd., 1423): All maister uns das lesen 兩 aus der vil hailgen schrifft, 兩 das kainer müg genesen, 兩 wer inn der sünde gifft. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 12, 8 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): [Jupiter] macht die vrein künst, die darnach wurden ze Athenis gelesen. Ebd. 82, 9: Ain weib ward pabst [...]. Darnach

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cham si gen Röm und lazz da manige grosse chunst. Ander maister, schÈler und phaffen horten ir leczen, und was ze Röm die weil dhain maister, der alz maisterleich hiet gelesen. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 181, 4 (moobd., 1. H. 15. Jh.): so sind doch sunderleich syben [versüechung], [...] dye der hoch gelertt mayster Hainreich von Hässen hye cze Wienn hat gelesen. − Loose, Tuchers Haushaltb. 171; Bremer, Voc. opt. 6013; Schweiz. Id. 2, 1717.

6. ›sich selbst etw. vortragen, etw. überlegen, im Geiste abwägen‹; anschließbar an 2. − Bdv.: vgl. abwägen 4, aufwegen 5, auswegen 4, beschauen 6, besehen 7, besinnen 1, pensen, perpendieren. Mayer, Folz. Meisterl. 71, 101 (nobd., 1517/8): Sie eillet ser 兩 Zum herczog [...] 兩 [...] 兩 Die red sie eben fur sie las, 兩 Wie sey dem fürsten mocht verkunden pas.

lesenschaffer, lesen(s)zeit, s. lesen 2. leser, der ; −/-π. 1. ›Person, die Weintrauben pflückt; Erntehelfer‹; zu lesen 2. − Meist Rechtsund Wirtschaftstexte. − Bdv.: herbster, samler ; vgl. ableser, hauerpöbel. − Wbg.: leserin 1, leserlon. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 302, 23 (mosfrk., 1497): das sie [...] das dritteil gewas von den obgenanten wingarten geben sullen, ane einchen leser- ader dregerlone. Engel, Rats-Chron. Würzb. 190a, 20 (nobd., Hs. M. 17. Jh.): mußt man einem leser am montag post Martini geben zu lohn 18 ∏. Ebd. 261, 3: da man anhub, zu lesen, gab man einem leser 4 schilling [...]; vndt man macht den lohn einem leser 12 ∏. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 9, 25, 4 Var. (Straßb. 1466): Bekere dein hant als der leser [Var. 14752−1518: weinleser] zuo dem ku´bel. Welti, Stadtr. Bern 566, 15 (haa lem., 15. Jh.): das des spitals volck, leser, herbst gesind, kari rer, pfender vnd der meister ledig uber die brugg faren. Maaler 261r (Zürich 1561): Herpster, LÁser. Vindemiator. Winter, Nöst. Weist. 1, 531, 37 (moobd., um 1450): wellich leser oder leserin puttner tretter nachsteer etc., [...] weinper verpergen. − Aubin, Weist. Hülchrath 255, 36; Bastian u. a., Regensb. UB 446, 8; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 304; Pf‰lz. Wb. 4, 942.

2. ›Rezipient eines Textes‹; zumeist in der Anrede oder mit sonstiger Bezugnahme durch den Autor, häufig innerhalb einer captatio benevolentiae; vgl. lesen 3; 4. − Vorwiegend späteres Frnhd.; meist bildungssprachliche Texte. Schˆpper Vorr. a IVr (Dortm. 1550): nachdem ein reguo liertte vnnd wolgesetzte Rede oder Schrifft [...] den zuhËrer oder Leser bewegt. Luther, WA 10, 1, 2, 211, 4 (1526): Dem

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leserin − lesmeister

Christlichen leser. Gnad und fryde [...]. Ebd. 10, 2, 228, 8 (1522): ich [Luther] gebe keyn ablaß meynen leßern und bitte got, das [...]. Ebd. 18, 136, 5 (1525): Und bitte dich, Christlicher leser, wöllest drauff sehen, Ich will dyr [...]. v. Keller, Amadis 5, 3 (Frankf. 1561): Vorrede des Teutschen Tranßlatoris, an den Läser. GVnstiger lieber Läser, Als [...]. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 380b, 34 (Frankf./M. 1649): Damit der Leser dieses verstehe / muß er wissen / daß [...]. Opitz. Poeterey 53, 16 (Breslau 1624): Jch hoffe aber / es wird mir der guethertzige Leser / in betrachtung der kurtzen zeit etwas vbersehen oder bedenkken / [...]. Franck, Klagbr. 219, 5 (2wohl Nürnb.9 1529): SIhe durch Gott / mein Leser / wer zum theyl die hewschrecken sind. Trunz, Meyfart. Tub. Nov. Vorr. 4, 5 (Coburg 1626): Bitte aber den gÈnstigen Leser / er wolle es dem Drucker zu gut halten / wenn [...]. Wickram 4, 10, o 19 (Straßb. 1556): Desshalben / lieber leser oder zuhËrer / o euwer baider ungunst zu vermeiden / hab ich mich [...] entschuldigen wËllen. Andreae. Ber. Nachtmal 27r, 6 ([Augsb.] 1557): Auß disem kan auch ain Christenlicher Leser wol vernemen / warum˜ [...]. Kohler, Ickelsamer. Gram. 10, 4 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): so würdt doch solcher vnterschaid vom Teütschen leser nit vermerckt, vnd würdt das, u, [...] an solcher stat gebraucht. − Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. IX, 20; Stoltzius, Chym. Lustg. 14, 3; D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 5, 1; 5, 4; 16, 8; Allg. Schau-B˚hne 33, 29; 65, 57; M. Cunitia. Ur. Prop. 148, 1; Franck, a. a. O. 219, 1; v. Birken. Erzh. Österreich 77, 13; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 746, 20; Heidegger. Mythoscopia 33, 21; 63, 14; Voc. inc. teut. o viijr. − Vgl. ferner s. v. äquinoktialisch, astronomisch, aufmerker, ausfürlich 2.

3. ›Vorleser eines Textes‹; im einzelnen: ›Vorleser biblischer Schriften im Klosterrefektorium‹; ›Lektor im Dom‹; ›Erzähler‹; ›Lehrer‹; ›Archivar des Kammergerichtes‹; ›wiedertäuferischer Laienprediger‹; ›Person, die Gesetzestexte oder Urteile öffentlich verkündet bzw. Leseunkundigen vorliest‹; zu lesen 4. − Wbg.: leserin 2 ›Vorleserin im Klosterrefektorium‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 3711 (nrddt., 14. Jh.): Des bit ich den lesere, 兩 Swen her kumt in diz mere, 兩 Daz her mit schonen witzen 兩 [...] 兩 Antweder her entrumen 兩 Oder ober var den lumen. Luther, WA 29, 687, 12 (1529): Ego sol ein prediger und leser sein. Vetter, Schw. zu Töß 48, 17 (Hs. 15. Jh.): und illt [sy] denn in den refentar und satzt sich nebent die leserin und loset begirlich dem Gotz wort. Laufs, Reichskammergo. 113, 5 (Mainz 1555): sechs redlich personen, deren zwo prothonotarii und zwo notarii und zwo leser des cammergerichts sein sollen. Palm, Veter Buoch 33, 2 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): Er [Jesus] wart ein kint, dar nach ein lesere, do er das buch nam vnd las in der synagoga. Golius 158 (Straßb. 1597): Professor, ein o offentlicher leser / oder Lehrer inn einer schul. Bachmann,

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Morgant 5, 14 (halem., 1530): Er hatt alwegen lässer, die im die Biblen und kronicken laˇssend. Maaler 261r (Zürich 1561): LÁser / Der heyter vnd laut lißt. Recitator. LÁser / ein knab oder diener der einem lißt. [...] Offentlicher LÁser vnnd leerer. Professor. Chron. Augsb. 4, 237, 12 (schwäb., v. 1536): Die leser hie zuo dem thom haben [...] etlich felden und ecker gehept. Sexauer, Schrr. in Kart. 240, 3 (nöst., v. 1450): Wann man in dem reuent izt so sol der kelne¨r besehen / daz chein tumult oder yemants anders stimm gehort werd / denn allain des leser. Winter, Nöst. Weist. 2, 747, 37 (moobd., 1641): verpeüt unser gnediger herr gar ernstlich das man die stuck der rechten und seiner pot als die verschriben seint in ietlichem pantäding fürlegen sollen mit ainem le¨ser, oder ob man das nit haben me¨cht mit ainem vorspre¨cher. − Luther, WA 30, 2, 528, 28; Karnein, Salm. u. Morolf 451a, 5; Laufs, a. a. O. 272, 18; Euling, Kl. mhd. Erz. 789, 18; Chron. Augsb. 8, 360, 2; Wackernell, Adt. Passionssp. St. I, 97; Dasypodius 110r; Serranus 117r; Rwb 8, 1236; Schweiz. Id. 3, 1419.

leserin 1; 2, s. leser 1; 3. leserlich, s. leslich. leserlon, s. leser 1. leset, s. lesen 2. lesewerk, lesewort, s. lesen 3. lesgarbe, lespfennig, s. lesen 2. leske, wohl der ; aus tschech. dlesk (Suolahti, Vogelnamen. 1909, 136). ›Kirschkernbeißer‹. − Schles. Wb. 2, 807 (a. 1603). leskernen, leskerner, s. lesen 2. leslich, auch lese- und leser-, Adj. ›lesbar, entzifferbar; deutlich‹; vgl. lesen 3. Reissenberger, Väterb. 35669 (md., Hs. 14. Jh.): er sach bi sich in den sant 兩 Mit ordelichen buchstaben 兩 Dise wort wol uz gegraben, 兩 Die er sus leselichen las. Voc. inc. teut. oviijr (Speyer um 1483/4): Leslich legibilis. Kˆbler, Ref. Franckenfort 95, 11 (Mainz 1509): vff yedes halb blat vierundzwentzig zyle leserlicher schriffte / zymlicher wyße geschryben. Maaler 261r (Zürich 1561): LÁßlich / Das man lÁsen mag. Legibilis.

lesmeister, Bw teils lese-, der ; −/-π. 1. ›Aufseher über die Weinlese‹; vgl. lesen 2. Mell u. a., Steir. Taid 246, 31 (m/soobd., 1638): In diser weinzüerlei [...] haben zu lösenzeit die lösmaister [...] ir unterkomen und werden darin alle sachen zu dem lösen aufgehalten.

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lesmesse − letanei

2. ›ausgebildeter Mönch im Kloster, der die Novizen in den heiligen Schriften unterrichtet, Klosterlehrer, Theologe‹; vgl. lesen 3; 4. − Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch Chroniken. − Bdv.: 2lerer 1; 2, professor. Luther, WA 6, 291, 30 (1520): Solch ungeschickte ding (die Vernunft [...] dem göttlichen Gesetz angleichen wollen) solt ein lesemeyster vorhyn betracht haben, unnd gotliche werck [...] mit der schrifft [...] beweren. Fischer, Brun v. Schoneb. 12462 (md., Hs. um 1400): iz was Heinrich von Huxere, 兩 ein barvuzbruder und predigere 兩 und lesemeister zu Meideburg. Strauch, Par. anime int. 3, 4 (thür., 14. Jh.): in disir predigade lerit brudir Eckart Rube der lesemeister wi di inphahunge unsis herrin lichamin ist zveigirleige. Vetter, Pred. Taulers 196, 28 (els., 1359): die grossen pfaffen und die lesmeister die tispitierent weder bekentnisse merre und edeler si oder die minne. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 384, 15 (Straßb. 1466): was eu´ch schreibt essdras der briester der lesemeister der ee des herren. Warnock, Pred. Paulis 1, 1 (önalem., 1490/4): Dise nachgeschribnen, erlu´chten le´r hat u´ns geton der wirdig lesmaister herr Pauli, u´nser tru´wer bichtvatter. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 126, 25 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Do auch der selb bischof dannoch was lesmaister des conventz ze Basel. Chron. baier. St‰dte. Landsh. 296, 5 (moobd., 1450): wan es was ain Lesmaister zu den Predigern, der vast wider die Juden prediget. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4337, 1 (moobd., 1470): Bruder Andre von Gaden, lesmaister der heiling Geschrifft, prior, und der convent gemain Prediger ordens [...]. − Wyss, Limb. Chron. 4124, 56; Strauch, a. a. O. 6, 8; Sachs 6, 381, 1; Rieder, Gottesfr. 122, 35; Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 3; 181; Chron. Augsb. 6, 29, 4; Schmitt, Ordo rerum 97, 16; Alberus Yy iiv; Vorarlb. Wb. 2, 272. − Vgl. ferner s. v. barfusse, beischaft 2.

3. ›Protokollant bei Gericht, Gerichtsschreiber‹. Barack, Zim. Chron. 3, 332, 1 (schwäb., M. 16. Jh.): wie er nun also diese wort gesagt, undersprücht im der ein lessmeister und protonotari, welche dann alle wort müssen protocolliren.

lesmesse, s. lesen 4. lesrok, s. lesen 5. lesschule, s. lesen 4. lesstat, s. lesen 2. lesstube, lesstul, s. lesen 5. lestag, s. lesen 2. lester, s. letzer. lesung, die. 1. ›Ernteertrag an Weintrauben; Weinernte‹; zu lesen 2. − Bdv.: frucht, leset; vgl. 1 aust 2, augst 2, äher 2.

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Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 445, 11 (Straßb. 1466): die weintrauben deiner erstlichen die samel nitt als ein lËsung [Var. 14752−1480: leset; 1483−1518: weynlesen; Luther 1545, 3. Mose 25, 5: soltu nit lesen]. − Ebd. 6, 329, 7; Bremer, Voc. opt. 56038.

2. ›interessiertes, andächtiges, prüfendes Rezipieren, stilles Lesen von Texten; genaues Studium eines Textes‹; als Metonymie: ›im Lesen erworbene Erkenntnis‹; vgl. lesen 3; 4. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. 2, 19 (osächs., 1343): Abir di krigeschen buˆchere und di alden buˆchere di nu vil von gewonheit latıˆnischer lesunge unglıˆch truˆgen, die [...]. Bˆhme, Morg.R. 17, 25 (Hs. 2schles., 16129): worzu wir dir wie auch zu fleissiger lesung der Heiligen Schrifft treulich rathen. M. Cunitia. Ur. Prop. 147, 14 (Öls 1650): Nach dem ich von dem 5ten Jahr an / in dem ich allbereit lesen kËnnen / durch stete lesung so Geist- so Weltlicher Historien [...] viel [...] erkand. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 82, 17 (nobd., 1412): des alles zu einem gezugnisse unde warn urkunde diser besehung unde lesung. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 253, 11 Var. (Straßb. 1466): ich bit eu´ch hirumb: das ir eu´ch last genu´gen an heimlicher letzigen o [Var. Augsb. um 14752−1518: lesunge] meins buchs. Heidegger. Mythoscopia 43, 18 (Zürich 1698): da hab ich meine FastnÁchte mit Lesung deß Ciceronen zugebracht. Rieder, St. Georg. Pred. 315, 20 (Hs. 2önalem., 13879): o daz ist daz drit: lesung. daz geschiht an drier hand buchen. Henisch 40 (Augsb. 1616): Alcoran / die lehre oder buch des Mahomets / Alcoranus / also genant von dem Arabischen Al / vnd Koran / lectio, lesung. Steer, K. v. Megenberg. Sel 435 (Hs. 2moobd., 14119): intellectus, das ist gesprochen ein jnnrew lesung: jntelligere est intus legere, vnd ist die kraft, da sich die sel mit heft v¨ber alles, das ausser sinn begreiffen mÈgen. − M. Cunitia. a. a. O. 148, 2; Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 95, 68; Dasypodius 110r. − Vgl. ferner s. v. abschnit 4, atem 2, aufnemen 10, lesen 3.

leswagen, s. lesen 2. leswerk, s. lesen 3. letanei, die; zu mhd. letanıˆe (Lexer 1, 1890), dies über afrz. letanie letztlich aus griech. litaneia (Kluge/S., Et. Wb. 2002, 578). ›Litanei, mit dem Kyrie eleison beginnendes, aus der Anrufung von Heiligen und unterschiedlichen Bitten bestehendes, häufig in Prozessionen begegnendes Wechselgebet‹. − Meist Wobd. / oobd. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 5, 2010; Rgg 1929, 3, 1670; Lthuk 6, 1075. − Bdv.: bitte 1, flehung,

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letare − lette

gebet 1, supplizierung. − Synt.: die l. singen (häufig) / anheben / beten; sich in den letaneien recht halten; mit der l. (um)gehen, bis zum ende bei der l. bleiben / verharren; l. im kreuzgang; die schöne / wollautende l.

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Luther, WA 2, 177, 37 (1519): Sollen wir [...] unß recht lalten yn [...] allen litanien. Ebd. 30, 2, 250, 18 (1530): Cristlich Litaneien vnd gebet vor allerlei stennde vnnd not. Ebd. 45, 321, 18 (1537): Da gehets in Capellen, Kirchen [...]: Salve Regina Und in der Litania: S. Maria, ora pro nobis. Chron. Strassb. 21, 14 (els., 1362): [Honorius] satte uf, daz man alle sammestac gat mit der letanie zuo sancte Peter. Krebs, Prot. Konst. Domkap. Protokoll 8319 (nalem., 1525): am dornstag, wann die sext gesungen ist, sollen die suben buspsalmen gesprochen vnnd daruff die letany gesungen werden. Rot 324 (Augsb. 1571): Letanei, Hertzliche / demÈtige bit vnnd flehung / supplicierung / Jst ein Griechisch wort. Leidinger, V. Arnpeck 643, 33 (moobd., v. 1495): am montag sind sy umbgangen mit ainer process mit der lataney in irm kreuzgang. Moscouia D IIv, 33 (Wien 1557): So hebt der Diacon an die Lethaney erbarmb dich herr vnser. − Bernoulli, Basler Chron. 4, 4, 381, 30; Roder, Stadtr. Villingen 194, 16; Moscouia D IIIr, 24; A. a` S. Clara. Deo Gratias 12, 25.

letare, Name. ›Lätare, Mittfasten, der vierte Sonntag der österlichen Bußzeit, benannt nach dem Introitusbeginn („Freue Dich“!) der Tagesmesse (relevant auch als Zinstermin)‹. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 53, 20 (nobd., 1390): die besitzere der selben miner zwey teile des hofs [...] o zu mittervasten [...] antworten sËllen alle jare ufo den suntag den vormÈnden und pflegern der obgnant capellen dritthalb aweo len lÈters lynËls [...] und si sollen anheben ufo den suntag letare. Hauber, UB Heiligkr. 1, 639, 30 (schwäb., 1398): Dirr brieff ward geben in der vasten an dem sunnentag alz man singet letare. − Ebd. 2, 108, 6.

letfeige, s. lette. lethargie, die; in beiden Belegen mit lat. Form; über lat. lethargia ›Schlafsucht‹ aus griech. le¯thargia (Kluge/S., Et. Wb. 2002, 571; Schulz / Basler 2, 1542, 20). ›Lethargie, körperliche und seelische Erschlaffung, Untätigkeit als Folge von hauptkrankheiten‹. Sudhoff, Paracelsus 1, 83, 4 (um 1520): Der schlag hat in im etlich krankheiten, welche mit vil namen begriffen werden, als apoplexia, paralysis, lethargus. Ebd. 9, 501, 1 (1531/ 5): das hauptwehe, hauptgeschwer, hauptgesÈcht und ander was hauptkrankheiten sind dermaßen auch entspringen, als paralysis, lethargia, tortura.

letner, s. letter.

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letsche, wohl die; formal wohl zu lattich. eine Pflanze, möglicherweise ›Klette‹. Alberus EE ijr (Frankf. 1540): Lappa personaria [...] est maxima, groß letschen / wan˜ sie stengel vnnd frücht bringt.

letschzaun, der ; Bw Schreibform für latsche ›Legföhre‹ (Dwb 6, 278). ›Zaun aus Kiefernholz‹. − Pf‰lz. Wb. 4, 945 (a. 1565 f.). letstein, s. lette. lette, der ; −/-n. ›Lette, lehm-, tonartige Erde‹, teils synonym mit 2leim und ton gebraucht, teils von diesen unterschieden; auch: ›Schlamm, Dreck, Morast‹. − Bdv.: drek, kot, 2leim, mergel, ton. − Synt.: den l. treten; ein l. sein; aus l. etw. brennen, etw. mit l. düngen / bedecken / pflästern, auf dem l. entwelen, in l. stehen; der blaukiesige / weiche / weisse l. Wbg.: letfeige (Gw zu mhd. vıˆge ›Feige‹, mit motivationeller Anspielung auf veige ›furchtsam‹; Lexer 3, 46; 345), lettechtig, let(ten)stein (wie leberstein). Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 64, 8 (preuß., M. 14. Jh.): unse vatir bistu, und wir syn ein let [Wormser Proph. 1527: leym; Luther 1545: Thon] und du bist unse wirker. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 86, 3 (Frankf./M. 1568): Ein Ziegler thut man mich nennen / 兩 Auß LÁttn kan ich Ziegel brennen. H¸bner, Buch Daniel 1748 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Diz ertriche ist lette. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 64, 31 (osächs., 1570/7): Wo nicht viel mist ist, alda tünge die sandichten ecker mit letten, die kalten mit leime, den lättigten gibe sand. Ebd. 195, 39: Das die fische, [...] frischer werden dann zuvorn. Nim than und letten, thue gerstenmehl mit honig vormischet unter den leim. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 177, 13 (schles., 1625): Es sind auch sauerbrunnen und blaukiesige letten, die ein alaunbergwerck verkundschafften. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 207, 13 (Straßb. 1466): Sy entwelten [...] in den hËlern der erd oder auf den letten [Luther 1545, Hiob 30, 6: steinritzen]. Ebd. 9, 9, 17: Ob du dich weschtest mit letten [Luther 1545, Jer. 2, 22: Laugen] [...]: du bist fleckhafftig vor mir. Dasypodius 371v (Straßb. 1536): Lettechtig. Lutosus. [...] mit Letten odder Leymen bedecken. Delutare. die scheür mit Lett oder leymen pflÁstern. Sudhoff, Paracelsus 2, 293, 25 (1525/6): in den weg, wie obsteˆt, geschehen die resolution der lettsteinen, das ist der lebersteinen, der alabastern [...], so ein solchs genus an tag kompt und einfleußt, so entpfint es die art der erden. als dan hengt es sich an und macht ein misgewechs, gleich dem alabaster in etlicher gestalt, oder gleich den lebersteinen, und laßt das lauter wasser hindan fließen mit farben und form. wie dan die selbigen lettenstein sind an in

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lettechtig − letze

selbs. Maaler 261r (Zürich 1561): LÁttÁchtig / Kaatig. Lutosus, Limosus. Argillatus. LÁttÁchtig oder klipperÁchtig ort. [...] LÁttÁchtiger grund. A. a` S. Clara. Glori 31, 15 (Wien 1680): es muß unser lieber HErr den Feigen nicht wohl geneigt seyn / wenigst weiß ich / solche Feigen die Er hasset und verwirfft / diese seynd die Letfeigen / die jenige / so sich nicht trauen um Christi willen etwas zu leyden. − H¸bner, a. a. O. 1770; Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 182, 23; Rohland, Schäden 465; Primisser, Suchenwirt 4, 478; A. a` S. Clara. Glori 31, 17; Rechn. Kronstadt 2, 77, 44; Bremer, Voc. opt. 13025; Schmitt, Ordo rerum 30, 4; Voc. Teut.-Lat. t vir; Schˆpper 77b; Maaler 261r; Rot 324; Golius 34; Pf‰lz. Wb. 4, 943; Schweiz. Id. 3, 1488/9. − Vgl. ferner s. v. anbeten 2, aufspalten 1, aufbrechen 12.

lettechtig, lettenstein, s. lette. lettener, der. ›auf dem 1letter Vortragender‹. Koller, Ref. Siegmunds 147, 40 (Hs. 2Basel, um 14409): man sol alle accoliten, lettener, ewangelier und priester umbsust wihen. 1

letter, letner (letzteres seltener), der ; über ahd. / mhd. lector aus mlat. lectionarium ›Buch mit liturgischen Texten, lectorium Lesepult‹ (Kluge/S. 2002, 571; Lexer 1, 1851; Dwb 6, 794). ›Lettner, Lesepult zum Verlesen des Evangeliums; (zumeist kunstvoll errichtete) Trennwand zwischen Laien und Klerikern‹, in frnhd. Zeit entwickelt zu ›offene Querbühne in Stifts- und Klosterkirchen zwischen Schiff und Chor; Emporkirche‹; dem Lettner oblag auch die Bekanntgabe weltlicher Nachrichten. − Gehäuft Rechtsund Wirtschaftstexte. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 5, 1914; Hrg 2, 1855; Rwb 8, 1240. − Bdv.: vgl. lector. Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 1, 61, 27 (rib., 1487): als der priester up dem letter stainde ind soulde predigen. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 531, 28 (Frankf. 1563): etliche [thumbherren] von hoher geburt, welche auff dem lättner zugehört hatten. Foltz, UB Friedb. 1, 363, 47 (Friedberg 1387): wan sıe dan ende wollen gebin, so soln dıe scheffene daz tÈn virkunden obir den letter. Beyer, UB Erfurt 2, 342, 32 (thür., 1354): das her [pherrer] der vorgenanten gedenke ober den lettir. Fuchs, Murner. 4 Ketzer 2746 (2wohl Straßb.9 1509): Das sye jn an eim seil hinab 兩 Vom lettner ab gelossen hant. Fuchs, Kart. Aggsbach 23, 19 (moobd., 1371): sol ein ieglicher pharrer begen einen ewigen jartag meiner hawsfrawn [...] und mit gedÁchtnÈzz auf dem letter. − Aubin, Weist. Köln/Brühl 114, 12; Wyss, UB

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Deutschord. Hessen 192, 20; Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 204; Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 703; Qu. Wien 2, 2, 3608, 25, UB ob der Enns 10, 240, 30. − Vgl. ferner s. v. accolit. 2

letter, letterwechsel, s. litter. lettich, wohl der. wie lette. − Wbg.: lettichberg, lettichleim.

Kurz, Waldis. Esopus 4, 38, 52 (Frankf. 1557): So man euch [...] 兩 Mit lÁttich leym die Lippen schmiert, 兩 Bleibt drinn ligen derselbig dreck. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 85, 26 (schles., um 1450): do ist ein lettich bergk, do findistu och yn deme lettich sulch bley gedegin. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 219.

lettichberg, lettichleim, s. lettich. letticht, s. lettig. lettig, letticht, Adj. ›aus Letten; lettenhaltig; wie Lette‹. − Bdv.: kötig, schleimerig. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 64, 32 (osächs., 1570/7): Wo nicht viel mist ist, alda tünge die sandichten ecker mit letten, [...], den lättigten gibe sand. Ebd. 99, 28: Ist das feld zehe oder lätticht, so muß man daßelbige mit sandichter erden vormischen. Ebd. 161, 7: wo der bodem salzig, sumpficht, lettig oder bitter ist. Sudhoff, Paracelsus 13, 274, 10 (1530): welche stern in im haben die lettich art vom schwefel. Schmitt, Ordo rerum 26, 43 (oobd., 2. H. 15. Jh.): chötig oder lettig erd. − Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 223, 9; Sudhoff, a. a. O. 4, 559, 2. − Vgl. ferner s. v. lette, lettich.

letze, die; -π/-π ; zu mhd. letze ›Hinderung‹ (Lexer 1, 1891; vgl. auch Dwb 6, 797 f. und mit Zweifeln an der Einheit des Wortes: Schweiz. Id. 3, 1562); Bed. 7 semantisch auf lezt 1, lezte bezogen. 1. ›Befestigungsanlage generell‹; im einzelnen: ›Erdaufwurf; mit Mauerwerk verstärkter Wall; befestigte Stelle innerhalb einer Befestigungsanlage‹; auch: ›Tor im Gemeindehag‹; differenziertere Beschreibungen von Befestigungsanlagen im Schweiz. Id. 3, 1558, dort auch zusätzliche (metonymische) Bedeutungen verbucht: ›Gebietsgrenze‹; ›von der Grenze umschlossenes Gebiet‹; in 1 Beleg (s. u. Barack) Tendenz zu ›Wacht, Lauer‹. − Dichte Belegung für das Wmd. / Nobd. / Wobd.; gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte, auch berichtende Texte. − Bdv.: bastei, bolwerk, 1

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letze

festung, (land)wer, mauer, turn, wache, were, zaun. − Synt.: die / eine l. aufwerfen / bauen / besetzen / bessern / brechen / gewinnen / machen, jm. die l. angewinnen; auf die l. kommen / ziehen, ausserhalb der l. liegen, inner der l. sitzen, in die l. brechen, an der l. schalmutzen, sich auf die l. verfügen, jn. auf die l. (ver)ordnen, in einer l. gesessen sein, zu den l. senden, in die l. zu den waffen treten; die l. zu Appenzel; die alte / gemauerte / gute / starke / wüste l. Wbg.: letzelen ›eine Verschanzung anbringen‹ (a. 1468), lezgeselle. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 911 (Köln 1476): In allen letzen dorch dye stat 兩 Al malsch dayr zo den wapen trat. Rudolph, Qu. Trier 100, 12 (mosfrk., 1593/94): Es sollen alle letzgesellen einem schützenmeister [...] nachkommen, sie fleißig anmahnen, ihre letzen oder orther, [...] besuchen. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 45, 25 (hess., 1595): Wurde [...] ein ufflauff in oder vor der statt, [...] so soll ein ider alßdann uf die letz, dahin er verordnet, sich alßbaldt verfügen. Ebd. 1, 321, 35 (1478): die jhenen, die an die porten uff thorne und letze zu kommen bescheyden sint. Gille u. a., M. Beheim 453, 842 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Dar nach fürt er sy auff die türn 兩 und die maür die zeschossen würn, 兩 Und zaigt in all die leczen, 兩 wie er die waz beseczen. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 491, 26 (nobd., 1525): damit die burger gemustert, und alle pastey und letz werden besetzt. Schottenloher, Flugschrr. 82, 15 ([Würzb.], 1523): Eyn fuß volgk er auch mit im nam, 兩 Mit welchem uberzog er Metz, 兩 Dem ließ er vast eyn wuste letz. Barack, Teufels Netz 3408 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): ich [Teufel] lig allzit an der letz 兩 Und warten mit minem netz. Roder, Hugs Vill. Chron. 20, 10 (önalem., 1503): Und zugend fir ain letze, da lagend etlich Frantzoßen an. Chron. Strassb. 692, 14 (els., A. 15. Jh.): so zogetent alle antwerg für das münster geweffent und ein teil uf die muren und an die letzen. Argovia 4, 104, 29 (halem., 1590): dasz man nun hinfüro von der trotten by der gmeind reben, ein lezi oder thor mache. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 60, 15 (halem., 1349): daz aber wir wider die Waltlu´te su´llen werinen und letzinen machen. Rennefahrt, Stadtr. Bern 248, u die selben stett [...] inrent 23 (halem., 1387): und sullent och iren slossen und letzinen ane allen dienst beliben. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 14, 12 (schwäb., 1471): Gang [wachter] pald hinwider an die letz 兩 Vnd hab die rueo dein. Chron. Augsb. 5, 79, Anm. 1 (schwäb., 1523/7): man spilt nun offenlich auff der gassen, auf den bencklin vor den heussern oder in den lezen. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 38, 26 (schwäb., v. 1542): Es was ach ain groß, mercklich folck versamlet, burguß und Etzlewt an der letzin bey Mals im tal, [...], hetten sy die burguschen daselbst an der letzin ein leger gemacht. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 532, 5 (moobd., 1473/8): Hiemit dy Chriechen fueren aus der letze 兩 für Thenadon hindter den wald. − Meisen,

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a. a. O. 150; V. Anshelm. Berner Chron. 1, 373, 18; 4, 72, 4; Geier, Stadtr. Überl. 79, 31; M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 264, 34; Dierauer, Chron. Zürich 66, 12; Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 33, 30; Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 1, 284, 5; 286, 1; Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 44, 14; Roder, a. a. O. 9, 10; Rwb 8, 1241; Pf‰lz. Wb. 4, 947; Vorarlb. Wb. 2, 273; Schweiz. Id. 3, 1556; 1558; Schw‰b. Wb. 4, 1195.

2. ›Verletzung, Zufügung von (meist:) körperlichem oder (seltener:) psychischem Schmerz‹; teils mit gen. explicativus; vgl. letzen 1; 2. − Verstexte. − Bdv.: vgl. beinschrot, beschädigung 2, beleidigung 2, beschämnis, geserde, injurie, lämde 1, läme, loch 8, wunde. Bergmann, Ambr. Liederb. 36, 14 (Frankf. 1582): fürwar mit nicht, 兩 ich von dir setz, mit keiner letz, 兩 freundlich dich sicher alles leids ergetz. Gille u. a., M. Beheim 140, 133 (nobd., 2. H. 15. Jh.): tut in we, 兩 daz gat hat solcher lecze 兩 Gewalt, daz er sy allso sleht. Ebd. 447, 58: wanne 兩 er [Nero] must leiden des tades lecz. Primisser, Suchenwirt 7, 155 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Dem hat der tËt versniten 兩 Sein hertz mit swinder letze. Klein, Oswald 36, 7 (oobd., 1426): So hat ir [weib] letz mit scharpfer wetz und sneller hetz 兩 mein hail auf erd erloffen.

3. ›Abschiedsmahl, -essen, -trinken‹; metonymisch: ›Speise, Getränke eines Mahles‹, bei Luther mit Bezug auf das sakramentstiftende Abendmahl Christi mit seinen Jüngern; vgl. letzen 3. − Bdv.: vgl. ausschenk. − Wbg.: letzemal (verdeutlichend; a. 1650), lezpredig, lezschiessete (a. 1616). Luther, WA 28, 510, 1 (1529): non est aliud quam ein letzpredige, damit er gesegnet hat [...]. Ebd. 41, 41, 2 (1535): audivimus die libliche, schone rede in caena, da er die letze cum suis discipulis hat gehalten. Ebd. 46, 268, 22 (1538): Also stehet nu Christus unnd ißet die letze. Buch Weinsb. 3, 290, 23 (rib., 1585): Den mittag drunken sie die letz im Kleinen Pallast. Ebd. 5, 480, 18 (rib., um 1560): So emantz verreist, drinkt oder schenkt der nit die letz? Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 13, 7 (Straßb. 1522): da wolt o sie. Schib, H. Stockar 108, er die Letz mit ir essen, und lud 10 (halem., 1520/9): Wier beschürmtend im sin schlesslin und den win und hielt uns erlich mit sim volk mit der letzsin. − Sachs 17, 247, 32; Goedeke, Fischart. Schiff 975; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 304, 40; 395, 1; Schweiz. Id. 4, 160; 8, 1447.

4. ›Abschied‹; dazu metonymisch mit offenem Übergang: ›Abschiedsgeschenk, Gabe; Trinkgeld; gütige Hinterlassenschaft (dies letztere mehrfach auf heilsgeschichtliche Tatbestände, wie den Hl. Geist, die

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letze

Sakramente, bezogen)‹; auch: ›Einkommen e. P.‹. − Bdv.: vgl. abdank, abdankgeld, abdankung 1; 2, abscheid 1, abschied 1, liebnis 1; 3, liebtat. − Synt.: die / eine l. (aus)teilen / nemen / haben / lassen / verzeren, jm. eine l. (hinter)lassen / geben; etw. zur l. tun, jm. etw. zu(r) l. aufsetzen / geben / heiligen (sein blut) / lassen / schenken / senden; die erliche / gemeine l. Wbg.: letzegeld ›Trinkgeld beim Abschied‹, letzepfennig (a. 1374), letzepredig (a. 1637), letzeschrift (um 1640), letzesteuer (a. 1651; zum Gw vgl. steuer 4; 5; a. 1651), letzetrab, wohl ›letzter Weg, Gang‹ (a. 1593; Gw nicht völlig klar; s. Schweiz. Id. 14, 52). Luther, WA 2, 685, 12 (1519): diß [todt] ist eyn [...] eußerlicher abschided von dißer welt, und wirt urlaub und letze geben dem gut. Ebd. 30, 3, 279, 25 (1531): Und wËllen also zur letze ein walfertlin mit einander thun. Ebd. 45, 467, 17 (1537): als der [Heiland] von jnen [Jüngern] scheidet, zur letze gibt, der gleichen nimer kein Mensch [...] gegen seinen liebsten und besten freunden tun und redenkan. Buch Weinsb. 1, 302, 32 (rib., um 1560): hat schon ein doctor etwas mehe [als der licentiat] gerechtigkeit, das er ein letz haben mag, das solte zu dur stain. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 264, 22 (hess., 1407): die [maß] sal der knecht von dem letzegelt betzalen, ließe der geselle aber keyne letzegelt, so sollen iß die gesellen gemeynlich betzalen. Bergmann, Ambr. Liederb. 118, 60 (Frankf. 1582): Aus schwerer pein, das hertze mein, 兩 der liebsten allein, 兩 schenk ich das liedlein zur letzen. Schmitz, Schiltb. 143, 23 (Frankf. 1597): Nach dem nun der Keyser hinweg gewesen / vnd den Schildischen ein gute Letze hinderlassen hette. Goldammer, Paracelsus. B. d. Erk. 42, 7 (obd., Hs. n. 1570): darvf er [Cristus] jnen zu ainer letzen geben hat denn hailigen gaist. Mayer, Folz. Meisterl. 5, 25 (nobd., v. 1496): hat nit Cristus ym abscheiden 兩 Unß geben zu der lecz die siben sacrament? Ebd. 85, 40 (1517/8): die pschneidung, dar in der zart 兩 Iesüs gab die lecze 兩 Der alten ee. Rupprich, Dürer 1, 156, 114 (nobd., 1520): Ein stüber hab ich des wirths knecht zu lecz geben. Rieder, Gottesfr. 97, 15 (els., 1380): ich hatte dir me zuo letze gesant, wenne daz mich dise vart gar vaste entblËsset het. Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk. I, 2, 16, 5 (Luzern 1526): do gab ich kein letz vnd scheiß ins bet. Schib, H. Stockar 129, 21 (halem., 1520/9): kost mich der ritt 3 gl, verzert und lietzgelt gen, als mian mir schank. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 866, 17 o (halem., 1534/5): lug noch eynmal zuo letzj (herr vergib uns unser sünd) unserm herr gott jns füdloch. Dict. Germ.Gall.-Lat. 304 (Genf 1636): letz / f. abscheydt. Drescher, Hartlieb. Caes. 205, 20 (moobd., 1456/ 67): das an Gots leichnam tag er [...] sein heyligs pluto uns aufseczt und heyligt zu einer lecz und seiner gedächtnüsz. Klein, Oswald 85, 8 (oobd., 1423): banzer und armbrost, darzu die eisenhüt, 兩 die liessens uns zu letze. − Lu-

ther, WA 21, 372, 31; 47, 311, 36; Wyss, Limb. Chron. 58, 5; v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 449, 3; Thiele, Minner. II, 4, 55; Lindqvist, K. v. Helmsd. 432; Bernoulli, Basler Chron. 4, 97, 13; 6, 407, 7; Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 4, 23; Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 302, 5; 423, 31; 306, Var.; Drescher, a. a. O. 148, 8; Niewˆhner, Teichner 476, 29; Rwb 8, 1241; Martin/Lienhart 1, 216; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 220; Schw‰b. Wb. 4, 1196; Schweiz. Id. 3, 1560 f.; 5, 403; 1125; 9, 1589; 11, 1338.

5. ›übles Andenken, üble Hinterlassenschaft, Schaden‹. − Obd. Roloff, Brant. Tsp. 2156 (Straßb. 1554): Dein [Salomo] ehre hastu wÈst thün vermosen 兩 Deim somen ein bËß letze gelossen. Adomatis u. a., J. Murer. Nab. 1263 (Mühlh. 1556): So wil ich dir [...] 兩 Gwüßlich ein thüre letze bringen. Goedeke, Fischart Flöh Haz, 1679 (Straßb. 1594): Dem liß aus rachgir ich ain letz, 兩 Und gab im in die seit ain pfetz. Sappler, H. Kaufringer 1, 112 (schwäb., Hs. 1464): du hast ain böse letz [mord] gelaun. Chron. Augsb. 5, 272, 1 (schwäb., 1495): allweg ließ es [kranckhait] im ain letzi. Barack, Zim. Chron. 4, 82, 33 (schwäb., M. 16. Jh.): Es haben die spannischen rauden im ein soliche letzin gelasen, das er dessen doch letstlichen sterben müesen. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 178, 25 (moobd., 1478/81): umb alle die eer, [...], was sy geflissen, das sy im zu letz wolt lassen ain getranck des grymmigen tods. − Sachs 13, 437, 11; 17, 242, 1; Adomatis u. a., J. Murer. Abs. 1748; Schw‰b. Wb. 4, 1196.

6. ›Zeichen, Andenken‹. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 3, 163, 103 (omd., 1338): diewyl ich [Thomas] dich [Maria] doch nit gsehen verscheiden, so bitt ich dich doch vmb ein letzin so wirfft sy ime iren gürtel herab.

7. ›Abschluß, Schluß, Ende‹; auch: ›Überbleibsel, letzter Rest‹. − Phras.: auf die letze, zur letze ›zuletzt, zu guter Letzt‹. − Bdv.: vgl. ausgang 13, beschlies 2, grund 13. Luther, WA 22, 193, 7 (1544): Des hat er dieses tages, [...], das vorspiel angefangen, eben zur letze vor seinem abscheid. Ebd. 22, 194, 8: da er [...] in Tempel gehet und zur letze noch leret bis auff den tag seines leidens. Ebd. 30, 2, 144, 2 (1529): hatten die JÈden schier nichts mehr von yhrem KËnigreich, Herodes war die letze. Chron. N¸rnb. 2, 311, 15 (nobd., 1449): auf die letz kauft der rat als vihe. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 185 (Nürnb. 1517): wann sie sich befleisen [...] fern zu sein von den zuneigungen zu sünden, das ist von der letze [reliquiae] der sünde. Sachs 21, 548, 24 (Nürnb. 1552): Auch möcht mir an der lez abgon 兩 An profant und municion. Bell, G. Hager 7, 2, 15 (nobd., 1592): auf das er solcher mas 兩 Die in dem necz 兩 waren im gsecz 兩 er lösete da an der lecz. Chron. Augsb. 7, 425, 2 (schwäb., zu 1564): well er [Sathan] zur letz wunder anrichten und das größt übel stiften. − Sachs 15,

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letze

352, 34; 18, 486, 21; 20, 291, 21; Schw‰b. Wb. 4, 1195. 2 letze, letzie, letzige, lezge, die, -n/−; zu mhd. le¨cze ›Vorlesung‹, dies aus lat. lectio (Lexer 1, 1852). 1. ›Bibelabschnitt‹; dazu als Metonymie: ›Lesung oder gesungener Vortrag eines Bibeltextes im Gottesdienst, bei der Totenmesse, der Vigil, im Klosterleben, bei der Mahlzeit (jeweils innerhalb christlicher Riten)‹; oft im Orientierungsfeld von 1bet 1, epistel, evangelium, gesang 1, lere 5, predigat 1; 2. − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: die l. anheben / begehen / halten / lesen / singen (mehrfach) / hören, jm. die l. sagen; die l. weitschweif sein, die geschrift inhalten; der letzen nicht verstehen; grosses volk bei der l. haben, in der l. geschrieben stehen, an die l. gehen; die l. des evangeliums, der alten e; die heilige / tägliche l.; fleis der letzen; vigilie mit 9 letzen.

Quint, Eckharts Pred. 2, 6, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): [ein wörtelin] daz staˆt geschriben in der leczien, die man hiute liset. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 21, 4; 12 (hess., 14. Jh.): Diz ist die letze von ezzene. [...] Dan sal da grozze stille sin zu dische, daz [...] ockert die letze gehort werde. Neumann, Rothe. Keuschh. 2187 (thür., 1. H. 15. Jh.): di letzie unnd di predigate ist in swer, 兩 si horten vil liber ander mer. Mon. Boica, NF. 1, 574, 36 (nobd., 1414): ein vigilie singen mit newn leczen mit einem erberen leichczeichen und vier kerczen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 116, 11 (Straßb. 1466): das selb decksal in der lece [Var. 1470; 14751−1478: lere] der alten ee beleibt es vngeoffenbart. Chron. Augsb. 4, 177, 7 (schwäb., v. 1536): Man hat zuo den Carmeliten [...] offenlich wie auff der hochen schulo die evangelia und epistel Pauli gelesen, und sind vil frauen und mann an dise letzgen gangen. Ruh, Bonaventura 324, 16 (oschwäb., 2. V. 15. Jh.): Die letzig ist weitswaiff, [...], wann die letzig des dryuachen wegs die halt inn die gantz hailgen geschrifft. Drescher, Hartlieb. Caes. 68, 26 (moobd., 1456/67): ward er von seinem preial gefragt, [...] wes er ob dem tisch o Ebd. 134, gedacht, die weil [...] er der leczen nicht verstund. 23: do die leczen des heyligen ewangely angehaben was, do flog die selbe taube aber von dem chreücz auff seinen pfeyler. Ebd. 247, 30: des geleichen sagt er in von den vigilien, welch münch und was leczen oder was responsz sy gesungen hetten. Buijssen, Dur. Rat. 10, 12 (moobd., 1384): der wort sind drey underschayden: pet, gesang, lezczen. − Chron. Kˆln 2, 180, 2; Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 326, 35; Kurrelmeyer, a. a. O. 3, 8, 1; Adrian, Saelden Hort 7252; Jaspers, St. v. Landskron 52r, 6; Hauber, UB Heiligkr. 1, 568, 20; Sexauer, Schrr. in Kart. 265, 5;

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Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 95, 72; Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 379, 25; Reithmeier, B. v. Chiemsee 94, 9; Voc. inc. teut. o viijv; Schweiz. Id. 3, 1572.

2. ›Lehre, belehrende Aussage; Lektion‹; auch personifiziert; mit negativen Nuancen Teil von Phrasemen; ansatzweise Lösung aus christlichem Kontext; als Metonymie zu 1 auffaßbar. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch der Didaxe. − Phras.: jm. die letze (auch: leviten) lesen a) ›jm. Unangenehmes sagen‹; b) ›jn. abrichten‹. − Bdv.: vgl. beischaft 2, beispiel 3, bericht 2, berichtung 1, confession, 1glaube 1; 5; 6, 2lere 4; 5, (-)predigt. − Synt.: die l. lesen / kennen / hören, jm. eine l. geben; l. geheissen sein, die l. etw. bezeichnen; jm. in der l. etw. sagen; l. der otmutigkeit; die höchste / nützeste l. Luther, WA 34, 1, 118, 3 (1531): da [am rhÈmen ... Christum Jesum) hette einer ein letzen dran. Quint, Eckharts Pred. 1, 241, 1 (E. 13./A. 14. Jh.): Dat wir van jhm˜s xp˜s de letze der oitmodycheit leren. Altmann, Wind. Denkw. 280, 26 (wmd., um 1440): die Swebeschen meigede die sint einfaltig gewesen, 兩 nü hat man also die letzen in wol gelesen, 兩 das sie die kunste triben recht. Thiele, Minner. II, 31, 514 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): spade und vruo 兩 moessent si in erbeide wesen 兩 und ir lectze over lesen. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 969 (rib., 1444): So sagen ich uch in deser letzen: 兩 Mit der werelde en soelt ir uch neit ergetzen. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 13170 (rhfrk., um 1405): Sij erfullet das hertze und nit den buch 兩 Mit yrer guder sÈßer spisen genuch. 兩 Sij ist geheissen die Letze 兩 Und studieret die gesetze 兩 Und dar zu auch die heilige schrifft. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 303, 6 (els., 1362): vnd ist hu´te mine lecze, daz ich sol globen an got. Rieder, Gottesfr. 21, 17 (els., 1382/91): eine letze, [...] wie er leren solte alle untugent Èber winden. Ders., St. Georg. Pred. o ´ 252, 9 (Hs. 2önalem., 13879): Du´ fu´nfte letzge ist gutu zuht. Strauch, Schürebrand 48, 13 (els., E. 14. Jh.): ich bitte u´ch, brÈdere, daz ir dise letze [...] mit wackerheit der sinne alle zit hËrent. Barack, Teufels Netz 10476 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Da wil ich dir denn ain letzgen [Var. C: leviten] lesen, 兩 Das si niemer me mag genesen. Bachmann, Haimonsk. 144, 13 (halem., 1530): Her muˇnch, könnend ir üwere lätzgen wol ins tuˇffels nammen? Bauer, Imitatio Haller 71, 22 (tir., 1466): das ist die höchist vnd nüczist le¨czen, da der mensch sich selbs recht erkchent vnd sich diemuetigen ist. − Thiele, a. a. O. II, 31, 279; 31, 578; Bˆmer, a. a. O. 13188; Barack, a. a. O. 3182; Rieder, a. a. O. 9, 16.

3. ›akademische Vorlesung‹; als Metonymien: ›Stoff der Vorlesung‹; ›Lehrstuhl‹; ›Unterricht‹; ›Schulklasse‹. − Bdv.: vgl. colle-

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letze − letzen

gium 2, lection 1, lectur. − Synt.: die l. erlangen / halten / hören / lesen / repetieren / schreiben / disputieren / einziehen; in die l. gehen, um die l. sollicitieren, jn. in die l. setzen; das erklären / läutern der letzen; die deutsche l. Wbg.: letzenzeit. Buch Weinsb. 1, 66, 4 (rib., um 1560): [ich] wolt nit mehe under der letzenzit spaceren gain. Ebd. 4, 266, 40 (1596): als d. Reck, ein raitzman zur zit, und lic. Hulss, syndicus eins raits, umb die ordinari(e) lectur und letze in iure, so [...] vaceirte, zu beiden seiten heftich solliciteirt [...], sie zu erlangen. Ebd. 5, 277, 12 (rib., 1586): Disse gab uns die oberste camer an der straissen zu, da mir unse letz repiteirten, laissen, schriben, disputeirten. Gerhard, Hist. alde e 4787 (omd., um 1340): Zu der zit Aristotiles, 兩 [...] 兩 Horte PLatonis letzen. Sudhoff, Paracelsus 4, 144, 10 (1527): sie haben dadurch sie, die meinen so in mein lezgen gont zu doctoriren hinder triben. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 191, 31 (Straßb. 1522): ein Nobilist,[...], der hort Letzgen von demselben Doctor. Maaler 269r (Zürich 1561): Der glertisch sein in der Letzgen. Ducere classem. Ein yetzliches kind oder schÈler in sein Letzgen setzen. Ebd. 364r: o Disputation oder gesprÁch vnd letzgen die man in der schulen haltet. M¸ller, Nördl. Stadtr. 513, 9 (schwäb., Hs. 14./ A. 15. Jh.): in der andern letzgen soll er haben ain baccularium oder sunst ain verstendtlichen gesellen, desgelichen in den andern letzgen, die die schüler tugentlich und vleisslich underweisen. − Chron. Kˆln 3, 876, 15; Buch Weinsb. 5, 180, 16; Bernoulli, Basler Chron. 5, 466, 20; Schweiz. Id. 3, 1572/3.

4. ›Schulklasse‹. − Schweiz. Id. 3, 1573 (a. 1561). 3 letze, s. lez 2. letzegeld, s. 1letze 4. letzelen, s. 1letze 1. letzeltiat, der. Spielform zu lizentiat. Schade, Sat. u. Pasqu. 2, 145, 30 (els. 1521): es stat manicher ölgötz auf die kanzel [...] und wellent dannocht etlich Lezeltiat haißen.

letzemal, s. 1letze 3. letzen, V. 1. ›die Ausführung von etw. behindern, hemmen; js. Handlungen oder Gefühle beeinträchtigen; jn. an etw. hindern, stören, sich jm. entgegenstellen; jn. täuschen; sich e. S. (z. B. einem gebot) entgegenstellen; etw. zu Ende bringen‹; speziell: ›jn. gefangen nehmen‹; refl.: ›sich trüben (von der

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Freude)‹; sich heben (von einer Stimmung); offen zu 2. − Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch Chroniken. − Bdv.: abhalten 1, bedrangen 1; 2, irren 2, bekümmern 2, leidigen 2; vgl. abhindern, stören 2. Ggs.: ergetzen. − Synt.: die freude sich l.; etw. (z. B. den hof, die liebe / treue, das gebot / gesez / trauren) l., jn. (z. B. mit worten, an treuen, an dem bund, an seinem sitze) l., jn. l., das [...], der sin, die (ehafte) not jn. l., die werke die engel l., die furcht gottes die hochfart l.; subst.: seinen mut sonder letzen volbringen. Wbg.: letzenis ›Hinderung‹ (dazu bdv.: vgl. letzung), letzer. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 5757 (preuß., 1331): Di vorchtte Gotes leczet 兩 Di hochvart. Leman, Kulm. Recht 2, 5, 43 (Thorn 1584): Kumet yener der noch des is do ist vnd beret das yn eheaste [sic für ehaft] not abe gelettzit der richter sal ym syn teil wedir geben (Belegschreibung auch als abletzen lemmatisierbar). Fischer, Brun v. Schoneb. 7528 (md., Hs. um 1400): ab mich min sin nicht letzet (›täuscht, im Stich läßt‹), 兩 so vloz uz sime libe saf. Quint, Eckharts Pred. 1, 200, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): ob sie [engel] iht geletzet werden von den werken, daz sie unser hüetent. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 5151 (rib., 1444): So dat en wenich letzenisse 兩 Mir brechte groisse hyndernisse. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 157 (mrhein., um 1335): Ich hade ez allen minen sin 兩 mit flize dar vf geseczet, 兩 wie ich hede geleczet 兩 bit hoffart vnd mit frazheit 兩 daz [...]. H¸bner, Buch Daniel 7005 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Er [norden kung] volbrenget sinen mut 兩 Volleclich sundir letzen, 兩 Sich da widir setzen 兩 Niemant tar. Goedeke u. a., Liederb. 333, 104 (o. O. o. J.): der ar begrifs; do wart sich ir freud lezen. Gille u. a., M. Beheim 234, 139 (nobd., 2. H. 15. Jh.): davon sol ein iglicher crist 兩 dis petrieger und checzer 兩 Und die verkerten leczer 兩 vermeiden und in wider stann. v. Keller, Ayrer. Dramen 19, 26 (Nürnb. 1610/8): [Eur gnad] Soll keinen zweiffel an vns setzn, 兩 Daß eur gebot wir solten letzn. Matthaei, Minner. I, 12, 273 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): do man mit unstÁtem muto 兩 lieb und tru´w wolt letzen. Thiele, Minner. II, 6, 153 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): wan ich mynen bulen an sich 兩 [...] 兩 so wirt myn drurn geleczt 兩 zu hand er mich ergeczt 兩 unmutes. Chron. Strassb. 38, 7 (els., 1362): der wolt den hof zÈ Frankefurt letzen und irren. Lemmer, Brant. Narrensch. 110a, 18 (Basel 1494): die sich o zuo disch dunt setzen 兩 Vnd andere an dem sytzen letzen 兩 Die vor jn soltten syn gesessen. Adomatis u. a., J. Murer. Bab. 406 (Zürich 1560): Vil minder uns der Cyrus letzt 兩 der gÁgen uns ein flieg wirt gschÁtzt. Haltaus, Liederb. Hätzleo du letzen rin 2, 35, 29 (schwäb., 1471): Mein trauren tust 兩Vnd pringst mir fräden. Barack, Teufels Netz 36 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): der tüfel die welt mit striken hat überlait. [...] ,Wer mag den striken allen usgan?‘ 兩 [...]

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letzen

,Ain recht diemütig man‘; 兩 Der zeit im durch sin netz, 兩 Da ain andra inn wirt geletzt. Ebd. 42: wir hangend in sinem netz 兩 Und werdend allsament geletzt. Ebd. 7413: Die rechten ler und gesetzt 兩 Werdent ietz von küngen geletzt. Chron. Augsb. 3, 366, 7 (schwäb., E. 15./A. 16. Jh.): wer der rapp nit worden geletzt, 兩 die vogthey het er auch besetzt. − Leman, a. a. O. 2, 5, 63; Haltaus, a. a. O. 1, 47, 38; Rwb 8, 1242; Schles. Wb. 2, 808.

2. ›jn. physisch oder psychisch verletzen, jm. körperlichen oder finanziellen Schaden zufügen; jn. e. S. berauben, an der Ehre kränken; (ein Tier) verletzen; jn. töten‹; speziell (mit Bezug auf Sachen): ›etw. schädigen, zerbrechen, vernichten‹. − Phras.: jm. das leben letzen. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: bestricken 1, kränken, kratzen, leichen 2, reissen, schädigen, schlagen, schmähen, schmälen, verderben, verseren, verwunden; vgl. angreifen 10; 11; 14; 15, bekrenken 1; 3, bekümmern 4, 1beschweren 1; 3−4; 7, betrüben 2; 4, diemütigen, freidigen, leidigen 1, lützen, uneren, verkleinen. − Synt.: etw. (z. B. ein gut / geschüz, eine bürgschaft, js. ere, den leumund / stam, ein pferd) l., eine grobheit jn. l., jn. (z. B. den begaber, das weib, die frommen, den verzagten) l., jm. ein werk l., jn. e. S. (Gen., z. B. der zeit) l., jn. an das haupt, am mute, an dem leibe l., den schalk mit schalk l. ›einen schalk schalk nennen (Verbalinjurie)‹; am gemächt geletzet sein; das falsche letzen (subst.). Schˆpper 20b (Dortm. 1550): Nocere. Letzen verletzen verunrechten beleidigen beschedigen vernachteiligen ¶ krencken schwächen. Helm, H. v. Hesler. Apok. 3858 (nrddt., 14. Jh.): wer Gote widerstrebit, 兩 Sine zit her halb nicht enlebit, 兩 Die Got im hat gesetzet 兩 Her enwerde ir [zit] geletzet, 兩 Daz sie der tot undervat. Ebd. 16282: Die sich dir wider setzen 兩 Und nu din ere letzen 兩 Mit valschlicher lere. Luther, WA 2, 89, 23 (1519): Welche seyn aber die frucht? [...], Kratzen, Reyssen, Lettzen, und kein guth worth. Chron. Magdeb. 2, 176, 3 (nrddt., Hs. 1601): do haben der Doctor und sein Vicarius wiederumb heraber geworffen und ein Schmedeknecht hart ans Heupt geletzt. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 8398 (preuß., um 1330/40): [si] letztin 兩 mit den spern der cristinen pfert. Reissenberger, Väterb. 18888 (md., Hs. 14. Jh.): Der mac vil wol in [stam] letzen, 兩 Daz er joch gar virtirbet. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 655 (rib., 1444): De groffheit mochte sij wale me letzen 兩 Dan de salve kunde ergetzen. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 150, 16 (Frankf. 1535): Wer geletzt were an dem gemecht / der neme diß puluers. Kurz, Waldis. Esopus 4, 2, 195 (Frankf. 1557): Wer einen schalck mit schalck wil letzen, 兩 Der muß ein auff die schiltwacht setzen. Bolte,

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Pauli. Schimpf u. Ernst 2, 95 (Frankf. 1560): die unversehen GeschÈtz letzen mehr. Bergmann, Ambr. Liederb. 225, 48 (Frankf. 1582): kein ritter lebt im lande, 兩 der jhn [Hector] mocht letzen auff seinem pferd. Neumann, Rothe. Keuschh. 2150 (thür., 1. H. 15. Jh.): [di trunkenheit] da man den lümund letzet mete. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 6, 28 (osächs., 1343): Bittet vor di, di Èch letzin [Mentel 1466 / Froschauer 1530: laidigent; Luther 1545: beleidigen]. Lutz, Buch Alfadol 31ra, 5 (obd., n. 1478): [Dein feindt] gedenken nymer so groslich dich zu letzen alß sy es vor gewölt han. Pyritz, Minneburg 1261 (nobd., Hs. um 1400): Netze, kalter regen risel! 兩 Letz, arger winter sur und kalt! Neubauer, Kriegsb. Seldeneck 88, 25 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Die knecht sollenn sich verhuten einander selbst zu schlagen oder zu leczenn. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 412, 14 (nobd., n. 1525): Ir vil wurden [...] mit dem geschutz an iren leyben und glidern schwerlich verwundt und geletzt. Sachs 16, 482, 12 (Nürnb. 1562): Mit käuffen in den stich ihn setzen, 兩 Mit borgen oder bürgschafft letzen. Ebd. 16, 505, 6: Der spötter, die mit irn honwortn 兩 Fromb leut fatzen [...] 兩 [...] 兩 An glimpff und ehren sie zu letzen. Ebd. 20, 175, 11 (1560): last uns alle wehr besetzen, 兩 Auff daß die Römer uns nit letzen! Mayer, Folz. Meisterl. 34, 375 (nobd., v. 1496): als der sunnen scheine 兩 Dring durch die fenster eine 兩 Und sie nit lecz. Bell, G. Hager 620, 5, 8 (nobd., 1591): das hercz, das schlecht oft den man 兩 Dut ein ver zagten leczen. Matthaei, Minner. I, 12, 704 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): das er mit valschem wencken 兩 die frowen haut in laid gesetzt 兩 das sie an hohem muto letzt. Fuchs, Murner. 4 Ketzer 4413 (2wohl Straßb.9 1509): Hab ich die frummen drinn geletzt / 兩 [...] / 兩 Das es mir ist von hertzen leidt. Bihlmeyer, Seuse 397, 20 (alem., 14. Jh.): bËse zungen hant mich geletzet. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 332, 2 (halem., 1534/5): fand da comun / da schryer / da sunder personen / [...] / geletzt von disemm gifftt / und bestricktt jn diser tüfelspündtnus. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 739, 4 (halem., 1539): Wellicher stuben gsell dem andern sin werck letzt, [...], derselbig soll für ein straff [...] vervallen sin. Kˆbler, Stattr. Fryburg 103, 3 (Basel 1520): wen˜ die begabt person / den begaber letzte oder schmechte / an sine˜ eren / lyb oder guto / mit worten oder wercken. Fuchs, Murner. Geuchmat 374 (Basel 1519): Kein wyb vff dise erd ye kam, 兩 Die ich geletzet hab, frow scham. Maaler 269r (Zürich 1561): Edelgestein / Letzen oder brÁchen. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 39, 8 (schwäb., 1471): Fraw, ich furcht ser der claffer mund 兩 Vnd auch ir valsches letzen. Hˆr, Urk. St. Veit 180, 13 (moobd., 1414): Wir sÈllen awch das egenantt gÈet stiftleych [...] inhaben noch in chainerley weizz smeln noch letczen. Gierach, Märterb. 3134 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): der chaiser enpot in herwider do 兩 ineinen gluenden ofen sey seczen 兩 und ¨ır leben also leczenn. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 11, 1 (tir., 1464): si verschrenkhten seine we¨g, vnd die strik richtetten si zu läczen seinen füessen. − Strehlke, a. a. O. 495, 16612; 567, 22828; Kurz, a. a. O. 1, 9, 63; 2, 48, 17; Gerhard, Hist. alde e 1889; Thiele, Chron. Stolle 133, 19; 402, 28; Grosch u. a.,

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letzen

Schöffenspr. Pössneck 291, 29; Kisch, Leipz. Schöffenspr. 167, 9; Chron. N¸rnb. 1, 158, 15; Reichert, Gesamtausl. Messe 4, 39; Sachs 13, 26, 26; 111, 30; 15, 541, 10; 17, 464, 18; 494, 9; 18, 45, 37; 18, 149, 6; 18, 481, 23; 20, 429, 34; Chron. Strassb. 690, 9; Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 285, 4; Bihlmeyer, a. a. O. 85, 3; 109, 6; Bernoulli, Basler Chron. 4, 4, 219, 15; Koppitz, Trojanerkr. 5909; 11508; Rennefahrt, Stadtr. Bern 416, 23; M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 64, 22; V. Anshelm. Berner Chron. 2, 81, 25; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 453, 11; 493, 27; 769, 5; 924, 9; Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk. I, 3, 19; Adomatis u. a., J. Murer. Bab. 4094; Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 195, 24. Österley, Steinhöwels Äsop 1358; Chron. Augsb. 5, 180, 8; Primisser, Suchenwirt 8, 167; Niewˆhner, Teichner 306, 3; Gierach, Märterb. 1258; 12174; Leidinger, V. Arnpeck 558, 2; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 11, 1; Voc. Teut.-Lat. k viv; Hulsius L iijr; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 220; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 1991, 273; Raabe, Wortsch. Murner 2, 437. − Vgl. ferner s. v. ablegung 1, 4bas 4.

3. ›sich von jm. / etw. verabschieden; mit jm. (den Zurückbleibenden) vor dem gehen, reiten, scheiden einen Trunk, ein letztes Essen einnehmen und auf diese Weise den Abschied zelebrieren, dadurch Lebewohl sagen, eine Abschiedsfeier vollziehen‹; offen zu 4. − Vorwiegend Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte. − Bdv.: vgl. abdanken 3; abgnaden, abletzen, valete geben. − Synt.: jn. l.; sich (z. B. freundlich / lieblich) l., sich etliche tage l., sich e. S. (z. B. der ere, des kindes / weibes) l., sich mit jm. (z. B. mit den freunden) / von jm. (z. B. von dem könig, von der schar) l.; jn. l. Wbg.: letzetrank, leztrunk (auch letze-), letzewort. Helm, H. v. Hesler. Apok. 22146 (nrddt., 14. Jh.): Wie dan der sich hie letzet 兩 Der eren, gutes, libes, 兩 Des kindes und des wibes 兩 Und alles daz her ie gewan. Luther, WA 26, 457, 33 (1528): [Christus] fehet nu nach dem letzetrunck und abendmal ein newes an Und spricht, es sey sein leib, [...]. Ebd. 27, 103, 7 (1528): ‚das ist mein leib‘, da sthet das newe abentmal, ubi den letztrunck geben hat. Ebd. 41, 46, 10 (1525/35): et dat eis letz, Et auff den letz trunk dispertit. Ebd. 46, 96, 33 (1537): wie sich gute freunde unternander pflegen zu letzen. Ders. Hl. Schrifft. Offb. Vorr. 2471, 24 (Wittenb. 1545): Kompt im XX. Cap. auch her zu der Letzetranck / Gog vnd Magog (hier ütr.). Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 2, 113 (Frankf. 1583): Also letzten sich diese zwey [Liebenden] wol mit einander. Wie es nun Zeit war, das sie von einander solten scheiden, 兩 zeigt ihm die Frauw an, [...]. Sachs 2, 236, 1 (Nürnb. 1540): Endtlich [...] 兩 Letzten sie sich noch etlich tag. 兩 Darnach sie [...]

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urlaub namen. Warnock, Pred. Paulis 11, 134 (önalem., 1490/4): [do er] solt schayden, er sich mit inen [fru´nden] fru´ntlichen waz letzen und daz jungst nachtmal mit inen begieng. B‰chtold, N. Manuel. 410, 611 (1523/6): wo die söltind werden gletzt, 兩 Die lib und guto hand zuo uns gsetzt. Chron. Augsb. 4, 150, 6 (schwäb., v. 1536): Pfaltzgraff Oth Hainrich hat sich am 5. tag maii hie mit hertzog Wilhalm von Bayern geletzt und ist [...] gem hailigen grab zogen. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 45, 29 (schwäb., v. 1542): An dem tag, alß sy hinweg mußten faren, gab ich inen allen ze morgen zu essen, letzet mich mit inen. B‰umker, Geistl. Liederb. 51, 11, 1 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Leczt dich noch hie ain weyl von mir! 兩 wer ways, wan mich mer sehen wirst! Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 140, 6 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Herczog Albrecht von Österreich und graf Meinhart von Tyrol [...] sich ze Augspurg liepleich leczten von chünig Rudolffen und riten von danne. Spechtler, Mönch v. Salzb. 37, 34 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): got letzt sich vor mit seiner schar (auf den Abschied beim letzten Abendmahl bezogen). Schmitt, Ordo rerum 672, 10 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Valefacere [...] gesegen [...] vrlaub nemmen [...] leczczen oder gesegen. Weber, Füetrer. Poyt. 107, 5 (moobd., 1478/84): Dy müed sich hett dy nacht von im geletzet, 兩 er ging. Turmair 4, 63, 4 (moobd., 1522/33): [drei herren] wolten sich vor von einander letzen, und in ein ewige gedechtnus machen. − Luther, WA 26, 461, 37; Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 102, 5; Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. 56, 59; Goedeke, Fischart Schiff 1076; Spechtler, a. a. O. 41, 12.

4. ›jn. / sich an e. S. (an Speise, Trank, Geselligkeit, an der Natur) erfreuen, sich laben, sich erfrischen; sich mit jm. (einem Mann / einer Frau, auch erotisch) vergnügen‹. − Bdv.: ergötzen, 1laben 1, lerzen 3, weiden; vgl. gäuchen 2, jubilieren. Ggs.: kränken. − Synt.: jn. (auch: sich) l., sich erlich l., sich mit etw. (z. B. mit gesange) / jm. (z. B. mit einem fräulein / weib), an etw. (z. B. am tanze), zu etw. (z. B. zum -essen) l., die augen / sinnen l.; subst.: jm. letzen geschehen. Ingen, Zesen. Rosenw. 10, 9 (Hamb. 1642): Du Außbund aller Zier [...] 兩 Wo ich mit Èberfluß die Augen letz’ und weide. Ebd. 10, 16: Ich wolte tag fÈr tag die matten Sinnen letzen 兩 und mich mit diesem Volck [...] stets ergËtzen. Ebd. 15, 2: WOl dem / der sich [...] 兩 letzen kann und laben hier. Ettm¸ller, Heinr. v. Meißen 386, 15 (md., Hss. 14./15. Jh.): den wolte ich vürbaz mit gesange letzen. Opitz. Poeterey 24, 5 (Breslau 1624): Jch wil weil ich kan mich letzen. 兩 Bitte meine guete BrÈder 兩 Auff die music vnd ein glaß. Gille u. a., M. Beheim 354, 160 (nobd., 2. H. 15. Jh.): daz yeder hete 兩 ain fraulin an dem pete, 兩 [...] 兩 Da welt wir uns genug 兩 mit in leczen und lerczen. Chron. N¸rnb. 5, 723, 4 (nobd., 1490): [die erbarn frawen] baten sein küniglich wirde ze bleiben und sich mit in

letzenis − letzung

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zu letzen am tantz. Sachs 14, 84, 15 (Nürnb. 1550): Derhalb ich noch ein monat bleib, 兩 Zu letzen mich mit diesem weib. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 25, 88 (schwäb., 1471): [du stoltzer Jüngeling] Ich will mich mit dir letzen. Ebd. 2, 5, 66: Geschach dir ye chain letzen 兩 Von mir in langer zeitt. Barack, Zim. Chron. 4, 82, 9 (schwäb., M. 16. Jh.): do wolt er sich mit dem grafen zum nachtessen letzen. − Ingen, Zesen. Ged. 385, 4; Chron. baier. St‰dte. Regensb. 97, 24.

5. ›freundlich gegen jn. sein, sich mit jm. gutstellen‹. Sachs 17, 246, 22 (Nürnb. 1562): ich muß mich mit ihm letzen; Dann er wird ietzt gen himel fahrn. 兩 Wenn ich auch komb hinauff nach jarn, 兩 So wird er mir auch wider schenkken.

6. ›etw. abgrenzen, eine Grenze ziehen‹. − Bdv.: begrenzen, 2bereinen, besteinen, grenzen 3, vermarken. − Wbg. (als Ütr. hier anschließbar): lezheit. Schˆpper 77a (Dortm. 1550): Conterminare. Grentzen letzinen. Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb. 118: Extremitas i. finis vel finalitas leczhait.

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Sprach Muschil Jode Tilkin roten an vm vumfczig marc schult. Chron. N¸rnb. 5, 636, 1 (nobd., E. 15. / A. 16. Jh.): hernach die letzern 59 wochen gab man das gemelt prot iede wochen neur einen tag auß. v. Keller, Ayrer. Dramen 2020, 26 (Nürnb. 1610/8): Die letzter kunst ist schier die best. 兩 Lernt mich die letzter kunst allein! − Helm, a. a. O. 8928; 16251; v. Keller, a. a. O. 2441, 10.

letzern, s. letzer. letzeschrift, letzesteuer, letzetrab, s. letze 4.

1

letzetrank, letzetrunk, s. letzen 3. letzewort, das; −/auch -π. ›Abschiedswort‹, in der Regel mit Bezug auf das sakramentstiftende Abendmahl Christi mit seinen Jüngern; vgl. letzen 3. Kuther, WA 45, 623, 18 (1537): Das ist nu ein seer tröstlich [...] Letzewort, das er jnen lesst nicht stete und schlösser [...], sondern den frieden als den höhesten schatz jn Himel. Ebd. 45, 623, 5: Das sind die letze wort als des, der da wil hinweg scheiden. Ebd. 45, 627, 11; 46, 98, 11; 46, 111, 3.

letzie, s. 2letze.

letzenis, s. letzen 1. letzenzeit, s. 2letze 3. 1

letzepfennig, letzepredig, s. letze 4. letzer (der), s. letzen 1. letzer, lester, Adj.; als Komparativ zu lezt rückgebildet. in der Reihe erer / erst / letzer: ›später, später stattgefunden, später vollzogen; später in der Zeit liegend; letztgenannt‹; teils mit Tendenz zur Abwertung, dann: ›minder, eingeschränkt‹. − Phras.: unser frawen tag der letzere ›Fest der Geburt Mariae (8. Sept.)‹ gegenüber dem früher (am 15. August) liegenden Fest der Himmelfahrt Mariae. − Wbg.: letzern ›zurücksetzen, abwerten, schmälern‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 676 (nrddt., 14. Jh.): Daz wir der namen nicheinen 兩 Weder grozeren noch cleynen, 兩 Noch minneren noch meren, 兩 Noch letzeren noch eren. Ebd. 3570: dine lezzeren werk 兩 Schinet vor mir herren 兩 Maniger den erren. Ebd. 11174: ir kein der drier 兩 Ist mechtiger noch vrier 兩 Noch gewaldiger noch herer, 兩 Noch letzerer noch erer, 兩 Wen die drie sint allentsamen 兩 Ein war got. Chron. Kˆln 2, 25, 6 (rib., 1374): in deme selven jaire quamen de denzer zu unser vrauwen dage der lester (Mariä Geburt) zu Collen. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 128, 24, 2 (schles., 1362): An dem Montage vor vnsir vrowen tag der Leczczirn

letzig, Adj. ›verleumderisch; schadhaft; verletzt‹; vgl. letzen 1; 2. − Bdv.: vgl. ausrichterisch, frauenwirtisch, giftig 3, hönlich, kläpperig, lästerlich 2, schandbar, schmählich. − Wbg.: letzigen ›jn. beleidigen; zum Zorn reizen‹. Chron. Kˆln 2, 451, 30 (Köln 1499): den willen wir strenglichen straifen mit dem swert als einen der unser overschaft ind majestait geletziget hait. Voc. Ex quo, O 155 (Eltville 1467): Offendere [...] est aliquem facere irasci, letzigen und erzornen. Franz u. a., Qu. hess. Ref. 4, 188, 7 (hess., 1538): als er nit abstund mit letziger zungen und schrecklichem angesichte zu poltern. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 162, 17 (schwäb., 1491): das nit die gantzhait unsers angefangnen wercks, als ob im ain gelid angeschnitten wer, letzig oder gesechen wurd. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 590, 9 (schwäb., 1588): welcher den andern lemig, letzig, painschröt oder lidtief schlegt. − Rwb 8, 1244.

letzige, s. 2letze. letzigen, s. letzig. letzung, die; -π/−. ›Benachteiligung, Beeinträchtigung, Beleidigung, Schädigung, Verletzung e. P., Angriff auf jn. (auch: auf eine Gruppe); Herabwürdigung einer Institution‹; vgl. letzen 1; 2. − Rechts- und Wirtschaftstexte, Chro-

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leu − leuchte

niken. − Bdv.: s. u. Beleg Schˆpper, ferner: abbruch 3, betrübung 2, frefel, hindernis, lämung, malefiz, mishandel, schmach, verwüstung; vgl. letzenis. Ggs.: beschirmung 2. Schˆpper 15b (Dortm. 1550): Offendiculum. Ergernus anstoß strauchstein fall letzung. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 214, 8 (rib., 1375): dat de vurs. Johan van engein van diesen vurs. punten letzunge of hindernisse an ieme hait. Hertel, UB Magdeb. 3, 442, 39 (1492): ungerechts unde swarliker lettzinge halven an ohme irgangen. Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 4v, 3 (Zürich 1521): [ob] schon etwas letzung zuo zyten jnfiel / da durch die früntschafft etlicher maß betrÈbt [...] wurd / das [...]. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 161, 32 (halem., 1525): es sig wider die er Gottes oder zuo letzung und betrübung des nechsten mentschen. V. Anshelm. Berner Chron. 1, 379, 7 (halem., n. 1529): o sËllend si im schuldig sin, hilf ze tund zuo beschirmung und zuo lÁtzung, wie die notturft wurd erheischen. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 82, 28 (halem., 1534/5): [Lutrer] stallt gar grusam unerhËrt artickell [...] alles mit verwÈstung und letzung jn r(Ëmischen) hof. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 675 (schwäb., 1530): wer den anderen ain schlechte fliesende wunden schlöcht [...], darauß kein lözung oder lamung volgt, der [...]. − Schmidt, St. Kastorst. 2, 471, 15; Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 8, 2; Dasypodius 155r; Schweiz. Id. 3, 1563. − Vgl. ferner s. v. anfängen 1.

leu, s. 1lewe. leuch, Genus und Etymologie unsicher. eine Farbe eher ein Stoff. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 257, 9 (nwböhm., 1579): ein weiber Rock von Praun leuch.

leuchse, die; zu mhd. liuhse ›Stemmleiste‹ (Lexer 1. 1941); Vielfalt der Schreibformen: -ei-, -ss- statt -chs- (dazu: Frnhd. Gr. § L 53, 4; 56, 3; Schweiz. Id. 3, 1047; 1344). 1. ›Nagel, der durch die Achskappe und die Achse verläuft‹; er sichert die Stabilität der Radspur und hält gleichzeitig die Stützstange für die Wagenrunge; insofern auch (als Metonymie): ›Stemmleiste für die Rungen‹. − Obd.; Rechts- und Wirtschaftstexte, Wörterbücher. − Bdv.: lünse. − Wbg.: leuchsenloch ›durch Achse und Radkappe gehendes Loch für die leuchse‹, leuchsenring ›eiserner Ring, der die Leuchse hält‹, leuchsenstift, leuchshole (wie leuchsenloch). Voc. Teut.-Lat. s iv (Nürnb. 1482): Lan. [...] od’ runagel od’ kypff oder leuchse. Ebd. mm viv: Wagennagel od’

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runnagel od’ leuchß. Ebd. bb vr: Runnagel od’ spannÁgel od’ leuchßhol. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 151, 9 (schwäb., 1536): von den leißelringen von dem größten 6 ∏ und von den andern zwaien ringen von jedem 3 ∏. ze machen. ebd. 30: von ainer lumen oder leisselensteff 1 ∏, von ainer bichs oder leisselenring 1 ∏ [...] geben. Bremer, Voc. opt. 27033 (schwäb., 1. V. 15. Jh.): Limo [...] nabennagel [...] wagennagel [...] lËne [...] laim [...] liÈchsen [...] est clavis axi in anteriori parte infixus et inpediens cantum elabi; uel est baculus an anteriori parte [axis] sursum protensus, vulgariter liÈchsen [...]. Et est luno nomen tractum a vulgari theutonico. Ebd. 27035 (wobd. / oobd., 15. Jh. f.): Columbar [...] nabenlÈn [...] lÈnenloch [...] la´wchsenloch [...]. Et in proposito tanssumitur pro foramine in axe, per quod transfigitur luno. Schmitt, Ordo rerum 247, 16 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Trabale lunse lewchsen. Winter, Nöst. Weist. 2, 527, 18 (moobd., 15. Jh.): pre¨st ¨ır ainem ein wid oder ein leichsten, so sol er gen an ewr holz [...] und sol nimant darumb nichts phlichtig sein. − Voc. Ex quo, Index 457; WVoc. inc. teut. o vijr; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 194 (mit Diskussion der Etymologie).

2. ›Fangarme des Polypen‹; als Ütragung zu 1 (i. S. von ›Stemmleiste‹) auffaßbar. − Schweiz. Id. 3, 1047 (a. 1563). leuchsenloch, leuchsenring, leuchsenstift, leuchshole, s. leuchse. leuchte, die; -π/-n. − Gehäuft nrddt. / md. / nobd. Belege. 1. ›Lichtquelle (z. B. eine Wachskerze)‹; zumeist als pars pro toto für: ›Lampe, Laterne‹. − Phras.: die leuchte aleine tragen ›die Verantwortung allein übernehmen‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper, vgl.: ampel 1, lampe, liecht 1; 2. − Synt.: die l. bereiten / bessern / finden / machen / nemen, zu stücken schlagen; die l. (Subj.) [wo] hängen / scheinen; des hochmeisters l.; die brennende / grosse / hangende / verbrante l.; das liecht aller leuchten (bezogen auf Christus). Wbg.: leuchtenmacher (auch -ä- im Gw). Schˆpper 81b (Dortm. 1550): Lucerna. Liechtstart leuchter lucern latern leuchte. Helm, H. v. Hesler. Apok. 1794 (nrddt., 14. Jh.): Unser herre Jhesu Crist, 兩 Der liecht aller luchten ist. Ders, Maccabäer 7134 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): [han wir] die luhten burnende bereit. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 58, 9 (rib., 1344): ever solen deselve meio o ster kerzen genuch geven up ire kost in de [zwa] luchtin under den gedemen. Chron. Kˆln 3, 672, 29 (Köln 1499): so hait he ouch [...] gesatzt dat Marienbilde ind ein hangende luchte. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 3, 1104 (Köln um 1490): Szo eyne luchte up eyneme gulden luchtere schynende is. Buch Weinsb. 1, 47 (rib., um 1560): Tilman Weitmesser hat die lucht allein getragen, war ein from menschs.

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leuchtefas − leuchten

Ebd. 85, 7: vur jeder deur hink ein lucht mit brennenden kerzen. Ebd. 4, 183, 22 (1594): das jeder burger [...] ein brennende lucht vur dem haus hangen gehat. Kurz, Waldis. Esopus 4, 93, 54 (Frankf. 1557): Ein alter MÈller one Korn, 兩 Ein Leuchtenmacher ohne Horn. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 145, 25 (nürnb., 1464/75): hat man ettwan vill leuchten machen lassen, die man auch auß geben wolt in ettlich eckhäuser. − Joachim, Marienb. Tresslerb. 459, 25; Ziesemer, Marienb. Ämterb. 149, 31; ders., Gr. Ämterb. 186, 10; 713, 22; Buch Weinsb. 1, 354, 11; 356, 23; 5, 40, 9; Struck, Joh. Pfannstiel 183, 52; Hertel, Hall. Schöffenb. 2, 333, 23; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 305, 17; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 79.

2. ›Leuchten, Glanz, Leuchtkraft; von einer Lichtquelle ausgehende Helligkeit‹; vielfach tropisch im Anschluß an 1 gebraucht, dann z. B.: ›abschreckendes Beispiel, Orientierungshilfe‹; ›lichthaft gedachte Seinsform (Christi)‹. − Phras.: jn. für eine leuchte in der nacht vorstellen ›jn. als Warnung, als abschreckendes Beispiel hinstellen‹. − Bdv.: vgl. geleuchte, glanst 1, glänster, glanz 1, glänze 1, heitere, kläre, klarheit 1. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2155 (nrddt., 14. Jh.): Also irouget her ouch sich, 兩 Als her wir thuen danne, 兩 Deme guten Johanne 兩 Mit also liechter luchten 兩 Daz her sunnen duchten 兩 Sin von ebenglicher mugent. Ebd. 22310: Daz ist aber Got Jhesus Crist, 兩 Der luchten alles liechtes ist. Perez, Dietzin 2, 392, 16 (Frankf. 1627): Jhr kËnnet ewern Freunden billich fÈr ein Leuchte in der Nacht vorgestellet werden / mit ewerm bËsen vnnd verruchten Leben / daß sie nemblich eweren bËsen Außgang betrachten. H¸bner, Buch Daniel 2014 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Lylien sten in vuchte 兩 In drierhande luchte, 兩 Wiz, gel, bla, der varwen fin. Sachs 19, 248, 14 (Nürnb. 1563): Dann das gebot ist in der nech 兩 Ein leucht, und liecht ist das gesetz. Klein, Oswald 106, 45 (oobd., 1411?): Auffrüstigkliche wunne, sunne, 兩 brunne, meines herzen feuchte, 兩 leuchte deiner öglin klar 兩 gar mich verzucket.

leuchtefas, das. ›Leuchte, Lichtquelle‹; in allen Belegen in religiöser Ütr.; vgl. leuchten 2; 5. − Bdv.: vgl. lampe. Helm, H. v. Hesler. Apok. 20917 (nrddt., 14. Jh.): Gotes schin; 兩 Der ist daz ware luchtevaz. Ebd. 22313: Daz ist aber Got Jhesus Crist, 兩 Der luchten alles liechtes ist. 兩 Bi dem wanderet die diet, 兩 [...] 兩 Wen daz lamb ist ir luchte vaz. Eggers, Psalter 36, 2 (thür., 1378): Wan du derluchtes, herre, min luchtevas. Reissenberger, Väterb. 6173 (md., 14. Jh.): Apollonius was sin name, 兩 Dem lande gar ein luhtevaz. − Helm, a. a. O. 22257.

leuchtekerze, s. leuchten 2.

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leuchten, V. 1. ›eine Lichtquelle benutzen, um einen Weg (auch ütr.) durch Beleuchtung anzuzeigen‹. − Wbg.: leuchthof ›(durch Tageslicht) beleuchteter Hof‹, leuchtrahe ›Stange, an der die Leuchte befestigt wird‹ (Gw zu mhd. rahe ›Stange‹, Lexer 2, 335). Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 195, 2 (hess., 1489): man soll auch des nachts keyn garn setzen, auch nit leuchten. Ska´ la, Engel, Rats-Chron. Würzb. 309, 122 (nobd., Hs. M. 17. Jh.): thür, die da gehet auf den leuchthof. Dirr, Münchner Stadtr. 420, 23 (moobd., um 1365): Swer wagenlÁwt [...] herberget, der sol in mit Ènsliecht lÁwchten. Klein, Oswald 6, 54 (oobd., um 1425?): got, schepfer, leucht mir Wolkensteiner klar! − Sappler, H. Kaufringer 5, 142; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 195.

2. ›leuchten, glänzen, strahlen, Licht werfen (von Bezugsgrößen, denen das Leuchten als wesenhaft zugeschrieben wird)‹; vielfach tropisch. − Bdv.: brehen, scheinen; vgl. glänzen 1; 2, glasten 1. − Synt.: der bliz / comet / funke / himmel / mond / scheiterhaufe / stern, die 2kerze / sonne (jeweils mehrfach)9, das liecht (häufig) l.; die leuchtende fackel / lucerne, das leuchtende liecht. Wbg.: leuchtekerze, leuchtepfanne, leuchtkrone, 2leuchtschirbel gefäßartiger Leuchtkörper9, leuchtsel (a. 1545), leuchtung 1. Joachim, Marienb. Tresslerb. 362, 36 (preuß., 1405): 5 m. an 1 frd. vor 5 messinges luchtkronen. Ziesemer, Gr. Ämterb. 308, 31 (preuß., 1420): 6 holczynne luchtekerczen, 1 czenynne lampekanne. Ebd. 591, 11: 3 beslagene eymer, 1 luchtschirbil. Quint, Eckharts Pred. 1, 326, 9 (E. 13./A. 14. Jh.): Soˆ diu sunne uˆfbrichet, daz ist des morgens lieht; dar naˆch soˆ liuhtet si ie baz. Ebd. 2, 30, 6: daz [oberste der seˆle] in dem liget bedecket als ein ursprunc alles guotes und als ein liuhtende lieht, daz alle zıˆt liuhtet, und als ein brinnender brant. Chron. Kˆln 2, 2v, 7 (Köln 1499): dye historien synt gelych als luchtende fackelen vnd reytzung off stuppung zo den doegenden. Ebd. 606, 35: die [kertze] luchte so schoin ind so clair. Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 153 (pfälz., 1436): mit hilffe jres [sele] liechts, das da lüchtet der vernonfft. Voc. inc. teut. p ir (Speyer um 1483/4): Liecht das vo˜ im selbs scheint vnd leucht. J¸rges u. a., Waldecker Chron. 350, 15 (wmd., 1546): 2 luchte pfannen. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 367b, 13 (Frankf./M. 1649): wie in vnserm lieben Teutschlandt [...] die Scheiter hauffen / Leuchten. Feudel, Evangelistar 5, 27 (omd., M. 14. Jh.): daz licht luchtete in dem vynsternysse. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 5, 15 (osächs., 1343): nimant intzundet eine lucerne und setzit si undir eine maˆz, abir uˆf einen luˆchter, uˆf daz si luˆchte [Mentel 14752f.:

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leuchten

kertzstal] alle den die [...]. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 151r, 39 (Leipzig 1588): nach absterben Keyser Ludwigs / hat auch ein Comet 3. Monat lang geleuchtet. Bˆhme, Morg.R. 13, 18 (Hs. 2schles., 16129): als so viel hunderttausend Sonnen leuchten werden. v. Keller, Ayrer. Dramen 915, 4 (Nürnb. 1610/8): O grechter Richter [...] 兩 laß leuchten die Sonn der Grechtigkeit! Vetter, Pred. Taulers 378, 22 (els., 1359): Ze gelicher wis als die klare sunne schinet, so verblendet si alle die lu´chtunge der sterne. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 37, 17 (Straßb. 1466): diser auslegung o hab ich gegeben ein kurtze wach zeit bey dem leuchtditz buchs scherben. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 7, 18 (noobd., 1347/50): der [himel] haizzet der feurein himel, davon, daz er an im selber zemal leuhtend und prehend ist. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 1, 12 (tir., 1464): Als das materleich liecht nücz ist, das da leüchten ist den menschen in den vinstern [...] we¨gen. − Ziesemer, Marienb. Ämterb. 10, 1; Luther, WA 22, 369, 10; Peil, Rollenhagen. Froschm. 86, 1352; Quint, a. a. O. 240, 4; Jahr, H. v. Mügeln 1026; 2118; 2343; Vetter, a. a. O. 333, 9; Steer, Schol. Gnadenl. 5, 75; Sappler, H. Kaufringer 17, 192; Bre´ vart, a. a. O. 34, 7; Volkmar 238; Pf‰lz. Wb. 4, 958. − Vgl. ferner s. v. asterion.

3. ›leuchten, glänzen, angenehmen hellen Schein geben (von Bezugsgrößen, denen das Leuchten als auszeichnende Eigenschaft zukommt oder zugeschrieben wird)‹. − Bdv.: fünkeln, glänzen 1, glästen 1, 2gleissen, scheinen, schimmern. − Synt.: der carfunkel / palast / stein, die krone / lasur, das antliz / gold / gut l., etw. sam ein liecht, als das feuer l.; der leuchtende stein, das leuchtende har. Wbg.: leuchtig 2, leuchtnis ›das Strahlen‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 21986 (nrddt., 14. Jh.): Ir [der stein Krisoparus] luchtnisse sulchen schin treit 兩 Daz sie luchten in dem vinstern. Wunderlich, Fierrabr. 51, 15 (Simmern 1533): Diese Jungkfraw [...] het ein leuchtend har / als das schËn gold. Karnein, Salm. u. Morolf 9, 2 (srhfrk., Hs. um 1470): Ein kron trug die kunigin, 兩 die luchte recht als der sonnen schin. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 168, 2 (Frankf. 1535): Peridonius ist ein steyn der leuchtet ann der farb als das feur. Strauch, Par. anime int. 138, 21 (thür., 14. Jh.): wan Got ein spigil ist in deme alliz gut luˆchtit. v. Tscharner, Md. Marco Polo 58, 33 (osächs., 2. H. 14. Jh.): wen her [rubyn] luchtit sam eyn licht unde burnit glich eyme vugir. Pyritz, Minneburg 369 (nobd., Hs. um 1400): Irs namen luchtig gymme 兩 Its durch sußet als ein zimme. Gille u. a., M. Beheim 267, 18 (nobd., 2. H. 15. Jh.): ir antlut leuchtet alz ein schmit vor tag. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 465, 17 (oobd., 1349/50): Vertillus ist ain läuhtend stain genuog klaˆr. Klein, Oswald 34, 1 (oobd., 1416): Es leucht durch graw die vein lasur. − Belkin u. a., a. a. O. 64, 10; Lauchert, Merswin 9, 26; Weber, Füetrer. Poyt. 323, 2;

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Alberus Kk iijr. − Vgl. ferner s. v. abnemen 18, abwischen 1, baldekin 1.

4. ›an-, hereinbrechen (vom Tag)‹. − Bdv.: vgl. anblicken 2, anfallen 1, anstossen 8; 12, 2aufbrechen, aufgehen 15, hereinfallen 2, herfürbrechen 1, herfürkommen 3. − Wbg.: leuchtig. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 23, 54 (osächs., 1343): der tag was der vorbereite tac, und der sunaˆbint luˆchtite ˆın. Pyritz, Minneburg 4793 (nobd., Hs. um 1400): Ez sy luchteg oder tymber, 兩 So get vor uz von ir [wip] ein schimber. − Bechstein, a. a. O., Mt 28, 1.

5. in einer hohen Anzahl von Belegen ütr. von Gott, Gottes Allmacht, von religiös durch Herrschaft oder sonstige Qualitäten ausgezeichneten Persönlichkeiten, auch von der Minnedame, der Seele u. ä. gesagt; ›in hellem Licht erstrahlen, leuchten, glänzen, in etw. / jm. aufleuchten‹. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: als ein drek / eine rostige pfanne leuchten. − Bdv.: brehen, brennen 16, glinstern 1, glühen 1, scheinen; vgl. glorieren 2. − Synt.: ein liecht (Akk.) l.; got, Christus, das kindlein, Darius, der herre, der heilige, der mensch, der beichter, Maria, die fraue, die magd, das weib, der frommen leib, das angesicht gottes, die sele, die almächtigkeit / einigkeit / keuschheit / liebe, das evangelium / liecht / wort, js. lob, die werke l.; die leuchtende anweisung / warheit. Wbg.: leuchterin, leuchtig 2 ›hell‹, leuchtung 2. Helm, H. v. Hesler. Apok. 3487 (nrddt., 14. Jh.): Des [Crist] luchtene sulche craft truc 兩 Daz sie den tuveln wider sluc. Luther, WA 10, 1, 1, 628, 18 (1522): blindheyt, die das Euangelium nit sihet, obs wol leuchtet . Ebd. 33, 52, 23 (1530): die Veter leuchten gegen jme [Moses] als ein Dreck in einer Latern. Reissenberger, Väterb. 15359 (md., Hs. 14. Jh.): So kumt die luterinne, 兩 Die sunne rehter minne, 兩 Die bringet vreude vollenkumen. Froning, Alsf. Passionssp. 174 (ohess., 1501 ff.): ich [Lucifer] werde widder als ee 兩 viel schoner dan die sonne 兩 und luchte als eyn rostrige phanne! Jostes, Eckhart 2, 3 (14. Jh.): Cristus ist mir alle ding. Da geschiecht ein leuchen und ein widerleuchen sin selbes natur. Ebd. 45, 30: Di bildreich form gotz, [...] dar an leuhtet daz pild aller ding ungeformet in einvalticheit. Di selb form di leuht einvalticlich ein liht in allen geisten. Strauch, Par. anime int. 46, 28 (thür., 14. Jh.): ich were noch seliger ob ich volgite der lere und geordinit were zu der luchtunge der engle. Neumann, Rothe. Keuschh. 2402 (thür., 1. H. 15. Jh.): thud der schonen kuscheit ere, 兩 di luchtid vor andern togunden sere. Pyritz, Minneburg 3411 (nobd., Hs. um

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leuchtenmacher − leuchter

1400): luchticlichen git er [munt] glitzen 兩 Recht sam ein uber heller blitzen. Gille u. a., M. Beheim 161, 543 (nobd., 2. H. 15. Jh.): das ein menschen pleüd 兩 also chreftigen tute 兩 Und freuet seinen müte 兩 und sein leiden czu leuchtung wendt. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 5, 6 (Nürnb. 1631): Der Frommen Leib wird leuchten schon. Bihlmeyer, Seuse 244, o schonheit. 2 (alem., 14. Jh.): die bihtere lu´htent in grunender Chron. Strassb. 306, 5 (els., A. 15. Jh.): Daryus [...], der do lühtet mit den götten von Persa, enbüte mime diner fröude. Schmidt, Rud. v. Biberach 170, 13 (whalem., 1345/60): daz dv´ gotlich wu´rkvnge lu´chtet in dem menschen. P‰pke, Marienl. Wernher 14225 (halem., v. 1382): Su´ v ist du´ werde maget rain 兩 An su´nde und ane main 兩 Du´ inder welt lu´cht allain. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 214, 7 ([Augsb.] 1548): Ain Herr on Ehre / leüchtet also wol 兩 Als ain schËn Saal / finsternuß vol. Kummer, Erlauer Sp. 3, 946 (m/soobd., 1400/40): [jamer] umb den vil lieben herren mein, 兩 der da leuchtet fÈr der engl schein! Bauer, Imitatio Haller 78, 26 (tir., 1466): es geschicht etwenn, das der vnpekchant mensch leüchten ist durch das guet lob. − Luther, WA 21, 457; 21, 494, 16; 22, 414, 6; Quint, Eckharts Pred. 1, 31, 7; 2, 277, 4; ders., Eckharts Trakt. 111, 21; 210, 15; H¸bner, Buch Daniel 6598; Jostes, a. a. O. 75, 33; Pyritz, a. a. O. 4788; Kehrein, a. a. O. 1, 20, 1; 2, 385, 6; Bell, G. Hager 41, 3, 2; 46, 3, 22; Bihlmeyer, Seuse 186, 12; 299, 21; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 466, 19; 549, 20; Gilman, a. a. O. 1, 85, 20; Schmidt, a. a. O. 37, 16; Sappler, H. Kaufringer 1, 89; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 119, 29. − Vgl. ferner s. v. anhaftung, anweisung 2, 2aufbrechen, ausbund, auswendig 9.

6. ›in den Sinnen als Bild erscheinen, als Bild aufleuchten‹; ütr.: ›etw. besagen‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Wbg.: leuchtung 3. Helm, H. v. Hesler. Apok. 18337 (nrddt., 14. Jh.): zu der vesperzit 兩 Ein luchtenunge schinet 兩 Die nimmer mer vorswinet. H¸bner, Buch Daniel 760 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Kunic, sich, dich beduchte, 兩 Als dir din sinne luchte, 兩 Wie eine sule stuende 兩 Vor dir. Vetter, Pred. Taulers 22, 14 (els., E. 14. Jh.): Er sol ufston, surge, sprichet dis o wort: ,stant uf‘; dis lu´htet iemer als ob der mensche darzuo tun su´lle, er muso ufston von allem dem daz Got nu´t enist. − H¸bner, a. a. O. 3572.

leuchtenmacher, s. leuchte 1. leuchtepfanne, s. leuchten 2. leuchter, der ; -s/-π, auch -e. ›großer Kerzenhalter, Kerzenständer, Kandelaber; Menora‹; metonymisch dazu: ›Licht; Lichtquelle, die auf den Kerzenhalter aufgesetzt wird (z. B. eine Kerze)‹; ütr.: ›Person, die eine Leuchte trägt‹. − Bdv.:

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s. u. Schˆpper, ferner: kerzenstok, lampe, liechtstok. − Synt.: den l. waschen, dem kloster einen l. schenken; der l. [wo] stehen, in die kirche gehoren; das liecht auf dem l. brennen, etw. (z. B. die luzerne) auf den l. einsetzen, die lampe fürwärts dem l. scheinen, jn. (got) in dem l. beschauen; der alte / aufgehängte / eisene / guldene / irdene / kupferne / messingene / überzinkte / vierfache / weisse / zinnene l.; 3 par leuchter ; das liecht des leuchters. Wbg.: leuchterwurf ›Wurf mit einer Leuchte (als Straftat)‹. Schˆpper 81b (Dortm. 1550): Lucerna. Liechtstart leuchter lucern latern leuchte. Helm, H. v. Hesler. Apok. 1614 (nrddt., 14. Jh.): Do sach ich siben luchtere, 兩 Die waren von golde. Ebd. 1664: Daz Got in siben luchteren 兩 Johannen sich beschouwen hiez 兩 [...] 兩 Daz ist ein stark gedute. 兩 [...] 兩 Der luchter ist des liechtes stadel, 兩 Alz ist daz liecht des libes adel. Ebd. 7768: Da vor sach der gute Johan 兩 Crist in den luchteren stan 兩 Glich menschlichen antlitzen. Luther, WA 8, 378, 31 (1521): Alszo mocht er [Gott] itzt tzu den stifftern, reuchern, sengern, klengern und leuchtern sagen: Meynet yhr [...]. Ebd. 10, 1, 1, 677, 21 (1522): da ist keyn tzill noch masse, [...] monstrantz, silbern bild unnd kleynod, leuchter, kertzen, liechte, weyrauch. Ebd. WA 23, 558, 11 (1527): Er [Prophet] habe ein gesicht gesehen, wie ein gÈlden leuchter stehe zwisschen zweyen Ëlebewmen. Ders. Hl. Schrifft. 4. Mose 8, 2 (Wittenb. 1545): Wenn du die Lampen auffsetzest / soltu sie also setzen / das sie alle sieben fürwerts dem Leuchter [Mentel 14752f.: KËrtzstal] scheinen. Kollnig, Weist. Schriesh. 144, 30 (rhfrk., 1620/1710): blutrunst, item kanten-, kraußen-, gläßer-, leuchter-, teller- und dergleichen würf. Feudel, Evangelistar 143, 4 (omd., M. 14. Jh.): Noch sy inpurnen dy lucernen unde inseczen sy nicht under den scheffel, sundir uf den luchter uf daz sy luchten. H¸bner, Buch Daniel 4537 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Blicke warf er [kung] stetlich dar 兩 [...] 兩 An die gelit me und me 兩 Die da schriben kein im e 兩 Und des luchters lichtis schin. Rˆhrich u. a., Cod. Dipl. Warm. 4, 554, 2 (omd., 1434): VII czenen kannen und 1 eren luchter. Gille u. a., M. Beheim 441, 85 (nobd., 2. H. 15. Jh.): du pist der guldin leuchter, der 兩 im thempel Salamane 兩 erlaucht mit siben lampen kler. Barack, Zim. Chron. 1, 92, 33 (schwäb., M. 16. Jh.): das vor vilen jaren ain freiherr von Zimbern dem closter ain guldinen leuchter [...] arbait, so im latein genennt würt candelabrum miri operis, zu eewiger gedechtnus geschenkt hab. Chron. Augsb. 8, 360, 20 (schwäb., zu 1548): auf jedem altar ist gestanden ain guldin creutz, [...], sechs schön silberin leichter, darauf sechs kertzen. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 4, 10 (tir., 1464): er hat geleücht als das liecht, das da prinnt auf dem leüchter mitten in dem tempel gottes. − Luther, WA 47, 686, 29; 49, 732, 13; Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 48, 5; 119, 39; J¸rges u. a., Waldecker Chron. 352, 10; Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk. 4, 21; K¸ther, UB Frauensee 410, 4; Kisch, Leipz. Schöf-

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leuchterin − leumund

fenspr. 411, 10; Lippert, UB Lübben 2, Einl. 54, 17; Chron. Augsb. 2, 385, 14; M¸ller, Welthandelsbr. 289, 5; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1605; Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 5481, 17; Zingerle, Inventare 8, 2, 15; 27, 2, 18; 98, 2, 30; Dasypodius 23r; 371v; Maaler 269r; Golius 321; Hulsius L iijr; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 305, 20; Pf‰lz. Wb. 4, 957. − Vgl. ferner s. v. ampulle 2.

leuchterin, s. leuchten 5. leuchterwurf, s. leuchter. leuchthof, s. leuchten 1. leuchtig 1; 2, s. leuchten 3; 4. leuchtkrone, s. leuchten 2. leuchtnis, s. leuchten 3. leuchtrahe, s. leuchten 1. leuchtscherbe, leuchtschirbel, leuchtsel, s. leuchten 2. leuchtung 1; 2; 3, s. leuchten 2; 5; 6. leucophlegmatica, die; aus dem Griech. über lat. leucophlegmatica ›Bleichsucht‹ (Georges 2, 624). eine Krankheit, wohl ›Wassersucht‹. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 235r, 1 (md./oobd., 1446/8): mercke: ist das sy ist vber den ganczen leyp, so macht leucoflematicam, / das ist waßerkeyt.

leuerachtig, Adj.; zu 1lauer. ›schlaftrunken‹. Maaler 269 (Zürich 1561): Leürachtige augen / Von grossem schlaaf der einen ankompt. − Schweiz. Id. 3, 1377.

leug, Genus? Aus franz. lienes, so das Glossar zur u. a. Ausgabe. ein Entfernungsmaß (laut Umfeld des ersten Belegs etwa eine halbe teutsche meile). Morrall, Mandev. Reiseb. 5, 4 (schwäb., E. 14. Jh.): das wasser der Tonaw [...] hatt als ain ungestÈmen gang in das mere das es sÈß ist in dem mer hin in zwaintzig loüg. Rauwolf. Raiß 14, 12 ([Lauingen] 1582): fart biß in Cypern, (dahin noch 1300 [meiln] seind / deren 3 ein FrantzËsische leucam oder meiln machen).

leuge, wohl der ; Lemmaansatz unklar. Monatsname, möglicherweise ›Juli‹. Chron. Augsb. 4, 120, Anm. 1 (schwäb., v. 1536): Des jar ward auch der rerkast gemacht bei unser Frawenbrieder und gesetzt im lewge 1508. − Schw‰b. Wb. 4, 1989.

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leugnen (+ Wortbildungen), s. läugnen (+ Wortbildungen). leumd(e), s. leumund. leumden, V. ›ehrend oder verleumderisch über jn. sprechen‹; als part. Adj. (ge)leumdet ›von gutem bzw. üblem Ruf‹, wohl auch mit Tendenz zu ›beschuldigt‹; zu leumund 1, zum part. Adj. vgl. auch leumund 5. − Bdv.: loben 1, 1preisen 1; vgl. (negativ): abbrechen 11, ausmären, beklaffen, beschämen 3, schänden, schelten, schmähen, unleumden. Voc. Ex quo, D 329 (rhfrk., 1418): Diffamare beschemen [...] / schmehen uel eyn bose gerecht machen. Voc. inc. teut. o viijv (Speyer um 1483/4): Leumt me˜sch Famosus. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 60, 26 (m/soobd., 1537): mit wol geloumbten männern. − Schweiz. Id. 3, 1273; Vorarlb. Wb. 2, 276; Schw‰b. Wb. 4, 1205.

leumdig, Adj. ›von gutem Ruf, gut beleumundet‹; zu leumund 1b. − Oobd.; Rechtstexte. − Bdv.: vgl. geleumt, gerüchtig. Ggs.: schädlich, unleumdig. Siegel u. a., Salzb. Taid. 84, 33 (smoobd., 1654/68): ist er aim pfle¨ger taug, nuz und gefölig, ist guet, ob nit, so se¨zen sie ain gueten, frumen, leibumbtigen (Var. C: leumbtigen) gerichtsman al 14 tag. Ebd. 287, 25 (1494): es soll auch ain ieder hauswirt oder angesezzner man aufnemen leuntig poten, knecht und diern, [...], die sich allenthalben gegen den nachtpawrn mit beschaidenhait [...] haltent. − Winter, Nöst. Weist. 4, 425, 23 (hier Var.: leutig); Rwb 8, 1257.

leumdung, die. ›Gerücht, Kunde, Gerede‹; zu leumund 3. − Bdv.: vgl. gerücht 4, leumund 3. Bernoulli, Basler Chron. 4, 373, 4 (alem., 1348): es o stund ein gross lumdung uff, das die Juden die Cristenheit dilken woltten mit vergift.

leumlos, Adj.; zur Sippe von leumund. ›böse, ruchlos‹. − Bdv.: erlos, verbannen; vgl. anrüchtig 1, ruchlos. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 8, 10 Var. (Straßb. 1466): Der weg seint verkert vnd ir geng seint verpannen [Var. 14752−1480: lewmloß; 1483−1518: erloß].

leumund, leumd(e), leumut, lümut, der ; -s oder -en/−; aufgrund etymologischer Undurchsichtigkeit starke Formvariation: Kontraktionen, Entrundungen (-ei-), Zer-

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leumund

dehnung der ersten Silbe (zu leine-), unterschiedlicher Stand der Diphtongierung sowie der Umlautkennzeichnung (bezogen auf die erste Silbe), volksetymologische Sinngebung(sversuche) der ersten Silbe (z. B. lein-, 3laugen-, leut-) sowie der zweiten Silbe (-mund, -mut); teilweise völlige Deformation der Schreibung (z. B. zu land). 1. ›Ruf, öffentliche Einschätzung, Leumund, Urteil der sozialen Umwelt über eine Person oder Personengruppe mit Bezug auf ihr sittliches Verhalten‹; a) teils neutral ohne Attribut; b) teils trotz fehlenden Attributs aus dem Textzusammenhang als positiv oder negativ gemeint erschließbar; c) teils mit Wertadjektiven, meist gut oder böse, attribuiert und dann ansatzweise phrasematisch; offen zu 2−5. − Gehäuft 2Rechtstexte, Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, berichtende Texte9. − Bdv. (alle Nuancen zusammenfassend): 1achtung 4, argwan 1, besagung, erbarkeit, ere, gerücht 5, geschrei 9, glimpf 1; 3, leutlob, lob 1; 2, name, ruf, sage, schmähe, wort. − Synt.: einen (guten / bösen) l. haben, den l. abschneiden / ärgern, kränken / letzen / schwächen / vermeiligen, js. l. rauben, einen guten l. hören, einen bösen l. gewinnen; der l. (Subj.) umgehen / wachsen, jm. lieb sein, sich weit ergiessen, einem apfelschal gleich sein; eines guten leumundes sein; den verdacht durch l. anzeigen, an js. l. rüren, jn. am l. töten, jn. mit dem l. bemorseln, mit dem l. betragen werden, in einen bösen l. kommen, in bösem l. stehen, jn. in einen l. werfen, von bösem l. sein, jn. von dem guten l. bringen; der l. des vaters; der argwönige / böse / dunkle / erliche / gemeine / grosse / gute / offenbare / offene / übele l.; abstrickung / verderben / verkleinerung / zier des leumunds. Zu a): Laufs, Reichskammergo. 187, 22 (Mainz 1555): soferr dann die klagendt parthei den verdacht durch gnugsam anzeyg oder eyn gerücht, leumuth oder aber durch eynen zeugen [...] anzeygt. Hertel, Hall. Schöffenb. 2, 223, 21 (osächs., zu 1424): daz her sy geschulden hat mit reden vnde worten, dy on ere lip vnde lumund ruren. Jerouschek, Nürnb. Hexenh. (obd., 1491): dar die erste anzeugu˜g sol seinb der lumuto mit dem argkwon das iist das geschrey das gemaine˜ volcks. Bachmann, Morgant 290, 36 (halem., 1530): diewyl er [Gannellon] den luˇmbden hat, das er

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der gröst verretter. Wedler, W. Burley. Liber 55r (moobd., v. 1452): du macht / ettwann wol betrogenn werden mit dem lüntden, aber mit der gewissenn nymer. BaptistHlawatsch, U. v. Pottenst. 244 (moobd., A. 15. Jh.): Aines menschen lew¨ndt warumb der ainem appffelschal geleich ist. − Kˆbler, Ref. Wormbs 341, 6; Chron. Augsb. 8, 431, 29. − Zu b): Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 323 (preuß., um 1330/40): daz sich [...] 兩 sıˆn lÈmmunt und o o sıˆn name 兩 [...] 兩 an gutem ruche wıˆte irgoˆz. Luther, WA 10, 1, 1, 652, 12 (1522): das sie [diaboli] dieselben zu schanden machen, yhren leuttmund offentlich rawben. Ebd. 30, 1, 169, 7 (1529): Darümb wil Gott des nehisten leumund, glimpff und gerechtickeit so wenig als gelt [...] verkürtzt haben. Neumann, Rothe. Keuschh. 4229 (thür., 1. H. 15. Jh.): so wirt si [maget] zu der stunde 兩 bemorselt mit dem lÈmunde. Ebd. 5615: ab si dich vordencken 兩 unnd dinen lumund dar umme krencken. Kˆbler, Ref. Nürnberg 85, 2 (Nürnb. 1484): das der Clager dem oder denselben der person oder habe vnd gut auf sein anpringen verpotten worde˜ o wer vngÈttllich gethan. vn˜ vnpillich in sËllichen Ruff. schmehe vnd lewmuto geworffen hette. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 417, 3 (halem., 1534/5): wider die xij ort der Eygnoschaft zuo abstrickung und vercleynerung jrs glimpfs, lümdens und eeren. Bauer, Geiler. Pred. 467, 32 (Augsb. 1508): da aines dem andren mit seinen worten sein eer abschneydet / und ym seinen laümden schwËchet. M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 294, 23 (schwäb., 1535/6): der Brun der mayer waz in ainen lümden, er het ain ku angangen. Rudolf, Peuntner. Sterbek. 150va, 32 (moobd., n. 1434): Vergibst du [...] allen den, die dich gelaidigt habent an deinem leichnam, an deiner seel, an deinem gut, an deinem lanndt vnd an deinem lob? Karnein, de amore dt. 165, 368 (moobd., v. 1440): so ain junckfraw in der lieb vnd mynn wol gelert ist vnd macht damit ir güt wort vnd lewnt wachssen, so mag ir man [...] kayn recht haben wider sie zu sprechen. − Franck, Decl. 344, 23; Bihlmeyer, Seuse 8, 7; Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 8, 33; UB ob der Enns 10, 296, 3; Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk. I, 2, 23, 27; Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 7r, 1; Leidinger, A. v. Regensb. 605, 7; T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 73; Maaler 275v; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 229. − Zu c): Luther, WA 30, 1, 360, 3 (1529): das wir unsern nehisten nicht felschlich beliegen [...] odder bösen leumund machen. Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. 20, 20 (o. O. 1532): ob der verdacht ein [...] leychtfertige person vonn bosem leymadt vnnd geruch sey. Oorschot, Spee/ Schmidt. Caut. Crim. 287a, 14 (Frankf./M. 1649): Wann nun diese angezeigte Persohnen [...] wegen solcher eintzio Leumuths / gen Besagung / vnd gegen sie entstandenen bosen zur Hafft vnd Folter hingerissen wird. Enders, Eberlin 3, 13, 7 (Erfurt 1523): was ist erberkyt vnnd gutter lewmbd nÈtz, so man sich da durch erhebt vber vnd widder Gottis wort. Chron. N¸rnb. 1, 345, 4 (nobd., 1420/41): da bracht hertzog Rudolf von Bayrn sein muetter in einen großen leinmuet mit einem ritter. Mayer, Folz. Meisterl. 100, 289 (o. O. o. J.): schand die auß dem ubeln leumant des vaters kümpt. o / Franck, Decl. 346, 32 (Nürnb. 1531): die sauffsucht

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leumund

durch welche die gesundtheit des gemÈths zerkrÈppelt / [...] die vetterliche erbgÈtter verzert vnd zerstreut / der guto leumbd außgemustert werden. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 43, 8 (Straßb. 1466): der guto leumunt derfaißt die bain [Var. 14752/ 1576: laymung; 1480: leümung; 1483−1518: lewmut; Luther 1545, Spr. 15, 30: Gerücht]. B‰chtold, H. Salat 139, 4 (Freiburg 1537): So dann gar nach in ganzer tütscher nation etwas dunklen lumbdens und sag krücht o und umbgat von dem [...] fründ Gottes, bruder Clausen. Rennefahrt, Recht Laupen 207, 8 (halem., 1545/6): wo die unseren von Loupen einen an das gricht welten wetzen, der ein bËsen lümbden hette. Österley, Steinhöwels Äsop 310, 77 (Ulm 1474/82): so ist diser arme man ains guoten lümden alle zyt gewesen. Voc. Ex quo F 48 (oobd., 1458): Fama ein geruchte vel luumont [...] nomen bonarum et malarum rerum. Niewˆhner, Teichner 656, 23 (Hs. 2moobd., 14699): wer ein frawn tugenthaft 兩 pringt von irm gueten lewnt, 兩 der ist ir veint. − Kohler u. a., Bamb. Halsger. 32, 11; Sachs 17, 220, 25; Geier, Stadtr. Überl. 46, 11; Kˆbler, Stattr. Fryburg 214, 3; Welti, Stadtr. Bern 52, 14; B‰chtold, a. a. O. 189, 255; Dreckmann, H. Mair. Troja 23, 12; M¸ller, Stadtr. Ravensb. 130, 4; Dirr, Münchner Stadtr. 567, 24; Drescher, Hartlieb. Caes. 65, 20; Schwartzenbach 40v; Rwb 8, 1257 f.

2. ›Verleumdung, üble Nachrede, Ehrverletzung; Beschuldigung‹, im Unterschied zu 1 deutlicher negativ und eher als Handlung gedacht. − Bdv.: bedassung, erverletzung; vgl. achterkosung, argwan 1, calumnie, erabschneidung, gerücht 5, geschelle 1, hinterrede, klaffe 1, klafferei, klapper 2, klapperei, laster 3, lästerung 2, lästerwort, liegezunge, nachrede, teiding 7, unglimpf. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 546, 14 (preuß., 1443): das manicherley rede, bedassunge und lunemund, [...], abgetan werden. Leman, Kulm. Recht 2, 5, 23 (Thorn 1584): So sal man [...] ym slan vyrzyk slege. vnd sal deme vatir busse geben vor bosen logen munt [Var.: lumunt] den her von der tachtir hat gemacht. Bihlmeyer, Seuse 66, 23 (alem., 14. Jh.): daz der bËse lÈmde also dur die stat wart o gend u´ber den bruder. Roder, Stadtr. Villingen 180, 8 (önalem., 1582): leimmuot und erverlötzung mag einer, [...], woll appellieren. Schib, EUrk. Laufenb. 138 (halem., 1450): Als denn leider Ulrich VËgtlin [...] von eins bËsen i lumden wegen [...] in den thurn komen. Boner, Urk. Aarau i 663, 3 (halem., 1502): die von des hertten schweren lumden wegen der hexery, [...], gefangengesetzt worden war, schwört nach der Freilassung Urfehde. Karnein, de amore dt. 239, 6 (moobd., v. 1440): er wirt vnder dem volck versmecht vnd mit pösen leuntten vermayligt. − Bernoulli, Basler Chron. 5, 266, 19.

3. ›Gerücht, Kunde, unbestätigtes umlaufendes Gerede über einen Sachverhalt‹.

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− Mehrfach berichtende Texte. − Bdv.: beruf 1, gerücht 4, geschrei 10, märe, ruf; vgl. leumdung. − Synt.: den l. hören; der / ein l. sein / werden / bleiben / ausgehen, jn. betrüben, aufs land kommen, auf jn. gehen, das [...]; der gemeine (mehrfach) / offene / offenbare / starke l. Schˆpper 59b (Dortm. 1550): Fama. LÈmbd leumbd leymat gerÈcht ruff geschrey. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk 4, 14 (osächs., 1343): Jheˆsus ist wider gegangen o in der craft des geistes in Galileˆam, und der lumunt [Mentel 2 1466: mer ; 1475 : geschray; Luther 1545: das gerüchte] o ˆche allesament von ime. Kurrelginc uˆz durch daz kunicrı meyer, Dt. Bibel 5, 17, 6 (Straßb. 1466): es ist nit ein o guter leumund [Luther 1545, 1. Kön. 2, 24: geschrey] den ich hËr: das ir macht zuo vbergeen das volck des herren. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 305 (Genf 1636): Leumb / Beruff / m. GerÈchte [...], Rumor. Vetter, Schw. zu Töß 22, 23 (Hs. 15. Jh.): davon kam sy in sËlichen lu´nden das man wond das sy ainen schweren siechtagen het, und hie von ward sy vil verschmÁhet. Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. 144, 18 (alem., um 1430): ward zwüschen inn zwain ain täding angefangen und ward gemainer lünd, sy wärind mit ainander gericht. Barack, Zim. Chron. 1, 9, 38 (schwäb., M. 16. Jh.): als noch ain gemeiner leumbd, auch wol glaublich, in die erst christenlich kirchen derselben enden verwendet. Ebd. 1, 20, 31: das bei unsern vorfarn ain gemainer leumbedt gewesen, es hab [...]. − Bechstein, a. a. O. Mt. 9, 26; Kurrelmeyer, a. a. O. 9, 508, 6; Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 385, 25; V. Anshelm. Berner Chron. 3, 104, 10; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 740, 15; 741, 9; Chron. Augsb. 8, 430, 2; Rwb 8, 1261.

4. ›öffentliche Einschätzung eines Sachverhaltes‹. Rieder, St. Georg. Pred. 86, 15 (Hs. 2önalem., 13879): ir sont nit gedenken won das war si [...] und daz ewig si und o lu´mden si. Chron. Strassb. 434, 2 (els., A. daz gutes 15. Jh.): die heilge kirche [...] ist vil geswechet und beswert und o die wandelunge het einen bËsen lymut. Lˆffler, Columella/ Österreicher 1, 175, 2 (schwäb., 1491): das kain gemain gestalt oder geschlecht der winreben zuo setzen sy dann usß dem laimden, und kains lang zuo buwen dann das durch erfarung bewert ist.

5. ›Beschuldigung, Vorwurf, Anzeige vor Gericht, Anklage‹. − Bdv.: inzicht, klägde 2; vgl. anklage, antastung 3, anzieg, auflag 3, beklagung 2, besagung 3, beschuldigung, bezicht 1, bezieg, gezieg, incusation, insimulation. Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr. 86, 4 (o/nobd., 1379): Da warde erteilt, daz er sich dezselben lewmunts und inziht entslahen schölt mit sein ainshant mit dem ayde. Dinklage, Frk. Bauernweist. 75, 41 (nobd., 1523): was mit leumund und warer rüge reyn fur gericht kompt, das weyß man nymands. Rennefahrt, Stadtr. Bern 307, 36 (halem., 1403): so

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leumut − leute

sËllen wir ze beiden teilen furi den ... schultheissen und rete ze i Berne komen und den lumden und klegde der gevangnen person i da selbs furlegen.

leumut, s. leumund. leun, s. leunen. leunen, V.; zu mhd. liunen (Lexer 1, 1942). ›auftauen; Tauwetter eintreten‹. − Bdv.: auftauen, 2tauen. − Wbg.: leun ›das Auftauen‹. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 253, 24 (nürnb., 1464/ 75): wo jehling ein leunen oder weichs wetter an viell. Ebd. 29: der [snee] dann dick ist und sich richt in leun und abgeen will. Chron. N¸rnb. 5, 562, 1 (nobd., E. 15./A. 16. Jh.): erst Kungundis da ließ die kelt erst ab und leunet es. Ebd. 695, 32: an sant Katarina tag da regentz und leunet den gantzen tag.

leustel, die; etymologische Zuordnung? ›äußere grüne Schale der Nuß‹. − Wbg.: leustelen ›Nüsse schälen‹. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 221 (a. 1494 für beide Bildungen). leustelen, s. leustel. leut, der / das; -es/−. − Im mittleren Frnhd. auslaufend. 1. ›geringe Anzahl bis größere Menge von Menschen; Volk; Menschheit generell; einem Herrscher zugehörige Menschen, Untertanen, Leute‹. − Vielfach Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Wbg.: leutlos ›menschenleer‹ (um 1476), leutsdrek, leutskot, leutsstein (zur Erklärung s. den Beleg), leutswurm wohl eine Laus oder ein Darmwurm. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 4145 (preuß., um 1330/40): An cleiderin rıˆcheite 兩 und ubirvluzzikeite 兩 nicht achtit noch daz selbe luˆt. Grosse, Schwabensp. 104a, 34 o o (Hs. 2nd./md., um 14109): Mich suchet vil lutes nach miner vfirstende. Helm, H. v. Hesler. Nicod. 4390 (nrddt., 14. Jh.): du [Crist] bist war heil des lutes. Ders., H. v. Hesler. Apok. 5323 (nrddt., 14. Jh.): Lut und vie wirt selic dort. Leman, Kulm. Recht 2, 23 (Thorn 1584): Begrift eyn man eyne iuncvrouwe vf eyme ackir, do nicht lute en ist. Fischer, Folz. Reimp. 9b, 100 (Nürnb., um 1485/86): alls es [worber ›eine Wahrsagerbeere‹] ein richen hot ›riecht‹, 兩 So iß nicht anders dan leütskot. Sachs 17, 203, 20 (Nürnb. 1557): Der feyhel schmeckt gleich wie leutsdreck! Hulsius L iijr (Nürnb. 1596): Leut / gens. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 564, 14 (els., 1362): Von disem zeichen wart vil lu´tes gloˇbig. Schade, Sat. u.

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o Pasqu. 2, 150, 26 (els. 1521): an feirtag, so vil leut zum opfer kumpt in allen dörfern. Merzdorf, Historienb. 673, 3 (alem., Hs. 2. H. 14./A. 15. Jh.): so wart er rich und o Adrian, Saelgewan in demselben zil gar vil lu´tes und gutes. den Hort 5212 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): swaz lu´tes in der gegene 兩 man da sach kainen presten han. Schmidt, Rud. v. Biberach 73, 1 (whalem., 1345/60): Verstentnissi ist ein kraft der sel [...] ,zvo ervarne gËtlich heimlichi, vnd i dar zvo kvmt wenig luttes‘. P‰pke, Marienl. Wernher 141 (halem., v. 1382): Den ainen tail si maˇssen 兩 Mit tru´wen dem armen lu´t. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 32, 25 (oobd., 1349/50): die veigen machent niht guot pluot und dar umb machent si dem menschen vil leutswürm. Ebd. 305, 16: pediculus haizt aigencleich ain füezling. daz ist ain leuteswürml oder ein kintpeiz, und haizt dar umb ain füezling [...], daz ez vil füez haˆt. Ebd. 456, 8: Piropholos mag leutsstain haizen. wan [...], der stain ist gar edel und wirt auz ains menschen herz, daz mit vergift ist getœtt, wan daz herz mag in feur niht verprinnen. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 18302; Pyritz, Minneburg 1926; Williams u. a., a. a. O. Aurea 632, 24; 671, 29; 750, 16; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 1991, 112.

2. ›Kriegsvolk; Kriegsknechte; militärisches Aufgebot‹. − Bdv.: vgl. kriegvolk. P‰pke, Marienl. Wernher 10004 (halem., v. 1382): Das si [Beine Christi] do von ainander nu´t 兩 Bringen mocht das vaige lu´t. Bernoulli, Basler Chron. 5, 5, 175, 7 (alem., 1421): die kurfu´rsten [...] schribent iederman sine summ lu´tz, mit wie vil er solte kommen. Chron. Strassb. 856, 12 (els., A. 15. Jh.): do wart ouch menig schif so vol lütes, das daz schif underging.

leutbet, leutbrief, s. leute 5. leutbescheisser, s. leute 2. leutbeschreiber, s. leute 1. leutding, s. leute 5. leute, rhein. vereinzelt: lieden, die; pl. tantum. − Vgl. auch Dwb 6, 873 ff.; Rwb 8, 1262 f.; Verwijs/Verdam 4, 521 ff.; speziell zum Problem der Bedeutungsbeschreibung von nhd. Leute: E. Lang, in U. Kramer, Lexikol.-lexikogr. Aspekte [...]. 2000, 1−40. Die Wortbildungen sind teilweise auch zu leut stellbar, so vor allem bei fehlendem finalem -e des Bw. 1. ›Menschen, menschliche Wesen; Bevölkerung eines Gebietes‹; auch: ›Menschenfigur‹. − Wbg.: leutbeschreiber ›Ethnologe‹, leuteharn, leuteschar, leutefras (ein Spitzname), leutmörder, leutschädig, leutscheu, leutschreiig ›ruchbar, bekannt‹, leutsterben, leut-

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stube ›Badestube, Gemeinbad‹, leuttrieger (a. 1532), leutverblender (dazu bdv.: zäuberer), leutverfürer, leutverfürung ›Verschleppung von Menschen‹, leutverkäufer. o Luther, WA 17, 2, 125, 23 (1525): Darumb sËllt dieser spruch billich die ketzer meyster und leut mËrder erschrecken. Ebd. 30, 2, 43, 11 (1529): Es sind ihenseit des bergs auch leute. Quint, Eckharts Trakt. 43, 12 (E. 13./A. 14. Jh.): daz unmügelich ist bıˆ den liuten, daz ist mügelich bıˆ gote. Chron. Kˆln 2, 57, 12 (rib., 1416): volk mit wunderlichen namen: Ludevrais, Kickpot, Rodehunt. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 4925 (rhfrk., um 1405): Ich han einen stein, der ist dar zu geachtet 兩 Das er die lude, [...], unsichtlich machet. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 149, 10 (rhfrk., um 1435): ich sitzen hie ferre von den lüden / vnd han ouch wedder bette noch stro. Voc. inc. teut. o viijv (Speyer um 1483/4): Leut Hoı˜es in plurali nu˜ero. Froning, Alsf. Passionssp. 1979 (ohess., 1501 ff.): wan uch die ludeschare 兩 begynnet hassen hie dorch mich. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 24, 6 (Hs. 2omd., 14659): Dein kurze vernunft, [...] wil aus leuten mer machen dann sie gewesen mügen. Schmitt, Ordo rerum 130, 17 (omd., 1466): Pigmeus clein lutte. Bechstein, M. v. Beo heim. Evang. Mt 4, 19 (osächs., 1343): Kumit naˆch mir, und ich mache uˆch werden fischeˆre der luˆte [Luther 1545: menschen Fischer]. Th¸r. Chron. 1r, 18 (Mühlh. 1599): Jn der andern [Kammer] waren fleischliche Thier / Jn der dritten / waren die Leute / vnd jhre Speise [...] / vn˜ in der hËhe / [...] / woneten / die VËgel. Mylius H 2v (Görlitz 1577): Præstigator Zeuberer / Leuth verblender. Chron. Strassb. 51, 24 (els., 1362): und verherjete daz gantze welo an lüten und an vihe. Kurrelmeyer, Dt. sche lant an gute, Bibel 2, 211, 32 Var. (Straßb. 1466): vnd den gemein vnkeuschern der mann beyliger vnd den pflagern den lugnern vnd den mainaidern [Var. 1475−1508: den schlagern oder leu´t verfu´rern]. Dasypodius 135r (Straßb. 1536): Misanthropos, Ein leütscheüch / einer der mit niemants gemeinschafft. Bremer, Voc. opt. 41085 (halem., 1329 f.): Vango lu´tverkoˇffer. Plant u. a., Main. Naturl. 296v, 13 i vahe˜t, dc (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): arabia. dez landes lute iar an in dem sumer. P‰pke, Marienl. Wernher 4555 (halem., v. 1382): Und machtond lu´te, als man saget, 兩 Nach dem kinde und nach der maget 兩 Bilde schËne. Rohland, Schäden 468 (nalem./schwäb., 1400/33): leg es [berginschmer] ... in lütte harn. Ebd.: das die [siechen] ¨ye zu wilen badetten in schweiß bädern oder in bütten, nit in den grossen lütt stuben. Morrall, Mandev. Reiseb. 118, 6 (schwäb., E. 14. Jh.): in der ynsel fint man als clain lu´t als die zwerge sind. Chron. Augsb. 3, 78, 22 (schwäb., E. 15. Jh.): Des jars was ain grosser leutsterben hie. Gilman, Agricola. o Sprichw. 1, 382, 22 (Hagenau 1534): die verruchten kriegßleutte / und leütmËrder haben sich darauff verlassen. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 7, 34 (oobd., 1349/50): daz die läut und diu tier in den kalten landen habent gestracktez haˆr. Ebd. 491, 1: diu läutel kindelnt in dem dritten jaˆr und altent in dem ahten. Bre´ vart, K. v.

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Megenberg. Sphaera 42, 16 (noobd., 1347/50): daz ist nach der leut angesiht in dem satzze dez augenenders. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 44, 9 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): [dye Turckhen] tetten da grossen wuest mit pranndt, mordt und lewdtverfuerung. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 136, 1 (moobd., 1476): und solchs alles in stille handlet, damit das nicht leuthschrayig werde. Munz, Füetrer. Persibein 442, 7 (moobd., 1478/84): vor vinster er lüczel wesste, 兩 wo er zer nacht zw lewten sollte kumen. Turmair 4, 209, 32 (moobd., 1522/33): Die alten geschicht-, lenderund leutbeschreiber, [nennen] all nation [...] gegen mittentag [...] swarz Moren. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 490, 2 (m/soobd., 1608): alle diejhenige so grosse riden oder andere vieh- und sonderlich leutschödige hunt haben. − Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 184; Sievers, Oxf. Benedictinerr. 31, 13; Schˆnbach, Adt. Pred. 19, 25; Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 7, 15; Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 187, 12; Hulsius O ivv, Schweiz. Id. 14, 627. − Vgl. ferner s. v. abscheide, absehen 3, alum 1, angehen 17, auszälen 6.

2. ›Leute, Menschen, Personen im Nähebreich, die als pragmatisch bekannt vorausgesetzt werden‹; sie werden demzufolge nicht eigens durch syntaktische oder textliche Bestimmungen charakterisiert. − Phras.: (nicht gerne) bei den leuten sein ›(nicht gerne) unter Leuten sein‹; jn. in die leute tragen ›jn. verleumden‹. − Wbg.: leutbescheisser ›Betrüger‹, leutgeheier (dasselbe; Gw zu geheien ›betrügen‹ Dwb 4, 1, 1, 2, 2346 f.), leutliebig ›beliebt‹, leutlob ›guter Leumund‹, leutschinder 1, leutverräter. Schˆpper 63a (Dortm. 1550): außrÈffen 兩 angeben 兩 jn die leut in bilden 兩 jn die leut tragen. Luther, WA 10, 1, 2, 365, 20 (1526): das die leüt sind in sünden gelegen biß über die oren. Ebd. 30, 2, 448, 21 (1530): Meinet yhr denn [...], yhr vertzweiffelten leüt verrether vnd Gotts lesterer, das [...]. Ebd. 30, 3, 419, 2 (1531): der Luther thut dem Kaiser gewallt und unrecht, sonst heisst mans felschlich und widersetzlich angelogen, das er yn dermassen in die leuthe tregt. Ebd. 47, 300, 38 (1537): ehr [Gott] saget, ich sols bej den leuthen suchen, bej meinem bruder, der mit mir eine Tauffe [...] hatt. Peil, Rollenhagen. Froschm. 549, 1346 (Magdeb. 1608): Der Wolff solt bey nacht schleichen gehen / 兩 Jns Haus horchen / grÈndlich erfahren / 兩 Was jhre Feind fÈr Leute waren. Thiele, Minner. II, 27, 435 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): et syn vele lieden nochtien 兩 der ym der nyter cleyn ontsien. Kurz, Waldis. Esopus 4, 50, 90 (Frankf. 1557): Sie nams vnd gab jm fÈnff Mattheier. 兩 Da lacht derselbig Leutgeheier. v. Keller, Amadis 386, 31 (Frankf. 1561): Denn er die seine für solche Leut hielt, daß er für gewiß achtet, daß Oliuas gar nicht zween so gute bekommen köndte. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 103 (Straßb. o o [...] ein Lutbescheisser. Maaler 1522): ein erfarner Schuler

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269r (Zürich 1561): Wenn er nit gern bey den Leüten was. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 305 (Genf 1636): Leutliebig / e. Affable, doux, gracieux, courtou. Chron. Augsb. 9, 368, 2 (schwäb., 1532): er fragt die leit am selben ort, 兩 Wo ist die frau, die sas am weg? Barack, Zim. Chron. 3, 211, 25 (schwäb., M. 16. Jh.): Und muess man die leut reden lasen, die gens köndens nit. Bauer, Geiler. Pred. 318, 15 (Augsb. 1508): So vil du mer mit den leüten redest so vil du unsynniger würst. Klein, Oswald 112, 96 (oobd., 1438): hat ainer neur ain urtailer 兩 und da bei leute nach der swe¨r, 兩 si volgen al dem selben nach. Voc. Ex quo F 48 (oobd., 1468): Fama ein geruchte [...] luumont [...] lewt lob. − Pyritz, Minneburg 57, 4; Bernoulli, Basler Chron. 6, 210, 28; Kummer, Erlauer Sp. 2, 9; Dict. Germ.Gall.-Lat. 305, 34; Schweiz. Id. 8, 916. − Vgl. ferner s. v. abreden 7, almei, angeben 3.

3. ›Erwachsene‹. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 432, 16 (Hagenau 1534): Auß kindern werden auch leut. − Rwb 8, 1271.

4. ›Leute, Menschen, Personen, die durch ein Adjektivattribut so charakterisiert werden, daß der gesamte Ausdruck semantisch weitgehend durch das Adjektiv besetzt wird‹; die fremden / geistlichen / wilden (usw.) leute können dann als ›Fremde / Geistliche / Wilde‹ verstanden werden. Der häufiger (als in der nhd. Schriftsprache) begegnende bestimmte Artikel situiert die Bezugspersonen tendenziell als pragmatisch (meist situationell, auch textbedingt) bekannt. − Synt. (in Auswahl, ansatzweise nach sachlichen Kontiguitäten): die alten / augschwerenden / aussetzigen / blinden / gebresthaften / hitzigen / kranken / lamen / sinlosen / toten / geistlichen / weltlichen / erbaren / erlichen / biderben / freien / grossen / guten [auch: ›Aussätzige‹; vgl. gut, Adj., 16] / geschworenen / schepfenbaren / volkommenen / gefangenen / frommen / anbetenden / zunemenden / armen [vgl. arm, Adj., 4] / reichen / elenden / heidnischen / israelischen / gebrochenen / losen / hergezogenen / fremden / unnützen / schädlichen / schändlichen / übeltätigen / abenteuerlichen / behenden / bösen / gelerten / schwachen / verfluchten / verfürten / einfältigen / geistlosen / törechten / weisen / jungen / ehelichen / ledigen / wunderlichen / wilden / gedachten l.; alle l. ›jedermann‹, andere l. ›andere‹. Wbg.: leutesel (als Kennzeichnung von buler).

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Helm, H. v. Hesler. Apok. 7094 (nrddt., 14. Jh.): Daz wir unse ougen salben mite 兩 Noch der ougswernder lute site. Mieder, Lehmann. Flor. 150, 4 (Lübeck 1639): Wenn Mann vnd Weib einander schlagen / so ist das der Gewinn / daß ander Leut zu lachen haben. Quint, Eckharts Pred. 1, 8, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): Diz sint harte toˆrehte liute, die alsoˆ koufen wellent mit unserm herren. Ebd. 1, 342, 4: ze der aˆbentwirtschaft ladet man groˆze liute und liebe liute. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 257, 8 (rib., 1487): umbdat desselven Jacops vader rinsnider gebrochenre lude geweist, [...], deshalven unbequeme were. Beckers, Bauernpr. 51, 14 (Köln 1515/18): Die frome luyd steruen gern. Gropper. Gegenw. 17r, 973 (Köln 1556): Die armen verfürten leuth / die in jetzberurtem groben Jrthumb stechen. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 265, 20 (mosfrk., 1418−30): betwang, als dan unsere armen lude undersessen und burgere in den vier dorferen [tegelich lident]. Ebd. 3, 300, 30 (1447): und moegen [...] sich auch daselbs hin als andere frie Triesche lude bestaden. Kˆbler, Ref. Wormbs 313, 7 (Worms 1499): das sie ime offenlich in bysyn erbarer lute vnd nit heimlich vertrut hett. Ebd. 343, 21: vo˜ denen die einen gehessig widerwertig vnwillig oder sust lychtfertig oder klapperich lute syn. Froning, Alsf. Passionssp. 871 (ohess., 1501 ff.): das der toden viel uffstehen, 兩 und die lamen lude viel gehen. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 22, 10 (omd., 1487): Zcwischen ehlichen lewten. das ist manne vnd wey¨be, ein naturliche liebe vnd fru´ntschafft sey¨. K¸ther, UB Frauensee 275, 40 (thür., 1495): sollenn dy gedachtenn lyge [...] die macht habenn, dennselbenn [sehe] uffzubrechen. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 4, 16 (Hs. 2omd., 14659): Guter gewissen, freuntholt, getreu, gewere und zumale gütig was sie gen allen leuten. Ebd. 10, 11: wie die behenden, ebenteuerlichen, hochgelerten und allerlei meisterschaft wol vermügenden leute, [...], müßen zu nichte werden. Schˆnbach, Adt. Pred. 7, 28 (osächs., 1. H. o waz mach erger sin wan daz der mensche 14. Jh.): Liebe lute, o und niht nach gote? Bindewald, Texte hoffe nach dem gute schles. Kanzl. 26, 3 (schles., 1349): daz vor vns [...] kvmen sint di erlichen luyte Wiske vnde Niclaus peczsch gebrude’. Dinklage, Frk. Bauernweist. 43, 18 (nobd., 1451): das die herschaft haben die recht, auf aller herren gut schadber leut anzugreufen. Fischer, Folz. Reimp. 28, 43 (Nürnb., 1488): So spricht der ein: „sich, der statfarr!“ 兩 Der ander: „jo, ydermans narr.“ 兩 „Der lewtesel“, heist yn der dritt. Dietrich. Summaria 20r, 24 (Nürnb. 1578): das dise gnadenpredig den weysen vnd verstendigen verborgen / vnd den armen vnd elenden leutlein offenbart werde. Williams o vnd u. a., Els. Leg. Aurea 53, 3 (els., 1362): das blumen o duch die vf dem altar sant Stephans worent gelegen, gobent vil gebresthaften lu´ten gesuntheit. Ebd. 163, 3 (els., 1362): Daz den weltlichen lu´ten ist eine kleine sunde daz ist eime geistlichen menschen eine uil swere su´nde. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 36, 32 (Straßb. 1650): Jhr Alte seit wunderliche Leute, sprach ich, vnd in gemein könnet ihr nicht wohl sehen oder leiden, daß Junge Leute auch etwas Freude [haben]. Bernoulli, Basler Chron. 6, 129, 17 (alem., 1526): [die WidertËiffer] haben [...] vil armer fromer einfaltiger lutten vero Welti, Stadtr. Bern 94, 22 (halem., 1401): Als ietz furt.

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langzit gros rede vnd klegde gewesen ist von den v´nsern vnd ouch von frËmden lÈten. Ebd. 106, 18 (1419): gebresten, den biderb luti habent in großen gechen tËden. Ebd. 111, 18 i [...] kein sunder (1343): wie man von kranken alten luten, o telle noch gut nemen sol. Ebd. 432, 20 (E. 15./A. 16. Jh.): i die, so dieselben vnnutzen luti husenn, hoffenn. Kl‰ui, Schweiz. Urbare 3, 220, 30 (halem., 1400): die heissent i o stÈlsessen, dz waren frije lut, die behuben dem gotzhuß sin recht. Stammler, Berner Weltger. 134 (ohalem., 1465): stand vff, jr totte lüttel 兩 Ze gericht mÈssent jr hüttel. Ebd. 484: dise verflÈchten lüte 兩 SËnd wir uerurteilen hüte. Kˆbler, Stattr. Fryburg 60, 9 (Basel 1520): Wyber vnd iung lüt vnder zwentzig iaren / mËgen vmb lyb vnd leben nit kuntschafft sagen. Ebd. 119, 4: Gebrechhafftig / sin˜losz lüt sollen VËgt haben. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 133, 22 ([Augsb.] 1548): ThÈt doch die Bawren / unnd meine arme leüte auß dem hausse. Morrall, Mandev. Reiseb. 156, 1 (schwäb., E. 14. Jh.): da sind vil vilder lu´t, [...], die grinent als ain ber. Spechtler, Mönch v. Salzb. 39, 35 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Ave, volle freud und wunn, 兩 der saligen leben, 兩 armer lewt tröstlicher prun. Klein, Oswald 39, 34 (oobd., um 1426?): die armen leut beswär ich ser. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 53, 21 (moobd., 1393): zu gleicher weis, als die anderr herren gaistlicher und weltlicher leute in unserm land raichent. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 16, 27 (mslow. inseldt., 1512): fes´t gePetten, den bemelten Armen Leütten ´seinen Vnters´as´´sen [...], gnad Zue bewais´en. Ebd. 25, 2 (1501): Is´t er durch gePett guetter Leüt abgePetten worden. Ebd. 34, 26 (1604): vnd herr Ros´enman es mit guten leuten widerumb verglichen. − Grosse, Schwabensp. 226a, 3; Koller, Reichsreg. Albr. II. 168, 7; Sievers, Oxf. Benedictinerr. 33, 11; Buchda, Schöffenspr. Pössneck 4, 217; Gille u. a., M. Beheim 194, 4; Thiele, Minner. II, 14, 179; Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 4, 25; 1, 463, 21; 1, 523, 6; Sudhoff, Paracelsus 2, 254, 25; 14, 154, 11; Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 302, 14; 307, 7; Welti, Stadtr. Bern 103, 32; Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 216r, 14; Sappler, H. Kaufringer 27, 19; Baumann, Bauernkr. Oberschw. 111, 5; Klein, a. a. O. 111, 172; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 7, 28; Piirainen, Stadtr. Sillein 41a, 14; 56a, 27; 70a, 8; ders., Igl. Bergr. § 32; Cirullies, Rechtsterm. Anh. 1981, 245; Pf‰lz. Wb. 4, 964. − Vgl. ferner s. v. abenteuer 6, abtrünnig 1, affengespenst, anheben 5, 2alber, bedunken 3, israelisch.

5. ›einem Herrscher, einem mit Herrschaftsaufgaben Beauftragten, einer Grundherrschaft, auch z. B. dem Satan, rechtlich / tatsächlich in unterschiedlicher Form der Abhängigkeit Zugeordnete, Untergebene‹; mit Tendenz zu ›Untertanen‹; auch: ›einem Geistlichen anvertraute Gemeindemitglieder‹. − Synt.: die l. betreffen, js. l. um schuld aufhalten, die l. als eigene leute versprechen, jm. die l. absetzen (›Anspruch auf sie erhe-

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ben‹), dem Sathan die l. abfangen; jm. l. werden, die l. zins geben, zu recht stehen, culmisches recht haben; den leuten schwer sein / tun; reich an leuten (sein), glauben auf die l. setzen, anspruch hin zu den leuten gewinnen, etw. mit den leuten beweisen, über die l. richten, segnung über die l. sein, die kunst jn. um die l. bringen; l. des herren / mannes, der herschaft; leben / recht / sitte der l.; die eigenen l.; in Formeln: land und leute; leute und gut / habe; leute und untersassen; diener, bürger und leute; leute und grund und boden; land, leute und untertanen; leute, land und (andere) rechte; leute, gerichte und dingstätte; leute, land, stand und eren. Wbg.: leutbet, leutbrief ›Verzeichnis der Hörigen‹ (a. 1554), leutding ›meist ungebotenes, mit landsässigen Bauern besetztes Landgericht‹ (Rwb 8, 1274), leutehof ›Pfarrhof‹, leutmarkt ›Sklavenmarkt‹, leutschinder 2. Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 124, 22 (preuß., 1437/ 8): her hot polnisches recht, seine leute haben col[misch] recht. Luther, WA 10, 2, 114, 2 (1522): Wilche sind die [Bepstische Bischoff]? [...] hürle haben, [...], hübsch hengst reytten, fürsten höff hallten, officiales, das ist leut schinder, neeren. Ebd. 37, 39, 35 (1533): da regire die ochsen, kue [...], gesind, stad, land und leut. Ebd. 41, 62, 18 (1535): Rex habet geld, gut, land, leut, schlosser und sted. Grosse, Schwabensp. 89a, 14 (Hs. 2nd./md., um 14109): Swer den o o o luten icht tut, der roubet daz gottes huso vnde ouch den heren, des len se sin. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn 338, 23 (Wolfenb. 1594): wil ich meinem eltesten Sohn Probo die Regierung, vnd Land vnd Leute nach meinem Tod aufftragen. Schade, Sat. u. Pasqu. 1, 9, 74 (o. O und J.): Daß in [bauren] bleibt weder haut noch har, 兩 Daß sie ir leutbet möchten geben. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 1230, 6 (mosfrk., 14. Jh.): quod omnes homines, [...], quilibet eorumdem tenetur unum d. in ultimo termino videlicet feria secunda post Iohannis, qui dicitur luitdink, et ex illis denariis dantur cellerario domini Treverensis 3 s. et 6 d. Valli, Baldemann 243 (rhfrk./nobd., um 1350): Sus wart mir cron, lant, lute. Eggers, Psalter 4, 7 (thür., 1378): Gotis ist daz heil, vn˜ vbir dine lute [Luther 1545, Ps. 3, 9: Volck] ist din segenunge. Thiele, Chron. Stolle 517, 15 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): also solches unser person selbest, unser eygen land, luthe unnd underthan betreffe. Ermisch, Freib. Stadtr. 240, 10 (osächs., 1335): Eines iklichen herren [...] lute, [...], der da schuldic ist hi in der stat, di heldet man wol uf vor in umme di schult mit rechte. Dinklage, Frk. Bauernweist. 56, 12 (nobd., 1370): Es hat auch die herschaft die recht, das sie alle die leut, die uff dem Eigin sietzen, sollen versprechen als ir eigin leut. [...] und sollen die leut niergent zu recht steen dann vor der vorgeschrieben herschaft. [...] denselben zinß sollen die leut [...] geben der vorgeschrieben herschaft.

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leuteharn − leutfresser

Reichmann, Dietrich. Schrr. 234, 7 (Nürnb. 1548): Den˜ damit [wort] fehet man jhm [Sathan] die leut ab. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 181, 3 (obd. 1525): ein bischof heißt ein ufseher, der halb im gebürt, daß er acht hab und sorg auf das leben und sitten seiner leuten. Chron. Strassb. 754, 14 (els., A. 15. Jh.): do ging ein für uf in unser frowen lütehof zuo Grienecke. Maaler 269r (Zürich 1561): Leütmarckt / ort da man leybeigen leüt feil hat vnd sy verkaufft. Venalitium. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 172, 32 ([Augsb.] 1548): Es ist auch der Tirannen art / das sy auff ire leütte kainen glauben setzen / Sondern auff frembde leüte bawen sy. Klein, Oswald 112, 157 (oobd., 1438): wo gaistlich herschen leut und lant, 兩 da wirt mer ungeleichs erkant, 兩 wann fürsten. Thiel u. a., Urk. Münchsm. 226, 37 (moobd., 1478): das kain werntlicher richter [...] nichts zu richten sullen haben in vnnserm gotzhaws [...] weder vber leutt noch vber guet dan vmb dreyerlai sach, das ist dewb, totslag vnnd notnuft. Mell, Steir. Weinbergr. 110, 20 (smoobd., 1543): ander herren leut, die auch perkgnossen sein. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 176 (moobd., A. 15. Jh.): Da werden die posen herren gestraffet die iren lewten swe¨r sind. − Grosse, Schwabensp. 107a, 21; Peil, Rollenhagen. Froschm. 585, 2516; Merk, Stadtr. Neuenb. 27, 11; Hˆr, Urk. St. Veit 97, 8; Turmair 4, 37, 14; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 243, 38; Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 295; Rwb 8, 1273. − Vgl. ferner s. v. absetzen 2, anrede 1, anschlag 7, arbeiten 9, aufheben 30.

6. ›einem Herrscher, einer kriegführenden Partei (o. ä.) zugehöriges bewaffnetes Volk, Soldaten, Heeresangehörige‹; als Spezialisierung zu 5 auffaßbar. − Synt.: die l. erschlagen / fangen, so viel l. bringen, als [...]; die l. (Subj.) jn. anbegreifen, ab den kielen stehen; den leuten die zeitung sagen; das tor mit leuten besetzen, jm. etw. mit leuten bestellen; die gemeinen l. ›Kriegsknechte‹, die erlichen / guten l. ›vornehme Krieger‹; die l. von der landschaft. Peil, Rollenhagen. Froschm. 590, 2653 (Magdeb. 1608): Die RËmer / so auff kundschafft giengen / 兩 Sagen die zeitung jhren Leuten. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 155, 26 (rhfrk., um 1435): Der konnig von Coine kame zu erste yme dar / vnd brachte so viel lude / als er gehaben konde. Karnein, Salm. u. Morolf 380, 3 (srhfrk., Hs. um 1470): roß und lüte hieß er abe den kielen stan. v. Tscharner, Md. Marco Polo 25, 1 (osächs., 2. H. 14. Jh.): do sint me wen X tusint geczelt uf geslagin siner lute. Neubauer, Kriegsb. Seldeneck 73, 13 (nobd., 2. H. 15. Jh.): an den eussersten zweyen zeilnn soln liegen die gemeinen guten leut vonn der landschafft. Klein, Oswald 26, 46 (oobd., 1427): zwar oben, niden, hinten, vor 兩 was mir die hüt mit leuten wolbestellet. Moscouia Cijr, 27 (Wien 1557): der Ëberste Haubtman vnnd vil gueter leüt waren gefangen. − Neubauer, a. a. O., S. 174; Chron. Augsb. 1, 65, 18; 248, 2; 5, 345, 27; Primisser, Suchenwirt 28, 243. − Vgl. ferner s. v. anbegreifen.

leuteharn, s. leute 1.

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leutehof, s. leute 5. leutenant, leutener, der ; -s/ -leute, auch -π (für erstere Form); aus frz. lieutenant, dies letztlich aus locum tenens (Kluge/S., 2002, 572), insbesondere bei der zweiten Form volksetymologische Anlehnung an leute 6. ›Offizier unterhalb des Hauptmannes‹, mehrfach in seiner Funktion als Vertreter eines Vorgesetzten angesprochen. − Vielfach berichtende Texte. − Bdv.: befelshaber, befelsman, fäner, fänrich, feldweibel, hauptman 2, obrist, schütze, söldner, stathalter, verweser. − Wbg.: leutenantschaft (a. 1617). Luther, WA 49, 735, 32 (1545): Der oberste Leutenant oder Heubtman, dem der KriegsfÈrst das Feld befohlen hat. Chron. Magdeb. 2, 50, 28 (nrddt., 1565/6): ist Hans von Cöln, des obersten in Magdb. Leutenantt, [...] mit 24 kanen zu wasser ausgefallen. Hampe, Nürnb. Ratsverl. 1, 498, 27 (nobd., 1554): sol man ine anhaims vordern unnd schreyben, seinem leutenampt bevelch zu thun, ine mitler zeit zu vertretten. Bell, G. Hager 411, 2, 1 (nobd., 1595): Der leiden ambt von papa 兩 war ein hussar vnd ein christ. Golius 169 (Straßb. 1597): Legatus ducis, des Hauptmans / Statthalter / Leutenant. Ebd. 185: Legatus classis, des Ëbersten der Armada Leutenant. Bernoulli, Basler Chron. 6, 44, 2 (alem., 1513): was herr Hans Stoltz houptman, Ulrich Falckner lütener. V. Anshelm. Berner Chron. 3, 13, 25 (halem., n. 1529): so also allenthalb hoptlÈt, lÈtiner, venner, und derglich doppelsËldner gesezt. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 54, 25 (schwäb., 1549): Also seind die bemelttenn 5 haupttleutt nebenn einander geryttenn, auff sey ire 5 leuttenamptt, auff sie ire 5 fenderich. Chron. Augsb. 8, 418, 1 (schwäb., zu 1556): welche seine hauptleut, leutenambt, fendrich, feldwaibel gewesen, [...] wird alles nacheinander verzaichnet. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 635, 4040; Schib, H. Stockar 69, 20; Ukena, Zuger Trag. 720; Welti, Stadtr. Bern 664, 33 f.; Chron. Augsb. 8, 420, 9; Maaler 275v; Hulsius L iijr; Dict. Germ.Gall.-Lat. 305, 32; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 127; Jones, French Borrowings 393; 397; Schweiz. Id. 3, 1527.

leutenantschaft, leutener, s. leutenant. leutern, s. läutern. leuteschar, s. leute 1. leutesel, s. leute 4. leutfras, s. leute 1. leutfresser, der ; −/-π. ›Menschenfresser, Kannibale‹; meist ütr., dann: ›Gewalt ausübender Kraftkerl;

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leutgebe − leutpriester

Großmaul, rücksichtsloser Machtmensch‹; vgl. leute 1. − Bdv.: vgl. kannibale, menschenfresser. Schˆpper 67b (Dortm. 1550): Tyrann wÈterich. bluthundt vnderdrucker lewtfresser. Luther, WA 10, 1, 1, 620, 17 (1522): Ditterich von Bern oddr Hildebrantt odder Roland, odder wie man sonst dieselben grossen morder unnd leuttfresser nennen will. Ebd. 621, 12 (1522): Bapst, Cardinal, Bischoff, pfaffen, [...] sind die letzten und mechtigisten kerle, ryßen, leuttfresser und Herodes. Ebd. 15, 413, 6 (1524): Herodes teutonice ,riß‘, [...] Saxonice ,kerl‘, die grossen leutfresser, ut Dittrich von Bern, qui multa fecerunt. Ebd. 16, 208, 31 (1524): das er [Herrgott] den Scharrhansen und Leutfressern den mut nimet. Ebd. 17, 1, 329, 31 (1525): 1. Co. 15. mors’, du leutsfresser, ubi nunc aculeus’ mortis, quo yderman perimitur, ubi est? Dasypodius 323v (Straßb. 1536): leutfresser, m. anthropophagus. − Luther, WA 10, 1, 1, 630, 3; Hulsius E ivv.

leutgebe, s. leitgebe. leutgeben, s. leitgeben. leutgeheier, s. leute 2. leuthaus, s. leithaus. leutkauf, s. leikauf. leutkilche, die; auch -kirche. ›Pfarrkirche (im Unterschied zur Klosterkirche)‹; vgl. leute 5 (letztgenannte Nuance), 1kilche 1; 2. − Alem.; Rechts- und Wirtschaftstexte, auch Chroniken. Boos, UB Aarau 73, 2 (halem., 1351): daz si dar inne gotes dienst begen und haben, aslo daz ez der lewtkylichen daselbs ze Arow [unschedlich sei]. Welti, Stadtr. Bern 89, 29 (halem., 1370): waz der liden sol, der deheinen freuel i oder einung begat in dem kilchof der lutkilchen. Merz, Urk. Bremgarten 350, 3 (halem., 1447): als wir vnsser i lutkilchen langczitt ettwas kernengelcz schuldig sind. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 166, 8 (oschwäb., 1373): Wenn ain lihe i ist oder mer hie ze der lutkirchen, so ez verschlagen ist und man die luti an daz velt let, daz denn niement sol der lich messen noch opfrent. − Chron. Strassb. 730, 13; Merk, Stadtr. Neuenb. 150, 22; 151, 28; Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 60, 9; Rennefahrt, Stadtr. Bern 283, 28; Kl‰ui, Urk. Hermetschwil 46, 3; 68, 9; Dierauer, Chron. Zürich 215, 17; Rwb 8, 1278. − Vgl. ferner s. v. bare 2.

leutliebig, s. leute 2. leutlob, s. leute 4. leutlos, s. leut 1. leutmarkt, s. leute 5. leutmörder, s. leute 1.

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leutpriester, der ; -s/-π. ›Pfarrer, Weltgeistlicher (im Unterschied zum Ordensgeistlichen), der in Vertretung des Kirchherren die Seelsorge gegen Entgelt ausübte‹; vgl. leut 1, priester 2. − Zu Wort und Sache: K. Kunze, in P. Kesting, Würzb. Prosat. 2, 1975, 35−76; Rwb 8, 1282 f. − Starke Beleghäufung für das Alem. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: kaplan, priester 2. − Synt.: den l. laden / erfordern / setzen / wälen / präsentieren; der l. jn. bannen, sünde erkennen, jm. das sacrament versagen; dem l. etw. gebieten / befelen / geben; die kilche mit einem l. besetzen, sich an den l. keren, jn. zu l. machen; der l. des gotteshauses / ordens; der gute l.; das haus, der rat des leutpriesters. Wbg.: leutpriesterei. Schˆpper 64b (Dortm. 1550): Pastor. Pfarrherr pastor pfärner seelsËrger leutpriester kirchherr templierer. Leman, Kulm. Recht 2, 5, 46 (Thorn 1584): vyndet eyn man gut vffe der vryhen strasse boben der erden. das sal her deme nesten lutpryster geben [...] vnd her sal also sprechen. Das gut beuele ich vch vf vwir truwe [...]. So sal der lutprister alle syn tage in syner prediget [...] kundigen daz do gut gefunden sy. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 582, 20 (els., 1362): Es was ein lu´tpriester, der enkunde keine ander messe denne alleine von vnser frowen. Illing, Albert. Sup. miss. 2244 (els., i n. 1380): ein lu[t]prister sËlte Ëffenliche eime su´nder das sacremente nu´t versagen, so er zuo dem alter Ëffenliche keme vnder i andern luten, vmbe heimeliche su´nde, die der lu´[t]priester erkante in der bihte. Merk, Stadtr. Neuenb. 172, 27 (nalem., 1478): zu welcher zeit ain luprister oder caplon, er sige elich oder nit, [...] mit tod abschaiden wirt. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 281, 1 (Straßb. um 1545): der pfarrherr [...] o o schickt sie [weib] zum dechan seines capitels, der dechan zum leutpriester des stifts seines bistumbs. [...] darnach schickt sie o erzpriester: der spricht ir dann die lang absoder priester zum luz. Vetter, Schw. zu Töß 87, 37 (Hs. 15. Jh.): hat mir der gÈt lu´ppriester von Bichlense gelert sprechen, wenn ich nit gnaden het, und das was also: „Her, [...]“. Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 13, 29 (halem., 1324): die selben o sol ein lupriester da selbentz an kettenen machen in [buch] einer librari. Ders., Stadtr. Bern 352, 26 (halem., 1401): daz si und ir nachkomen [...] die ... kilchen ze Grenchen [...] mËgent frilichen besetzzen mit einem kilchherren oder lu´ppriester. Maag u. a., Habsb. Urbar 2, 1, 745, 4 (alem., 1394): Die burger wellent ain schultheizzen; si wellent ouch i Welti, Stadtr. Bern 247, 19 (halem., ainen lutpriester. n. 1437): die sol vnd mag vnser lupriester vnd vnser ertzpriester darumb bannen vnd mit geistlichem gerichte wisen, zuo lassen von dem vnrechten [Ehebruch]. Boner, Urk. Aarburg 87, 70 (halem., 1484): das jÁrlichen [...] uss unnserm korncasten zuo Arburg vier malter dinckell [...] einem pfarrer oder

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leutpriesterei − leutseligkeit

lütpriester werden geben. Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 1r, 7 (Zürich 1521): durch meister Leo Jnd lütprister des gots huß Einsydlen vertütscht. Bremer, Voc. opt. 36039 (halem., 1328 ff.): Plebanus lutpriester [...] Plebanus est, qui habet curam animarum plebis in aliqua parrochia constituta. Et dicitur [plebanus] a plebe. Merz, Urk. Lenzb. 23, 3 (halem., 1413): von eins lütpriesters wÁgen, den sy ze erwelen vnd einem kilchherren ze presentieren haben, das im der liche vnd in denn bischoff inuestier, vnd ouch das ein lütpriester keinen sigristen nit setz one der von gmeinen burgeren erwelt werde. Chron. Augsb. 2, 214, Anm. 1 (schwäb., Hs. 16. Jh.): die maur bey der thumbrobstey und lewpriesterey niederzewerffen. v. Maren, Marquard. Ausgabe 40, 5 (Venedig 1483): ist man gebunden in sechserlÁy weise den egistlichen vater zuo eren als den babst vnd den bischof vnd den lewtbrister vnd den beichtiger. − Chron. Strassb. 566, 20; Leisi, Thurg. UB 8, 222, 16; Bernoulli, Basler Chron. 6, 457, 1; Kl‰ui, Schweiz. Urbare 3, 224, 21; Schib, Urk. Laufenb. 84, 5; 169, 21; Rennefahrt, Recht Laupen 145, 28; Nyberg, Birgittenkl. 1, 272, 13; Chron. Augsb. 2, 214, 4; M¸ller, Stadtr. Ravensb. 81, 23; Voc. Teut.-Lat. y viiv; Rwb 8, 1287; Schweiz. Id. 856.

leutpriesterei, s. leutpriester. leutschädig, leutscheu, s. leute 1. leutschinder 1; 2, s. leute 2; 5. leutschreiig, s. leute 1. leutsdrek, s. leut 1. leutselig, Adj. ›gegen andere zuvorkommend, offen und freundlich; höflich und dadurch in die Gesellschaft passend (von Menschen, menschlichen Handlungen und Haltungen); schön, anmutig (von Sachen)‹; vgl. leut 1, leute 1; 2. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: behegelich 1, edel, geschlacht, holdselig, lind (Adj.) 2, ordlich, sanft, schön, sitlich, züchtig. Ggs.: menschenfeind. − Synt.: l. sein; l. antworten / reden; der leutselige anblik, die leutselige gebärde / ordnung / stat, das leutselige kind / weib, leutselige füsse. Schˆpper 11b (Dortm. 1550): Comis. Lieblich freundtlich grÈßbar gesprÁch leutselig gÈtig. Luther, WA 10, 1, 1, 98, 6 (1522): Alßo nennen die naturlich meyster etlich thierer menschenlieber odder leuttselig, alß da sind die hund, pferd. Ebd. 22, 391, 17 (1544): wie er [Herr] gemenget ist mitten unter das Volck als ein freundlicher, leutseliger Man. Volkmar 201 (Danzig 1596): leutselig / holdselig. Peil, Rollenhagen. Froschm. 226, 5606 (Magdeb. 1608): weil ich

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so leutselig war / 兩 Dem Wandersman kroch aus dem Weg / 兩 Das er sicher gieng seine steg. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 6760 (rib., 1444): Ich leiden sij [lude] ouch ind setzen 兩 Up luytzliche stede sich zo ergetzen. Strauch, Par. anime int. 72, 36 (thür., 14. Jh.): daz Got sine irweltin mit also luitseligir ordenunge der vollincumminheit brengit zu sime glichnisse. Sachs 19, 324, 6 (Nürnb. 1563): Daß er [knabe] wird züchtig und geschlacht, 兩 Ihn sittlich und leutselig macht. Thiele, Minner. II, 24, 107 (Hs. 2wobd., o 15. Jh.9): eyn lutzelich wyf kan wunder werken. Chron. Strassb. 298, 22 (els., A. 15. Jh.): Troeye was die witeste stat an begriffe, die lütseligeste an gezierde. Bihlmeyer, Seuse 216, 24 (alem., 14. Jh.): O du [Herr] lÈtseliger anblik aller heiligen. Ebd. 311, 16: so u´t lu´tzeliges, u´t vrËliches oder hu´go liches in dinem mute oder libe uf stet, so hab einen geswinden ker mit einem uftragenne in got. Adrian, Saelden Hort 10407 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): so lu´tesælig gebarde 兩 gewan nie wib uf erde. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 48, 27 (oobd., 1349/50): kurz und leutsælig füez bedäutent ainen unkäuschen menschen. Turmair 4, 864, 24 (moobd., 1522/33): Hadrianus Antoninus Pius ist [...] under allen fürsten der güetigist und lindist senftest leutsäligest gewesen. − Luther, WA 10, 1, 1, 97, 3; 26, 89, 29; Strauch, a. a. O. 120, 27; Sachs 14, 37, 5; 136, 36; Pyritz, Minneburg 72, 36; 120, 27; Bihlmeyer, a. a. O. 22, 7; Adrian, Saelden Hort 4410; Alberus kk ijr; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 305, 38. − Vgl. ferner s. v. behegelich 1, behende 2, behüten 9.

leutseligkeit, die. ›von Gott, einer Person oder ihrer Haltung (u. ä.) ausgehende, auf den Mitmenschen gerichtete Freundlichkeit, gnädige Höflichkeit, liebevolle Zuwendung‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: clemenz, demut, gezierde 1, gnade 9, holdseligkeit, schönheit. − Synt.: der l. nachdenken; zu l. geneigt sein, mit l. in js. gunst kommen, von der l. gelokt [sein]; die l. dei; die zarte l. Schˆpper 11b (Dortm. 1550): Comitas. Lieblichkeit freundtlichkeit leutseligkeit gÈtigkeit. Luther, WA 49, 639, 5 (1544): Ista est ,die freundlickeit und leutseligkeit Dei nostri Salvatoris‘, sic appellans freundlickeit. Est vir ausdermassen gÈtig, kan die leute wol umb sich leiden. [...] qui den leuten nachleufft und wil umb sie sein. Non ut mendici, qui den leuten stelen. Sed sic ,leutselig‘, das er inen mÈge helffen. Alberus r ijv (Frankf. 1540): Philanthropus, leutselig / der die leut lieb hat. Philanthropia. leutseligkeyt. Oorschot, Spee/ Schmidt. Caut. Crim. 230a, 38 (Frankf./M. 1649): Herren seind gemeinlich zur Clemenz / Gnade / vnd Leuthseeligkeit insonderheit geneigt. Thiele, Minner. II, 31, 680 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): ein l ich dir gloesen kan 兩 das mit lutselkeit ein man 兩 sal komen in der wibe gonst. Bihlmeyer, Seuse 378, 9 (alem., 14. Jh.): so man aller lu´tselikeit, gezierde, schonheit ie grundlosklicher na gedenken

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leutskot − levit

kan, so man es ie u´berswenklicher in dir [Herr], zartes lieb, vindet. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 19, 23; Luther, WA 24, 333, 31; v. Birken. Erzh. Österreich 74, 10; Bihlmeyer, a. a. O. 14, 29; 452, 18; Dict. Germ.Gall.-Lat. 305, 40. − Vgl. ferner s. v. ausgesamnen, leutselig.

leutskot, s. leut 1. leutsstein, s. leut 1. leutsterben, leutstube, s. leute 1. leutswurm, s. leut 1. leuttrieger, leutverblender, leutverfürer, leutverfürung, leutverkäufer, s. leute 1. leutverräter, s. leute 2. levanda, s. levieren. levant, Name; aus ital. levante ›Osten‹ (Pfeifer, Et. Wb. 2000, 796). 1. ›Osten (als Richtungsangabe)‹. Haszler, Kiechels Reisen 310, 33 (schwäb., n. 1589): Von gemelter sacristey bey dreyssig paß zur linckhen hanndt gögen Levante vom chor ein cleine capell. Klein, Oswald 17, 20 (oobd., 1410): Die brüff (ital. provo ›Bug‹) ze hant ker in levant, 兩 und nim ze hilf an allen tant 兩 den wint ponant.

2. ›Ostwind‹. Klein, Oswald 20, 2 (oobd., 1415): Es seusst dort her von orient 兩 der wind, levant ist er genent. − Vgl. ferner s. v. alabanda.

leviathan, der. Name eines biblischen Meeresungeheuers, das in unterschiedlicher Gestalt auftritt: als Walfisch (s u. Luther, Hiob 41, 1; vgl. auch Ps. 104, 26), oder als Schlange ( Jes. 27, 1); ütr. gebraucht zur Kennzeichnung des Chaos, der Gottesferne, des Bösen und Teuflischen. − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion‘. Helm, H. v. Hesler. Apok. 4882 (nrddt., 14. Jh.): Daz her sich nicht liez betoren 兩 Den argen Leviathan. Luther, WA 32, 41, 14 (1530): Meinestu auch, [...], das du den Leviathan wolst auferziehen mit einem hammen und sein zunge mit stricken binden? Ders. Hl. Schrifft. Hiob 3, 8 (Wittenb. 1545): Es verfluchen sie die Verflucher des tages / vnd die da bereit sind zu erwecken den Leuiathan. Ebd. Hiob 40, 20 (Marg.): [Behemoth] Heisst alle grosse vngehewre Thier. Wie Leuiathan alle grosse vngehewre Fische. Aber dar vnter beschreibet er die gewalt vnd macht des Teufels vnd seines Gesinds / des gottlosen Hauffens in der Welt. Ebd. Hiob

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41, 20: KAnstu den Leuiathan ziehen mit dem hamen / vnd seine Zungen mit einem strick fassen? Ebd. Hiob 41, 20 (Marg.): Leuiathan nennet er die grossen Walfisch im meer / Doch darunter beschreibt er der welt Fürsten / den Teufel mit seinem Anhang. Ebd. Jes. 27, 1: ZV der zeit wird der HERR heimsuchen mit seim harten / grossen vnd starcken Schwert / beide den Leuiathan / der eine schlechte Schlange / vnd den Leuiathan / der eine krumme Schlange ist / vnd wird die Drachen im Meer erwürgen. Fastnachtsp. 12, 24 (nürnb., v. 1486): Die dritten drei [...] 兩 Got speist auß seinen wirden hoch 兩 Vom eingehurn biß auf den floch; 兩 Die vierden drei got unbefilt 兩 Stet mit dem leviassan spilt. Sudhoff, Paracelsus 8, 43, 29 (1530): Jr seind aus der schlangen art und lassen euer vergiften nicht; wo irs anderst mögen auslassen, so muß es sein. darumb aus der leviathan art seint ir mir gehaß. − Ebd. 12, 214, 3. − Vgl. ferner s. v. anhangen 7.

levieren, V.; letztlich aus lat. levare ›heben‹ (Georges 2, 628). ›aufziehen, aufkommen, sich erheben (von einem Unwetter)‹. − Bdv.: vgl. aufwelgen, herkommen 6. − Wbg.: levanda. Mathesius, Passionale 43v, 23 (Leipzig 1587): Mein trewer Knecht wird es wol außrichten / Aber er wird mÈssen eine leuanda zuuor / oder Hebe haben / vnd eine Thruma sein / welche den Namen vom ErhËhen oder Erheben hat. M¸ller, Welthandelsbr. 231, 2 (schwäb., 1508): daß durch fortuna, levieren des sturmwetters oder [...] daß guetter da an landt komen.

levit, der ; −/en. 1. ›Angehöriger eines der zwölf Stämme Israels, benannt nach dessen Stammvater Levi, dem dritten Sohn Jacobs (Gen. 29, 34)‹. Die Leviten wurden in 5. Mose 1, 47 f. dazu bestimmt, die ,Priester‘ im Volk Israel zu stellen; folglich: ›jüdischer Priester; Tempeldiener‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, oft Bibeltexte. − Bdv.: ambächter, pfaffe 1, pförtner, priester, epistler 1. − Wbg.: levitenstand. Luther, WA 8, 516, 5 (1521): Es nahmen wol die Leviten vom volck Jsrael yhre opffer, aber sie assen nichts von dem, das gott sollt geopffert werden. Ebd. 10, 1, 2, 364 (1526): der Samariter [...], der kumpt her und thuto mehre den der Priester und Levit. Ebd. 10, 3, 341, 13 (1522): Nun haben die o allerhailigisten leüt, als priester und leviten, dem gesatz nit gnug o Ebd. 31, 1, 399, 28 (1530): als da sind Vatermügen thun. und Mutterstand, Priester-stand, Leviten-stand nach dem gesetz Mosi. Ebd. 46, 728, 14 (1537/8): das sie [Kinder von Jsrael] den Leviten jre narung und unterhaltung geben solten. Ebd. 47, 377, 29 (1538): Es muste alles den Priestern und Leviten heimfallen, damit sie unterhalten [...] werhen. Ebd.

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levitenrok − lewe

52, 566, 32 (1544): Daher denn solche kleider [prieserliche Amtstracht] zum teil noch den namen haben und Leviten rËck heissen. Ders, Hl. Schrifft. 4. Mose 1, 47 f. (Wittenb. 1545): Aber die Leuiten nach jrer Veter stam wurden nicht mit vnter gezelet. Vnd der HERR redet mit Mose / vnd sprach. Den stam Leui soltu nicht zelen [...] wenn man reisen sol / So sollen die Leuiten die Wonung abnemen. Ebd. 5. Mose 18, 1: DJE Priester / die Leuiten [Mentel 1466−1470: ambechter] des gantzen stams Leui sollen nicht Teil noch Erbe haben mit Jsrael / Die opffer des HERRN vnd sein erbteil sollen sie essen. Ebd. Ri. 17, 11 ff.: DER Leuit trat an zu bleiben bey dem Man / vnd er hielt den Knaben gleich wie einen Son. Vnd Micha füllet dem Leuiten die hand / das er sein Priester ward [...] Nu weis ich das mir der HERR wird wolthun / weil ich einen Leuiten zum Priester habe. Ebd. Apg. 4, 36: JOses aber [...] vom geschlecht ein Leuit aus Cypern. Feudel, Evangelistar 4, 2 (omd., M. 14. Jh.): santen dy Juden von Jherusalem pristere unde leviten czu Johanni. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. 71, 8 (osächs., 1343): Marcus ˆewangelista gotis irwelte und Peˆtri sun in der toufe [...], ein Leˆvıˆte naˆ dem vleische und ist bekart zu dem gloubin Christi. Fischer, Folz. Reimp. 9a, 128 (Nürnb. 1479): In dem do kam der höchst levit 兩 In gancz levitischem gewant. Ebd. 132: Nun der levit het vor im [Rabbi] ston 兩 Ein napf. Reichmann, Dietrich. Schrr. 225, 8 (Nürnb. 1548): Denn Hohepriester / Leuiten / Phariseer / Herodes / Pilatus / alle waren sie wider jn. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 239, 11 (Straßb. 1466): das do gesament hetten die leuiten vnd die portner von manasse. Adrian, Saelden Hort 2432 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): die juden in den ziten 兩 priester und leviten 兩 santen aber zuo Johanne. − Luther, WA 10, 1, 1, 262, 2; Ders. Hl. Schrifft 5. Mose 14, 27; 16, 4; 18, 6; 26, 12; Ri. 17, 7; 9; Lk. 10, 32; Bechstein, a. a. O. Lk. 10, 32; Dasypodius 112r. − Vgl. ferner s. v. benennung 2, gottesdienst 2.

2. im Christentum: ›Diakon, Hilfspriester, der bei kirchlichen Zeremonien assistiert, Kirchendiener, häufig die Person, die aus dem Evangelium vorliest‹. − Bdv: vgl. geselle 10, geselpriester, glokner, kirchendiener, 1 letter, lezner. − Wbg.: levitisch 2. Goldammer, Paracelsus. B. d. Erk. 35, 1 (obd., Hs. n. 1570): wo rue ist / do ist Cristus / do durffen sie kains priesters / appostells / leuit / predicant. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 42, 26 (noobd., 1521): es hetten dy fronambter all sambt den leviten piß auff zwen verschlaffen. Ebd. 169, 1 (1541): darnach gingen 6 persevanten in iren levitischen habitn. Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, 3732 (moobd., 1457): Michel Wülffing, levit dacz sand Stephan. − T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 70.

3. im Phrasem jm. die leviten lesen ›jn. tadeln, zurechtweisen, mit jm. schimpfen, jm. eine Strafpredigt halten‹. − Bdv.: jm. den

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golter fegen / lausen / zausen, jm. eine scharfe lection / seine legende / die letze lesen. Roloff, Brant. Tsp. 1647 (Straßb. 1554): Ich will wol selber zuo in gon 兩 Und ine die Leviten der mossen lesen 兩 Das [...]. − Vorarlb. Wb. 2, 277; Schweiz. Id. 3, 1150.

levitenrok, der ; −/auch -π + Uml. ›Messgewand des Kirchendieners bzw. Diakons‹; zu levit 2. − Bdv.: mesgewand. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 70 (Straßb. 1522): ist Gewonheit, das man dem letst Evangelier oder Epistler, dem laßt man den Levitenrock uff dem Halß ligen. Chron. Augsb. 4, 299, 1 (schwäb., v. 1536): Der kaiser hat angelegt ain alb, handfanen und stol und ain levitenrock wie ein evangelier. − Struck, Joh. Pfannstiel 55, 46; Boner, Urk. Brugg 373, 16; Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 5293, 39; Zingerle, Inventare 47, 1, 1; Schweiz. Id. 6, 832.

levitenstand, s. levit 1. levitisch, Adj. 1. ›zum Stamm der Leviten, zu den jüdischen Priestern bzw. Tempeldienern gehörend bzw. diese Zugehörigkeit symbolisierend‹; zu levit 1. Luther, WA 8, 555, 8 (1521): das alle recht Christglewbige menschen rechte [...] priester sind [...], wie die Levitischen priester waren ynn der Synagogen. Ebd. 15, 49, 29 (1524): wie Gott das Levitsche Priesterthum [...] verordenet hat das sie der bücher hütten [...] sollten. Ebd. 23, 585, 28 (1527): das Christus priestertum [...] solte ein anders denn das Levitische priesertum sein. Ebd. 33, 644, 39 (1532): Gottes Son ist hoeher denn alle Stifft, Kloester [...], denn der Levitische Gottesdienst, der Tempel zu Jerusalem oder die Leviten [...]. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. 71, 8 (osächs., 1343): Wan her [Marcus ˆewangeˆlista] bewıˆsende di ordenunge leˆvıˆtischer irwelunge. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 183, 5 (Straßb. 1466): ir habt vor eu´ch leuittisch meister. Luther, WA 46, 569, 15. − Vgl. ferner s. v. levit 1.

2., s. levit 2. 1 lewe, löwe, lebe, leu, der ; -n/-n; teils lat. Form: leo. 1. ›Löwe‹; der Löwe gilt als König der Tiere, als Symbol von Kraft, Tapferkeit, Mut und Stärke; er erscheint demzufolge vielfach in heraldischen oder vergleichbaren herrschafts- und ordnungsdokumentierenden Zusammenhängen (als Wappentier, in der Münzprägung, als Tuchzeichen; vgl. auch 5); in theologischen Kontexten steht er als Symbol für Christus wie für den Teufel; das Bild des Löwen begegnet vereinzelt

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lewe

auch zu dekorativen Zwecken (etwa in Form einer löwengestaltigen Kanne); häufiger Gebrauch des Wortes in Vergleichen und in Verbindung mit anderen mächtigen Tieren (bär 1, leopard, tieger, wolf). − Phras.: einen lewen giessen ›sich erbrechen‹; den lewen bei den klauen urteilen ›von äußeren Kleinigkeiten auf das Ganze schließen‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper. − Synt.: den l. bändigen / füren / (er)schlagen / sehen, jm. einen l. bringen; jn. einen l. nennen; der l. erseufzen, jn. behüten / erquicken, dem anderen das haupt abreissen; dem l. etw. (z. B. feuer) geben, den mund aufreissen; jn. vor die l. werfen, von den l. erlöst werden; als ein lewe streiten, etw. nemen / regieren, gleich dem lewen etw. werben; antliz / zäne / mund / har / haut / gestalt / beine / mut / stimme / welf / haus des lewen; der adelliche / alte / aufgerekte / brüllende / edle / grimme / hellische / küne / lebendige / lügende (s. 2lügen) / reissende / schlafende / schreiende / starke / unverzagte / wilde / zornige lewe, die blauen / vergoldeten lewen; die fabel, das gleichnis vom lewen. Wbg.: lewenbein, lewenbirne, lewenblat, lewenfarben, lewenfleisch, lewenfus, 2lewengarten, lewengatter, jeweils ›Löwengrube‹9, lewengeschrei, lewengewalt, lewengrif ›Muttermal‹ (a. 1474), lewenhar, lewenhaupt, lewenjeide, lewenkind, lewenklaue, lewenknochen, lewenkraut, lewenlunze (zum Gw s. 1lunze), lewenmilch (eine besonders wirksame Medizin), lewenpelz (wie lewenhaut), lewenplappert ›Plappert mit dem Bilde eines Löwen‹ (= 22 Angster; a. 1504), lewenskraft, lewentappe, lewentier, lewenwelf ›Löwenwelpe, catulus leonis‹, lewenzwinger ›Löwenbändiger‹, lewig ›verwegen, unerschrocken‹, lewin. Schˆpper 4a (Dortm. 1550): Diabolus. Teuffel sathan Faland alte schlang vatter der lÈgen beelzebub versucher menschenfeindt starcker Behemot brÈllender lew. Ingen, Zesen. Ros. 70, 23 (Hamb. 1646): hat man gelehret / wi die leuen und tiger=tihre Ándlich zu bÁndigen sein. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 31, 4 (preuß. M. 14 Jh.): als der lewe brymmet und daz lewenwelf [Eck 1537: gwÁlf] ubir synem aze, wen [...]. Ebd. Jer. 51, 38: si werdin brummin mit einander als dye lewen und werdin schuttin ire mane als di lewenwelf. Ebd. Dan. 14, 30: Den [Daniel] stiesen si in den lewengatir, [...]. ouch waren in dem gatir siben lewin. Ebd. Os. 5, 14 (preuß., M. 14. Jh.): wen ich bin als eine lewineluncze [Luther 1545: Lewe] Effraym und als eine lewinwelf [Luther 1545:

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Jungerlewe] dem huse Juda. Ebd. Mi. 5, 8: als ein lewe undir den tyren des waldes und als ein lewenwelf in der herten des vyes. Ebd. Na. 2, 13: dine lewelin wirt das swert vorzeren. Ders.#, Gr. Ämterb. 250, 24 (preuß., 1508): 1 furhang mit einem weissen leben. Peil, Rollenhagen. Froschm. 21, 4 (Magdeb. 1608): nennet den KËnig zu Sichem einen Ochsen / Judam einen Lewen. Ebd. 531, 788: besser sey der Hirschen Heer / 兩 Welcher Hertzog ein Lewe wer / 兩 Denn ein Kriegsvolck von eiteln Lewen / 兩 Die ein Hirsch fÈhrt mit furcht vnd schewen. Ebd. 555, 1534: Schawt / da kËmpt her vnser Cuman / 兩 Hat ein Lewenpeltz angethan. Ebd. 573, 2134: Das wir daselbst die Meus vmbracht / 兩 Mit Lewen Muth / vnd Lewens krafft. Helm, H. v. Hesler. Apok. 8408 (nrddt., 14. Jh.): [herre Jhesus Crist] ist her lewe genant, 兩 Wen her warb in den ewen 兩 Glich einem kunen lewen 兩 Zu der werlde sins vater wort, 兩 [...] 兩 Der lewe dutet ouch Marken, 兩 Wen her kundete den starken. Ders., Maccabäer 1974 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): Daniel in siner einvalt 兩 wart irlost uz lewengewalt. Reissenberger, Väterb. 38065 (md., 14. Jh.): Eime lewen tiere 兩 Wart da geruofen schiere. Fischer, Brun v. Schoneb. 9399 (md., Hs. um 1400): der lebe bezeichent, so man seit, 兩 uns di obirmutigen kundikeit, 兩 [...] 兩 der lebarde bezeichent di sundere. Ebd. 10125: zwuschen lewenkinder, her seit, 兩 slif ich mit grozer trubheit. 兩 welchez waren die lewenkint sprich? 兩 iz waren di schecher. Helbig, Qu. Wirtsch. 5, 44, 38 (md., 1562): Dann sollen die zihen [...] in die vass eingeschlagen und das rechte Altenbergische zeichen, den leuen, darauf brennen lassen. Chron. Kˆln 1, 1093 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): men saich sy alse lewen stryden. Buch Weinsb. 1, 227, 9 (rib., um 1560): [Keppel] hat vur sich [...] ein wapen vom keiser erworben, ein guldin leben mit einem guldin peil in den klauwen in eim swarzen schilde, uff dem helm ein halben leben. Karnein, Salm. u. Morolf 438, 1 (srhfrk., Hs. um 1470): Salmon gewan eins lewen muht. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 56, 6 (Frankf. 1535): Agathes oder Agapis der Steyn hat grosse tugent / besonder der ein farbe hat gleich eins lËwen haut oder lËwen har. Alberus EE ijv (Frankf. 1540): cauda porcina, meerhirsen / lewenkraut / meergries / meerhanff. [...] pardalium, cornutum papauer, lewenblat. [...] o / synaw / vnser frawen mantel. Harms dori petron, lewenfuß u. a., Alberus. Fabeln 170, 8 (Frankf./M. 1550): Dachs / Biber / Marder / Wisel / Mauß / 兩 Die kamen auch fÈrs LËwen hauß. Stambaugh, Milichius. Zaubert. 11, 28 (Frankf./M. 1563): denn ewer widersacher der teuffel geht umbher wie ein brÈllender LËw. Gerhard, Hist. alde e 908 (omd., um 1340): Du solt ruen in rechtem sinne, 兩 Sam ein lew und ein lewinne 兩 Man vorchtet ummuozen sere. Ebd. 4382: Van dem engel. der en troste 兩 Und uz dem lewengarten loste. H¸bner, Buch Daniel 73 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Danyelem den reinen, 兩 Den Got von der lewen munt 兩 Machte zeichenlich gesunt. Jahr, H. v. Mügeln 95 (omd., Hs. 1463): der leu bedütet Bemerlant. Eggers, Psalter 9, 13 (thür., 1378): Das nimant neme mine sele als eyn leywe. Ebd. 30, 8: als ein lauwin welf, daz da wonet in deme vorborgen. v. Tscharner, Md. Marco Polo 33, 19 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Dy [slangin] han czwey kny bi dem

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lewe

houbte unde lewin vuze. Lippert, UB Lübben 2, 281b, 25 (osächs., 1564): Ein messerner lebe, da man waßer innenn tregett. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 230, 3 (Bautzen 1567): Todt vnd leben tratten in kampff, 兩 Ein starcker Lew vnd schwaches Lamb. Opitz. Poeterey 27, 7 (Breslau 1624): [Namen für den Weingott:] LËwenÚzwinger / HertzÚfÁnger / HertzenÚdieb. Reichert, Gesamtausl. Messe 95, 19 (Nürnb. um 1480): als dy sel des hochfertigen wuerd eingan in einen loewen und dy sel der unkewschen wuerd eingan in ein hund. Voc. Teut.-Lat. g viiir (Nürnb. 1482): Pferdthar od’ iubar. od’ lewenhar. Franck, Klagbr. 234, 19 (2wohl Nürnb.9 1529): mag dein K. M. den leowen bey den klaben vrteiln / wie doch der gantz leow sey. Hulsius L ivr (Nürnb. 1596): LËwin / vne Lyonne. [...]. LËwen geschrey / rugiment de Lyon. Sachs 3, 494, 6 (Nürnb. 1527): Das grewlich thier [...]. 兩 Das het ein löwenhaubt. Ders. 20, 270, 4 (1563): Daß man in füren must zu beth, 兩 Da er ein löwen giessen thet (hier wohl: ›sich erbrechen‹). Bell, G. Hager 37, 1, 30 (nobd., 1593): der teüfel, ist kein schwacher. 兩 der ge het vmb her runde 兩 [...] 兩 wie ein lew. Thiele, Minner. II, 13, 439 (Hs. 2ndalem./ sfrk., 1470/909): ein krucz, des starcken leuwen styme, 兩 alsus er unns erlost 兩 mit hertter, bitter marter. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 63 (Straßb. 1522): Wan wir Lewenmilch hetten und man sie damit salbt, so wÈrd sie genesen. Dasypodius 374r (Straßb. 1536): LËwen geschrey. Rugitus, [...]. LËwen tapen. Trifolium, uel Planta leonis. Sudhoff, Paracelsus 14, 545, 2 (um 1567): sol eben zu der zeit ein löwe von mitternacht [Bezug auf Christus] komen, welcher dem adler nachfolgen [wird]. Vetter, Pred. Taulers 321, 16 (els., 1359): der tu´fel der loˇffet umbe als ein brimmender lÈgender lËwe. Niewˆhner, Teichner 566, 1 (Hs. 2önalem., um 14339): Aller tier fÈrst der lËw. Welti, Stadtr. Bern 447, 15 (halem., 1451): Der zeichen sind III, das erst ist ein ochs, gilt Viii halr. ze schowen, ein leo XVI halr (der Löwe fungiert hier als Tuchzeichen). Lauater. GespÁnste 17r, 4 (Zürich 1578): Von lËuwen schrybt man / daß sy sich durch kein BËgen oder butze˜werch lassind erschrecke˜. Dan˜ der lËuw ist ghertzt / dapffer / vnerschrocken / vnd ein künig vnder den vierfÈssige˜ thieren. Barack, Teufels Netz 5528 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): An der kanzel ist er ain lowen 兩 Und getar künig und herren drowen. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 85, 140 (schwäb., 1471): libe dochter, nym˜ dich an 兩 Lew¨ig vnd betring yederman! Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 55, 4 (schwäb., 1549): Alda [...] zwu gar gross seüllen auff zwen grosse loüwenn gesetzt. Ebd. 94, 14: Darnach hand sich zwen lewenn herfyrgethan und auch gegenn einander gezogenn und anfachenn zu kempffenn und der lew auff der lencken seitten hatt dem ander das hauptt abgerissenn. Henisch 391 (Augsb. 1616): Hessische birn / LËwenbirn / scherersbirn / Helsiacum. Spechtler, Mönch v. Salzb. 30, 2 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Christus erstuend mit siges van, 兩 do wart aus lamb ein leb getan 兩 mit hochzeitleicher sigeskraft. Ebd. 1, o 兩 speis uns mit pelikanes 131: Ruff uns recht als der leo tut, o plut. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 22, 34 (oobd., 1349/50): dar umb hat der leb niht marks, wann

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ez wirt verzert von der übrigen naˆtürleichen hitz, die in des lewen painen ist. Ebd. 143, 3: soˆ diu lewinn gepirt, soˆ slaˆfen die lewel drei tag unz der vater kümt. Ebd. 144, 13: Plinius spricht, daz lewenflaisch und allermaist sein herz den läuten guot sei. Ebd. 156, 18: daˆ sint die lebinne, die unkäuschent mit mangerlei tiern [...], daˆ von koment die parden. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1157 (oobd., 1607/11): der fuß von metal mit lewenklawen. Ebd. 1424: Ein geschirr von jaspis, lewenfarb mit 2 handhebin. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 73, 3 (moobd., 1473/8): Auss pern- und lewenpainen − 兩 daraus sy [helden] assen allzeit nur das marck. 兩 Die lewin muesten die tzwen helden trencken. Ebd. 302, 5: Achilles vacht in lewens weyse. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 18, 8 (moobd., 1478/81): Ignatius ward für lewen und peren geworfen. Turmair 5, 136, 7 (moobd., 1522/33): da zogen si mit den hunden an das lewenjaid. − Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn 374, 33; Luther, WA 41, 38, 17; 41, 464, 14; Joachim, Marienb. Tresslerb. 475, 23; Fischer, Brun v. Schoneb. 2588; Buch Weinsb. 1, 187, 7; Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 2115; Wyss, Limb. Chron. 30, 18; Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 169, 15; Fellmann, Denck. Schrr. 2, 95, 5; Froning, Alsf. Passionssp. 6726; Österley, Kirchhof. Wendunmuth 4, 259, 17; 260, 1; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 403a, 21; H¸bner, Buch Daniel 4512; 5731; Thiele, Chron. Stolle 87, 12; Th¸r. Chron. 19v, 11; Bechstein, M. v. Beheim. Evang. 6, 6; v. Tscharner, Md. Marco Polo 23, 19; 70, 14; 72, 7; Gille u. a., M. Beheim 26, 1; 238, 249; Mayer, Folz. Meisterl. 14, 33; Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 501, 14; 5, 288, 57; Bihlmeyer, Seuse 260, 16; Bernoulli, Basler Chron. 6, 473, 24; Bachmann, Morgant 248, 23; Morrall, Mandev. Reiseb. 123, 13; Barack, Zim. Chron. 1, 320, 28; Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 135, 30; 216, 19; Klein, Oswald 67, 21; 81, 30; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 323; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 10, 34; 20, 4; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 211; Dasypodius 31r; Schweiz. Id. 3, 950; 5, 133. − Vgl. ferner s. v. abwerfen 12, 1als 2, anlegen 5, antependium, antragen 2, 1ar 2, arenflügel, aufarbeiten 4, aufrecken 1, aufsperren 2, aufwischen 2, ausrotten 3, 1backe 1, pantel, 1bär 1, pard, bärin 1, barreweis, bebrunzen, 1leffel, leopard, lewenzan 1.

2. ›Sternbild Löwe‹; dazu metonymisch: ›Monat August als Sichtzeit des Sternbildes‹. Stoltzius, Chym. Lustg. 78, 1 (Frankf./M. 1624): Der grÈne LËw. Was bdeut der LËw / mit seinen Stern? 兩 Was bdeut die Sonn / welche gar gern 兩 Vom LËwen wird gehalten fest? Ebd. 106, 3: Africa gibt / ohn allen schertzn / 兩 Warme LËwen mit rothem Hertzn. Stackmann u. a., Frauenlob 3, 16, 3 (Hs. 2schles., 14. Jh.9): Noch süzer dan ins lewen hitzic sunne ein schate schine. Sudhoff, Paracelsus 14, 411, 35 (um 1567): luna hat von sol und vom löwen und der jungfrau die lautere reinikeit und große bestendikeit wider die macht des feurs sol, löwe jungfrau. Menge,

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lewe − lewenhar

Laufenb. Reg. 319 (Hs. 2nalem., um 14709): HIe ist die sunne Im löwen 兩 Mit siner hitze Im trowen 兩 Glich als der o löwe in zorne tut. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 23, 3 (noobd., 1347/50): die zal der himelzaichen die sint also: wider, ohs, zwinlein, krebs, leo, juncfreulein, [...]. Klein, Oswald 22, 35 (oobd., 1422): welcher von der Sunne 兩 orient geboren ist, 兩 dem geit der Leo die wunne. − Jahr, H. v. Mügeln 507; Sudhoff, Paracelsus 8, 288, 15; 10, 144, 28; Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 386; Bre´ vart, a. a. O. 23, 17; 37, 19; 50, 7; Golius 18.

3. in dem Phrasem: roter lewe: ›Metall‹ (aufgrund der Farbe möglicherweise Gold; alchimische Kontexte). Sudhoff, Paracelsus 14, 14, 394, 1 (1568): Die materi der tinctur ist ein ding, so du mich recht auf spagirisch verstehest, welches von dreien ein ´ein wesen durch die vulcanische kunst ausgehen [...] mag. und das ich dirs mit seinem namen nach altem brauch nenne so ists der rote löw, vilen genant, wenigen bekant. − Barke, Spr. d. Chymie. 1991, 287.

4. ›Gehilfe des Scharfrichters, Henkersknecht, Büttel (der Stadt Nürnberg)‹. − Nobd. − Bdv.: vgl. büttel, haher, peiniger 2, kästiger, richter, scherge. − Wbg.: lewenknecht. Chron. N¸rnb. 1, 273, 12 (nobd., 1388): It. ded. Albrecht, leben, 1 ½ 웩 hl. vom streichampt. Ebd. 4, 180, 2 (15. Jh.): auf der maur der stat [...] pei der plaich und des lebin maur, da gieng man auf über. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 112, 1 (nürnb., 1464/75): man lest auf der stat kost niemant sein schlöt fegen dann [...] dem nachrichter, leben, huntschlaher, den zweien stathirten. Ebd. 259, 5: soll der stat paumeister mit dem pfenter und in sunderheit mit dem leben bestellen, das man den schön prunnen [...] mit kremen nit versetzen loß. Ebd. 267, 33: hat der leb dorpei ein sweinstall steen, [...] dorein er die swein spert, die er auf der gassen vindet. Hampe, Nürnb. Ratsverl. 1, 82, 8 (nobd., 1498): Dem Gareysen, leben, ist vergonndt, ein tafelein einß gemelds [...] verneuen zu lassen. Euling, Kl. mhd. Erz. 411, 1 (nobd., E. 15. Jh.): Von dingen die geben vil poser cristen. Richters knecht, verreter, leben und schergen. Rupprich, Dürer 1, 168, 80 (nobd., 1521): Jch hab zu trinckgeld geben dem meßner und löwen knechten 3 stüber. − Chron. N¸rnb. 5, 690, 5; Lexer, a. a. O. 202, 13; Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr. 160, 31: Rwb 8, 1482. − Vgl. ferner s. v. aufzukken.

5. der Löwe als Identifikationszeichen von Gesellschaften, Bünden oder Zünften; metonymisch: Name von deren Räumlichkeiten. − Obd. − Wbg.: lewler, lewlerbund. Chron. N¸rnb. 3, 290, 24 (nobd., 1450/80): etliche sant Wilhelmes geselleschaft, etliche die geselleschaft der panthier oder der lowen geselleschaft. Geier, Stadtr. Überl. 523, 15 (nalem., 1560): so gehn beede erwelt new und alt burgermaister, stattaman, die räth uß dem lewen, [...] in die hindern

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o newen stuben. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 290, 8 (halem., 1576): uß wöllichen [...] ursachen dann gesagte fürtrager vom Löuwen ... uns ... gepätten haben, wir wöltend unsere burger [...] by loblichem altem harkhommen [...] belyben lassen. Turmair 5, 518, 31 (moobd., 1522/33): Der fürsten punt nent man den ,lewlerpunt‘ darumb, das die fürsten von Baiern ainen lewen füerten. Leidinger, V. Arnpeck 681, 7 (moobd., v. 1495): di ritterschaft in und vor dem wald hetten ainen punt gemacht wider herzog Albrecht und nennten sich die lebler. − Geier, a. a. O. 552, 19; Leidinger a. a. O. 683, 34; 705, 13.

6. ein Geschütz. Schottenloher, Flugschrr. 97, 6 (Würzb. 1523): Da wardt gschossen syben tag 兩 [...] 兩 Die abgestummelt scharpffe metz 兩 Het darzu auch das best getan. 兩 Der leb thet guten nachtruck han 兩 In vorgeborte locher kleyn 兩 Die rays er gewaltig all zu eyn. 2

lewe (auch mit Hebung des Wurzelvokals: -i-), die; zu mhd. leˆwe ›Fischhecke‹ (Lexer 1, 1894); vgl. auch läuwe. ›Fischhecke‹. − Wbg.: leiweide ›Fischfanggebiet, das mit Fischhecken befischt wird‹ (Schreibung -ei- des Bw undurchsichtig). Grimm, Weisth. 4, 514, 19 (nalem., 1442): wer do wil lewen befohen. Merk, Stadtr. Neuenb. 139, 21 (nalem., 1681): sovil die leiweid anlangen tuet, es solle jehrlichen [...] die leiweid angehalten werden, dan man die leiweid teilet. Das holz sollen sie auf den osenden hawen und, wan sie dis lihen haben, sollen sie das holz wider hinder sich auf die höhe legen und wan, einer ein lihen hat und ongevohr einer auf- oder ab mit einem garn abzeücht, so solle er bei dem wenigsten die lihen ongeirrt nicht darein stecken oder storen bei der straf ein pfund fünf schilling stebler [...]. Und wan einer ein lihen in einem rinnenden waßer hat und daßelbige von einem andern abgekert und gewendt wurde, so hat derselbe seinen bahn in disem waßer, der jenige, so dises waßer abkehren will, der solle demselben, deme die lihen ist, anzeigen.

lewenbein, lewenbirne, lewenblat, lewenfarben, lewenfleisch, lewenfus, lewengatter, lewengarten, lewengeschrei, lewengewalt, lewengrif, s. 1lewe 1. lewengrube, die. ›Löwengrube‹, ein als Loch, Mulde, Vertiefung gedachter Ort, in dem Löwen gefangen gehalten werden. Mayer, Folz. Meisterl. 45, 22 (nobd., v. 1496): Got yn hin furet pey dem hare 兩 Zu Daniel ind lebengruben zware. Gille u. a., M. Beheim 172, 41 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Durch neid man auch Danieln erhub 兩 und warff in in die leben grub. − Schmitt, Ordo rerum 35, 15.

lewenhar, lewenhaupt, s. 1lewe 1.

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lewenhaut − lewer

lewenhaut, die. ›Fell eines Löwen (oft als Attribut der Königlichkeit)‹. − Bdv.: lewenpelz. Peil, Rollenhagen. Froschm. 554, 1508 (Magdeb. 1608): [Der Esel] fand am weg auß vngeschicht / 兩 Ein Lewenhaut wol zugericht / 兩 So einem Junckherrn in dem Jagen / 兩 Entfallen war. v. Tscharner, Md. Marco Polo 24, 28 (osächs., 2. H. 14. Jh.): hus, das ist gemacht von rore und ist bedact mit lewin hutin. Ebd. 25, 6: dy cameren und der sal sint bedact mit den lewin hutin. Koppitz, Trojanerkr. 20209 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Sy trügend alle claider an 兩 Gemachett uss löwen hütten. Ebd. 20232: uff töttlicher vartt, 兩 Menig löwen hutt verschrotten ward (bildlich für: ›fielen im Kampf‹). Turmair 4, 123, 23 (moobd., 1522/33): das er [Hercules] ein lewenhaut an hat gehabt, wie unser fürsten ietzo wolfpelz. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1326 (oobd., 1607/11): Ein geschirrl von topazio, wie ein lewenhautt. − Peil, a. a. O. 555, 1537; Bauer u. a., a. a. O. 1935; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 310, 29.

lewenherz, das. ›einem Löwen verglichener Mut, unerschrockene Tapferkeit‹. Th¸r. Chron. 8r, 22 (Mühlh. 1599): [Scipio] empfing ein LËwen hertze / vnnd Trat fÈr die RËmer [...] vnd sprach. Ukena, Luz. Sp. 2636 (halem., 1575): Wölff / halb Tüfel er an inen findt 兩 Mitt löwenhertz sy [Soldaten] bgabet sind.

lewenjeide, lewenkind, lewenklaue, s. 1lewe 1. lewenknecht, s. 1lewe 4. lewenknochen, s. 1lewe 1. lewenkopf, der ; −/auch -π + Uml. bildliche Darstellung eines Löwenkopfes in unterschiedlicher Ausformung und Funktion (als Dekoration an Geschirren, an der Kleidung, als Hausschild o. ä., als Symbol von Macht, Stärke, Tapferkeit, Reichtum); vgl. 1lewe 1; auch 5. Chron. Magdeb. 2, 235, 24 (nrddt., 1505): sollen auf allen kleyderen, an Roßenkreutzen, lowenkopffen heften dergleichen uber zwey marck silbers gewichte nicht haben. Chron. N¸rnb. 5, 667, 22 (nobd., E. 15. / A. 16. Jh.): der kaufman hieß [...] Paner an sant Gilgen gassen in dem haus zu den lebenköpfen. Koller, Ref. Siegmunds 340, 12 (Hs. 2Basel, um 14409): das dirte zeichen, zuo der lincken siten gefÈrt soll werden, ist [...] geteylt enmitten mit einem güldenen v [...] jegelicher strich, in dem ober teil zwen güldin lowenkopf, o v lowenkopf hat drige füren flammen zu dem munde usschiessen. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 115 (oobd., 1607/11): anathomirter lewenkopf, allein die gebain und seine zähnt. Ebd. 1032: 7 lewenköpf von weissem augstein. − Koller, a. a. O. 341, 24; 30; Bauer, u. a., a. a. O. 1596.

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lewenkraut, lewenlunze, lewenmilch, lewenpelz, s. 1lewe 1. lewenpfennig, der. ›Löwenpfennig, im meißnischen Münzsystem übliche Münze‹; vgl. 1lewe 1. Luther. Hl. Schrifft. Offb. 6, 6 Marg. (Wittenb. 1545): drey mass Gersten vmb einen grosschen [Marg.: ein Grosche helt dreissig lawen pfennig] / vnd dem Ole vnd dem Wein thu kein leid. Thiele, Chron. Stolle 462, 26 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): gemeyne wine eyn fertel umme dry lawen phenge. − Hertel, UB Magdeb. 3, 769, 8; Rwb 8, 1484.

lewenplappert, lewenskraft, lewensweise, lewentappe, lewentier, lewenwelf, s. 1lewe 1. lewenzan, der. 1. ›Zahn eines Löwen‹, zu 1lewe 1. Helm, H. v. Hesler. Apok. 14150 (nrddt., 14. Jh.): Als sie dan daz volk zu strazen 兩 Irre irrekeit wol gewenen, 兩 So bizen sie iz mit lewen zenen. Ziesemer, Proph. Cranc. Joel 1, 6 (preuß., M. 14. Jh.): sine zehene sint als lewenzehene und sine baczehene sin als lewenwelfis. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 107 (oobd., 1607): 19 löwen, bern unnd wolffszän. inn einer gemalten langlichten scattel.

2. eine Blütenpflanze; zu den botanischen Bezugsmöglichkeiten s. Marzell 5, 339. Alberus EE ivv (Frankf. 1540): lewenzan / wissen lattich / [...] augen wurtzel / eyer blum / dotter blum. Maaler 275r (Zürich 1561): LËuwenzan ein kraut. Alcen.

lewenzwinger, s. 1lewe 1. lewer, le, der ; zu mhd. leˆ, leˆwer ›Hügel‹ (Lexer 1, 1845; 1895). ›Hügel, Erdaufwurf (als Grenzzeichen)‹. − Bdv.: vgl. anschütte 1, aufwurf 1. − Wbg.: lewerhaufe. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 64 (preuß., 1331): plan 兩 Da ich di blumen vinde 兩 Vol craft der suzen winde, 兩 Di sich czu der nwen e 兩 Schrenken uz dem alden le (hierher als dichtungssprachliche Ütr.?). Stackmann u. a., Frauenlob 5, 38, 14 (Hs. 2md. auf nd. Grundlage, v. M. 14. Jh.9): hochvart ist uf der tugende le 兩 ein blünder kle. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 120, 8 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Chünig Bela [...] trat an ain leber und wolt da von verren des streites zu sehen. Winter, Nöst. Weist. 1, 103, 12 (moobd., 15. Jh.): sol der galgen steen auf dem lebar bei den Graslussen. Ebd. 2, 55, 34 (1697): hinweggackern der rain, abstoßung der marchstain und lewer. Ebd. 2, 74, 26 (moobd., 1610): Die gemärk sollen alßbalten nach verle¨ßener panthäding [...] mit vleiß ubergangen, erhebt, die

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lewerhaufe − lez

aufgerichten leberhaufen beschiettet werden. Ebd. 3, 373, 30 (um 1545): von der obrn gassn gend die grünt unz auf den leber, vom leber unz in den Khatzngrabn. − Ettm¸ller, Heinr. v. Meißen 367, 12; Rwb 8, 1287; Pf‰lz. Wb. 4, 878; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 216; Rwb 8, 1287; Schweiz. Id. 3, 1544.

lewerhaufe, s. lewer. lewig, lewin, s. 1lewe 1. lewler, lewlerbund, s. 1lewe 5. lez, Adj.; zu mhd. letze, lez ›verkehrt‹ (Lexer 1, 1890), nhd. letz (Dwb 6, 794). 1. ›im Unterschied zu dem stehend, was recht, richtig ist oder als recht, richtig gilt, unrecht, falsch, verkehrt‹; im einzelnen: ›links‹; ›umgekehrt (von Kleidungsstükken)‹; ›rückseitig (von Papier)‹; ›vom Glauben abgefallen‹; offen zu 2−4. − Beleghäufung für das Wobd. − Phras.: der letze pelz ›falscher Pelz‹ (spöttisch für die Bekleidung ärmerer Leute); lez stehen ›im Unrecht sein‹; lez dran sein ›irren‹; es geht lez zu ›es geht nicht mit rechten Dingen zu‹; lez oder recht haben ›recht oder unrecht haben‹; jn. lez stellen ›jn. ins Unrecht setzen‹; das lez herumher keren o. ä. ›das Innere nach außen kehren‹; im Beleg ütr.: ›sich schamlos zur Schau stellen‹; dem rok das lez auskeren ›alles auf den Kopf stellen‹; jm. gilt (etw.) lez oder recht ›jm. ist etw. gleich‹; es get lez und überzwerch ›es geht drunter und drüber‹; es geht jm. lez ›es geht jm. schlecht‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: übel, umgewendet, überzwerch, verkeret. Ggs.: recht (oft). − Synt.: j. / etw. l. sein; 2etw. (z. B. das rechte) l. machen, jn. / etw. l. stellen9 (präd. Attr.), jn. / etw. l. verstehen, etw. l. angreifen / ausrichten, jm. l. oder recht gleich gelten; den letzen (›Verkehrten‹) umbringen; der letze glaube / händschuh / verstand / weg, die letze hand / meinung. Wbg.: lezgläubig ›abergläubisch‹, lezverständig ›widersprüchlich‹. Schˆpper 90a (Dortm. 1550): Contrarius Widerstendig widerwertig entgegen laˇtz widersins widerspilisch. Schˆnbach, Adt. Pred. 10, 5 (osächs., 1. H. 14. Jh.): zo mustu sten [...] von gote gesundert und gewizet zu der lezen hant (›zur Linken‹) mit den stinkenden ciegen. Gille u. a., M. Beheim 82, 450 (nobd., 2. H. 15. Jh.): zu laichen [...] die

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兩 glaubigen menschen, nur das sy 兩 werden ringer und leczer. Spanier, Murner. Narrenb. 26, 31 (Straßb. 1512): So louffens [frouwen] mit den puren knaben 兩 Vnd gilt in glych o werck 兩 Vnd letz oder recht. Ebd. 40, 61: so ist es buben gat offt letz vnd überzwerg. Ebd. 41, 60: So ists [dyn tochter] wol selber so gelert, 兩 Das sy das letz herumbher kert. Ebd. 42, 92: Die schencken machens alles schlecht, 兩 Wer es letz, so würd es recht. Dasypodius 371v (Straßb. 1536): letzuerstendig red / widerspilische red. Antiphrasis. Goedeke, Fischart Flöh Haz 1387 (Straßburg 1594): Dieselb [weib] hett nach alten gebreuchen, 兩 Die her von Eve belz solln raichen, 兩 Ain letzen belz um, sah daraus 兩 Wie ain schildkrott aus irem haus. Sudhoff, Paracelsus 2, 383, 14 (1525/6): das die rechte meinung verstanden werde, und nit die leze. B‰chtold, N. Manuel. Papst 85, 1427 (Zürich 1525): Gott geb, ir habind denn glich ja letz oder recht, 兩 So wil’s trüwlich mit üch han. Ebd. 156, 641 (1526): [Wenn] o o es alles letz zugan! V. das ross sitzt uf dem man, 兩 So muss Anshelm. Berner Chron. 4, 145, 25 (halem., n. 1529): wie wol einer Eidgnoschaft nie wirs, nit so Èbel und lÁz gangen. Maaler 106r (Zürich 1561): Sich nit Entsetzen oder sich o / dultigklich leyden. nit lÁtz gestellen ab menschlichen zufÁlen Ebd. 261r: An das LÁtz theil des papeyrß schreiben oder auf das rauch theil, [...]. LÁtze rÁdt / auff das wiederspil des o solt / gegÁben. [...] LÁtzer glaub. Superstitio. das man thun LÁtzglËubig. Superstitiosus. LÁtz machen / Vmbkeeren / Das inner außhin keeren. [...] Ebd. 261r; LÁtz stellen die zeügen. Eleuare testimonia. Einsi frÁfenheit LÁtz stellen. Auo daciam alicuius confutare. [...] Einen seiner zuuersicht LÁtz stellen. Rennefahrt, Zivilr. Bern 756, 7 (halem., 1615): das er sËlchen kauff [...] ohn einichen betrug, falschen schyn o begere. Barack, und allen anderen lÁtzen verstandt zuzüchen Zim. Chron. 3, 574, 9 (schwäb., M. 16. Jh.): schlecht in der könig user kreften mit der letzen handt unversehenlich ins angesicht. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 115, 3 (schwäb., 1552): Es haist dem rock das letz herausskertt, darum mus sich gottes wortt mitt vill seltzamer brattick [...] besudlen lan. Klein, Oswald 112, 238 (oobd., 1438): man well dann felschen gots gesetz 兩 und das gerechte machen letz. − Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 289, 7; 313, 25; Qu. Schweiz. Gesch. 1, 48, 1; Adomatis u. a., J. Murer. Abs. 447; Bab. 4615; Ukena, Luz. Sp. 2780; Hulsius Q iijr; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 219; Schweiz. Id. 3, 1550; Schw‰b. Wb. 4, 1193 f.

2. ›verdreht, linkisch, ungeschickt, der normalen Erwartung entgegengesetzt, unangemessen (von Menschen, Verhaltensweisen u. ä.)‹; auch: ›merkwürdig‹. − Phras.: der letze meier ›schräger Vogel‹. − Bdv.: gäuchisch, link 2, tölpisch, übel, ungeschikt; vgl. lurtsch, lurz 2, täppisch. − Synt.: l. wirken, sich l. stellen / verkeren, etw. l. [tun], zur hand nemen; der letze kopf, das letze wort. − Wbg.: 3 letze, lezkopf 1.

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lezelte − lezner

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Mieder, Lehmann. Flor. 650, 29 (Lübeck 1639): LetzkËpff vnd Narren machens noch al. Ebd. 838, 3: Mancher schleifft / hebt vnd trÁgt sein Creutz so vngeschickt / letz vnd tËlpisch / das sich zu verwundern. Luther, WA 21, 468, 10 (1544): DAS sind nu eitel letze wort, so Christus seinen JÈngern gibt. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 94 (Straßb. 1522): er was also ein letzer Meyer, das er nichtz fÈr guto wolt haben. Tittmann, Schausp. 16. Jh. Funk 180, 228 (Bern 1551): Wie kanst du dich gar lätz stellen! Fuchs, Murner. Geuchmat 3137 (Basel 1519): Welcher tüffel sy doch leret, 兩 Das sy sich alß letz verkËret. Adomatis u. a., J. Murer. Ufferst. 577 (Basel 1567): ir klagend all on underscheid 兩 Mit lÁren worten unütz geschwÁtz 兩 ich wËlt mich ouch gern stellen lÁtz. Meisen u. a., J. Eck 55, 22 (Ingolst. 1527): dan yetlicher letzer kopff in bewegung seins hoffertigen hertzen [...] im firgenommen hat, etwas neüß in der o heyligen kirchen [einzufieren]. Maaler 261v (Zürich 1561): LÁtz / Vngeschickt. Ineptus. LÁtz / Gouchisch. [...] LÁtze. Peruersitas. − Ukena, Zuger Trag. 2460; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 219; Schweiz. Id. 3, 1552; Vorarlb. Wb. 4, 1194.

o u. Ernst 1, 194 (Straßb. 1522): LetzkËpff thÈn nit gut. o Ukena, Luz. Sp. 2842 (halem., 1575): Man muß sich in den poßen stellen / 兩 Ob ettlich sich letz böggen wellen / 兩 So nim ich sy mitt gwallt darvon. Maaler 261r (Zürich 1561): LÁtzkËpffig. Duricapitones. LÁtzkopff Eigenrichtig. Peruicax. − Martin/Lienhart 460; Schweiz. Id. 3, 1553 f.

3. ›einen erwarteten Qualitätszustand, eine Funktion nicht oder nur eingeschränkt erfüllend, schlecht, minderwertig (von Sachen unterschiedlichster Art)‹. − Wobd. / oobd. − Bdv.: vgl. anbrüchig, arg (Adj.) 1, gebrestlich, lästerig 2.

Argovia 4, 267, 11 (halem., 1400/1450): [Der vmbkreis] gat von demselben markstein an den Pilgerweg vnd in den Lezgraben: vnd den Lezgraben vf an den markstein. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 1, 376, 17 (halem., 1508/16): [si] leitend sich an die Spanweid, enhalb den usseren lezgraben. Bachmann u. a., Volksb. 30, 33 (alem., 15. Jh.): [sy] bliessend ir strithorn und kamend herus uber den leczgraben an das feld. − Luginb¸hl, a. a. O. 1, 357, 12; Welti, Urk. Rheinfelden 114, 43, 4; Schweiz. Id. 2, 682.

Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 332 (Straßb. 1522): Es kam uf einmal ein alt Weib mit einem letzen Schleier. Warnock, Pred. Paulis 7, 40 (önalem., 1490/4): daz er kainen gebresten hab, [...], nit ain letz og hab, nit schilche oder krume nasen. Niewˆhner, Teichner 686, 27 (Hs. 2moobd., 14699): als der scher (›Wühlmaus‹) wult im pacht 兩 und macht wisen und Áckher letzzen (flekt. präd. Attr.). Winter, Nöst. Weist. 3, 327, 33 (moobd., A. 16. Jh.): wolten [si] das letzer [vleis] hie verkaufen, wiert ainer des uberfaren, ze wandl 6 웩. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 510, 35 (m/soobd., 1515): das guet heuslich [...] innen ze haben, damit es nur pesser und nit letzer werde. Siegel u. a., Salzb. Taid. 217, 34 (smoobd., 1624): die heusser sind wandlpär und mugen be¨sser und le¨tzer werden. M¸ller, Handel Paumgartner 271, 29 (Tirol 1545): 41 ster des letzern Imbster pro 4 fl. − Jaspers, St. v. Landskron 137v, 8; M¸ller, Welthandelsbr. 183, 20; Winter, a. a. O. 2, 168, 28; Vorarlb. Wb. 4, 1194. − Vgl. ferner s. v. abessend.

4. ›eigenwillig, zielstrebig auf etw. gerichtet, begierig auf etw.; feindselig; störrisch, widerspenstig‹. − Bdv.: eigenrichtig, feindselig, greulich 1; vgl. abscheu (Adj.) 1, köpfisch, starhälsig, starkhalsig, starrig. − Wbg.: lezkopf 2, lezköpfig ›starrköpfig‹. Gille u. a., M. Beheim 52b, 31 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Sy sein gar lecz 兩 auf pos auf secz. Bolte, Pauli. Schimpf

lezelte, lezelter, lezelterin, lezeltlach, s. lebzelte. lezge, s. 2letze. lezger, s. lezner. lezgeselle, s. 1letze 1. lezgläubig, s. lez 1. lezgrabe, der. ›Grenzfurche, -graben (zwischen Grundstücken); Wehrgraben‹; zu letzen 6, vgl. grabe 2; 3. − Halem. − Bdv.: vgl. anfurche.

lezheit, s. letzen 6. lezkopf 1; 2, s. lez 2; 4. lezköpfig, s. lez 4. lezner, lezger, der ; −/-π ; starke Schreibvariation infolge morphologischer Undurchsichtigkeit. ›Geistlicher niederen Ranges; Subdiakon‹; zu 2letze 1. − Wobd. / oobd. − Bdv.: epistler, evangelier, priester 2; vgl. levit 2. − Wbg.: leznerskleid. Barack, Teufels Netz 4590 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Letzner und och kolner 兩 Lernend och die selben mer 兩 Und tuond sich der wihi übergeben 兩 Und hand och gar ain wilds leben. Bremer, Voc. opt. 19004 (halem., 1329 f.): Substile lerznerscleit [...] leccierskleit [...] epistler rokch [...] est vestis subdyaconi solempnis super alban induta in diebus festivis. Ebd. 36048: Subdyaconus lechzger [...] letzner [...] epistler [...] vir ab episcopo consecratus ad infundendum aquam et vinum in calicem et ad apponendum hostiam. Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. 105, 1 (alem., um 1430): [hertzog Ludwig] was beklaidet mit ainem rock als ein letzger. Ebd. 139, 30: und bott der letzgner dem ewangelier die schüß-

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leznerskleid − lezt

len mit dem brott. Dierauer, Chron. Zürich 23, 8 (halem., 1415/20): Keiser Karlus stifte die Probsty Zurich und bewidmet die mit einem propst und mit vier und zwenzig korherren, das sint acht prietser, acht ewangelier und acht lechziner. Boot, Cassiodor. Hist. Eccl. 153, 16 (moobd., um 1385): dy daucht daz guet sein, [...] daz dy pischof und dy a nach der weich nimer priester, dy ewangelier und dy leczner, e mit ıren weiben scholten slaffen, dy si vor der weich hieten genomen. − Boner, Urk. Aarau 191, 5; Schweiz. Id. 3, 1563.

leznerskleid, s. lezner. lezpredig, s. 1letze 3. lezschiessete, s. 1letze 3. lezt, lest (etwas seltener als erstere Form), Adj., in 3 nur adv. Gebrauch. 1. ›letzt, zeitlich gesehen nach allem anderen (z. B. nach dem ersten); schließlich‹; in adv. Gebrauch: ›zuletzt‹. − Phras. (gehäuft; teils mit Substantivierung, dann von lezte keine klare Trennung möglich): am lezten o. ä., auf das lezte, fürs lezte, in dem lezten, zum lezten o. ä., zu lezt, jeweils ›zuletzt, schließlich‹; das lezte mal. − Wbg.: leztlebend ›jn. überlebend‹, leztlich. Quint, Eckharts Pred. 1, 389, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): der ˆerste begin ist durch des lesten endes willen. Jaˆ, got der rouwet selbe niht daˆ, daˆ er ist der ˆerste begin; er rouwet daˆ, daˆ er ist ein ende und ein raste alles wesens. Peil, Rollenhagen. Froschm. 521, 448 (Magdeb. 1608): Weib halt ein / 兩 Odr es sol dein letzter trunck sein. Beckers, Bauernpr. 55, 14 (Köln 1515/18): in den lesten tzweyen frydagen in dem mertzen. Kˆbler, Ref. Franckenfort 54, 7 (Mainz 1509): dann darnach das letstlebende sich widderumb in die zweyte ehe verandert. Opel, Spittendorf 128, 41 (osächs., um 1480): Derhalben were yn letzst zu santh Mauritz vorhalt gesehen. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 235, 36 (thür., 1474): Zcu deme letcztin uffgebote ist Jhaen von Thumpelingen vor gerichte [komen]. Sermon Thauleri IIIra, 10 (Leipzig 1498): Nun haben wir gesprochen von der erstenn vnd letzsten geburt, wie wir yn der letzsten an der ersten sollen lere neme˜. B‰chtold, N. Manuel. 277, 537 (Basel 1530): Sie ist weder die erst noch letst, 兩 Die mit dem o fuss in bach ist treten. Wyss, Luz. Ostersp. 3, 48, 47 (Luzern 1616): Das ist deß Herren letste wunder, 兩 so er mit andacht thatt besunder 兩 Vor sinem todt. Chron. Augsb. 5, 104, 24 (schwäb., 1523/7): das schlos zuo Hochenaschperg, das was das lötzst, das der pundt eingenomen hat. Chron. Augsb. 8, 405, 11 (schwäb., zu 1552): auf den lesten tag des monats augusti. Winter, Nöst. Weist. 3, 729, 4 (moobd., A. 16. Jh.): welicher pawman der löst ist umb die fruemößzeit dem erstn ain metzn habern geben. Piirainen, Stadtr. Sillein 96a, 34 (sslow. inseldt., 1378): Der svntag

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waz der erste tag der ye wart vnd der auch wirt der leczte. − Zu den Phrasemen: Schˆpper 47b (Dortm. 1550): Postremo. Laˇst / letztlich zum letzsten endtlich. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 6289 (rib., 1444): Du en kans up dat leste geyn guyt gehain, 兩 He en wille deilachtich syn da an. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 396, 3 (rib., 1489): ind u. g. die beide ampte int lest vereiniget haven. Chron. Kˆln 2, 11v, 6 (Köln 1499): zo dem lesten so sullen sy verkriegen die krone der merteler. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 77, 18 (omd., 1487): Am letzsten er vor dem babst vorclaget [worden]. Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 105, 878 (Zwickau um 1540): Noch eins fÈrs letzt. v. Keller, Ayrer. Dramen 2204, 6 (Nürnb. 1610/8): wenn er mich hie finden thet. 兩 Ich euch das letzt mal gsehen hett. Vetter, Pred. Taulers 66, 28 (els., E. 14. Jh.): wie sint su´ in daz urteil Gottes in dem lesten gevallen. Wiessner, Wittenw. Ring 4607 (ohalem., 1400/08): ker dich auf das best 兩 Und auf daz gnädigost ze lest! Chron. Augsb. 2, 68, 26 (schwäb., Hs. 16. Jh.): daß er gottes leichnam begert hett an dem letsten. Piirainen, Stadtr. Kremnitz 84 (mslow. inseldt., 1537): Zum Letzten, Wollen wier Iederman treulich gewarnet haben. − Baumann, Bauernkr. Rotenb. 104, 21; Wyss, Limb. Chron. 68, 26; Kˆbler, Ref. Frankkenfort 39, 10; 43, 17; Chron. Augsb. 8, 157, 2. − Zu den Phras.: Kurz, Waldis. Esopus 3, 26, 3; v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 689, 17; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 346, 7; Chron. Augsb. 1, 99, 9; 303, 25; Roth, E. v. Wildenberg 124, 20; Kummer, Erlauer Sp. 6, 56; Rwb 8, 1244 f. − Vgl. ferner s. v. absenz 2, ausrecken 5, 2auf 9, 1base 4.

2. an 1 anschließbar eine Fülle von Phrasemen um den Tod des Menschen, das Jüngste Gericht; teilweise elliptischer Gebrauch (Auslassung des Subst.). Ordnung so weit wie möglich und sinnvoll nach dem Alphabet: das lezte (abend)essen ›letztes, sakramentstiftendes Abendessen Jesu mit seinen Jüngern‹; der lezte abschied, das lezte abscheid / scheiden (o. ä.) jeweils euphemistisch für das Sterben, den Tod, die Todesnot; der lezte atem; die lezte auferstende ›Auferstehung des Menschen‹; das lezte ende ›letzte Zeit eines Lebens; Todeszeit, Tod‹; die lezte fart / hinfart; der lezte gang; das lezte gericht ›das jüngste Gericht‹; das lezte keichen; die lezte lässe ›letzter Stich beim Kartenspiel‹ (vgl. Dwb 6, 213; 772); der lezte lon; das lezte nachtmal wie das lezte (abend)essen; die lezte reitung ›die letzte Abrechnung‹; die lezte not ›Todesnot‹; die lezte stunde ›die Todesstunde‹; das lezte urteil ›Jüngstes Gericht‹; der lezte wille; der lezte tag, die lezten tage ›Tag(e) vor dem

1105 Tod, Todestag‹; das lezte testament; die lezten zeichen; die lezte(n) zeit(en) oft in präp. Verbindung an / zu den lezten zeiten (o. ä.) für den Tod des einzelnen Menschen, für die Endzeit und die Zeit des jüngsten Gerichts (im einzelnen kaum trennbar); der lezte zorn; die lezten züge. Belege in der Reihenfolge der Nennungen (mit semantisch bedingten Abweichungen): Froning, Alsf. Passionssp. 3069 (ohess., 1501 ff.): dijt sal das leste essen synn, 兩 das ich mit uch essen sail! Reichert, Gesamtausl. Messe 11, 10 (Nürnb. um 1480): da er sprach an dem letsten abentessen nach dem als er den jungernn het das heylig sacrament gegeben. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 21, 7 (tir., 1464): Das ewenpild hat v¨ns lassen Christus an dem le¨sten abent ¨essen, da er wüsch die füesse seiner junger. Schˆpper 113a (Dortm. 1550): Mors. Todt sterben ¶ abgang letzstes abscheid. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 269, 2 (Nürnb. 1631): GlorwÈrdig Er zum Oelberg kam, 兩 Da Er den letzten abschiedt nam. Klein, Oswald 35, 36 (oobd., 1409/10): göttlich geburd durch magt mensch rain, 兩 hilf an dem letzten schaiden! V. Anshelm. Berner Chron. 2, 134, 6 (halem., n. 1529): dass si biss an letsten aten wie die kÁlber blÁreten. Sachs 15, 342, 9 (Nürnb. 1562): Und hat sein unart gar ein end 兩 Biß zu der letzten aufferstehnd. Schˆnbach, Adt. Pred. 14, 14 (osächs., 1. H. 14. Jh.): o min lip muze sterben als die gerechten und min leste ende muze sich gelichen den selben. Bˆhme, Morg.R. 13, 7 (Hs. 2schles., 16129): Mensch [...] der du an diesem letzten ende der zeit in so grosser sicherheit lebest. Langen, Myst. Leben 156, 6 (nobd., 1463): da mit er [poser geist] / anficht dy krancken an dem leczten ende. Wyss, Luz. Ostersp. 3179 (Luzern 1571): So sich thuto scheiden die seele min 兩 Am lettsten end von minem lyb. Opitz. Poeterey 23, 23 (Breslau 1624): Worzue dienet das studieren / 兩 [...] ?兩 Vnter dessen laufft die Bach 兩 Vnsers lebens [...] 兩 [...] 兩 Auff jhr letztes ende hin. Primisser, Suchenwirt 32, 33 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Nu let er auf der lesten vart 兩 Sein grozzes guet auf erden. Schˆnbach, Adt. Pred. 7, 16 (osächs., 1. H. 14. Jh.): uo ffe daz du behalden werdes an diner leste hinevart. Fastnachtsp. 1451, 20 (nobd., 15. Jh.): Das lest oder gemein gericht wirt sein an dem end der wellt. Luther, WA 34, 2, 282, 25 (1531): Also [...] gewiß soll ich auch sein, wenn ich den letzten gang gehe unter die Erden. Roth, E. v. Wildenberg 4, 29 (moobd., v. 1493): ir müst warlich darumb antwort geben vor dem letzten gericht. Klein, Oswald 29, 24 (oobd., 1409, 1426?): Maria, hab, hilf an dem letzten keichen. Sachs 20, 77, 34 (Nürnb. 1559): Treib auch das spil der letzten leß, [möglicherweise Umdeutung von lässe auf les ›lectio‹] 兩 Das mir offt war gar herb und reß. Gille u. a., M. Beheim 81, 33 (nobd., 2. H. 15. Jh.): das ist ein gross czaichen vermelt, 兩 das in solch czeitlich glike 兩 Czu einem lesten lon sey gebm, 兩 als den grechten ir ewigs lebm 兩 auch ist ir lester lone. Wyss, Luz. o o in ir fus, irs werden Ostersp. 6677 (Luzern 1545): wusch gsen, 兩 [...] 兩 nam ouch mit in sin letst nachtmal 兩 zuo Hierusa-

lezt

1106 lem in einem saal. Spechtler, Mönch v. Salzb. 33, 47 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): die letzten raitung für uns gilt, 兩 wann wir hie müssen sterben. Primisser, Suchenwirt 41, 700 (oobd., 2. H. 14. Jh.): daz uns in der lesten not 兩 Chains pËsen geistes aug anschilh. Luther, WA 53, 276, 2 (1542): Das sind die rechten letzten schrecklichen [...] plagen. Ebd. 46, 62, 18 (1537): von dem letzten Regiment des Endchrists, nemlich des Bapstumbs. Wyss, Luz. Ostersp. 9284 (Luzern 1545): verlass in nit in der letsten stund! Schˆnbach, Adt. Pred. 32, 41 (osächs., 1. H. 14. Jh.): erlose mich von dem ewigen tote an dem vorchsamen tage des lesten urteiles. Schˆpper 106a (Dortm. 1550): Testamentvm Testament erb gemächt seel gerecht letzter will. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 83, 2 (omd., 1487): Der letzte wille des vorstorben menschen sall Jn allen dingen [gehaldenn werden]. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 47, 37 (Straßb. 1650): Anstatt daß sie sich [...] der Sterblichkeit vnnd ihres Endes erinnern [...], so fangen sie an von der verstorbenen Letztem Willen oder Testament vnd der verlassenschaft zu erzehlen. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 70, 22 (mslow. inseldt., 1602): 1602, Ortnet die Tugendts´ame fraw Catharina [...] bej guter vernunfft mit vornemlicher teutlicher rete, ihren letzten willen wie volget. Henschel u. a., Heidin 952 (nobd., um 1300): Din ich niht vergezze 兩 [...] 兩 Biz an minen letsten tak. Vetter, Pred. Taulers 34, 32 (els., E. 14. Jh.): in disen lesten tagen, das do sint die tage des heiles, so enmag enkein mensche niemerme genesen [...] dan u´bermitz daz minnekliche wasser des tiches, daz ist daz bluto unsers herren. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 12, 30 (tir., 1464): er ist pesammen sein schaff in sein schoff an den lesten tägen. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 68, 2 (mslow. inseldt., 1586): haben wir vns dem lezten tes´tament nach gehalten. Luther, WA 29, 619, 5 (1529): es sollen die letzten zeichen nicht ferne sein. Ebd. 54, 472, 13 (1548): Was wunder ists, das auch wir, so jtzt, in dieser letzten schrecklichen zeit, Christum predigen. Dubizmay, kurß zu Teutze 16, 13 (hess., 1463): küm mir zu hilff an 兩 meynnem letzten zeytten. Reichert, Gesamtausl. Messe 92, 33 (Nürnb. um 1480): das Got der herre [...] richten und urteylen wirt eyn yegklichen menschen an seynen letzten zeyten. Wyss, Luz. Ostersp. 10083 (Luzern 1545): es würt zuo den letsten zytten kon 兩 sim glouben ein widerspeniger trutz. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 13, 3 (tir., 1464): Da in nu sein leste zeit wart nöten auz zugen von dem leib. Luther, WA 19, 193, 15 (1526): Also hat er auch Christum [...] ynn die welt gesand, ehe denn der letzte zorn des jungsten gerichtes kompt. Ebd. 28, 670, 23 (1529): GÈter kËnnen nicht helffen in den letzten zÈgen. Sappler, H. Kaufringer 16, 555 (schwäb., Hs. 1464): wie gern ir [tiefel] den menschen beraubt 兩 an den letzsten zügen sein 兩 der tugent rain. − Elliptisch: Lohmeyer, K. v. Nostitz 159, 26 (preuß., 1578): wil ich alles, das ich weiß, auff meine letzte hinder mir verlassen. Loesch, Kölner Zunfturk. 4, 387, 9 (rib., 1397−1409): sal man in ermanen, wat he deme heilgencruiz wil geven [...] ind an sime lesten, dat he sin gunst ouch deme heilgencruiz bewise. Buch Weinsb. 1, 262, 6 (rib., um 1560): in sinem lesten hat er sinen einigen son

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lezte − lezverständig

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Eduardum zum koning ingesatzt. Moscouia CIv, 40 o (Wien 1557): So aber der Großfurst Hans an seinem letzten gelegen / vnd die Geistliche jne der gewissen vermant / hat [...]. − Bauer, Imitatio Haller 97, 16; Golius 116. − Vgl. ferner s. v. abschied 2, augenede, ausbleiben 3, auslassen 12, ausrichtung 6.

heiligen lere, daz ander ist gut bilde heiliges lebenes, daz leste ist daz ammacht des heiligen gotes dinest. Turmair 4, 426, 7 (moobd., 1522/33): ’Dialectica‘ ist die dritt und lest kunst, so auch wort und red antrift. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 98, 12 (noobd., 1529): Sambstag Bricci hab ich den lesten zehet von Tegerheim außtailt.

3. von einem später als das Bezugsgeschehen liegenden Zeitpunkt aus gesehen auf den zuletzt stattgefundenen oder einen kürzlich abgelaufenen Vorgang bezogen: ›neulich, letzthin, vor kurzem‹.

7. dient der Kennzeichnung der äußersten Seinsmöglichkeit einer Bezugsgröße, darunter endzeitlicher Projektionen: ›äußerst, höchst; definitiv‹, zum Teil auch zu 2 stellbar. − Texe der Sinnwelt ,Religion‘.

Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 548, 14 (rib., 1454): darup begeren ich guetlich uire eirsamheit ind wissheit zo wissen, dat ich lest uiren frunden, die bij mir wairen, der gelegenheit en deil gesacht hain. Kurz, Waldis. Esopus 4, 65, 1 (Frankf. 1557): ZV Maintz am Rhein ich lesten war. Opel, Spittendorf 135, 2 (osächs., um 1480): seyne gnade und der rath hetten letzst zu sant Mauritz yre antwort gehort.

Helm, H. v. Hesler. Apok. 19007 (nrddt., 14. Jh.): Die [Degen] zeigent dan ir leste tugent 兩 Mit degentlicher heldes mugent. Ebd. 22913 (nrddt., 14. Jh.): Alpha und O ich bin, 兩 Erst und letzt, ende und begin. Luther, WA 46, 453, 8 (1538): Johannes ist der letzte und gibt den letze trunck. Ebd. 49, 741, 14 (1545): Die Donnerschlege [...] sind ein [...] vortraber des letzten donnerschlags. [...]. das wird die letzte Posaune. Strauch, Par. anime int. 71, 11 (thür., 14. Jh.): wan alse liplich frucht das leiste unde daz suziste daz da ist in dem menschin. Mathesius, Passionale 50v, 7 (Leipzig 1587): Der seine besten Tage gelebet hat / das ist / der aller letzte / geringste / vnterste vnnd außwÈrfling / vnter vnnd von allen Menschen Kindern. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 89, 12 (Straßb. 1466): on zwifel hie hab ich gesehen die letzsten ding dez sehenden mich. Chron. Augsb. 7, 78, 8 (schwäb., zu 1548): so möcht daraus anders nichts dann diser stat endtlicher, letster undergang und eusserist verderben zÈ gewarten.

4. ›letzt, hinterst, entlegenst, nach allem anderen (unter dominant räumlichem Aspekt, teils auf die Linearität von Texten bezogen)‹. Grosse, Schwabensp. 47a, 37 (Hs. 2nd./md., um o 14109): de vunfte sibbe stet an dem ersten lede des vengers. [...] de sebede an dem lesten lede vor deme nagele. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 27734 (preuß., um 1330/40): dıˆ ˆersten und dıˆ lesten [dorfir] 兩 dıˆ branten sıˆ gar abe. Rot 303 (Augsb. 1571): Declinirn, [...] die letzt silben eines worts in ein andre lencken. Chron. Augsb. 4, 410, 1 (schwäb., zu 1490): da die ersten nachet bei Jnningen wassend, da wassend die lesten noch bei Gegingertor. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 203, 52 (moobd., 1. H. 15. Jh.): als sand Paul spricht ad Ephesios am lesten. − Gerhard, Hist. alde e 2869; Rohland, Schäden 465; Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 47, 14.

5. ›zuletzt genannt‹; in einer Reihe von Bezugsgrößen mit Absetzung von erst, ehe gesprochen, dann den Zeitverlauf des Textinhalts betonend. − Wbg.: leztgenant. Quint, Eckharts Pred. 2, 433, 5 (E. 13./A. 14. Jh.): Nuˆ laˆze ich die lesten zwei und rede von dem ˆersten stücke. Chron. Augsb. 1, 62, 17 (schwäb., zu 1378): uff dem egesprochen letzsten ros rait ain ersamer ritter. Turmair 4, 345, 1 (moobd., 1522/33): lezgenanter künig Schirm verfertiget herwider sein rät ab zue dem grossen Alexander. − Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 335, 21.

6. dient der Charakterisierung des Endgliedes einer eher logisch reihend als zeitlich oder räumlich gedachten Reihe. Schˆnbach, Adt. Pred. 24, 31 (osächs., 1. H. 14. Jh.): o o daz [vur] sol der priester vuten und sol drier hande holz dar uf werfen tegiliches [...]. daz erste holz ist daz gotes wort der

lezte, die; möglicherweise formale und semantische Beeinflussung durch 1letze 7. ›Ende, Schluß‹. − Phras.: an der lezt; auf die lezte. − Bdv.: ende; vgl. ausgang 13, beschlies 2, grund 13. Fischer, Brun v. Schoneb. 2575 (md., Hs. um 1400): doch ist unse letzte ie der tot. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 28v, 10 (md./oobd., 1446/8): auf dy leczte leg auf dy wunden werg. Sachs 18, 287, 4 (Nürnb. 1562): Stürtzst sie zu boden an der letzt. Rupprich, Dürer 1, 153, 196 (nobd., 1520): Auff die leczt kam ein groser trach. Reichmann, Dietrich. Schrr. 147, 14 (Nürnb. 1548): Der gute wein ist behalten biß auff die letzt. Chron. Augsb. 2, 286, 10 (schwäb., Hs. 16. Jh.): das was die letzt, damit gieng der frid an des morgens am freitag. Chron. Augsb. 5, 217, 2 (schwäb., 1523/7): auff die lötzst ist er gächlingen erschwartzt und auf der kantzel gestorben. − Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 566.

leztens, s. lezt 3. leztgenant, s. lezt 5. leztlebend, leztlich, leztmals, s. lezt 1. leztrunk, s. letzen 3. lezverständig, s. lez 1.

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leztwerf − liberei

leztwerf, s. lezt 3. lib, s. libra. liban, der ; Bergname. ›Libanon (in einem geographisch kaum festlegbaren Sinne)‹; auch bildlich und ütr., in letzterem Falle: ›Weihrauch‹. − Wbg.: libanisch. Luther, WA 19, 421, 12 (1526): Dann Libanon auch dasselbige gebirge Hermon ist. Das dis sey der synn: Du hast ym Libanischen lande, das ist ym Judischen lande, grosse frevel geubt. Bihlmeyer, Seuse 13, 28 (alem., 14. Jh.): als der hohe liban unverschniten smaket [...], also bin ich ein blÈndes [...] lieb. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 125, 12 (Straßb. 1466): Wann sende mir auch zedrine hËltzer [...] von dem liban [Var. W, 15. Jh.: aus dem libanischen walde]. Rauwolf. Raiß 23, 27 ([Lauingen] 1582): Tripolis [...] ligt [...] an den vorbergen des hohen Gebürges Libani. − Bihlmeyer, a. a. O. 310, 12.

libanisch, s. liban. libel, das; -s/−; zu mhd. libel (Lexer 1, 1895), dies aus lat. libellus (Georges 2, 560). ›kleines Büchlein, schriftliche Darlegung rechtsrelevanten Inhalts‹; bei Bezug auf ein verbales Vergehen z. B. ›Schmähschrift‹, bei Bezug auf die Klageerhebung (häufiger) bzw. den Vortrag einer Beschwerde im einzelnen z. B. ›Klageerhebung, -schrift‹; ›Bitte, Beschwerde‹. − Bdv.: anforderung 3, anklagezettel, bitte 1, brief 1−5, büchlein (s. buch 1; 3), pasport 1; 2, fürtrag, geschrift 1, (schriftliche) klage 2, rechtshandel, schrift, supplication, zuspruch. − Synt.: l. tun ›Klage erheben‹, ein l. artikulieren / bedürfen, verfertigen / stellen / vorbringen, [wie] verstehen, klar ausdrucken ›formulieren‹, jm. ein l. geben, überantworten, ein l. in schriften einlegen, zu den -krankheiten ergründen; kraft des libels etw. ordnen / setzen; dem richter etw. ane l. erbieten, in einem l. etw. stellen ›festlegen‹, begriffen sein, etw. in ein l. zusammenziehen, jm. in einem l. etw. (z. B. böse worte) anschlagen; das eingelegte / grosse / neue l., gleich lautende libelle; das l. wieder dem gegenteil; in libels weise. Wbg.: libellieren ›jn. publizistisch schmähen‹ (zur erstgenannten Variante). Schˆpper 93a (Dortm. 1550): LIBELLVS. Libell clag zuspruch anfurderung. Kˆbler, Ref. Franckenfort 96, 15 (Mainz 1509): ein jglicher clager / er thuo sein forderung durch

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sein fürsprechen müntlich / oder lege sein clage oder libell jn schriffte˜ jn. Laufs, Reichskammergo. 256, 32 (Mainz 1555): In der sachen zwischen A. und B. gib ich diese geschrift, nemlich libell, exceptiones, articulos, replicas, duplicas. Kohler u. a., Bamb. Halsger. 134, 2 (Bamb. 1507): schmehschrifft, zu latein libel famoss genant. Fuchs, Murner. 4 Ketzer 383 (2wohl Straßb.9 1509): Darumb Wygand in seim libell 兩 Doctor Branten vil manche schnell 兩 Mit bËsen o Kurz, Murner. Luth. Narr 1986 worten aneschlug. (Straßb. 1522): Wa iemans thet vnß widerstant, 兩 So riefft im vß so thür den wein, [...] 兩 Vnd facht in an zuo libillieren, 兩 Vil bËser stück doch nit probieren. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 437, 7 (halem., 1605): das sölliche vero besserete [...] artickel zusampt den alten, [...], in ein nüw lybell o zusamengezogen [...] werde. Rot 325 (Augsb. 1571): Libell, BÈchle. Jtem ein schrifftliche bit vnd fÈrtrag / die man sonst ein supplication nennt. Jtem ein rechts handel in gschrifft gestelt. Jtem gschrifftliche verkÈndung zum rechten. Jtem ein Boßpart / oder zettel von eim Zolner. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 456, 13 (schwäb., 1574): soll hiemit und in allweg, was in diesem libel von puncten zu puncten underschidlich begrifen, unwiderrieflich, trewlich, [...] gehalten [...] werden. − Laufs, a. a. O. 260, 35; 262, 22; Fastnachtsp. 991, 11; V. Anshelm. Berner Chron. 4, 269, 12; PfeifferBelli, Murner im Glaubensk. II, 13, 28; ders., Murner. Kl. Schrr. 6, 84, 30; Chron. Augsb. 4, 289, 7; 6, 74, 6; 7, 135, 3; Gehring, a. a. O. 3, 436, 2; Schib, Urk. Laufenb. 363, 114; Eschenloher. Medicus 45, 12; Wopfner, Bauernkr. Tirol 6, 9; Maaler 270v; Rwb 8, 1288; Vorarlb. Wb. 2, 277; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 127. − Vgl. ferner s. v. antworter 2.

libellieren, s. libel. liberal, Adj. ›freigiebig, großzügig, wohltätig‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper, vgl. ferner giftig 1. − Wbg.: liberalität. Schˆpper 11b (Dortm. 1550): Benignus. GÈtig freundtlich ¶ milt freymilt liberal gastfrey gabreich freygebig gutthätig. Chron. Kˆln 2, 519, 28 (Köln 1499): der vurß buschof was ein weidelich liberail ind wise furst. Barack, Zim. Chron. 2, 331, 26 (schwäb., M. 16. Jh.): das er sich entlichen entschloss, er wellt auch ainmal s. Niclaus sein und in seinem dorf under den paurendöchtern umbher terminirn und sein liberalitett erzaigen. Rot 324 (Augsb. 1571): Liberalitet, Trewe, vnd milte hand oder freygebigkeit.

liberalität, s. liberal. liberanzbrief, der ; Bw aus mlat. liberare ›bürgen‹ (Niermeyer 1, 1002, 794). ›Garantieurkunde über eine Geldschuld‹. − Rwb 8, 1290 (a. 1532). liberation, s. 1liberieren. 1 liberei, die; zu mhd. liberıˆe ›Bibliothek‹ (Lexer 1, 1896), dies über das Rom. aus lat. liber(arium).

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liberei − libertas

›Bibliothek‹; vereinzelt mit Tendenz zu ›Buchladen, Buchhandlung‹; tropisch auch im Sinne von ›geistliches Rüstzeug‹; ›einzelne Bücher; Schriften‹; positive und negative Bewertung der Bibliothek (letzteres in Richtung auf ›Scheinwissen‹) ausgewogen. − Bdv.: bibliotheca, bücherbehaltnis, bücherstat, buchgaden, buchkammer, buchladen. − Synt.: 2die / eine l. angeben / an-, aufrichten, bauen, zu wege bringen9, jeweils ›gründen‹, die l. haben / beschauen / erreichen / wegfüren; die l. (Subj.) die apoteke / arzenei der sele sein; in die l. kommen, in der l. sitzen, etw. (z. B. bücher) in der l. behalten, etw. in der l. aufputzen, ütr.: den harnisch in der l. schlagen, sich auf die l. verlassen, auf die l. geneigt sein; die l. des domstiftes, der gelerten; die alte / falsche / gelerte / grosse / köstliche / überflüssige ›reichhaltige‹ l. Luther, WA 15, 49, 12 (1524): das man fleys und kosten nicht spare, gutte librareyen odder bücher-heuser [...] zuverschaffen. Goedeke u. a., Liederb. 259, 70 (Marb., 1549): zun waffen wöllen wir greifen, 兩 den harnisch legen an, 兩 den Paulus hat geschlagen 兩 in seiner liberei. Gerhard, Hist. alde e 4554 (omd., um 1340): Erdras hatte wol besachet 兩 Di librarie und gemachet. Lemmer, Brant. Narrensch. 1, 4 (Basel 1494): Vff myn libry ich mych verlan 兩 Von bÈchern hab ich grossen hort 兩 Verstand doch drynn gar wenig wort. Goldammer, Paracelsus 6, 194, 12 (1530): also werden verschwinden die großen falschen libereien, die großen sinagogen, die großen stift, kloster. Spanier, Murner. Schelmenz. 34, 13 (Straßb. 1512/3): Das ist biß har die libery [vom Hrsg. als liberei 2 interpretiert]: 兩 bËse werck − ein bËß geschrey! Maaler 270v (Zürich 1561): Liberey (die) Ein ort da man bÈcher behaltet. Bibliotheca, Libraria. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 28, 169 (schwäb., 1471): Vnkeüsch, o vnd Symoney, 兩 Das kartenspil vnd quatter drey 兩 Ist wucher der gelerten librey, 兩 Da sy studieren ynn. Chron. Augsb. 9, 122, 15 (schwäb., 1544/5): daß er [...] überflissige libereien mit allerlai biechern, göttliche kunst lerende, auffgerichtet hat. Rot 325 (Augsb. 1571): Librei, BÈcher behaltnus / o oder gaden. Henisch 92 (Augsb. BÈcher stat / Buchladen 1616): Die Liberey ist der Seelen apoteck / artzney. − Rupprich, Dürer 173, 23; Sachs 4, 41, 19; 16, 390, 8; 20, 110, 17; 243, 1; Kurrelmeyer, Dt. Bibel 10, 274, 22; Morrall, Mandev. Reiseb. 161, 19; Chron. Augsb. 3, 457, 1; Barack, Zim. Chron. 1, 423, 20; Baumann, Bauernkr. Oberschw. 81, 12; Turmair 1, 114, 24; 4, 309, 18; 5, 164, 13; Qu. Brasso´ 4, 182, 1; Voc. inc. teut. o viijv; Maaler 82r; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 221; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 128. − Vgl. ferner s. v. angeben 8. 2

liberei, die; zu mhd. liberıˆe ›Abzeichen‹ (Lexer 1, 1896), dies über das Rom. aus

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mlat. liberata ›Geliefertes‹; s. Niermeyer 1, 2002, 794; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 128; Jones, French Borrowings 399. ›Abzeichen (von Herrschafts- und Standesrängen) auf der Kleidung‹. − Vielfach berichtende Texte. − Synt.: (die) l. tragen / erstiegeln, aus den ärmeln abtrennen, jm. die l. geben; mit l. gebuzt sein, etw. zu l. brauchen; die l. des königs / bischofs / herzogen / herren / knaben / lakeien; die l. mit dem kreuz. Wbg.: 2 liberieren ›jn. auszeichnen‹. Altmann, Wind. Denkw. 381, 14 (wmd., um 1440): do hette er [keiser] den zwein geben sin liberige. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 2, 60, 10 (Frankf. 1602): alles volck zu roß und fuß fast wol gebutzt mit federbuschen und andern liberey, herpaucken, trummeten. Euling, Kl. mhd. Erz. 281, 5 (nobd., E. 15. Jh.): Wer schone weip bit umb ir myn 兩 und dar aüff legt sein witz und syn 兩 mit hoffiren gen und sten und cleyd, 兩 [...] 兩 mit lieberey¨, rossen, federspil. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 179, 26 (halem., n. 1529): o do wurdend etlich Eidgnossen vom keiser ouch zuo motwilliger bracht gelifret. Chron. Augsb. 2, 27, 27 (schwäb., Hs. 16. Jh.): der trueg hertzog Hansen von Münichen librei und büchs und sprach, er wer hertzog Hansen pot. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. (schwäb., 1549): die hernn der landtschaft [...], habentt auch ire sunder lyfryenn gehebbt. Ebd. 54, 10: Her Frantzenn lyfrey und kleydung ist gewessenn gelb und schwartz samett. Klein, Oswald 26, 8 (oobd., 1427): nach ainem plümlin was mir we, 兩 ob ich die Liberein da möcht erstiglen, 兩 von ainer edlen künigin 兩 in mein gewalt verriglen. − Fischer, Folz. Reimp. 25, 441; Diehl, a. a. O. 52, 6; Chron. Augsb. 7, 186, 8; 8, 363, 20; Vorarlb. Wb. 2, 290. 1

liberieren, V. ›jn. befreien‹. − Wbg.: liberation.

Luther, WA 16, 254, 37 (1524): auff das man der herrlichen Liberation der Kinder Jsrael aus Egypten nicht vergesse. Rot 325 (Augsb. 1571): Liberirn. ErlËsen / erretten. Liberation, ErlËsung / freymachung. − Schweiz. Id. 3, 983. 2

liberieren, s. 2liberei.

libertas, lat. Flexion, libertät, die. ›Privileg, Befreiung von sozialen, rechtlichen Verpflichtungen‹; mehrfach mit Bezug auf die ,alten Freiheiten‘ gebraucht. − Bdv.: s. u. Beleg Luther (lat.), ferner freiheit, gnade 10. − Synt.: l. haben / recuperieren; sich der l. gebrauchen; lust / willen zu der l. tragen; die l. der Teutschen; die alte / hergebrachte / keiserliche / bäpstliche l.

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libertät − lieb

Luther, WA 10, 1, 1, 648, 8 (1522): hatt der Bapst und geystlich recht yhr priuilegia, libertates, immunitates, indulta, gratias und eyttel außtzuge. Chron. Augsb. 7, 262, 2 (schwäb., zu 1522): zÈ der alten, wol hergebrachten libertet und freihait der Teutschen. Ebd. 16: damit Gottes ehre und wort gefürdert, auch die alte libertet und freihait der Teutschen recuperirt und in den vorigen [...] stand gestellet und gebracht werde. Ebd. 9, 79, 4 (1544/5): dieweil Augspurg [...] hoch löblich befreit und sich der libertas des reichs gebraucht. Rot 324 (Augsb. 1571): Libertet, Freiheyt. − Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 127.

libertät, s. libertas. libertiner, auch libianer, der ; −/-π ; aus lat. lı¯bertı¯nus (Georges 2, 640). eine religiöse Glaubensgemeinschaft in Jerusalem (vgl. Apg. 6, 9). − Zur Sache: LThK 6, 1019; vgl. auch Rgg 3, 1929, 1630 mit einer weiteren Bedeutung: ›Vertreter einer quietistischen Mystik‹. Bell, G. Hager 64, 1, 20 (nobd., 1594): Edlich stunden auch auff dar bey¨, 兩 [...] 兩 aus der schul hisen die libianer. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 303, 18 (Straßb. 1466): eto lich stunden auf von der synagogen die do ist geheissen der libertiner. − Vgl. ferner s. v. asia 1.

libeter, Adj. zum südslov. / oberung. Ortnamen libethen. ›libether, in Libethen abgebaut (von Schwarzkupfer)‹; es wurde in den Hütten Sohl (Oberungarn) oder St. Georgenthal (Thüringen) versaigert (so das Glossar zu u. a. Ausgabe). Helbig, Qu. Wirtsch. 5, 92, 13 (md., 1503): was gemeine rotte oder libetter Kupffer im Sol auch gemacht werden, sollen in gemein zu gewin vnd verlust verkaufft werden.

libianer, s. libertiner. libra, abgekürzt lb. und lib., teils lat. Flexion. ›Pfund‹, Gewichtseinheit für Waren und Münzen; ütr. auch für das Sternzeichen ›Waage‹ gebraucht. − Wbg.: librament, librieren ›wiegen‹. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 192, 18 (omd., 1554/1633): Zwo wogen annabergisch eißen haben gewogen 84 lb. Mon. Boica, NF. 2, 1, 51, 23 (nobd., 1464): so ist bestymmet in den bÈchern die mËnz, [...], ye dreissig pfenn. fÈr ein lib. werung genant. Plant u. a., Main. Naturl. 301a, 7 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): Ein ander zeichen libra. so sint tac vn¯ naht als gelich lanc als der ein ding wege mit einer wagen. Broszinski, Minner. Chir. Parva 76r, 6 (halem., 2. H.

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15. Jh.): tuo das saft daruon vnd mit ij lib. schwini schmer, das alt sye. M¸ller, Nördl. Stadtr. 71, 17 (schwäb., 1421): Welche partie sich des satzte, als oft das von ir vor rate oder gerichte geclagt wirt, als oft git sie ie ein lib. Rot 325 (Augsb. 1571): Librament, gwicht / pfÁcht / abmessung. Ebd.: Librirn, Wegen / oder mit der bleywag vnnd richtschnur abmessen. − Weingart u. a., Seelb. Rhodt 297, 1; Mon. Boica, NF. 2, 1, 303, Anm. 2; M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 8, 7; 15, 15; Broszinski, a. a. O. S. 319.

librament, librieren, s. libra. licon tripon, Genus? ›Licon Tripon‹, ein Arzneimittel gegen Harn- und Blasensteine aus dem Antidotarium Nicolai (so Keil, s. u.). Keil, Peter v. Ulm 238 (nobd., 1453/4): Zu dem stein. Nym plut von einem fuchs; [...], vnd mach verbena-wurtz zu puluer vnd thus in einen wein [...] oder nym electuarium ducis oder licon tripon mit warmem wein: pricht den stain.

lidig, s. ledig. lieb, das (meist) / der (seltener); es/ −. 1. ›Geliebte, Liebchen, Geliebter‹; meist auf die Frau bezogen; vgl. lieb (Adj.) 6; auch diminutiv gebraucht. − Gewisse Beleghäufung für poetische Texte. Luther, WA 5, 655, 304 (um 1535): Ein lieb sucht das ander. Karnein, Salm. u. Morolf 388, 2 (srhfrk., Hs. um 1470): Die liebe ist gar verlorn, 兩 sie hat den heiden zu einem andern liebe erkorn. Schaer, Pyr.-Thisbe-Sp. III, 197, 1047 (osächs., 1607): die haben [...] 兩 Einander gehalst vnd geküst, 兩 wie zwey¨er liebichen gebrauch i(e)st. Opitz. Poeterey 31, 18 (Breslau 1624): wer nicht kan noch mag 兩 Sein lieb sehn wann er wil / wird alt auff einen tag. v. Keller, Ayrer. Dramen 2126, 6 (Nürnb. 1610/8): Mein voriges Lieb thut todt liegen, 兩 Für die ich in die Höll wehr gstiegen. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 249, 25 (oobd., 1349/50): sie [-snecken] begernt des himeltawes reht als ain fraw irs liebes begert. Primisser, Suchenwirt 28, 110 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Mein lieb der hat wol hundert 兩 Tzu lieb im ausgesundert. Klein, Oswald 34, 46 (oobd., 1416): wenn sich mein houpt wirt senken 兩 gen deinem veinen mündlein rot, 兩 so tü mich, lieb, bedencken. Kummer, Erlauer Sp. IV, 652 (m/soobd., 1400/40): wann ich dıre fleißleich gedienet han 兩 recht als ein rechter chanman, 兩 der nimer lieb hat dan ains. − Wyss, Limb. Chron. 65, 25; Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 48, 24; Klein, a. a. O. 20, 39. − Vgl. ferner s. v. ankallen.

2. ›in der mystischen Liebesbeziehung zwischen got / Christus einerseits und der sele / dem Menschen andererseits sowohl für Gott / Christus wie für die Seele / den Menschen als Ziel der Liebe gebraucht‹; Ütr.

1115 zu 1; erotische Bildlichkeit der Belege. − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion‘, speziell der Mystik; älteres und mittleres Frnhd. Quint, Eckharts Pred. 604, 8 (E. 13./A. 14. Jh.): Daˆ von sprichet diu seˆle in der minne buoche: ,mı`n liep haˆt mich anegesehen durch einen schranz’. H¸bner, Buch Daniel 3500 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): ,Min lieb, du [3493: sele] bist suberlich, 兩 Lustic mir [3498: Cristus] an allen schrantz‘. Bihlmeyer, Seuse 480, 15 (alem., 14. Jh.): so wir daz gËtlich liep [...] ie dicker an blicken. Vetter, Pred. Taulers 383, 16 (els., 1359): Ach aller liepstes einiges liep [bezogen auf unseren herren], were ich des wirdig das [...]. Lauchert, Merswin 4, 25 (els., 1352/70): das dv [got] wellest ane sehen dine gru´ndelose v´rbermede, vnd wellest min liep vnd min gespvnze sin. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 278, 26 (oobd., 1349/50): got aht die seˆl niht klain, er schätzet si als sein schatzpær liep, naˆch im selber gepildet. − Vgl. ferner s. v. ausgesamnen.

3. ›Geliebtes, Geschätztes, Ersehntes, Verehrtes, Gegenstand existentiellen Bemühens; friedliches, freundliches Verhalten, das zu dem Ersehnten führt‹ (dies letztere im Schweiz. Id. 3, 987, mit reicher Belegung); vgl. lieb (Adj.) 5. Jostes, Eckhart 67, 7 (14. Jh.): Daz ein ist, waz der mensch liebes [dies als Subst. zu lieb (Adj.) 5] hat in dirre werlt, also schier als er dez enphindet, daz im daz ein hindernu˙zz ist an iens lieb, so sol er diz lieb durch iens lieb lazzen. Vetter, Pred. Taulers 38, 29 (els., E. 14. Jh.): die ime denne in diseme vinsternisse truwe hant geleistet, die fÈrt er on alles mittel in sin unsprechenliches ewiges liep. Sappler, H. Kaufringer 26, 52 (schwäb., Hs. 1472): leiden ist ain kurzes lait 兩 und ain langs lieb.

4. ›Zuwendung, Trinkgeld, kleine Vergütung‹. − Bdv.: vgl. liebe 3, liebnis 2. Argovia 9, 118, 1 (halem., 1530): das dem aman alls lieb beschech, soll er den kouf verkünden in der kilchen. − Schweiz. Id. 3, 986.

5., s. liebde 5. lieb, Adj. 1. ›angenehm, lieb, das Gefühl der Freude, des Glückes, Wohlbefindens vermittelnd; eine Bezugsgröße, einen Sachverhalt als angenehm empfindend, so beurteilend, als ob er angenehm sei‹; von Bezugsgegebenheiten unterschiedlichster Art gesagt; vgl. lieben 1, auch 2. − Phras.: es / etw. ist jm. lieb oder leid; jm. etw. zu lieb tun; der teufel möge jm. lieber wesen! ›es wäre jm. lieber, dass der Teufel ihn holte, als [...]‹. − Bdv.:

lieb

1116 angenem 1; 2, genäme, geneigt, günstig 1, hold, wert, wolgefällig. Ggs.: leid (Adj.) 1; 4, wieder. − Synt.: etw. / j. l. sein, j. [wo] l. ›gern gesehen‹ sein, jm. etw. (z. B. das leben) l. sein, jm. j. (z. B. das kind) / etw. (z. B. die ere, das federspiel) l. sein, jm. etw. l. sein, das [...] / ob [...] / zu [...], jm. etw. lieber sein, ehe [...], jm. j. lieber sein, denne [...], jm. j. lieber werden, wan [...], jm. l. tun, jn. l. halten / gewinnen / meinen, etw. l. achten, sich etw. l. sein lassen (z. B. geld), jm. etw. zu l. machen, jn. jm. (z. B. got) l. machen; der liebe brief / gast / rebensaft, das liebe ungemach / volk / vaterland. Wbg.: lieblächeln, lieblellen ›schmeicheln‹ (a. 1518), liebleller (a. 1518), liebsam, liebschlek ›Leckerbissen‹, liebspeise (dasselbe), liebsprecher ›Schönredner, Schmeichler‹ (insofern hierher; andere Deutung im Dwb 6, 976/9; das Stichwort liedsprecher spricht für die Deutung im Dwb), liebtraben (Beleg s. v. liebkosen 2). Schˆpper 10b (Dortm. 1550): Charus. Lieb holdt werdt freundtlich gÈnstig geneigt zuthätig holdselig. Luther, WA 30, 2, 279, 24 (1530): Und war Luther das liebe kind, und fegete die stifft und pfarren von solchem treudel marckt. Peil, Rollenhagen. Froschm. 547, 1288 (Magdeb. 1608): Die Geste blieben in dem Nest / 兩 Das war jhnen das liebst vnd best. Lappenberg, Fleming. Ged. 79, 3 (1635): Es ist mir besonders lieb, mein Polus, daß ich dich itzt bei mir befinde. Grosse, Schwabensp. 201a, 8 (Hs. 2nd./md., um 14109): wuo lip im sin veder spil was; halp also vil sal her ime geben. Quint, Eckharts Trakt. 24, 9 (E. 13./A. 14. Jh.): daz im wirt sıˆn vater, muoter, bruoder und swester hundert wıˆs lieber wan sie ieze sint. Froning, Alsf. Passionssp. 2736 (ohess., 1501 ff.): Byß wilkom, Davidis sone! 兩 du host mer nu liebe gethayn! Voc. inc. teut. p ir (Speyer um 1483/4): Liebsprech’ Gannio. i. adulator. Mathesius, Passionale 33v, 26 (Leipzig 1587): das jhrs ja euch auch als ewer Symbolum vnd Bekentnis / lieb vnd werth achtet. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 28, 10 (schles., 1350): daz si nur von firdehalbir hufen daselbist geschos heischen vnde nemin sullin [...], alz lip in vnser hulde czu behaldin sy. Opitz. Poeterey 42, 5 (Breslau 1624): So wÈndtsch’ ich daz mein feind dich mËge lieb gewinnen. Henschel u. a., Heidin 1127 (nobd., um 1300): Im mohte liber sin der tot 兩 E denne er so groze not 兩 Lide dvrch eines keisers wip. Fischer, Folz. Reimp. 25, 167 (Nürnb. 1497): [Unkeusch] Lieblechelt, hendkratzt, schmuczt und gelimpft. Reichmann, Dietrich. Schrr. 146, 17 (Nürnb. 1548): Kinder sind den Eltern nimmer lieber / [...] / denn so sie kranck sind. v. Keller, Ayrer. Dramen 3232, 29 (nobd., um 1600): Nun hat Er Ein schwester, genandt 兩 Apollonia, die In gwan lieb 兩 Vnordenlicher Weyß. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 1, 4 (orhein. 1520): under wölchen [ge-

1117 schöpf] er [schöpfer] zwo in sonderheit lieb gemeint, begabet mit unußsprechlichem kleinet der verstentnus. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 17, 13 (Hagenau 1534): Er ist lieb unnd werdt gehalten. Behrend, Spangenb. Anbindbr. 4, 46 (Straßb. 1611): David den Nahmen hett bequem / 兩 Weil er lieb war und angenehm 兩 Bei Gott. Dasypodius C, 412r (Straßb. 1536): lieb Schleck oder speiß. Philtrum. Roloff, Brant. Tsp. 497 (Straßb. 1554): Da gab ein guto freündt mir den rath 兩 Das ich doch etwas liebs doch werffen soth 兩 Ins mer. Bachmann, Haimonsk. 55, 33 (halem., 1530): Wir dörffend zuo Dordonna niemmand fu˘rchten, wann wir sind da lieb. Ders., Morgant 34, 8 (halem., 1530): ich will nu˘t mer an dissem ha˘f beliben, da die verrether lieber sind dann die frommen. Maaler 270v (Zürich 1561): Das Lieb vnd angenÁm vatterland. Patria antiqua. [...]. Einem abwÁseno den etwas zeLieb vnnd zuo gefallen thun. Ebd. 271r: Gott Lieb vnnd angenÁm. [...]. Jch begÁr das von dir so es dir Lieb ist [...]. Ebd. 509r: laß dir dz schnËd gÁlt nit so lieb sein. Steer, Schol. Gnadenl. 3, A2, 213 (schwäb., 1447): die gnad haizzet man also das sy den menschen got liep machet. Sappler, H. Kaufringer 1, 360 (schwäb., Hs. 1464): nichtz liebers was in irem waun 兩 dann das kindelein verwassen. Ebd. 15, 44: wär es dir lieb oder laid, 兩 ob ain man läg bei mir hinn 兩 hie an dem pett. Barack, Zim. Chron. 4, 234, 36 (schwäb., M. 16. Jh.): Ee ein liebs, kumend hundert laid. 兩 Recht wie der schat ist unser leben. Chron. Augsb. 3, 262, Anm. 7 (schwäb., E. 15. Jh.): ain junger kardinal [...] der waß dem bapst fast lieb auff die welsch artt. Klein, Oswald 25, 20 (oobd., 1414): mit süssen worten leise 兩 wirt mir vil liebs beschert. Ebd. 88, 7: so wer ain laid ... vertuscht, 兩 das hail drung mich zu liebem ungemach. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 195, 230 (moobd., 1. H. 15. Jh.): der ritter ist seinem herren vil lieber, der mändleich in dem streyt dy veint hat v¨berbunden, den der in den streytt nye cham. Kummer, Erlauer Sp. 5, 142 e e soleich sleg an, 兩 ım (m/soobd., 1400/40): ich hach ım mËcht der teufel lieber wesen. v. Maren, Marquard. Ausgabe 89, 2 (Venedig 1483): Jr [rÁine megdt] rede ist messig ir stym ist senftmÈtig ir geper sind liebsam. − Karnein, Salm. u. Morolf 412, 2; v. Tscharner, Md. Marco Polo 2, 26; Fastnachtsp. 8, 26; 1344, 8; Rupprich, Dürer 1, 151, 18; v. Keller, a. a. O. 1166, 13; 1285, 11; 2885, 16; Strauch, Schürebrand 44, 5; Argovia 9, 118, 1; Bachmann, a. a. O. 7, 26; Sappler, a. a. O. 17, 40; Klein, a. a. O. 64, 10; Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4257, 9; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 223. − Vgl. ferner s. v. 1als 1, anfallen 5, angesicht 8.

2. dient attributiv in der Anrede, in titelähnlichen Formeln und in formelhaft referierenden Substantivgruppen der Herstellung und Einforderung von Vertrautheit, Verbindlichkeit, Kooperativität von Personen, die einer bestimmten herrschaftssozialen, teils konstitutionellen (sowohl niedrigeren, abhängigen, untergebenen als − sel-

lieb

1118 tener − höheren Ranges) zu der Person stehen, die als Textautorität fungiert; vielfach im Umfeld mit andächtig 3, edel, erenfest, ersam, erwirdig, getreue, heimlich 4, streng, weise; vgl. am ehesten lieben 3; 7. − Synt.: unsere lieben bürger / untertanen / getreuen / andächtigen; in Augsb. Chroniken auch: sonder lieben, lieben besonder. Wbg.: liebgeld ›Hilfssteuer, Karitativgeld‹ (a. 1581). Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 292, 2 (rib., 1495): So als sich irrunge [...] tuschen unsen lieven, getruwen ind samenburgeren den meisteren ind amptzgenoissen der vilzhuedemechere [...] erhaven hatten. K¸ther, UB Frauensee 226, 12 (thür., 1450): Unßern gunst tzuvor, probist eptischin [...] unßis closters czu dem Sehe liebin andechigin. Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 15, 95 (Zwickau um 1540): das ich E. G. und Ernvehsten vor allen andern meinen gantz lieben Herrn unnd Freunden dise meine arbeit [...] / zugeschriebn. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 144, 29 (Leipzig 1588): die ander Tugendt ist / Wenn sie sich jrer lieben Vnterthanen trewlich annemen. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 132, 2, 4 (schles., 1373): wir karl, [...], empiten Johel Rotlewin, [...] vnsirm leibin getrwen, vnsir gnade. Rupprich, Dürer 1, 46, 44 (nobd., 1506): vnd last mich wissen, ob vch libs gestorben sey. Chron. Augsb. 3, 299, 27 (schwäb., 1467): Den ersamen weysen unser lieben besunder burgermaister und ratte der stat Augspurg. Dirr, Münchner Stadtr. 598, 15 (moobd., 1377): Lieben herren, ewch bitt die gemain, daz ir mit ewer weisheit [...]. − Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 308, 12; Bindewald, a. a. O. 150, 1 (4); Fastnachtsp. 1000, 16; Chron. Augsb. 3, 287, 27; 289, 5; Rwb 8, 1311. − Vgl. ferner s. v. andächtig 3, innehalten 1.

3. dient attributiv (auch in der Superlativform) in der Anrede oder (etwas seltener) in referierenden Substantivgruppen der Herstellung oder Einforderung von Höflichkeit, Verbindlichkeit, Vertrautheit bzw. der Charakterisierung einer Person des Nähebereichs (der Familie, der Dienerschaft, der engeren Lebensgruppe), dann: ›geliebt, lieb, wert‹ (oder dies formelhaft abschwächend); vgl. lieben 5. − Synt.: j. (z. B. die frau) jm. l. sein; lieber bruder / man / son / herre / knecht / leser / nachbar, lieber Peter, liebe frau / mume, liebes kind, liebe diener / freunde / gesellen / kinder (Klosterangehörige); der liebe gemal / nachbar / vater / vetter, die liebe hausfrau / base. Wbg.: lieberman ›dem Lehensherren angenehmer und bevorzugter Mann‹ (a. 1434 f.), liebvater.

1119 Peil, Rollenhagen. Froschm. 635, 4044 (Magdeb. 1608): [DEr KËnig] Sprach auch die Krieger tapffer an / 兩 Frisch auff sprach er / Jhr lieben Mann. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 118, 8 (rhfrk., um 1435): Lieben fründe / jch wil es zü mal gerrne dün. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 11, 6 (hess., 14. Jh.): durch daz, liebe sustere, ist uns vor zu warnene, [...] daz uns got an heiner zit nit insi abe kerende zu deme ubel. v. Keller, Amadis 9, 20 (Frankf. 1561): Vnnd thun mich also hiemit, freundtlicher lieber läser, [...], zu deinen günsten befehlen. Ulner 82 (Frankf. 1577): Der tËdlich Abgang deines lieben Gemahls ist mir von Hertzen leid. Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 107 (schles. inseldt., 1456): do sprach Maczko: liber Peter, ich gabe dir key¨ne scholt eyn dan sachen. Ebd. 684 (1480): wy¨ das ir mutter hot gesprochen off dem tot bette: liben kinder, ir sollet wessen, wy¨ das [...]. Henschel u. a., Heidin 872 (nobd., um 1300): Vnd rvmet sich niht da bi 兩 Wie libe im sin vrowe si. Rupprich, Dürer 1, 45, 4 (nobd., 1506): Mein willing dinst zw vor, ly¨eber her Pirykamer. Wickram 4, 14, 23 (Straßb. 1556): Lieber nachbaur nit also / wir wËllend gÈte liebe freundt mit einander sein. Steer, Schol. Gnadenl. 1, 8 (noschweiz, 15. Jh.): dar vmb, min liebes kint, daz din menschlich krankheit in der v gnad, [...] gesterket [...] werde. Adrian, Saelden Hort 2886 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): liebvatter [Bezug auf Herodes] ich [tohter, Salome], bedarf, 兩 so disu red stæt sin, o mit aiden schin. B‰chtold, N. Manuel 兩 daz duo daz tust Krankh. 229, 8 (1528): man brent den lieben selen weder o nach. Wyss, öle, anken noch unschlit und tuto inen nüt guts Luz. Ostersp. 10119 (Luzern 1545): lieben diener, varend hin 兩 vnnd teylend v¨ch in kreyss der wellt. Spechtler, Mönch v. Salzb. 23, 24 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): do er [Jesus] vil geng hin tet 兩 mit seinen lieben jungern zart. Rintelen, B. Walther 180, 30 (moobd., 1552/8): Zu Außrichtung und Vollziehung diß meines lezten Willens [...] ordne ich vielgedachte mein liebe Haußfrau [...]. − Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 478; Perez, Dietzin 1 203, 14; 205, 14; v. Keller, Ayrer. Dramen 1208, 19; Vetter, Pred. Taulers 321, 13; Roloff, Brant. Tsp. 78; Wyss, a. a. O. 549; Sappler, H. Kaufringer 14, 600; Dreckmann, H. Mair. Troja 18, 16; Schweiz. Id. 4, 266. − Vgl. ferner s. v. äne, aufbauen 2, aufbereiten 4, 1base 3, pate 1.

4. als relativ festes, ansatzweise phrasematisiertes Attribut gebraucht für die Personen der Dreifaltigkeit, die Mutter Gottes und weitere gottnahe Personen, ütr. auch für Gottes Haltung (seinen willen), eine religiöse Institution (z. B. die Kirche) u. ä.; vielfach im Superlativ; oft in der Anrede; mehrfach mixtura verborum; vgl. liebe 11, lieben 11. − Oft Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch ,Recht‘. − Phras.: unsere liebe frau, dazu weitere Bildungen: unser lieben frauen bruderschaft / distelwasser (eine Arznei) / him-

lieb

1120 melfart / tag. − Synt. (oft ansatzweise phrasematisiert): der liebe got / herre / vater ; der liebe son, das liebe haus / kind (für Jesus Christus), die liebe kirche / mutter, der liebe schaz (für Maria), die lieben altväter / heiligen / patriarchen / propheten / stifter, der liebe Alexius / Johannes; mit mixtura verborum z. B.: der liebe wille gottes (mehrfach). Wbg.: liebergöttig ›jämmerlich‹ (a. 1651), liebsehen (subst.) ›liebendes Sehen‹. Alberus, Barf. 7, 2 (Wittenb., 1542): Franciscus bat die Mutter Gottes vmb ein trost / da erschien sie jm mit jrem lieben Kinde. Grosse, Schwabensp. 40, 1, 11 (Hs. 2nd./ md., um 14109): vil libe here vnde god, hemelesche vater, sint daz duo vns zuo diner hoen gotheit [...] getelet hast, des sistuo o o iumber geloued. Quint, Eckharts Pred. 1, 26, 1 (E. 13./ A. 14. Jh.): daz ich in disem gegenwertigen nuˆ vrıˆ und ledic stüende naˆch dem liebesten willen gotes. Lau, Qu. Neuß 173, 11 (rib., 1496): die kertze, die sij zo den Minrebroederen in de broderschaft Unser liever Frouwen [...] geordeniert. Bekkers, Bauernpr. 56, 6 (Köln 1515/18): ITem regenet es an vnser lieuen frauwen dach als sy Ëuer dat geberch ginck. Ebd. 59, 30: sal he kriege˜ dat ewich loin 兩 Mit allen lieuen heil’gen in de˜ Ëuerste˜ throin. Rosenthal. Bedencken 35, 26 (Köln 1653): Wann deine liebe Kirch / in jhrer wolgemeinter Andacht verspottet wirdt. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 156, 7 (Köln 1582): Ach thuo dich mein erbarmen, 兩 Du lieber trewer Got. Ebd. 277, 44: Daß ich gepflantzt im lieben haus des Herren 兩 Fein grÈnen mag, [...] 兩 Von frÈchten reich. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 13, 24 (hess., 1439): das kayn burger [...] uff die hochgetzijde, Unsrer Lieben Frauwen tage, sondage, der aposteln tage und anderer heilge tage [...] keynerlei werglich arbeid tun sulle. Dubizmay, kurß zu Teutze 2, 2 (hess., 1463): Ditz ist der Kurß zu Teutze von vnser lieben frawen. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 3, 17 (osächs., 1343): Dirre ist mıˆn lıˆber sun in dem ich mir habe behagit [Luther 1545: wolgefallen habe]. Reichmann, Dietrich. Schrr. 81, 1 (Nürnb. 1548): Lieber Vater / laß deinen gnedigen willen vber vns gehen. Bihlmeyer, Seuse 378, 2 (alem., 14. Jh.): daz du, truter herr, ein sunderliches minnekliches liebsehen uf mich hetist. Strauch, Schürebrand 39, 10 (els., E. 14. Jh.): der liebe sant Alexius ein arm verworfen lidig abgescheiden versmeo het leben furte. Ebd. 41, 19: unsere lieben stiftere, die heiligen großen gottes fru´nde, uns vil [...] alle eigenschaft widerroten [...] hant. Warnock, Pred. Paulis 12, 85 (önalem., 1490/ 4): wie hailgklich [...] die lieben altvätter, patriachen und propheten lebtend. Bauer, Geiler. Pred. 102, 19 (Augsb. 1508): daz haisset kain vermessenhait / wann er ist gehorsam, dem liebsten willen gottes. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 7, 20 (noobd., 1347/50): der [feurein himel] hat kainen lauf, sunder got ruto mit seinen lieben darinne. Spechtler, Mönch v. Salzb. 1, 51 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): [Got] Hat ie hievor der minne pfeil 兩 drei ganz person so gar subteil 兩 geloket zu der liben eil. Mell u. a., Steir. Taid. 241, 39

1121

liebäugeln − liebde

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(m/soobd., 1638): der fürnembste patrocinium und kürchtag ist am suntag nach Unser lieben frauen himelfart. Eis u. a., G. v. Lebenstein 44, 5 (oobd., 1. V. 15. Jh.): Vnser lieben frawen distel wasser Item das wasser ist gut, welcherlaj prechen der mensch in im hat. − Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 125, 26; Dubizmay, a. a. O. 77, 17; Rupprich, Dürer 1, 176, 154; Vetter, Pred. Taulers 155, 29; Eichler, Ruusbr. steen 453; Piirainen, Stadtr. Sillein 36a, 5; Schweiz. Id. 2, 523. − Vgl. ferner s. v. auserwälen 1, antichrist.

leins schoss. Klein, Oswald 18, 76 (oobd., 1416): ich brunne, wenn mich hitzt die liebe sunne [bezogen auf: künigin, frowe, weib]; 兩 Won ich ir bei, so ist unfrei mein mitt und mass. Ebd. 47, 43 (v. 1408?): zart liebstes weib, 兩 den jamer hie vertreib. Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. II, 1164 (tir., 1486): Ich [ein diabulus] haysz dy lewt springen an dem tancz 兩 Und die pueben lieb augeln auf dy frawen. − Karnein, Salm. u. Morolf 4, 5; Henschel u. a., Heidin 1173; Klein, a. a. O. 1, 24; 20, 18; 20, 53; 22, 128; 42, 1; 92, 38; 97, 12; 121, 27.

5. ›jm. wichtig, angelegen, teuer; wertvoll (von Vorhandenem); innig erwünscht, ersehnt (von Unsicherem oder nicht Vorhandenem)‹; vgl. lieben 5; 6. − Synt.: jm. etw. (z. B. die sele) lieber sein, den [...], jm. l. zu lernen sein; jn. l. halten; der liebe friede / wille, die liebe freiheit, das liebe Asia / teutschland / getreide.

7. dient der nachsichtig liebevollen und zugleich distanzierenden Charakterisierung von Bezugsgrößen, die in einem gewissen Gegensatz zu lieb stehen.

v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 22, 20 (omd., 1487): Dem nach laß dy¨r dein ßele ly¨eber sein, den ley¨pp adder leben eins andern. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 241b, 36 (Frankf./M. 1649): Vnser liebes Teutschlandt hat diese Exempel gesehen / vnd kans niema˜d wieder sprechen. Logau. Abdank. 163, 21 (Liegnitz 1651): [haben] nichts so inniglich und hertzlich erseufftzet / [...] / alß den lieben FRJEDE. Lauchert, Merswin 7, 31 (els., 1352/70): o daz du [herre] mir gebest zvo tvnde was din aller liebester wille si. Maaler 272r (Zürich 1561): Ein diener der seinen herren Lieb halt [...]. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 119, 45 (oobd., 1349/50): die sinnereichen schuoler, den haiz und lieb ze lernen ist. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 292, 13 (m/soobd., 17. Jh.): damit daß liebe getrait desto sicherer ohne schaden möge stehn. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 537, 979; Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 118, 3; Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 381, 3737; Henschel u. a., Heidin 887.

6. ›geliebt, erotisch begehrt (mit Bezug auf die geliebte Frau gesagt); verliebt (von der Haltung des Mannes)‹; vgl. liebe 4, lieben 8; 9. − Synt.: jm. l. sein / werden; jn. l. gewinnen; der liebe blik / gedanke / grus / lust, die liebe braut / frau / sonne, das liebste ein, das liebe Mäzlein / weib, der liebste mein. Wbg.: liebäugeln ›liebevoll auf jn. blicken; jn. erotisch begehrend anschauen‹. Luther, WA 21, 415, 36 (1544): Das es nicht mus geschielet, sondern liebeugelt heissen. Ebd. 45, 404, 32 (1537): wenn man spricht: Syhe dein Sone schilet, So spricht der Vater: Eß lieb ewgelt. Pyritz, Minneburg 1761 (nobd., Hs. um 1400): Die frawen rant ich undervorcht 兩 Do an mit lieben blicken. Gille u. a., M. Beheim 68, 1 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Die liebste mein 兩 macht mir gross pein 兩 und sendlich leiden. Wiessner, Wittenw. Ring 5208 (ohalem., 1400/ 08): Triefnass andacht die was gross / Gen seines lieben Mätz-

Gajek, Seidelius. Tych. 26, 27 (Breslau 1613): Jst das nicht eine Antichristische rede, das die liebe einfalt geweiset wirdt, auf die schwachen Element der Welt. Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. 148, 12 (Hs. 2pfälz., M. 16. Jh.9): das jar ist mir worden so lang, 兩 das liebe ›schwere‹ lange jar ist mir worden lang genueg. Wickram 4, 10, 5 (Straßb. 1556): Wann sie dann ausgelert haben / lauffen sie dahin wie das liebe ›unverschuldet unvernünftige‹ vieh / meinen sie habend ihre jar der lehr schon überkummen.

liebäugeln, s. lieb (Adj.) 6. liebbehaft, Adj.; hier zu (be)haft gestellt; vgl. Dwb 6, 964 mit dem Ansatz liebhaft, dies auch bei A. a` S. Clara. Glori 13, 25; 30, 22. ›fest und ohne Eigennutz auf die Liebe zu Gott und mittels dieser auf die Liebe, Fürsorge gegenüber den Menschen gerichtet‹; vgl. liebe 5; 10. Gille u. a., M. Beheim 129, 138 (nobd., 2. H. 15. Jh.): darumb ist ain ander 兩 liebhaben oder liebbehafft 兩 haisst ain lieb habende freuntschafft, 兩 die nit hat gerens wander.

liebbrief, s. liebe 11. liebde, die. 1.; 2.; 3., s. liebe 6; 10; 11. 4. ›Liebe, erotische Zuneigung zwischen Mann und Frau‹; vgl. liebe 9. − Wmd. − Bdv.: bulschaft 1, minne. Thiele, Minner. II, 28, 33 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): myn leyt eme lieft, myn liefde eme leydt 兩 wat mich ervrauwet, dat is eme leyt. Ebd. 30, 373: bricht dan des geluckes brucke, 兩 so ist sin leifd scheir en wech. Chron. Kˆln 2, 473, 17 (Köln 1499): ein geil unkuisch wif, die gesan einen mechigen greven an leifden ind boilschaf. Buch Weinsb. 5, 495, 22 (rib., 2. H. 16. Jh.): Leiff haven und leffde helen 兩 Doit leiff und leven quelen. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 124, 6 (rhfrk., um 1435): jch

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liebe

wolte ee sterben / dan ich eyme solichem duffel von liebde ein gert (›im geringsten‹) wart zu rete. − Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 45, 5; 55, 1.

5. Anrede zwischen hoch gestellten Verwandten oder Standespersonen; vgl. lieb (Adj.) 2, liebe 1. − Wbg.: lieb (das/der) 5. Buch Weinsb. 2, 305, 11 (rib., 1575): hab ich an den edlen und erentfesten jonker Wilhem Goltstein, [...], geschriben und siner leibden zu verstain geben, das [...]. K¸ther, UB Frauensee 389, 1 (thür., 1530): Ferners haben wir seiner liebden begeren nach personlich unnd mitt andern umb die brieff uber unser closter See halten suochung gethan. Chron. N¸rnb. 3, 381, Anm. 3 (nobd., 1440/4): so nü die leüffte aller lannde, [...], fremde und wilde sein, bedeüchte es dann ewrer liebde geratten sein, daz [...]. v. Keller, Ayrer. Dramen 726, 4 (Nürnb. 1610/8): So hat sie [Keiserin] hoch kein Vrlaub gnommen 兩 Von eur Liebt jhren Herrn Brüdern. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 77, 21 (noobd., 1525): dieweill sein lieb kaiserlicher majestät im heiligen reich teuzscher nacion oberester stathalter sey.

liebe, die; -π/−. 1. ›natürliche (d. h. „nicht aus einer Rechtspflicht entspringende“; Rwb 8, 1305) soziale Achtung, Wertschätzung des anderen, soziale Verantwortung, Gemeinschaftssinn, Verläßlichkeit stiftende innere Freiheit‹; von hier aus Tendenz zu ›Begünstigung‹ (in den Belegen als Warnung / Verbot o. ä. angesprochen); in 1 Beleg (s. u. Rennefahrt, Stadtr. Bern): ›vertraglich geregeltes Miteinander‹; offen zu 2; 4. − Texte der Sinnwelten ,Recht / Wirtschaft‘ sowie ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: liebe und leid leiden ›etw. gemeinschaftlich tragen‹. − Bdv. (bzw. bereichszugehörig): dienst, einigkeit, freundschaft, 1gunst 5, huld, minne, steuer 3; 4, treue, wolgefallen, zuneigung. Ggs.: leid 1, ungerechtigkeit, zwietracht. − Synt.: l. haben / beweisen / fürgeben, die l. erhalten / erneuern; die l. (Subj.) ungefärbt sein, verkälten ›erkalten‹; etw. durch l. tun, durch / zu liebe oder leid (ansatzweise phrasematisiert) (etw. tun); die heidnische / natürliche / lautere / reine / rechte / (ge)ware / sondere l.; friede mit l. Wbg.: liebezorn ›in liebe 1 gründender gerechter Zorn‹, liebgefallen, lieblos 1 ›nicht liebenswürdig‹, lieblüge ›Lüge, um jm. nicht weh zu tun, Lüge aus Verantwortung, zur Abwendung von Schaden‹, liebreich 1 ›vertrauenswürdig, zuverlässig‹, liebschaft 1.

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Schˆpper 10b (Dortm. 1550): CHARITAS: Liebe hÈld freundtschafft minne gunst zuneigung. Luther, WA 8, 283, 16 (1521): Weyl dem menschen, der die liebe hatt, keyn gepott nott ist. Ebd. 27, 12, 22 (1528): huiusmodi officiosa mendatia, lieblugen, da ich eim zu gut lieg, non incommodat, sed ist im gut. Luther, WA 17, 2 44, 26 (1525): Also ist auch die reyne liebe eyn seltzam ding auff erden. Nicht das Liebe an sich selbs unreyne sey, Sondern das sie liebe fur geben. Pfefferl, Weigel. Ges. 8, 8 (Hamb. 1646): Der Apostel saget, dem Gerechten ist kein Gesetz gegeben sondern er thut das gesetze ohn zwang vnd beschwernis aus lauter Liebe. Grosse, Schwabensp. 86a, 31 (Hs. 2nd./md., um 14109): her o [man, der kempen sal] muz eynen vor sich setzen, der iz tuo o o durch liebe oder durch pfennige. Ebd. 140a, 13: Also strak o ist iz vmme diz gerichte, dar man noch wedder lip noch durch o leit noch dorch guto noch dorch vrunde willen nicht richten sal wen dorch rechticheyt. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 2276 (rhfrk., um 1405): Des andern ubels machen ich myn, 兩 Und allen muß myn gut gemeyne sin. 兩 Minen name ob ir den wissen wollet, 兩 Geware Liebe [personifiziert] ir mich nennen sollet! Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 327, Anm. 8 (mosfrk., 1598): Ein jeder inwohner zu Fell ist das jahr durch [...] zweˆn tage zu graben [...] durch sich selbst oder einen anderen lieberichen arbeiter zu erscheinen schuldigh. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 218, 11 (hess., 1355): so sulden wir, die scheffen und der rat, mit den vorgen. hantwerken und sie mit uns, und wir, die vorgen. hantwerke, mit den scheffen und dem rade und sie mit uns getruweliche lyp und leyd lyden. Kˆbler, Ref. Franckenfort 27, 4 (Mainz 1509): Jch. N. schwere das ich in diser sachen niemandt zu lieb oder zu leid / noch vmb miedt oder gab [...] / sunder allein die warheit [...] / offenbare˜ [...] wËl. Schwartzenbach E vjr (Frankf. 1564): Dienst [...] Dienstbarkeit. Handreichung. Wolgefallen, Liebgefallen. Behegligkeit. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 24, 12 (osächs., 1343): wan di ungerechtikeit sal ubirfluzzic werden, soˆ vorkeldet di lıˆbe in manigen herzcen. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 24, 1 (Hs. 2omd., 14659): Liebe nicht allzu lieb, leit nicht allzu leit sol umb gewin und verlust bei weisem manne wesen. Fastnachtsp. 1152, 39 (nobd., 15. Jh.): Noch hat er [mussigener] weder lieb noch gunst 兩 Zu den die im sein brot gewynnen. Sudhoff, Paracelsus 7, 377, 23 (1529): nun zwingt die christliche liebe [...], ja auch die heitnische natürliche liebe, wie ir wolten, das euch beschehe in nöten, also solt ir auch dem notürftigen hergegen erstatten. Wiessner, Wittenw. Ring 3599 (ohalem., 1400/08): Got mach euch sälden reich! 兩 Ewer liebschaft gfiel mir wol. Rennefahrt, Stadtr. Bern 272, 11 i u och bi den selben eyden dis vorge(halem., 1388): Und sullen i von dishin ewenklich nant burgrecht und luter liebui und truwe i i [...] mit unsern eyden ernuwern. Ders., Recht Laupen 56, 28 (halem., 1471): ob inen vor ziten etwas gËnnen und erloubt sie in dem selben holtz, das sie von liebe und keins rechten wegen beschechen. Ebd. 143, 19 (1513): die selben all sËllen landtrÁcht kouffen und mit den unsern im landtgricht lieb und leid tragen. Ders., Zivilr. Bern 763, 26 (halem., 1615): Welcher [...] mit den ubrigen stubengsellen in dem einen und anderen kein lieb und leyd hat, derselbig soll [...]. Maaler

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liebe

271r (Zürich 1561): RÁchte Liebe die ein mensch gegen dem anderen hat. Charitas, Communis fides. Ebd. 272r: Liebloser leyb / Vngeraatsamet. Incultum corpus. Sappler, H. Kaufringer 29, 4 (schwäb., Hs. 1472): weliches under den zwaien wär 兩 baß ze loben und ze krönen, 兩 die lieb oder die schöne. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 137, 8 ([Augsb.] 1548): alß haben sy [Hunde] dem armen Lazaro mehr diensts und liebe beweiset / dann der Reiche Wanst. Primisser, Suchenwirt 46, 86 (oobd., 2. H. 14. Jh.): „So bin ich die SchËn genannt“, 兩 [...] 兩 „So bin ich die Lieb“. − Kˆbler, Ref. Wormbs 37, 24; Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 264; 503; Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4473, 5; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 88, 36; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 48, 32; Grothausmann, Stadtb. Karpfen 113, 12.

2. ›Gunst, Gunsterweisung eines sozial Überlegenen gegenüber einem Unterlegenen; als Gunst erklärte Bereitschaft eines in der Seelsorgehierachie Befugten zur Lesung einer Messe o. ä.‹; in allen Belegen rechtsformelhaft oder Teil eines Rituals. − Meist 2wobd./oobd.; Rechts- und Wirtschaftstexte9. − Bdv.: freundschaft, wolmeinung; vgl. anst, bene, benevolenz, glimpf 6, gnade 9, gratia 1, 1gunst 4. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 25, 3 (schles., 1349): das wir [wenczlaw] mit gutem willen [...] haben gegeben durch rechtir libe vnd fruntschaft willen Der Edeln furstynne vnde vrowen katherynen, [...], eyne mark groschen. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 228, 27 (halem., n. 1529): dass uwer grosmÁchtikeit in semlicher achthabung, andacht, frintschaft und liebe wËlle verharren. Rennefahrt, Statut. Saanen 166, 39 (halem., 1533): haben wir von sonderbarer lyeby und früntschaft, ouch uß sondern gnaden und von keins rechten wegen, gantz früntlicher wolmeynung [...]. Hˆr, Urk. St. Veit 71, 26 (moobd., 1352): Ich prÈder Philipp prior [...], verjehen offenleich an disem brief, daz wir durch besunder lieb vnd trew vnd umb gelt [...] hintz nacht ein vigilii vnd dez morgens ein selmezze singen. Ebd. 138, 30 (1390): Wir graf Hainreich [...] bechennen offenleichen an dem brief, daz wir Petern dem Griesteter, [...] die lieb und genad getan haben umb datz gut zu Räut, [...] haben wir im [...] ledig lazzen. − Leisi, a. a. O. 8, 374, 21; Hˆr, a. a. O. 185, 28.

3. ›kleinere Zuwendung, Gabe, Geschenk‹; zu lieb (das/die) 4. − Phras.: sant Johannis liebe ein in St. Johannis Namen gesegneter Wein; jn. einer liebe gewären ›jm. einen Gefallen tun‹ (ironisch). Helbig, Qu. Wirtsch. 3, 95, 33 (md., 1493): die phenner sollen den knechten fortmeher kein lon adder libe gebin. Chron. N¸rnb. 3, 149, 26 (nobd., 1488): do sprach der ritter: ,reich mir vor sant Johannes lieb‘. do trug er ein groß glas mit wein her. Goedeke, P. Gengenb. 126, 332 (o. O.

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1516): Der lieby wil ich sie [pfaffen, leyen] geweren, 兩 Vnd inen auch die seckel leren [ironisch].

4. ›liebevolle, natürliche, nicht zweckgerichtete und nicht erotische Zuneigung eines Menschen zu einem oder mehreren anderen‹; bezogen auf das Verhältnis von Familienangehörigen untereinander (Eltern und Kinder, auch Ehegatten), generell auf das als Familienbindung gedachte Verhältnis von Personen, die Umgang miteinander haben, darunter auch z. B. zwischen Angehörigen verschiedener sozialer Schichten (etwa Bürgern und König); vgl. lieben 5, lieb (Adj.) 2; 3. − Bdv.: einigkeit, gefallen, treue; vgl. andacht 4, geneigigkeit, geneigung. − Synt.: (keine) l. zu jm. haben (z. B. christen zu heiden, die bürger / Franzosen zu einem könig), seine l. zu jm. wenden, l. in der ehe halten, jm. (z. B. dem vater) l. erzeigen; die l. ein werk des willen sein; der affe seine junge für l. zu tode drücken; etw. mit l. sehen, jm. (z. B. dem keiser) zu l. [etw. tun]; die l. des vaters gegen den kindern, die l. der eltern / untertanen (zu jm.); die sundere / väterliche l.; der friede der liebe. Wbg.: liebesstrafe, liebgenies, liebwirdig, liebzorn. Luther, WA 21, 307, 20: Das [Kinder mit ruten straffen] sind amptschlege und Liebestreiche, nÈtzlich [...]. Ebd. 37, 384, 18 (1534): ira, quae venit ex amore, [...], Das ist der gmeine lieb zorn. Helbig, Qu. Wirtsch. 1,. 91, 27 (md., 1423): Ouch sal eyn iclicher wergkmeister in unser hern phlege nach nyrgen in der stad von keyme gesellen heymlichen liebgeniss neme nach geschenckte dar umme, das [...]. Schwartzenbach 55r (Frankf. 1564): Holdtselig. Lieblich. Schmaichlich. Liebwirdig. Allg. Schau-B˚hne 49, 18 (Frankf. 1699): Dieser Herr hatte keinen ehligen Sohn / wandte derowegen sein GemÈth und Liebe zu diesem seinen unÁchten / der [...]. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 22, 32 (omd., 1487): saltu dy¨ liebe deines ehlichen gemahels vorsetzen vor dy¨ ly¨be deiner eldern. Logau. Abdank. 168, 28 (Liegnitz 1651): Der FRJEDE der Liebe / der Einigkeit / Aufrichtigkeit und Trew / welchen Sie / geliebter Herr Ohme / Zeit jhres Ehstandes / so lieblich / so lËblich mit einander gepflogen. Reichmann, Dietrich. Schrr. 128, 33 (Nürnb. 1548): wie er [feind] die hertzen von einander reysse / Das gleich / wie jr yetzundt lust vnd lieb gegen einander habt / er vnlust / vnd feindschafft mËge anrichten. Ebd. 130, 1: dazu helffen / das eynigkeyt vn¯ liebe in der ehe gehalte¯ werde. Das geschicht aber also / dz er [man] mit vernunfft / vn˜ nit mit gewalt faren / [...] soll. Bachmann, Morgant 64, 18 (halem., 1530): Du magst wol versta˘n, daz sy kein liebe zuo dir hand und werden dir nu˘t halten waz sy dir verheissen hand: wann sy sind Kristen und du ein heid. Maaler 271r (Zürich

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liebe

1561): Liebe deß vatters vnd der muter gegen den kinden. Henisch 29 (Augsb. 1616): Der Aff trucket für libe sein Junge zu todt. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 126, 2 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): das der bischolff dem kayser zu lieb und gevallen dem von Gran, [...], das pistumb soldt ubergeben. − Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 84, 20; Warnock, Pred. Paulis 23, 295; P‰pke, Marienl. Wernher 11029; Eschenloher. Medicus 56, 22; Chron. Augsb. 3, 129, 20; 312, 27; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 306, 19.

5. ›christlich begründete Liebe des Menschen zu anderen, verständnisvolle, liebende, nachsichtige Haltung, fürsorgliches Bemühen um den anderen‹; besonders auf protestantischer Seite Betonung des glaubens als des theologischen Grundes der liebe sowie der christlichen Freiheit, aus der sich die werke, mit ihnen die caritas im Sinne sozialer Verpflichtung herleiten; dem gegenüber auch Begründung des guten Werkes aus der Hoffnung auf Rechtfertigung, Sündenvergebung. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch der Didaxe. − Bdv. (bzw. bereichszugehörig): andacht 4, demütigkeit, geduld, geduldigkeit, freundschaft, glaube 4, minne. Ggs.: arglistigkeit 1; 2. − Synt.: l. untereinander haben, in die herzen setzen, der prediger l. haben (sollen), jm. l. erzeigen; l. (Subj.) freundlich / langmütig sein, alles glauben / hoffen / dulden / vertragen, nicht das ire suchen, sich nicht erbittern lassen, keine secten machen, das gesez meistern, fordern, das [...], eine -waffe wieder die arglistigkeit (des teufels) sein; ane l. nichts gut sein, aus l. zu jm. reden, 2aus der l. ein werk machen, durch l. sünde tilgen9 (beides als Vorwurf gegen die ,Werkgerechtigkeit‘), durch l. die sünde (anderer leute) vergeben, in l. leben, in reiner l. minnen, nach l. stellen, das gesez nach der l. beugen / lenken, jn. zu l. ziehen, der glaube jn. zu l. (des nächsten) neigen; die l. des nächsten, gegen dem nächsten / menschen, zu dem orden; die auferbauliche / brüderliche / schwesterliche / brünstige / christenliche / emsige / heisse / hohe / stete l.; der lon, die frucht, regel, das mas der l. Wbg.: liebheit (semantisch hierher, morphologisch eher zu lieb, Adj.), liebreich 2. Luther, WA 10, 1, 2, 398, 33 (1526): Liebe und not maistern alle gesatze, und kaine gesetz sol sein, es sol nach der liebe gebeügt und gelencket werden. Ebd. 10, 3, 342, 17 (1522): wen die werck nit aus der lieb gescheen, so sein sie gar

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lautter nichts, dan an die lieb ist nichs gut. Ebd. 11, 249, 20 (1523): liebe unnd glawbe machen keyne secten noch unterscheyd eußerlich. Ebd. 17, 2, 159, 31 (1525): Dieser frucht [Euangelion] nachfolgen denn die frÈchte des geysts, die werck, als gedult, liebe, trewe. Ebd. 21, 411, 20 (1544): ,Fur allen dingen aber habt unternander eine brÈnstige Liebe, Denn die o menge.‘ [...], Hie sagt er nu, wie Liebe decket auch der sunden sie auch sich gegen andern Leuten sollen halten, Und fasset hiemit alle guten werck [...], so wir unserm Nehesten schÈldig sind, in ein starck wacker wËrtlin, das er nennet BrÈnstige liebe. Ebd. 21, 415, 16 f. (1544): die Papisten [...] Machen aus der Liebe des Nehesten ein werck oder tugent gegen Gott, Wollen darnach daraus schliessen, Das durch unsere Liebe unser sÈnde [...] getilget werden, [...] unser sÈnde zu decken fur Gott, da gehoret ein ander Liebe zu, nemlich, des Sons Gottes, welcher [...] durch solche Liebe auch uns ein Exempel gegeben, das wir auch (durch die Liebe) anderer Leute sÈnde, [...] vergeben sollen. Ders. Hl. Schrifft. 1. Kor. 13, 1 (Wittenb. 1545): WEnn ich mit Menschen vnd mit Engel zungen redet / vnd hette der liebe nicht / so were ich ein donend Ertz. Ebd. 4: DJe Liebe ist langmütig vnd freundlich / die liebe eiuert nicht / die liebe treibt nicht mutwillen / sie blehet sich nicht. Quint, Eckharts Pred. 1, 79, 12 (E. 13./A. 14. Jh.): als S. Augustinus spricht: waz der mensch liebhat, daz wirt er in der liebe. Struck, Cist. Marienst. 1348 (mosfrk., 1492): einträchtig in göttlicher Liebe, [...], Liebe (leyffhayt), Reinigkeit des Leibes und Armut des Geistes leben. Schˆnbach, Adt. Pred. 11, 12 (osächs., 1. H. 14. Jh.): Petrus und Andreas. bi den zwein soltu merken zweir hande minne: minne got und minne din ebencristen. di minne und die libe sol haben ein igelicher pretigere. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 178v, 23 (Leipzig 1588): Darumb treibet [...] jhn sein liebreiches Hertze / den Nehesten vmb seiner mengel oder vbertretung willen / trewlich zu straffen. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 738, 22 (els., 1362): Jst es aber daz du in reiner liebe minnest so gewinnet er [engel] v dir sine gnode. Koller, dich so liep also mich vnd erzoget Ref. Siegmunds 289, 48 (Hs. 2Augsb., um 14409): auch mag er [prister] plab tragen in rechter emsiger und steter lieb zu leben. Anderson u. a., Flugschrr. 7, 7, 27 (Straßb. 1524): DEr glaub an Christu˜ macht vnß frum˜ vor got / vnd neigt vns zuo lieb des nÁchsten. Sudhoff, Paracelsus 14, 133, 33 (1529/32): also stellen sie [Wesen ohne Seele] nach solcher liebe gegen dem menschen, auf das sie mit den menschen in der selbigen büntnus seind. Nyberg, Birgittenkl. 1, 335, 38 (oobd., 1461): daz der selb Herr, [...] wöll vns raiczen vnd enczunden in seiner vnd auch in pruderlicher vnd swesterlicher lieb vnd wercken der güttikeit. Ebd. 2, 271, 10 (schwäb., um 1543): [bischoff Friderich] het besundere lieb vnd andacht zuo dem heiligen orden. Bauer, Geiler. Pred. 9, 10 (Augsb. 1508): aynem ainfaltigen christen menschen ist o daz er hab cristenliche liebe. Rudolf, Peuntner. Stergenug bek. 148rb, 18 (moobd., n. 1434): vil grËsleicher vodernt vnd begernt von vns got vnd die lieb, das wir vmb das geistleichen leben vnd hail vnsers nachsten sarig vnd fleizø z tragen. Reithmeier, B. v. Chiemsee 2, 3 (München 1528): Awsserhalb der lieb ist der glawb nichts wie Paulus erzellt,

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liebe

wann jch gleich allen glawb hiet [...], vnd daneben khain lieb so bin jch doch nichts. Bauer, Zist.-Pred. Haller 59, 332 (tir., 1466): Der lon der pruederleichen lieb das ist die lieb Kchristi. − Luther, WA 10, 1, 2, 64, 31; 17, 2, 91, 4; 21, 415, 19 ff.; 32, 385, 10; Anderson u. a., a. a. O. 5, 5, 24; 5, 6, 21; Reichmann, Dietrich. Schrr. 235, 29; Dietrich. Summaria 20v, 22; Bauer, Geiler. Pred. 473, 21; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst., S. 222. − Vgl. ferner s. v. arglistigkeit 2, auferbaulich 2, parteiig 1, becker.

6. ›tiefe Neigung, Verlangen, Streben, Begehren der menschlichen Natur generell oder des einzelnen Menschen zu etw. (meist:) negativ, (seltener:) positiv Bewertetem hin‹; dieses wird in der Regel als Besitz, in Einzelfällen als erstrebte Tätigkeit gedacht; vgl. lieben 6. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch ,Didaxe‘. − Bdv.: affect 1, begerung 6, beweglichkeit 2, eigenschaft, fleis, 1lust 1, neigung, verblendung, wolgefallen. − Synt.: l. an etw. legen, zu etw. haben, für etw. (z. B. für warheit) annemen, die l. büssen ›erfüllen‹, jm. die l. fremd machen; die l. (Subj.) ein ausbruch der herzigung sein, jn. zu etw. bewegen / ziehen; mit l. ungefangen, zu etw. geneigt sein, etw. mit l. ausrichten; 2die l. der geschrift / kunst / warheit / weisheit / welt, der zeitlichen dinge, des vaterlandes9, jeweils ›zu [...]‹; die l. zum geld / gejägde, zu dem leibe; die grosse / lautere / tolle / weltliche l. Wbg.: liebde 1. Luther, WA 32, 448, 33 (1532): sondern trittest aus der pan [›irrst ab‹] und denckest nur wie du deine lust und liebe zum geld bÈssesst. Buch Weinsb. 3, 241, 28 (rib., 1584): er hetzs (einen Mord) aus sich selbst getain ausser eifer gegen die catholisce religion und leifden des fridens. Dedekind/ Scheidt. Grob. 87, 38 (Worms 1551): daß sie [menschlich natur] zu allem / das verbotten ist / ein lieb / lust / vnd wolgefallen hat. Vetter, Pred. Taulers 37, 5 (els., E. 14. Jh.): ein fri [...] gemÈte, das ungevangen ist von allen dingen, noch mit luste noch mit liebe. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 201, 6 (els., 1362): Du [Herre] hast weltliche liebe mir frËmde gemaht, du hast mir kraft geben daz ich alle pin han u´berwunden. Maaler 50r (Zürich 1561): Der ein lust vnd liebe zum gjÁgt [...] hat. Heydn. maister 3r, 16 (Augsb. 1490): von grosser liebe wegen der weißheit / mocht er [Tales] zeit nit haben dem gelt nach zestellen. Bauer, Geiler. Pred. 322, 12 (Augsb. 1508): welche tier den flaischlichen gedenken nachfolgen / das sind die außbrüch deiner hertzigungen Die erst / ist. liebe Die ander glüst. Kohler, Ikkelsamer. Gram. 7, 14 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): vn bewegt mich darzu nichts anders dan¯ die liebe vnd lust diser seynen subtilen kunst. Henisch 29 (Augsb. 1616): Affect /

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bewegligkeit zu oder von dem jenigen das vns gut vnd bËß dunckt zu sein / beweg des gmÈts / affectus, perturbatio [...] derer seind viererley / lieb / haß / hoffnung / forcht. Steer, K. v. Megenberg. Sel 164 (Hs. 2moobd., 14119): ein andrew aigenschaft der sel, das ist, das sy natürleich genaigt ist von notdurft der natur mit grosser lieb zü dem leib vnd erkükchung ds leichnames. Bauer, Imitatio Haller 75, 25 (tir., 1466): die lauter lieb der warhait die sol dich cziehen czue dem lesen. Dies., Zist.-Pred. Haller 47, 128 (tir., 1466): Die lieb der welt die pegert der ganczen welt vnd würt nimmer ersatt. − Alberus, Barf. Vorr. Alb. 7, 2; Quint, Eckharts Pred. 1, 215, 8; M. Cunitia. Ur. Prop. 154, 7; Reichmann, Dietrich. Schrr. 76, 23; Rennefahrt, Zivilr. Bern 103, 21; ders., Staat/Kirche Bern 418, 5; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 736; Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 18, 24; Bauer, Geiler. Pred. 318, 32; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 209, 61; Voc. inc. teut. p ir; Maaler 271r; Harsdoerffer. Trichter 3, 318, 14.

7. ›als unrecht, unordenlich, ungeordnet, unredlich, unrein, eigen o. ä. charakterisierter Hang zur Sexualität, zu sich selbst, zum Besitz, zum Hochmut, zum Zweifel, zu Verwegenheit‹; erhöhte Belegdichte für den Bereich der Sexualität (insbesondere zur außerehelichen Liebe, dann z. B.:) ›sexuelle Beziehung zwischen Heiratsverwandten‹, andeutungsweise ›verwegene Neigung zur Teufelsbuhlschaft, auch zur Sodomie‹; im einzelnen: ›Unzucht; Habgier; Ehrsucht usw.‹; im Hintergrund stehen die 7 Hauptsünden; die genauen Ausprägungen von liebe im Sinne dieses Bedeutungsansatzes werden teils verschleiert; vgl. den Stellenkommentar mit Lit. zum Beleg Wagner. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: begerung 1, brunst 5; 6, senung, wollust; vgl. belangen 1, geilheit 2, gelüstung, heimliche 5. − Wbg.: liebkind (auch liebes-) ›unehelich geborenes Kind beider lebender Elternteile‹ (14. Jh.f.). Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 520 (pfälz., 1436): Welicher nü das gewiecht hat der vnördenlichen liebe jn siner sele, der [...]. Jostes, Eckhart 65, 21 (14. Jh.): Sunderlich lieb on hÈte die ist ein valsch minnerin und ist ein ubergreifferin dez rehten gemaheln und ist ein zustorerinne dez frids (es folgen weitere Nennungen). Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 9, 21 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): wie ubel alle sein innern kreft [...] vergift sein mit [...] unredlicher, ungeordenter lieb, haß und poß senung, hoffnung und verczweiffelung, forcht und kÈnheit. Ebd. 9, 37: unkewsch, wollust, inprunst des fleysch, bewegung des fleyschs, unlawterheit, vermayligung, snodikeit,

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unschamheit, unvernunft, aygene lieb, haß gotes, begerung der werlt. Sachs 15, 373, 17 (Nürnb. 1558): Deß menschen leib, fleisch unde blut, 兩 Welches von natur ist nicht gut, 兩 Sonder vol begierd und affect 兩 Und eigner lieb heimlich vol steckt. v. Keller, Ayrer. Dramen 1285, 26 (Nürnb. 1610/18): Die Königin vnd Stiefmutter mein 兩 Ist voll in brunst vnd Lieb vnrein. Eichler, Ruusbr. steen 59 (els., sp. 14. Jh.): do mitte wurt vertriben alle verbildunge vnd alle ungeordente liebe zvo den creaturen. Warnock, Pred. Paulis 16, 128 (önalem., 1490/4): So denn der mensch wendt, er hab ain gaistliche liebe zuo sinem hailgen, so ist er bös vigind hie mit sinen tusigfaltigen listen und enzu´ndt den menschen mit liplicher unrainer liebe, also daz er etwenn begert, liplich mit im ze fallen und ze su´nden. Maaler 271r (Zürich 1561): HÈrische Liebe. Sappler, H. Kaufringer 16, 289 (schwäb., Hs. 1464): die ander laug, als man list, 兩 ist unrecht lieb, [...]. 兩 an den zwain hangen alle sünd. Ebd. 338: lieb des flaisch; lieb der ern; lieb des guotz. Chron. Augsb. 9, 107, 16 (schwäb., 1544/5): ain grober, harter mann, der was in unordenlicher liebin gegen ainer junckfrauen, [...], entzündet. Turmair 4, 1025, 9 (moobd., 1522/33): Sein obgenanten sun Crispum [...] redt die stiefmueter Fausta umb unordenliche lieb an. − Neumann, Rothe. Keuschh. 1077; Bauer, Imitatio Haller 100, 13; Rwb 8, 1312. − Vgl. ferner s. v. angemuten.

8. ›Liebes, Angenehmes, Freude, was jm. im Unterschied zu leid zuteil wird‹; zu lieben 1. − Vorwiegend Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: las mich mit lieb! ›laß mich mit Frieden / in Ruhe‹! (hierher?). Quint, Eckharts Pred. 1, 136, 1 (E. 13./A. 14. Jh.): Waz ist widersatzunge? Liep und leit, wıˆz und swarz das haˆt widersatzunge, und diu enblıˆbet in wesene niht. Ders., Eckharts Trakt. 406, 5 (E. 13./A. 14. Jh.): [Volkomeniu abegescheidenheit] wil alsoˆ staˆn von ir selber, niemanne ze liebe noch ze leide. Vetter, Pred. Taulers 86, 7 (els., E. 14. Jh.): su´ [junger] nament fride in unfriede und in liebe leit, und in dem tode nament su´ daz leben. Kurz, Murner. Luth. Narr 4298 (Straßb. 1522): Laß mich mit lieb, das rat ich dir, 兩 Vnd halt mir nit dein dochter für, 兩 Jch würd sunst sein dein ewig findt. Sappler, H. Kaufringer 1, 196 (schwäb., Hs. 1464): si funden vor der statt stan 兩 ain haus mit bösem obedach; 兩 den gesten lutzel lieb geschach. Klein, Oswald 115, 78 (oobd., n. 1438): Wer ain andächtigs herze trait, 兩 den kümbert weder lieb noch laid. − Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 91, 35; v. Keller, Ayrer. Dramen 3397, 34; Schade, Sat. u. Pasqu. 2, 23, 2.

9. ›Liebe zwischen Mann und Frau, körperliche und psychische Zuneigung zwischen Erwachsenen beider Geschlechter‹; vereinzelt offen zu: ›zwischenmenschliche, sozial geprägte Zuneigung‹ (vgl. 1) sowie zu: ›ungezügelte sexuelle Leidenschaft‹

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(vgl. 7); vgl. lieben 9. − Phras.: der liebe buch / getöne ›Hohes Lied‹; einander für liebe fressen ›heiß verliebt sein‹. − Bdv.: brunst 5, bulschaft 1, 1lust 1; 2, minne, neigung; vgl. liebschaft 2. − Synt.: die l. beschreiben, l. zu jm. haben / tragen, js. l. begeren, jm. (die) l. öfnen / anzeigen / abschlagen / versagen, die l. einem handel vergleichen; die l. (Subj.) alweg wären, sich verlieren, pein bringen, nicht ane leid ergehen, sich bis in das mark setzen, js. herz verstricken, giftig als ein atter sein, zu wegen bringen, das [...], l. sich mit l. vereinen, die l. arzenei, der herzen band sein; der l. (Gen.obj.) pflegen; in l. behaften, verhaftet / entbrant sein, bewegt / entzündet werden, jm. in l. gefangen sein, sich in l. gegen jn. annemen (z. B. gegen hadermetzen), sich mit l. gegen einander halten, bei jm. mit l. wonen, jn. (z. B. die jungfrau) um l. ansuchen, von l. reden, jn. von l. küssen; frau liebe (personif.); die l. des bräutigames / mannes, eines töchterleins (jeweils gen. subjectivus), die l. der frau (gen. objectivus), die l. zu jm.; die blinde / grosse / innigliche / rechte / stäte / unzerbrochene / züchtige l.; der weg / strik, die ordnung / göttin, das band / schwert / zeichen der l.; durch l. und treue willen, die anreizung zu der l. Wbg.: liebebrunst, liebesarm ›liebender Arm‹, liebeschmerz, liebesfalke, liebeskraft, liebeskus, liebessache, liebhalb ›aus Liebe‹, lieblos 2 ›ungeliebt‹, liebmal ›Kußfleck‹, liebsenend, liebtrank 1, liebtrunk, liebung 4. Luther, WA 32, 374, 9 (1532): Jnn der erst gehets wol so an, das sie [eheleut] ein ander [...] fur liebe fressen wollen. Volkmar (Danzig 1596): Philtrum, ein liebtrunk, nachlauff. Klett, J. v. Soest 11, 865 (Hs. 2wmd., 1470/809): hy by klerlichen wurt erkant, 兩 das lyb ist tzweyer hertzer bant. Ebd. 11, 1106: dy lyb dy wyl bescheyden syn, 兩 und ist das nyt, so bryngt sy pyn. Ebd. 11, 1390: merck, wy von Amazonia 兩 lybhalp wass schyr geworden gra 兩 des selben landes kong. Voc. inc. teut. p ir (Speyer um 1483/4): Liebu˜g Dilecto˜. i. Amor. Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. 156, 21 (Hs. 2pfälz., M. 16. Jh.9): amm suessen schlaff, den sie do thet 兩 in rechter lieb mit liebesarmen umbschrenket. Ebd. 157, 13: ich bin behafft mit liebes kraft, 兩 mit Adams ripp durchschoßen. Dedekind/Scheidt. Grob. 125, 2 (Worms 1551): Küß an ein backen daß es schmatzt / 兩 Das heißt das liebmal angesatzt. H¸bner, Buch Daniel 2079 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): In der liebe buche dort 兩 Hore Salomonis wort. Ebd. 3500: In der liebe gedone 兩 Sprichet er gar wunneclich. Bˆhme, Morg.R. 149, 2 (Hs. 2schles., 16129): wann dieselbe [zwey junge menschen] an einander

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erhitzen in liebe brunst / so [...]. Ingen, Zesen. Ged. 384, 35 (Breslau 1641): weil alle die anmuthigen LiebesÚKÈsse / [...] / von der GËttin der Liebe Venus sollen [...] an den schËnen HimmelsÚSaal gehÁfftet werden. Ebd. 391, 27: Des Liedes Inhalt war ja von lauter LiebesÚSachen / das muß sie alles gestehen. Pyritz, Minneburg 1503 (nobd., Hs. um 1400): Min trost, min wunne, min liebes valk, 兩 In din suße minne du mich walk! zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 129 (Nürnb. 1517): Nun ist aber des geists antastung ein anrürn der lieb des breutigams zu der liebe der breut, des geists zum geist [hier bildlich]. Sachs 15, 200, 10 (Nürnb. 1562): Daß er vor lieb-senendem schmertzen 兩 Ward kranck von seim gemüt. Ders. 21, 477, 7 (1548): Da mir mein herz 兩 In liebe-schmerz 兩 [...] 兩 So yniclich entzündet wart. Thiele, Minner. II, 2, 31 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/ 909): so muß got Èmmer erbarmen 兩 das ich liebloses wib 兩 den sinen mynngernden lib 兩 in keinen kumber ye gewarff. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 598, 23 (els., 1362): Der waz so stolcz von libe vnd von iugent das dise frowe sterklich in sine liebe wart beweget, [...]. Do von begu´nde su´ mit flisze betrahten wie su in u´berkeme daz er zu liplichem valle mit ir keme. Matthaei, Minner. I, 11, 179 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): ’ich haiß frow Lieb und hon den sin 兩 das ich da all zitt gern bin 兩 wa sich lieb mit lieb ver aint‘. Ebd. 15, 75: die funfft [frowe] nem ich uch schier: 兩 das was frow Lieb, die mengem man 兩 lib und guto gewund an. Roloff, Brant. Tsp. 938 (Straßb. 1554): Under eim baum als ich euch sag 兩 Da sie mit im der liebe pflag. Maaler 271r (Zürich 1561): Liebe die sich biß in das margk hinein gesetzt hat. Ebd. 271v: Einem die Liebe offnen / anzeigen vnnd nit verhÁlen. [...]. Eines frommen eegemahels Liebe wÁret allwÁg. Lauater. GespÁnste 33r, 11 (Zürich 1578): der ist in liebe eines schËne˜ züchtigen tËchterlins eines burgers daselbst / entzündt worden. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 18 (Genf 1636): Liebtränck / m. Poison pour fairs aimer. Brandstetter, Wigoleis 193, 28 (Augsb. 1493): wonet herr gabon bey seiner frawen mit [...] jnniklicher liebe biß si schwanger ward. Klein, Oswald 56, 22 (oobd., 1417/8?): Mein herz, das prüfft vil offt und dick, 兩 das seltzam blick pringt freundlich schrick, 兩 in der lieben strick. Ebd. 64, 2 (1416/ 7?): Gar wunniklich hat si mein herz besessen, 兩 in lieb ich ir gevangen bin mit ste¨tikait. Karnein, de amore dt. 182 (moobd., v. 1440): ir werd gesehen sam ain grosser vberfarer der geliebten lieb, das ir so vnbesinlich [...] tuet aischen vnd piten der lieb vnd minn. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 3959, 11 (moobd., 1460): seiner Frau Margrethen durch sundere lieb und treun willen, so sie ihm in seiner krankhait bewaist hat. − Klett, a. a. O. 11, 788; Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 121, 4; v. Keller, Amadis 402, 16; ders., Ayrer. Dramen 3006, 17; 3099, 4; Oesterley, Kirchhof. Wendunmuth 2, 496, 15; 3, 181, 5; H¸bner, a. a. O. 5563; 7466; Opitz. Poeterey 11, 25; 21, 21; Reichmann, Dietrich. Schrr. 129, 20; Goedeke, P. Gengenb. 128, 414; Roloff, a. a. O. 541; 856; Sappler, H. Kaufringer 11, 74; Brandstetter, a. a. O. 226, 11; Klein, a. a. O. 1, 18; 1, 39; 20, 70; Karnein, a. a. O. 180; Dasypodius 155v; Crecelius 1, 560. −

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Vgl. ferner s. v. abflüchtig, abschlagen 22, anbringen 5, anfesseln, antastung 2, atter, augenblicken, begeren 1.

10. ›dem Menschen aus gnade von Gott gegebene, ihn gotförmig machende, durch asketische übung, den glauben, demut u. ä. Haltungen wieder auf Gott zurückführende Liebe, inbrünstige Ausrichtung des Menschen auf Gott, Liebe zu Gott‹; in 1 Beleg (s. u. v. Tscharner): ›Liebe, Verehrung eines heidnischen Gottes‹; vgl. lieben 10. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, oft der Mystik und Scholastik, auch der Didaxe. − Bdv.: andacht 1; 2, brand 10, einbrunst, minne, verlangen; vgl. geminne, gierde 3, 1lust 5. − Synt.: l. zu got haben, zu Christo tragen / bringen, die übung mit hilfe der gnade l. wirken; die l. (Subj.) zu got wachsen, jn. gotformen, zu got aufziehen, im menschen die gestalt der tugend gebären, die l. alle dinge verschmahen, [etw.] erkriegen / minnen; der l. durchbrünstig sein; in der l. alle gesaz begriffen sein, die furcht in die liebe gehen, sich in l. zu got erheben, in gottes l. steigen ›hinaufsteigen‹, Christi mit l. geren, mit l. den zugang zu got zieren, von l. innigkeit zu got kommen; die l. gottes, einer lere, der heiligen schrift (jeweils: ›zu [...]‹); die befindliche / geistliche / innige / inbrünstige / ware l., die götliche l. ›Liebe zu Gott‹; die inbrunst, das feuer, die gebote der l. Wbg.: liebde 2, liebespfeil ›Liebe (des Menschen) zu Gott‹, liebung 5. Helm, H. v. Hesler. Apok. 17408 (nrddt., 14. Jh.): Wen sie [Gots irwelte] nimmer werden kul 兩 Der waren Gotes minnen, 兩 Der sie vor liebe brinnen. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 2685 (rib., 1444): Yederman hain ich vrede gegeven; 兩 Nu hoede den mallich gantz ind even 兩 Na der liefden de zo mir drait 兩 Eyn eicklicher. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 640, 11 (Köln 1619): O Herr gib mir der liebten brandt, 兩 Mein schwachheit ist dir wolbekandt, 兩 Leßt du mich auff mir selber stahn. Dubizmay, kurß zu Teutze 48, 7 (hess., 1463): heyliger geyste erfülle deyner gleubigen hertzen vnd ey¨nzunde dar In das fewer deyner libe. D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 24, 12 (Frankf./M. 1626): Vnd auff mein Andtlitz mich zu seinen FÈssen neig / 兩 Mit Demuth / Glauben / Lieb Furcht / Hoffnung angethan. v. Tscharner, Md. Marco Polo 14, 1 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Von den dy ir wip lygin den markt lutin durch di libe irer gote. Steer, Schol. Gnadenl. 6, 79 (moobd., 15. Jh.): disen frid wurckt vnd sacht ein v¨bernaturleich tugent, das ist dy genämmachent lieb, dy dann gotformet den menschen vnd gepirt yn ym alle gestalt der tugent, wann yn zwain gepoten der lieb sind begriffen alle gesaczt. Kehrein, Kath. Gesangb.

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2, 497, 10 (Nürnb. 1631): Der Heiligen gsell mËcht er [Ignatius von Loyola] sein, 兩 Mit Verlangen, 兩 Liebspfeil sein Hertz durchdrangen. Vetter, Pred. Taulers 381, 4 (els., 1359): des bitte ich u´ch umbe alle die liebi und minne die ir zuo Gotte hant. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 243 (els., E. 14. Jh.): Beuintliche minne vnd liebe, das ist ein begirlicher smackender gelust, den man het zvo gotte alse zvo o einem ewigen gute [...]. Beuintliche liebe git vrlop allen creaturen nach der gelust [...]. Innige liebe beuindet sich begerende von innen mit ewiger minnen [...]. Innige liebe verzicht vnd versmahet lihtekliche alle ding, vf das sv´ erkriegen mËge, daz su´ minnet. Vs diser beuintlichen liebe kumet innekeit zvo gotte. Michels, Murner. Badenf. 19, 26 (Straßb. 1514): Frow, all sünd verzich ich [Cristus] dir 兩 Vmb liebin die du dreyst zuo mir. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 230, 15 (schwäb., 14. Jh.): do braht der mensche sin liebi zuo der minnen gottis alse zuo dem ende, unde also des gliches zuo allen den andern dingen. Bauer, Geiler. Pred. 462, 12 (Augsb. 1508): wann seine [des Cristophorus] reden flackrent von einbrunst der liebe. Primisser, Suchenwirt 10, 220 (oobd., i 2. H. 14. Jh.): Gotleicher lieb inhitzig vrisch 兩 Was er durchprÈnstig als ein glu˘t. Buijssen, Dur. Rat. 2, 4 (moobd., 1384): ir bewarent ewren sin mit liebe der heiligen schrifte und ander sitigen lere. Klein, Oswald 4, 7 (oobd., 1421): Wer liebe trait 兩 ze got, von dem si [liebe] kompt, daran si hafftet, 兩 so wirt der wille pald geschickt, 兩 das er te¨glichen trachtet, 兩 wie er die liebe darzu fickt [›fügt‹], 兩 das si nicht werd geferret gotes prust. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 1108 (moobd., A. 15. Jh.): die weil wir in der werlt sein so müssen wir in den creaturn als an ainer laytter in gotes lieb vnd sein erchantnüss steygen. Hˆver, Bonaventura. Itin. 3, 589 f. (moobd., 1450/60): das ist Jhesum mit liebender andacht ansicht auff gehenckten am kreu´cz durch andacht, glauben, hoffnung vnd liebe, zuo verwundrung zuo erfrËwung, zuo lobung, zu liebung, zu jubilierung. Bauer, Zist.-Pred. Haller 47, 130 (tir., 1466): die lieb gottes die ist nicht anders pegern denn got alain. Die götleich lieb die ist gar edel: sy¨ hat alle hübsche ding lieb. − Quint, a. a. O. 264, 3; Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 495; Dubizmay, a. a. O. 92, 17; Schˆnbach, Adt. Pred. 22, 31; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 130; Franck, Klagbr. 226, 1; Vetter, a. a. O. 36, 32; Eichler, Ruusbr. steen 72; 586; 878; Warnock, Pred. Paulis 5, 46; 27, 83; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 191, 147; Baptist-Hlawatsch, a. a. O. 33.

11. ›Liebe als Qualität, Seins-, Existenzform Gottes, der er den Menschen in einem als -giessen, an-, en-, erzünden gedachten Prozeß teilhaftig werden läßt und aus und in der er seine Erlösungstat vollzogen hat‹; auch für ›Gott‹ gebraucht; zu lieben 11. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: brunst 5, güte 4, milde, minne; vgl. gnade 1; 3, gottesliebe, 1gunst 3, gütlichkeit 1. Ggs.: has 1, neid, zorn. − Synt.: got die l. ausgiessen;

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die l. (Subj.) ewig / fest / stark / unwandelig sein, von got kommen, gottes l. in das herz gegossen sein, die liebe der weg gottes [...] sein, got die l. sein; die welt der l. (gottes) überzeugen; jn. der götlichen l. ›mit Gottes Liebe‹ enzünden; aus l. für jn. leiden, durch die l. gottes vergottet werden, in der l. die tugend erzünden, sünde wieder die l. [Gottes] begehen; die l. gottes (gegen uns), des sones, Christi, des herren; die götliche l. ›Gottes Liebe‹, die heimliche / rechte / süsse l.; die gabe / süssigkeit der l., die brunst der l. − Wbg.: liebbrief ›Brief der / über die Liebe Gottes‹, liebde 3, liebestrafe (im Ggs. zu zornstrafe), liebezeichen, liebmildreich, liebreich 3, liebung 6, liebtrank 2. Luther, WA 1, 162, 16 (1517): das die libe gottis starck ist wie der todt. Ebd. 9, 128, 4 (1518): Wye hoch got antzeugt die lieb, die er selbs ist. Ebd. 28, 734, 22 (1529): wir haben im newen Testament viel ein grËssers Liebe zeichen Gottes gegen uns denn jene im alten Testament. Ebd. 35, 448, 6 (1524): du susse lieb schenck uns deyne gunst, 兩 las uns empfinden der liebe brunst. Ebd. 52, 286, 2 (1544): das die straff, die Gott auff uns legt, ein liebe srtraff und nicht ein zorm straff sey. Pfefferl, Weigel. Ges. 12, 35 (Hamb. 1466): er leidet, stirbet, [...], alles vmb vnsernt willen, das ist die Welt zu vberzeugen der versönung vnd liebe Gottes kegen vnß vnd alle Menschen zuuersichern. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 16, 36 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): AUGUSTINUS spricht: Die lieb ist der weg gots zu der sel und der weg des menschen czu got. Gille u. a., M. Beheim 69, 80 (nobd., 2. H. 15. Jh.): mit dem geist du [heilger geist] mich enczund 兩 deiner gotlichen liebe. Fellmann, Denck. Schrr. 2, 25, 18 (nürnb., Hs. 1525): der [...] wirt durch die liebe Gottes gantz vergottet und Gott in im vermenscht. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 41, 1 (Nürnb. 1631): Ein Engelischer Bot, 兩 Vom Himmel gesendet wardt, 兩 Von dem liebreichen GOtt, 兩 Gabriel. Ebd. 1, 326, 5: Dein Blut im streit ein Krafftwehr ist, 兩 Dein Blut der Seelen Liebtranck ist. Ebd. 372, 50: Du Liebmiltreicher HERR vnd GOTT, 兩 Mach mir beyn Außerwehlten Platz. Koller, Ref. Siegmunds 230, 15 (Hs. um 1474): daz wir [...] dancken syner [gottes] liebden und gnaden, die er uns in alle dyngen bewyst hat, sunderlich in synem heiligen lyden gantz unßer heyl instet. Bihlmeyer, o Seuse 484, 11 (alem., 14. Jh.): gute tu´tsche bÈchlin sint dines gËtlichen liebes liebbrieff. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 285, 26 (Hagenau 1534): Gott ist die liebe / [...] / darumb hatt er auch sein milte gÈtte unnd liebe außgegossen / unnd in der ersten schepffung / [...] / schaffte er voradt. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 408, 22 (schwäb., 14. Jh.): die gotliche liebi, alse vil si von teile gotlicher getat ist, alse vil ist si ewig unde unwandelich. Klein, Oswald 4, 16 (oobd., 1421): lug, hoffart, spot, hass, zoren, neid 兩 götliche liebe nicht melt. − Quint, Eckharts Pred. 2, 388, 97; Gille u. a., a. a. O. 69, 188; zu Dohna u. a., Staupitz/

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liebebrunst − lieben

Scheurl 103; Spechtler, Mönch v. Salzb. 12, 11; 37, 124; Rudolf, Peuntner. Sterbek. 150rb, 40; 153ra, 5; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 1888; Bauer, Zist.-Pred. Haller 83, 80. − Vgl. ferner s. v. ausdrucken 6.

liebebrunst, s. liebe 9. liebeln, V. ›sich liebedienerisch, scherzend, spielend verhalten‹; vgl. lieben 1; 3. − Bdv.: vgl. augendienen, hofieren, liebkosen 2. Schˆpper 61a (Dortm. 1550): ¶ zärtlen lieblen heyen täntzlen. Mieder, Lehmann. Flor. 397, 27 (Lübeck 1639): Zu Hof gehet man mit Leuten vmb wie Kinder mit Poppen / die sie bald schmucken vnd liebeln / bald schlagen. Schade, Sat. u. Pasqu. 2, 2, 27 (md. 1521): oft wann ich das [pfertlin] uß dem stall gezogen, hab ich es gestreicht und geliebelt, auch etwa uf sein köpflin geküsset. Alberus Y IVv (Frankf. 1540): Mulceo [...], palpo, ich streich / streichel / liebel. Sachs 17, 57, 36 (Nürnb. 1553): Wechelt und thut an mir auffspringen [ein Hund] 兩 Und liebelt sich mit allen dingen?

lieben, V. 1. ›jm. lieb, angenehm sein, gefallen, Freude, Vergnügen bereiten‹; prototypisch mit Subj. d. S. und Dat. d. P. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: gefallen. Ggs.: 1leiden (V.) 3. − Synt.: 2gerste (Subj.) l., das beten nicht l.9, jeweils absolut; jm. etw. (Subj., z. B. ere / gut / treue / tugend / zucht, js. scherzen, der krieg / reisdienst ›Kriegsdienst‹, die freiheit / wahrheit, der meistergesang, das böse, die bulschaft / sünde / tyrannei / welt) l., jm. etw. (z. B. müssigkeit, irnis seiner gnaden) nicht l., im einzelnen z. B. der zorn dem teufel, einfaltigkeit dem weisen, das kebsweib js. gesicht (Dat.), (von einen Tier:) der geis die berge, dem esel futter l., jm. etw. (z. B. genäsch) für etw. (›mehr als‹ Anderes, z. B. für ritterschaft) l., (jm.) l. [+ Infinitiv(satz) mit oder ohne zu], z. B. (jm.) zu lieben / leben / sterben, [wo] zu bleiben l., dem esel l., im stal zu liegen ›dem Esel gefällt es, wenn [...]‹, jm. l., was [...]; die got liebende gerechtigkeit ›die Gott wohlgefällige Gerechtigkeit‹. Luther, WA 32, 444, 29 (1532): Was dem menschen liebet, das ist sein Gott, denn da tregt jn sein hertz zu. Helm, H. v. Hesler. Apok. 23132 (nrddt., 14. Jh.): allen den da lugene 兩 Libit unde trugene. Bergmann, Ambr. Liederb. 55, 24 (Frankf. 1582): mir liebt jhr zucht und wandel, 兩 jhr

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weis und geberd. H¸bner, Buch Daniel 2318 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Gerste liebet, spru leidet. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 14, 11 (Hs. 2omd., 14659): das haben begert die philosophen, wann sie sprechen, am besten zu sterben, wann am besten liebet zu leben. Opel, Spittendorf 90, 33 (osächs., um 1480): seyne gnade, [...], dem irrenisse der seynen billich nicht liebete. Gille u. a., M. Beheim 176, 105 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Der czorn liebt auch dem teufel, wan 兩 er wirt des menschen her daran. Sachs 16, 174, 9 (Nürnb. 1561): Noch liebt das kebsweib mehr deim gsicht [poetisch für: ›Dir‹]. Lauchert, Merswin 3, 8 (els., 1352/70): in diseme lebende waz ich ettewie vil iare, also daz mir die welt ie me vnd ie me liebende wart. Goldammer, Paracelsus 6, 190, 4 (1530): das ist sanft und milt vor got, daß dein frucht auf erden also gruenet und got liebet und gefällt, daß [...]. Lemmer, Brant. Narrensch. 18, 30 (Basel 1494): Dem wisen liebt eynfaltikeyt. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 196 (Straßb. 1522): Also verbot einer seiner Frawen, sie solt nit in die Mistlachen gon, da geliebt es ir erst. Bauer, Geiler. Pred. 316, 8 (Augsb. 1508): gleych als o ainem esel / dem liebt futer und hew und im stal zu ligen. Barack, Zim. Chron. 4, 231, 6 (schwäb., M. 16. Jh.): Was ich hab usserlesen, 兩 Das liept aim andern auch, 兩 Sie war mein buol und ich ir gauch. Primisser, Suchenwirt 31, 185 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Jm liept daz genesch fÈr ritterschafft. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 128, 3 (oobd., 1349/50): Diu wild gaiz ist gar ain weis tier, dem liebent hoˆch perge. Klein, Oswald 68, 23 (oobd., 1417): Für all diss werlt liept mir dein er 兩 und wil der vil bas wesen undertan. Rudolf, H. v. Langenstein. Erch. 12, 4 (moobd., 1393): ez ist chain tegleich svnd, oder sy werd todleich, wenn si dem menschen mit gewonhait liebt. Ebd. 38, 74: Der psalm ist mir vngesmach ze lesen, daz peten liebt nicht. Turmair 1, 430, 11 (Augsb. 1517): iam faxo scies ,wil dir thuen was dir liebt‘, dii faxint ,got gebs‘. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 587, 5 (München 1586): Deins nechsten Weib solst nit begern, 兩 Sein Gut laß dir nit lieben. Winter, Nöst. Weist. 1, 1008, 10 (moobd., 17. Jh.): dero weegen diß orths auch fehrner mit nothwendigen beambten versehen, die gott liebende gerechtigkeit administriret. − Mayer, Folz. Meisterl. 7, 19; Sachs 17, 278, 21; 20, 290, 3; Reichmann, Dietrich. Schrr. 143, 11; Bell, G. Hager 32, 3, 18; 465, 1, 6; 476, 1, 14; Chron. Strassb. 118, 28; Kurrelmeyer, Dt. Bibel 5, 8, 9; Fuchs, Murner. Geuchmat 1619 f.; Haszler, Kiechels Reisen 318, 27; Primisser, a. a. O. 1, 158; 22, 125; Spechtler, Mönch v. Salzb. 33, 92; Klein, a. a. O. 71, 12; 115, 82; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 117, 26; 138, 7.

2. ›jm. belieben, jm. gefallen, etwas zu tun, Gefallen an etw. finden‹, von Machtbefugten (oft von Gott) gesagt; auch: ›etw. wollen, planen‹; im Unterschied zu 1 mit stärkerer Betonung der Handlungsabsicht. − Phras.: so es dir (ge)liebt. − Synt.: got etw. l.; jn. (z. B. got) lieben, zu [...].

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lieben

Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 548, 17 (rib., 1454): Hedden uire liefden dairenbinnen gelieft, darbizoschicken, so weulde ich gerne darbij sijn komen. Bobertag, Schwänke 317, 26 (Frankf. 1563): in ansähung deines allhie einsamen, armutsäligen läbens, [...], so dirs liebt, begib dich [...]. Sermon Thauleri 11vb, 13 (Leipzig 1498): es mag nymmer ßo klein leide˜ auff dich gefallen got hab es vor ewiglich an gesehenn vn˜ das geliebet vnd das gemeinet. Bachmann, Morgant 117, 6 (halem., 1530): das der Krysten got der almechtig oberst got were, [...], und gantz güettig ist und erbermklich, das in geliept hat den friden zemachen zwu˘schend den zwey besten rittern in aller Kristenheyt.

3. ›sich jm. angenehm, beliebt machen‹; mit negativer Wertung: ›sich (bei jm.) einschmeicheln‹; auch: ›jm. / sich jn. / etw. angenehm, gefällig machen‹. − Im mittleren Frnhd. auslaufend; oft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: beglimpfen 1, behagen 1, benedeien 3; 4, loben 1, rümen, schönen, vereren. − Synt.: der hund, die minne sich l., die vögel sich jm. l., j. sich jm. l., z. B. j. sich dem abgot, got, dem könige, den engeln / menschen / leuten, der lieben frauen, der diete l., j. sich der welt l., j. sich e. S. (z. B. der minne) l., j. sich zu jm. (z. B. zu Neronem) l.; nicht reflexiv: j. got (Dat.), einem menschen l., j. jm. etw. l., etw. (z. B. arme / lefzen) jn. jm. l., j. js. namen l. ›angenehm machen‹. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 66, 3 (preuß., M. 14. Jh.): wer do gedenket des wyrouchs, der ist als der sich lyebet [worms. Proph. 1527: rÈmet; Dietenberger 1534: verehret; Eck 1537: benedeit; Luther 1545: lobet] deme abgote. H¸bner, Buch Daniel 3474 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Die [crone] Got den gelobet hat 兩 Swelch im lieben mit der tat. Palm, Veter Buoch 16, 26 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): da von wirt der man tugenhaft vnd liebet sich den engelen vnd gote. Stackmann u. a., Frauenlob 8, 14, 10 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): Solt er davon nicht riche sin 兩 [...] 兩 und lieben sich dem künig Constantin. Bihlmeyer, Seuse 120, 19 (alem., 14. Jh.): herr, nu han ich alle min tag dinen wirdigen namen geeret und vil wit und breit mengem menschen geliept. Ebd. 456, 1: du´ sÈsse minne vahet an underwilen mit leide und wirt aber lieb und liebet sich zuo o arme] allen ziten. Ebd. 550, 24: si [bleiche lefzen, blutige liebent dich mir minnenclich und eignent mich dir gentzlich. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 401, 5 (els., 1362): Hie v zuo Nerone geliebet. zwischent hette sich Symon der zoberer Bobertag, Schwänke 29, 5 (Straßb. 1522): wan sie lieben sich wie ein hund der heffen bricht. Rieder, St. Georg. Pred. 182, 1 (Hs. 2önalem., 13879): dar nach beginnet er es in ze liebenn und raitzet su´ uff daz sunder ding. Vetter, Schw. zu Töß 111, 15 (Hs. 15. Jh.): so was sy doch noch fil edler von manigfaltigen tugenten, mit den sy sich liebt Got und den

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lu´tten. Österley, Steinhöwels Äsop 53, 2 (Ulm 1474/ 82): so schmukt er [hund] synen schwancz, und kryset uff der erden wider zuo dir und liebet sich. Primisser, Suchenwirt 13, 51 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Er was, der sich der mynne 兩 Chund lieben mit gelimpfe. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 4401; Quint, Eckharts Pred. 2, 290, 8; v. Groote, Muskatblut 33, 37; Bihlmeyer, a. a. O. 422, 12; Kurz, Murner. Luth. Narr 1247; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 281, 21; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 133, 13; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 223.

4. ›jm. liebevoll, nachgiebig, schonend entgegenkommen‹. Leisi, Thurg. UB 6, 858, 34 (Konstanz, 1333): wÁre, daz lantgebreste von hagel wurde, so sont si u´ns liben an dem vorgenanten zins.

5. ›jm. lieb, wert, teuer sein, Ziel von js. Zuneigung, Liebe sein, jm. gefallen‹; meist in der Richtung vom Mann (als dem Liebenden) auf die Frau gesehen, oft mit erotischer Komponente. − Bdv.: wolgefallen. Ggs.: 1leiden (V.) 1. − Synt. (prototypisch): j. (z. B. das weib) jm. (dem Mann) l., j. js. sinne / gier, inniglich, ob allen ›mehr als alle‹, für die ganze welt l., j. jm. zu einem manne l. Luther. Hl. Schrifft. Sir. 7, 28 (Wittenb. 1545): HAstu ein Weib / das dir liebet / So las dich nicht von jr wenden. Bergmann, Ambr. Liederb. 179, 24 (Frankf. 1582): der mir liebt, den las ich mir nicht leiden. Pyritz, Minneburg 4708 (nobd., Hs. um 1400): Wie kan sie halt derweren mir, 兩 Sie lieb dem sin und miner gir 兩 Immer, immer von tag zu tagen? v. Groote, Muskatblut 37, 69 (nobd., 1. H. 15. Jh.): mir liebt ein knabe, ist freüden rich 兩 in mynes hertzen grunde. Fastnachtsp. 634, 5 (nobd., 15. Jh.): Sie liept mir für har auß raifen [zu raufen] 兩 Und liept mir für die haut ab straifen. Ebd. 1404, 13: Er liebt mir sicherlich allein 兩 Fur alles das auf erden mag geleben. Tittmann, Schausp. 16. Jh. Ayrer. Phaenicia 195, 230 (Nürnb. 1618): sie [jungfrau] mir auch liebt für die ganz welt. Goldammer, Paracelsus 7, 172, 22 (1530): und hat ein andere gesehen, die ihm geliebt hat, so hat er sie auch zur ehe genomben. Adrian, Saelden Hort 1695 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): din liep, daz liep, ain kindellin 兩 sol lieben dir. Barack, Zim. Chron. 4, 221, 27 (schwäb., M. 16. Jh.): Ir [Fraw] liept mir ob allen, 兩 Die weibs nammen gewunnen. Klein, Oswald 26, 100 (oobd., 1427): we¨r ich ain weib, umb alles güt 兩 so möcht er mir nicht lieben. Ebd. 74, 10 (v. 1408?): Ach raines töckel, traute, schöne tocke, 兩 du liebst mir mit dem zipfel an dem rocke. Leidinger, A. v. Regensb. 595, 32 (oobd., um 1430): Welcher ir liebät zu einem mann, das sy den näm, und doch ein sölichen, der das könikreich auszerichten wirdig wär. − Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 54, 7; Bergmann, a. a. O. 18, 34; 180, 7; 182, 5; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 49, 3; Goedeke u. a., Liederb. 25, 5; Sachs 16, 414, 6;

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lieben

Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 45, 35; Wiessner, Wittenw. Ring 1552; Klein, a. a. O. 87, 34.

6. ›etw. (das in der Regel positiv oder negativ bewertet wird) lieben, mögen; sich e. S. mit überduchschnittlicher bis existentieller Intensität widmen, zu etw. stehen‹; mit Tendenz zu: ›etw. anpreisen‹. − Oft Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: gefallen 6. Ggs.: hassen 1; 2, 1leiden (V.) 2; 3. − Synt.: den fras ›Gefräßigkeit‹, die einigkeit / gerechtigkeit (mehrfach) / keuschheit / reue / sasse ›den Müßiggang‹ / sünde, die zunftliche regierung, das vaterland / sakrament, gottes wort, das böse / laster l., eine kunst, kinderdinge, die seiten (eines Instrumentes) l.; der die einsamkeit liebende stand, die geliebte kürze. Wbg.: 2liebern ›etw. höher veranschlagen, als es in der göttlichen Ordnung ist‹ (dazu Ggs.: leidern). Helm, H. v. Hesler. Apok. 2039 (nrddt., 14. Jh.): Man sal di ruwe lieben, 兩 Daz Gotes wort in schieben 兩 Den harten, die vorsteinet sint. Quint, Eckharts Pred. 388, 91 (E. 13./A. 14. Jh.): Liebest du die gerechtigkeit / nach dem sy gerechtigkeit ist in dyr oder über dich / so (l)iebest du die gerechtig(k)eitt nicht als sy ann jr selber ist [...] / Aber du nemmest sy geteiltt. Rosenthal. Bedencken 8, 3 (Köln 1653): Nun aber [...] haben die jenigen Gottes Lieb nit / welche die Eynigkeit der Kirchen nit lieben. Gropper. Gegenw. 18v, 5 (Köln 1556): das Sacrament aber seins Leibs o / [...] solt / sonder heiliglich gelibt / angericht vnd vnd Bluts gnossen werden. H¸bner, Buch Daniel 8191 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Beten, wachen ist zu swer 兩 Den, die die zwei [vras, saze] hie lieben. Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 9, 37 (Zwickau um 1540): das der Jugnt solch irthumb offenbart 兩 In ursach geb gots wort dest mehr zu liebn. Ingen, Zesen. Ged. 389, 6 (Breslau 1641): MEin liebster Opitius rÈhrte die Seiten / 兩 Die jederman liebte. M. Cunitia. Ur. Prop. 147, 34 (Öls 1650): als in meinem einsamkeit liebendÚ und Èbendem Stande / [...] nutzbares zu wirken. D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 25, 30 (Frankf./M. 1626): Wie wider dein Gesetz / [...] / 兩 Jch stets die Laster liebt. Pyritz, Minneburg 4102 (nobd., Hs. um 1400): Waz ir hut liebt, daz leit ir morn. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 10, 72, 19 (Straßb. 1466): ir do habt in haß das guto vnd liebt das bËse. Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 6, 78, 5 (Straßb. 1520): das wir lieber ein menschen erkennen für ein oberkeit den got dar zuo sag ich das wir das weder zuo lieberen noch zuo leideren haben / sunder so es got also verordenet hatt. Goldammer, Paracelsus 3, 282, 10 (1530/5): daß wir die bilder nit ehren, fuhren, nehren die sich an gottes statt setzen, malen gott ein rock an, den er nie geliebt hat [Anspielung auf den päpstlichen Ornat?]. Chron. Augsb. 9, 87, 11 (schwäb., 1544/5): domit die gemaine zunftliche regierung, [...], für andren [...] regimenten

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geliept und gelopt werden sollte. Rudolf, H. v. Langenstein. Erch. 24, 10 (moobd., 1393): wann dy¨ sÈnt dem tewfel besunder geuelt vnd liebt zu des menschen vnhail. − M. Cunitia. a. a. O. 177, 17; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 178; 181; Mannack, Rist. Pers. 121, 15; v. Keller, Ayrer. Dramen 2130, 3.

7. ›etw. (Geschäftliches, Rechtsrelevantes) akzeptieren; jn. als etw. anerkennen‹. − Bdv.: verjaworten. v. Bunge, Livl. UB 817, 41 (nrddt., 1412): Das liebeten die boten und riten als am Sonnabende nest dirgangen von hinnen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 6654 (Magdeb. 1608): Es wollen auch die FÈrsten Sieben / 兩 Jhn als jhres Reichß KËnig lieben. Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 102 (schles. inseldt., 1455): als das dy¨ erber leute han gemacht das wil ich liben vnd czu steen. Ebd. 170: sy haben Hannus Welczels eewirty¨nne cley¨der geschaczt vor czw marg vnd vor IIII groschen, vnd dy entschechtunge hot Hannus Welczel gelipt vnd vory¨owart.

8. ›jn. lieben, gerne haben, mögen; jm. mit der moralisch und / oder religiös gebotenen Zuneigung begegnen und ihn entsprechend behandeln‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: vgl. 1leiden (V., unr. abl.) 4. Ggs.: durchächten, hassen 1. − Synt., teils absolut gebraucht: j., die sele (Subj.) l.; mit dem herzen / gemüt l.; prototypisch: j. jn. l., z. B. j. den feind / nächsten, der könig Daniel, die mutter den erben l., der affe ein kind vor dem anderen l.; der bote geliebt werden, dichter geliebt werden wollen. Luther, WA 10, 1, 2, 393, 36 (1522): so ich meinen nechsten liebe, so helffe ich im, bschütze in. Ebd. 16, 22, 32 (1524): und Pharao Tochter wird offt mit ime [Moises] gespielet, in getentzelt, auch seer geliebet haben. Ebd. 17, 2, 149, 9 (1525): Hie [im ampt] heysst es lieben und nicht geniessen, und doch nicht lassen verdriessen. Ebd. 21, 308, 2 (1544): so man, die da sÈndigen [...] mit stilschweigen stercken solt zum bËsen, das were nicht geliebt. Peil, Rollenhagen. Froschm. 515, 280 (Magdeb. 1608): Den [Erben] Jch / sein Mutter / das elend Weib / 兩 Mehr liebten / denn das Hertz im Leib. Kurz, Waldis. Esopus 2, 16, 3 (Frankf. 1557): wenn die Aff gebert 兩 Bey paren, sie jr Kinder nert, 兩 Der thut sie eins vorm andern lieben. H¸bner, Buch Daniel 5073 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Der kunic begonde in [Danyel] 兩 Lieben vor den andern vil. Sermon Thauleri 4vb, 8 (Leipzig 1498): Sal sy [sele] liebe˜ das thut sie mit dem willen. Logau. Abdank. 169, 15 (Liegnitz 1651): Sonst giengen die Boten deß FRJEDENS daselbst jmmer auß und ein / Assen und Truncken / das ist / worden geliebt geehrt und befËdert. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 180 (Nürnb. 1517): Niemant mag zweien herrn dienen: antweder wirdet er einen hassen und den andern lieben. Gold-

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lieber

ammer, Paracelsus 2, 52, 8 (1531/4): folgt also ein ordnung der gaben eines ieglichen gegen dem nechsten. dann der den nechsten liebet, der liebet auch gott. Dict. Germ.-Gall.Lat. 306, 22 (Genf 1636): Lieben / lieb haben / eine Neigung zu einem haben. Wolf, Norm im sp. Ma. 60, 74 (oobd., 1486): yr sult lieben eur veint vnd sult pitten fÈr dy, die euch durchechten. − Luther, WA 10, 1, 2, 376, 31; Pfefferl, Weigel. Ges. 5, 16; Schorer, Sprachposaun 51, 12; Maaler 271v. − Vgl. ferner s. v. anschieben 2.

9. ›jn. erotisch lieben, eine Zuneigung zu einer Person des anderen Geschlechtes haben‹, mit etwa gleicher Häufigkeit auf den Mann wie auf die Frau als Liebende bezogen. − Bdv.: vgl. bulen 2. − Synt.: mehrfach absolut (ohne Obj.): inniglich / heimlich / stil / unerlich / unsinnig / verderblich l.; prototypisch: j. jn. l., z. B. die frau den bulen l., die magd die töchter l., als ob [...]; das zuckersüsse lieben (subst.). Luther, WA 32, 382, 32 (1530/32): Du Richter solt [...] straffen und ein jglicher sein gemalh haben und lieben. Ingen, Zesen. Ros. 80, 12 (Hamb. 1646): laß uns lieben / ehe wier 兩 ganz vergrÁusen. Ebd. 91, 22: daß ich sie liebe / welches doch auch nicht meine / sondern ihrer schËnheit schuld ist. v. Keller, Amadis 402, 11 (Frankf. 1561): vnd hat jn [Ritter] so inbrünsliglich lieb, daß vnmüglich, daß sie jn höher lieben köndt. Opitz. Poeterey 49, 13 (Breslau 1624): Liebe nun wer nur zue lieben 兩 Rechten fug vnd mittel hat. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 128 (Nürnb. 1517): Das alles ist fürwar fast beschwerlich, bis so lang der geliebet sein handt heimlich einlest und das schwechst an der breut leib berürt. Panzer, Merlin Füetrers 215, 1 (moobd., 1473/8): Des dy geliebtdenn [›die Liebenden‹] v kund. Fuchs, Murner. Geuchpflagen, 兩 ist mir vil lutzel o triebt, 兩 mat 1672 (Basel 1519): Ein yede frouw irn bulen Ob sy jn schon recht wider liebt. Barack, Zim. Chron. 2, 433, 12 (schwäb., M. 16. Jh.): Die [dienstmagdt] hat die jungen döchter geliept, [...] auch alle geperden [...], als ob sie ain mannlichen affect het, gebraucht. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 126, 2586; Ingen, a. a. O. 70, 33; 78, 7; v. Birken. Erzh. Österreich 83, 24; v. Keller, Ayrer. Dramen 2796, 31; Maaler 165v.

10. ›(Gott oder eine gottnahe Person: Maria) mit religiöser Inbrunst, mit der Aussicht auf Behütung, aufgrund gängiger Moralvorschriften, aufgrund des Glaubens lieben, verehren‹; auch absolut gebraucht, teils in Verbindung mit eren, 1glauben (V.) 1, loben 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: auch mit Gen. d. P. Luther, WA 10, 2, 497, 11 (1522): dich [got], es gee uns wol oder ubel, zcu loben, zcu lieben, unnd zcu eren. Ebd. 10,

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3, 101, 11 (1522): daß ein solch Hertz GOtt und Christum lieben mÈsse. Ebd 11, 249, 20 f. (1523): wer mehr glewbt unnd liebt, der ist volkomen. Dubizmay, kurß zu Teutze 18, 16 (hess., 1463): SAncta Maria [...] deyn geret meyn hertz zu lieben [...] das du meyn voittin seyst vor dem teuffel. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 117 (Nürnb. 1517): Die breut des ersten grads lieben und werden geliebt, nemen aber nit sunderliche zeichen der lieb. Reichmann, Dietrich. Schrr. 250, 21 (Nürnb. 1548): Gott will barmhertzig sein in das tausent geschlecht / denen / so jn lieben. Roloff, Brant. Tsp. 655 (Straßb. 1554): sie [frawen] liebten Gott den Herren 兩 Lebten in tugendt zucht und eren. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 5, 7 ([Augsb.] 1548): da in der Herr fragt / Petre amas me, Petre / liebest du mich? Hˆver, Bonaventura. Itin. 2, 587 (moobd., 1450/60): Wellicher [...] Jhesum mit liebender andacht ansicht auff gehenckten am kreu´cz. − v. Keller, Ayrer. Dramen 2129, 10, Trunz, Meyfart. Tub. Nov. 84, 6. − Vgl. ferner s. v. arbeiter 1, arm (Adj.) 1.

11. ›jn. (auch: die welt) lieben‹, von Gott als dem Liebenden / Erlösenden gesagt; schwache Belegung. Luther, WA 10, 2, 497, 30 (1522): unser got und Vatter, der uns geliebt hat. Anderson u. a., Flugschrr. 5, 2, 3 ([Zwickau] 1524): Das ist mein gebot / dz jr ein ander lieb habt / wie ich eüch geliebt hab. Bell, G. Hager 75, 3, 17 (nobd., 1594): also hat got glibt die welt, 兩 das [...]. v. Keller, Ayrer. Dramen 2131, 20 (Nürnb. 1610/8): Gott ist ein keuscher treuer Gott, 兩 Libt all, die jhn lieb haben.

lieber, Adv. (1), Interj. (2). 1. ›lieber, eher das Eine als das genannte oder vorausgesetzte Andere‹; vgl. lieb (Adj.) 1. − Phras.: lieber sterben, dan [...]; lieber beim teufel wonen, dan [...]; lieber wäre ich nie geboren. − Bdv.: ehe, mer. − Synt.: lieber etw. geben / wagen / tun / wollen, dan / den [...] / als [...], ehe [...], lieber etw. sein (z. B. tot) / werden, als [...]. Peil, Rollenhagen. Froschm. 581, 2388 (Magdeb. 1608): Es wer auch rathsam / nÈtz vnd gut / 兩 Das man lieber Geld geb denn Blut. Quint, Eckharts Pred. 290, 11 (E. 13./A. 14. Jh.): ich entrüege daz bœse kleit lieber dan dehein ander kleit. Chron. Kˆln 1, 1021 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): ire alre hertze dachte al ein, 兩 dat sij lieuer alda sturuen 兩 dan [...]. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 141, 10 (rhfrk., um 1435): Darvmb wil ich mich viel liebir wappenen / vnd wil mit myner glenen zü yme in den plane ryden. Froning, Alsf. Passionssp. 4875 (ohess., 1501 ff.): ich wolde lieber uber hundert myle gan, 兩 dan das ich dyt vornumen han! Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 254b, 38 (Frankf./M. 1649): diß die wir viel lieber vnsere˜ Eyffer raum geben / alß vnsers Gesetzgebers Christi Gebott folgen wollen. Henschel u. a., Heidin 1822

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lieberman − liebhaben

(nobd., um 1300): Lieber wer ich nie geborn. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 252 (Nürnb. 1517): das wir lieber wölten ze nicht werden dann leben. Franck, Decl. 346, 5 (Nürnb. 1531): das schier gar kein mensch ist / der nicht o lieber ein buler [...] wËl genant werden / dann ein volle ku.o v. Keller, Ayrer. Dramen 3004, 4 (Nürnb. 1610/8): Ich wolt warlich lieber sein todt, 兩 Als mit eim solchen Mann behencken. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 141, 2 ([Augsb.] 1548): so solt der Man / die Kinder / das Gesinde / unnd gantze Nachbaurschafft / lieber beim Teüfel wonen / dann bey ainem solchen Weibe. − Lemmer, Schernb. Frau Jutte 903; v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 22, 1; Vetter, Pred. Taulers 59, 12; Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 392, 11. − Vgl. ferner s. v. absein 1, annemen 16, auch 7.

schen gutt vors gelieferte blutt im leibe. − Stedtfeld, RogerGlosse 84. 2

liebern, s. lieben 6.

liebesarm, liebeschmerz, liebesfalke, liebeskraft, liebeskus, s. liebe 9. liebespfeil, s. liebe 10. liebessache, s. liebe 9. liebesstrafe, s. liebe 11. liebestreiche, s. liebe 4. liebezeichen, s. liebe 11.

2. dient der Redeeröffnung bzw. dem Fortgang des Gespräches, dann: ›nun, ach, und, mit Verlaub, quaeso‹.

liebezorn, liebgefallen, s. liebe 1.

Luther. Hl. Schrifft. 1. Mose 12, 13 (Wittenb. 1545): Lieber [Mentel 1466: ich bit dich; ähnlich Eck und Dietenberger] so sage doch / Du seist meine Schwester. Ders., WA 48, 179, 4 (1547): LJeber, Wer gleubet doch das, das vnser Gebet so angeneme sey? Sachs 13, 202, 26 (Nürnb. 1556): Ey, lieber, der narr ist abentewrisch, 兩 Ist gar einfeltig und sehr beurisch. v. Keller, Ayrer. Dramen 2368, 21 (Nürnb. 1610/18): M. Simon sagt: So seit jhr Mahler? Ey lieber, lieber! Maaler 272r (Zürich 1561): Lieber ist es ein wunder? Jn spottsweyß. Mirum uero`? Lieber ja / Á ja hinder sich / Spottwort. [...]. Lieber ja / als ob er nitt dainnen seye / Á ja / Áben ja. Eia uero` quasi von sit intus. Lieber meine / ich bitt dich darumb / Ein wort lieb zekosen oder zeermanen. Sodes. Lieber sag wilt du Ácht. Dic Sodes. [...]. Lieber meine sag mir / ist ers? Jch bitt dich darumb / ist ers? Obsecro an is est? Ukena, Luz. Sp. 658 (halem., 1575): Lieber was manglet an Jesu Christ 兩 Der o durch v¨ch zum Tod kon ist. − Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn 337, 23; Tittmann, Schausp. 16. Jh. Ayr. 164, 1360.

liebgenies, s. liebe 4.

lieberman, s. lieb (Adj.) 3. liebergöttig, s. lieb (Adj. 4). 1

liebern, V.; zu mhd. liberen ›gerinnen‹ (Lexer 1, 1896). ›gerinnen, steif werden (vom Blut)‹. − Bdv.: beliebern, berinnen (V., unr., abl.) 3, coagulieren, gerinnen, grieseln, 2kallen; vgl. 2lippen. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 17561 (preuß., um 1330/40): daz bluˆt im uˆ dem lıˆbe twanc, 兩 daz iz uˆ den wundin dranc 兩 bıˆ stuckin, want iz itzunt was 兩 gelibbrit. Luther, WA 50, 526, 34 (1539): das [Bezug auf blut wurst] ist nicht allein dünne blut, sonndern auch gelievert. J. W. von Cube. Hortus 114, 22 (Mainz 1485): Wenn das blut am lybe gelibbert were von slegen. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 74, 30 (osächs., 1570/7): Dis ist auch einem men-

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liebgeld, s. lieb (Adj.) 2. liebgezal, s. liebzälig 1. liebhaben, V. 1. ›sich zu etw. (positiv oder negativ Bewertetem) hingezogen, von etw. angezogen fühlen, e. S. (einer Tugend, einem Laster) zuneigen‹; vgl. lieb (Adj.) 1; 5, lieben 6. − Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: etw. (z. B. den frieden, die ere / kirche / finstere nacht / ritterschaft / tugend / welt, das geld / haus / hausgeräte / recht / unrechte / liecht / leben / wildbrät, die winkel) l.; der finstere (Gen.obj.) l. Wbg.: liebhabung 1. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 3750 (preuß., 1331): Er [Judas] was ein dieb 兩 Und hatte vil winkel lieb. Luther, WA 9, 602, 31 (1521): wer die erhe oder das geldt lib gat, der [...]. Ebd. 10, 1, 2, 361, 11 (1526): das ein weib [...] das hauß und hausgeräth, vich und anders liebe habe. Ebd. 52, 304, 6 (1544): Wer nun die Christliche Kirch lieb hat unnd gern jhr wolfart sÁhe, der [...]. Buch Weinsb. 5, 492, 27 (rib., 2. H. 16. Jh.): Hab leiff, was nit mag vergain, 兩 So sal din hertz in freuden stain. Wyss, Limb. Chron. 44, 18 (mfrk., Hs. 2. H. 16. Jh.): darzu hatte he [herzog] ritterschaf lip unde schonete darane keine koste. Eggers, Psalter 20, 18 (thür., 1378): der aber daz vnrechte lip hat, der hassit sine sele. Schˆnbach, Adt. Pred. 6, 36 (osächs., 1. H. 14. Jh.): si [werld] wiset dir maniger hande zirait, durch daz tu sie lieb habest und vorgezzest der libe dines schepheres. Reichert, Gesamtausl. Messe 27, 22 (Nürnb. um 1480): Dar bey sollen wir lernen und die tugent der keuscheyt lieb zu haben. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 432, 17 (Straßb. o 1466): der so wil liebhaben das leben: vnd gesechen die guten tag: der tzwing sein zungen von dem vbelen. Haas u. a., Eras-

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liebhaben

mus/Jud. Klag 6v, 8 (Zürich 1521): kunst macht ein menschen / liebhabung vnd durchgründung der wyßheit macht meer dann menschen. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 134, 31 ([Augsb.] 1548): wann er [Got] uns ain frummen Herren gibt / der Frid und Recht lieb hat. − Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 31, 18; Gille u. a., M. Beheim 81, 223; Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 38, 11; Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 4, 40; Sappler, H. Kaufringer 14, 150. − Vgl. ferner s. v. 1an 16.

2. ›jn. (auch: Tiere) lieb haben; jn. lieben; jn. hoch achten, hoch schätzen; jn. im Sinne des Caritas- oder des unio-Gedankens der Mystik liebevoll behandeln, Sorge für jn. tragen‹; vgl. lieben 8. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: die mutter (Subj.) l. (absolut); etw. (Akk.obj.: ein Tier, z. B. den wind, pferde) / jn. (z. B. die menschen, den bösen / nächsten / feind, das kind) l., jn. mit dienst, zu hofe l., die laus den betler, das tier die jungen l. Luther, WA 12, 465, 34 (1523): nun fort soll ewer leben dahin gerichtet sein, das ir ander lewt lieb habt und dienet. Ebd. 16, 494, 35 (1525): wenn zween einander lieb haben, acht sich ein yglicher nicht hËher denn der ander. Ebd. 24, 409, 27 (1527): NatÈrlich ists, das ein vater sein kind, das weib den man lieb hat und frËlich sey, wens yhm wol gehet. Ebd. 33, 40, 20 (1530): Sie haben Gott lieb nicht anders denn, wie die Leuse den Betteler lieb haben. Quint, Eckharts Pred. 1, 79, 7 (E. 13./A. 14. Jh.): Du solt alle menschen dir gelich liebhaben und gelich achten. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 127, 21 (rhfrk., um 1435): Der selbe Abrye von Mondidyre / der hat eynen wint erzogen den hat er gar liep. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 5, 43 (osächs., 1343): gesprochen ist: habe lıˆb [Luther 1545: lieben] dıˆnen neˆhstin und hazze dıˆnen vıˆent. Abir ich sage uˆch: habit lıˆb uˆwere vıˆende. v. Tscharner, Md. Marco Polo 7, 25 (osächs., 2. H. 14. Jh.): do werdin si [pfert] vorkouft und sint lib gehat. v. Keller, Ayrer. Dramen 3401, 6 (nobd., um 1600): Es wern Verdiende leudt darauß, 兩 Die man Zu hoff am liebsten hat. Ruh, Bonaventura o durch betrachttung 357, 16 (orhein., um 1480): so mustu, des bildes vnd glichniß der götlichen majestet in allen mönschen, sy also mit inniger begirde siner minsamkeit liep han vnd vnder in allen besunder die durfftigen vnd krancken mönschen sorg o liep hat tragen vnd haben, [...], glich alß ein getruwe mutter o Gilman, Agricola. vnd sorgt fir iren aller liebsten sun. Sprichw. 1, 72, 29 (Hagenau 1534): Wer sein kind lieb hat / der sparet der ruthen nicht. Ebd. 491, 18: Si hatt yhn lieb / ja auff der seitten da die tasche hangt. Ebd. 2, 207, 4 ([Augsb.] 1548): Ain frumb man hat ain andern lieb 兩 So liebet ain dieb den andern dieb. Warnock, Pred. Paulis 6, 134 (önalem., 1490/4): Aristotiles sprach: ,Omne animal diligit etc., ain jegklich ding, daz ha´t lieb sin gelich‘. − Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 20400; Quint, a. a. O.

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1, 37, 8; Feudel, Evangelistar 67, 7; Roloff, Brant. Tsp. 709; Sappler, H. Kaufringer 24, 101. − Vgl. ferner s. v. angeboren.

3. ›jn. lieben, eine erotische, tendenziell: eine sexuelle Beziehung zu jm. haben‹; vgl. lieb (Adj.) 6, lieben 9. − Wbg.: liebhabenlich ›liebreizend‹, liebhabung 2. Luther, WA 9, 542, 14 (1521): wenn es keme, das zcweie zcu eynander lib hetten. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 3, 88b (mnl./Köln um 1490): eyne eerlike vrouwe is leefhebbelick, eerwerdich unde begherlyck. Wyss, Limb. Chron. 26, 1 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh., Hs. 17./ 18. Jh.): darnach hatte der selbe konig ander wibe liver dan si. Voc. inc. teut. p ir (Speyer um 1483/4): Liebhabu˜g Adamatio [...] Dilectio. Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. 82, 20 (Hs. 2pfälz., M. 16. Jh.9): mit der [schöne] du hast 兩 mich hart und vast 兩 lieb habenlich besessen. v. Tscharner, Md. Marco Polo 61, 18 (osächs., 2. H. 14. Jh.): so ist eczliche husvrowe di do spricht, si habe yn allir libist gehat, di legit sich williclichin czu dem manne in das vugir. Fastnachtsp. 876, 8 (Straßb. o. J.): Mich dunckt, es thet mir gnienen so wee, 兩 Als sölt ich einen andern mann, 兩 Dann dich, min Uoly, lieben lan. Bachmann, Morgant 150, 35 (halem., 1530): Sy fuortend guot läben mit ein andren als zwey lieb habende. Fischer, Eunuchus d. Terenz 80, 19 (Ulm 1486): das drit haist suavium und ist der unkeüschen untzimlichen liebhabenden küssen. Klein, Oswald 69, 69 (oobd., 1417): got waiss wol, wie 兩 ich dich lieb hab. − Dasypodius 300v. − Vgl. ferner s. v. ausbrechen 13.

4. ›(Gott) lieben‹, in spiritueller Einheit mit hören / sehen / anbeten / fürchten / erkennen / loben / erwirdigen / höhen / verzeihen, wolsprechen ›alles Selbstbezügliche aufgeben‹ sowie (vereinzelt:) ›(Gott) in Erlösungssehnsucht achten, ehren, lobpreisen‹; vgl. lieben 10. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: minnen. − Synt. (abs.): hitziglich / volkommenlich l.; got (meist) / Christum / Jesum, den schöpfer, bräutgeben, den götlichen namen l., got geistlich, in seinem mute l.; der got liebhabende mensch. Luther, WA 8, 293, 24 (1521): alle, die Christum lieb haben. Helm, H. v. Hesler. Apok. 11130 (nrddt., 14. Jh.): Hete wir den Got nicht lieb 兩 Der uns nach im gebildet hat. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 6016 (rhfrk., um 1405): Sij [sele] gesehe und erkente nach geschichte 兩 Yren schepper und hette yn liep. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 16, 44 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): wie wir czu im [got] gen und in im pleiben, nicht mit den fußtriten des leibs, sunder mit der begerung der sele, nicht leiplich geent, sunder geistlich liebhabent. Und darumb wer volkomlicher und hycziglicher lieb hat, der laufft sneller und kompt pelder. Gille u. a., M. Beheim 75, 23 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Got uns darumb schaffen pegund,

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liebhabenlich − liebhaber

兩 das wir in hie erkanten und 兩 in lieb heten und lobten. Eichler, Ruusbr. steen 1198 (els., sp. 14. Jh.): der müß o got also liep han, daz er mit fry´gem mute vnd vmb die ere e gottes sich alles des verzihen mag, daz er vnordelichen vbet. Hˆver, Bonaventura. Itin. A, 157 (moobd., 2. H. 15. Jh.): das du in allen creaturen deinen got, sehest, hörest, khennest, lobest, anpettest, lyebhabest, fürchtest vnd czyrest, grozmachest vnd auch erwirdigest vnd höchest. Ebd. 557: dy [...] nicht wellent got in disen allen erkhennen, wolsprechhen vnd liebhaben, das ,sy vnentschulldigt seinn‘, wenn si nicht wellend v¨wergefüert werden ,von den vinnsternüssen in das v¨berwunnderleich lyecht gotes‘. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 185, 53 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Wir wissen, das den got liebhabunden menschen allew ding gedeichen zu güet. Bauer, Imitatio Haller 43, 19 (tir., 1466): als er denn selbs spricht: ,Wer [getreue sel] mich [preutgebe] ist lieb haben, der haltet auch mein re¨d. − Luther, WA 9, 602, 32; Gille u. a., a. a. O. 71, 145; 125, 7; Bauer, a. a. O. 102, 21. − Vgl. ferner s. v. 2anliegen 2.

5. ›(den / einen Menschen, auch: eine dem Menschen mögliche Qualität) lieben (von Gott als dem Liebenden gesagt)‹; vgl. lieben 11. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 61, 8 (preuß., M. 14. Jh.): ja byn ich eyn herre lyephabende [Luther 1545: lieben] daz gerichte und hassende den roub zu opphir. Grosse, Schwabensp. 41a, 23 (Hs. 2nd./md., um 14109): wir sollen mit o vrede vnde sune mid eyn ander lebon; wan werdichlich leben had vnser here vil liep. Roloff, Brant. Tsp. 144 (Straßb. 1554): Gott hat von ewigkeit mich [Tugent] eracht 兩 Und bei im gehaben lieb und wert. Warnock, Pred. Paulis 6, 137 (önalem., 1490/4): welcher mensch, der tugentrichlich lept und gerecht ist, der gelichet sich gott nach sinem vermugen, und o darumb so muss er von gott lieb gehept werden. Ebd. 139: Der herr ist gerecht und ha´t lieb die gerechtikait; und sin antlu´t sicht die gelichait (zum spirituellen Hintergrund s. gleichheit 7). Spechtler, Mönch v. Salzb. 1, 37 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): got hat dein [bezogen auf Maria] ainikhait 兩 lib für gemainikhait. − Warnock, a. a. O. 6, 131.

liebhabenlich, s. liebhaben 3. liebhaber, in 1 Beleg mit Uml.: -häber, der ; -s/-π. 1. ›Person, die sich zu einer (meist positiv, seltener negativ bewerteten) Sache / Handlung / Bezugsgröße hingezogen fühlt, Liebhaber, Gönner, Freund von etw.‹; auch: ›Kenner e. S.‹; die bevorzugten Zielbereiche des liebhabers sind moralische Werte, Tugenden, Wissenschaften, Künste (jeweils positiv), Gegenstände der Wissenschaft, Kenntnis (neutral), weltimmanente Haltungen und Ziele, Sünden; vgl. liebhaben

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1. − Bdv.: freund, minner. − Synt.: den liebhabern erscheinen; der l. des friedens / geldes / gesanges / getrankes / lustes / (gemeinen) nutzes / rechtes / reiches / vaterlandes / wortes, der erbarkeit / gerechtigkeit / musik / muttersprache / poesie / vernunft / warheit / weisheit / welt (mehrfach), der antiquitäten / bergwerke / eren / geschichten / (zeitlicher) güter / künste / kräuter, der neuen mären; der rechte l. Wbg.: liebhaberin 1. Luther, WA 17, 1, 227, 24 (1525): Weil nun unser [KurfÈrst / seliger ein sonderlicher Liebhaber des heiligen worts gewesen ist. Chron. Magdeb. 2, 136, 16 (nrddt., Hs. E. 16. Jh.): Herr Georgius Butze [...], welcher ein besonder Liebhaber des worts [...] was. Schein, NA 2/1 11b, 12 (Leipz. 1627): auf vieler Cantoren freundliches Zuschreiben / vn˜ der Music fautorn, Liebhaber vn˜ Liebhaberin / instendiges suchen. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 125 (schles., 1560): Der Fürst von Baiern auf Glatz sei bergverständig und ein Liebhaber der Bergwerke. Chron. N¸rnb. 3, 170, 7 (nobd., 1488): was Wenzeslaus gantz ungeleich dem vater, Carolo, unertig, ein liebhaber des lusts und floch aller arbeit. Wickram 4, 12, 9 (Straßb. 1556): sie was ein weib der ehren ein liebhaberin. Sappler, H. Kaufringer 19, 32 (schwäb., Hs. 1472): o ir liebhaber der welt, 兩 ir suocht das leben in dem lant, 兩 das des todes ist genannt. Heydn. maister 28r, 14 (Augsb. 1490): fleißlich wache˜ o die wir philosophos das ist liebhadie nature d‘ ding zuerjnnern ber d‘ weißeit nennen. Ebd. 19r, 22: wie sich einer verhÈten solt dz er nit würd ein liebhaber des getra˜ckes. Rauwolf. Raiß 9, 14 ([Lauingen] 1582): mit Jacobo Renaudo, einem Hocherfarnen Mann / vnd liebhaber der Kreutter / welcher [...]. Hˆver, Bonaventura. Itin. A, 26 (moobd., 2. H. 15. Jh.): wir süllen auch sein lyebhawer der weishayt, dye vns rüefftt. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 216, 30 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): der [cardinal] was ein prechenhaffter herr, sunder hochgelert und liebhaber der gerechtikait. Bauer, Zist.-Pred. Haller 40, 59 (tir., 1466): Kchristus der hat nur alain erschinen [...] den gueten getreuen menschen vnd nicht den [...] liebhabern der welt. − Luther, WA 30, 3, 473, 35; Stoltzius, Chym. Lustg. Dedic. 3; Opitz. Poeterey 33, 2; 57, 23; Harms u. a., Alberus. Fabeln 31, 15; Vetter, Pred. Taulers 258, 20; Roloff, Brant. Tsp. Widm. 51; Memminger Chron. Beschr. 1, 3; 28, 6; Voc. inc. teut. p ir; Maaler 272r; Rwb 8, 1311. − Vgl. ferner s. v. antiquität.

2. ›Person, die eine andere aus sozialer oder christlicher Motivation heraus schätzt, ehrt, achtet, Begünstigter, Freund, Helfer, Unterstützer, Förderer; Günstling‹ (letzteres unter kritischem Aspekt); vgl. liebhaben 2. − Wbg.: liebhaberin 2. Ziesemer, Proph. Cranc Jer. 30, 14 (preuß., M. 14. Jh.): alle dine [Jsrael, Juda] libhaber [Worms. Proph.

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liebhaberfasnacht − liebhabung

o 1527: guten günner] habin din vorgezzen und suchin dich nicht. Warnock, Pred. Paulis 13, 8 (önalem., 1490/4): Johanes Pauli [...] ain rechter liebhaber u´nser selen, ha´t uns disse materi also gebredget. Chron. Augsb. 5, 31, 29 (schwäb., 1523/7): [hertzog Ulrich] behielt nun 1 edelman bei im, der hies Hans von Hutten, der was sein liebhaber ainer. Ebd. 234, 16: doch so hett er [hertzog] ain liebhaber, der was ain Spaniol, [...], der regniert den hoff allen. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 73, 17 (oobd., 1349/50): als lang wert diu lieb gegen got und gegen den menschen, als lang daz wert daz man lieb haˆt, ez sei dann daz der liebhaber sein liep verlies. Nyberg, Birgittenkl. 2, 284, 11 (oobd., 1538/40): ein guter prediger vnd groser liebhaber vnd wolthatter des ordens. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 8, 25 (tir., 1464): Er [Jeronimus] ist ain liebhaber der prüeder.

3. ›liebende männliche Person, Liebhaber, Verlobter‹; vereinzelt mit positiver, mehrfach mit neutraler, oft mit negativer Konnotation; vgl. liebhaben 3. − Bdv.: buler ; vgl. amant, amase, amoureux, beigenosse, beischläfer, bule 1, buler, heirat (der) 4, 2leffel, lescheur. − Synt.: etw. (kleine afterbelle) einen l. bedeuten; der l. blind, mit fleischlicher l. befangen sein, die länge der zeit nicht vertragen; ein l. werden; dem l. behagen / genahen; mit einem l. handeln; der l. der frauen / huren / weiber ; der arme / heftige l.; die gegenwärtigkeit des liebhabers; das jungfräulein ane l. Wbg.: liebhaberfasnacht, liebhaberin 3 (dazu bdv.: vgl. beschliesserin, betgespiele, bule 2). Ingen, Zesen. Ros. 72, 13 (Hamb. 1646): daß ich eher ein Libhaber ward / eh ich verstund / was Libe war. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 2, 496, 20 (Frankf. 1602): alle die jenigen, so sie [jungfrau] in gegenwertigkeit ihres liebhabers gesehen. Neumann, Rothe. Keuschh. 1082 (thür., 1. H. 15. Jh.): di liebheber sint alle blint 兩 di mit fleislicher liebe befangen sint. Ebd. 4566: mit der hoffard, 兩 das si sich uss smocken zard 兩 unnd iren liebheber behage. Fastnachtsp. 632, 1 (nürnb., 15. Jh.): DI GROSZ LIEBHABERVASNACHT [es folgt das Fastnachtspiel]. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 10, 5, 3 (Straßb. 1466): Ich genachen meinen liebhabern [Luther 1545, Hos. 2, 5: bulen] die mir gebent mein brot. Bachmann, Haimonsk. 10, 1 (halem., 1530): des vyl frowen umm ire man ka˘mmend [...] und sovyl junckfröwlin on liebhaber. Maaler 272r (Zürich 1561): Ein hÁfftiger Liebhaber der weyberen. Barack, Zim. Chron. 4, 188, 14 (schwäb., M. 16. Jh.): der het sich in abwesen des bischofs zu seiner beschliesere oder liebhabere gelegt und het ir ein kindt bevolchen. Karnein, de amore dt. 185, 9 (moobd., v. 1440): Wär aber ain weib so geittig, das sy ir lieb vnd mynn durch gellt oder guet geben wolt, daz wär nit ain rechte liebhaberjnn. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 49, 6 (oobd., 1349/50): wem der afterpell pain klain sint, daz bedäut ainen liebhaber der frawen. − Ingen,

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a. a. O. 70, 25; Franck, Decl. 334, 29; Dasypodius 303r.

4. ›den christlichen Gott (meist: Christus) Liebender, Verehrender‹; vgl. liebhaben 4. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Wbg.: liebhaberin 4. Luther, WA 41, 134, 19 (1534): das sie [KlÈglinge] unter dem schein [...] des Euangelij und Christi freunde und liebhaber konnen Christum und seine Christen verfolgen. Gerhardt, Meister v. Prag 65, 15 (Hs. 2nobd., 14779): der gotes liebhaber ist vnd seinen willen tut den erhort er. Gille u. a., M. Beheim 125, 70 (nobd., 2. H. 15. Jh.): wir sollen wellen, das all dy 兩 menschen mit uns auff erden hie 兩 seien gotes liebhaber. Mayer, Folz. Meisterl. 11, 109 (nobd., v. 1496): Der heilig geist: ,die freye 兩 Hab ich gesucht und ir zu kunfft 兩 Mir außerwelet gare 兩 Zu eyner liphabrine 兩 Gespons, praut und gemael mir. Warnock, Pred. Paulis 3, 212 (önalem., 1490/4): wer es niemant gesin denn der minrich liebhaber des gecru´tzgoten Jhesu, der engelschlich doctor Sant Bonaventura, [...], wir söltind [...]. Bauer, Zist.-Pred. Haller 93, 231 (tir., 1466): die freud Kchristi, sy¨ sey¨ würchent oder leidleichen [...] oder si sey¨ des liebhabenten menschen oder des liebhabers. − Luther, WA 54, 262, 14; Warnock, a. a. O. 3, 283; Bauer, Imitatio Haller 45, 23; 91, 24; dies., Zist.-Pred. Haller 85, 126; Schmitt, Ordo rerum 125, 3.

5. ›Gott in seiner Seinsqualität als Liebender des Menschen und aller Werte‹; im Beleg Kurrelmeyer: ›eifernder Gott (des Alten Testamentes)‹; vgl. liebhaben 5. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 34, 27 (Hs. 2omd., 14659): aller reinigkeit liebhaber, hasser aller unfletigkeit; [...]; einiger, aus des anfang alle sach ewiglich nimmer weichen mag; alte warheit − erhöre mich! Mayer, Folz. Meisterl. 11, 59 (nobd., v. 1496): Hie gibet zu verstente 兩 Got vater wie 兩 Sie sey die unzuprochen 兩 Und keusch irem liphaber rein 兩 Sich ewig hat gezweiget. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 286, 11 Var. (Straßb. 1466): Wann ich bins der herr dein got starker recher (Var. 14752−1518: ein ewferender liebhaber): o die vngankeit der vetter in die su´ne. Warnock, heimsuchent Pred. Paulis 11, 19 f. (önalem., 1490/4): Der vil sälig [...] Sanctus Johannes ha´t sich selber [...] verainget in die liebe sins liebhabers [lat.: dilectoris] Jhesu. Spechtler, Mönch v. Salzb. 13, 1 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Des menschen liebhaber 兩 sand zu der maide her 兩 [...] 兩 nur ainen engel klar.

liebhaberfasnacht, s. liebhaber 3. liebhaberin 1; 2; 3; 4, s. liebhaber 1; 2; 3; 4. liebhabung, die. 1.; 2., s. liebhaben 1; 3.

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liebhalb − liebkosen

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3. ›das Lieben, die caritative, brüderliche, fürsorgliche Liebe zu e. P.‹; vgl. liebe 5, liebhaben 2.

2, klünzeln, liebern, liebkosen 2, liebreden. − Wbg.: liebkaller (dazu bdv.: hoflecker, schlauch, zutütler).

Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 427, 7 (Straßb. 1466): wie christus dy acht seligkeyt erzelet. Vnd darnach vil schËner lere. gepot vnd verbot tett. [...]. vom ayd. von gedult. vnd liebhabung der veynd. Roder, Hugs Vill. Chron. 117, 34 (önalem., o 1525): Wo ir das thund, beschiecht daran der will gottes in o herfillung sines gebotts von bruderlicher liebhabing. Hˆver, Bonaventura. Itin. B, 415 (moobd., 1450/60): ob du gesechen macht des begynne liepleich liebhabung mit begnadender liebe.

Sachs 20, 12, 21 (Nürnb. 1564): Also kan ich in auch in allen 兩 Auß falschem hertzen süß liebkallen. Österley, Steinhöwels Äsop 78, 26 (Ulm 1474/82): Er lert die nidern demütikait, sich allweg vor schmaichern und liebkallern hüten. Fischer, Eunuchus d. Terenz 45, 6 (Ulm 1486): o diser scen wirt Gnato in getzËgen der ain zututler was oder liebkaller. Ebd. 45, 17: Diser lieb kallender sitten die nun [...] in allem stät gaistlich und weltlich den fürgang hond. − Ebd. 86, 2.

4. ›das Lieben, die Liebe des Menschen zu Gott‹; vgl. liebhaben 4. − Bdv.: vgl. geminne, gierde 3.

liebkaller, s. liebkallen. liebkind, s. liebe 7. liebkosel, liebköseln, s. liebkosen 2. liebkosen, V. 1. ›jm. / e. S. liebevoll, freundlich entgegentreten, liebevoll mit jm. umgehen, zu jm. sprechen‹, auch: ›jm. schmeicheln‹. − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Wbg.: liebkosung 1 ›das Preisen, Lob‹.

Gille u. a., M. Beheim 125, 82 (nobd., 2. H. 15. Jh.): han ich mich pedaht diser liet, 兩 etwaz auss czu erreüten 兩 Und mit getihten czu erklern 兩 von der liephabung unsers hern. Ebd. 138, 49: dy selb liebhabung und 兩 der gut will allermerste, 兩 Den wir haben czu got dem frann. Ebd. 142, 98: so werden fürbaz mere 兩 All seine [des menschen] werk mit aine 兩 auss der liebhabung gacz gesacht. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 117, 17 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Noch es ist sich ze wundern, wenn, sam Reichardus spricht, „an allen zweifel, chain ding gevelt got als, sam die liebhabung der sel“. − Vgl. ferner s. v. behalten 4, inbrunst 2.

liebhalb, s. liebe 9. liebhart, der. ›Vertrauter, Nahestehender; Liebling; Günstling‹; vgl. lieb (Adj.) 2; 3. − Bdv.: vgl. bule 3, confident, 2gespan, geteling, günstling, liebhaber 2. − Synt.: den l. zälen ›verschonen‹ / henken; j. js. (auch: gottes) l. sein; seinem l. etw. (z. B. ein schlos) geben; der l. des gubernators / königs. Wbg.: liebhartin. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 2, 75 Anm. (whalem., 1484): Die herzogin mocht nit sovil an im haben, wie wol si sin liephartin miteinandern gewesen was. V. Anshelm. Berner Chron. 2, 268, 27 (halem., n. 1529): das ungwinglich gacht schloss zuo Meyland, [...] gab er in sinem liebhart, Bernhardin de Curt, welchen er uss nÈt vil gemacht hat. − Ebd. 1, 245, 7; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 223; Schweiz. Id. 2, 1644; 3, 991.

liebhartin, s. liebhart. liebheit, s. liebe 6. liebkallen, V. ›schönreden, schmeicheln, schleimen‹. − Bdv.: vgl. adulieren, aufheben 33, bestreicheln, blandieren, glattieren, hälen, heucheln, klemenzen

Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 66, 12 (preuß., M. 14. Jh.): uf den knien werden sy uch lyebekosen [Worms. Proph.: kurtzweilen; Froschauer 1530: werdend erfrËwet; Eck 1537: schmaichlen; Luther 1545: freundlich halten] rechte als eine mutir lyebekoset irem kynde. Ebd. Jer. 5, 31: dy propheten haben gewyssaget logene und di pristir haben gelibekoset [Eck 1537: klopften; Luther 1545: herrschen] darzu mit iren henden. Luther, WA 21, 527, 8 (1544): das er sich solche gute meinung kÈtzeln liesse, jm widerumb zu heucheln und liebkosen. Quint, Eckharts Pred. 34, 7 (E. 13./A. 14. Jh.): alsus liepkoˆset uns got, alsus vleˆhet uns got, und got enmac niht erbeiten, biz sich diu seˆle gesmucket und geschelet von der creˆatuˆre. v. Tscharner, Md. Marco Polo 34, 22 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Des suchin yn [man] sine mok unde vrunde glich eyner di do lyt in deme kindbette, unde libekosin mit ym unde vroygin sich mit ym. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 26, 9 (Hs. 2omd., 14659): Rhetorica, blüender grunt der liebkosung, hilfet da nicht mit iren blüenden und wol geferbten reden. Gille u. a., M. Beheim 15 Überschrift (nobd., 2. H. 15. Jh.): von der lieb kosung Sand Augustin (es folgt ein Gotteslob). Kurrelmeyer, Dt. o Bibel 3, 157, 20 (Straßb. 1466): sein sele was zugehaft mit ir: vnd er trost die trawrigen lieb kosende [Luther 1545, 1. Mose 34, 3: redete freundlich mit jr].

2. ›jm. / sich selbst schmeicheln, schönreden, schöntun, sich schönrednerisch bei jm. einschmeicheln, jm. nach dem Mund reden, sich anbiedern; mit betrügerischer Absicht seinen Vorteil suchen‹. − Phras.:

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liebkoser − liebkosung

ane liebkosen ›ohne zu schmeicheln‹. − Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv. (und Orientierungsfeld): s. u. Schˆpper, ferner: bescheissen 3, gleichsen 1, händschmieren, hinterreden, hofieren, kleispern, listen, triegen, zussern, fuchsschwänze verkaufen, (jm.) den fuchsschwanz streichen, die federn abklauben, spek durchs maul ziehen, das maul schmieren; vgl. liebkallen. Ggs.: drohen. − Synt.: etw. (Subj., z. B. der geiz, die zunge) l.; e. P. (z. B. dem babst, sich / im selbst) / e. S. (z. B. dem adel / volk, der welt) l.; mit jm. l. (z. B. mit herren / frauen), subst.: js. liebkosen verhüten, mit liebkosen reden, etw. ane liebkosen ausfüren / beschreiben, jn. durch liebkosen [wo] einflicken, jn. mit liebkosen von etw. weisen; das falsche liebkosen. Wbg.: liebkosel, liebköseln. Schˆpper 61a (Dortm. 1550): Adulari. Schmeicheln liebkosen ohrenkÈtzeln zu dÈtteln schmieren augendienen liebtraben kÈntzlen ohrenkrawen federklauben streicheln ¶ zÁrtlen lieblen heyen tÁntzlen auffheben ¶ heucheln gleißnen. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 28, 15 (Hs. 2omd., 14659): Triegen, listen, smeichen, spinnen, liebkosen, widerburren, lachen, weinen kan sie [weib] wol in einem augenblick; angeboren ist es sie. Ebd. 29, 22: On liebkosen mit kurzer rede: aller werlt aufhaltung, [...], sint die werden frauen! Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 2, 26 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): wenn wir uns also inwendig in unser aigen gewissen bekennen, wir wollen uns dann selbs liebkoßen. Fischer, Folz. Reimp. 25, 151 (Nürnb. 1479): [Geicz] Hendschmirt, libkost, dreugt arm und reich, 兩 Pleibt hie ungesettet ewicleich. Franck, Decl. 336, 16 (Nürnb. 1531): das wir das zussern / kleispern / liebkosen vnd schmaichlend federklauben o der schnËden huren verhÈtten. Bihlmeyer, Seuse 364, 28 (alem., 14. Jh.): des [gottes] minneklich zu´rnen besser ist, denn falsches liepkosen. Ruh, Bonaventura 358, 6 (orhein., um 1480): daz du niemer weder in wortten, wercken oder wissen etwaz vnwillens, [...] noch figenlichen gebrechttes, [...], hinderredens, ergerniß, liebkossen [...] durch dich andern ein vrsach sigest. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 9, 22 (Straßb. 1650): Es ist heucheley, es ist schmeichelei, Liebkosen, heimliche Boßheit. Ebd. 44, 22: bei den geringsten Handwercken, die alle sich in ihrem Wesen selbst schmeichlen vnd Liebkosen. Maaler 272r (Zürich 1561): Liebkosen / Eigentlich wie die hund mitt dem schwantz. Adulari. ZÁntzlen. [...]. Dem volck Liebkosen / zÁntzlen / vnd spÁckle durchs maul ziehen. [...]. Sich durch Liebkosen in einsi gmeinschafft eynflicken. Ebd.: Das LiebkËßlen. Assentatiuncula. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 306, 37 (Genf 1636): Liebkosen / denn Fuchßschwantz einem streichen / Schmeichlen. Ebd. 41: Das (liebkosen) n. FuchßschwÁntzerey. Ebd. 307, 1: Liebkosel / Flattner / FuchßschwÁntzer. − Pfefferl,

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Weigel. Gn. S. 134, 5; Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 203, 21; Wagner, a. a. O. 10, 39; Bihlmeyer, a. a. O. 461, 11; Ruh, a. a. O. 354, 30, Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 7, 9, 6; 9, 68, 32; Roloff, Brant. Tsp. 457; Adrian, Saelden Hort 2536; Chron. Augsb. 9, 42, 7; 84, 29; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 214, 16; Schmitt, Ordo rerum 687, 12; Schwartzenbach 74v; Ulner 253. − Vgl. ferner s. v. beissen 7.

liebkoser, der. ›Schönredner, Schmeichler, Person, die jm. zum eigenen Vorteil nach dem Munde redet und entsprechend handelt‹; zu liebkosen 2. − Bdv. s. u. Schˆpper und Rot; vgl. assenzial. − Wbg.: liebkoserin. Schˆpper 60b (Dortm. 1550): Adulator. Schmeichler liebkoser ohrenkÈtzler zu dÈttler suppen fresser ohrenmelcker ohrenkräwer wortschleiffer zungenträscher athem verkeuffer federklauber jaherr maulberer hollwanger zungentrager kautzenstreicher tellerschlecker bauchdiener fuchsschwäntzer augendiener. hypocrit heuchler gleißner. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 740, 30 (preuß., 1523): Wie manigfeltige gewaltige eingriffe den steten und gerichten wider alte herkomende gewonheit irer privilegien und gerechtigkeitten durch anleytung werntlicher rete und liebkosern geschen. Gille u. a., M. Beheim 443, 190 (nobd., 2. H. 15. Jh.): hut dich vor den lieb kasern, 兩 den man zu haf gar wal gehorcht. Hulsius P ijv (Nürnb. 1596): Schmeylerin / liebkoserin. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 61, 4 (schwäb., v. 1542): möchtest ach gedencken, ich were ain henselin, ain suppenesser oder liebkoser. Rot 287 (Augsb. 1571): Adulator, zuschmeichler / liebkoser / ohrnplaser / federklauber / hellstreicher / suppenfresser / Gnaden diener. Turmair 4, 433, 18 (moobd., 1522/33): Es ist gar kain belonung der ˆerberkait [...], nur aigennützig geltnarren und liebkoser sein überal die pesten. − Voc. inc. teut. p ir; Dasypodius 117v; Hulsius A ivv.

liebkoserin, s. liebkoser. liebkosung, die; -π/-en. 1., s. liebkosen 1. 2. ›Schmeichelei, eitle Selbstdarstellung, schönrednerische Selbsterhebung; Reden mit betrügerischer Absicht‹; als Metonymie: ›Bestechung, Bestechungsgeschenk‹; zu liebkosen 2. − Bdv.: vgl. augendienst, heuchelei 1, gleichsnerei, heuchlerei, pfauenstrich; zur Metonymie: vgl. liebnis 3. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 12, 44 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): Wann die werlt treibt und jagt den menschen czu [...] ergeytigen, gluckpern dingen als reichtum, er, liebkoßung, aygene lieb sein. Mayer, Folz. Meisterl. 9, 50 (nobd., v. 1496): Der das gespey 兩 Der libkosung 兩 Und spotters zung

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lieblächeln − lieblich

兩 Ym so lest pringen pey. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 77, 19 (Straßb. 1466): darnach vint er gnad bei im. merr denn der do betreugt durch die liebkosung der zungen [Luther 1545, Spr. 28, 23: der da heuchelt]. Maaler 272r (Zürich 1561): Liebkosung. Assentatio, Adulatio, Blandimentum. Vngeschickte Liebkosungen oder schmeichlungen / die weder form nach gestalt habend. Roth, E. v. Wildenberg 15, 33 (moobd., v. 1493): do er [Julius Cesar] kam in Allexandria, schickt im der konig von Egipten entgegen zuo liebkosung das haubt Pompeius und seinen harnasch. − Dasypodius 19r.

lieblächeln, lieblellen, liebleller, s. lieb (Adj.) 1. lieblich, Adj. 1. ›liebevoll, freundlich; jm. Liebe, Freundlichkeit, Zuneigung spendend und dadurch Behagen, Trost gewährleistend‹; das gesamte Spektrum von Liebe als der Existenzform Gottes (und diese auch in weltlichen Kontexten mitmeinend) bis hin zu erotischen, sozialen, rechtlichen Haltungen und Handlungen des Menschen umfassend; vereinzelt mit Tendenz zu ›falsch, Freundlichkeit vortäuschend, schmeichlerisch‹ gebraucht; vgl. lieb (Adj.) 1; 2; 6. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: brüderlich, freundlich (mehrfach), gespräche, gnadenreich, grüsbar, gütig 2; 4, holdselig, leutselig, minniglich, sanftmütig, schmeichlich, süs, tröstlich, wollüstig. Ggs.: freislich, neidig. − Synt.: j. (z. B. Jesus) / etw. (z. B. die beiwonung) l. sein; sich l. erzeigen, etw. (z. B. den wein) l. ansehen / geren, etw. l. tun, den gottesschein l. beschliessen, jn. l. aufnemen / anlachen / empfangen / erziehen / küssen / minnen / umfangen, von im ›sich‹ lassen, jm. l. zusprechen, den mund darbieten, l. bei jm. sitzen, mit jm. kosen / umgehen, miteinander vereinbart / verteidigt / vereint sein, miteinander leben, etw. l. mit jm. teilen, sich l. mit jm. vereinen; der liebliche blik / heiland / klos (ütr. für ›Mensch‹) / verkündiger, die liebliche geselschaft / predigt / sonne / vereinung, das liebliche angesicht, liebliche gebärden / worte. Wbg.: liebliche (bdv.: leutseligkeit, lieblichkeit 1, minne). Schˆpper 11b (Dortm. 1550): Comis. Lieblich freundtlich grÈßbar gespräch leutselig gÈtig. Luther, WA 1, 275, 16 (1518): wie gÈtlich und lieblich Christus mit den leuten gehan-

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delt hat. Ebd. 48, 135, 6 (1546): wo fur man yhnen halten sol, nemlich nicht fur einen Richter [...] Sondern fur einen lieblichen Heiland vnd trostli(ch)en freund. Ebd. Bibel 7, 32, 20 Marg. (1522): Guttickeyt ist die liebliche geselschafft vnternander vnd freuntlichs wesen. Grosse, Schwabensp. 153a, 39 (Hs. 2nd./md., um 14109): wir heyzen ouch daz mordere, swer mit deme anderen izzet vnde trinket vnde li epliche o Stackmann in grozet vnde sleit on ane sine schulde. u. a., Frauenlob 6, 10, 2 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): ich wunschte, swa zwei lieblich gern 兩 der minnen stern, 兩 ir beider herze offen wern. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 9, 10 (Hs. 2omd., 14659): Wie liebe sach ich mir, wann sie so züchtigliches ganges pflag und alle ere bedenken kunde, und sie menschliches geslechte da lieblich schaute. Ebd. 25, 40: der mensche ist [...] allein der lieblich kloß, dem geleich niemant dann got gewürken kan. Palm, Veter Buoch 20, 9 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): Der appet enpfienc sie gutlichen vnd liez sie liplichen von im. Franck, Decl. 345, 25 (Nürnb. 1531): seiteinmal er [der truncken] den wein mehr dann goldt acht / ya den lieblicher dan die Sonne ansihet. Reichmann, Dietrich. Schrr. 132, 35 (Nürnb. 1548): So wirdt ewer beywonung freuntlich vnd lieblich sein. Vetter, Pred. Taulers 100, 17 (els., E. 14. Jh.): Der nÈchterliche mensche der tuto sin werg lieplichen. Ebd. 372, 28 (1359): als die lipliche sunne hat ein stetes unzellich wu´rken und influs in das ertrich. Bihlmeyer, Seuse 14, 30 (alem., 14. Jh.): Wannen kumpt ellu´ zartheit, schonheit, herzlust und lieplichi? Dasypodius 373r (Straßb. 1536): Lieblich / schmeichlich. Koppitz, Trojanerkr. 15623 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Lipplichen er sy dicke 兩 Mitt mangem senften blike 兩 Herlichen anne sach. Stammler, Berner Weltger. 461 (ohalem., 1465): Denn wil min uatter tusent stund 兩 Lieplich küssen an sinen mund. UB Zug 2434, 9 (halem., 1399): Hand sie vor mihr geoffnet, daß sie do lieplich und eigenlich mit einanderen vereinbert und bericht sind, das [...]. Brandstetter, Wigoleis 228, 7 (Augsb. 1493): die mynnigklich larie dancket jm gar züchtigklich mit lieplichen worten. Spechtler, Mönch v. Salzb. 6, 11 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): du [gotes porte] bracht uns den waren gotesschein, 兩 den hat dein käwscher leib 兩 liebleich beslossen. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr. 85 (moobd., A. 15. Jh.): daz sie daz icht vnwirdichleich vnd neydichleich peyssen vnd fraisleich reissen, sunder liepleich vnd prüderleich straffen. Wolf, Norm im sp. Ma. 58, 70 (oobd., 1486): dy ministri sullen sy liebplich auf nemen vnd guetigklich. Bauer, Zist.-Pred. Haller 83, 86 (tir., 1466): O Jesu [...], du pist aller suess, du pist aller liepleichen, du pist gancz vnd gar wolustig allen den, die dich da lieb haben. − Luther, WA 10, 3, 239, 3; 244, 2; 48, 205, 5; Helm, H. v. Hesler. Apok. 18486; Quint, Eckharts Pred. 2, 387, 43 f.; Buch Weinsb. 1, 97, 29; Wunderlich, Fierrabr. 125, 16; Froning, Alsf. Passionssp. 6422; Mone, Adt. Schausp. 1, 2317; Pyritz, Minneburg 4037; Reichmann, a. a. O. 251, 22; Roloff, Brant. Tsp. 1923; V. Anshelm. Berner Chron. 5, 222, 28; Wyss, Luz. Ostersp. 2876; Sappler, H. Kaufringer 6, 195; 12, 224; 15, 33; 95; Chron. Augsb. 1, 64, 8;

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liebliche − lieblichkeit

Klein, Oswald 12, 83; 114, 11; Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4010, 9; Kummer, Erlauer Sp. 3, 1046. − Vgl. ferner s. v. angesicht 6, anheben 4, anlachen 1, arbeit 3, auftun 4.

2. ›beliebt‹. Chron. Kˆln 2, 581, 18 (Köln 1499): do versoinden si sich ind maechten sich overmitz ir gelt so liefelich, dat si der buschof wederumb zo sime hove lies komen.

3. ›den Sinnen, dem Empfinden, dem Urteil des Menschen angenehm wahrzunehmen, als angenehm aufzufassen, zu beurteilen‹; im einzelnen: a) ›dem Auge angenehm wahrzunehmen, schön‹. − Bdv.: angenem 2, annemlich 2, gleissecht, lustlich, schön, wunderlich. Ggs.: häslich 1. − Synt.: der liebliche augenblik / kupferstich / ort, das liebliche angesicht / knäblein / silbergeschir, die liebliche gestalt / sonne / stätte / ursacherin; von ansehen l. − b) ›angenehm zu hören, zu vernehmen, weich, wohlklingend‹. − Bdv.: angenem 2, hel 2, rein, sanft. − Synt.: die stimme l. werden; etw. (z. B. buchstaben) l. lauten / singen (mehrfach); der liebliche gesang (mehrfach), die liebliche aussprechung / melodie, das liebliche deutsch / gerausche. − c) ›angenehm im Geruch oder Geschmack, wohlschmeckend, wohlriechend, gut, fein‹. − Bdv.: anmütig 1, süs, wolgeschmak. Ggs.: bitter 1. − Synt.: l. schmecken / riechen; der wein, das kraut l. schmecken; obs, l. zu essen, wein, l. zu trinken, kräuter, l. zur speise; der liebliche geruch / geschmak, wein. − d) ›angenehm zu spüren, lau (vom Wind), warm (vom Sommer, von der Sonne); zart (von der Berührung)‹ (jeweils auf den Tastsinn beziehbar). − e) ›als tröstlich empfunden (hinsichlich Gottes); als unschätzbar zu betrachten (vom Frieden); spannend (von Geschichten)‹. − Bdv.: anmütig 1, belustigend; lustig; hübsch, schön. − Synt.: l. zu lesen; das liebliche gut / befinden (gottes), die liebliche behausung. Zu a): Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 49, 1 (Köln 1583): vns ist geboren heut, 兩 [...] 兩 Ein Kindlein so wuderlich, 兩 Von ansehn sehr liebelich, 兩 Jn seiner Menschheide. Hoffmeister, Kuffstein. Gef. A viijv, 2 (Leipzig 1625): grosse Straff vnd schmertzen / wegen dessen schËnen vnd lieblichen Vrsacherin / [...] gedÈltig zu leiden. − D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 3, 16; v. Keller, Amadis 378, 10; ders., Ayrer. Dramen 1313, 25; Th¸r. Chron. 6r, 12; Sermon Thauleri 11ra, 31; Gille u. a., M. Be-

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heim 70, 201; Rupprich, Dürer 2, 409, 35; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 480; Bihlmeyer, Seuse 103, 18. − Vgl. ferner s. v. 1abkeren 5, annemlich 2. − Zu b): Kohler, Ickelsamer. Gram. 30, 31 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): Buchstaben die [...] nit zu hart, sonder feyn lieblich vnd senfft lauten. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 108, 2 (Frankf./M. 1568): Mit gar lieblicher Melodey 兩 So pfeiffen wir hie alle drey. Opitz. Poeterey 29, 3 (Breslau 1624): Der klare brunnen quilt mitt lieblichem gerausche. Goldammer, Paracelsus 5, 179, 11 (1530): spotweis redt David zu den abtgottern, die auf erden so lieblich gesungen haben. − Opitz. a. a. O. 31, 24; Gille u. a., M. Beheim 161, 427; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 44; Trunz, Meyfart. Rhet. 59, 7; Schorer, Sprachposaun 51, 13. − Zu c): Peil, Rollenhagen. Froschm. 139, 2978 (Magdeb. 1608): Welchs Kreutlin jr so lieblich schmeckt / 兩 Das sie fÈr tod ernider lag. Maaler 272v (Zürich 1561): Lieblichen schmËcken vnd riechen / Ein lieblichen vnnd angenÁmen geschmack gÁben. Lauater. GespÁnste 18v, 24 (Zürich 1578): einer der das feber hat / trinckt ein liebliche˜ sÈssen wyn / der bedunckt jn bitterer dan˜ ein gall. − Ralegh. America 22, 44; Haszler, Kiechels Reisen 324, 19; 330, 15; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 11. − Vgl. ferner s. v. angelica, immenkraut. − Zu d): Schˆpper 75b (Dortm. 1550): Aura. Sanffte lufft lieblicher lustiger sÈsser windt. Luther, WA 4, 656, 13 (1517?): und scheint die Sonne lieblich. Maaler 272v (Zürich 1561): Lieblich / tugendtlich anrÈren / streichle˜. [...]. Lieblicher oder angenÁmer summer. − Zu e): Pfefferl, Weigel. Ges. 39, 1 (Hamb. 1646): daher wust Adam von keinem geseze, [...], vnd war nichts des Menschen, alß das lieblichste süße befinden, des einwonenden Gottes, aus Gnade, Friede, Ruhe, freüde, volle genüge in seinem Herzen. Logau. Abdank. 167, 6 (Liegnitz 1651): Der Zeitliche FRJEDE / ist ein liebliches und erfreuliches Gutt. Maaler 272v (Zürich 1561): Liebliche lustige erzellung. [...]. Liebliche schrifften oder Èbungen / die einen vast belustigend. Henisch 183 (Augsb. 1616): Kinder sind das lieblichste pfand vnd band der ehe. − v. Keller, Ayrer. Dramen 6, 4. − Vgl. ferner s. v. aufwachsen 1.

liebliche, s. lieblich 1. lieblichkeit, der ; -π/−. 1. ›Liebe, Freundlichkeit, Zuneigung (in der unter lieblich 1 angegebenen semantischen Weite); Liebesbezeugung‹; zu lieblich 1. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: liebe 1; 4; sänfte. Schˆpper 11b (Dortm. 1550): COMITAS. Lieblichkeit freundtlichkeit leutseligkeit gÈtigkeit. Ingen, Zesen. Ros. 82, 20 (Hamb. 1646): Du hast zu allerehrst den Adel der liebe verunehret / du hast seine frËliche liebligkeiten versÁuret. Ebd. 116, 4: Ich [...] wundsche / daß [...] die zubereitung unserer liebligkeiten nicht so harte schmerzen sein mËgen. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 2277 (rhfrk., um 1405): Dann liebe heldet die in lieplicheit 兩 Die die ander halden in

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lieblos − liebnis

snodikeit. Thiele, Minner. II, 12, 173 (Hs. 2ndalem./ sfrk., 1470/909): din liplichkeit uff allen orten secze, 兩 das er in keyner wise 兩 dins willens unnd dins gebets ye icht verlecze. Ebd. 30, 263 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): want scamde und sceimde hant dicke geleynt 兩 tÈschen leiven leiflicheit. Maaler 230v (Zürich 1561): HoldsÁligkeit / lieblichkeit / vnd gnadreiche zereden. − Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 311, 37; Maaler 272v.

2. ›angenehmes Aussehen; angenehmer Geschmack; angenehme Lautung (z. B. der Sprache)‹; vgl. lieblich 2. Ingen, Zesen. Ros. 88, 24 (Hamb. 1646): wie sehr mißbrauchet doch ein wohlgestaltes gesichte seiner liebligkeit. Perez, Dietzin 1 41, 5 (Frankf. 1626): Die Bienen oder Jmmen locken den Menschen mit der sÈß- vnd lieblichkeit deß Honigs an sich. Ebd. 321, 29: jÈngling / der solchen Wollust vnd Lieblichkeit des Weins nicht geachtet. Trunz, Meyfart. Rhet. 1, 63, 13 (Coburg 1634): Weil jhm [Redner] obliget erstlich zubeweisen [...]: Zum andern zubelustigen / vnd das ist die sÈsse Liebligkeit. Kohler, Ickelsamer. Gram. 34, 31 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): Vmb solcher grosser nutzbarkeit, vnnd seiner lieblichait wille, solten ye die teüschen jre sprach bas verstehn lerne¯. Ebd. 41, 21: dz die nachgende silben vm senftigkait vnd lieblichait des lauts wille auch aines der duplierten buchstabe¯ bedËrffe. − Gˆz. Leichabd. 273, 1; Opitz. Poeterey 16, 34.

lieblos, Adj. 1.; 2., s. liebe 1; 9. 3. ›ohne js. Liebe lebend, jeder Liebe eines anderen entbehrend, verlassen‹. − Bdv.: elend, trostlos. − Wbg.: lieblose ›Verlassenheit als Nicht-geliebt-werden des mystischen Menschen‹. Bihlmeyer, Seuse 10, 7 (alem., 14. Jh.): Dar umbe gie er ellend und lieblos und enzoh sich mit groser gezwungenheit. Ebd. 261, 21: Swenne du dich denne aller menschen liebes, nutzes und trostes verzihest, denn so vil es din bÁru´ notdurft ist: so verwiset din lieblosi alle, die mich do ze der stunde liessen. Ebd. 276, 7: kint mins, owe min kint, wie bin ich [Maria] nu so lieblos! Wie ist min herz so gar trostlos worden! − Bihlmeyer, a. a. O. 446, 1; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 222.

lieblose, s. lieblos 3. lieblüge, s. liebe 1. liebmal, s. liebe 9. liebmildreich, s. liebe 11. liebnis, das/die. − Nrddt. / md.; gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. 1. ›Freundschaftsgabe, freundschaftliches Geschenk; Ehrenbezeugung‹. −

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Phras.: zu liebnisse ›zuliebe‹. − Bdv.: gabe 1, geschenk 1; vgl. liebung 2, liebtat, schenkung. v. Bunge, Livl. UB 543, 32 (nrddt., 1406): und redt dozu das beste um unsern willen, das sie [Stadt Lübeck] uns in eime sulchen zu lipnisse werden, of das her Jacop sinen fromen domete schaffe. Toeppen, Ständetage Preußen 3, 67, 32 (preuß., 1448): do welde ewir gnode in nicht so vil zcu lipnicz thun, das [...]. Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 1, 298, 25 (rib., 1536): das dan s. churf. g. us dem ein liefnis dede, nit us plicht. Chron. Kˆln 3, 837, 11 (Köln 1499): die zokumst keiser Frederichs geschach niet sonder groisse treffeliche liefnis der stat van Coellen an den keiser. Buch Weinsb. 1, 138, 9 (rib., um 1560): und ist folgens noch fil und fil daruff ergangen, on das geschenk, schade und leifnis. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 268, 17 (thür., 1421): die keiserynne die hilt das reich mit dem ssone gar irbarlichen [...], die irbarn grossen herren unde fursten mit guticheit unde fruntschaft, die andern dornechst mit gabe unde lipnisse. v. Tscharner, Md. Marco Polo 23, 1 (osächs., 2. H. 14. Jh.): und alle dy Tartirn, [...], dy gebin ym [chaam] czu lipnisse groze gobe von golde [...]. − Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 2, 2, 106, 38; Struck, Cist. Marienst. 1140; Rwb 8, 1313.

2. ›Zuwendung, Vergütung, die über den Lohn oder eine ausgehandelte Abgabe hinausgeht‹; vgl. liebe 3; 5. − Bdv.: genies 2, pacht 1; 2, trankgeld, vorteil; vgl. lieb (das) 4, liebung 2. Helbig, Qu. Wirtsch. 1, 90, 6 (md., 1408): Welch smid seynen knechten sichilin gebit zcu lipnisse [...] der is vorfallen sechs pfund wachs. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 582, 43 (rib., 1681): sollen die gewohnlige pfacht jahrligs zahlen [...] und vor trugenweinkauf einmahl geben 30 rhlr. neben liebnus. Ermisch, Sächs. Bergr. 110, 13 (osächs., 1492): man soll hinfur kein liepnus auf zechen oder hutten nyemants geben. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 187, 1 (omd., 1554/1633): Lipnis oder tranckgelt giebet man alhier nicht ohne sonderliche zuelaßunge des bergkmeisters. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 168, 28 (schles., 1509): Es soll auch keinem arbeiter mehr lohnes gegeben werden, denn wie itzund bishero der gebrauch gewesen, [...] auch keinerlei libnis ohne zulassung des bergmeisters. Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 184, 36 (osächs., 1532): Der mollmeister lipnis halben sal es gehalten werden noch vormug der ordnung. − Hilliger, a. a. O. 544, 41; Froning, Alsf. Passionssp. 2, 63, 20; Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 254, 29; Rwb 8, 1314.

3. ›kleinere Gabe, Geschenk in Geld oder Naturalien, das man jm. des eigenen Vorteils willen zukommen läßt‹; mit Tendenz zu ›Bestechungsgeschenk‹. − Bdv.: fürdernis, gabe 2, geschenk 2, genies 2, genus 1; vgl. liebtat, liebkosung 2. − Synt.: l. nemen / unterlassen, jm. l. bieten; dem l. fluchen / folgen;

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liebpflegung − liebstöckel

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jn. durch l. verschonen, mit l. anreizen, etw. zu l. geben.

2. ›Liebe zwischen Mann und Frau, erotische Zuneigung‹; zu liebe 9.

Ziesemer, Proph. Cranc 262, 22 (preuß., M. 14. Jh.): alle habin sy [vurstin] gabe lieb und volgin liebnisse. Helbig. Qu. Wirtsch. 2, 40, 21 (md., 1379): tet ir daz nicht und meindit hirunder yemandis durch fruntschaft, gabe adir lipnizs willen zu vorschonen, so [...]. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 120, 26 (rib., 1421): were sache, dat einich meister dem anderen [...] einich liefnis boede of dede bieden, daromb sulchen kneicht of gesinde sime meistere afhendich gemacht wurde. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 313, 14 (mosfrk., 1509): auch sal kein kelner bi sinen plichten und geloebden, so ein iglicher unsem genedichten herrn gedaen haed, van pechten [...] huiseren aeder anderen guteren einich geschenk gaeb leibnis aeder genosse nemen und kein furtel broechen, das im zu nutz [...] reichen maech. Wolf, Rothe. Ratsged. F 560 (thür., 3. Dr. 14. Jh.): Nicht gabe nemen 兩 Die da mochten brengen daz schemen, 兩 Noch liepnisse. Ebd. B 363: Fluch auch lipnisse, 兩 Ringe nicht sere nach genisse! − Loesch, a. a. O. 2, 10, 8.

Wiessner, Wittenw. Ring 1680 (ohalem., 1400/08): Won die rehte liebeschaft 兩 Zwüschent zwaien hat ıre chraft. Ebd. 1793: Daz ich da her so mangen tag, 兩 Taugen liebschaft gen euch [puol] trag. Ebd. 3486: Von rehter liebschaft sich die leut 兩 Nemen schüllen, nit umb gelt.

liebpflegung, die. ›Liebe zwischen ehegenossen, braut und bräutigam als Entsprechung der Liebe zwischen Christus und der Seele‹; vgl. liebe 10; 11. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 120 (Nürnb. 1517): inmasen auch der nackent Christus sich nit mag verneinen den nackenden. Wiewol in abgestolner liebpflegung izuzeiten die hitzig erzeigung fürdringt, nichtsdestweniger haben dise ungezweifelt gewies, das sie zu vergleichung leiplicher reichtumb und wollust hundertseliglich nemen [...] das ewig leben.

liebrede, s. liebreden. liebreden, V. ›schmeicheln, schönreden‹. − Bdv.: vgl. liebkallen, liebkosen 2. − Wbg.: liebrede, liebreder. Luther WA 2, 64, 1 (1519): Das man liebgeredt und geschmeichelt hat. Schade, Sat. u. Pasqu. 1, 5, 164 (o O. o. J.): die orden des bettelstabs 兩 Heucheln schmeicheln und liebereden dem bapst, 兩 Daß sie durchs bapsts privilegien bleiben frei ungestraft. Voc. inc. teut. p ir (Speyer um 1483/4): Liebkoser Adulator [...] lieb reder. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 486, 6 (Nürnb. 1631): Acht kein Liebred noch schmeicheln, 兩 Auch kein Marter noch schmertz.

liebreder, s. liebreden. liebreich 1; 2; 3, s. liebe 1; 5; 11. liebsam, s. lieb (Adj.) 1. liebschaft, die. 1., s. liebe 1.

liebschlek, s. lieb (Adj.) 1. liebschwinderin, die. ›Nachtigall‹. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 221, 9 (oobd., 1349/50): dar umb haizt si [nahtigal] ze kriechischer spraˆch phylomena, daz ist soˆ vil gesprochen sam ain liebswinderinne, wan si swindet und nimt ab von rehter lieb irs gesanges unz in den toˆt.

liebsehen, s. lieb (Adj.) 4. liebsenend, s. liebe 9. liebspeise, liebsprecher, s. lieb (Adj.) 1. liebstöckel, der/das; aus lat. levisticum officinale; aufgrund etymologischer Undurchsichtligkeit hohe Schreib- und Formenvarianz, teils mit volksetymologischer Umdeutung: laub-, leb-, le-, leib-, lied- in Kombination mit -stein, -stek, -stich, -stok, -stöckel, -stuk, -stuckel. ›Liebstöckel, Badekraut‹, eine als Küchengewürz, als Wildköder sowie zu Heilzwecken verwendete Pflanze; vgl. Marzell 2, 1264 f. mit umfänglicher Dokumentation der Bezeichnungen und kulturgeschichtlicher Information. − Vielfach Pharmazeutische und medizinische Fachtexte. − Wbg.: liebstöckelblat, liebstöckelrörlein, liebstöckelsaft, liebstöckelsame, liebstöckelwasser, liestöckelwurz(el). Follan, Ortolf. Arzneib. 132, 13 (rib., 1398): mache er dyt plaster: nym leuestoc, [...], stoz se eyn wenich an waszere vnde leg se nederhalf dez nauels. Eckhardt, Ohess. Klöster 2, 447, 42 (hess., 1460): Contra strangwineam [...] Nempt dilßensamen, [...], lebestuckelsamen. Alberus CC ijv (Frankf. 1540): Angelica [...] Herculeum, deß heyligen geyst wurtz / brustwurtzel / wechst vff den bergen / Vnd ist der liebenstËckel schwester / vertreibt gifft. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 79, 16 (osächs., 1570/7): Ein andere vihearzney, [...] 2 lot. baldrain, 2 lot. meisterwurzel, 3 lot. liebstökkel. Ebd. 80, 23 (17. Jh.): Vor das vihe ein bewertes pulfer. Rp. [...] 2 lot baldrianwurzel, 2 lot libsteinwurzel, 6 lot lorbeern. Ebd. 229, 14 (E. 16./A. 17. Jh.): Wildpret an einem ort zusammen bringen. Gesamblet ein fessel voll menschenharn,

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liebstöckelblat − liebung

leim von backöfen, haringlack. liebstockelsaft, aspensaft. Ebd. 229, 26: Die pfädt und genge derselbigen refir, da das geschleck und sulzen hingeschlagen werden, sollen mit wasser, darein liebstöckel, hirschwurzel, birkenschos, haselnschos ingesotten worden. Keil, Peter v. Ulm 47 (nobd., 1453/4): Wiltu ein wunt-pflaster machen, Nim altes smer vnd meyen-schmaltz [...] vnd new wachs vnd lobstuckel vnd patonig. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 211v, 14 (Hs. 2nalem., um 14009): So du din antlit wellest schËn machen: Nim / eselmilch [...] vnd nim mornendes lubstikel wurcz. Ebd. 216v, 13: Nim ruten / vnd des venchels wurczen vnd lubstichels / bletter. Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 183 (1658): so soll man laubstickel rörlin nemmen und eim dardurch hinden in mund daz waßer blaßen. Haage, Hesel. Arzneib. 15v, 10 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Wiltu machen ein gutt wasser fur die gesbulst, so nym vollich plÈd [...], dar zu nim nachtschaden und fenchel und laub stuck. Eis u. a., G. v. Lebenstein 75, 14 (oobd., 15. Jh.): Lusteckwasser Ist guet fur die geschwulst. Deinhardt, Ross Artzney 222, 368 (oobd., 1598): Für die khelsucht Nimb ludtsteckhen, khraut vnd o wurzen. − Alberus DD IVv; Hajek, Gute spise 54; Ermisch u. a., a. a. O. 212, 10; 227, 11; Keil, a. a. O. 161; 205; S. 419; Broszinski, Minner. Chir. Parva 78v, 14; Bremer, Voc. opt. 50076; Voc. Ex quo, Index 459; Maaler 272v; 277r; Schweiz. Id. 10, 1664; Vorarlb. Wb. 2, 257.

liebstöckelblat, liebstöckelrörlein, liebstöckelsaft, liebstöckelsame, liebstöckelwasser, liebstöckelwurz(el), s. liebstöckel. liebtat, die. ›Geschenk, Liebesgabe‹, mit Tendenz zu: ›Bestechungsgeschenk‹; vgl. liebe 3. − Bdv.: vgl. gabe 1, liebnis 3. − Synt.: eine l. nemen, jm. eine l. beweisen / tun; etw. (einen handel) in l. anstehen lassen; die grosse / gefällige l. − Wbg.: liebtätig (hier Bezug auf liebe 1; 5; 10 möglich). Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 254, 2 (Bautzen 1567): So jemand bawt auff diesen grund, 兩 Jm lieb thetigen glauben, 兩 Den mag der feint zu keiner stund, 兩 Der seligkeit berauben. Ebd. 2, 549, 4 (1584): Jn allgemeinem glauben stetz, 兩 Gehorsamlich wilfaren, 兩 Vnd im liebtÁtigem gesetz, 兩 GËttliches wort bewaren. Lemmer, Brant. Narrensch. 104, 31 (Basel 1494): Daniel keyn liebdat nemen wolt. − Schweiz. Id. 13, 2028.

liebtätig, s. liebtat. liebte, der/die; −/-n, -π. ›der / die Liebende‹; zu lieben 9. Lappenberg, Fleming. Ged. 65, 268 (1631): Das ganz Hartenstein erschallt von dem Geschrei 兩 und jauchzet mitte

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drein: Glück zu, ihr Liebten zwei! Ebd. 66, 304: Geht, Liebte, geht nur fort 兩 und gebet gute Nacht! Schaer, Pyr.Thisbe-Sp. III, 202, 1196 (osächs., 1607): Ach, das zween Liebten auff Erden. 兩 Müssen so verfolget werden.

liebtraben, s. lieb (Adj.) 1. liebtrank 1; 2, s. liebe 9; 11. liebtrunk, s. liebe 9. liebung, die; -π/−. 1. ›Entgelt, Lohn, Bezahlung als angemessene Gegenleistung für erbrachte Mühen, Arbeit, Tätigkeit‹. − Nobd. − Bdv.: vgl. lon 1; 3; 5. Chron. N¸rnb. 2, 10 Anm. 7 (nobd., 1422): den czu a liebung, die ire hewser den wepnern gelihen heten. Ebd. 3, 275, Anm. 2 (1440/4): vier tentz, die man unserm herren künig hie oben hielt, mit weyn, obs, confect und liechten kost haben mitsampt der liebung, die man den geben hat, die des müe gehabt haben. Ebd. 393, 24: ded. 2 웩. hlr. n. unnsern püteln zu liebung von irer mue wegen. Loose, Tuchers Haushaltb. 155, 6 (nürnb., 1517): gab ich meinen schleiffern [...] auß einer sundern gunst, darumb das sie 3 tag [...] geeißt haben, czu einer liebung 2 웩. Sachs 21, 57, 9 (Nürnb. 1524): Darff man dann kain liebung nemen für müe unnd arbeyt, so man groß summa gelt außleicht, das der müe werd ist? − Chron. N¸rnb. 1, 466, 20; Lexer, Tucher. Baumeisterb. 123, 13.

2. ›über den jm. zustehenden Lohn, über das vertragsgemäße Leistungsentgelt hinausgehende Zuwendung, Geschenk, Trinkgeld‹; vgl. liebe 3; 5. − Nobd./oobd. − Bdv.: erung, gesuch 6, gewinnung 3, schankung, schenkung, aufwechsel, übermas; vgl. liebmas, liebnis 2. − Synt.: l. fordern / geben, jm. eine l. schaffen / tun, jm. l. schuldig sein; etw. zu l. nemen, jm. etw. zu(r) l. geben / lassen / schenken. Kˆbler, Ref. Nürnberg 287, 12 (Nürnb. 1484): ob der Crist von solchem gelihen gelt dem Juden icht gesuch. wechsell. gewynnung. oder liebung gebe˜ hett. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 244, 30 (nürnb., 1464/75): die [hausfrawe] im dann zu dem newen jar auch ettwas schencket als ein hemde oder dergleichen zu liebung. Ebd. 277, 18: als man den meistern bißher von irs meister rechten und dargelihen zeugs wegen schenckung oder liebung thun hat mussen, ist ein rat doran komen und gepeut ernstlich, das man denselben meister soliche schenckung oder liebung hinfur nit mer schuldig sein noch geben soll. Sachs 14, 166, 22 (Nürnb. 1551): Der kauffherr [...] spricht: Fraw, nembt zu liebung diesen ring. Winter, Nöst. Weist. 2, 1054, 2 (moobd., 1491): den lohn sollen geben die weinzirel und mein herrn nichts, dann si geben ein erung und ein liebung. Turmair 4, 836, 3 (moobd., 1522/ 33): Kaiser Severus und sein sun [...] schuefen den kriegsleuten

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liebvater − liecht

ein ˆerung und schankung oder liebung über den gemainen sold. − Rwb 8, 1315. − Vgl. ferner s. v. aufwechsel.

3. ›Sold (für Militärdienste)‹; Spezialisierung zu 1. − Nobd. − Bdv.: vgl. paga, 3 page, sold, stipendium. Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr. 74, 13 (o/nobd., 1377): 107 lb. 19 ß hlr. fur kost und in zÈ liebung und von iren pferden. Ebd. 174, 28 (1395): 186 lb. und 8 ½ ß hlr. kosten die 40 mit spiessen [...], den zug, dez man ubereyn ward, den man widerpot, daz man in ze liebung gab. Chron. N¸rnb. 1, 172, 26 (nobd., 1388): so hat man iedem spiez in di hant geschankt ze libÈng 10 guld. Ebd. 4, 17, Anm. 8 (1430): 50 guld., die Peter Volkmar dem Caspar von Waldenfels bezalet, die man im zu liebung in der vorgenanten teyding versprochen het. Ebd. 407, 8: 150 웩. n. demselben Tetzel zÈ liebung.

4.; 5.; 6, s. lieben 9; 10; 11. liebvater, s. lieb (Adj.) 3. liebwirdig, s. liebe 4. liebzälig, Adj. 1. ›beliebt, leutselig, gern gesehen‹; vgl. lieb (Adj.) 3, lieben 5. − Rib. − Bdv.: antunlich, ergezlich; leutselig. − Wbg.: liebgezal, liebzäligkeit ›Beliebtheit, Ansehen, Autorität‹. Klett, J. v. Soest 5, 837 (Hs. 2wmd., 1470/809): nu wass er eerst so lybgetzal 兩 geworden, so das alles, dass 兩 von hoffgesynd da geghen wass, 兩 betrubt worn. Ebd. 11, 904: als Venus hot myt krafft regyrt, 兩 so wurt das selbig kynt probyrt, 兩 das ess sol syn gantz lyb getzal 兩 und selbest lyben uber al. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 9268 (rib., 1444): As ich [Giricheit] wille, machen ich mich liebgetzale 兩 Ind ergetzlich altzo male. Chron. Kˆln 2, 490, 3 (Köln 1499): der selve burger hatte einen son [...] und was ein modich koen man, liefzalich van alre mallich. Buch Weinsb. 1, 176, 29 (rib., um 1560): globten im das in sin hant, dan er seir leibzellich bei innen war. Ebd. 2, 25, 27 (1553): Er [...] hat die meisten gnaden an sich, dan er war andoinlich, wolberedt, meissich, narhaftich, leibzellich. Ebd. 4, 26, 32 (1588): ihr oberster, [...], so die leste belegerung mit graff Carln Trucksess auch in der stat Bon gewesen, allen handel wiste, were der leibzellickeit und dapferkeit, das es nuhe nit geschein wurde bis zum utersten zu. Ebd. 5, 128, 16 (1578): Er [...] dede jedem vil guts, darumb er leibzelliger was, aber da er gestorben, war ein rait drie oder veirhondert daler an im zu achters. − Ebd. 1, 107, 26.

2. ›aus Wohltätigkeit, Barmherzigkeit gestiftet‹; vgl. liebe 1; 5. Siegel u. a., Salzb. Taid. 136, 32 (smoobd., 17. Jh.): hierdurch [...] auch den recht armen, alten, kranken [...] personen das liebseelige almusen entzogen [...] wird (hierher oder eigene Bildung: liebselig?).

liebzäligkeit, s. liebzälig 1. liebzorn, s. liebe 4.

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liechen, V.; unr., abl.; Form von mhd. luˆchen ›zupfen‹ (Lexer 1, 1974). ›etw. (Hanf) zupfen‹. − Wbg.: liecher. Bihlmeyer, Seuse 136, 14 (alem., 14. Jh.): das si mit den andren jungen swËstern waz us gegangen uf einen aker ire werk liechen. M¸ller, Grafsch. Hohenb. 1, 109, 31 (schwäb., 1392/3): ainem boten, lüff gen Oeningen [...] mit ainem brief von liechens wegen [...] 5 ß 2 h. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 21, 11 (schwäb., 1537): hanf und flachs, wa der geseet (were), ist man auch deß drittails warten und stellt das kloster den dritten liecher.

liecher, s. liechen. liecht, das; -es/-π, -e, -er. 1. ›Leuchte, Lampe; Licht der Lampe‹; als Metonymien: ›Lichtbehälter‹; (seltener:) ›Öl, Unschlitt (als Brennstoff)‹; halem. ist liecht vereinzelt im Zusammenhang mit feuer, herdstat belegt; offen zu 2. − Beleghäufung für Rechts- und Wirtschaftstexte sowie berichtende Texte. − Phras.: das ewige liecht (oft im Orientierungsfeld mit jarzeit, selgeräte); jm. (z. B. dem teufel) ein liecht anstekken ›auf jn. hereinfallen‹; jn. hinter das liecht füren; das liecht mit molden in den keller tragen ›Unsinniges tun‹. − Bdv.: ampel 1, kerze 1, laterne, leuchte 1, leuchter, luzerne; vgl. ampulle 2, glasfas, immerliecht, lampe. − Synt.: l. anblasen / machen / geben, ein l. anzünden / aushenken / halten ›unterhalten‹ / tragen, für das fenster henken, an die laterne setzen; das l. (Subj.) ausgehen, wo brennen, ein zeichen sein; bei l. dreschen, wo sitzen, mit / ane l. wo gehen, auf (›an‹) l. denken (z. B. bei Feuer), mit liechten leuchten / suchen; das l. des hohmeisters; das blosse / brennende / eiserne / gute / verdekte l.; die materie des liechtes; das grab, der himmel mit liechten, öl zu liechten. Wbg.: liecht (Adj.) 1, liechtarbeit ›Tätigkeit bei Lampenlicht‹, liechtekasten ›Kasten zur Lampenaufbewahrung‹, lichterform (wohl dasselbe wie liechtform; möglicherweise ›Form zum Lichtergießen‹, so Dwb 6, 883), liechterweihe, liechtfas (s. die Belege), liechtform ›Lampengehäuse‹, liechtfutter ›Schutzgehäuse für eine Lampe‹, liechtgarn ›Lampen-, Kerzendocht‹ (a. 1529), liechtgeld ›Geld für die Beleuchtung‹ (in verschiedenen Zusammenhän-

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liecht

gen; a. 1467 f.; Rwb 8, 1294), liechtglocke (a. 1457), liechthocke ›Verkäufer(in) von Unschlittlichtern‹ (a. 1472), liechtholz wohl ›harzhaltiges Holz für Kienspäne‹, liechtkämmerer ›für die Beleuchtung eines herzoglichen Haushalts Verantwortlicher‹ (a. 1396), liechtkelter wohl kontrahiert aus liechtgehälter ›Lichtbehälter‹, liechtkoche (Zuordnung des Gw unklar) wohl ›Lichtbehälter‹, liechtkolbe eine Art Laterne (bdv.: laterne), liechtleiher ›Person, die Lampen für verbotene abendliche Zusammenkünfte (nachtspiel, vgl. liechtstube) ausleiht‹, liechtöl, liechtpfennig ›Abgabe zur Unterhaltung des Kirchenlichtes‹ (um 1500), liechtpriester (abwertend), liechtputze, liechtputzer (bdv.: liechtschere), liechtquerdel ›Lampen-, Kerzendocht‹ (Gw zu mhd. que¨rder ; Lexer 2, 323), liechtrame ›Kerzengehäuse‹, liechtschein, liechtscherbe ›Lampe in Tiegelform‹, liechtschere, liechtschirm a) ›Lichtschere‹, b) ›Lichtkegel‹ oder ›Schutzschirm gegen Licht‹ (nicht entscheidbar), liechtschnupfe (Beleg s. v. abbreche 1), liechtschupos ›kleines / mittleres Bauerngut‹ (genaue Motivation des Bw unklar; a. 1353), liechtseil ›Lampe; Lampenseil, -aufhängung‹, liechtsorge ›aufmerksame Beobachtung der Leuchtgeräte‹ (a. 1642), liechtstab ›Fackel‹, liechtstal (a. 1437), liechtstar ›Leuchte‹, liechtstein ›Steinbehältnis für Licht‹, liechttegel ›kleines Handlicht‹ (zum Gw s. Schweiz. Id. 12, 1108), liechttiegel auch: ›Untersatz für eine Kerze oder Öllampe‹, liechtweihen. Schˆpper 81b (Dortm. 1550): Lucerna. Liechtstarr leuchter lucern latern leuchte. Helm, H. v. Hesler. Apok. 1667 (nrddt., 14. Jh.): Der luchter ist des liechtes stadel, 兩 Alz ist daz liecht des libes adel. Joachim, Marienb. Tresslerb. 63, 9 (preuß., 1399): 1 scot eyn lichtfuter zu beslon, do man licht uf deme wege inne furet zu der messen. Ebd. 497, 15 (1408): unsers homeysters lichte, das vor dem sacrario of dem huse bornet. Ziesemer, Marienb. Ämterb. 20, 25 (preuß., 1440): 1 scheffel senff, item eyn lichtforme, item 5 tonnen essig. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 344, 31 (preuß., 1420): das ir helffet czu dencken off lichte, wenn der kellermeister off desse czeit keyner lichte noch vnsslyt nicht mer enhabet. Bl¸mcke, Hans. Gesandtsch. 151, 9 (nrddt., 1603/05): vor 2 Lichttputzen ... 8 Sch. Ebd. 197, 2: vor Papier, Calendaria [...], lichtkochen, liehtputscher, lichtt 1 ½ Thlr. Luther, WA 11, 456, 21 (1523): ßo haben wyr doch

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yhe die rechte lauttere leer des Euangelii als eynen hellen liechtstar. Ebd. 32, 450, 23 (1532): So bald kan man ein glËslin finden, damit man dem Teuffel ein liecht anstecke. Ebd. 49, 751, 38 (1545): es stoßet die predigt auff ein hauffen altar, tempel, leuchter unnd liechtpriester und Leviten. Ders., WA Bibel 7, 216, 26 (1522): vnter wilchen [geschlecht] yhr scheynet, als eyn liechtstar, ynn der welt. Bl¸mcke, Hans. Gesandtsch. 197, 2 (nrddt., 1603/05): Vor Papier, Calendaria oder almanach, lichtkochen, lichtputscher, lichtt 1 ½ Thlr. Chron. Magdeb. 2, 152, 12 (nrddt., Hs. 1601): Diese selbigen haben [...] alle fahnenkasten und Lichtekasten umbgeworfen, zerstrewet. Schmitt, Ordo rerum 200, 25 (rib./nd., 2. Dr. 15. Jh.): Ligmen [...] tacht − lichtquerdel [...] zach ader dacht. Bergner, Urk. Kahla 93, 29 (thür., 1455): das ein iglicher gastgebe [...] schicke und mache in seinen stellen, darin man mit lichten pfleit zu gehin, gute iserne vordacte lichten. Ebd. 105, 27 (1474): So sollen [...] die meister der zweier handwerke zwei kerzen mit zweien lichten halden, got dem almechtigen und seiner wirdigen mutter Marien zu lobe. Voc. inc. teut. p, iv (Speyer um 1483/4): Liechtscherm Extinctoriu˜. liechtscher Emu˜nctoriu˜ Ca˜delariu˜. Lichtschirm wl. rundel Antipira. Ebd.: Liechtstab Facula. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 322, 38 (hess., 1478): so [bei fuer] sulde eyn iglicher, [...], eyn liecht in eyner luchten ußhencken. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 80, 6 (Frankf./M. 1568): SchËn Liechtkolben ich auch bereit / 兩 Bey Nacht / zu Gastung vnd Hochzeit. v. Tscharner, Md. Marco Polo 4, 10 (osächs., 2. H. 14. Jh.): das ole ist uneze, doch ist is gut czu bÈrnen [...] und gibt vil provincien licht des nachtis. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 153, 12 (nwböhm., 1575): Zu nachts mit lichten geleicht haben sie [Krebse] sich deßdo biß fangen laßen. Thiele, Chron. Stolle 505, 25 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): dy luthe in oren husern sossen by lechte dy gancze nacht. Weise. Jugend-Lust 112, 20 (Leipzig 1684): hat der Schiffer uns mit falschen Erzehlunge hinter das Licht gefÈhret? Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 53, 9 (nobd., 1390): daz ich [...] bescheide mit disem brief [...], zuo lob und zu eren dem almechtigen got, [...] an unser frawen capellen [...] ein ewig lyecht von gutem lutern lynËl. Hampe, Ged. v. Hausrat 1, 2, 9 (nürnb., n. 1480): Leüchter liecht scher vnd licht digel. Chron. N¸rnb. 5, 583, 6 (nobd., E. 15./A. 16. Jh.): man [...] machet einen weihkessel pei dem sagrer, pei des Deichßler liechtkelterlein. Rupprich, Dürer 1, 162, 49 (nobd., 1520): hab 4 stüber geben für kesselbraun und ein lichschärlein. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 5, 11 (nobd., n. 1525): demnach der cerimonien, des weichwassers, salzweyhen, liecht-, palm-, wurzweyhen und vil anders an vilen orten abgieng. Ebd. 12, 18: umb das er das weyhwasser, wurz, palm, salz, liechterweyhen und ander cerimonien abgestellt hatt. Vetter, Pred. Taulers 83, 1 (els., E. 14. Jh.): uf dem o die materie des liehtes, dis oley. Kurberge wesenlich so wuhs relmeyer, Dt. Bibel 3, 304, 9 (Straßb. 1466): manche .vij. liechtuaz [Var. 1470−14751 : lichtram; 14752−1490: latern; Luther 1545, 2. Mose 25, 37: Lampen] oder luczernen: vnd setz sy auff das kertzstal. Hampe, Ged. v. Hausrat 4, 6, 13 (Straßb. um 1514): Ein Liechterform

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mit allen ierm plunder. Dasypodius 373r (Straßb. 1536): Liechtarbeit der bauren. Rusticanæ lucubrationes. Schaer, Pyr.-Thisbe-Sp. II, 99, 362 (Basel 1616): [Wie sie] Woll ein Lucern vnd Liecht zugleich 兩 FÈrs fenster hencken zum warzeich. Bremer, Voc. opt. 12041 (halem., 1. H. 14. Jh.): Lampas liehtuas [...] amppel [...] liechthus [...] Lampas [...] Grece generaliter dicitur incendium Latine. Sed in proposito [...] est vas vitreum olei pro materia luminis contentivum. Et proprie lampas vt vult Hugwicio est vas uel flamma in vertice lucens. Ebd. 23029 (1. H. 14. Jh.): Antipira furschirm [...] liechtschirm [...] est instrumentum defensorium, quod locatur inter ignem et lumen ad oculos hominum, ne radii visuales per excellenciam luminis disgregentur. Ebd. 23033 (1328 ff.): Crucibulum tegel [...] liechtschein [...] liechtstain [...] liechtscherb [...] est vasculum unctuose materie luminis contentivum. Rennefahrt, Recht Laupen 202, 38 (halem., 1558): das in der kilchori Ferrenbalm, [...], sind 26 herdstet, da furi und liecht sind. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 24, 36 (halem., M. 16. Jh.): es sol ouch niemandtz, [...], das feur und liechter bi und in den hüsern, scheuren, spichern, städlen noch sust onbewart tragen. Jellinek, Friedr. v. Schwaben 1230 (schwäb., Hs. 1478): Er graif nach dem fw´rzu´g sein 兩 Unnd zundt an ain liechlin. Chron. Augsb. 1, 50 Anm. 1 (schwäb., zu 1376): 6 ß d. umb unslit und liechtstain do man uf dem hus waz und man den Zollner hauptot. Ebd. 2, 23, 34 (Hs. 16. Jh.): ob im hett man gemacht ain himl mit vil liechten, da prunnen wol fünfhundert kertzen. Haszler, Kiechels Reisen 314, 10 (schwäb., n. 1589): dann es zu nacht zimlich lüecht ist von den lampn. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 348, 19 (schwäb., 1580): soll auch niemandts bey der nacht über die gassen [...] mit blaussem liecht gon. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 520, 27 (schwäb., 1601, Hs. 1788): In den lichtkärzen solle keine unordnung mit ärgerlichem gespräch, [...] gestattet [...] werden. Steinberger u. a., Urk. Hochst. Eichst. 119 (noobd., 1314): Mit demselben gelte wil min vorgenanter herre, der bischof, ein ewigez liht stiften. Thiel u. a., Urk. Münchsm. 162, 14 (moobd., 1343): daz daz vorgenant gotzhaus [...] nemen sol zimmerholtz genÈg, liehtholtz, prÈgkholtz, [...], vnd zaÈnholtz. Auer, Stadtr. München Anh. [7], 97, 32 (moobd., n. 1347): Man sol under den chramen [...] chein fuir haben weder pei naht noch bei tag aˆn liehtstein. Dirr, Münchner Stadtr. 420, 23 (moobd., um 1365): Swer wagenlÁwt oder saemer herberget, der sol in mit Ènsliecht lÁwchten und mit chainem andern liecht. Fuchs, Kart. Aggsbach 165, 5 (moobd., 1399): ein ewig nachtlicht mit liechtËll vËr sand Dorothee alter. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 5, 6 (moobd., 1473/8): das ain vakkel auss ir hertzen ginge, 兩 die pran von liechten flammen. Winter, Nöst. Weist. 1, 826, 14 (moobd., 1515): alles nachtspil [...], und wer daran begriffen würd, [...], der ist umb 72 ∏, desgleichen der würfl- und liechtleicher ist iedlicher um 72 ∏. Qu. Brasso´ 5, 494, 24 (siebenb., 1614): 4 Flaschen, 4 Salzbixen, 4 Lichtert, 4 lichtscheren. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 347, 21; Peil, Rollenhagen. Froschm. 550, 1377; Fastnachtsp. 1216, 1; 1218, 27; Chron. N¸rnb. 2, 29, 10; Thiele, Minner. II, 13, 383; Kurrelmeyer,

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a. a. O. 3, 304, 11 Var.; Koppitz, Trojanerkr. 22845; UB ob der Enns 10, 240, 25; Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 299, 37; Rennefahrt, Recht Laupen 24, 22; ders., Statut. Saanen 152, 8; Boner, Urk. Brugg 369, 3; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 767, 11; Chron. Augsb. 1, 61, 29; Hauber, UB Heiligkr. 2, 287, 20; Gehring, a. a. O. 3, 118, 6; Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 1333, 2; 2, 3, 5436, 12; Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 134, 40; Moscouia C iiiv, 29; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 115, 13; Zingerle, Inventare 158, 1, 30; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 192; Bremer, a. a. O. 23031; Schmitt, a. a. O. 199, 23; Voc. inc. teut. p iv; West, Dasypodius. 1989, S. 335; Maaler 272v; Rwb 8, 1294; Schweiz. Id. 5, 1124; 7, 1304; 8, 1043; 11, 22; 12, 1107; Pf‰lz. Wb. 4, 97; 971; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 78. − Vgl. ferner s. v. abbreche 1, ablöschen 2, aufbören 2, ausgehen 27; auswelben, baumöl 1.

2. ›Kerze‹; meist angesprochen als Wirtschaftsgut, darunter als Abgabe, Stiftung in kirchlichen Zusammenhängen; in Vergleichen in bildhaften Bezug zur Liebe Gottes gesetzt. − Gewisse Beleghäufung für Rechts- und Wirtschaftsquellen. − Phras.: das liecht versäumen ›das an der Abbrennstrecke von Kerzen o. ä. gemessene Zeitlimit überschreiten‹. − Bdv.: kerze 1; vgl. 2 blas, golliecht, leuchte 1, tartis. − Synt.: das / ein l. anbrennen / ausrichten / brauchen / butzen / entzünden / stelen; die selmesse mit l. singen; das grosse / kleine l.; stapel / schok liecht(e); die enthaltung der liechte. Wbg.: liechtbotzen ›abgebrannter Kerzendocht‹ (a. 1635), liechtbutze(r) ›Lichtschere‹, liechtkerze (bdv.: vgl. liechtstul), liechtmacher (auch mit Uml.; bdv.: kerzenmacher), wohl eher ›Kerzen-‹ als ›Lampenhersteller‹ (a. 1399 ff.), liechtmacherin (a. 1399 ff.), liechtmeister ›für die Kerzen in der Kirche Zuständiger‹, liechtstul. Schˆpper 81b (Dortm. 1550): Lumen. Liecht kertz. Peil, Rollenhagen. Froschm. 559, 1671 (Magdeb. 1608): Wenn ers [Narr] Liecht putzt / die Becher schwengt / 兩 Vnd denn Bier oder Wein einschenckt. Schade, Sat. u. Pasqu. 1, 162, 296 (o. O. 1587): Sie [Feuerschlucker] saufen aus hantfaßen und auß schuen, 兩 Sie freßen glas zu einander, auch die Liecht. Joachim, Marienb. Tresslerb. 226, 25 (preuß., 1403): 8 sch. vor 2 stapil licht. Bergner, Urk. Kahla 105, 23 (thür., 1474): wan die meister ein licht eins fingers lang ufstecken werden. Ebd. 114, 14 (1492): Wert her aber uf eine namhaftige stunde zu komen vorheischt und verseumpt das licht uf die selptige stunde von wachse eins virtel einer ellen lang gemacht ufgebrant [...] bußt vi ∏. Ska´ la,

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Egerer Urgichtenb. 219, 1 (nwböhm., 1577): hab [...] gstoln, leinwandt, dan ein große bier Rindt fleiß [...], etzlich licht, dan flachs, dan deller [...]. haber er die schißel, licht, vnd etzlich deller thragen. Hertel, UB Magdeb. 3, 718, 43 (omd., 1503): Zu des beygrafft die grosszen licht gebraucht, sal ein pfund wachs, und wu die cleinen licht genutzt ader angebrant, ein halb pfund wachs zu enthaldung derselbigen lichte gegeben werden. Asmussen, Buch d. 7 Grade 1683 (nobd., Hs. A. 15. Jh.): als ain liht / ain kerzen, 兩 als enzunt in gaistlich herze 兩 und in iren sinne 兩 sein minne unser minne. Bremer, Voc. opt. 12046 (wschwäb., 15. Jh.): e Candelabrum kerstal 1 kertzstal [...] lıchst ulo [...] Candelabrum [...] est instrumentum, super quod pontitur candela ardens. Dasypodius 141r (Straßb. 1536): Emunctorium, Ein abbrech / liechtbutzer. Maaler 247r (Zürich 1561): Das KËlble am liechtbutzen / in gestalt eines schwum˜lins. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 41 (Genf 1636): Liechtbutze / f. Mouschettes, Emunctorium. UB ob der Enns 10, 53, 12 (moobd., 1381): so schol der pfarre ze Chirchdorf liechtmaister sehs stekchertzen zu dem jartag [...] leihen. − Ziesemer, Marienb. Ämterb. 96, 22; Bergner, a. a. O. 110, 19; Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 76, 20; Hˆr, Urk. St. Veit 71, 30; Rechn. Kronstadt 2, 166, 25; Apherdianus 96; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 78; Öst. Wb. 3, 683; − Vgl. ferner s. v. abbutzen 1.

3. ›Fensteröffnung; Licht, das durch die Fensteröffnung fällt; Lichtrecht‹; mit letzterem offen zu 5. − Obd.; gehäuft Rechtsund Wirtschaftsquellen. − Bdv.: fenster, gesicht 3; vgl. 2beie 1. − Synt.: l. haben, das l. verbauen, jm. das l. vermauern, unvermauert lassen; das l. auf jn., über die hofstat gehen; um l. klagen, etw. im l. verstängen / vernetzen; stürzel zu vier liechtern; das fenster mit einfallenden liechten. Chron. N¸rnb. 1, 375, 6 (nobd., 1420/41): da verkerten dy prediger sant Kathreyn closter den nunen ir regelen, und vermaurten sy in ire lieht und winden uberal und turren nimer flaisch essen. Kˆbler, Ref. Nürnberg 401, 20 (Nürnb. 1484): von trupfen vnd liechten. klaibung der nebenwende. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 704, 23 (halem., 1557): Erstlich sol ein stürtzel zuo 4 liechteren gelten − 2 웩. Bastian u. a., Regensb. UB 405, 11 (oobd., 1373): derselb schol noch enmag daz lyeht noch di venster dez ˆegenanten stainwerchs nicht verpawen. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4324, 25 (moobd., 1470): dass die dreu venster, die aus der egenanten Hirsvoglin haus in des bemelten Hannsen Stettner hof geen, mit invallunden liechten gemacht, auch verneczt und verstengt werden sullen. − Kˆbler, a. a. O. 417, 4; Lexer, Tucher. Baumeisterb. 280, 24; Auer, Stadtr. München Anh. [2], 23, 1, 4; 32, 23; 33, 28; 235, 47, 27; Welti, Urk. Rheinfelden 710, 255, 25; UB ob der Enns 9, 692, 11; Uhlirz, a. a. O. 2, 2, 2931, 20; 3066, 8; 2, 3, 4119, 32; Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 561, 3.

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4. ›Licht als Wesen, Seinsweise Gottes und gleichzeitig Gnadengabe an den Menschen; Ermöglichungsgrund religiöser Existenz des Menschen und damit zusammenhängender Qualitäten, u. a. religiöser Erkenntnisfähigkeit, Möglichkeit der Gottförmigkeit‹. − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion‘, oft der Mystik. − Bdv.: brunst 4, geist 3, glast 4, gnade 1, schein; vgl. 1lust 5. Ggs.: deusternis, finstere, finsternis. − Synt.: das l. sehen / senden / annemen / erlangen / empfangen / haben, got der sele das l. einpflanzen, jm. ein l. aufstecken ›gewähren‹; das l. (Subj.) gleichmachen / scheinen, jn. durchscheinen, im glauben entspringen, in der finsternis leuchten, geistlich sein, liecht und gnade einswesenlich sein; got, Cristus, der herre / vater das l. sein, Cristus das l. aller leuchten sein; j. des liechtes mangeln; im l. das leben sehen, jn. im l. erziehen, im l. gottes etw. erkennen, jn. mit dem l. füren, von l. finster werden, von dem l. zu der deusternis fallen, ob dem l. gnade sein; das l. gottes / Cristi, des evangeliums / glaubens / lebens, das l. der bekentnis / ewigkeit / glorie / gnade / warheit / welt; das ausleuchtende / einige / ewige / feurige / gnadenreiche / gotförmige / götliche / grundelose / helle / innerliche / klare / lautere / lebende / neue / übernatürliche / ungemischte / ungeschaffene / unsichtige l.; der blik (›Blitz‹), der got / vater, die ausfliessung / ausgiessung / völle des liechtes; l. ane anfang / ende, das l. zur erkentnis. Wbg.: liechtbäre, liechtbärend 1, liechtbringerin (Bezug auf Maria), liechtig ›lichtgestaltig‹, liechtigkeit, liechtscheinend, liechtstram ›Lichtstrahl‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 4747 (preuß., um 1330/40): In den zıˆten ouch geschach 兩 [...] 兩 daz der vurste lıˆchtbeˆre 兩 zu gote vil geweˆre 兩 [...] 兩 der marcgreˆve von Mıˆzin, 兩 [...] 兩 quam gevarn in Pruˆzinland. Luther, WA 10, 1, 1, 223, 12 ff. (1522): das wyr eben dasselb liecht, eben denselben gott, [...] [sehen] werden auff eyn ander weyße. Ebd. WA 10, 2, 469, 20 (1529): O herre fure uns mit deinem liecht. Ebd. 37, 61, 33 (1533): was ist Sonn und Mond und alles liecht [dies zu 6] gegen dis licht? Ebd. 49, 669, 24 f. (1545): Der herr des lichts geht auff, Christus, [...]. das das liecht inn die welt komen ist, und die Menschen haben die finsternis lieber denn das liecht. Ebd. 54, 47, 1 (1543): Der HERR wird dein Ewiges Liecht sein. Ders. Hl. Schrifft. Joh. 8, 12 (Wittenb. 1545): Jhesus [...] sprach / Jch bin

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das Liecht der Welt. Alberus, Barf. Vorr. Alb. 8, 25 (Wittenb., 1542): wenn jnen schËn das helle Liecht des Euangelij vnter die Augen scheinet. Pfefferl, Weigel. Ges. 4, 14 (Hamb. 1646): Allso ist Gott das wahre wesen Leben, vnd Licht ohne Anfang vnd ende. Ebd. 16, 6: Doher kombts das Creatur gutes vnd böses an ihr treget, das gutte von Gott, als Leben, Wesen, Licht, Geist. Ders., Weigel. Gn. S. 172, 24 (Magdeb. 1615): Jn deinem [Herr] Liecht sehe ich warlich das Liecht. Fischer, Brun v. Schoneb. 26, 23 (md., Hs. um 1400): der [Christ] sich wolt haissen stet 兩 den flins, daraus uns schrät 兩 unsers fewerleins liecht stram, 兩 davon uns der anfank / kam. Chron. Kˆln 2, 8v, 40 (Köln 1499): geuallen van dem hoghen in dat nidder. van dem Liecht zo der duysternisse [Kontext: Sündenfall]. Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 473 (pfälz., 1436): Die lichtickeit auch jn dem füre ist nicht wesenclich das füre. Eggers, Psalter 79, 12 (thür., 1378): by dir ist der born dez lebens, vn¯ in dime liechte sul wir sehen daz liecht. Strauch, Par. anime int. 45, 21 (thür., 14. Jh.): di gnade ist an der sele alse lichtikeit ist an eime iclichin dinge. ie daz dinc der lichtikeit me an ume hait, io iz me geborit wirdit fon der erdin zu deme himmele. Ebd. 127, 20: Got ist ein licht in ime selbir swebinde in einir stillin stille. daz ist daz einige licht, daz einige wesin sin selbis, daz sich selbin forsteit und irkennit. daz forstentnisse des ewigin lichtis daz ist licht fon deme lichte, daz ist di persone des sonis. Jostes, Eckhart 68, 25 (14. Jh.): Daz ander lieht ist geistlich; daz enspringt in dem gelauben. Sermon Thauleri 7va, 34 (Leipzig 1498): Das liecht leuchtet in der vinsterniß. Bˆhme, Morg.R. 13, 4 (Hs. 2schles., 16129): Weisheit GOttes / die da ist das hauchen der GËttlichen Krafft und der glantz des ewigen Liechts / gebe sich in des Lesers Seele. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 4, 25 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): das war licht, das got ist. Gille u. a., M. Beheim 121b, 57 (nobd., 2. H. 15. Jh.): und [Kristus] hat sich selber mensch gemaht 兩 [...] 兩 Gemacht scheinber und lihtig. Rieder, St. Georg. Pred. 160, 28 (Hs. 2önalem., 13879): daz lebend lieht waz beschlossen in ir mÁgtlichem libe. Vetter, Pred. Taulers 329, 23 (els., 1359): das liecht der gnaden. Das ist ein geschaffen liecht; das u´ber hebet die nature verre u´ber sich, [...]. Dar u´ber ist denne ein ungeschaffen liecht: das heisset man das liecht der glorien. Das ist ein gËtlich liecht und das ist Got selber. Bihlmeyer, Seuse 17, 22 (alem., o er die liechtbringerin des 14. Jh.): in der frËlichen begirde gruzt ewigen tages. Ebd. 378, 5: Herr, dinu´ ogen sind ob der liehten sunnen glanz, [...], dinu´ liehtberndu´ wengel gËtlicher und menschlicher nature. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 270, 10 (els., 1362): Dis ist der glast des der alle lieht hat geschaffen, der vns hat gelobet sin ewig lieht zuo sendende. Schmidt, Rud. v. Biberach 162, 22 (whalem., 1345/60): dvi gotheit ist allein vbersubstancilich vnd het in ir selben dvi vËlli alles liechtes vnd der gÈti. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 1549 (els., E. 14. Jh.): zuo der gnaden gottes − wan sv´ ist ein got gefËrmig lieht, daz vns durch schinet vnd gelich machet, vnd sunder dis lieht, daz vns gelich machet, enmËgen wir nv´t vereinigen v´ber naturlichen. Ruh, Bonaventura 341, 12 (oschwab., 2. V. 15. Jh.): der wandlet nit in vinsternüsßen, me er wirt haben vnd erlangen das licht des lebens. Warnock,

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Pred. Paulis 18, 17 (önalem., 1490/4): daz liecht (dies zu 5) der natur wist den menschen och gott lieb ze haben eben als wol als daz liecht der gnaden. Aber doch so ist daz liecht der natur sich gar in vil weg widersetzen dem liecht der gnaden. Ebd. 18, 126: [Plato, Aristotiles] manglotend des liechtes der göttlichen bekantnus. Steer, Schol. Gnadenl. 5, 117 v v v v der masse der gnaden wirt och gemes(halem., 15. Jh.): Nach v v sen daz natu´rlich liecht der sele, wan genade vnd v´bernatu´rlich liecht sint ainswesenlich ze nemen. Wyss, Luz. Ostersp. 9518 (Luzern 1545): Jesus, ein liecht der Ewigkeyt. Hˆver, Bonaventura. Itin. B, 51 (moobd., 1450/60): der [Cristus] da ist ain wort vnd liechtscheinender glast des ewigen vater. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 61 (moobd., A. 15. Jh.): Der [Manes] leret, es we¨rn zwen götter vnd czwen anefang, ainer ain got des liechtes, der ander ain got der vinster. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 1792; Luther, WA 10, 1, 2, 384, 16; 14, 30, 4 ff.; 16, 234, 14; 35, 434, 17; Quint, Eckharts Pred. 1, 18, 7; 2, 116, 5; 325, 7; ders., Eckharts Trakt. 428, 9; Sievers, Oxf. Benedictinerr. 1, 16; Steer, a. a. O. 142; Dubizmay, kurß zu Teutze 91, 5; Froning, Alsf. Passionssp. 1215; Strauch, a. a. O. 33, 15; Jostes, a. a. O. 13, 16 f.; 43, 37 f.; 101, 31; v. d. Broek, Suevus. Spieg. 66v, 12; Asmussen, Buch d. 7 Grade 959; Wagner, a. a. O. 7, 32; Gille u. a., a. a. O. 15, 4; Rupprich, Dürer 1, 171, 52; Bihlmeyer, a. a. O. 471, 27; Eichler, a. a. O. 1, 82; ders., Ruusbr. steen 204; Warnock, a. a. O. 18, 13; Goldammer, Paracelsus 192, 17; Moscouia B iijr, 32; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 43, 34. − Vgl. ferner s. v. afterhussen, anzünden 1; 4; ausflus 3, ausgiessung 2, icht 1.

5. ›Licht, Helligkeit des Tages, Tageslicht‹; mehrfach im Ggs. zu finsternis und nacht auf dem Hintergrund der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 1, 4 f.); auch ›Tag‹ (s. u. Grimm, Weisth.; vgl. auch das Phrasem der liechte tag s. v. liecht, Adj., 3); hier anschließbar vereinzelte tropische Verwendungen, z. B. ›natürliche Verhältnisse‹; ›Tochter (in poetischer Überhöhung)‹. − Phras.: zwischen / unter den liechten ›in der Dämmerung‹; es wird liecht ›der Tag bricht an‹; sich selbst im liechte stehen ›sich selbst schaden‹; (erz) zu liechte bringen ›fördern‹; etw. an das liecht bringen o. ä. (dazu bdv.: an den tag bringen); jn. / etw. bei liecht ansehen / beschauen o. ä. ›etw. bei Licht besehen‹. − Bdv.: vgl. glinster, tag 2, tagheitere. − Synt.: das l. erkennen / hassen / verzimmern ›den Lichteinfall vom Nachbargrundstück her verbauen‹, das l. nicht sehen können, jm. das l. verbauen; das l. (Subj.) anbrechen / sterben, jn. an-

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scheinen; etw. bei l. [tun], das gerücht ans l. herfür treten; das l. des tages; das natürliche / rechte / stechende l.; glinster des liechtes. Wbg.: liechtbärend 2, liechtbrate ›Schmaus zu Beginn des langen Abends‹, liechten 1 ›hell werden (vom Tag)‹, 2liechtflieher, liechtflüchtig9 (s. u. jeweils Maaler), liechtgans ›zum Michaelistag verzehrte Gans‹, liechtgerade ›so gerade, als ob man am anderen Ende das Tageslicht sehen könnte; völlig gerade‹ (a. 1582/ 5), liechtgerechtigkeit (a. 1546), liechtläuten ›Glockenläuten zur Abend- und Morgendämmerung‹, liechtmücke sowohl ›Glühwürmchen‹ (dazu bdv.: vgl. gleim 2) wie ›lichtsuchende Fliege‹, liechtrecht (a. 1483 f.), liechtscheu, liechtscheuend, liechtschnake (dazu bdv.: vgl. liechtmücke, nachtmücke). Schˆpper 33a (Dortm. 1550): Notum facere. Offenbarn erËffnen verkÈnden kundt thun zu erkennen thun ansagen zu wissen thun ans liecht bringen an den tag legen. Luther, WA 6, 321, 19 (1520): wer ubel handelt, der furcht das liecht. Ebd. 33, 214, 15 (1531): unsere Rottengeister, wenn man sie bey dem liecht ansihet, leren nur allein von guten Wercken. Ebd. 283, 10: was machet jr anders, denn das jr euch selbs im liechte stehet? Ebd. 41, 421, 24 (1535): qui per oppera volunt himel verdienen, Juden, Turcken cum suis rc. Si beym liecht, sinds buchstaben in corde. Ebd. 50, 193, 194, 2 (1538): weil die liechtflüchtigen und tagschewende schelmen so jemerliche mühe haben, [...]. Volkmar 109 (Danzig 1596): Nitedula, eine licht muck / die des nachts leucht. Pfefferl, Weigel. Gn. S. 57, 25 (um 1571, Hs. 1615): Anfenckhlich schueff gott das licht, das ist die Engl, am ander Tage machte er das furmament. Ebd. 90, 22: Manicher wirdt geboren zum Juristen, vnd wirdt ein Medicus. Jezt ist das liecht der Nattur verrukht. Peil, Rollenhagen. Froschm. 513, 216 (Magdeb. 1608): Jhe ehr / vnd mehr es [GerÈcht] sich außreckt / 兩 [...] Vnd tritt ohn schew herfÈr ans Liecht. Ebd. 538, 990: JNsonderheit las man zu Hauß / 兩 Die Liechtschewende Fledermauß. Ingen, Zesen. Ros. 80, 17 (Hamb. 1646): weil auch stirbt das schËne licht / 兩 und die lange nacht einbricht. Quint, Eckharts Pred. 1, 166, 7 (E. 13./A. 14. Jh.): der ˆerste umbelouf des himels daˆ von ist ez tac. Daˆ geschihet in einem nuˆ der seˆle tac, und in irm natiurlıˆchen liehte, daˆ alliu dinc inne sint, daˆ ist ein ganzer tac. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 190, 4 (rib., 1293): geordenirt, dat die schorre mit lithe scheren solen van s. Andreas dage biz crissenath. Chron. Kˆln 2, 6v, 28 (Köln 1499): got sprach Dat licht werde. [...]. dat is eyn sunderlinge schijmberliche off clair wolck. die welche durch eyn vmblouff macht dach vn¯ nacht. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 75, 9 (nwböhm., 1571): Die Khue Habe er [...] dem Michael Kieser Zwuschen den lichten gestolen. Ermisch, Sächs. o Bergr. 17, 24 (osächs., Hs. 15. Jh.): das derselbe buwer

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[...] mit suwerre erbeit ercz irvolget yn eyme erben adir in lehenen [...] unde brenget das czu lichte. Fischer, Folz. Reimp. 46, 90 (Nürnb. 1479/80): die funft [fül ›Trunkenheit‹], so man die lichtgans ist. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 554, 19 (Hagenau 1534): Eyn blinder kan den tag und das liecht nit sehen. Dasypodius 79v (Straßb. 1536): Lucifuga Ein liecht scheüch. Ebd. 147v: Nitedula, ein liechtschnack, der zuo nacht scheinet. Roloff, Brant. Tsp. 719 (Straßb. 1554): Ich gib dir das liecht [dochter] das ich ye gewan 兩 Du solt sie zuo einer gemahel han. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 251, 5 (halem., 1534/5): wurdend jnn underm liecht hinweg fÈren. Koppitz, Trojanerkr. 5821 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Der künsche helffenrich tegen 兩 An ainem liechtberenden tage 兩 Tett uff daz veld widersage. Grimm, Weisth. 6, 375, 45 (halem., 1555?): Es solle keiner befügt sein, ein neües gebeüw [...] aufzuführen, [...] wan andurch dem nachbaur [...] das liecht und prospect verbauet würd. Ebd. 6, 134, 42 (oobd., 1402/70): wenn er dann di selb nuz und gewer übersizt aˆn alle ansprach zwo vinster und dreu liecht, da wider schol [...] weder prief urkund noch weisung nichz helfen [vgl. Grimm, Rechtsalterth. 190, 557]. Maaler 272v (Zürich 1561): Liechtflieher / Liechtflüchtig / Der das liecht fleücht vnnd hasset. Lucifugus. Ebd.: Liechtmugk (die) Ein besondere mugk in Jtalia / scheynt zuo nacht im fliegen zuo d‘ zeyt der ernd. Cicindela. Liechtmugk oder nachtmugk / die zuo nacht in das liecht fleügt. Lampyris. Barack, Zim. Chron. 2, 416, 23 (schwäb., M. 16. Jh.): als die büchsenschützen daselbst gewonn sein, iren liechtbraten, das ist, so das järlich schiessen ain ende, zu herbstzeiten zu haben. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 50, 25 (noobd., 1347/50): wir sprechen des morgens, so ez liht, ez sei tak. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 210, 29 (moobd., 1478/81): Ich muest mein not ye auch hierinn zu liecht pringen. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 423, 6 (m/ soobd., 1562, Hs. 1735): das kein burger bei nächtlicher weil des abents nach liechtleuten biß auf morgen auch vor liechtleuten mit keinem liecht noch feier in kein fuetergeheuß kommen. Patocka, Salzwesen. 1987, 108 (oobd., 1582/5): durch ainen schenen liecht geraden Schurff gefahren. − Opitz. Poeterey 45, 20; Gille u. a., M. Beheim 288, 333; Fuchs, Murner. 4 Ketzer 241; Chron. Augsb. 1, 226, 27; 8, 411, 1; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 326; McClean, Havich 3874; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 485, 5; Volkmar 408; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 8; Sachs 13, S. 335; Rwb 8, 1290; 1294 f. (bezüglich des Rechtes auf Lichteinfall). − Vgl. ferner s. v. anbrechen 1, anheben 1, anscheinen 1, argwönig 2, austilgen 4, bedecken 1.

6. ›Licht, Helligkeit, die von Himmelskörpern ausgeht‹. − Phras.: das angehende / neue / junge / zunemende liecht ›Neumond‹; das alte liecht ›Vollmond‹. − Bdv.: schein; vgl. glanz 1, stral. − Synt.: das l. sehen, l. von der sonne empfangen, der mond sein l. haben, die sonne das l. benemen; die liechter am himmel leiden ›gehen‹; nach dem neuen l. pfropfen, der stern mit l.

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durch die wolken brehen; das l. des mondes, der sonne, der himmel; das klare l.; motus der liechter. Wbg.: liechten 2 ›etw. (den Himmel) erleuchten‹, liechtstriemel ›Lichtstrahl‹.

tes (der augen) berauben; das l. des gemütes, der erkentnis / sele / natur / vernünftigkeit / warheit; das falsche / innerliche / natürliche l.; die höhe des liechtes.

Peil, Rollenhagen. Froschm. 682, 5516 (Magdeb. 1608): Wenn sie [Krebse] auch jrgend im finstern gehen / 兩 Weder Sonn / noch des Mons licht sehen. Dubizmay, kurß zu Teutze 32, 17 (hess., 1463): Lobt in [heren] Sünne vnd monde lobt in alle sterne vnd licht. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 77, 30 (hess., 1586): sollen die balbirer uff die täg, uff welche nach gewönlicher außrechnung der gelehrten im liecht und zaichen nit gut ist, ader zu lassen, keine laßbinden außhencken. Schmitt, Ordo rerum 11, 30 (omd., 1466): Radius [...] liech streym [...] licht strimel [...] sicut rady solaris. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 14, 26 (Hs. 2omd., 14659): Als wenig du kanst der sunnen ir licht, [...] oder dem wasser sein nesse benemen, als wenig magstu uns unser macht berauben! Ermisch u. a., Haush. Vorw. 91, 9 (osächs., 1570/7): setze sie [Huhn] mit dem angehenden neuen licht uber, so brüttet sie einen monat aus. Ebd. 255, 34: säe 3 tage vor oder nach dem neuen licht waizen. Wyss, Luz. Ostersp. 3, 79, 28 (Luzern 1597): Die liechter lydent allso schlimm 兩 Am Himmel. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 24 (Genf 1636): Jung (liecht) n. Nouuelle lune. Ebd. 26: Alt (liecht) n. Vieille lune, Vetus luna. Ebd. 28: zunemmendt (liecht) n. Le croissant de la lune. Luna crescens. Steer, Schol. Gnadenl. 1, 11 (noschweiz., 15. Jh.): als der luft liecht enpfachet von der sunnen, also wirt die sele erlu´cht von v gËtlicher gnad. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 59, 4 (noobd., 1347/50): Seit nu der mone kain aigen lieht hat. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 62, 10 (oobd., 1349/50): daz er [morgenstern] ze mettenzeit gar mit klaˆrem lieht durch die wolken her prehet. Spechtler, Mönch v. Salzb. 26, 12 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Iedoch du mit gestirn 兩 unerzalt künikleich zirn, 兩 in liechtes monen schein 兩 liechten tuest himmel dein. − Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk. 13, 24; Ermisch u. a., a. a. O. 100, 20; M. Cunitia. Ur. Prop. 155, 35; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 1800. − Vgl. ferner s. v. adler 1, angelstern, auge 8, impfen 1.

Luther, WA 10, 1, 2, 224, 19 (1522): Darnach [nach dem kreuchen ... ins Euangelion] kumpt ein ander liecht, ein ander entpfinden, eyn ander sehen. Ebd. 17, 2, 102, 10 (1525): das liecht lebet und leuchtet ynn aller menschen vernunfft. Peil, Rollenhagen. Froschm. 304, 1340 (Magdeb. 1608): wie die Sonn hilfft dem Gesicht / 兩 So ist die Kunst der Seelen liecht. Ebd. 407, 4559: wie die Sonn erleucht die Sternen / 兩 [...] 兩 So setzt MENS der Vernunfft sein Liecht / 兩 Darnach sie die Abmessung richt. Pfefferl, Weigel. Gn. S. 170, 11 (Magdeb. 1615): Also brennen drey Liechter im menschen / also seyn drey Doctrinæ im menschen / also in den dreyen ist der mensch perfect, vnd dieweil das ist / daß die vntersten zwo / eine Finsternuß seyn gegen der dritten obersten / so seynd sie doch Liechter der Welt / in denen der mensch natÈrlich Liechter halben wandeln soll. Mieder, Lehmann. Flor. 722, 22 (Lübeck 1639): wer der Vnwarheit gewohnet / der kan der Warheit Liecht nicht als bald vollkËmmlich sehen. Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 123 (pfälz., 1436): die wirckend crafft der verstentnis. Die selb crafft glichet Aristotiles zu eynem liechte. Nu ist küntlich, das das liecht der sonnen schyne gibt allem dem, das jm tage gesehen wirt: dauon auch alle erkentnis der vernonfftikeit erspringt vnd sinen gründlichen anfangk hat von dem jnnerlichen liechte der sele, das warelichen leret vnd die warheit öffenet. Perez, Dietzin 1 316, 11 (Frankf. 1626): Die DÁmpff vnd Nebell / so von dem Wein vber sich steygen verfinstern nicht allein Gesicht / sondern zugleich auch das Liecht des GewÈhts. Strauch, Par. anime int. 64, 6 (thür., 14. Jh.): daz licht der sonnen ist cleine wider deme lichte der fornuftikeit. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 6, 23 (osächs., 1343): ob daz lıˆcht daz in dir ist, di vinsternisse sint, wie groˆz werden danne di vinsternisse selbir? Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 4, 69 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): so der mensch also von im selbs schaidet, so kan er kein liecht der eygen erkentnuße in im haben. Harsdoerffer. Trichter 3, 925, 17 (Nürnb. 1653): Das Liecht hat die Deutung der Warheit und werden auch vorneme Leute mit demselben verglichen / welche die Warheit erkennen und andre erleuchten. Vetter, Pred. Taulers 406, 3 (els., E. 14. Jh.): das die heiden und die juden in iren o danne wir, noch irme naturliwisen iren dingen vil rehter tunt chen lichte, die doch alzumole in der blintheit sint. Goldammer, Paracelsus 2, 423, 13 (1532/4): daß ich [...] das liecht der natur und beider, göttlicher und natürlicher, philosophia volkombene erkantnus hab. Sappler, H. Kaufringer 9, 68 (schwäb., Hs. 1464): si sprutzt in under die augen sein, das im vergieng des liechtes schein. Eschenloher. Medicus 35, 21 (Augsb. 1678): ward er alsobald [...] deß Liechts seiner beyden Augen beraubt. Bauer, Zist.-Pred. Haller 45, 98 (tir., 1466): Der da nicht hat ain raines hercz, [...], der hat auch verlorn das liecht seiner augen. − Strauch, a. a. O. 138, 8; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 17; Vetter, a. a. O. 250, 5. − Vgl. ferner s. v. astronomei.

7. ›Sehkraft (der Augen)‹; ütr.: ›Erkenntnisfähigkeit und -tätigkeit des Menschen‹; dazu metonymisch: ›Erkenntnis als Resultat der Erkenntnistätigkeit‹, jeweils als Helligkeit, Licht gesehen, nur vereinzelt als innerweltliche, innernatürliche Größe gedacht, häufiger unter religiöse Aspekte gestellt. − Bdv.: vgl. augenstern, augsehe, begreiflichheit 1, begreifung 3, begriffenheit, gemerke 3, gesehe, gesicht 4, mächtigkeit 4. − Ggs.: blindheit 2, finsternis; vgl. hindernis 4. − Synt.: das l. (der augen) verlieren, der vernunft ein l. setzen; das l. (Subj.) im menschen brennen; jn. des liech-

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liecht

8. ›abends auf der Gasse gesungenes Lied, Gassenhauer‹; zur möglichen Motivation s. den 2. Beleg! Die Schreibung lychter neben liecht läßt wie die Semantik ein eigenes, in den Wörterbüchern nicht gebuchtes Wort unklarer Zeichengestalt vermuten. − Bdv.: vgl. gassenhauer, tanhäuser. Turmair 1, 542, 12 (Augsb. 1517): poema lyricum: de variis rebus leviusculis [...]: ,ode, gesang, liecht, lychter, gassenhawer, die man auf der lauten schlecht‘. Ebd. 4, 255, 14 (oobd., 1522/33): das man auch von denen, die unrecht und pöse stuk tuen, [...], lieder macht, dieselbigen [...] bei der nacht offenlich auf den gassen vor den heusern säng, so man das liecht aufkent het, darumb man dan auch solche gesäng ,liechter‘ und ,liechtl‘ nent.

9., s. liechtmesse. liecht, Adj., meist auf die Bezugsgrößen und -personen von liecht (das) bezogen, daneben zur Kennzeichnung einer offenen Menge anderer Bezugsgegebenheiten. 1., s. liecht (das) 1. 2. ›aus, in göttlichem Licht strahlend; religiös verklärt, erleuchtet‹; vgl. liecht (das) 4. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: vgl. gotbildig, gotförmig 1, klar 7, verklärt. − Synt.: das kreuz l. scheinen; der liechte brautgebe (ütr.), der liechte engel / schein (Gottes, der Engel), der liechte ›visionäre‹ schlaf, die liechte ›verzückte‹ anstarrung, die liechten heiligen; das liechte wort. Wbg.: liechtglänzend (Beleg s. v. aufsteigen 3). Asmussen, Buch d. 7 Grade 1104 (nobd., Hs. A. 15. Jh.): Dir ist zu hoh mein [got] lihter schein. Ebd. 1949: Wer kan gesagen den lihten schein, 兩 mit dem die engel geklaidet sein. Bihlmeyer, Seuse 188, 7 (alem., 14. Jh.): in einem lichten schlafe waz im vor gar bescheidenlich, wie [...]. − Luther, WA 41, 720, 7; Froning, Alsf. Passionssp. 7930; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 7, 13; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 61, 3. − Vgl. ferner s. v. anstarren, aufsaz 3, aufsteigen 3.

3. ›hell (von den Lichtverhältnissen des Tages)‹; zu liecht (das) 5. − Phras.: der liechte (im Ggs. zu: finstere) tag ›Tag (im Ggs. zu Nacht)‹. − Bdv.: 1hel 3. Luther, WA 6, 38, 30 (1520): ßo sol gott blenden [...], die seyn heyliges liechtes wort zur finsterniß machen. Grosse, Schwabensp. 213a, 33 (Hs. 2nd./md., um 14109): dat o o offenbare vnde bi di lichten tage vor ture vor offener solen se tun straze. Quint, Eckharts Pred. 1, 133, 5 (E. 13./A.

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14. Jh.): Daz sie [engel] got bekennent, als er aleine in im selben wesen ist, daz ist der liehte mittac. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 99, 31 (rib., 1397): en solen si [meister] aventz neit mit kerzen wirken noch morgens dan mit dem lichten, schoenen dage. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 175, 32 (Hagenau 1534): Liechter tag / liechte augen. Hiemit entschuldigen sich die Finantzer / welche den leutten [...] ein nase machen / [...] / Sie haben es gesehen / es sei liechter tag / warumb hat er die augen nicht auffgethon. Barack, Zim. Chron. 2, 636, 37 (schwäb., M. 16. Jh.): der pfaff ist etlich stund also an der stangen offenlichen, helles, liechtes tags gehangen. Munz, Füetrer. Persibein 56, 7 (moobd., 1478/84): ich läg euch pey piß an den liechten morgen. Siegel u. a., Salzb. Taid. 7, 15 (smoobd., 17. Jh.): so soll er [...] die pfand nemmen und behalten, nemblichen essende pfand zwo finster und drei liecht, schreinpfand vierze¨hen tag. − Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 324; Chron. Kˆln 1, 968; Vetter, Pred. Taulers 172, 13; Klein, Oswald 101, 2; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 64, 1; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 213, 4. − Vgl. ferner s. v. anzeigen 3.

4. ›hell, leuchtend‹; vom Licht der Himmelskörper, Wettererscheinungen, metaphorisch von religiös überhöhten, verklärten Personen gesagt; vgl. liecht (das) 6. − Ggs.: dinster, dunkel. − Synt.: der blik ›Blitz‹ liecht sein; der liechte himmel / (morgen)stern, die liechte kläre / scheibe / sonne, die liechten heiligen, das liechte gewolken. Luther, WA 22, 388, 1 (1544): ein Erbteil der Heiligen im Liecht oder der Liechten heiligen, Das sind die rechtschaffenen Heiligen. Ebd. 34, 2, 126, 29 (1531): Ein heiliger Marterer [...] wird [...] gen Himel faren als ein heller, liechter Herrlicher Stern. Strauch, Par. anime int. 130, 33 (thür., 14. Jh.): alse einen grozin blic, der licht ist und aber dinster. Gille u. a., M. Beheim 3, 157 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Ob ir wolt wissen, wo das licht gewolken kem: 兩 man maint, got lies die sunnen daraus werden. Ebd. 82, 144: Ainn stern, den sie mit lihter cler 兩 auss vil zaichen sahen. Bihlmeyer, Seuse 469, 12 (alem., 14. Jh.): der liehte himel machet die v anbeis kriechen und den geswinden hirtz loffen. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 80 (schwäb., 1453): Maria, liechter morgenstern, 兩 Durchglest min hercz das dunckel! − D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 22, 28; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, S. 183; Chron. Augsb. 7, 356, 12. − Vgl. ferner s. v. 2auf 5, aufdringen 2, bedekkung 2, bedeutnis 5, beginnen 6.

5. ›einleuchtend, erkennbar‹; vgl. liecht (das) 7. − Bdv.: vgl. ansichtig 1, augenscheinlich 2, augensichtig, 5bar 2, 1bärlich 2, gesichtig 1, greiflich 2. Dubizmay, kurß zu Teutze 11, 5 (hess., 1463): sein gebott ist licht vnd 兩 erleuchtet die augen. Jostes, Eckhart 16, 32 (14. Jh.): Was ist ein uzfluz? daz ist ein beheglicheit seines

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liecht

willen mit eim lihten underscheid. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 130, 3 (moobd., 1478/81): umb des willen will ich nämlich nachvolgen dem liechteren und vallen lassen das tunckler. − Bihlmeyer, Seuse 468, 27.

6. von Gegenständen verschiedenster Art, seltener auch von Personen gesagt, die tropisch oder bildlich mit Helligkeit, Licht als ihren idealen Eigenschaften assoziert werden können; im einzelnen z. B. a) ›strahlend, hell (von den Augen)‹; ›rot leuchtend (von den Wangen)‹; auch auf Personen, ihre Kräfte und Eigenschaften sowie auf die Erscheinungsweise von Personen, darunter des Teufels, bezogen, dann auch: ›gleißend‹; insgesampt dicht, teils formelhaft belegt. − Bdv.: fein, 1hel 4, klar (Adj.), scheinig, schön. Ggs.: dunkel. − Synt.: kräfte l. werden; der liechte glanz / schein / teufel, die liechte brünne / farbe, das liechte har, die liechten augen; etw. l. gemal (sein). Wbg.: liechtbrinnend ›hellglänzend (von den Augen)‹, liechtgrau, liechtheiliger, liechtpriester (beide Bildungen auch zu liecht, das, 4 stellbar. − b) ›glänzend (von Waffen, Rüstungsteilen)‹; schwach belegt. − c) ›hell, licht (von Naturgegebenheiten verschiedener Art)‹. − Bdv.: 1 hel (Adj.) 3; 4, schöne. − Synt.: die natur l. sein; der liechte sommer, der liechte schein des meien, die liechte aue / wolke. − d) ›farbenprächtig, bunt (von Blumen)‹. − Synt.: der liechte glanz, die liechte farbe, die liechten blumen. − e) ›hell, leuchtend, strahlend (von Mineralien, Edelsteinen)‹; dicht und teils formelhaft belegt. − Bdv.: fein, klar (Adj.) 5, weinfar. − Synt.: nitrum, der stein l. sein; der liechte rubein / stein / jochant. − f) ›durchsichtig, klar (z. B. von der Brille, der Luft)‹. − g) ›hoch aufragend, zum Himmel ragend (von Galgen)‹. − h) ferner z. B. von Büchern, Häusern, Feuer, Tuchen, Metallen, auch von Personen gesagt. − Wbg.: liechtbraun, liechtrot. Zu a): Luther, WA 24, 86, 7 (1527): die weisse farbe des Teuffels, denn er ist ein heller, liechter Teuffel, der [...]. Karnein, Salm. u. Morolf 111, 4 (srhfrk., Hs. um 1470): du [frauwe] fellest uff die erde fur dot, 兩 dine vil lichte farwe 兩 die ist dannoch unverwandelt. Koppitz, Trojanerkr. 18421 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Daz waren ritter

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liechtt gemal 兩 Von crippel, wirtzall, zendal. Brandstetter, Wigoleis 221, 24 (Augsb. 1493): fraw Laneyt [...] rauffet auß jr lyechtes har vnd schry mit klaeglicher stimme. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 158, 9 (oobd., 1349/50): wenne ez [aichorn] gar liehtgraˆw ist, soˆ ist ez veˆch. Ebd. 185, 7: sein [vogel] augen seint liehtprinnend in dem haupt. Ebd. 280, 18: wan si [sternslang] haˆt auf irm ruk liehtgemaˆlt augen sam die stern. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 195, 217 (moobd., 1. H. 15. Jh.): dye [chrefft] mit encziger v¨ebung wüerden liecht vnd scheinig. Klein, Oswald 98, 26 (oobd., 1430): Vil zarter, engelischer weib, 兩 durchleuchtig schön, mit liechtem glanz 兩 besessen haben meinen lib. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 94, 19 (moobd., 1478/81): Er merckt an ir, das ire liechte augen stät voll träher waren. Turmair 5, 151, 25 (moobd., 1522/33): [Er] het ain runden kopf, grosse liechtgraˆbe augen nach der Teutschen art gehabt. − Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 20, 26; Klein, a. a. O. 21, 59. − Vgl. ferner s. v. amis 1, anblik 1, angesicht 2, augapfel. − Zu b): Karnein, Salm. u. Morolf 389, 2 (srhfrk., Hs. um 1470): ich wil dich mit dem liechten stahel wol bewarn. Ebd. 491, 3: er sprach: ,nu bindent uff die helme liecht‘. Koppitz, Trojanerkr. 2165 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Der [name] zü dem schwertt lı¨cht gemal 兩 Hörtt. − Weber, Füetrer. Poyt. 290, 4. − Zu c): Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 17, 5 (osächs., 1343): doˆ her noch mit ime redete, seht ein lıˆcht wolkin beschetewite si. Thiele, Minner. II, 14, 107 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): wer denn hät gesamelt in 兩 inder liechten summer zitt. Klein, Oswald 102, 2 (oobd., 1427?): Sich manger freut das lange jar 兩 gen des liechten maien schein. − Luther, WA 10, 1, 2, 298. − Vgl. ferner s. v. 1aue 4. − Zu d): Klein, Oswald 2, 15 (oobd., 1421): plümlin auf der haid, 兩 den geit er [herre] farb und liechten glanz. − Vgl. ferner s. v. 1anger 1, ausreuten 1, baum 1. − Zu e): Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 166, 10 (Frankf. 1535): Nitrum ist zu erwelen der do liecht ist / weiß oder rot. Klein, Oswald 13, 20 (oobd., 1416?): recht als der liecht rubein 兩 an pein pringt schein durchsichtig vein. − Belkin u. a., a. a. O. 100, 7; 13; Kummer, Erlauer Sp. 3, 137. − Vgl. ferner s. v. balas, jochant. − Zu f): Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 57, 2 (Frankf./M. 1568): Jch mach gut Brillen / klar vnd liecht. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 207, 22 (oobd., 1349/50): ain iegleich tier fräut sich des liehten lautern luftes meˆr denn des trüeben. − Zu g): Luther, WA 32, 84, 22 (1530): hencke sie [gute werck] viel eher an den liechten galgen unter die stinckenden diebe. v. Keller, Ayrer. Dramen 765, 25 (Nürnb. 1610/8): Ey, du Narr, pack dich an liechtn Galgn! − Sachs 14, 294, 28; Chron. Augsb. 2, 317, 16; Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 30, 30. − Zu h): Ingen, Zesen. Ros. 94, 8 (Hamb. 1646): die du mit eignen fingern / 兩 den kleinen herzensÚzwingern / 兩 ins lichte buch der augen schreibest ein. Dubizmay, kurß zu Teutze 37, 18 (hess., 1463): Dv [Maria] bist des hohen kunges thure vnd die lichte pfortte des lichten goldes. Karnein, Salm. u. Morolf 8, 3 (srhfrk., Hs. um 1470): Ein felle drug die kunigin, 兩 [...] 兩 sie was von edelm gestein unmassen liecht. Lauchert, Merswin 12, 11 (els., 1352/70): vnd

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liechtarbeit − liechtgehen

wart gefÈret in ein gar zuo mole schËnes liehtes minnencliches hvs. Vetter, Pred. Taulers 369, 3 (els., 1359): als von vil kolen ein gantz gros fu´r wirt und slecht ein lichte flamme uf. Golius 406 (Straßb. 1579): Flammeus, liechtrot. Bastian, Runtingerb. 2, 49, 27 (oobd., 1383): Und sol chauffen 5 samat, ein liehtgrÈn, ein liehtpraun, 1 satplaben. − Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 36; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 244. − Vgl. ferner s. v. abhellen, auslugen 2.

liechtarbeit, s. liecht (das) 1. liechtbäre, s. liecht (das) 4. liechtbärend 1; 2, s. liecht (das) 4; 5. liechtblau, Adj. ›hellblau‹; vgl. liecht (Adj.) 6. − Bdv.: vgl. himmelblau. Lippert, UB Lübben 2, 231a, 13 (osächs., 1525): ein elle lichtblaw vor 7 ar. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 457, 21 (oobd., 1349/50): der stain ist himelvar, wan er ist liehtplaˆ. − Henisch 409; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 191; Öst. Wb. 3, 324.

liechtbotzen, s. liecht (das) 2. liechtbrate, s. liecht (das) 5. liechtbraun, s. liecht (Adj.) 6h. liechtbrehend, part. Adj.; Gw zu brehen. ›hell strahlend, leuchtend‹, in beiden Belegen innerhalb des Preises einer Frau (auch: Marias); vgl. liecht (das) 4; 6. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 5, 6 (Hs. 2omd., 14659): Nicht mer geet auf mein lichtbrehender morgenstern. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 412, 30 (oobd., 1349/50): si [unser fraw] ist ain liehtprehendeu veltpluom, wan si steˆt an der straˆz der gnaˆden.

liechtbringerin, s. liecht (das) 4. liechtbrinnend, s. liecht (Adj.) 6a. liechtbutze(r), s. liecht (das) 2. liechtekasten, s. liecht (das) 1. liechten, V. 1.; 2., s. liecht 5; 6. 3. ›jn. belehren, jm. klare Einsicht geben‹; vgl. liecht (das) 7. − Bdv.: vgl. beleren, 2 leren 2. Plant u. a., Main. Naturl. 294rb, 6 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): wonde aber niema˜ mich liehte noch niht verstat so wil ich ein bizeichen setzin.

liechterform, s. liecht (das) 1. liechterloh, (auch -lohen), Adv. ›lichterloh, in hellen Flammen‹, vgl. liecht (das) 1; 2, lohe.

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Helm, H. v. Hesler. Apok. 359 (nrddt., 14. Jh.): Unse alde vater Moyses 兩 Den pusch sach brinnen liechterluon. Luther, WA 49, 486, 31, (1544): Das sehen wir, sie ligen schon im feuer, brinnen liechter lohe, wie Sodom. Harms u. a., Alberus. Fabeln 157, 17 (Frankf./M. 1550): das wie stroh 兩 Ein gantze Stadt brennt liechter loh.

liechterweihe, s. liecht (das) 1. liechteweihe, s. liechtweihe. liechtfar(be), vereinzelt: liechtgefar, Adj. ›strahlend, leuchtend, glänzend, hell‹ (von religiösen und weltlichen Bezugsgegebenheiten und -personen zur Kennzeichnung von deren besonderer Qualität, vereinzelt zur Kennzeichnung heller Farbtöne); vgl. liecht (das) 4; 5; 6; 7, liecht (Adj.) 3; 4; 6. − Synt.: der gagates, die wängel l. sein, js. grund / leichnam l. werden, js. antlit l. rot sein; l. als ein jazint. Fischer, Brun v. Schoneb. 5590 (md., Hs. um 1400): di lilie wiz von kuscheit, 兩 lichtvar an werken so man seit [von Maria gesagt). Bihlmeyer, Seuse 224, 17 (alem., 14. Jh.): min [der ewigen Weisheit] ogen sint so klar, [...], v v ot. Vetter, Pred. Tauminu´ wengel so liehtvar und so rosenr lers 376, 10 (els., 1359): von dem blicke [des gotvarwen liechte(s)] so werdent die menschen als durch lu´chtet und wirt ir grunt als liechtvar. Koppitz, Trojanerkr. 3374 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Daz ain so liechtt farwer mund 兩 Sol ainem valschen werden gegeben! Ebd. 11916: yltt er dar 兩 Do er der herren waz gewar, 兩 Rich und liechtt gevar, 兩 Worden. P‰pke, Marienl. Wernher 5831 (halem., v. 1382): Ain wenig brait und liechvar, 兩 Als ain jacintte schËne gar. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 447, 12 (oobd., 1349/ 50): Gagates [...] ist zwairlai: swarz und liehtvar. iedoch ist der liehtvar zwairlai: ainer weiz, der ander gel. − Bˆhme, Morg.R. 157, 11; Koppitz, a. a. O. 2034; Rieder, Gottesfr. 77, 80; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 43. − Vgl. ferner s. v. auge 8.

liechtfas, s. liecht (das) 1. liechtflieher, liechtflüchtig, s. liecht (das) 5. liechtform, liechtfutter, s. liecht (das) 1. liechtgans, s. liecht (das) 5. liechtgarn, s. liecht (das) 1. liechtgefar, s. liechtfar(be). liechtgehen, s. liechtstube.

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liechtgeld − liechtmesse

liechtgeld, s. liecht (das) 1. liechtgerade, liechtgerechtigkeit, s. liecht (das) 5. liechtglänzend, s. liecht (Adj.) 2. liechtglocke, s. liecht (das) 1. liechtgrau a; b, s. liecht (Adj.) 6a. liechtgrün, Adj. ›hellgrün (von unterschiedlichen Bezugsgrößen)‹; vgl. liecht (Adj.) 6. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 118, 9 (Frankf. 1535): Der steyn Chrisolitus ist an der farb dünn vnd liecht grÈn. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 206v, 15 (Hs. 2nalem., um 14009): dunket / jn [menschen] die spaichel gesalczen, v vnd ist lieht grÈn / vnder den ogen. − Vgl. ferner s. v. liecht (Adj.) 6h.

liechtheiliger, s. liecht (Adj.) 6a. liechthocke, liechtholz, s. liecht (das) 1. liechtig, liechtigkeit, s. liecht (das) 4. liechtkämmerer, liechtkelter, s. liecht (das) 1. liechtkerze, s. liecht (das) 2. liechtkoche, liechtkolbe, liechtleiher, s. liecht (das) 1. liechtloch, das; −/-er + Uml. enger Schacht, der von der Erdoberfläche auf einen Grubenbau der Wetterlösung halber niedergebracht wird; vgl. am ehesten liecht (das) 5. − Omd./ östliches Inseldt.; bergbauliche Texte. − Synt.: ein l. fertigen / machen / sinken; aus dem l. einen durchschlag machen; das wetterische l. Ermisch, Sächs. Bergr. 27, 1 (osächs., Hs. 15. Jh.): Hebet er syne wassirseyge uff adir fertiget syne lichtlËcher. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 248, 27 (schles., 1528): Sobald aber die gewerken, denen ihr ertz ausgehauen wurde, aus ihrem erbschacht oder lichtlöchern in ihrem massen zu den rauborttern ein ausgezimerten durchschlag machen, die andern gewerken bergmennisch beschreyen und beleuchten, alsdann sollen die gewerken, so geraubt haben, bey der peen funfzig mark mit ihrer arbeit ablassen. Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 223, 27 (osächs., 1541): wo den gewerken von der Grossen Klufft zu fuderung des stolns und wettersch lichtlocher zu machen ader zu sinken nottorftig, sollen si diselben uff ir gelt und uncosten fertigen. − Wutke, a. a. O. 20, 218, 21; 21, 67, 19; Piirainen, Igl. Bergr., S. 76; Veith, Bwb. 326; Jelinek, Mhd. Wb. 473. − Vgl. ferner s. v. ansitzen 4.

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liechtmacher, liechtmacherin, liechtmeister, s. liecht (das) 2. liechtmesabend, s. liechtmesse. liechtmesse, seltener: liechtmisse, die; -π/−. ›Mariä Lichtmeß (2. Febr.)‹; ein kirchliches Fest (mit Weihung der Kerzen) und gleichzeitig Rechts- und Zinstermin; zu den zugehörigen Glaubensvorstellungen vgl. die Belege; vgl. liecht 2. − Bdv.: hochzeit, unser lieben frauen tag, liecht (das) 9 (Kopfbildung); vgl. liechtweihe. − Wbg.: liechtmesabend ›Tag und Abend vor Mariä Lichtmeß‹, liechtmestag (a. 1473 ff.), liechtmestrunk (a. 1654), liechttag (Klammerform). Grosse, Schwabensp. 188a, 25 (Hs. 2nd./md., um o 14109): Wil ein heren sinen zins man Von deme gude Wisen, o Dat sal her tuo lichtmissen tun. Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 26, 12 (preuß., 1437/8): Der czins uff lichtmesse. Item Ronisdorff hat 54 huben czinshafftig. Luther. WA 10, 1, 1, 442, 8 (1522): Was die ding sind, die sie [Jesu Eltern] [...] volnbracht, wirt das Euangelium auff unßer frawen liechttag geben. Ebd. 34, 1, 145, 14 (1531): Wyr heben heute an zw feyren das fest von der Reynigung Mariae odder unser lieben frauen lichtmeß. Ebd. 41, 478, 8 (1535): die zeit unser frawen liecht mes, das hiessen sie stad Rom reinigen. Fischer, Brun v. Schoneb. 11, 34 (md., Hs. um 1400): dein lichtmess ist die selben vart, 兩 so hilf uns, keusche muter zart, 兩 das leib und seel sein wol bewart 兩 sneweiss nach margariten art. Stambaugh, Milichius. Zaubert. 16, 30 (Frankf./ M. 1563): Auff den tag der Liechtmeß hat man Liechter geweihet. Thiele, Chron. Stolle 519, 24 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): uff montagk noch unser lieben frowen tagk purificacionis zu dutcz lichtmesse genant. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 21, 4 (nürnb., 1464/75): Der febrer hat 28 tag. [...] unser frawen liecht. Bihlmeyer, Seuse 29, 8 (alem., 14. Jh.): An unser frowen tag zuo der lichtmiss bereit er [Seuse] vorhin drie tag mit gebete ein kerzen der himelschen kindbeterin, und du´ kerz was gewunden mit drin strangen also: [...]. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 184, 17 (els., 1362): Uon der liehtemessen, purificacio. Djse hochzit het drie namen. Su´ heisset candelaria, daz ist die liehtemesse, wenne die menschen zuo dirre hochzit bu´rnende kerczen tragent. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 52, 11 (Straßb. 1650): so gayl vnd rammelig als die Katzen vmb Liechtmeß immer sein mögen. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 115, 29 (oschwäb., 1356): in der zit, als man uss den torgeln gat untz an die o i lichtmisse, so sol man ainem grubenraiter [...] funf phenn(in)g ze taglon geben. Henisch 213 (Augsb. 1616): Der ist ein gehertzter Mann / [...] / der ein Wolff nicht fÈrcht vmb Liechtmeß / vnd einen Bawren in der Faßnacht. Turmair 5, 402, 8 (moobd., 1522/33): und starb [...] des ersten tags im hornung, am liechtmeßabent. Piirainen, Stadtr. Sillein

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liechtmestag − liechtstube

131b, 29/30 (sslow. inseldt., 1378): VIl eyn herre weysen seynen czins man von seym gut daz yn nicht an geborn ist daz sol er ym kvndigen czu licht messe. − Grosse, a. a. O. 139a, 41; Gille u. a., M. Beheim 82, 497; Dinklage, Frk. Bauernweist. 69, 23; Sachs 17, 20, 25; Chron. Augsb. 1, 130, 24; 9, 162, 11; Hˆr, Urk. St. Veit 110, 28; 188, 23; Drescher, Hartlieb. Caes. 110, 3; Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 248, 34; Rwb 8, 1295 (bezüglich der Abgabetermine), Schweiz. Id. 4, 448; 14, 1210 Öst. Wb. 1, 42; 4, 315; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 191 f. − Vgl. ferner s. v. andeuten 2, ausdingen 1.

liechtmestag, liechtmestrunk, liechtmisse, s. liechtmesse. liechtmücke, s. liecht (das) 5. liechtöl, liechtpfennig, s. liecht (das) 1. liechtpriester, s. liecht, Adj., 6a. liechtputze, liechtputzer, liechtquerdel, liechtrame, s. liecht (das) 1. liechtrecht, s. liecht (das) 5. liechtreich, Adj. − 14. Jh.; Texte der Mystik. 1. ›begnadend; gottgegeben, lichterfüllt, strahlend‹; vgl. liecht (das) 4. − Synt.: die rose l. werden; den geist l. beköstigen, das gut (ütr.) sich l. in den geist ergiessen; der lichtreiche glanz / schein, die liechtreiche gnade / ingiessung. Jostes, Eckhart 47, 17 (14. Jh.): wurcht di lichtrich ingizzung dez obersten guts an dem geist? Daz merchent, da(z) daz oberst gut sich lichtrichlich ergeuzet in den geist, da erhebent er den geist uber sein naturlich wonstat, da er lichtrichlich bekostiget wirt. Bihlmeyer, Seuse 64, 28 (alem., 14. Jh.): Der ros [...] ward als schËn und liehtrich, daz er [Seuse] den ogen grossen lust brachte. Strauch, Schürebrand 17, 30 (els., E. 14. Jh.): und u´ch enpfenglich machent des heilgen geistes inflüsse und aller liehtrichen göttelichen gnoden. − Bihlmeyer, a. a. O. 190, 18; Schmidt, Rud. v. Biberach 163, 18.

›lichtvoll, erleuchtet, visionär unterscheidend, erkennbar‹; vgl. liecht (das) 7. − Synt.: der liechtreiche unterscheid, die liechtreiche bekantnis / klarheit / vernünftigkeit. Lauchert, Merswin 29, 10 (els., 1352/70): daz ir alle keinen gerehten geworen liehtrichen vernv´nftigen vnderscheit in v´ch habende sint. Strauch, Schürebrand 25, 10 (els., E. 14. Jh.): obe in so vil underscheides und lichtricher bekantnisse von gotte gegeben ist. Ebd. 40, 25: wanne er in der gnoden und in der geschrift vil liehtriches underscheides wuste. − Bihlmeyer, Seuse 194, 25; Strauch, a. a. O. 46, 2. − Vgl. ferner s. v. aufschwingen 2.

liechtrot, s. liecht (Adj.) 6h. liechtscheinend, s. liecht (das) 4.

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liechtschein, liechtscherbe, liechtschere, s. liecht (das) 1. liechtscheu, liechtscheuend, s. liecht (das) 5. liechtschirm, s. liecht (das) 1. liechtschnake, s. liecht (das) 5. liechtschnupfe, liechtschupos, liechtseil, liechtsorge, liechtstab, liechtstal, liechtstar, lichtstein, s. liecht (das) 1. liechtstok, der ; -s/ auch -π + Uml. ›Leuchter nicht näher bestimmbarer Art; Lampengehäuse; Kerzenhalter‹; vgl. liecht (das) 1; 2. − Bdv.: kerzenstok, leuchter, luzerne. − Wbg.: liechtstokplappert ›Münze mit einem liechtstok als Prägung‹ (a. 1416 f.). Enders, Eberlin 2, 53, 14 (Grimma 1522): [das ewangelium] tzeygt in [prediger] als ein stadt auff eynem berg, vnd als ein lycht auff eynem lycht stock. Alberus Kk IVr (Frankf. 1540): Candelabrum, leuchter / oder liechtstock. Major, Haussradt A iijv, 7 (Basel 1569): Jch mÈßt han liechtstËck vnd tÁgel 兩 Mistwagen vnd schlegel. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 115, 3 (Straßb. 1466): gold zuo der mancherhant maß eins iegklichen liechtstocks [Var. 1483−1518: leuchters] vnd seiner lutzern: zuo gleicherweys zuo den silbrin liecht stocken vnd iren lutzernen. − Schmitt, Ordo rerum 200, 26; Maaler 272v; Schweiz. Id. 10, 1736.

liechtstokplappert, s. liechtstok. liechtstram, s. liecht (das) 4. liechtstriemel, s. liecht (das) 6. liechtstube, die. ›beleuchtete Stube als soziale Einrichtung‹; metonymisch: ›Raum für Abendzusammenkünfte mit sitten- und ordnungsstörender Tendenz‹; vgl. liecht (das) 1. − Wobd. − Wbg.: liechtgehen (wohl Klammerform), liechtstubete. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 237, 14 (halem., 1534/ 5): darunder die secter nit mÈssig giengend [...] tichend stÁtz umhar wie der tüfel [...] und praktiziern jr sach zuo gang bringen mogen / mit predyen / uff der gassen / jn urtenen, jn liechtstuben / by versamlungen der wyber [...]. Maaler 273 (Zürich 1561): Liechtstubeten (die) Conuenticulum. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 661, 7 (schwäb., 1587): die liechtstuben sollen fürohin abgeschafft werden, doch wa etwan arme weiber uß ermanglung der liechter [...] zusamengohn wolten, solle in einem flecken ein hauß [...] erwöhlt und zwen erbare männer darzu verordnet werden, die vleissige ach-

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liechtstubete − lied

tung darauf geben sollen, das in solchen liechtstuben gute ordnung [...] gehalten. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 521, 13 (schwäb., 1599): soll das liechtgehen [...] bei ebenmässiger straf 10 ß ∏ abgethon sein. − Wintterlin, a. a. O. 1, 554, 8; Maaler 95r; Schweiz. Id. 10, 1138 (mit ausführlicher Behandlung).

liechtstubete, s. liechtstube. liechtstul, s. liecht (das) 2. liechttag, s. liechtmesse. liechttegel, liechttiegel, s. liecht (das) 1. liechttrage (vereinzelt), liechttrager, der. 1. ›Lichtbringer, Träger eines Lichtspenders (generell)‹; meist ütr. auf Christus (als Lichtbringer) sowie auf den gefallenen Engel Lucifer. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: vgl. lucifer 1. Froning, Alsf. Passionssp. 154 (ohess., 1501 ff.): geheysßen was ich Lucifer, 兩 ich was in dem obersten thron eyn licht-treiger! Rieder, St. Georg. Pred. 79, 10 (Hs. 2önalem., 13879): da von spricht sant Bernhart: ,Lucifer, liecht trager, wÁrist du ain fu´r trager gesin, so wÁrist du nie gevallen!‘ Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 442, 4 (Straßb. 1466): biß das der tag erscheint vnd der liecht trager [Var. 14752-1518: morgenstern; so auch Luther 1545, 2. Petr. 1, 19] wirt geborn in eu´ern hertzen. Maaler 273 (Zürich 1561): Liechtrager / Der das liecht bringt. Luciferus. Jaksche, Gundacker 18 (oobd., Hs. 1. H. 14. Jh.): den [engel] nant er [Got] do Lucifer, 兩 daz sprichet tiusche ,ain liecht trager‘. Reithmeier, B. v. Chiemsee 24, 9 (München 1528): Vierder staffel ist accolitus, ain liechttrager, der gwalt hat zum altar liecht anzezünden. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 10885; Palmer, Tondolus 835; Mayer, Folz. Meisterl. 29, 72; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 12.

›Lampe; Lampenseil‹. − Bdv.: vgl. liechtseil. Bremer, Voc. opt. 12050 (halem., 1328 ff.): Lucanar [...] liehtseil [...] liehttrag [...] liehttrager [...] est lampas ardens in aere; uel [lacunar] est instrumentum pendens in alto, cui multe candele ardentes affigentur. Et dicitur [lacunar] a lux et aer, quia lucem prebet aeri. − Vgl. ferner s. v. liecht (das) 1.

liechttrager, s. liechttrage. liechtung, die. ›Unterhaltung des ewigen Lichtes‹; vgl. liecht (das) 1. − Schweiz. Id. 10, 1056 (a. 1567). liechtweihe, liechteweihe, die. ›Mariä Lichtmeß‹; vgl. liecht (das) 2. − Bdv.: vgl. liechtmesse.

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Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 529, 19498 (preuß., um 1330/40): und unsir vrouwin tag irschein, 兩 den man nennit lichtwie. Ermisch, Freib. Stadtr. 73, 27 (osächs., 1335): di munce zu Vribere sal man nicht dicker [...] vernuwen anme slage unde an den pfenningen wen zu einem male in dem iare, unde daz sal sin zu unser vrowen tage lichtwie. − Feudel, Evangelistar 133, 5; Ermisch, a. a. O. 253, 21; Thiele, Chron. Stolle 241, 30; Jelinek, Mhd. Wb. 473.

liechtweihen, s. liecht (das) 1. liechtzaun, der. ein Zaun nicht näher bestimmbarer Art; möglicherweise ›durchsichtiger Zaun‹; dann anschließbar an liecht (Adj.) 6 f. Sachs 7, 202, 26 (Nürnb. 1536): [ich] kam für ein runden liecht-zaun, 兩 Der umbfieng des keysers thiergarten. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 18, 9 (schwäb., v. 1542): da waß ain ygel in den liechtzaun gemacht, das niemet möcht zu dem zaun komen. Turmair 5, 18, 20 (moobd., 1522/ 33): schluegen alda ir veldgeleger, machten herumb ainen liechtzaun, wurfen ainen graben auf, machten ain beschüt herumb.

lied, das; −/-π, -e, -en, -er ; zu mhd. lit ›Glied‹ (Lexer 1, 1938); vgl. gelied. 1. ›Gelenk, Bindeglied, Band; Scharnier‹, sowohl auf den Körper wie auf Sachgegenstände bezogen. − Bdv.: gelenk 1; vgl. 1 angel 3, 2gleich 1, grendel 1. − Wbg.: liedeband, liedfüge, liedgesucht, liedgesüchte (zum Gw s. gesüchte 2), liedsucht, liedsüchtig (dazu bdv.: gichtbrüchig, lamsüchtig. Ggs.: gesund, Adj., 1). 1

Ziesemer, Proph. Cranc Dan. 10, 16 (preuß., M. 14. Jh.): Herre min, an dinem gesichte sint slaf wurden alle mine lidebant [Luther 1545: gelencke]. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 16, 14 (Straßb. 1466): die do hetten die teuffel. vnd die monsuchtigen vnd die litsuchtigen [Var. 14752−1518: lamsuchtigen; Froschauer 1530: die der schlag hat getroffen; Luther 1545, Mt. 4, 24: Gichtbrüchigen] vnd er [jhesus] gesunt sy. Bremer, Voc. opt. 1200 (schwäb., 1441): Conpago lidfÈgi [...] gelid [...] Conpago [...] est colligacio membrorum per neruos. Ebd. 43096 (wobd. / oobd., M. 14. Jh.ff.): Artetica lidsuht [...] lidgesucht [...] lidgesu´cht [...] Artetica [...] est dolor iuncturarum. Et dicitur ab artus et teneo, vnde artetica quasi artus tenens, id est iuncturas uel concatenaciones; iuncture enim quasi cum kathena simul tenentur. Et hic morbus a laycis dicitur gutta. Et sunt tres species arthetice, scilicet sciatica podagra et cyrogra. Chron. Augsb. 8, 156 Anm. 2 (schwäb., zu): vom stuel oder sitz hab er ain lid, ain eisnes pendlen, bei 3 neglin lang. Niewˆhner, Teichner 106, 22 (Hs. 2moobd., 1360/709): also ist von zwayer lit ›hat es zwei Gründe‹ 兩 daz der mensch unczÈchtig wart, 兩 von gewonhait und von art (hierher?). Zingerle, Inventare 112, 2, 39 (tir., 1489): vier eysene lyder, do man

1193 türn da mit anhenngt. − Broszinski, Minner. Chir. Parva 79r, 18.

2. ›Teil eines Ganzen‹; speziell: ›einzelner Punkt, Artikel, Hauptteil einer Lehre, eines Textes‹; ›Einzelteil einer Goldschmiedearbeit‹. − Bdv.: vgl. artikel 2. − Wbg.: liedeganz 1 ›vollständig, unbeschädigt‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 235 (preuß., um 1330/40): der sıˆn rede in stucke schicht, 兩 ˆe er von der materien icht 兩 endehaftis spreche, 兩 unde nicht vorbreche 兩 der lidir ordenunge. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 1145 (preuß., 1331): Ve´l lyd der geloube hat, 兩 [...]: 兩 Wil man, [...], 兩 An sehn di do han gestift 兩 Den gelouben, so iz der lied 兩 Di man sal halden bi der wied, 兩 Nwer czwelve gar uber al. Ebd. 1233: Di benanten virczen lid, 兩 [...] 兩 Czuto man uz dem gelouben. In den nächstfolgenden beiden Belegen explikativ für den Inhalt des Adjektivs bzw. Genitivs: Koppitz, Trojanerkr. 3832 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Mitt vil kunstenlichen liden 兩 Ward daz werk gefügett. Ebd. 7618: Wol dem edlen gold schmide! 兩 Der siner hochen künste lide 兩 Also zartlich gerüren kan. Vock u. a., Urk. Nördl. 2190 (schwäb., 1442): offen ledegantzen unverserten videmusbrieve.

3. ›Teil des menschlichen oder (seltener) des tierischen Körpers, Glied, Organ‹; im einzelnen bezogen auf die Extremitäten, die Finger, Zehen, Mund und Zunge, Genitalien, die Vorhaut, das Augenlid; ütr. auch: ›Instrument (der Hölle)‹. − Phras.: leib und liede verdingen; etw. aus seinen lieden trekken ›etw. mit der eigenen Händearbeit erwirtschaften‹. − Bdv.: vgl. artikel 1, gelenk 1, gewerbe 9, lanke 1. − Synt.: kein l. geleichen ›rühren‹ mögen, jm. die liede beschneiden / dekken / berauben / erschlagen, jm. eines der liede verderben, die lieder süchtig machen; die liede(r) geordnet / gesund sein, sterben, aus den gleichen kommen, von zären gefar werden, jm. schwaren, js. lied erquemen ›erzittern‹; an den lieden leiden, jn. an einem l. entlieden, die speise in die lieder gehen, brest in die liede kommen; der füsse lieder (gen. explicativus), das l. der augen, des fingers / hauptes / leibes; die blossen / jungen / müden / schwachen / zarten liede(r); die schwindung der liede; nägel an den liedern. Wbg.: liedbrechen (a. 1385), lieddrüse ›Auswuchs am Körper, Oberbein o. ä.‹ (dazu bdv.: misgewächs), liedganz ›unversehrt‹, liedhandschuh ›Eisenhandschuh mit Fingergeschübe‹, lied-

lied

1194 schärte ›Verstümmelung der Glieder‹ (14. Jh.), liedeschärtig ›gliederlahm (ütr.), krank‹; ütr.: ›verletzt, schwach‹, liedtief (dazu bdv.: beinschrot, liedeschärtig, meisselwund; Beleg s. v. letzig). Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 7858 (preuß., um 1330/40): swaˆ er [Swantepolk] indirt horchte 兩 der duˆtschin bruˆdre namin, 兩 al sıˆne lit irquaˆmin. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 5206 (preuß., 1331): Merke wes du dich verczist 兩 Und welches hobtes lit du siest! Grosse, Schwao bensp. 47a, 35 (Hs. 2nd./md., um 14109): de vunfte sibbe stet an dem ersten lede des vengers. Ebd. 156a, 4: Swer daz deme anderen met gewalt duto oder ime suso der lide eyn o o vorderuet, daz sal man ime Widere tun. Quint, Eckharts Pred. 1, 313, 1 (E. 13./A. 14. Jh.): Nuˆ ,stant in der porte‘. Swer daˆ staˆt, des lide sint geordent. Er wil sprechen, daz daz oberste teil der seˆle sol staˆn uˆfgerihtet stæticlıˆche. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 10, 2 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): Grif, herze, zu und hilf den sinnen ein lob smiden, 兩 daz allen liden 兩 der kunst si wol gelenke. Ebd. 5, 52, 15 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): Ist disen zwein gelücke mit, 兩 daz ist der helle ein erbesit, 兩 ir erge lit, 兩 ir höchster schrit. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 2494 (rib., 1444): barmhertzicheit, 兩 De sent Mertijn sich untcleyden dede 兩 Dem armen zo decken syne bloisse lede. Chron. Kˆln 1, 2618 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): dat sy vro woren aldamede 兩 dat sy verdingden lijff ind lede. Ebd. 5913: want luzzel volx myt muden ledin 兩 hait selden her wail gestredin. Ebd. 2, 291, 21 (Köln 1499): want he [Joseph] die moder ind dat kint besorgen moist ind dat uis sinen leden strecken ein redeliche zit lank. H¸bner, Buch Daniel 3856 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Und weinte daz die lider 兩 Wurden von zeren gavar. Thiele, Chron. Stolle 275, 6 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): als sy zu einem male dy gefangen wisten, ab sy noch ledegancz weren. Pyritz, Minneburg 2129 (nobd., Hs. um 1400): Sie [werlt] ist an truwen gar lidschertig; 兩 Sie ist spottig und hochfertig. Ebd. 4680: Daz min fraw, [...], 兩 Ist gewest gein mir so stichel 兩 [...], 兩 Daz mir worden ist lideschertig 兩 Min freude, daz ich mus alten 兩 Und leides mer drivalten. Vetter, Pred. Taulers 295, 18 (els., 1359): und get die spise denne durch die adern in alle die lider. Bihlmeyer, Seuse 354, 18 (alem., 14. Jh.): eins ist in dem andern, und kein lid mag leben, daz usgeschidet ist. Adrian, Saelden Hort 1645 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): nach der e besniden 兩 im [kint] sinu´ jungen murmen lider. Sudhoff, Paracelsus 7, 407, 26 (1529): so wachsen hieraus die moderschwammen, letdrusen, darumb sehen sie dem gleich aus des knasp sie gewachsen sein. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 490, 7 (oobd., 1349/50): die habent hundeshaupt und scharpf krumm negel an den lidern. Zingerle, Inventare 88, 2, 13 (tir., 1490): zway par lidhantschuech. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 15258; Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 9, 12; Meijboom, a. a. O. 5120; 6253; Chron. Kˆln 1, 4772; H¸bner, a. a. O. 4396; 5772; Pyritz, a. a. O. 4346; Haage, Hesel. Arzneib. 16r, 10; Bihlmeyer, a. a. O. 316, 29; Vetter, a. a. O.

1195 159, 19; P‰pke, Marienl. Wernher 6042; 6976; Welti, Stadtr. Bern 235, 5; Pfeiffer, a. a. O. 477, 2; Klein, Oswald 38, 16; Rwb 8, 1318; Schweiz. Id. 5, 336; 8, 1307. − Vgl. ferner s. v. 1ader 4, aderschlag 1, amacht 2, augbrawe.

4. ›Abhängiger (z. B. des Teufels); Kind (Gottes); Mitglied einer Gemeinschaft‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2701 (nrddt., 14. Jh.): Der sal der tubel manic leit 兩 Tuen mit den argen sinen liden. Ebd. 10810: Wen sie sint die Gotes lide, 兩 Die sich nach dem vridesamen 兩 Criste cristenen hie namen. Fischer, Brun v. Schoneb. 36, 93 (md., Hs. um 1400): das himlisch paradeis 兩 mit hochem preis ler steigen deine lid. − Vgl. ferner s. v. ausscheiden 2.

5. ›Glied, Stufe in der Erbfolge‹. − Bdv.: vgl. grad 4. Grosse, Schwabensp. 47a, 31 (Hs. 2nd./md., um o o 14109): Alsuso is der vater vnde muter dat houbet. § de kint, o o de ane zweyunge van vater vnde van muter geboren sin, daz sint rechte swestere. An den hoÈet sich der erste sibbe. de stent o ouch von rechte an dem neisten lide bi deme houede, dar de o arm an de schulderen stozent. daz lede heyzet de acsel. Jst aber zwevnge an den kinderen, so ne mogen se an deme lede nicht gesten vnde schriket an en ander let [stark bildhaft]. Chron. Kˆln 2, 621, 28 (Köln 1499): den ewigen guedigen got enmoegen wir alle sicherlich niet genoich [...] geloven mit allen den genen die uns zogehoeren bis in dat zehende lit.

6. ›Teil (wohl ein Viertel oder die Hälfte) des geschlachteten Rindes‹. − Wbg.: liedfleisch (Beleg s. v. bandelfleisch). Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 124, 9 (rib., 1348− 1407): so soillen de specksnider dat heuft in deme reichten lede afsniden zo reichte durch, ind dat sin geboer specks daan blive. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 499, 38 (halem., 1428/9): als Bertschi Riem und Andres Holtzhalb iet wedra iij lid fleisch von einem rind verkouft hand. Boos, UB Aarau 339, 9 (halem., 2. H. 16. Jh.): Sy [mexger] sond ein lid rindfleisch an den bank hencken und nit mer und denselbigen lid howen und ein fierteil vom kopf darzu,o und nit von dem lid wider in das schinthusz hencken.

7. ›Verkaufstisch für Fleisch‹; assoziativ mit 3lied verbindbar als ›Deckel der Ladenbank‹. − Bdv.: vgl. band 11, beilbank, haubank, intumbank, judenbank, kamer 2, laden (der) 3. Helbig, Qu. Wirtsch. 1, 46, 29 (md., 1487): also das er solch pfinnigk fleisch vornn auff die liedt lege und ein weiss tuch sichtiglich darunder. Ebd. 2, 98, 4 (1357/8): ist recht, daz keyne lyt meˆr sullin sıˆn an den eckin wen eyn. Winter, Nöst. Weist. 2, 730, 22 (moobd., 1430 / 1625): ob ain armes mensch zue im [fleischhacker] kämb und begehret ain pfenwert fleisch, so ist ers schuldig ime zue geben wie er dan daß ungevehrlich vor im auf der lidt hat geschroten.

1196

lied 2

lied, das; es/-e oder -er. 1. ›Lied in einem sehr generellen Sinne‹, meist auf die Einheit von Text und Weise, teils eher auf den Text, teils eher auf die Melodie bezogen, ohne daß die Ganzheit von beidem in Frage stünde; unter ästhetischem Aspekt die ganze Spannweite vom Spottlied, Gassenhauer über z. B. das Liebeslied, den Heldengesang bis hin zum Kunstlied, zum geistlichen Lied umfassend und dementsprechend z. B. den gesungenen Alltagsschwank, das Liebeslied ebenso einbeziehend wie (im 17. Jh.) die Ode; auch inhaltlich auf ein außerordentlich weites Spektrum bezogen: Alltagssachverhalte, Nachrichten, große Ereignisse, Geschichtliches, Personen, Geistliches, Weltliches. − Texte der weiteren Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch Chroniken. − Phras.: j. ist seines liedes ›j. macht sich einen passenden Vers auf etw.‹; ein lied auf einer seite fiedeln; js. lied singen (auch: pfeifen) o. ä. ›sich js. Willen fügen‹; jn. ein liedlein singen lernen o. ä. ›jn. zur Vernunft (des Mächtigeren) bringen‹; das alte lied singen; ein lied von etw. singen können (vgl. den Beleg Gilman), ein lied zu hoch anfangen und nicht aussingen ›zu weit gehen, zu hoch greifen, es aber nicht ausführen‹; dem tauben ein lied singen ›Vergebliches tun‹; ein liedlein von jm. singen ›jn. verspotten‹; lieder auf js. beutel machen ›jm. etw. zu Gefallen und zum eigenen Vorteil tun‹; ein lied von etw. machen / singen ›etw. sehr ernst nehmen, hoch aufhängen‹. − Bdv.: 2gedicht 1, gesang 1; 29, jeweils mehrfach, neue zeitung, ode, spruch, wiedersang; vgl. 1leich I, 1, leis, psalm, weise. − Synt.: ein l. begeren / erdichten / erfinden / pfeifen / singen (›häufig‹), von etw. machen, von js. fromkeit singen, zu js. lob erzälen; das l. (Subj.) erklingen, den unmut vertreiben; willen zu unkeuschen liedern haben; dem l. eine weise geben; etw. in einem l. vermären; das l. auf jn. [z. B. auf ein weib], das l. mit [einer Anzahl] gesetzen, zu eren der kunst; das arme / bäurische / daktylische / deutsche / freundliche / geistliche / gemeine / gute / hurische / lästerliche / neue / schandbare / schandliche / traurige / tro-

1197 chäische / tröstliche / unkeusche l.; der anfang des liedes. Wbg.: liedeln (um 1650), liederdichter, liedsprecher wohl ›Ansager, Moderator bei Spielen‹ oder ›j., der Lobesverse vorträgt‹ (s. u. Voc. Teut.-Lat.; vgl. Dwb 6, 995). Schade, Sat. u. Pasqu. I 56, 75 (o. O. 1542): Die [stet] wolt er der maßen treiben und zwingen, 兩 Daß sie im müsten seins gefallens ein liedlin singen. Toeppen, Ständetage Preußen 3, 579, 32 (preuß., 1453): unde sungen vor em eyn nuwe schentlich lyth, das sie off uns allen unde den ganczen roth gemacht und geticht han. Joachim, Marienb. Tresslerb. 366, 23 (preuß., 1405): ½ m. dem lytsprechir. item 1 m. den spelluthen. Luther, WA 2, 63, 5 (1519): Das man tzu schendlichen, untzuchtigen unnd unkeuschen worten, lyedern, historyen [...] willen gehabt hat. Ebd. 10, 3, 153, 7 (1522): Unnd [Paulus] hilte yetzund seine sünde so verächtig, das er gleych ain lied da von macht und sang davon. Ebd. 22, 145, 4 (1544): solche Geister [...] breitens weiter aus, singen ein liedlin von jm, lachen sein noch dazu in die faust hinein. Ebd. 25, 487, 6 (1528): Sancti pseudoprophetae utcunque habent verbum dei, das einer seins lieds ist, quod plus diligit pecuniam. Ebd. 28, 629, 25 (1529): und Moses sich nicht schemet, das er jmerdar ein Lied auff einer seiten [bezogen auf das erste Gebot] fiddelt, das ist: einerley treibt. Ebd. 32, 275, 22 f. (1545): Man kan eyn gut lid nicht zuvil singen. Ebd. 33, 581, 15 (1531): es hilfft nicht und ist dem Tauben ein Lied gesungen. Ebd. 624, 29 (1531): Sie [Juden] gedachten: das Lied ist zu hoch angefangen, er wirds nicht hinaus singen. Ebd. 49, 416, 29 (1544): was Moses, Christus predigen, hilfft nichts, sie singen das alte liedlin lam, lam. Ebd. 687, 37 (1545): das wir sollen clug sein, viel von uns haltten, andere verachten und das liedlin singen: Ich bins, Ich bins. Chron. Kˆln 3, 948, 130 (Köln 1483, Hs. 18. Jh.): dat was den goeden leit 兩 und kuntens gekeren niet 兩 und moisten singen ir liet. Wyss, Limb. Chron. 36, 25 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh., Hs. 2. H. 16. Jh.): in der selben zit sang man ein nuwe lit in Duschen landen, daz was gar gemeine zu pifen unde zu trompen unde zu aller freude. Ebd. 49, 5: in disem selben jare vurwandelten sich dictamina unde gedichte in Duschen lidern. Want man bit her lider lange gesongen hat mit funf oder ses gesetzen, da machent di meister nu lider di heißent widersenge, mit dren gesetzen. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 173, 24 (hess., Ende 16. Jh.): neue zeittungen, gesange, lieder und spruch, die seien geistlich oder weltlich. Thiele, Chron. Stolle 415, 22 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): Hencze gutiar uns diez lidelin sangk, 兩 sine winter cleydere die sint ome krangk. Weise. Jugend-Lust 82, 8 (Leipzig 1684): ihr lieben herren; Auf euren Beutel mache ich keine Lieder. Opitz. Poeterey 15, 26 (Breslau 1624): der alten Cimber oder DÁnen ebenmÁßiger gebrauch / die von ihren Helden schËne und geistreiche Lieder ertichtet haben. Voc. Teut.Lat. o iiijr (Nürnb. 1482): Herolt. heroldus. oder liedsprecher. poeta boliuus. Sachs 23, 108, 20 (Nürnb. 1556): Aller art ist der lieder sum. 兩 Ains tails schriftlich zu gotes glori; 兩 Ein grose sum weltlich histori,兩 Schuelkunst, fabel und poetrey, 兩 Zwcht-ler aus der philosopherey, 兩 Hofflich und abge-

lied

1198

stolen renck, 兩 Guet lecherlich possen und schwenck. Bihlmeyer, Seuse 26, 5 (alem., 14. Jh.): so gand die jungling dez nahtes us [...] und bitent dez gemeiten, daz ist, su´ singend lieder und sprechent schËnu´ gediht. Spanier, Murner. Narrenb. 15, 42 (Straßb. 1512): Sy wËlten ein schlechten prelaten 兩 Mit listen vnd mit spitzem fundt, 兩 der ir liedlin singen o syn [bischoff] kundt. Ebd. 19, 43 (Straßb. 1512): Er muß lied on weren pfyffen. 兩 Nachs bischoffs dantz syn reyen fieren. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 314, 5 (Hagenau 1534): der kan vil davon singen und sagen / daß ich wolt wol ein lidlein da von singen. Ebd. 2, 79, 14 ([Augsb.] 1548): Das brot ich esse / das lied ich singe. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 14, 31 (Straßb. 1650): Niemand aber ist der uns daselbsten grösser Dienst leiste als die Poeten, Lieder-Dichter, mit liegen und senften. Maaler 273 (Zürich 1561): Heilsams vnd frËlichs Lied / das einem den unmÈt / trauwren vnd sorg vertreybt / dz einen frËlich vnd mÈtig machet. [...] WÈst unnd unflÁtig Lied. Wyss, Luz. Ostersp. 3455 (Luzern 1575): sy [Krieger des Herodes] ryttend mitt grosser schar! 兩 Nemend ir der schönen fröwlin war 兩 Vnd hiessend o vch ein liedlin singen. Sappler, H. Kaufringer 32, 116 (schwäb., Hs. 1464): Der ailft trunk mich von kreften schied. 兩 baide weis und auch lied 兩 koment an ir alte statt. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 61, 15 (schwäb., v. 1542): die briesterschaft zu schmechen und schenden mit schantlichen liedern zu singen auf der gassen. Ebd. 79, 36: kamen sy mit gwalt in die stat, must ain frumer rat, auch etlich frum redlich menner auß der gemaint ir liedlin singen. Barack, Zim. Chron. 2, 230, 21 (schwäb., M. 16. Jh.): so herr Hainrich [...] die zeit erlept haben sollt; wurt er schenk Eberharten [...] ain anders liedlin haben singen lernen. Ebd. 3, 306, 31: da haben die spaivögel ein liedt von gemacht, das thuet den Rotweilern zorn. Schmitt, Ordo rerum 267, 16 (oobd., 1466): Gannio [...] sprecher [...] lietsprecher [...] klaffer. − Luther, a. a. O. 35, 473, 23; Schein, NA 6 Xb, 12; Schmidt, a. a. O. 1, 152, 6; D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 19, 22; Opitz, a. a. O. 11, 13; 44, 11; Gille u. a., a. a. O. 69, 205; 82, 99; 116, 165; Mayer, Folz. Meisterl. 90, 76; Ingen, Zesen. Ged. 388, 29; Bihlmeyer, a. a. O. 139, 28; 140, 3, Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 828, 10; Barack, a. a. O. 1, 300, 25; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 207, 45; Klein, Oswald 41, 41; Kummer, Erlauer Sp. 4, 317; Bremer, Voc. opt. 35055; Dict. Germ.-Gall.Lat. 307; Schles. Wb. 2, 812. − Vgl. ferner s. v. anzäugen 1, auserreuten, ausmessen 7, papist, bäurisch 2.

›Angelegenheit, Sache‹; nur schwach und ansatzweise phrasematisch belegt. Luther, WA 49, 330, 26 (1544): Sie [Heiden] aber nemen mich mit freuden an, bey ihn wil Ich sein, wie gefelt euch das lied? − Ebd. 492, 32. 3 lied, das; −/auch er ; zu ahd. hlit, mhd. lit ›Deckel‹ (Lexer 1, 1939; Schweiz. Id. 3, 1088; Dwb 6, 982). ›Deckel auf Hohlkörpern (Gefäßen, Truhen u. ä.)‹. − Bdv.: deckel 1, sturz; vgl.

1199

liedbrechen − liederlich

decke 1, laden (der) 4. − Synt.: das l. anhängen / zutun, von dem geschir stossen; das l. (Subj.) zustossen; den brunnen mit einem l. abdecken; das l. über die bütte; das überdekte / versperte l.; der kopf / laden, die schachtel / stande mit einem l., blumen auf dem l. Wbg.: liednagel ›Nagel für einen Sargdeckel‹. Ziesemer, Gr. Ämterb. 2, 38 (preuß., 1374): 2 hoe obirgolte koppe mit leden. Franz u. a., Qu. hess. Ref. Bd. 2, 2, 311, 23 (hess., 1539): hat man den goldschmieden befohlen, den sarck aufzubrechen, welche die liednägel abgezwengt. Lichtenstein, Lindener. Rastb. 55 (o. O. 1558): er machets so grob mit ir, daß das lid oder deckel an dem todtenbaum o zu schlug. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 637, 10 (halem., 1455): ze machen diß werck, [...], mit namen einen o o kopff mit lid und mit fuß und ein blumen uff dem lid. Maaler 248r (Zürich 1561): kast mit einem gewËlbten deckel oder lid. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 303, 3 (schwäb., 1491): in den nÁchten zimpt es sich das lid zuo o v zethund, das das tow nit darin fall. − Joachim, Marienb. Tresslerb. 63, 3; Ziesemer, a. a. O. 567, 7; Hampe, Ged. v. Hausrat 4, 5, 3; Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 1, 89; 26; M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 29, 24; Barack, Zim. Chron. 2, 79, 24; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 333; 544; 776.

liedbrechen, lieddrüse, s. 1lied 3. liedeband, liedeganz, s. 1lied 1. liedeln, s. 2lied 1. liedemas, s. liedmas. liederdichter, s. 2lied 1. liedere, die. ›Lachsweibchen‹, Bezeichnung, die vom Herbstmonat an gegeben wird (so Schweiz. Id. 3, 1093). Welti, Stadtr. Bern 135, 16 (halem., 1431): das nach aller heiligen tag hin weder vsser noch inder vischer keinen visch, die da lidernen oder lachss heissent, vachen [...] sËllent. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 227.

liederlich, Adj. 1. ›nachlässig, leichtfertig (von der Haltung und den Handlungen des Menschen); seiner sozialen Verantwortung und Verpflichtung nicht nachkommend; durch Nachlässigkeit unfähig; schuldig, verantwortungslos‹; auch: ›gewöhnlichen Standes, gering‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: entbunden, faul, heillos 2; 3, las 2, leichtfertig 3; 4, nichtswürdig, träge, versäumlich, vertüig, un-

1200

nütze, weich. Ggs.: aufrecht 2; 3. − Synt.: j. (in seinem werk) l. sein; l. handeln / lernen, etw. l. verprassen, etw. (ein ampt) l. ausrichten, jn. l. vereren / verfüren, etw. l. wenden ›leichtfertig behandeln‹, sich l. mit jm. einlassen, l. einen krieg anfangen, sich e. S. l. verwegen; der liederliche haushalter / meister, das liederliche gebändze / haushalten, die liederliche tat / tochter, liederliche leute. Wbg.: liederliche (die), liederlichkeit. Schˆpper 30a (Dortm. 1550): Negligens. Hinlässig lässig seumig vnachtsam verachtig faarlessig liederlich verachtloß sorgloß ablessig ¶ seumling seumiger. Ebd. 56a: Inutile. UnnÈtz liederlich vnfÈrderlich nichtsËllig. Luther, WA 32, 527, 38 (1530/32): geschihet jn ja recht, die sich so liderlich verfuren lassen. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 46, 13 (rib., 1500): dardurch mench minsch in verschinener zijt des lidderlichen gebentz ind versummnis der wonden halven verwarloeist ind afliffich worden ist. Schwartzenbach 28r (Frankf. 1564): Faul. [...]. Hinlessig. Liederlich. Ablessig. Nachlessig. Seumig. VmfrÈtig. Vnwacker. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 278, 33 (nürnb., 1464/75): Als dan liderlich meister hie aufgenummen sein auf dem hantwerck der decker piß her, die den morter nit gewist haben zu bereiten. Fischer, Folz. Reimp. 18, 179 (Nürnb. um 1520): Wie er zu vil lyderlich sey 兩 Mit vil dingen, und sagst darpey 兩 Der frawen fur, ir sey der man 兩 Zu hert. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 49, 19 Var. (Straßb. 1466): Der do ist linde vnd entpunden [Var. 14752 - 1518: liederlich; Froschauer 1530: faul, traag; Eck 1537: waich; Luther 1545, Spr. 18, 9: lass] in seim o werck: der ist ein bruder des des seine werck seint verwust. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 21, 26 (Straßb. 1650): werden also die arme Teuffel eben schlecht gehalten vnd liederlichen verehret, da wir doch so hungerig nicht sind, daß wir alles das so man vns zuwünschet annehmen wirden. Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 26, 19 (Zürich 1521): Der nienar vff ein uffsehen hat dann uff gemeinen nutz / facht nit liederlich ein krieg an. Maaler 273r (Zürich 1561): Liederlich vnnd nit aufrÁcht seyn in seinem ampt. [...]. Er ist eines Liederlichen vnnd schmÁchlichen tods vmbkommen. Ebd. 341r: Sag nit das es meiner liederliigkeit schuld seye. Rennefahrt, Zivilr. Bern 432, 11 (halem., 1564): von der i unnutzen liederlichen lütten wegen, di ir guto mit merckten, tuschen, gält uffbrächen, entlenen, zeren, kouffen, verkouffen, verbürgen, versetzen, [...] verthünd. Chron. Augsb. 5, 388, 14 (schwäb., um 1530): es hett sich das auch niemandt liederlicher understeen [...]. Rot 358 (Augsb. 1571): Vanitet, Eytelkeyt / lug [...] / liederlichkeyt. Barack, Zim. Chron. 1, 423, 32 (schwäb., M. 16. Jh.): in dem er kain mangel oder etwas befunden, darin er fürnemlich, dann allain umb sein saumnus und liederligkait in aignen sachen, zu strafen gewesen. − v. d. Broek, Suevus. Spieg. 182 r, 41; Chron. N¸rnb. 2, 371, 6; Goedeke, Fischart Flöh Haz 3456; Qu. Schweiz. Gesch. 1, 165, 3; Bachmann, Haimonsk. 82, 3; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 157, 7; 192, 14; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307,

1201

liederliche − liedern

24; Rwb 8, 1316; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 223; Schweiz. Id. 3, 1100. − Vgl. ferner s. v. 1aufbrechen 13, befogtung, begschierer.

2. ›schnell, rasch; unüberlegt, übereilt, voreilig‹; offen zu 1 und 3. − Bdv.: schnel, unbesonnen; vgl. bald 1, leicht 5, leichtfertig 2; 3, leichtiglich 3. Sachs 18, 353, 17 (Nürnb. 1565): Das alls kurtze zeit thut bestehn, 兩 Gleich eim schlaff liderlich vergehn. Ebd. 20, 299, 6 (Nürnb. 1563): Daß sie [lieb] nit liderlich abfellt, 兩 Weil lieb sein lieb helt trew und vest. Lindqvist, K. v. Helmsd. 2808 (halem., Hs. um 1435): Er [ly¨p] dring da v durch an allen wank 兩 Als liederlich als ain gedank. Turmair 1, 198, 27 (moobd., 1529): er [Papst] ist je von himel und hell mit seiner gewalt so liederlich verstossen worden, über welche er lange zeit die schlüssel so gewaltiglich gehabt hat, im sein schwert, den ban, [...], so liederlichen [dies zu 1] zucken lassen. Ebd. 4, 12, 22 (moobd., 1522/33): wie unbestendig [...] der ruem, [...] seie, wie es gar schnel und liederlich zergeˆ. Ebd. 725, 30: Der angelt mit ainem gulden angel, der unbesunnen und liederlich sich in krieg begibt. − Chron. Magdeb. 2, 200, 10; Bachmann, Haimonsk. 207, 15. − Vgl. ferner s. v. anzäugen 1.

3. ›mühelos, leicht, ohne Schwierigkeiten, auf leichte Weise‹. − Bdv.: leichtlich 3, ringlich; vgl. gering 4, leicht 3. − Synt.: l. davon kommen, ledig werden, etw. glauben, l. einen anfang machen, l. zu behaben ›zu erhalten‹ sein, l. vogtbar werden (von Gütern), eine stat l. nemen, sich l. vergleichen, sich l. abweisen / bereden / überwinden lassen, etw. (ein übel) l. zerrinnen lassen, l. bedenken, das [...]. Luther, WA 41, 585, 19 (1536); so wir sehen, wie sich die arme leute so liderlich lassen dahin reissen vom Wort. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 20, 30 (Hs. 2omd., 14659): was scheuzlich ist, das ist leidenlich [Var. schwäb., um 1500: liederlich] zu haben. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 153, 18 (halem., 1508/16): si [Zürcher; ...] hatend ein guto sach fersumt; den si dise stat abermals liederlich hetind mogen in nemen. Unger, Richtes Stig 3, 12 (1474): durch sölich eigenschaft [libeigen sein] wer die gut liederlich vogtper. Mollwo, Rotes Buch Ulm 234, i [...] untz her ringlich und 7 (schwäb., 1418): als unser lute liederlich in unser statt Ulme kommen sind. M¸ller, Welthandelsbr. 130, 12 (schwäb., 1506): So du dan waist, wie vil reali auf ain onz am gewicht, so magst liederlich machen, wie du ain allain nemen oder koufen solt. Reithmeier, B. v. Chiemsee 33, 7 (München 1528): Jme [Cristo] mit lieb, geduld vnd mitsamkait begegnen, auch dir das vbel der straff vnnd zeitlicher widerwaertigkeit liederlich zerynnen lassen, auf das du [...] selig werden moegst. − Toeppen, Ständetage Preußen 5, 620, 33; Luther, WA 30, 2, 701, 5; Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 45, 37; Franz u. a., Qu. hess. Ref. 2, 342, 4; Chron. N¸rnb. 5, 611, 3; Sachs 14,

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315, 4; 20, 290, 28; Bachmann, Haimonsk. 41, 6; Brandstetter, Wigoleis 201, 28; Reithmeier, a. a. O. 7, 9; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 29. − Vgl. ferner s. v. abweisen 5, behelfen 4.

4. ›freiwillig, aus eigenem Antrieb; leutselig, gelassen‹. − Bdv.: s. u. Hˆver ; vgl. gern 4, gewillig, gunstwillig, gutwillig 2, los (Adj.) 11. Hˆver, Bonaventura. Itin. B, 392 (moobd., 1450/60): die aller hochst ausgiessung mag nicht gesein, sy sey denn [...] selbstendigkleich naturleich, willig, freymÈtig, liederleich. Turmair 5, 336, 20 (moobd., 1522/33): Hainrich, [...] der Lew, ist ein ernstlicher weiser fürst gewesen [...], ein milter liederlicher fürst mit allen leuten.

5. ›geringfügig‹. − Bdv.: vgl. geringfügig 1, klein 9, kleinfüge 1, leicht 8. − Synt.: von liederlichen sachen, aus liederlichen ursachen, aus liederlichem wortgezänk, um liederliche dinge, um liederlicher ursachen willen. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 279 a, 7 (Frankf./M. 1649): daß man meines erachtens offt auß gar liederlichen Ursachen [...] die gefangene auff die Folter erkennet. Koller, Ref. Siegmunds 309, 24 (Hs. 2Augsb., um 14409): Wir sechen dick wol, das von liderlichen sachen offt groß krig auffsten. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 236, 28 (halem., 1525): wenn also ein biderman umb liderlich ding verclagt, das dann der vernunft und dem rechten gemäs ime der vercleger anzögt und gestellt werde. − Luther, WA 49, 612, 32 (1544); Oorschot, a. a. O. 341a, 23.

6. ›etwa, ungefähr‹. Peil, Rollenhagen. Froschm. 5917 (Magdeb. 1608): Liederlich vmb den halben werth 兩 Wie ein alt abgetrieben Pferd.

7. ›reizend, anmutig (von Personen, Handlungen)‹. − Bdv.: vgl. geschöne, gnadenreich 5, lustsam 1. Klein, Oswald 18, 106 (oobd., 1416): In urtail, rat vil weiser hat geschätzet mich, 兩 dem ich gevallen han mit schallen liederlich. Ebd. 57, 18 (um 1402?): Weiplicher weib mensch nie gesach, 兩 so liederlich an tadels punt. Ebd. 91, 19 (1409?): so ich betracht und acht, 兩 das mich liederlichen umbfacht 兩 ermlin macht.

8. in formaler und inhaltlicher Anlehnung an luderlich: ›mittels eines Köders‹. Sachs 13, 35, 8 (Nürnb. 1556): er muß sterben von meiner hand; 兩 Ich wil im wol ein luder steln, 兩 Das ich in liderlich wil feln.

liederliche, liederlichkeit, s. liederlich 1. liedern, ledern (letzteres vereinzelt), V. 1. ›(eine Tierhaut) beizen, gerben, (Tierhäute) zu Leder verarbeiten‹. − Bdv.: 1bereiten 1, gerben 5, 1lohen.

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liedern − liedlon

Helbig, Qu. Wirtsch. 1, 86, 7 (md., 1459): von einem wolffe zu liedern drei pfennig. Jtem von einem hundert konelyn zu liedern ader zu gerben, [...], iij groschen. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 279, 31 (hess., 1377): sal keyner, der kurssenerhantwerg zu Franckfort tribet, hinfure hondeshude oder felle gerben, lydern, [...] oder verarbeiden. Bobertag, Eulensp. 90, 13 (Straßb. 1515): Ulenspiegel nam die bereiten fel, [...] Und nimpt die trucknen fel vnd die geliddert waren. M¸ller, Welthandelsbr. 177, 38 (schwäb., 1506): Man bringt auch aus Kathalonia vill weisser glidert fell gen Jenua. Barack, Zim. Chron. 2, 548, 18 (schwäb., M. 16. Jh.): het er sein gewonlich klaidt an, war ain geliderte eselhut. − Loose, Tuchers Haushaltb. 79, 33; 156, 3; Raabe, Wortsch. Murner 2, 437. − Vgl. ferner s. v. bärenhaut 1.

2. ›hart und steif wie Leder werden‹; ütr. (im Part. Prät.): ›ausgebildet, gelehrt, in einer Sache beschlagen‹. Spanier, Murner. Narrenb. 6, 118 (Straßb. 1512): Offt vnd dick sindt meyster worden, 兩 Die nit also gelidert waren, 兩 Das sy doch künten eyns erfaren, 兩 Ob logica noch rechter lere 兩 Gredt mülleryn geschwiger were. Nyholm, Füetrer. Gralepen 702, 1b (moobd., 1473/8): So das in in dem munde dy zung begund zue ladern.

liedern (Adj.), s. ledern (Adj.). liedeschärtig, s. 1lied 3. liedfleisch, s. 1lied 6. liedfüge, s. 1lied 1. liedganz, s. 1lied 3. liedgesucht, liedgesüchte, s. 1lied 1. liedhandschuh, s. 1lied 3. liedlich, s. liedlon 1. liedlon, der, auch das; -s/−; zur rechtlichen Rolle des Liedlohns s. Rwb 8, 1298 ff.; zur Etymologie: Dwb 6, 994. 1. ›Lohn für Gesinde, Dienstboten, Tagelöhner‹, in den Belegen überwiegend als Zahlungspflicht des Gesindeherren (Auftraggebers o. ä.) bzw. als Forderung, Recht des Dienstleistenden angesprochen, damit Gegenstand von Rechtsregelungen, in denen die Zahlungspflicht bzw. das Recht auf Zahlung, die Rangfolge des Liedlohns innerhalb anderer Pflichten / Rechte und die Art der Dienstleistung einen erhöhten Stellenwert einnehmen. − Keine omd. und nrddt. Belege; gehäuft Rechts- und Wirt-

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schaftstexte, vereinzelt didaktische Texte. − Phras.: es brent und bra¨t jm. um den liedlon ›jm. brennt der (unbezahlte) Liedlohn auf der Seele‹. − Bdv.: besoldung, dienstlon, geld 1, 2; 4, hofzins, trinkgeld 2. − Synt.: den l. fordern / verwirken, mit dem eide behaben (vom Berechtigten gesagt), den l. verhalten / verziehen / vorbehalten / anstehen lassen (vom Zahlungspflichtigen gesagt), jm. (den) l. ausrichten / geben / gelten, den l. an jn. fordern, l. zu jm. haben ›zu fordern haben‹, den l. ungefordert gestehen lassen; der l. ein jar bestehen, spa¨nnig erscheinen; jn. des liedlons berauben / bezalen; um den l. kommen, um l. zu recht fu¨rbieten, pfand um l. geben, jm. um l. dienen, jn. um l. beklagen / pfänden (vom Berechtigten), jn. um l. ausrichten / vergnügen / bezalen (vom Pflichtigen), auf jn. um l. klagen, jm. etw. zu l. geben, sich durch l. verschulden, etw. für l. achten, jm. etw. fu¨r den l. geben ›billig bezahlen lassen‹; der l. der knechte / dienstmeide / taglöner; der billiche / gebu¨rende / schno¨de / (un)verdiente l.; die bezalung / quittanz des liedlons; die klage um den l. Wbg.: liedlich ›entsprechend liedlonBedingungen (als Klammerbildung auffassbar)‹, liedlo¨ner (dies reich belegt im Rwb 8, 1303). Struck, Joh. Pfannstiel 155, 29 (mosfrk.,1542): Usgyfft vor das gesinde: Pauels Hen der schmit lidlone 9 fl. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 87, 17 (hess., 1594): im fall er [knecht] auch vor seiner gedingten zeit one erhebliche uhrsachen aus seinem dienst tretten wurde, soll er nit allein seinen verdienten liedtlohn dardurch verwurckt haben. Brinkmann, Bad. Weist. 268, 34 (rhfrk., 1613): daß diejenige, so [...] den vogtsjunkern, [...] in billichem lidlichem lohn zu arbeiten schuldig, [...] gezwungen werden soll. Dinklage, Frk. Bauernweist. 113, 4 (nobd., 15. Jh.): umb lidlon mag ein iglicher einen phenden auf der gassen. Euling, Kl. mhd. Erz. 931, 22 (nobd., E. 15. Jh.): sag aller welt das groste leyt, 兩 dy¨ alle menschen müssen dulden 兩 die sich durch lidlon also verschulden [‹schuldig werden‹]. Franck, Klagbr. 222, 19 (2wohl Nürnb.9 1529): Ja sind einer solichen vnuerschampten stirn / daß sie auch den zehend von dem lidlon der armen dienstmaid knecht vnd taglËner dÈrffen fordern. Geier, Stadtr. Überl. 344, 1 (nalem., 1532): wann miner herrn schulden, die hußzinser oder lidlöner vorhanden sind, so söllen deß ersten meine herrn umb ihr schulden, ald, so die nit weren, der hußzinser oder nach im der lidlöner sölliche gütter alle verganten lassen. Kˆbler, Stattr. Fryburg 84, 31 (Basel 1520): so zuo besorgen wer das uß des schuldners guto nit bezalu˜g geschehe¯ mËcht / so sol von allererst vß dem selben sinem gemeinen verlassne¯

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liedlöner − liedmas

guto / dz gefrËnt würdt / [...] / sin libfall vnd begrebde / [...] / darnach die so im in solcher kranckheit gedient hetten / irs lidlons bezalt / [...] werden. Fuchs, Murner. Geuchmat 3767 (Basel 1519): Was ich genummen hab von dir, 兩 für mynen lydlon gabstu es mir. Argovia 4, 327, 13 (halem., 1550): Welicher sich laszt beclagen vmb zergelt, gelichen gelt vnd lidlon, dem soll [...] geboten werden, den cleger über ein twärnacht auszurichten, vnd welicher also vm lidlon beclagt wird, der verfallt vns [...] zuo buosz drei pfund haller. Ebd. 9, 73, 7 (1495): was ein schmid mit siner hand gedienet, das ist Lidlon; und wo er einem Isen git, das ist ein kouf, uˆßgenommen das einer zum pflug bruˆcht, das ist Lidlon. Ebd. 90, 16 (1572): Wellicher zu Einem Lidlon hätti, der mag’s inzüchen uˆf einen Tag, ist es nit verjaret. B‰chtold, H. Salat 81, 1 o (halem., 1551): Ich wil es dir aber setzen vff din sel, da muss es dir brünnen vnd bratten vm sin lidlon, den er den gantz nacht hett vssgeschribben, das er dich vergelti. Maaler 270v (Zürich 1561): Lidlon (der) Salarium, Merces, Præmium, Manupretium. Ebd. 277r: Lydlon (das) Das man mit der hand gewunnen hat. Aes manuarium, Manuarium pretium. Hauber, UB Heiligkr. 2, 364, 17 (schwäb., 1484): von lidlons wegen, da soll sich dhainer vor gericht umb laussen beclai gen [...]. Item es soll dhainer dhain unnutz pfand umb lidlon geben. Reu, Süddt. Kat. 1, 787, 42 (Augsb. 1543/4): sein gut vnnütz verschwenden, vergeülen, verbanckethieren, den lidlon vorbehalten. Rˆssler, Stadtr. Brünn 393, 25 ff. (mähr. inseldt., 1. H. 14. Jh.): Von hofczins und von lidlon und von trinchgelt. Wer czu chlagen hat auf den andern um hofczins und um lidlon oder um trinckgelt, der mag drei chlag tuen, [...] doch schol man mercken, daz niemant lidlon mag behaben, er sei dan ein gedingter diner oder arbeiter eines herren und sei sein tegleich gesind und esse tegleich sein prot. − Krebs, Prot. Spey. Domkap. 1, 1956, 1; 3656, 1; Cirullies, Rechtsterm. Anh. 1981, 246; Kˆbler, Ref. Nürnberg 175, 7; ders. Stattr. Fryburg 80, 6; Spanier, Murner. Schelmenz. 14, 32; Sachs 4, 220, 23; Sudhoff, Paracelsus 8, 34, 41; Geier, a. a. O. 343, 33; Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 371, 12; Welti, Stadtr. Bern 98, 18 ff.; Rennefahrt, Wirtsch. Bern 614, 13; Boner, Urk. Zofingen 566, 21; Adomatis u. a., J. Murer. Spieg. 1389; Argovia 4, 351, 35; 9, 117, 20; Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 784, 40; Chron. Augsb. 6, 59, 8; Wutzel, Rechtsqu. Eferding 86, 7; Siegel u. a., Salzb. Taid. 215, 29; Rˆssler, a. a. O. 390, 38; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 32; Schweiz. Id. 3, 1288; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 222; Vorarlb. Wb. 2, 279.

2. ›Lohn der Bergarbeiter‹, vereinzelt auch ›Lohn von Arbeiter(inne)n in Handwerksbetrieben‹. − Omd.; Rechts- und Wirtschaftstexte. Ermisch, Freib. Stadtr. 277, 31 (osächs., 1350/79): Welch man uf deme hantwerke von wollenslegern ader von spynV ir lon, daz se vordyent haben, nerynnen vor den meistern umme wirt beclayt, demselben manne sullen dy meistere sin werg niderlegen alzo lange, biz [...]. Ders., Sächs. Bergr. (osächs.,

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1479): also, das die sachen, die [...] zcu bergkrecht gehoren, als umb sammekost unnd vordints lidlon, [...] uff das slunigst geendt werden. Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 229, 10 (osächs., 1542): dodurch der steiger sampt den arbeitern geursacht, umb iehren vordienten lidlon das recht darzu anzustellen. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 253, 19 (schles., 1528): dass ein ieglicher getreuer arbeiter seines verdinten lidlons [...] von seiner arbeit bekomen mag. Ebd. 261, 6: So mer dann ein [...] verbot auf ein gut geschehen und vor gericht kumen, soll zuvoran gericht werden verdint lidlon. − Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 60, 32; Weizs‰cker, a. a. O. 142, 30.

liedlöner, s. liedlon 1. liedmag, liedmage, der; −/auch -π (für -mag), -mage, -magen. ›Blutsverwandter‹; auch: ›Erblinie‹; vgl. 1 lied 6. − Alem.; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: (blut)freund; vgl. agnat, cognat, gesippe (der), leibsfreund, mag 1. − Synt.: der l. erben, ein gut kaufen; dem l. etw. bieten / leihen, dem l. etw. zustehen; der nÁchste l.; blutfreunde an der l. Wbg.: liedmagschaft. Welti, Stadtr. Bern 55, 31 (halem., A. 14. Jh.): So denne o stirbet, so erbent die nechsten lidmage. Rennedie muter fahrt, Staat/Kirche Bern 836, 8 (halem., 1546): so vil den grad der lidmagschaft betrifft, darin sich die trostung erstrecken soll, das die bemelt trostung sich nit wyter erstrecken sËlle, dann biß in das dritt glid dero, so einandern zuo erben [...] hand. Ders. Statut. Saanen 22, 1 (halem., 1397/ 98): denselben sËllent und mËgent die nechsten frunde, [...], und lidmag an der linien der sibschaft, [...] erben. Ebd. 214, 3 (halem., 1598): so soll sich des abgestorbnen guto in zwo linien erben, der halbteil vater halben den nöchsten, der ander o o halbteil muter halben den nöchsten blutfründen an der (hier natürliches Geschlecht oder Kopfbildung für liedmagschaft) lyd mag und lynien der sipschaft. − Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 88, 16; Rennefahrt, Zivilr. Bern 154, 33; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 222.

liedmage, liedmagschaft, s. liedmag. liedmas, (vereinzelt:) liedemas, das, auch die; −/-en, -er, -π, -e + Uml. 1. ›Gliedmaß, Körperteil‹; zu 1lied 4; teils im Sinne der Beziehung von ,Haupt und Gliedern’; vgl. dazu 1lied 5. − Bdv.: vgl. auswendigkeit 1, 1bein 1, glied 1; 2, gliedmas (das) 1. − Synt.: keine l. haben, die l. greifen / sehen / regen, an sich nemen; die liedmas des leibes / leichnams, unter einem haupte; gleiche / rechte liedmas(sen); kundschaft der liedmassen. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 71, 27 (preuß., 1463): die [...] undir einem herrn geleiche rethe weren und undir eynem

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liedmässig − liefern

houpte geleiche lithmoszen. Jostes, Eckhart 46, 23 (14. Jh.): di sel wurchet in einen influz in alle die leidmazzen des leibes an chuntschaft der lidmazzen. Strauch, Par. anime int. 83, 6 (thür., 14. Jh.): wan daz kint inphangin wirt in der mudir libe, so hait ez lidemese. Schˆnbach, Adt. Pred. 8, 36 (osächs., 1. H. 14. Jh.): swer so geloubet an o in und horet im zu undist sin lidemaz Christum der nutzet worden. Mayer, Folz. Meisterl. 19, 55 (nobd., v. 1496): Wo nit die krefft 兩 Der sel all lidmas regten. Klein, Oswald 63, 37 (oobd., 1416): doch möcht ich es gefügen bas, 兩 das ich die lidmass [von der gürtel umbevangk bis auf den füss] griff und säch. − Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 1, 270, 36; Mayer, a. a. O. 18, 140.

2. ›Ebenmaß des Körpers und seiner Glieder‹; speziell: ›Gesichtszüge; Handlinien‹; vereinzelt: ›Gleichgewicht generell‹; zu 1lied 4. Volkmar 329 (Danzig 1596): Lineamentum, die strich / oder liedmaß am antlitz / vn˜ hende˜. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 118, 22 (rhfrk., um 1435): Des keysers dochter [...] hat gar eynen schonen lyp vnd gude gelider in rechter lydemasse. Koller, Ref. Siegmunds 52, 7 (Hs. um 1475): das es nit mer woll gen mag, man hab dan ein rechte ordenung deß geistlichen und weltlichen standes, wann dye stend ploß on alle lidmaße. Ebd. 173, 21 (Hs. 2Augsb., um 14009): an allen sachen, an den got gemaint sol werden und in zugehort; daran hat nymant kain rechte lidmaß mer, gots und seins rechtens ist gar vergessen (hierher?). V. Anshelm. Berner Chron. 2, 152, 21 (halem., n. 1529): einen gerao den kËrpel, also nach aller lidmauss ganz zusammen getragen wurdend. Spechtler, Mönch v. Salzb. 1, 64 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Keuschlichem leib 兩 gab recht lidmass die modelscheib [auf Maria bezogen]. − Wackernell, H. v. Montfort 5, 50; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 1991, 208.

›Liedlohn, Gesindelohn‹. − Bdv.: vgl. liedlon. Winter, Nöst. Weist. 3, 818, 30 (moobd., v. 1483, Hs. 1643): wan ainer gegen dem andern spricht umb lidmu¨et, die mueß er bestetten mit seinem rechten.

liednagel, s. 3lied. liedschärte, s. 1lied 3. liedsucht, liedsüchtig, s. 1lied 1. liedtief, s. 1lied 3. liedweich, Adj. ›weich, biegsam (von Sachen); schlapp, matt, entkräftet (von Personen)‹; dazu ütr.: ›wankelmütig‹; vgl. 1lied 1; 4. − Bdv.: vgl. biegenlich, biegig, geleichnig, geschmeidig, gleichig, lenke. − Wbg.: liedweiche. Schˆpper 52a (Dortm. 1550): Imbecillis. Schwach unstarck machtloß vnuermÈgig blËd lidweich ¶ luck vnuäst weich. Helm, H. v. Hesler. Apok. 11030 (nrddt., 14. Jh.): Wen wir lide weichen 兩 Nach den worten uns bekarten 兩 Die jen alden uns vor larten. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 368, 11 (halem., 1534/5): das diß geschrifften allein für die ober / und erberkeytt / alls die hochverstendigen / und nit für die lidweychen gmuto des unverstands / oder wyplich gschlecht / alls durch truck usgan noch kon wirdt. Maaler 270v (Zürich 1561): Lidweich / Weich / ZÁch als weyden. Ebd. 277r: Lydweich / ZÁch / Das sich gern laßt zesame˜ legen oder biegen. [...] Lydweiche (die) Lentitia. Barack, Zim. Chron. 2, 140, 35 (schwäb., M. 16. Jh.): Do waren die pauren gegenwürtig, deren ieder ain lidwaichen tremmel in der handt. − Ebd. 3, 611, 42; Schˆpper, a. a. O. 1146; Schweiz. Id. 15, 205.

liedmässig, Adj. ›körperlich (wohl)geformt, gerade, schön‹; zu liedmas 2. − Bdv.: 2gerade (Adj.) 2. − Wbg.: liedma¨ssigkeit.

liedweiche, s. liedweich.

Ziesemer, Proph. Cranc Ez. 17, 3 (preuß., M. 14. Jh.): eyn groz adylar grosir vlogele, langir ledemasikeit [Worms. Proph. / Froschauer 1530: schwingfÁdern; Eck 1537: schwaif der glider; Luther 1545: fittichen] vol veddirn. Gille u. a., M. Beheim 267, 76 (nobd., 2. H. 15. Jh.): zwai bain, lid messig ach 兩 sein sy gerichtet nach der sichel. Ebd. 268, 77: zwai rechte lid messige peine 兩 und die sein als zwen pölcz gerichtet schaun. Barack, Zim. Chron. 1, 338, 2 (schwäb., M. 16. Jh.): Derselbig herr Wörnher wardt von menigclichem als der gredest, lidmessigest herr [...], geachtet, desshalben er fast angesehen [...] ward.

lieferkauf, s. liefern 1.

liedmässigkeit, s. liedmässig. liedmüte, der; Gw zu mhd. miete, müete ›Lohn‹ (Lexer 1, 2134).

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liefergeld, s. liefern 1. lieferherre 1; 2, s. liefern 1; 3. liefern, V., über mnl. Vermittlung aus afrz. livrer ›liefern‹ (Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1943, 385). 1. ›etw. (sehr unterschiedliche Bezugsgrößen) liefern, abliefern, überstellen, aushändigen‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken. − Bdv.: überantworten, übergeben, zustellen; vgl. abdienen 2, abfüren 7, abschütten 6, antworten 8, auserlegen, beigeben, stellen 1. Ggs.: verhalten. − Synt.: etw. (z. B. abholz / geld / stroh / silberwerk / steuer / zin / hü-

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lieferung

ner / kälber / lämmer, die bete, einen topf, ein pfand / register / ros, eine ansprache / tafel) l. Wbg.: liefergeld ›abgeliefertes Geld‹, lieferherre 1 ›Lieferant (von Rohstoffen)‹, lieferkauf ›Lieferung (von Holz) aufgrund eines Kaufvertrags‹. Dat nuwe Boych 432, 29 (rib., 1396): beuall, dat he dat gehauen gelt weder in die Rentkamer brengen vnd leueren sculde. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 476, 36 (mosfrk., 1548): doch das solche zuordnungh des nebenfursters lenger nicht, dan dis liferkouif volzogen, werhen. Chron. Mainz 1, 152, 33 (rhfrk., 15. Jh.): wir wolten sie [registere] ungern verhalten, sondern ine die gerne [...] geliebert haben. Ebd. 1, 159, 8: also wart dem rade solich ansprache gelebert von den 20 of mandag. Kˆbler, Ref. Wormbs 79, 7 (Worms 1499): das ich de˜ .N. verkaufft vn˜ er vmb mich kaufft hat ein Huß. Roß. Fuderwynß ec. das ich ym zu syner gewaltsam [...] gelibert oder vberantwort habe. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 246, 31 (hess., 1511): wurde aber eyner gemacht wergk von eynem goltsmit [...] kauffen, so sal der liebererherre das probegelt betzalen. Chron. N¸rnb. 4, 170, 12 (nobd., 15. Jh.): und ieglich person, [...], söllen von hundert milion lifer gelts [...] begabt werden. Merk, Stadtr. Neuenb. 121, 37 (nalem., 1616): das abholz und fleckling, so wider zue brauchen, in gewohnliche werkheuser zue liferen. M¸ller, Welthandelsbr. (schwäb., 234, 28): so bedingt einer wol, daß imß der verkaufer ins scheff libert an die ort, (so) er haben will. Chron. Augsb. 8, 419, 9 (schwäb., zu 1556): daß sie dem kriegsvolck [...] alle wochen 140 klaster [holtz] lüffern. − Helbig, Qu. Wirtsch. 4, 94, 31; Kollnig, Weist. Schriesh. 125, 10; 16; K¸ther, UB Frauensee 372, 11; 14; Chron. Augsb. 5, 29, Anm. 4; Henisch 1460; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 307, 42; Rwb 8, 1320; Pf‰lz. Wb. 4, 983. − Vgl. ferner s. v. achtmas, ausserman, pastor, befreien 2.

2. ›jn. ausliefern, überstellen; jn. (von Christus gesagt) dahingeben‹. − Bdv.: vgl. anfeilen 3, anhändigen, antworten 9, aufantworten 1, ausantworten 1, ausbetägen, ausfolgen 2, aushingeben, ausliefern, dargeben 2, hingeben 2, lassen 8. − Synt.: jn. (z. B. die tochter, den son, das haus ›die Familie, Dynastie‹, den mistätigen man, den mistäter / herren) l., jn. jm. (z. B. dem nachrichter / tode) (an / in das gericht) l., sich jm. in die hand l.; j. der diebin geliefert sein. Chron. Magdeb. 2, 97, 20 (nrddt., 1564): weil die Graffen von Mansfelt lautt deß ufgerichten vortrags daß hauß Gaterschleben nicht lieffern konten. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 8229 (rib., 1444): Ich wil dich balde leveren de˜ dode. Ebd. 9002: Overmitz sij byn ich diesen alden dievynnen, [...] Gelevert. Buch Weinsb. 4, 202, 36 (rib.,1594 ): das mer gab, man sult den Sommer an das recht liebern. So wart er dem greven geliebert. Franz u. a., Qu. hess. Ref. 4, 104,

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6 (hess., 1463): Es ist auch nicht ware, das sie sagen, wen man sie proscribert, man wolle sie nicht toden, aber andern wolle man sie libern, die sollens tun. Chron. N¸rnb. 4, 170, 7 (nobd., 15. Jh.): ist dir das zu willen, so wöllen wir die tochter und das gelt [Zeugma] in unsern casten lifern von unser stat Alkeyro. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 237 (Nürnb. 1517): got, der seins eignen suns nit verschont, sunder den für uns all gelifert. v. Birken. Erzh. Österreich 71, 17 (Nürnb. 1668): der / ohne gegeben geleit [...] sich also seinem offenbaren Feind in die hand liefern dorfte. − Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 202, 43; Pf‰lz. Wb. 4, 983. − Vgl. ferner s. v. ausleiten 1.

3. ›(vor allem: Truppen) stellen, unterhalten, beköstigen‹. − Bdv.: besolden 1, halten 14; 18; vgl. aufenthalten 5, aufhalten 8. − Wbg. lieferherre 2. Enders, Eberlin 3, 35, 17 (Erfurt 1523): die [Stat] hat ein hauffen teuffels kriegsknecht, welche der teuffel do halt vnd lyfert. Neubauer, Kriegsb. Seldeneck 103, 23 (nobd., 2. H. 15. Jh.): so man den hauptman jn der beutt nennt, so jst domit gemeint der, deß der rutt vnd die sach jst vnd der den zeuck vff desmolß geliffertt hott. Bernoulli, Basler Chron. 6, 446, 3 (alem., 1503): sind min herren von Bassel gezogen gon Beltzentz mit 500 man, und hend die selben 500 man geliffet in irem kosten [...]. Und ist min schwuoger Petter Offenburg und Fridrich zür Linden hoblit gesin, und lifferher Willem Zegler. − Rwb 8, 1323; Vorarlb. Wb. 2, 283.

4. als Funktionalverbgefüge: ›jm. eine Schlacht liefern‹. Peil, Rollenhagen. Froschm. 570, 2007 (Magdeb. 1608): Da du erst gabst den falschen rath 兩 Euch lieffern ein blutig Feldschlacht. Maaler 273 (Zürich 1561): Eim ein schlacht Liferen. Componere se alicui. − Eschenloher. Medicus 50, 16.

5. ›jm. Erleichterung schaffen‹ (s. dazu lieferung 3). − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 221 (a. 1467). lieferung, die; -π /&. 1. ›Belieferung von jm., Unterhalt, Versorgung, Verköstigung, die aus finanziellen Zuwendungen, Lebensmitteln, Kleidern, Ausrüstungsgegenständen u. a. besteht und (seltener:) an Einzelpersonen und Personengruppen, (häufiger:) an Truppen gegeben wird‹; als Metonymie: ›die konkrete Lieferung‹ (nomen acti); vgl. liefern 1; 3. − Mittleres und späteres Frnhd.; Wirtschaftstexte, Chroniken. − Bdv. (bzw. zum Sachfeld gehörig): aufenthalt 2, enthalt, futer(ung), hilfe, proviant, ru¨stung, sold, treide, victali, zerung.

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lieferungsbrief − liegen

− Synt.: l. finden / haben, js. l. gebrauchen, jm. l. geben / verschaffen; l. (Subj.) etw. gestehen ›kosten‹; die kranken mit l. versorgen, jm. etw. an l. abgeben; l. zum krieg; die gute l.; wein zu l. Wbg.: lieferungsbrief ›schriftliche Anweisung auf Beköstigung‹ (a. 1522). Schˆpper 1096 (Dortm. 1550): ¶ Commeatus. Fursorg vorrat ¶ futerung liferung prouiand victaly. Herborn u. a., Rechn. Jülich 65, 11 (rib./snfrk., 1398/9): Dit is vort uyssgeve(n) [...] van ]...] lev(er)unge(n) en(d) vort van tzeruncge(n) ind coste(n), die ich ind vort mijns lieve(n) h(er)n vrunde [...] v(er)tzert hain. UB Zug 1848, 15 (halem., 1503): das sy¨ och der selben unßer bottschafft zue lon geben sollen alle tag ein halben Rinschen guldin [...] darzu lüfferung, futter unnd mal, nagel und y¨ßen. Maaler 75r (Zürich 1561): Bottenlon (der) alle lyferung vnd kosten oder zeergÁlt [...]. Legatiuum. Schwarz, Awürt. Lagerb. 1, 156, 3 (schwäb., 1524): Dargegen soll die herschaft inen und den pferden liferung geben. Roth, E. v. Wildenberg 137, 23 (moobd., v. 1493): das er überschlahen lies, was 10 000 man gereissig zwei oder drei jar gestünden mit sold und lifrung zuo taglichem krig. Turmair 4, 174, 6 (moobd., 1522/33): verpurgen ir traid und ander groß hab und guet, mainten, die Teutschen würden kain liferung finden. − Enders, Eberlin 3, 9, 22; 150, 7; Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 1288; Baumann, Bauernkr. Rotenb. 38, 20; 311, 14; V. Anshelm. Berner Chron. 4, 3, 26; 15, 3; 252, 23; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 272, 1; 497, 10; Turmair 4, 257, 10; 323, 31; 387, 3.

2. ›Auflassung (eines Grundstückes)‹; vgl. am ehesten liefern 1. − Bdv.: vgl. auflassung, aufreichung. Loersch, Weist. Boppard 299, 32 (mosfrk., 1592): ob nicht ein vogt lieberung thu mit halm und mund? Sprechen die scheffen: Ja.

3. ›Erleichterung, Linderung (von Schmerzen, Krankheit, Bedrängung)‹; als Metonymie an 1 anschließbar, dennoch semantisch fraglich; s. u. den Kommentar zu Schmidt; vgl. liefern 5. − Bdv.: labe 2, ergezlichkeit, erlösung. Fuchs, Murner. 4 Ketzer 2050 (2wohl Straßb.9 1509): So weisß ich noch ein wasser mer, 兩 Das jm ein lüfrung künne machen. Michels, Murner. Badenf. 33, 13 (Straßb. 1514): Künd ich im nit ein liffrung geben, 兩 Das schwitzen brecht in vmb sein leben. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 221 (hier in der Schreibung lib-, was etymologische Umdeutung in Richtung auf lat. liber- nahelegt).

lieferungsbrief, s. lieferung 1. liegbet, s. 1liegen 2. liegeinung, die; zu 2liegen. ›Buße für die Nichteinhaltung einer Auflage‹; metonymisch: ›Recht auf Einzug der

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Buße‹. − Bdv.: schelteinung. − Synt.: die l. haben, jm. die l. nachlassen; die unrechte l. Brinkmann, Bad. Weist. 64, 13 (rhfrk., 1555): ein unrecht liegeinung [Var. 1661: lüegeneinung], und so einer die offen tag versaumpt, ist funf 웩. heller. − Rwb 8, 1498.

liegelachen, das; zur Erklärung des Bw s. leiblachen, leichlachen, leilach 3. ›Bettuch‹; zum Bw vgl. 1liegen 2; volksetymologische Umdeutung von leib-, leichlaken oder von leilach 3 (s. jeweils dort) möglich, aber nicht wahrscheinlich; Gw zu laken. Struck, Marienst. Wetzlar 570, 14 (hess., n. 1400): 3 fl. vor dy czwei guden lygelachen unde anders alde ligelachen, hanttwelen. 1 liegen, V., unr. abl. − Nähesprachliches Verb mit schwer gliederbarem Bedeutungsspektrum; hohe Phrasemaffinität; zu speziell rechtsrelevanten Verwendungen s. Rwb 8, 1325 ff., auch die zugehörige Kompositenreihe. 1. ›wo liegen (von Sachen, wobei stehen als Gegensatz assoziiert werden kann); sich in der Fläche (wie z. B. Hagel) ausdehnen‹; in mehrfacher Hinsicht spezialisiert, z. B. von Waren: ›wo lagern, gelagert werden‹; von Arzneimitteln: ›stehen, ruhen, sich absetzen‹; von Verbandszeug: ›aufgelegt, angebracht sein‹; von Briefen: ›wo aufbewahrt, hinterlegt werden‹. − Ggs.: stehen 6. − Synt.: garben / gras / holz / stro / hagel / karten / späne / steine / stricke, die tafel / kanne, der brief [wo; mit Ortsangabe] l., die karten auf dem tisch, die garben auf dem acker, die kandel in der lade l.; verschoben: der berg fol schne l.; liegendes holz.

Peil, Rollenhagen. Froschm. 631, 3890 (Magdeb. 1608): Als Berg / Thal / Feld / vol schne noch lag. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 7035 (rib., 1444): Laegen in myme wege stricke ind korden. Keil, Peter v. Ulm 96 (nobd., 1453/4): guten essig; den schütt doran daz er dorüber gee. Das laß ligen acht tag wol bedeckt. Sachs 17, 86, 28 (Nürnb. 1553): Mein Eulenspiegl, wie steht dein sach? [...] Eulenspiegel spricht: Mein sach steht nit, sondern sie leit. Barack, Teufels Netz 6840 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Ie næher es [strow] dem für lit, 兩 Ie vester es die wermi git. Cirurgia H. Brunschwig 33vb, 6 (Straßb. [1497]): das dü die wunden allen tag binden magst / nit dester minder das gebend belib ligen. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 228, 22

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liegen

(Hagenau 1534): Were eyn steyn nicht alleyn erheben kan / der sol yhn auch selbander ligen lassen. Chron. Augsb. 9, 308, 18 (schwäb., ): der [spruchbrief] ward der zunft geben mit aines rates großem insigel, der noch hinder einer zunft leit. Bastian, Runtingerb. 2, 19, 16 (oobd., 1390): derselb leibtingbrif sol dacz ainem biderman ligen. Ebd. 2, 56, 23 (1383/84): noch ligent da 2 웩 zigelfarber seyden d R aˆn 4 lot. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 626 (oobd., 1607/11): 1 klein täfelin [...] ligt in einem fütterlin von lindenholtz. Zingerle, Inventare 41, 1, 19 (vorarlb. / tir. 1478): i grosser schrein, darvnter lig smidezeug vi czangen. Ebd. 71a, 20 o (1484): ob mer guts in dem palhawss le¨g, mag ain zollner auffgeben. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 368, 18 (m/soobd., 17. Jh.): soll der forstner niemant kein [...] stehenten stamb holz, alleweil wüntfähl und ligunts vorhanden, außzaigen. Qu. Brasso´ 4, 284, 35 (siebenb., 1664): welcher [Hagel] fast einen halben Tag bleibet liehen auf der Erd. o − Hajek, Gute spise 14; M. Cunitia. Ur. Prop. 149, 25; v. Keller, Ayrer. Dramen 2447, 11; Siegel u. a., Salzb. Taid. 71, 1. − Vgl. ferner s. v. abschaben 1, abwenden 6, ächterkandel 2, äheren, aufhauen 3, ausrinnen 2.

2. ›wo liegen (von Personen, auch von Tieren)‹; je nach Ursache und Zweck des Liegens im einzelnen z. B.: ›tot liegen‹; ›liegen, um zu ruhen oder zu schlafen‹; ›faul herumliegen‹; ›im Kindbett liegen‹. − Phras.: am rücken liegen ›tief gefallen sein‹; bei jm. liegen ›mit jm. schlafen‹; eines kindes liegen. − Synt.: schlafend l., an / auf / in dem bette, zu bette, an dem todbette, in der hütte / krippe, im grabe / stalle / kote, in anmacht, in seiner ruhe l. (›tot sein‹), bei dem schweher (im Grab) l., auf der wiese, auf dem rücken, vor jm., für dem tor, unter jm., unter / vor js. füssen, unter der stiege, unter dem altar, bei jm. (häufiger bei einer Frau, z. B. bei dem weibe, der frauen / nonne / magd, als bei einem Manne, z. B. bei dem bruder) l. Wbg.: liegbet ›ausgestrecktes Bett zum Liegen‹, 1lieger ›Lager, Bettstelle‹. Peil, Rollenhagen. Froschm. 549, 1363 (Magdeb. 1608): Allein der Hund lag fÈr dem Thor. Grosse, Schwabensp. Grosse, Schwabensp. 149a, 6 (Hs. 2nd./md., um 14109): LJt ein man an deme totbette. Ebd. 175a, 15: Begriffet eyn man eyne maget vf eime velde, [...] vnde legit der man bi ir, man sol in toten. Chron. Kˆln 1, 1005 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Sint saich hie sy aichter dem velde liegen 兩 beide man, ors da neder. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 160, 16 (rhfrk., um 1435): das niergen ein bube ist / er habe mit ir in den gräben gelegen. Th¸r. Chron. 2r, 9 (Mühlh. 1599): [Noah] ward Truncken / vnd lag in seiner HÈtten. Opitz. Poeterey 32, 2 (Breslau 1624): Wann ich nach langer zeit schon lieg in meiner rhue. Loose, Tuchers Haushaltb. 174, 5 (nürnb., 1487): ein stund vor

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tagß, da ist mein weib eins kindß gelegen. Rupprich, Dürer 1, 158, 133 (nobd., 1520): hab herr Niclaus Ziegler geschenckt ein toden liegenden Christum. Ebd. 171, 129 (1521): Das sind die erschlagnen, unter dem altar gottes ligent. v. Keller, Ayrer. Dramen 2800, 9 (Nürnb. 1610/8): Schläfft jhr Mann, so bleibt sie nicht lign. Ebd. 2803, 10: Sonst liegen stets die Weiber vnder (hier ütr.: ›unterlegen sein‹). Ebd. 2885, 31: Jahnn ligt vnder der Frauen. Ebd. 3093, 25: was machst du hie? 兩 Ich dacht, du legst im bett. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 81, 24 (Hagenau 1534): Wer da ligt / der ligt / dem hilffet niemand widder auff. Ebd. 79, 15: Da ligt es / sagt ihene gute magdt / da empfiel yhr das kind am tantze. Ebd. 187, 26: Simonides fand ligen am mere eyn todten leichnam. Ebd. 552, 2: lang ligen / und nicht wollen wider aufstehen / ist schande. Ebd. 2, 239, 19 ([Augsb.] 1548): zwËlff klaine Ferckeleyne 兩 Die lagen unter ainer kalten stiegen. Rieder, St. Georg. Pred. 7, 24 (Hs. 2önalem., 13879): daz ain priester bi ainer gewihten nunnen wÁr gelegen. Wyss, Luz. Ostersp. 9505 (Luzern 1545): doselbst wend wir inne [jesus] hin tregen. 兩 wann nie kein mensch dorinn [grab] ist glägen. Maaler 273r (Zürich o [...]. Auff dem angsicht Ligen. [...]. 1561): Ligen / Ruwen. Die kindtbetterin Ligt hinder dem vmbhang. [...]. Jch Lig im bett biß umb die viere. [...]. Jm graaß Ligen. Ebd. 273v: Liger / Etwas gespreits ze ligen / es seye dem menschen oder dem vych. hail. altvÂter 107v, 1 (schwäb., E. 14. Jh.): do er als vnbeweglich lag. Morrall, Mandev. Reiseb. 157, 9 (schwäb., E. 14. Jh.): er lit nun vierstund des järes by sinen wiben. Heydn. maister 30v, 23 (Augsb. 1490): Die schweı˜ lige˜ lieber jm kot de˜n ˜ı eı˜ klare˜ wasser. Bauer, Geiler. Pred. 76, 23 (Augsb. 1508): lig vor seinen fÈssen und laß dich davon niemand abweißen / als lang untz das er dich o und begnadet. Ebd. 316, 9: als ainem esel / dem liebt futer hew und im stal zu ligen. Hauber, UB Heiligkr. 2, 484, 19 (schwäb., 1553): ain und zwainzig ligbeth, dreüundvierzig deckbeth. Barack, Zim. Chron. 1, 588, 36 (schwäb., M. 16. Jh.): Man sollt dich nit lan im landt, 兩 Das du so gar am rugken leist. Henisch 341 (Augsb. 1616): Ligbeth / culcitra [...]. Ligbeth mit stro oder rohr. Primisser, Suchenwirt 5, 525 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Dem fÈrstein junch und tugenthaft, 兩 Sein schone fraw weˆr gelegen, 兩 Di het ein chind. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 21, 20 (moobd., 1478/ 81): so muest im Valerianus under seinen füessen ligen zu schmach. Ebd. 47, 7: Im starb die edel heilig fürstin Nicostra und ligt bei irem sweher. Ebd. 152, 11: unkeusche frawen; die gerte das zu ainem grafen, das er bei ir läg. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1805 (oobd., 1607/11): ist wie einer im bett schlaffendt ligt. − Stedtfeld, Roger-Glosse 85; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 83, 2; v. Keller, a. a. O. 2479, 11; 3320, 4; Koppitz, Trojanerkr. 3; Bachmann, Morgant 174, 25; Eschenloher. Medicus 85, 19; Chron. Augsb. 4, 177 [Var. zu Z. 23]; 8, 223, 14; Sappler, H. Kaufringer 10, 5; Klein, Oswald 58, 7; Bauer u. a., a. a. O. 2805. − Vgl. ferner s. v. äbich 3, absünen 2, abwesen, abzälen 1; ak 2, amacht 1, 1an 2, angesiegen 4, aussegnen 3, pagalette, bauerköter, begeben 6.

3. ›topographisch, katasteramtlich innerhalb, auf etw. liegen, das flächenhaft, als

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liegen

Linie o. ä. gedacht ist, wo situiert sein, sich befinden (von Fluren, Liegenschaften, Landflächen, Städten)‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte, berichtende Texte. − Synt.: der berg, das erbe / gut / land / vorwerk an / auf / bei / in / gegen / oberhalb / unter [einem topographischen Bezugspunkt] l. Grosse, Schwabensp. 230a, 35 (Hs. 2nd./md., um 14109): vnde lat daz guto nicht in dem gerichte, da der man beclaget wert, Man sol iz varbaz halten. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 509, 20 (mosfrk., 1301): die erbe, die da ligent, die geben alle zehen. Ralegh. America 12, 39 (Frankf. 1599): Diese Landtschafft Amapaia [...] ligt an dem Oronoke. K¸ther, UB Frauensee 233, 2 (thür., 1463): gerechtigkeit, [...] uff der wiesen zcu dem Rode bii der Roner wiesen gelegen. Th¸r. Chron. 25v, 15 (Mühlh. 1599): Dann erst da jtzt die Stadt liegt ein gantz SËhrichter Eschenwalt. v. Tscharner, Md. Marco Polo 28, 17 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Das lant das do umme lyt in mancher tage reyse. Jahr, H. v. Mügeln 901 (omd., Hs. 1463): in des landes mittel lak 兩 ein burk. Maaler 273r (Zürich 1561): Es Ligt ein vÁld darzwischend. Dreckmann, H. Mair. Troja 37, 19 (oschwäb., 1393): ain wazzer [...] tailt die stat in zwen tail, daran legend mülin on zal. hail. altvÂter 81r, 17 (schwäb., E. 14. Jh.): die lant die in dem u mere vnd in den ynsellen lagend. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 163, 28 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Und wardt die ganntz gegent, darum gelegen, verderbt. Moscouia C IIIv, 17 (Wien 1557): Drohobusch so oberhalb Smolensco ligt. − Ralegh. America 1, 23; 11, 8; 12, 15; Bindewald, Texte schles. Kanzl. 2, 12; 74, 7; Chron. Augsb. 5, 303, 14; Rauwolf. Raiß 7, 16; Roth, E. v. Wildenberg 62, 12; Memminger Chron. Chr. 51, 5; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 115, 41; Schˆpper 41a; Vorarlb. Wb. 2, 284. − Vgl. ferner s. v. abend 5, abgang 3, abschus 1, 1 als 15, 2anger 1, 1aue 1, auströlen, befangen 5, beieinander 1.

4. ›sich innerhalb, in einem Raum oder einem räumlich gedachten Gebilde befinden; wo eingebunden, gefangen, situiert sein (von Personen und Sachen)‹; der Ort der Situierung wird durch eine Raumangabe (meist Präpositionalangabe) zum Ausdruck gebracht. − Synt.: j. in eisen, in der falle, in dornen, im turm, in der kirche / helle, in einem ofen, in js. schos, an js. arm (›in js. Armen‹), im gestank / schlam l., [von Sachen:] schiffe [wo] l., das erz in der grube, die hefe in einem fas, die därme im bauche, das land unter einer rauhen luft l. Dat nuwe Boych 425, 22 (rib., 1396): erbere lude, die in tornen laigen. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 146, 26 (rhfrk., um 1435): Die frouwe ist zu mal schone /

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Sy sol noch hint an myme arme lygen. Oorschot, Spee/ Schmidt. Caut. Crim. 225b, 32 (Frankf./M. 1649): sie in jhrens schlam vnd gestanck / darin sie offtmahls liegen zu trËsten. Luther, WA 10, 1, 1 (1522): Es ligt das ertz noch halb ynn der gruben. Opitz. Poeterey 14, 31 (Breslau 1624): das vnser Land vnter so einer rawen vnd vngeschlachten Lufft liege. v. Keller, Ayrer. Dramen 3006, 25 (Nürnb. 1610/8): die Frau, die all Tag 兩 In der Kirchen führt solche klag 兩 Vnd fast darinn ligt Tag vnd Nacht. Lauater. GespÁnste 65r, 16 (Zürich 1578): Sy werdend in der hell lige˜ wie die schaaff. Sappler, H. Kaufringer 26, 61 (schwäb., Hs. 1472): der sollt ee hundert jar pflegen 兩 in ainem feurin ofen ze ligen. Chron. Augsb. 8, 164, Anm. 2 (schwäb., zu 1562): so hat ain e. rat erkannt, daß er ain monat lang in Eisen ligen soll. − Gille u. a., M. Beheim 82, 166; Bachmann, Morgant 172, 3; Chron. Augsb. 2, 110, 6; Sappler, a. a. O. 19, 69; Dirr, Münchner Stadtr. 405, 11; Klein, Oswald 4, 54; Maaler 273r. − Vgl. ferner s. v. bauch 6.

5. ›sich wo aufhalten‹; je nach Art des Aufenthaltes: ›wo wohnen, siedeln; wo übernachten; wo hausen, verharren, herumhängen‹ (mit dieser letzteren Nuance eng an 2 anschließbar); ›wo zu Besuch weilen‹. − Bdv.: vgl. aufbleiben, aufhalten 10, bedonen, bleiben 1, gebauen 1, gesein 2, leben 5, pernoctieren. − Synt.: auch absolut; j. zu hause, auf dem hause / gute, an dem lande, in klöstern l., j. zu [einer Stadt, z. B. zu Wien] l., j. [eine Zeitlang, z. B. über nacht, drei tage] wo l., (oft:) bei / zu jm. l., j. gegen orient l. Wbg.: lieggrube ›Spelunke‹ (dazu bdv.: höle, laggrube), lieglingen ›liegend‹. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 264, 24 (Wolfenb. 1593): Wenn ich nicht wanderte, vnd stets zu Hause ligen wolte, würde ich nicht viel erwerben. Chron. Kˆln 2, 283, 4 (Köln 1499): dat voulk dat am Rin up beiden siten liggen is. Voc. inc. teut. p iv (Speyer um 1483/4): Liggrub. Spelunca. Wunderlich, Fierrabr. 125, 11 (Simmern 1533): Keyser Karle bleib da wol drei oder vier tag liegen. Kurz, Waldis. Esopus 4, 41, 16 (Frankf. 1557): So leistu hie, bist faul vnd treg. v. Tscharner, Md. Marco Polo 4, 29 (osächs., 2. H. 14. Jh.): In Mosil ist der patriarcha allir cristin di do legin kegin orient. Ermisch, Freib. Stadtr. 49, 18 (osächs., 1335): Di wile muz der gast ligen unde warten. Rupprich, Dürer 1, 150, 89 (nobd., 1520): do logen wir übernacht und verzehrten 3 weispfenning. Chron. Augsb. 7, 208, 4 (schwäb., zu 1550): daß der Hanns [...] bei dem Jacob Meuttin gelegen. Ebd. 219, 25 (1550): ist seiner trabanten ainer [...] auf in gefallen, dann in sonst die Spänier erstochen hetten also liglingen. Memminger Chron. Chr. 24, 26 (Ulm 1660): Es lag einer hier / hieß der Zeller / war sechs Tag lang hier mit vier Pferdten. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 322, 12 (oobd.,

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liegen

1349/50): daz ez [volck] der veigen niht æz, doˆ er in dem land lag. − Ralegh. America 15, 3; Dinklage, Frk. Bauernweist. 40, 31; Chron. N¸rnb. 2, 78, 12; 81, 23; Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 7v, 20; Chron. Augsb. 6, 24, 15; Bastian, Runtingerb. 2, 199, 25; Schmitt, Ordo rerum 34, 15. − Vgl. ferner s. v. alefanz 1, aufbieter, bald 3.

6. ›wo lagern, zu Felde liegen‹; auch: ›wo stationiert sein‹; als Synekdoche: ›unter jm. dienen‹. − Gehäuft berichtende Texte. − Phras.: zu felde liegen. − Bdv.: vgl. legen 18, legern 2, losieren 2. − Synt.: vor der stat, um [eine Stadt], zu [einer Stadt], in den grenzen, in den schanzen, auf dem lande l., unter (z. B. unter einem hauptman) / über jm., auf / wieder jn. [z. B. wieder die ketzer] l. Peil, Rollenhagen. Froschm. 501, 25 (Magdeb. 1608): Also all Thier zu Felde liegen / 兩 Jedoch jhr Geschlecht nicht bekriegen. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 782, 70 (thür., 1421): der lag uf die zeit yn Merern ouch uf die ketzer. Th¸r. Chron. 3r, 5 (Mühlh. 1599): eine grosse Stadt [...] Troia / vor der lagen die Griechen wol Zehen Jahr. Chron. N¸rnb. 1, 435, 3 (nobd., 1407): der [...] in auch sust vast schaden getan hat und auch noch auf in czu velde ligt. Maaler 165r (Zürich 1561): Er ist vnder dem hauptmann Haßdrubale GelÁgen / er hat vnder jm krieget. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 133, 18 (moobd., 1478/81): Wo er nu zu nacht lag, da stackt man ainen puntschuech auf. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 18, 1 (mslow. inseldt., 1546): Satzany Peter, [...] im dorf zu BoZok gelegen, schiessen gehört vom BöZok. − Wyss, Limb. Chron. 92, 13; Dat nuwe Boych 428, 13; Franck, Decl. 350, 23; Chron. Strassb. 53, 26; V. Anshelm. Berner Chron. 4, 102, 24; Dreckmann, H. Mair. Troja 12, 14; Chron. Augsb. 6, 46, 23; 9, 88, 24; Qu. Brasso´ 5, 228, 28; 4, 263, 45; Maaler 273r. − Vgl. ferner s. v. 1an 3, panier 2.

7. ›sich in einem Zustand befinden, der durch das Adv. (dies seltener) / präd. Attr. charakterisiert wird (von Personen und Sachen)‹, insofern auch: ›sein‹; als Ellipse hier anschließbar: liegen ›ruhen, unbebaut, nicht in Betrieb sein‹ (von Wirtschaftseinheiten, s. u. Lˆscher). − Synt.: j. alleine / einzig / begraben / elend / ernieder / erschlagen / erstorben / gebunden / gefangen / gewund / heftig / kalt / krank / nackend / tot (mehrfach) / ungearbeitet / ungebauen / unversonnen / verstolen / verwundet l., etw. ernieder / gefangen / unverkauft / verborgen / wüst / zerstrekt l.; ütr.: nahe l. (zeitlich).

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Alberus, Barf. 355, 2 (Wittenb., 1542): fand er einen menschen liegen nackend / verwund. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 130, 3 (rhfrk., um 1435): das phert das by yme doit lag. Froning, Alsf. Passionssp. 2473 (ohess., 1501 ff.): vor disser hochzyt, 兩 die hie ßo nahe lyt. Cirullies, Rechtsterm. Anh. 1981, 246 (1366): und ritte ir, die [einen Geldbetrag] zu belegin uf einer wesin, daz sie faste legin. Bergmann, Ambr. Liederb. 79, 2 (Frankf. 1582): mein leide, 兩 das mir mein junges hertz gefangen leit. Valli, Baldemann 332 (rhfrk./nobd., um 1350): Zuhant sie unfursunnen lag, 兩 Ir varwe gar verwandilt. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 8, 6 (osächs., 1343): min kint liget in dem huˆse gichtec. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 17, 28 (Hs. 2omd., 14659): Mer knecht dann herren sach ich tot ligen. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 17, 34 (omd., 1487): das offt Jn süssem honige, gar starcke gifft vorborgen ley¨tt. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 92, 10 (omd., um 1559): Da aber ein erbstoln lege, so mag der aufnemer uberfarne genge [...] an sich bringen. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 29, 1r (schles., 1533): So ein perg oder gruben zwo wochen nocheinander [...] ungearbeit ligen bleiben. Keil, Peter v. Ulm 155 (nobd., 1453/4): du must den fuß vor hen wol einrichten in ein laden, daz er gleich lig. v. Keller, Ayrer. Dramen 3005, 20 (Nürnb., 1610/8): jhr müst aber allein ligen 兩 vnd habt kein, der euch wermen kan. Vetter, Pred. Taulers 157, 25 (els., 1359): die menschen die [...] mÈssig ire edelen krefte lossent ligen. Ebd. 347, 9: Von disem inwendigen adel der in dem grunde lit verborgen. Kˆbler, Stattr. Fryburg 203, 13 (Basel 1520): Welche hüser iar vnd tag ongebuwen ligend. Fuchs, Murner. Geuchmat 1979 (Basel 1519): Es kumpt ein zyt / das solche wyb, 兩 [...] 兩 Werdendt kalt vnd eintzig lygen. Roloff, Brant. Tsp. 293 (Straßb. 1554): du werst ermort / 兩 Oder du legst ann ketten gefangen. Goldammer, Paracelsus 2, 255, 13 (um 1534): meint ir nit, sie [tochter] lig auch in dem spital krank? Maaler 273r (Zürich 1566): Gespreit vnd zerstreckt Ligen. [...]. Weyn die lang Ligen vnnd bleyben mËgend / vnnd noch guto sind. Sappler, H. Kaufringer 3, 697 (schwäb., Hs. 1464): trew und frumkait leit ernider. Bauer, Geiler. Pred. 104, 33 (Augsb. 1508): ir vernunfft / lond sy allzeit mÈssig ligen. Henisch 133 (Augsb. 1616): BetrÈgliche asch / wann in der aschen noch heisse glut verborgen ligt. Spechtler, Mönch v. Salzb. 11, 69 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): perg, anger, haide weit 兩 gar lustlich leit bedeckt mit laub und gras. Ebd. 17, 19: wenn in ir [mueter] verslossen lag 兩 aller engel ostertag. Klein, Oswald 26, 58 (oobd., 1427): man barg mich vor der sunne schein, 兩 für springen lag ich zwainzig tag verholen. Munz, Füetrer. Persibein 148, 2 (moobd., 1478/84): alls die chüniginne 兩 der clag lag dort erstorben. − Chron. Kˆln 1, 1078; Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 10715; Froning, Alsf. Passionssp. 6071; Jungbluth, a. a. O. 4, 5; Bell, G. Hager 158, 3; Sappler, a. a. O. 3, 353; 4, 278; hail. altvÂter 73r, 16; 80v, 11; Chron. Augsb. 1, 351, 1; 7, 490, 8; Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 552, 19; Klein, a. a. O. 1, 49; 33, 3; Bastian, Runtingerb. 2, 138, 17; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 10, 4; Turmair 4, 41,

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liegen

29. − Vgl. ferner s. v. abschrecken 1, 1anger 3, anstossen 9, irgend 1.

8. ›sich in einem Zustand befinden, der durch einen präpositionalen Ausdruck näher charakterisiert wird (von Personen und Sachen)‹; im einzelnen z. B.: ›sich befinden‹; ›mit etw. befaßt sein‹; ›in etw. verstrickt liegen‹; ›in bestimmter Weise geartet sein (von Sachen)‹. − Phras.: in der asche liegen ›verloren gehen, am Boden liegen‹. − Synt.: j. in arbeiten / pen / sünden / todesnöten / unkeuschheit / zank, in einer not / sucht, in dem kindbette, in der asche, im fegefeuer / gebet / kampf, am sold, an der schwäche, an den ärzten, auf dem anker, auf den knien, beim wein, zu krieg l., [von Sachen:] der bau in guten eren, das feld im aufbau, in der brache, das gut in aböde, die hube zum zehenten, der stand des lebens in süssigkeit, der sin in der lateine, die sonne am morgen l. Helm, H. v. Hesler. Apok. 5152 (nrddt., 14. Jh.): [Der] diesen durch langen tac 兩 In sinen arbeiten lac. Luther, WA 33, 615, 13 (1531): wen der heilige geist kommen wirdt und ihr in der aschen liegen werdet. Ebd. 50, 313, 14 (1538): ligt also jr gesetze [...] jnn der aschen. Alberus, Barf. 264, 4 (Wittenb., 1542): Er bat auch / das er nicht lang im Feigfewr lege. Ralegh. America iijv, 12 (Frankf. 1599): nicht weit von dem Hafen / in welchem wir auff dem Ancker lagen. Ebd. 8, 24: Wie er nun in TodtsnËten lag. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 708, 3 (thür., 1421): das eyne grosse geselleschaft uss Lampartin quam, die dor ynne am solde gelegen hatte. van Ingen, Zesen. Ged. 387, 31 (Breslau 1641): Horatius und andere ligen schon vor tausend Jahren in der Asche. Reichmann, Dietrich. Schrr. 72, 19 (Nürnb. 1548): Derhalb solten wir alle augenblick auff vnsern knyen ligen. v. Keller, Ayrer. Dramen 2799, 5 (Nürnb., 1610/8): mein Frau vnd jr Mann 兩 Ligen also in zanck vnd strauß. Ebd. 3320, 13: Mein frau ist glegen in der nacht 兩 Vnd, mit Züchten Zu Rehden, Ein Son gebracht. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 86, 25 (Hagenau 1534): daß eyn Einsidel inn eynem walde an seinem gebet gelegen ist. Maaler 273r (Zürich 1561): Mit eim zekrieg Ligen. Sappler, H. Kaufringer 13, 92 (schwäb., Hs. 1464): der herr lag in jamers dol. Eschenloher. Medicus 75, 14 (Augsb. 1678): daß ehegemelte seine Hausfraw Fastenzeit in der kindbeth gelegen. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr. 98 (moobd., A. 15. Jh.): Darczu mag sich [...] aigne dewtsch nach der latein als die lawtet vnd nach dem text liget weder geschikchen noch gefügen. Weber, Füetrer. Poyt. 182, 7 (moobd., 1478/84): vmb das er an der swech dy lenng nicht lege. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 269, 39 (m/soobd., 15. Jh.): die hueben die zum zehent ligent. Bauer, Imitatio Haller 68, 14 (tir., 1466): der stant vnsers

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lebens das leit nicht in der suessikchait vnd trostung der welt. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 50, 17 (mslow. inseldt., 1525): Wen das´´selb feld, darin ´sie lait, in der Prach ligt. − Luther, WA 41, 649, 33; 49, 31, 34; Peil, Rollenhagen. Froschm. 515, 256; Quint, Eckharts Pred. 558, 4; Karnein, Salm. u. Morolf 84, 2; Kurz, Waldis. Esopus 2, 21, 81; Bachmann u. a., Volksb. 111, 31; Welti, Stadtr. Bern 246, 21. − Vgl. ferner s. v. aböde, absagen 1, alraunpulver, anbau 1, arzet 1, aussaufen, bau 8, beflecken 2, angefär 3.

9. ›auf etw. lasten (von finanziellen Auflagen), auf js. Schultern liegen, jn. bedrükken, belasten (z. B. von Strafe); jm. zur Last fallen (z. B. einquartierte Soldaten); jm. im Nacken liegen‹. − Bdv.: vgl. 1aufliegen 1. Cirullies, Rechtsterm. Anh. 1981, 246 (1358): sal sin frauwen herfarn, waz uffe (= worauf) daz pant gelehen habe. Schˆnbach, Adt. Pred. 8, 23 (osächs., 1. H. 14. Jh.): o ein swær joch liget uffe Adames kint. Mathesius, Passionale 34v, 4 (Leipzig 1587): Die straffe liegt auff jhm. Chron. N¸rnb. 1, 146, 28 (nobd., 1388): daz dorzü der krieg furbaz mer wirt uff uns ligen, dann uff vil andern steten. Ebd. 2, 37, 22 (nobd., 1421): des man vor als vast auf uns gelegen und für uns hin geczogen ist. Stammler, Berner Weltger. 284 (ohalem., 1465): es ist an der zit! 兩 Das jungste gericht vff vns lit! Sappler, H. Kaufringer 21, 11 (schwäb., Hs. 1472): so das alter auf im ligt. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4034, 7 (moobd., 1462): 48 ∏ dn., die emaln gelegen gewesen sind auf Hannsen Planer, des ledrer, haus. Winter, Nöst. Weist. 3, 30, 39 (moobd., 1555): wer selbs pfant geit mit guetlichem willen, dieselben ligen auf vierzehen tag. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 97, 18 (mslow. inseldt., 1610): gegen entrichtung gemeiner Stad drauf liegunten Los´ung, Ans´chnit vnd anderer Bürgerlicher auf lagen. − Rwb 8, 1327; Schweiz. Id. 3, 1205; Maaler 473r.

10. ›aufhören, zu Ende gehen, sich legen‹. − Bdv.: 2anen 5, auhören 1, auskommen 13, ausleschen 3, nachlassen. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2262 (nrddt., 14. Jh.): Die rede lige stille. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 5, 7 (Hs. 2omd., 14659): Nicht mer geet auf mein lichtbrehender morgenstern, gelegen ist sein schimmern. Guth, Gr. Alex. 4049 (Hs. 2oobd., E. 14. Jh.9): Dar nach der wind began 兩 Liegen.

11. ›auf etw. bestehen, hartnäckig auf etw. beharren, an etw. festhalten‹. − Bdv.: vgl. anhalten 4, 1anliegen 7, anstehen 12, beharren 2; 3. Ggs.: vgl. ablassen 1. Froning, Alsf. Passionssp. 5221 (ohess., 1501 ff.): wie lyt der Judde uff dem unglauben alßo hertlich. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 2, 152, 4 (whalem., 1484): Die botten von Frankenreich [...] lagen daruf, man solt dem ku´ng sechstu-

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liegen

sent manne umb sold senden. Maaler 273r (Zürich 1561): Gnauw auff einem wort Ligen / vnd darauff außhinfaren. Chron. Augsb. 5, 197, 9 (schwäb., 1523/7): so waren die 2 auch ewangelisch, und lagen alle 3 auff dem gotzwort. Fischer, Eunuchus d. Terenz 118, 14 (Ulm 1486): Pitias [...] lag allain auff der sach die nach allen zaichen ainer o were. − Schweiz. Id. geswechten junckfrawen zebeweisen gnug 3, 1205.

12. ›in etw. / jm. begründet sein; an etw. / jm. liegen, von etw. abhängen‹; vereinzelt: ›auf etw. hinauslaufen‹. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: daran liegt macht ›davon hängt viel ab‹. Luther, WA 10, 1, 2, 393 (1526): Es ligt alles an eynem o guten außleger. Ebd. 33, 176, 38 (1531): Ehr redet von ihm selbest, do ligt auch macht dran. Pfefferl, Weigel. Ges. 38, 8 (Hamb. 1646): Es Liget sehr viel daran das man woll wiße vnd verstehe waß da heise Gesetze vnd Evangelium. Quint, Eckharts Pred. 2, 145, 4 (E. 13./A. 14. Jh.): götlıˆchiu sælicheit liget an drin dingen. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 15 (Köln um 1490): Dat doe myr kont, wae an dyrss leyt. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 130 (mrhein., um 1335): daz am brode aleine nith 兩 lige des menschen leben. Ebd. 988: so hede sine martel nit irlost 兩 die menscheit von der hellen not, 兩 dar an lit aller der werlete drost. Gille u. a., M. Beheim 59, 20 (nobd., 2. H. 15. Jh.): mein trost, mein gir 兩 mein hofnung an dir leit. Reichmann, Dietrich. Schrr. 229, 8 (Nürnb. 1548): wie du disen trost [..] mercken mËgest / den˜ an dem ligt es alles. Schmidt, Rud. v. Biberach 5, 4 (whalem., 1345/ 60): daz beste, das in Cristo sin mag, an dem vnser zitlichvi vnd ewige selikeit lit. Lindqvist, K. v. Helmsd. 1254 (halem., Hs. um 1435): alle Èbung dar an lit 兩 Das in werd umb ir gËttlich leben 兩 Hie lon in diser zy¨t gegeben. Bachmann, Morgant 230, 5 (halem., 1530): man hat wol gsächen, an wemm es gelegen geweßt ist. Wyss, Luz. Ostersp. 6520 (Luzern 1545): an diser sach nit wenig lyt. Maaler 273r (Zürich 1561): Daran Ligt der gantz handel / das ist drr hafft. hail. altvÂter 102r, 14 (schwäb., E. 14. Jh.): das lit nit allain dar an das er weltlich guto vnd er versmahe. Sappler, H. Kaufringer 18, 8 (schwäb., Hs. 1472): ich waiß auf erd nichtz lebendig. 兩 daran als vil faigkait lig 兩 als an alten übeln weiben. Ebd. 26, 100 (Hs. 1472): ain mensch, der nicht leidens pfligt, 兩 waiß nicht, was nutz an leiden ligt. Turmair 4, 305, 25 (moobd., 1522/ 33): es leit alles an der üebung und an dem bedacht. − Quint, Eckharts Pred. 2, 31, 2; 145, 7; 201, 16; 294, 7; 330, 2; 371, 3; Palm, Veter Buoch 41, 8; Froning, Alsf. Passionssp. 2864; Kurz, Waldis. Esopus 3, 7, 36; Bauer, Geiler. Pred. 103, 13; Vetter, Pred. Taulers 82, 28; Banz, Christus u. d. minn. Seele 1104; 1782; 2063; Lindqvist, K. v. Helmsd. 1990; Wyss, a. a. O. 3164; 4985; Dreckmann, H. Mair. Troja 18, 7; Primisser, a. a. O. 3, 85; 37, 7; 46, 141; Spechtler, Mönch v. Salzb. 1, 201. − Vgl. ferner s. v. afterwort.

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13. phras. (alphabetisch geordnet nach dem mit liegen verbundenen Substantiv unter Beachtung onomasiologischer Zusammenhänge, danach Ausdrücke ohne Subst., so auch in den Belegen): lange im armbrust liegen ›lange zögern‹; unter der bank liegen (von Sachen) ›keinerlei Beachtung finden‹; auf einer harten bank liegen ›Mühen in Kauf nehmen‹; auf der bärenhaut liegen; (mit jm.) unter der / einer decke liegen ›(mit jm.) unter einer Decke stecken‹; das / dies ding liegt jm. uneben / nicht eben; unter dem gaul liegen ›den kürzeren ziehen‹; an eigen und erbe liegen (Bezeichnung „zur Verpfändung des gesamten Vermögens des Ehemannes für das eingebrachte Gut der Frau“, so Rwb 8, 1328); jm. auf dem hals liegen ›etw. am Halse haben; jm. zur Last gelegt werden‹; mit jm. zu har liegen ›mit jm. in der Wolle, im Streit liegen‹; da liegt der hase im pfeffer ; hier liegt der knote; da / hier liegts ›darauf kommt es an‹; an dem jüngsten liegen ›im Sterben liegen‹; auf dem lezten liegen ›alles bis zum letzten Pfennig eintreiben‹; im kat (alternativ: im unrat, im wust) liegen; an dem lezten ker liegen ›im Sterben liegen‹; im luder liegen ›dem Suff verfallen sein, in Unzucht leben‹; auf der mutter liegen ›der Mutter die Füße unter den Tisch strecken‹; jm. in oren liegen; im recht liegen ›sich in einem Rechtsstreit befinden‹; jm. liegt die rede ›jm. verschlägt es die Sprache‹; im Rhein liegen ›unter-, draufgehen‹; jm. auf dem rücken liegen ›jn. unter dauernder Kontrolle halten‹; jm. im sinne liegen; etw. liegt am tag; recht an dem ziel liegen ›nahe dran sein‹; es liegt darauf ›darauf kommt es an‹; fest auf jm. (im Beleg: auf den mäusen) liegen ›jm. hart zusetzen‹; es / etw. liegt jm. hart / (wunder)herte / wunderschwere ›jm. geht es schwer, j. hat es schwer, jn. trifft es hart, es steht schlecht um jn. / etw.‹; sich etw. herte / schwer liegen lassen ›sich etw. zu Herzen gehen lassen, etw. schwer nehmen‹; wie liegt es ›wie kommt das?‹; wie liegt es um etw. ›wie verhält es sich mit etw.?‹; (also) mit jm. gelegen sein ›(so) um jn. stehen, bestellt sein‹; etw. ist jm. nicht gelegen (o. ä.) ›etw. gefällt jm. gar

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liegen

nicht‹; an einem mer gelegen sein denne an dem anderen ›auf den einen kommt es mehr an als auf den anderen‹; es ist viel an etw. gelegen ›es kommt stark auf etw. an‹; jm. liegt nichts / viel an etw. (z. B. an js. geschwäz / zorn) ›etw. kümmert jn. nicht‹; etw. liegen bleiben ›unbebaut bleiben‹; ob oder unten liegen ›siegen oder untergehen‹; mit jm. unten und ob liegen ›mit jm. kollaborieren, dauernd zusammen sein‹. Henisch 120 (Augsb. 1616): Man soll nicht lang im armbrust ligen / sondern ein ding dapffer angreiffen. Luther, WA 32, 516, 15 (1532): das sie der tollen vernunfft folget und lesset Gottes wort unter der banck ligen. Ebd. 48, 31, 10 (1541): Wird im [Buch, der Bibel] gut, so ligts vnter der Banck. Henisch 182 (Augsb. 1616): Dem man sanfft gebettet hat / der stehet nit geren auff / vnd gehet auff ein harten banck ligen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 308, 9 (Genf 1636): Auff der Beerenhaut [liegen] Faullentzen. Luther, WA 33, 335, 27 (1531): weil jr Schelcke seid, als die Bischofe sind, ligt mit jnen unter einer decke. v. Birken. Erzh. Österreich 65, 18 (Nürnb. 1668): Der Bischoff [...] lage heimlich auch mit unter der decke. Koppitz, Trojanerkr. 9046 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Were dir dü mere kunde, 兩 Du mittest, kind, dissen stritt: 兩 Won dir daz ding nitt eben litt. Ebd. 19746: Dis dinge litt mir uneben, 兩 Dar umbe ich balde sterben sol. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 14, 8 (Frankf./M. 1568): Schlecht aber zuletzt vnglÈck zu 兩 Daß mein Parthey ligt vnterm gaul. Luther, WA 30, 2, 702, 7 (1530): Das die sach nicht allein uns auff dem hals ligt. Ebd. 32, 34, 17 (1530): die fehrlickeit, so uns vom Babst und Turcken auff dem hals ligt. Reichmann, Dietrich. Schrr. 145, 34 (Nürnb. 1548): Dem Mann ligt ein grosse sorg auff dem halß / das er weyb vnnd kind nehren soll. Dietrich. Summaria 30v, 34 (Nürnb. 1578): trowet er jnen [den Pharisäern] grewlich / das alles vnschuldig blut auff jrem halß lige / vnnd mÈsse an jnen gerochen werden. − Qu. Brasso´ 4, 22, 27. Luther, WA 32, 112, 30 (1530): und wir also stets mit yhm [Teuffel] zu har liegen und uns mit yhm schlagen mussen. Chron. Augsb. 6, 33, 5 (schwäb., zu 1524): man wollt nit das gottes wort verbieten, aber da leit der has im pfeffer. Got leßt sein wort nit untergeen. Luther, WA 30, 3, 349, 21 (1531): das ist die frage, Hie ligt der knote. Ebd. 48, 49, 2 (1541): HIe ligts, da stickts. Ebd. 48, 114, 6 (1542/43): da ligts, das er wil das Himelreich geben, So wil die Welt das Erdreich haben. Ebd. 49, 99, 11 (1540): fides ist medium, das zusamen kopelt me et Christum. Da ligts. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 170, 3 (moobd., 1478/81): Als der kranck was und an dem jüngsten lag, [...]. Sappler, H. Kaufringer 16, 766 (schwäb., Hs. 1464): dem lauget auch der tiefel ser, 兩 da er lag an dem lesten ker. Maaler 273r (Zürich 1561): Die tugend Ligt im kaat o [...]. Jm wust vnnd vnradt Ligen. Schˆpper 24b (Dortm. 1550): Potare. Sauffen schwelgen im sauß gehen im luder ligen. Luther, WA 47, 671, 23 (1539): non solt tag und nacht

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im luder ligen und der hurerey nachlauffen. Rupprich, Dürer 49, 55 (nobd., 1506): Rett mit dem puben, [...], daz er ler vnd redlich halt, [...], vnd nit ob der muter lich. Sachs 16, 218, 27 (Nürnb. 1562): jm mit fleiß in ohren lagen 兩 Nichts von außwending [...] ding zu sagen. Barack, Zim. Chron. 2, 408, 32 (schwäb., M. 16. Jh.): an seinem letzsten ende im die red also gelegen, das er nit [...]. Beckers, Bauernpr. 61, 46 (Köln 1515/18): die nu beschermer syn 兩 Woilden dat yr gemeyn leich in dem ryn. Luther, WA 22, 313, 4 (1544): wo er nicht selbs jmer jnen auff dem rÈcken ligt und treibet. Klein, Oswald 73, 18 (oobd., v, 1408?): mein Nickel klüg, du leist mir in dem sinne. − Reichmann, Dietrich. Schrr. 74, 13. Franck, Decl. 337, 31 (Nürnb. 1531): ligt es nit am tag, das die vnstet tËricht lieb vnsinnig ist? Guth, Gr. Alex. 1382 (Hs. 2oobd., E. 14. Jh.9): Ez leit reht an dem zil 兩 Daz wir Dario sein her 兩 Slahen wend. Luther, WA 32, 204, 9 (1530): Es leyt drauff. Peil, Rollenhagen. Froschm. 687, 5684 (Magdeb. 1608): Als sie aber jhnen zusahen / 兩 Das sie fest auff den Meusen lagen. Haage, Hesel. Arzneib. 14v, 13 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Truckt es sich dieff hin ein und get wider auf als ein taick, so leit es hirt umb daz leben. Chron. N¸rnb. 1, 156, 16 (nobd., 1388): daz er gar ubel mug und im gar hart lige. Lemmer, Brant. Narrensch. 124a, 395 (Basel 1494): Dem lydt syn dott am hertsten an. Chron. Augsb. 5, 44, 8 (schwäb., 1523/7): Die statt hett das kaisers volck inn, den lag es hert, dan sie hetten mangel an speis. Adrian, Saelden Hort 3313 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): swel sich versument inder jugent 兩 und sich mit ir [minne] verwirrent 兩 und in daz alter herrent, 兩 den lit es wunder swære. Ebd. 10932: ez lit mir wunder herte 兩 daz du mir ie erwurbe 兩 kint und du´ muter sturbe. Roloff, Brant. Tsp. 698 (Straßb. 1554): wir bringen dir newe mehr 兩 Die wËllest dir nit lassen ligen schwer. Ebd. 1512: Herr nit laß es dir ligen hert. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 14, 424 (schwäb., 1471): ich sprach: wie ligt das? Banz, Christus u. d. minn. Seele 1162 (alem., 1. H. 15. Jh.): lieber herr, wie lit es hierumb, 兩 Das du genn mir bist so tumb. Kurz, Waldis. Esopus 1, 98, 12 (Frankf. 1557): Mit freuel nimpst du mich entgegen, 兩 Weils jetzt also mit mir gelegen. Meisen u. a., J. Eck 40, 17 (Ingolst. 1526): dann das wir allain solten hËren [...], wil uns nit gelegen sein. Maaler 165r (Zürich 1561): Es ist mir yetz nit GelÁgen mit dir zebalgen. [...]. Es ist vil daran GelÁge˜ welcherley weinrÁben es seye. [...]. Ebd. 165r: Es ist mir vil daran GelÁgen / vil zegewünnen. Franz u. a., Qu. hess. Ref. 2, 450, 23 (hess., 1546): es solt ein vergleichung sein etc., so doch an einem mehr gelehen den an dem andern, wie man sagt, das man mehr legt an einen hengst den an einen esel. Knape, Messerschmidt. Bris. 13, 20 (Frankf./M. 1559): es lege jhm gar nichts daran / das er zwen Ritter vor jhm haben solt. Bergmann, Ambr. Liederb. 149, 17 (Frankf. 1582): an seinem geschwetz mir gar nichts leid. Bachmann, Haimonsk. 242, 11 (halem., 1530): got verflüeche mich, wenn mir neyswaz an sinem zornn ligge! Ermisch, Sächs. Bergr. 180, 20 (osächs., 1509): ap gleych ein tzech tzwuschen den quatembern lygen blybe. − Bachmann u. a., Volksb. 146, 2; Chron. Augsb. 2, 191, 26; 5, 10, 4; Rwb 8, 1329; Schweiz. Id. 3, 1205.

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liegen

14. mit besonderer Häufigkeit belegt das polyseme Phrasem etw. / (seltener:) jn. liegen lassen ›mit etw. / (seltener:) jm. nicht so verfahren, wie es der moralischen, wirtschaftlichen, gesetzlichen Verpflichtung, der Erwartung nach geschehen sollte‹, im einzelnen z. B. ›etw. unbebaut lassen‹; ›etw. nicht verkaufen‹; ›etw. unerwähnt, unerörtert, auf sich beruhen lassen, übergehen‹; ›jn. verlassen, im Stich lassen‹; ›jn. vergessen‹. − Hierzu wiederum phras.: jm. bleibt das bier / der wein liegen ›jn. überkommt eine so schwere Prüfung, dass er das Bier [...] verschmäht‹; alles stehen und liegen lassen; es bleibt liegend ›es bleibt beim Alten‹. Luther, WA 51, 662, 488 (um 1535): Was nicht dein ist, das las ligen. Stambaugh, Friederich. Saufft. 48, 15 (Frankf./O. 1557): Ob aber dennoch Gott eim ein solch Creutze aufflegte / das im das Bier / oder der Wein blieb ligen / so trage er solch Creutze mit gedult. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 3642 (rib., 1444): Des ich up dese zijt wille geswygen 兩 Ind umb des mynsten verdros wil laissen lijgen [›unerörtert lassen‹]. Thiele, Chron. Stolle 378, 16 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): unnd liessen allis stehe unnd lien, was sie hatten. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 20, 15 (omd., 1487): lestu hawß, vnd hoff, wey¨pp vnd kinder ly¨gen, vnd lewfst Jm lande Jrre. Ebd. 84, 11 (omd., 1487): gleich ap sy¨ [eldern] ny¨e wern hye gewest vnd gleich den hunden ligen lassen. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 103, 31 (schles., 1546): Es soll auch Maz Hirsch keinesweges one vorwissen und rat der herren gewercken diener orter belegen aber liegen lassen. Chron. N¸rnb. 1, 32, 4 (nobd., 1407): di gefangen macht kayser Karel her nach zu Wirczburk ledig. alzo belaib ez ligend. Vetter, Pred. Taulers 107, 22 (els., E. 14. Jh.): Das sprechent die heiligen daz der mensche lieber sterben solte, aber das lasse ich nu liegen. Jellinek, Friedr. v. Schwaben 4487 (schwäb., Hs. 1478): Schweig und laß das ligen. Chron. Augsb. 6, 34, 21 (schwäb., zu 1527): also hat der Jorg Vetter [...] die sach nit wollen lassen ligen. Memminger Chron. Chr. 38, 21 (Ulm 1660): Blieb also dieses Gut ligen Jahr vnd Tag. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 52, 17 (moobd., 1478/81): Umb das lasz ichs zu disem mal ligen [›gehe nicht darauf ein‹]. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 485, 33 (m/soobd., 1593): Wenn ainer [...] unrecht zehent ligen lesst [›auf dem Felde zurück läßt und dadurch gegen die Abgabepflicht verstößt‹], begriffen wierdt, der ist das geladne fueder sambt zug und zäg [...] dem zehentherren verfallen. Winter, Nöst. Weist. 3, 863, 8 (moobd. 1523): so sol er phluegsrederweit ainen acker ligen lassen. Piirainen, Stadtr. Kremnitz 99 (mslow. inseldt., 16. Jh.): die Ienigen aber, So die Thurn bepholhen sein, sollen alles steen vnnd ligen lassen. − Cirullies, Rechtsterm. Anh. 1981, 246; Schnurrer, Urk. Dinkelsb. 5,

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1811; Vorarlb. Wb. 2, 284. − Vgl. ferner s. v. abschiessen 2, auffaren 11. 2

liegen, V., unr. abl.; Trennung von den Brechungsformen von lügen und von den Einheiten des zugehörigen Wortbildungsfeldes nicht immer sicher möglich, s. d. 1. ›jn. belügen, jm. die Unwahrheit sagen‹. − Bdv.: vgl. 2geliegen.

Helm, H. v. Hesler. Apok. 6087 (nrddt., 14. Jh.): Da der lugenwise 兩 Dieb der menscheite louc. Luther, WA 32, 91, 22 (1530): das wort kan uns nicht liegen. Fischer, Brun v. Schoneb. 10260 (md., Hs. um 1400): wen uns die werlt sus luget 兩 und in erem dinste betruget. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 415, 23 (Hagenau 1534): Leugt yemandt / und ob ers schon vor den leuten zudecken kan / so kan er doch Gott nit liegen. − Luther, WA 48, 100, 9; Lemmer, Schernb. Frau Jutte 1315.

2. ›täuschen, einen falschen Eindruck vermitteln‹; offen zu 3. − Bdv.: vgl. ableiten 2, bestopfen 4, betriegen 1, bezücken 1, 1gleichen 6, 1leichen 1, letzen 1, 2täuschen. − Wbg.: liegerei ›Heuchelei, Betrug‹. Quint, Eckharts Pred. 1, 215, 14 (E. 13./A. 14. Jh.): Vil dinges glıˆchet sich dem golde; ez liuget und enist niht golt. Gille u. a., M. Beheim 347, 34 (nobd., 2. H. 15. Jh.): dein munt sol mir mit liegen 兩 mein hercz nit mer petriegen. P‰pke, Marienl. Wernher 4126 (halem., v. 1382): Er [got] ist war und wir gelogen (›falsch, verlogen‹, auch zu 3 stellbar). Turmair 1, 212, 24 (moobd., 1529): Man tue das blutvergiessen, verräterei und liegerei ab. Sein das nit fein christen oder verstockt blind leut.

3. ›lügen, über etw. / jn. die Unwahrheit sagen‹; oft im Orientierungsfeld mit (be)triegen, afterreden, morden, rauben, stelen, verraten usw., zum Teil formelhaft. − Phras.: ane liegen Verwahrformel; um einen han liegen ›um die Wette lügen‹; den baum aus der erde liegen; in den eigenen beutel liegen; liegen, das sich die balken biegen. − Synt.: oft absolut; jn. (vor dem rechten) liegen heissen (›des Lügens bezichtigen‹; mehrfach belegt; vgl. dazu Rwb 8, 1500) / heischen; an der zal, auf die stat, auf / um jn. l., in seinen hals, in sein maul, durch seinen schlund, wieder die warheit, sonder not, wie ein schelm l.; fälschlich / frevelig / heimlich l.; subst.: ane liegen sprechen (verwahrformelhaft), den mund nicht mit liegen finden, sich des liegens massen. Wbg.: liegenheissen ›Bezichti-

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liegend

gung e. P., dass sie lügt‹, liegenstrafe ›Strafe für die Lügenbezichtigung‹, liegezunge ›Verleumdung‹ (a. 1460). Luther, WA 16, 466, 20 (1525): das wir nicht schweren, fluchen, liegen, triegen, zaubern sollen. Ebd. 30, 2, 442, 21 (1530): Dem Bapst kan ich nicht gleuben, denn er heisst sich selbs ynn sein maul liegen. Ebd. 32, 193, 20: wer mit Menschen umgehet, der sol wissen, daß er mit denen umbgehet, die liegen und triegen. Ebd. 35, 428, 2 (1524): Du sollt [...] 兩 nicht liegen auff den nehsten deyn. Fischer, Brun v. Schoneb. 4101 (md., Hs. um 1400): daz ist war und nicht gelogen. Quint, Eckharts Pred. 2, 454, 12 (E. 13./A. 14. Jh.): [want alles] was so valsch wider der warheit, das sie swigen vnd wolten nicht liegen. Redlich, Qu. Ratingen 51, 32 (snfrk./rib., 14. Jh.): scheltwort, vuystslege, liegenheyßen dyefe moerder off verreder geschoulden dat an lyff off an ere trefft. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 9589 (rib., 1444): verstant wale, 兩 Ich en liegen dir neit an deser tzale. Loesch, Kölner Zunfturk. 4, 54, 9 (rib., M. 15. Jh.): sower den anderen ernstlichen heischt liegen, die gilt 3. s. zo waisse. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 3, 898 (Köln um 1490): Du vule schalk, du luchst. Enders, Eberlin 3, 78, 23 (o. O. 1524): mügt ir mercken, das euer erste regul nit das Euangelion ist, als der anfang lygt. Grimm, Weisth. 6, 395, 2 (rhfrk., 1378): Auch werden in diesem gericht [...] gestraft alle liegenstraf, fauststreich [...]. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 28, 15 (Hs. 2omd., 14659): Triegen, listen [Var. E. 15. Jh.: liegen] smeichen, [...] lachen, weinen kan sie wol in einem augenblick. Chron. N¸rnb. 3, 174, 20 (nobd., 1488): Es sei ein ursach zu liegen, daß die menschen peichten dem priester in sein ore. Sachs 5, 68, 31 (Nürnb. 1557): Du thust liegen, triegen und rauben. Vetter, Pred. Taulers 385, 22 (els., 1359): Got und der prophete enliegent nu´t. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 236 o der stilt auch gern. (Straßb. 1522): Sprichwort: Wer gern lugt, o Ebd. 1, 367: Du lugst uff mich, ich bin nit ein sollich Frau. Kurz, Murner. Luth. Narr 1115 (Straßb. 1522): Es ist ein sundere kunst zuo liegen, 兩 Das es geheb sei und nit rin: 兩 Liegen hat ein besundern sin. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 503, 11 (Hagenau 1534): Er leugt wenn er das maul auff thut. Ebd. 2, 93 ([Augsb.] 1548): Er leügt das sich die Balcken biegen. Ebd. 2, 95: Er leüget in seinen aignen Beütel. Ebd.: Leug dich nicht zuo tod. Roloff, Brant. Tsp. 1668 (Straßb.] 1548): Wie kündten wir wider die warheit liegen. Geier, Stadtr. Überl. 370, 1 (nalem., 1532): Haist ain gewachsen mensch das ander liegen, ist peen zehen schilling pfennig. P‰pke, Marienl. Wernher 6677 (halem., v liegen. v. 1382): Ich will die warhait hie von Got 兩 Sprechen an Bachmann, Morgant 218, 34 (halem., 1530): Ruolland sprach zuo im: „Du luˇgst durch din schlund; wann ich bin kein dieb“. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 134, 1 (halem., n. 1529): ein teil luog, es wÁre alles wol gefridet. Bachmann, Haimonsk. 124, 34 (halem., 1530): als man spricht gemeinlichen guot bluot nu˘t lieggen. Roder, Stadtr. Villingen 193, 27 (önalem., 1582): So einer oder eine das redte, so liege er, oder si [...] wie ein schelm, dieb. Dict.

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Germ.-Gall.-Lat. 307, 33 (Genf 1636): Liegen / sagen was nicht wahr ist. Ebd. 39: Baum auß der Erden [liegen] vber alle massen triegen. Heydn. maister 8r, 24 (Augsb. 1490): Du sollt nit liegen. Chron. Augsb. 2, 307, 11 (schwäb., Hs. 16. Jh.): darumb han ich auf die erwürdigen stat pöslich gelogen. Ebd. 4, 124, 19 (v. 1536): man hat köglet, scholder gehapt und um ain hannen gelogen. Fischer, Eunuchus d. Terenz 125, 19 (Ulm 1486): Du bedarffst dem nit glauben. wann all knecht liegen gern. Turmair 1, 227, 37 (moobd. 1529): das die fürsten, hern und stett, so den Luther halten, ain jeglichen bleiben lassen, liegen, treigen, verraten, würgen, plöcken oder stöcken. Wackernell, H. v. Montfort 2, 62 (soobd. A. 15. Jh.): liegen, triegen fruo und spaˆt, 兩 das heissent si geschibikeit. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 28, 34 (tir., 1464): wenn si wider eüch re¨den alles v¨bel vnd eüch liegen haissen durch des menschen sunes willen. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 5700; Meijboom, a. a. O. 8370; Chron. Kˆln 1, 4488; 6208; Schade, Sat. u. Pasqu. 1, 4, 115; Brinkmann, Bad. Weist. 10, 15; Froning, Alsf. Passionssp. 411; Luther, WA 30, 3, 435; 32, 113, 3; v. d. Broek, Suevus. Spieg. 148v, 43; Asmussen, Buch d. 7 Grade 2012; Hoffmann, Würzb. Polizeisätze 157, 13; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 134; Gilman, a. a. O. 2, 45; 93, 24; Wyss, Luz. Ostersp. 10198; Enders, Eberlin 3, 41, 7; Österley, Steinhöwels Äsop 357; Primisser, Suchenwirt 19, 55; 22, 59; 30, 234; Turmair 4, 60, 2; Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring. 1970, 119; Maaler 273; Rwb 8, 1499 f. − Vgl. ferner s. v. afterreden, anzicht 1, arm (Adj.) 4, arzet 1.

liegend, lexikalisiertes part. Adj. zu 1liegen; in 1 subst.: liegendes, das liegende. 1. ›unterhalb eines nicht senkrechten Erzganges liegende, gleichsam den Boden des Ganges bildende erzführende Gebirgsmasse‹; vgl. am ehesten 1liegen 1. − Omd. und östl. Inseldt.; bergbaubezügliche Texte. Schmitt, Fachprosa 37, 8 (osächs., um 1500): daz ganghafftig kupferertz wirt besser vnd guldiger erfunden, nach dem der gang in seinem hangend vnd ligend mit einem edeleren vmd artigeren tzechstein voruast wirt. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 85, 16 (omd., um 1559): Wo der aufnehmer seine fundtgrube und maßen in hangendts und ligents [...] nehmen will. Ebd. 106, 12: Die beweisungen sollen von der fundtgruben [...] anzufahen und also bis an das strittige orte mit kendlichen hangendts und liegents sambt dem salbandt des gangs ins gesteine gebracht werden. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 6, 12 (schles., 1592): aufm Goltberge eine fundtgruebe [...] sampt einer wher in hangendes und ligendes. Ebd. 24, 30 (1533): dass ein iede fundgrube im harten bergwerge haben soll dem gange nach zwoundviertzig lochtern, [...] in hangendes und liegendes sieben lochtern. − Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 33, 28; 72, 7; Wutke, a. a. O. 20, 69, 5; 149, 6; Piirainen, Igl. Bergr. 31, 2, 20; S. 75; Paul, Wb.

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liegenheissen − liegerling

Bergmannspr. 1987, S. 211 − Vgl. ferner s. v. aufsetzen 27, ausschroten 5.

2. ›liegend im Unterschied zu beweglich, farend (von Gütern, Immobilien)‹; vgl. 1liegen 3. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: grundfest, unbeweglich. Ggs.: farend. − Synt.: das pfand l. sein; der liegende boden, die liegende habe, das liegende eigen / erbe / gut / pfand. Perez, Dietzin 1 134, 1 (Frankf. 1626): dieses sind also die beweglichst vnd liegende GÈter / die ich von meiner Mutter ererbt. Kˆbler, Stattr. Fryburg 67, 10 (Basel 1520): So sich erscheint / das einer varendt hab / iar vn˜ tag / vnd ligende gÈter zehen iar lang [...] onangesprochen / ingehabt / o der hat nach vnser Statt puch / kuntschafft gnug / zuo dem eigentumb. Ebd. 77, 19: Wan˜ aber das pfand ligend ist / vnd der schultherr nit wyter gedult haben wËlt / So sol dem schuldner [...] verkündt werden / [...]. Ebd. 94, 15: Wer ouch das einer ein ligend guto / huß / acker / matten / hoff 3c. vmb ein ierlich ewig gült verkouffte / das mag ouch wol sin / doch mit maß vn˜ bescheidenheit. Bremer, Voc. opt. 13017 (wobd., 15. Jh.): Fundus ligendeigen [...] grunt [...] duo significat: vno modo est infirma pars vasis rem liquidam continentis [...]. 2. modo (fundus) est ager, de quo sumitur fructus, uel area, super quam edificium construitur. GrafFuchs, Ämter Interl./Unterseen 114, 33 (halem., o ane elich gemechide 1404): wa vonhin ein vater oder ein muter stirbet [...], da nement und erbent die erren kinde an den o vorus ir libdinge. Schib, H. Stockar 256, 45 ligenden gutren (halem., 1520/9): so hatt sy yetzt angezeigte husarme zu iren rechten ... erben gesetst ... alles ires vbrigen gutz, ligennden vnnd varenden an goldt, barschaft, silber. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 703, 58 (schwäb., 1585): wie es mit außziechung der fahrenden hab und güetter diß fahls gehalten, ebenmeßigerweiß soll es auch mit den ligenden güettern gehalten werden. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 78, 27 (mslow. inseldt., 1605): nach ´seinem todt aber, ´sollen ´solche ligende güeter vnd gründ alle, [...], Gemainer Statt KörPen Zufallen. − Dinklage, Frk. Bauernweist. 02, 19; Kˆbler, a. a. O. 83, 28; 97, 12; Rennefahrt, Recht Laupen 32, 7; Rwb 8, 1330.

liegenheissen, s. 2liegen 3. liegenschaft, die. ›Immobilie, liegendes Gut‹; vgl. 1liegen 3. − Rwb 8, 1332 (a. 1322). liegenstrafe, s. 2liegen 3. 1

lieger, s. 1liegen 2.

lieger, der ; −/-π. ›Lügner‹, starke Tendenz zu ›Betrüger‹; vgl. 2liegen 3. − Bdv.: balräter, bieger, schalk, 2

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trieger (vgl. auch die Aufzählungen der Belege). − Wbg.: liegerin. o Jostes, Eckhart 65, 25 (14. Jh.): lieb on hute die ist [...] o und ist lag des teufels [...] und ist ein ein fugerin der sunde liegerin in der frag. Gille u. a., M. Beheim 115, 137 (nobd., 2. H. 15. Jh.): ripel, raier, läter, rüffian, 兩 verreter, freiheit, puben, 兩 Lieger und schelk verruchte 兩 sein nun der frawen kamer kneht. Adrian, Saelden Hort 2719 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): wes hastu dich genomen an, 兩 balretter, lieger, arger wiht! Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 45, 6 (oobd., 1349/50): der ist ain lieger, ain listiger und ain toˆr. Ebd. 600, 21: sneider: liger, schuster: trieger. − Chron. Augsb. 2, 118, 5; Barack, Teufels Netz 13357; Voc. inc. teut. p iv. − Vgl. ferner s. v. äffer 2.

liegerei, s. 2liegen 2. liegerhaft, Adj. ›krank, bettlägerig‹; vgl. 1liegen 2. − Bdv.: mat; vgl. betfest, betriese, betriesig, betsiech, langliegerig. Ggs.: gesund (Adj.) 1. Sachs 4, 77, 34 (Nürnb. 1554): Zu eynem kind er wider wird, 兩 [...] 兩 Wirt inn kranckheit gantz ligerhafft. Winter, Nöst. Weist. 1, 721, 16 (moobd., 16. Jh.): Ob auch ainer wuerd geschlagen anderstwo und kem her und wuerd do ligerhaft und starb, so [...].

liegerin, s. 2lieger. liegering, liegerling, der ; −/-π oder -e. − Wobd. 1. ›balkenähnliche, klotz-, scheitartige Unterlage für verschiedene Zwecke (zum Lagern von Holz, Dielen, Fässern)‹; zu 1liegen 1. − Bdv. (bzw. sachzugehörig): afterschlag 1, klafterstecke, kloz 1, scheit, stumpf. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 119, 33 (schwäb., 1554): es soll auch ain jeder, der [...] holz herein zue fihren schuldig ist, minder nit dann ain guet claffter, [...] aufladen, kein scheit, ligering [...] nit ligen lassen. Ebd. 790, 33 (1607): sollen die claffter der lange nach und nit in der runde gestelt und die ligerling, darauf man die claufter setzt, nit uber ein spann hoch [...] gemacht werden. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 223; Schweiz. Id. 3, 1216; Vorarlb. Wb. 2, 285. − Vgl. ferner s. v. afterschlag.

2. ›bettlägerige Person, Kranke(r)‹; vgl. liegen 2. − Bdv.: vgl. 2betler, betlieger.

1

Rieder, Gottesfr. 211, 31 (els., 1401/2): welre du´rftige [...] nu´t zumole ein ligering sige und ein zu swerer u´berlast des gesindes [...], den soll [...].

3. ›Fußhöhle‹; als Metonymie: ›Fußeinlage‹. Voc. Teut.-Lat. ee iijr (Nürnb. 1482): Sole. subtel. i. solea. od‘ fußhol. od‘ ligering vnderschubel. fußstapff.

liegerling, s. liegering.

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liegerstat − liese

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liegerstat, die. ›Bett, Ruhe-, Schlafstätte‹; zu 1liegen 2, vgl. stat (die) 1; 2. − Bdv.: vgl. 2betstat, bette 1, gelieger, leger 1, legerstat.

lierisch, Adj., teils subst.; nach der belg. Stadt Lier. ›von lierscher Machart, Herkunft‹; subst.: ›Tuch aus Lier‹.

Oorschot, Spee. Trvtz-N. 62, 18 (wmd., 1634): Auß Rosen mir bereitet 兩 Gar weich die Ligerstat. Sachs 7, 443, 10 (Nürnb. 1557): Do [unter der stiege] ward es im [vater] gnaw gemessen, 兩 Mit liegerstat, trincken und essn. Ders. 20, 151 (1560): Heiß warten ir mit allem fleiß, 兩 Mit ligerstatt, getranck und speiß! − Sachs 13, 226, 4; 20, 75, 18.

Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 430, 19 (preuß.,1391/9): 8 ellen van eyme swartzen lirschen. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 60, 4 (Frankf./M. 1568): Hereyn /wer Thuch zu schÁren hab / 兩 es sey [...] 兩 Mechlisch /LÈndisch / Lyrisch / Stamet. Loose, Tuchers Haushaltb. 59, 5 (nürnb., 1507): adi 15 november czalt ich dem Peter Obermair durch mein sun fur 2 eln lirisch tuch [...], thut alles 23 웩. Spanier, Murner. Schelmenz. 45, 19 (Straßb. 1512/3): an dem rock [...] 兩 Sammet / dammast / vnd von syden, 兩 vnd laßt ir lindisch / lirisch schnyden, 兩 Also hierisch vnd so frech. − Sattler, a. a. O. 126, 23; Ziesemer, Gr. Ämterb. 84, 20.

liegezunge, s. 2liegen 3. lieggrube, lieglingen, s. 1liegen 5. 1 liene, die; Etymologie? − Zu den Bezeichnungen für ,Muttersau‘ in den rezenten dt. Mundarten s. Dwa 4; 7, 3. ›erwachsenes weibliches Wildschwein, Wildsau‹. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 472, 21 (mosfrk., 1465): wer ein liehe fahet, der ist schuldig ein zaume saw unt sechszig s. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 521, 19 (halem., 1657): von einer lienen, wie vil sy joch dero hat, [...] 3 d. Grimm, Weisth. 1, 386, 36 (wobd., 1456): da sollent sie von einem beren das höpt vnnd von einem hawenden schwin vnd einer lienen öch das höpt geben. − Ebd. 1, 384, 49; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 136; Vilmar 242. 2

liene, die. eine Pflanze, wohl ›Waldrebe‹. − Wbg.: lienenblume (a. 1542). Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 204r, 4 (Hs. 2nalem., um v 14009): Dem das gesu´ht in der stirnnen ald in den ogen ist, das nem linea. − Marzell 1, 1047 (mit Überlegungen zur Etymologie); Schweiz. Id. 5. 82. 3

liene, Genus und etymologische Zuordnung unklar, möglicherweise zu mhd. line ›Geländer, Balken‹ (Lexer 1, 1926). ›Balken; Geländer, Lehne; Umgrenzung des Hauses, der Burg‹? Golius 7, 53 (Straßb. 1579): Paxillus, die Lien. Niewˆhner, Teichner 15, 33 (Hs. 2moobd., 1360/709 ): anders keiner do gewan 兩 wann daz man in warff durich die lienen. − Schweiz. Id. 3, 1286.

lienenblume, s. 2liene. lieren, V.; onomatopoetische Spontanbildung mit Bezug auf liri, den Ton der Lerche. ›singen, trillieren‹. Klein, Oswald 50, 34 (oobd., v. 1408?): ir lierent, rierent 兩 gracket und wacket.

liesch, das; zu mhd. liesche eine Grasart (Lexer 1, 1913; Dwb 6, 1019). ›Riedgras, Sumpfgras‹. − Wobd. − Bdv.: vgl. binze 1, 1gras, ror(kolb), schilf. − Wbg.: liestisch ›gertenschlank (wie eine Binse)‹. Voc. Ex quo C 481 (nrhfrk., 1411): Cirpus [...] semden / risch uel schelp [...] uel pinss [...] uel liße. Schib, H. Stockar 156, 17 (halem., 1520/9): Uff dye zitt hain ich kufft 3 liesch und kostend mich 3 gl mit alem. Rennefahrt, Recht Laupen 193, 27 (halem., 1695): Mosgarten, so nur lischen tragt ½ [mad]. Fischer, Eunuchus d. Terenz Fischer, Eunuchus d. Terenz 59, 5 (Ulm 1486): sie [muttern] vertziehen in [Töchtern] die spys, und ob sie wol gut von natur ist, mit irem fleiß machen sis liestisch allso hat mans lieb. Ebd. 59, 23: Mit irer [mutter] getzwingnuß [den leib in zwingen] machen sie [jungkfrawen] liestisch. Wann liesth sind die urlangen bintz, nit knopffet und nahend in gleicher grËsse und schmal. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 223; Schweiz. Id. 3, 1459; Schw‰b. Wb. 3, 1243.

lieschke, Genus und Etymologie? ein Ort ohne Gemeindeverfassung. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 589, 16 (preuß., 1516): auffm lande soll keyn kruger in lieschken oder dorffern maltz zur mule furen, er sall zuvorn vom amptman ein zeichen nemen.

liese, die; Lemmaansatz wegen der (wohl auch reimbedingten) Schreibung (ij für mhd. -ıˆ, nhd. -ei) unsicher; möglicherweise zu nhd. Liese ‹Pustel‹ (Dwb 6, 1019), entsprechend mnl. liese (Verwijs/Verdam 4, 568) oder mnl. leisse ›Schnur‹ (Verwijs/ Verdam 4, 342), wie der Herausgeber der u. a. Quelle mit der Erläuterung ›Schnur‹ anzunehmen scheint (semantisch nicht

1233

liespfund − lilie

überzeugend); vgl. auch Vilmar 250: hier als Name der Krätze angegeben. ›Schramme, Kratzer‹. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 4098 (rib., 1444): Want id [pantzier] is van sulche˜ machsel ind prijse 兩 Dat eme alle andere wapen neit eyne lijse 兩 Noch eyne male mochten krencken.

liespfund, das; zum Wort: Dwb 6, 1020; Rwb 8, 333 (hier Herleitung aus: livisches pfund). eine Gewichtseinheit, Zwanzigstel eines Schiffspfundes; das Maß war in den Niederlanden und im Ostseeraum gebräuchlich. − Kohrt u. a., Alte Maße [...]. 1987, 164. Joachim, Marienb. Tresslerb. 84, 28 (preuß., 1399): 1 schok flicken fleisch, dy wegen 10 pfundt und 4 lispfundt, das pfundt vor 11 firdung. Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 12, 34 (preuß., 1404): Cristan Klofhamer tenetur 25 schiff 웩 und ½ lis웩 Ungerisch ysen. Ziesemer, Marienb. Konventsb. (preuß., 1412): 6 m. 6 d vor 4 bastard, dy wugen 4 schiffpfunt und 2 lispfunt. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 374, 22 (preuß., 1420 ): Der herren von Thorun pfunde was czu leichte ... 1 ½ lis 웩. − Ziesemer, a. a. O. 10, 14.

liessen, V.; zu mhd. liezen ›losen‹ (Lexer 1, 1914). ›jm. eine Behandlung nach seinem Verhalten zuteil werden lassen‹. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 26, 9 (2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): Baz möchte man die bösen von den bederben scharn: 兩 die mislich varn, 兩 den muz man mislich liezen.

liestag, der. ›besonderer Tag, an dem die Wettervorhersage für das kommende Jahr vorgenommen wurde(?)‹. Beckers, Bauernpr. 54, 12 (Köln 1515/18): Die vj. daich na de˜ heilgen dreyen koeningen synt wyder lies daich vn˜ besteten.

liestisch, s. liesch. liftigen, V.; etymologische Zuordnung unklar. ›etw. (Weinreben) anheben, frei legen‹. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 309, 19 (schwäb., 1491): So vil grËsser die hitz ist, so vil zimpt es sich dicker den win gefÈret, erkelt und geliftiget werden.

liga, die, auch der ; aus franz. lique ›union offensive, de´fensive‹ (Jones, French Borrowings 399, Belege 1579; 1616).

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›Bündnis‹. − Bdv.: (ver)bündnis; vgl. bund 4, einung, geselschaft 9, 1lege. Barack, Zim. Chron. 1, 305, 37 (schwäb., M. 16. Jh.): so kammen die von Geroltzeck mit dem schloss und der statt Sulz auch in disen liga. Ebd. 3, 480, 33: Wie nun graf Gottfridt Christof sein prebenda us dem stift bekamme, do gab es ain rechten ligam, [...], und es stande domals nit übel uf dem stift.

lila, Genus? ›Tuch aus Lille, nach der Machart von Lille‹. M¸ller, Welthandelsbr. 261, 37 (schwäb., 1514/5): alle flemisch tuech, [...]. So muessen solliche tuech hie halten die sort Lila, Menin, Ycken, Thun, Armentini fina marcka, liüster, ain yedes 30 covido.

lilie, die; −/-n. − Vgl. auch gilge. 1. ›Lilie‹; in den Belegen begegnet lilie vielfach im Orientierungsfeld mit rose / veiel / zeitlose und im Gegensatz zu distel, dorn, nessel; starke Häufung tropischer und bildhafter Verwendungen; lilie steht dann im Vergleich mit der Brustwarze der Frau, als Symbol für keuschheit, sänftmütigkeit, als Tropus für Christus und (häufiger) Maria. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: nicht zwischen rosen und lilien hängen ›nicht nur angenehm sein‹. − Synt.: lilien ansehen / nemen (als Schmuck), die brust die lilien schauen lassen; die lilie / lilien [wo, z. B. in der aue] wachsen / reifen / blühen / welken, für den dornen geschönt sein, hel gleich den sternen sein, der welt gemeine sein, einen langen stengel haben; Maria / Christus die / eine l. sein; etw. schöner den lilien (›als Lilien‹) sein; sänftmütigkeit der l. gleich sein, der l. überadeln wollen ›die Lilie übertreffen wollen‹; aus lilien öl machen, etw. mit lilien bestreuen / durchflorieren / zieren; die l. des ackers, der keuschheit (mehrfach) / reinigkeit, die l. ›Krone‹ der arzenei; die blaue / gelbe / (schne)weisse / reine / feine / schöne / unbeflekte / minnigliche l.; die l. am wasser, aus der aue, im garten, sonder missefal, unter den dornen; die weisheit der lilien. Wbg.: lilienblank ›weiß wie eine Lilie‹, lilienblat, lilienblume, lilienblut (Gw zu 2blut), lilienbusch ›lilienbewachsener Ort‹, lilienfarbe, lilienfeld fiktiver Namensbestandteil eines romhöri-

1235 gen Königs, liliengarte, liliengerte (für Maria), lilienöl ›öliger Auszug der Weißen Lilie‹, liliensaft, liliental (für Maria). Luther, WA 24, 401, 11 (1527): Das Euangelium [...] henget nicht zwischen rosen und lilien. Ingen, Zesen. Ros. 79, 1 (Hamb. 1646): ihre brust ließ ohne sorgen / 兩 ohne neid und hinterhalt / 兩 die schneeÚweissen liljen schauen 兩 auf den folÚbeblÈhmten auen. Ebd. 80, 29: [die Begierde] izt unter dem schatten der lieblichen augenlider / bald zwischen den zwe anmuhtigen lustÚhÈgeln / des liljenÚblanken brustÚfeldes. Ebd. 84, 27: Bald nahm sie lilien / bald rosen / und fÈgte sie an ihren weissen hals und ihre rohte lippen. Fischer, Brun v. Schoneb. 319 (md., Hs. um 1400): du ein lilia uz den ouwen, 兩 du eine vrouwe obir alle vrouwen. Ebd. 4858: durch waz her si lilige heze, 兩 vil note ich daz vorgeze, 兩 ich sage iz mannen und vrouwen: 兩 liligen wachsen in den ouwen, 兩 sint alle der werlt gemeine. Dubizmay, kurß zu Teutze 72, 19 (hess., 1463): Also liligen vnder den thornen also ist mein freundin vnder den Iungenfrawen. Neumann, Rothe. Keuschh. 2359 (thür., 1. H. 15. Jh.): einen langen stengel die lilie had, 兩 [...] 兩. ess bedudit das die kuscheit sal lange 兩 in dem menschen weren. Ebd. 2367: das lilien safft heilet zu hand 兩 di wonden di da sint gebrand. H¸bner, Buch Daniel 2013 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Lylien sten in vuchte 兩 In drierhande luchte (Minneallegorie). Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 6, 28 (osächs., 1343): Seht an die lilien des acheris wıˆ si wahsin, und si inerbeiten nicht. Gille u. a., M. Beheim 110, 147 (nobd., 2. H. 15. Jh.): nach 兩 des kaisers pstetikaite 兩 Dez von dem lilgen velde 兩 werden sich die Jermani gseln 兩 und auss irn fursten ainn erweln. Ebd. 245, 21: Der rauhen disteln auff dem stil 兩 und der nessel ist es ze vil, 兩 ab ir art uber adeln wil 兩 der lilgen, veigel, rasen, 兩 Negel plümlein, zeitlasen. Mayer, Folz. Meisterl. 34, 627 (nobd., v. 1496): Do leg wir gancz am schadenn, 兩 Ob nit dein [mutter Gottes] gut 兩 Senfftmutiglich an neiget, 兩 Das unns zu werd geeiget 兩 Die lilgen plut. Ebd. 84, 47 (1517/ 8): Den zorn hastw in güt gekert 兩 [...] 兩 Und uns funden die lilgengert, 兩 [...] 兩 Ee dw gabst form gestalt und pild 兩 Dem sün Gotts. Ebd. 87, 31: Dw reine gert von Jesse stam, 兩 In deinen lilgen garten clam 兩 Jesus. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 372, 63 (Nürnb. 1631): Dein [HERR] Edler gruch schmeckt wunderlich, 兩 Erbreite dich, O Lili schËn. Dasypodius 1145 (Straßb. 1536): Lilietum, Ein lilien busch da vil lilien wachßen. Bremer, Voc. opt. 50189 (wobd., 15. Jh.): Lilium lilgenplum. Rieder, St. Georg. Pred. 43, 1 (Hs. 2önalem., 13879): ich engesach noch vernam nie, da man rosen phlantzat, daz da lylien wÈchsent. aber uff dirre o Eichler, Ruwurze der minne da wahsent alle edel blumen. usbr. obd. Brul. 1, 734 (els., E. 14. Jh.): Reinekeit des libes gelichet men der wisheit der lilien vnd der luterkeit der engele. Ebd. 2, 835: [Cristus] was die vnbefleckete lylie vnd o o do alle gute menschen das honig der die gemeine felt blume, ewigen sÈßekeit an ladent. Thiele, Minner. II, 14, 49 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): die jungen sicht man sich krönen 兩 mit schappeln und mit rösen, 兩 gemaht uß zittlösen, 兩 mit lilyen durch florieret. Sudhoff, Paracelsus 14, 394, 13 (1568):

lilie

1236 Darumb die materia tincturae das größt perlin [...] ist, das nach [...] aller menschen betrachtung auf erden sein mag. und das ist die lili der arznei und alchimei, welche die philosophi so heftig und streng gesucht haben. Strauch, Schürebrand 50, 19 (els., E. 14. Jh.): dar gegene dise materie glichet alse eine grobe ruhe tistele gegen allen den edeln liligen und rosen, o die ie gewuhsent. Warnock, Pred. Paulis 2, 171 (önalem., 1490/4): Also die miniklich lily under den dornen ufgat, also ist min fru´ndin under den tochtren (Cant. 2, 2). Ebd. 17, o 53: die senftmütikait ist gelich ainem plumen oder edlen lylya. Rot 325 (Augsb. 1571): Lilgn, vom wort Lilium, ein Lilien o oder blum / weiß / blaw / gelb lilgen / lilium conuallium. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 59, 15 (oobd., 1349/50): Alsoˆ tuot unser frawe, diu gibt [...] den püezern violisch varb, den martern roˆter roˆsen varb, den junkfrawen lilienvarb. Ebd. 406, 16: liligenöl ist guot für der vergiftigen tier piz. Ebd. 421, 22: des krautes pleter sint gestalt sam diu liligenpleter. Spechtler, Mönch v. Salzb. 7, 29 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): (du) [Maria] veldpluem, demüetig tal, 兩 (du) lilge sunder misseval, 兩 Christus aus dir plümleichen plüet. Ebd. 8, 28: du demüetigs, reiches lilgental. Weber, Füetrer. Poyt. 190, 5 (moobd., 1478/84): Wie das raine weib 兩 mit klarhait sunst thu˘et scheinen, 兩 noch verre pas ist meiner frawen leib 兩 für si geschönt alls lilien für den doren. − Kehrein, a. a. O. 1, 106, 3; 2, 39, 31; 397, 10; Fischer, a. a. O. 4804; 5589; Dubizmay, a. a. O. 63, 16; Ermisch u. a., Haush. Vorw. 96, 24; Gille u. a., a. a. O. 110, 169; 343, 12; Sachs 21, 67, 10; Bihlmeyer, Seuse 440, 4; Rohland, Schäden, S. 466; Matthaei, Minner. I, 8, 464; Rieder, a. a. O. 75, 34; Warnock, a. a. O. 2, 81; 3, 221; P‰pke, Marienl. Wernher 5834; 14404; Eis u. a., G. v. Lebenstein 43, 10; Keil, Peter v. Ulm 54; Harsdoerffer. Trichter 3, 326, 5. − Vgl. ferner s. v. 1ban 5, begreifen 2.

2. ›Lilie als Herrschaftszeichen, als Schmuckgegenstand, als Bild oder Gravur auf Gebrauchsgegenständen‹. − Rechtsund Wirtschaftstexte, berichtende Texte. − Synt.: die stole lilien haben, das wetter die lilien herabschlagen; die l. vergüldet, in einer fane sein, [wo] eingegraben [sein], perlen haben; der adler in der l. ›Krone Frankreichs‹ nisten; die l. an / von gold / gestein, von steinen; die blaue / grosse / güldene / kostbärliche / vergüldete l.; der schild mit lilien, das humeral mit einer l., das wappen mit lilien. Wbg.: liliengefelde ›Schildfeld mit Lilien‹, lilienzweig. Ziesemer, Gr. Ämterb. 10, 17 (preuß., 1404): ein silberyn kopchin uff dem lede eine lylie gegraben. Luther, WA 46, 730, 26 (1537/8): das aus seinem [Christi] Munde ein Schwert auff einer seiten gehe und ein lilienzweig auf der andern seiten. Peil, Rollenhagen. Froschm. 608, 3242 (Magdeb. 1608): Zur Lincken FrantzËsiche Knecht / 兩 Drey Lilgen waren im Fehnlein / 兩 [...] 兩 Zwey ding prangen frËlich

1237

lilienblank − limbus

herein 兩 Die Lilg am Wassr / der Mann beym Wein. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 250, 8 (rib., 2. H. 15. Jh.): twe blauwe lelien, de sijn vergult end ellic heft 4 grote perlen. Struck, Marienst. Wetzlar 1158, 70 (hess., 1495): Tzwae alt stolen, eyn gulden, dye ander hait lilien etc. Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 29, 14 (md., Hs. M. 16. Jh.): bej gefangenn Matz jm hosennlatz gefundenn 7 guldenn ringe [...] 1 lilien gefelde − solches der [...] richter zw sich jn vorwarung genomenn. Stoltzius, Chym. Lustg. 87, 3 (Frankf./M. 1624): Sonn vnd Mon stehen hier zugleich / 兩 Beide fÈren zween Lilien zweig. Chron. N¸rnb. 1, 60, 8 (nobd., 1407): unser wapen mit den dreyn lilgen burden unsern vordern verlichen von kunk Cunrat. Ebd. 5, 680, 9 (nobd., E. 15./A. 16. Jh.): [das weter] slug die liligen und die plumen neben herab und durch daz gewelb. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 484, 31 (nobd., 1527): das humeral mit drey grossen silberen vergulten buchstaben und einer lilgen. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4942, 19 (moobd., 1482): ain halbs vergulcz fraungesperr, [...], vir lilign von praunn staindlein. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 39, 26 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Da was gerichtet ein altar, [...], in der mitten ein liligen an goldt und an gestain. Leidinger, V. Arnpeck 543, 20 (moobd., v. 1495): ain kostperliche liligen von golt und edlem gestain. Turmair 1, 199, 2 (moobd., 1529): er [künig in Frankreich] soll der Teutschen müessig steˆn [...] und der adler werd in die lilgen nisten. − Ziesemer, a. a. O. 237, 14. − Vgl. ferner s. v. pater noster 2.

lilienblank, lilienblat, lilienblume, lilienblut, lilienbusch, lilienfarbe, lilienfeld, liliengarte, s. lilie 1. liliengefelde, s. lilie 2. liliengerte, lilienöl, liliensaft, liliental, s. lilie 1. lilienwasser, das. ›gebranntes Wasser der Weißen Lilie (als Arzneimittel gegen Ausschläge o. ä. gebraucht)‹; zu lilie 1. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 78, 20 (osächs., 1570/7): die maasen mit dem warmen oel geschmieret, auf den morgen mit warmen rosenwasser, weiß lilienwasser. Haage, Hesel. Arzneib. 18v, 20 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): nym lilgen basser und lans begrich und zbifel, und hack daz durch ein ander. Eis u. a., G. v. Lebenstein 40, 9 (oobd., 1. V. 15. Jh.): Von dem weissen lilgen wasser Item das wasser hat die tugent, wer es in die augen sprengt, so vertreibt es al rot.

lilienweis, Adj. ›weiß wie eine Lilie‹, oft auf die Schönheit einer Frau bezogen; zu lilie 1. Luther, WA 7, 674, 23 (1521): Es sollte myr ewr [Emser] lilien weysse keuscheyt nit sagen, was meschen lere hyrinnen setzet. Gille u. a., M. Beheim 337, 27 (nobd., 2. H.

1238

15. Jh.): ir lilgen weisse wengel, 兩 ir rosen varber mund 兩 Tet mir grass fröude kunt. Stackmann u. a., Frauenlob 14, 7, 9 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): Baz dem munde zeme ein liljenwizez ja 兩 dann ein nein von jamer bla. − Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 448, 3; P‰pke, Marienl. Wernher 5785; Kummer, Erlauer Sp. 4, 124.

lilienwurz, die. ›Wurzelstock von Schwertlilienarten‹; er diente der Herstellung von Heilsalben; zu lilie 1. − Bdv.: illesirke. Keil, Peter v. Ulm 64 (nobd., 1453/4): Die salbe heist vngentum Agrippa etc, Dye mach also: Nym hundes-kürbis j lb vnd weiß wein vnd rebenwurtzel ij lb [...], plaw liligenwurtzel vj lot vnd attich-wurtz vnd fech-distel-wurtz [im Folgendem genaue Herstellungsanleitung]. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 209r, 6 (Hs. 2nalem., um 14009): Der das harn nit behaben mag, der nem ly˙lien wurczen vnd sied die in wasser. − Rohland, Schäden, S. 466.

lilienzweig, s. lilie 2. limbisch, s. 1limbus. 1 limbus, der ; lat. Flexion; etymologische Zuordnung unklar. eine Art gottgegebenen Urstoffs, der der männlichen Person eingegeben ist. − Wbg.: limbisch. Sudhoff, Paracelsus 14, 161, 34 (1529/32): der mensch hat zwo art an im, die limbisch und die seˆlisch; das ist also ein exempel. es würd ein kint geboren auf die stunt und die minuten rc. [...]. nun iezt folgt aus dem, dem kint ein nativitet, die wird also sein. Ebd. 568, 6 (1591): aber Adam hat den besten teil von der essentia limbi aeterni gegen der Eva gerechnet. derwegen auch Eva den Adam so liebet, das heißt sie liebet das so hoch das in Adam der limbus aeternus ist. dan Adam liebet auch den spiritual cagastrischen limbum und stomachum cagastri matricis. Ebd. 15: und dieweil Adam noch ein stück hat vom limbo aeterno, so hat Eva auch ein beger, lust und senen nach dem limbo aeterno, welcher in Adamo ist. Ebd. 569, 40: nun ist in der frauen der limbus nicht aber der geist des limbi ist in ir. Ebd. 572, 5: und wil beschreiben physice` den materialischen limbum, den got in die matrix microcosmi eingepflanzet hat. Ebd. 689, 17 (hierher?): aber anima und matrix maioris mundi die ist inficirt worden und das ist dem irdischen limbo geschehen, dem baum so ir corallen heißt. 2

limbus, der ; aus lat. limbus ›Streifen‹ (Georges 2, 698). ›Vorhölle, zwischen Himmel und Hölle/ Fegefeuer liegender Ort für die Gerechten des Alten Testamentes‹. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 5, 1990; LThK 6, 1986, 1057 f. Adrian, Saelden Hort 3476 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): do hie lag tot 兩 uf erde sin lichame, 兩 sin sel kunt

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limel − limone

Adame 兩 und in die mit im wan behaft 兩 inlymbo, liebe botschaft. Ebd. 3929: von dem cru´tz zuo dem grab, 兩 von dem grab dort hin ab 兩 von linbun, da du [Got] lostest 兩 die rehten.

limel, der ; zu mhd. limbel ›Schuhfleck‹, dies aus lat. limbulus (Lexer 1, 1922). ›Streifen, Flicken, Lappen (in der Regel von Leder oder Tuch)‹. − Bdv.: blez 1, flek; vgl. 1hader, 1lappe, 2luder, lumpe 1, plak 2. − Synt.: einen l. aufsetzen, jm. [eine Anzahl] l. geben; ein tuch mit l. setzen, den schuh mit limeln vernähen. Wbg.: limelleder, limeln ›flicken‹ (a. 1494). Gille u. a., M. Beheim 1216, 220 (nobd., 2. H. 15. Jh.): da wir in [hern] sehn in rehter sip, 兩 nicht als die herter in der krip 兩 in swacher tüchlin limel. Grimm, Weisth. 1, 675, 35 (els., o. J.): [der huber] sol im [meier] geben zwen bökhen schue [...] und dem ochsner [...] vir limmel. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 280, 1 (Straßb. 1466): gar alte geschu´ch die von rechtem alter mit lymelen [Var. 14752-1518: liderin flecken; Luther 1545, Jos. 9, 5: geflickte Schuch] wurden verneet. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 568, 2 (hao mit einem limmet (!) gesetzt 8ß. lem., 1487): von acht tuchen, − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 224.

limelleder, limeln, s. limel. limit, Genus? ›Grenze (im räumlichen Sinne)‹. − Bdv.: vgl. anstos 6, antrete 2, anwand 5, banscheide, bemärkung, bimark 1, confin 1, gemarke 2, grenze 1, 1letze 1, term 1, termin 2. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 525, 16 (rib., 1650): haben ihro hochw. [...] die grenzen und limiten des zehents [...] begangen und auf neu mit ihren vöhren [...] beschrieben. − Aubin, Weist. Hülchrath 144, 23.

limitation, s. limitieren 2. limitieren, V.; aus lat. limita¯re ›abgrenzen‹ (Georges 2, 660). 1. ›etw. festsetzen; etw. limitieren; etw. auf etw. herabsetzen‹. − Bdv.: vgl. abmessen 1, 1abwägen 3, anschlagen 23, ansetzen 8, benennen 3, besetzen 13, statuieren. Kˆbler, Ref. Franckenfort 36, 13 (Mainz 1509): So ordenen wir das solche erkantnissen gezogen / vnd limitirt sollen werden vff hundert gülden. Rot 325 (Augsb. 1571): Limitirn, Durchweg machen / vnter machen / außzylen / sich etwo hin enden / grentzen. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 469, 29 (m/soobd., Hs. 17. Jh.): jedoch voriger inhalt allein von zechen ducaten limitiert auf vier ducaten die peen. − Rwb 8, 1335.

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2. ›sich auf etw. / jn. beziehen‹. − Wbg.: limitation. Rot 325 (Augsb. 1571): Limitirn [...]. Jtem sich auff etwas ziehen / referirn. Als so wir sprechen / Er Limitirt sich auff disen oder jenen. Ebd.: Limitation, Anziehung / referirung, so da gleich zeugnuß weiß geschicht. Jtem vntermachung / außweisung.

limme, s. limmen. limmen, V., unr., abl. ›brüllen, schreien, bellen (von Raubtieren, vom Tod); klagen, laut jammern (vom leidenden Menschen)‹. − Älteres Frnhd.; Verstexte. − Bdv.: vgl. brüllen, greinen 2, lören 1, ludemen, 2lügen 1, plärren 1; 2. − Synt.: der 1 bär / lewe /tot l., j. wunderlichen, in jamer / not, als ein hund l., js. zorn l. Wbg.: limme ›lautes Klagen, Wehgeschrei‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 15569 (preuß., um 1330/40): und begonde gaˆhin 兩 wunderlıˆchen limmende 兩 und widir ubirswimmende 兩 ze hulfe sıˆner rotin. Ebd. 19252: der vorreˆter an sıˆ schreˆ 兩 mit vil jaˆmirlıˆchir vleˆ 兩 in clegelıˆchem limme. Reissenberger, Väterb. 2944 (Hs. 2md., 14. Jh.9): Als ein tobende hunt er lam. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 34, 3 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): Ein hane sol kren, ein hunt sol bellen, kerren ein swin 兩 nach dünken min. 兩 so sol ein lewe limmen, 兩 und der ber sol brimmen. Henschel u. a., Heidin 609 (nobd., um 1300): Er fvr limmende als ein ber. Pyritz, Minneburg 5071 (nobd., Hs. um 1400): ez tut mir not 兩 Daz ich so in jamer lymme, 兩 Wann mich hat in starkem grymme 兩 In sinen clowen ein mechtig ar. Ebd. 5103: da von ich dol 兩 Sulich not, dar inne ich lymme. Primisser, Suchenwirt 12, 30 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Her tot, wie grimmichleich ir limt, 兩 Daz ir uns niemant lazzet hie, 兩 Der milt und manhait ie pegie. Ebd. 15, 202: den [lew] man vraidichleich 兩 Sach inn dem schilde chlimmen 兩 Und gen den veinden limmen. − Strehlke, a. a. O. 18157; Pyritz, a. a. O. 320; Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 1002, 2; 1128, 3; Gereke, Seifrits Alex. 5537; Primisser, a. a. O. 13, 113.

limone, die. ›Zitrone‹. − Obd. Fischer, Folz. Reimp. 45, 217 (Nürnb. 1482): altag nissen des sames citranguli oder der limonen pey aim halben quintin mit sülchen wassern. Morrall, Mandev. Reiseb. 107, 21 (schwäb., E. 14. Jh.): daz sie ir hend und ir fÈß wÁschent mit ainem safft von ainem Ëpffel, der haisset lymon. Ebd. 123, 8: wenn sie in den sËw wËllent, so nement sie den safft von lymonen und von kru´ttern die sie hond, und bestrichent sich da mit. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1084 (oobd., 1607/11): Vasetti langlicht rund wie ein limoni. − Loose, Tuchers Haushaltb. 99, 8; Fischer, Folz. Reimp. 45,

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limpfen − lind

209; Rupprich, Dürer 1, 176, 189; M¸ller, Welthandelsbr. 187, 17; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, S. 184.

limpfen, V.; s. glimpf, auch nd. limpf ›Ehre‹ (Rwb 8, 1335). ›etw. zweckentsprechend einrichten, justieren‹; im einzelnen z. B.: ›etw. verdünnen‹. − Bdv.: vgl. 2justieren. − Wbg.: limpfieren (dies möglicherweise aus mlat. limphari) ›(mit Saft o. ä.) verdünnen‹ (DuCange 5, 114), limpfig (dazu bdv.: behende 2; 6, zügig), limpflich ›gefällig; gut zu handhaben‹, limpfige (die). Toeppen, Ständetage Preußen 5, 120, 6 (preuß., 1464): dergleichen, offt ze en ok wes vorgheven, dat dem orden nicht vellich edder limplick were, dat scholden se ene to unwillen nicht leggen. Schmitt, Ordo rerum 641, 4 (omd., 1452): Abilitare [...] bequeme machen [...] limphem [...] fÈgen machen schicken. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 232v, 12 (md./ oobd., 1446/8): so las in / ein linden wein nuczen, der do gelimpfirt sey ader mit waßer gemischt / sey. Bihlmeyer, Seuse 25, 1 (alem., 14. Jh.): Die spise, du´ im nit linpfig was bot er zu tunken gen dem minnewunden herzen. Koller, Ref. Siegmunds 120, 42 (wobd., um 1448/52): an [...] fasten, beden, zu kore gan, mag man wol nach nottorffege lymplichen erlychten, nit gantz abnemen. Maaler 273v (Zürich 1561): Limpffig / zügig / Das sich laßt hantzlen. Tener. Limpffige (die) Teneritas. Boot, Cassiodor. Hist. Eccl. 20, 17 (moobd., um 1385): daz liecht waz als der glancz der stram und gaz darin ein suezzes trankch, und lympht es mit chaltem wazzer. − Toeppen, a. a. O. 5, 122, 29; Voc. Ex quo A 20; Golius 373.

limpfieren, limpfig, limpfige, limpflich, s. limpfen. lind, das; -π/−; entsprechend mnl. lint ›Band‹ (Verwijs/Verdam 4, 663; s. auch Lexer 1, 1928); bei van Veen / van der Sijs 1997, 514 wird auch Herkunft aus lat. linteum ›Leinwand‹ erwogen. ›Band, Leiste; Rindenbast‹. − Bdv.: vgl. 1 band 3, bendel, gebende 1, 3leiste 1. − Wbg.: 2 linden ›aus Bast‹, lindzeichen ›Narbe‹. Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 402, 23 (rib./wfäl. 1587): allerhant lyndt den daller koepgeltz 1 alb. Buch Weinsb. 3, 341, 14 (rib., 1586): das ist die hoede mit sidin, flawiln, lint zu foedern. Jahr, H. v. Mügeln 1338 (omd., Hs. 1463): sust dri personen gottes sint 兩 verstrikt in eines wesens lint. Chron. Kˆln 3, 844, 3 (Köln 1499): [Karl] wart dairna vunden ind mirklich bekant an etzlichen lintzeichen, die hei an sich hadde. Voc. Ex quo S 1145 (wmd., 2. H. 15. Jh.): Suberinus besten [...] linden, est aliquid de

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subere factum. Ebd. S 1143 (15. Jh.): Suber bast oder lint / bast [...] dicitur arbuscula uel eius cortex. Mon. Boica, NF. 2, 1, 41, 23 (nobd., 1464): Wer ein lend abrysz [...], der verfiel von ir iglicher 30 schilling haller. Hampe, Ged. v. Hausrat 1, 6, 6 (nürnb., n. 1480): Hawen vnd schaüffel ein waschstock 兩 lendel [Diminutivum; hierher?] schaff züber ein waschdrock. − Schweiz. Id. 3, 1344 s. v. Lint.

lind, Adj., in adv. Gebrauch mehrfach lindiglich (auch -lichen). 1. dient in Antonymie zu hart 1 der Kennzeichnung sinnlich wahrnehmbarer Bezugsgrößen und diese voraussetzender Handlungen als weniger stark ausgeprägt, dadurch vielfach als sanft, angenehm empfunden; im einzelnen: a) ›weich im taktilen Sinne‹, je nach Bezugsgröße z. B. ›streichbar (von Arzneien)‹; ›fluktuierend (von Geschwüren)‹; ›biegsam (von Metallen)‹; ›locker (von der Erde)‹; ›weich (vom Stuhlgang)‹. − Bdv.: biegig, sanft, weich. − Synt.: etw. (z. B. die lunge, das erdreich / wu¨rmlein) l. sein, j. (z. B. das weib) vom fleische l. sein, etw. (z. B. der schnee) l. werden, l. am leibe werden, etw. (z. B. das apostem) l. machen; l. liegen / ruhen, etw. lindiglich angreifen, jn. lindiglichen mit dem fuchsschwanz bestreichen; der linde wachs / wezstein, die linde hand / haut / luft, das linde bet / tuch, linde bu¨rsten / federn / hare / kleider / kolen / seiten. Wbg.: 2linde 1a ›Weichheit‹ (Ggs.: härte 1, schärfe), lindfu¨ssig, lindgewirkt, lindig, lindlecht, lindka¨sten eine Kastanienart, lindmütig 1. − b) ›weich, sanft im akustischen Sinne‹; als Ütr. zu a) auffaßbar; je nach Bezugsgröße z. B. ›angenehm, sanft (von einer Melodie)‹; ›weich (von Lauten)‹. − Bdv.: weich. Ggs.: rau, grob 2; 3, scharf, stark. − c) ›angenehm schmeckend (z. B. vom Wein)‹; ›gut, verweichlichend (vom Essen)‹. Zu a) Oorschot, Spee. Trvtz-N. 120, 14 (wmd., 1634): Dem Schöpffer sie zun Ehren 兩 Jn lindgewircktem Flachs 兩 Vnzahlbar Fewr ernehren. Keil, Peter v. Ulm 29 (nobd., 1453/4): pflaster, das do weichet vnd zeittiget vnd lind machet die apposten. Ebd. 187: so thu die puluer auch dor ein [...] vnd am end mach es lind mit frawen-milch. Mayer, Folz. Meisterl. 55, 42 (nobd., v. 1496): Rein bockez plut list 兩 Der stein der allen herten wider ist, 兩 Dem gipt er lind. Rupprich, Dürer 1, 159, 16 (nobd., 1520): Jch hab 2 stüber für ein linden weczstein geben. Ebd. 3, 197,

1243 157 (1512/3): dy¨ weiber sind lind fon fleisch. Matthaei, Minner. 1, 1, 1333 (Hs. 2nalem., 14599): ringe liebe und linde kolen 兩 sol niemand gern wit holen, 兩 es entzint sich bald und lischt gern. Rieder, St. Georg. Pred. 316, 12 (Hs. o 2önalem., 13879): dez [blume] natur ist also herte, swie lindeklich man in an grifet, so stichet er doch da wider. Lindqvist, K. v. Helmsd. 1215 (halem., Hs. um 1435): wu´rmlin. 兩 So man das rÈrt, so ist das lind 兩 Und hat doch als gar geschwind 兩 Durch boret des herten holtzes grat. Broszinski, Minner. Chir. Parva 82v, 2 (halem., 2. H. 15. Jh.): nach dem so ein glid / zesamengeheilt wirt vnd das man es lindmütig vnd gleichig mach. Maaler 273v (Zürich 1561): Linde / Weiche. (die) Mollities, Molitia. [...]. LindfÈssig / Der lind / Weich oder zart fÈß hat. Mollipes. [...] Lindkestinen / Die vom braaten oder sieden lind werdend. Castaneæ molles. LindlÁcht. Molliculus. Ebd. 294v: Einem o ein sanfften oder linden Stulgang machen. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 7, 2 (schwäb., 1491): [ochsen] ain dicken und kurtzen lib, [...] und in der begriffung und anrierung des libs aller lindost. Rauwolf. Raiß 35, 9 ([Lauino gen] 1582): Ducaten / welche von gutem pur lauterem Gold gar lind vnd bigig seind. Turmair 1, 176, 18 (moobd., 1529): die Teutschen, sein nur fresser und weinsaufer, mu¨essen alweg ir huern mitfu¨ern und die hauptleut ir linde pett am ars haben. Ebd. 485, 30: schmirn macht lind heutt. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 358, 3083; Lemmer, Amman/ Sachs. Ständeb. 58, 6; Keil, Peter v. Ulm 84; Weitz, Albich v. Prag 162, 15; 171, 30; Gille u. a., M. Beheim 345, 43; Sachs 16, 480, 32; Bihlmeyer, Seuse 155, 17; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 543, 16; Cirurgia H. Brunschwig 22va, 39; P‰pke, Marienl. Wernher 5929; Wiessner, Wittenw. Ring 9611; Sappler, H. Kaufringer 21, 76; Chron. Augsb. 5, 11, 4; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 29, 25; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 156; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 27, 3. − Vgl. ferner s. v. begreifen 19, behende 6, igel 2. − Zu b) Lappenberg, Fleming. Ged. 327, 29 (1631): Dieses Liedes linde weisen 兩 sollen deine Zukunft preisen. Opitz. Poeterey 29, 6 (Breslau 1624): soll man sie [buchstaben] doch sonsten mitt einander so wisßen zue vermengen / das nicht die rede dadurch gar zue raw oder zue linde werde. Harsdoerffer, Trichter 1, 128, 14 (Nürnb. 1650): wann nemlich das Harte mit Hartem / das Linde [...] mit weichen Buchstaben geschrieben wird / als: dapfer / drucken / nicht tapfer / trucken. M¸ller, Quellenschrr./Kolr. 74 (Basel 1530): b. vnd d. lyß lind. Kohler, Ickelsamer. Gram. 40, 1 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): kain stym kan zu gleich, mitainander geben den linden vnd herten laut. Turmair 4, 20, 12 (moobd., 1522/33): die Niderlender und Saxen nemen in [buechstaben B] für ain lind f. − Jahr, H. v. Mügeln 108, 455; Kohler, Ickelsamer. Gram. 39, 29; Moscouia B, 35. − Zu c) Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 232, 12 (md./oobd., 1446/8): so las in / ein linden wein nuczen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 64, 6 (Straßb. 1466): Nicht sich an den wein so er schmoret: so sein varb leucht in dem glaße. Er get in lindiglich [Eck 1537: senft; Luther 1545, Spr. 23, 31: glat ] 兩 vnd hecket zum iungsten

lind

1244 als der slange. Dierauer, Chron. Zürich 247, 26 (halem., 15. Jh.): mocht ouch der win an reben nit lind werden. Primisser, Suchenwirt 31, 83 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Si hat v in liep und tzu´ht in tzart, 兩 Lindiu chËstel, guwten wein.

2. ›sanft, milde, nachsichtig, freundlich, rücksichtsvoll‹; vom Menschen, seinen Qualitäten und Handlungen sowie oft von Gott gesagt; vielfach in religiösen Kontexten. − Bdv.: freundlich, gu¨tig 2, leutselig, milde, sanft, sa¨nftmu¨tig, sitsam, su¨sse, weich. Ggs.: hart 7, sauer, scharf. − Synt.: etw. (z. B. die minne) / j. (z. B. Jesus / got, der geistliche mensch) l. sein, das gemu¨te, der stat l. werden; das herz l. machen; l. antworten / sprechen, sich l. beweisen / erzeigen, jn. l. brennen / strafen / segnen, l. mit jm. umgehen; das linde herz / wort, die linde antwort / mitlung / predig; l. in wort und werken, l. gegen jm. (z. B. gegen dem na¨chsten, gegen den feinden). Wbg.: lindentrit ›sanftmütiger Mensch‹ (a. 1650), lindmütig 2. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 16546 (preuß., um 1330/40): zu Colmin in dem lande was 兩 ein lantcomentuˆwer, 兩 [...] 兩 den undirtaˆnin swinde 兩 und kegn den vıˆndin linde. Luther, WA 10, 1, 2, 365, 38 (1526): also macht auch die süsse linde predig des Euangelions, das ich ein fein linndes hertz gegen Got und dem nechsten. Ebd. 37, 380, 8 (1534): das Christus so freundlich, veterlich, sanfft und linde mit uns umbgehe. Schwartzenbach 51v (Frankf. 1564): GÈtig. o Freundtlich. Gutwillig / Milt. SÁnfft. Lindt. Sanfftmutig. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 15, 2 (Hs. 2omd., 14659): Süße und sauer, linde und hert, gütig und scharpf pflegt ir euch zu beweisen den, die ir meint zu betriegen. Chron. N¸rnb. 5, 667, 19 (nobd., E. 15./A. 16. Jh.): da prent man den Veit Stoß durch ped packen und man het nie keinen so lind geprent. Sachs 14, 137, 1 (Nürnb. 1550): Forthin wil ich leutselig sein, 兩 In wort und wercken lindt und sidtsam. Rieder, St. Georg. Pred. 32, 6 (Hs. 2önalem., 13879): Durch zwaier willen gelichet sich du´ stark minne sidin saile. daz ain ist daz si starke ist; daz ander daz si lind ist. Ebd. 245, 9: wider den zorn sol man han senfti und lindu´ wort. Schmidt, Rud. v. Biberach 185, 17 (whae i zer flusset, so es von andacht lem., 1345/60): daz gemvte lind wird. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 220 12 (halem., 1534/5): Antwurtend die botten / [...] Mit vil linden worten und fru¨ntlichemm abreden. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 246, 26 (halem., n. 1529): do ich nÈtset anders vermocht, gedacht inen iedoch lindmÈetiklich ze widerstreben. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 44, 12 ([Augsb.] 1548): Ain linde antwort stillet den zorn / aber ain hart wort richtet grimm an. − Chron. Magdeb. 2, 44, 14; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 172, 29; Pyritz, Minneburg 1466; 4886; Gille u. a., M. Beheim 120, 206; Reichmann, Dietrich. Schrr. 78, 13; Sachs 16, 480, 30; 18, 445, 5; 20,

1245

linde

1246

215, 3; Rieder, a. a. O. 44, 29; 280, 1; 316, 9; Jˆrg, a. a. O. 596, 6; Wiessner, Wittenw. Ring 1172; 3654; Lindqvist, K. v. Helmsd. 1222; Sappler, H. Kaufringer 24, 51; Schˆpper 75a; Schles. Wb. 2, 814.

als Kosewort für die Geliebte gebraucht, lindenwasser, lindscha¨len ›das Abschälen der Rinde zu gewerblichen Zwecken‹.

3. ›leicht; leichtfertig, leichtsinnig‹. − Bdv.: vgl. leichtiglich 4, leichtfertig 3, leichtsinnig 2.

Ziesemer, Gr. Ämterb. 652, 31 (preuß., 1414): 12 leste lyndener kolen, item 7 schog buchsensteyne. Luther, WA 23, 510, 17 (1527): ein zeichen, das fride sey, gleich als wenn wir reuter sehen unter der linden halten, [...], Denn unter der linden pflegen wir zu trincken, tantzen. Klett, J. v. Soest 5, 1270 (Hs. 2wmd., 1470/809): eyn hubschen bron, [...] 兩 [...] 兩 by eynem hubschen lynden bom. Aubin, Weist. Hülchrath 176, 35 (rib., 1515): sy [naebern] bekennen selves, dat sy ire pecht und zeins allwege [...] zo Fritzhem an die linde brengen seullen. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 509, 36 (rib., 1624): Das laufstreffen des gewals, der gleichen das lohe und lintschelen [...] sollen [...] abgeschaft sein. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 309, 7 (mosfrk., 1427): unter die linden, da sie dan ihre gerichtsplatz haben. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 54, 3 (Frankf. 1535): Christall polir mit gebrannten Christall vnd linden holtz. Lemmer, Amman/ Sachs. Ständeb. 16, 3 (Frankf./M. 1568): Ich entwÈrff auff ein Linden Bret 兩 Bildnuß von Menschen oder Thier. Keil, Peter v. Ulm 106 (nobd., 1453/4): Ein gut salb für den krampff. So nym linden-koln vnd stoß die clein. Ebd. 224: Wer sich verprent hab, der nem linden-rinden vnd sied die gar wol in wasser. Mon. Boica, NF. 2, 1, 42, 6 (nobd., 1464): Wer ein lynten oder ein salhen abhybe, die sein klein oder grosz, der verfelt von eyner iglichen 10 lb. haller. Mayer, Folz. Meisterl. 102, 15 (nobd., v. 1496): Do fant ich pey einer linde 兩 Gar eine schone hinde. Dasypodius 176r (Straßb. 1536): Ein Lindenbaum. [...] Item Linden bast / oder zarte linden rinden / darauß man seyl machet / vnnd vor zeitten zu kronen gebrauchet hat. Ebd. 373v: Linden. Tiliaceus, a, um. [...] Lindenleu¨blin. Bracteola. Lemmer, Brant. Narrensch. 104, 54 (Basel 1494): Ich bin gar offt gerennet an 兩 Wile ich diß schiff gezymberet han 兩 Ich soll es doch eyn wenig fÁrben 兩 Und nit mit eychen rynden gÁrben 兩 Sunder mit lynden safft ouch schmyere¯. Sudhoff, Paracelsus 5, 374, 11 (1527/8): lindenblu´twasser ist gut fu¨r den brant. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 140, 11 (halem., 1367): eins pfuntz wert linden seyl iij ∏. Ebd. 176, 24 (1379): Eines pfuntz wert lindiner seilen j 웩. Leisi, Thurg. UB 7, 580, 27 (halem., 1387): den berg gelegen hin uff zer Linden, der jÁrklich giltz und gelten sol ain mut kernen Willer messes. Boos, UB Aarau 161, 43 (halem., 1388): das ich [...] offenlich ze gericht sazz ze Ernlispach in dem dorfe vor dem kilchoff under der linden. Welti, Stadtr. Bern 445, 21 (halem., 15. Jh.): Dis sint die dingstet der lantgerichten, als si von alter har sint komen [...] ze Niderdorf vnder der linden. [...] ze Ecikofen vnder der linden im dorf. Wiessner, Wittenw. Ring 1860 (ohalem., 1400/08): Got grüess dich, lindentolde (hier als Kosewort gebraucht). Ebd. 8850: Schreuwend die unholden so 兩 Gen der lindentolden do. Koppitz, Trojanerkr. 21434 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Schwang der tegen mere 兩 Für die bruste nebend sich 兩 Ainem linden blatte gelich. Maaler 273v (Zürich 1561): Linden (die) Lindenbaum. [...]. Lindenbast / das ist die zart rinden

Rosenthal. Bedencken 16, 7 (Köln 1653): etliche ihre Glaubens Lehren also gekrÈmbt [...] / daß sie denen / welchen sie sich begerten zu zugesellen / etwas linder vorkommen / als sie sonsten wahre˜. Opel, Spittendorf 154, 23 (osächs., um 1480): inrede, das die vorsteher linde eyde theten. Niewˆhner, Teichner 96, 1 (moobd., 1360/70): Maniger wigt dw hell so lind 兩 sam ez sey ein milich chind. − Opel, a. a. O. 113, 19; Bell, G. Hager 407, 2, 13; Schweiz. Id. 3, 1344 s. v. Lint. 1

linde, die. 1. ›Linde‹, in den Belegen meist angesprochen als Gerichtsstätte, als topographischer Orientierungspunkt (mit ansatzweisem Übergang zum FlN), als Treffpunkt für Gelegenheiten unterschiedlicher Art, als wirtschaftsrelevante Gegebenheit, als Gegenstand poetischer Fiktion. − Phras.: reuter unter der linde halten sehen ›Unwahrscheinliches sehen‹. − Synt.: die l. (ab)hauen; einen bagstein an der l. haben, etw. (z. B. die pacht, den zins) an die l. bringen, das pferd an die l. heften, vor die l. treten, unter die l. gehen, unter der l. halten, etw. vorlesen, (zu gericht) sitzen / richten, den gerichtsplaz, eine gastung haben, sich zu der l. niederlassen, der berg hin zur l. gelegen sein; die breite / weite / gute l.; zu [+ ON] unter der l. Wbg.: 2linden, lindig9 ›aus Lindenholz‹, lindenast (Beleg s. v. behangen 3), lindenbast, lindenbaum, lindenblut, lindenblutwasser ›Destillat von Lindenblüten‹, lindenbret, lindenholz, lindenkern ›Fruchtkern der Linde‹ (Beleg s. v. baringenkorn), lindenkole ›verkohltes Lindenholz‹, lindenkrebe ›umfriedeter Bezirk unter der Linde‹ (zum Gw s. Schw‰b. Wb. 4, 719), lindenlaub ›Goldverzierung in Form eines Lindenblättchens‹, lindenrinde, lindensaft (dazu phras.: etw. mit lindensaft schmieren ›etwas schönreden, schönfärben‹); lindenseil ›Seil aus dem Bast der Linde‹ (nicht klar abgrenzbar von attr. Verwendung: das lindene seil), lindentolde ›Wipfel der Linde‹; auch

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linde − lindern

zwüschend dem holtz vnd ausser rinden an den linden / darauff die alten schribend. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 308, 5 (Genf 1636):Lindenbluto / f. Fleur de tillet. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 10, 21 (schwäb., v. 1542): daselbst ain grosse gastung gehapt mit dem adel, [...] under den linden. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 468, 16 (schwäb., 1522): soll er [gläubiger] das essendig pfand, [...], und(er) den lindenkreben [...] treiben und [...] feilbieten. Brandstetter, Wigoleis 206, 43 (Augsb. 1493): Hie held herr Wigoleys zuo roß bey dem gekroeneten küng vnder einer linden vnd gibt jm der künig ein blat oder plued von der linden. − Chron. Kˆln 1, 1866; Thiele, Minner. II, 5, 87; Loose, Tuchers Haushaltb. 145, 1; Leisi, a. a. O. 714, 25; Koppitz, a. a. O. 1362; Sudhoff, a. a. O. 6, 110, 18; Brandstetter, Wigoleis 195, 23/4; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 350, 4; Weber, Füetrer. Poyt. 199, 4; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 626; Voc. inc. teut. p iv; Dasypodius 176r; 379v; Dict. Germ.Gall.-Lat. 308, 11; Harsdoerffer. Trichter 3, 227, 4; Rwb 8, 1336; Schweiz. Id. 3, 1319 f. − Vgl. ferner s. v. 1ab 4, 1bal 2, 1bast 1.

2. ›Samen, Fruchtkern der Linde‹. Buch Weinsb. 2, 182, 8 /rib., 1568): vur milch, botter, erzen, ullich, kirsn, wolber, negel, lint, summa 5 mr. 4 alb. 10 h. 2

linde, die. 1., s. lind (Adj.) 1a. 2. ›Milde; Sanftmut, Gutmütigkeit‹; zu lind (Adj.) 2. − Bdv.: vgl. gelindigkeit, 1glimpf 5, güte 2, gütigkeit 1. Pyritz, Minneburg 2560 (nobd., Hs. um 1400): Nie gevangener wart gederret 兩 In gevenkniße so swinde 兩 Als ich. an alle linde 兩 Man mich gar dick ultert. Adrian, Saelden Hort 5033 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): wan u´ser wider o sach 兩 gat suchent um und umb, 兩 die slihti und die krumb, 兩 die herte und och die linde, 兩 wen er hie verslinde. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 66, 19 (schwäb., 1491): was darnach uff denen empfangen ist, haˇtt behalten die mÈtterlichen lindi und die vÁtterlichen und Ánischen farb (Bezug auf Schafe). 3

linde, Genus und Etymologie? Möglicherweise Schreibung von lunde. ›Welle, Woge‹. − Bdv.: 2bulge, welle; vgl. lunde 1, unde. Schmitt, Ordo rerum 27, 47 (rhfrk., 1414): Fluctus [...] bÈlge [...] eyn bulge uel eyn lynnde [...] well.

linden, V. 1. ›etw. weich machen; (refl:) in seiner Schärfe zurückgehen (vom Wetter)‹; vgl. lind 1a. − Bdv.: weichen; vgl. aberweichen, aufweichen, abschälen 1, 2auserweichen, lindern 1.

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Ggs.: ha¨rten 1, sta¨rken 1; 5. − Synt.: den schaden / stahel / stulgang, das eisen / glied, die blater l.; das wetter sich l. Wbg.: lindung ›Linderung‹ (eines geschwers 1). Keil, Peter v. Ulm 29 (nobd., 1453/4): oder nym smaltz oder öl. So hastu ein lindung zu den geschwerungen. Ebd. 37: es [...] zihet den kreps vnd pöß geschwer zu samen vnd ist gut wo zu linden schaden sint. Niewˆhner, Teichner 378, 17 (Hs. 2moobd., 1360/709): wie der smit tuto 兩 der seyn eysen im vewr lindet. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 237, 1 (moobd., 1473/8): Darnach das wetter linden sich ward. − Sudhoff, Paracelsus 2, 242, 13; Keil, a. a. O. 82; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 184.

2. ›etw. mildern, mindern, besänftigen‹; zu lind (Adj.) 2. − Bdv.: sänftmütigen; vgl. begütigen, besänftigen, 1gelinden, gutwillen, leschen 2, stillen 9, 10, 11. Voc. inc. teut. p i v (Speyer um 1483/4): Linde¯ vo¯ senftmutige¯ Lenire i mollire. Klein, Oswald 106, 26 (oobd., 1411?): ob sich ain klain ir widerstreb 兩 beda¨cht gu¨tlich zu linden.

linden (Adj.), lindenast, lindenbast, lindenbaum, lindenblat, lindenblut, lindenblutwasser, lindenbret, lindenholz, lindenkern, lindenkole, lindenkrebe, lindenlaub, lindenrinde, lindensaft, lindenseil, lindentolde, s. 1linde 1. lindentrit, s. lind 2. lindenwasser, s. 1linde 1. lindern, V. 1. ›etw. (Gegenständliches, z. B. Eiterbeulen) weich machen‹; vgl. linden (V.) 1. − Bdv.: vgl. aberweichen, aufweichen, 2auserweichen, linden (V.) 1. Broszinski, Minner. Chir. Parva 73r, 20 (halem., 2. H. 15. Jh.): Ein cur der bösen geschweren [...] ist uff dry form: Das erst ist, das man die materi lindri. − Broszinski, a. a. O. 72, 6; Schweiz. Id. 3, 1318.

2. ›etw. lindern, reduzieren, mäßigen, mindern, ermäßigen‹; refl.: ›sich erbarmen (von Gott)‹. − Bdv.: mässigen, mildern, weichen; vgl. ablassen 10, belinden, tempern 2. Ggs.: schärfen. − Synt.: die beschwerung / kirchenzucht / strafe / strengheit / ungnade, die hitze / hofnung, das trauren l., jm. die furcht, das gesez / recht / urteil l.; got sich l.; der lindernde umstand. Wbg.: linderung (dazu bdv.: begnadung 5, milderung. Ggs.: schwerung).

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linderung − lingen

Luther, WA 2, 245, 34 (1519): das ich lindern will, was mich dunckt zu nahe sein. Ebd. 10, 3, 256, 25 (1522): uff das er wissz die gestrengheit zuo mÁsszigen und linderen. Ebd. 47, 83, 32 (1538): Du wirst linderung fhulen, das dein hertz zu frueden sej. Ingen, Zesen. Ros. 73, 31 (Hamb. 1646): daß ich mich lange zeit stÁlte / als wan ich noch keine linderung meiner schmerzen fÈhlete. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 210, 2 (Köln 1582): All dein vngnad hastu gelindert Herr. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 323b, 19 (Frankf./M. 1649): dz alß ein Pfarrherr einem Gefangenen verschraubter weise linderung der Straffe versprochen. Ebd. 261a, 2: werden sie [...] vns also die forcht der Gefahr / [...] / entweder gar benehmen / oder doch guten Theil lindern. Mayer, Folz. Meisterl. 52, 346 (nobd., um 1480): Ob in Got wollt die pet versagen, 兩 Sich nit lan lindern. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 35, 19 (mslow. inseldt., 1605): ist ihme wegen bes´chehener u¨ffter fu¨rbitte dis´es vrtl. gelindert. − Luther, WA 32, 315, 10 / 18; 27, 363, 2; 41, 126, 2; 41, 474, 18; 45, 693, 7; 47, 65, 9; 50, 10, 30; Kehrein, a. a. O. 3, 24, 2; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 239; Sachs 15, 222, 5; Broszinski, Chir. Parva 78v; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 308, 15; Rohland, Schäden 467; Rwb 8, 1337.

linderung, s. lindern 2. lindfüssig, lindgewirkt, lindig, s. lind 1a. lindigkeit, die. 1. ›Weichheit greifbarer Bezugsgegenstände‹; vgl. lind 1a. − Ggs.: hertigkeit 1. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 55, 34 (moobd., 1. H. 15. Jh.): ander geist [...] sint: die schon der sichtigen ding, die pegyrd der hËrunden ding, die gevalnÈss der smechunden ding, die su¨ssichait der chostunden ding vnd die lindichait der greiffunden ding. Brett-Evans, Bonaventuras Leg. S. Francisci 67, 8 (önalem., v. 1478): So er [Hl. Franziscus] etwen enpfant lindikeit der kleider [...], so knupfte er inwendick ein seil dor an, daz er dester herter wurde. − Jelinek, Mhd. Wb. 474.

2. ›Sanftmut, Milde als dem Menschen eigene natürliche und vernünftige Haltung‹; bei Luther in Gegensatz zur christlich begründeten lindigkeit gestellt; vgl. lind 2. − Texte der Sinnwelt, Religion / Didaxe‘. − Bdv.: ergezlichkeit, liebe 4, mithellung, sa¨nftigkeit, sanftmut, sa¨nftmu¨tigkeit, schlichtigkeit, su¨ssigkeit, zartheit, zärtligkeit. Luther, WA 10, 1, 2, 180, 14 (1522): Alßo ist die vernunfftige und naturliche lindigkeyt linde gegen die reychen, grossen, [...]; darumb ist sie falsch [...] gegen gott. Ebd. 51, 103, 33 (1545): Nu leret Er, wie sie [Bezug auf Oberkeit] sich sollen gegen leutten haltten, ’Ewre lindigkeit’ i.e. gutigkeit, freundtligkeit, opponitur rigori. Pfefferl, Weigel. Gn.

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S. 178, 6 (Magdeb. 1615): hitzige Ketzermeister [...] wollen den Glauben mit SchmÁhworten verfechten / welcher doch in der Sanftmuth vnnd Lindigkeit stehen wil. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 286, 4 (Nürnb. 1631): In Hitz bist du ein Lindigkeit, 兩 Den weynenden ein Ergetzligkeit. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 223, 14 (Straßb. 1466): Das iung weip [...] daz do nit mag eingen auf der erde [...] vmb die michel lindigkeit [Luther 1545, 5. Mose 28, 56: zertligkeit ] vnd vmb die zartheit: die neidt iren man. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 65, 65 (moobd., 1. H. 15. Jh.): so ist ze lauffen zu¨ den zu¨aygÈng des hailigen gaists, die da sint lindichait, sÈssichait vnd sittichait, mithÁllung, missichhait vnd lieb. − Luther, WA 10, 1, 2, 180, 18; Schmitt, Ordo rerum 498, 251; Volkmar 319.

lindiglich, s. lind. lindkästen, lindlecht, s. lind 1a. lindmütig 1, 2, s. lind 1a; 2. lindschälen, s. 1linde 1. lindung, s. linden 1. lindzeichen, s. lind (das) 1. lineal, das; −/auch -π. ›Lineal (zum Ziehen von Linien); Senkblei, Lot; Winkel (im Bauhandwerk)‹. Schˆpper 88a (Dortm. 1550): Amußis. Linial richtscheid bleywag senckel schnur winckelmÁß. Rot 325 (Augsb. 1571): Linial. Ein instrument das zum Liniren gebraucht wirt / Regel oder richtscheit. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2213 (oobd., 1607/11): futter, darin silberne außgetailte lineal und wincklmaß. − Ebd. 2288; Bremer, Voc. opt. 23023; Voc. inc. teut. p iv; Dasypodius 373v.

lineament, s. linieren. linge, Genus? zu lingen? eine Schiffsart. Aubin, Weist. Hülchrath 267, 2 (rib., Hs. A. 17. Jh.): wird erkant vur recht [...], dat die vehren van Monheim sullen vuiren mine gnedige herrn vam doimbcapitel [...] und sullen kommen zu Cöllen mit schiffungen und lingen.

lingen, V.; zu mhd. lingen ›vorwärts gehen‹ (Lexer 1,1926). − Wobd. 1. ›sich beeilen, Eile haben‹; zur Geographie des Wortes in den rezenten Mundarten s. Dwa 2 (dazu: P. Seidensticker, in: ZfMaf. 24, 1956, 160 ff.). − Phras.: las dir lingen (o. ä.) ›beeil Dich‹. − Bdv.: belaufen 1, eilen, jagen 5, hasten, schnellen. Barack, Teufels Netz 1155, 8 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Sond si [Fährleute] denn ain erber man verdingen,

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lingerung − linie

兩 Der im muos laussen bald lingen, 兩 Das er in selb vierd tüge füren, 兩 Daran kan er in denn wol über rüren. Koppitz, Trojanerkr. 6964 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Uss den liechtten ringen 兩 Liesse er im balde lingen. B‰chtold, N. Manuel. Zugabe H. R. Manuel 312, 205 (Zürich o o 1548): Louf hurtig, bub, und lass dir lingen, 兩 Du must uns ring und weggen bringen! Adomatis u. a., J. Murer. Nab. 978 (Mühlh. 1556): gond ir bed und land u¨ch lingen 兩 In o thurn und thund den Naboth bringen. − Wyss, Luz. Ostersp. 8956; B‰chtold, a. a. O. Todt 7, 2; Krankh. 227, 5; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 224; BaumannZwirner, Augsb. Volksb. 1991, 263.

2. ›gelingen‹. − Wbg.: lingerung ›Vorteil‹ (a. 1446), lingig ›erfolgverheißend‹, lingsam ›geschickt‹ (16. Jh.). Barack, Teufels Netz 11412 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Wer ins aber verdingot hett, 兩 So wær es geschehen an stett, 兩 Und tæt in ains tags bas lingen 兩 Denn si in drin mo¨chtint ufbringen. Hauber, UB Heiligkr. 2, 184 26 o (schwäb., 1443): dar um haben wir in der gutlichi zu lingingem end gesprochen, das [...]. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 224; Schweiz. Id. 3, 1338.

lingerung, lingig, lingsam, s. lingen 2. linie, die; -n/-n. 1. ›gerade oder gleichmäßig (etwa als Kreis) gezogene Linie auf Papier, in Zeichnungen, auf Geräten u. ä.; Richtung; Richtschnur; Zeile (z. B. die Verszeile); Stufe‹. − Phras.: die a¨quinoktialische linie. − Bdv.: kreis, richtmas, ris, streich, strich, stufe, zeile, zug. Ggs.: beuge 1. − Synt.: eine l. machen / ziehen / färben / teilen; [eine Anzahl] linien (Akk.) aufsteigen (auf der Sonnenuhr); von der l. ru¨cken, sich über eine l. ziehen, an einer l. [wohin] stehen; linien der liebe; die durchgehende / enge / gerade / gleiche / gleichteilende / punktierte / rechte l., anga¨nge einer linien. Wbg.: linienrecht. Mendthal, Geom. Culm. 22, 11 (Hs. 2preuß., Anf. 15. Jh.9): so sal sy [Ducze mile] doch noch der gemynen mose haben yn dy lenge 180 seyl linienrychte vsczumessen. Luther, WA 41, 127, 6 (1535): sein wort [...] gehet fein stracks hindurch und machet reine gerade linien on alle beuge. Quint, Eckharts Pred. 1, 273, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): Her umbe ist daz aleine ein gereht mensche, der alliu geschaffeniu dinc vernihtet haˆt und an einer glıˆchen linien aˆne allez uˆzluogen in e wort gerihtet staˆt. Jahr, H. v. Mügeln 36 (omd., daz ewige Hs. 1463): du [got] linge, zirkel, winkelmaß: 兩 nach dir sich alles wesen mißt: 兩 ouch von dem zentrum fürt din list 兩 die lingen zu dem ummesweif. Ebd. 1605: ich [tugent] bin ein ling und ouch ein maß 兩 die rechtem werke gibet saß. M. Cunitia. Ur. Prop. 167, 12 (Öls 1650): Sinus recti seind

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grade Linien inner dem qvadranten. Rupprich, Dürer 2, 47, 32 (nobd., um 1500): so teill der engsten linien eine jn der mit von ein ander. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 5, 436, 11 (Straßb. 1466): Willtu das der schatt aufsteig *x* linien [Luther 1545, 2. Kön. 20, 9: stuffen]. Plant u. a., Main. Naturl. 295r (a), 11 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): ez ist nvwen ein angenge d’ zite als ein pu¯ctel einer linien anegenge ist. Maaler 273v (Zürich 1561): Linien (die) Ein rissz etwar auf. [...] Gerade durchgende oder gleychteilende Linien. [...] Linile oder zileten. Versiculus. Kohler, Ickelsamer. Gram. 48, 7 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): ain frag zeichen, [...] ist auch nach der stym art vnnd gleichnus geformiert also . P . dz ain lini oder virgula über sich schnipt, wie sich die stym¯ in ainer frag am ende erhebt. Rot 325 (Augsb. 1571): Lini vom wort Linea, Strich / kreiß / riß / zug / zeil. Fischer, Eunuchus d. Terenz 113, 13 (Ulm 1486): Es sind fu¨nff linien der liebi. sehen. reden. lieplich straichen. o kussen. − Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 2385; Jahr, a. a. O. 398; Ries, Rechenb. A 2r, 21; A 3r, 17; A 5v, 17; Lippert, UB Lübben 2, Eltg. 55, 37; M. Cunitia. a. a. O. 153, 1a; Rupprich, a. a. O. 2, 412, 117; Sachs 15, 221, 10; Vogel, Pract. Alg. Ratisb. 160, 5; Voc. Ex quo L 308; Hulsius L iijv; Dict. Germ.-Gall.Lat. 308, 20. − Vgl. ferner s. v. achselhöhe, 1anglich, atlantisch, ausbiegen, 2base.

2. ›Schnur, Seil‹; auch: ›Schnur, mit der eine Grenze, Umfriedung gezogen wird‹, damit: ›Grenze‹. − Bdv.: vgl. 1band 6, bindfaden, corde, drat, 1kabel, leine, 1litze, schnur, strik. − Wbg.: linienschnur ›Meßschnur des Zimmermanns‹. Chron. Magdeb. 2, 18, 17 (nrddt., 1565/6): ein geukkler, flohe ufm marckt offentlich uf einer linien von Moritz Almans Hause kegen dem Roland über. Thiele, Minner. II, 12, 86 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): wie du dich sassen 兩 solt mit dinen lynien snu¨ren, 兩 unnd kundest den pfiler massen, 兩 das er stee fry vor fulen unnd vor dorren [bezogen auf die Grundlegung eines Balkenfundamentes]. Hulsius P ijr (Nürnb. 1596): Schnur / oder linien der Zimmerleut. − Rwb 8, 1339.

3. ›genealogische Linie, Generationenfolge einer Sippe; Verwandtschaftsgrad (als Stufe einer Linie gedacht‹; ütr. auch für ›Krankheitsfolge‹ gebraucht. − Phras.: die absteigende / aufsteigende linie. − Bdv.: freundschaft, geschlecht 10, sipschaft, 1stam 3; vgl. liedmag 1. − Synt.: die l. an jm. ›mit jm.‹ enden; einer limien sein; js. (z. B. des heilands) aus einer l. gewarten, in einer linien sein / stehen, die krankheit nach dreien linien entspringen, etw. von seiner l. ererben, von einer (z. B. absteigenden) l. geboren sein ; die l. des blutes, der magenschaft / sipschaft, der krankheiten; die dritte / vierte /

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linienrecht − link

gerade / rechte / vorfarende / nachkommende / talsteigende / weibliche / zwerche l.; das ende, der buchstabe, die kinder einer linien; erben in einer l. Luther, WA 20, 551, 30 (1526): Aus dieser linien musten sie des Heylands gewarten. Gerhard, Hist. alde e 1047 (omd., um 1340): Entsprozen van Eleasar 兩 Sint dize phaffen alle gar, 兩 Di in dizer lineen sten. Kˆbler, Ref. Wormbs 209, 14/15 (Worms 1499): Natürlich oder gesipt erben [...] sind dreyerley wyse zurechen nemlich in abstyge¯der linien. oder in vffstygender linien. oder in d’z zwerch vnd neben syten oder linien. In abstygender Linien sind kinder / Enckel Vrenckel vn¯ also fu¨r zurechen. Ders. Ref. Franckenfort o 38, 12 (Mainz 1509): wËlle¯ wir / das vatter oder muter vnd andere von vffstygender Linien / so kinder in absteigender linien haben / vnd Testament machen wËllen / das sie die selben kindere [...] zu erben machen. Ders. Stattr. Fryburg 148, 25 (Basel 1520): das deß einen eegemechd kinder von irer linien richer / dan¯ die kinder von dem andern eegmechd [...] erfunden [werden]. Sudhoff, Paracelsus 7, 446, 9 (1529): Nun aber ein ander ursprung von den platern ist also, das noch ein lingen der krankheiten ist, die nit nach der ordnung der sperma, [...], get, als die lingen der drei ersten. wan die krankheiten alle entspringen nach dreien lingen, das ist aus dreien ursprungen. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 157, 28 (moobd., 1478/81): Diser künig liess Conradium, an dem auch diese liny endet. − Steer / Vogel, Rechtssumme 8, 2006, 660; Rennefahrt, Zivilr. Bern 795, 10; Kˆbler, Ref. Wormbs 218, 13; ders. Ref. Nürnberg 192, 18; Spiller, a a. O. 50, 14; 65, 5; Winter, Nöst. Weist. 1, 740, 28; Rwb 8, 1331. − Vgl. ferner s. v. absteigend, auftreiben 14, partei 3.

4. vereinzelt mit oder als gen. explicativus, z. B. der unvernu¨nste linie ›Unvernunft‹. Jahr, H. v. Mügeln 56 (omd., Hs. 1463): lo¨se, got, die sinne min 兩 von strenger unvernu¨nste lin. Ebd. 956: die [blume] kurz, die lank, die lenger was, 兩 als sie Naturen linge maß. Ebd. 2351: der zirkel nach der lingen seil 兩 sich teilet in zwelf gliche teil.

linienrecht, s. linie 1. linienschnur, s. linie 2. linier, s. linieren. linieren, liniieren (o. ä.), V. ›Linien, Streifen ziehen, liniieren‹. − Wbg.: lineament, linier ›Lineal, Richtscheit‹ (dazu bdv.: lineal). v. Tscharner, Md. Marco Polo 70, 19 (osächs., 2. H. 14. Jh.): si [Inder] han eyn kleyne houbt und di corperige gelynygirt wys und rot. Loose, Tuchers Haushaltb. 115, 22 (nürnb., 1514): mee dem Wagner davon [papier] einzcupintten und czu lingiern 5 웩. Maaler 165v (Zürich 1561): Pergament mit bley Geliniert. Ebd. 273v: Linier (der) Ein recht scheytle. Norma, Libella, Amussis. Linieren.

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Lineam ducere. − Rot 325 (Augsb. 1571): Lineament, strich oder kraiß / Jtem glidmaß des angesichts. [...]. Linir. o Ein Buchbinderischer werckzeug / damit sie die BÈcher linirn / das ist die langen strich zwischen den modlen machen.

liniieren, s. linieren. linimentum, das; aus lat. linimentum ›Schmiere‹ (Georges 2, 667). ›Schmiere, Salbe‹. − Bdv.: vgl. defensiv, gesälbe, 1lauge 4, salbe. Broszinski, Minner. Chir. Parva 72v, 21 (halem., 2. H. 15. Jh.): Ein linimentum vnd ist fu´r die scrohulis: Rp. cinerum serpentis ein vntz, mellis vnd acceti [...]. Ebd. 81v: Cura der wunden, die apostem habent. [...]. Rp. granatorum der süssen, su´ds in süssem win, bis [...], mach daruss ein linimentum.

link, Adj. 1. ›links, im menschlichen Orientierungsraum nach der Sehrichtung linker Hand‹. − Phras.: zur linken hand ›links, nach links‹; 2sich zur rechten und linken lenken, weder zur rechten noch zur linken ausweichen ›nicht von etw. abweichen‹9; mit dem linken bein aufstehen o. ä. − Bdv.: tenk, sinister ; vgl. lenk, linster, lirk, lurz 1. Ggs.: recht. − Synt.: l. essen / schreiben; in got weder rechtes noch linkes sein; die böcke zur linken stellen, sich zur linken lenken; der linke arm / fus / schatten / zan, die linke hand (dicht belegt; mehrfach mit Konnotation des Unheilvollen, Bösen o. ä.; vgl. 2), das linke auge; subst.: die linke ›die linke Hand‹. Wbg.: linkheit, linkicht, linkisch 1, linkitus ›Linkshänder‹ (latinisierend), linkseitig. Luther. Hl. Schrifft. Mt. 25, 33 (Wittenb. 1545): vnd [des Menschen son] wird die Schafe zu seiner Rechten stellen / vnd die Böcke zur Lincken. Pfefferl, Weigel. Ges. 18, 5 (Hamb. 1646): böse aber ist sie [Creatur] vnd ein baum des Todes, wen sie sich lencket zur rechten vnd lincken, mit annehmung eigens willens. Klett, J. v. Soest 11, 1939 (Hs. 2wmd., 1470/809): lynyg recht geweltiglich 兩 streich er tzu also meisterlich. Voc. Ex quo S 702 (15. Jh): Sinister [...] lincke [...] linckeit. Voc. inc. teut. P iv (Speyer um 1483/4): Linck wl. tenck Sinister. Diefenbach, Mlat.hd.-böhm. Wb. 250: (o. O. 1470): Sinister linkesch. Allg. Schau-B˚hne 5r, 26 (Frankf. 1699): fand ein Kunst Hebraisch zu schreiben von der Rechten zur linken Handt. K¸ther, UB Frauensee 369, 9 (thür., 1526): gehor alle das, was zur leincken handtt gelegen, den fursten von Sachsenn. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 16, 22 (Hs. 2omd., 14659): Der selbe man furet ein hauen in seiner

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linkheit − lins

rechten hant und ein schaufel in seiner linken hant. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 6, 3 (osächs., 1343): wan du gibes dine almuˆsen, dine linke [Mentel 1466: wino Bˆhme, ster] hant insal nicht wizzen waz dıˆn rechte hant tut. Morg.R. 14, 4 (Hs. 2schles., 16129): ein solcher wird nirgend anders hin als zur lincken hand des Richters unter die stinckende hellische BËcke gestellet. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 5, 3 (Nürnb. 1613): Gedenck wie du wirst Aufferstehn, 兩 [...] 兩 Zur rechten oder lincken Hand, 兩 Heilig oder der HËllen brandt. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 205r, 5 (Hs. 2nalem., um 14009): Wem die nase blÈtet: ist es recho DatendÚhalb, so verbind jm die zehen an dem linggen / fuß. sypodius 210r (Straßb. 1536): Scæua, Ein lingiduß / lincker der die lingke hand für die rechte brauchet [bei Maaler 273v semantisch anders: Lingituß / der beid he˜d gleychfertig braucht ]. P‰pke, Marienl. Wernher 9981 (halem., v. 1382): Do wart zem erst sin lingu´ hant 兩 Mit ainem nagel uf gespant. Plant u. a., Main. Naturl. 297r (b), 2 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): vf der lingen siten sol man de¯ slaf vollebringen. Schmitt, Ordo rerum 729, 20 (salem., 2. Dr. 15. Jh.): Sinistrorsum [...] lingsitich. Maaler 273v (Zürich 1561): Man kan sich vor dem streich deß der Lingk ist nit hÈten. Barack, Zim. Chron. 1, 313, 11 (schwäb., M. 16. Jh.): liess im auch, so oft es [pferdt] mit dem linken fuss heraustratt, wider in den stal ziehen. Eschenloher. Medicus 77, 10 (Augsb. 1678): daß [...] die Medici und Chirurgi den Verlurst deß lincken Augs besorgt. Andreae. Ber. Nachtmal 26r, 21 ([Augsb.] 1557): Damit wir [...] nicht zuo weyt von der Warhait auff die Rechten oder lingken seyten gehen. Ebd. 61v, 21: dieweil in Got nichts leiblichs / vnd demnach weder rechtes noch linckes ist. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 46, 16 (noobd., 1347/50): wundert euch, daz die linken schaten der welde niht gend. − Luther, WA 47, 42, 31; Bechstein, a. a. O. 20, 21; Feudel, Evangelistar 21, 9; Rupprich, Dürer 2, 409, 36; Vetter, Pred. Taulers 206, 35; Cirurgia H. Brunschwig 17ra, 15; 25va, 16; Haszler, Kiechels Reisen 308, 4; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 98; Bremer, Voc. opt. 1165; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 308, 37/39; BaumannZwirner, Augsb. Volksb. 1991, 117; Rwb 8, 1340 (hier bezüglich des Orientierungswertes bei Rechtsritualen wie dem angang 8, dem kummer behandelt und belegt). − Vgl. ferner s. v. aufdringen 4, 1ausweichen 2.

2. dient der Kennzeichnung von Personen, Haltungen, Handlungen, Gegenständen, die von einer situationsspezifisch unterstellten idealen Qualität abweichen oder ihr entgegengesetzt sind; im einzelnen z. B.: ›falsch (von einer Lehre; ütr. auch von menschlichen Haltungen)‹; ›(Gott) entgegengerichtet‹; ›verdächtig, unecht (von Haltungen)‹; ›hinterhältig‹; ›mißtrauisch‹; ›verräterisch (ütr. von Wunden)‹; ›böse‹. − Phras.: (nicht) link im backen sein ›(nicht)

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schlagferig sein‹. − Bdv.: lez 2. − Wbg.: linkisch 2, linkwürmisch ›verschnörkelt‹. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 945 (preuß., 1331): ’Keczczerye, du bist linc, 兩 Und di himelische dinc 兩 Dyn vernunft nicht kan verstan. Ebd. 3562 (preuß., 1331): Uns ouch sullen wesen link 兩 Der werlde lob, ir prysen. Gerhard, Hist. alde e 5472 (omd., um 1340): di secte nam ursprinc 兩 Ken gote allerdinge linc. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 13055 (preuß., um 1330/40): In vorevils turste 兩 trettinde dıˆ linkin pfat, 兩 dıˆ ettiswen sin vatir trat. Ebd. 17450: daz ein mechtig edelinc. 兩 ein Sudouwıˆt, an witzin linc 兩 Luˆdewige daˆ betruˆbete. Luther, WA 1, 692, 10 (1518): wann die o seind genent die linck sichtliche und leibliche reich oder guter hand gotes. Ebd. 10, 1, 2, 14, 18 (1522): ynn der schrifft bedeutt die lincke seytte widderwertigkeytt [...]. Die rechte seytte bedeutt die gluckselickeytt. Ebd. 205, 21: Die lincke seytte ist der leypliche verstand. Voc. Ex quo, S 702 (15. Jh.): Sinister [...] lincke [...] ling [...] dicitur malus, nociuus peruersus vel linckiß. Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. 93, 4 (Hs. 2pfälz., M. 16. Jh.9): er war nit schon empfangen, 兩 man sach in gar linkh ahn. H¸bner, Buch Daniel 2936 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Meitliche zucht ist da linc 兩 Gepruvet bi dem ballen [›Tanzen‹]. Ebd. 5316: Zu hant wart im da irkant 兩 [...] wie disse dinc 兩 Weren gemachet vil linc 兩 Wider sines Gotis e. Cirurgia H. Brunschwig 17va, 32 (Straßb. [1497]): eı¯ cleine plut ru¯ß ist do eine¯ die hut biß vff dz fleisch v’wu¯t ist vn¯ on masen oder linck zeichen geheilt mag werde¯. Lemmer, Brant. Narrensch. 69, 30 (Basel 1494): Er [nydischer man] spricht zuo dir / fru¨ndt ysß / vnd trinck 兩 Doch ist syn hertz an dir gantz linck. Schorer, SprachVerd. 27, 2 (1643): mit linckwÈrmischen ZÈgen gezierte Striche vnd Buchstaben. Wyss, Luz. Ostersp. vor 9151 (Luzern 1545): Der linngg schacher ret zum Saluattor. − Kochendˆrffer, a. a. O. 1917; Luther, WA 16, 224, 31; Schweiz. Id. 3, 1340.

linkheit, linkicht, s. link 1. linkisch 1; 2, s. link 1; 2. linkitus, linkseitig, s. link 1. linkwürmisch, s. link 2. lins, Adj., etymologisch zu leise (ohne Diphthongierung und nasaliert; zu letzterem: Frnhd. Gr. § L 62, 4). ›unauffällig; sanft, angemessen; behutsam; gesittet‹. − Wobd. Barack, Teufels Netz 8383 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Das besliessend die zwen [keller und koch] vil lins. Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 155, 6 (schwäb., 1491): dar nach ain [...] wecklin zwu´schen die rind und den v stammen nit minder dann dry finger linß und senfft in lassen, das du die hutt nit letzest. Maaler 273v (Zürich 1561): Lins / GÈtig / Milt. Mitis. Mit Linsem vnd wolgesetztem

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linse − lintwurm

schritt gon / [...] Vast hüpschlich vnnd Linß gon / Wie ein dieb gon. [...]. Linß / sittlich / Nider. [...]. Linß vnd nider reden. [...] Mit niderer stim˜ reden.

linse, die; -π oder -n/-n. 1. ›Linse (als Frucht)‹; vereinzelt auch als Pflanze; mehrfach zur Kennzeichnung der Nichtigkeit e. S. gebraucht. − Phras.: nicht einer linsen wert sein; etw. um ein linsenmus verkaufen o. ä.; lieber mit got fisch als mit Esau linsen essen. − Synt.: linsen klein stossen / essen / verkaufen; linsen zu dem kleinen zehent geho¨ren, kleiner dan keine l., leichter zu lassen sein als eine l.; ausser linsen mel machen, jm. an linsen schaden zufügen; der mut / scheffel, das luder linsen; die speise der l. Wbg.: linsebolle (16. Jh.; Gw zu bolle 2), linsenacker, linsengericht, linsenhülse, linsenkorn, linsenma¨uchel (a. 1646; Gw zu mhd. mouch eine Art Brot; Lexer 1, 2210), linsenmus, linsensame, linsenwal. Luther, WA 45, 389, 22 (1537): daß er [Esaw] dyse guter nicht helt, Sondern gering, verachts, verkeuffts umb ein Rot linßen muß. Quint, Eckharts Pred. 2, 305, 11 (E. 13./A. 14. Jh.): dem menschen wæren alliu dinc als lıˆhte ze laˆzenne als ein erweiz oder ein linse oder als niht. Brinkmann, Bad. Weist. 206, 11 (rhfrk., 1603): Zu jezgemeltem kleinen zehenden gehört rüben und kraut, obs, linsen und erbsen, sommergerst, heidenkorn, hirsen, flachs, lemmer. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 248, 27 (Frankf. 1563): Es mo¨gen wol linsen heissen und haben den nammen mit irer wirckung, antwort der Baier, denn sie sind jo so leins von mir geschlichen, daß ich es im schlaff nit bin innen worden [hier Anspielung auf den Bauchwind]. Gerhard, Hist. alde e 1036 (omd., um 1340): Di erstekeit siner geburt 兩 Er verkoufte uberal 兩 um ein lutzel linsenwal [Hs.: -val; Konjektur zu -wal; s. Lexer 3, 646; möglich wäre auch -mal ›Gericht‹]. Th¸r. Chron. 42v, 9 (Mühlh. 1599): der hatte eine weisse Tauben / welche er gewehnet / das sie ihm Korn vnnd Linsen auß den Ohren laß. Gille u. a., M. Beheim 187, 91 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Sand Augustinus sprichet: ,ich 兩 ess lieber visch mit got messlich, 兩 dann mit dem Esau linse‘. Hirschmann, RogerGlosse 225 vb, 5 (omd., Hs. 15. Jh.): Ploster: / Ny¨m fenum grecom. linsen somen, / dy¨ wurczeln von wilden papeln. Chron. Strassb. 254, 3 (els., A. 15. Jh.): Hienoch geschach, das Jacop hette ein lynsin muso gekochet. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 123, 21 (Straßb. 1466): Vnd verkauft die ersten geburt: 兩 vnd alsust enpfieng er [jacob] das prot vnd die speys der linsen [Luther 1545, 1. Mose 25, 34: Linsengericht ]. Dasypodius 336 (Straßb. 1536): Folliculus lentium, Lynsen hülße. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 649, 13 (halem., undat.): ungelt zuo den toren uß. Item linsi, erws. bonen, hirs, gersten und kernen, von ye dem

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mu´tt iiij denar. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 308, 23 (Genf 1636): Linsenacker [...] Ager lenticularis. Ebd. 25: Lensenmuß / Linsensupp [...] lus lenticulare. Barack, Zim. Chron. 3, 70, 4 (schwäb., M. 16. Jh.): „Ach des volien böswichts pfaffen! er sit doch nit ainer linsen wert“. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 12, 26 (noobd., 1347/50): Wanne e die natur eitel lid, e prech ain erein hafen von geprechen ains linsenkornes. Munz, Füetrer. Persibein 198, 7 (moobd., 1478/84): ergreiff ich dich zw meiner henndt, 兩 ich zerprich ich clainer dann ye ward kain linsen. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 262, 30 (smähr. inseldt., 1414): habent mein herrn daselbs gancz traidczehent [...]; ze veld von traid, waicz, chörn, gersten, habern, hanif, lins, chrawt, etc.; ze darff huner. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 460, 9; OttVoigtl‰nder, Rezeptar 209r, 17; Rohland, Schäden 467; Schnyder, a. a. O. 928, 35; Leisi, Thurg. UB 5, 272, 18; 6, 487, 27; Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 50, 24; Deinhardt, Ross Artzney 210; Bremer, Voc. opt. 13142; Maaler 273v; Pf‰lz. Wb. 4, 1000; Schweiz. Id. 4, 1173.

2. ›Entenflott, kleine Wasserlinse‹. Hirschmann, Roger-Glosse 214ra, 1 (omd., Hs. 15. Jh.): tranck: / Ny¨m [...] dy¨ linsin dy¨ off dem wasser swimmen, vnde wegebreit.

linsenacker, linsengericht, linsenhülse, linsenkorn, linsenmäuchel, linsenmus, linsensame, linsenwal, s. linse 1. linster, Adj.; Schreibform zu link (mit Konsonantenerleichterung). ›links‹, die Seite kennzeichnend, die für Verdammung steht. − Bdv.: vgl. link 1. Helm, H. v. Hesler. Apok. 10893 (nrddt., 14. Jh.): Her entzuge sich zu der linstern 兩 Hende kegen der vinstern 兩 Helle. Ebd. 21988: Daz sie luchten in dem vinstern 兩 Zur zeswen und zur linstern 兩 Hende. − Ebd. 7188.

lintwurm, der, −/-e, auch -π (+Uml.). ein drachenartig gedachtes, mit dem crokodil, der schosschlange und anderen großen, als gefährliche Ungeheuer geachteten Tieren (auch Vögeln) in eine Reihe gestelltes Wesen. − Bdv.: 2aspe, basilisk, kröte, natter, schlange, trache, unke, wurm. − Synt.: der l. umsichtig sein, menschen fressen. Voc. Ex quo I 10 (15. Jh.): Iaculus est serpens, eyn lintworm. − est quidam serpens volatilis. Diefenbach, Mlat.hd.-böhm. Wb. 5 (o. O. um 1570): Boas, boa est magnus draco [...] lyntworm. Ebd. 147: Iaculus ein lynt wurm. Luther, WA 19, 604, 32 (1526): Hie hat der Lawe eine maus gefangen und lest sich duencken, er habe den Lindwurm uberwunden. Ebd. 27, 386, 25 (1528): also hat man uns Sanct Georgen mit dem Lindwurm auch fürgemahlet. Peil,

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lintwürmlin − lippel

Rollenhagen. Froschm. 221, 5445 (Magdeb. 1608): Als er [Hertzog] mit seinem schwert vnd hand 兩 Jhm [Lewe] den lindwurm halff vberwinnen. Gille u. a., M. Beheim 451, 282 (nobd., 2. H. 15. Jh.): sie haben aller wu¨rm gestalt 兩 greiffen, traken, lint wurme 兩 und sust von allen ungeczivern, 兩 da haben sie zu allen zeiten ain gesturme gar ungeheu¨r. Bremer, Voc. opt. 46029 (wobd., 1. V. 15. Jh.f.): Cocodrillus [...] lindwrm [...] nix [...] haim [...] grill. Sudhoff, Paracelsus 14, 504, 40 (um 1570): die aller grausamsten und erschröcklichsten würm, als nemlich die schoßschlang, [...], auch die lintwürm und crocodili, so die toten menschen auch gar fressen. − Gille u. a. a. a. O. 301, 61; 354, 47; Sachs 23, 53, 4; Sudhoff, a. a. O. 12, 524, 6; Bremer, a. a. O. 46012; Schmitt, Ordo rerum 303, 24, 2; 328, 17; Voc. inc. teut. p iv. − Vgl. ferner s. v. begreifen 4.

lintwürmlin, das. einem Vogelei entschlüpftes kleines, möglicherweis dem lintwurm ähnlich gedachtes, auch als Schmuckstück nachgebildetes Tier; gegenüber lintwurm lexikalisiertes Diminutivum; zur assoziativen Verknüpfung beider Ausdrücke vgl. gril und heim s. v. lintwurm (Beleg Bremer). Gereke, Seifrits Alex. 523 (oobd., Hs. 1466): do cham aus der schal gechrochen 兩 ain chlaines lindwurmelein; 兩 ein chran was auf dem haubt sein. − Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 193.

linze, die? − In den Wörterbüchern nicht belegt; aus mlat. linca ›linx feminina‹ (Du Cange 5, 144c); möglicherweise deformierte Schreibung von 1lunze. ›weiblicher Luchs‹; ütr. (semantisch kaum motivierbar): ›faule Frau‹. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 139, 38 (Frankf. 1602): antwortet die jung und faule lintze, er [doctor] solt den teuffel also artzneyen. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 24, 21 (Hs. 2omd., 14659): So schönes mensche gesahestu nie, und hestu eines linzen augen [...], dir würde darüber grauen [Var.: ain lintzn˜ augn˜, des tieres lincetten (linteschen, linggen) augen; offensichtlich auch in frnhd. Zeit schwer zuzuordnen].

lipf, s. lupfen 1. lipfel, das; Schreibform von leibbefil(d)e (s. d.). ›Leichenbegängnis, Beerdigung‹. − Bdv.: vgl. beerdigung, begängnis 3, begräbde, begräbnis 1, bestattung 1, leibfal 1, 1leiche 2, leichenbegängnis, todfal.

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Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 121, 29 (Straßb. 1522): und werffen mich in die Tiber und begon mir kein Lüpffel. Ebd. 273, 11: da der Vatter gestarb, und nach dem Lipfel nam der Sun den Sack mit dem Gelt.

lipläp, s. lippen. 1 lippe, die; −/-n; nahezu ausschließlich als pl. tantum belegt. ›Lippe‹. − Nrddt. / md. / nobd.; gehäuft poetische Texte. − Bdv.: lefze 1; vgl. befze, glef. − Synt.: die lippen anschauen/ behüten / entschliessen / auftun / regen / spalten, mit dem finger rüren; die lippen (Subj.) leuchten, beschlossen / ein türschlos sein, etw. reden; etw. (Subj., z. B. der türkis) für (›im Vergleich zu‹) den lippen verbleichen, jn. mit den lippen anbeten / eren, sich mit den lippen zu etw. nähern, mit den lippen etw. berüren, unter den lippen vergiftnis tragen; des mundes lippen (explikativ); die röte der lippen; kancer an den lippen. Ingen, Zesen. Ros. 73, 23 (Hamb. 1646): sie machte meine rÁchte wunde viel tÈfer / als sie mit ihren lippen die meinigen berÈrete. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 309 (preuß., um 1330/40): dÁvon ouch umbesnittin 兩 naˆch hovellichin sittin 兩 mıˆnes mundis lippen sıˆn. Luther, WA 1, 218, 7 (1517): O gott, erloße meine seel von den triglichen lippen (hier tropisch), das ist, falschen leeren. Ders. Hl. Schrifft. Ps. 34, 14 (Wittenb. 1545): Behüte deine Zunge fur bösem / Vnd deine Lippen [Mentel 1466: lespen; 1483−1490: lebßen; Mentel 14751 / Dietenberger 1534 / Eck 1537: leftzen] / das sie nicht falsch reden. Fischer, Brun v. Schoneb. (md., Hs. um 1400): undir iren lippen [...] 兩 tragen si bose vergiftenisse. Ebd. 2948: di lippen sint [...] 兩 ein ture sloz vor di zene. 兩 di wil di lippen beslozzen sint, 兩 so enkumpt dar zu noch wort noch wint. H¸bner, Buch Daniel 6679 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): dar nach her zu mir neic 兩 Eines glich des menschen kint 兩 Rurnde mines mundis spint, 兩 Entsliezende die lippen. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 15, 8 (osächs., 1343): Diz volc ˆeret mich mit den lippen [Mentel 1470: lespen; Froschauer 1530: lÁfftzen], abir ir herze ist verre von mir. Opitz. Poeterey 41, 31 (Breslau 1624): fÈr den Lippen muß ein TÈrckiß auch verbleichen. Ingen, Zesen. Ged. 384, 16 (Breslau 1641): Es ist auch wol schËne und anmuthig die RËthe der Lippen. Bell, G. Hager 140, 3, 14 (nobd., 1595): thu auf die lüpen mein, 兩 Das mein mund ver künd fein / allein 兩 Deinen Rum. − Luther, WA 9, 127, 7; 41, 183, 20; 46, 164, 20; Ingen, a. a. O. 72, 34; ders., Zesen. Ged. 385, 13, D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 24, 2; Fischer, a. a. O. 244; Stedtfeld, Roger-Glosse, S. 86; Schˆpper 35a. 2

lippe, s. 2lüppe. lippel, s. 1lippen.

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lippen − lis

1

lippen, V.; zu 1lippe. ›schwatzen, wirres, dummes, törichtes Zeug von sich geben‹. − Bdv.: ergillen; vgl. abkiefeln 2, blempern, schwatzen, tattern. − Wbg.: lipläp, lippel, lippenlap, lippern ›aufmukken, bellen (vom Hund)‹; ütr.: ›lecken, züngeln (von Flammen)‹. Luther. Hl. Schrifft. 2. Mose 11, 7 (Wittenb. 1535): bey allen kindern Jsrael sol nicht ein hund mit seiner zungen lippern [ebd. 1545: mucken; Mentel 1466: ergillen). Ders., WA 41, 251, 8 (1535): Zum munde er aus hat die flammen gelippert, quia in sacra scriptura dicuntur flamma, Ignis lingua, Omnes se mutuo inspexerunt, das inen ex ore lippern feurige zungen. Pyritz, Minneburg 559 (nobd., Hs. um 1400): So betuten auch die hunde 兩 Brufer, claffer, die uz irem mÈnde 兩 Manig rede lippen lappen. Fastnachtsp. 259, 11 (nürnb., v. 1486) Du Geigenkloß und App und Tapp 兩 Und du Narrentotschz und her Lippenlapp, 兩 Her Schlauraff. Ebd. 586, 1 (15. Jh.): Es gehört keinem solchen lüllaffen an, 兩 Der weder lippen noch laffen kan. Ebd. 587: Du kanst vor frauen weder lippen noch sagen. Lemmer, Brant. Narrensch. 64, 21 (Basel 1494): Wann jnn [frauw] sunst wol ist mit geschwÁtz 兩 Vnd lyplep / schnÁdern / tag vnd nacht. Klein, Oswald 27, 3 (oobd., 1420/ 1): Ich hab gehört [...] 兩 mit ainem sprichwort dick ain toren triegen: 兩 simm, Lippel we¨r ain güte ganns. Ebd. 70, 19 (v. 1408?): Pfeiff auff, Hainzel, Lippel, snäggel! 兩 frisch, frow, fri! 2

lippen V., zu 2lüppe. ›jn. kastrieren‹. − Bdv.: vgl. luppen 4. Voc. Ex quo, C 226 (15. Jh.): Castrare geylen, [...] lippen, .i. testiculos ab aliquo priuare.

lippenlap, lippern, s. lippen. liquidation, die. ›Vollzug, Ausführung, Abwicklung eines Rechtsanspruchs‹. − Wbg.: liquidierung (a. 1501). Hilliger, Urb. St. Pantaleon 534, 7 (rib., 1655): hat gemeltes capitulum dem heren licentiato Fabens 4 jahr seines als dahmals syndici restierendes gehalts [...] bis zur liquidation gemelter forderung eingehalten. Laufs, Reichskammergo. 221, 6 (Mainz 1555): sachen der liquidation, execution und volnziehung der ortheyl. − Rwb 8, 1341.

liquidierung, s. liquidation. liquiricie, die; zur etymologischen Einordnung s. Kluge/S., Et. Wb. 2002, 554 s. v. lakritze. ›Süßholz; süßholzhaltige Speise‹. J. W. von Cube. Hortus 120, 21 (Mainz 1485): thu die kyrsen vß vnd syede eynen dranck [...] mit syropel von rosen

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von vpoln vnd von sußholtz genannt liquiricia. Menge, Laufenb. Reg. 4697 (Hs. 2nalem., um 14709): Das man sin zunge mit saltze berybe 兩 [...] 兩 Vnd ein wenig liquiricye. Bremer, Voc. opt. 49042 (alem., 1. H. 15. Jh.): Liquiricia [...] sÈßholtz.

lirk, Adj.; zu mhd. le¨rc, lirc, lurc (Lexer 1, 1883). ›links, linksseitig‹; dient mehrfach der abwertenden Charakterisierung des Falschen, nicht Idealen. − Bdv.: vgl. link 1; 2. − Ggs.: recht.

Stackmann u. a., Frauenlob 5, 34, 11 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., M. 14. Jh.9): sar dem sarewirken 兩 zimt eben, der knecht zu dienste pflegen, beidenthalb der lirken (zum Verständnis s. den Apparat, Bd. 2, S. 752). Lauchert, Merswin 5, 11 (els., 1352/70): so sol aber mine lirke hant mine krancke bËse nature bezeichen. wenne sie ist den lirken vngerehten weg lange zit irrende gangen. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 728, 29 (els., 1362): Do erschein ime nebent sinre lirken siten eine swarze schette. Chron. Strassb. 391, 24 (els., A. 15. Jh.): [Cosdroe] satte zuo der rehten hant das crüze und zuo der lirken siten einen han. − Williams u. a., a. a. O. 452, 13; 763, 27; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225.

lirken, V. ›stottern‹. − Bdv.: vgl. anstossen 8, lallen 2, lurken, stackeln, stottern. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 13, 12 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): ez [lob] höhet, lenget, breitet sich, sin nennen niendert lirket.

lis, Genus nicht belegt; lat. Flexion; aus lat. lı¯s ›gerichtliche Streitigkeit‹ (Georges 2, 674). ›Rechtsstreit, zweiseitiger, durch Klagbitte und Gegenbitte als Verfahrensgrundlage gebildeter Rechtsakt‹. − Wbg.: litigant (a. 1548), litigieren ›einen Rechtshandel führen‹, litisconsorte ›Streitgenosse im Prozess‹ (a. 1543), litisdenunziation ›Streitverkündung‹ (a. 1622), litiskontestation (a. 1521 f.). Laufs, Reichskammergo. 223, 24 (Mainz 1555): Da aber eynem procurator litem zu contestiren, zu concludiren oder etwas anders [...] zu handlen mit urtheil ufferlegt, der sol solchs [...] zuthun schüldig sein. Kurz, Waldis. Esopus 4, 1, 61 (Frankf. 1557): Den Curtisanen wol bekant, 兩 Die vmb Prebenden litigirn, 兩 Zu Roma in Rota Agirn. Kˆbler, Ref. Nürnberg 100, 13 (Nürnb. 1484): vnd [wo] der spruch verneynt oder veriawort. vnnd dardurch also lis contestiert wer worden. Ebd. 100, 26: wo aber der Rechtlich krieg angefengt. vn˜ obbegriffen meynu˜g lis bestetigt [...] wer worden. − Laufs, a. a. O. 251, 4; Rwb 8, 1345.

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liske − list

liske, die. − Zur Einordnung: Toeppen, Altpreuß. Mon. IV, 511; Trautmann, Altpreuß. Sprachdenkm. 371. ein Wirtschaftsgebäude im Ordensbereich. − Wbg.: liskenmole. Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 4, 19 (preuß., 1414/22): Thusund huben, dy czinsen mit mËlen, kreczemen und lisken 802 m. Ziesemer, Gr. Ämterb. 222, 30 (preuß., 1422): 2 [gerethe] czu der huwsmolen, 1 czu der lyskenmole. − Thielen, a. a. O. 73, 22.

liskenmole, s. liske. lismen, V.; zu mhd. lismen ›stricken‹, nhd. laut Kluge/S., Et. Wb. 2002, 578 „offenbar zu lesen“. − Zur Wortgeographie von ,stricken‘ in den rezenten Mundarten s. Dwa 19, 11. ›stricken‹. − Bdv.: vgl. stricken. − Synt.: händschuhe, einen rok l.; der gelismete rok / strumpf. Barack, Teufels Netz 1250, Var. B (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Hendschuoch glisman [Var.: lisenen] und siden spinnen 兩 Land sich ouch nit ungern minnen. P‰pke, Marienl. Wernher 5507 (halem., v. 1382): Maria machte dem kindelin 兩 Gar listeklichen ain rËklin, [...] Ich wæn es gelisemet wære. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225; Schweiz. Id. 3, 1424 (keine Angabe zur Etymologie).

lisnen, V.; etymologische Zuordnung unklar. ›lispeln‹. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225 (a. 1517). lispeln, lispelung, s. lispen. lispen, V. ›lispeln; stammeln‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper. − Wbg.: lispeln, lispelung, lispler. Schˆpper 366 (Dortm. 1550): Balbutire. Lallen schwapeln stamlen statzgen statzen lureken lurgen ¶ lispeln lischben mit der zungen stossen. Luther, WA 16, 23, 26 (1524): Moses habe [...] in die Kolen gebissen, daher hab Moses hernach gelispelt. Ebd. 49, 100, 36 (1537): [die hohe Maiestet] schewet sich nicht mit jnen [den armen, ...] kindlicher weise zu lispeln und zu lallen. Ebd. 49, 282, 33 (1543): wenn Er [Engel] also mit uns reden mocht, wurden wir todt bleybenn. Darumb lest Er sich herab und lisbelt mit unser sprach. Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb. 52 (o. O. um 1470): Blesus lispinder. Cirurgia H. Brunschwig 15ra, 29 (Straßb. [1497]): werde¯ im aber die fordern zen [...] vß gehowe¯ daz ist das er lispen wu¨rt das ist ein grose wu¯d. Kurz, Murner. Luth. Narr 2809 (Straßb. 1522): Sie hËren hinder den offen wißblen, 兩 Was zwen gickenheintzen lißblen. V.

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Anshelm. Berner Chron. 4, 340, 19 (halem., n. 1529): ward understanden, im sine zungen abzehowen, so wit, dass er [...] lang ungeredt bleib, biss er [...] wider zuo lischbender red kam. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 308, 30 (Genf 1636): Lispelung [...] Balbutitio. Henisch 187/8 (Augsb. 1616): barbari, sind im anfang genant worden / diejenige so nicht wol haben reden kËn˜en / als die statzger / lispler / stamler. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 15, 1 (oobd., 1349/50): als geschiht an den kinden, die in ir kinthait za¨rtlent, die lispent gern wenn si gewachsent. Roth, E. v. Wildenberg 69, 2 (moobd., v. 1493): der liess ainen sone, was genant Balbus, der listbet. − Voc. Ex quo, B 169; Voc. inc. teut. p iv; Volkmar 64.

lispler, s. lispen. lisse, Genus und etymologische Zuordnung? ›Fischlaich‹. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225 (a. 1449). list, der ; -(e)s/-e, vereinzelt die. 1. ›gestaltende Fähigkeit, Fertigkeit, Geschicklichkeit vor allem in den Handwerken (Schmiedehandwerk, Weberei, Baukunst), auch in der Kriegskunst, Rhetorik und Alchemie‹; oft mit Bezug auf religiöse Glaubensinhalte, dann: ›Schöpfungsgeheimnis, -kraft Gottes‹. − Älteres und mittleres Frnhd.; Verstexte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: kunst; vgl. arbeit 8, behendigkeit 2. − Synt.: l. schenken, einen l. betrachten / finden / suchen, liste können, jm. einen l. geben; mit listen fechten, etw. mit list(en) bauen / machen / malen / überklu¨gen / weben / wirken, von der l. des heiligen geistes empfangen werden, mit l. geworcht sein, auf den l. lausen; des heiligen geistes / schmiedes / friedes, der naturen l.; der gu¨tliche / kluge / reiche / spähe l. Mone, Adt. Schausp. 1, 96 (Hs. 2omd., 13919): Jhesu Crist, 兩 der von dez heilgen geistes list 兩 uff erden hye onphangen wart. Jahr, H. v. Mügeln 1436 (omd., Hs. 1463): ich wil beslißen nu, 兩 das tugnde fluß von gotte ist 兩 und nicht uß der Naturen list. v. Groote, Muskatblut 16, 37 (nobd., 1. H. 15. Jh.): Maria meit gotlicher list 兩 zuo dir han ich den o glauben 兩 daz du dochter vnd muter bist. Stackmann u. a., Frauenlob 3, 8 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): In ir schoz bant sie [zwar] die himel alle, 兩 siben planeten dienten ir mit schalle, 兩 er barg sich schone unter ir brust, 兩 daz was des alten listes. Bihlmeyer, Seuse 552, 2 (alem., 14. Jh.): din [du, geminter] munt, der da waz ein schulo aller tugent und kÈnsten, uss dem er schankte alle kunst und liste. P‰pke, Marienl. Wernher 969 (halem., v. 1382): Ir [Maria] ober brawen,

1265 o sere klug, 兩 Als su´ mit listen wærind gar 兩 Gemalet an ain bilde dar. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 314 (schwäb., 1453): Als ers zuosamen fuegt, 兩 Mitt listen überkluegt, 兩 In hohen künsten fry. Ebd. 635: Als dort der tempel wart 兩 Gebu¨wen hoch und zart, 兩 Mit lysten manigvald. Primisser, Suchenwirt 24, 119 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Dar ob mit reichen listen 兩 Ein token chlar von perlein vein. Spechtler, Mönch v. Salzb. 39, 55 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): sunder istikleicher christ 兩 mit seinem leichnam pure 兩 lauset ganz auf spahen list 兩 in kurzer klausure. Weber, Füetrer. Poyt. 261, 6 (moobd., 1478/84): Poytislier alls mit lissten vacht, 兩 kunnd im aus seinen schlegen schwär wol sprinngen. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 9219; Fischer, Brun v. Schoneb. 2739; Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 6383; Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 2238; Jahr, a. a. O. 1994 Mone, a. a. O. 1, 2270; Lindqvist, K. v. Helmsd. 1897; Klein, Oswald 12, 44. − Vgl. ferner s. v. alchimist, ametist, antwerk 1, balsam 2, illuminist.

2. ›Weisheit Gottes; Erkenntnis, kluge Einsicht, Aufmerksamkeit des Menschen‹. − Älteres und mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: sin, vernunft, weisheit. − Synt.: die l. verbergen, jm. l. verleihen, seine l. an got keren; der l. (Subj.) etw. bekennen / erdenken; dem l. etw. verborgen sein; der l. von ›über‹ got; des menschen / herzen l.; der geistliche / hohe / irdische l. − Wbg.: listenreich. Helm, H. v. Hesler. Apok. 4535 (nrddt., 14. Jh.): Dar bi kere dine list 兩 An den Got der immer ist. Ebd. 5288: Got in des wil gunnen 兩 Daz sie von geistlicher list 兩 Wizzen mugen waz Got ist. Thiele, Minner. II, 24, 1 (Hs. 2md./ rhein., 1. V. 15. Jh.9): So ho of ouch soe listen rych 兩 de o wunde in heyl dier gelych. Mone, Adt. Schausp. 1, 710 (Hs. 2omd., 13919): der suße (vater) Jhesu Crist, 兩 daz her uns mit siner list 兩 behutet (uns) vor der ewigen not. Pyritz, Minneburg 4890 (nobd., Hs. um 1400): Daz er [Got] verrer schoner ist, 兩 Dann kan derdenken keins menschen list. Gille u. a., M. Beheim 76, 2 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Du parmhercziger Jesu Crist, 兩 verleich mir weishait, syn und list. Koller, Ref. Siegmunds 59, 35 (Hs. 2Basel, 14409): das du [vatter] die list an geistlichen hËubtern verborgen hast [...], und hast es geoffenet den cleinen. Brett-Evans, Bonaventuras Leg. S. Francisci 57, 65, 33 (önalem., v. 1478): das er nu`t dar hette gesetzet noch sin selbes listen, o wen das er die [Ordensregel] alle hette gedun schriben, als jm von gott was erofnet. Österley, Steinhöwels Äsop 358 (Ulm 1474/82): List. Was der mensch nit mit krefften u¨berkomen mag, das tuo er listig mit syner vernunfft. − Helm, a. a. O. 1711; Jahr, H. v. Mügeln 14; 841; Pyritz, a. a. O. 4822; Klein, Oswald 1, 5.

3. ›Gewitztheit, Einfallsreichtum als Haltung; einzelner gewitzter Einfall, Plan, geschickte Maßnahme zur Bewältigung ei-

list

1266 ner Aufgabe, zur Ausführung eines Planes; List, Trick, witzige Maßnahme zum Teil moralisch bedenklicher Art zur Erreichung eines Zieles; gewitzte Einzeltat (bezogen auf Bereiche wie Erotik, Possen, militärische Zwänge u. a.)‹; einerseits an 1, andererseits an 4 anschließbar; im Unterschied zu 1 und 2 keine religiösen Konnotationen. − Phras.: listles mit jm. spielen ›jn. austricksen‹; list gegen list brauchen; ane / sonder list (Verwahrformel). − Bdv.: anschlag 4; 5, grif 3, kunst, posse 2, rank, schelmenstük; vgl. beherzenheit 2, herzhaftigkeit 2. − Synt.: eine(n) l. erdenken / finden / können / wissen; j. der liste vol sein; l. (Subj.) kraft, kein ende haben, nicht verlangen, nicht zu etw. helfen; sich eines listes besinnen / brauchen; sich mit listen lo¨sen / weren, mit listen nach etw. ringen, jm. mit listen einen possen reissen, die stat mit listen gewinnen, etw. mit l. erforschen, jn. mit listen [wohin] bringen, etw. aus l. ersinnen, jm. durch l. das leben fristen; der frauen / weiber (mehrfach) / menschen, des weines l. ›Wirkung‹; der geschwinde / grosse / kluge / neue / spähe l. Wbg.: listweise ›schlau‹ (um 1476). Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 285, 9 (Wolfenb. 1593): So wisset jhr doch selber wol, das der Weiber list kein ende habe. Mieder, Lehmann. Flor. 481, 4 (Lübeck 1639): List vnd GlÈck haben grosse Krafft. Fischer, Brun v. Schoneb. 435 (md., Hs. um 1400): noch schreib ein meister sundir list: 兩 [...]. v. Tscharner, Md. Marco Polo 42, 6 (osächs., 2. H. 14. Jh.): do was keyn der Tartirn der do kunde vindin di list wy man di stat gewunne. Sachs 17, 13, 8 (Nürnb. 1552): Sie wird deß listles mit ihm [juncker] spielen. Dasypodius 3730 (Straßb. 1536): List gegen list brauchen. Vulpinari cu˜ uulpe. Ukena, St. Jörg 138 (oschwäb./tir., 1486/n. 1520): Wir miessen erdencken ainen list 兩 Das wir fristen vnser leben. Sappler, H. Kaufringer 7, 395 (schwäb., Hs. 1464): Mit der red ich das nun preis, 兩 das die frawen sind so weis 兩 und der cluogen list als vol. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 248, 5 (oobd., 1349/50): daz man in [walvisch] mit kains menschen künsten noch listen gevaˆhen mag. Klein, Oswald 117, 46 (oobd., n. 1438): Also hört ir des weines list, 兩 daran ich nicht vil loben mag, wie gut er ist. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 116, 18 (moobd., 1478/81): striten sy paid sunder waffen nur mit stainen, wann Rueland muest sich nur mit listen und wencken weren. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 521, 7 (moobd., 1473/8): so well wir ew˜ wol raten, 兩 wie ir Troya dy statt gewinnet mit listen. − Quint, Eckharts Pred. 2, 555, 2; Lichtenstein, Lindener. Rastb. 7; Opitz. Poeterey 42, 26; Goedeke, P. Gengenb. 128,

1267 421; Sachs 17, 101, 21; v. Keller, Ayrer. Dramen 1825, 4; Karnein, Salm. u. Morolf 241, 3; Bihlmeyer, Seuse 137, 8; Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 16, 21; Adomatis u. a., J. Murer. Bab. 205; Barack, Zim. Chron. 4, 230, 10; Weber, Füetrer. Poyt. 37, 7; 254, 7; Turmair 4, 455, 4; Maaler 274r; Dict. Germ.Gall.-Lat. 308, 32; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 1991, 376. − Vgl. ferner s. v. aufenthalten 7.

4. ›Arglist, Tücke, Hinterhältigkeit als Haltung wie auch aus der Haltung hervorgehende heimtückische Handlung‹; speziell (dicht belegt): ›Bosheit, Betrug, Täuschung (generell sowie als Verführungskunst und Handlungsweise des Teufels‹). − Phras.: ane (alle) list (Verwahrformel). − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: anschlag 5, beschis, bosheit 2, falschheit, praktik 3, spiegelfechtung. Ggs.: recht. − Synt.: einen l. ausku¨nden / brauchen / (er)suchen / finden, l. zu triegen haben, js. (z. B. des teufels) l. u¨berwinden; der l. (Subj.) jn. (!) nicht helfen, l. js. rüstung sein; die ko¨nige vol l. sein; mit l. [wol] wandeln, mit list(en) abgeru¨rt / geru¨stet sein, etw. mit l. an sich bringen, vieh mit listen inhalten, sich mit listen beraten, jn. mit list(en) fangen / hintergehen / betriegen, jm. etw. mit list abdingen (z. B. das gesinde) / abspannen (z. B. das pferd, den garten) / ablausen / abstreichen / entfremden, jm. mit listen beiwonen, nach dem erbe stehen, jn. durch l. umbringen, etw. für einen l. halten; der l. des hellehundes / satans / teufels / feindes / fuchses; der bose / betriegliche / falsche / schädliche / teuflische l.; der rat mit l., der drache mit seinen listen, die obrigkeit mit listen. Wbg.: listen ›listig handeln‹, listige (die). Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 18909 (preuß., um 1330/40): [der tuˆvil] irsuˆchete manche list 兩 uˆz tuˆvilischim sinne, 兩 wıˆ er an dem beginne 兩 den gotishelt vorirrete. Luther, WA 35, 456, 5 (1528/29): gros macht und viel list 兩 sein [feind] grausam rÈstung ist. Schˆpper 166 (Dortm. 1550): Fallacia, seu dolus. List betrug auffsatz trug argdÈck hinderlist listigkeit tÈcke trÈgnuß rÁnck triegerey geferd behendigkeit gescheidigkeit feinantz feinantzerey mouendeln hintergang. Peil, Rollenhagen. Froschm. 548, 1311 (Magdeb. 1608): Der Han sagt / fÈer des Fuchses list / Auff dem Balcken mein Schlaffstedt ist. Stambaugh, Milichius. Zaubert. 12, 6 (Frankf./M. 1563): Unter den listen und heymlichen practikken damit er [Teuffel] den menschen nachstellet / ist die Zauberey nit die geringste. Jahr, H. v. Mügeln 1910 (omd., Hs. 1463): daran der mensche [...] 兩 [...] gefallen ist 兩 in marter von tu¨fels list. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 28, 15 (Hs. 2omd., 14659): triegen, listen, smeichen, spinnen [...]

list

1268 kan si [weib] wol in einem augenblick. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 11, 4 (Bautzen 1567): Das vns der bËß kein schad zufÈg, 兩 Nach vns mit seinem list betrÈg. Vetter, Pred. Taulers 371, 14 (els., 1359): Die kunst was do er [Christus] des tu´fels list u´berwant mit dem bitterlichesten schentlichesten tode. Lemmer, Brant. Narrensch. 33, 78 (Basel 1494): Die weltt steckt voll beschysß vnd lyst. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 12, 28 (orhein., 1520): wann ein wolf ein geiß anku¨mbt, so brucht er solichen list, daß ers nit glich anfelt mit bißen, sunder [...]. Roloff, Brant. Tsp. 1443 (Straßb. 1554): Darumb ist war das bËße raht mit list 兩 Dem Rahtgeb aller schandlichs ist. Wyss, Luz. o Ostersp. 5061 (Luzern 1574): Vnd suchtend aber einen list, 兩 Damitt sy Todtend Jesum Christ. Barack, Zim. Chron. 3, 205, 19 (schwäb., M. 16. Jh.): Der allmechtig verleihe uns allen sein gnad, das wir seine [Satan] listige und strick beharrlichen entgeen mo¨gen! Eschenloher. Medicus 32, 24 (Augsb. 1678): sonder hielten es [Gesicht] nur fÈr ein Spiegelfechtung / List / vnd Betrug. Wackernell, Adt. Passionssp. St 1, 126, 4, Var. B (tir., v. 1496): Die weill der po¨se tru¨gner 兩 Mit seinem list und falscher ler 兩 Thut in unsern gepiete wandln. − Luther, WA 1, 167, 34; 30, 1, 360, 10; Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 11791; Henschel u. a., Heidin 893; Gille u. a., M. Beheim 52a, 12; Franck, Klagbr. 221, 36; Goldammer, Paracelsus 2, 135, 25; P‰pke, Marienl. Wernher 10637; Wyss, a. a. O. 3539; 3, 93, 249; Barack, a. a. O. 2, 526, 28; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 266, 37; Rwb 8, 1342. − Vgl. ferner s. v. 3aber 5, ablausen 2, abru¨ren 4, abstreichen 3, abta¨uschen, afterrede 1, anmassen 1, anneiden, anrichten 16, anschlag 5, auge 10, ausku¨nden 1, behauren 3

5. mit Adjektivattribut oder (explikativem) Genitivattribut in der Weise gebraucht, daß das Adj. bzw. der Genitivausdruck die Bedeutung von list stark, teils bis zur Aufhebung (vgl. die Phraseme) überlagert; je nach Beleg an 1−4 anschließbar und insofern auch dort einordenbar. − Gehäuft Verstexte des älteren Frnhd. − Phras.: 2sunder falsche list, ane arge(n) list o. ä.9, jeweils Verwahrformeln im Sinne von ›tatsächlich, ohne Zweifel‹; mit solcher list ›auf solche Weise‹; keine list ›nichts, keine Möglichkeit‹. − Synt.: der arge / böse / falsche / schwache l.; der Juden l., des irtumes / su¨nders / todes l., der schlangen l. Helm, H. v. Hesler. Apok. 11375 (nrddt., 14. Jh.): volle sete; Die teilet sich mit sulcher list 兩 Daz der niemant hat gebrist. Ebd. 13606: irretumes list her brichet 兩 Und scheidet uz die warheit 兩 [...] 兩 Von der irdachten lugene. Ebd. 17597: und sach dar bi keine list 兩 Der menscheite zu einer gnist. Fischer, Brun v. Schoneb. 6073 (md., Hs. um 1400): daz si [Maria] al sundir valsche list 兩 obir der engele kore gehoet ist. Valli, Baldemann 367 (rhfrk./nobd., um

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liste − listig

1350): Und lost uns do uz bandin, 兩 Do her was uff erstandin, 兩 Do uns in braht der slangen list. Gerhard, Hist. alde e 2707 (omd., um 1340): Din minster vinger ist 兩 Turer, grozer, an arge list, 兩 Wan dines vater rukke was. Mone, Adt. Schausp. 1, 396 (Hs. 2omd., 13919): Crist, 兩 der hat uns mit sines todes list 兩 uns alle erlost. Ebd. 674: der [Jhesu Crist] hat von der Juden list 兩 dy marter geleden durch unser schulde. Rennefahrt, Stadtr. Bern 227, 25 i i i (halem., 1384): [verziechen wir uns] aller buntn usche, eytgnosschaft, geselleschaft, aller ander ufsetzen, arger listen, i funden und usziechung. Lindqvist, K. v. Helmsd. 2365 (halem., Hs. um 1435): Der wilend durch des su´nders list 兩 Begraben hie uff erden ist. Klein, Oswald 9, 62 (oobd., 1421?): ich wolt uns raten, 兩 mo¨cht wir aus disen swachen listen waten. − Dat nuwe Boych 442, 1; Jahr, H. v. Mügeln 2404.

liste, die; im 16. Jh. aus dem Ital. rückentlehntes endogen dt. Wort. ›Liste, Verzeichnis‹. − Schulz / Basler 2, 1942, 31 (a. 1597); Rwb 8, 1343. listen, s. list 4. listenreich, s. list 2. listig, Adj., als Adv. meist -lich o. ä. 1. ›mit Gestaltungskraft ausgestattet; kunstvoll‹; vgl. list 1. − Bdv.: vgl. artig 4, artlich 1, behende 6, statlich 1. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 10, 12 (Hs. 2omd., 14659): alle irdische creatu¨re, wie ku¨nstig, wie listig, wie stark sie sein [...] mu¨ßen zu nichte werden. P‰pke, Marienl. Wernher 5500 (halem., v. 1382): Maria machte dem kindelin 兩 Gar listeklichen ain rËklin.

2. ›klug, ein-, umsichtig, weise‹; vgl. list 2. − Bdv.: bescheide 1, klug 4, könnend, sinnig, weise. Luther, WA 9, 151, 16 (1518): dartzu horet gar ein scharff gesichte und listige Vornunfft, ab tzusundern eins van dem andern. Ebd. 10, 3, 275, 27 (1522): wie der haußhalter o da listig ist auf sein tun, also sËllen wir auch sein das ewig o leben zugewinnen. Quint, Eckharts Pred. 2, 553, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): Ein meister sprichet: der listic wære und wol daˆ mite ku¨nde, der ordente wazzer u¨ber wıˆn, alsoˆ daz des wıˆnes kraft mo¨hte dar inne gewu¨rken. Koller, Ref. Siegmunds 69, 7 (Hs. 2Basel, um 14409): zytlich bËse gewin hant den lËff; wer sich darinne Èbet, den schËtzet man fu¨r wise und listig und wol ku¨nent. Schmitt, Ordo rerum 501, 10 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Jndustris Jndustriosus lisstig sinnig weys pescheid.

3. ›gewitzt, einfallsreich, versiert, wendig, klug, schlau, gerissen (von Menschen, menschlichen Handlungen, auch menschenähnlich gedachten Wesen sowie von

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Tieren gesagt)‹, bezogen auf die gesamte Bandbreite zwischen 2 und 4; vgl. list 3. − Bdv.: aufgeblasen, aufgeschraubt, aufsetzig 2; 3, ausgestochen, böse 6, gemeit 1, klug 4, auch 5, schalkhaftig, spitzig, spizfu¨ndig, vielko¨nnend; vgl. gescheibe, tausendfündig. − Synt.: j. l. sein; jm. l. zugehen, jn. l. [wohin] bringen, etw. (z. B. zweitracht) l. anrichten; etw. (z. B. ein schlos) listigerweise einnemen; der listige fuchs / leie / mensch / Ulisses / spruch, die listige katze / tat, das listige tier / weib / wort, listige fünde. Luther, WA 6, 247, 14 (1520): dan der schalckhaftige Adam gar listig ist yhm selb urlaub zusuchen. Ebd. 34, 2, 394, 9 (1531): ‘BËse geister’, das ist: nicht allein klug, spitzig und listig, hoch und weit uber menschen vernunfft und weisheit, Sondern auch gifftig, bose und bitter. H¸bner, Buch Daniel 7475 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Wand ieclicher in stillen 兩 Gedachte gantz volbringen 兩 Al sines herzen ringen 兩 Listlich an der vil guten [Susanna]. Chron. N¸rnb. 3, 172, 11 (nobd., 1488): man hielt in [Huß] auf der schuel fu¨r einen listigen [Z. 19: gelerten; Var.: lustigen] und kleprigen laien. Maaler 274 (Zürich 1561): Listig vnd geschwind vneinigkeit vnd zwytracht anzerichten. [...] Listige oder spitzfu¨ndige that. [...] Listiger außgestochner mensch. Listiger fuchß. Sappler, H. Kaufringer 10, 103 (schwäb., Hs. 1464): seit von natur den weisen man 兩 Aristotilem gewan 兩 ain weib listig und gemait. Chron. Augsb. 2, 309, 26 (schwäb., Hs. 16. Jh.): der Ochsenfueß [...] ist alle sein tag ain vilku¨nnet man gewesen, schalkhaftig und listig. − v. Keller, Amadis 7, 33; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 323b, 6; Gajek, Seidelius. Tych. 10, 15; Karnein, Salm. u. Morolf 224, 2; Schˆnbach, Adt. Pred. 26, 35; Rauwolf. Raiß 4, 28; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 151, 26; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 234, 5; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 308, 36; Rwb 8, 1344. − Vgl. ferner s. v. anschlagen 16, aufblasen 3, aufsetzig 3, ausschla¨ufen 3, arm (Adj.) 1, begreifen 8, ja¨germeisterin.

4. ›trügerisch, verführerisch (von Sachen; relativ selten belegt); heimtückisch, hinterlistig, arglistig, betrügerisch (von Menschen, Handlungen, Haltungen); vom rechten religiösen Weg abführend, teuflisch, verführerisch (vom Teufel o. ä.)‹; zu list 4. − Bdv.: abgu¨nstig, a¨ngstlich 1, arg (Adj.) 4, aufsetzig 3, betriegig, betrieglich 1; 2, böse 6, böslich, falsch (mehrfach), fu¨chsisch, ra¨nkisch, scha¨dlich, schalkhaftig, schandlich, verfu¨risch, vergiftend, verschlagen, wolfisch. Ggs.: alber, schlecht. − Synt.: der teufel, die schlange / etw. (z. B. die welt, die dinge der welt) l. sein, j. (die Juden) listiglich karg sein; j. (der satan) listiglich zu Eva

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listige − listigkeit

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schleichen, der teufel mit jm. listiglich umgehen, etw. l. u¨berkommen, jn. l. betriegen / verfu¨ren / veruntreuen, in das verderben bringen, jm. etw. listiglich ablausen; der listige anlauf / geist / mord / satan / tausendku¨nstler / wicht [Ú schlange], die listige anweige / bosheit / hure / lu¨ge / schalkheit / trogenheit / versuchung / zunge.

Luther, WA 21, 21, 17 (1528): Es ist auch noch nie nicht solch pflantzen gewest und solche listickeit und geschicklickeit die narung zu suchen. Dasypodius 364r (Straßb. 1536): Kunst / listigkeyt. Ars, Techna. Brandstetter, Wigoleis 192, 18 (Augsb. 1493): durch wz krafft oder listigkeit jch [Gabon] überwunden bin weyß jch nicht. Aber soelt mir mein schwertt gancz beliben sein. jch woelt eüch vnd all eüer listigkeyt [...] überwunden haben. Ebd. 218, 9: karyos vnd marin helfen wenig mit jrer stoercke vnd listikeit. mit dem sy das land befridt [...] haben. − Dasypodius 13r.

Schˆpper 166 (Dortm. 1550): Dolosus. Listig arg / trieghafft betrieglich betriegig tÈckisch fÈchsisch auffsetzig ra¨nckisch. Luther, WA 32, 174, 9 (1530): Diaboli sind nicht alle gleich, Einer ist listiger, schalkhaftiger, bËser denn der ander. Ebd. 53, 247, 11 (1542): denn wir sind gegen solche Listige und Unergruendliche [...] Kluegheit [...] Albere Scheflin. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 111, 5 (Frankf./M. 1568): Wie ich [Geltnarr] nur groß Gelt vnd Reichthumb / 兩 Vnverschempt listig vberkumb. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 392a, 17 (Frankf./M. 1649): der Teuffel sey ein sehr listiger tausent KÈnstler. zu Dohna u. a., Staupitz/ Scheurl 213 (Nürnb. 1517): unser red auf die schlangen, die listiger ist dann alle andre tier. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 7, 6 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): das er [mensch] sich von allen dingen diser werlt abczihe [...], wann sie sein schedlich, falsch, listig, betrigent, vergiftent. Österley, Steinhöwels Äsop 39, 35 (Ulm 1474/82): Welcher under u¨ch allen den andern listenclichen understat ze veruntru¨wen, desselben hut sol mit sölichem lon [öffentlichem Auspeitschen] geziret [...] werden. Chron. Augsb. 7, 422, 31 (schwäb., zu 1564): [er] hat genanten Beckenstain schandtlich, beßlich und listigclich umb all sein hab [...] in das eusserst verderben gebracht. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 193, 192 (moobd., 1. H. 15. Jh.): das der mensch mu¨g erchennen [...] dy listig trogenhait des po¨sen geist. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 181, 13 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): gegen dem ennd [ward er] durch valsch verreter [...] listiglich betrogen. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 14066; ders., H. v. Hesler. Nicod. 5123; Luther, WA 1, 218, 7; 6, 14, 5; Alberus, Barf. Vorr. Alb., 5, 28; Schˆnbach, Adt. Pred. 6, 42; Mayer, Folz. Meisterl. 12, 112; v. Keller, Ayrer. Dramen 2799, 23; Wagner, a. a. O. 7, 61; Goldammer, Paracelsus 3, 279, 5; Banz, Christus u. d. minn. Seele 1131; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 45, 6; Hohmann, a. a. O. 179, 4; 179, 21; 205, 5; 213, 128; Spechtler, Mönch v. Salzb. 10, 83; 25, 21; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 1513; Maaler 274r. − Vgl. ferner s. v. abgünstig, ablausen 2, anfechten 4, anlauf 4.

2. ›Klugheit, Weisheit (wie sie dem Menschen, in nichtchristlichen Glaubensvorstellungen auch z. B. der Schlange, zugeschrieben und im Vergleich mit Gottes Erkenntnis-Allmacht abwertend beurteilt wird)‹; vgl. listig 2. − Bdv.: fürwiz, vernunft, weisheit.

listige, s. list 4. listigkeit, die. 1. ›Kunstfertigkeit; handwerkliches Können; Kriegstüchtigkeit‹; vgl. listig 1. − Bdv.: geschiklichkeit 1; 3, kunst; vgl. list 1.

Perez, Dietzin 1 43, 25 (Frankf. 1626): Von [...] Aristotele dichten die Alten / als neme er seine Schrifften auß dem Herzen einer Schlangen: Dieweil sie das Symbolum oder Zeichen der Weißheit / Listigkeit vnnd der Vernunfft ist. Sachs 18, 288, 18 (Nürnb. 1562): Wenn sollichs in anfechten thut, 兩 So denckt er, das thut fleisch und blut, 兩 Daß sein fu¨rwitz und listigkeit 兩 Bey gott sey ein lautre thorheit. Bauer, Imitatio Haller 77, 13 (tir., 1466): Du solt kchain getrauen haben in dein kchunst noch in kchaines menschen listikchait, aber du solt getrauen in die genaden gottes. Ebd. 101, 29: Du wu¨rt die willig gehorsam vil mer erho¨cht denn alle menschleiche listikchait. − Sachs 17, 482, 4.

3. ›Klugheit, Schlauheit, Gewitztheit, Geschicklichkeit, schlauer Einfall‹; vgl. listig 3 − Bdv.: geschwinde (zu geschwind 1), klugheit 3, subtiligkeit. Ggs.: simpelheit. Luther, WA 30, 1, 25, 14 (1528): schleicht er [Teufel] einem nach mit listigkeit. Peil, Rollenhagen. Froschm. 297, 1119 (Magdeb. 1608): als Reinick Fuchs ankam / 兩 [...] 兩 Gab er nach seiner listigkeit / 兩 Dem KËnige solchen bescheid. Chron. Kˆln 2, 9v, 36 (Köln 1499): He [...] verkeirde also die eyrste simpelheit in kloicheit vnd listicheit. Mon. Boica, NF. 2, 1, 248, 30 (nobd., 1464): lehen, das sein vatter der herrschaft mit listikeyt abgetragen hat in sein hwbe. Maaler 274r (Zürich 1561): Die Listigkeit / Geschwinde / oder subtyligkeit ze dißputieren. Pfaff, Tristrant 121, 4 (Augsb. 1498): er [...] hat mit listigkeit und grosser geheisse ab geworffen all meins herren lantsessen. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 10, 11 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Er [Cham] was gespre¨ch und überwant si mit listichait, das si für gotes zoren huben an ze pawen den turen.

4. ›Arglist, Tücke (des Menschen)‹, schwach belegt; ›Hinterhalt, Heimtücke, Verführungskunst des Teufels‹ mit der Folge: ›Versuchung (für den Menschen)‹; dicht belegt; vgl. listig 4. − Texte der Sinn-

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listweise − litterat

welt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: s. u. Schˆpper s. v. list 4, ferner: anweige, betriegnis 1; 2, bosheit 1, falschheit, trogenheit, versuchung. − Synt.: die l. erkennen / verbergen / versuchen ›ausprobieren‹, etw. l. bedeuten; l. (Subj.) sein [›darin bestehen‹], das [...]; js. l. entgehen; die l. des feindes / bo¨sen geistes / teufels (dicht belegt), der bulerin. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 217 (Nürnb. 1517): Darumb ist die erst kunst, des teufels betrignus und listikeit zu entgeen, zemung der begirlikeit, alle dingk zu wissen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 168, 14 (Straßb. 1466): Do er west ir [phariseer] listikeit [Luther 1545, Mr. 12, 15: heuo cheley] er sprach zuo in. Was versucht ir mich? Warnock, Pred. Paulis 7, 291 (önalem., 1490/4): und betu´t die o menschen, die also allain daz wulli, daz gutt und ainfaltig, lassent sechen, aber ir boshait und listikait verbergent su´. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 193, 180 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Dye sechst listichait vnd versu¨chung ist, mit der er [Teufel] dem menschen ra¨tt dye su¨nd vnder der gestalt einer tugent. Ebd. 193, 192: das der mensch mu¨g erchennen dy falschen listichait [...] des pösen geist. Klein, Oswald 26, 49 (oobd., 1427): mein listikait hett in der fürst 兩 die oren vol erschellet. − Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 34, 3; v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 79, 5; Warnock, a. a. O. 7, 286; Hohmann, a. a. O. 183, 27; 187, 71; 187, 89; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 107, 28; Maaler 46r. − Vgl. ferner s. v. immer 2, inhitzig 1.

listweise, s. list 3. litargirum, das; s. du Cange 123b. ein Pulver für verschiedene Zwecke; ›Bleiglätte, Bleioxid (PbO)‹. − Fachtexte. − Bdv.: bleiweis, glätte 2. Follan, Ortolf. Arzneib. 147, 6 (rib., 1398): nym [...] litargiri twey lot de gummi saltu seden in eynen vyrteyl starkez etekes [angewandt gegen alle fistulen vnde alle drose, unde heylet de wunden]. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 150, 9 (Frankf. 1535): Nim Ël von nüssen / mische darunder das puluer Litargirium, schmier die reudigkeyt damit. Ebd. 15: Wer da het das rot / der nem essig / vnnd mische darunder des pulvers Litargiri [...] mach drauß ein cristier. Keil, Peter v. Ulm 165 (nobd., 1453/4): ein gut graw pflaster. Nim weiß wachs, hartz, [...], grünspan [...], holwurtz, weyrauch, [...], litargirum, das ist glet. − Broszinski, Minner. Chir. Parva 70v, 11; 78, 24; Stedtfeld, Roger-Glosse, S. 86.

litauisch, Adj. ›litauisch‹; im einzelnen: ›der diet ,Litauer‘ zugehörig‹; ›in ,Litauen‘ üblich, gebräuchlich‹. − Wbg.: litisch. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 19690 (preuß., um 1330/40): daruˆffe daˆ von gestin 兩 was vil Littowschir rotin 兩

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von andrin gegenoˆtin. Ebd. 19697: Daˆ hettin der Littouwschin dıˆt 兩 dıˆ bruˆdre vil irslagin. Ebd. 25838: [Darnaˆch] sprengte ein her littouschir dıˆt 兩 zu Wilow in daz gebıˆt. Ziesemer, Gr. Ämterb. 71, 37 (preuß., 1510): 2 holczsschlietten, i littawisch schlietten. Ebd. 202, 24: 1 halben kornscheffel, 3 littausche holtzwegen. Moscowia C 3r, 40 (Wien 1557): So liessen die Moscouiter aufblasen / vnd griffen die Littischen an.

litierige, die; aus frz. litie`re. ›von zwei Pferden an Doppelstangen getragene Sänfte‹ (so Schweiz. Id. 3, 1500). Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 737, 29 (halem., 1634): das an Sonn- und Festtagen in Bern anstößige fahren mit gutschen, berlinen, chaisen ind littiergen und andere üppigkeiten mehr.

litigant, litigieren, s. lis. litisch, s. litauisch. litisconsorte, litiscontestation, litisdenunziation, s. lis. litter, 2letter, der, auch die; −/auch -en. ›Buchstabe; Drucktype‹; metonymisch dazu: ›Literalsinn, eigentliche Bedeutung des Geschriebenen‹; ›Schriftsatz, Brief‹. − Bdv.: vgl. abkerung 3, buchstabe. − Wbg.: letterwechsel ›Anagramm‹, litterat, litteratur. Enders, Eberlin 3, 162, 28 ([Eilenb.] 1524): auch gebrauchen die Trucker bËß papyr, bËße litera. Chron. Kˆln 2, 10r, 7 (Köln 1499): Abraa˜ hait vonde˜ die kaldeeschen littere˜. Ebd. 2, 388, 3 (Köln 1499): he [konink] machte so vil cloistere as sin litteren in dem a b. Buch Weinsb. 1, 277, 35 (rib., um 1560): wan der eirste boichstaif an jeder taifel ist roit und wan die allereirste litter an jederer und allen taifeln beiein pracht werden, so begriffen sei sinen nammen. Ebd. 2, 193, 4 (1569): darvur mit guldin litteren diss vers stunde geschriben. Ebd. 2, 312, 22 (1575): dar der eirst, der mittelste ungeferlich und leste litter einen besondern sensum und sinne machten (Akrostichon). Gropper. Gegenw. 18v, 1096 (Köln 1556): obe die wort der Schrifft nach jrem rechten vnnd eigentlichen sin˜ / wie sie nach der Litter stehen vnd lauten / oder aber Methaphorischer [...] weiß zuuerstehen sein. Matthaei, Minner. I, 8, 398 (Hs. 15. Jh.): „wilt du versten myn litter“, sprach fraw Mazze, „ich schriben dir“. Franz u. a., Qu. hess. Ref. 2, 67, 33 (hess., 1528): das zu einer jeden pfarrkirchen [...] ein neu testament in grober litter zu sein fast not [...] sein solt. Helm, Maccabäer 6984 (omd./ nrddt., Hs. A. 15. Jh.): Ptolomeus wart ouch vugen, 兩 daz er besande die rittre 兩 des landes, daz wurben littre. Rot 325 (Augsb. 1571): Literat. Ein Gelehrter / der etwas inn den freyen kÈnsten versteht vnd kan. Ein Gschrifftglerter / kunstreicher. Ebd.: Literatur. Gschrifft / kunst der gschrifft / gschrifftgelerte weiß vnd kunst. − Rwb 8, 1239.

litterat, litteratur, s. litter.

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litze − lizentiat

1 litze, die; letztlich aus lat. licium ›Faden‹ (Dwb 6, 1072). ›Litze, Tuchstreifen, Tuchleiste; Schnur‹. − Bdv.: vgl. ger 3, geren 1, 3leiste 1. − Wbg.: litzen ›etw. räumlich einschränken‹; ütr.: ›etw. über etw. stülpen und es damit einschnüren‹, litzig ›voller Narben‹.

Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 110, 20 (preuß., 1437/ 8): von weissim bocczin 1 ganczen ornad mit czwen rocken [...], item 9 lecczin eynen ganczen ornad. Lau, Qu. Siegburg 82, 31 (rib., 1433): so we eyme uysswendigen mynschen doich wevede, dat sal hie machen sonder lizzen. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 206, 28 (rib., 1445): dat gein schorre oder slichter einich doich langs di litzen scheren en sall. Ebd. 2, 353, 21 (1491/2): roit flowelen is hei [unser liewer frawen mantel] [...] ind ein laittis list heit hei der mantel ront umbgain. Wilkes, Ev. Gem. Duisb. 260, 15 (rib., 1567): 7 bilden rocke von aller ferwen mit bunten listen. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 2, 218, 17 (hess., 15124): das eyn iglicher stuck sins gefallens one litzschen zu machen macht haben sil. Bartsch, Reinfrid 18274 (halem., Hs. 14. Jh.): die hiute werdent litzig 兩 vermachet und verwundet. Adrian, Saelden Hort 4196 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): si [win und wip, spil, luder] u´ber die hopter litzend 兩 du´ klaider den die sich erwenent. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 51, 16 (halem., 1345): Wir geben och uˆz, daz daz gothus Nyfers hofstat von dirre usrichtung wegen litze und mit einem erkel mache. − Lau, a. a. O. 18, 17; 25, 20; Loesch, a. a. O. 1, 92, 34; Schmidt, a. a. O. 1, 226, 1. 2

litze, s. liz.

litzen, litzig, s. 1litze. liz, 2litze, der / die; −/auch -π ; zu mhd. liz ›Laune‹ (Lexer 1, 1945). ›launische Abweichung vom normalen Verhalten‹; im einzelnen: ›Laune, Grille, Gutdünken‹; ›Wahn, Fiebertraum, Eigenart‹; ›Aberglaube‹; ›Posse‹; auch generalisiert in Richtung auf ›Verhalten schlechthin‹. − Obd.; älteres und mittleres Frnhd.; nahezu ausschließlich Verstexte vorw. didaktischen Inhalts. − Bdv.: krankheit, rank, schwere, tu¨cke, wanwiz. − Synt.: l. haben, den l. verzeren; der l. an den tag kommen; der litzen (Gen.obj.) gedenken; js. gejeide in js. litzen sein, bei dem l. etw. merken, etw. in solchen litzen ›in der Weise‹ verstehen, nach seinem litzen zu dem wein sitzen; l. der bauern / frauen / fu¨rsten, der hochfart / hitze / kälte, des winterklaubes ›winterlichen Raubes, Winters‹ / gaules / hoch-

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mutes / streites l.; der böse / grobe l., falsche / spähe liz. v. Groote, Muskatblut 8, 116 (nobd., 1. H. 15. Jh.): wer nu die litz die in der hitz 兩 mit kranckeit hat vmbgangen, 兩 des wirt ym van dem steyne rat. Fischer, Folz. Reimp. 10a, 176 (Nürnb. um 1480): Der fürsten lycz nit anders seyn, 兩 Dan das sie lebendig sint dot. Ebd. 43, 254 (um 1491): der prunen hicz, 兩 Die manch groß swer, kranckheyt und licz 兩 Ym folck vil mer deten verczern. Euling, Kl. mhd. Erz. 1028, 3 (nobd., E. 15. Jh.): was die jungen kind haben litz, 兩 des gleich sein die alten auch wanwitz. Sachs 17, 425, 35 (Nürnb. 1563): Der gaul gieng langsamund war träg, 兩 Der pfaff dacht, das ist deß gauls litz, 兩 Biß er in gang komb. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 57, 259 (schwäb., 1471): Die selben ordnung du auch erbst 兩 Vnd ist dein geiaid − in yrren litzen. Ebd. 58, 381: Nit mer ich ietz unt schreiben 兩 Will von irem [frawen] spehen litzen. Niewˆhner, Teichner 330, 52 (Hs. 2moobd., 1360/ 709): sand Peter sol dw sluzzel han 兩 und sol daz himelreich entsliezzen: 兩 also ist der pawern liezzen. Ebd. 510, 69 (Hs. 2oschwäb., 13689): ez ist von der hochvart litzen 兩 daz man kriegt umb daz fÈrsitzen. Klein, Oswald 104, 8 (oobd., 1429): des ich mag klain erfreuen mich; 兩 das macht sein [winderkloub] grober litz. Wackernell, H. v. Montfort 33, 63 (soobd., A. 15. Jh.): der tot der nimpts [guot, manheit, witz] mit sinem litz. Turmair 4, 9, 16 (moobd., 1522/33): die waˆrhait kann niemant schedlich [...] sein dan denjenigen, [...] die fu¨rchten, ir litz ra¨nk tu¨ck aigner nutz kum an den tag. − Pyritz, Minneburg 3381; Mayer, Folz. Meisterl. 66, 30; 96, 1; Fastnachtsp. 253, 32; 956, 8; Sachs 5, 248, 35; 16, 405, 19; Primisser, Suchenwirt 3, 126; Niewˆhner, a. a. O. 524, 50; 663, 28; Vorarlb. Wb. 2, 289.

lizensieren, s. lizenz. lizent, Genus? −/-en; aus mlat. licentia ›Freiheit‹ (Rwb, s. u.). eine außer dem zol erhobene Gebühr, Abgabe bei der Ein- und Ausfuhr von Waren. Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 385, 36 (1584): dweil under und baven neven dem schuldigen toll besondere schwere licenten und andere ungelt genommen. − Rwb 8, 1353 (mit reicher Wortbildungsliste und Belegung für den nl. Raum).

lizentiat, der ; −/-en. ›Lizentiat, akademischer Graduierter mit Lehrberechtigung, in der akademischen Hierarchie zwischen Magister und Doktor‹. − Bdv.: vgl. letzeltiat. Luther, WA 6, 404, 6 (1520): Er Nicolao von Amszdorff, der heyligen schrifft Lizentiat. Ebd. 7, 632, 2 (1521): Du bist ein Licenciat sacrorum Canonum und ein prohibiat sacre scripture. Laufs, Reichskammergo. 142, 6 (Mainz 1555): daß hinfu¨ro eynem cammerrichter, wo er eyn grave oder herr were, zweytausendt, eynem graven oder herren, der eyn

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lizenz − lob

beisitzer ist, siebenhundert, und eynem doctor, licentiaten oder edelmann fu¨nfhundert gu¨lden [...] gegeben werden sollen. Ebd. 145, 29: Es sollen auch die jungen doctores, licentiaten und andere personen, so sich zu dem cammergericht, die practigk daselbst zu lehrnen, begeben, wie jetzunder von den personen zu dem cammergericht geho¨rig geordnet [...] gehalten werden. Rot 325 (Augsb. 1571): Licentiat, Ein zugeschnitner Doctor / der Doctor mag werden wann er will / [...] / werden sonst designati, genannt. − Erben, Omd. Chrestomathie 15, 18; Chron. Augsb. 7, 6; Schmitt, Ordo rerum 132, 5; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 128; Rwb 8, 1358. − Vgl. ferner s. v. alcalde, pedel.

lizenz, die; auch mit lat. Form (-tia) und Flexion; über das Afranz. aus lat. licentia ›Erlaubnis‹ (Georges 2, 647). ›Berechtigung, Erlaubnis‹. − Obd. − Bdv.: s. u. Rot. − Wbg.: lizensieren a) ›jn. beurlauben‹; b) ›etw. für etw. freigeben (z. B. Silber für die Münzprägung)‹. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 614, 31 (nobd., um 1525): sein also bey 600 knecht hie im solt gelegen, wiewol pald das merer tail licenzirt, geurlapt. M¸ller, Welthandelsbr. 126, 19 (schwäb., 1506): was ainer silber in [die] zecha legt zu Maylandt, [...] das er es lezenzirt zu myntzen, so ist man im darnach in 10 tagen schuldig sein gelt zu gebn. Ebd. 134, 11: Wa er aber mer heraus fürt sonder bolettin oder lezenzia [...], so wirt es im genomen. Rot 325 (Augsb. 1571): Licentz, Erlaubnuß / vbersehung / willfart /vertragenheyt. Als so wir sprechen / Er hat ein Licentz / das ist o Ebd.: Licencirn / Vrlauben / vrlaub geben. ein zulassung. Panzer, Seifrid Füetrers 312, 5 (moobd., 1478/84): wie habt ir [fraw Mynn vnnd Abentewˇr] euch lizenze aus gesundert, 兩 das nu¨r darff mueo vnd vil vnru.o Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 118, 21 (moobd., 1478/81): so wolt ich geren von euch ho¨ren von gewonhait und licentz des kaisers das er all seins lebens zeit sovil geurleugt hat. Geet das zue durch gemainen rat der fu¨rsten; oder thuet er so¨lichs durch sich selb. − Rot 325; Jones, French Borrowings 393. − Vgl. ferner s. v. argumieren.

lob, das / der; -(e)s/-π, auch -er; in 7 volksetymologische Anlehnung an mlat. laudemium und/oder franz. laud (Schweiz. Id. 3, 993). 1. ›Lob, Ruhm, Lobpreis, Ehre, hohe Anerkennung, Würdigung, die (meist:) einem Menschen, einer menschlichen Qualität (o. ä.) von anderen entgegengebracht werden; hohe Stellung, Ansehen, Ruhm e. P. in der Gesellschaft‹, damit: ›Gegenstand des Lobes, Rühmens‹; die einzelnen Varianten sind in einer Reihe von Belegen 1

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nicht sicher trennbar; vereinzelt auch: ›übersteigertes Lob, Selbstlob, Ruhmsucht‹; vgl. loben 1. − Bdv. s. u. Schˆpper, ferner: 1gunst 7. − Synt.: l. suchen / empfangen / erhalten / erwerben / haben, js. l. messen / preisen / verkeren, auf papier schreiben, jm. l. geben / sagen / verleihen / zuschreiben, der esel / hund l. haben, einer stat l. geben, der musica l. bauen, um die kleinen l. sagen; eigenes l. stinken, das lob in wirden leben, js. l. für ›heller als‹ gold erleuchten; j. dem handwerk ein l. sein, kinder js. l. sein; lobes begeren, nicht zu preisen wissen, jn. des lobes verjehen, das erdreich js. lobes vol sein, etw. (Subj., z. B. latein reden) lobes wert sein; an seinem l. festhalten, ein ampt von mer l. sein, dan [...], etw. um l. [tun], l. der menschen (gen. subjectivus), l. der warheit (gen. objectivus); das eigene / eitle / gute / herliche / hohe / kriegische / unsterbliche l.; lobes hammer. Wbg.: lobbegierig, lobgierig, lobgierigkeit, lobesalp ›bedrükkendes Lob‹, 2lobgeber, lobgeberin (Belege s. v. loben 1, s. d. Maaler9), lobmacher ›j., der js. Ansehen erhöht‹, lobspeise ›was dem Lob zur Nahrung dient‹. Schˆpper 60a (Dortm. 1550): Encomion. Lob ehr preiß rum hochpreisung. Luther. Hl. Schrifft. 1. Joh. 2, 16 Marg. (Wittenb. 1545): Hoffertig leben / ist ehrgirigkeit gewalt / lob vnd oben aus fahren. Mieder, Lehmann. Flor. 482, 10 (Lübeck 1639): Papier / darauff eines Lob geschrieben / vberlebt di Leut. Lappenberg, Fleming. Ged. 466, 11, 12 (n. 1633): so mag der Lobesalp gleich drücken, was er kan, 兩 wir kommen doch empor. Quint, Eckharts Pred. 362, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): Suochet er lop oder iht anders, soˆ verkoufet er die tugent. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 6607 (rib., 1444): Eyn arme getruwe ampt is van merre love 兩 Dan moissicheit in eyns konyncks hove. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 3058 (Köln 1476): des geefft man hogen loff 兩 Der stat van Nuyssz dorch skeyers hoff. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 2, 74 (Köln um 1490): wanne du kumps zo heren hove, 兩 So halt vaste in dyme love. Rosenthal. Bedencken 28, 16 (Köln 1653): DJE Werck welche auß eiteler Begird des Menschlichen Lobs geschehen / haben schon hie jhren Lohn. Jahr, H. v. Mügeln 1844 (omd., Hs. 1463): die münz ich [Warheit] glich zu aller zit, 兩 des ist min lop in eren wit. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 17, 32 (Hs. 2omd., 14659): sagen wir lob und ere dem Tot, der also rechte richtet! Stackmann u. a., Frauenlob 3, 29 (Hs. 2omd./schles., 14. Jh.9): min zunge wirke, ob lobes hamer 兩 ist weich gein der metalle, 兩 Da vrouwen lop sich wirket abe ›sich verschleißt, sich abarbeitet‹. v. Groote, Muskatblut 96, 110 (nobd., 1. H. 15. Jh.): musica die wil schonen der lob ich ymmer buwe.

1279 Gille u. a., M. Beheim 25, 6 (nobd., 2. H. 15. Jh.): vil geudens wart van disem hunt getriben, 兩 er het das lob zur hacz und czu der pirs. Ebd. 24: ach, wankel mut, des seiestu verfluchet, 兩 das du mein lob verkeret hast so schir. Ebd. 308, 142: wer aber im gibt lere 兩 nur ainig zu der ere 兩 und zu kains nuczes frum, 兩 Der ist ain guter rum − 兩 und lobmacher des herne [Ú fürst]. Goldammer, Paracelsus 2, 55, 9 (1531/4): Welicher meister sich befleißt über und für andere zu sein, der ist demselbigen handwerk ein lob. Wickram 4, 12, 8 (Straßb. 1556): hette auch sein hausfraw ein gÈt lob vonn wegen ihres tugentlichen unnd holdsÁligen wandels. Warnock, Pred. Paulis 7, 301 (önalem., 1490/4): Es sint etliche menschen, die tragent und nement uf sich daz cru´tz der penitentz [...] umb lob und gunst der menschen. Maaler 274r (Zürich 1561): Lobbegirig / Deß lobs begirig. Studiosus laudis. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 309, 17 (Genf 1636): Lobgierig / Ehrgeitzig / RhumbsÈchtig. Ebd. 21: Lobgierigkeit / f. Ehrgeitz. hail. altvÂter 101v, 23 (schwäb., E. o von der welt lobes begerend. 14. Jh.): das sy [luˆt] vmb ir guttÁtt Österley, Steinhöwels Äsop 357 (Ulm 1474/82): Aigen lob stinket in dem munde. Behrend, Spangenb. Anbindbr. 19, 23 (Straßb. 1611): Sein [Caspar] Namen und Geschencke 兩 Dess Lobs und Ehrens wol werth ist. Primisser, Suchenwirt 3, 101 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Leit nu der leib derstorben, 兩 Dennoch daz lop in wirden lebt. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 119, 31 (oobd., 1349/ 50): ez tregt gar swær pürd auf im. daz sint diu lob, diu der esel haˆt. Klein, Oswald 3, 54 (oobd., 1422?): der [frummen freulin] lob ich breis über all karfunkelstain! Ebd. 8, 56 (1423?): die [gaist] uns vorlaiten te¨glich in den sünden gart, 兩 von irem rat waiss ich nicht lobs zu breisen. Ebd. 81, 33 (1428?): ain schön weib, tadels frei, 兩 schon würckt, der lob für alles gold 兩 erleucht. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 383, 5 (moobd., 1473/8): Nestor den fürsten sagt 兩 durch kurtzweil fremde märe: 兩 was diser held und jener preis bejagt. 兩 Maniches mannes lob ward do gemessen. − Luther, WA 1, 576, 21; 6, 250, 5; Meijboom, a. a. O. 7591; v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 16, 15; Opitz. Poeterey 10, 5; Gille u. a., a. a. O. 283, 51; Goldammer, a. a. O. 6, 187, 21; Lemmer, Brant. Narrensch. 59, 31; Klein, a. a. O. 112, 73; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 12, 21; Maaler 274r. − Vgl. ferner s. v. begierde 3.

2. ›Ruf, Leumund e. P.‹ − Bdv.: ere, geschrei 9, leumund 1, spruch, ton. Maaler 31v (Zürich 1561): Eines geschlÁchts nammen vnd lob wider Aufbringen. Ebd. 274r: Ein bËß Lob haben. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 71, 24 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Dew vierd frucht ist ain verwunderung vnd ain lob [fama], daz da snelle vnd weit entspringet. Turmair 4, 834, 28 (moobd., 1522/33): man findt nit liederlich ainen, der so ein pös lob, pös geschrai gehabt hat. − Schmitt, Ordo rerum 350, 131; Rwb 8, 1364.

3. ›Lob, Lobpreisung, Ehrbezeugung, die der Mensch Gott, vereinzelt den Göttern, oft auch der Mutter Gottes, den Heili-

lob

1280 gen entgegenbringt‹; zu loben 2. − Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: got lob (formelhaft); got, den heiligen, der mutter zu lobe (auch in Wirtschaftstexten, dann im Zusammenhang mit Schenkungen). − Bdv.: benedeiung (zu benedeien 4), dank 3, ere (mehrfach), glorifizierung 1, minne, 1preis 1. − Synt.: l. begeren (›zu loben begehren‹), gottes l. meinen / predigen/ preisen, mit der tat beweisen, des herren l. breiten, das l. der mutter (gottes) suchen, 2das l. (gottes) nicht ausgereden, das l. (der mutter) [nicht] ausgeweisen mögen9, jeweils Unsagbarkeitstopoi, got l. geben / sagen / zueigen, den göttern l. sagen, der magd l. sprechen, ein l. blümen / geflechten; l. sei dem vater / son / heiligen geiste; got des lobes entberen wollen, wertes lobes haben; Christum / Mariam mit l. empfangen, jn. (die heiligen) mit l. begraben, mit l. des schepfers niendert zu ergründen sein (Unsagbarkeitstopos), jn. nach dem l. gottes regieren; das dankbare / demütige / eitele / götliche / grosse / hochgemute / werte l.; das l. gottes, des vaters, der heiligen, der mutter, der wirdigkeit; der sal, die bewegung / minnefackel / stimme, das mes, grade des lobes. Wbg.: lobdank (als Kopulativkompositum auffaßbar), lobengel (laut Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 184 Umdeutung aus lavandula ‹Frauenblatt, Tanacetum balsamita‹, damit zu der Synonymengruppe, die von der Mutter Christi her motiviert ist; vgl. Marzell 575; 580, a. 1658), lobopfer ›als Opfer aspektualisierter Dank, Preis Gottes durch den Menschen‹ (bdv.: dankopfer), lobpsalm, lobsage, lobsagen, lobsänger, lobtag. Luther, WA 10, 2, 497, 13 (1522): Ewyger got, dyr sey danck und lob yn ewigkayt. Ebd. 16, 204, 25 (1524): da in diesem Lobpsalm Moses Gottes gewalt und ernst gegen die Verfolger [...] gepreiset hat. Ebd. 16, 256, 28 (1524/7): das man Gott lobe und ehre, es sol alles Lobopffer sein. Ebd. 36, 461, 21 (1533/5): Lob, ehr sey Gott jm hoechsten thron. Ebd. 36, 291, 8 (1532): Ideo heist Sontag, lobtag und dancktag. Ebd. 45, 249, 36 (1537): Diesem Lobsenger [David] lasst uns nachsingen. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn 389, 18 (Wolfenb. 1594): Nun komme ich [Nero] Gott lob fein rühig, vnd ohne alle Schwerdschlacht zum Regiment. Grosse, Schwabensp. 41a, 17 (Hs. 2nd./md., um 14109): Sint vns god in so grote werdec-

1281 heit geschaffen had, so wil her och, daz wir on werdes lobes han. Quint, Eckharts Pred. 1, 9, 11 (E. 13./A. 14. Jh.): allez daz duˆ vermaht in allen dıˆnen werken, daz soltuˆ luˆterlıˆche tuon gote ze einem lobe. Ebd. 2, 430, 10: in allen sıˆnen gaˆben ensuochte er [Jeˆsus] des sıˆnen nihtes niht, meˆr: er begerte aleine lop und ˆere des vaters. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 82, 3 (Köln 1559): Lasset vns lobsagen dem Einigen, 兩 Dreigen, ewigen HErren. Ebd. 3, 152, 6 (Köln o 1582): Jch wil in seiner hÈtten guto 兩 Lobopffer thun mit freiem o o mut, 兩 Singen vnd spielen ihm zu ehren. Dubizmay, kurß zu Teutze 6, 2 (hess., 1463): Lob sey dem vater vnd dem sün vnd dem heyligen geyst. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 18, 43 (osächs., 1343): doˆ alliz volc diz sach, iz gap gote lob. Jahr, H. v. Mügeln 1 (omd., Hs. 1463): In lop der höchsten wirdikeit [Bezug auf got], 兩 [...] 兩 ich tummer fa zu tichten an. K¸ther, UB Frauensee 203, 24 (thür., 1437): daz ich [...] gebe eyn erfforte malder ewigis kornegeldes [...] den erbarn juncfrouwen [...] zcu eyme ewigen selegerete Gote zcu lobe und zcu eren und siner liben mutter allen heylligen und allen engelen. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 188r, 34 (Leipzig 1588): Denn vnser lieber HERR Gott an hertzlicher Dancksagung der Gleubigen als an dem rechten Lobopffer / grossen wolgefallen hat. Gille u. a., M. Beheim 161, 429 (nobd., 2. H. 15. Jh.): der ausval deiner [schepher] gut ist auch 兩 mit lob czu grunden nyndert. Reichert, Gesamtausl. Messe 31, 18 (Nürnb. um 1480): So sol auch zum mynsten ein ampel in der geweychten kirchen prinnen Got zu lob und ere. Vetter, Pred. Taulers 292, 1 App. (els., 1359): Die eine uzlegunge von dem sacramente leret uns drie grete des gËttelichen lobes. Bihlmeyer, Seuse 28, 12 (alem., 14. Jh.): daz dero ein iekliches [wassers trËpfli] heti ein sÈsses uftringendes seitenspiel [...] und also uf klanktin ein o lob dem geminten zarten gote. Williams nu´wes hochgemutes u. a., Els. Leg. Aurea 385, 12 (els., 1362): Also wurdent su´ [heilige] uf dem selben berge von den engeln mit grossem lobe begraben. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 5 (schwäb., 1453): Künd ich mit spehen worten 兩 [...] Uß miner sinne porten 兩 Floriern vnd clauitzymmeln, 兩 Der höchste magt in hymmeln 兩 Ein lob geflechten vnd blümen! Ebd. 457: Wie hoch, wie tieff, wie lang, wie breit 兩 Ist, frow, dins lobes mes! P‰pke, Marienl. Wernher 14339 (halem., v. 1382): Ir [Mariae] lobes stim och sÈsse erschal 兩 Durch den hymel u´beral. Dreckmann, H. Mair. Troja 25, 18 (oschwäb., 1393): die enpfiengend in mit grozzen frauden und sagtend lob den göttern. Bauer, Geiler. Pred. 96, 17 (Augsb. 1508): So steet auf in dem hertzen des menschen / ain bewegung des lobes benedeiung und glorificierung / in betrachtung der unschÁtzlichen gottes würdikait. Dirr, Münchner Stadtr. 113, 24 (moobd., 1328): der sol [...] pei seinen triwen zÈ dem haus pringen und geben got ze lob und ze eren allez daz er hat. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 87, 64 (moobd., 1. H. 15. Jh.): [Etleichew] werdent peswÁrt mit dem eytelen lob von der tewff irr gedenckung. Spechtler, Mönch v. Salzb. 31, 2 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Grüest seist, heiliger tag [Ostern], 兩 aller ewikait wirdig lobsag. Drescher, Hartlieb. Caes. 45, 35 (moobd., 1456/67): zeo er auff mit lautter stymm seines lobdancks zepetten hant hub

lob

1282 und zeschreyen den englischen gru´s. − Luther, WA 3, 380, 3; 8, 6, 21; 8, 381, 32 9, 539, 24; 31, 1, 251, 19; Quint, Eckharts Trakt. 304, 10; Sermon Thauleri Xra, 16; Gille u. a., a. a. O. 442, 41; Vetter, a. a. O. 30, 11; 119, 2; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 247; 2, 426; Williams u. a., a. a. O. 527, 26; Martin, a. a. O. Tempel 865; Lindqvist, K. v. Helmsd. 956; Wyss, Luz. Ostersp. 3, 43, 98; Rennefahrt, Statut. Saanen 164, 15; Spechtler, a. a. O. 7, 78; Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 188, 10; Bauer, Imitatio Haller 86, 23; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 184. − Vgl. ferner s. v. adelsarg, 2aufbrechen, 1ausreden 3.

4. ›Herrlichkeit, ruhmwürdige Existenzweise Gottes und der dieser entsprechende Macht-, Ehrenraum‹; auch auf die Würdepostion Marias bezogen; vereinzelt Teilhabe des christlichen Menschen an Gottes Herrlichkeit, dann ewiges lob. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: vgl. gewalt 1, herlichkeit 8, macht 1, mächtigkeit 1, magenkraft, majestät, stärke 5. Helm, H. v. Hesler. Apok. 131 (nrddt., 14. Jh.): Geruch uns, herre, samnen 兩 Alle dort in dime lobe. Anderson u. a., Flugschrr. 12, 9, 7 (Wittenb. 1522): Das man om sein eere / lob / vnd glorien / mit de˜ Messen [...] verkurtzt. Luther, WA 31, 1, 426, 22 (1530): Wer ... nach dem wort Gottes lebet, der hat ewiges lob und ehre davon. Eggers, Psalter 15, 16 (thür., 1378): daz ich din lop kundige in den phorten zcu Jerusalem. zu Dohna u. a., Staupitz/ Scheurl 13 (Nürnb. 1517): das got seinem gebürenden lob nach nit erkant wirdet, biß so lang wir Christum enkennen. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 326 (schwäb., 1453): Din [küsche magt] lob oun alles meil 兩 Unsträfflich all der welt. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 91, 11 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Es sint etleichew wort des wort gots zü vns, vnsers gemÈtes von im vnd von seinem lob, hËhung, mÁchtichait vnd maiestat.

5. ein gottesdienstliches Ritual unterschiedlicher Art. Buch Weinsb. 3, 366, 24 (rib., 1587): nach langem warten ginge die magt ins loff ad Gradus Marie. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk. 14, 26 (osächs., 1343): Und lop [Luther 1545: lobgesang] gesprochin si gingen uˆz uˆf den berc der oleiboume.

6. ›bestimmte, meist herausgehobene Qualität, Vortrefflichkeit e. S.; Einstellung, Anerkennung, die man der Sache entgegenbringt‹. Froning, Alsf. Passionssp. 1332 (ohess., 1501 ff.): dem sagen mer disses bornes loib: 兩 [...] 兩 bessers borns kan man nyrgen fynden! Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 66, 6 (Frankf. 1535): Ein Amethist auß Jndia vnnder den braun-

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lob − lobe-

faren steynen hat den grËsseren lob / wann sein farb ist braunrot purpurfar vermischt mit violfarb. Klein, Oswald 22, 69 (oobd., 1422): ir [Himmerskörper] lob ich nicht vast treute 兩 in menschlicher natur. Ebd. 126, 20 (1416?): sein [tag] lob hat lob wesessen, 兩 Dar an der ware got erschain.

7. ›Handänderungsabgabe bei vertraglicher Veräußerung‹; Näheres im Schweiz. Id. 3, 993 f. und 6, 1642 ff.; Rwb 8, 1305. − Halem. − Bdv.: besserung 7, erschaz, fal, gefälle 5, weisung. Rennefahrt, Statut. Saanen 39, 15 (halem., 1429): wie i sie (landlute) im (graff) ungehorsam syen, lob zegebend von den ligenden gÈtren. Ebd. 46, 15: das dem egenanten herren graff i [...] der zweintzigost pfennig, das geburt sich nach marchzal von einem pfund einen schilling, ze lob werden sol. Ders., Gebiet Bern 95, 13 (halem., 1614): wird beschlossen, das Weltsche inkommen aus Zinsen, Zehnten, löberen, o bußen und anderen gfellen, so unzit uf dißre zyt einer statt Bern an pfennigen, gethreidt, wyn und andren ingangen und o habenden herlickeiten wägen ingan sölle, [...] hinzulichen [...] für drei Jahre. 2

lob, das; als Schreibform zu 1laub, hier einige Nachträge, darunter vor allem Komposita. ›Laub, Blätterwerk‹. − Wbg.: lobbrechung, lobsak, 2lobwerk. Rieder, St. Georg. Pred. 238, 7 (Hs. 2önalem., 13879): daz im wart gezaiget vil schËner bome, und hattent die vil grÈner lËber. Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 236, o 20 (schwäb., 1491): ist gutt das sy [reben] am anfang gestaltigott werdint also das mit emsiger lobbrechung das u´ber flussig da von gebrochen werd. Boner, Urk. Aarau 406, 15 (halem., 1431): ein guto deky oder die besty sÁrgen, so er hette, o vnd ein guten lobsak. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 54, 15 (schwäb., 1549): kleidung schwartz samett mytt einem guldin gestickt vonn lobwerk verbrÁmptt. 3

lob, Schreibform zu 1lab. ›Lab, der Milch zum Zwecke ihrer Gerinnung zugesetzter Stoff‹. Voc. Teut.-Lat. r viijv (Nürnb. 1482): Ab od‘ lob dauo˜ die milch gerynnet od‘ renne od‘ keßlab. coagulu˜.

lob- und zugehörige Wortbildungen, s. auch lobe- und Wortbildungen. lobampt, s. loben 1. lobbäre, Adj., auch lobe-, loben-. ›lobenswert, zu loben‹, meist auf ausgezeichnete Personen bezogen; vgl. loben 1. − Bdv.: herlich 4; 5; 6, hochgeteuret, reich. Quint, Md. Karl u. Eleg. 951 (Hs. 2thür., n. 14559): Sy sprochen, wy recht lobenbere 兩 Karle der keyßer were. Neu-

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mann, Rothe. Keuschh. 3347 (thür., 1. H. 15. Jh.): kochet si [kuscheid] in der demut, 兩 so wirt si louber unnd gut. Brandstetter, Wigoleis 214, 11 (Augsb. 1493): wz sol jch von des vngeheüren weibes gestaltt sagen. es waz nichts hübsches noch lobpers an allem jrem leib. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 287, 3 (moobd., 1473/8): do ward ein solich gahen 兩 gen dem held lobepäre − 兩 ein jeder fürst in sunder wolt enpfahen. − Brandstetter, a. a. O. 234, 22; Munz, Füetrer. Persibein 36, 7.

lobbaum, s. loben 3. lobbe, die; entsprechend mnl. lobbe ›strook, versiering‹ (Verwijs/Verdam 4, 694). 1. ›Halskrause‹. − Bdv.: vgl. goller. Buch Weinsb. 2, 375, 28 (rib., 1578): der krach darvon bedeckt das hemt ohn die lobben, under dem hals etwas offen. Ebd. 3, (rib., 1587): und dem fursten selbst mach durch die lobben am hemt geschossen sin.

2. eine Fischart. Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 71, 24 (md., 1464): sie [merckeler] sollen auch scheyden vnde schatczen, wenne czalfisch bergerfisch langen vnde lobbin nicht recht gescheiden were. Sachs 7, 463, 18 (Nürnb. 1559): Achterley stockfisch ich erkler, 兩 Rachfisch, flachfisch, püblein, rotscher, 兩 Metel, loben und köngs-loben, 兩 Auch gmein loben, das sindt die groben, 兩 Und recht stockfisch helt man auch hoch. − Helbig, a. a. O. 2, 148, 28; 156, 5; 3, 66, 25.

lobbegierig, s. 1lob 1. lobbrechung, s. 2lob. lobbuch, s. loben 1. lobdank, s. 1lob 3. lobde, das; −/-es. ›Gelöbnis, Versprechen‹; zu loben 6. − Bdv.: vgl. angelobung, angelübde, antheis, eid, gelobde, gelübde, handschlag 3, handtreue. v. Bunge, Livl. UB 4, 845, 11 (nrddt., 1413): das der gebietiger czu Leifland von sulchem lowte, [...], einen offenen vorsegelten brief [...] sal senden dem ersamen bruder Heinrich. Schmidt, UB Halberst. 4, 3091, 5 (nd./omd., 1394): dat we unse cappittel schadelos holden des loftes, dat se dorch unser bede willen mit uns samder hant gelovet hebben.

lobdichter, s. loben 1. lobe, die; Schreibform zu 1laube. ›Dachboden, Speicher‹. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 247, 23 (schwäb., 1491): wenn wir den segend [›Saatgut‹] oder ietz zyttig uff die bu´ni oder loben legend, so nemend wir acht in denen stetten daran sy gesetzt [...] werdint.

lobe-, s. auch 1lob-.

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loben

loben, V. 1. ›jn. loben, anerkennend zu jm., über jn. sprechen, jn. positiv herausheben‹; anthropomorphisierend vereinzelt von Tieren gesagt; mehrfach auf das Eigenlob bezogen, dann kritisch moralisierend gebraucht. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: eren, rümen, zieren; vgl. leumden. Ggs.: afterreden, demütigen 1, schelten, schmälern. − Synt.: jn. (z. B. den fergen / narren / nachbarn, das weib) l., jn. e. S. (z. B. des gutes) l., jn. gros, mit einem aber l., jn. l., weil [...], sich selb(st) l. (mehrfach), das werk den meister, der wolf den hund (nicht) l. Wbg.: lobbuch, generell: ›jn. lobendes Buch‹; speziell: ›Cantica‹ sowie ›Psalter‹ (dazu bdv.: dankbuch), lobdichter, 1lober (dazu bdv.: lobgeber), loberei, lobling ›Lobhudler‹, lobnis 1 ›Eigenlob‹, lobpreisung ›Beifall, Lob, das jm. gezollt wird‹ (um 1476), lobrede, lobschrift, lobtand ›eitles, leeres Geschwätz‹, lobung 1, lobvogel ›Lerche‹ (Motivation vom lat. alauda her). Luther, WA 7, 278, 33 (1521): du [Emser] habist haß auff mich tragen unnd auß haß widder mich das erste lob buch gen Behemen schrieben. Ebd. 8, 6, 18 (1521): Psalter heyst eyn lobbuch. Ebd. 32, 435, 23 (1532): wie die werck sind, so sollen auch jre preiser sein, das ein schalck den andern lobe. Ebd. 33, 513, 2 (1531): dem die nachtbarn ubel gerathen sindt, der muss sich selbst loben. Ebd. 38, 18, 6 (1531/3): Sepher Tehillim das ist ,ein lobe buch‘, oder ,dank buch‘. Ebd. 41, 514, 14 (1536): Last dich dein nachbar loben. Eigen lob stincket. Mieder, Lehmann. Flor. 482 (Lübeck 1639): Lob ein Narren / so wird er lachen. [...]. Mancher lobt einen / vnd schlÁgt jhn mit dem Schwantz wie ein Scorpion. [...]. Wer hËrt sich nicht gern loben? [...] der Wolff lobt nicht die Hund. Klett, J. v. Soest 6, 1031 (Hs. 2wmd., 1470/ 809): wyser man, nym das in acht, 兩 wan men dich lobt, das selb veracht! Chron. Kˆln 2, 183, 5 (rib., 1440): [der] was wail ind grois geloicht in dem rade. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 6631 (rib., 1444): De me loefs die in arbeide steent 兩 Dan du deis die ledich gheent. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 7579 (rhfrk., um 1405): wann ich [Hoffart] horen soliche loberie 兩 Und soliche rÈmen klapperie, 兩 Von freuden mir daz hertze springet. Voc. inc. teut. p ijr (Speyer um 1483/4): Lobtant Coraula est corea laudabil‘ et specialis. Ebd.: Lobtichter Liricus [...] qui varia dictat laudabilia. Jahr, H. v. Mügeln 1823 (omd., Hs. 1463): man lobet niemant wanne den, 兩 von dem hie tugent wirt gesen. Eggers, Psalter 17, 2 (thür., 1378): Wan der sunder wert gelobet [Luther 1545, Ps. 10, 3: rhümet sich] an der gerunge siner sele. Schˆnbach, Adt. Pred. 32, 13 (osächs., 1. H. o 14. Jh.): swer euch lobet, des weset an hohmut. Opitz. Poete-

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rey 15, 13 (Breslau 1624): Die Barden sungen Lobgetichte vnnd waren Poeten [...]: Die Barden [...] haben berÈmbter mÁnner ritterliche thaten mit heroischen Versen beschrieben. Stackmann u. a., Frauenlob 14, 30, 8 (Hs. 2nobd., 3 V. 15. Jh.9): In welcher wis 兩 sol ich sie [frouwen] fürbaz mine tage 兩 nu loben riches gutes. Rieder, St. Georg. Pred. 157, 3 (Hs. 2önalem., 13879): also sprichet der hailig gaist o ,o schËnstu´ aller wibe [...]‘. Gilman, in dem lob buche: Agricola. Sprichw. 1, 6, 23 (Hagenau 1534): Wie einer thut / so sagt man yhm nach / Das werck lobt seinen meister. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 10, 8 (Straßb. 1650): stellen sich mitleidig vnd als wolten sie dich loben; Aber, mit einem schändlichen Aber, stossen sie alles widerum zu boden. Maaler 274v (Zürich 1561): Lober / LobgÁo vo˜ jm sagt. Laudator, Comprober / Der einen lobt vnd guts bator. LobgÁberin. Die eim ein guto lob verleycht. Bremer, Voc. opt. 39059 (wmd., 1328 ff.): Liricus lobdichter. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 171, 14 (oobd., 1349/50): Alauda, haizt ain lerch und ist als vil gesprochen als ain lobvogel, dar umb, daz er gar frœleich in den lüften singet. Boot, Cassiodor. Hist. Eccl. 14, 3 (moobd., um 1385): Daz erst capitel seczt von der lobred dye der ain kronikenschreibera Zozomen tet. Niewˆhner, Teichner 14, 3 (Hs. 2moobd., 1360/709): chainen vergen ich nicht loben mag, 兩 dw weil er swimmet auf dem wag. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 73, 33 (moobd., 1. H. 15. Jh.): ain pesunder gaistleich hoffart in der inwendigisten lobnÈss vnd erzaignÈss sein selber. Ebd. 75, 72: Etleich werdent funden, die [...] sich selb allweg sint inwendig lobend. Klein, Oswald 115, 51 (oobd., n. 1438): der vil lobt sein aigen leib, 兩 secht, der hat lützel eer davon. Turmair 4, 544, 4 (moobd., 1522/33): Damit aber Julius si schrecket (als die lobschrift und danksagung zum grossen Constantino anzaigen), schlueg er ain pruck. Bauer, Imitatio Haller 52, 5 (tir., 1466): Der mensch der ist nicht pewert, der sich selbs loben vnd enpfhellhen ist. Ebd. 51, 18: Der mensch der hat ain grosses [...] hercz, der da nicht achten ist der menschen le¨strung vnd lobung. − Luther, WA 7, 4, 11; Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 82, 33; Chron. N¸rnb. 2, 340, 12; Gilman, a. a. O. 1, 138, 7; Moscherosch. a. a. O. 9, 18; 47, 26; Maaler 274r; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 1991, 440. − Vgl. ferner s. v. achthaben 4, arm (Adj.) 6.

2. ›(Gott, Jesus Christus, eine gottnahe Person, die Engel) loben, ehren, preisen‹ (jeweils als integraler Teil weiterer Formen religiöser Verehrung, Anbetung; vereinzelt floskelhaft oder in der Hoffnung auf Trost); als Spezialisierung zu 1 auffaßbar, vereinzelt auch von Gott als dem Lobenden (auf den Menschen gerichtet) gesagt. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv. (bzw. im Orientierungsfeld): anbeten 1; 2, ausschreien 1, bejehen 2, bekennen 6, danken 2, eren, erkennen, fürchten, ge-

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loben

benedeien 2, heiligen 1, höhen, lieben 10, minnen, predigen 1, 1preisen 1, psallieren, rümen, singen, wolsprechen. Ggs.: lästern 2, schänden. − Synt.: vereinzelt absolut; got / Christum, den herren / schöpfer, die mutter gottes / fraue, St. Quirin, die engel, gottes willen l., Christum der gnaden / eren l., die zungen jn. (z. B. gottes mutter) l., das gesang, der himmel, die abgründe, das mer, die wasser, die chöre (der engel) got l., die almächtigkeit / barmung / süssigkeit / tugend / weisheit (Gottes eigene Qualitäten) [den herren], das wort l. Wbg.: lobampt ›gesungener Meßgottesdienst‹, lobepsalm, lobgepräng (Gw zu gepräng 1), lobeprediger (dazu bdv.: schwätzer), lobgeschrei (dazu bdv.: erenschal), löbling ›Lobender‹, lobnis 2, 1lobwerk. Luther, WA 7, 569, 31 (1521): Nu mag sie [mutter gottis] es nit sein fur den ubirflussigen lobe prediger und unnutz schwetzer. Ebd. 16, 257, 29): das wir der Seelen heil [...] erlanget durch Christum, predigen und bekennen in, loben, preissen und ruffen in an. Ebd. 31, 1, 248, 16 (1530): sollen wir [...] das lob selbst treiben und eitel Loblinge [des Herren] werden. Lappenberg, Fleming. Ged. 560, 10 (1635): Ihr Sänger, ewer Lobgepräng 兩 Im Engelschor erschalle. Grosse, Schwabensp. 40a, 14 (Hs. 2nd./md., um 14109): sint daz duo vns zuo diner hoen gotheit [...] getelet o o hast, des sistuo iumber geloued. Quint, Eckharts Pred. 1, 319, 5 (E. 13./A. 14. Jh.): Der got loben wil, der muoz heilic sıˆn und gesament sıˆn und ein geist sıˆn und niergen uˆz sıˆn. Ebd. 2, 387, 44: Des wyr jm¯ [Christo] billich auß allen vnseren krÁfften vnd vermËgen / danckenn / loben vn¯ lieben sËllen. Ebd. 633, 11: Die vor gote loufent, daz sint, die irm eigenen willen volgent und enwellent gotes willen niht loben. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 84, 31 (Köln 1610): auch der heilig Apostel Paulus in der Epistel and die Coloss. alle menschen zu solchem lobwerck Gottes auffmuntert. Ebd. 3, 144, 3 (1582): Es mag auff dieser welt vnd erden 兩 Kein sprach noch zung gefunden werden, 兩 Da sËlches lobgeschrei 兩 Die stimm der himel alle 兩 Nicht angehËret sei. Ebd. 217, 1: ES ist ja lËblich vnd gar fein 兩 Dir hËchster Got o 兩 Vnd lobepsalmen singen, 兩 Dem lieben tewren zuklingen, namen dein. Fischer, Brun v. Schoneb. 8, 9 (md., Hs. um 1400): Pluem von doren entsprungen, 兩 gotes mueter, alle zungen 兩 loben dich mit eeren / gail. Ebd. 31, 16: himmel, liecht, mer, erdereich 兩 loben got gar gewönikleich. Oorschot, Spee. Trvtz-N. 258, 24 (wmd., 1634): [das Wässerlein] So mit Steinlein vnderbrochen 兩 Sausend lobt den Schöpffer sein. Mone, Adt. Schausp. 1, 1817 (Hs. 2omd., 13919): nue labe wir Èm syne [hirre] gÈte, 兩 so trust her schire unser gemÈte. Gille u. a., M. Beheim 20, 73 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Dich [herr, schepher] muss loben dein ubergende sussichait 兩 und auch dein uberflussige parmunge, 兩 dein ewig tugent, dein ewig gothait. Reichmann, Dietrich. Schrr. 74, 30 (Nürnb. 1548): wer da bitt / das solcher name Gottes geheili-

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get / das ist / das Got recht erkent / gelobet / vnd gepreyset werde [...] der [...]. v. Keller, Ayrer. Dramen 2127, 2 (Nürnb. 1610/8): Nun sey Gott gelobt vnd geehrt, 兩 Der mir dich auch hat wider bschert! (hier säkularisiert, floskelhaft). Vetter, Pred. Taulers 109, 26 (els., 14. Jh.): von genaden git Got dem geiste daz das er ist von naturen, [...]; do muso Got in dem geiste [der von Gottes naturen ist] alle sine werg wu´rken, bekennen, minnen, loben und gebruchen, und ist der geist lidig. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 650, 28 (els., 1362): Die engel sint von vns zuo lobende, wenne su vns den weg bereitent zuo deme himel. Roder, Stadtr. Villingen 194, 4 (önalem., 1582): Volgen die ordnungen [...] göttlicher dienst, processionen und lobämptern. Buijssen, Dur. Rat. 108, 14 (moobd., 1384): die frewd der chirchen und die lobnÈzz gocz und die ersamchait von der beschernÈz der gelawbigen. Ebd. 214, 1: (die) vorporgnÈzz der ret ist ein derbeckung einer guettigen andechtichait, ein unvolsagleichew lobnÈzz des sacramencz. Klein, Oswald 8, 6 (oobd., 1423?): Neun kör der engel, die loben got an underlast, 兩 in lobt die sunn, der man und aller sterne glast, 兩 in lobt der himel. Ebd. 15, 10 [um 1410): Des seistu, frau, an argen hatz 兩 gelobt mit deinem höchsten schatz. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 20408; Luther, WA 8, 513, 28; 12, 236, 4; 16, 277, 33; Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 610; Dubizmay, kurß zu Teutze 30, 14; Eggers, Psalter 72, 22; Schˆnbach, Adt. Pred. 12, 27; 26, 25; Gille u. a., M. Beheim 23, 35; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 14; Vetter, a. a. O. 86, 20; 293, 8; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 349; dies., Imitatio Haller 104, 25; Öst. Wb. 1, 196. − Vgl. ferner s. v. abgrund 2, amächtig 3, ausschreien 1.

3. ›etw. (Bezugsgegenstände und -sachverhalte verschiedenster Art) loben, anerkennend über etw. sprechen, etw. in positiver Weise herausstellen‹; mehrfach kritisch moralisierend auf eigene Verhältnisse und Qualitäten bezogen. − Phras.: den tag erst auf den abend loben. − Ggs.: schelten. − Synt.: den orden / stand, die abgescheidenheit / ritterschaft / wollustigkeit, das spiel / vaterland, das seine, eine hochzeit, myrrhen l., etw. billich l.; der eichbaum l., das [...], l., wie etw. ist; des lobens nicht wert sein; die gelobte lust. Wbg.: lobbaum, lobdichter, lobenswert, lobgeticht. Peil, Rollenhagen. Froschm. 530, 751 (Magdeb. 1608): DEr Distl hËrt auch den Eichbaum loben / 兩 Das er im Wald stund hoch erhoben. Quint, Eckharts Trakt. 405, 7 (E. 13./A. 14. Jh.): Diu ander sache ist, war umbe ich lobe abegescheidenheit vür deˆmüeticheit. Kurz, Waldis. Esopus 2, 32, 21 (Frankf. 1557): Ein jeder lobt sein Vatterlandt. Opitz. Poeterey 14, 33 (Breslau 1624): Wein vnnd frÈchte pfleget man zue Loben von dem orte da sie herkommen sein. Ebd. 43, 14: Mars thut’s der liebe nach das er der threnen lacht: 兩 Mein krieg ist lobens werth / vnd seiner ist zue schenden. Ingen, Zesen. Ged. 383, 10 (Breslau

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loben

1641): werde ich alsbald desselben Lobgetichts vom FeldÚLeben ansichtig. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 156, 15 (Hagenau 1534): Man lobet offt ettwas / das lobens nye werdt ward. Roloff, Brant. Tsp. 577 (Straßb. 1554): Plato hËrest du was diser seit 兩 Wie hoch er lobt wolustigkeit. Henisch 130 (Augsb. 1616): Der artzt lobt wol die myrrhen / dennoch ist sie voll bitterkeit. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 327, 7 (oobd., 1349/50): Laurus haizt ain lorpaum und hiez wol ain lobpaum naˆch der latein, sam Isidorus spricht, wan laus ze latein haizt lop. Klein, Oswald 117, 47 (oobd., n. 1438): Also hört ir des weines list, 兩 daran ich nicht vil loben mag, wie gut er ist. Turmair 4, 305, 8 (moobd., 1522/33): man sol ein schönen tag erst auf den abend loben. − Knape, Messerschmidt. Bris. 16, 5; Opitz. a. a. O. 36, 6; v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 14, 30; Stackmann u. a., Frauenlob 3, 31, 2; v. Keller, Ayrer. Dramen 3400, 12; Gilman, a. a. O. 1, 156, 27; 193, 11.

4. ›jm. jn. verloben; jn. als Ehepartner anerkennen, heiraten‹. − Bdv.: vgl. beilegen 6, bestatten 4, geloben 2, gemaheln. Chron. Magdeb. 2, 182, 19 (nrddt., Hs. 1601): Der Fritzhanß wirdt auch schier ein fein junges Mädlein nehmen, ist ihm gelobt biß uffß beylager et proficiat illis. Ermisch, Freib. Stadtr. 59, 18 (osächs., 1335): So sullen si die lute vregen uf ir sele, ab si mit irem guten willen deme knechte gevolget habe oder ab si in noch wolle loben zu eime elichen manne. − Rwb 8, 1370 (mit Belegen zum Mhd. und Mnd.).

5. ›etw. gutheißen, e. S. (z. B. einem Urteil, einem Rat) zustimmen‹. − Bdv.: 1annamen 1, annemen 9, verwilligen, volworten. Ggs.: lästern 2. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 152, 18 (thür., 1474): unde haben [...] unnßer rechtlich irkenthniß, [...], ungestrafft angenomen unde gelobet. Ebd. 209, 29: danne die gemelten part beyde denselbigen unnsern rechtspruch [...] gehort unde den nach synem inhalde gelobit unde geanenampt habin. v. Keller, Ayrer. Dramen 39, 14 (Nürnb. 1610/8): Daß dergleichn that nicht sey zu lobn 兩 Vnd daß es wider die Regl sey. Dreckmann, H. Mair. Troja 39, 20 (oschwäb., 1393): also tet der küng ain end seiner red. all die da stundend, lobtend all dez küngs rat [auf des Königs bitten]. − Rwb 8, 1370.

6. ›etw. versichern, bestätigen, erklären‹, mit Öffnung zu: ›etw. schwören‹. − Bdv.: vgl. besteten 1, bestricken 2, gesprechen 3, 3geweren 1, 1gewissen (V.) 2. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 14, 9 (Hs. 2omd., 14659): Das haben gelobt, das haben begert die philosophen, wann sie sprechen, am besten zu sterben, wann am besten liebet zu leben. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 249, 26 (halem., 1527): wo einer möcht loben oder schweren, das er

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sölich verbot nit gewisst, soll er der buss ledig sin. Primisser, Suchenwirt 28, 117 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Er lobt ir sunder, auf sein er 兩 Daz er hab chainen puel mer. Siegel u. a., Salzb. Taid. 229, 11 (smoobd., 1624): daz der klager an aides stat dem richter an den stab loben soll, daz er glaub, er hab seiner sach recht.

7. ›schwören (in Kontexten, die ein Versprechen beinhalten; selten); (jm.) etw. rechtsförmlich und entsprechend verbindlich (meist) oder formlos (seltener) versprechen, geloben (in wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen, dann offen zu 10); ein Gelöbnis ablegen (seltener belegt, auf die religiöse Lebensgestaltung bezogen)‹. − Bdv.: schweren, verheissen; vgl. aufschweren 1, beeiden 1, geloben 3, 1geschweren 1, jurieren, 1leisten 2. − Mehrfach Rechts- und Wirtschaftstexte. − Synt.: an den stab, mit gesamter hand l. (ohne Obj.); etw. (z. B. gehorsam) l., bei seinem eid, mit einem briefe, bei seinen treuen (o. ä.), bei sinen wirden l., zu [...], l., das [...], l. (+ Hauptsatz als Objektsatz), jm. (z. B. dem grundherren), dem rate l., zu [...]. Grosse, Schwabensp. 147a, 31 (Hs. 2nd./md., um 14109): vnde schaffet siner wertinne ir guto widder vnde sines o o gutes dar zuo so vil, also her ir loubete, do her si elich nam. Luther, WA 24, 592, 14 (1527): dazu die zweene sËne auch meyneydig werden, das sie nicht fride halten, wiewol sie es gelobt hatten. Opel, Spittendorf 177, 43 (osächs., um 1480): dieselbigen besandten die pfenner und forderten von eime itzlichen, was er dem rathe loben muste zu geben. Geier, Stadtr. Überl. 75, 3 (nalem., um 1400): wËlher an den stab lobt, und dem nit nachkompt, den sol man in den thurn legen. Rieder, St. Georg. Pred. 51, 9 (Hs. 2önalem., o 13879): so man gehorsami lobet, so sprichet man: ich tun anthais und gelob gehorsami untz an minen tot. Welti, v Stadtr. Bern 46, 16 (halem., A. 14. Jh.): Ist och dz ein v burger vsront der stat vti koffet old ieman vti lobet old kein gelt in keinen weg machet [...], so sol er vsser der stat gan. UB Zug 85, 46 (halem., 1366): Ouch lobte die egenant frow Margareta [...] vor uns da in gericht, [...], die obgenant unser herren von Oesterich [...], niemer mer anzesprechen. Ebd. 465, 9 (1409): Do waz ich in dem sinne, dz mich die fu´nfe, [...], gelobt hettin, von schaden ze wisen. Dierauer, Chron. Zürich 57, 12 (halem., 1415/20): [der herzog] lopte ir lib und ir guto ze schirmen. Barack, Zim. Chron. 1, 517, 7 (schwäb., M. 16. Jh.): gleich darauf solte er, herzog Albrecht, das Etschlandt und Tirol in Ir Majestat nammen einnemen, das loben und schweren lassen. Primisser, Suchenwirt 14, e 193 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Marian er zu dınen phlag 兩 Und lobt in seiner grËsten not 兩 Tzu vasten vntz an seinen tot. Bischoff, Steir. Landr. 144 (m/soobd., Hs. v. 1425): Von loben. Was der mensch lobt hinder zwelf jaren, das mag

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lobengel − lobesam

im nicht geschaden. − Ziesemer, a. a. O. 55, 6; GrafFuchs, Ämter Interl./Unterseen 53, 12; 65, 14; Rennefahrt, Statut. Saanen 31, 33; M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 12, 11; Hˆr, Urk. St. Veit 71, 35; 77, 12; Rwb 8, 1369. − Vgl. ferner s. v. amptspflicht 2.

8. ›(jm.) etw. prophezeien, versprechen, in Aussicht stellen, zusagen, ansagen‹; eng an 6 und 7 anschließbar. − Bdv.: ansagen 2, ankünden 2, anzeigen 3, 1beweren 4, geprofetisieren. Helm, H. v. Hesler. Apok. 174 (nrddt., 14. Jh.): Als Got bi den alden tagen 兩 Lobete den wissagen 兩 Unde den patriarcken. Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 36a, 32 (nobd., E. 14. Jh.): Do got den Jvden geben het daz lant daz er in gelobt het. P‰pke, Marienl. Wernher 2369 (halem., v. 1382): Ze gnaden er [Gott] Israhelen bracht, 兩 Als er lopt u´nsern vættern e. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 492, 11 (oobd., 1349/50): den von aim got vater ain erb ist gelobt. Niewˆhner, Teichner 335, 93 (Hs. 2moobd., 1360/709): ich wolt sterben zwir so gern, 兩 da ein gelobter streit wÁr.

9. ›jm. etw. androhen, drohend voraussagen, versprechen‹. − Bdv.: vgl. anhecken, anzeigen 3, gedräuen. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 271, 5 (Wolfenb. 1593): Solte ich auch alsdann hinter den grundt kommen, So solte der Teuffel mit jhr Abt werden, Das wolte ich jhr loben. Ebd. 288, 20: Den schelmischen Balbirer sol der Teuffel dafür holen, Das wil ich jhm loben. Bachmann, Morgant 197, 18 (halem., 1530): Darzuo schiltstu mich ein hüerig; aber ich loben dir, ee das die sunn undergang, müeß dich das wort kosten.

10. ›für etw. bürgen, für etw. geradestehen‹. − Bdv.: antworten 3, ausbürgen 1, 3beweren, garantieren, stehen 3. − Wbg.: lobhaft (in: jn. l. machen ›einen neuen Bürgen in die Rechtspflicht des früheren eintreten lassen‹; Rwb 8, 1372), lobig ›pflichtig, zu geben verpflichtet‹ (von einem Zins; a. 1559), lobstük ›verpflichtete Abgabe von gebrauchsüblicher Größe‹ (z. B. von schmalz; a. 1495). Ziesemer, Marienb. Konventsb. 165, 3 (preuß., 1405): der scholcze mit den rathluten syn burge do vor, alle haben mit gesampter (hant) eyner vor den ander geloubet. Ebd. 176, 31 (1406): der selbige Hannus Syffrid ist borge do vor, und sie haben Syfrydt geloubet mit gesampther hant schadelos czu halden. Toeppen, Ständetage Preußen 4, 27, 7 (preuß., 1453): Malachin claget, wy sie em ouch ein gut genomen haben, und die frunde musten is lopen und uszkewffen. Grosse, Schwabensp. 85a, 20 (Hs. 2nd./md., um 14109): den o o vnde nicht ir vormunt. her sal [eyd] sal se [vrowe] selbe tun o o auer de gewere vor se louen. Rˆssler, Stadtr. Brünn 344,

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10 (mähr. inseldt., 1. H. 14. Jh.): di purgel schullen luben vor funfczig phunt. − Dwb 8, 1371; Schweiz. Id. 3, 996; 10, 1825.

11. ›etw. (den Preis einer Ware) festlegen‹. Leman, Kulm. Recht 1, 1, 12 (omd., 1. H. 13. Jh.): Wer syne spyse turer vorkowfet wen als sy dy ratmanne setzen vnd loben. das heyset meyne kowf.

lobengel, s. 1lob 3. lobenswert, s. loben 3. lobeprediger, lobepsalm, s. loben 2. 1 lober, loberei, lobesalp, s. 1lob 1. lobesam, Adj., auch lob-. 1. ›lobwürdig, hohes Lob, Achtung verdienend‹; überwiegend von männlichen Personen des Adels oder einer anderen (z. B. geistlichen) herausgehobenen Gruppe von Menschen gesagt, jeweils Betonung des Aspektes, unter dem man e. P. ausgezeichnet sieht; zu loben 1. − Überwiegend Verstexte. − Bdv.: edel, getreu 1; 2, glorwürdig, her 2, herlich 6, wert. − Synt.: j. (z. B. Adam, David) l. sein; der lobesame ackerbauer, meist als nachgestelltes Attribut (in Reimbindung belegt): der fürst / graf / held / herre / keiser / man / priester / prophet / ritter, die künigin / tochter, das kindlein lobesam. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 8619 (preuß., um 1330/40): In den selbin zıˆten quam 兩 der edle vurste lobesam, 兩 der daˆ Aˆnlant was genant. Froning, Alsf. Passionssp. 6167 (ohess., 1501 ff.): Horet! hie ruffet Heliam 兩 den propheten lobesam! Karnein, Salm. u. Morolf 2, 2 (srhfrk., Hs. um 1470): Er [Salmon] nam ein wip von Endian, 兩 eins heiden dochter her und lobesam. Henschel u. a., Heidin 1812 (nobd., um 1300): Biz daz si zv dem lande quam 兩 Mit dem graven lobesam. Sachs 19, 216, 14 (Nürnb. 1565): unser erster vattr Adam, 兩 Ist uber all menschen lobesam, 兩 So leben, dieweil er erkorn, 兩 Von gott selb ist geschaffen worn. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 5, 98, 15 (Straßb. 1466): [Wer] ist lobsam [Eck 1537: glorwürdig; Luther 1545, 1. Sam. 22, 14: herrlich gehalten] in deim [ku´nig] haus? Roloff, Brant. Tsp. 2352 (Straßb. 1554): o Das würt thun ein Keyser lobesan 兩 Der würt heissen Maximilian. Koppitz, Trojanerkr. 11276 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): dü küngin lobesan 兩 Sich uff iere bare knye. Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 19, 14 (schwäb., 1491): Cestus Effrontis, [...]; unnd der selb wirtt gehept ain lobsamer ackerbuwer. Sappler, H. Kaufringer 1, 108 (schwäb., Hs. 1464): warumb hastu [bößwicht] das mord getan 兩 an dem kindlin lobesan. Ebd. 5, 84: der alt ritter lobesan 兩 hett

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lobeswirdig − lobetanz

darumb nicht grossen rat. Ebd. 9, 62: da sas der korherr lobesan 兩 in dem pad in grosser swär. − Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 478, 26; Henschel u. a., a. a. O. 1072; Sappler, a. a. O. 13, 462; 17, 288; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 27, 3.

2. ›anbetungs-, ruhm-, preiswürdig (von Gott, Maria gesagt)‹; zu loben 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Wbg.: 2lobsamigkeit, lobsamkeit9 ›Löblichkeit, Preis-, Anbetungswürdigkeit (einer religiösen Bezugsperson, -größe)‹. Voc. inc. teut. p ijr (Speyer um 1483/4): Lobsamigkeit Laudabilitas. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 181, 2 (Bautzen 1567): Christ KËnig SchËpffer lobesam, 兩 Der reinen Jungfraw kindt. Kurz, Murner. Luth. Narr 439 (Straßb. 1522): Wie du solt geheissen hon ein metzen 兩 Mariam zart, ein kron der eren. Gille u. a., M. Beheim 42, 30 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Jesus, der lobesan, 兩 Sprach wider sin 兩 Junger: ,get hin, [...]‘. Drescher, Hartlieb. Caes. 38, 4 (moobd., o 1456/67): Nuo ligst du hye allain und tust unsrer lieben frauen hew´t an irem hochzeitleichen tag chainen dienst nach der gewonhait und lobsamkait des heyligen tags. Ebd. 189, 16: Sy sach auch aller junckfrawn und hymelischer cho´re lobsamkait. Spechtler, Mönch v. Salzb. 7, 46 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): kain substanz auf erde 兩 noch under dem himmel geleicht sich dir. 兩 lob lobsam menschlich geslechte, 兩 aller tugent ain übermächte 兩 du traist in polierter zir. Ebd. 10, 127: Maria, muter lobesan, 兩 dein gütlich trost uns nie zeran. Klein, Oswald 109, 10 (oobd., 1433): Ave, mütter, frau, magt und maid, 兩 erenreiche, lobesam beklait. − Mayer, Folz. Meisterl. 69, 29; Lindqvist, K. v. Helmsd. 2368; Klein, a. a. O. 118, 26; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225. − Vgl. ferner s. v. achtbarkeit.

3. ›hochgelobt, der Achtung und Verehrung wert, zu loben, hochzuhalten (von Fähigkeiten, Haltungen, Werten)‹; auch von Sachen, die dem Menschen besonders beachtenswert erscheinen, dann z. B. ›wunderschön, wunderbar (z. B. vom Haarschmuck); prächtig (von einem Tempel)‹; vgl. loben 3. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, nahezu ausschließlich gebundener Form. − Bdv.: vgl. hochgelobt. − Synt.: oft nachgestellt, dann teils nicht sicher bestimmbar, ob prädikativ oder als präd. Attr. gebraucht. Wbg.: lobsame (die). Lemmer, Schernb. Frau Jutte 299 (Eisleben 1565): Zum ersten solt ihr lernen so lobesam / 兩 Die edle kunst Grammaticam. Froning, Alsf. Passionssp. 4965 (ohess., 1501 ff.): auch kemet er [Ir Judden] nicht yn die helleglut, 兩 wollet er (gleuben) den worten lobesam, 兩 die die propheten gesprochen hon! Pyritz, Minneburg 4457 (nobd., Hs. um

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1400): Durch krÈllet und zuflogen 兩 Ez [krynnel] ist nach wunsche lobsam. Mayer, Folz. Meisterl. 6, 3 (nobd., v. 1496): Wie ich sollt auß spaciren gan 兩 Auff eynen anger lobesan, 兩 Dar auff von plumen manch gespreng. v. Keller, Ayrer. Dramen 18, 23 (Nürnb. 1610/8): Zu zeugnuß irer Keuscheit teur 兩 Mussen sie [Jungfrauen der Vesta] stehts brennen ein Feur 兩 In jrem Tempel Lobesan. Kurz, Murner. Luth. Narr 1696 (Straßb. 1522): die geschrifften lobesan, 兩 Die vnß die ewangelisten schreiben, 兩 Die sollen in ir krafft bleiben. Sappler, H. Kaufringer 29, 10 (schwäb., Hs. 1472): lieb hat ainen guoten stamm: 兩 das ist die tugent lobesam. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 123, 52 (moobd., 1. H. 15. Jh.): vnd etwann ir ersams vnd lobsams leben vnd lieb mit aim vbelen ent [...] habent verslossen. Sch¸lke, Geistl. Gemahelsch. 5967 (moobd., Hs. 15. Jh.): In der freyung lobsam 兩 chümt man mit gehorsam, 兩 mit der man aigens willen sich verwigt. − Pyritz, a. a. O. 5224; Fastnachtsp. 910, 22; Voc. inc. teut. p ijr.

4. ›(jn.) lobend, (jm.) zum Lobe‹, teils in religiösen, teils in säkularen Zusammenhängen; vgl. loben 2; 3. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Wbg.: 2lobsamkeit 2, lobsamung9 ›das Loben, die Anbetung‹. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 232, 18 (Köln 1582): Sie o sollen ihm hochrÈmlich singen, 兩 Vnd ehrenpreis zum opffer bringen, 兩 Jhr mund lobsamer wonne vol 兩 Mit hohen frewden jauchtzen soll. Sappler, H. Kaufringer 4, 356 (schwäb., Hs. 1464): Da sprach der gast lobesan: 兩 ,lieber wirt und herre mein, 兩 [...]‘. Bauer, Geiler. Pred. 462, 16 (Augsb. 1508): das ich auß einem grossen hauffenn / ain klain wenig herfür bring Nym war der lobsamen wort. Buijssen, Dur. a Rat. 119, 18 (moobd., 1384): de [vers] bedewtten daz die e lobsamung der warn lieb wırt volpracht in ainem got, aber die sequencen bedewtt die lobsampnung zu der zuefuegunden lieb. e Ebd. 189, 5: yz wyrt gehayzzen der engelysch ympnuz, wann er ist vol engelischer lobsamchayt. Spechtler, Mönch v. Salzb. 26, 42 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): O got, du werder nam, 兩 was dir liechtes lobesam 兩 dein volkch zu diser nacht 兩 ophern tuet.

5. ›wohlgefällig‹. Rieder, St. Georg. Pred. 337, 10 (Hs. 2önalem., o und la ez 13879): wir went dir diz ze lobe und ze eren tun, dir [Got] lobsam sin und u´ns nu´tze.

lobeswirdig, s. lobwirdig. lobetanz, der. ›Tanz zu js. Lob und Ehre‹; vgl. loben 1. Lemmer, Schernb. Frau Jutte 12 (Eisleben 1565): [Nu kompt her] Vnd machet mir [Luciper] ein lobetantz. Froning, Alsf. Passionssp. 5790 (ohess., 1501 ff.): Ir herren, mer machen eyn loibedancz 兩 dem, der uffhoit den konigli-

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lobgeber − löblich

chen krancz! Fastnachtsp. 459, 24 (nürnb., v. 1494): Mir haben wol vor dreizehen tagen 兩 Disen lobtanz her genomen.

lobgeber, lobgeberin, s. 1lob 1. lobgedicht, s. loben 3. lobgepräng, s. loben 2. lobgesang, Bw auch lobe-, Gw auch -sang; der/das; −/-sänge. 1. ›Gesang zu js. Lob, Ehren, Preis‹; zu loben 1. − Bdv.: vgl. loblied 1. Luther, WA 10, 1, 2, 360, 20 (1526): Der lappe [schrifftgelerte, esel] het gernn ein lobgesang gehabt. Niewˆhner, Teichner 453, 17 (Hs. 2moobd., 1360/709): ’ich gedench doch wol der tag 兩 daz ich het vil mer denn er‘. 兩 so wÁnt er, er hab in gescholten ser. 兩 so ist ez im ein lob sanch. Leidinger, V. Arnpeck 620, 36 (moobd., v. 1495): also ward er [Herzog] gar wirdiglich enpfangen mit lobsank und drumeten. man hub an die respons: Tua est potencia.

2. ›von Menschen, Engeln, religiös erleuchteten Personen (Maria) gesungener Lobpreis Gottes (vereinzelt: der Götter, des Himmels, s. u. Opitz) in generellem Sinne‹; speziell auf einzelne Gesänge (z. B. Magnificat nach Lk. 1, 46 ff., Te deum) bezogen; zu loben 2. − Zur Sache: LThK 1986, 2, 922; 6, 1284; 9, 1336. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte. − Bdv.: freudenlied; vgl. glori 3, loblied 2, lobung 2. − Synt.: den / das l. machen / reden / volbringen / singen / hören / verstehen; mit l. nicht schweigen, [wohin] gehen, etw. (z. B. eine bulle) mit l. tragen, jn. (z. B. den heiler / herren) mit (dem) l. loben, auf gegen himmel füren, Maria mit l. etw. (z. B. die gebote / plagen) besingen, den herren über den l. erheben; der l. der heiligen, das l. der künigin Maria (›Magnifikat‹); der / das herliche / himlische / süsse / wirdige l. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 3512 (preuß., um 1330/40): Daˆ wirt gehoˆrt genaˆdin danc 兩 und ein suˆzir lobesanc. Luther, WA 16, 191, 26 (1524): Nu folget Mosi und der Kinder Jsrael Freudenlied oder Lobgesang, da sie Gott fur diese grosse wolthat dancken. Ders. Hl. Schrifft. 2. Makk. 1, 30 (Wittenb. 1545): DArnach sungen die priester Lobgesang dazu / bis das Opffer verzeret ward. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 225, 3 (Köln 1582): Trettet zuo seinen hËfen ein, 兩 Mit preis vnd lobesengen fein. Opitz. Poeterey 22, 15 (Breslau 1624): Hymni oder LobgesÁnge waren vorzeiten / die sie jhren GËttern vor dem altare zue singen pfla-

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gen / vnd wir unserem GOtt singen sollen. Dergleichen ist der lobgesang den Heinsius vnserem erlËser geschrieben habe. [...]; wie bey dem Ronsard ist der Hymnus der Gerechtigkeit / Der Geister / des Himmels / der Sternen. Chron. N¸rnb. 4, 155, 10 (nobd., 15. Jh.): man sang zu Nurmberg das lobgesank Te deum laudamus. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 79, 4 (els., 1362): su´ [engele] sungent ein lobe sang vu´r einen marteler. Ebd. 392, 8: Do mahte er [cardinal] den lobesang von sant Johanse: ,Ut queant laxis‘. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 10, 248, 17 (Straßb. 1466): do ginge er (symon) in sy [heuser] mit lobsangen wol sprechend dem herren. Memminger Chron. Chr. 46, 30 (Ulm 1660): vnd wurden die Bullen [›Ablaßbulle‹] von den Augustinern getragen in die Kirch [...] / mit einem Lobgesang wie sichs geziemet. Spechtler, Mönch v. Salzb. 41, 3 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Lob, o Sion, deinen hailer 兩 lob den fürsten, lob den herter 兩 mit lobsangk in stimme klar. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr. 115 (moobd., A. 15. Jh.): wie man daz wirdig lobgesankch der hochgelobten chüniginn Marie, daz Magnificat, versteen schulle. Drescher, Hartlieb. Caes. 53, 3 (moobd., 1456/67): das die selbe hochgelobt junckfraw Maria grossz wolgevallen hab von dem lobsang der sequenczen, ympnen, versen und annder antiffen, die ir zu lob gemacht werden. − Luther, WA 29, 431, 29; 36, 135, 16; 41, 355, 24; Kehrein, a. a. O. 1, 114, 1; 356, 14; Chron. N¸rnb. 4, 273, 11; Gille u. a., M. Beheim 321, 35; Ruh, Bonaventura 355, 37; Warnock, Pred. Paulis 4, 169; Kurrelmeyer, a. a. O. 4, 354, 16 Var.; Wyss, Luz. Ostersp. 2831; Rieder, Gottesfr. 110, 8; Baptist-Hlawatsch, a. a. O. S. 221; Bauer, Haller. HieronymusBr. 50, 43; Maaler 27r/v. − Vgl. ferner s. v. anhang 12, anheben 1, ausbleiben 2.

3. ›in unterschiedlichen erotischen oder erotisch gedachten (biblischen, brautmystischen) Zusammenhängen stehendes Loblied auf eine geliebte Person‹. Ingen, Zesen. Ged. 390, 3 (Breslau 1641): Ich kan kaum mehr den Mund erheben / 兩 Zu singen einen Lobgesang. Gille u. a., M. Beheim 117b, 134 (nobd., 2. H. 15. Jh.): als ach der hailg gaist 兩 maint, sa er czu ir sprichet 兩 Im puch der labsang: ,du pist schän, 兩 mein freündin, an dir ist kain hän 兩 oder mailung verswichet‘. Mayer, Folz. Meisterl. 36, 60 (nobd., v. 1496): Im puch der lob gesangen 兩 Geschribenn stet: ,pulchra tota 兩 Es tu, o amica mea. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 132 (Nürnb. 1517): Wie aber die freud des herzen, die frolockung und lobgesangk itzogemelts angrifs gestalt sein, sprech der aus, der es erfarn hat.

lobgeschrei, s. loben 2. lobgeticht, s. 1lob 3. lobgierig, lobgierigkeit, s. 1lob 1. lobhaft, lobig, s. loben 10. löblich, Adj.; auch lobe-. 1. ›hochgeachtet, ehrenvoll, angesehen, in der sozialen (weltlichen, kirchlichen) Hier-

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löblich

archie einen hohen Rang einnehmend; im Kampf erprobt, erfolgreich‹, in der Regel von erwachsenen Personen meist männlichen Geschlechtes, seltener von Frauen gesagt, in letzterem Falle Öffnung in Richtung auf ›tugendhaft‹; mehrfach von Personengruppen gesagt, durchgehend im Orientierungsfeld mit Wertadjektiven wie: edel, from, gezogenlich, hübsch, mächtig 5, reich, ritterlich, säuberlich, stark 2; 3, wert; zu loben 1; im einzelnen schwer von 5 und 6 zu trennen. − Synt.: der löbliche Äneas / St. Augustin, christ / lerer / priester / held / fürst / könig / riese, die löbliche erbtochter / jungfrau (dies teils nachgestellt und formelhaft) / person / bruderschaft / eidgenosschaft, das lobliche weib / geschlecht. Lemmer, Schernb. Frau Jutte 129 (Eisleben 1565): Jungfraw zart vnd lËbelich / 兩 Dazu hÈbsch vnd seuberlich 兩 Thut das ich euch bitte. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 21 (rib., 1444): Eyn loevelich lerer hait gemacht 兩 Eyn welsch boech van groisser acht. Chron. Kˆln 1, 981 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Mit deme sprach myn here Dederich, 兩 van liue ein recke louelich. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 537, 7 (rib., 1516): sal man niemantz an dis loblich ampt und bruderschaft annemen, er sei dan ein ehelig kint. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 9, 2 (Frankf./M. 1568): Der ist ein recht lËblicher FÈrst 兩 Den nach der Gerechtigkeit dürst. Jahr, H. v. Mügeln 925 (omd., Hs. 1463): das virde tor; 兩 da lak in grüner wete vor 兩 ein rise stark und lobelich. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 12, 10 (Hs. 2omd., 14659): Sag uns: do du am ersten dein löblich weib namest, fandest du sie frum oder machestu sie frum? Williams u. a., Els. Leg. Aurea 550, 8 (els., 1362): Von disen wart der lobeliche sant Augustin der lerer geborn. Strauch, Schürebrand 47, 33 (els., E. 14. Jh.): lont u´ch den löbelichen lerer sanctum Jeronimum manen zuo ritterlicher vestekeit in allen uwern anestürmen. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 121, 25 (halem., 1600): diewyl loblicher Aidgnoschaft abschid vermogen, daß yede oberkeit ier armen erhalten solle. Chron. Augsb. 7, 267, 2 (schwäb., zu 1552): welchermaßen den loblichen geschlechten von herren diser stat möcht ursach geben werden [...]. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 205, 3 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Wann wir in erkennen und hallten seiner kuniglichen maiestat wol wert und fur ain lobliche person. Ebd. 213, 27: kunig Maximilian, [...] erwelt im zu gemahel [...] ain lobliche erbtochter zu dem lannd Britania. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 213, 121 (moobd., 1. H. 15. Jh.): wye dy lobleichen vnd dy reichen, dy me¨chtigen diser welt, [...], nach dem tod abgefaren sind czu ewiger verdampnüs. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 2640; v. Keller, Amadis 7, 34; Karnein, Salm. u. Morolf 164, 3; Henschel u. a., Heidin 938; Roloff, Brant. Tsp. 2212;

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Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 211, 28; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 1056.

2. ›lobens-, rühmens-, verehrens-, anbetungswürdig (von Gott, Maria, auch vom Menschen in der unio mystica, oft von Glaubenstatsachen gesagt)‹; vgl. loben 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch Didaxe. − Bdv.: gut (Adj.) 3, gewaltig 1, minniglich, wunderlich. − Synt.: menschen (gelassene), die geburt, gottes namen l. sein, die gottes mutter l. werden, der herre jm. l. sein; der löbliche got, die löbliche ere / minne / macht ( Jesu) / hochzeit / urstende, das löbliche opfer. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 49,8 (Köln 1583): Es ist zwar sehr wunderlich, 兩 Vnd darzu sehr lËbelich, 兩 Ein solche Geburte. Dubizmay, kurß zu Teutze 72, 3 (hess., 1463): Von der Sonnen auff gangk ist loblich gots nomen. Vetter, Pred. Taulers 213, 13 (els., 1359): Got wu´rket in in [menschen] alle ire werk als verre als si sich im gelossen hant, und an dem ende so sint si als guto und lËblich. Bihlmeyer, Seuse 375, 11 (alem., 14. Jh.): so bist du [herr] aber neiswi noch tusentvalt minneklicher und loblicher u´ns armen su´ndigen menschen. Spechtler, Mönch v. Salzb. 2, 7 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Loblich ward du [gotes muter, mait] pei den sachen, 兩 da got alle ding wolt machen 兩 durch den sun, den du geperd. Klein, Oswald 7, 1 (oobd., 1427): Loblicher got, gewaltiklicher küng der himel tröne. Ebd. 111, 91 (1536): Sein [ihesus] löblich macht 兩 darnach verhieng, das si in viengen, stiessen. − Luther, WA 37, 428, 7; Bihlmeyer, a. a. O. 543, 24; Klein, a. a. O. 35, 19; 109, 3; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 249; T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 73. − Vgl. ferner s. v. argument 1.

3. ›jn. (got, die fraue ,Mutter Gottes‘, einen heiligen) / etw. (z. B. ein ampt, einen Sieg) ehrend, lobend, preisend; zu js. Lob / Ehre‹; zu loben 2. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: l. singen, l. rufen [+ Hauptsatz], l. bedenken, das [...]; der löbliche gesang / schal (mehrmals), die löbliche gedächtnis (mehrfach), das lobliche ampt / lob. Wbg.: löblichkeit ›Festlichkeit, Feier zu Ehren Gottes‹. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 251, 9 (Straßb. 1466): Wann es ist die hochzeyt oder die lËblichkeit [Luther 1545, 2. Mose 10, 3: Fest] vnsers herren gotz. Lindqvist, K. v. Helmsd. 2838 (halem., Hs. um 1435): Die selben [totten] o do mit im [Jhesus] alle 兩 Furend mitt loblichem schalle 兩 Ze himel. P‰pke, Marienl. Wernher 11706 (halem., o v. 1382): Su´ [selen] ruftent loblich ze im [Ihesus]: 兩 Du begirlicher bist komen. Klein, Oswald 19, 140 (oobd., 1416): Des trat wir die procession 兩 ze hauffe mit gedrange, 兩 mit pfeiffen, trummen, gloggen don 兩 und löblichem gesange.

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löblich

Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 214, 5 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Do lies kunig Maximilian ain loblich amt von der heiligen Drivaltikait singen. Ebd. 219, 16: Des mues sein kunigliche maiestat [...], lobliche gedechtnus haben. − Adrian, Saelden Hort 993; 4403; McClean, Havich 446; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 5, 4. − Vgl. ferner s. v. antiffen.

4. ›jm. (meist Gott, auch den Engeln, dem Menschen) wohlgefällig, angenehm‹, damit zugleich: ›jm. lustig, nütze, nüzlich, nuzbärlich erachtet‹; vgl. loben 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch Didaxe. − Bdv.: dankbar 1, empfänglich, genäme. − Synt.: jm. (meist: got / Christus, auch: den engeln / leuten, dem menschen) l. sein. Quint, Eckharts Trakt. 190, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): Ie lediger daz [gemüete] ist, ie daz gebet und daz werk kreftiger, wirdiger, nützer, und lobelıˆcher und volkomener ist. Neumann, Rothe. Keuschh. 1241 (thür., 1. H. 15. Jh.): das si [kuscheit] leret zu aller frist 兩 was gote unnd den luten lobelich ist. Reichert, Gesamtausl. Messe 10, 13 (Nürnb. um 1480): so ist dy messe des gutten priesters besser von seiner ynnigkeit und andacht wegen, und auch Got loeblicher. Vetter, Pred. Taulers 71, 5 (els., E. 14. Jh.): zu´het dich Cristus, so [...] lo in wurcken, bis sin instrumente, das ist ime lËbelicher und dir nu´tzlicher. Behrend, Spangenb. Anbindbr. 8, 189 (Straßb. 1611): was kan eim Löblicher sein / 兩 Als wann er recht sein Nahmen fein 兩 Also in Ehren helt. Steer, Schol. Gnadenl. 1, 44 (noschweiz., 15. Jh.): du waist nit, ob es got dankber vnd loblich si oder nit. − Gille u. a., M. Beheim 14, 161; zu Dohna u. a., Staupitz/ Scheurl 195; Bihlmeyer, Seuse 132, 19; Strauch, Schürebrand 15, 15; Rieder, St. Georg. Pred. 65, 24.

5. ›hochgeehrt (von Personen und Personengruppen, Herrschaftseinheiten u. ä.)‹; als Epitheton ornans in Titulaturen gebraucht, oft in Aufzählungen mit edel, ersam, fest, from, fürsichtig, gestreng 2, gnädig 5, günstig 4, mächtig 5, weise. − Synt.: der löbliche (chur)fürst / herre / könig / pfalzgraf / potentat / rat / richter / name, die löbliche botschaft / stat, das lobliche geschlecht. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 956 (mrhein., um 1335): Pylate, rehter lobelich, 兩 der kunig herodes gruzet dich. Chron. Augsb. 7, 264, 16 (schwäb., zu 1552): so haben die hochgenanten, hochlöblichisten und löblichen könig, potentaten, churfürsten und fürsten disen handel und der löblichen stat Augspurg wesen und herkomen, [...], mitleidenlich zÈ hertzen und gemuet gezogen. Ebd. 285, 13 (1555): Allerdurchleuchtigster, [...] herr, [...], gnedig und der abwesenden löbliche botschaften, gebietend und günstig herrn! Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 77, 6 (Dilingen 1561): damit, so dasselbig [BÈchlin] vnder E. G. löblichen Namen außginge, es von dem christ-

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lichen Leser in mehrerm ansehen auffgenom˜en wurde. − Chron. Augsb. 7, 294, 25; 8, 352, 24; 417, 1.

6. ›aufgrund anerkannter Qualitäten zu loben, lobenswert, vorbildlich (von Handlungen, Gewohnheiten, Tätigkeiten des Menschen und tropisch anschließbaren Gegebenheiten gesagt)‹; im einzelnen auf die der jeweiligen Handlung zugeschriebene Tätigkeit bezogen und deren Lob fordernd, dann z. B. ›verdienstlich (von einem Stand)‹; ›feierlich (von einem Fest)‹; ›selig (vom Ende, Sterben)‹; ›jm. zuträglich (von einem Lohn)‹; vgl. loben 3. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, mehrfach Chroniken. − Bdv.: edel, erbar, ersam, gewaltig 4, herlich 1; 3; 4, hochzeitlich, lobwirdig, preishaft, rümlich, rumsam, verdienstlich. Ggs.: sträflich. − Synt.: die ere / keuschheit / weisheit, der stand l. sein, es ist l. [+ Infinitivsatz ohne zu], etw. (z. B. ein tag) l. werden; etw. l. halten / tun, einen bericht l. aufsetzen, löblichen ›mit den Sterbesakramenten ausgestattet‹ sterben, löblichen auf etw. bauen, die hochgezeit löblich(en) begehen; der löbliche gebrauch / inhalt / streit / zorn / bau ›Bauzustand‹, die löbliche gabe / geschichte / gewonheit / herschaft / kunst (mehrfach) / poeterei / prozession / tat / zeit, das löbliche ansehen / buch / ende / gedächtnis / gesez / handwerk / herkommen / leben / recht / werk / wesen / zeichen; die löblich getane handlung. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 23880 (preuß., um 1330/40): Dirre lobelıˆche strıˆt 兩 geschach in des Aprillen zıˆt. Luther, WA 10, 3, 276, 9 (1522): sünd ist srÁflich, gerechtigkait ist loblich. Ebd. 31, 1, 123, 29 (1530): Wer nu hie zu [zum feur ] leufft, der thut löblich und wol. Ebd 46, 38, 38 (1537): Den rhum mögen sie haben, das sie gewaltig, edel, gelert, feine, löbliche regenten, ehrliche, frome leute [...] heissen. Ebd. 48, 29, 4 (1549): das die lËblichen freien KÈnsten, von gelarten trefflichen Leuten, [...] an tag bracht, den Leuten zu diesen Leben dienlich [...] sind. Neumann, Rothe. Keuschh. 5104 (thür., 1. H. 15. Jh.): unnd wan di kuscheid so lobelich ist 兩 unnd das si also lib had Crist, 兩 so [...]. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 16, 70 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): ersamme und lobliche dinge sein gesagt von dir, o du stat gots. Bell, G. Hager 1. Vorrede, 45 (nobd., 1588): vnd noch drag ich der leb ling kunst 兩 noch heitichs dages grose gunst. Trunz, Meyfart. Rhet. 1, 1, 16 (Coburg 1634): welcher Gestalt die liebliche vnd lËbliche Poeterey in vnserer angebornen Muttersprach [...] jhre holdseelige Zun-

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löblichkeit − lobschrift

gen angestimmet. Chron. Strassb. 26, 2 (els., 1362): der [Jnnocentius] maht des heilgen geistes spital zuo Rome und andere lobliche werg. Ebd. 427, 24 (E. 14. Jh.): und beget men ouch des selben keysers sant Heinrich und sinre frowen sant künigunt hochgezit [...] herlichen und löbelich. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 257, 13 (Straßb. 1466): Der erst tage wirt heilig vnd lËbliche [Dietenberger 1534: herrlich; Eck 1537: hochzeitlich; Luther 1545, 2. Mose 12, 16: heilig]: vnd der .vij. ersam mit der selben feyre. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 195, 226 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Wann es vil löbleicher ist, vil anweig leyden vnd daryn v¨berbinden, dann mit frid vor aller anweig peleiben. Klein, Oswald 117, 60 (oobd., n. 1438): wie zierlich ist ain stät vernunft durch man und frau. 兩 darauf so paw löblichen hoch gebreiset. Ebd. 126, 47 (1428/30): do lasch der helle fuere 兩 Gein allen, die den willen dein 兩 ie teten und noch chünftig sein 兩 lobleich zü tuen, den wirt gehannt 兩 des himelreiches scheure. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 2, 30 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Derselb hertzog Fridreich [...] starb darnach loblichen. Turmair 4, 76, 5 (moobd., 1522/33): do nun künig Ninus, [...], die menschen durch krieg [...] auß irem alten loblichen wesen, frid und einigkait bracht, [...], verkerten sich die menschen. Bauer, Imitatio Haller 91, 7 (tir., 1466): Es ist gar ain löbleich ding dem geistleichen oder andechtigen menschen, da da nicht gern aus get vnder das volkch. − Quint, Eckharts Trakt. 271, 10; Chron. Kˆln 2, 254, 12; Koeniger, Sendgerichte 24, 16; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 336a, 31; v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 15, 38; Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 17, 117; ders. Brant. Tsp. 10; Bell, a. a. O. 376, 1, 5; Boos, UB Aarau 211, 15; hail. altvÂter 67r, 13; Chron. Augsb. 2, 26, 24; 7, 144, 15; 9, 108, 6; Bauer, Geiler. Pred. 92, 30; Hohmann, a. a. O. 213, 115; Grossmann, a. a. O. 196, 7; Piirainen, Stadtr. Kremnitz 3; 28; Grothausmann, Stadtb. Karpfen 39, 15; Voc. inc. teut. p ijr; Schˆpper 60a; Maaler 274v. − Vgl. ferner s. v. 1adel 2, altfater 3, anzäugen 1, arm (Adj.) 1, aufsehen 3, ausrufen 2, ausstreichen 8, illustrierung.

7. ›gelobt, die ideale Qualität eines Gegenstandes aufweisend (von sachlichen Bezugsgegenständen)‹; vgl. loben 3. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 174, 10 (Frankf. 1535): Der [onix] ist der lËblichest der die farbenn wol geteylt vnnd vnderschidlich hat. H¸bner, Buch Daniel 3571 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): mich beduchte, 兩 [...] 兩 Einen boum gar lobelich 兩 Mitten uf deme ertrich 兩 Stehen. Gille u. a., M. Beheim 116, 67 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Der schilt des fursten gebet schein 兩 rot unde weis. von stuken drein 兩 in hach geplumter ere 兩 Wirt er loblichen sweben. Morrall, Mandev. Reiseb. 25, 13 (schwäb., E. 14. Jh.): ain burg die haisset Mantereal, das ist in tu´tsche als vil gesprochen, ,der loblich berg oder ku´nglich berg‘. Lˆffler, Columella/ Österreicher 1, 13, 11 (schwäb., 1491): in etlichen gegninen ist das schwartz ertrich, [...], lËblich. − Vgl. ferner s. v. puntier 1.

löblichkeit, s. löblich 3.

1302

loblied, das; −/-er. 1. ›Loblied auf e. P.‹; vgl. loben 1, 2lied 1. − Bdv.: vgl. lobgesang 1. Luther, WA 8, 6, 18 (1521): psalm heyst eyn loblied odder getichte tzum lobe. Bihlmeyer, Seuse 15, 3 (alem., 14. Jh.): ein gewonheit, wenn er loblieder horte (singen [...] oder von zitlichem lib hort) sagen ald singen, so wart im sin herz [...] in gefÈrt mit einem abgescheiden inblik in sin lieplichostes lieb, von dem alles liep flu´sset. Niewˆhner, Teichner 551, 3 (Hs. 2nobd., E. 14. Jh.9): Mangen singer vindet man 兩 der die herren effen kan, 兩 daz er singt ein lob liet 兩 daz von keinem hern schiet.

2. ›Lied zur Ehre Gottes‹; vgl. loben 2, lied 1. − Bdv.: vgl. lobgesang 2, lobung 2.

2

Gerhard, Hist. alde e 3602 (omd., um 1340): Ezechias, als ich tolke, 兩 Gab gote keinen habedank 兩 Nach kein lobelit im sang. Behrend, Spangenb. Anbindbr. 21, 77 (Straßb. 1611): Euer [der Christen] besonder Lieb und Lust. 兩 Zu Psalmen und Lobliedern fein 兩 Und zu der lieben Musick rein.

lobling, s. loben 2. lobmacher, s. 1lob 1. lobnis 1; 2, s. loben 1; 2. lobopfer, s. 1lob 3. lobpreisung, s. loben 1. lobpsalm, s. lob 3. lobrede, s. loben 1. lobreich, Adj. ›(jn. / etw.) lobend; zu loben, lobenswert, den Bezugspunkt des Lobens, Rühmens bildend‹; beide Nuancen nicht klar trennbar; vgl. 1lob 1; 3, loben 1; 2. Bihlmeyer, Seuse 18, 11 (alem., 14. Jh.): mit dem lobrichen gebetlin, daz er schreib an etlichu´ nu´we briefbüchli. Ebd. 138, 21: daz si [tohter] mit lobrichen eren und gËtlichen tugenden vest und stete an got unz an ir tod bleib. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 260, 18 (moobd., 1478/81): was im mänigklich, frömbd und kund, für ander vast hold, lobrich und anheng. − Vgl. ferner s. v. auftragen 2.

lobsage, lobsagen, s. 1lob 3. lobsak, s. 2lob. lobsame, s. lobesam 3. lobsamigkeit, s. lobesam 2. lobsamkeit 1; 2, s. lobesam 2; 4. lobsamung, s. lobesam 4. lobsänger, s. lob 3. lobschrift, s. loben 1.

lobsingen − locat

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lobsingen, V., unr. abl. ›(Gott) singend loben, preisen, rühmen, anbeten, verehren‹; vgl. 1lob 3. − Bdv.: benedeien 4, danken 2, psallieren, singen. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 26686 (preuß., um ˆ milder got, gehilf uns dar, 兩 daˆ wir [...] 兩 aˆn 1330/40): O undirbruch beschouwen dich 兩 und dir lob singin immer meˆ! Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 100, 3 (Nürnb. 1631): die Engel, [...], welche ohn vnterlaß mit jhrem Englischen Gesang Gott Lobsingen vnd Benedeyen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 252, 8 Var. (Straßb. 1466): Singt [Var. 14752/90: Psallierent; 1507/18: Lobsingent; Luther 1545, Ps. 9, 12: lobet] dem herrn der do entwelt in syon. P‰pke, Marienl. Wernher 14475 (halem., v. 1382): Och was ir [der Himmelsbewohner] lobesingen 兩 Das man es hort erklingen 兩 Mit sÈssen stimmen wunneklich. − Luther, WA 54, 42, 16; Kehrein, a. a. O. 2, 612, 5; 3, 143, 27; 155, 2. 1

lobspeise, s. lob 1. lobspruch, der; -s/auch -π + Uml. ›(jn., z. B. den herren, eine stat) lobender Kurztext‹; vgl. 1lob 1; 3, loben 1; 2. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 308, 1 (Köln 1610): Lobe Syon deinen Herren, 兩 [...] 兩 Mit Lobspruchen vnd gesang. Fastnachtsp. 1433, 1 (nobd., 15. Jh.): Ein lobspruch von den stetten. Sachs 23, 135, 6 (Nürnb. 1557): Ich hab die ob-gemelten jar 兩 Gemacht [...] 兩 [...] 兩 Lobspruech, clagred und vil histori 兩 Pasquilli und dialogi. v. Birken. Erzh. Österreich 78, 50 (Nürnb. 1668): an Rudolpho von Habsburg: dessen Verdienste meines Lobspruchs nicht benËtigt sind. − Schweiz. Id. 10, 840.

lobstük, s. loben 10. lobtag, s. lob 3. lobtand, s. loben 1. lobung, die; -π/−. 1., s. loben 1. 2. ›Lob-, Preisgesang, wie er Gott oder einem religös ausgezeichneten Gegenstand von Menschen und Engeln entgegengebracht wird‹; vg. loben 2. − Bdv.: vgl. lobgesang 2, loblied 2. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 60, 18 (preuß., M. 14. Jh.): heil wirt besitzen dine muyrn und lobunge [Luther 1545: Lob] dine phorten. Luther, WA 9, 134, 20 (1518): Wu sye Christum nicht finden in dem gebethe unnd seyns namens lobung. Mayer, Folz. Meisterl. 100, 138 (nobd., v. 1496): Auch ist Got nit verhindert worden zu helffen den juden von lobung wegen der engel. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 460, 17 Var. (Straßb. 1466): er [gesang] ist frËlich vnserm got und das lob [Var. 14752−1518: lobung] ist schËn. Hˆ-

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ver, Bonaventura. Itin. B, 589 (moobd., 1450/60): Welcher [...] Jhesum mit liebender andacht ansicht, [...] durch andacht, [...], zuo verwundrung, zuo erfrËwung, zuo lobung, zu liebung, zu jubilierung.

lobvogel, s. loben 1. 1

lobwerk, s. loben 2.

2

lobwerk, s. 2lob.

lobwirdig, lobeswirdig, Adj. ›lobens-, rühmens-, anerkennenswert (von Menschen, gottähnlich gedachten Personen, menschlichen Taten, dem Handeln von Gruppen und Instanzen, von Sachen gesagt)‹; vgl. 1lob 1; 3. Schˆpper 60a (Dortm. 1550): Laudabilis. LËblich ehrlich preißhafft rhÈmlich rhÈmsam lobwirdig. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 373, 27 (Köln 1619): Du ehrwÈrdige Jungfraw, 兩 Du lobwÈrdige Jungfraw, 兩 Du gewaltige Jungfraw, 兩 [...] 兩 Bitte fÈr uns. Burkhardt, UB Arnstadt 53, 23 (thür., 1322): die erbern rittere mit andirn luten mer, di lobeswerdik sin. Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 15, 90 (Zwickau um 1540): Wiewol ich [...] wol mehr [...] lobwirdiger thaten von E. G. und Ernvehsten mit warheit zu melden [...] wÈste. Sachs 7, 270, 10 (Nürnb. 1553): Darbey menschlich gschlecht, [...] 兩 Erkent dein weißheit und gewalt. 兩 Dardurch wird lobwirdig dein [Jupiter] thron. GrafFuchs, Ämter Interl./Unterseen 263, 8 (halem., 1491): das ettlich der unsern [...] vogthËrige gÈter mit u´berzinu sen [...] beladen, an desselben lobwirdigen gottzhus und ir anwÁllt wu´ssen. Maaler 274v (Zürich 1561): Lobwirdig vnd wol zerÈmen. Commendabilis. Lobwirdig vmb etwas / Wol zeloben. [...]. Lobewirdige thaaten vnd wagspil. Brandstetter, Wigoleis 196, 7 (Augsb. 1493): Als aber der jünglign die lobwirdig schare gegen jm sahe kommen. Stuonde er auff. Chron. Augsb. 9, 91, 13 (schwäb., 1544/5): und namen zwen reich burger, [...], mit inen und kamen zu der lobwirdigen, betriebten Lucretien. Turmair 1, 330, 39 (Nürnb. 1541): die nicht gelobt wöllen sein, die tun auch selten oder gar nicht etwas lobwirdigs. − Kehrein, a. a. O. 2, 385, 1; Sachs 2, 380, 33; 19, 365, 20; Crecelius 1, 1, 562.

localisch, Adj. ›auf die einzelne Stelle des Körpers bezogen; örtlich‹. Sudhoff, Paracelsus 4, 463, 2 (1527): so ist von nöten [...], das ir die farben nach der localischen anatomei kennen, auf das ir wissen [...]. Ebd. 8, 355, 4 (1530): das alles sind caduci und sein doch alle aus einem brunnen, allein der localischen art halben gesondert in der anatomei.

locat, der ; aus mlat. locatus ›Hilfslehrer‹ (s. Nystrˆm, [...] Schulterminologie [...] 89−92).

1305

location − loch

›Hilfslehrer, Gehilfe des Schulmeisters‹; generell: ›Hilfsperson in verschiedenen kommunalen und kirchlichen Bereichen‹. − Bdv.: vgl. adjunkt 2, astant, auditor 2, jungmeister, pädagoge. Luther, WA 30, 2, 524, 20 (1530): So sollen sie da fur [statt züchtiger schulmeister] kriegen Locaten, Bachanten, grobe esel und tolpel. Kurz, Waldis. Esopus 4, 76, 59 (Frankf. 1557): Mancher hat kaum die Kunst geschmeckt 兩 Meint bald, das er voll weißheit steckt, 兩 [...] 兩 Wies auch ist eim Locaten gahn, 兩 Der thet sein erste Lection 兩 Jn der Schul vor den kleinen Knaben. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 205 (Straßb. 1522): ein geitiger Man, ein Wolff und ein Fuchs und wolten studieren und fiengen das Paternoster an zü leren, [...]. Und sprach der Locat zü dem Geitigen: ,Sag an, was kanstu?‘ Der Geitig sprach: ,Pa Pa ter ter Guldin‘. M¸ller, Nördl. Stadtr. 514, 4 (schwäb., um 1503): so man mit der preceß auf den berg gat, soll er den cantor oder ain locaten mit fünf oder mer schülern, damit das göttlich ampt dester loblicher gesungen werd, herniden lassen. Rot 325 (Augsb. 1571): Locat, Ein stattuerweser/ oder substitut in o einer schulo / der jemals den Schulmeister vertrit / den man sonst Cooperatorem oder Cooperarium. Jtem Synergum / das ist / ein mithelffer nennt. Qu. Brasso´ 4, 502, 24 (siebenb., 1536; Hs. 1613/7): Eodem anno in (dessen Stelle) Herr Jermias Jekel [...], welcher ein Locat in Cron gewesen, darnach Priester und endlich Pfarr worden. − Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 129; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225.

location, die; aus lat. loca¯tio (Georges 2, 689). ›Leih-, Pachtvertrag, mit dem man jm. etwas verdingt oder (konvers) etwas zur Nutzung erhält‹. − Bdv.: vgl. pachtung. Rot 325 (Augsb. 1571): Location, Außleihung / vedingung / hinlassung vnnd bstand / dingung so man eim etwas vmb zinsung verlast / oder einer etwas bstet. Man spricht auch Locatz / ist eben souil.

loch, das; -s/-er + Uml. 1. ›einen Feststoff, eine umgebende Masse durchlaufende, Eingang und Mündung aufweisende Öffnung verschiedener Weite und Tiefe sowie verschiedenen Zweckes‹ (allgemein); im einzelnen (kaum trennbar) z. B.: ›Schlupfloch, Durchgang, Öffnung (zum Eindringen wie zur Flucht)‹; ›Tür‹; ›Durchlaß (in einer Hecke)‹; ›Nadelöhr‹; ›Guckloch, Hörloch‹; speziell (im Bergbau): ›Durchhau, Durchschlag, offene Verbindung zwischen Grubenbauen‹; die im Folgenden angegebenen Phraseme las-

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sen sich teils von der Variante ›Schlupfloch‹ über die Übertragung ›Ausweg‹ motivieren. − Phras.: ein loch boren ›einen Strich durch die Rechnung machen‹; ein loch haben / durchbrechen ›einen Ausweg haben / suchen‹; jede hecke hat ein loch; ein anschlag gewint ein loch; ein loch zumachen ›etw. unbeachtet lassen‹; jm. ein loch machen ›jm. einen Strich durch die Rechnung machen‹; jm. das loch verlaufen ›jm. jeden Ausweg versperren‹; das loch im himmel suchen ›ans Ende denken‹; jm. ein loch machen ›jm. etw. vereiteln, jm. Fallstricke legen‹; jm. ein loch in die bank schlagen ›js. Plan vereiteln‹; ein loch durch einen artikel boren ›etw. verdrehen, verfälschen‹; keinen lochborer leiden ›unwiderlegbar sein‹; das loch weit über das feld treffen ›die Beine nehmen und gut davonkommen‹; 2ein loch durch einen brief reden, einem brief ein loch machen9, jeweils ›einen Brief / eine Urkunde wertlos, ungültig machen‹ (motiviert durch die Sitte, Urkunden dadurch ihre Gültigkeit zu nehmen, daß man sie durchlochte); jn. so voller löcher stechen als einen vischbehalter ; jm. steht das loch offen ›j. kann verschwinden‹; etw. (z. B. der handel, die rechtfertigung) gewint ein loch ›etw. wird hinfällig / brüchig‹; auf ein lindes loch pfeifen ›sich demütig verhalten‹; jn. eines loches näher gürten ›jm. den Gürtel enger schnallen‹; zu loch kriechen ›sich zurückziehen‹, alle löcher verstopfen ›jede Möglichkeit verbauen‹. − Synt.: ein l. finden / machen / boren / reissen, ein l. durch etw. graben, löcher durch etw. hauen (z. B. durch die tür ›das Tor‹); das l. jm. zu enge sein; des loches warnemen; durch ein l. sehen, kein wort durch ein l. reden, das schif durch ein l. ertrinken, sich durch ein l. davon machen, zu einem l. kriechen; das l. der nadel, in der -presse, im grund des schiffes, zu einem instrument; das kleine l. Wbg.: lochborer (auch ütr., dann: ›Gegenargument‹), locheisen ›Eisen, das mit einem Loch als Führung für den Bohrer versehen ist‹, lochgezauwe ›Schmiedegerät zum Schlagen von Löchern‹ (Gw zu gezauwe 1), löcherin Name einer Pflanze mit löchrigen Blättern, lochreuse, löchrig 1 ›voller Löcher und dadurch wachs-

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loch

tumsfördernd‹, lochring ›ringförmiges Eisen zum Durchschlagen von Löchern‹. Zum allgemeineren Gebrauch: Ziesemer, Marienb. Ämterb. 151, 12 (preuß., 1441): wart [...] bruder Johan von Buch mit desser nachgeschrebenen notdorfft bevolen: [...] 1 deckhamer, 1 pfolhouwe, eyn lochysen, 2 nebeger. Ders., Gr. Ämterb. 447, 39 (preuß., 1436): In der smeden: 1 werghamer, 1 ploczhamer, 2 czangen, 1 louchgeczou, 1 vorslag. Ebd. 611, 27 (1447): 1 rewmer, item 1 lochryncke und 1 nythamer, item 1 hufhamer. Luther, WA 10, 3, 171, 32 (1522): den der Christus ist die thÈr in den Schaffstal. Wer anders eingehet, der macht ein eygene thÈr, ein eygen loch und beisatz. Ebd. 22, 280, 2 (1544): jr solt auch sehen, wie ich wil ein loch durch kercker und strick reissen. Ebd. 13: er wuste sonst kein loch noch rettung zu finden. Ebd. 34, 2, 219, 22 (1531): [...] Hertzog George haben mich gefangen, sed ego me liberabo. wyl eyn loch yn turm machen. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 290, 14 (Wolfenb. 1593): Da kroch ich [Bule] immittelst zum andern Loch, so an der Erden war heraus, vnnd lief dauon, Vnd das Loch war mir schier zu enge gewesen. Chron. Kˆln 1, 2517 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): sy hewin locher durch die dure 兩 ind erslogen wat da was vur. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 6730 (rib., 1444): En geyne hegge en is, sij en have doch 兩 An eynche¯ ende bruch off loch. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 503, 6 (mosfrk., 1487): die scheffen weisen für Mettlach in dem ubersten wer (in der Saar) in den lochrusen die dritte nacht, und nit in koben. Voc. inc. teut. p ijv (Speyer um 1483/4): Loch dar durch das mel in der mul laufft Ristru¯. Ebd. p ijv: Loch in der wein’pres Forus. Kurz, Waldis. Esopus 4, 90, 118 (Frankf. 1557): Sie [Taube] sucht, obs finden mËcht ein loch, 兩 Vnd kundt niergend kein außflucht finden. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk. 10, 25 (osächs., 1343): Lıˆchter ist ein cameˆl durch einer naˆlden loch [Luther 1545: Naddelöhre] durch geˆn, wan den rıˆchen geˆn in daz rıˆche gotis. Th¸r. Chron. 6v, 27 (Mühlh. 1599): Das geheuse darauff war so kÈnstlich vergraben / daß man in allen seinen Gemachen / Gemeur / LËchern vnnd ThÈren [...] kein wort / [...] Reden kondte / man hËrt eß in allen Gemachen. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 265, 27 (osächs., 1570/7): die gutten [kastanien] setze in einen topf, der da locherich und gros sey und viel locher habe, das die kastanien in dem topf nicht ersticken. Fuchs, Murner. 4 Ketzer 4001 (2wohl Straßb.9 1509): Der Prouincial macht sich daruon 兩 Schnell durch das loch, do jr kÈ vßgon. Lauater. GespÁnste 30v, 18 (Zürich 1578): Sy hattend aber ein loch gemachet / dardurch er / wenn er loset / die stim˜ deß tüfelbschweerers hËren vnnd verston mocht. Chron. Augsb. 8, 156, Anm. 2 (schwäb., zu 1562): mit demselben er ain löchlen in das plech vor dem venster geport, daß er ain wenig dadurch hinaussehen können. Rauwolf. Raiß 30, 15 ([Lauingen] o / die fein 1582): [gewelb] darinnen herumb vil lËcher zusehen in ein ordnung gericht / vnd mit scheiben so maisterlich versetzt seind / das sie dem gantzen Bad ain [...] schËne zierd geben. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 392, 1 (oobd., 1349/50): dar umb haizent si [pleter eines krautes mit dem Namen künigskroˆn] auch ze latein perforata, daz

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spricht diu löchærinn. Turmair 5, 483, 32 (moobd., 1522/33): die grueben ein loch durch die maur, die wurden auch uber die maur ausgehangen. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 153, 27 (moobd., 1478/81): zu dem jüngsten kam ainer und stach ain löchlein under dem feurlein durch den zachen des liechts. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 97, 11 (tir., 1464): ist nur ain chlaines löchel in dem grunt des selbigen sche¨ffes. so mag das scheff nicht peleiben. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 442, 26; 730, 2; Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 55, 5; v. Keller, Ayrer. Dramen 1615, 27; Schmidt, Rud. v. Biberach 163, 20; Wyss, Luz. Ostersp. 8972; 9012; Bauer, a. a. O. 16, 41; dies. u. a., Kunstk. Rud. 1084; 2281; Starzer, Qu. Wien 1, 5, 5814, 482. − Vgl. ferner s. v. 2anwalt. − Zu den einzelnen Verwendungen: Piirainen, Recht Schemnitz. 1986, S. 306, § 63 (mslov. inseldt., 1513): so ein [...] macht ein loch auff den lehenschacht, vnd der lehn schacht wer nicht gerecht, so soll man wychen von dem loch drey viertaill. Ders., Stadtr. Kremnitz 18 (mslow. inseldt., 1492): das sy¨ ein loch cze some(n) macht(e)n, [...] So sol ma(n) deß pergmeisters czaich(e)nn hindurch geb(e)n do damit das das loch verpott(e)nn sey¨. − Ebd. 8; 13; 19. − Zu den Phrasemen: Luther, WA 10, 1, 1, 57, 5 (1522): ob yemant hie eyn loch durchbrechen wollt. Ebd. 10, 1, 2 (1526): da kan dir der Teufel also bald ein loch machen und eingeben. Ebd. 12, 107, 3 (1523): Und haben den glauben also aus gestossen und alle löcher verstopfft. Ebd. 33, 497, 24 (1531): Wo sol er nu hin der arme Man Christus, wenn man jme das loch also verleufft? Ebd. 41, 89, 25 (1535): Und haben sich die Arianer und andere hierÈber meisterlich verdrehet und durch diesen Artikel wollen ein loch boren mit jren glosen. Ebd. 47, 314, 39 (1537/40): [sie] machten darmit das loch zu, das es im Gesetze Moisi nachgelassen were. Ebd. 47, 455, 21: gott lob haben wir dem Bapst ein loch in die banck geschlagen. Ebd. 49, 783, 8 (1545): Qui non vult audire, dem stehet das loch offen. Ebd. 52, 342, 23 (1544): Solche sprÈche leyden keinen lochborer. Peil, Rollenhagen. Froschm. 134, 2843 (Magdeb. 1608): wenn ich spÈr / das meine feind / 兩 Mir etwas vberlegen seind / 兩 So krich ich durch ein loch hinauß. Ebd. 138, 2940: HËrt er mich nicht / so mach ich doch / 兩 Durch ander in dem Rath ein loch / 兩 Dessen sich Niemand hett versehen. Lappenberg, Fleming. Ged. 112, 28 (1631): Und er gedenkt es doch, 兩 und pfiff‘ er einmal noch so auf ein lindes Loch. Spanier, Murner. Schelmenz. 2, Überschrift (Frankf. 1512): Eyn loch durch brieff reden. Uersigelt schon der babst mit bley, 兩 So kan ichs wider sprechen frey. 兩 Jch bins, der selbig dapffer man, 兩 Der sigel vnd brieff durch reden kan. Ebd. 7, 24: Do der wirt wolt haben gelt, 兩 do draff ichs loch weyt vbers feldt, 兩 Mit meynen ferssen bzalt ich das. Ralegh. America 22, 11 (Frankf. 1599): saß vnsere Gallee so hart auff den Grundt / daß wir meyneten / vnser Anschlag hett da ein Loch gewonnen. Chron. N¸rnb. 2, 330, 13 (nobd., 1449): daz man ein loch het, daz wir nit gantz umbgeben weren als in dem vergangen krieg. Spanier, Murner. Narrenb. 21, 1 Überschrift (Straßb. 1512): Ein loch durch ein brieff reden. Jch red ein loch yetz durch ein brieff (mit Bild). Ebd. 16: Wie ich dem rechten louffen noch,

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loch

兩 So hast mym brieff gemacht ein loch. Goldammer, Paracelsus 2, 256, 15 (um 1534): sie [die alte] soll das loch in himmel suchen, er [ein junger] aber soll zu seines gleichen. B‰chtold, N. Manuel. 120, 230 (halem., 1525): Wir wend dich wol eins lochs nächer gürten! Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 173, 3 ([Augsb.] 1548): als bald diser handel ain loch gewinnet / so fellt es alles zuo boden. Barack, Zim. Chron. 2, 297, 33 (schwäb., M. 16. Jh.): ich will ainmal ain solchen kelchbueben, der unserm Hergott missrathen ist, so voller lecher stechen, als ain vischbehalter. Ebd. 3, 56, 7: do gewann die rechtvertigung ain loch. − Luther, WA 10, 3, 259, 15; 19, 592, 33; Schweiz. Id. 3, 1019.

2. ›unterschiedlichen Zwecken dienende oder als auffallend wahrgenommene, da vom erwarteten Zustand der Umgebung abweichende natürliche oder künstlich hergestellte Vertiefung‹; Art und Größe der Vertiefung sowie der Aggregatzustand der Unterlage können schwanken; im einzelnen z. B. ›Erdvertiefung‹ (oft, auch ütr.), ›Höhlung in einem Stampftrog (in der Mühle)‹; ›Grübchen im Kinn‹; ›wehrähnlicher Bau an einem Gewässer‹; ›Kolk, Strudel im Wasser (als Folge einer Vertiefung im Bachbett)‹; hier als Ütr. anschließbar: ›wunder Punkt, Abgrund, in dem man sich verlieren kann‹ (s. u. Luther, WA 16); 2›Nagelloch, Bohrloch‹9, jeweils vereinzelt; im Unterschied zu 1 wird loch als ohne Ausgang / Mündung gedacht. − Phras.: zu loch kriechen; jm. ein loch ›eine Grube‹ graben; die finger in alle löcher stecken (auch zu 1 stellbar). − Bdv. s. u. Schˆpper, ferner: abgrund 1. − Synt.: ein l. sehen / finden / ausräumen / boren / machen, jm. ein l. zeigen; ein l. in dem felse sein; aus einem l., in ein l. kommen; das l. an kinbacken, im wasser, in einem gang, unter der brücke, die löcher des felses. Schˆpper 76b (Dortm. 1550): Spelunca. Grub hËle hÈly dolen kling klufft krufft spelunck ¶ hol loch lucken. Luther, WA 16, 112, 19 (1524): Alhie ist ein tieffes loch, da man solt viel von predigen. Ebd. 23, 37, 6 (1527): Wo der Luther nicht were, die schwermer solten gar bald [...] zu loch kriechen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 573, 2109 (Magdeb. 1608): wer eim andern grebt ein Loch / 兩 Der mus darin abstÈrtzen noch. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 2071 (Köln 1476): Dayr zu waegen lyff ind leuen, 兩 Myt storme in dat loch ›Sturmmine‹ tzu koemen. Voc. inc. teut. p ijv (Speyer um 1483/4): Loch im wasser. Ebd.: Loch am kinbacke˜. Froning, Alsf. Passionssp. 5607 (ohess., 1501 ff.): disße hant [Christi bei der Kreuzigung] wel zu

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dem loch nyt reichen! Kurz, Waldis. Esopus 4, 59, 49 (Frankf. 1557): [Wer] Sein finger in alle lËcher steckt, 兩 Dem werdens auch zu zeiten bdreckt. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 286, 28 (Wolfenb. 1593): (Zeiget jhm in der Höhe ein Loch, vnd spricht weiter:) Lieber Thomas, Sehet jhr das Loch wol? Da könte man wol einen hinstecken. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 124, 19 (osächs., 1570/7): so bore mit einem neberich ein loch in den stamm bis auf den kern. Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr. 237, 1 (o/nobd., 1405): wie daz ir dez reiches strassen auf den Meyne verpauet, ein loche und were gemachet habt, davon den leuten mit schiffunge und flossen grosse verdurplich scheden auferstunden. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 44 (Nürnb. 1517): ,in den löchern des fels und in der klunst der ungekelkten wandt,‘ das ist: in den wunden Christi, des felsen. Vetter, Pred. Taulers 329, 32 (els., 1359): das er u [...] ein loch kËnde vinden uf geton, das er sin hobt kËnde us gestossen. Argovia 4, 286, 32 (halem., 1484): von einem loch voll werche in der blewe ein denar. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 728, 2 (schwäb., 1600): wo auch alte marken und lochen [›Erdvertiefung, die als Grenzmarkierung fungirt‹] verloren werden. Morrall, Mandev. Reiseb. 17, 11 (schwäb., E. 14. Jh.): do er sie [junckfrowen] sach komen uß dem loch so fraischlich und so schu´ßlich, do kert er sich umb. Maaler 274v (Zürich 1561): Das Loch / die vorderest hËle an einem langlÁchten oder holen gang. − Meisen, a. a. O. 1156; v. Keller, Ayrer. Dramen 2347, 13; Grothausmann, Stadtb. Karpfen 49, 22. − Vgl. ferner s. v. abgrund 1.

3. ›Loch unterschiedlicher Größe als Behausung von Tieren‹; im einzelnen z. B. ›Mäuseloch‹; ›Bau, Grube, Höhle (von Füchsen, Löwen)‹; ›Schlangengrube‹; ›Käfer-, Wurmloch‹; ›Bienenwabe‹. − Phras.: die mäuse (ütr.: ›Widerspenstige‹) in die löcher jagen. − Bdv.: vgl. bau 15, grube 4, lug (der/ das) 4. − Synt.: löcher [wo] finden (im wurmstichigen apfel); des loches pflegen (von der maus), viel lochs haben (vom fuchs); ane l. nicht bleiben (vom Fuchs), junge in den löchern haben (vom lewen), die jungen in dem loche erhalten (von den bienen), in ein l. gehen (von würmen) / entlaufen / weichen (von der maus) / kriechen (vom käfer), zu dem l. fliegen (von bienen) / keren (von der schlange) / springen (von der maus); das schöne löchlein ›Bienenwabe‹. Wbg.: 2locher 1 (a. 1579), lochhund9 ›kleiner, zum Ausstöbern von Tierbauten abgerichteter Hund‹ (a. 1563). Luther, WA 17, 2, 361, 4 (1527): das der hirsch die natur hat, das er die schlangen uß dem loch zeucht mit seinem athem, [...], Deßgleichen auch das ein weselein, wenn es für der schlan-

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loch

gen loch mit dem schwantz webelet. Ebd. 51, 239, 20 (1534): on Loch kan er [Fuchs] nicht bleiben. Peil, Rollenhagen. Froschm. 103, 1895 (Magdeb. 1608): Die Stadmauß sprang zu jhrem loch. v. Tscharner, Md. Marco Polo 34, 1 (osächs., 2. H. 14. Jh.): wen abir dy slange widir kert czu irme loche, so wundit si sich. Gille u. a., M. Beheim 45, 12 (nobd., 2. H. 15. Jh.): die vochs 兩 haben vil lochs. Ebd. 65, 28: Du tume maus, 兩 weich in dein loch! v. Birken. Erzh. Österreich 74, 43 (Nürnb. 1668): weil ihnen Rudolphus allenthalben auf den dienst wartete / und die mÁuse wieder in ihre lËcher jagte. Vetter, Pred. Taulers 185, 7 (els., 1359): wie si [Ëphele] doch gar schËne uswendig schinent, ie in dem grunde vint man locher. Lauchert, Merswin 16, 32 (els., 1352/70): also binnen die zuo iren lËchern in iren binnekorp vs vnd in fliegende sint. Koppitz, Trojanerkr. 11861 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Er [Paris] baitztte zü der erde. 兩 In daz loch [der würme] er do gie. Maaler 478v (Zürich 1561): WAaben (die) Heüßle der ymmen oder die schËnen lËchle / dar inn sy jre jungen erhaltend. − Peil, a. a. O. 684, 5614; Chron. Kˆln 1, 1791; v. Tscharner, Md. Marco Polo 33, 23; Gille u. a., a. a. O. 25, 28; Schweiz. Id. 2, 1432; 3, 1042.

4. ›Gefängnis, Knast‹; ütr. auch: ›Ausweglosigkeit‹. − Phras.: zu loch mit jm.! im loch aufstehen euphemistisch für ›im Kerker landen‹; ausser dem loch ist gut dingen. − Bdv.: gefängnis 3; vgl. ampthaus 2, amptstok, 1band 12, bank 18, betzenkamer, fängnis, gehorsam 2, geschlos 1, haft, haftung, käfig 2, kerker, kotter, lausse 2, panzerloch, stok 9, stokkerker, turn. − Synt.: j. in dem l. verstrikt liegen, zu l. müssen, zum l. ausgehen; jn. (z. B. die gefangenen) aus dem l. lassen, jn. in das l. legen (häufig) / füren / setzen / stossen / werfen, jn. im l. mit ruten schlagen; das heimliche gemach im l. Wbg.: lochgeld ›Zahlung des Gefangenen an den Gefängniswärter‹ (a. 1533), lochheim (fiktiver Name für loch ›Gefängnis‹), lochhüter, lochmeister, lochrodel ›Verzeichnis über Eingang, Ausgang und Kosten der Gefangenen‹ (17. Jh.). Luther, WA 30, 3, 562, 8 (1533): darinn sie [Zwinglische Gaukler-Prediger] das volck wöllen leren und sagen jnen doch nichts, Sondern weisen sie jnns finster loch und sprechen: [...]. (hier ütr. im Sinne von: ›in die geistliche Ausweglosigkeit‹). Foltz, UB Friedb. 1, 357, 13 (Friedberg 1386): daz si unsern gertener eynen gefangen han und in daz lËch gelacht. Froning, Alsf. Passionssp. 813 (ohess., 1501 ff.): mer woln en stossen in disße loch! Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 300b, 20 (Frankf./ M. 1649): eine die auff der ersten / zweyten oder dritten Tortur nicht bekenne˜ will / wolan / wieder zu Loch mit jhr. Chron. N¸rnb. 1, 271, 32 (nobd., 1388): ded. dem loch-

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meister 16 ß hl. für einen, der sechtzehen tag in dem loch gevangen was gelegen. Ebd. 3, 291, 38 (1450/80): wurden die juden [...] gefangen und daselbs die reichen auff die burg und die armen in das loch gelegt. Ebd. 5, 759, 31 (1460): ee wolt er [...] mit willen in das loch oder uf ein turn von stundan geen, oder ee ein büttel oder ein lochüter auß im machen lassen, oder ee sein kopf lassen abhauen. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 113, 13 (nürnb., 1464/75): So muß man alle jar das heimlich gemache im loch dem lochhütter raumen lassen. Ebd. 118, 27): Von dem lochhütter. In das loch macht man dem lochhüeter wes im not thut. Sachs 14, 117, 19 (Nürnb. 1550): Das [schlupffwinckel] nicht die schergen nach mir dappen, 兩 Darnach mit mir gehn Lochhaim sappen. Ders. 161, 8 (1551): Wilt mit schalckstücken du umbgehn, 兩 Du magst baldt in dem loch auffstehn. Engel, Rats-Chron. Würzb. 261, 5 (nobd., Hs. M. 17. Jh.): es was groser zodel am brodt, undt man legt etliche beckhen in das Loch. Henisch 157 (Augsb. 1616): Ausser dem loch ist gut dingen. Extra carcerem suam causam agere commodissimum est. − Oorschot, a. a. O. 231a, 3; 425b, 39; Schultheiss, Achtb. Nürnb. 158, 40; Chron. N¸rnb. 1, 268, 18; 378, 1; 2, 12, 5; 4, 145, 8; Engel, a. a. O. 173, 21; Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 701, 26; Chron. Augsb. 4, 443, 25; Rwb 8, 1376 f.; Schweiz. Id. 6, 609.

5. ›als Loch gedachter Ort des Zweifels, der Bosheit, Gottferne, der Vorhölle (bzw. der Hölle)‹. Luther, WA 33, 477, 28 (1531): Und wirst mich in das schwartze loch nicht bringen, das man mir fÈrstellet, da ich ungewis bin. Vetter, Pred. Taulers 223, 12 (els., 1359): wo frasheit, kargheit ist, do ist ze mole ein unrein grob loch, das ze male bËs ist. Lemmer, Brant. Narrensch. 66, 35 (Basel 1494): Masß ouch nit wie tieff wer das loch 兩 Do hyn er mÈst / vnd sitzet noch.

6. ›Loch, freie Stelle auf / in einem Bezugsgegenstand, den man allgemein als glatt, kontinuierlich erwartet‹. − Synt.: ein l. gewinnen (von Tuch), der bütrich ein l. haben, ein l. in den brief schneiden (zu dessen Entwertung), dem bein ein l. (für ein Pflaster) lassen; ein donnerstein ane l. sein, die nase, die augen, das maul durch löcher (in einem burkaähnlichen Kleid) sehen, blätter mit löchlein durchlöchert sein; das gesäs (›Hosenboden‹) voller löcher. Dedekind/Scheidt. Grob. 104, 14 (Worms 1551): Das gseß voll lËcher ist ein lust. Keil, Peter v. Ulm 155 (nobd., 1453/4): vnd wo das pein zerprochen ist, do laß im ein loch, daz du es mügst pflastern. Schib, H. Stockar 2, 14 (halem., 1519): so hattens sy [junkfrowen, dochteren] vermacht mit schwarzam duch, und sach mian nütt dan die ougen und die nasen und das mul durch die liecher in. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 392, 1 (oobd., 1349/

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lochbaum − lochen

50): diu [pleter] sint gestalt sam der basiligen pleter und sint alle durchlöchert mit vil löchlein. Bastian, Runtingerb. 2, 300, 18 (oobd., 1396): Auch sol man ain loch in den haubtbrif sneyden, wan er gelËst wirt. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 273 (oobd., 1607/11): 4 donnerstain [...], die zwen sein o durchlöchert, die andere zwen gantz ohne loch. − Hajek, Gute spise 88; Keil, a. a. O. 37; S. 418; Welti, Stadtr. Bern 466, 20; Sappler, H. Kaufringer 12, 204.

7. ›Körperöffnung (des Menschen sowie vereinzelt größerer Tiere)‹; belegt für den Mund, die Nase, den After, die Geschlechtsöffnung. − Phras.: jm. die schüssel für das loch schlagen ›jn. kalt abservieren‹. Mieder, Lehmann. Flor. 529, 4 (Lübeck 1639): Wann das Loch vnter der Nasen zu were / blieb viel bËß vnterwegen. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 56, 2 (Frankf. 1535): So mann nimpt ein kËrnlin von seinem stücklin / vnd das gelüwet würt an die spitzen des eisens mit rËmer leim / vnd o / so dann gelassen in die blaß durch das loch der mansruten bricht er den steyn. Schmitz, Schiltb. 132, 20 (Frankf. 1597): Jch saß auff dem PlËchlin / 兩 Vnd sahe mir selbs ins LËchlin. Ebd. 133, 3: Loch gegen Loch / 兩 Haar vmbs Loch. Ebd. 23: Loch auffs Loch / 兩 Zapff ins Loch / 兩 Tetsch fÈr den Arß. 兩 Rhat was ist das (jeweils Rätsel). Hirschmann, Roger-Glosse 233rb (omd., Hs. 15. Jh.): von den dingen / dy¨ do waschen in dem loche / des arses vnde heisen carvunculi. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 29, 19 (Hs. 2omd., 14659): ein jegliches ganz gewurktes mensche hat neun löcher in seinem leibe. Fastnachtsp. 263, 16 (nürnb., v. 1486): So sagt mir, frau, seit ir es doch, 兩 Frau Fenus mit dem stroem loch (Symbol der Sinnlichkeit). Fischer, Folz. Reimp. 2, 35 (Hs. um 1480): indem allz sie ir aufflaucht, 兩 Do het in ye einß, zwey bedaucht, 兩 Der locher weren mer dan einß. Goedeke, P. Gengenb. 136, 726 (o. O. 1516): Der ich doch gern wolt dienen noch, 兩 So schlecht sie mir dschusslen fürs loch, 兩 Thuto mich bald vff die gouchmat jeiche¯. Ebd. 150, 1254: Wan¯ sich ein narr do bald bedÁcht, 兩 Vnd ein kÈbel mit wasser brÁcht, 兩 Das man dem buren das loch berib, 兩 Vnd jm die bËse hitz vertrib. Morrall, Mandev. Reiseb. 118, 7 (schwäb., E. 14. Jh.): da sie [clain lu´t] den mund hond sËllent, da hond sie ain claines loch. − Stedtfeld, Roger-Glosse 86; Jungbluth, a. a. O. 25, 30; Deinhardt, Ross Artzney 288; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225.

8. ›durch ein Geschwür o. ä. verursachtes Loch in der Haut; als Loch gedachte / wahrgenommene Wunde, Verletzung am oder im Körper‹; in 1 Beleg: ›Pore‹; vielfach im Orientierungsfeld mit apostem, beule 2; 3, blater 2, brand 8, duppel, fistel, franzosen, geschwer 1, höle, lämung, schade, schlier, wunde. − Oft sachbezogene Texte. − Phras.: es hat dir kein loch gehauen (von übler Nachrede ge-

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sagt). − Synt.: j. löcher [wo] haben, das / ein l. (zu)heilen (mehrfach) / reinigen / verstopfen, mit wolle füllen, ein l. in ein apostem ätzen, das pulver ein l. machen; das / ein l. enge / weit sein / werden, löcher in den leib gehen, ein l. im wege des harns sein; der löcher acht haben; in den löchern faulfleisch sein, etw. in das l. streichen (z. B. salbe) / drucken (z. B. saft), ein tuch in das l. gehen, zu den löchern lugen; das l. in der haut, im fleisch, im arm / bein; das faule / auswendige / inwendige / fixe / fliessende / fressende / hydropische / unreine / verborgene / starke l. Wbg.: löcherarzet (hierher?), locheracher zagel Bezug auf ulcus molle (›weicher Schanker‹), löchret 2 (in: die hände l. sein, von den Wundmalen Christi). Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 110, 12 (Frankf. 1535): hart apostemen auff zu etzen / nimm vngeleschten kalck [...] / vnd den kalck vff ein hart apostemen gelegt / etzt ein loch drinn. Keil, Peter v. Ulm 151 (nobd., 1453/ 4): zu den faulen schenckeln, die do groß sind geschwollen vnd faule locher dorein haben. Strauss, A. v. Villanova dt. 155v, 13 (obd., Hs. 1421): zu kalt baden duto dy locher [›Poren‹] yn dem fleysch nicht recht uff. Lauchert, Merswin 8, 12 (els., 1352/70): daz mir denne die scharpfen snidenden isin das fleisch vf zerren soltent vnd mir starke lËcher in minnen lichamen soltent gonde werden. Cirurgia H. Brunschwig 35ra, 12 (Straßb. [1497]): das sie sie lËcher hette˜ gemacht an die nid’sten teil des apostems / vn˜ hette˜ vß gezogen de˜ eytter mit einer spritzen. Fastnachtsp. 865, 8 (Straßb. o. J.): Die fistlen, löcher, ölschenkel groß, 兩 die wassersucht plaag on underlaß 兩 Werd dir ewig niemer ab! Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 288, 19 (Hagenau 1534): o Redet dir eyner zunahendt / er hatt dir darumb keyn loch oder wunden gehawen [Var. in Z. 11: Ist doch eyn wort keyn pfeil nit]. Sudhoff, Paracelsus 5, 471, 6 (1527/8): Von dem stant der löcherarzten, was für leut seind. − Ebd. 4, 543, 7; 6, 473, 31; 7, 171, 5; 315, 10; Goldammer, Paracelsus 2, 90, 7; Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 240r, 8; Belkin u. a., a. a. O. 78, 9; Rohland, Schäden 468; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 185; Eschenloher. Medicus 89, 3; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225; Lehmann, Rezeptb. S. 214. − Vgl. ferner s. v. ausziehen 4.

lochbaum, der, wohl verdumpft für lachbaum (s. 2lache 1). ›mit Grenzzeichen versehener Baum‹. Kollnig, Weist. Schriesh. 49, 21 (rhfrk., 1527): haben sie etlich alt lochbaume fur anzeige des alten weißtumbs funden. − Pf‰lz. Wb. 4, 1027 s. v. lochbaum.

lochborer, locheisen, s. loch 1. lochen, löchern, V.; letztere Bildung etwas häufiger belegt.

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locher − lochret

1. ›etw. (unterschiedliche Bezugsgrößen) zu je verschiedenen Zwecken mit Löchern versehen, etw. durchbohren, aushöhlen‹; vereinzelt von natürlichen Vorgängen gesagt. − Bdv.: 1boren 2, drechseln, hölen. − Wbg.: locher 2 (ein Schmiedewerkzeug), löcherung. Ziesemer, Proph. Cranc 268, 28 (preuß., M. 14. Jh.): daz dise pfilere uzwendic der muyrn des tempils warin gelochit [›durchlocht‹] an drien enden sechs elen ho. Lohmeyer, K. v. Nostitz 77, 25 (preuß., 1578): Es müssen gelochte [›durchlochte‹] pfale sein rigken durchzustossen. Klett, J. v. Soest 21, 156 (Hs. 2wmd., 1470/809): nu lochert [ ›höhlt‹] doch der dropf eyn steyn. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 341, 1 (mosfrk., 1597): die ecker und hoche welde, genant die fröne, so besonderlich abgereint gelöchert [durch ein Erdloch abgegrenzt] und beschoret sein. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 13227 (rhfrk., um 1405): Sij [frauwe, personif. für: gebet] hait ein bor, das hastu gesehen: 兩 Den hymmel sij da mit lochert zu besehen. J. W. von Cube. Hortus 3, 26 (Mainz 1485): den geroch des knobelauchs sal die frauwe vnden hervff zuo ir scheme laissen dempfen vn˜ sal vff ein gelocherte˜ stulo sitzen vnd sich vnden vmb bedecken. Kollnig, Weist. Schriesh. 51, 2 (rhfrk., 1527): Darzwuschen seint abermols etlich baumb gelocht [oder zu 2lachen?] und gezeichet. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 172, 31 (schles., 1607): 1 schrötter 15 locher gross und klein 3 handhemmerlein. Mon. Boica, NF. 2, 1, 40, 32 (nobd., 1464): der mag in allen der herschaften welden, [...], noch des forstmeinsters rate lochen [›Bäume für einen Bienenstock aushöhlen‹]. Cirurgia H. Brunschwig 23rb, 22 (Straßb. [1497]): Vnd [Auicenna] spricht ob centaurio gelocher würt mit geschnittnem fleisch / das get wider zuo samen vnd beware dz gewundt gelidt von dem apostem. Sudhoff, Paracelsus 4, 542, 6110 (1527): So in der blattern ein löcherung geschehe oder in nieren, so seind die selbigen der art, das sie sich reinigen durch den harn. dan der harn muß durch dise örter gesamlet werden und ausgeˆn, so kompt die selbige materi, die den selbigen schaden oder löcherung macht, in den harn. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 309, 38 (Genf 1636): LËchern / in etwas lËcher machen. Rechn. Kronstadt 2, 540, 21 (siebenb., 1538): dedi lapidicidae, quod duos lapides perforavit, vulge hot gelËchert, [...], bibales asp. 4. − Schmitt, Ordo rerum 650, 5; 654, 1.

2. ›gegen den Inhalt eines Vertrages handeln‹; zur Motivation s. loch 1 sowie lochret. − Schweiz. Id. 3, 1041 (a. 1568). locher 1, s. loch 3. locher 2, s. lochen 1. locherach, löcherarzet, s. loch 8. löcherin, s. loch 1. löchern, s. lochen. löcherung, s. lochen 1.

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lochgeld, s. loch 4. lochgezauwe, s. loch 1. lochheim, s. loch 4. lochhund, s. loch 3. lochhüter, s. loch 4. lochlecht(ig), s. löchret. lochmacherin, die. tropisch für ›Habgier‹; vgl. am ehesten loch 2. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 9594 (rhfrk., um 1405): Die handt [der Habgier] ist eine loch macherynne 兩 Der hÈser und entdeckerynne, 兩 Der kisten eine brecherynne.

lochmeister, s. loch 4. lochrechte, s. lochret 5. lochreuse, s. loch 1. lochret, löchrig, löchlecht(ig), Adj.; Suffix ersterer Bildung auch -echt, -icht, -ot, -ach; letztere beiden Bildungen seltener belegt. 1.; 2., s. loch 1; 8. 3. ›unzuverlässig, unbeständig, zweifelhaft, unvollkommen, falsch, ungültig (von Absprachen, Verträgen, von der Zunge)‹; vgl. loch 1 (Phras.). − Phras.: die stube wird lochret ›die Verhandlungsbasis entfällt‹. − Bdv.: vgl. launig 1, läunisch 1, leichtsinnig 2, machtlos 1. Schade, Sat. u. Pasqu. 1, 62, 235 (o. O. 1542): Ob wir künden ein löcherigen friden machen. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 452, 23 (preuß., 1500): wie sie keinen bestendigen radt finden mogen, nachdem der handel lochrich sei. Luther, WA 7, 627, 11 (1521): der grosz hauff [...] hat forteyl, mit eytell ritzichten, locheretten, loszen stucken bestehen. Ebd. 23, 99, 32 (1527): Was wil Zwingel sagen zu solcher lËcherichten sachen? Ebd. 28, 341, 13 (1529): Alles was sie in der Anklage fÈrbringen, Das ist lËcherich. Ebd. 41, 645, 24 (1536): Ego non venio, quod multa feci [...], ut non sis heimlich hesser Euangelii. Et tamen quanquam noch lochericht. Ebd. 45, 286, 17 (1537): haben sich die Ketzer unterstanden solche klare SprÈche mit jren Glosen lËchericht zumachen. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 10221 (rhfrk., um 1405): Ich [Habgier] sagen dir [Pilger] das sij [zonge] so locherecht 兩 Ist von sweren und sagen unrecht. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 192, 35 (nobd., n. 1525): dann sunst wer es ain lochereter frid, blib ain ay im nest ligen. Ebd. 202, 26: und wer also die stub löcheret worden, darfur er nit könnt. − Luther, a. a. O. 51, 652, 211.

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löchrig − lochter

4. ›bröckelnd, rissig, voller Löcher‹; vgl. am ehesten loch 2. − Phras.: in einen löchreten beutel sammeln. Luther, WA 41, 330, 22 (1535): Der Prophet Haggai saget von den geitzigen, das sie ,jnn einen lËcherten beutel‘ samlen. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 164, 10 (Frankf. 1535): [Salniter] Jst warm vnd trucken im andern grad / [...] / das liecht ist / brichig / schipfferig / blÁterig / lËcherig / hol. Turmair 4, 837, 7 (moobd., 1522/33): Ietzo flogen daher swarz, löcheret, pesengt pimsenstain und ander verprent zersprungen stain von der prunst. Ebd. 28: under dem himel muest man fürchten der löchreten und g’ringen pimsenstain fallen.

5. ›löchrig, durchlässig, in seiner genuinen Funktion / Qualität beeinträchtigt‹, von Bezugsgegenständen unterschiedlicher Art gesagt (oft von Kleidungsstücken); vgl. loch 6. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: augelechtig, beschaben, durchlochret, gebresthaft 1, malig, masig. − Synt.: das insiegel l. sein; das kraut l. machen; der löchrete ars / 1hafen / sak / schuh, die löchrete büne / kutte, das löchrete fas (mehrfach). Wbg.: lochrechte (die) personif. für leckerei 2 ›Gefräßigkeit‹. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 10450 (rhfrk., um 1405): Das ist ein geslechte lude die 兩 Von eime locherten sack machent yren got. Ebd. 10583: Durch sij bin ich ubermessig bekant, 兩 Dar umb bin ich locherechte genant [vgl. ebd. 10463: ,Leckerie‘, sprach sij, ,ich die 兩 In mynen lochereten sack stoßen so wil 兩 Das is da inne wirt smacken viel ‘ ]. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 24, 14 (Hs. 2omd., 14659): ein mensche [...] ist ein besmirter binstock, [...], ein faules aß, ein schimelkast, ein bodenloser sack, ein locherete tasche. Palm, Veter Buoch 30, 24 (schles., Hs. E. 14./ A. 15. Jh.): Do sach er einen menschen wazzer schepfen vz eime sode vnd schuttez in ein locherecht vaz; dar vz ran ez wider in den sot. Fastnachtsp. 527, 26 (nürnb., v. 1494): Ein lochereter ars der hat kein herren. Ebd. 894, 1 (Straßb. o. J.): Die ab eim zun ein anspraach brechend 兩 Und etwan ein armen mann ansprechend 兩 Umb ein löchlete haselnuß. Vetter, Pred. Taulers 184, 32 (els., 1359): dise unreinen wu´rme [...] essent das edel guto krut und machent es locherechtig. Vock, Urk. Hochst. Augsb. 269, 36 (schwäb., 1386): Wer, das der insigel aller ains oder me brÈchig oder misshenkt, wÈrden [...] oder wi diser brieff mausig, misshandelt, lËchrot oder gebreschaft wurde, [...], das sol ... dehain schad sin. Barack, Zim. Chron. 2, 649, 26 (schwäb., M. 16. Jh.): iez war er uf der bösen, löchereten binin, dann hoch im turn doben. Drescher, Hartlieb. Caes. 381, 9 (moobd., 1456/67): Sein [prior] angesicht was vast playch, sein kwtt lochratt und beschaben. v. Maren, Marquard. Ausgabe 62, 33 (Venedig 1483): vnd den lon den ir gesamet habt den

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habt ir in einen lËcherethen sack gelegt. − Vock, a. a. O. 342, 39; Bremer, Voc. opt. 10112; Voc. inc. teut. p ijv. − Vgl. ferner s. v. augelechtig.

löchrig, s. löchret. lochring, s. loch 1. lochrodel, s. loch 4. lochstein, der ; −/-e. ›Grenzstein, die Grenzen eines Grubenfeldes markierender Stein‹; zur Motivation vgl. auch lachstein; Veith, Bwb. 328 gibt als Motiv das Anbringen von Löchern als Erkennungs-, Unterscheidungszeichen an; vgl. dann loch 2. − Omd.; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: vgl. grenze 1, stein 12. − Synt.: einen l. fort- / hineinbringen / setzen / wissen / anfechten; von einem l. [einen Betrag] nemen. Wbg.: lochsteingeld. Helbig, Qu. Wirtsch. 4, 135, 18 (md., 1525): Sollen Berckmeyster vnd geschworne ym vermessen lochsteyn setzen, frist zugeben. Ermisch, Sächs. Bergr. 118, 7 (osächs., 1499/1500): Dorumb man dem bergmeister von dem wehr funff groschen, von dem lochstein drey groschen geben, und so die grube masswirdig wurde, so sall solich gelt dem bergmeister an seinem vollen mass- und lochsteingelt abgezcogen werden. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 115, 28 (omd., um 1559): Dem berckmeister und geschwornen geburt von solcher erbstufen nach eins so viel, als sonst von eim lochstein hineinzubringen. Ebd. 186, 11 (1554/1633): Lochstein soll ein ieczlicher schichtmeister deßgleichen die erbstufen und marscheiden seiner innenhabenden zechen vornemblich wießen. Ermisch, UB Chemnitz 63, 13 (osächs., 1402): bys an den mËelweg, do der lochsteyn stehet. − Lˆscher, a. a. O. 78, 6; 93, 17; Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 158, 17. − Vgl. ferner s. v. anfechten 11, annemen 9.

lochsteingeld, s. lochstein. lochter, die/das; Form von 1lachter. − Omd. 1. ›Maßeinheit im Bergbau (knapp 2m)‹; auch ütr., dann: ›Reihe von Jahren‹. H¸bner, Buch Daniel 6908 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Vil mancher jare lochter 兩 Verslifet e diz geschiet (ütr., wohl reimbedingt). Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 239, 32 (schles., 1528): das wir in der Eyssenzech ausprochen haben 8 lochter und haben nichts erlangt. − Piirainen, Recht Schemnitz. 1986, S. 303.

2. ein Raummaß für die Messung von Holz. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 3, 8 (nwböhm., 1562): sey er des tages daheim gewesen, vnd dem Hans schmidl ein Lochter holtz herein gefurt.

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locieren − locken

3. ›Grenzpfahl, Grenzbaum; Grenze‹; auch ütr. − Bdv.: vgl. grenze 1, palisade, 1pfal 2. H¸bner, Buch Daniel 7724 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Sust habit ir vertumet 兩 Urteilende die tochter 兩 Israhelischer lochter (ütr.: ›Geschlecht‹?) 兩 An hengende in slichte (ütr.; ›Gebiet‹?). Kˆnig-Beyer, Reichenb. Stadtb. 27, 27 (nböhm., 1553): Frentze Ffiebiger hat Hans Rudeln [...] seyn erb vnd gut, [...], abgekauft in allen alden lochtern und renen. Ebd. 87, 36 (1561): davon er ihme seynen hirtten achtzehen groschen tzu hulffe geben wil vnnd gewehren eynander solche haus, hoff, agkher vnnd gutterr in allen altten reihnen, lochtern vnnd grentzen erd, nagel vnnd

locieren, V. ›(etw.) wohin setzen, stellen‹. Sudhoff, Paracelsus 8, 354, 7 (1530): das ein glid aus dem andern komt [...], also [...], das ist in der inwendigen anatomei solch verrenkens und auseinander locirens auch beschicht. Rot 325 (Augsb. 1571): Lociern, Setzen / an ein ort legen / verleyen / hinlassen.

löckeln, s. locken 1. löckelwolle, s. lok 1. locken, V. 1. ›jn. / ein Tier (oft: einen falken) mittels geeigneter Reize zu einer Bewegung in eine bestimmte Richtung veranlassen, jn. / ein Tier zu jm. / etw. hinlocken, heran- / weglocken‹; jeweils, auch in den mystischen Texten, mit Betonung der Richtung. − Phras.: nicht einen hund aus dem ofen locken. − Bdv.: vgl. anätzen 1. − Synt. meist mit Akk.obj.: jn. (auch: das volk) [...] l., ein Tier (z. B. den fisch / vogel, die muräne) l., jn. süs l., seltener mit Dat.obj.: jm., dem vogel / falken l.; mit adverbialer oder präfixaler Richtungsangabe: [jn. / jm., ein(em) Tier] einhin / herab / herzu / zuhin l.; mit Präpositionalangabe der Richtung: [jn. / jm., ein(em) Tier] aus im selber, aus dem wasser, aus der burg, ausser dem leid, durch die heide, in ein nez, in die virre, von jm. (got) l., zur himmelspforte, zu der hand, zu einer se, zu jm. (got), zu js. geburt l., etw. in den (ab)grund lockend sein, mit Präpositionalangabe des Mittels: [jn., dem falken / vogel] mit -as / fleisch / lieblichkeit l.; subst.: den valken mit locken reisen. Wbg.: löckeln, lokker ›Lockvogel‹, löckern, lokbis ›Anregung‹

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(a. 1587), lokfleisch ›Köder, Aas‹ (um 1400; dazu bdv.: vgl. as 4, anbis, 1luder 1), lokgauch ›Lockvogel‹ (ütr.), lokgeld (bdv.: ludergeld), lokluder (um 1400), lokpfeife, lokschnur eine Schnur, mittels derer der Habicht abgerichtet wird (a. 1480), lückern. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 15096 (preuß., um 1330/40): dıˆ [truht] vor in weich in semftir vlucht 兩 sich vaste mit in zockinde 兩 und in dıˆ virre lockinde. Luther, WA 19, 185, 10 (1526): auff das er [der welt furst] uns nicht aus unser wehre und burg locke. Ebd. 51, 653, 7 (1535): Kan nicht ein hünd aus dem ofen locken. Peil, Rollenhagen. Froschm. 636, 4053 (Magdeb. 1608): Das jhrs / wie ichs befohlen / macht / 兩 Jhn fein locket zu vnser See / 兩 Da sol jhn werden bange vnd weh. Helm, H. v. Hesler. Apok. 18843 (nrddt., 14. Jh.): Die lucket her mit worten 兩 Zur vronen himel porten 兩 Als valken mit dem lodere. Quint, Eckharts Trakt. 220, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): soˆ gibet unser herre daz solchen liuten durch ein lückern und durch ein reizen. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 258a, 25 (Frankf./M. 1649): welche von hauß zu hauß / eine ansehenliche summe˜ erhoben / vnd jhne [Bawern] zu lock oder Ludergelt Pro artha zubracht haben. v. Tscharner, Md. Marco Polo 24, 26 (osächs., 2. H. 14. Jh.): noch der ordenunge des grozen chaam sten czen tusint man [...] czu reysin di vogil und czu lockin wen des czit ist, das man yn neme den roub. Enders, Eberlin 3, 9, 13 (Erfurt 1523): Die MÈnch wËllen also ewer gewaltig werdenn, so sie ewer kynd lËcklen yn yhre netz. Stackmann u. a., Frauenlob 4, 114, 10 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): mit der vünde vleische 兩 locke ich im [valke] so, daz er zuhant spürt, daz ich in eische. 兩 wart er mit kunst gelocket ie, licht wirt im ruf geneme. Gille u. a., M. Beheim 331, 185 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Ich hub mich auff die spor 兩 und ward in [valke] aber raissen 兩 mit laken und ach paissen. Vetter, Pred. Taulers 54, 9 (els., E. 14. Jh.): aber hiemitte locket und loste er [herre] su´ [fru´nt] uz in selber und usser allem leide der gevengnisse. Ebd. 220, 3 (1359): Dis wort das ist eigenlichen des himelschen vatters und leitet und locket uns zuo siner geburt. Ebd. 334, 35: so enist kein widerwertikeit [...], ja och gebreste die uf den menschen vallent, es ensi alles leitende und lockende und tribende in den grunt. Rieder, St. Georg. Pred. 167, 1 (Hs. 2önalem., 13879): ,ir sont‘, spricht er, ,Got minnen von allem hertzen, also daz u´ch kain Ándru´ sÈskait von im loke. Fuchs, Murner. Geuchmat 254 (Basel 1519): Des hant sy mich ein gouch geschetzt, 兩 Vff dass [...] 兩 [...] ich ein lockgouch vor dran sey. Ebd. 815: [die geuchin] wolt des gouchs gern ledig syn. 兩 Warumb lockt sy jm dann haryn? Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 40, 11 (Straßb. 1650): der doch mit all sinem verstand kaum einen Hund könte auß dem Offen locken. Rennefahrt, Gebiet Bern 413, 6 (halem., 1617): soll ouch niemandt, [...], den rhäbhÈneren nachsetzen, [..., ouch kein vorstehnden hund, noch lockeren bruchen. Maaler 166r (Zürich 1561): Mit lieblichkeit der stim˜ gefangen / oder eynhin GelËckt. Dict. Germ.Gall.-Lat. 3b (Genf 1636): AbbÁyssen / durchs BÁys

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locker − locotenent

abrichten oder herzu locken. Ebd. 309, 5: Lockpfeiffe / [...]. Aucipitis fistula. Bobertag, Schwänke 397, 13 (Augsb. 1548): der [Franzose] hat in mit gueten worten biß uf die frontiren, da sich das Teutschlandt und Lottringen schaiden, gelöckert. Barack, Zim. Chron. 2, 535, 29 (schwäb., M. 16. Jh.): Die [dochter] hab er zu im in sein gemach hinauf gelöckert. Ebd. 3, 60, 9: hernach gerow es graf Hannsen. das er dise gueten frawen von Insprugk heraufs het gelückert und ir ain solchen abschiedt gegeben. Henisch 173 (Augsb. 1616): anbiß / damit man die VËgel vnnd fisch locket. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 254, 21 (oobd., 1349/50): diu slang locket die mureˆn auz dem wazzer mit sänftem wispeln. Klein, Oswald 19, 19 (oobd., 1416): Der ainen vogel vahen müss, 兩 das er im nicht emphliege, 兩 der tü im richten, locken süss, 兩 domit er in betriege. Munz, Füetrer. Persibein 366, 7 (moobd., 1478/84): wo er solich lu´eder sach zw streit, 兩 da torfft man im mit veder as nicht locken! − Strehlke, a. a. O. 20369; Quint, Eckharts Pred. 2, 467, 4; Stackmann u. a., a. a. O. 5, 114, 11; Hˆr, Urk. St. Veit 256, 2; Klein, a. a. O. 38, 18; 42, 77; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 138; 140; Maaler 274v; Schweiz. Id. 4, 1694.

2. ›jn. psychisch zu etw. bewegen, veranlassen, reizen, verlocken‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: anreizen 1, neigen, reizen, weigeln, ziehen, zielen; vgl. anfechten 4, allizieren, attrahieren, 2laden 2. Ggs.: dreuen, schrecken. − Synt.: got, den teufel / argen, das herz, js. schmak, Jerusalem l., jn. freundlich / lieblich / senlich, mit dem lone l., jn. zum glauben, zur busse l.; das evangelium (Subj.) l., das gleichnis l., die warnung l., das [...]; dem kämpfer, dem guten, dem verständnis l.; subst.: ein locken zu etw. haben, sich mit locken bemühen, jn. mit locken zu etw. bringen. Wbg.: lockung (bdv.: reizung). Schˆpper 4a (Dortm. 1550): Illicere. Anreitzen weigeln locken. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 40, 2 (preuß., M. 14. Jh.): sprecht Jherusalem zu herzen und locket [Worms. Proph. 1527: schreyet; Eck 1537: berÈfet; Luther 1545: prediget ir] si. Helm, H. v. Hesler. Apok. 9915 (nrddt., 14. Jh.): sie suenten Gotes zorn 兩 Und Got dachten locken 兩 Mit stieren und mit bocken. Ebd. 15479: Dem guten ist gut zu sagene, 兩 Den argen sal man locken. Luther, WA 6, 214, 3 (1520): die musz man wie die jungen kinder locken und reitzen mit den eusserlichen [...] geschmuck, leszen, beten. Ebd. 8, 518, 11 (1521): ßo wirstu [...] sehen, [...] das er dich lieblich und freundtlich locket und reitzet, an tzunemmen, das er dyr schencket. Ebd. 45, 479, 33 (1537): alles, damit der Teffel reitzen und locken odder schrecken [...] kan. Quint, Eckharts Pred. 1, 225, 18 (E. 13./A. 14. Jh.): das lamp i spiset vnd kleidet vnd tuto das alse gÈtlich, vnd das sol vnserm verstentnisse loken. Ebd. 334, 2: Daz ander werk ist, daz ez iemermeˆ locket dem guoten. Ebd. 2, 623, 4: ich haˆn in

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geruofet und in geladen und haˆn in gelocket, und in mich ist komen der geist der wıˆsheit. Ders., Eckharts Trakt. 33, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): glıˆchnisse vliuzet von dem einen und ziuhet und locket von der kraft und in der kraft des einen. Jahr, H. v. Mügeln 465 (omd., Hs. 1463): biß das ich [Musica] in des herzen gruft 兩 lokte got, als es im zam, 兩 und menscheit von der meide nam. Neumann, Rothe. Keuschh. 4612 (thür., 1. H. 15. Jh.): wer den tuvel locket 兩 unnd in fleischlicher liebe ist vorstocket, 兩 [...] 兩 so ist vollenbracht di unselickeid. Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 149, 1274 (Zwickau um 1540): Ihr seht das ich / 兩 Mit reitzen / locken / schrecken fleissiglich 兩 Mit hend und fÈssen mich bemÈhen thu. Mayer, Folz. Meisterl. 55, 75 (nobd., um 1480): Jungfraw, dein reynes plut so millt 兩 Dem kempfer locket unde zyllt. Gille u. a., M. Beheim 21, 28 (nobd., 2. H. 15. Jh.): das mein inwendiger smak 兩 mit eitelkait nicht also werd geloket. Vetter, Pred. Taulers 25, 27 (els., E. 14. Jh.): wie der mensche sine gesiht het uzgekert und irre get, doch so het er ein ewig locken und ein neigen herzuo und enkan kein raste nirgent han. Rot 289 (Augsb. 1571): allicion, o Hohmann, zendlung / raitzung / lockung / anmuttung. H. v. Langenstein. Untersch. 63, 32 (moobd., 1. H. o der anrue15. Jh.): soltu wissen, daz die vodristen ursprung rung [...], die da [...] lokchent vnser hertz, drey sint: die gewono geist vnd der pËse geist. Klein, Oshait der natur, der gute wald 61, 33 (oobd., 1417): so la dir, herzlieb, aberfrein, 兩 des ich lang hab gebitten, 兩 und das mich senlich locket. − Luther, WA 8, 525, 9; 10, 3, 401, 18; 12, 535, 16; 52, 514, 6; 546, 35; Quint, Eckharts Trakt. 46, 16; Strauch, Par. anime int. 41, 20; Sachs 15, 138, 36.

3. ›verlocken, verleiten (als dem Bösen, der Sünde inhärente Disposition); jn. verlocken, verleiten‹; eng an 2 anschließbar. − Bdv.: betriegen 1; vgl. abfüren 4, ankürren, bestricken 3, betören 2, verfüren. Neumann, Rothe. Keuschh. 2653 (thür., 1. H. 15. Jh.): die hubscheid das hertze betruget, 兩 di girikeid ess locket. Ebd. 2759: di notdorfftikeid vorder locket 兩 das der mensche dar ynne vorstocket. Fuchs, Murner. Geuchmat 880 (Basel 1519): Agstein zücht nit so hefftig an, 兩 Alß so ein wyb wol locken kan. Adrian, Saelden Hort 4678 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): so dann der tiefel nit verbirt 兩 siner alten du´ke 兩 und dir beginnet lu´ken 兩 ze gaislicher hohvart. − Neumann, a. a. O. 3059.

locker, löckern, s. locken 1. lockicht, s. lok 1. lockung, s. locken 2. locotenent, der ; aus lat. locum tenens (s. Georges 2, 693, unter B 1). ›Inhaber eines hohen militärischen Ranges, Befehlshaber‹.

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locuste − lode

Gille u. a., M. Beheim 453, 1079 (nobd., 2. H. 15. Jh.): er waz mit seinem namen 兩 Her Anthoni Marcell genennt 兩 und waz die zeit lokodenennt 兩 Und obrister verweser do 兩 dez patriarchen tumbs also.

locuste, die; aus lat. locusta ›Heuschrecke‹ (Georges 2, 694). ›Heuschrecke‹. − Zur Mundartgeographie von ,Heuschrecke‘ s. Dwa 4. − Bdv.: heuschrecke; vgl. berschrek, grille 1, haberschrek. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 12, 18 (Straßb. 1466): Wan sein essen waren locusten [Var. 14752−1518: hewschricken; Luther 1545, Mt. 3, 4: Hewschrecken] vnd wildes honig. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 150, 13 (oobd., 1349/50): Locusta ist ain vierfüezigz tier [...]. daz ist klain und haˆt ain groˆzez haupt, daz ist flaischig und ezzleich. − Gerhardt, Meister v. Prag 7, 19.

lode, der ; -n/-n. 1. ›Loden, unveredeltes grobes Wollstoffgewebe, so wie es vom Webstuhl kommt‹. − Gewisse Beleghäufung für Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: ein lödlein eintragen ›untaugliches Garn einweben‹ als Basis für ›betrügen‹ (Rˆhrich, Lex. sprichw. Raa. 2, 1988, 607). − Synt.: l. wirken / färben / kaufen; der lode seines rechtes nicht haben; etw. von loden sein; tuch von loden. Wbg.: lodeling wohl ›Lodenstück‹, lodeman ›Wollabfall‹ (-man als Kurzform von manipulus auffaßbar?), loden ›aus Lodenstoff‹, lodenhändler, lodenquast Bezeichnung eines Mönches (motiviert durch seine warme Bekleidung), lodentuch, lodenwerk ›Lodenstoff‹, loder ›aus Loden‹ (Adj.), lodix (latinisierende, abwertende Bildung für ›Tochter eines wolwirkers, loders?‹), lodweber, lodwerker, lodzeuger. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 468, 22 (preuß., 1427): und haben vor das beste gewegen, das man alle groe laken hir im lande von gleicher gutter wulle und habe machte und in keyner stat boze wolle vorarbeite, als asscherwolle, rouffwulle, lodeman und dergleich. Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 134, 1 (md., 1315): von dem lodinwerke IV den. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 519, 10 (Frankf. 1563): In der nacht [...], begundte die closter- und mönchskeuschheit bruder Loddenquast zuo kützeln und stupffen. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 22, 80 (osächs., 1523/4): die warzeichen des kammes, dadurch das [tuch] gemacht und das lödeling, das davon geschnitten, noch mit den leisten, die an dem loden gewest sollen, ine genuglich zu recht nicht uberweisen. Wiessner, Wittenw. Ring 169 (ohalem., 1400/08): Ir geplait [s.

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dazu den Kommentar zur Stelle] daz was von loden 兩 mit häw und stro wo underschoben. Hipper, Urk. St. Ulrich 197, 26 (schwäb., 1411): pannus griscus et communiter ludentuch dictus. Chron. Augsb. 1, 252, 13 (schwäb., 1362): F. Koch lodweber, [...], it. Hans Luchlin ledrer. Ebd. 8, 175, Anm. 2 (zu 1563): auch etlichem tuech von loden, jedem vier, fünf oder sechs elen, darnach die armuet mit clainen kindern verhanden. Ebd. 9, 222, 10 (1544/5): der maist tail lodweber und sonst barchatweber, im spil gewesen sendt. Dirr, Münchner Stadtr. 218, 19 (moobd., 1310/2): Hat der lod seines rechtes niht, so sol man in angevaer geleich en driu sneiden. Ebd. 220, 7: Swelich drum oder lod datz gaeu geworht wirt, hat ez sein reht datz der wage, so sol man ez vaerben. Ebd. 462, 5 (um 1365): Der saetz sind pfleger: ein lodzewger, ein watmanger und ein weber. Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 1738, 5 (moobd., o. J.): ein Streit zwischen dem hannsgrofen und zwischen dem hantberich weraittern, lodberichern und webern. Reithmeier, B. v. Chiemsee 30, 2 (München 1528): Das ander wickel ist vnzügig, daraus nichts anders werden mag dann grob loden tuoech. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 184, 27 (noobd., 1541): ein wolwürcker het 2 töchter, wasend zimblich hübsch, lagend 2 margrafen im zehetstadll [...], heten kundtschafft gemacht mit den 2 lodixn, [...], fürtens hinwegk. Mell u. a., Steir. Taid. 128, 26 (m/soobd., 1687): Die kramer, handelsleut und lodenhändler wollen und sollen insimili ire gewichter und eln denen bei gericht befündenden [...] eln gleich halten. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 173, 39 (m/soobd., 1662): welche sich mit dem fürkauf [...] understehen wolten, doch nit burger sein, alß mit kaufmanswahren, [...], dann auch in honnig, loden, leinwath, schmalz, spök, kälber, lemper. Ebd. 305, 42 (15. Jh.): ein löden gejadtroek. Stolz, Zollwesen 71, 13 (tir., 1420): zwilich, loden, Regenspurger tücher, leineintuch, spinat, gölsch, geit ain rössam VIII gr. − Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 470, 33; Uhlirz, a. a. O. 2, 2, 2198, 46; Siegel u. a., Salzb. Taid. 239, 10.

2. ein Maß für eine Gewichts- oder Flächenmenge von Loden; das Glossar zu Dirr (s. o. unter 1) gibt 100 Ellen für grobes und 90 Ellen für veredeltes Gewebe an. Die Belege lassen keine sichere Entscheidung darüber zu, ob das Gewicht oder die Fläche gemeint ist. − Obd. Schnelbˆgl, Salb. Karls IV. 67, 15 (nobd., 1366/8): von iedem loden, die man von Beheim herauz fürt, 4 hl. Chron. Augsb. 1, 31, 18 (schwäb., zu 1373): graw loden und weizz loden git ieder lod 2 ß. M¸ller, Nördl. Stadtr. 110, 29 (schwäb., 1423): ein gantzer lode, davon git der verkaufer und kaufer, die geste sein, ieder 6 den. Weitz, Albich v. Prag 137, 16 (Hs. 2oobd., A. 16. Jh.9): Wenn ain wund zu fast plÈt so prenn ainen loden zu puluer vnd thuo es jn die wunden. Niewˆhner, Teichner 23, 2 (Hs. 2moobd., 1360/709): auz einem loden er [sneyder] snaid 兩 maniger varb dann iemant vant. Bastian, Runtingerb. 2, 74, 21 (oobd., 1386): der parichant hat der Hainr. Dur-

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lode − lödinger

rensteter selber webalden 7 Mailanischer und ain tritail ainz graben loden. Turmair 5, 54, 33 (moobd., 1522/33): ich will ir [kaiserin] auch ain solchen loden, ain solchs garn schwaifen, das si auch nimmermeˆr außweben sol. Stolz, Zollwesen 113, 2 (soobd., 1583): Von tragen, was ainer tragt: Von einer trag kramerey 3 pf., schweinfleich 3 pf., loden 3 pf., leinbath oder rupfen 3 pf. − Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 247, 84; Bastian u. a., Regensb. UB 399, 21.

3. ›Haare, Haarbüschel‹. − Wbg.: lodecht wohl ›zottig, behaart‹ (von einem nicht identifizierbaren wilden Wesen). Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 13, 21 (preuß., M. 14. Jh.): struse werden do wonen und di lodechten [Froschauer 1530: wald men˜lin; Dietenberger 1534: harichte waldmenlin; Eck 1537: teufels gespÁnst; Luther 1545: Feld geister] werden do springen. Ebd. 34, 14: der lodechte [Luther 1528: feldgeister ; 1545: Feldteuffel] wirt rufen einir zu deme andirn, do hat geniste di lamia. H¸bner, Buch Daniel 5798 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Des houbtis lodin [waren] clerer me 兩 Danne die wize wollen. − Schmitt, Ordo rerum 217, 8.

lode (die), s. lote. lodecht, s. lode 3. lodelecht, s. lodeln. lodeling, lodeman, loden, lodenhändler, lodenquast, lodentuch, lodenwerk, s. lode 1. lodeln, V. ›lose, schlaff herabhängen, wackeln‹. − Bdv.: vgl. gnappen 4, gnauken. − Wbg.: lodelecht. Maaler 274v (Zürich 1561): LodlÁcht / Luck / Nit knüpfft / Relaxus, Vietus. Hulsius L ivv (Nürnb. 1596): Lodelecht [...]. Lodelechte seyl. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225 (Belege für lodeln, um 1500).

loder, lodner (letzteres seltener), der ; -s/-π. ›Lodenweber, Verfertiger groben Wolltuches; Händler mit Lodenstoff‹; mehrfach als Berufsbezeichnung gebraucht, mit Tendenz zum Familiennamen. − Obd. − Synt.: der l. loden machen, wolle kaufen, jm. etw. leihen; dem l. etw. (ver)stelen, erlauben, das [...]; Simon loder, Konrad der loder ; die zunft von lodern. Wbg.: loderfarbe ›Farbe (als Stoff), mit der der Loder seine Tuche färbt‹, loderin, lod(n)erzunft. Schultheiss, Achtb. Nürnb. 18, 3 (nobd., 1299): Weiglo carnifex, Symon loder, Gretzer carnifex. Ebd. 109, 3

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(1383): Peterin von Regenspurg hat sich geurteilt von der stat 10 jar und 5 meyl hindan darÈmb, daz sie den verbern und lodern wollen und garn verstal. Chron. N¸rnb. 3, 331, 10 o der lodner [...] uns hat gelihen (nobd., 1349): daz Chunrat vierzig pfunt haller. M¸ller, Nördl. Stadtr. 208, 7 (schwäb., 1446): Dieselben plonckinger sol man nit ferben mit kainer loderfarb und sol sie tragen für die schawer. Chron. Augsb. 7, 154, 17 (schwäb., zu 1548): Die geschlachtgewanderÚ oder loderzunft. Jtem die gewesen zunft von den geschlachtgewandern oder lodern, die haben kein aigen zunfthaus gehabt. Ebd. 8, 346, Anm. 2 (schwäb., zu 1548): Die schuster, lederer, kramer, schneider, becken, metzger, vischer welen auf iren zunftstuben [...], die loder auf dem Rathaus in irem gewelb. Memminger Chron. Beschr. 8, 17 (Ulm 1660): Grawtucher oder LodnerÚZunft / bey welchen sich finden die Balbierer / Bader / Hutmacher / FÁrber / ZeugwÈrcker. Niewˆhner, Teichner 600, 44 (Hs. 2moobd., 14689): Von manigerlay hant werchern [...] alfanczer: ratgeben, 兩 weber: garen frett, 兩 loder: wollen czett. − Vock u. a., Urk. Nördl. 2218 (Regestbeleg mit loderin, a. 1442); Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 576, 16; Rwb 8, 1380.

loderasche, s. lodern. loderfarbe, loderin, s. loder. lodern,V. ›lodern‹; ütr.: ›unkontrolliert handeln‹. − Bdv.: vgl. aufbrinnen, auffunken, ausflammen, lälchen. − Wbg.: loderasche. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 20925 (preuß., um 1330/40): Diz tuˆvelische luˆdren 兩 baz unde baz intzuntte 兩 der tuˆvil unde schuntte 兩 sıˆ soˆ lang in abgrund, 兩 unz zwischen in des zornis brunst 兩 began soˆ vreislich brinnen, 兩 daz [...]. Luther, WA 10, 1, 1, 460, 6 (1522): es [Gesetz] weret, das wyr nitt frey erauß loddern. Ebd. 18, 137, 29 (1525): was Gott nicht ordenet eußerlich, da loddern sie eraus, alls weren sie unsynnig. Ders. Hl. Schrifft. Joel 2, 5 (Wittenb. 1545): wie eine Flamme loddert im stro. Ebd. Weish. 2, 3: so ist der Leib dahin / wie ein Loderassche / Vnd der Geist zu fladdert. Sachs 19, 422, 23 (Nürnb. 1563): So liget der leib und ist todt, 兩 Wie ein lodr-asch im fewer rot.

lodex, Genus? wohl Spielform aus Codex legis. ein Ausdruck zur Verhöhnung der Rechtsgelehrsamkeit. Spanier, Murner. Schelmenz. 2, 11 (Frankf. 1512): o kinder, die gulden zal, 兩 Codex / lodex / decretal, 兩 Hurn [...] 兩 So hilfft keyn bleyen sigel dran.

lödinger, der, so der Ansatz bei Lexer (1, 1951), mit Hinweis: „vermutl. entstanden aus spätröm. onager“ (›Waldesel; Kriegsmaschine‹; Georges 2, 1247). ein Belagerungswerkzeug.

lodix − loh

1327

Pyritz, Minneburg 111 (nobd., Hs. um 1400): Tribok, blyden, mangen, 兩 Ebenhoch, lonker, katzen 兩 Torst ir [der burge mÈr] gar wenig tratzen. Bremer, Voc. opt. 29050 (wobd., 1528 ff.): Aries lËdinger [...] wider [...] lËngger [...] lendger [...] lÁnger [...] lËnegger [...] proprie est animal lanigerum et cornutum [...]. Et transsumitur ad significandum instrumentum bellicum, scilcet trabem fortis roboris ferro solido prearmatam, que sub medio testudinis celeriter agitata muros constringit hostiles. Adrian, Saelden Hort 6521 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): daz eben hË noch kazzen 兩 da nieman mag noch longner 兩 [...] 兩 mit nu´t dar uf dringen. − Voc. Ex quo, A 691.

lodix, s. lode 1. lodner, lod(n)erzunft, s. loder. lodweber, lodwerker, lodzeuger, s. lode 1. 1

1

löffel, s. leffel.

2

löffel, s. 2leffel.

logarithmisch, Adj. ›logarithmisch‹. M. Cunitia. Ur. Prop. 148, 41 (Öls 1650): Es stellen aber diese Tabeln dar / [...] / waß die TABULÆ RUDOLPHI in Logarithmischen zahlen verhÈllet in sich halten.

logelich, s. logen. logen, die. ›Lüge‹. − Bdv.: vgl. lüge 1. Ziesemer, Proph. Cranc Jer. 9, 3 (preuß., M. 14. Jh.): ire zunge haben si uzgeract als eynen bogen der logene. Fischer, Brun v. Schoneb. 2784 (md., Hs. um 1400): also ist von boser logene 兩 di da gesundit ist uf trogene.

logen, V.; vgl. läugnen; zur Form s. Dwb 6, 340; Verwijs / Verdam 4, 724. ›etw. läugnen, abstreiten, in einer Rechtsangelegenheit nicht geständig sein‹. − Nrddt. / md. − Bdv.: 1lügen. − Wbg.: logelich ›lügenhaft‹, logener, logenmäre ›Lügengeschichte‹, logenstrafen ›jn. der Lüge beschuldigen‹, logenung ›Gegenteil, Aufhebung‹ (s. u. Beleg Quint). Grosse, Schwabensp. 196a, 9 (Hs. 2nd./md., um o 14109): louchent aber her, man sol in des vberzugen mit den o o geschuben des roubes, ob man de hat. Quint, Eckharts Pred. 1, 253, 4 (E. 13./A. 14. Jh.): ,der da ist, der hat mich gesant‘, der da sunder namen ist, der ain lo´genung aller namen ist vnd der nie namen gewan. Fischer, Brun v. Schoneb. 5758 (md., Hs. um 1400): daz ist ane logene war. Chron. Kˆln 1, 3154 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): it is vns en kranck zoverlait 兩 daz vns vnse geistlich vader, 兩 [...] 兩 wat

1328

hie vns swirt off beschrift 兩 dat hie des ein logener blift. Ebd. 5135: jd [wonder wort] lude in logelichen vort, 兩 men en moichtes geleuunen neit. Ebd. 296, 3: so wie die selve warnunge und logenmere [...] in des selven hern Heinrichs instrument [...] geschreven steit. Behrend, Magd. Fragen 33, 19 (omd., um 1400): Ab eyner lögen stroffte den rat und spreche, das man deme rate nicht glouben solde, [...]. Ebd. 170, 31: Wil abir der antwortter sulcher scholt loucken unde do vor unschuldig werden, das mag her thun selbsebinde. − Grosse, a. a. O. 51a, 7.

logener, s. logen (V.). logenhaftig, Adj. ›verlogen, täuschend‹. − Bdv.: arg (Adj.) 4, häl 2, heuchlerisch, los (Adj.) 11, tenk 2. Ziesemer, Proph. Cranc Jer. 8, 8 (preuß., M. 14. Jh.): der logenhaftige griffil der schribherren hat logene gewurcht. Ebd. 29, 21: dis spricht [...] got zu Achab Thulien und zu Sedechiam Masyen son, dy uch wissagen in minem namen loginhaftiglichen [Luther 1545: falsch]. Ebd. Ez. 13, 7: habit ir nicht gesayt eyne loginhaftige worsagunge?

logenmäre, logenstrafen, logenung, s. logen (V.). logieren, s. losieren. logistisch, Adj. ›mathematisch, rechnerisch‹. M. Cunitia. Ur. Prop. 163, 32 (Öls 1650): so giebt der winckel / [...] / das / aus ihrer multiplication erwachsene product, in Logistischen oder Astronomischen sorten. 1

loh, das / die (letzteres etwas seltener); −/auch -π (zu das); zu mhd. loˆ ›Gerberlohe‹ (Lexer 1, 1946). 1. ›Lohe, gerbsäurehaltige Rinde (speziell von Eichen)‹; als Metonymie auch: ›Lagerplatz für Lohe‹; offen zu 2. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Wbg.: loheschälen, lohkäse ›gemahlene Lohe‹ (a. 1322), lohklos ›in die Form eines Rasenstückes gebrachter Lohkäse‹, lohknolle abwertende Bezeichnung des Gerbers, lohrinde, lohstadel (Gw zu stadel 2), lohstampfe (Gw zu stampfe 2), lohstampfen, lohstampfer. Ziesemer, Gr. Ämterb. 14, 3 (preuß., 1410): dem schumeister gibt der huskompter 10 m. uff loe czu ostern. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 509, 36 (rib., 1624): Das laufstreffen des gewalts, der gleichen das lohe und lintschelen, [...] sollen [...] abgeschaft sein. Chron. N¸rnb. 1, 413, 5 (nobd., 1445): heuslein bey der drottzieher mül, do etwa ein lostadel stund. Ebd. 2, 335, 1 (1449): die dingk an den mangel ist gewesen in dem krieg. it. mangel an loe. Lexer,

1329 Tucher. Baumeisterb. 90, 6 (nürnb., 1464/75): also das sie [paumeister] nach loe hieben und darzu dasselb holtz zu und fur ir eigen kalcköfen furten. Voc. Teut.-Lat. t jv (Nürnb. 1482): Lokese od’ loekloß. cerduleu˜ cespes [...] od’ ein wase. Sachs 17, 238, 12 (Nürnb. 1562): [er, schulck] nennt den ledrer ein lohknoln, 兩 Den huter ein pfoschenfiltz mit woln. Geier, Stadtr. Überl. 474, 31 (nalem., 1555): Von ainem sack low oder äschen geben keufer und verkeufer jeder ain phening. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 508, o 13 (halem., 1430): Es klagt Ruschman Weninger , der gerwer[...], uff RÈdin Vetterli, [...], wie sich fügte, das er von u einem von Berotswil lorinden kofte. Bremer, Voc. opt. v v [...] lorindi [...] 21009 (wobd., 1328 ff.): Frunium lorinde lorind. M¸ller, Nördl. Stadtr. 298, 18 (schwäb., 1510): Ledrer ordnung der zeit lawstampfens halb, [...], so man fürkaufen soll. Fuchs, Urb. Göttweig 188, 24 (moobd., 1322): Wolflo Cerdo de lauchstampf 1 den. Dirr, Münchner Stadtr. 634, 14 (moobd., um 1280): solvunt 51 lb et dimidiam lb dn una cum walchstampf. Item de lochstampf 5 lb. Qu. Brasso´ 5, 428, 28 (siebenb., 1612): Zu dieser Zeit hot das Korn gulden fl. 2 ein Romp, 1 Sack Luu fl. 2. − Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 121, 21; Winter, Nöst. Weist. 1, 982, 11; 3, 659, 4; Bremer, a. a. O. 21005; Schmitt, Ordo rerum 224, 2; Schweiz. Id. 3, 519; 11, 484.

2. ›Gerbsäure aus 1loh 1‹; Metonymie zu 1. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras. (zu lohgerber): from als ein lohgerber in Alexandria ›scheinfromm‹. − Wbg.: lohakzise ›Steuer auf gegerbtes Leder‹ (a. 1572), 1lohen ›gerben‹, lohgerber (dazu bdv.: ledergerber), lohhaus ›Gerbhaus‹, lohhof sprechender Name für einen Stadtplatz, lohmachen ›gerben‹, lohmacher ›Lohgerber‹, lohzehent eine Abgabe auf Gerberrinde oder daraus gewonnene Gerbsäure, lohzins. Ziesemer, Marienb. Ämterb. 140, 20 (preuß., 1406): und wart im gelossen als hirnoch folgt: [...] im gerbhafe primo 30 ledir im lo, item 30 ledir in der assche. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 706, 20 (preuß., 1446): das keyn rymer anders gortelle, ryme, czome, halffter [...] mache, dan von ledir mit allaune geerbeit unde nicht mit loe gegerbet. Luther, WA 32, 68, 8 (1530): ein stym von himel, die sagt yhm also, Er were so from und gut als ein lohgerber [...] zu Alexandria. Loesch, Kölner Zunfturk. 134, 23 (rib., 1397): Vort so en sal nieman van in up die vurs. dage vell us der loe uphangen noch vell us der loe upheiven. Ebd. 2, 348, 19 (1462): dat van nu vortan nemantz irs amptz einige wisse, geloude kalffel weder neimantz gelden sal dan weder demgenen, de si selves machent. Ebd. 409, 5 (1465): dat man die susteren [...] brengen soele na schrijnsrecht an die hoefstat genant der Lochoff. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 370, 30 (rib., 1605/6): M. Evert Lutzenkirchen fur lohezin 3 fl. 9 alb. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 603, 8 (mosfrk., 1484):

loh

1330 una parva decima, que loezende dicitur, que raro colitur. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 56, 5 (Frankf./M. 1568): Darnach wirff ich sie [Kalbfel] in das Loh / 兩 Da sie jr ruhe ein zeit erlangn. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 743, 17 (thür., 1421): unde warff die stat muwir, do dass wasser loch ist, neder unde furte der lowhusser eyn teil enwegk. Voc. Teut.-Lat. l vv (Nürnb. 1482): Gerbe˜. frunire od’ loe mache˜. Ebd. l viijv: Gerber. frunitor od’ loemacher. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 334, 12 (halem., u nicht gerwen noch daz leder 1410 ): daz die gerwer mit lob nicht lind mit schmer machen sullen. Voc. Ex quo, C 359 (15. Jh.): Cerdo [...] en gherwer, en logherwer. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 174, 7 (oschwäb., 1371): die ledergÁri wen, daz si ainer ieglicher hute, die si garwen went, sont geben i i funf nuwi lo und ain altes. Dirr, Münchner Stadtr. 272, 18 (moobd., 1310/2): Man sol diu schaeffinen vel niur von irich wÈrchen und darzu allen churban fleun von dem lo, an dem as, als an dem aerben. − Luther, WA 32, 68, 30; Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 138, 6; 395, 18; 447, 37; Wilkes, Ev. Gem. Duisb. 38, 23; Pf‰lz. Wb. 4, 1019; Rwb 8, 1386. 2 loh, das; -es/auch löh, löcher ; zu mhd. ˆ loch ›Gebüsch‹ (Lexer 1, 1049); -ch-Schreibung teilweise erhalten. − Gehäuft Rechtsund Wirtschaftstexte. 1. ›Hain, Gehölz, Wald‹; auch: ›Waldweide‹; ›für Getreideanbau genutzte Waldfläche, Waldfeld‹; ›Holzanteil für den Berechtigten‹; in ersterer Nuance teils Bezug auf den Bewuchs, teils auf die Fläche und den Ertrag, teils auf die Schönheit des Waldes. − Bdv.: 1busch 1, holz; vgl. behulz, forst, gehölz 1, hag 2. − Synt.: ein l. [wo] haben; das l. sich mit laub verreuhen; des löhleins warten; das l. mit einem kleide (poetisch), das l. des meien, in dem walde; ein l. holz; 1 hurst l. Wbg.: lohfichte, lohfink ornithologische Zuordnung unsicher (vgl. aber Suolahti, Vogelnamen. 1909, 137; dort auch eine schles. Form 2luh belegt: a. 1603), lohreis ›Pflanzensetzling‹ (dazu bdv.: hegreis), lohtaube (bdv.: holztaube) ›Holz-, Stocktaube‹ (Dwb 6, 1101), lohung ›Waldnutzung‹.

Mitzschke, UB Bürgel 446, 20 (thür., 1444): Umb solche zweitracht und irthumb, der gewest ist [...] umb holtz und o lochunge. Hajek, Gute spise 53 (rhfrk./nobd., um o 1350): mache zvm iÈngesten ein klein lecker kËstelin von stichellinges magin vnd mucken fÈzze vnd lovinken zvngen, meysen beyn. Mon. Boica, NF. 1, 1, 22 (nobd., 2. H. 14. Jh.): Doselbst hot man auch einn loach, der heizet daz Erlech. Ebd. 393, 3 (1. H. 15. Jh.): 10 metzen korns von

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loh − loher

2 lohern und von eckern dotzwischen gelegen. Ebd. 681, 12 (1434): 3½ tagwerck wisen hat in mein herre in die obgeschriben lehen geben: und 2 lËhlein holtz, der sein bei 4 morgen. Dinklage, Frk. Bauernweist. 117, 39 (nobd., 1427/ 1503): Mer haben sye zu recht gesprochen, so einer ein loereys abhawt freventlich, so ist bues 5 웩. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 89, 30 (nürnb., 1464/75): do soll jener [...] nit hawen kein junge loo fiechten. Argovia 4, 263, 39 (halem., 1400/50): der zwing von Niederrordorf [...] goˆt hinder dem lo nider vnz an wisz acker. Maaler 274v (Zürich 1561): Lochtaub (die) Palumbes. Klein, Oswald 2, 29 (oobd., 1421): er [Gott] zieret perg und tal, die löch 兩 mit manchem klaid. Ebd. 83, 4 (v. 1409?): umb die zeit, wenn sich die löch 兩 mit grünem loub verreuhen. − Luther, WA 41, 620, 8; Mitzschke, a. a. O. 478, 5; Mon. Boica, NF. 1, 620, 8; 724, 2; Argovia 4, 264, 25; 296, 33; Klein, a. a. O. 47, 4; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225; Schles. Wb. 2, 818.

2. ›einzelner Pfahl oder Baum als Grenzzeichen‹; als Synekdoche an 1 anschließbar; möglicherweise aber auch verdumpfte Schreibung (und volksetymologische Umdeutung) von 2lache. − Bdv.: vgl. lochter 3. Argovia 4, 244, 21 (halem., 1535): Es sollen ouch yetzgemeldte bezirk, zwing vnd benn allweg [...] besichtiget vnd die lohen vnd markstein umbgangen werden. Winter, Nöst. Weist. 1, 947, 39 (moobd., 1512): wo die vierer gent [...] zu dorf und zu perg und nach irem trewen auszaigent und lochen stossent, und wer dieselben lochen hinwek pricht oder anders stost, der ist zu wandl umb 72 ∏. Ebd. 2, 423, 3 (1527, Hs. 19. Jh.): wer in iere hölzer gieng [...] und wer dann der erst in das holz ist und wils maisn, der sol nemen die wüphel und soll die locher all sten lassen. 3

loh, Genus? zu loh ›Sumpfwiese‹ (Dwb 6, 1128). ›stehendes Wasser‹. Voc. inc. teut. o vr (Speyer um 1483/4): Lou Palus [...] mos. Ebd. p ijr: lo Labina. palus. Winter, Nöst. Weist. 3, 168, 12 (moobd., um 1500): das das gotshaus [...] hat ain laken oder loo, da sol niemant auf vischen.

lohakzise, s. 1loh 2. lohampt, das; -s/−. ›Handwerk‹ sowie ›Zunft des Lohgerbers‹; vgl. 1loh 1; 2. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 134, 7 (rib., 1397): die meistere in broidere gemeinligen des loeamptz. Ebd. 2, 134, 30 (1410/27): unse herren [...] willent, dat alle diegene, die dat loeampt hantieren of de vell up den rinderen geldent. Ebd. 2, 332, 12 (1437): dat van nu vortan gein man an desem vurs. loampte einche vel weder einchen vurkeufer gelden sall dan in deme koufhuise.

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lohe, der/die; -n (für der)/−; zu mhd. lohe ›Flamme‹ (Lexer 1, 1952). ›Flamme, Feuerlohe‹; ütr. sowie in Vergleichen auch: ›das Lohen, Flammen (des Heiligen Geistes, der Minne)‹. − Älteres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch der Minnedidaxe. − Bdv.: feuer, flamme; vgl. gelohe. − Synt.: der l. in den himmel gehen, durch die luft fliehen, die l. sich hoch aufziehen; js. augen als ein l. sein; der heilige geist die sinne mit einer l. entbrinnen; der l. des feuers, der helle / minne; der heilige / hohe l. Wbg.: lohfeuer. Helm, H. v. Hesler. Apok. 1007 (nrddt., 14. Jh.): sich der heilige geist dar 兩 Gevrunde zu den sinnen 兩 Und sie der waren minnen 兩 Entprinne mit siner heiligen luon. Ebd. 1985: Sine ougen im waren 兩 Bi den snewiezzen haren 兩 Als eines roten vures lu. Ebd. 3017: Die tet ir beider geist entprant 兩 Mit siner waren minne luon, 兩 Daz sie mochte die werk getuon 兩 Die Got do wolde werken. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 101 (preuß., um 1330/40): daz uˆz sich goˆz des fuˆirs loˆ 兩 nÈn und vıˆrzig ellin hoˆ. Reissenberger, Väterb. 25158 (md., Hs. 14. Jh.): In des gebetes stunde 兩 Sach ich uz irem [vliegen] munde 兩 Zwei vuwer brinnen also ho 兩 Daz in den himel gienc ir lo. Strauch, Par. anime int. 83, 14 (thür., 14. Jh.): ie sich di lahe hohir ufzuhit fon deme dachte, ie he lichtir ist. Eggers, Psalter 62, 18 (thür., 1378): Gotis stimme di scheidet di lohe des fures. Pyritz, Minneburg 1959 (nobd., Hs. um 1400): Als eins nahtes enbrunnen were 兩 Der groß walt der Scherntzer 兩 Und vor fÈr geb hohen lohen. Stammler, Berner Weltger. 802 (ohav lem., 1465): FÈrent sy bald in der helle len, 兩 Min ogen mËgent sy nit ansen! McClean, Havich 2571 (moobd., Hs. 15. Jh.): das er pey im prynnen sach 兩 ein haselstauden, das der lauch 兩 hoch durch dy luft fleuch. Sudhoff, Paracelsus 3, 455, 35 (1526/A. 1527): Inflammationum: Lochfeuer. − Helm, a. a. O. 2028; 3541; Schmitt, Ordo rerum 19, 6. 1

lohen, s. 1loh 2.

2

lohen, lohezen, V. ›flammen, lodern, leuchten, brennen‹; zu lohe. − Bdv.: vgl. lodern. Pyritz, Minneburg 1572 (nobd., Hs. um 1400): Minez hertzen hus, daz ez an stÈre 兩 Stet in hohen lohens fure. Ebd. 1956: sie [frawe] kan auch also helle lochtzen, 兩 Als eins nahtes enbrunnen were 兩 Der groß walt der Scherntzer. Ebd. 4495: von der hitze uber flÈt 兩 Wart sie [frawe] zu mol do lochtzen. − Voc. Ex quo, F 316.

loher, der ; -s/-π ; statt des medialen -hauch -b- (lober, löber), -r- (lorer), -v- (lover), -w(lower).

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loherhandwerk − loica

›Person, die als Handwerker oder Händler mit Gerberlohe umgeht, Lohgerber, Lohhändler‹; die Belege setzen den loher meist thematisch voraus, rhematische Aussagen betreffen mehrfach die Konkurrenz zu kürschnern, pergamentern, sätlern, schustern, weisgerbern; vgl. 1loh 1; 2. − Gehäuft Rechtsund Wirtschaftstexte. − Bdv.: gerber, lederer. − Wbg.: loherhandwerk, loherzise (zum Gw s. akzise). Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 333, 25 (rib., 1441): dat die loerre [...], vortan ire vell vergaderen, baten ind hantieren soilen in ind vur dem Vleischhuis. Lau, Qu. Neuß 369, 22 (rib., 1501−2): Van der loererzisen overmitz de schomechere, ind so in weder gegeven sin 4 alb. Helbig, Qu. Wirtsch. 1, 104, 21 (md., 1437): Vor uns in dem sitzenden rate gemeiniglichen und vor dy handwerge sind kommen das handwerge der lower auf eyne unde das handwerge der schomacher auf dye andere partige. Buch Weinsb. 5, 248, 7 (rib., 1585): der groissen handel mit siden [...] getriben und dermaissen vor eines sclechten loerers sohn [...] prospereirt, das [...]. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 370, 11 (rib., 1605/6): M. Henrich Schlingen lenhrer die fehl zu beraiten 17 fl. Ebd. 382, 9 (1607): das die lohrer ihre lohe mit groessen haufen neben sainer erwurden maur aufschutten. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 281, 6 (hess., 1514): Es syn etliche artickell der funff hantwerckern nemlich kursenern, loewern, settelern, wyßgerbern und permentern [...], gegeben und bestetiget. Ebd. 2, 57, 10 (1579): Dise beyde gekorne meister sollen einen richter zu ihnen nemen und einem iglichen deß loerhandtwercks sein leder, ob er gar, recht oder unrecht, [...] bey ihren eyden besehen, [...]. (Eß) soll auch kein lohr einig aussbereit leder verkeuffen noch feil haben, es sei den [...]. Bergner, Urk. Kahla 104, 32 (thür., 1474): Ditz sind gesetze, wilkore und einigkeiten der schuster und loher. Mon. Boica, NF. 1, 43 ff. (nobd., 1475): Der satz der lobern [...]. Sie sollen besehen den lowern hie gesessen ir leder, das dz gerecht sei [...]. Auch sol kein lober kein kalpfele nicht keuffen, es sei denn lere. [...] so ist das hantwerk der lober des eins worden, das kein lower den knechten einicherlei fel einstossen sollen. Hoffmann, Würzb. Polizeisätze 184, 45 (nobd., 1479): Aller hantwercklewt knecht der hernach volgenden handwerk sind verbot und mit glubden und eyden beladen worden: Schuwartn, [...], metzler, lober, weyßgerber. − Chron. Kˆln 1, 250, 270; Chron. Mainz 1, 9, 31; 157, 12; Buch Weinsb. 4, 120, 8; Hoffmann, a. a. O. 201, 42; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 79; Rwb 8, 1385 (dort längere Kompositenstrecke mit loher).

loherhandwerk, loherzise, s. loher. loheschälen, s. 1loh 1. lohezen, s. 2lohen. lohfeuer, s. lohe. lohfichte, lohfink, s. 2loh 2.

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lohgerber, lohhaus, lohhof, s. 1loh 2. lohkäse, lohklos, lohknolle, s. 1loh 1. lohmachen, lohmacher, s. 1loh 2. lohmüle, die; −/-n. ›Lohmühle, Mühle, in der Eichenlohe gemahlen und Gerbsäure ausgepreßt wird‹; zu 1loh 1. − Wirtschaftstexte. Ziesemer, Marienb. Konventsb. 7, 30 (preuß., 1399): 12 m. deme schumeister di lomole czu bowen. Burkhardt, UB Arnstadt 59, 9 (thür., 1325): waz wir aber anderes unses vromen damıte lomÈlin [...] geschaffe mÈgen, daz sall ir gÈte wille sin. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 155, 16 (schles., 1358): daz wir czu Mittilwald [...] geschikkit [habin] Hof vnd stat, [...], kornmueln, lomueln, bretmueln vnd walkmueln. Qu. Brasso´ 5, 424, 37 (siebenb., 1611): In den Blomnau brennen uns die zwo Luumillen ob. − Ziesemer, a. a. O. 235, 31; Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 54, 22; Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 86, 8; 121, 1; Wyss, Limb. Chron. 64, 7; Kollnig, Weist. Schriesh. 185, 34 f.; Brinkmann, Bad. Weist. 191, 18; 192, 11; Mon. Boica, NF. 1, 554, 3; Bastian, Runtingerb. 2, 266, 31; Bastian u. a., Regensb. UB 59, 21; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 195.

lohreis, s. 2loh 1. lohrinde, lohstadel, lohstampfe, lohstampfen, lohstampfer, s. 1loh 1. lohtaube, lohung, s. 2loh 1. lohzehent, lohzins, s. 1loh 2. loica, die; zu mhd. loˆicaˆ, dies über lat. logica aus dem Griech. (Kluge/S., Et. Wb. 2002, 580). 1. ›Logik, Lehrsystem vom regelgerechten Denken im Rahmen der künste‹; meist im Orientierungsfeld mit mehreren bis allen der folgenden Wissenssysteme: aritmetica, astronomia, dialektik, geometria, grammatica 1, medizin, musica, philosophia, poeterei, rhetorica; metonymisch auch für ›Lehrbuch der Logik‹. − Oft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: 2lere 4, kunst; vgl. ausrechnerin, ausschneiterin. − Synt.: die l. mit im (refl.) füren; die l. (Subj.) eine kunst sein, aus dem grunde des glaubens fliessen; viel der l. können; aus der l. disputieren, sich durch die l. zieren, in der l. etw. suchen, jn. in l. erweisen ›unterweisen‹, in der l. [etw.] geschrieben stehen; die kluge / schöne l.; die kunst l. Wbg.: loicus.

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loicenmeister − loie

Reissenberger, Väterb. 22623 (md., Hs. 14. Jh.): Loyca ist ein tief kunst. 兩 Ir ist harte gute begunst 兩 Deme der zu kunsten wil. 兩 Kan er der loyken ˆe vil, 兩 Swelher kunst er dar nach gert, 兩 Der wirt er deste baz gewert. Wyss, Limb. Chron. 58, 3 (mfrk., Hs. 2. H. 16. Jh.): da lebete [1327 ff.] meister Johannes Buridanus, der zu Paris daz studium hatte geregiret [...]. Der wart geacht der beste loicus unde philosophus uf ertrich. Jahr, H. v. Mügeln 219 (omd., Hs. 1463): Die dritte kunst hiß Loica: 兩 die hilt sich zu dem keiser na. 兩 bleich unde mager ir gestalt, 兩 in scharfen sprüchen was sie balt; 兩 ein tuben truk ir rechte hant, 兩 ein slang sich durch ir linken want. v. Groote, Muskatblut 96, 30 (nobd., 1. H. 15. Jh.): Der kunyg Alexander der furt mit ym die ander 兩 vnd heisset loyca. Bihlmeyer, Seuse 328, 19 (alem., 14. Jh.): als da stat an der kunst Loyca, der name sËlti us sprechen die nature und redelicheit des genemten dinges. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 16, 2 (Straßb. 1466): Ich wil schweigen von den gelerten in der gramatick rethorick philozophia naturlichen kunsten. geometria vnd in den kunsten von der mas des erdreichs. vnd in den kunsten der loyca. vnd musica vnd astronomia. M¸ller, Nördl. Stadtr. 513, 14 (schwäb., um 1503): ain actum in loyca im summer, so es fünfe, im windter, so es sechse schlecht, anzufahen, den andern in gramatica, [...], und nach mittag den ersten actum in regulis gramaticalibus, in rethorica oder desgleichen. Niewˆhner, Teichner 581, 56 (Hs. 2önalem., um 14339): in der loyck geschriben stat, 兩 die natÈr und got sy ains. Wedler, W. Burley. Liber 122r (moobd., v. 1452): Dyodorus ain durchlewchtiger loycus vnd hat gelewcht in kryehisch lannd. − Lemmer, Schernb. Frau Jutte 304; Thiele, Minner. II, 31, 821; v. Groote, a. a. O. 99, 39; Sachs 15, 550, 10; Bihlmeyer, a. a. O. 176, 7; Sudhoff, Paracelsus 8, 321, 7; 14, 263, 3; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, S. 129. − Vgl. ferner s. v. arismetik.

2. ›regelentsprechendes, insofern logisches, aber mißbräuchlich genutztes, dem eigenen Vorteil dienendes Denken und Agieren‹, oft im Orientierungsfeld mit aufsaz 9, aufzug 6, list 3; 4, schwank, spiel, trügnis und im Ggs. zu gerechtigkeit 3; 4; teils ausdrucksseitiger Bezug auf lüge. − Häufig Verstexte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: l. brauchen / treiben; die l. (Subj.) jm. beiwonen; der l. studieren; durch l. etw. (z. B. eine böse sache) verfechten, in l. gelert sein, etw. in der l. schmecken; die neue l.; das gedicht, geblümte worte der l. Wbg.: loicenmeister. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 14, 4 (Frankf./M. 1568): Jch procurir vor dem Gericht / 兩 Vnd offt ein bËse sach verficht / 兩 Durch Loic falsche list vnd renck 兩 Durch auffzug auffsatz vnd einklenck. Sachs 21, 526, 19 (Nürnb. 1550): So ich, Ghrechtikait, pin petrogen, 兩 Geplendet woren an dem ort 兩 Durch loica geplümpten wort. Ders. 20, 341, 20 (1567): Darnach sind auch begriffen endlich 兩 Schulkünst,

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straffler, loica, renck 兩 Auch mancherley kurtzweilig schwenck. Martin, H. v. Sachsenh. Jesus 95 (schwäb., 1453): o Trutz das kain guter artzat sei 兩 Er künd dan wol astronomy, 兩 Will im die loyc wonnen bei, 兩 So stifft er alzeit main und mord. Sudhoff, Paracelsus 9, 229, 21 (1531/5): es ist nicht minder ir schmeckent etwas in der astronomia, etwas in der philosophia, etwas in der logica, aber das ir schmeckent is weder kalt noch warm. B‰chtold, N. Manuel. Barb. 184, 1413 (Zürich 1526): Ich han in der loik gestudiert, 兩 Aristoteles hat mich bi der nasen gfüert. Barack, Zim. Chron. 4, 220, 17 (schwäb., M. 16. Jh.): Deinsgleichen ich nit sag, 兩 Der gelerter sy in loica 兩 Uss nain so machstu ja. Niewˆhner, Teichner 428, 4 (Hs. 2moobd., 1360/709): Ainer vragt mich der mÁr, 兩 wem ein maister geleich wÁr 兩 in den edelen chÈnsten drein, 兩 in der loyik, philosophein 兩 und auch in rethorica. 兩 do sprach ich: ,den geleich ich sa 兩 besunderleich zu einem man 兩 der verslahen und gaukeln chan‘. Boot, Cassiodor. Hist. Eccl. 123, 6 (moobd., um 1385): [ein ainvoltiger lay] ward wider dy loykenmaister reden und sprach: „Hort mich, Christus und dy czwelifpoten haben uns nicht geben dy loyken und dy eytel wetriegnÈz der wart, sunder [...]“. Klein, Oswald 112, 193 (oobd., 1438): aufsätz, trugnuss, loica spil 兩 lernt man zu Rom, wie vil man wil. Ebd. 242: Was von dem reich zu lehen ist, 兩 das mag sich zwar zu kainer frist 兩 auss seinem recht enziehen nicht 兩 mit kainer loica geticht. Wackernell, H. v. Montfort 5, 279 (soobd., A. 15. Jh.): wer loik tribt und phening haˆt, 兩 der ist gewaltig an dem raˆt. Ebd. 25, 62: die loik treib ich als ein diep 兩 unde hatt unsteten muot. − Sachs 5, 330, 24; 21, 459, 8.

3. ›einem Text oder Gesprächsbeitrag inhärente Logik, Argumentation‹. − Älteres und mittleres Frnhd.; didaktische Verstexte. − Bdv.: vgl. beschliesrede. v. Groote, Muskatblut 41, 37 (nobd., 1. H. 15. Jh.): Da warff si mir fur loyca 兩 mit wunderlichen seden. Gille u. a., M. Beheim 88, T (nobd., 2. H. 15. Jh.): Das ist ain loic und hat ainen verporgen sin. Thiele, Minner. II, 18, 176 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): ich spräch: ,du redest loyca, 兩 da mit ich dir och gelten wil; 兩 ich kan och clÈger spru´chlin vil 兩 und gespengelt teding, wie man sol‘. Wackernell, H. v. Montfort 31, 71 (soobd., A. 15. Jh.): Mit dem rechten gwalteklichen 兩 bricht man all ir artikel ab: 兩 so muoss die loik wichen. − Mayer, Folz. Meisterl. 82, 13; Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 72, 160.

loicenmeister, s. loica 2. loicus, s. loica 1. loie, die; aus afranz. loi, lat. lex, entsprechend mnl. loy ›Recht, Gesetz‹ (Verwijs/ Verdam 4, 731 ff.). ›Recht (einer Stadt)‹. Toeppen, Ständetage Preußen 3, 490, 26 (preuß., 1452): das die alde stadt Thorun sal den aws der nuwstadt,

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loienmal − lok

die im bunde sein, er gewandt beloyen mit der alden stadt loyen. Ebd. 648, 10 (1453): clageten dy wollenweber alse von dir loye wegen, dovon dy landen unnd stete bestellenn wellen mit den andern steten. − Ebd. 3, 635, 39.

loienmal, das; Bw nach dem Heiligen Eligius. ein Mahl, Gelage. Hampe, Nürnb. Ratsverl. 1, 268, 20 (nobd., 1531): Den goldschmidgesellen zulassen, das sie ein loyenmal haben mugen.

loimette, die; wohl Form von laudesmette. ›zwischen Matutin und Prim liegender Teil des kanonischen Offiziums‹. Chron. N¸rnb. 5, 639, 10 (nobd., E. 15./A. 16. Jh.): an sant Johanns des taufers obent da was intertikt ee man die loymetten anhub [Ebd. 561, 3: laudas metten].

lok, der ; lockes/lok, lök, löcke, löcken. 1. ›Haar (des Menschen, vereinzelt: von Tieren)‹; speziell: ›Locke, gelocktes Haar; Haarschopf; Bartwuchs‹; dem lok wird mehrfach Zeichenwert zugeschrieben: für Hoch-, Übermut, Hoffart, Weltverhaftetheit, Nichtigkeit, Schönheit des Menschen, auch göttlicher Personen. − Oft Verstexte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: kein, nicht ein lok, eines lockes o. ä. ›nichts, in keiner Weise‹ o. ä.; der lockichte stern ›Komet‹ (a. 1507); der minne lok ›Schamhaar‹; jm. in die löcke fallen ›jm. aufs Haupt steigen‹. − Bdv.: har (das) 1, schopf; vgl. balzer, 1gran 1, gauch 3. − Synt.: löcke tragen, die löcke binden, jm. den l. scheiteln / flechten, jm. die löcke scheren, einen l. schwarz machen; die löcke jm. grauen, [wo] wachsen, sinwel sein, [wann] erstehen ›auferstehen‹, der l. nicht verderben; jn. bei seinem l. tragen, bei den löcken etw. (z. B. gedanken) verstehen, mit den löcken hoffärtiglich gebaren, js. füsse waschen; der l. hares, die löcke des hauptes; der böse / dicke / falbe / graue / grosse / klare / rauhe / reide / reine / süsse / verfluchte l.; der l. har, vom bart; har von löcken, der scheitel des lockes. Wbg.: lockicht, löckelwolle ›Schafwolle‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 18090 (nrddt., 14. Jh.): Daz niemant eines lockes sol 兩 Von mannen noch von wibe 兩 Darben an sime libe. Luther, WA 53, 404, 23 (1542): ein grosser Lock, vom Bart Beelzebub, der an der selben Fanen bekleben blieb. Ebd. 404, 4: Drey schoener Lock har des Absaloms.

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Voc. inc. teut. p ijv (Speyer um 1483/4): Lockelwolle Villus od’r pil’ lane ouis. Froning, Alsf. Passionssp. 2020 (ohess., 1501 ff.): er vorfluchten lock: 兩 ich wel nicht mene gehen als eyn tock! Feudel, Evangelistar 122, 12 (omd., M. 14. Jh.): ir sullit alczu male nicht swern noch by dem hemele [...]. Noch by dem houbete, wen du inmacht eynen lokken wedir swarcz noch wiz gemachen. Jahr, H. v. Mügeln 991 (omd., Hs. 1463): Ir [Nature] har in bruner farb erschein, 兩 ir löckel reid und dabi lank. Neumann, Rothe. Keuschh. 3721 (thür., 1. H. 15. Jh.): si sal ir haubet nicht uss smocken 兩 [...] 兩 nach hoffertichlichen gebaren 兩 mit yren locken unnd auch haren. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 7, 38 (osächs., 1343): si begonde mit iren treˆnen zuo begıˆzene sıˆne fÈze und zuo wischene mit den lockin [Luther 1545: haren] ires houbites. Gille u. a., M. Beheim 311, 78 (nobd., 2. H. 15. Jh.): der [per ›Bär‹] sprach: ,ich wil im [fuchs] scheren 兩 die lök von seiner prust‘. Trunz, Meyfart. Tub. Nov. 27, 23 (Coburg 1626): daß wann sie [Weibervolck] mit solcher Thorheit vor den Richterstuel Jesu Christi kÁmen / gewiß von allen Außerwehleten vor lockichte BËck angesehen wÈrden. Vetter, Pred. Taulers 236, 22 (els., 1359): sol man vier ding war nemen mit allem flisse in vier kreften, da [...] gar schedelichen bËse lËcke inne wachsent. Bihlmeyer, Seuse 551, 15 (alem., 14. Jh.): Die v [Christi] sint gedrungen sam falwen lËcke des schËnen hobtes die wunnenclich heide. Schmidt, Rud. v. Biberach 167, 16 (whalem., 1345/60): als ein lok mag nuti verderben von dem i v v also mag och daz minst stukli des zites nvti verderben. hobte, Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 337, 2 Var. (Straßb. 1466): gott der zerbrichet die haubt seiner veind: vnd die scheittel des hars [Var. 14751 : lockes; Froschauer 1530: harigen schopff; Dietenberger 1534: harschÁdel; Luther 1545, Ps. 68, 22: Harschedel] der durchgenden in iren wollusten. Bremer, Voc. opt. 1007 (wobd., 1328 ff.): Capillus [...] lok [...] est conuolucio multorum crinium uel pilorum. Et dicitur (capillus) quasi capitis pilus; vel (dicitur) quasi capiens pilos. (Et sciendum, quod capilli) ideo facti (sunt), vt decorem prestent et cerebrum aduersus frigus muniant atque a sole defendant. Ebd. 50093 (wobd./moobd., 1. H. 15. Jh.): Capillus ueneris [...] der min lok. Adrian, Saelden Hort 2387 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): ains kembels tier ruhen lËk 兩 daz warent sin [Johannes] rËk. Fischer, Eunuchus d. Terenz 159, 3 (Ulm 1486): Ain mitdiern? Kaumb enthalt ich mich, das ich dir nit in die lËck fall. Primisser, Suchenwirt 43, 16 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Von chelt gewunn ich graben lokch. Niewˆhner, Teichner 9, 12 (Hs. 2moobd., 1360/709): hiet er nicht verwent den roch, 兩 so wÁr auch der schaff chain loch 兩 nymmer mer erfunden laider. Buijssen, Dur. Rat. 28, 16 (moobd., 1384): Zwm dritten mal chemelt man daz haupt, wenn bey den lochen zw versten sind uberfluzzige gedenkchen. Klein, Oswald 92, 26 (oobd., v. 1408?): mein ausserwelte schöne tock! 兩 ja flicht ich dir einen weissen lock 兩 und slicht dir deinen rotten rock. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. S. 222 (moobd., A. 15. Jh.): Lokch Vnser lokch, ob die an dem iungsten tag ersten. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 50, 7 (moobd., 1473/8): Er [weissag, Protheus] trueg gra löck, dartzue ein

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lokbis − lolpfeife

part vil langen. − Helm, a. a. O. 19968; Thiele, Minner. II, 3, 128; Lindqvist, K. v. Helmsd. 2454; Koppitz, Trojanerkr. 8832; 18190; Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 520, 2; Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 7, 3; hail. altvÂter 88v, 22; Niewˆhner, a. a. O. 104, 38; Kummer, Erlauer Sp. 4, 115; Voc. inc. teut. p ijv; Rwb 8, 1378; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 225. − Vgl. ferner s. v. bedecken 1.

2. ›Flausch, Wollbüschel; kleine Menge von etw., Handvoll‹. Maaler 274v (Zürich 1561): Locken wullen (der) Voll flËck / Kleine steübende fÁtzle von der wullen. Ebd.: Nit hËher dann ein LËckle wullen achten / Wenig achten vnd ring schetzen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 309, 1 (Genf 1636): Ein (lock) Hauff [...], Manipulus Cannabinus. M¸ller, Nördl. Stadtr. 207, 39 (schwäb., 1446): Wer auch planckinger würken wil, der sol sie machen von uswürf, flocken, schnitzlings, lochen, trummern und von andern sachen, was im abgat. − Schweiz. Id. 3, 1251.

lokbis, lokfleisch, lokgauch, lokgeld, lokluder, lokpfeife, lokschnur, s. locken 1. lokvogel, der ; −/-π (+ Uml.). ›Lockvogel, zum Heranlocken anderer Vögel gebrauchter Vogel oder eine (Stimm-) Attrappe‹; auch ütr. auf den Menschen; vgl. locken 1. − Bdv.: spänvogel; vgl. geldkauz, kauz 1, locker. Luther, WA 28, 597, 32 (1529): Mit diesen Reivogeln oder Lockvogeln fehet der Teufel [...] die leute. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 239, 5 (nwböhm., 1578): Sey¨ auch nie dabey¨ geWest, do man den leutten die lockVogl genommen. Sachs 4, 221, 26 (Nürnb. 1543): Ein spitzbub mich zu wegen bracht. 兩 Des selben lockvogl must ich sein. Ders. 5, 219, 22 (1532): [Das alt weib] Hat ein lock-vogel auff-gestelt, 兩 Der singet also außerwelt. Ders. 19, 48, 8 (1562): Wie ein lockvogel auff dem kloben, 兩 So lawret er mit list und lüg [Anlehnung an Luther, Hl. Schrifft. Jer. 5, 27, dort Lockuogel]. Golius 287 (Straßb. 1579): Auus allectatrix, lockvogel. − Ska´ la, a. a. O. 181, 10; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 309, 9; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 140.

löl, der ; -s/-en; zur etymologischen Einordnung s. Schweiz. Id. 3, 1260; Dwb 6, 1143; Verwijs/Verdam 4, 745; van Veen / van der Sijs 1997, 519 (s. v. lollarden); volksetymologisch auch als Ütr. von lolch gedeutet. ›einfältiger Mensch, Einfaltspinsel, Dummkopf‹. − Bdv.: vgl. gräsling, lale, 2 lappe, nar, tor. − Wbg.: lolfetze ›Lump, Lumpenhund‹, lolhard ›einfältiger Mönch, Laien-

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bruder‹ (inhaltlicher und formaler Bezug zu beghard), lolkater (s. u. Peil), lolles ›Einfaltspinsel‹ (a. 1414). Peil, Rollenhagen. Froschm. 209, 5072 (Magdeb. 1608): O du lieber Himlischer Vater / 兩 Bewar mich fÈr die drey Lolkater [Ú Beer, Wolff, Lew]. v. Keller, Ayrer. Dramen 2883, 27 (Nürnb. 1610/8): Sie würfft jm den korb nider vnd sagt: 兩 Sih da, löll! faß den korb balt an! Barack, Teufels Netz 6048 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): die [nonnen] ir uppkait wend triben 兩 Und sich an die lollhart wend riben. Lauterbach, Orhein. Rev. 170, 10 (nalem., v. 1509): es sond in einer provincien nit mer dan nun hundert vnd funfzig geistlicher sin, so piscoffe, ept, canonicen, priester, munch, nunnen, lolharten vnd beginen. V. Anshelm. Berner Chron. 3, 112, 10 (halem., n. 1529): Do sprach Maria zornklich zuo irer Kathrinen: „Hei, der tÈfel ist im lolfÁtzen! o lolfÁtzen ins antlit!“ Wyss, Luz. schlach den verfluchten Ostersp. 3405 (Luzern 1571): Sottend wir ettwas lollharts v¨berkon, 兩 Der vns dann söllchs nitt nach wellt lan, 兩 So wäre er mitt siner kunst 兩 Wider vns all vnd hett kein gunst. Ebd. 6397 (1545): Ir lollhartten, land den esel blyben! Rot 326 (Augsb. 1571): Also (wie die Pflanze lolium) nennen wir auch einen ein lœlle / der ein vnnÈtzer / vnfÈgsamer mensch ist / der sich vndter die rechtgeschaffen menschen ein mischt / als das vnkraut vnder das guto getreyd. − B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 80; Vilmar 252.

lolch, der ; aus lat. lolium (Dwb 6, 1143). ›Lolch, lolium‹ (eine Art der Pflanzengattung lolium). − Wbg.: lolchsieb. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 224, 41 (osächs., 1570/ 7): luleck heist Salomonswurz (Teil einer Anweisung zur Herstellung von Wildködern). Sudhoff, Paracelsus 13, 80, 13 (1525/6): so findet er [akerman] so vil weizen hinwider, aber mit dem raden, lolch, papavere [...] und nit an den früchten, die er geseet hat. Dasypodius 375r (Straßb. 1536): Lülch. Lolium, [...], macht schwindelechtig so mans isset. Maaler 275v (Zürich 1561): Lülch oder ratten / Ein vnkraut dem korn schÁdlich. Area, Lolium. MÁl aus Lülch. [...]. Lülchsib / Dardurch man den Lülch rÁdet / vn˜ o züg sümderet. Rot 326 (Augsb. 1571): Lœle, vom guten Diß wort kompt gwiß vom wort lolium her / das wir quatmlülch oder sonst für ein vnkraut verteutschen. − Bremer, Voc. opt. 50185; 50191; Dasypodius 5r; Dict. Germ.Gall.-Lat. 309, 26; Marzell 2, 1356 ff.

lolchsieb, s. lolch. lolfetze, lolhard, lolkater, lolles, s. löl 1. lolpfeife, die; Bw entsprechend nl. lul (de Vries, Ned. et. Wb. 1971, 417). ›Sackpfeife‹. Apherdianus 63 (Köln 1575): Tibia vtriculasis, Lollepfeiff / Sackpfeiff.

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lombarde − lon

lombarde, der ; hohe Schreibvariation, auch für die Wortbildungen; lom- seltener als lam- belegt; vereinzelt langobardus, oft lomp-. ›Lombarde, Bewohner Norditaliens, insbesondere norditalienischer Städte‹; mit offenem Übergang zu ›lombardischer Geldwechsler, Bankier, Händler‹; vereinzelt Bezugnahme auf ,Langobarden‘. − Dichte Belegung für den alem. Raum; vielfach Wirtschaftstexte. − Bdv.: italiener, jude 2, kawerzin, welsche. − Synt.: die lombarden nicht zu bürgen wellen; die lombarden etw. zalen, weise sein, jm. etw. geben / nemen, die römer anfechten, nicht befugt sein, zu [...]. Wbg.: lombardei ›Lombardei‹, lombardisch (für die soziale und räumliche, auch für die sprachliche Zuordnung; dazu Synt.: der lombardische krieg, die lombardische elle, das lombardische gebirge ›Alpen‹ / ros / tuch, lombardische güter / nüsse / waren / stätte), lompertsnus wohl ›welsche Nuß, Walnuß‹. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 90, 32 (rib., 1456−63): Darna guden kese ind gude beren gebraden mit suker beschaden, ind lampersche nusse up die taifel gelacht. Buch Weinsb. 2, 140, 12 (rib., 1565): dan der Tilman handlet mit siden und lumberschn guttern und ander war uff Frankfort. Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 498, 3 (rib./wfäl., 1611): Haßel- und Lambertsnuß daß malder 9. Chron. Strassb. 33, 29 (els., 1362): und gab den Romern wider was inen die Lamparter genomen hettent vor langen ziten. Ebd. 449, 21 (A. 15. Jh.): wart ein gÈter fride in den landen von dem lamparschen gebürge untz an das engelsche mer. Barack, Teufels Netz 8202 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): So muos er nit gen Lamparten varn. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 527, 20 (Straßb. 1466): die do haltent daz geschoß verre zuo den in seln in lamparten [Var. 14752−1478: wÁlsch land ] vnd in kriechen. Welti, Stadtr. Bern 100, 12 (hai lem., 1408): die sinner, die lamparten, die brugger, die sËllent den geselschaften den win geben vff dem vorgenanten tag. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 118, 28 (halem., 1498): so solu len si die Lamprisch (!) und Friburger tÈcher bim gratt messen. Ders., Staat/Kirche Bern 882, 4 (halem., 1628): soll verbotten syn, den Lamparteren und andern frËmbden [...], einich vych dings oder umb einiche wahren tuschwys hinzugeben. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 436, 26 (halem., 1624): Die Lamparter, Meyländer und Weltschen oder Italliener zalent von jedem haupt 2 krützer [Bezug auf Zoll]. Rauwolf. Raiß 6, 26 ([Lauingen] 1582): alß sich zwischen Kayser Friderichen [...] / vnd den Lombardischen StÁtten o Klein, Oswald 18, 22 vil vnnd lange Krieg / [...] erhuben. (oobd., 1418): franzoisch, mörisch, katlonisch und kastilian

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兩 teutsch, latein, windisch, lampertisch, reuschisch, und roman, 兩 die zehen sprach hab ich gebraucht. Gereke, Seifrits Alex. 4911 (oobd., Hs. 1466): als lamppartisch ros gestalt. 兩 die sind snel und pald. Leidinger, V. Arnpeck 455, 31 (moobd., v. 1495): hunz di auslendigen volker, als di Ostergoten, Longabardi, di Römer anvechten wurden. − Buch Weinsb. 2, 199, 4; Kohler u. a., Bamb. Halsger. Corr. 137, 46; Merk, Stadtr. Neuenb. 89, 10; Wiessner, Wittenw. Ring 2910; 7695; Bachmann, Haimonsk. 8, 19; Kehrein, Kath. Gesangb. 711, 20; Voc. Teut.Lat. s jv; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 75; Rwb 4, 1401; Pf‰lz. Wb. 4, 1021.

lombardei, lombardisch, s. lombarde (der). lommel, (o. ä.) die; deformierte Schreibung zu lende (s. d.). ›Lende, Lendenfleisch‹. Buch Weinsb. 4, 83, 16 (rib., 1589): zum zweiten, mitten einen haesen, lommel, hamelsboich gebraten, oder hirtzbol [Bezug auf den zweiten Gang eines Amtsessens]. Ebd. 5, 95, 12 (rib., 1574): vur einen stump und lommet, wegen 32 pont, das pont 2 ½ alb.

lompertsnus, s. lombarde. lon, der/das (letzteres besonders md., insgesamt aber eher seltener); -(e)s/-e + Uml. (schwach belegt). − Ansätze 1−4 eher aus der Perspektive des lon Empfangenden, 5 eher aus der Perspektive des lon Erbringenden gesehen. − Vgl. die Kompositenstrecke mit lon- als Bw im Rwb 8, 1387 ff. 1. ‹eine erbrachte Leistung (z. B. die Arbeit eines Handwerkers, Tagelöhners) oder einen geleisteten Dienst (z. B. im Auftrag der Obrigkeit, einer gesellschaftlichen Gruppe) nach allgemeiner Auffassung, nach Herkommen, auf Grund von Verträgen spiegelnder, dem Leistungserbringer zustehender Gegenwert‹; dieser Wert wird üblicherweise in Geld entrichtet, vereinzelt bilden Naturalien die Substanz des Lohnes; offen zu 5. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: der gearnte lon (s. u. Dirr). − Bdv.: belonung 1; 3, sold, wiedergeltung; vgl. ablonung, 2derre, gelt 2, liebung 1, liedlon 1; 2, liedmüte, taggeld, tagsold. − Synt.: (den / einen) l. aufbüren / einnemen / empfangen / erarbeiten / erhöhen / fordern / heischen /

1343 mässigen / meren / mindern / nemen (mehrmals) / verdienen, den l. an geld geben, mit geld zalen, jm. einen / den l. geben (z. B. dem arbeiter / büttel / forstmeister / knecht) / bezalen / abwenden / vergelten / versprechen / vorenthalten (z. B. dem gesinde), jm. [einen Betrag] l. erkennen (›als Lohn bemessen, bestimmen‹); der l. jm. gefallen ›zustehen‹, der l. [ein Betrag, z. B. drei batzen] sein, der l. gros werden; des lones behalten, eines lones behaben, des lones halben handeln, j. eines lones wert sein; jm. etw. am l. abbrechen, jn. an seinem l. erhöhen, die leute am l. teuer werden, jm. etw. auf den l. (›als Lohnabschlag‹) geben, um l. [etw. tun, z. B. arbeiten / backen / bleichen / gerben / werken, wein füren, seide wirken], jm. um l. dienen, jn. um l. anstehen lassen, jm. etw. über den l. geben, vom l. abbrechen, etw. [einen Betrag] zu l. reichen; der l. des abdekkers, der gerichtschreiber / werkleute, des werkes, der arbeit; l. von der arbeit, von etw. (z. B. von einem ros ›Pferdekadaver‹), l. um js. mühe; der bescheidene / gemeine / geringe / gesezte / verdiente / verdingte / rechte / schlechte ›angemessene‹ / ziemliche / übrige ›überhöhte‹ l.; der abbruch des lones; von etw. zu l. (formelhaft). Wbg.: lonabend ›Zeitpunkt der Auszahlung des Lohnes‹ (a. 1549/64), lonarbeiter (Gw zu arbeiter 2; a. 1410), londienst, lonerman (wohl Verschreibung für lehenman 2, s. u. Voc. Ex quo), lonfrei ›unentgeltlich‹, longarbe ›in Naturalien gezahlter Schnitterlohn‹ (er unterliegt nicht dem Zehnt; vgl. Rwb 4, 1393), lonhaus 1. ›Hütte eines Lohnabhängigen‹, 2. ›Gebäude mit einer kommunalen oder kirchlichen Kasse‹, lonjunge (Gw zu junge 2) ›Lehrjunge‹, lonkind ›gegen Entgelt aufgenommens Pflegekind‹ (zum Gw vgl. kind 1), lonkorn wohl ›als Naturallohn gegebenes Getreide‹, lonleder (›als Naturallohn gereichtes Leder?‹ oder ›gegen Entgelt gegerbtes Leder?‹), lonmeister ›für das Lohnwesen eines Betriebes Verantwortlicher‹, 2lonpferd (a. 1362), lonros9 ›gegen Entgelt gemietetes Pferd‹, lonrecht, lonschnitter, lonschwein ›gegen Entgelt zur Aufzucht, Fütterung übernommenes Schwein‹ (so Schweiz. Id. 9, 1902), lonsetzer ›Person, die Arbeitslöhne fest-

lon

1344 setzt‹, lonsucher, lonsucht ›Gier nach Lohn‹, lonsüchtig, lontag, lonvieh im Unterschied zu heimvieh (s. d.), kaufvieh (vgl. s. v. kauffieh), zinsvieh wohl ›zur Aufzucht und Fütterung übernommenes Vieh, das nicht auf heimberge (s. d.) getrieben werden darf‹, lonwagen ›Mietwagen‹, lonwäsche ›Wäscherei‹, lonweber, lonwirkig ›für Lohn arbeitend‹, lonworchterse (Suffix -se aus afranz. -esse; s. Henzen, Dt. Wortbildung. 1965, S. 155), lonzeuge ›finanziell unbestechlicher Zeuge‹. Luther, WA 8, 512, 3 (1521): sonst wer es nitt eyn verheyssung, ßondern eyn lohn und widder geltung. Ebd. 10, 1, 1, 322, 20 (1522): Scharioth heyst lohn; denn solch heyligen sind nur nießling, lohnsucher. Ebd. 10, 1, 1, 365, 10 (1522): Derselb glawb gibt dyr den geyst, [...], fechten dch die zwo keten der furcht und lohnsucht nit mehr an. Ebd. 10, 3, 400, 21 (1522): Die weyl wir doch nit sollen lonsüchtig sein. Ebd. 41, 659, 31 (1536): Praevenit ergo deus, quod suam gut erzeigt ex mera gratia 430, antequam lex venit, ut greiffen, quod non lohnrecht, quod eum deo agamus. Ebd. 52, 529, 23 (1544): als wenn ein bËse Meyd zu jr Frawen sagte: Den lohn habt jr mir versprochen. Ders. Hl. Schrifft. 1. Tim. 5, 18 (Wittenb. 1545): ein Erbeiter ist seines Lohns werd. Grosse, Schwabensp. 58a, 32 (Hs. 2nd./md., um o 14109): van deme gute sal man tuo deme ersten gelten dem gesinde ire vordiende lon. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 14, 7 (rib., 1397): so en sal nieman van desen amptzgesellen den anderen verschetzen noch an sime loin verhoegen anders, dan dat van alders [...] gehalden is. Ebd. 49, 43: so en sal geine vrouwe me gesinds halden dan drij maide of loinwortersen, die ir wirken solen. Ebd. 168, 23 (1469): die in umb loin sijde wirken [...], den soelen sij iren gewoenlichen loen ind niet min geven. Voc. Ex quo, M 336 (15. Jh.): Meritorium [...] londienst [...] lonwirkig. Ebd. V 55 (oobd., 1468): Vasallus eyn len man [...] dicitur ille, cui concessum est feodum [...] ein loner man. Voc. inc. teut. p ijv (Speyer um 1483/4): Lonhuß meritoria [...] dom’ eius qui pro precio laborat. Kˆbler, Ref. Wormbs 46, 25 (Worms 1499): die gewonlichen gerichtßkosten vnd scheden sind der Gerichts Schryber lone vmb ir mühe. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 2, 288, 22 (hess., 1609): soll kein lohnjung ein dolchen oder feder tragen, nichtt spiellen an eynem sontag. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 2387 (omd., 1338): Der [miteling] irbeitet unsanfte gar 兩 Des endes synes werkes zwar, 兩 Das er syn lon uf bure. Feudel, Evangelistar 15, 21 (omd., M. 14. Jh.): hole dy erbeitere unde gyp en ir lon. Thiele, Chron. Stolle 463, 5 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): do dy arbeit [...] an gingk in den winbergen, do wart das lon gross: eynem manne zu sniten eynen tag XXI ∏ lauven gelt. Ermisch, Freib. Stadtr. 289, 30 (osächs., um 1465): Welch knecht ouch von eynem meister scheiden wil, dem sal sein meister sinen lon geben. Ders., Sächs. Bergr. 177, 1 (osächs., 1509): Die schichtmeister sollen alletzeit uff den lontag beym anschneiden gegenwertig sein. Mon. Boica, NF. 2, 1, 34, 18 (nobd., 1464): wann er

1345 [halbpawer] lËnschnytter het, das im dreyssig als viel schnietten als sechzig frËner. Ebd. 37, 18: und die herrschaft mer zwe lone den vorstmeinstern geben mÈsz, dan der nÈtz ist von den holzeren. Dinklage, Frk. Bauernweist. 61, 20 (nobd., 1486): daß fürgebottgelt soll einem schultheüssen volgen und sein lohn soll sein von einer persohn 1 alter ∏. Loose, Tuchers Haushaltb. 100, 17 (nürnb., 1513): ließ mein prunen im hauß vegen, davon czu lun 2 웩. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 31, 17 (nobd., 1525): alte gaistliche gottsförchtige menner, die [...] nit umb des schentlichen lonsuchts willen [sind]. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 411, 28 (schwäb., 14. Jh.): diz heizet ein lon, daz etwem widerwegen wirt umbe die widergeltunge der werk oder der arbeit [...], also ouch widerwegen den lon dez werkes oder der arbeit ist ein getat der gerehtikeit. Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. 153, 25 (alem., um 1430): und warend doch die lüt an irem o lon als tür worden, das man ainem wimler must x pfening geben. Geier, Stadtr. Überl. 242, 11 (nalem., 16. Jh.): wenn inen [schower] aber lonleder fürbra˘cht würdet, das verderbt ist [...], das setzend si dann hin zuo ainem raute. Ebd. 253, 33 (1553): es soll auch ain jede person [mit blattern] in sollichem halben jar dhaine ire klaider [...], in dhain gemaine oder lohnweschen legen. Merk, Stadtr. Neuenb. 125, 3 (nalem., 1616): alle vierzehen tag den wirten und weinschenken am freitag das umbgelt in das lohnhaus zue bringen. Leisi, Thurg. UB 8, 60, 28 (1392): min herre [...] klegt sich von derselben frowen, si laß im die zehenden nit aigenlichen volgen von dem korn; sy well vor uss da von longarben nemen [...] die selb frow sprach, [...], im solt der zehent volgen von dem korn, also mit dem geding daz man voruss von allem korn longarben nemen solt. Welti, Stadtr. Bern 111, 10 (halem., o nemen 1434): Was lones die meister, die veltsiechen versuchent, sËllent. Boner, Urk. Aarburg 153, 61 (halem., 1540): Wo ouch dieselben von Arburg lonschwin in erstbemelt holtz dingen wellten, [...], söllent sy der gestalt darin achtung und mas halten, das es nit übersetzt werde. Ebd. 263, 27 (1617): diewyl die von Roggwyl lohnschwyn genommen und in das acherumb getriben. Wyss, Luz. Ostersp. 9717 (Luzern 1545): wo nend wir aber vnsernn lon, 兩 das wir wachend nacht vnnd tag? Maaler 275r (Zürich 1561): Lon (der) Belonung / Sold. [...]. Lon verdienen / Vmb lon wercken vnd arbeiten. [...]. Das ist mein Lon / Jch hab es verdient. [...]. Den gemachten Lon hËuschen / forderen / nemmen / bezalen. [...]. Vom Lon abbrÁchen / Den lon minderen. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 92, 41 (halem., 1579): so verpüt hiemit vor hochgedachter unser gnediger fürst und herr, das fürohin niemands, [...], weder garn noch werckh sölle ufkoufen [...] us der ursach das er dasselbig widerumb uf gewin wöllte verkoufen und durch sich selbs oder andere seine spinneren ald lonweber nit wölle verwerckhen lassen. Rennefahrt, Zivilr. Bern 66, 27 (halem., 1525): und hat dan im müssen umb ein zimlichen lon diennen ein jar. Ebd. 768, 6 (1615): Niemands, [...], soll uff ein mahl mit mehr dann zweyen rossen (die nit lohnroß sonder syn eigen syend) z’Forst fahren. Ders., Gebiet Bern 168, 1 (halem., 1586): Die Vögte sollen dheine taglön noch andere verdiente lön mit korn, sonders mit gelt zalen. Chron. Augsb. 3, 401, 11 (schwäb., 1365):

lon

1346 so haben wir 6 lonwegen gedingt uf der dörffer schaden. Plant u. a., Main. Naturl. 299v, 7 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): soldener dc sint die da vehte˜t vmbe solt dc ist lon. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 115, 27 (oschwäb., 1356): Es ist och i gesetzet umb die lËne der werklut, die in den wingarten w(e)rkent, daz [...]. Sappler, H. Kaufringer 9, 154 (schwäb., Hs. 1464): mach dem veinen töchterlein 兩 darnach zwen schuoch vil schon. 兩 darumb gib ich dir meinen lon. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 1, 151, 4 (schwäb., 1484): kainer soll kain lonvich umb gelt einnemen, dann daran er tail und gmein hat und nit mer wann als er wintren mug. Ebd. 193, 15 (1525): des abdeckers bestimpter lohn soll sein von einem gefallenen roß [...] 1 batzer. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 677, 27 (schwäb., 1530): er [schmid] ist schuldig ain jeglichs roß [als Bemessungsgrundlage?], so lohnkorn gibt, [...], zu beschlagen. Ebd. 557, 6 (1600): es soll auch niemand [...] kain außlendig frembd lonkind annemmen one wissen und bewilligen der herrschaft. Dirr, Münchner Stadtr. 351, 28 (moobd., 1347): Swaz der man vero dient mit seinem pflug, mit seinem vich, do der man selb oder sein gedingter ehalt pey ist, daz heizzet alles gearntz lon. Auer, Stadtr. München 137, 8 (moobd., n. 1347): Swaz ain ehalt seins gearnten lons behabt mit dem rechten gen seiner herschaft, des sol man den ehalten wern des selben tags mit pfant. Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 834, 21 (moobd., 1373): dass Elsbet den Beweis für ihre Behauptung vor dem Bergherrn mit zwain erbern gesessen unversprochen mannen, die nicht lonzeugen weˆrn, zu erbringen habe. Grimm, Weisth. 6, 201, 39 (oobd., 1475 / 1568): ob man farren unter das vich schlüeg, [...], so sollen si lonfrei gehüett werden. Winter, Nöst. Weist. 1, 994, 33 (moobd., 1512): daz vier lonsetzer zu den gewönlichen arbaiten sein sullen, das dieselben ir vleissich aufmerken wie man den lon [...] gibt, auch setzen sullen den man geben und nemen sol. Siegel u. a., Salzb. Taid. 221, 10 (smoobd., 1565): man soll auch kain lönfich oder kaufviech noch zinßviech an gemain fürperg treiben oˆn der nachpern willen. − Toeppen, Ständetage Preußen 2, 362, 23; Helbig, Qu. Wirtsch. 3, 131, 32; Loesch, a. a. O. 1, 157, 15; 2, 24, 14 f.; 162, 14; Kollnig, Weist. Schriesh. 245, 39; Kˆbler, Ref. Franckenfort 85, 14; Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 20, 9; Hertel, Hall. Schöffenb. 2, 305, 33; Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 61, 11; Ermisch, Freib. Stadtr. 291, 28; Kisch, Leipz. Schöffenspr. 503, 11; Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 70, 7 f.; Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 144, 11; Dinklage, a. a. O. 113, 25; Loose, a. a. O. 161, 9; Rennefahrt, Wirtsch. Bern 5, 3; M¸ller, Nördl. Stadtr. 104, 8; ders., Stadtr. Ravensb. 279, 10; Barack, Zim. Chron. 4, 118, 13; Dirr, a. a. O. 319, 12; Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, 2990, 16; Vogel, Salb. Heiliggeistsp. 488, 5; Wutzel, Rechtsqu. Eferding 36, 22; Schmitt, Ordo rerum 120, 44; Dasypodius 131r; Crecelius 1, 563; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 195; Rwb 8, 1378 f.; 1391; 1394; Schweiz. Id. 3, 1286; 5, 1182. − Vgl. ferner s. v. aufheben 12, ausbieten 6.

2. (meist:) ›in Kategorien des wirtschaftlichen Leistungs-Lohn-Gedankens

1347 gedachter, dem Menschen im Jenseits zuteil werdender Lohn für irdische arbeit 1; 3, (ver)dienst, pein 1, übung, werk‹; (seltener:) ›als göttliche gnade verstandene, folglich als Geschenk Gottes gedachtes leidvolles Leben im Diesseits als Vorstufe des ewigen Lebens in Gottnähe‹. Nach der zuerst genannten Nuance werden die werke im irdischen Leben mit dem mehr oder weniger ausgeprägten Blick und mit der Hoffnung auf entsprechende Belohnung im Jenseits vollbracht; der lon besteht in ewiger Seligkeit, in Gottnähe, in der Teilhabe an Gottes Herrlichkeit, in weiteren Vorstellungen vom Himmelreich; Werke und Seligkeit stehen mehrfach in einem Entsprechungsverhältnis, so dass lon bei nicht vorhandener guter Leistung auch als Strafe, Verdammungsurteil gesehen werden kann. Nach der zweiten Nuance tritt die profane WerkLohn-Entsprechung in den Hintergrund gegenüber der Betonung des christlichen Erlösungsgedankens, dann eher: ›arbeit, pein usw. in ihrer spirituellen Qualität als Gnadengabe, Geschenk Gottes an den Menschen‹; teilweise mit Tendenz zu: ›unio mystica‹. Die Texte stehen vielfach in festen Formulierungstraditionen und zeigen sprachliche Versatzstücke, deren theologischer Hintergrund vielen Autoren selbst kaum durchsichtig gewesen sein dürfte. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: belonung 1, gabe 1, nuz, verdienung; himmelreich, got 1−3, säligkeit; vgl. gnade 1. − Synt.: den l. ansehen / betrachten, got den l. geben, die volkommenheit den l. sachen, l. in sich bilden, von got hoffen / empfangen, l. als sicherheit, pfand des heiligen geistes empfangen, l. nach dem werk, nach dem verdienen, gemäs der arbeit geben / empfangen / nemen, jm. den / einen l. geben; der lon gros / ewig sein, js. l. in den himeln gros sein, js. l. klein werden, jm. ein l. werden, l. nach der grösse des dienstes werden; der l. gottes (gen. definitivus), got (mehrfach), das himelreich, die sele des sones, die verdamnis, sich selbst verzeihen (subst.: ›Aufgabe des Selbst‹) js. l. sein; des lones versäumen, etw. des lones wert sein, die sele sich des

lon

1348 lones trösten, sich des lones nicht belangen ›sich keine Sorge um den lon machen‹, des lones e. S. (z. B. der marter) nicht entfremdet sein ›teilhaftig sein‹; das herz durch l. neigen, got nicht durch lon ›um des lones willen‹ minnen, das ewige feuer jm. zu l. werden, das himelreich zu l. nemen, jm. etw. (z. B. der engel krone) zu lon geben, christus sich vor uns zu einem l. geben; der l. der marter, des ewigen lebens, im ewigen leben; der ewige (vielfach) / gelobte ›verheißene‹ / grosse, löbliche / künftige l.; die merung / beschäude des lones. Helm, H. v. Hesler. Apok. 134 (nrddt., 14. Jh.): gib [Got] uns ewigen lon 兩 Nach dieses liebes ende! Grosse, Schwabensp. 41a, 6 (Hs. 2nd./md., um 14109): dat lon ist vnmatzen groz, daz iz keyn menschen noch hertze betracten mach. Luther, WA 1, 698, 15 (1518): die auß kindischer o umb dass ir, umb und zeitlicher lieb got dienen, und suchen gab und lon willen, es sey zeitlich oder ewig. Ebd. 7, 801, 24 (1521): der [geist] macht eyn rein [...] hertz, das lauter umb sonst frum ist, kein lon sucht. Ebd. 10, 3, 276, 25 (1522): hie steet das werck und der lon, und der glaub wirt geschwigen. Quint, Eckharts Pred. 1, 69, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): swaz duˆ mit gote suochest, daz enist niht, swaz ez joch sıˆ, ez sıˆ nutz oder loˆn oder innerkeit [...]; duˆ suochest niht, dar umbe envindest duˆ ouch niht. Ebd. 127, 7: alliu pıˆne und werk der arbeit daz nimet ein ende, aber der loˆn, den got darumbe gibet, der ist ˆewic. Ebd. 2, 254, 2: enbilde kein warumbe in dich, noch in zıˆt noch in ˆewicheit, noch loˆn noch sælicheit, noch diz noch daz. Ders., Eckharts Trakt. 46, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): ez [sıˆn selbes verzıˆhen] ist ein gelübede [...], wie dem menschen allez sıˆn lıˆden [...] vrœlich wirt, und ist ein loˆn meˆ dan ein gebot. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 151 (mrhein., um 1335): buto ime [got] dinst alleine, 兩 so wirt din lon nit cleine. Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 380 (pfälz., 1436): des [Got] knechte wir sin sollent jme getruwelichen zu wircken, jn hoffenünge des könfftigen lones des ewigen lebens. Dubizmay, kurß zu Teutze 68, 10 (hess., 1463): Als das kint sich trostet seyner 兩 müter also trostet sich meyn 兩 sele des lones Gots volck. Jostes, Eckhart 83, 16 (14. Jh.): Daz ist ein allzu groz lon, daz alle, di im dienen, sullen an der einunge mit im wonen. Schˆnbach, Adt. Pred. 9, 10 (osächs., 1. H. 14. Jh.): unser herre Jesus Christus der wisete´ sine libe dar an [...] daz er sich vor uns zu einime lone gab. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 5, 12 (osächs., 1343): wan uˆwir loˆn [Lang 1521 / Emser 1527 / Eck 1537: belonung] ist groˆz in den himelen. Jahr, H. v. Mügeln 2146 (omd., Hs. 1463): gerechtikeit man wirket schon, 兩 das man von gotte hoffet lon. Bˆhme, Morg.R. 13, 24 (Hs. 2schles., 16129): Das ewige feuer [...] allen LÈgnern zu lohn und theil werden wird. Bell, G. Hager 57, 3, 12 (nobd., 1593): Das die ver dam nus ist ir [lehrer] lan. Vetter, Pred. Taulers 118, 20 (els., E. 14. Jh.): mer dise gobe die ist daz ende und der lon und ist

1349 Got selber sunder mittel und on allen underscheit, und git sich dem menschen alhie selber mit ime selber. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 334, 26 (els., 1362): Der sun hat sich vns so gar gegeben, daz sin sele ist vnser lon, sin bluto vnser trang, sin lichome vnser spise. Rieder, St. Georg. Pred. 315, 12 (Hs. 2önalem., 13879): daz vierd ist der lon der dem arbetenden geben wirt nach disem libe, daz ist daz hy´melriche und Got selbe, der ir lon wesen wil. Schmidt, Rud. v. Biberach 155, i v frowent sich in einer 23 (whalem., 1345/60): Etlich lvte v beschod des ewigen lones, die wil si in dem lip sint, so si an sehent gottes antlit in einem jvbil. Stammler, Berner Weltger. 349 (ohalem., 1465): Alle mËnschen sËnd hütt für mich gan 兩 Vnd nach jr werk lon enphan! Jellinek, Friedr. v. Schwaben 3445 (schwäb., Hs. 1478): Die trw´ die du mir hast gemessen, 兩 Deß sey got dein ewiger lon. Sappler, H. Kaufringer 3, 566 (schwäb., Hs. 1464): got fristet dem sein lankleben, 兩 der vatter und muoter eret schon: 兩 darumb wirt im der ewig lon. Drescher, Hartlieb. Caes. 401, 25 (moobd., 1456/67): das ist unnser herr Jhesus Christus, ein erlo´ser aller begernden welt [...], der lon und die freu´d alles hymelischen hers. Bauer, Haller. HieronymusBr. 9, 37 (tir., 1464): so ist er [Jeronimus] doch des lones der marter nicht enpfhre¨mdet. Ebd. 14, 41: nu ge ich in das vater lant. Se¨cht an den lön, darum ich gelauffen pin in diser angst. Kummer, Erlauer Sp. 2, 216 (m/soobd., 1400/ 40): des lans lat euch nicht pelangen, 兩 ez wil euch geben zu lon 兩 in dem himel der engl chron. − Quint, Eckharts Pred. 2, 614, 2; Reissenberger, Väterb. 11183; Chron. Kˆln 2, 5r, 32; Steer, Schol. Gnadenl. 3, 0 1, 354; 5, 221; Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 146, 5; Strauch, Par. anime int. 133, 11; Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 8a, 11; 11a, 5; Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 16, 65; Gille u. a., M. Beheim 121b, 167; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 37; Reichert, Gesamtausl. Messe 96, 14; Schmidt, a. a. O. 22, 15; 159, 5; Stammler, a. a. O. 408; Schottenloher, Flugschrr. 71, 35; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 213, 96; 115; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 28; Bauer, a. a. O. 88, 2. − Vgl. ferner s. v. abledigen 3.

3. ›der eigenen (positiv bewerteten) Tat, Haltung, Tugend aufgrund des herrschenden Verständnisses von Ordnung, Recht, Gerechtigkeit gemäße Belohnung, Vergeltung, Erwiderung, entsprechende Gegengabe, gebührender Dank, Lohn (jeweils im nicht rechtlichen, wirtschaftlichen oder finanziellen, sondern im ordnungsideologischen Sinne)‹. − Bdv.: dank 3, gabe 1; vgl. beschättigung 2, gegengabe, gegenschaz. − Synt.: l. wollen / gewinnen / empfangen / haben, jm. seinen l. geben; js. haupt js. l. sein, die ere ein l. sein; j. lones wert sein; jm. etw. im selben l. wiedergeben, etw. zu l. petieren, jm. etw. (z. B. die keusche) zu

lon

1350 lone geben, das werk jm. etw. zu l. messen; der l. der liebe / tugend / wirde / woltat; der grosse l. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 19, 21 (hess., 14. Jh.): ir keine [suster] in sal sich inschuldigen von deme dineste der kuchenen, [...]: wanne da mede gewynnent sie groszen lon und mynne. Ebd. 27, 23: daz da geschiet ane willen der geistelichen muder, daz wirt gezalt zu ideler eren, nit zu lone. Jahr, H. v. Mügeln 1530 (omd., Hs. 1463): iglichem laß ich [Gerechtikeit] werden das, 兩 was im sin werk zu lone maß. Warnock, Pred. Paulis 14, 63 (önalem., 1490/4): won honor est premium virtutis, er ist nit anders denn ain lon der tugent. Wyss, Luz. Ostersp. 3, 47, 28 (Luzern 1616): Die Tochter dantzet wunder schon, 兩 das haupt Johannis ist ir lohn. Jellinek, Friedr. v. Schwaben 4178 (schwäb., Hs. o 1478): ,Was du [grauf] mir tust geben, 兩 [...] 兩 Ich wil dir widergelten schon 兩 In dem selben lon‘. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 171, 7 (moobd., 1473/8): Er twang s’ mit lieb [...], 兩 das si im gab ir mägtlich kew˜sch zue lone. Bauer, Imitatio Haller 53, 13 (tir., 1466): Ist das du dein getrauen seczen pist in die menschen, so würstu den lon enpfhahen von den menschen. − Opitz. Poeterey 25, 3; 48, 13; Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 249, 2346; Valli, Baldemann 445; Fischer, Eunuchus d. Terenz 199, 4; Klein, Oswald 6, 49; Munz, Füetrer. Persibein 268, 6.

4. ›dem eigenen (negativ bewerteten) Verhalten entsprechende Vergeltung, gebührende Strafe‹; vielfach ironisierender Gebrauch. − Phras.: jm. der katzen lon pfeifen ›jn. schmeichelnd verhöhnen‹; jm. den verdienten lon geben. − Bdv.: vgl. and 3, belonung 2, gegentat, geltnis 2, gerach, gerich, gotteshas 2, gottesgewalt 2, gottesstrafe, peinkeit, -rache. − Synt.: (s)einen l. empfangen / haben / nemen, jm. einen l. geben; etw. (z. B. der tod) der lon (e. S.) sein, jm. der minne l. werden, reue js. l. werden; jm. zu l. hofieren (s. u. Henisch), jm. etw. zu l. geben, den grossen (›schwangeren‹) bauch zu lon haben; der böse / rechte / verdiente / zeitliche l. Luther, WA 2, 718, 26 (1519): ßo nemen sie yren vordienten lohn, nemlich das sie auff den sand bawen. Ebd. 16, 10, 26 (1524): auff das [...] Gott sie [feinde] wider bezale und inen iren verdienten lohn gebe. Ebd. 17, 2, 138, 18 (1525): Da verlieren sie denn die hulde [...] Gottes und mÈssen yhren zeytlichen lohn dahyn nemen. Ebd. 37, 661, 27 (1520/34): Das ist die frucht und lohn, so wir jrer Wercklere zu dancken haben. Chron. Kˆln 1, 2025 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): seit wa hie sich selue erheinck, 兩 dat was der loyn den he is intfeinck. Harms u. a., Alberus. Fabeln 45, 9 (Frankf./ M. 1550): [sie] kamen bed vmb leib vnd leben / 兩 SËlch bËser lohn ward jhn gegeben. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 126, 21 (rhfrk., um 1435): du bosewycht / du solt

1351

lonabend − lonen

dynen lon han. v. Keller, Ayrer. Dramen 914, 31 (1610/ 8): Soll dann die eygen Herrschafft mein, 兩 [...] 兩 Mir geben so ein bösen Lohn. Vizkelety, Spangenberg. Glücksw. 880 (Nürnb. 1613): Jetzund zeucht er [Schalck] also darvon / 兩 Den grossen Bauch hab ich zu lohn. Schorer, Sprach-Verd. 21, 23 (1643): man hÁtte jhme Stadt vnd Land verwiesen. Vnd warlich / were es der rechte Lohn. Wyss, Luz. Ostersp. 6508 (Luzern 1545): last du [salvator] nit vast bald daruon, 兩 so würt gross rüw zuo letst din lon! Dreckmann, H. Mair. Troja 18, 21 (oschwäb., 1393): und haun mirs also für gesetzt, daz ich mich gentzlich in den tod geben wil, ob daz ist, daz der tod diser sach lon ist. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 7, 6 ([Augsb.] 1548): Absolon auch seinen lohn empfahet / wie aim auffrÈrer und auffwigler gebüret. Henisch 215 (Augsb. 1616): Wer einem bawren den hindern kratzt / dem hoffiert er zu lohn in die hand. Klein, Oswald 25, 104 (oobd., 1414?): der tiefel müss dich schenden, 兩 das gib ich dir zu lon. Ebd. 59, 45 (1422): Do si mir pfaiff der katzen lon, 兩 do därrt ich ir der meuse don. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 235, 30 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Darumb gab im die herschafft Florentz seinen rechten lon und verprennten den poswicht. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 123, 26 (moobd., 1478/81): wie der verräter Genelim vmb sein verräterej seinen verdienten lon enpfieng. − Luther, WA 17, 2, 212, 27; Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 289, 8; Fuchs, Murner. 4 Ketzer 97; Sappler, H. Kaufringer 14, 360; Grossmann, a. a. O. 146, 2.

5. ›für eine Ware, eine Tat, eine Leistung erbrachter oder zu erbringender Preis‹; er kann in einem materiellen oder in einem situativ je anderen Gegenwert, auch in einem persönlichen Opfer bestehen; speziell: ›Beschwichtigungs-, Bestechungsgeld‹; ›Kosten für etw.‹; ›als Preis für die Erlösung des Menschen gesehener Opfertod Christi‹. − Bdv.: vgl. anwerung, geld 3, kauf 4. Froning, Alsf. Passionssp. 3170 (ohess., 1501 ff.): Wengker Judeus secundus dicit: Judas, das lon were zu groiß! Kˆbler, Ref. Wormbs 238, 12 (Worms 1499): ordenen wir das der verlyher od‘ verdinger nit schuldig sy dem der ein werck bestanden od‘ zumachen vffgeno˜men hat den lone zubezalen das wergk sy dan vßgemacht vn˜ bereit. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 27, 6 (osächs., 1343): Iz zcimet nicht si [silberıˆne] zuo werfine in den stok carbonam, wan iz o ist ein loˆn des bluˆtes [Mentel 1466: werde des blutz; Lang 1521: kaufgelt deß blutß; Luther 1545: Blutgeld ]. Schaer, Pyr.-Thisbe-Sp. III, 1266 (osächs., 1607): wann ich nur durch die wache wer, 兩 [...], wie ichs soll anfahn. 兩 Wie? wan(n) ichs mit eim leget a(h)n, 兩 Schenckt I(h)m zu Lohn Etlich Ducaten. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 184, 5 (Bautzen 1567): Doran ist auch gestreckt das heil, 兩 Das lohn vor welchs die Welt ward feil, 兩 Der sÈnden bÈrd er auff sich nam. Dreckmann, H. Mair. Troja 34, 17 (oschwäb., 1393): die [des küngs tohter] gab man do zu

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seinem lon dem küng Thelamon. Chron. Augsb. 2, 367, 33 (schwäb., Hs. 16. Jh.): so lat uns denne bey ewerselbs o aigenem botten uff unser selbs lun, [...], auch geschriben wissen, wie [...]. Dirr, Münchner Stadtr. 261, 16 (moobd., 1310/2): swer sein guto von hinnen abe fÈren wil uf einem holtze, uf dem daz guto her chËmen ist, daz sol man im ze chauffen geben umb ein zitlich lon. Klein, Oswald 30, 48 (oobd., 1422/3): dorumb gross rach volgt eu mit bösen lönen. Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. II, 1651 (tir., 1486): Es ist ain lon des pluetz, 兩 Das Judas der mördlich nam. − Koller, Ref. Siegmunds 103, 36; Steer / Vogel, Rechtssumme 8, 2006, 669.

lonabend, lonarbeiter, s. lon 1. lonbäre, Adj. ›aufgrund göttlicher Gnade und / oder eigenen Zutuns (leiden, werke, feier, wille) heiligend, rechtfertigend, zu Gott führend‹; vgl. lon 2, lonen 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, meist der Mystik; vorwiegend älteres Frnhd. − Bdv.: gotförmig 1; 2, verdienstlich; vgl. gerecht 9, gnädig 1. Quint, Eckharts Pred. 1, 78, 10 (E. 13./A. 14. Jh.): i alle die werck, die unnszer herr ye gewurkt, die hat er mir als eygen gegeben, das si mir nit minder lonbar sind dann mine i werk, die ich wurke. Bihlmeyer, Seuse 250, 1 (alem., 14. Jh.): Hettist du als vil geistlicher sÈzikeit und gËtliches trostes und wollust, daz du ze allen ziten hin flussest von dem v himelschen towe, du´ were dir nit als lonber an ir selber. Vetter, Pred. Taulers 326, 32 (els., 1359): das das selbe klein werk von der gehorsamin wegen wirdiger und besser und lonberer ist wan alle die grossen werk. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 141, 4 (schwäb., 14. Jh.): Welhe bewegung dez frigen willen lonberliclich ist. Ebd. 161, 31: der engel, [...], der hat die selikeit ervolget von der ordenunge der gotlicher wisheit von einer bewegung der lonberre wirkunge. Aber die menschen ervolge(n)t si von vil bewegunge der wirkunge, die da lonber heizzent. Schmidt, Rud. v. Biberach 166, 12 (whalem., 1345/60): daz er [mensche] gange in ewigvi ding i v. Maren, Marquard. mit gotformig vnd lonber wurkenge? Ausgabe 28, 22 (Venedig 1483): GibstÈ deinen willen darzuo [pËs lÈste ...] nicht so schaden dir die einfel nicht mer sie sint dir lonber so sie dir lÁid sind vnd vegen vnd reynigen dir deine sele. − Morgan u. a., a. a. O. 114, 28; T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 74.

londieb, s. lünse. londienst, s. lon 1. lone, s. lünse. löndsch, s. lündisch. lonen, V. 1. ›jn. (oft arbeiter 2, taglöner, ambachtleute oder Angehörige eines ähnlichen Rechts-

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lonen

und Wirtschaftsstatus) für eine erbrachte Arbeit, einen Dienst, eine Leistung, einen Gefallen (z. B. einen Liebesdienst), eine falsche Aussage o. ä. mit einem Geldbetrag entlohnen, jn. für etw. bezahlen; etw. bezahlen‹; zu lon 1. − Vielfach Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: begaben 2, bezalen 1; 6; vgl. ablonen, abrichten 5, ausrichten 9, begaben 2, vergelten, verlonen. − Synt. mit Dat.obj. (meist) oder Akk.obj. (seltener) d. P. / S. (für den Belohnten bzw. das Belohnte) und Gen.obj. oder Akk.obj. d. S. (für die Belohnung) sowie mit präp. Anschluß (als Komplement oder Angabe); vereinzelt elliptisch; mit Dat.obj. d. P.: jm. (z. B. dem arbeiter / arzet / büttel / diener / gesellen / pfänder / redner / taglöner, der hausmeid [auch z. B. für Liebesdienste], den ambachtleuten / türhutern) l., jm. l., das [...]; jm. gleich / wol l.; mit Akk.obj. d. P.: jn. (z. B. den büttel / kaplan / zeugen) l.; mit Akk.obj. d. S.: jm. etw. (z. B. das gewelbe) l.; mit Gen.obj. d. S.: jm. des dienstes l.; mit präp. Anschluß: jm. mit etw. (z. B. mit dem zehent, mit einer [bestimmten] münze) l., jn. von etw. (z. B. von einer botschaft, von den dingen, jeweils: ›für [...]‹) l., auch: jn. von etw. (z. B. von der zubusse ›aus Mitteln der Zubuße‹) l., etw. (z. B. zeug) um etw. (z. B. um gülte) l.; der gelonte priester. Joachim, Marienb. Tresslerb. 275, 30 (preuß., 1403): was her der selben gewelwen von nuwes machen wirt, die sal man im lonen. Quint, Eckharts Pred. 1, 112, 6 (E. 13./ A. 14. Jh.): ,ich [herre] enhaˆn iuch niht geheizen knehte sunder vriunde‘. Waz ihtes begert von dem andern, daz ist kneht, und waz daˆ loˆnet, daz ist herre. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 268, 20 (mosfrk., 1443): dem [dagloner] sal der froener loenen, der dae sumich ist geweˆst. Feudel, Evangelistar 15, 27 (omd., M. 14. Jh.): du hast en unde uns glich gelonet, unde wir han dy burde getragen aldurch den tak in der hitcze. Ermisch, Sächs. Bergr. 123, 3 (osächs., 1499/1500): Den arbeitern sall [...] mit [...] unnser müntz [...], gelohnet werden. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 189, 8 (omd., 1554/1633): Mit wahre lohnen ist den vorlegern und schichtmeistern verboten zue ihrem eigenen nucz. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 39, 4 (schles., 1535): Es soll auch furder kein golt vorkauft sonder von gemeiner zubusse gelonet werden. Fastnachtsp. 1159, 39 (nobd., 15. Jh.): So thut sie [haußmeid] im dan pald sein esel ein 兩 [...] 兩 so lont er ir. Gille u. a., M. Beheim 130, 172 (nobd., 2. H.

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15. Jh.): Dem selben diener du furwar 兩 lanest und in pegaˆbest gar 兩 vil und vast miltigleicher 兩 Dann ainem andern diener. Kˆbler, Stattr. Fryburg 51, 23 (Basel 1520): di [Witwen] einem Redner zuo lonen nit vermËchten. Schib, H. Stokkar 28, 29 (halem., 1519): die müsend [...] di schiff mit [Salz] beschweren und ar herschafft gain Venedig bringen, davon mans lonatt. Dirr, Münchner Stadtr. 335, 20 (moobd., 1340): Swer [...] Èberwunden wirt, daz er valschen zewch umb gÈlt lont, der sol alles dez schuldich sein, als der umb guto falscher zewch ist. Roth, E. v. Wildenberg 148, 21 (moobd., v. 1493): das guto hiet sein genad seinen o türhuteren verlihen und ine damit irer dinst gelondt. − Helbig, Qu. Wirtsch. 4, 79, 12; Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 584, 18; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 111, 15; Koller, Ref. Siegmunds 320, 13; Welti, Stadtr. Bern 268, 2; Bastian, Runtingerb. 2, 248, 17; Roth, a. a. O. 54, 24; Kummer, Erlauer Sp. 3, 219; Rechn. Kronstadt 3, 24, 25; Rwb 8, 1391. − Vgl. ferner s. v. aufheben 11.

2. ›jn. für ein moraltheologisch meist positiv, vereinzelt negativ bewertetes Verhalten belohnen, js. Taten, Verhalten mit dem gebührenden transzendenten Lohn (im Himmel oder in der Hölle) entgelten‹; got erscheint dabei teils als der aus seiner Machtvollkommenheit heraus, teils als der nach Verdienst im Sinne des Dienst-LohnGedankens Zuteilende; zu lon 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch der Didaxe. − Phras.: allen tritten lonen ›überreich beschenken‹; das dir got lone! − Synt.: got jeweils als log. Subj.; mit Dat.obj. d. P. (unspezifisch, meist pronominal: dem) / Dat.obj. d. S. (z. B. dem werke [nicht]) / Akk.obj. d. S. (z. B. die arbeit) l.; got (Subj.) in dem tron, in ewigkeit, mit dem hellischen feuer, mit der helle l.; mit Gen.obj. d. S. und Akk.obj. d. P.: got jn. des weingarten [poetisch]) l.; subst.: gottes wesen sein lonen sein. Wbg.: lonlich ›zur mystischen Einigung mit Gott beitragend‹ (bdv.: verdienstlich; vgl. lonbäre). Helm, H. v. Hesler. Apok. 4139 (nrddt., 14. Jh.): So lon ich [Got] mines wingarten 兩 Dan die da lones warten 兩 Mit gotlicher milde. Quint, Eckharts Trakt. 247, 10 (E. 13./A. 14. Jh.): Allen dıˆnen werken sol daˆ mite geloˆnet sıˆn, daz sie dıˆn got weiz und daz duˆ in dar inne meinest. Ebd. 416, 7: wan der wol tuot, dem wirt ouch wol geloˆnet, der übel tuot, dem wirt ouch dar naˆch geloˆnet. H¸bner, Buch Daniel 7297 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): En wirt vil mancherhanden 兩 Gelonet irre [der Auferstehenden] arbeit: 兩 Ir ein teil werden gemeit 兩 Lebende ewiclichen 兩 Mit Gote. Ebd. 8255: En wirt der selben unzucht 兩 Gelonet mit der helle. Vetter,

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loner

Pred. Taulers 19, 2 (els., E. 14. Jh.): Got het sich des beraten daz er nu´t enlone wanne sinen eigenen werken, in dem himmelriche enkrËnet er nu´t wan sine werg, nu´t die dinen. Ebd. 277, 17: Sin [Got] wesen ist sin wu´rken, sin bekennen, sin lonen, sin minnen, sin richten alles ein, sin barmherzikeit, sin gerechtekeit. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 20, 15 (schwäb., 14. Jh.): da von so waz dekein siner [Christi] wirkunge lonlich der einunge. Steer, Schol. Gnadenl. 1, 48 (noschweiz., 15. Jh.): won got der mag dem werke v lonen, ob er wil. Sappler, H. Kaufringer 14, 106 (schwäb., Hs. 1464): sprecht zuo im [wachter] vil schone: 兩 „wachter, das dir got lone, 兩 sag der werden junkfrau dein, 兩 das [...]“. Spechtler, Mönch v. Salzb. 38, 91 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): die speis hat solichen sitten, 兩 sie lonet allen tritten, 兩 wer mess in eren hat. − Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 673, 7; Vetter, a. a. O. 375, 27. − Vgl. ferner s. v. barmherzigkeit 4.

3. ›jm. etw. (eine Haltung, auch z. B. die erlittene not) mit einer der Weltordnung, der herrschenden Moral entsprechenden weltimmanenten Gegenleistung vergelten‹; vgl. lon 3. − Synt.: signifikant häufig mit einem Wertausdruck (z. B. minne) im Subj.; jm. (e. S., Gen.obj., z. B. des ›für etw.‹) gelonet werden, jm. etw. (Akk.obj., z. B. die not / treue) l., 2die minne / treue / tugend / welt, got9 (jeweils Subj.) (jm.) l., die weltliebe (Subj.) übel l., j. jm. mit barmherzigkeit l.; j. e. S. (Gen.obj., z. B. des) nicht l. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 127, 8 (rhfrk., um 1435): Got [...] sal uch auch wol lonen nach dem ir dan verdient hant. Bihlmeyer, Seuse 149, 12 (alem., 14. Jh.): o dem git man die ere und wele [aventu´rer] es da aller best tut, im wirt gelonet. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 186, 13 (Hagenau 1534): Die welt liebe heysset man wollust / aber sie ist one frucht und lohnet ubel. Ebd. 215, 14: Wer auff gnad dienet / dem lonet man mit barmhertzigkeyt. Sappler, H. Kaufringer 2, 117 (schwäb., Hs. 1464): wie hast du gedienet mir 兩 mit deiner schar? das will ich dir 兩 hie wol lonen ze der stund. Klein, Oswald 71, 4 (oobd., 1418): Dein schallen und scherzen 兩 liebet mir, 兩 das nim ich zwar; 兩 dir lon mein treu. Ebd. 101, 11 (v. 1408?): O nachtigal, dein spe¨her don 兩 mir pringet qual, des ich nicht lon. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 149, 7 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): an etlichen ennden prachen sy [hawsphleger] dy mawr, des in darnach gelonet ward. Ebd. 168, 7: Damit lonet der kunig den, die in der stat gewesen warn, ire trew und not. − Henschel u. a., Heidin 880; Gilman, a. a. O. 2, 10, 4; Lauchert, Merswin 8, 30; Roloff, Brant. Tsp. Widm. 39; Munz, Füetrer. Persibein 519, 6; 528, 1.

4. ›jn. für seine (negativ beurteilten) Taten, für sein Verhalten mit entsprechender Reaktion belohnen, jm. etw. mit Strafe ent-,

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vergelten‹; vgl. lon 4. − Gehäuft didaktische Texte. − Phras.: jm. mit haberstroh lonen; jm. lonen wie der teufel seinem knecht; lone euch der teufel! − Synt.: jm. l., jm. e. S. (Gen.obj., z. B. der werke, der minne) l., (jm.) mit etw. (z. B. mit übel / pestilenz) / für etw. (für ein Fehlverhalten) l., faulheit mit armut l., das werk jm. gelonet werden. Luther, WA 17, 1, 23, 24 (1525): [sie] werden darnach an den lichten galgen gehangen, so lohnet jnen denn jr Gott, der Teuffel. Ebd. 30, 1, 166, 24 (1529): Gott wird seines gepots nicht vergessen und yhn auch lohnen, wie sie gedienet haben. Ebd. 37, 620, 3 (1518/34): so gehe auch hin und las dir deinen konig oder den Pabst lonen. Ebd. 52, 460, 26 (1544): schau nur du, wie er mit der zeyt lohnen werde, mit Pestilentz, teurer zeyt. Sachs 23, 118, 14 (Nürnb. 1557): Lont in wie der teuffel seim knecht. v. Keller, Ayrer. Dramen 2882, 23 (Nürnb. 1610/8): Gebt jhr mir nichts, lohn euch der Teufel! Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 73, 10 (Hagenau 1534): Wir wissen auch / daß vil kinder yhren eltern da fur [für schlechte Erziehung] gelonet haben. Ebd. 26: Faulheyt lohnet mit armut. Barack, Teufels Netz 12639 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Der bübrig hand si [Kuppler] vast gewont, 兩 Die in och ze jungst lont, 兩 [...] 兩 Das si dem henker werdind ze tail. Wiessner, Wittenw. Ring 3228 (ohalem., 1400/08): so hab kein ungemach, 兩 Ob dir deineu kinder nicht 兩 Dankin nach deinr zuoversicht, 兩 Won du deinen vordern so 兩 Gelonet hast mit haberstro! Sappler, H. Kaufringer 6, 78 (schwäb., Hs. 1464): ich sol im lonen seiner minn, 兩 das er fürbas ewiclich 兩 mit guotem frid muoß lassen dich. − Eggers, Psalter 9, 20; Koller, Ref. Siegmunds 119, 4; Primisser, Suchenwirt 36, 63; Kummer, Erlauer Sp. 3, 652; 4, 48.

loner, der. 1. ›j., der einen Lohn für eine von ihm erbrachte Leistung oder Tat erhält, Lohneinnehmer‹; konvers auch: ›j., der jm. Lohn bezahlt, Lohngeber‹; zu lonen 1. − Bdv.: arbeiter 2, beloner, mietling. Luther, WA 45, 59, 25 (1537): Si econtra, dicitur Ischarioth ein lohner, der lohn sucht. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 280, 5 Var. (Straßb. 1466): Wie manig mietling [Var. 14752−1518: lËner oder arbayter] begnu´gent des brotes in dem haus meins vatters. Winter, Nöst. Weist. 4, 416, 36 (moobd., 15. Jh.): hat er [herre] aber die weil nicht ain löner, wer dann uber wil faren der sol im lönen. Turmair 4, 23, 1 (moobd., 1522/33): Löner, ein bestelter umb lon oder der bestelt und besoldt ander. Ebd. 627, 5: es wär wol wägerer, das si [Römer] selbst ir aigen leut von jugent auf das kriegen [...] erzögen [...], dan das si frembd löner und landläufel umb das gelt bestelten.

2. ›(Gott als) Lohner, Spender (z. B. eines seligen Endes), Geber irdischer Werte‹; vgl. lonen 2. − Bdv.: lonherre, vergelter.

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lonerman − lonschnitter

Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 11, 19 (Hs. 2omd., 14659): Lone und genediglichen solt gib ir, milter loner aller getreuen soldener. Strauch, Schürebrand 42, 19 (els., E. 14. Jh.): dem ir ouch volgen süllent in dem mittele, daz er o uwer loner werde mit eime guten gnodenrichen seligen ende. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 268, 1 (Straßb. 1466): es gezimpt den genachenden zuo gott zegelauben das er ist: vnd wirt ein loner [Var. 14752−1518: beloner ; Luther 1545, Hebr. o Koppitz, Trojanerkr. 11, 6: Vergelter] den die in suchent. 8528 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): frow, des sy öne spott 兩 Üwer lonner der allmechtig Gott! Spechtler, Mönch v. Salzb. 22, 3 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): hilf mir wiegen mein kindelein, 兩 das got müeß dein loner sein 兩 in himmelreich. Klein, Oswald 95, 4 (oobd., um 1425): O rainer got, 兩 gnad, tugent hoch, der barmung tieffer gründe, 兩 [...] 兩 ain loner gütter dinge. − Strauch, a. a. O. 33, 24.

lonerman, lonfrei, longarbe, s. lon 1. longold, das; Bw zu lanne ›Kette‹ (Lexer 1, 1821; Dwb 6, 77 s. v. Lahn); s. lansilber. ›Kettengold‹. Hoffmann, Würzb. Polizeisätze 173, 26 (nobd., 1475): es sol auch nymant vergulden mit longold [Var.: lansilber], er stoß es dann im fewer uff. − Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 186.

lonhaus, s. lon 1. lonherre, der ; −/-n. ›Person gehobenen Standes, Arbeitgeber, Bauherr, bei dem Arbeitleistende in Dienst stehen und der sie bezahlt; Verwalter der Stadtfinanzen; für die Entlohnung von Bergarbeiten zuständige Person; auch für Christus gebraucht‹; vgl. lon 1, lonen 1. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: vgl. arbeitsherre. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 8, 30 (hess., 1450): dodurch die lonehern merglich beswert und eins teils zu buwen hinderstellig werden, umb das die meister zu zijten knechte, die irs hantwercks nit gnugsam abegericht sin, anstellen. Ebd. 2, 107, 16 (1498): doch mag er so vil meister oder meisterknecht, er von dem lonehern befehel hait, inn die arbeit furen. Strauch, Schürebrand 34, 26 (els., E. 14. Jh.): wenne ir lonherre [...], unser lieber herre Jhesus Christus, des selben regenwetters und gewülkenes gar vil durch siner snitter willen erlitten het. Merk, Stadtr. Neuenb. 108, 21 (nalem., 1616): wer also zu einem lonherren ernant wirdet, der soll auch abtreten und welche [...] erkorn werden, die sollen auch als dann das ganz jar lonherren sein. Welti, Stadtr. Bern 273, 9 (halem., n. 1437): das ouch die selbe dienstlich parson [...], iren lidlon an irem lonherren [...], uordren sol. Piirainen, Stadtr. Kremnitz 81 (mslow. inseldt., 1537): sollen

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bemelte paw unnd Lonh(er)n dem Herrn Richter, aller purden [...] helffen vnnd seiner Herschafft nit allein alle sorg aufflegenn. − Dasypodius 242v; Rwb 8, 1395.

lonjunge, lonkind, s. lon 1. lonknecht, der ; −/ auch -π. 1. ›Handwerksgeselle (im Unterschied zum lerknecht‹ (s. d.); generell: ›gegen Lohn Arbeitender, Tagelöhner‹, teils mit negativer Konnotation, dann: ›gedungener Arbeiter, Mietling‹; ütr. auch: ›Mensch mit lohnorientierter Gesinnung‹; lon 1, lonen 1; vgl. knecht 3; 7. − Bdv.: arbeiter 2, -diener, mietling, vermietling, tagwerker ; vgl. geselle 8. Luther, WA 17, 2, 353, 8 (1527): solche gesellen [...] haben alle die art, dz sie bauch diener sind und lohnknechte. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 265, 16 (hess., 1407): sal kein meister mee dann zwene loneknecht und eynen lerknaben halten. Chron. N¸rnb. 1, 280, 8 (nobd., 1387): von Hansen messingslaher 5 웩 hl., daz er zweyr lonkneht zu vil gehabt het. M¸ller, Nördl. Stadtr. 315, 11 (schwäb., 1445−7): Es sol auch niemant von ire kains knechten weder von lonknechten noch von lerenknechten under in nichtzit kawfen. Sexauer, Schrr. in Kart. 242, 16 (nöst., v. 1450): Den lonknechten geit er nit waiczein prot. oder che¨s. oder wein. an urlaub. denn wenn man in des pflichtig ist. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 18, 31 (tir., 1464): wie vil sint heüt in der christenleichen chirchen, die nicht hirten sein aber lön chne¨cht, den da nicht zugehört von den schaffen Jesu Christi. − Koller, Reichsreg. Albr. II. 121, 4.

2. ›Söldner‹; vgl. lon 1, lonen 1; vgl. knecht 10. − Bdv.: vgl. appointe´, 1ausreiter 1, aussoldner, bandit 2, gast 3, geselle 6, heiduk, kriegsman, landsknecht 1, reuter. Chron. N¸rnb. 5, 564, 7 (nobd., E. 15. Jh./A. 16. Jh.): in dem jar da vieng der rËmisch kunig einen lonknecht und was ein haubtman und ein panirfÈrer. Ebd. 571, 7: [hertzog Albreht] vand darauf zwen edel [...] mit 60 lonknehten, die vieng er all.

lonkorn, lonleder, s. lon 1. lonlich, s. lonen 2. lonmeister, lonpferd, lonrecht, lonros, s. lon 1. lönsch, s. lündisch. lonscheibe, s. lünse. lonschnitter, lonschwein, lonsetzer, lonsucher, lonsucht, lonsüchtig, lontag, lonvieh, lonwagen, lonwäsche, lonweber, lonwirkig, lonworchterse, lonzeuge, s. lon 1.

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lop − lorberbaum

lop, Genus?; entsprechend mnl. lope ein Inhaltsmaß (Verwijs/Verdam 4, 791). ein Getreidemaß. v. Bunge, Livl. UB 3, 609, 27 (nrddt., 1391): in praescriptis limitationibus ultra praedictam medietatem agrum, octo lop seminis capientem.

loquebar, der ; latinisierend aus lat. loqu(Georges 2, 702). ›Schwätzer‹. Schˆpper 36a (Dortm. 1550): Loquutuleius. Schwätzer loquebar kläpperer jecher schwatzmaul laferer villreder lafermann. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 175 (Straßb. 1522): Jch liß von einem Loquebar, ein Klapperman, oder ein Schwetzer, der vil Wort in im het.

lorbaum, lorbaumblat, lorbäumen, lorbaumgarte, lorbaumöl, s. lorberbaum. lorber, das/die (?); −/-(e)n; über mhd. lörber ›Lorbeere‹- mit dem Vorderglied aus lat. laurus (Lexer 1, 1955; Kluge/S., Et. Wb. 2002, 582). ›Beere des Lorbeerbaumes‹. − Gehäuft Wirtschaftstexte und arzneikundliche sowie medizinische Fachtexte. − Wbg.: lorberbier ›mit Lorbeergeschmack versetztes Bier‹, lorberer ›Lorbeerhändler‹ (a. 1414/5), lorberkorn, lorberkranz. Ziesemer, Gr. Ämterb. 120, 22 (preuß., 1519): 1 vasz eherbir, 1 thon lorbirbir, 1 thon rautenbir. Follan, Ortolf. Arzneib. 81, 6 (rib., 1398): Nym [...], lorberen eyn lot, stoz et cleyne, sut ez myt deme wyne, twach eme dat houet vnde besla eme dat houet. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 25, 12 (osächs., 1570/7): Vor die hundesleüße. Rp. vor 2 pf. lorbeeren, vor 2 pf. ungenüzten schwefel, vor 2 pf. hirschen oder böckin unzschlot. Den schwefel und lorbeern in einem mörser klein zurstoßen. Ebd. 33, 26: heilwurzel, negelein, lorbern und benedictwurzel in wein und bier gehenkt erhalten es bei guttem schmagk. Eis, Wahrsagetexte 54, 42 (omd., 15./ 16. Jh.): so sal man eynen rouch machen in deme slouff gemache des kranken von den wurtzen thimema, mirren und weyrouch, lorbern und wachandeln. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 53, 7, 2 (schles., 1327, Hs. 1358): Welch gast brengit alune, Seife, komil, lorber, Sweuil, winstein, [...], der Czenthen gibt ein halb lot. Haage, Hesel. Arzneib. 13r, 10 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Wenne dy fraue die kranckhait nit enhatt, so sol sy nemen holwurcz und bibergail, e segelpawm und lorpır, und seud daz durch einander in ainem pier. Fastnachtsp. 478, 4 (nürnb., v. 1494): [du] gibst fur lorper hin geißkot 兩 Und fichtenspen für zimentrinten. Keil, Peter v. Ulm 193 (nobd., 1453/4): Ein salb zu alten schaden. So nym vj lot gallitzen-stein, ij lot sweuel, v lot lorber vnd stoß die iij stuck zu puluer gar clein als mel. Ott-

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Voigtl‰nder, Rezeptar 211r, 29 (Hs. 2nalem., um 14009): Dem die lungg we tuto vnd im fulet der / nem lorber. Rohland, Schäden 469 (nalem./schwäb., 1400/33): nym xx lorber körner vnd bulffer die klein. Arndt, biechlin A iiijv, 15 (Freib. 1523): Wein mit alant vn˜ mit lorbern gewermet / ist gesund zuo trincken. Ebd. B jv, 11: fenchel ephew / ysopen samen / lorber / alant / vnd thuo dartzuo baum Ël. Vnd daz sol man alles mit honig durcheinander temperieren / vnd sol auch den gantzen leyb damit schmieren vnd bestreychen. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 327, 26 (oobd., 1349/50): die lorper gebent öl, daz man dar auz machet, daz ist guot den kranken glidern, diu daˆ aˆdersuht habent. Eis, Gottfr. Pelzb. 180, 15 (öoobd., 15. Jh.): wiltu toten all wurm, dy da waxen an den paumen. Nym pfeffer vnd larbir, vnd rautten, misch das mit guettem wein. Ders. u. a., Asanger Aderl. 3, 20 (sböhm., 1531): ain guet pulfer fur dy pestilentz, [...]: Recipe paider wurtzn, genant des teufflpis, zyttwar, piguel vnd lorber. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1978 (oobd., 1607/11): ein nacket weiblin, helt ein lorberkrantz in der hand endtbor. − Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 134, 11; Ermisch u. a., a. a. O. 76, 15; 182, 23; Keil, a. a. O. 183; Rohland, a. a. O. 469; Deinhardt, Ross Artzney 44; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 79; Bremer, Voc. opt. 48139; Harsdoerffer. Trichter 3, 329, 1. − Vgl. ferner s. v. 2alant, becher 1.

lorberbaum, lorbaum, der ; -(e)s/−. ›Lorbeerbaum‹. − Wbg.: lorbaumblat, lorbäumen, lorbaumgarte, lorbaumöl, lorber(baum)blat, lorberbäumen, lorblat, lorlaub, lorzwei. Helm, H. v. Hesler. Apok. 8084 (nrddt., 14. Jh.): Eines lorbaumes zwic 兩 Den want man an einen reif, 兩 Der im [solde] daz houbt begreif. Opitz. Poeterey 51, 22 (Breslau 1624): Wie der Lorbeerbawm den schein 兩 Seinen wÁldern pflegt zue geben / 兩 Also war auch deine ziehr. Haage, Hesel. Arzneib. 5r, 15 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Wemm die nieren geswollen sind, [...], so nym rautten und e und seud die in ainem ezich und leg sie an lorpırpambletter die gesbulst. Dasypodius 109r (Straßb. 1536): Lorbaumöl [...], lorbaumblatt [...], Ein lorbÁumen krantz. Broszinski, Minner. Chir. Parva 78v, 30 (halem., 2. H. 15. Jh.): ein vnguentum [...] heisset marciaten: [...] Rp. wis wachs ij lib., öli iiij lib., roris marini, lorberbletter, ruten iegklichs j lib. Bremer, Voc. opt. 48138 (wmd., 1. H. 15. Jh. f.): Laurus [...] lorberpa´m [...] est species arboris semper uirens. Et dicitur quasi laudus, quia olim laudibus victorum capita lauri frondibus coronabantur in signum victorie; quia, sicut folia lauri in hyeme non decidunt uel arescunt, ita triumphalis honor aliis honoribus magis durat. Adrian, Saelden Hort 3428 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): im wont vor allen lerern pi 兩 daz loplich lor zwi, 兩 sit er der tugent merer 兩 waz. Maaler 275r (Zürich 1561): Lorbaumgart (der) Daphnon. Lorbeerbaum (der) Laurus. Der gemein Lorbeerbaum. Baccalia. Ein ort mit LorbeerbËumen gepflantzt. Lauretum. Lorbeerblat (das) Laurea. LorbeerbËumin. [...] LorbeerbËmin Ëll. [...]. LorbeerbËminer krantz. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d.

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lorberbaumblat − lorgat

Nat. 321, 10 (oobd., 1349/50): sein rind ist leicht und lind sam des lorpaums rind. Ebd. 327, 20: wider den kalten hauptfluz nim lorpleter und roˆsen. Ebd. 34: daz haizt dann loröl. daz selb öl macht man auz frischem lorlaup. − Rohland, Schäden 470; Schmitt, Ordo rerum 375, 25; 377, 1; Dasypodius 374v; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 226. − Vgl. ferner s. v. ana.

lorberbaumblat, lorberbäumen, s. lorberbaum. lorberbier, s. lorber. lorberblat, s. lorberbaum. lorberer, lorberkorn, lorberkranz, s. lorber. lorberöl, s. loröl. lorblat, s. lorberbaum. lorbone, die; −/-n. ›Lorbeere‹. − Bdv.: vgl. laurea. Merk, Stadtr. Neuenb. 59, 8 (nalem., 1442): von ainem sake mit lorbonen zwen phenning. Schnyder, Qu. Zürcher u Wirtsch. 140, 10 (halem., 1367): ein som lorbonen oder sirmendanen. Ebd. 984, 29 (1498): Was aber schlÁchts koufmanns guto ist der groben war als lÁder, unnschlit riß, pomerantzen, sogellen holtz, dintten, Ëppffell und lorbonen. Stolz, Zollwesen 94, 38 (1547): Hanif ain Rossam 1 kr. − Lorponen 8 F., Pomerantschen 8 F. − Maaler 275r; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 186; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 226; Schweiz. Id. 4, 1313; Vorarlb. Wb. 2, 296.

lorchenhaus, das; Bw wohl zu Lorch ›Kröte‹ (Dwb 6, 1151). ›als Krötenhöhle gedachter sicherer Ort‹. Luther, WA 31, 2, 662, 17 (1530/31): Ipse est ibi petra, foramen, in dem lorischen haus wonet et manet in abscondito.

lordane, −/-n; genauer Lemmaansatz, Genus und etymologische Zuordnung unklar; vgl. aber Lorrendreher ›Pascher, Schmuggler‹ (Dwb 6, 1152). wohl ein Schmugglerkahn. − Srhfrk, / rib. Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 233, 22 (snfrk., 1486): als dat men ten irsten den koipman wat gnaden doen ind die zwarte scheep 3 voir eyn ind men die dennen lurdannen 2 ½ vor eyn besien ind varen laten sold. Ebd. 350, 19 (1570): off die drie amptlude, tolner, besierer und tolschriver, aldair voer oere gerechtigheit nit van eynen doergaenden schiep, nemlich luyrdanen und buick, die tho Orssoy frij, ein tytlanck 2 daler nit genommen. Chron. Kˆln 2, 67, 22 (rib.,

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1431): do quam der jonge van Birnenburch ind de sinen heimlich in einre lordannen ind had vil gewapender lude. − Scholz-Babisch, a. a. O. 199, 8.

löre, Genus und Etymologie? ›Bettdecke‹. Schmitt, Ordo rerum 222, 12 (omd., 1457): Zementum [...] beth cziech [...] deckbet uel lËre [...] pedt pettcziech oder pettbruk.

lörecht, löreln, löreltanz, s. lören. lören, V.; zu löhren ›heulen‹ (Dwb 6, 1143). ›plärren, schreien, brüllen, heulen; etw. herunterleiern‹. − Nur nrddt. / md. / nobd. belegt. − Bdv.: bellen, heulen, tönen, wispeln; vgl. brüllen, greinen 2, limmen, plärren 1; 2. − Wbg.: lörecht, löreln, löreltanz abwertend für ein religiöses Fest mit Bitt-, Heischezweck. Luther, WA 10, 3, 306, 9 (1522): geben für, das die Nunnen, Münch und pfaffen mit iren lËrlen [...] künnen andern leüten helffen. Ebd. 392, 38: DarÈmb haben sie am Donnerstag ein grossen lËrel tantz auffgericht. Ebd. 409, 15: gleych als wolten sie [selen] myt dem loeren got tzwingen und dringen, das [...]. Ebd. 17, 1, 369, 29 (1525): Das sie aber ym Chor sollen sichen, hewlen und loreln. Ebd. 26, 531, 24 (1528): Hie heulet einer von einer gestalt des sacraments, da lËret der ander wider die geistlichen ehe, Hie billet einer von der messe, Hie kreyset der ander von guten wercken, dort murret einer von kloester geluebden, da brummet einer von der heiligen dienst. Ebd. 30, 3, 354, 23 (1531): So kanstu wol dencken, das jnn den heiligen Euangelijs mÈsse funden werden beide Canones, Casel [...] und kelch, platten und kappen, lËren und heulen. Ders. Hl. Schrifft. Hos. 7, 14 (Wittenb. 1545): So ruffen sie auch mich nicht an von hertzen / Sondern lören [Mentel 1466: klagen; 14752 / Worms. Proph. 1527 / Eck 1537: heulen o. ä.] auff jren Lagern. Alberus b vv (Frankf. 1540): todten gesang / uigilie / lausig lied, das lËrn. Peil, Rollenhagen. Froschm. 74, 952 (Magdeb. 1608): Fingt an zu jauchtzen / raren / lËren / 兩 Zu ruffen wie vnsinnig Leut. v. Groote, Muskatblut 66, 47 (nobd., 1. H. 15. Jh.): dir wirt ertzeiget, bis nit gemeyget / uff lorat [Ú lörecht, lörend?] leüt, her den nit treüt 兩 der mit dir affter rümet. − Luther, WA 12, 37, 28; 26, 196, 25; 38, 222, 29.

lorgat, loriat, lörtsch, wohl das; zu 2lerche; letztere Bildung wird auf ital. larica ›Lärchenharz‹ zurückgeführt (Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, S. 186; Schweiz. Id. 3, 1387). ›Lärchenharz‹. − Obd. − Bdv.: vgl. baumgeträufe, pech 2. − Wbg.: lorgatboren ›Anboh-

1363

loriat − loröl

ren der Lärchenstämme zur Harzgewinnung‹, lörtschwurz ›pharmazeutisch aufbereitete Wurzel der Lerche‹. Keil, Peter v. Ulm 277 (nobd., 1453/4): Nym lerchen lorgat vnd weiß tennin pech. Rennefahrt, Recht Laupen 257, 14 (halem., 1664): Gemeyne seiffen, lörtsch, hartz, unschlitt, schmär, schmaltz, [...], vom centner I schilling. Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 186 (1659): nimb lörtsch wurtzen, wäsch sy¨ und schab sy¨. Morrall, Mandev. Reiseb. Var. M. zu 35, 14 (schwäb., E. 14. Jh.): das ist lËriat von lÁrchpÁwmen. Wopfner, Bauernkr. Tirol 136, 8 (tir., 1525): so ain gerichtman lo˘rget hat port. Ebd. 143, 21: von wegen des lo˘rgetporen [...] unns au˘ch zu˘ nachtail enntspru˘ng. − Zingerle, Inventare 69, 2, 21; Stolz, Zollwesen 144, 12; Lehmann, Rezeptb. 215.

loriat, lorgatboren, s. lorgat.

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Wbg.: lörlesbad, lörlesknabe, lörlesman, lörleswirt, lürlestand. Mayer, Folz. Meisterl. 45, 29 (nobd., v. 1496): Nun dar, mein lorleinß knab [in 1: schlindentrunck], 兩 Mein frag ich dir beweret hab, 兩 Thu dich deins singes furpaß ab. Sachs 20, 84, 34 (Nürnb. 1559): Wan lauffst her, so nackat und bloß? 兩 Ich mein, wölst im Lörlesbad baden. Ders. 116, 20 (1556): Auch ist mein mann ein Lörles-wirt, 兩 Der tag und nacht gern mit burschirt. Spanier, Murner. Narrenb. 20, 46 (Straßb. 1512): Der mißbruch ist so manigfalt, 兩 Das man [...] 兩 Den ban halt für ein lürlis thand. Fuchs, Murner. 4 Ketzer 2991 (2wohl Straßb.9 1509): Er [priester] sprach / „es ist ein lyrles tandt“ (bezogen auf ein bild, Wie [...] sye das bluto grossen herren vßteleten). Barack, Teufels Netz 11237 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): O der selbs lorlis man 兩 Muos och in min segi gan! − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 230.

lorind, der ; zu lören oder zu 2lügen 1 (mit Hiat-r); Motivation von 2 schwer nachvollziehbar, möglicherweise lautnachahmend. 1. ›Rohrdommel‹; vom Schrei des Vogels her motiviert (Ähnlichkeit mit dem Schreien, Lühen, Löhren des Rindes). − Bdv.: moskalb, moskuh, mosvogel, mosreiger, rordommel, rorkuh, rorrind, urrind.

lörlesbad, lörlesknabe, lörlesman, lörlestand, lörleswirt, s. lörle-. lörlewein, der ; Bw aus lat. lo¯ra ›Nach-, Tresterwein‹ (Schweiz. Id. 3, 1375; vgl. auch Dwb 6, 1313). ein einfacher Wein.

Lauater. GespÁnste 37r, 27 (Zürich 1578): Man hËrt etwan ein moßkÈ / lorint / oder andere seltzame vËgel / da jnen vil lüt wyt andere ding ynbildend (ebd. Z. 23: gespenst 4, ungeheuer). − Schweiz. Id. 6, 1030 (a. 1569); Suolahti, Vogeln. 1909, 387.

loröl, lorberöl, das; ersteres Klammerform für (weit seltener belegtes) letzteres. 1. ›öliger Absud aus den Früchten und Blüten des Lorbeerbaumes‹. − Fachtexte der Medizin und Pharmazie, auch Wirtschaftstexte. − Synt.: l. nemen (zur Salbenherstellung, zur Herstellung von Angelködern u. ä.) / einnemen / zubereiten, warm machen; etw. in l. legen, das bein mit l. malexieren / salben, etw. mit l. mischen, [einen Betrag] vor ›für‹ l. berechen.

2. ›das Rauschen (des Wassers)‹. Sudhoff, Paracelsus 8, 278, 8 (1530): so wissent in dem lorint, das ist das geschrei und geton des wassers, nemlich in den stillstehenden seen, mit erzittern und erbidmen; derselbig lorind ist der donner des wassers. Ebd. 13, 275, 31: was do rint, das gibt ein stim, nach dem und es stark oder schwach rint. ein solche stim geˆt auch durch das wasser und ist ein lorint, der weret also lang, bis das wasser wider verfellt. also ist ein ietlicher lorint ein rinnents wasser under sich.

lorlaub, lorberbaum. lörle-, lürlis- als Bw in einigen Komposita; etymologischer Anschluß unsicher; semantisch mit dem Namen Lorenz, Lörlein (Dwb 6, 1151), mit lören, lörle(wein) sowie mit lörlen (›locken‹; aus franz. leurrer ; Schweiz. Id. 3, 1376), auch mit schweiz. lüren (ebd. 1379) verbindbar. ›dumm schwatzend, unnütz‹. − Obd. − Phras.: im lörlesbad baden ›zu heiß baden‹. −

Maaler 274v (Zürich 1561): LËrleweyn / Ein schlÁcht haußtra˜ck für die knÁcht. Posca, Lora.

Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 92, 12 (Frankf. 1535): Quecksilber / wann das wirt getËdt vnd gemischt mit rosenËl / vnnd lorberËly / tËdt die leuß. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 179, 31 (osächs., 1570/7): Köder zu grundangeln, daran federkiel seind. Honig und lorohl, beim feuer warm gemacht, und der regenwurmer, [...], darein gethan. Ebd. 182, 7: Darnach mache kuglein, die lege in lorberöhle und las sie darinnen prägeln. Keil, Peter v. Ulm 155 (nobd., 1453/4): salbe jm das pein vor hin mit loröl vmb vnd vmb. Sachs 23, 284, 14 (Nürnb. 1565): Mancherley öll ich [Ölmacher] zupereit 兩 Zu essn und auch zu arzeney, 兩 Als paumöl, nuesöl und pinöl, 兩 Leinöll, hanfföl, loröl. Haage, Hesel. Arzneib. 20r, 17 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Wer do hat dy darem gicht, [...], der sol nemen schËffen hiren und belischen kumel e und lËröl und dinckelein mel. Sudhoff, Paracelsus 5, 487,

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lörtsch − los

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15 (1527/8): so nim dreierlei arznei eine zum bein, das ist opoponacum, galbanum etc, die der gleich gewaltig sind; zu seim mark, wachs und baumöl und loröl; zu seinem fleisch nim mastix. − Joachim, Marienb. Tresslerb. 419, 8; Follan, Ortolf. Arzneib. 88, 19; Bobertag, Schwänke 294, 24; Ermisch u. a., a. a. O. 192, 32; Keil, a. a. O. 51; Sudhoff, a. a. O. 10, 118, 19; Broszinski, Minner. Chir. Parva 81r, 5; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 363, 22; Haage, a. a. O. 5, 91; Deinhardt, Ross Artzney 257; Starzer, Qu. Wien 1, 5, 5814, 440; Schmitt, Ordo rerum 375, 26. − Vgl. ferner s. v. paralis.

teilen (z. B. eine herschaft / hofstätte, das werk), jn. mit dem l. an das gericht geben, mit dem l. erkiesen (z. B. den richter), etw. mit dem l. nemen, mit l. versuchen, was [...], jm. mit l. angewinnen; das l. von holze; das gemeine / ratgebende / teilende l. Wbg.: 1loser 1 ›der das Los handhabt‹, losstab ›Wahrsagestab‹, losstein ›als Los fungierender Stein‹, loszeichen 1 ›konkreter Gegenstand mit dem Loszeichen‹, loszettel.

2. ›blauer Dunst, dummes Geschwätz, hohles Zeug‹. − Phras.: es ist alles loröl.

Luther. Hl. Schrifft. Ps. 16, 6 (Wittenb. 1545): Das Los [Mentel 14751 : seyl; 14752 / Eck 1537: strick] ist mir gefallen auff Liebliche. Grosse, Schwabensp. 138a, 20 (Hs. 2nd./md., um 14109): vnde teileten daz lant vnder de zwelf geslechte, vnde gap ieglichem also vil, so her dort hette, vnde tet daz mit loze. Chron. Kˆln 1, 1850 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Des maichden sy ein los van hultze, 兩 dat veil up her Gotschalck Ouerstultze. Aubin, Weist. Hülchrath 121, 18 (rib., 1549): schar- und groisholz [...] sall mit der schairaxen gesclagen und den loßzedulen uisgegeven, [...] werden. Ebd. 148, 18 (1557): Item sullen die obbemelte sehel, so die holzgreven und foerster haben, gleich den andern erben in das los geworfen werden. Feudel, Evangelistar, V. 391 (omd., M. 14. Jh.): uf synen [Jhesus] rok wart gesant 兩 eyn loz, wem her wurde. Eggers, Psalter 45, 4 (thür., 1378): sy teilten en myn gewete, vn¯ vmme myne cleydere worffen sy vr loz. Voc. Teut.-Lat. t ijv (Nürnb. 1482): Loswerffen oder loßer. Sortilegus oder zaubrer. Sachs 17, 431, 27 (Nürnb. 1562): Da schafft der köng nach den geschichten, 兩 Daß mann und weib legten die loß 兩 In disem handel. Vetter, Pred. Taulers 88, 25 (els., E. 14. Jh.): bi sancte Mathise, uf den das los viel von siner kleinheit wegen, und nu´t uffe Joseph. Rieder, St. Georg. Pred. 109, 25 (Hs. 2önalem., 13879): und wurfent si daz loˆss und fundent den schuldigen hern Achor. Geier, Stadtr. Überl. 354, 21 (nalem., 1525): Ob sich aber solch undergänger deßhalben mit ainandern nit vergleichen, so sollen baid partheien umb ain obmann, sover sie sich deß nit güetlichen verainen möchten, das loß werfen. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 110, 30 u die (halem., 1403): das das gotzhus Inderlappen und och herschaft Usspunnen alle die frijen hofstetten, [...], gelichlich mit einem gemeinen los in zwei teilen sËllent. P‰pke, Marienl. Wernher 1136 (halem., v. 1382): Das su´ [mægde] das werk klain und gross 兩 Tailen woltend mit ir loss 兩 Und iegkliche næme 兩 Was ir mit losse kæme. Kˆbler, Stattr. Fryburg 195, 9 (Basel 1520): so sol [...] daßselb ding gantz o werde˜. ir einem / wie dan˜ das loß gibt / [...] / zugeteilt Maaler 274v (Zürich 1561): Loßzeichen (das) Warzeichen. Tessera. Ebd. 275r: Das Loß werffen / wËlche am o sËllind ziehen / wenn vnnd wo. [...]. Das Loß außhin ruder auß dem hafen ziehen. [...]. Erwellung der richteren durch Loß. Ebd. 275v: Losser / der das lossz außgibt. Sortitor. Die Loßsteinle in hafen werffen. Conijcere sortes in hydriam. Wyss, Luz. Ostersp. 3, 183, 21 (Luzern 1597): vnd sy felleten dz loß v¨ber sy, vnd dz loß fiel vff Mathiam. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 310, 7 (Genf 1636): Durch daß (loß)

Sachs 5, 332, 6 (Nürnb. 1533): Das ir euch habt so hart verstiegen 兩 Hie an des Lügenberges wendten 兩 Nach loröl und nach blawen endten? Ders. 14, 271, 21 (1553): Was solt ich tragn ein messing ring, 兩 Eitel loröl ist all dein ding. Goedeke u. a., Liederb. 113, 11 (Nürnb. 1540): loröl, rubenkraut, tannzapfen, 兩 hippenbrem, ochsenkolben, docken, 兩 breite blätter, die sein innen hol. Turmair 4, 491, 32 (moobd., 1522/33): Es ist kainem nöter, das er guet gerechtikait halt, dan der nützlich kriegen wil, sunst ist es alles loˆröl (wie man spricht).

lörtsch, lörtschwurz, s. lorgat. lorzwei, s. lorberbaum. los, das; -es/-e, auch -π. 1. ›konkreter, zum Losen genutzter Gegenstand (z. B. ein Zettel, ein Stein, ein Stück Holz)‹; mit fließendem Übergang (Metonymie) zu: ›Los als von den Handelnden anerkannter oder von einem bis mehreren der Handelnden festgelegter materialer Entscheidungsträger in Angelegenheiten, die auf andere Weise weder schnell noch reibungslos entschieden werden können‹; damit auch: ›durch das Los getroffene Entscheidung‹. − Phras.: wie das los gibt. − Synt.: die lose zusammenlegen, das / ein l. werfen (vielfach) / geben / legen / machen, laufen lassen, aus dem hafen ziehen, über jn. fällen, auf etw. (z. B. auf einen rok) senden, um etw. (z. B. um ein kleid) / jn. (z. B. um einen obman) werfen; das l. (Subj.) ergehen / laufen, jm., auf jn. fallen, jn. anrüren ›treffen‹, [wohin] kommen; dem l. vertrauen; jm. am l. etw. (z. B. Africa) fallen, jn. durch (das) l. erwälen / ordnen, etw. durch das l. erforschen / (zer)teilen (z. B. das erbe / land), jm. etw. durch das l. zum erbteil geben, etw. in das l. werfen, etw. mit dem l. tun /

1367 ein Erb vertheylen. M¸ller, Nördl. Stadtr. 133, 14 (schwäb., 1465): Es hat ain rat [...] gesetzt also, das man hinfür in unser meß allweg das lose von des gewands wegen legen [...] well. Chron. Augsb. 9, 237, 2 (schwäb., 1491): daß von herrn zwen, von kauffleuten zwen, von webern ainer und darnach von den andern 15 zünften 7 mann mit dem loß und abwechslung an das gericht geben [...] werden sollen. Ukena, St. Jörg 242 (oschwäb./tir., 1486/n. 1520): Wir werffen / yetz das los da hin 兩 [...] 兩 Vnd wien das loß rieret an 兩 der gebe das kind sein 兩 dem tracken. Primisser, Suchenwirt 34, 27 (oobd., 2. H. 14. Jh.): so wil ich geben euch ein loz, 兩 Wer meiner land schol walten. Gereke, Seifrits Alex. 96 (oobd., Hs. 1466): in den swarczen puechern 兩 chundt er mit loss versuechen 兩 und an dem gestyerm sehen 兩 was in der welt solt geschehen. Turmair 4, 77, 18 (moobd., 1522/33): Weiter lernet oftgenanter unser erster vater loßstäb und wünschrueten schneiden und segnen, damit der herold oder pfarrer vor got offenlich pittend und auf in die himel sehend die leuf und kunftigen außgang angehebter hendl und sachen versteˆn solt. Ebd. 374, 28: Am ersten viel am loß dem Ptolemaeos Africa Aegypten Arabien. − Luther. a. a. O. 4. Mose 26, 55; ders., WA 19, 213, 4; 46, 399, 10; 1. Chron. 25, 9; Peil, Rollenhagen. Froschm. 540, 1064; K¸ther, UB Frauensee 267, 11; v. d. Broek, Suevus. Spieg. 215v, 14 f.; Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 184, 19; UB ob der Enns 9, 658, 37; Rennefahrt, Statut. Saanen 210, 14; Barack, Zim. Chron. 3, 614, 5; Dirr, Münchner Stadtr. 211, 14; Dasypodius 374v; Maaler 275v; Rwb 4, 1404. − Vgl. ferner s. v. angewinnen 4, apostolisch 1, austeilen 3.

2. ›jm. durch das Los zugefallener Anteil an Rechten und Pflichten; zugeteiltes Stück Land; zugeteilter Marktstand‹; Motonymie zu 1. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Wbg.: losgeld ›„unter alle Landleute verteilte Abgabe der durch das Los zu einem einträglichen Amte Berufenen“‹ (so Schweiz. Id. 2, 254; a. 1638), losholz ›jm. durch das Los zugefallener Holzanteil‹. Schˆpper 106a (Dortm. 1550): Portio. Anfall antheil / loß zufal. Ermisch, UB Chemnitz 176, 13 (osächs., 1470): das die schneyder mit den tuchmachern auff den mercktenn, do sie zu buden sten, loß ynlegen, als vor gewest ist. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 1000, 32 (halem., um 1516): ob einer sin stelly dahin inn daz loß treit, endertte u werden. Gehring, und verwechslote [...], der sol gestrafft Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 34, 1 (schwäb., 1574): welcher dem andern loß- oder aigen holz hinwegfüert oder sonst entpfrembdt, der kompt umb zehen guldin. Mell u. a., Steir. Taid. 124, 19 (m/soobd., 1655): Hannß Taupper clagt wider Hannsen Wintter schmid wegen in seinem luss abgehackten etlich grosser stämb holz. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 75, 21 (m/soobd., 1672): Die gemain lüß sollen verbleiben als wie sie vorhero von der löbl. lantgerichtsobrigkeit

los

1368 etc. anordnung seind vertheilt worden. − Ermisch, a. a. O. 170, 24; Rwb 4, 1407; Schweiz. Id. 2, 254.

3. ›Schicksal; schicksalhafte Bestimmung‹. − Meist obd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras. / Sprichw.: alte lose fälen selten ›trügen nicht‹. − Bdv.: vgl. bestimmung 3, gefälle 4, glük 4, leben (das) 6. − Wbg.: 2losen 2 ›das Schicksal vorhersagen‹, 1 loser 2, lostag ›Tag der schicksalhaften Vorbedeutung des Wetters‹ (a. 1583 f.), loszeichen 2. Thiele, Minner. II, 26, 28 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): hier om [Sündenfall] viel op ons daz lot 兩 daz wir al zam weren verloren. Eggers, Psalter 67, 21 (thür., 1378): dv bist min got. [...] an dinen handen sint mine loz [Luther 1545, Ps. 31, 16: zeit]. Henschel u. a., Heidin 1832 (nobd., um 1300): Owe wie wendet sich daz loz 兩 Von libe zv h’zen leide. Koppitz, Trojanerkr. 6138 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Also gieng des jomers los 兩 Uff den getrüwen Paris. Maaler 275r (Zürich 1561): Loß (das) o Faal / Glück. Sors. Ebd. 275v: Auß einsi wort Lossen guts oder bËß / weyssagen glück oder vnglück. Ominari. Ebd. Losser oder lachßner / Der von künfftigen dingen durch das loß weyssagt. Sortilegus, Ominator. Ebd.: Loßzeichen oder warzeichen / so man ab vergangnen worten nimpt / zuo gangnen glück oder vnglück / oder ab dem geschrey der vöglen. Omen. Gott behÈt vns vor dem greülichen Loß zeichen. Bremer, Voc. opt. 38035 (wobd./oobd., 15. Jh.): Sortilegus ain lËser [...] ein loser [...] est diuinator futura predicens ex quandam specie simulate religionis in scrutatione scripturarum et per fictam culturam dei et spirituum beatorum. Et dicitur a sors, quod est fortuna uel casus, et lego/-gis, quia sortilegus dicit se legere et legendo intelligere fortuitos et casuales euentus. Primisser, Suchenwirt 20, 203 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Swaben und Etscher hetten stoz, 兩 Daz waz umb daz vorvechten, 兩 Ygleicher nach dem alten loß 兩 Wolt bleiben pey den rechten. Ebd. 27, 9: Der stam was edler art genoz, 兩 Von des fruchte uns entsproz 兩 Vir este nach der selden loz. Niewˆhner, Teichner 17, 16 (Hs. 2moobd., 1360/709): doch waiz ich nyndert ein loz 兩 daz der werlt als wol geleich 兩 als ein vreundin valsches reich. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 17, 2 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Dan alte loß falen selten (...) das untrew nicht unngerochen peleybt. − Niewˆhner, a. a. O. 152, 70; 302, 1; Schweiz. Id. 12, 915.

4. ›Losung‹; generell: ›(meist:) akustisches, (auch:) optisches Zeichen (z. B. Feuer) für eine gemeinschaftliche Handlung‹. − Bdv.: geschrei 5, kreide, losgeschrei, 2losung 2. − Wbg.: loszeichen 3 (dazu bdv.: kreischuz, 2losung 2, feuerzeichen). Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 97, 15 (o. O. 1524): es sol auch euer loß sein, damit wir uns unter einander erkenten, ,pfründ‘, und das geschrei ,schöne weiber‘. Luther, WA 10,

1369 3, 142, 8 (1522): gleich wie die herren jre aigne wapen und farben haben oder loß, darmit sy erkennet werden, Also [...]. Ebd. 52, 748, 16 (1545): solchs [kuß], sagt Mattheus, sey das loß gewest. Buch Weinsb. 5, 443, 33 (rib., 2. H. 16. Jh.): hat man vernomen, daz in der nacht under des keisers folk dreierlei loese gegeben war. Sachs 13, 415, 27 (Nürnb. 1558): Nun Machomet, der herrlich groß, 兩 Der sol sein unser [türck] gschrey und loß. Ders. 16, 263, 24 (1562): Bald der köng sah das fewr darvor, 兩 Welches denn sein loßzeichen war. Ders. 20, 32, 13 (1564): Ich wil euch allen ein loß geben, 兩 Darnach solt ir euch richten eben. Turmair 4, 434, 6 (moobd., 1522/33): welche ämpter si [kriegsman] gar fleissig beschreiben mitsambt den trumel und pfeifen, lerman trumeter hornplaser, loßgeschrai, harnasch wer g’schoß und alle ander notturft. Ebd. 5, 153, 12: Der puntschuech ist die creiden, loß und geschrai im krieg gewesen. − Sachs 16, 420, 6; Turmair 1, 560, 9.

los, Adj. (1−11), Interj. (12); eng vernetztes Bedeutungsfeld; 1−3 zusammenfaßbar unter dem Aspekt ,unfest, lose‘ (und tropisch Assoziierbarem), 4−7 unter dem Aspekt ,frei (von verschiedenen Bindungen)‘, 8−10 negativ wertend; die weiteren Ansätze schwach belegt und kaum überzeugend an andere anschließbar. 1. ›unfest, unstabil, unbefestigt‹; ütr.: ›zusammenhanglos‹, jeweils von Bezugsgegebenheiten, die eine bestimmte Festigkeit o. ä. erwarten lassen; auch: ›einzeln, nicht mit anderen verbunden (z. B. von Wekken)‹; ›verlustig, weggebrochen (von einem Horn)‹. − Phras.: lose als die bradem des schweisses (Motivation und genaue Bedeutung unklar; hierher?); den al nicht zu hart oder zu los halten ›eine verbindliche Haltung einnehmen‹. − Wbg.: losdrücken (›die Büchse abdrücken‹), loshauen, losmachen, losreissen jeweils als lose Zusammenrückung aus dem objektbezogenen präd. Attr. und einem Verb verstehbar, losladen ›bewegliches Wehr (an Gewässern)‹ (Gw zu laden, der, 1). Luther. Hl. Schrifft. Jes. 3, 24 (Wittenb. 1545): Vnd wird stanck fur gut geruch sein / vnd ein lose [Froschauer 1530: lumen] band fur ein gürtel. Chron. Magdeb. 2, 170, 17 (nrddt., Hs. 1601): an dem unbesetiget die losen bilde den mehrern theill von den Altaren [...], abgeworffen, [...] etzliche vor ein Affenspiell mit wegk genommen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 237, 5941 (Magdeb. 1608): Den [schwantz] ließ das Hun den zeenen gantz / 兩 Riß sich loß. Buch Weinsb. 4, 29, 19 (rib., 2. H. 16. Jh.): Ich bitt

los

1370 auch got, das [...] die sechsherrn [...] den ail nit zu hart oder zu los halten, dan sich der mittelmeissigkeit und bescheidenheit gebruchen. Voc. inc. teut. p ijv (Speyer um 1483/4): Lose alß die brade˜ des sweiß. H¸bner, Buch Daniel 6049 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Nach deme als er [reboc] ufschoz 兩 An groze, do wart er loz 兩 Des hornis. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 157, 9 (omd., 1554/1633): alle bergkvesten werden loßgehauen zusambt den ertzen. Hoffmann, Würzb. Polizeisätze 134 (nobd., 1343): die semler, die sullen lËse wecke backen und mugeln ie einz umb 1 h, [...], und 2 weckelin umb 1 h. Maaler 275v (Zürich 1561): Loßladen an wasseren. Commata, Obthuramentum stagni. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 310 1 (Genf 1636): LËsen / loß machen / von einander sondern. Turmair 4, 499, 34 (moobd., 1522/33): demnach ist es im teutsch als los unverstendig genot ding, so im latein ganz clar hel und lauter ist. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2306 (oobd., 1607/11): 4 gleiche hanen, wie uff büxen [...], wan mans spant und loßtruckht sy alle 4 zugleich fewr geben.

2. ›weich, locker (von Bezugsgegenständen unterschiedlicher Art)‹. − Phras.: lose gegürtet sein ›nicht hinreichend gewappnet sein (ütr.)‹. Luther, WA 34, 2, 402, 16 (1531): [er wil] dein leben zu nicht machen, du seiest zu lose gegÈrtet. Peil, Rollenhagen. Froschm. 46, 90 (Magdeb. 1608): [der KËnig] satzt sich aus dem Sonnenschein 兩 [...] 兩 Auff eim HÈgel mit grÈnen moß 兩 Vberwachsen / schËn weich vnd loß. Rot 306 (Augsb. 1571): Dissoluirn / [...] / zergehn lassen im wasser / das es ledig loß oder lind werde. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 390, 25 (oobd., 1349/50): daz kraut [...] haˆt inwendig ain groˆzen loˆsen kern, [...] sein mark.

3. ›eine zur Last fallende Person oder Sache los, von ihr befreit, nicht weiter von jm. / etw. behelligt‹; bei positiv bewerteter Bezugsgröße: ›e. S. beraubt, bar‹. − Nrddt. / md. Luther, WA 4, 658, 11 (1517?): wolle gern ein trost haben conscientiae unnd wolde des dregs gern loß sein. Ebd. 10, 3, 133, 11 (1522): Wenn wir denn der sund loß seind und nu gerecht. Ebd. 29, 412, 5 (1529): Wenn wir nu des Euangelii los et nos haberemus pecuniam. Ebd. 37, 585, 17 (1514/ 34): Denn sie selbs gerne des Keisers weren los gewesen. Ebd. 41, 133, 19 (1535): das sie alle des Bepstischen zwangs [...] los sind. Chron. Magdeb. 2, 135, 1 (nrddt., Hs. E. 16. Jh.): wolte Gott das sie alle zum teufel und wir der Buben los worden. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 289a, 2 (Frankf./M. 1649): vnd deß Folterns / ziehens / geisselns / sengens vnd brennens fast kein Ende ist / darff jhm niemand die gedancken machen wieder loß zu werden. Ebd. 422a, 25: ob Binsfeldius [...] schreibe˜ welte / daß man solcher Gestalt der Hexen nimmermehr würde loß werde˜ / so [...]. Neumann, Rothe. Keuschh. 2668 (thür., 1. H. 15. Jh.): du kanst ir [untogende] anders uf disser erden 兩 ane

1371 schaden nicht loss werden! Ebd. 2820: unnd din [wip] geist zu yme [man] werde so gross 兩 das du sin nicht mogest werden loss. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 24, 14 (omd., 1487): Sunder allein hey¨mlichen ney¨dt sy¨e [wey¨pp, man] sust zcu einander trügen vnd eins des andern gerne loß were.

4. ›frei, befreit (im Gegensatz zu gefangen, zum Status des Sklaven u. ä.)‹. − Bdv.: ledig 2. − Synt.: j. des gefängnisses l. sein, j. l. werden ›frei werden, sich befreien‹; jn. l. haben wollen, jn. (z. B. Jesus) l. hinfaren lassen, jn. (z. B. den beklagten / gefangenen / räuber / schuldigen) l. geben / lassen / sagen / sprechen / teilen, die magd, den knecht l. lassen ›die Freiheit schenken‹. Wbg.: losbitten ›jn. aus Gefangenschaft oder aus einer Verurteilung heraus-, losbitten‹ (a. 1400 f.; dazu bdv.: abbitten 1, aberbitten 1), loslassung. Chron. Magdeb. 2, 192, 26 (nrddt., Hs. 1601): Wiewol ihn genanter sein Churfstl. Canzler und den g. Adolffen von Hagen [...] gebieten lassen, er [ein Gefangener] solle ahne allen entgeldt seins gefengkniß loß getheilet werden. Luther, WA 7, 447, 38 (1521): wenn es [thier] losz ist, zeimet sichs selb. Ebd. 52, 680, 7 (1544): als wenn einer gefangen ist und nit ehe loß kan werden, denn [...]. Ders. Hl. Schrifft. 2. Mose 21, 27 (Wittenb. 1545): wenn er [jemand] seinem Knecht oder Magd ein Zan ausschlegt / sol er sie frey los [Froschauer 1530 / Dietenberger 1534: ledig] lassen vmb den zan. Wyss, Limb. Chron. 74, 22 (mfrk., 2. H. 14. Jh.): daz si musten me dan ses unde zwenzig gefangen ledig unde los sagen unde ußgeben ane haller unde pennig. Froning, Alsf. Passionssp. 4181 (ohess., 1501 ff.): lesßestu en [Jesus] loß hen faren, 兩 ßo wysse das yn disser frist, 兩 das du des keyßers frunt nicht enbist! Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 295a, 20 (Frankf./M. 1649): Daß man nemblich die Process [...] entweder mit hinrichtung deren schuldigen / oder mit Loßlassung deren / so die gegen sie eingebrachte indicia, durch die Tortur abgelehnet hette / schleunig zu End führen solte. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 59, 2 (nwböhm., 1569): Gilg Walter sej Zu Gotzscha (Inb) Ingesessen wis nit warumb, wis nit wie er Loß worden. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 172, 21 (Bautzen 1567): Er sprach bald jhr habt ein gwonheit, 兩 Das euch zur Osterlichen zeit, 兩 Ein gefangner wird loß gegebn. Bell, G. Hager 256, 2, 17 (nobd., 1601): Er wolt wider ane be schwert 兩 loss / geben hie 兩 den janathan gar Eben. − Oorschot, a. a. O. 247b, 35; 360b, 36; Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 151, 1307; Kehrein, a. a. O. 1, 172, 22/27; Memminger Chron. Chr. 20, 9; 33, 8; Rwb 8, 1412. − Vgl. ferner s. v. 2ban 8.

5. ›von etw. Sozialem (einer Schuld, Verpflichtung, Belastung) frei, befreit, entledigt (von Personen); unbelastet, ohne Schulden, frei (von Sachen)‹; jeweils aus der Perspek-

los

1372 tive der befreiten Person oder Sache gesehen; hier anschließbar: ›bar jedes positiven Wertes‹, dann z. B. ›rechtlos; ehrlos; ohne Glaubensgewißheit; e. S. beraubt‹. − Gewisse Beleghäufung für Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: entschuldigt, frei, ledig 4, ler 5, quit, unansprechig. − Synt.: j. e. S. (z. B. der schmach / tat / schuld) l. sein, j. von etw. (z. B. von einem recht) l. sein, etw. (z. B. das bergwerk) l. stehen, etw. (z. B. ein gut) l. verfallen sein, jn. e. S. (z. B. der huldung) l. machen, jn. e. S. (z. B. des amptes / briefes / eides / gelöbnisses) l. sagen, jn. e. S. (z. B. des vorgebotes) l. teilen. Wbg.: 2losfallen ›frei, unbelastet werden (von Grundstücken)‹, loskaufen ›sich durch Zahlung einer Geldsumme aus einer rechtsrelevanten Bindung freikaufen‹ (a. 1513 f.), loskündigen ›jm. etw. aufkündigen, aufsagen‹, loslassen ›jm. eine Forderung erlassen‹, lossagen (dazu bdv.: abkündigen 1, aufsagen 2), lossprechen 1, losteilen ›jn. vom Anspruch eines anderen freisprechen‹ (a. 1478 f.)9, verbale Bildungen jeweils unfest, dementsprechend auch Getrenntschreibung), loskündigung, lossage ›rechtsförmliche Erklärung, daß ein Schuldner von der Schuld befreit ist; Quittung‹ (a. 1593), lossprecher 1, losteilung. Schˆpper 101b (Dortm. 1550): Solutus. Frey ledig queyt / loß. Luther, WA 6, 74, 23 (1520): das wir [...] unßer unschult demütig antzeygen, [...], ßo sein wir loß und entschuldigt fur got. Ebd 7, 325, 5 (1521): das er [...] festiglich glewbe, er sey losz fur got ym hymell. Chron. Magdeb. 2, 183, 32 (nrddt., Hs. 1601): oder sie wollen ihn alle schutzunge, so sie ihnen [...] vorschrieben, gantz undt gahr uffsagen und loeßkundigen. Ebd. 184, 10: Hierauß haben E. Radt der Altenstadt drey tage zu Radte gangen uber solcher Loeßkundigung. Grosse, Schwabensp. 233a, 16 (Hs. 2nd./md., um 14109): wan her sol komen vor sine richtere; da Sal man in ortelen, daz her von al den dinge los si. Schoop, Qu. Düren 293, 17 (rib., 1662): Der Meister solle [...] verpflichtet sein, den gewesenen Lehrjungen [...] los zu sprechen. Rudolph, Qu. Trier 315, 2 (mosfrk., um 1350): die kamerer sint fry, quit, loß, ledich von alle dem rechte, dat man nennet bachhellinge. Behrend, Magd. Fragen 179, 16 (omd., um 1400): her mussze deme cleger neyn adir yo sprechen uff syne clage unde des losz werdin zcu den heiligen mit czwen fingern. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 64, 6 (thür., 1474): unde daz dasselbige sin wip den genanten Hentczin Kalbin unde syne swester von deswegen funffundezcwenczig schog redelicher schult loßgelaßin habe.

1373 Ebd. 267, 7: unde hat Cristoffel Roder darnach des geczüges gewarttit dry gerichte, unde hat her sich darnach der schulde laßin ledig unde loß teylen, sollich orteyl unde loßteylunge ist ym unhulfflich. Ebd. 306, 28: met [...] zcweyen wesin als met fremdem gute, dy nach gelegenheyt der sachen nicht vorlediget nach loßgefallen waren. v. Tscharner, Md. Marco Polo 18, 22 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Ist aber das der dip wil dy dube widir gebin, so muz her nun stunt also vil widir gebin als der dube ist gewest; do mitte wirt her loz. Kˆnig-Beyer, Reichenb. Stadtb. 6, 12 (nböhm., 1548): saget [...] Seibet oben genanten Rohselern vor solch sein erbe gelt [...] gantz queit, frey, los vnnd ledigk [...]. bey solcher lossage vnndt // vorschreybungk sind gewehsen der ehrsahme Petter Schlesyer, [...], Jacob Brugkner. Ebd. 104, 29 (1572): bey diesser lossage ist gewesen Frantz Fibiger [...]. Merk, Stadtr. Neuenb. 35, 38 (nalem., 1368): so sagen wir dich desselben schultheizzenampts, der phantbriefen und der gelu´bd, die du darumbe getan hast, ledig und loz. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 214, 10 (oschwäb., um 1420): wer der ist, der dehain guto [...] ainem ze kofen git [...] und denne das selb guto dar nach ainem o andern git [...] furi ledig und furi los [...], der sol und muss ain jaur von der stat sin. Bastian u. a., Regensb. UB 134, 34 (oobd., 1358): swan si uns und unser stat dez vorben(anten) geltes bericht und gegeben habent, domit sint si dann ledig und loz aller der schuld, die si [...] schuldig sind ze geben von steÈr. Piirainen, Stadtr. Sillein 138a, 2 (sslow. inseldt., 1378): dy iren leip vnd hant vnd har ledigen dy sint alle recht loz. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 40, 21 (mslow. inseldt., 1567): Sagen Jhn auch der ´selbigen [s´chmach] [...] gantz frey gütt ledig vnd loß. − Chron. Magdeb. 2, 184, 8; Cirullies, Rechtsterm. Anh. 1981, 248; Grosch u. a., a. a. O. 265, 12; Vorarlb. Wb. 2, 299; Rwb 8, 1409 f.; 1430; 1442 f.

6. ›von etw., das einen persönlich belastet (wie eine krankheit, sorge), frei, befreit‹. Luther, WA 49, 318, 2 (1544): Wenn ich mich hab wollen los feihlen vom predigen, [...]. Ja ich mus dafÈr antworten am jüngsten gericht. Froning, Alsf. Passionssp. 2098 (ohess., 1501 ff.): filius decit patri: 兩 Bys wylkom, du lieber vatter mynn! 兩 ich byn loyß von aller krangkheyt und pynn! Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 288a, 8 (Frankf./M. 1649): wann eine sich einmahl durch die schmertzen der Folter hat vberwinden lassen / daß sie sich schuldig gegeben / sie jhr dadurch [...] alle Hoffnung benommen / deß Lasters sich wieder loß zu wÈrcken. Gille u. a., M. Beheim 165, 107 (nobd., 2. H. 15. Jh.): der [teufel] was los und frey¨ 兩 aller chrankait unde suchte. Dict. Germ.Gall.-Lat. 309, 41 (Genf 1636): Loß vnd ledig von aller sorg. − Fastnachtsp. 779, 20; 780, 25.

7. ›befreit (im religiösen Sinne), von sünde, schuld, gefängnis, pein erlöst, der Verhaftung mit der äußeren Welt enthoben‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: ledig 9; vgl. frei. − Synt.: das gewissen l. werden, j. des teufels, der helle / sünde l. werden / sein, die

los

1374 sele des cörpers l. werden, j. des gefängnisses, der pein (der helle) / marter l. sein; jn. l. machen; verliesen (subst., Subj.) los werden sein. Wbg.: losgeben ›von Sünde befreien‹, lossprechen 2 (dazu bdv.: s. u. Schˆpper), lossprecher. Schˆpper 65a (Dortm. 1550): Absoluere. Absoluiern ablËsen entsÈndigen loßsprechen van sÈnden erledigen. Luther, WA 29, 620, 16 (1529): libenter weren der helle und Teuffels los. Ebd. 30, 2, 498, 38 (1530): Wer nicht gleubet, das er los sey [...], der [...]. Ebd. 503, 23: die macht [...] den sunder, [...] los zu sprechen von sunden. Ebd. 30, 3, 89, 27 (1529): dardurch [peicht, Absolucion] das gewissenn loeß vnnd zufriden wirdet von seiner bekumernus. Ebd. 47, 289, 20 (1537): das Christus der kirchen diesen gewissen befhel gegeben hat, auff das solches wusten bejde, der losssprecher und der jhenige, so loss gesprochen wirdt. Quint, Eckharts Trakt. 27, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): daz [Akk. obj.: daz geschaffen ist] verliesen ist loˆs werden und verliesen leit und ungemach und schaden [etymologisierende Aussage: los / verliesen]. Froning, Alsf. Passionssp. 7725 (ohess., 1501 ff.): Peter, durch dyne ruwe groyß 兩 bistu aller sunde loys! Opitz. Poeterey 44, 27 (Breslau 1624): Die Seele doch allein vnd bloß / 兩 Fleugt wann sie wird des CËrpers loß / 兩 Zum Himmel (auch zu 1 stellbar). Reichmann, Dietrich. Schrr. 182, 11 (Nürnb. 1548): Er hat vnser sÈnde selb geopffert / an seinem leybe / auff das wir der sünden loß seyen. Dietrich. Summaria 25v, 41 (Nürnb. 1578): der [Gott] sich vnser not lest jammern / vnd will sich vnser erbarmen / vnd loß geben / vnnd die schuld nachlassen. Vetter, Pred. Taulers 39, 23 (els., E. 14. Jh.): Also ouch nu dise lu´te in diser friheit vallent und irs gevengnisses los sint und vindent sich gar gesunt, so [...]. Ebd. 76, 30: wer ime vil weger dass er in grossem getrenge und we stunde [...], er wurde vil e los und lidig des sËrglichen schedelichen gefengnisses. Klein, Oswald 2, 9 (oobd., 1421): sol dich jemand machen los, 兩 das müss durch in [herre] geschehen. − Luther, a. a. O. 33, 497, 35; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 161, 5; 173, 37.

8. ›den charakterlichen, sittlichen, sozialen, religiösen Normen, Verhaltensvorstellungen der Gesellschaft widersprechend, entgegenlaufend (allgemein)‹; im einzelnen: ›hinterhältig, niederträchtig, betrügerisch, verlogen, verschlagen, falsch, durchtrieben, zwielichtig (eher vom Charakter e. P. und entsprechenden Handlungen und Haltungen); schamlos, leichtfertig, von lokkerer Sitte (dies eher im erotischen Bereich und oft von Frauen gesagt); nichtsnutzig, ungehemmt, ungezügelt, haltlos (eher vom sozialen Verhalten)‹. (Das Rwb verbindet die hier gemeinte Bedeutung unter I, 1 zu los mit der Angabe ›unverheiratet‹; die an-

1375 geführten Belege sind nd. und / oder kaum überzeugend; vgl. aber losledig und losfeier). − Bdv. (bzw. im Orientierungsfeld von): bald 1, eitel, erlos, faul, gemein (Adj.) 2, hinterredig, kläffig, lügenhaftig, teuflisch, überschwindig, verdreht, verlogen, verschlagen, verwegen. Ggs.: ernst, from, lieb 1. − Synt.: js. zunge nicht l. sein; meist attributiv: der lose (augen)blik / bärenhäuter / bube / geselle / handwerksknecht / haufe / hurenson / kanonik / lecker / lappe / man (mehrfach) / pöbel / sak / schelm / schwätzer / verleumder / vogel, die lose hure / metze / vettel / haushälterin / betriegerei / dialectica / heuchelei / geselschaft / tücke, das lose weib / gesinde, lose leute; subst.: schmähe gegen die losen. Toeppen, Ständetage Preußen 3, 84, 15 (preuß., 1448): das men nach in den steten, [...], nach uffem lande keynerley loze lwthe und bufereye, die sich erer hant generen muchten [...] und douch louffen betelen, nicht hegen. Chron. Magdeb. 2, 146, 13 (nrddt., Hs. 1601): sein viel loser-Handtwercksknechte und allerley gemeines gepöbels in der Kirchen geblieben. Mieder, Lehmann. Flor. 435, 13 (Lübeck 1639): Die den Vormittag nur mit jhrem Schmuck zubringen / die sind lose HaußhÁlterin. Ebd. 797, 29: Der Hencker thut manchem wehe / ein loser Schwetzer noch viel mehr. Buch Weinsb. 2, 17, 36 (rib., um 1560): Die uberswindige ehrgitzicheit bei den loesen canonichen ist dess ein ursach gewesen. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 30, 6 (Frankf./M. 1568): Darmit [Gelt] verderb ich [JÈd] den loßn hauffn / 兩 Der nur wil Feyern / Fressn vnd Sauffn. Stackmann u. a., Frauenlob 7, 38, 4 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): und ouch durch tougen liebe 兩 dri lose blicke solt du steln. Ebd. 17: bistu der merker ane, 兩 so blicke loser blicke dri 兩 und wis nicht tougenworte fri (zur Textkritik und zum Verständnis der Stelle vgl. den Apparat, Bd. 2, S. 902; s. u. auch die Belege Bihlmeyer). v. Keller, Ayrer. Dramen 348, 27 (Nürnb. 1610/8): Ein loser Lecker vnd Schalck bist du. Ebd. 3102, 30: Du lose Vettel, zeig mir an, 兩 Wer bey dir hinnen sey! Vizkelety, Spangenberg. Glücksw. 868 (Nürnb. 1613): Ey kËndten wir ertappen nur 兩 Das Agnesle / die lose Hur. Bihlmeyer, Seuse 435, 5 (alem., 14. Jh.): So man hin in bas kunt, so begegent fro Venus mit ir losen blicken, mit den fu´rinen stralen. Ebd. 449, 27: Denn o v su´ lËse ogenblicke, denn rËtent su´ den bleichen munt. Motunt scherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 44, 20 (Straßb. 1650): Jst derowegen die lose Heucheley eine allgemeine seuche in allen Ständen. P‰pke, Marienl. Wernher 5900 (halem., v. 1382): Sin zunge was gespræche wol, 兩 [...] 兩 Nu´t gæche, nu´t klæffig, nu´ balt, nu´t los, 兩 Nu´ hinderredig, nu´t verlogen. Rot 291 (Augsb. 1571): Ein loß fauls gsind / wie die humel / Fruges consumere nati, lauter abfraß. Henisch 250 (Augsb. 1616): Der Gesell hat sich mit der losen Metzen behengt. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 126, 6 (moobd.,

los

1376 1478/81): Diser Ludwig was gar ain loser man; er hielt sich gar unfürstlich; er het zu nicht lieb, noch gehaim, wann in winckeln mit torhaftigen frawen. Reithmeier, B. v. Chiemsee 1, 6, 5 (München 1528): wir [...] volgen abtrünigen pfaffen, auszgeloffen moenichen vnd andern losen lewten. Ebd. 40, 8: selsorger, die verdamblich heyraten zuo awszgelauffen Nunnen vnd zuo andern losen weibern. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 494, 8 (m/soobd., 1608, Hs. 17. Jh.): auch komben andere gemaine unbestendige rumorund andere verschlagne und verdräte roßtauscher- und vergleich-, krumpe, verschmitzte, löze, ringe, fitschlfätschl- und lumpenhändl [...] für. − Luther, WA 30, 2, 369, 25; Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 263, 31; 284, 33; Kurz, Waldis. Esopus 4, 66, 121; Stackmann u. a., a. a. O. 10, 11, 3; Sachs 17, 141, 4; 16; Dietrich. Summaria 20r, 13; v. Keller, a. a. O. 2804, 33; 2883, 4; 3287, 35; Vizkelety, Spangenberg. Glücksw. 977; 899; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 15, 12; Piirainen, Stadtr. Kremnitz 55; Stackmann, Frauenlob-Wb. 226. − Vgl. ferner s. v. abstehen 1, anschättern, ausstieren, bärenhäuter, befangen 10.

9. ›unernst, unverbindlich, locker; nicht verbissen, leichtfertig (von Worten, von einer Sitte, vom Verhalten)‹. − Phras.: etw. für lose teiding halten. − Bdv.: aufgeblasen, faul, leichtfertig 3, schwach, vergeblich. Ggs.: ernst, fest, schäftig. − Synt.: js. wille, die entschüldigung l. sein; etw. (z. B. der glaube) l. stehen, jn. l. (›für unernst‹) halten; der lose argwon / gedanke / pfaffe / schein, die lose disputation / erkentnis / sitte / teidung, das lose geplärre / geschwäz / wort. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 9490 (preuß., um 1330/40): der [tochtir] er [herre] zwaˆ sıˆme lıˆbe 兩 vorgonde und sıˆ gar vorkoˆs 兩 want vil veste und nicht loˆs 兩 was sıˆn seˆligir wille. Luther, WA 19, 538, 4 (1526): [es] recht ist, das man nicht [...] lose leute zu gefattern neme. Ebd. 29, 426, 13 (1529): Deinde non lose faul erkentnis, sed schefftig, thetig. Ebd. 479, 4 (1529): Das helt man auch fur lose teding et Christum non veracem. Ebd. 30, 2, 39, 5 (1529): Hertzog Georgens entschÈldigung ist aus der massen kalt, faul und lose, wie ich sie denn noch heutiges tages alle drey kalt, faul und lose heimlich halte. Ebd. 36, 467, 16 (1532): als der [glawbe] [...] seer schwechlich und lose stehet. Ders. Hl. Schrifft. Hiob 15, 2 (Wittenb. 1545): Sol ein weiser Man [...] seinen Bauch so blehen mit losen reden? Schˆnbach, Adt. Pred. 16, 36 (osächs., 1. H. 14. Jh.): dirre werlde wisheit ist vor gote ein torheit, der sich hinach richtet der wandelt die sterke, daz ist die losen siete in die guten siete. Vizkelety, Spangenberg. Glücksw. 958 (Nürnb. 1613): Ey KÁtt! daß dich das MÁußlein beiß / 兩 Wie fÈhrest du auch gleich ein weiß: 兩 [...] 兩 Sey nit so zornig. Lieber los! Rieder, St. Georg. Pred. 17, 5 (Hs. 2önalem., 13879): [wir] soltent nieman minnen durch sinu´ lËsen wort noch durch sin jugent

1377

los − losamenter

noch durch sin schonhait. V. Anshelm. Berner Chron. 5, 170, 20 (halem., n. 1529): das entwedere partıˆ si hat anders nÈt den ein lose disputation lassen sin. Ebd. 304, 23: Es was nit ein ganz loser argwon irer [der Freiburger und o Solothurner] untrÈw, dass si sich entschlugen der red. − Luther, WA 36, 364, 14; 468, 19; 506, 15; 525, 23; 622, 35; 37, 579, 38; 612, 35; 46, 19, 12; V. Anshelm, a. a. O. 5, 209, 27.

10. ›einfach (vom Essen); unbedeutend, einfach, niedrig (vom sozialen Stand e. P.); einfach, unkünstlerisch (von der Sprache)‹. − Bdv.: gering 2; vgl. arm (Adj.) 4, leichtfärig 2. Ggs.: gros (Adj.) 12, hoch. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 140, 41 (preuß., 1440): Dan die Englischen zu volen kaufmanschafften mit den gesten komen, und ein teil lose weiber nemen. Enders, Eberlin 3, 278, 34 (1526): Wann etwan ain loser fischer ainem grossen Hansen wol außgehyppet hat. Luther, WA 33, 614, 18 (1531): und diss [Tauffe, Mess ...] ist vom geringen personen, von losen fischern angefangen und denen solle man gleuben? Ebd. 41, 216, 24 (1535): es werden sich [...] wider jn [Gott] auflegen nicht einer oder zween Bawern oder geringe und lose Leute, sondern die ordenliche Gewalt auff Erden. Ebd. 49, 538, 9 (1544): Ibi nihil nisi Manna. Unser hertz ist der losen speisen mÈde. Heidegger. Mythoscopia 19, 20 (Zürich 1698): was sein sie [Roman] vil anders / alß in loser Sprach beschribne Comædien?

11. ›gerne, freiwillig‹. − Bdv.: gern 4. Mone, Adt. Schausp. 1, 1168 (Hs. 2omd., 13919): Dominica personn dicit. 兩 Waz dye uzderwelte rose [Maria] 兩 begert daz, wil ich [Crist] thun vil lose.

12. dient als Aufforderung zu einer Reaktion in einer drängenden Situation; ›los; schnell, auf, mach zu; hört, hört, paßt auf‹! − Bdv.: wolan. Wyss, Luz. Ostersp. 9117 (Luzern 1545): Phares Loss, los, wie fÈrt er aber ein wys! 兩 we went, er kom ins paradys. Schade, Sat. u. Pasqu. 2, 121, 37 (wohl 2schwäb. um 15219): wir müesten im ban sterben. los her! Fischer, Eunuchus d. Terenz 25, 2 (Ulm 1486): Aber los du, warumb ich hab gehaissen dich zu mir berieffen. Klein, Oswald 10, 102 (oobd., um 1423): los, frag, wes du von güten sachen ierre gast, 兩 trau nicht der werlt. − Fischer, a. a. O. 62, 7; Klein, a. a. O. 49, 12.

los-, als Präfixoid in Verbindung mit Verben der Bewegung. ›auf etw. / jn. hin‹. − Wbg. (z. B.): losgehen, losstechen, losstürmen, losziehen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 641, 4219 (Magdeb. 1608): Vnd stachen damit auff sie loß. v. Birken. Erzh. Österreich 67 (Nürnb. 1668): Die Glantzenberger platzten heraus / stÈrmten mit Pfeilen und Schleudersteinen auf die

1378

Schiffe loß. Ebd. 73, 6: und zoge / mit hitziger begierde / sich zurÁchen / auf den Bischoff loß. Memminger Chron. Chr. 30, 5 (Ulm 1660): gienge Hertzog Ludwig / auff die WÈrtenbergische / [...] vnd die StÁttische / [...] loß / bekam jhr Wagenburg.

losament, das; −/ auch -er ; zur etymologischen Einordnung s. das Schweiz. Id. 3, 1450. − Mittleres und späteres Frnhd. 1. ›Unterkunft, Wohnung, Quartier‹; vgl. losieren 1. − Vielfach berichtende Texte. − Bdv.: behausung, 2burse 2, haus 3, herberge 2; 3, quartier, wonung, zelt. − Synt.: das l. einnemen / sehen / zurichten / plündern, sein l. [wo] haben; etw. aus dem l. stelen, in ein l. abtreten / gehen / ziehen, sich in ein l. verfügen, einker in ein l. haben, jn. in sein l. füren / nemen, in einem l. sein, zu einem l. reiten, jn. zu einem l. verkundschaften; das l. des meisters / priesters. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn 339, 14 (Wolfenb. 1594): gehet dieweile mit mir in mein Losament zum essen. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 2, 297, 17 (hess., 1603): es soll auch ein ider knapp des abendts sich [...] wider in seines maisters behaussung und losament verfügen. Perez, Dietzin 2 535, 3 (Frankf. 1627): namen das Schwein von der Seul hinweg / vnd trugen es in jhr Losament. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 2, 39, 37 (Frankf. 1545): Wolt ihr [Fuchs] mein Losament sehen, so kommet her! Maaler 393r (Zürich 1561): Wir hattend vnser lusiment im Strouw. Haszler, Kiechels Reisen 326, 20 (schwäb., n. 1589): apotecker, wölcher sein laden und losamentt im closter hatte. Chron. Augsb. 5, 372, 14 (schwäb., um 1530): darnach ist die kai. maj. sambt allen fürsten und herrn in ire losamenter gezogen. Turmair 4, 433, 15 (moobd., 1522/33): Zehen sein alweg under einem zelt und in einer herberg oder burs und losament gewesen mit irem rotmaister. Qu. Brasso´ 5, 543, 37 (siebenb., 1616): da schon die Herbergen, des Fürsten Losament, mit seinen Tapetereien sein bestellet und fertig gewesen. − Chron. Magdeb. 2, 59, 31; Peil, Rollenhagen. Froschm. 110, 2085; Buch Weinsb. 2, 239, 15; 5, 154, 6; Baumann, Bauernkr. Rotenb. 548, 4; Wickram 4, 43, 9; Adomatis u. a., J. Murer. Bab. 2186; Chron. Augsb. 8, 426, 17; Haszler, a. a. O. 324, 7; Barack, Zim. Chron. 2, 400, 2; 3, 163, 41; 4, 294, 9.

2. ›Losung‹; offensichtlich Verwechslung mit 2losung 2. − Wbg.: losamenter ›Ausrufer, Rufer der Losung‹. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 613 (nobd., um 1525): Wan sie haben zu der malzeit wollen gen, haben sie kainen drummetter, noch ainichen aufbieter gehabt, sonder das ist ir losament gewesen, [...] und haben geschrihen: „Haben schaden [...]“. Und sunderlich ist Gocker der losamenter oder ansager gewest.

losamenter, s. losament 2.

1379

lösbar − loschen

lösbar, s. 2lösen 4. losbaum, der ; Motivation des Bw unklar. ›Grenzbaum‹. − Bdv.: lochbaum. − Pf‰lz. Wb. 4, 1027 (a. 1606). losbinden, s. los (Adj.) 1. losbitten, s. los (Adj.) 4. losbote, s. 2lösen 11. losbrief, der ; -s/-e, auch -π. ›Urkunde über die Freistellung aus einer rechtlichen Bindung verschiedener Art‹; auch: ›Quittung‹; vgl. los (Adj.) 5, 2lösen 4. − Wmd.; Rechts- und Wirtschaftstexte. Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 2, 1, 10 1 (snfrk., 1550): das die kunftige eheluide, ehe sie zusamen gegeven, furhin in den kirchen usgeroiffen [...] werden, und dimissorium ader losbrief brengen und das on die beide die luide nit zusamen gegeven werden. Buch Weinsb. 2, 14, 12 (rib., um 1560): Den lesten jul. sint sei [kinder] uisverkundiget worden und haben ire lossbreif untfangen. Koeniger, Sendgerichte 19, 32 (rib., 1590): Wannehe der pastor zwho personen ehelich zusamen gibt, gepurt ime [...] von einem lossbrieff vunfziehen thornisch. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 1422, 5 (mosfrk., M. 14. Jh.): do sprach u. h. vurg., he hette de breve verloren, dat wir hinder uns reden an u. fr. vurg. und brechten ire loesebreve, die wulde he ummer sehen. Rudolph, Qu. Trier 25, 30 (mosfrk., 15. Jh.): naist dem der loißbrief ader quitance ym siegel onkentlich yst. Grimm, Weisth. 2, 770, 7 (mosfrk., 1546): were sach, dass sich iemandt baussen diss kyrspell verheiligt, der soll [...] seines losbrieffs am pastor gewinnen. − Koeniger, a. a. O. 264, 26; Rwb 4, 1413 f.

losbuch, das. ›Schicksalsbuch‹, einerseits auf die Bibel, andererseits auf Buchwerke mit Anleitungen zur Zauberei, zum Wahrsagen bezogen; vgl. los (das) 3. − Wbg.: losbuchen ›wahrsagen‹ (1. H. 16. Jh.). v. d. Broek, Suevus. Spieg. 216r, 34 (Leipzig 1588): Jn den Schrifften der Propheten vnd Aposteln ist rechte Weissagung vnd Warsagung zu finden / die heilige Bibel ist das rechte Lossbuch. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 70, 131 o (schwäb., 1471): Du solt mit loszpuchen 兩 Gottes willen nit o versuchen. v. Maren, Marquard. Ausgabe 11, 34 (Venee dig 1483): alle dy die mit zawbern vnd mit loßbÈchern vmb gend. − Schweiz. Id. 4, 997; Öst. Wb. 3, 1251.

losbuchen, s. losbuch. lösch, lesch, das; zu mhd. lösch(e) ›Leder‹ (Lexer 1, 1956; Dwb 6, 1176); dies

1380

aus dem Slav. (vgl. Schmeller/F. 1, 1503; Glossar zu Joachim, s. u.). ›feines Pelzwerk, feines Leder‹. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: leder 1; vgl. bunt (das), gefil, gefülle 4, grauwerk, kleinspalt, klesems, -kurse, lasten, pelzwerk 1. − Wbg.: löschfärber, löschmächer (a. 1377 f.). Joachim, Marienb. Tresslerb. 68, 22 (preuß., 1400): 21 m. Grudencz deme korsener vor lossitzen zu des herzogen pelz. Helbig, Qu. Wirtsch. 1, 87, 16 (md., 1478): in solche gnante innunge gehörn alle rymsnyder, alle handschumechere, alle semeschmechere, alle wiszgerbere, alle büteler und alle loschferbere. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 53, 5, 2 (schles., 1327, Hs. 1358): Welch gast brengit parchan, lesh, Czethir vnde alle sin glich. Rupprich, Dürer 1, 175, 67 (nobd., 1521): Jch hab [...] 1 stüber für ein losch geben. Sachs 9, 534, 13 (Nürnb. 1560): Trug all mal rote hosen an, 兩 Mit rotem lösch gefütert schuch. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 164, 19 (halem., 1377): Uli Kramer von o Ebd. 342, Wesen j lb alter, p(ignus) iiij LËsch und bu´teltuch. 4 (1411): j lb Haller fu´r lËsch und die blachen. Ebd. 368, 12 (zu 1414): ein totzen lËschfel j den. legerlon und j den. ze ungelt. M¸ller, Nördl. Stadtr. 38, 6 (schwäb., 1424− 39): das danach gemacht ist mit pretern gebunden und mit rotem lesch überzogen. Bastian, Runtingerb. 2, 45, 20 (oobd., 1383): 12 lËsch, 1 ¾ Tukat. b R Und 3 losch 36 s. Schmitt, Ordo rerum 2242 (obd., 1481): Cerdonium allutum pukchen leder [...] aut lËsch. − Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 257, 9; Voc. inc. teut. p ijr; Schmitt, a. a. O. 224, 9; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 79.

loschen, V.; zu mhd. loschen ›verborgen sein‹ (Lexer 1, 1956). ›sich verbergen, sich versteckt halten; versteckt, latent in etw. ruhen, angelegt sein‹. − Gehäuft 2älteres und mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘9. − Bdv.: vgl. bebergen, behüten 13, bergen 3, beschliessen 1, laussen 1, stecken 5, stopfen 5. − Wbg.: loschung. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 42, 14 (preuß., M. 14. Jh.): ich habe geloschet [Luther 1545: bin still ], geduldic bin ich gewest. Ebd. Nah. 3, 18: din volk hat geloschet [Mentel 14752f.: ist verborgen gelegen; Eck 1537: hat sich verstossen; Luther 1545: zerstrewet sein] uf den bergen, und nimant ist, der is samene. Helm, H. v. Hesler. Apok. 12219 (nrddt., 14. Jh.): Kloster ist die cristenheit, 兩 Dar die werlt abteiligen, 兩 Die liphaften heiligen, 兩 Inne loschen und inne wonen 兩 Und in Gotes dienste donen. Ebd. 14088: So loschent da die vunken 兩 Mort tragendes hazzes 兩 Inwendic des vazzes 兩 Dar die sunde alle luzen. Fischer, Brun v. Schoneb. 3358 (md., Hs. um 1400): were her mit vinden vorladen, 兩 her luschte wol sundir schaden. Ebd. 8579: vrunt min,

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löschfärber − löseampt

sich, honing daz heizet 兩 daz noch loschet in dem wachse. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 130, 26 (rhfrk., um 1435): Jr [Ffrouwe] sint wol gestalt / das ir wol soldent loesen. Gerhard, Hist. alde e 2973 (omd., um 1340): Ouch loschende gar heimlich was 兩 In einer gruben Helias. Eggers, Psalter 32, 22 (thür., 1378): Da saczte he daz vinsternisse zcu siner loschunge [Luther 1545, Ps. 18, 12: Gezelt] al vmme waz sin gezcelt. Euling, Kl. mhd. Erz. 813, 1170 (nobd., E. 15. Jh.): Mein herz ist ein tieffes holl 兩 des verporgen loschenden veindtes. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 15, 2 (Straßb. 1466): Philippus kam: er derzeigt o im jhesum: der verslossen was vnd loschte in dem puchstaben. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 277, 30 (oobd., 1349/50): si [salamander] loschet in dem winter und ist verporgen, aber in dem lenzen kümt si her für. − Helm, a. a. O. 7663; Gerhard, a. a. O. 268.

löschfärber, s. lösch. loschieren, s. losieren. löschmächer, s. lösch. loschung, s. loschen. losdrücken, s. los (Adj.) 1. 1

lose, die. 1. ›Unernst, Leichtfertigkeit, Leichtsinn‹; vgl. los (Adj.) 9, 2lösen 3. − Bdv.: vgl. atzelheit, leichte 3, leichtfertigkeit 2, leichtigkeit 3, leichtmütigkeit 2, leichtsinnigkeit 2. Ggs.: stätigkeit 2; 3. − Phras.: sunder lose (verwahrformelhaft). Thiele, Minner. II, 32, 103 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): ir [vrouwe Stede] ist loes und wencken leit, 兩 des heisset si vrouwe Stedicheit. Fischer, Brun v. Schoneb. 2673 (md., Hs. um 1400): do Gabriel sprach zu ir: ave, 兩 Maria enpran al sunder lose 兩 rechte also eine nuwe rose. Geier, Stadtr. Überl. 249, 23 (nalem., 1584): Ir sollen aber nit mer, wie bißher beschechen, mit ainander zuo imbis essen, noch ainander mit hausen zu losen füeren.

2. ›Einlösung einer Schuldverschreibung‹; vgl. 2lösen 4. − Bdv.: freiung; vgl. bezalung 2, 1losung 4. Buch Weinsb. 2, 206, 16 (rib., 1570): das der furst van Gulich 80 tusent goltgl. ungeferlich uffpracht und Keiserswerde, [...], wolt loissen und der erzbischof die loese nit gestatten wolt. Ebd. 313, 18 (1575): Nachdem im aber die Deutsche herrn neulich die lois verkundigt, so moist er den heubtbreif uberantworten, und derhalb verkundigte er uns die loese. Ebd. 349, 5 (1577): do sagt er, wan es vur scheffen verwart were und die 10 daller leibzucht doch uff ein lois und frihung mit genomen wurden, so were ers zufreden. − Ebd. 197, 12; Rwb 8, 1416 (mit Differenzierungen).

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2 lose, die; −/-n; zu mhd. loˆse ›porca‹ (Lexer 1, 1957). 1. ›Mutterschwein‹; zu den Synonymen in den rezenten Mundarten vgl. Dwa 4 und 7 (dort K. 3). − Phras.: etw. hat mer deutung als die lose ferlein hat ›etw. hat mehr Auslegungen als die Sau Ferkel‹. − Bdv.: more, mutterschwein, sau; vgl. dausche, galze, kosel. − Synt.: die l. [wo] finden, adlig schätzen; die l. (Subj.) ferlen, ferlein haben; die säugende / weisse l.; 17 stücke losen. Wbg.: losenfleisch (a. 1464), 2 lösig ›vom Fleisch einer 2lose 1 stammend‹ (a. 1470; 1519).

Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 1183, 6 (mosfrk., 1565): so iemant stürbe, der bestattet [›verheiratet‹] were von den lehenleuthen, so solle das bestheupt oder los bei der feurstat [›Herdstatt‹] pleiben. Spanier, Murner. Schelmenz. 21, 5 (Frankf. 1512): [Der] vnser loß so adlich schetzt, 兩 Das er sy vff eyn küssen setzt. Enders, Eberlin 3, 48, 7 (o. O. 1524): So doch meer deüttung der regel gemacht ist von BÁpsten o dann vnnser loß ferrlyn hat. Dasypodius 373v vnd schulen, (Straßb. 1536): ein Looß die nur ein mal geferlet hat. o Maaler 275r (Zürich 1561): Looß (die) Porca. Ein muter schweyn / Mor. Scrofa. Bremer, Voc. opt. 45141 o [...] nunn [...] su. (schwäb., 15. Jh.): Porca [...] muterswin − Ebd. 45141; Dasypodius 381v; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 226; Pf‰lz. Wb. 4, 1029 f.; Schweiz. Id. 3, 1426.

2. abwertend für eine Person männlichen sowie weiblichen Geschlechts; dann z. B. ›Grobian‹; ›Trunkenbold‹ (für einen Mann), ›Hure; alte Vettel‹ (für eine Frau). Spanier, Murner. Narrenb. 10, 91 (Straßb. 1512): Daro tütsch ein loß. umb blybt er ein grobian, 兩 Das heißt zuo gutem B‰chtold, N. Manuel. Zugabe H. R. Manuel 350, 1613 (Zürich 1548): Ist’s zit, das d’ [Fritz] kumbst, du trunkne los? Barack, Zim. Chron. 2, 74, 11 (schwäb., M. 16. Jh.): Hün zun teufel mit denen wüsten losen! 兩 Die aim gueten gesellen an die stang henken die hosen. Ebd. 100, 1: Dise condition, von einer solchen alten, aussgemergelten losen, nam her Johanns Wernher mit etwas hocher beschwerdt an.

löse, die. ›Schmutz (auf dem Schiffsboden)‹; vgl. 2 lösen 1. Maaler 274v (Zürich 1561): LËse (die) Das ort zeunderst im schiff / da sich aller wÈst vnnd unflat oder wasser hinzeücht vnd versamlet. Sentina.

löseampt, s. 2lösen 8.

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lösegeld − losen

lösegeld, das. ›als Opfergeld gedachter Erlösungstod Christi‹; vgl. 2lösen 9. − Bdv.: erlösung, genugtuung, zalgeld. Luther, WA 45, 272, 20 (1537): SËlch LËsegelt ist nu das thewre Blut Christi. Mathesius, Passionale 42r, 3 (Leipzig 1587): das er / [...] sein leben zum LËsegelt [Luther 1545, Mt. 20, 28: Erlösung] gebe fÈr viele. Ebd. 45v, 10: Derhalben sollen wir diesen Grewel vnd LËsegelt erkennen − Wbd. 53r; 56v; Rwb 8, 1417.

löseln, s. 3losen. 1

losen, s. 2lösen.

2

losen, 1lösen (letzteres selten), V., sehr vereinzelt unr. abl.; zu los (das). 1. ›um etw. losen, etw. durch das Los entscheiden‹; seltener: ›etw. durch das Los gewinnen‹; vgl. los (das) 1. − Synt.: auf ›um‹ etw. (z. B. auf js. kleid), um etw. (z. B. um 2den stand, die stat9 ›Marktstand‹, um die wacht / hut / hauptmanschaft, das land, den rok, die kleider) l.; losen, wer / welcher / wo [...]; subst.: das losen vor ›vorher‹ jm. (David) erkant sein, jm. das kleid mit losen abziehen; des losens nicht dürfen; das ungleiche losen ›ungleiche Verteilung‹. Luther, WA 19, 313, 22 (1526): was ist lossen doch anders denn eyn verbündnis, des wyr unternander eins werden uber eyner sachen, die wyr ynn die fahr setzen, wem sie werde durchs los. Ebd. 46, 400, 29 (1538): wenn es dient zu fried, [...], so soll man loßen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 540, 1084 (Magdeb. 1608): Dem Erbeiter gebÈrt sein Lohn / 兩 [...] 兩 Darzu darff man des losens nicht. Buch Weinsb. 1, 206, 24 (rib., um 1560): und sei moisten darumb lossen, wer vur etliche tage moist zappen. Froning, Alsf. Passionssp. 5721 (ohess., 1501 ff.): Gedeylet werden die kleyder mynn [Jhesus] 兩 und darumb geloisßen yn myner pyn. Ebd. 6950: Primus miles Pilati [...] dicit: Nu horet here, myn gnosßen! 兩 mer woln spielen und loisßen 兩 umb die wachte und umb die hudt. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Joh. 19, 24 o ˆze wir en [rok], abir loˆzin (osächs., 1343): Nicht zurı [Krumpach 1522: loß werffen] wir umme en. Sachs 11, 457, 6 (Nürnb. 1555): Last uns baldt lösen, welcher spat 兩 Unter uns nein lauf in die stat. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 1000, 12 (halem., um 1510): erber lu´t, die uff u´nserm koffhuß zwu´schent den burgern und gesten, [...], sËllen lossen, wau einer und der ander stelly haben sol. Maaler 274v (Zürich 1561): Lossen / Das loß ziehen oder werffen. [...]. Mit etlichen Lossen / [...] / wËlcher vnder jnen etwas werde haben. M¸ller, Nördl. Stadtr. 147, 27 (schwäb., 1473): die unsern söllent umb ir stend lössen und da ir visch fail haben. Chron. Augsb. 2, 321, 4 (schwäb., Hs. 16. Jh.):

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als sie nun gelost hetten umb die stett und wolten aufmachen ire hütten. Spechtler, Mönch v. Salzb. 41, 50 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): In [Gotes leichnam] nement guet, in nement die pösen, 兩 doch in ungeleichem lösen 兩 lebens und des todes frist. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 201, 15 (moobd., 1478/81): Do ward das Oberland zu zwayen getailt, also das man darumb solt lössen; das ward auch underkomen mit übergeben etwo vil slösser, so das nicht gelösst ward. Turmair 4, 282, 10 (moobd., 1522/33): hat sich so ein grosse meng nit meˆr bei einander behelfen und erneren mügen, demnach gelöst darumb, wer ausziech mit weib und kind. − Luther, WA 46, 400, 20; Buch Weinsb. 1, 266, 6; H¸bner, Buch Daniel 4276; Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 185, 18; Mayer, Folz. Meisterl. 1, 142; M¸ller, a. a. O. 91, 26; ders., Stadtr. Ravensb. 298, 16; Turmair 4, 374, 28.

2., s. los (das) 3. 3. ›mittels des Loses um einen Einsatz spielen, ein Glücksspiel machen‹. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 215r, 1 (Leipzig 1588): VOn gemeinen GlÈckstËpffen / [...]: Das es eine Arth sey des Losens / oder Losswerffens. Sachs 5, 225, 27 (Nürnb. o. J.): Ich sprach: Wöll wir loßn? 兩 Sie sprach: O neyn, es macht böß hoßn. Ders. 20, 77, 24 (1559): Sitz offt ob eim spil, heist das losen, 兩 Das frist mir oft wammes und hosen. − Hulsius L ivr. 3

losen, V.; auch Schreibungen mit -ü-, in diesen Fällen Vermischung mit 1lusen annehmbar; zu mhd. losen ›horchen‹ (Lexer 1, 1957). ›(jm.) zuhören, genau hinhören, lauschen; dem afterkosen, reden, sprechen, zuraunen eines Sprechenden (oft: verbotener Weise) zuhören, um es gegen ihn zu vermären, zur märe zu bringen; (eine Wahrheit) verstehend, andächtig, mit schweigen aufnehmen‹, mit vereinzelter Tendenz zu: ›jm. gehorchen‹; auch: ›durch genaues Zuhören Spionage betreiben‹. − Phras.: losa! ›mach zu, komm schon!‹, auch ein Zuruf an die Jagdhunde (Dalby, Lex. Mhg. Hunt. 1965, 141); jm. losen, jm. ein wort losen ›jm. zuhören, Gehör schenken, jn. mit sich reden lassen‹; e. S. (Akk.obj., z. B. den frieden) losen ›e. S. Glauben schenken‹. − Bdv. s. u. Schˆpper, ferner: aufmerken 2, stillen 4; 5, war nemen / zuhören; vgl. lauschen 1. − Synt.: l. (absolut); etw. (Akk.obj., z. B. messe) l.; e. S. (Gen.obj., z. B. der antwort / sage / stimme / wirdigkeit) l.; e. S. (Dat.obj., z. B. dem geräune, js. klaffen)

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lösen

l.; jm. e. S. (Gen.obj., z. B. der märe / rede, der lügen) l.; e. S. (Dat.obj., z. B. dem worte) mit losende zuhören; an der kammer, am fenster / hause, an / vor der tür / wand l., auf jn. (z. B. auf den jäger) / etw. (z. B. auf das argument / wort, auf js. sakpfeife), bei jm. (z. B. bei den bekanten / fremden) l.; fleissig / gerne / heimlich (mehrfach) l. Wbg.: löseln, lösler ›Horcher, Lauscher‹ (a. 1530; dazu bdv.: späher, lauscher, schleicher), 3losung ›neugieriges unerlaubtes Lauschen‹. Schˆpper 33a (Dortm. 1550): Audire. HËren horchen losen zu ohren fassen zu gehËr nemen ¶ laustern lauren. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 193, 38 (Arnau 1525): losen o hie her, herr bischof, ich möcht wol sagen hurenwirt, sagen an, was [...]. Bergmann, Ambr. Liederb. 113, 11 (Frankf. 1582): sein lieb unter einer stauden saß, 兩 thet auff den jäger losen. v. Groote, Muskatblut 78, 65 (nobd., 1. H. 15. Jh.): Ir reyne wib dragt stede liff, nit affter köst, nit heymelich löst. Ebd. 79, 27: die smeichafft [...] ir kint 兩 leren heymelichen losen 兩 vnd alle ding brengen zuo mer. Chron. N¸rnb. 2, 21, 13 (nobd., 1430): do het man ein kampf [...], die vier [Genannten] waren luserer der zweier fechter. Gille u. a., M. Beheim 195, 76 (nobd., 2. H. 15. Jh.): wer der frauen czu raunt und lost, 兩 mit ir haimlich redet und chost, 兩 wann solche red des weibes 兩 Ist des mannes necz. Sachs 7, 438, 15 (Nürnb. 1557): Die töchter und der eyden sein 兩 Loseten an der thür allein. Ders. 20, 509, 8 (Nürnb. 1563): Auch lüsnest heimlich an den wenden, 兩 Wo sich die leut einander schenden. Stackmann u. a., Frauenlob 1, 3, 14 (Hs. 2alem., 1. H. 14. Jh.9): des soltu, tochter, muter, meit, mit liebem liebe im losen. Bihlmeyer, Seuse 194, 15 (alem., 14. Jh.): tohter, gib der creatur urlob und la din fragen fu´rbaz sin, los selb, waz got in dir sprech! Vetter, Pred. Taulers 182, 1 (els., 1359): das ist wol ein notrede das man dem worte ze hËrende nu´t bas enkan gedienen denne mit stillin und mit losende, mit swigende. Ebd. 191, 23: Der vijent der hat sin geru´ne mit im gehabet, und dem hat er geloset. Ebd. 192, 18: der mensche do mit in gelocket werde. Sunder dis sol sin sunder alle eigenschaft, also das er me ein inwendig losen habe nach dem inwendigen worte. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 434, 17 (Straßb. 1466): Die augen der sechenden dertunckelnt nicht. vnd die oren der hËrenden lusment fleissiglichen. Bobertag, Schwänke 45, 6 (Straßb. 1522): Der hertzog embot im, er wolt im ein wort losen. Wickram 4, 13, 13 (Straßb. 1556): im seiner lugen und dant gar nit zÈ losen. V. Anshelm. Berner Chron. 1, 70, 16 (halem., n. 1529): NÈt desterminder wist er nach siner listikeit, d’Eidgnossen stÁts an, vom krieg nit abzeston, ouch keinen friden noch bestand ze losen. Ebd. 2, 8, 3: Haruf gmeiner Eidgnossen boten antwort gabend: si hÁttid nit me gwalt, denn zuo losen. Ebd. 3, 337, 28: so erman er si bi pflicht irs punds, im weder durch den herzogen von Saffoy, noch Lutringen, noch durch iemand anders zelosen. Ebd. 6, 101, 25: wie einer stat Bern paner [...] gegen den vienden, so zuo Bosswyl losten, gan

Vilmernigen zogen. Welti, Stadtr. Bern 393, 34 (halem., a 1448): man sol ouch ordenlichen vnd andechtenclichen meß losen. B‰chtold, N. Manuel. Todt. 16, 76 (halem., 1514/22): Verlass vast bald din sündlichs leben 兩 Und los uf min [tod] sackpfifen eben! Volz, Prophet Daniel Z 9, 11 (Zürich 1529): sonder das gantz Israel hat din gsatz übertrÁtten vnd abgewichen / daß es diner stimm nit geloset hat [Mentel 1466 ff.: horten; Luther 1545: gehorchten]. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 330, 8 (halem., 1534/ o 5): sj sottend ruwig syn / man wete uff ernempte / tag jnen früntlich losen. Maaler 274v (Zürich 1561): LËßlen / heimlich losen. Subauscultare. Ebd. 275v: Losa / Jst ein wort dardurch wir aufmerckung begÁrend desse mit dem wir denn reden. Ehodum. Losa / losa / Hiezu.o Aduerb. uocantis. Losa da / Lieber sag ir. Eho, dic mihi. Losa da / Kumm hÁr da. Eho tu. Losa lieber gsell / wie gefiel dir die sach / wz sagst o du darzu? Ehodum bone uir quid ais? Ukena, Luz. Sp. 2452 (halem., 1575): Die spän stechend mir in hosen / 兩 Kein hüpsche frow wil mir nit losen. Lauater. GespÁnste 30v, 19 (Zürich 1578): Sy hattend aber ein loch gemachet / dardurch er / wenn er loset / die stim˜ deß tüfelbschweerers hËren vnnd verston mocht. Wiessner, Wittenw. Ring 3057 (ohalem., 1400/08): Wisst, daz ich her chümen pin 兩 Lüsens und nicht claffens wegen. Österley, Steinhöwels Äsop 49, 11 (Ulm 1474/82): er keret sich zu Esopo: Losa knab, kanst du die ursach sagen? Mollay, H. Kottanerin 16, 30 (moobd., 1439/40): vnd wessat nicht, was ich tÈen solt vnd losat, ob ich die Junkchfraun icht da hort. Klein, Oswald 90, 6 (oobd., 1416): Vil aubenteuer, neuer me¨r 兩 wolt ich in losen, 兩 scharpf in das örichin an geve¨r 兩 freuntlichen kosen. Schottenloher, Flugschrr. 62, 11 (Landsh. 1523): Knecht. Wer pistu daussen? (Schnaphan.) Losa, stalbrÈder, jch bin da und sunst ein gÈter ewangelischer herr, thue auff. Turmair 4, 372, 2 (moobd., 1522/33): püecher, so man mit pesunderm aufmerken und lüsen hören mueß. Winter, Nöst. Weist. 2, 271, 12 (moobd., 1585): Wänn einer ainem an seiner behausung bei nächtlicher weil losung helt oder zuehört. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 39, 25 (m/soobd., 1508): Ob ainer, [...], ainem an sein hauss und venstern losatn, die sol man straffen. − H¸bner, Buch Daniel 1017; v. Groote, a. a. O. 50, 47; Sachs 13, 144, 3; 19, 428, 19; 23, 221, 13; Mayer, Folz. Meisterl. 98, 75; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 702, 1; Kurrelmeyer, a. a. O. 7, 218, 14 Var.; Rieder, St. Georg. Pred. 227, 2; Adrian, Saelden Hort 5866; Adomatis u. a., J. Murer. Nab. 64; Jˆrg, a. a. O. 328, 10; Wyss, Luz. Ostersp. 3, 60, 94; Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 76, 86; Chron. Augsb. 2, 229, 20; Jellinek, Friedr. v. Schwaben 2773; Niewˆhner, Teichner 2, 69, 41; 77, 13; Mell u. a., Steir. Taid. 98, 18; Wackernell, Adt. Passionssp. St. 1, 899; Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 336, 20; Maaler 275v; Schweiz. Id. 3, 1446; 1449. 1

lösen, s. 2losen. 2 lösen, 1losen, V.; Fortsetzung von mhd. loˆsen ›los sein / werden‹, und lœsen / loˆsen ›losmachen‹ (Lexer 1, 1958).

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lösen

1. ›(ein Band) aufknüpfen, lösen‹; auch ütr.; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›jn. / sich / ein Tier / einen Körperteil u. a. der Fesseln entledigen und dadurch befreien‹; auch vom Lösen der Zunge u. ä., ütr. vom Aufheben des Gesetzes gesagt; am ehesten an diesen Ansatz anschließbar: ›den Kern von etw. herauslösen‹; vgl. los (Adj.) 1. − Gewisse Beleghäufung in Texten der Sinnwelt ,Religion und Didaxe‘. − Phras.: die zunge mit speichel lösen ›Unmögliches tun‹. − Bdv.: aufbinden 6, entbinden, 1auflösen 1, aufstricken 1. Ggs.: binden 6. − Synt.: den riemen / strang, die schnur, die bande, den esel l., jm. den strik, das gesez, band der zunge, die zunge (z. B. dem beklagten) l., dem sünder die sprache, das maul l., jn. / sich selber l. (z. B. vom kreuze), sich selber die füsse l., jn. ab / von dem galgen, von stricken, aus dem strik l., den kern (des wortes) l. ›aus der Schale herauslösen‹. Wbg.: 1losung 1a. ›Geburt (des Kindes), als Lösung aus dem Mutterleib verbildlicht‹; 1 losung 1b. ›Scheidung, Trennung (von einer Frau)‹. Luther, WA 29, 520, 12 (1529): Es ist gar eyn ungereymbts dynck myt speychel die zunge loßen. Karnein, Salm. u. Morolf 309, 1 (srhfrk., Hs. um 1470): Woltent ir [ritter] mir losen diese bant, 兩 [...] 兩 ich wolte uch fremde mere sagen, 兩 was [...]. Ebd. 547, 1 (1470): Morolff von dem galgen loste den heidenschen man. Oorschot, Spee/ Schmidt. Caut. Crim. 297b, 33 (Frankf./M. 1649): [Folter] welche dem Beklagten die Zung nach jhrem Belieben noch nicht gelËset hat. Ebd. 322a, 9: diß halte ich vor die allerbeste vnd lieblichste manier zu foltern / damit man den SÈndern das Maul vnd die Sprache lËsen mag. Feudel, Evangelistar 3, 32 (omd., M. 14. Jh.): ich [Johannes] inbyn des nicht wirdik, daz ich mich nydir boyge unde lose den rymen syner schue. Ebd. 51, 18: lose dich selbir, bistu gotes sun, unde stik von dem cruce. T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 6 (thür., 1385): den [esil] losit vnd brengit mir en. Neumann, Rothe. Keuschh. 1699 (thür., 1. H. 15. Jh.): bistu zu eime wibe vorbunden, 兩 suche nicht losunge zu den stunden! Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 16, 19 (osächs., 1343): waz du loˆses uˆf der erden, daz wirt ouch geloˆset [Mentel 1455: entbindest; Emser 1527: auflosen] in den himelen. Asmussen, Buch d. 7 Grade 350 (nobd., Hs. A. 15. Jh.): also muz man gotes worder pern, 兩 piz daz si losen iren kern. Steer, Schol. Gnadenl. 5, 44 v (halem., 15. Jh.): Genade lËset die strike der manigualtigen bekorung vnd gelaitet die sele fry durch der fyenden her. Bachmann, Haimonsk. 156, 18 (halem., 1530): Rengnold kamm zuo im und loßt und entbant inn uff. Maaler 274v

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(Zürich 1561): Sich auß dem strick LËsen / vnd flux daruon machen / oder entlauffen. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 75, 167 (schwäb., 1471): Wann es chom˜ vff das rechte zil, 兩 Vnd sich das chindlin wenden wil, 兩 Vnd losung by der o o muter hatt; 兩 Dadurch die muter chomt in not. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr. 196 (moobd., A. 15. Jh.): so löse ich den strik des schiffes von dem gestett. Deinhardt, Ross Artzney 48 (oobd., 1598): so nimb ain rebschnuer, bindts [roß] im auf den khegl. Leß darnach wider auf. − Ingen, Zesen. Ros. 98, 3; Karnein, Salm. u. Morolf 114, 1; Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 537; Strauch, Par. anime int. 90, 38; Koller, Ref. Siegmunds 107, 19; Wyss, Luz. Ostersp. 8997; Klein, Oswald 67, 64; Dasypodius 374r; Schweiz. Id. 3, 1068. − Vgl. ferner s. v. 1band 5; 11.

2. ›(eine Pistole o. ä.) losgehen lassen‹; intrans.: ›losgehen (von der Büchse)‹; hierher die Wendung: streiche lösen ›Streiche austeilen‹ sowie ›Streiche einstecken‹ (konversosem); vgl. am ehesten los (Adj.) 1. − Gehäuft wobd. Mannack, Rist. Pers. 169, 26 (Hamb. 1634): ich halte nicht daß er sein lebtag eine Pistole gelËset. Bernoulli, Basler Chron. 4, 447, 17 (alem., 1443): also fieng es an zuo regnen, das die buchsen nit lossen woltend. Dierauer, Chron. Zürich 270, 19 (halem., 15. Jh.): Die zugen zuo inen wider den ku´ng, [...], vnd zugen also die selben knecht in Hochenburgunn ze mÁngem mal und losten underwilent streich und verlurent vil knechte. Maaler 274v (Zürich 1561): Streich LËsen / Geschlagen seyn. Verbera ferre, Plagas dare, Plagas accipere. Streich leyden oder LËsen / vn˜ nit ein wort darzuo sagen. Plagas ferre silentio. Roder, Hugs Vill. Chron. 84, 8 (önalem., 1519): In dem was den von Rottwill bottschafft kumen uß den Aidgenossen, sy sollten illentz abziehen, oder sy wurden straich lœssen.

3. ›heucheln, sich unehrlich, falsch, trügerisch verhalten, jm. schöntun, schmeicheln‹; vgl. los (Adj.) 8. − Älteres und mittleres Frnhd.; Verstexte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: ane / sonder losen (verwahrformelhaft). − Bdv.: schmeichen, streichen; vgl. gleichsen 2, heucheln 2. − Synt.: jm. l.; subst.: bei losen lügen sein, js. losen süsse sein. Wbg.: 1losner ›Heuchler, Schwindler‹. Fischer, Brun v. Schoneb. 4301 (md., Hs. um 1400): da mite ich eren [Rebecke] lip krone 兩 sundir valsch und ane losen. Ebd. 4387: daz sullit ir wol sunder losen 兩 allez vinden an der glosen. Stackmann u. a., Frauenlob 7, 31, 14 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): her Hof, wie lesterlich ir stat 兩 Al hie zu disen ziten 兩 und loset durch die hele schon ›Ihr heuchelt, um die Wahrheit zu verbergen‹ (so der Apparat, Bd. 2, S. 896). Ebd. 12, 4, 8: Swaz rete ein valscher bringet, 兩 die komen uz swachem grunde, 兩 swie süze si sin losen.

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lösen

Goedeke, P. Gengenb. 148, 173 (o. O. um 1509): DAs .iij. Capitel sagt von Loßnern 兩 Von dene˜ magst du hören gern. Primisser, Suchenwirt 21, 53 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Di nicht ern wirdig sein, 兩 die losen unde smaichen, 兩 Veder lesen, straichen 兩 ChÈnnen paide spatt und vrue, 兩 Die dringen ser den fursten tzue. Ebd. 22, 58: Er sprach: „Jch sol nicht losen, 兩 Wenn losen da ist liegen pey“. Ebd. 24, 237: Der euch mit sÈzzem gelimphen 兩 Chan losen unde schimphen. − Fischer, a. a. O. 4826.

4. ›etw. (Bezugsgrößen verschiedener Art, meist versezte, verpfändete, liegende oder fahrende Gegenstände, verpfändete Güter, Schuldverschreibungen, Rechte o. ä., auch z. B. das darauf liegende Pfand) durch Tilgung einer Forderung, Zahlung einer Summe frei machen, aus-, einlösen und dadurch an sich bringen‹; damit zugleich (mit Bezugsgrößenverschiebung:) ›sich / jn. aus einer rechtlichen Bindung, Verpflichtung, Abhängigkeit herauslösen, befreien‹; das lösen vollzog sich teils rechtsförmlich innerhalb bestimmter Zeitgrenzen über die Teilhandlungen anbieten 1; 2, aufbieten 4 und anschließendes ablegung tun, bezalen 1; 5; 6; auch: ›etw. durch Ausübung des Vorkaufsrechtes erwerben‹; ›etw. durch Kauf an sich bringen‹; vgl. los (Adj.) 3. − Zu rechtlichen Differenzierungen s. Rwb 4, 1422 ff. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: freien, ledigen 4, gewinnen 1; vgl. ausbürgen 2, 1 auslosen 2, auslösen 3. − Synt.: etw. (z. B. 2das pfand / gut9, dicht belegt, das erbe / gewand / recht / essende pfand / rind / ros / vieh / kleinod / haus, den ablas / brief / ring / garten / wald / zins / zehenten, die ambrust) l., etw. an eine herschaft, zu js. handen l., sich von etw. (z. B. von blutrunst) l., jn. von den Juden l. Wbg.: lösbar ›ablösbar‹, loszeit. Ziesemer, Gr. Ämterb. 116, 12 (preuß., 1477): ouch hat der alde pfleger 15 armborste gen Heilsberg geschicket zu bessern, die sall her Conrad Lichtenhayn losen von 15 postelatische gulden. Herborn u. a., Rechn. Jülich 66, 16 (rib./ snfrk., 1398/9): nae Dyonisii was ich zu Aichen [...] ind betzailde(n) dae gelt ind loisden cleynoit van myns lieve(n) genedige(n) h(er)n wege(n). Buch Weinsb. 1, 98, 30 (rib., um 1560): war Derich van Oss, [...], an die vurs. 6 malder korns erfrenten komen und dieweil dieselb loisbar, hat sei min fatter mit idellem radergelde geloist. Kˆbler, Ref. Nürnberg 179, 16 (Nürnb. 1484): so dieselb parthey sËlliche pfand darumb behalten vnd lËsen wil. das mag sy thun in achttagen darnach

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den nehsten. Dinklage, Frk. Bauernweist. 20, 42 (nobd., 1466): ob eyner derselben gutere eyns verkauft, so mögen die herren dasselbe gute des weinkaufs neher zu iren handen losen und das gute eynem andern leihen oder ine selbs behalten. Goedeke u. a., Liederb. 326, 34 (1525/35): das gelt leih ich dir allessant; 兩 bist du dan frum, so lösest du es wider. Enders, Eberlin 1, 128, 11 (Basel 1521): Wer fürhin ablaß verkindt oder leset [›kauft‹], soll offentlich gestrafft werden. Rennefahrt, Stadtr. Bern 176, 13 (halem., 1377): und gab den ... von Berne vollen gewalt ze lidigenne und ze lËsenne iren teil an den phantgÈtern. Welti, Stadtr. Bern 262, 14 (halem., n. 1437): Vindet aber er oder der banwart dehein ve in sinem garten [...], da sol man ieclich houpt an a rossen vnd an rindren lËsen vmb zechen schilling. UB Zug 2522, 12 (halem., 1520): vermerck ouch witer in irem schriben, daß sy¨ nit des willens sind, den urteil brieff zu lösen. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 13, 12 (schwäb., v. 1542): kamen zu zewten die armen bauren und lößten die roß wuder, ach die gefangnen bauren thedigt man auß. Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 129, 4 (moobd., 1353): vnd hat auch damit derselb Jacob Freymanner dazselb haus geledigt und gelËst von dem spital. Hˆr, Urk. St. Veit 77, 4 (moobd., 1358): so schullen sew vns daz egnant gÈt gentzlich herwider ze losen geben. UB ob der Enns 10, 406, 19 (moobd., 1386): daz der von Zelking zu der nachsten losczeit, als derselb satzbrief losung lautt, loset, so [...], geschicht aber derselben losung zu derselben nachsten losczeit nicht, so [...]. Winter, Nöst. Weist. 1, 34, 6 (moobd., 1. H. 16. Jh.): sint verpotten all unzimlich wer zu tragen oder waffen. ob aber ainer oder mer weren die sölch verpot wollten verachten, so soll man in di wer nemen. kumbt er aber und wilß lesen, so ist di losung von ain spies 4 helbling. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 33, 6 (m/soobd., ): lost er dann dasselb sein guet mit dem wandl inner vierzehen tag nit, so soll unser lantrichter das phant darnach in negstem landsrahten offentlich austailen und verkaufen. Zingerle, Inventare 192, 2, 17 (vorarlb./tir., 15. Jh.): iren mähelring, gestundt sechs ducaten, den er löset von dem Mosse juden wol vmb xxv lib. perner. Piirainen, Stadtr. Sillein 108a, 18 (sslow. inseldt., 1378): DEr des andern wette nicht lenger halden wil der sol iz drey stund vor gericht pringen vnd auf pyten wil iz den gener nicht lËzen so sol er iz wol vorchaufen. Ebd. 139b, 37: bestet er vmb ein handt odir mit zehe¯ marken lËst er sich. − Grosse, Schwabensp. 60, 26; Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 187, 1; 243, 15; Kˆbler, Ref. Wormbs 228, 6; ders., Ref. Franckenfort 57, 15; Cirullies, Rechtsterm. Anh. 1981, 248 f.; Behrend, Magd. Fragen 78, 11; 89, 19; Ermisch, Freib. Stadtr. 35, 6; Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 13, 36; Graf-Fuchs, Ämter Interl./ Unterseen 399, 11; M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 209, 15; M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 109, 3; Dirr, Münchner Stadtr. 318, 27; 429, 22; Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 451, 15; ders., Salb. Heiliggeistsp. 18, 17; Wackernell, Adt. Passionssp. Vsp. 1301; Bastian u. a., Regensb. UB 72, 3; Rwb 4, 1422; Vorarlb. Wb. 2, 301. − Vgl. ferner s. v. ablegung 3, attestation, ausbieten 5.

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lösen

5. ›jn. durch Übernahme der Herbergskosten seiner Zahlungspflicht entledigen‹; vgl. los (Adj.) 3. − Vielfach berichtende Texte. − Wbg.: 1losung 2. Joachim, Marienb. Tresslerb. 201, 11 (preuß., 1432): 3 firdung Polakan herzog Swittirgails dyner us der herberge zu losen. Thiele, Chron. Stolle 335, 33 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): der rad zu erffort loste on uss der herberge. Chron. N¸rnb. 2, 90, 2 (nobd., 1444): wir haben sie hie aus der herberg gelost. Ebd. 416, Anm. 1: costet 109 gulden 7 ½ ß. in gold, zusampt den vischen und losung auß der herberg. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 470, 29 u (halem., 1508/16): Er verggot och die boten erlich ab, won er lost si ab der herberg. Turmair 5, 337, 32 (moobd., 1522/33): Da belaitet in [Herzog Heinrich] der ungerisch künig bis in Teutschland, löst in überal aus der herberg. − Opel, Spittendorf 25, 5; Baumann, Bauernkr. Rotenb. 206, 21; Tobler, Schilling. Bern. Chron. 2, 155, 36; Bernoulli, Basler Chron. 6, 33, 3; Gagliardi, Dok. Waldmann 2, 168, 25; Chron. Augsb. 1, 119, 17; Bastian, Runtingerb. 2, 251, 10.

6. ›jn. aus physischer Bedrohung, von inneren Zwängen, Nöten, Verzweiflung, von der Zufügung seelischer Verletzungen, von einer Strafe befreien‹; auch ütr.; vgl. los (Adj.) 3; 5. − Bdv.: vgl. befreien 1, ledigen 3, 1liberieren. − Synt.: jn. aus dem banne, aus der not, aus der ärge stricken, von nöten / träumen, vom feuer, von einem sere l.; j. des leides gelöst sein. Luther, WA 1, 386, 33 (1518): Kan doch keyn Bischoff lËßen, was der Bapst bindet. Ebd. 30, 2, 439, 34 (1530): So mus widderumb losen, so viel heissen, als gesetz abthun. H¸bner, Buch Daniel 5481 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Wand sine gotliche craft 兩 Tet Danyelen sigehaft 兩 Losende en uz der not 兩 Der lewen. Leman, Kulm. Recht 2, 5, 23 (Kulm 1584): wy lute sy [iuncvrouwe] hette geschrygen. so hette sy doch nymant gehort der sy geloset hette. Strauch, Par. anime int. 90, 36 (thür., 14. Jh.): criec cumit fon zwein sachin. etlichin cumit he fon vrefile, und di insint nicht zu losine. Jahr, H. v. Mügeln 129, 2110 (omd., Hs. 1463): das hoffen in Caldea lost 兩 die kinder von der flammen für. Wyss, Luz. Ostersp. 744 (Luzern 1583): So thuo dim kind kein v¨bells nitt, 兩 Wann alls dins leids bist glößt hiemitt. Chron. Augsb. 5, 159, 13 (schwäb., 1523/7): 2 pauren die kamen an des officials haus, die wolten sich aus dem pan lössen. Munz, Füetrer. Persibein 226, 7 (moobd., 1478/84): [o ritter ku´en] löes mich hewt von herczenlichem sere. − Luther, WA 30, 2, 504, 17; H¸bner, a. a. O. 3706; Munz, a. a. O. 156, 6. − Vgl. ferner s. v. aufenthalt 5.

7. ›jn. durch eine geeignete Maßnahme, meist durch Zahlung eines Lösegeldes,

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auch durch eine List aus dem Gefängnis, aus Gefangenschaft, aus der Gewalt eines Anderen befreien, jn. freikaufen‹; am ehesten hier anschließbar: ›sich von jm. (einem Gewaltherrscher) befreien‹; vgl. los (Adj.) 4. − Bdv.: vgl. ledigen 2. − Synt.: jn. (z. B. den gefangenen / bruder / man / son) l., sich der fängnis l., sich mit gute l., jn. / sich aus dem gefängnis / kerker l., jn. von einem tater ›Tataren‹, von türken l. Wbg.: lösgeld 1, lösig 2. Joachim, Marienb. Tresslerb. 136, 4 (preuß., 1402): das sie Johan [...] us dem gefengnusse losten. Helm, Maccabäer 1406 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): wie das sie [lande] nimmer gelosten 兩 des irluhten Antiochi. Quint, Eckharts Pred. 210, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): verkoufe daz und gilt dıˆne schult und lœse dıˆne zweˆne süne. Ebd. 555, 2: Kæme ein mensche dar, er müeste gevangen sıˆn und enmöchte niht dannen komen, er enkünde denne liste, daˆ mite er sich dannen lœste. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 211, 11 (els., 1362): v sich selber us kunde er toten lebendig gemachen, er losete och dem kerker. Chron. Strassb. 1, 21, 17 (els., 1362): der loset vil manig tusent gevanger lute mit der cristenheit schatz. Ebd. 2, 857, 10 (A. 15. Jh.): der herzoge von Burgunde tedigete sich us der gefengnisse und loste sich selbe sehzehenste o mit grossem gute. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 300, 4 (Genf 1636): LËßgelt der Gefangenen. Chron. Augsb. 2, 301, 9 (schwäb., Hs. 16. Jh.): darumb wolt sie [fraw] iren man lösen, der lag gefangen. Niewˆhner, Teichner 450, 57 (Hs. 2moobd., 1360/709): der hundert tausent jar und me o lÁg gepunden, 兩 er hiet doch trost von stund 兩 in einem turn zu stunden 兩 daz er losig wurd der van. Weber, Füetrer. Poyt. 273, 5 (moobd., 1478/84): das ich mich lösen sollte der väncknüsse 兩 gen viertzig starcker risen. Qu. Brasso´ 5, 475, 20 (siebenb., 1513): Losten einen Schuller von einem Tater pro fl. 35. − Joachim, a. a. O. 315, 20; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 316, 7; Rechn. Kronstadt 3, 326, 27; Voc. inc. teut. p ijv.

8. ›jn. (auch: die Seele) aus ihrer als geistliche Gefangenschaft, Tod, Sünde gedachten Existenz, aus den Verstrickungen in Sünde, Selbstbezogenheit befreien, lösen, jn. erlösen‹; vgl. los (Adj.) 6. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch ,Didaxe‘. − Bdv.: aushelfen 1, erledigen, erlösen, erretten, freimachen, heilen 4; vgl. änigen, ausledigen 2, ledigen 6. − Synt.: oft mit got, son, Christus, auch Maria im Subj.; jn. / das herz, die sele (aus dem fegfeuer) l., jn. aus banden, aus im (refl.) selber, aus der not, ausser dem leide, vom leibe / fleische, von den feinden, vom tode / übel, von der sünde / helle, von acht und ban, vom bösen gewissen l., es (Subj., unpersönlich) das wesen l.

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lösen

›freisetzen‹ (von eigenschaft, weise), jn. mit seiner marter l., christi bande, die warheit jn. l.; die gnade lösend heissen. Wbg: löseampt, löseschlüssel (dazu Ggs.: bindeschlüssel). Helm, H. v. Hesler. Nicod. 5214 (nrddt., 14. Jh.): Sus ist die werlt gebuwet, 兩 wenz hute in disen tac, 兩 daz sie nieman losen mac 兩 von ahte noch von banne, 兩 iz entu got selbe danne. Luther, WA 7, 421, 5 (1521): Wie gern were der Bapst ein got, das er mocht pinden was got loset, und losen was got pindet. Ebd. 10, 1, 2, 53, 17 (1522): alßo lößet das Euangelium das hertz von allem ubel, von sunden, von todt. Ebd. 22, 216, 24 (1544): die sÈnde zu tilgen, die seelen aus dem fegfeur zu lËsen. Ebd. 30, 2, 440, 32 (1530): Warumb loset er [Bapst] nicht auch [...] umb der seelen not willen? Jch meinet aber, der Loseschlüssel solt so gros sein vnd so weit und ferne losen, als der bindeschlussel bindet. Ebd. 441, 2: einen odder zween hilfft er [Bapst] aus solchem banden, doch nicht aus krafft seines loseampts, Sondern aus vorbitt [...] des grossen Gottes Mammon, on welchen sein loseampt gar tod und abe were. Ebd. 503, 22, 29: Der LËse schlÈssel ist die macht oder ampt, den sunder, [...], los zu sprechen von sunden. Quint, Eckharts Pred. 2, 308, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): Ez ist ein kraft in der seˆle, und niht aleine ein kraft, meˆr: wesen, und niht aleine wesen, meˆr: ez lœset wesen. Ders., Eckharts Trakt. 110, 16 (E. 13./A. 14. Jh.): wer lœset mich von disem tœtlıˆchen vleische vnd lıˆbe? Froning, Alsf. Passionssp. 7204 (ohess., 1501 ff.): das hie nu kommen ist 兩 und wel uns loßen zu disser frist! Jostes, Eckhart 81, 16 (14. Jh.): Wir ensoln unser selbes niht gelosen, ee uns got loset, dez gevangen wir sein. Eggers, Psalter 33, 25 (thür., 1378): Er loste [Froschauer 1530: erloßt; Eck 1537: hat erledigt; Luther 1545, Ps. 18, 18: errettet ] mich von minen starken vienden. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 6, 13 (osächs., 1343): leite [Luther 1545: füre] uns nicht in bekorunge. Sundern loˆse uns von ubele. Vetter, Pred. Taulers 54, 9 (els., E. 14. Jh.): himitte locket und loste er [herre] su´ uz in selber und usser allem leide der gevengnisse der leiden creaturen. Bihlmeyer, Seuse 353, 8 (alem., 14. Jh.): lËset u´ch der sun, so werdent ir warlichen fri. Steer, Schol. Gnadenl. 3, M1, 244 (alem., M. 15. Jh.): Die würchent genad haist fürköment vnd anuahent vnd lösent, wann sy treybt dy sünd aus. Goedeke, Fischart Kinderzucht, 119 (Straßb. 1578): Der sie von sünden, höll und tod 兩 Auch mit seins sons blut glöset hat. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 186, 20 ([Augsb.] 1548): Eva brachte uns in not / Ave lËßte uns vom tod. Piirainen, Stadtr. Sillein 56, 8 (sslow. inseldt., 1378): biz an dy czeit daz got vns loste mit seyner martir. − Luther, WA 30, 2, 493, 15; Froning, a. a. O. 7086; Eggers, a. a. O. 8, 5; 44, 1; Schˆnbach, Adt. Pred. 9, 11; Feudel, Evangelistar 23, 12; Gille u. a., M. Beheim 76, 271; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 323, 2; Spechtler, Mönch v. Salzb. 1, 167; Kummer, Erlauer Sp. 5, 423.

9. ›Erlös aus dem Verkauf von etw. erzielen‹; auch: ›etw. (z. B. ablas) verkaufen‹.

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− Synt.: ablas l.; geld aus etw. (z. B. aus dem pfand, aus 1 eimer biers, aus dem pferd) l., gold mit etw. l. Wbg.: losschaft ›Verkaufserlös‹. Luther, WA 47, 498, 7 (1539): Den sie, wie das ablas losen so viel leuthe betroge. Dan sie gaben fhur: wer ablas losete, der hette [...] vergebung der SÈnden. Froning, Alsf. Passionssp. 2813 (ohess., 1501 ff.): man het disse salbe woil vorkaufft, 兩 [...] 兩 man het gold damidde gelost 兩 und arme lude damidde getrost! Kˆbler, Ref. Wormbs 270, 21 (Worms 1499): [So] der schuldner dem schulthern nit bezalung thet von de˜ gelde das er vss dem pfande gelËst hett. so [...]. Ders., Stattr. Fryburg 36, 17 (Basel 1520): was vß den gÈtern gelËßt wirt / sol das gelt yede˜ schultherren welcher der erst im insatz gewesen ist / bezalt werde˜. Chron. N¸rnb. 4, 318, 15 (nobd., 15. Jh.): so lost man auß den 38 eimer foders pirs auß dem eimer 4 웩. Rupprich, Dürer 1, 57, 36 (nobd., 1520): Mehr hab ich auß kunst gelöst 3 gulden 20 stüber. Adrian, Saelden Hort 10274 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): daz si leitent samenthaft 兩 an aller slaht gedinge 兩 den lo´sschaft, die pfenninge 兩 hin zuo der junger fu´essen. Welti, Stadtr. Bern 276, 16 (halem., n. 1437): dz er o dem cleger ze stund gute pfender geb, dannen vß er sin gelt lËsen mËg. Memminger Chron. Chr. 23, 25 (Ulm 1660): Auß den Rossen vnd anderm lËsete man 284. fl. war vnder die SËldner außgetheilt. − Buch Weinsb. 2, 171, 7; 3, 23, 33; Rueff, Rhein. Ostersp. 947; 959; Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 45, 13; Chron. Augsb. 5, 280, 5.

10. ›jm. etw. (einen fraglichen Tatbestand) erklären‹. − Wbg.: 1losung 3. Strauch, Par. anime int. 91, 33 (thür., 14. Jh.): di dritte losunge: Dyonisius sprichit: ,kein dinc inist daz alse glich si gotlichin werkin alse fuir‘. Ebd. 92, 2: Waz ist selikeit? selikeit ist ein inphahin und ein innemen und ein habin des ubersten und des leistin gudis. dit sint di widerreide und ir losunge. Niewˆhner, Teichner 564, 3468 (Hs. 2moobd., n. 14009): Do sprach ich: ,nu tut mir lËsen, 兩 wem ein ketzer gleichen chunn!

11. ›jn. in seiner Funktion ablösen, an seine Stelle treten‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Wbg.: losbote ›Person, die eine andere ablöst; Stellvertreter‹, löser (dasselbe), lösung. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 161, 21 (schles., 1530): stehet also an der arbeit bis auf den montag frie wiederumb 4., so kombt sein schüchtgeselle oder loser wiederumb, loset ihm mit arbeit bis auf den abend. Ebd. 170, 2 (1509): wo nach dem ausleuten der glocken der anlasser oder loser in der hütten an seiner arbeit nicht befunden würde. Ebd. 21, 5, 25 (1529): dass auch ein ieder huitman seine schicht vorfare, wie recht ist, und vor der lösung nicht abstehe. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 437, 2 (halem., u 1508/16): ist och abermals beret, das kein hobtman vom o zusaz sol lassen abziehen, er habe denn sinen lËser. Winter, Nöst. Weist. 4, 269, 31 (moobd., 1549): das der richter

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losener − losheit

von Laa nicht sein lospoten da soll haben bei dem taiding. Piirainen, Stadtr. Kremnitz 25 (mslow. inseldt., 1504): Vnd ayn yder huttmann(n), myth seynen arbettern der Löser wartt auff den örtter(e)n. − Paul, Bergmannsspr. 1978, 211 f.

losener, Adj. (subst.). ›Lausanner Pfennig (Währung im Amt Freiburg)‹. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 1, 220, 9 (halem., 1508/16): Der selb ir houptmann hatte inen ouch hievor 2 thusend pfund losner zuo stu´r geben an den kosten.

losenfleisch, s. 2lose 1. 1 loser 1; 2, s. los (das) 1; 3. 2 loser, s. 2losner. löser, der. 1. ›Erlöser (auf Jesus Christus, seltener auf Maria bezogen)‹; vgl. 2lösen 8. − Älteres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: vgl. behalter 3, behüter 3, beschirmer 2, genugtuer, heiland, heiler 1, heilige 6, heilmacher 2. Froning, Alsf. Passionssp. 4925 (ohess., 1501 ff.): alßo der wernde loßer 兩 myt aller syner ere 兩 kommet yn der meyde lipp. Jostes, Eckhart 103, 38 (14. Jh.): Du bist min geminneter, min uzerwelter, min gemahel, min scho´pher, min lo´ser, min behalter, min lerer, min leyter, min troster. Schˆnbach, Adt. Pred. 11, 23 (osächs., 1. H. 14. Jh.): din [tochter von Syon] kunich der kumet dir recht und ein losere, er ist arme. Mone, Adt. Schausp. 2, 1081 (Hs. 2omd., 13919): Ach due loßer aller cristenheit, 兩 worum¯ ledestue den bittern (tot) soe geduldiclich? Bihlmeyer, Seuse 215, 2 (alem., 14. Jh.): als daz ich dich,[...], minen got, minen lËser, ach, und alle mine vrËde und herzenwunne, ie erzurnde. Strauch, Schürebrand 34, 4 (els., E. 14. Jh.): des gevangenen herren Jhesu Christi, der so ist ein trËster und ein lËser siner gefangenen. P‰pke, Marienl. Wernher 2048 (halem., v. 1382): sældenrichu´ magt: 兩 Du wirst gehaissen und gesagt 兩 Aller engel ku´negin 兩 Und aller welt ain lËserin. Ebd. 3192: der [Christus] wirt lebend, das ist war, 兩 Uf erde dru´ und drisig jar 兩 Und mit des cru´ces todes pin 兩 Aller welt lËser sin. − Gerhard, Hist. alde e 4650; Rieder, St. Georg. Pred. 205, 4; Kummer, Erlauer Sp. 6, 87; Niewˆhner, Teichner 564, 3455.

2. ›Schnapphahn einer Fuhrmannstasche‹; vgl. 2lose 2, 2lösen 2. Sachs 14, 63, 18 (Nürnb. 1550): [die nase] Geb ein guten spundt für ein rüßne flaschen 兩 Oder ein löser an ein furmanstaschen. − v. Keller, Ayrer. Dramen 2708, 11.

3. ›Penis‹. − Bdv.: vgl. adamsrute, arschwurzel, stange h, stechzeug 2, stecke 1, stempfel.

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Lichtenstein, Lindener. Katzip. 371 (o. O. 1558): Alßbald zeuhet derselbige grobe esel sein penal unnd löser herauß unnd spricht zuo der dirnen: „Seh hin, brate mir die wurste!“ Ebd. 375: Sein löser ist zimlich lang einer welschen meyl.

4., s. 2lösen 11. lös兩erde, die; zu los (Adj.) 2? Zu einem denkbaren Zusammenhang mit heutigem löß s. Kluge / S., Et. Wb. 2002, 582. ›lockere, schlammige Erde‹. Luther, WA 13, 460, 28 (1525): adam de gleba terrae creatus, vel limus loss erde, quando effoditur sepulcrum vel fossa.

losern, s. losieren. löseschlüssel, s. 2lösen 8. losfallen, s. los (Adj.) 5. losfeier, die. ›Feierlichkeit zum Jahrestag einer Hochzeit‹; vgl. los (Adj.) I, 1 im Rwb (4, 1408) sowie losledig (weiter unten). Turmair 4, 312, 15 (moobd., 1522/33): von disem heirat findt man genueg geschriben in der bibel [...], das Joakym, [...], wie [...] [Joakym] ein järlich fest, so die ,loßfeir‘ haist, aufgesetzt.

losgeben, s. los (Adj.) 7. losgehen, s. los-. losgeld, s. los (das) 2. lösgeld, s. 2lösen 7. losgeschrei, s. los (das) 4. loshauen, s. los (Adj.) 1. losheit, die. ›Verschlagenheit, Hinterhältigkeit, Schalkheit; Leichtfertigkeit, Ausgelassenheit‹; vgl. los (Adj.) 8. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: akust 1, getrog 1, wiederwärtigkeit. Ggs.: rechtfertigkeit, treue, tugend. Reissenberger, Väterb. 5591 (md., Hs. 14. Jh.): Do er in nach geluste 兩 Gehelste und gekuste 兩 Sunder valsche losheit. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 4328 (rib., 1444): Den gedanck deit it sich bekeren 兩 Ind gedroch ind loissheit van yme zo weren. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 2, 3 (hess., 14. Jh.): wilt du han daz ewige leben, so were dine zunge von ubele [...], daz sie inkeine loisheit insprechen. Rieder, St. Georg. Pred. 33, 16 (Hs. 2önalem., 13879): daz der mentsch [...] sol sin hertz fri machen von aller uppiger

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losholz − lösman

gÈnliche und vrËde und vor losenhait. P‰pke, Marienl. v Wernher 5689 (halem.,v v. 1382): [er, Jesus, was] A ne v aukunst, ane loshait, 兩 A ne alle widerwærtekait 兩 Mit aller tugende gÈte. Niewˆhner, Teichner 17, 22 (Hs. 2moobd., 1360/709): wann dew vreundinn etwaz wil, 兩 so hat si lozhait als vil 兩 daz er nichtz hiet als gÈtz, 兩 er gaeb ez willichleiches muetz. − Helbig, Qu. Wirtsch. 1, 494, 29; Sievers, Oxf. Benedictinerr. 2, 17.

losholz, s. los (das) 2. losieren, loschieren, logieren, V.; Schreibung auch lotsch-; zum Anschluß an franz. loger s. Jones, French Borrowings 401; 403 f.; Schulz/Basler 4, 38 f.; Kluge/S., Et. Wb. 2002, 580. 1. ›jn. wo unterbringen, einquartieren, jm. wo Unterkunft bieten‹; intrans. (vereinzelt): ›wo übernachten, logieren, sich wo einquartieren‹. − Mehrfach berichtende Texte. − Erhöhte Belegdichte für das Wobd. − Bdv.: einquartieren. − Wbg.: losern, losierung. Mieder, Lehmann. Flor. 464, 19 (Lübeck 1639): Wer spat kompt / der wird vbel losirt. Buch Weinsb. 2, 163, 9 (rib., 1567): wie Johan Kuckelmans selbstsiben lanzknecht [...] komen an eines [...] erf oder hoff und wolten da herbergen und sich loeseren, wolt man sei nit inlaissen. Ebd. 346, 3 (1577): den 9. maji ist ein gewaltich domher [...] zu Coln komen mit vil jonkern, knecht und perden, in die probstei s. Andree loceirt. Kurz, Waldis. Esopus 4, 12, 35 (Frankf. 1557): Ein junger Teuffel wardt losiert 兩 Zu jm, das er jm Mores lert. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 317, 15 (Nürnb. 1631): O du schËner Gaste [BrÁtigam] 兩 Werest du nur wol losiert, 兩 Bey mir bliebst du rasten. Ebd. 2, 402, 4: Reichlich hat Er [Gott] gezieret dich [Maria], 兩 Dieweil Er selbst losiret sich, 兩 Jn deim JungfrÁulichen Hertzen. Bernoulli, Basler Chron. 6, 76, 20 (alem., 1513): Deszhalb hette min her von Warse [...] unsz von Basel [...] in ein dËrflin genant Bolonin gelosiert. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 428, 15 (halem., n. 1529): wie nun dis Eidgnossen verordnet waren zuo huto und schirm des lands [...] zuo Fagenza in den pallast und die klËster losiert. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 216, 3 f. (halem., 1641): Es söllend auch dieselbigen sich hinfüro deß losierens und beherbrigen frömbder und berihtner persohnen, [...], gentzlich mÈssigen. Boner, Urk. Brugg 654, 13 (halem., 1642): der tavernen halb mit losierung der o kommenden benachteten leuhten. Haszdahin zuo roß vnd fuß ler, Kiechels Reisen 324, 13 (schwäb., n. 1589): Also loschirten wür stracks gögen seinem haus. Ebd. 326, 16: aldo mann mich im fondego de Francia, [...], nicht loschiren woltte. Barack, Zim. Chron. 2, 354, 1 (schwäb., M. 16. Jh.): Das ander gesündt sampt den pferdten wardt in andere nechst umbgelegne heuser losirt. Ebd. 4, 290, 16: und waren bei dem grafen von Ortenburg losirt. Chron. Augsb. 8, 436, 11 (schwäb., zu 1556): Es sollen (sich) auch alle die, so diser

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articulbrief betrifft, [...] mit der burgerschaft alhie, [...], auch in derselben losamenten, darein sie geloßiert worden send, erbarlich [...] halten. − Lohmeyer, K. v. Nostitz 184, 26; 215, 5; Buch Weinsb. 5, 230, 33; Sachs 2, 386, 7; Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 364, 21.

2. ›wo lagern, das Lager aufschlagen‹. − Wbg.: lotsche 2 ›Zelt, Hütte, Lager‹. − Bdv.: vgl. legen 18, legern 2, 1liegen 6. Chron. Kˆln 1, 3865 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): hie quam meichtich myt baneiren 兩 ind began vp den Wier lotscheyren. Ebd. 4014: Jr lotschen enstickden sy myt brande.

losierung, s. losieren. 1

lösig, Adj. 1. ›einlösbar, durch Zahlung einer Geldsumme ablösbar‹; zu 2lösen 4. − Bdv.: vgl. abläslich, ableglich. − Ggs.: ewig. UB Zug 2479, 7, 2 (halem., 1490): aber 3 lb geltz, sind o losig uff Martine mit zins und houptgut, und ist das selb guto vellig. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 97, 7 (halem., 1562/4): in welchen [kouf] die grund und boden zins, unablösig und lösig zins, rent, gült und beschwerden der verköufer uf sich nimpt. − Rwb. 8, 1430.

2., s. 2lösen 7. 2 lösig, s. 2lose. loskaufen, aloskündigen, loskündigung, s. los (Adj.) 5. losladen, s. los (Adj.) 1. loslassen, s. los (Adj.) 5. loslassung, s. los (Adj.) 4. losledig, Adj. ›unverheiratet, alleinstehend‹; vgl. am ehesten los (Adj.) 1, ledig 6. − Ggs.: vgl. beweibt, ehelich. Buch Weinsb. 2, 17, 9 (rib., um 1560): Min broder war ein lossledich gesell gewest, deinte sinem meister [...] zu Reissel; die moder ware ein lossledige jongmagt gewest. Ebd. 5, 21, 4: Min hausfrau war gewar worden, das ich in minem widwestat mich mit einer loslediger personen sult angelacht haben.

lösler, s. 3losen. losmachen, s. los (Adj.) 1. lösman, der ; Form von mnl./wnd. lootsman, dies aus dem Engl. (Dwb 6, 1209; de Vries, Ned. Et. Wb. 1971, 410; Kluge/S., Et. Wb. 2002, 583). ›Lotse‹. − Bdv.: vgl. pilot, steuermann.

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losner − losung

Toeppen, Ständetage Preußen 3, 35, 30 (mnd./preuß., 1447): want geschell gewesen is tusschen dem koupmanne und den schipperen van der hense umbe de unkosten van loszmans gelde und lategelde, [...], darup de stede hebben vorramet, dat alsulke unkoste vorschreven sal de kopman halff und de schipper halff betalen, und dat eyn itczlik schipper, [...], sal gehalden wesen eynen loesman, [...] intonemende, de en in de havenn segele. 1

losner, s. 2lösen 3. losner, 2loser, der ; −/-π. ›Horcher, Laurer, Aufpasser; Lauscher‹; zu 3losen. − Wobd. / oobd. − Bdv.: vgl. arölle, aufhörer, ausspäher, lausser. 2

V. Anshelm. Berner Chron. 4, 164, 6 (halem., n. 1529): Wie dan gmein Eidgnossen oft verabscheidet hatten, o dass man allenthalb sËlte die zutaghern, lÈssner und pratikanten abstellen. Wiessner, Wittenw. Ring 5932 (ohalem., 1400/08): Es sassen held in einem sal, 兩 [...] 兩 Die weil die loser warend bhend 兩 Und assen auf die vische gar. Winter, Nöst. Weist. 1, 70, 22 (moobd., 17. Jh.): wo aber der loser durchs fenster schaden empfienge, ist man ihm ainzigen abtrag zu thuen nit schuldig. Ebd. 447, 26: thät er sein nit, so wär er zu wandl verfallen umb 72 ∏, der lößner [›Lauscher‹ am fenster] umb 6 웩 2 ∏.

losreissen, s. los (Adj.) 1. lossage, lossagen, s. los (Adj.) 5. losschaft, s. 2lösen 9. lossen, V.; entsprechend mnl. lossen ›ontladen‹ (Verwijs/Verdam 4, 820). ›(ein Schiff) entladen, löschen‹. − Nrddt. − Bdv.: vgl. aufbringen 5, debarkieren. − Wbg.: losträger ›Arbeiter, Lastenträger beim Löschen von Schiffen‹. v. Bunge, Livl. UB 4, 826, 1 (nrddt., 1412): so sollen de losdregers und alle andere arbeides lude umme alsodane gelt arbeiden. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 453, 5 (preuß., 1426): wie das etliche schiffhern, [...], anlegen mit iren schiffen czu Newnessow und do lossen und laden. Ebd. 3, 39, 19 (1447): wen se lossen solen na innehaldinge des waterrechts und older gewonheit. Ebd. 3, 45, 30 (1448): die kleynen schiffe sal man vorburgen, [...], und wedir beweisunge sullen brengen, wor si golosset haben. Boon, St. Prätorius 61, 14 (Ülzen 1579): Wie lËset man das Schiff? − Toeppen, a. a. O. 1, 406, 1; 3, 33, 3.

lossprechen, lossprecher 1; 2, s. los (Adj.) 5; 7. losstab, s. los (das) 1. losstechen, s. los-. losstein, s. los (das) 1.

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lossterben, V., unr., abl. ›durch den Tod des Berechtigten frei werden und damit zur Neuvergabe anstehen‹; zu los (Adj.) 5. Chron. Magdeb. 2, 164, 8 (nrddt., Hs. 1601): darzue wollen sie auch nehmen alle spenden, Memorien und der Pfaffen Lohn, die in ihren Kirchen loßsterben mit der Zeit. Franz u. a., Qu. hess. Ref. Bd. 2, 368, 39 (hess., 1542): die loissgestorben weessen sol der kasten einnemen. Opel, Spittendorf 294, 1 (osächs., um 1480): Da stund der artickel innen, was losssturbe, das solde der rath uffnemen.

losstürmen, s. los-. lostag, s. los (das) 3. losteilen, losteilung, s. los (Adj.) 5. losträger, s. lossen. 1 losung, vereinzelt mit Umlaut(schreibung), die; -π/−. 1a.; 1b.; 2; 3, s. 2lösen 1; 5; 10. 4. ›durch Bezahlung eines Betrages erfolgende Herauslösung von Gegenständen aus rechtlichen Bindungen verschiedener Art, vor allem aus der Pfandschaft‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße (vom Gegenstand auf den Pfandbetrag:) ›Einlösung eines Pfandes und damit verbundene (Wieder)gewinnung der Verfügung über den Gegenstand‹; auch: ›Rückkauf‹; als Metonymien: ›Recht auf losung‹; ›dem Rechtsgeschäft inhärenter Geldbetrag‹; ›das Geld selbst‹; vereinzelt auch (da sachkontingent): ›Befreiung e. P. aus ihren rechtlichen Bindungen‹; vgl. 2lösen 4. − Zu rechtlichen Differenzierungen s. Rwb 4, 1447 f. − Rechts- und Wirtschaftstexte, chronikalische Texte. − Bdv. (bzw. sachbereichszugehörig): abkauf 2, wiederkauf, ansprache 3, bezalung 1; 2, forderung, gerechtigkeit 10, ledigung 4, vergnügung. − Synt.: die l. abkünden / aufsagen / verkünden / haben (wollen) / leihen / sperren / nemen / tun / (vor)behalten, jm. l. anbieten / gestatten / vergünnen; die l. (Subj.) [wo] liegen, [in einer Zeit] beschehen, die l. [ein Betrag] sein; jm. der l. genug / stat tun; an der l. stehen, [ein Betrag] auf l. verschrieben (im Ggs. zu: ewig) sein, dem beklagten das pfand auf l. halten, in der l. list vermeiden, stössig werden, mit

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losung

der l. warten, jn. um l. ersuchen, zur l. schreiten; die l. des pfandes / dorfes / gutes / schlosses / zinses, der habe / landschaft / wiese, die l. um geliehenes geld; die versprochene / vorbehaltene l.; die gerechtigkeit / verliesung der losung; [ein Betrag] auf die l. Wbg.: losungbrief, losungrecht 1, losungsgülte ›dem Kündigungsrecht unterliegende Einnahme‹, losungsgut ›dem Rückkaufsrecht (der wiederlosung) unterliegendes Gut‹. Ziesemer, Gr. Ämterb. 4, 33 (preuß., 1379): Peczen von der Memil 16 m. czu synir losunge. Chron. Mainz 1, 90, 20 (rhfrk., 15. Jh.): Summa Summarum also ist aller lusungesgulte, so die stad Mentze giebet, paffen und leien, 9403 ½ gulden 10 ß. und 2h. Kˆbler, Ref. Wormbs 235, 14 (Worms 1499): vnd [sie] sËllen darzu mit Recht getrungen werden dieselben losungs guter vff vberantwortung der Sum des o kauffgelts denen die sËlich losung zuthun haben. volgen zulassen. Ders., Ref. Nürnberg 180, 23 (Nürnb. 1484): wo sËlliche losung oder vergnÈgu˜g in der zeit nit beschiht. Ebd. 296, 12: Von ledigung vnd losung verpfenter habe vmb das gelihe˜ gelt daruber vnbeschwert. Ders., Stattr. Fryburg 107, 6 (Basel 1520): Losung des pfands sol nit gespert werden. Wen˜ der schuldner bereit ist / sin houptsumma zuo billicher zit / vnd an komenlicher statt / zebezalen / So sol im der pfandtherr nach dem er volkomme bezalung empfangen hat / o die pfand von hande˜ zuo geben vnd zuo antwurten schuldig sin. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 296, 6 (thür., 1474): wanne her daz also nachbrenget unde volkomet, so muß Nigkel Geler deme genanten Hanßin Winther als eynem besiczer des gutis Wolfframsdorff den wedderkouff unde losunge der wesen als eyne zcugehorunge desselbigen gutis vor zcwelff Rynsche gulden zcu habin vorgunnen. Bernoulli, Basler Chron. 5, 506, 10 (alem., 1473): Wie dem hertzogen von Burgund die losung der versetzten landtschafft verku´ndet ward. Ebd. 510, 4 (1474): Welches dott der hertzog wolt rechen, ouch die losung [...] nit nemmen, das er uff das land gelu´hen hatt. UB Zug 544, 25 (halem., 1415): das ir [...] mit sËlcher slosse und anders losunge warten sollet, als dann die artikel in den pfandbrieffen, [...], innehalden. Dierauer, Chron. Zürich 258, 14 (halem., 15. Jh.): in der gestalt, e das der fu´rst von Osterich allwegen losung zuo den [Z. 10: versatzten] landen und stetten solt haben. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 9, 14 (halem., 1508/ 16): der herzog, [...] liess graf Heirichen von Salgans (von des vordren er die herschaft verpfent hat) an die losung stan. Rennefahrt, Recht Laupen 172, 25 (halem., 1527): mir, minen erben, [...] dar an noch zuo dhein gemeinschaft, gerechtigkeit, vordrung, losung, noch ansprach vorbehaltend. Ders., Gebiet Bern 773, 27 (halem., 1570): by verlierung deß veechs, und die verkhöüfer sölichs nit länger ufhalten, by verlierung der losung, so oft es zuo schulden khompt. Maaler 275v (Zürich 1561): Losung (die) Vorbehaltne Losung / das einer sein versetzt guto widerumb ablËßt. Fiducia. Etwas kauffen mit vorbehaltner Losung. Fiduciam accipere. M¸ller,

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Grafsch. Hohenb. 2, 109, 33 (schwäb., 1436/7): 4 guld. han ich geben Caspar Wissler zerung gen Brysach [...], die losungbrieff zu suchent gen Bentzen von Bochingen. UB ob der Enns 9, 76, 17 (moobd., 1376): wenn si dez obgenanten saczz nicht lenger ˆınn gehaben mochten oder wolten, So schullen si vˆns losvng anpieten. Ebd. 304, 28 (1377): alle mein Erben haben vollen gewalt ze LËsen alle jar [...] vmb di vorgenanten Sechczehen phunt phenning, also Lösung Recht ist. Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 497, 40 (moobd., 1462): der [pfunt] ains auf ewig vnd das ander auf losung verschriben ist. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4113, 22 (moobd., 1465): dass her Hanns [...] dem benanten Thoman Korner oder wem er sein gerechtigkait der losung übergibt, den kauff desselben hauss vertigen dürfte. Zingerle, Inventare 180, 1, 30 (tir./vorarlb., 1420): ain brief von Hiltpranden aus Passeir auf losung. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 44, 24 (mslow. inseldt., 1503): als´o lang bis´ die Summa der fünffunds´echZig guelden zue lös´ung der obgenanten dörffer, nieder gelegt werde. − Merk, Stadtr. Neuenb. 37, 24; Leisi, Thurg. UB 8, 80, 21; 322, 37; Bernoulli, a. a. O. 5, 506, 17; M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 235, 13; UB Zug 100, 34; Chron. Augsb. 5, 165, 19; Uhlirz, a. a. O. 2, 3, 3941, 19; Winter, Nöst. Weist. 1, 34, 6; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 516, 22; Schweiz. Id. 3, 1438; Vorarlb. Wb. 2, 302. − Vgl. ferner s. v. anlegung 4.

5. ›Näherrecht, Recht des vorrangig Berechtigten‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Wbg.: losungrecht 2. Leman, Kulm. Recht 2, 3, 111 (Thorn 1584): ydoch so hot der abetrunnyge man dy losunge an dem erbe by iar vnd tage von der tzyt alse das erbe vorkoufet wirt. Kˆbler, Ref. Wormbs 228, 9 (Worms 1499): Es soll noch mag auch der nechst gesipt dem solich losung gepürt syn losung recht noch das gelËst gut keinem andern oder frembden zustellen. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 30, 3 (schwäb., 1552): Losungrecht. [...] So ein lehenguet vertheilt würdt in erbsweiß, so nemmt man ein treger des guets, derselbig der soll die losung haben vor andern. Zum andern der eignen güeter halb, so hat ain kind einmal die losung zu seines vatersguet oder muetterguts. − Ebd. 63, 35; Rwb 4, 1449; 1452 (mit reichhaltiger Belegung).

6. ›Freilassung e. P. (aus dem Gefängnis oder einer ähnlichen Situation)‹; vgl. 2lösen 7. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch Didaxe. − Bdv.: vgl. auftuung 1, ledigung 2. Opel, Spittendorf 143, 35 (osächs., um 1480): so kregen wir lusung aus dem gefengniss uff den freytag in unser heuser. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 16, 49 (schwäb., 1471): Er [man] ligt swärlich gefangen 兩 [...] 兩 Vmb In ist mir vnmassen and, 兩 Dann seiner losung waisz ich nicht. Qu. Brasso´ 4, 15, 41 (siebenb., 1603/20; Hs. v. 1761): Daneben hiesch er auch von der Stadt zur Losung, damit sie nicht gar niedergehauen würden, fl. 80 000.

1403

losung

7. ›Befreiung, Erlösung (des Menschen) aus seiner als Verstrickung gedachten und verbildlichten sündhaften Existenz‹; zu 2lösen 8. − Älteres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch Didaxe. − Bdv.: erlösung; vgl. abwaschung 3, besönung, genugtuung, genügung 2, gerechtigung 2, gerechtmachung 2, gesund (der) 4. Helm, H. v. Hesler. Apok. 8850 (nrddt., 14. Jh.): Daz der herre lobelich 兩 Mit sinem blute wiete 兩 Durch losunge der diete. Feudel, Evangelistar 27, 13 (omd., M. 14. Jh.): des menschen sun ist nicht kumen daz man ym dyne, sundir [...] czu gebene syne sele czu eyner losunge. Vetter, Pred. Taulers 397, 4 (els., E. 14. Jh.): die porten worent beslossen und enwaz kein prophete der gesprechen mËhte wenne die lËsunge beschehen solte. Rieder, St. Georg. Pred. 77, 35 (Hs. 2önalem., 13879): won von ir [Maria] hat enphangen der gevangen losung, der siech gesunthait, [...], der su´nder ablaˆss aller siner su´nde. Schmidt, Rud. v. Biberach 164, 23 (whalem., 1345/60): daz es [gemËnschett wort] vns ist geben zvo einer lËsung vnd zvo eim vbersubstancilichem brote vnd spise. Adrian, Saelden Hort 3401 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): min herre u´ns Gottes signunft 兩 und u´ser losung tet schin. Niewˆhner, Teichner 464, 728 (Hs. 2moobd., 13709): die schrift die tuto uns schein 兩 daz wol sechslay losung sein: 兩 ainen lost er mit der touff 兩 von der erbsünden lauff. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 14, 4 (moobd., 1. H. 15. Jh.): hitzig lieb der losung der armen e von dem vbel der schult vnd auch der pein vnd des irrsal. − Niewˆhner, a. a. O. 464, 1549.

8. ›Ertrag, Erlös (aus einem Wirtschaftsunternehmen, aus der Maut)‹; zu 2 lösen 9. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 43, 4 (schles., 1581/2): 1351 versetzt Herzog Wenzel [...] unse urbor czu Nieclausdorf [...] adir wo berkwerk sin [...], mit mit der losunge unde mit alle dem, daz darczu gehorit, [...], mit alle dem rechte unde mit alle der herschaft, alse wir si selbe pflegin czu habene. Qu. Brasso´ 5, 579, 31 (siebenb., 1617): Herr Cristianus Hirscherus und Herr Notarius [...] Führten Fürstlicher Gnaden die Losung von der Maut pro fl. 2000. − Wutke, a. a. O. 20, 44, 6.

9. ›von der dazu befugten (mehrfach: städtischen) Instanz erhobene, vom Pflichtigen teils als Belastung empfundene Steuer, finanzielle Auflage‹; vereinzelt metonymisch in Richtung auf ›Recht auf Steuererhebung‹ sowie ›Steuerbehörde‹; mit offenem Übergang zu ›steuerähnliche Belastung, Abgabe (generell)‹; auch zu ›Steuerbezirk‹ (vgl. Rwb 4, 1454 mit Belegung); vgl. 2lösen 9. − Keine wmd. Belege; Rechts-

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und Wirtschaftstexte, chronikalische Texte. − Bdv. (bzw. sachbereichszugehörig): anschnit 2, auflage 2, 5ber, beschatzung 2, beschwerung 2, 1bete 4; 5, geschos 8, kamerschaz, schatzung, steuer 1, ungeld, zins, zwangsal; auch: wacht, dienst. − Synt.: die / eine l. aufschlagen / setzen (z. B. der stat, auf die stat) / bezalen / geben (mehrmals) / lösen / reichen / richten / schweren, die l. tragen ›steuerpflichtig sein‹; l. (Subj.) zum jarmarkt gefallen; der losung ledig / los sein; ane l. [wo] sitzen ›wohnen‹, in der l. (im Steueramt) sitzen, jn. mit l. beschweren / leidigen, ein urbar mit der l. versetzen, etw. (z. B. einen zins) zu l. geben; die l. von 1 mark goldes; die gebürende / gewönliche / gedoppelte l.; die busse / strafe der l. Wbg.: losungfrei ›steuerfrei‹, losungherre, losungkorn ›in Getreide entrichtete Steuer‹, losungschreiber ›Bediensteter des Steueramtes‹, losungzettel ›Verzeichnis über bezahlte Steuer‹. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 594, 19 (osächs., 1523/4): und auch die [guter] meinen hern und der stat zu Kemnitz verrecht, verschost und losung geben habe. Schultheiss, Achtb. Nürnb. 113, 2 (nobd., 1384): daz sie dheinen guten leumunt het und hie [...] on der burger wort und on losung gesezzen waz. Chron. N¸rnb. 1, 355, 11 (nobd., 1420/41): in derselben jarzal [...] da schÈtt man das losung koren. Ebd. 2, 323, 5 (1449): Von der losung und steur. Jtem im anfang des kriegs muste ein ieglicher pruger geben ein gewonliche losung. Ebd. 3, 153, 5 (1488): er [Carolus] macht statut und ordenung des rats und der stat und die alten herren genanten und losungherren als es noch ist. Ebd. 395, 11 (1440/4): ded. 2 웩 hlr. n. Johanni Schützen unserm losungschreiber zu liebung von seiner mue wegen. Ebd. 5, 504, 18 (E. 15. Jh.): zu einnemung söllicher stew¨er ward beschiden Allexius Haller und Anthoni Tetzel mitsambt den losungschreibern. Ebd. 733, 21 (1491): das [gelt] solt alles [...] herrn Niclas Grossen dem eltern, desmals losungherrn behendigt [...] werden. Loose, Tuchers Haushaltb. 110, 5 (nürnb., 1514): adi 18 maczo hab ich [A. Tucher] fur mein loßung iecz auf Urbani verfallen beczalt innhalt meiner loßungczettel nemlich 97 fl. an gold. Ebd. 153, 20 (1517): hab ich [A. Tucher] 10 ewig gulden kauft hie in der loßungstuben ie ein gulden pro 30 loßungfrei. Sachs 5, 229, 21 (Nürnb. 1539): Zu den und der-gleich stücken allen 兩 Kompt losung, haußzinst und knechts-lon. Steinberger u. a., Urk. Hochst. Eichst. 33, 34 (noobd., 1307): daz wir [...] disele ben ertwungen dınst [...] abgelozzen haben [...], ez sei chamerschatz, ungelt, losunge. Bastian u. a., Regensb. UB 440, 33 (oobd., 1376): daz diselben, [...], ze chamer zins alle jar geben sullen [...] alle jar 36 d zu der alten gewËnleicher losung. Winter, Nöst. Weist. 2, 611, 25 (moobd., 17./18. Jh.): wer aber kein man der die lossung (hier: ›Abgabe der

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losung − losunger

Marktkaufleute an den Amtsdiener‹) meiden wolt wen (er) herkompt, man soll ihm pfenden. Rˆssler, Stadtr. Brünn 378, 42 (mähr. inseldt., 1. H. 14. Jh.): so welle wier vurbaz, wan czu ainer czeit auf di stat losung und auf daz lant pern wiert gesetzet, daz uns nuer losung gewen, da welle wier uns an lazzen genugen. Mollay, Ofener Stadtr. 156, 7 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): dy do erb haben vnd mer anderr handel treiben, dy süllen dauon losung geben. Piirainen, Stadtr. Kremnitz 83 (mslow. inseldt., 1537): Wier orndnen, auch hiemit das dem Herrn Richter zu den Herrn so in d(er) Losung sitzen alweg zwen aus d(er) gemain erfordertt damit [...]. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 5, 16 (mslow. inseldt., 1569): so ´soll ein Jeglicher Einwoner, [...]. ´seine gePürende Los´ung [...] erlegen vnnd zalen. Bey der ´straff vnd Bueß. der gedoPPelten loßung. − Chron. N¸rnb. 2, 16, 9; 4, 204, 2; 386, 6; Bastian u. a., a. a. O. 204, 27; Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 178, 16. − Vgl. ferner s. v. anschnit 2, auflage 2. 2

losung, die, zu los (das), 2losen; zum Problem der etymologischen Zugehörigkeit von Ansatz 2 s. Kluge/S., Et. Wb. 2002, 582 (fragend). 1. ›Loswurf, Losverfahren, Entscheidung einer Angelegenheit durch das Los‹; vgl. los (das) 1. − Wobd./oobd. Maaler 275v (Zürich 1561): Lossung (die) Loßwurff. Sortitio. Durch Lossung widerfaren. Sortitoˆ obtingere. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 276, 12 (schwäb., 1611): alsdan soll das loß geworfen werden und loßung deme belieben, welchem das los die loßung zuegibt. Drescher, Hartlieb. Caes. 161, 26 (moobd., 1456/67): Sand Magthes, der heylig zwelfpott, ist auch mit lasszung erwelt worden zu der zal der heyligen zwelfpoten [...]. Doch wa´n ich wol die selben vorgeschriben lasszung, die also einen zwelfpoten zu ziehen getan werdent, das die davon herkËmen, sey von der lassung sand Mathesen. Ich han aber gehËrt von einem priester zu Kollen, der soliche lasszung widersprach. − Voc. inc. teut. p iijr.

2. ›Wortzeichen, Bildzeichen oder akustisches Zeichen, das der Erkennung einer Gruppe von Personen in gefahrvoller Situation oder der Erkennung einer Handlung dient, Parole‹. − Gewisse Beleghäufung für berichtende Texte. − Bdv.: geschrei 5, krei, los (das) 4, malzeichen, merkmal, (war)zeichen. − Synt.: die / eine l. (an)sagen / austeilen / geben / machen / rufen / haben / verordnen / bekommen; etw. die l. sein; die l. bedeuten, das [...]; ein kreuz zur l. füren; die heimliche l. Luther, WA 2, 727, 20 (1519): Die Tauff ist eyn eußerlich zeychen odder loßung, die unß absondert von allen ungetaufften menschen. Ebd. 10, 1, 1, 507, 6 (1522): Alßo hatt gott

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noch nie seyn volck on solche tzeychen oder loßung gelassen, dabey man ynn der welt eußerlich erkennete, wo seyn volck sey. Ebd. 12, 402, 27 (1523): Das [Creütz] ist unser warzaichen und losung. Chron. Magdeb. 2, 58, 22 (nrddt., 1565/6): welcher seine losungk von dem thumbthurm mit aussteckung eines banners hatte. Kurz, Waldis. Esopus 4, 81, 35 (Frankf. 1557): Ein sondre losung mit jm [Gselle] macht, 兩 Das er sich auff dieselben nacht 兩 Hin solt begeben in den stall. Neubauer, Kriegsb. Seldeneck 101, 22 (nobd., 2. H. 15. Jh.): jst nott, das wir ein sunder zeychen, geschrey vnd auch ein heimliche losung habenn. Thiele, Chron. Stolle 333, 17 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): der andere bad also sere umbe das leben, [...], er wolde on under wisunge thu unde die lossunge sage. Chron. N¸rnb. 2, 88, 10 (nobd., 1444): das worttzeychen der offung sol sein: fwr die lossung. Ebd. 485, 38 (1450): es sol sein daz geschrei: Nürmberg, und die losung: unser frawe. Ebd. 3, 133, 13 (1488): sie gaben an einander ein haimliche losung und zaichen mit etlichen tritten auf der gaßen. Ebd. 4, 271, 4 (15. Jh.): den tag was „pfalcz“ unser geschre, „sant Peter“ unser losung, nusleub unser zeichen und der veint zeichen was habern. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 458, 10 (nobd., n. 1525): als das pundisch heer, [...], auch dem zusatz uff dem schloß [...] ain losung mit abbrennen ains hofs geben, das sie inen zu rettung und hilf kemen. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 189, 8 (Hagenau 1534): die bawern fuereten zu yhrer losung Creutz an yhren kleydern. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 160, 41 (moobd., 1478/ 81): mit dem [her] zoch er aber an des künigs volk und sein losung oder krey was Welf. − Luther, WA 12, 402, 97; 15, 491, 18; 47, 444, 34; 49, 735, 4; Peil, Rollenhagen. Froschm. 643, 4291; Bachmann u. a., Volksb. 160, 12; Leidinger, A. v. Regensb. 630, 4; Dict. Germ.Gall.-Lat. 310, 22 f.; Eggers, Psalter 2, 302. 3

losung, s. 3losen.

lösung, s. 2lösen 11. losungbrief, s. 1losung 4. losunger, der ; −/-π. ›Steuereinnehmer und -verwalter‹; zu 1 losung 5. − Bdv.: vgl. amptschösser, amptsüberreiter, berneinnemer, geschosnemer, koi, 2teller. − Synt.: einen l. setzen; die losunger die rechnung hören, die losung einnemen, das gebot halten, keinen handel, kein gewerbe haben, gute besoldung haben; dem l. etw. antworten (z. B. geld); mit den losungern rechen, jn. zu einem l. machen. Luther, WA 1, 689, 2 (1518): Dem erbern und weisen herrn Hieronymus Ebner, Losunger zuo Nürmberg. Chron. N¸rnb. 4, 172, 2 (nobd., 15. Jh.): Desselben jars [...] macht man den Karl Holtschner zu eim losunger zum Ulrich Haller an des Hanns Grolantz stat. Ebd. 339, 6: am montag nach Oculi [...] da was zu Nurmberg neur ain oberster haubtman und ain losunger. Voc. Teut.-Lat. e vv (Nürnb.

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losungfrei − lot

1482): tribun‘ oder landzinser. oder loßunger. oder stewrmeister. oder renntenmeister oder zinßmeister. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 240, 37 (nürnb., 1464/75): wenn die losunger dann die rechnung hören wollen und die zwen herren, von ratz wegen darzu gegeben, gegenwertig sein, und man sie alle hinein vordert, so list der losungschreiber [...]. Rˆssler, Stadtr. Brünn 388, 9 (mähr. inseldt., 1. H. 14. Jh.): Ein igleich man schol sweren um losung, daz er als sein guet [...], als lieb als im daz selb guet sei, den losungern hab vurpracht. − Chron. N¸rnb. 1, 264, 19; 2, 111, 10; 3, 313, 6; Rwb 4, 1458; Jelinek, Mhd. Wb. 478 (mit Sachangaben). − Vgl. ferner s. v. antlasfart.

losungfrei, losungherre, losungkorn, s. 1losung 9. losungrecht 1; 2, s. 1losung 4; 5. losungschreiber, s. 1losung 9. losungsgülte, losungsgut, s. 1losung 4. losungstube, die. ›Amts-, Dienstzimmer des Steuereinnehmers‹; zu 1losung 9. − Nobd. − Bdv.: schazkammer. − Synt.: die l. öfnen; aus der l. geld haben, etw. aus der l. bezalen, jn. aus der l. in die gefängnis füren, geld in die l. tragen, in der l. rechnung halten, [einen Betrag] in der l. anlegen. Chron. N¸rnb. 1, 28, 8 (nobd., 1407): dez selben gelcz zalten di hewser in sant Lorenczen pfarr 2200 guld., di uberigen bezalt man hi aus der losung stuben. Ebd. 2, 267, 7 (1449): waz geltz von den gefangen unsern herrn zugepürt [...], daz trug ie der stockmeister einer den herrn in die losungstuben. Loose, Tuchers Haushaltb. 66, 20 (nürnb., 1508): dan ich solch 400 fl. in der loßungstuben angelegt hab. − Chron. N¸rnb. 3, 144, 5; 4, 208, 7; 5, 475, 25; 756, 35; Lexer, Tucher. Baumeisterb. 241, 4. − Vgl. ferner s. v. advocieren 1, antreten 3.

losungzettel, 1losung 9. loszeichen 1; 2; 3, s. los (das) 1; 3; 4. loszeit, s. 2lösen 4. loszettel, s. los (das) 1. lot, das; -(e)s/-e, auch löt und 1löter. 1. ›Blei, Lötmasse, gießbares Metall‹. − Bdv.: blei 1. Welti, Stadtr. Bern 448, 21 (halem., 1407): waz man o o i lËten muss, da sËllent si lot zusetzen als notdurfftig ist. Wilkes, Sta. Xanten 228, 5 (snfrk., 1411): den Chor der Kirche zu N. damit zu sperren, plencken end decken mit leyen end mit loet te versten. Barack, Teufels Netz 10918 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Si [goldschmid] bruchend des

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lotes also vil, 兩 Daz ichs nit erzellen wil. − Hulsius L 1vr; Schweiz. Id. 2, 303.

2. ›Lot als Gewichtseinheit und Gewichtsstück für Gegenstände aller Art (gehäuft für Zierstücke, Gewürze, Arzneimittel, Brot, Getreide, Metalle)‹; speziell: ›konkretes Gewicht am Waagebalken‹; 1 Lot entsprach in der Regel einer halben Unze, einem Vierzehntel einer Mark, einem Zweiundreißigstel eines Gewichtspfundes. − Phras.: etw. mit quinten oder loten auswägen ›etw. kleinkrämerisch abwiegen‹; ein schweres lot wiegen ›etw. für eine Bürde achten‹; mit Karls lot (Vorlage: ad pondus Caroli) gelten ›übermäßig streng urteilen‹; jm. etw. sam ein lot sein ›als Last / Bürde vorkommen‹; etw. ist manig lot besser denne [...] ›um vieles besser als [...]‹; [eine Anzahl, z. B. 100] freunde auf ein lot gehen ›kaum ein Lot wert sein‹; die meid um ein lot hälsen ›das Mädchen aus geringem Grund umarmen‹; die sünde bei lot ›bis in jede Kleinigkeit hinein‹ erzälen (in der Beichte) / auswägen o. ä. − Synt.: das l. taxieren / wegen / zalen, falsch machen, ins feuer setzen, 1 lot wurzel ins futter streuen, x lot für y mark rechen, etw. 1 lot gelten (z. B. 1 scheffel weizen) / halten / haben / wiegen, 24 lot 1 apotekerpfund machen; den semel auf x lot bakken, etw. auf 1 lot rechen, etw. um 1 lot geringer backen, etw. barmkeit über aller sünden lot ›mehr als jede Sünde‹ wiegen, silber zu 14 lot arbeiten; das lot silbers / goldes, das lot nusöl / lorber / mirre / weihrauch / metal / spezereigewicht; das geschmeidige lot. Wbg.: lötachtig, lotbrot ›Brot mit dem Gewicht eines Lotes‹ (a. 1623), lotgarn ›beim Lot verkauftes feines Baumwollgarn‹ (17. Jh.), lotstein ›Stein vom Gewicht eines Lotes‹ (a. 1561). Toeppen, Ständetage Preußen 1, 47, 37 (preuß., 1386): wenn ein scheffel weisse gilt ein loth, zo sal der wecke wegen 2 marg lotigs. Ebd. 54, 8 (1388): di do uzvaren vor die grunt czymmern des tages 1 lot und sine kost. Enders, Eberlin 2, 188, 27 (Wittenb. 1523): Sollich angstlich erzelen der sündt bey quintlin, lot, minuten. rc. Jst nit von nËten. Luther, WA 15, 731, 17 (1524): wie gar unchristlich die handlen, so der sunden vergebung mit quinten oder loten außwegen. Ebd. 53, 405, 10 (1542): das seine Churfuerstliche gnade wolle zu solchem Heiligthum bescheiden [...] ein gantz quentin von seinem trewen fromen hertzen. Und ein gantz lot von seiner war-

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lötachtig − lotbüchse

hafftigen zungen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 188, 4412 (Magdeb. 1608): wenn denn auch dauon zuletzt / 兩 Nur ein loth wird ins fewr gesetzt / 兩 Mit drithalb hundert loth Metall / 兩 So wirts lauter Gold allzumal. Thiele, Minner. II, 28, 94 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): mir ist die werelt saen eyn loot, 兩 mistroist drivet mich aen eyn oirt. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 2, 392, 30 (mosfrk., o. J.): die Redensart mit Karles (Karls des Grossen) loˆte gelten. Froning, Alsf. Passionssp. 387 (ohess., 1501 ff.): ich heys Astoroth: 兩 phunt, qwentyn und loyth 兩 lere ich die kremer falsch machen! Kollnig, Weist. Schriesh. 156, 26 (rhfrk., 1595): daß die becker, wann sie daß brot heraußtragen, den kreuzerweck umb ein lot geringer backen dörfen. Mone, Adt. Schausp. 2, 400 (Hs. 2omd., 13919): Sexta anima dicit. Gnade, here Lucifer, 兩 ich waz eyn helser, 兩 ich helste dye mayt um¯ eyn lot. Ermisch, Freib. Stadtr. 291, 2 (osächs., um 1466): sy [goltsmede] sullen kein geringer silber erbeiten danne zu virczehn loten. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 182, 15 (schles., 1511): sollen sy uns das zcehent lott zcalen in der gestalt, man sal zwu holl ercz uff ein lott rechen, geburet uns zu bezcalen von zwenzeigk huben ein lott goldes, und dyweil dy golder irn halter ungleich synt, sal man sechszcehen lot fur ein margk rechen. Pyritz, Minneburg 3844 (nobd., Hs. um 1400): Zwey phunt und ein gantz lot 兩 Leg cluger werk auch dar zu [zu: Friliches sprechen]. Keil, Peter v. Ulm 5 (nobd., 1453/4): Nym ein lot weyrauch, mastig j lote, mirre j lot. Fastnachtsp. 527, 10 (nobd., v. 1494): Salomon: Recht freunt erkennt man in der not. 兩 Markolfus: Ir gen wol hundert auf ein lot. Lemmer, Brant. Narrensch. 10, 32 (Basel 1494): Dem leid ist was glücks Abel hat 兩 Früntschafft wann es gat an ein not 兩 Gant vier vnd zweintzig vff ein lot. Welti, Stadtr. Bern 443, 28 (halem., 1466): Bern plaphart, die sËllent halten zem halben vii ½ lott an das korn vnd sullent hundert vnd iiii plaphart an ein geschickte marck gän. Adomatis u. a., J. Murer. Abs. 2573 (Zürich 1567): ey dast in nit schnell umbbracht hast 兩 Ich hett dir fünffzig lott silber gÁben. Maaler 274v (Zürich 1561): LËtachtig / Stücklachtig. Vnciatim. Dict. Germ.-Gall.Lat. 310, 42 (Genf 1636): Vir vnnd zwantzig (loth) machen ein Apotecker Pfundt. M¸ller, Welthandelsbr. 143, 26 (schwäb., 1506): 1 웩 von Bolongna, do by man seidn verkouft, dut zu Ulm 25 ½ lot spezrigewicht. Primisser, Suchenwirt 38, 464 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Jch [Aristottelez] wig noch hÈtt ein schwerez lott 兩 Jn kumer und in schmertzen. Niewˆhner, Teichner 176, 22 (Hs. 2moobd., 1360/ 709): daz [mit eren tod zu sein] waz pesser manig lot 兩 denn noch ainem der noch lebt 兩 und in manigen schanten swebt. Ebd. 311, 5: unsers herren parmchait 兩 wigt Èber aller sunden lot [gen. explicativus]. Winter, Nöst. Weist. 3, 343, 8 (moobd., Hs. um. 1400): auch hat die herschaft das recht das ain richter wol mag wegen die lött, wann er wil, inder ieglich lott besunder aus dem phunt. Deinhardt, Ross Artzney 44 (oobd., 1598): Ein guet bulfer, für bössen atem [...]. Nimb 2 lott lorwer vnd segl paum, aines souil als deß anndern. Zingerle, Inventare 3, 1, 27 (vorarlb., 1479): Von erst ain monstrantz, wigt an silber vi marck, funffzehen lot. Mollay, Ofener Stadtr. 105, 8 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.):

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Wer do wider thuet, [...] sol verpüest werden dem gericht mit einem gesmeidigen (lew¨t) lot silbers. − Helbig, Qu. Wirtsch. 1, 28, 27; 45, 32; 99, 12; Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 37, 15; Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 92, 23; Beyer, UB Erfurt 2, 425, 29; Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 82, 11; Wutke, a. a. O. 20, 191, 15; 21, 41, 28; 174, 6; Koller, Ref. Siegmunds 319, 36; Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 288, 34; Vock, Urk. Hochst. Augsb. 298, 3; Bastian, Runtingerb. 2, 253, 20; ders. u. a., Regensb. UB 444, 26; Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 1015, 8; Voc. inc. teut. p iijr; Schweiz. Id. 2, 422; 11, 849; Öst. Wb. 3, 1104. − Vgl. ferner s. v. 2alant, aufzal, baldrianwurz.

3. ›Bleikugel, Geschoß‹. − Bdv.: vgl. bleikloz, bleikugel. − Bdv.: Wbg.: lotbolze. Ziesemer, Gr. Ämterb. 282, 17 (preuß., 1425): 6 stempil und 3 pulversecke, item 2 ½ schok lote. Lappenberg, Fleming. Ged. 95, 52 (1636): Das Kraut ist hier der Wein, das Lot ein frisches Bier. Chron. Kˆln 3, 750, 37 (Köln 1499): wart Stoultz [...] mit drin loden zo dode erschossen ind eim, hiesch Kodereilgen, ein arm af. Buch Weinsb. 1, 46, 26 (rib., um 1560): [Peter] scheust in das backhaus mir hart langs den kop, das mich das loit an ein backen neulich rurt; [...] und bleif das loit in der want stechen. Ebd. 3, 313, 20 (1586): schossen sie frei darin, die freibuter lagten sich hinder die ballen, als were es ihr schanz gewest [...]. Die loeder pliben in den stockfischn hangen. Hertel, UB Magdeb. 3, 905, 11 (nd., um 1450): wente de blyen lode seten vaster unde scoten harder wan de steyne. Voc. Ex quo, P 724 (15. Jh.): Plumbata [...] ein lod bolcz [...] est tormentum [...] de plumbo [...] pley chugel. Bell, G. Hager Sprüch, 61, 1 (nobd., o. J.): Ein [...] wunsch. 兩 wolt got, das alles kraut vnd lot 兩 so [...] 兩 [...] 兩 jn vierczig jaren ist ver than 兩 [...] 兩 wer wider vnsren feind ge wand. Geier, Stadtr. Überl. 409, 15 (nalem., 1551−63): ainfach hacken sampt pulver, lot und o anderer zugehör. − Ziesemer, a. a. O. 637, 31.

4. wohl bung‹.

›Hypothek,

Schuldverschrei-

Grothausmann, Stadtb. Karpfen 5, 11 (mslow. inseldt., 1569): So ´soll ein Jeglicher Einwoner, welcher Lott auf ´seinem Hauß vnnd Erbe hat. ´seine gePürende Los´ung Jnnerhalb vier Zehen tagen [...] zalen.

lötachtig, s. lot 2. lotbolze, s. lot 3. lotbrot, s. lot 2. lotbüchse, die. ›Gewehr zum Verschießen von Bleikugeln‹; zu lot 3, büchse 3. − Beleghäufung für das Hpreuß. − Bdv.: vgl. bleibüchse. − Wbg.: lotbüchsenpfeil. Joachim, Marienb. Tresslerb. 588, 41 (preuß., 1409): 1 ½ m. Jauwernig dem smede vor 5 laden zu lotbochsen zu

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lotbüchsenpfeil − lötig

beslohen. Ziesemer, Gr. Ämterb. 567, 39 (preuß., 1412): 3 lotbuchsen, item 3 schog lotbuchsenpfile, item 12 tonnen polver. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 593, 30 (preuß., 1433): czum wayne vir gutte lange lodbuchsen. Ebd. 602, 11: noch deme als ir mir geschreben habet, 50 spysse awszusenden awsgelesener lewte [...] mit yren streytwaynen, lotbuchsen. Ebd. 2, 524, 32 (1442): seyn fischer darkomen, die brachten ettliche lotbuchsen mit, domet haben sie in den Preger geschossen. Chron. Kˆln 2, 56, 27 (rib., 1416): de voisgener brachten wail 40 loitbuissen, bed, kessel. − Joachim, a. a. O. 339, 36; Ziesemer, a. a. O. 433, 38; Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 19, 4; Toeppen, a. a. O. 1, 525, 40.

lotbüchsenpfeil, s. lotbüchse. lote, die; −/-π, auch -n; zu Lote ›Schoß, Zweig‹ (Dwb 6, 1204), entsprechend mnl. lote ›Sproß‹ (Verwijs/Verdam 4, 828; s. d. auch lode, 700). ›junger Trieb, Schößling‹. − Bdv.: vgl. ausschüsling, beigerte, grassprünglein, grubrebe, grubstok, grubzein, järling 2. − Wbg.: loter ›Schlagholz, Bleuel‹ (hierher?; bdv.: bleuel).

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steyn. Welti, Stadtr. Bern 448, 21 (halem., 1407): als i man inen [goltsmit] digk ze werken git gurtelspengli vnd schelli o o vnd waz man lËten muss, da sËllent si lot zusetzen. Maaler 274v (Zürich 1561): LËten / Zesamen lËten / Zesamen leymen vnd an einanderen fÈgen. [...]. Mit bley LËten. [...]. LËttmetall (das) [...] Ferrumen. LËtung / Zesamen lËtung oder leymung. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 310, 3 (Genf 1636): LËtkolb / m. damit die Goldschmide [...] lËten. Barack, Zim. Chron. 4, 265, 23 (schwäb., M. 16. Jh.): da sie [kette] gelettet were gewest, wie man sonst pfligt zu verlöten, so were er unsälig ersteckt [...] worden. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 476, 15 (oobd., 1349/50): daz silber haˆt auch die art, daz ez ander gesmeid zesamen lœtt und ainz auz zwain macht. − Loesch, a. a. O. 2, 254, 21; Ettm¸ller, Heinr. v. Meißen 355, 9; Dasypodius 71r; 374v; Pf‰lz. Wb. 4, 1036 f.

2. ›etw. stärken, kräftigen‹; ütr. zu 1. − Bdv.: vgl. kräftigen, stärken 1. Pyritz, Minneburg 535 (nobd., Hs. um 1400): Din [kint] ewikeit ist stark gelottet. 兩 Du lebest ymmer, der dich niht totet. Primisser, Suchenwirt 14, 129 (oobd., 2. H. 14. Jh.): der christen hertz di manheit lËtt, 兩 Daz man di haiden des ernËt 兩 Mit stürmes chraft.

Buch Weinsb. 2, 217, 2 (rib., 1571): A. 1556 uff s. Marx tach waren die loeden wol 1 ½ colschs ill lank. Ebd. 5, 475, 20 (um 1560): Werden nit auch die jonge loeden wilch und dorre? Aubin, Weist. Hülchrath 75, 27 (rib., 1671): ob auch grune stöck oder loden dadurch verhercht werden. Schmitt, Ordo rerum 258, 13 (oobd., 1466): Metellus [...] kloppeholt bluel [...] schlag [...] loter pleull.

loter, s. lote. lotgarn, s. lot 2. lötig, Adj. 1. ›durch Schmelzen gereinigt (wie Blei)‹.

loteigen, Adj. ›in freiem Besitz (der Markgenossen)‹; vgl. am ehesten lot 2, lötig 1.

Ziesemer, Proph. Cranc. Dan. 11, 35 (preuß., M. 14. Jh.): etliche der gelarten werden vallen, daz si gesmelzt werden, lotig [Luther 1545: lauter] werden, gewiesset werden biz an di gesatzte zit.

Grimm, Wisth. 4, 547, 44 (hess., 1355): Auch ist die margk lot eygen der mergkere gemeinliche. − Rwb 8, 1518,

löten, V. 1. ›etw. löten, durch eine Metallegierung verbinden‹; ütr.: ›jn. an etw. binden‹; auch: ›etw. festkleben‹; zu lot 1. − Wbg.: lötkolbe, lötmetal, lötung, löt兩zin.

2. ›rein, pur, unvermischt, vollwichtig im Hinblik auf rechtliche Bestimmungen‹, meist von Edelmetallen gesagt; ütr. z. B. auch auf schalkheit, lüge, schande u. ä. bezogen; vgl. lot 1. − Bdv.: vgl. 5bar 3, klar 4; 5, lauter 4; 5. − Synt.: meist attributiv. Wbg.: lötigkeit ›Feingehalt von Münzen‹ (a. 1329).

Joachim, Marienb. Tresslerb. 431, 17 (preuß., 1407): 15 scot Wenczlaw dem goltsmyde vor unsers homeisters sylbirn toÈfelchin zu loten und heligen doryn zu loten. Helm, H. v. Hesler. Apok. 4740 (nrddt., 14. Jh.): Glicher wiz als imme taste 兩 Das golt und silber notet, 兩 Daz man uf sporn da lotet. Ebd. 18100: Swen her [Got] den tot getotet, 兩 Mit dem wir sin gelotet 兩 Zu der vulde der erden. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 98, 5 (rib., 1486): dat gein leiendecker [...] einiche decknagele of andere nagele, bli oder loetzin, [...] verkoufen seulde. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 56, 1 (Frankf. 1535): So mann nimpt ein kËrnlin von seinem [Adomas] stücklin / vnd das gelüwet [›geklebt‹] würt an die spitzen des eisens mit rËmer leim / [...] / so bricht er den

Ziesemer, Gr. Ämterb. 29, 24 (preuß., 1431): 1 silberin toffel, die der glackmeister bruder Wilhelm Fredinger geczewget hat von 7 mark lotiges. Rˆhrich u. a., Cod. Dipl. Warm. 4, 424, 19 (omd., 1431): dis silbirwerg wegit mittenander VII ½ luttige mark und II scot. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 75, 4 (rib., 1. H. 14. Jh.): so hain vir verdragen, dat ingein broder silver birnin in sal, id in si lodich inde halde unse kore. v. Tscharner, Md. Marco Polo 46, 24 (osächs., 2. H. 14. Jh.): xx kunigliche gemach [...] alle gemolt wol von loytigim edilm golde. Ermisch, Freib. Stadtr. 74, 8 (osächs., 1535): der munzmeister mac sprechen. „Ich wil des silbirs nicht; lazet iz burnen unde brengit iz denne her wider in“. Sachs 23, 25, 22 (Nürnb. 1553): Der presset

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lötigkeit − lotter

heraus dieser zeit 兩 Nichs den lawter löttig schalckheit. Fuchs, Murner. Geuchmat 58, 46 (Basel 1519): wer das hËrt oder sehe / der sol das niemans sagen by zwentzigk marck i lüg / lËtigs golds. Maaler 274v (Zürich 1561): Lotig Nichts dan lüg / Gantz eytel lüg. Niewˆhner, Teichner 519, 17 (Hs. 2oschwäb., 13689): daz stiezz der schmid ain halb in die glÈt 兩 und behielt daz lËtig eysen. Kummer, Erlauer Sp. 5, 251 (m/soobd., 1400/40): das sag ich euch ze diser stund, 兩 als lËtig das silber und gold sei. − K¸ther, UB Frauensee 151, 16; Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 189, 18; Chron. N¸rnb. 1, 198, 16; Merk, Stadtr. Neuenb. 91, 12; Rennefahrt, Stadtr. Bern 213, 23; Rwb 8, 1475; Schweiz. Id. 3, 1502.

2. ›reich, vermögend, über Bares verfügend‹; Ütr. zu 1. Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 1325, 15 (moobd., 1396): das fürbasser iht mer in dem rat bei einander sitzen sweher, aidem, gebrüder, vettern oder lötig kaufleut oder lötig reich oder lötig erbpurger oder lötig hantwercher.

lötigkeit, s. lötig 2. lötkolbe, s. löten 1. lotmacher, der. ›Hersteller von Senk- und Richtbleien‹. − Bdv.: senkeler. − B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 79 (a. 1495). lötmetal, s. löten 1. lötsch, der ; Schreibform von läutsch; s. auch Dwb 6, 1208. ›Grobian, Rüpel, ungehobelter Kerl‹. − Bdv.: vgl. grobian 1, gröbling 1, knebel 4, knopf 7, knorz. − Wbg.: lötschet. Sachs 9, 357, 4 (Nürnb. 1558): Grob, ungeschickt, tölpet und tötschet, 兩 Schlüchtisch on zucht, peurisch und lötschet (auf eine rott von kindern bezogen). Ders. 17, 109, 21 (1553): Ich dörfft dir bald dein maul zerschlagen, 兩 Du unverschämpter grober lötsch. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 508, 19 (halem., 1508/16): und zogend die o selben toten nakend us und tribend gar grossen mutwillen. u Etlich retend och, si fËrchtind den lËtschen von Bern gnot nüt, wen er schon kem. − Sachs 9, 55, 30.

lotsche, die; aus dem Rom.; als Vorlage stehen in Frage: franz. loge, ital. loggia; vgl. Schulz/Basler 4, 38; Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1943, 360; Verwijs/Verdam 4, 756 s. v. loodse. 1. ›Tribüne, Verkaufslager (für Wein)‹. − Wbg.: lotschengeld ›Gebühr für einen Marktstand, für die Warenlagerung‹ (a. 1524; 1549).

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Schneider, Pont. u. Sid. 191, 30 (rhfrk./mosfrk., 2. H. 15. Jh.): Herr Pontus gesach sin frauwe [...] vff den lottschen ligen. Ebd. 194, 2: Er ging zu den lotschenn, da die frauwen vnd jungfrauwen vff waren mit einer michell zall. Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte 1, 131, 11 (moobd., 1524): Die Lötschen der wein so in Sämen, vnd Lagln heergefuert, vnd verkhaufft werden soll, hinfuran wie bißheer beleiben. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 226; Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1943, 360; Rwb 8, 1476.

2., s. losieren 2. lotschengeld, s. lotsche 1. lötschet, s. lötsch. lotstein, s. lot 2. lotte, s. lotter (der). 2 lotte, die; Etymologie? ›Mostfaß, mit dem die Traubenmaische auf dem Wagen vom Wingert nach Hause befördert wird‹. − Pf‰lz. Wb. 4, 1038 (a. 1537). lotter, der ; -s/-π, auch -e und -en. ›erwachsene, in aller Regel männliche Person, die man sozial am unteren Ende der gesellschaftlichen Schichtung einordnet, der man ein Leben als Taugenichts, Gaukler, Fahrender sowie jede Art des Verbrechens vom Betrug bis zum Diebstahl und Mord, auch das Verbrechen der Ketzerei zuschreibt und der man demzufolge mit einer entsprechenden Haltung gegenübertritt bzw. die man entsprechend behandelt‹. − Keine omd. Belege; vielfach Texte der Sinnwelt ,Didaxe / Religion‘. − Phras.: alles lotters (in Flüchen). − Bdv. (bzw. zum Orientierungsfeld gehörig): s. u. Schˆpper, ferner: betrieger 1; 2, bankhard, dieb, gaufer, gaukler, gleisner 2, keibe 2, ketzer, landläufer, lecker, letzer, lügner, meintäter, mörder, nar, pregeler ›Bettler‹, rasler, schmeichler, schwätzer, schwegeler, speivogel, spieler, spielman (mehrfach), steler, verfürer, verräter. − Synt.: den l. rädern, blutübel schlagen, in der segi ›Netz‹ haben, mit doppeltem Akk.: jn. einen l. heissen, ein weib einen l. handeln ›als lotter behandeln‹; der l. (Subj.) betören / betriegen, scheltrede tun, mäusmist für arznei trinken, verdienen [geschlagen zu werden]; eine geselschaft die lotter genant sein; des 1

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lotter − lotterbet

lotters abkommen; den lottern nicht geben; von einem l. geboren sein, jn. von den lottern erlösen; der öffentliche / unreine l.; die busse des lotters. Wbg.: lotte, lotterarzet ›Quaksalber, Kurpfuscher‹, lotterfure ›Lotterleben‹ (Gw zu mhd. vuore ›Lebensweise‹; Lexer 3, 573), lotterin, lotterpfaffe ›herumziehender Geistlicher‹, auch auf unzuverlässige Handwerker ütr. (Rwb 8, 1479), lotterwerk. Schˆpper 62b (Dortm. 1550): Verbero. Lotter ffreyhart / vel freyher holhipper ¶ lotterbub landstreicher ¶ schariant bub schelm bËßwicht. Chron. Kˆln 1, 254, 416 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): eine geselschaf is mir bekant, 兩 die sint lodere genant, 兩 die woren mit den eirsten dabi, 兩 hie ave wil ich loven [perspektivisch gemeint] si. Fastnachtsp. 380, 18 (nürnb., v. 1494): Dar zwischen wirt manch frau und mait 兩 Betast, gekusst und ir furpoten. 兩 Do wirt dann mancher zu eim Lotten, 兩 Der dann die eigen tochter sein 兩 Beschlief. Mayer, Folz. Meisterl. 1, 111 (nobd., v. 1496): Und was nymant der dich [Jhesus] erlost 兩 Von den lötern unreyne. Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb. o. O., um 1470): Scurra lotterin. Sachs 11, 207, 34 (Nürnb. 1550): Johannis, den man nendt den tauffer, 兩 Ein verfürer, lotter und gauffer 兩 Deß gantzen lands Galilea. Rieder, St. Georg. Pred. 3, 10 (Hs. 2önalem., 13879): so du lugest daz du dester bas gevallest, als der lotter und der spilman, der umb gabe lobet. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 205, 5 (Straßb. 1466): Der basthart daz ist der do ist geborn von eim lotter o [Var. 14751 : einer hurn; 14752−1518: kebsweib] der gee nit in die kirchen. Ebd. 9, 12, 9 Var.: Du do sest an den wegen zebaiten ir als der diep [Var. 15. Jh.: loter] in der ainËd. Sudhoff, Paracelsus 7, 98, 23 (1529): der ist wie seine geschriften ausweisent ein löderlis (s. dazu: lörles-) arzet gewesen. Bremer, Voc. opt. 34015 (alem., 15. Jh.): Lotricus lotter [...] est homo vanus et inuerecundus, qui insistit factis scurrilibus, vt inde habeat nutrimentum. Barack, Teufels Netz 13349 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Main swerer und main tæter, 兩 Lotter, glisner und verræter, 兩 Klaffer, lüssmer und speher, 兩 Landzwinger und heller 兩 Sind als bœsz als die steler. Ders., Zim. Chron. 2, 301, 7; Kurz, Murner. Luth. Narr 3463 (Straßb. 1522): Lother, Lother, bistu fro, 兩 Das du mich findest hie also [hier Anspielung auf M. Luther]. B‰chtold, N. Manuel. Elsli, 261, 106 (Basel 1530): Schelm, schelm, keib, keib, böswicht, ketzer, 兩 Mörder, lotter, lügner, schwetzer! 兩 Ei, dass dich alle plag und straf angang. Wyss, Luz. Ostersp. 6485 (Luzern 1545): Amalech zuo saluator 兩 Wenn hat din lotterwerch ein ennd? Adomatis u. a., J. Murer. Nab., 1265 (Mühlh. 1556): Darnach so richt dich ob du witt 兩 Daß dich skalt wee als lotters schütt. Maaler 275v (Zürich 1561): Lotter / Speyuogel / Der vil glÁchters anricht / damit vnd er mulefe mËg machen. Scurra, Furcifer, Verbero. Lauater. GespÁnste 38r, 14 (Zürich 1578): Es sind vil natürliche ding / die allein zuo nacht schynend oder glantzend / als etliche edelgestein / [...] / die schynwürm / das schynholtz / damit ouch bËse lotteren

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zun zyten die andern brËgend / dz sy nit anderst meinend dann sy habind vngehür gesÁhen. Ukena, Zuger Trag. 2364 (halem., 1598): So kumm ich dises Lotters ab. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 217, 27 ([Augsb.] 1548): Schmaichler / Lotter / Pregeler 兩 Seind des Teüfels schwegeler. Chron. Augsb. 2, 77 Var. 8 (schwäb., Hs. 16. Jh.): ain pfaff [...], der hieß pfaff Wölflin (Zusatz: das was sicher ain lotterpfaff). Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 153, 3 (oobd., 1349/50): der mäus mist waicht in dem leib gar seˆr, dar umb trinkent in die loter mit wein oder mit wazzer für erznei. Winter, Nöst. Weist. 4, 382, 16 (moobd., 16./17. Jh.): wer ein freiß weib, ein lotter oder ein andere unerberg übel handlet, der ist umb drei helbling. Kummer, Erlauer Sp. 4, 277 (m/soobd., 1400/40): wann mein vater wand, ich wÁr o ze schuel, 兩 so was ich an der loterfur. − Palmer, Tondolus 18; Gille u. a., M. Beheim 193, 2; 234, 143; Fastnachtsp. 992, 32; Sachs 5, 256, 2; Barack, a. a. O. 8479; 11584; 12676; Rennefahrt, Wirtsch. Bern 374, 9; M¸ller, Stadtr. Ravensb. 64, 16; Barack, Zim. Chron. 2, 301, 7; Winter, a. a. O. 3, 640, 11; Schmitt, Ordo rerum 267, 17; 19; Voc. inc. teut. p iijr; Rwb 8, 1478. − Vgl. ferner s. v. 1band 15.

lotter, Adj. ›locker, nicht gespannt (von Tuch, Seilen o. ä.); bröckelnd (von einem Stein)‹. − Phras.: e. S. ein lotter兩spetlein anhenken ›e. S. etw. anhängen, schlecht von etw. reden‹ (-spetlin zu spettel ›Fetzen, Lappen‹ gehörig; lotter- zu lotter, der, stellbar ; Dwb 10, 1, 2194). − Bdv.: vgl. laud, luk 1. Spanier, Murner. Narrenb. 77, 44 (Straßb. 1512): Ein lotter spetlin henckent [sy] an 兩 Allem, das sy [begynen] gsehen han. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 310, 7 (Genf 1636): Lotter / lodelicht / lÈch. Ebd. 9: Die Sehne am Armbrust ist gar lotter. Ebd. 13: Das Seyl ist (lotter) man muß es stÁrcker spannen. Barack, Zim. Chron. 3, 49, 24 (schwäb., M. 16. Jh.): wann derselbig stein, der doch sonst mit einem kalch oder katt wurt vergossen, anfahe lotter werden und wacken, so seie es unfellig, es sterbe etwar von der herrschaft.

lotterarzet, s. lotter (der). lotter兩bet, das. ›gemütliches Ruhebett‹. − Gehäuft 2obd.; berichtende Texte9. − Phras.: die ritterschaft auf dem lotterbet suchen. − Bdv.: faulbet, gutsche 1, spanbet. − Synt.: auf dem l. liegen / schlafen / schnaufen, sich auf ein l. legen, jn. (die meid) auf dem l. verhören (sarkastisch), jn. (das eheweib) in einem l. ergreifen. Wbg.: lotterbetlade. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 47, 16 (wmd. 1521): die knaben in der stuben, die meitlein in der kamern uf dem lotterbet zu verhören, ir beuch zu schwellen. Engel, Rats-Chron.

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lotterbetlade − lotterholz

Würzb. 228, 4 (nobd., Hs. M. 17. Jh.): hat Hans Eßlinger [...] seyn eheweib bey Niclaus Stapfen in seinem haus in einem loderbett ergriffen. Maaler 275v (Zürich 1561): Lotterbett (das) Gutschen / oder gulter bett darauff man tags schlaafft. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 202, 26 (schwäb., 1559): wer er auff dem lotterbett gelegen, wer es [ein Turnierunfall] im nitt geschechen. Barack, Zim. Chron. 1, 504, 25 (schwäb., M. 16. Jh.): das herr Johanns Wernher sich nach dem morgenessen zu ruhen gethon und uf ain lotterbett sich nidergelegt und schlafen wellen. − Chron. N¸rnb. 3, 173, 2; Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 110, 30; Barack, a. a. O. 4, 9, 16; Bremer, Voc. opt. 7005; Henisch 341; Pf‰lz. Wb. 4, 1040.

lotterbetlade, s. lotterbet. lotterbube, Bw auch lotters-; der ; −/-n, auch -ns. ›Nichtsnutz, fauler Mensch, der sich für verschiedene unlautere Zwecke mißbrauchen läßt; Gaukler‹; verdeutlichend zu lotter. − Bdv.: betrieger 1; 2, färber, gaukler, holhipler, landläufer, landstreicher, landschelm, possenmacher, pot-, tüpfenträger, speivogel, (stok)nar. − Wbg.: lotterbübisch. Luther, WA 22, 422, 2 (1544): wo sie sonst hundertmal so viel unverschampten, losen Lotterbuben, Geucklern geben. Ebd. 28, 398, 14 (1529): Gleich wie die Lotterbuben und Geuckeler die Leute blenden. Ebd. 53, 292, 31 (1542): als wolt er ein Lied singen oder LotterbÈbisch spielen. Oorschot, Spee/Seifert. Proc. 483, 14 (Bremen 1647): Daß aber den Inquisitoren an andern indicien nichts mangle: so haben sie jhre eigene bestelte Leut darzu / gemeiniglich rechte Landtschelmen vnd Lotterbuben [...] die mÈssen auff der Gaiæ gantzes Leben biß zurÈck hinauff in dero kindliches Alter inquiriren. Palmer, Tondolus 17 (Speyer um 1483): Arm lut mocht er weder sehen noch horen. aber geuckler vnd lotterbuben teilt er rilich mit. Alberus ii ivv (Frankf. 1540): loderbub / spitzbub. Sachs 21, 48, 7 (Nürnb. 1524): die vor in clöstern haben gelebt wie die lebendigen hayligen, die leben nun heraussen wie die lotterbuben. Maaler 275v (Zürich 1561): LottersbÈb / Nut sËllender mensch. o hËren. Nebulo, Planus. Etwas von einem grossen Lottersbuben Dict. Germ.-Gall.-Lat. 310, 21 (Genf 1636): LoterbÈbisch / das einem lotterbuben gehËret / [...] vn plaisanteur, vilain, Scurrilis. Ebd. 24: LotterbÈbisch / Vilainement, Scurriliter. Barack, Zim. Chron. 2, 576, 32 (schwäb., M. 16. Jh.): ain ferber, der begert sich aber mit müssiggehn zu erneren, darum übt er sich in reimen und sprechen, wie dann solche lotterbuben vor jaren in sondren deliciis bei unsern vordern sein gewest. − Luther, WA 8, 290, 33; 30, 2, 493, 36; Kurz, Waldis. Esopus 2, 75, 1; 4, 98, 26; Wyss, Luz. Ostersp. 9602; Schweiz. Id. 4, 935.

lotterbübisch, s. lotter.

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lotterei, die; -π/−. ›Gaukelei, Gaunerei, Betrügerei‹; zu lotter (der). − Bdv.: vgl. abenteuer 8; 9, gampelspiel, gaukelheit, jauferei, 2lapwerk, stockerei. Barack, Teufels Netz 6371 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Si [lottri] kunnen sich machen krumppffen und gel 兩 Und susz vil ander lekri: 兩 Das alles ist ain recht lottri. Ebd. 10759: Mit lottri tuond si [Maurer, Zimmerleute] sich erneren: 兩 Si tügind denn bicht und buos bestan. Kummer, Erlauer Sp. 4, 291 (m/soobd., 1400/40): chain schueler ich nicht wißen will, 兩 wan si chÈnnen aller lotrei vil. − Barack, a. a. O. 2382 Anm.; Voc. Ex quo, S 344.

lotterfalle, die. ›Falloch im Fußboden‹. Mayer, Folz. Meisterl. 23, 40 (nobd., v. 1496): Vom sun wart für genomen 兩 Dem vater sein zu frumen 兩 Ein lotterfalln zu seim gemach. Ebd. 57: Mit dem do kam er [vatter] auff das spor 兩 Das er vol auf die lotterfalle 兩 Fiel in ein kufen.

lotterfure, s. lotter (der). lotterheit, die; -π/−. ›Leichtfertigkeit, lockeres Leben‹; zu lotter (der). − Bdv.: vgl. leichtfertigkeit 2, leichtigkeit 3, 1lose 1. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 119, 8 (oobd., 1349/50): in die pœsen seˆl, diu zuo loterhait ist genaigt, kümt diu weishait niht. Niewˆhner, Teichner 190, 57 (Hs. 2moobd., 1360/709): da von sind dw vrawn ring 兩 dw da treibent loterhait. Wackernell, H. v. Montfort 5, 311 (Hs. 2soobd., A. 15. Jh.9): jamer tuot sich nüwen, 兩 so man empfint der lotterheit.

lotterholz, das. ein von lottern mitgeführtes und zu Gaukeleien verwendetes Holz; als Metonymie: ›mit dem lotterholz Umherziehender, Gaukler‹. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 763, 15 (preuß., 1524): es haben sie [die Teutschen herren] nicht leut betrogen, die mit dem lotterholz hergant. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 2, 109 (Köln um 1490): Ganck umb in dat eyrste huys 兩 Und sprich: „Ungeluck, wair heruyss.“ 兩 Ind schudde dyn lodderholt 兩 Ind sprich: [...]. Sachs 17, 237, 9 (Nürnb. 1562): Da kam ein sprecher, der wolt sprechen 兩 Den gsellen ein spruch allensand, 兩 Der trug ein lotterholtz in der hand, 兩 Ein loser kund, in bösem kleid. Sudhoff, Paracelsus 14, 637, 25 (1589): das es den hypocriten, geltpfaffen, lotterhölzern, hurenhengsten [...] sol offenbaret werden. Bobertag, Eulensp. 106, 12 (Straßb. 1515): ein pfeffentreier, vnd der wz ein lantfarer gewesen, vnd was mit dem lotterholtz vmbgeloffen da saß er zum bier. Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 8, 123, 11 (Straßb. 1522): das sein alles wËrter

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lotterin − lucerne

o die ein lotherbuben anzeigen vnd keinen doctor / vnd wan du [Luther] dergleichen wort mer treyben wilt / so stot dir ein lotherholtz baß in den henden / dan ein feder. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 79, 32 (whalem., 1484): Es lÈffen o ouch 24 friheitbuben mit iren lotterhËlzlin vor inen und schruwen alle mit einandern durch die stat: [...]. − v. Keller, Ayrer. Dramen 2962, 25; Sudhoff, a. a. O. 6, 45, 18; Reithmeier, B. v. Chiemsee 37, 3; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 226; Schweiz. Id. 2, 1254.

lotterin, s. lotter (der). lotterisch, s. lotterlich. lotterlich, lotterisch, Adv. ›liederlich, ungehörig, wie ein lotter‹. − Bdv.: leichtfärtiglich; vgl. ausschweif, gäuchisch, heillos 3, liederlich 1. Ggs.: vgl. züchtiglich. Maaler 275v (Zürich 1561): Lotterisch / Leychtfertigklich / mit schampere˜ schimpffworten. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 61, 33 (schwäb., 1471): Erzaig dich vor In züchticlich, 兩 In rechter scham, nit lotterlich. Niewˆhner, Teichner 629, 81 (Hs. 2moobd., 14699): der vergicht, in gehör das an 兩 das er hinden blosß sull stan 兩 und sich zaigen loterlich.

lotterpfaffe, s. lotter (der). lotter兩spetlein, s. lotter (Adj.), Phras. lotterwerk, s. lotter (der). lötung, löt兩zin, s. löten 1. löwe, s. lewe. löwener, Adj.; zu Löwen / Leuven (Belgien). ›aus der Stadt Löwen stammend, nach Löwener Art‹. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 134, 31 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): ain Pernisch tuch fur 12 gulden und ain Loffrer vier 6 ß angeschlagen.

lu, Genus und Etymologie unklar. ›Not, Angst‹. − Bdv.: vgl. angst 1, bange 3, graue 1, pein 1; 5. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 3460 (preuß., 1331): in jamer und in dru, 兩 Bi wilen in todes lu. Ebd. 4675: daz an allen wank 兩 Crist uf von des todes lu 兩 Ist gegangen recht als nu 兩 Und erstanden czu dem lebn.

lübisch, Adj. ›lübisch, im Lübecker Wirtschaftsraum gültig‹. − Zur Sache: Rwb 8, 1487 f. Ziesemer, Gr. Ämterb. 534, 7 (preuß., 1376): 2205 floren ungerisch, bemisch, lubisch und Rupertin. Joachim,

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Marienb. Tresslerb. 321, 4 (preuß., 1404): 32 m. Wolfflam [...] vor die 64 m. lubisch. Mosler, UB Abtei Altenb. 2, 199, 4 (rib., 1461): Das gut zum Busch gilt 11 lupschen. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 664, 33.

lubetschenweise, Adv.; zu einem vermuteten lubetsche (der) ›Narr‹ rom. Herkunft (so Schweiz. Id. 3, 997). ›nach Bettler-, Betrügerart‹. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 227; Schweiz. Id. (s. o.; a. 1350; 1444). lucerne, die. 1. ›(in der Regel:) kleinere, tragbare Lampe, Laterne‹; sehr vereinzelt: ›größere, weitscheinende Leuchte‹. − Phras.: die rechte lucerne anzünden ›das einzig Richtige tun‹. − Bdv.: fackel, laterne, leuchte 1, leuchter, liecht 1, liechtfas. − Synt.: eine l. machen / enzünden / brinnen ›anzünden‹, mit sich tragen, her bringen, [wohin] setzen, aus der hand nemen; das wort eine l. sein, jn. wie eine l. erleuchten; die l. (Subj.) brennen / scheinen, den weg beleuchten; das herz eine l. sein; etw. in eine l. legen, das liecht in der l. burnen / leuchten, jn. mit einer l. [›bei Laternenlicht‹] aufheben, die sonne mit einer l. beleuchten (als Beispiel für Widersinniges); die l. in der hand; die burnende / leuchtende / liechte / bleiche / klare / l.; die l. des leibes, der laterne; der drek in der l. Schˆpper 81b (Dortm. 1550): Lucerna. Liechtstart leuchter lucern latern leuchte. Mieder, Lehmann. Flor. 475, 3 (Lübeck 1639): Ein Lycern beleucht andern den Weg / aber sich selbst nicht. Helm, H. v. Hesler. Apok. 21592 (nrddt., 14. Jh.): Glich als ein bleich lucerne 兩 Durch schinic, iedoch garwe, 兩 Schinet her an der varwe. Luther, WA 10, 1, 1, 579, 4 (1522): da meynen sie [Anhänger von Menschenlehre], sie haben die recht lucern antzundett. Reissenberger, Väterb. 26874 (md., Hs. 14. Jh.): Do des der gute wart gewar 兩 Wie sine lucerna brante clar, 兩 Al sine truren im zusleif. J. W. von Cube. Hortus 83, 49 (Mainz 1485): Plinius Centaurea gemischet mit wydhoppen bluto vnd eyn wenig honig vnd das des nachtes geleyt in eyn lucern do eyn liecht inn brent. Spanier, Murner. Schelmenz. 22, 22 (Frankf. 1512): So er [tittel] doch lüchtet hür alß fern 兩 Wie eyn dreck in der lutzern. Schaer, Pyr.-Thisbe-Sp. II, 199, 677 (Basel 1616): Rosina, bring ein Liecht herfÈr 兩 Vnd ein Lucern hieher zu mir / 兩 So will ichs fÈr jens Fenster hencken. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 80, 3 (Frankf./M. 1568): Der Laternmacher. Jch mach die groß kÈnstlich Latern / 兩 Jn Kirchen leuchtend klar Lucern. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 70, 15 (thür., 1421): Es machte ouch

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luchen − luchs

Socrates eynen torm an dem meere unde doruffe eyne lucerne, do sich die merlewte noch richten. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 12, 35 (osächs., 1343): uˆwir lenden sullin sıˆn o o und burnende lucernen [Mentel 1466: liechtuaß; geschurczit, Luther 1545: Liechter] in uˆweren henden. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 208, 17 (osächs., 1523/4): [er] habe den [vetter] pei nacht mit den nachtpauern mit lichten und lucern aufgehoben. Mayer, Folz. Meisterl. 12, 16 (nobd., v. 1496): e icht wart begriffen 兩 Von ho, preyt, leng noch tiffen 兩 [...] 兩 Pranstu lucern und fackel 兩 Klar vor dem kung Emanuel. Chron. Strassb. 249, 8 (els., A 15. Jh.): der eine luzerne mit eime liehte setzet uf das selbe mer: die wile denne das lieht bürnet in der lucernen, so swebet sü enbor. P‰pke, Marienl. Wernher 8626 (halem., v. 1382): Lucernen, vaklen gabent schin. Vetter, Schw. zu Töß 58, 2 (Hs. 15. Jh.): sach ich Got wunneklich lu´chten, als ain schËnes lieht lu´chtet usser ainer schËne lu´chtenden lucernen. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 25, 31 (oobd., 1349/50): Plinius spricht, daz daz herz sei ain lucern des leibes. − Ziesemer, Proph. Cranc Jer. 25, 10; Zach. 4, 2; Helm, a. a. O. 22776; Luther, WA 10, 1, 1, 592, 12; Bechstein, a. a. O. Mt. 5, 15; Palm, Veter Buoch 47, 7; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 90, 20; 241, 30; Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 304, 9; Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 7, 43, 23; Roth, E. v. Wildenberg 44, 6; Gereke, Seifrits Alex. 7217; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 231.

2. ›als Lichtgestalt, Lichtbringer gedachte göttliche oder gottnahe Person (oft Maria); als Licht gedachte Offenbarungsgegebenheit (z. B. gottes wort, menschheit, gemenschete weisheit)‹; vereinzelt mit Bezug auf herausragende säkulare Personen (z. B. keiser, weib) oder abstrakte Bezugsgrößen (z. B. tugend). − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. Mieder, Lehmann. Flor. 377, 6 (Lübeck 1639): Ein Haushaltung ohne Weib / ist ein Lucern ohne Liecht. Fischer, Brun v. Schoneb. 12483 (md., Hs. um 1400): si [Maria] ist des meres ein lichte sterne 兩 und der vinsternisse eine lucerne. Bobertag, Faust 240, 8 (Frankf. 1587): Keyser Alexander Magnus, ein Lucern vnd Zierd aller Keyser. Feudel, Evangelistar 27, 23 (omd., M. 14. Jh.): her [Johannes] waz eyn luchtende lucerna. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 6, 22 (osächs., 1343): ein lucerne [Memtel 1466: liechtuaz; Luther 1545: liecht] dıˆnes lıˆbes ist dıˆn ouge. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 34, 47 (Hs. 2omd., 14659): Ewige lucerne, ewiges immerlicht; rechte farender marner, des kocke nimmer undergeet. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 16, 79 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): Das ist die stat, die der almechtig got selbs erleucht, und daz lamp ist ir lucernn. Mayer, Folz. Meisterl. 30, 53 (nobd., v. 1496): Du [trosterin] aug der armen, krancken, plinten sunder schar 兩 Und aller trone clar lucern. Sachs 16, 478, 5 (Nürnb. 1563): das reyn gottes-wort, 兩 Welches ist ein liechte lucern. Ders. 21, 108, 24 (um 1525): got mein, das worte dein 兩

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Soll meiner füsse lucern sein. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 678, 11 (Nürnb. 1631): Die Kirch ist ein brennend Lucern, 兩 Welch in der Welt leucht weit vnd ferrn. Rieder, St. Georg. Pred. 316, 20 (Hs. 2önalem., 13879): der gaischlichen lu´t leben sol rehte alz ain lucerne und ain lieht sin. Ebd. 239, 1: sin [herre] mentschait ist u´ns ain schËnu´ lucerne. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel, 149 (schwäb., 1453): Du [Maria] wol geziertu monsterancz, 兩 Der gotheit spiegel und luczern. Schmidt, Rud. v. Biberach 150, 10 (whalem., 1345/60): gieng vs dv´ gemenschotv´ wisheit des vatters vnd wart ein lieht in einer irdin luzernen. Spechtler, Mönch v. Salzb. 6, 3 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Ich gruess dich [Maria] gerne, 兩 meres sterne, 兩 lucerne 兩 aller kristenhaite. Ebd. 49, 20: das in vesperzeit ein lucerne 兩 entsprungen ist, ein newes liecht. − Sachs 1, 134, 12; 18, 39, 10; Lindqvist, K. v. Helmsd. 90; 3202; T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 74.

luchen, Schreibform des lautgeschichtlich regelgerechten lauchen (s. d.), V., unr., abl. ›jn. [wo] aufnehmen‹. Niewˆhner, Teichner 311, 115 (Hs. 2moobd., 1360/ 709): nutz sew doch gesigt zu lest 兩 und inn himel ward gelochen. Ebd. 361, 10: waz dw maister habent geprochen 兩 dw hintz himel sind gelochen.

lüchen, V.; etymologische Zuordnung unklar. ›etw. spülen, im Wasser hin- und herbewegend reinigen‹. − Bdv.: vgl. ausschwellen, ausschwenken 1, ausspülen. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 341, 22 (schwäb., 1491): so soll man also die saltzung [...] zuo dem wasser tragen, zu˘m ersten das saltz abschlachen, darnach vlisklich mit sÈssem wasser lu´chen. Ebd. 343, 1: so thuo sy [rÈben] all heruss und lu´cht die in ir brÈ. Ist aber nit vil brÈ da, so thuo hertt saltzwasser hin zuo und luch sy also.

luchs, der ; −/-e (+ Uml.). ›Luchs‹; ütr. als Schimpfwort für einen listigen Menschen gebraucht. − Wbg.: luchsäugig, luchsen a) ›aus Luchsfell‹; b) ›wie ein Luchs‹, luchsenauge, luchs(en)klaue, luchsenpelz, luchshaut, luchsstein ein gelbfarbiger Belemnit, von dem man glaubte, daß er aus dem Harn des Luchses entstehe (so Dwb 6, 1224). Ziesemer, Gr. Ämterb. 715, 15, 2 (preuß., 1447): 1 roten rock mit buntwerg, 1 lochsenpelez, item 1 kanynenpeltez. Peil, Rollenhagen. Froschm. 247, 6253 (Magdeb. 1608): Konten wir nicht gnugsam anschawen / 兩 Sein hend vnd fÈsse mit Luchsklawen. Ebd. 501, 7: Kein LËw / Beer / Wolff / Luchs / Fuchs je was / 兩 Der Lewn / Beern /

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luchsäugig − lücke

WËlff / LÈchs FÈchse fraß. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 154, 5 (Frankf. 1535): Der Luchs [...] wo hin der harnet / wirt als bald der stein da. Fastnachtsp. 254, 25 (nürnb., v. 1486): Du plintenfurer, erensteler, posheitstengel, 兩 Du scheuhentag und du galgenschwengel, 兩 Du luchs, du fuchs, du paurenfeint, lernstadel. Sachs 20, 511, 19 (Nürnb. 1563): aber du 兩 Hast scharpff durchsichtig luchsenaugen. Bremer, Voc. opt. 45123 (halem., 1328 f.): linx luhs [...] est animal tam acutum habens visum, quod eciam omnibus animalibus preualet videndo. P‰pke, Marienl. Wernher 3683 (halem., v. 1382): Leparten, wolve, luchse 兩 Hasen, tachs, fu´chse, 兩 StainbËk, recher, wildegais 兩 Und vil der namen ich nu´t wais. Maaler 275v (Zürich 1561): Luchs (der) Ein thier also genan˜t. Lynx, Ceruarius lupus, Thoos. Mit Luchsen augen anschauwen scharpffsichtigklich ansÁhen. Lynceis oculis contemplari. Ebd.: Lüchsin / Das einem luchs gleych sicht. Lynceus. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 310, 40 (Genf 1636): LuchßÁugig / der so scharpff siehet wie ein Luchß. Ebd. 311, 1: Luchßklaw [...] Linceæ vngues. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 450, 33 (oobd., 1349/ 50): VON DEM LUHSSTAIN: Lingurius haizet luhsstain und ist der zwelf stain ainer. Klein, Oswald 83, 9 (oobd., v. 1409): So wart ich ir recht als ain fuxs 兩 [...] 兩 gugg auss der stauden, smeug dich, luxs! Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, 2351, 7 (moobd., 1429): funf fuchswemblein, sibenzehen fuchsruken, zwo luchsein, zwo kelmedrein. Niewˆhner, Teichner 640, 58 (Hs. 2moobd., 14699): wer sich pewart, der haist ein fuhs. 兩 wer listig ist, der heist ein lugs. Deinhardt, Ross Artzney 108 (oobd., 1598): Für die feüffl Item nimb ain luxn khlau vnnd reibs damit. Starzer, Qu. Wien 1, 5, 5814, 539 (moobd., 1624): von ainer luchshaut I 6. Wopfner, Bauernkr. Tirol 121, 36 (tir., 1525): dieweil der von Go˘rtz gelebt, hat ia˘ger und iaghu˘nd gehalten von wegn der schedlichen thier als wo˘lf, pern, lu˘x und fu˘chs. Ebd. 156, 10: so hat das gepirg au˘f Gu˘fidau˘n vil pern, wo˘lf, lu˘x, fu˘x, ta˘x und anndere schedliche thier. − Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 497, 4; Stoltzius, Chym. Lustg. 31, 11; Gille u. a., M. Beheim 354, 51; Mayer, Folz. Meisterl. 102, 23; Pfeiffer, a. a. O. 146, 26; Gereke, Seifrits Alex. 5600; Voc. inc. teut. p iijr.

luchsäugig, luchsen, luchsenauge, luchs(en)klaue, luchsenpelz, luchshaut, luchsstein, s. luchs. lucie, s. lucientag. lucientag, der. ›Festtag der heiligen Lucia (13. Dezember)‹. − Wbg.: lucie. Aubin, Weist. Hülchrath 247, 36 (rib., 1500): wie das hoilzgedinge im jair dusent und vunfhundert, uf donnerstach nach Lucie gehalten und gewesen was. Memminger Chron. Chr. 48, 27 (Ulm 1660): An Luciæ-Tag kam der Keyser widerumb mit 300. Pferdten hieher. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 109, 16 (smähr. inseldt., 1414): Hye ist zu

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merkchen all die holczer, die mein herrn von Liechtenstain habent vnd sind vermerkcht an s. Luceintag in dem 84 jar. − Öst. Wb. 4, 290.

lucifer, Name. 1. Name des gefallenen Engels Lucifer ›Lichtbringer‹. − Oft didaktische Texte. − Bdv.: beelzebub, satan, teufel, liechttrage(r). − Wbg.: luciferisch ›nach Gottgleichheit strebend‹ (dazu bdv.: hochfertig, satanisch). Luther, WA 6, 436, 13 (1520): wie reymet sich doch solch Lucifersche hoffart mit Christo? Ebd. 11, 267, 3 (1523): Es gepurtt Lucifer nicht, neben Gott zu sitzen. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 20, 21 (omd., 1487): wy¨ der fall lucifern mitt seiner geselschaft, nicht anders magk erfullet werden [...] den durch dy¨ßen orden. Gille u. a., M. Beheim 30, 12 (nobd., 2. H. 15. Jh.): vil engel schone 兩 Er [got] da peschuf, [...] 兩 vor disen warf er uf 兩 Ein engel, der 兩 hies Luciver. Reichert, Gesamtausl. Messe 30, 22 (Nürnb. um 1480): ein hauß, in dem die hochfertigen wonent wirt geheyssen ein hauß Lucifers. Barack, Teufels Netz 3445 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Ich wils och in min segi laden 兩 Hin zuo lucifers gesellschaft. Goldammer, Paracelsus 7, 176, 6 (1530): die jungfrauen, [...] wöllen gleich sein Mariae, das ist ein hoffart, [...], nemblich luciferisch, der sich gott wolt gleich machen. Ebd. 26: so laß die hoffart, die luciferisch ist und satanisch, gehe in die ehe. Sappler, H. Kaufringer 2, 70 (schwäb., Hs. 1464): Lucifer, der tiefel bös, 兩 und mit im drei vinster schar 兩 seiner diener komen dar. − Luther, WA 26, 570, 12. − Vgl. ferner s. v. beelzebub.

2. ›Morgenstern‹. Luther, WA 41, 335, 20 (1535): Des dancken wir heut und loben deum, quod is lucifer venit et tempus gratiae, misericordiae, auxillii, vitae et omnis boni. Spechtler, Mönch v. Salzb. 23, 6 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): er leucht dort her, der Lucifer, 兩 gar seldenbär mit seinem chlaren schein. Weber, Oswald. 1847, 16, 27 (oobd., v. 1407?): Er dringet durch das firmament, 兩 dar lucifer hat den schein von im gesendt.

luciferisch, s. lucifer. lucke, s. luk (Adj.) 1. lücke, die; −/-n, vereinzelt -er. 1. ›Lücke, Unterbrechung einer Reihe (allgemein)‹; auch ütr. − Phras.: die lücken büssen ›eine bloße Überbrückung sein‹; jn. in die lücke schieben ›jn. als Täter vortäuschen‹. − Wbg.: lückechtig, lückenbüsser ›j., der zwischen etw. steht, eine Lücke füllt‹, lückenpredig. Luther, WA 20, 405, 12 (1526): Es ist eytel lucken predig, quod non diximus, oportet spiritus sanctus dicat. Ebd. 31, 1, 172, 12 (1530): Er [der verworfene Stein] sol mir nicht die lücken büssen [...], sondrn ein Eckstein sein. Ebd.

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lücke

32, 141, 15 (1530): denn ich bin ein LÈckenbÈsser und bin weder Pfarrer noch Prediger. Ebd. 41, 144, 28 (1534/5): dis Scepter sol und mus gantz und gerade bleiben on alle bruche und lÈcken als die regel und mas, darnach [...]. Ebd. 50, 350, 11 (1538): nu ich [Luther] , als der abwesens unsers lieben herrn Pfarherrs [...] die weil mus lückenbüsser und unter pfarherr sein. Ders. Hl. Schrifft. 1. Kön. 11, 27 (Wittenb. 1545): Da Salomo Millo Bawet / verschlos er eine lücke [Eck 1537: schlund] an der stad Dauids. Ebd. Neh. 6, 1: da [...] vnser Feinde erfuren / das ich die mauren gebawet hatte / vnd keine lücke [Mentel 1466: zerreissung] mehr dran were, [...]. Fastnachtsp. 755, 28 (nürnb., 15. Jh.): Und schlug im zwen zen auß seim drüßel 兩 Und ich maint, ich wolt im in die lucken [›Zahnlücke‹] scheißen. Ebd. 795, 6 (o. O. 15. Jh.): Ich ful im for die luken [›Zahnlücke‹] schan 兩 Mit einr latwergen, die ich han. Maaler 275r (Zürich 1561): Lucken (die) Ein weyte zwüschen den pfÁlen. Interuallum. Lucken zwüschend weyte. Interstirium. Ebd. 275v: ZÁn die kein Lugken habend. Dentes continui. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 152, 24 (obd., 1524): wie daß er [pabst] so eben mit den pfaffen exemplificiert? mÈßen si dann alle lucken bÈßen? Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 10 (Genf 1636): LÈcke / f Die weite von einem ding biß zum andern. Ebd. 13: Die hege hat viel (lÈcken). Ebd. 21: Seine Zehne seynd gar (lÈckechig). Chron. Augsb. 8, 229, 11 (schwäb., zu 1563): nit mer dann 200 mann in der wacht behalten und die lucken mit etlichen von der neuen wacht widerumb besetzt worden. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 474, 3 (moobd., 1473/8): Achilles lucken weitte 兩 schlueg durch das her. − Luther, WA 47, 136, 27; Sachs 16, 392, 10; Pf‰lz. Wb. 4, 1045.

2. ›Öffnung, Durchgang, Durchlaß durch einen Grenzfried, eine Hecke o. ä.‹; solche Durchlässe waren Gegenstand rechtlicher Regelungen; ütr. auch: ›Ausweg‹; Spezialisierung zu 1. − Gehäuft 2wobd. / oobd.9; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: seine lücke verstehen ›den Ausweg, das Schlupfloch besetzen‹; ütr.: ›seiner Aufgabe gewachsen sein‹; eine lücke füllen ›eine unklare Stelle in seinem Sinne interpretieren‹; alle lücken füllen ›jeden Ausweg versperren‹; jm. eine lücke offen lassen. − Bdv.: vgl. almendschlupf, ausgang 2, ausschluf 1, bangätter, las (der) 1, stiegel. − Synt.: die l. finden / suchen / gewinnen / aufbrechen / auftun / bessern / abkeren ›schließen‹ / vermachen / verzäunen / zumachen / strafen / bessern, die lükken e. S. (z. B. der rede) [wie] füllen; die l. (Subj.) js. sein; durch die l. (durch)schliefen / faren, in die l. stehen, ein schwein in die l. legen; die l. des zauns; die enge l.; die zumachung der l.

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− Wbg.: lückenban ›Strafe für funktionsuntüchtige Zäune‹ (zum Gw vgl. 2ban 3; 5), lückenbuch ›Verzeichnis der Grundstücksdurchgänge‹ (a. 1539). Luther, WA 16, 571, 4 (1526): Jm gericht hat unser her all lucken zu gemacht. Ebd. 23, 536, 35 (1527): ist kurtz abgebrochen und schlecht von senden gesagt, gar nichts, [...], was der befelh were, das die Juden mochten die lucken ynn solcher rede mit solchem fleyschlichen verstand fullen und dencken: [...]. Ebd. 26, 570, 1 (1528): sie [Junker] lesen nichts, sondern suchen nur eitel lücken, da sie lestern [...] mügen. Ebd. 45, 238, 3 (1537): Deus lesst im ein lucken offen. Ders. Hl. Schrifft. Jes. 58, 12 (Wittenb. 1545): vnd solt heissen / Der die Lücken verzeunet [Cranc, M. 14. Jh.: zuynbuyer, Dietenberger 1534: zaunmecher] / vnd die Wege bessert. Ebd. Apg. 15, 16: vnd wil widerbawen die hütte Dauid / [...] / vnd jre Lücken [Mentel 1466: zerrütten ding; Var. T und F: verwustung] wil ich widerbawen. Kollnig, Weist. Schriesh. 150, 40 (rhfrk., 1517): haben die von Hohensachßen [...] dieselbige lucken an den bannzäunen zue strafen. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 360, 45 (Nürnb. 1631): Weil du [Jesu Christ] vns vorgangen bist, 兩 Durch die enge Lucken (hier ütr.). Grimm, Weisth. 1, 308, 37 (wobd., 15. Jh.): Er sol och wa ein lukü ist verstossen, [...], mit einem burdi dornen. Fuchs, Murner. Geuchmat 3847 (Basel 1519): Jch weiß, das ich myn luck verstandt, 兩 Wo bËse wyb zuo schaffen handt. Klein, Oswald 76, 20 (oobd., v. 1408?): Als ich den kle hett angemät 兩 und all ir lucken wolverzeunt 兩 dannocht gert si, das ich jät 兩 noch ainmal inn der nidern peunt (hier obszön übertragen). Ebd. 83, 27 (v. 1409?): leicht kompt zu mir, die mich erweckt 兩 [...] 兩 gesloffen durch die lucke 兩 schon mit getucke. Winter, Nöst. Weist. 1, 80, 25 (moobd., 1546): ob der frid nit guet we¨r und ein lucken wär do ein järige saw durchschliefen möcht oder ein ochß daruber springen mocht, so erkennt man das wandl darauf um 12 ∏. Siegel u. a., Salzb. Taid. 12, 8 (smoobd., 1637, Hs. E. 17. Jh.): so mag der ambtman zu st. Geörgentag in die lucken stehen, dennen underthanen gebüeten [...], wessen die lucken sei, alsdan solle deren anmasser [...] die lucken inerhalb nechst darnach volgenden 8 tagen vermachen. Ebd. 78, 30 (1654/68): so soll das esster hinten nach im zuefahlen, darnach in dreien tagen alle lucken abkert [...] werden. Ebd. 138, 45 (17. Jh.): wo es [schwein] aber hinwiderkompt, so mag ers erschlagen und solle das schwein in die lucken legen wo es hineinkomen ist. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 441, 11 (m/soobd., 17. u. 18. Jh.): welcher im durchgehen und -fahren ain gatter oder lucken nicht zuemacht. − Luther, WA 34, 2, 381, 20; 382, 7; 383, 37; Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 160, 28; Bischoff u. a., a. a. O. 24, 46; Rwb 8, 1489 f.; Schweiz. Id. 3, 1255; Öst. Wb. 2, 236. − Vgl. ferner s. v. antlang, befriedung 4.

3. ›Fahr-, Treibweg, Trift für das Vieh‹. Bihlmeyer, Seuse 248, 18 (alem., 14. Jh.): ich bestecke ir [reine sele] alle luckan mit widerwertikeit (hier ütr.). Sapp-

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lücke − lücket

ler, H. Kaufringer 26, 19 (schwäb., Hs. 1472): so verdürnet er [Gott] in [frünt] die stras 兩 und bestecket in aun mass 兩 alle lucken mit widerwertikait (hier bildlich). Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 1, 131, 23 (schwäb., 1562, Hs. 17. Jh.): Die lucken zue dorf und veld betreffent. Item alle erblucken, sie seyen zue fahren oder zue treiben, [...] sollen zue jeder seiner zeit [...] mit keinem graben oder anderm verschlagen werden. Ebd. 781, 27 (1598): alle gemaine lucker sollen biß Geörgi offen gelassen werden.

4. ›Öffnung, Fenster, Tür zu einem Raum; Tor zu einer Befestigung (?)‹; als Synekdoche: ›der Bauteil, Bau insgesamt‹; die Variante ›Fenster‹ ist auch von 1lugen 1 her motivierbar. − Phras.: für die lücken treten ›in die Bresche springen (wörtlich)‹; jn. (z. B. den schalk) / ein Tier (z. B. einen fuchs) für die lücke stellen ›vor den Eingang stellen, um einen Komplizen zu fangen‹. − Bdv.: vgl. 2beg, 2beie 1, fenster, gesicht 3, gutzer, laden (der) 2, liecht 3, 1lug 1. Luther. Hl. Schrifft. Hes. 13, 5 (Wittenb. 1545): Sie [Propheten] tretten nicht fur die Lüken / vnd machen sich nicht zur Hürten. Bl¸mcke, Hans. Gesandtsch. 193, 26 (nrddt., 1603/05): 1 Thlr. fur eine Elle feinen Tript, so zu den Lucken [›Fenster im Wagenverdeck‹] des Wagens kommen. Opel, Spittendorf 145, 32 (osächs., um 1480): die bornmeister [...] befohlen den, sie solten die thorme und licken [›Einlaßbereich des Gefängnisses‹] alle reyne machen lassen. Ich meyne, sie haben die pfenner alle wollen lassen in die thorme werfen. Ebd. 406, 6: So gingen wir uffs rathaus uff den torm, die thure war offen und auch die lucke. So ich uff die lucke kam, lage der eine knöbel an einem langen seile, den knöbel thaten sie mir zwischen die beyne, [...] so liessen sie mich hienabe in den thorm. Ebd. 407, 10: so satzten sie mich in den stock uff der lucken und begunten mich viel zu fragen. Gille u. a., M. Beheim 453, 2076 (nobd., 2. H. 15. Jh.): An der luken [›Tor‹? oder ›Schießscharte‹?] da sy dan in 兩 die maur hetten geschossen hin. Ebd. 2146: Hinter der luken stunden sie 兩 und auff der mauren dort und hie. Sachs 13, 167, 20 (Nürnb. 1556): wenn man ein fuchß wolt fangen, 兩 So müß man ein fürt lucken [›Fuchsbau‹] stellen, 兩 Auf das man füchß mit füchß müg fellen. Ders. 17, 143, 6 (1554): Der loß mann spricht: Mein weib, das thut mich gar nit gremen; 兩 Dein schauben muß vürt lucken stahn. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 142, 11 (obd., 1524): ir [...] wölt uns armen pfaffen für die lucken stellen und euch mit uns verkaufen. Barack, Teufels Netz 258 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Wan du bist mir nüwlich entloffen 兩 Und stat din luk noch wit offen. Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 1519, 8 (moobd., 1402): daraus ein lueg ging auf des vorgenannten Dietreichs dach. Turmair 4, 201, 7 (moobd., 1522/33): wer ein schalk faˆhen wil, mueß ein schalk für die luken [wohl ›Tür, Tor‹] stellen. − Spanier, Murner. Narrenb. 14, 45. − Vgl. ferner s. v. abschiessen 4.

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5. ›Loch, Vertiefung in einer Oberfläche, durchlässige Stelle; Guckloch; Loch in der Erde; Körperöffnung‹; wohl auch: ›Pustel, kleine Hauterhebung‹. − Wbg.: lükket ›ein Loch, Löcher (?) habend‹. Schˆpper 76b (Dortm. 1550): ¶ hol loch lucken. Mieder, Lehmann. Flor. 925, 14 (Lübeck 1639): Wort zahlen die Schulden nicht / Hauß vnd Hof mus in die Lucken stehen (am ehesten hierher). Fastnachtsp. 995, 31 (Ingolst. o. J.): Do schaut ich zu einem lücklein ein 兩 Und sach dy liebste tochter mein 兩 Nakhat in dem pett ligen. Mayer, Folz. Meisterl. 39, 59 (nobd., v. 1496): Sicht er [esel] dar durch ein luckenn [in der prucke], 兩 Mit grossem angst er fur paß gat. Ebd. 99, 34 (o. O. o. J.): Der pek must sich hin zu hin buken 兩 Und kusßen hinten fur die luken. Sachs 16, 392, 20 (Nürnb. 1563): Also zug er selb-zwölft ohn trawren 兩 An diser hoch lücketen mawren. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 37, 24 (schwäb., 1471): der wantzen macht, 兩 Die lews pissen mir lucken. Niewˆhner, Teichner 322, 155 (Hs. 2moobd., 1360/709): daz mercht dar an 兩 daz man ainem mund und nasen 兩 mag verzimmern und verglasen, 兩 daz chain luchel mag hin in, 兩 dnnoch get dw sel da hin. Winter, Nöst. Weist. 3, 420, 29 (moobd., 1578, Hs. 17./18. Jh.): wann ein markstein ausgeworfen würd, der solches thuet den soll man mit den kopf in die lucken [›Erdloch‹] steken. Ebd. 4, 38, 41 (17. Jh.): wen aber malefitzpersonen alhie befunden werden, ist man ihnen dieselben [erlaubnus] zu den lucketen stain zu antworten schuldig am dritten tag. Patocka, Salzwesen. 1987, 124 (oobd., 1595): Mit khalch man die Luckhen Verschlecht, / Das die Sulcz nicht außrinnen thuet. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 346, 3 (m/soobd., 16. Jh., A. 17. Jh.): ain gmain, [...], gehet zum Khunzen in Greith oben an forst, zu der lukethen stainwant an Heiflstain. Mollay, H. Kottanerin 11, 11 (moobd., 1439/40): auf der kisten lag ain plaber, samedeinerr polster, do pran ain lukchen in grosser denn spanen.

6.; 7, s. luk (Adj.) 1; 2. lücke (Adj.), s. luk (Adj.) 2. lückechtig, s. lücke (die) 1. lucken, V. ›schwanken, schwach werden‹; zu luk 2. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 341, 25 (halem., 1534/ o 5): die Berner ouch fast anhubend luggen / vil mandat / und seltzamm ding jn jre empter liessend usgan. Maaler 275v (Zürich 1561): Lugken / Nachlassen / Ablassen [...] Laxare. − Schweiz. Id. 3, 1235 (hier auch in eigentlicher Bedeutung belegt: ›wackeln (von den Zähnen)‹.

lückenban, lückenbuch, s. lücke 2. lückenbüsser, lückenpredig, s. lücke 1. lucker, s. luk (Adj.). lückern, s. locken 1. lücket, s. lücke 5.

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lucubration − luder

lucubration, s. lucubrieren. lucubrieren, V.; aus lat. lucubra¯re ›bei Nacht arbeiten‹ (Georges 2, 716). ›bei Nacht, Licht arbeiten‹. − Wbg.: lucubration. Dasypodius 118r (Straßb. 1536): Lucubratio, Nacht aro nennen jre bÈcher lucubrationes / beyt. [...]. Die buchdichter das sie der mertheyl nachts bey liecht gedichtet [...] werden. Rot 326 (Augsb. 1571): Lucubrirn, Beim liecht arbeyten / wercken / wachen zu der arbeyt. Ebd.: Lucubration, Nacht arbeyt / wercken. Als die Gelerten nennen jhr arbeit lucubrationes, darumb das sie am meysten das nachts daran arbeitent / o wenn es fein still vnd ruhsam ist.

ludel, Genus? Zum Wort s. Dwb 6, 1230. ›Sauggefäß mit Schnuller (für Kleinkinder)‹. − Wbg.: ludelecht ›schlaff; welk‹. Schˆpper 114b (Dortm. 1550): Flaccidus. Luck lidweich luderig / lumlecht ludelecht laudechtig schlotterig schlottig schlotterecht. Hampe, Ged. v. Hausrat 2, 6, 13 (nürnb., 1544): Das kind die halb nacht hören zannen 兩 Muest haben milch, mel vnd kindspfannen 兩 Ein kindsmaid vnd ein lüdelein. Ebd. 3, 11, 13 (o. O. um 1480): Das yn vor der Ee alles was frembde 兩 Kyndes meit ludel ein schlotterlein. Dasypodius 374v (Straßb. 1536): Ludelecht sein. Flaccere. Ludelechtig. Vietus.

ludelecht, s. ludel. ludem, der ; -s/−. ›von Menschen verursachter Lärm, Geschrei, laute, tumultartige Unruhe‹. − Berichtende Texte. − Bdv.: dos, gerümpel 1, geschrei 1, schal. Helm, Maccabäer 13596 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): vurbaz im [Herodes] nach iaite 兩 Antigonus mit den Juden 兩 mit geschreie unde luden. Koppitz, Trojanerkr. 20565 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Diere luden und der schall 兩 Verre über daz gevilde erhall. Gierach, Märterb. 14383 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): do sprachen da die weysen Judenn: 兩 ,wie gevingen wı¨r in an ludem?‘ Gereke, Seifrits Alex. 8594 (oobd., Hs. 1466): der chayser fragt sy der mer 兩 was ludems auf dem palast wer. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 120, 29 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): von der fre´wd hub sich ain so˙lher ludem, das die Unger wanten, es wer ain turnei wider si an gelegt. Mollay, H. Kottanerin 16, 12 (moobd., 1439/40): do kam ain grosser ludem vnd gerÈmppel, als vil mit harnasch an der tuer we¨ren. − Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 142, 4.

ludemen, V. ›dröhnen, klirren (von Waffen); schreien, brüllen (von Tieren); lärmen (von

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Menschen)‹. − Bdv.: brausen 2, brimmen, grimmen 1, griesgramen, knarren, lauten 1, limmen, rauschen, wufen. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 5, 30 (preuß., M. 14. Jh.): und wirt ludemen [Cranc, M. 14. Jh.: gnarren; Mentel 1466: grimt; 14742 : griesgrammet; Froschauer 1530: brumm˜en; Luther 1545: brausen] dorubir als daz mer luttit. Helm, Maccabäer 3324 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): So wart irweit allez daz lant 兩 [...] 兩 von der ubermenge so groz 兩 unde des heres lutmen (Subst.?) doz. Reissenberger, Väterb. 40329 (md., Hs. v. 1406): Si [merwunder] ludimen und lymmen 兩 Mit grewlichen stymmen. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 9, 23 (osächs., 1343): doˆ Jheˆsus quam in des vurstin huˆs und sach di pfifensengeˆre und di ludemunde schar [Mentel 1466: geselschafft o wuffent; 14752 : zuuallend schar ; Lang 1521: schar die aufrurig was; Luther 1545: das getümele], her sprach: [...].

luden, V.; zu mhd. luˆden / luoden (Rwb 8, 1491 s. v. Lud und luden; Lexer 1, 1976; 1985, vgl. auch die Verweise; im Falle von luˆden als mhd. Vorlage hätte der Lemmaansatz lauden sein müssen). ›(jn.) berauben, ausrauben‹. − Bdv.: vgl. abdieben, ausplundern, ausmausen, 1beraumen 1, berupfen 2, berauben 1, beschätzen 4, bestelen 2, stelen 1. − Wbg.: ludung ›Wegelagerei‹ (14. Jh.). Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 3331 (preuß., um 1330/40): als ir in in dıˆ budıˆn 兩 wolt laufin und sıˆ luˆdin. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 4095 (preuß., 1331): Man siet di lant der rouber vol; 兩 Luden, morden, stelen, brunst 兩 Daz ist nu der besten kunst.

luder, das; -s/-π. 1. ›Köder, ausgelegte Lockspeise (mehrfach in Verbindung mit valken)‹. − Bdv.: vgl. anbis, as 4, lokfleisch, lokluder. − Synt.: das l. nemen / verlassen ›fallen lassen‹, dem valken (das) l. schiessen, den wölfen l. anrichten; das gelose ›Exkremente‹ am l. liegen, auf das l. fliegen, die sele auf ein l. binden, zu dem l. fliegen, jn. (die fraue) zu einem l. haben, den jungen (des wurmes) einen lewen zu l. tragen. 1

Helm, H. v. Hesler. Apok. 18845 (nrddt., 14. Jh.): Die lucket her mit worten 兩 Zur vronen himel porten 兩 Als valken mit dem lodere. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 232, 16 (osächs., 1570/7): so wird man sonder zweifel das gelos des thiers, [...], zunechst am luder liegen finden. Gille u. a., M. Beheim 331, 97 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Dis luder er [valk] verlis, 兩 er sich da wider hach 兩 auff in die lufften zach. Thiele, Minner. II, 12, 364 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909):

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luder

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wiltu mit falcken guffen,兩 so mustu ym by wilen luder schiessen. Ebd. 13, 140: da mit bannd er [Kay] sin sell 兩 uff Lucipers hellischen falcken luder. Matthaei, Minner. I, 1, 674 (Hs. 2nalem., 14599): da die frow iren falcken wider 兩 bi dem luder hett, sie trat nider 兩 von dem pferd uff die erden. Ebd. 9, 185 (Hs. 15. Jh.): ich hett yn [valke] allez dez bewart 兩 daz man an vederspil verkert; 兩 ich hett yn Ërdenlich gelert 兩 daz er daz luder gern nam. Ebd. 197: do ich ym fÈr daz luder schoz, 兩 do wond ich aber daz er den stoz 兩 nicht lenger sÈlt meyden. Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 1641, 4 (Hs. A. 15. Jh.): er [wurm] nam den fürsten under den zagel, den lewen in den munt, 兩 er begunde sie beide zu luder tragen den jungen an der stunt. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, o 183 (Straßb. 1522): Und [der Adler] flÈgt uff das Luder und wolt essen. Goedeke, Fischart Landlust, 173 (Straßb. 1579): Oder richt luder an den wölfen 兩 Die im reubisch der schaf abhelfen. Vogel, Pract. Alg. Ratisb. 166, 5 (moobd., M. 15. Jh.): Auf yedem siczt ain falk, vnd vahen zemal ze phligen zw dem luder. − Sappler, H. Kaufringer 30, 65; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 143; Rwb 8, 1493.

sche, spiel, tanz einhergehendes Lotterleben‹; als Metonymie: ›Spelunke‹. − Mehrfach Texte der weiteren Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: im luder liegen ›sich dem Lotterleben, speziell: dem Suff, der Trunkenheit ergeben‹ (dicht belegt). − Bdv.: vgl. bubenleben. − Synt.: l. unterwegen lassen; luders pflegen; in das l. fallen, im l. leben. Wbg.: luderban ›liederliche Verhältnisse‹ (Gw zu 2ban 1 in negativer Wertung?), luderbaner (›verlotterter Haufe‹? Gw am ehesten zu 1ban, s. dort Nr. 4; bdv.: schandsak; Bw möglicherweise auch zu 2luder, von wo aus sich luderbanner nahelegen würde), luderbube ›Müßiggänger‹ (a. 1535), luderecht, 1luderig, luderleben (a. 1534), ludermärkt ›Trödelmarkt‹ (a.1344), ludersknecht, luderweise.

2. ›Verlockung, betrügerischer Anschlag; Fallstrick (ütr.); Hinterhalt‹; als Ütr. an 1 anschließbar. − Phras.: ane (falsches) luder Verwahrformel ›ohne Hintergedanken‹; jm. ein luder legen. − Bdv.: vgl. betrug 2, gelege 4, härre.

Schˆpper 24b (Dortm. 1550): Potare. Sauffen schwelgen im sauß gehen im luder ligen. Luther, WA 12, 617, 1 (1523): das Christenvolck geet frey daher undter dem hymel [...], und ist dannocht in der freyhait fein eingezogen, Nit ein luder paner. Ebd. 25, 45, 20 (1527): Qui habet talem luderban, das nicht curat rem familiarem, desperata es. Ebd. 36, 209, 18 (1532): werffen die augen hin und widder. Das heist nicht mit zuchten, dass sind luderbaner. Ebd. 41, 685, 36 (1536): qui mutwillig im luder liegen, ehebrecher, huren. Ebd. 47, 757, 32 (1539): die Christen sollen nicht solch Heidnisch o o Luderleben fÈren in fressen, sauffen. Kurz, Waldis. ruchloß Esopus 3, 94, 28 (Frankf. 1557): der ander Bruder, 兩 Der soff sich voll vnd lag im luder, 兩 Vnd lebt beid, tag vnd nacht, im sauß. Enders, Eberlin 3, 32, 15 (Erfurt 1523): das sie nit ym suß vnd luder leben, aber yn bescheydenheyt. v. Groote, Muskatblut 51, 25 (nobd., 1. H. 15. Jh.): so wurd myn segel krang, 兩 vnd brech mir dan das roder so vil ich in daz loder. Voc. Teut.-Lat. e ijv (Nürnb. 1482): Bubischer. luderechter. leckerechter. luckerscher. scurrilis. Koller, Ref. Siegmunds 237, 48 (Hs. 2Basel, um 14409): o o v das kein schuler ludrige spiel oder keins rehtigen inging. wer och, Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 337, 33 (Hagenau 1534): wo ein erbars / froms biderweib ist / die ist allen [...] schandsecken und luderpanern feind. Maaler 86r (Zürich o ligen. Haltaus, Liederb. 1561): Jm Dampff vnnd luder o knecht, 兩 Hätzlerin 1, 91, 33 (schwäb., 1471): Ir luders Merckent recht: 兩 Mit geprächt 兩 Wöll wir vns rottiern in ain o taberne! Ebd. 46: Mein gesellen, 兩 Die nun wöllen 兩 Luders pflegen 兩 Gar verwegen. Sappler, H. Kaufringer 1, 230 (schwäb., Hs. 1464): der engel sprach: „nicht, lieber pruoder! 兩 wir seien hie in kainem luoder [›Spelunke‹] 兩 der wirt ist gar ain frommer man“. Primisser, Suchenwirt 39, 111 (oobd., 2. H. 14. Jh.): So ist mit sÈnden dir so wol, 兩 Spil, luder, und geteusche, 兩 Tantz, frazhayt und uncheusche. Niewˆhner, Teichner 300, 29 (Hs. 2moobd., 1360/709): daz fumft [todleich sÈnt] ist vrazzhait genant, 兩 luder weiz und trunchens leben. Ebd. 375, 25: solt ich selb dann luders

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 23200 (preuß., um 1330/40): Des haben ir genumen war 兩 von Lıˆbenzelle Fridderich, 兩 von Aldinburc bruˆdir Dıˆterıˆch 兩 in einre laˆge luˆdere. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 4072 (preuß., 1331): Wen welch bruder hilft dem bruder 兩 An allez valschez luder, 兩 Di besten in erem phat 兩 Recht als eine veste stat. Ebd. 5123: Di [gunst] Got Crist an uns kranken 兩 Geleget hat an luder. Reissenberger, Väterb. 29404 (md., Hs. 14. Jh.): Er [got] wirfet uns manic luder 兩 Durch sine suze minne, 兩 Das wir behaften drinne (hier positiv bewertet). Sachs 12, 302, 11 (Nürnb. 1554): Wenn wir dem feindt legten ein luder 兩 Mit unser schwester. Ders. 13, 35, 7 (1556): er muß sterben von meiner handt; 兩 Ich wil im wol ein luder steln, 兩 Das ich in liderlich wil feln. Ders. 21, 408, 9 (1547): Darunter war ein fawler prueder, 兩 Dem leget der dewffel ein lueder. Fuchs, Murner. 4 Ketzer 1966 (2wohl o Straßb.9 1509): Der narr vermerckte nit das luder. Dasypoo dius 374v (Straßb. 1536): einem ein Luder legen. Machinari insidias. Goedeke, Fischart Bund Bäpstler, 56 (Straßb. 1589): Alsdann mag auch ein klosterbruder 兩 Legen im sacrament ein luder. Ebd. Flöh Haz, 662 (1594): Das sie uns alle schmach beweisen, 兩 Mit leimruten und gbrentenwein, 兩 Und was dergleichen luder sein. − Strehlke, a. a. O. 23933; Sachs 20, 413, 30; Barack, Teufels Netz 5627.

3. ›liederliche Lebensführung, der Üppigkeit, dem Wohlleben, Schwelgen, Schlemmen verfallenes, mit frasheit, getäu-

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luder − luderer

phlegen, 兩 so wÁr mein chunst gar ring zu wegen. Winter, Nöst. Weist. 3, 82, 46 (moobd., 1548): in suma im saus und lueder nit ainen, zwen ja öfter drei vier täg an einander ligen. − Luther, WA 36, 282, 9; 47, 671, 23; Barack, Teufels Netz 5381; Adomatis u. a., J. Murer. Hest. 779; Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 4, 6; Primisser, a. a. O. 19, 32; Schweiz. Id. 3, 969; 4, 413; Öst. Wb. 3, 1232 f.

4. steht mit Gen. explicativus für den Inhalt des Genitivausdruckes; durchgehend negative Konnotation, insofern an 2 anschließbar. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 17610 (preuß., um 1330/40): Der Warcezlaus vorgenant 兩 lıˆz gar der werlde luˆdir 兩 und wart des ordins bruˆdir. Gerhard, Hist. alde e 4222 (omd., um 1340): Da ich sehe mine bruder 兩 In gevengnisses luder. B¸hrer, Kl. Renner 396 (nobd., Hs. um 1480): Hochfartt vnd der vnkeuscheit / luder. 兩 Die helt man nicht mer fur sunde. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 67, 4 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): ich clage swester, bruder, 兩 die des todes luder 兩 verleitet hat. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 12020.

5. ›verlockende oder liederliche Frau‹ (nur 1 Beleg); ›positiv oder negativ bewertete männliche Person‹. Goedeke, Fischart Flöh Haz, 2150 (Straßb. 1594): Wie es auch gieng ob disem luder, 兩 Damit sie mir behülflich seien. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 202, 3 (moobd., 1473/8): Er rait zue seinem prueder, 兩 dem er sein laster clait. 兩 Der was ye streites lueder. Weber, Füetrer. Poyt. 16, 7 (moobd., 1478/84): auch het er sunst ain mag im lanndt, 兩 genannt Dilas, ain rechter schannden lu˘eder. Munz, Füetrer. Persibein 238, 3 (moobd., 1478/84): Do der riß seinen pru´eder 兩 sach tod zer erden vallen, 兩 der ye was streittes lu´eder, 兩 do ward im zoren auf in. − Luther, WA 52, 686, 5.

6. ›Ansturm, Überfall, Angriff‹; hier tropisch anschließbar: ›Menge, hohe Anzahl (eines volkes)‹ (?). − Bdv.: vgl. anfal 11, angrif 8, sturm. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 15360 (preuß., um 1330/40): [dıˆ bruˆdere] iz [eine Festung, Bartinstein] vor allim luˆdere 兩 mit gotis hulfe habin sıˆt 兩 besezzin. Quint, Md. Karl u. Eleg. 26 (Hs. 2thür., n. 14559): Wa˜ er dorch o deß richen krone 兩 Ffolkes hatte ein groß luder.

7. ›kleine Abgabe für Gemeindeholz, Einkaufsgebühr‹. − Schweiz. Id. 3, 1104 (a. 1559 f.). 2 luder, Genus? Zu ludel (Schmeller/ F. 1, 1444/5). ›Lappen, Stoffetzen‹. − Bdv.: vgl. abschrot b, 1hader, haderlumpe, lämpe, 1lappe, lup 2, plak 2. − Wbg.: 2luderig.

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Dasypodius 374v (Straßb. 1536): Luderig / oder ludelecht sein. Flaccere. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 189, 43 (halem., 1382/3): do wolt si der tÈcher eines weschen, und do si es uf bast, do waren ludren dar inne (hierher?). − Schweiz. Id. 3, 1101.

luderban, luderbaner, luderbube, luderecht, s. 1luder 3. luderei, die. ›Laster aller Art, Schlemmerei, Müßiggang‹; vgl. ludern 2. − Bdv.: vgl. laster 1. Ggs.: antwerk 3, arbeit 6, ere. Mone, Adt. Schausp. 1, 2860 (Hs. 2omd., 13919): da sye rouber ader lÈderye bye, 兩 und duncket sich gar eyn edel man, 兩 wer arme lÈte machen kan. Barack, Teufels Netz 4691 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): und tuond ir uppig leben triben 兩 Mit spil, luodri und mit wiben. Chron. Strassb. 1029, 35 (els., 1408/11): wer in dirre stat [...] o lieber gilwerck, spilwerck, zipfelwerck und luderige nochgat, denne das er sich mit eren und mit sime antwerck oder sinre arbeit begange. Lindqvist, K. v. Helmsd. 314 (halem., Hs. um 1435): Nun hËrnt wie sie do zehant 兩 Der engel gar alain vand 兩 Nit by¨ schall, by¨ fra´sry¨e 兩 Noch by¨ bedruncken noch ludry¨e, 兩 By¨ dantzen noch by¨ springen.

luderer, der ; −/-π, -e. ›(meist: männliche, erwachsene) Person, die der moralischen und rechtlichen Ungebundenheit, dem Lotterleben, Laster, der Genuß- und Spielsucht nachgeht‹; vgl. ludern 2. − Bdv. bzw. im Orientierungsfeld mit: freiheiter, fras, zerer, füller, fresser, prasser, saufer, trinker, spieler, hurer, hoflecker, galgenschwenkler, gassentreter, jaufkind, rasler, rippelreiger, ruffian, 1tabernierer. − Wbg.: luderin. Reissenberger, Väterb. 13233 (md., Hs. 14. Jh.): Eines nahtes quamen vur sin hus 兩 Diebe unde luderere. Jostes, o Eckhart 65, 25 (14. Jh.): Sunderlich lieb on hute die ist ein valsch minnerin und ist ein ubergreifferin dez rehten gemaheln [...] und ist ein luderinne der heimlich. Chron. N¸rnb. 3, 142, 20 (nobd., 1488): da fiel der geist der geitigkeit durch die augen ein in das hertz der weinbuben, tabernierer, füller, spiler, gaßentreter, freiheiter, jaufkinder, galgenschwenkler, luderer. Voc. Ex quo, S 346 (15. Jh.): Scurra ein luderynne [...] pübin [...] hoflecker [...] lötrin. Gille u. a., M. Beheim 186, 10 (nobd., 2. H. 15. Jh.): also tut auch der luderer, 兩 der frass fuller und trinker, der 兩 auf chain sach achtet nichten mer, 兩 dann nach des pauches fure. Chron. Strassb. 1029, 40 (els., o. J.): wer in dirre stat oder vorstetten mÈsig got, [...] o besunder aller luderer, spiler, rippelreiger und riffion, die sich o tage und naht nit anders begont denne spilendes, luderndes und rippelreigendes, wo man die hinnanvürder vindet mÈßig gon, [...], es sie an dem wege, in den wurteshüsern oder wo man die suß vindet, die sol und wil man angriffen und sü an irme libe

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luderhaus − lüffe

stroffen. Barack, Teufels Netz 11932 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): von ainr nacht zuo der ander sitzen, 兩 Ob spil und luodri switzen, 兩 Und sol denn glich morn mesz han! Roder, Stadtr. Villingen 197, 4 (önalem., 1582): wie vil auch ein würth einem solchen luderer verborgt hette [...]; (daß) ein solcher übelhausiger gesell auch mehrers oder gar nichts zue bezalen angehalten werden solle. Niewˆhner, Teichner 600, 56 (Hs. 2moobd., 14699): spiller: swerrer, 兩 luedrar: zerer, 兩 leb wol: chelner. Mollay, Ofener Stadtr. 330, 8 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): Auch mag man sy¨ [chinder] ent erben, Op eß czu ey¨nem offinparen luderern, Rasler, spiler ader hurer wurde.

luderhaus, s. ludern. 1

1

luderig, luderknecht, luderweise, s. luder 3. 2

luderig, s. 2luder.

luderin, s. luderer. luderleben, ludermärkt, s. 1luder 3. ludern, V. 1. ›jn. ködern, wie mit einem Köder zu etw. verlocken, verführen (bei negativer Bewertung), an etw. heran-, zu etw. (positiv Bewertetem, z. B. zur geistlichen minne) hinführen‹; vgl. luder 1; 2. − Wbg.: luderhaus ›Haus der Verführung, Freudenhaus‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 12420 (preuß., um 1330/40): daˆmitte [der valscheite gampf] si in luˆderin 兩 woldin uˆf des toˆdis as. Luther, WA 41, 471, 29 (1535): Tales domus luderheuser sunt pestilenticae [Z. 27: adolescens ... seducatur]. Bihlmeyer, Seuse 12, 8 (alem., 14. Jh.): Dis reizlich wise hate si [die ewige Weisheit als minnerin] o gar dik und ein minnekliches luderen zuo ir geischlichen minne, sunderlich an den bÈchern, du´ da heissent der wisheit bÈcher. Ebd. 449, 17: su´ wennent, daz nieman wol su´, denne der mit dem roten asse an dem krumben angel gelÈdert ist. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 288, 3 (halem., 1534/5): hussisch lichtvertikytt bredyend / und denn gmeynen man mit dio sem sÈssen gifftt / allso ludrend / an sich ziend und zuo aller unghorsame bringend. − Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 145.

2. ›dem Wohlleben, Schlemmen, Prassen (z. B. mit trinken, füllen, spielen, turnieren, tanzen 1, stechen 4) nachgehen; sich dem Vergehen, Verbrechen (z. B. dem abreissen 4, der missetat), auch dem lästernden Spiel ergeben‹; vgl. luder 3. − Älteres und mittleres Frnhd.; Verstexte didaktischen Inhalts. Fischer, Brun v. Schoneb. 12227 (md., Hs. um 1400): [gedoldikeit] an valschen bruderen, 兩 di mit irre valscheit lude-

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ren ›ihr Spiel treiben‹, 兩 zu in di waren gotes lute. Menge, Laufenb. Reg. 2211 (Hs. 2nalem., um 14709): Trinken o ludren fu´llen 兩 Das were sines willen. Stammler, Berner o Weltger. 596 (ohalem., 1465): Spilen vnd ludren waz üch lieb, 兩 Jr giengen steln als ein dieb. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 43, 87 (schwäb., 1471): Er [Handwerker] spilt o o zu dem wein, 兩 Dauon musz er notig sein. Nievnd ludert wˆhner, Teichner 357, 9 (Hs. 2moobd., 1360/709): ez ist schant und missetat 兩 der nur ludert nacht und tag. Ebd. 375, 8: ez ist schant und missetat 兩 der nur ludert nacht und tag. Ebd. 377, 5: welhez pezzer mËcht gesein, 兩 der turniren und stechens phligt, 兩 tantzen und rain und vraud wigt, 兩 oder der nur ludern tÈt. Ebd. 541, 1444 (Hs. 2nobd., E. 14. Jh.9): die spiler 兩 die sich anders niht fleizzen 兩 denn newr ludern und ab reizzen.

ludersknecht, s. 1luder 3. luderspiel, das. ›üppige, schwelgerische Lebensführung‹; zu 1luder 3, vgl. ludern 2. − Älteres und mittleres Frnhd.; Verstexte religiösen und didaktischen Inhalts. Gille u. a., M. Beheim 241, 94 (nobd., 2. H. 15. Jh.): mit luder spil würt es vertan 兩 und auch mit swachen wiben. Adrian, Saelden Hort 3993 (alem., Hss. E. 14./ o 15. Jh.): der hat vergu´det sin hab 兩 mit vraishait, wiben, luder o spiel. Ebd. 6376: die [herren] wip, win, luder spil ertËrt 兩 [...] 兩 und wellint ingemach 兩 nach irs herzen willen leben. Niewˆhner, Teichner 125, 44 (Hs. 2moobd., 1360/ 709): wer denn drot verderben wil, 兩 der fleizz sich nur luder spil. Ebd. 377, 30: turniren und stechen ist pesser vil 兩 denn tantzen und rain und luder spil.

luderweise, s. 1luder 3. ludlacher, der/das? etymologische Zuordnung? ein Meerwunder. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 238, 18 (oobd., 1349/50): VON DEM LUDLACHER. Ludelachra mag ain ludlacher haizen. daz ist ain merwunder an gestalt und an naˆtuˆr gar wunderleich.

ludung, s. luden. luf, der ; −/-en; Etymologie unklar. ›Schlemmer, Prasser‹. − Bdv.: vgl. demmer, 1gol, gutverzerer, schlemmer. Adrian, Saelden Hort 4002 (alem., Hss. E. 14./ o 15. Jh.): ain fraus er [knabe] was, ain luf, ain goch. 兩 frilich er lept und wart so gail 兩 daz [...]. Ebd. 5043: och siht man disen traken 兩 die grosen, fulen, laken 兩 mit lu´ffern, starken vraissen.

lüffe, die; Etymologie unklar. ›Hüfte‹. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 227 (hier dichte Belegung für Geiler).

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luffenholz − luft

luffenholz, das; Zugehörigkeit des Bw unklar. eine Art Balken oder Brett, beim Hausbau gebraucht. − Schweiz. Id. 2, 1254 (a. 1648). luft, die/der ; rib. auch Schreibungen mit -ch-. ›Luft als eines der vier Elemente (neben wasser, feuer, erde); von Luft erfüllter oder als erfüllt gedachter Raum zwischen Himmel und Erde sowie innerhalb irdischer Räume; Luftzug, Wind‹. Die Belege betreffen gehäuft die Qualität der Luft als Stoff zum Atmen, als Freiheitsraum des Menschen und der Tiere, vielfach auch als stickige Masse (in der Nähe zu dunst, nebel), als Produkt des Schöpfungsaktes Gottes und als seinen Wirkungsraum, als Krankheit und Gesundheit beeinflussendes Element. − Zur Sache unter Rechtsaspekten: Rwb 8, 1493. − Phras.: böser luft ›dicke Luft‹ (ütr.); in hohem luft o. ä. ›hoch; am Galgen‹ o. ä.; nicht ane empfangenen luft ›nicht ohne Wind bekommen zu haben‹; die lüfte bessern sich ›die Pestluft schwindet‹; jm. nicht luft werden, den atem zu ziehen; jm. der luft werden ›jm. Entlastung geschehen‹; das dich gottes luft schände! ein lüftlein bei jm. suchen ›Hoffnung, Trost bei jm. suchen‹; luft und raum haben ›die Luft, Möglichkeit haben, zu [...]‹; die luft um die oren wehen lassen ›frische Luft schnappen‹; am luft sein ›an der frischen Luft sein‹; etw. (z. B. die meinung) komt an die luft; an den luft faren ›sich nach draußen bewegen‹; etw. (z. B. den glauben) aus dem luft hertragen ›aus der Luft greifen‹; etw. (z. B. die rede) in die luft blasen ›dummes Zeug reden‹; in den luft müssen ›ans Kreuz müssen‹; besser nach einem sperling in der faust den nach einem kranich in der luft gaffen. − Synt.: den l. fälschen / vergiften, jeweils ›die Luft verpesten (eigentlich)‹, den l. spüren, l. fahen / schöpfen / atmen, mit klarheit erfüllen, den l. zu einer stat haben, die l. von jm. abhalten, die hitze den l. durchbrechen, die sonne den l. erleuchten, an sich ziehen, das feuer die l. ausreuten, der schauer lin-

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den l. begreifen ›mit sich führen‹, got den l. lassen, dem wein l. geben, got / der herre l. (ge)schaffen (haben); l. (Subj.) wiederhallen, hinten ausdringen, [woher] wehen (auch ütr.), jm. wol tun, zu feuer werden, der l. erklingen, jm. dienen, das erdreich umfangen / umgeben, das liecht der sonne empfangen, dem dunst wiederstehen, den dunst abtreiben, gemein sein, rein werden, die l. [wohin] kommen, am grunde bleiben; der l. (Dat.) ire leichtigkeit mit etw. vermischen; etw. (z. B. papier) am l. troknen, hauptweh aus dem l. kommen, der seufzer durch die l. brechen, in dem l. leben, in den l. gehen, sich in die l. setzen, der vogel in dem l. fliegen, jn. im l. sehen, der ar in die l. schweben, in dem l. ein stern schweben, j. in die l. fliegen, in der l. schweben, etw. (z. B. ein rad) in den lüften schweben, etw. in den l. aufziehen, die farbe in dem lufte beuteln, jn. mit l. erquicken, jn. von quader l. verliesen, die l. zwischen himmel und erde, die frische / getemperte / quade / sanfte / schmeckende l., der böse / faule / gute / gesunde / heitere / feuchte / kalte / klare / linde / schöne / schädliche / vergifte / wirdigliche l.; die änderung / natur / stat, das sausen / brausen, geflügel des luftes, der kreis der lüfte, die vögel in den lüften. Wbg.: luftader ›Pulsader‹ (zur Motivation s. Hyrtl, Anatomie. 1884, 107), luftfalke eine Falkenart (a. 1440), luftfar ›klar, durchsichtig (wie Luft)‹, luftfenster (bdv.: luftloch), luftgebäu ›Luftschloß‹, luftgrabe ›gewölbter Kanal, der dem Feuer unter der Pfanne die Verbrennungsluft zuführt‹, lufthaspel ›spitzfindige Frage‹ (a. 1540), 2luftkind, luftsänger, luftvolk9, jeweils poetisch für ›Vogel, Vögel‹, luftleute, luftofen ›von der Erdoberfläche in einen Grubenbau geschlagener, der Wetterlösung dienender Schacht‹, luftpferd ›geflügeltes Pferd‹, luftreden ›aufgeblasenes Geschwätz‹, luftsager ›Luft-, Wetterdeuter‹, luftsprung, luftzeichen ›Meteor‹. Schˆpper 75b (Dortm. 1550): Aura. Sanffte lufft lieblicher lustiger sÈsser windt. Joachim, Marienb. Tresslerb. 210, 36 (preuß., 1403): 4 scot, eyn soller mit delen of dem nuwen spicher zu strichen und vor loftfenster machen. Luther, WA 8, 508, 36 (1521): ßo mÈßte auch keyn nebel oder lufft ynn eyns Christen mund eyngehn. Ebd. 10, 3, 434, 6 (1522): [Er] stirbt in der lufft am Creutz. Ebd. 32, 310, 33 (1532):

1439 es sey besser ein sperling jnn der faust denn nach einem kronch jnn der lufft gaffen. Ebd. 33, 506, 13 (1532): ein hoffnung mag sie gehabt haben und ein lÈfftlin gesuchet bey dem Manne, der da auff die Erden geschrieben hat. Alberus, Barf. 280, 2 (Wittenb., 1542): Bruder Monaldus sahe ein mal Franciscum in der lufft schweben. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn 386, 15 (Wolfenb. 1594): Gehe doch ein wenig hinaus ins Holtz spatzieren, Vnd lasse die lufft vmb die Ohren wehen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 183, 4270 (Magdeb. 1608): Vom Roten Mann / vnd grÈnen Lewen / 兩 Vom Narrentantz / vnd lufft gebewen. Ebd. 206, 4981: Das [Radt] oben in den lÈfften schwebt / 兩 Nach der breyt wie ein wolcken webt. Ebd. 619, 3566: Darauff sich KËnig Baußback satzt / 兩 Vnd that drey lufftsprÈng in dem platz. Ebd. 683, 5560: Fasten sie bey der Kehl vnd Brust / 兩 Das hinden aus drang lufft vnd wust. Lappenberg, Fleming. Ged. 486, 55, 13 (1638): Das Luftvolk führt um dich ein ewiges Getöne. van Ingen, Zesen. Rosenw. 15, 14 (Hamb. 1642): Das verbuhlte Lufftvolck singt / 兩 mit dem Staar die Lerche ringt. Ebd. 21, 3: die sÈßen LufftÚKinder die Vogel tzwitscherten so anmutig. Pfefferl, Weigel. Gn. S. 55, 17 (um 1571, Hs. 1615): Weliche aber nicht auß Adam komen alß da seint die wassßerleudt, vnd Erdtleut, lufftleüt [...] haben keine seele [Vgl. zum Vorkommen ähnlicher Aussagen die Fußnote 5 zur Stelle der Ausgabe]. Helm, H. v. Hesler. Apok. 21521 (nrddt., 14. Jh.): Gesunden und siechen tut 兩 Allen wol die smackende lucht. Grosse, Schwabensp. 40a, 18 (Hs. 2nd./md., um o vnde den 14109): daz duo [here] al disse werlt, de sunnen o o manen, sternen vnde die vier elementa, wur vnde watzer, luft o deme menschen zuo denste hast vnde erde, de vogele in den luften geschaffen. Quint, Eckharts Pred. 1, 129, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): Als luft ze viure wirt, daz ist bezzer; aber soˆ luft ze wazzer wirt, daz ist ein zerstœren. Ebd. 394, 6: Soˆ er [schıˆn der sunne] aber ez [ding] uˆfziuhet in den luft und ez denne groˆz ist an im selber und warm von der sunnen [...], soˆ [...]. Ebd. 2, 366, 6: Diu varwe, diu an der want ist, sol diu getragen werden in mıˆn ouge, soˆ muoz si gebiutelt werden [...] in dem lufte und in dem liehte und alsoˆ geistlıˆche getragen werden in mıˆn ouge. Oorschot, Spee. Trvtz-N. 266, 29 (wmd., 1634): Lobt GOTt / jhr süsse schwetzerlein / 兩 Jhr Nachtigalen kleine / 兩 Jhr lufft- vnd wolcken-Sängerlein. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 7617 (rib., 1444): Ich setzen mich as eyne meerkatze in de lucht. Chron. Kˆln 2, 9r, 5 (Köln 1499): sunder idt was alle zijt ein getempert lucht vnd wedder. Ebd. 12r, 3: nae dem diluvium so ist dat alder der mynsche˜ vermynret. want die lucht is worden zerstoerlicher. Ebd. 522, 36: dat meiste deil sinre heren verloir keiser Henrich ouch in dem lande van der quader lucht. Voc. inc. teut. p iijr (Speyer um 1483/4): Lufft ader Arterea ˜e q˜da˜ vena. Dubizmay, kurß zu Teutze 9, 5 (hess., 1463): alles vihe der erden Die vögel in den lüfften vnd die fische in dem wasser. Stoltzius, Chym. Lustg. 39, 11 (Frankf./ M. 1624): Jedoch der lufft jhr leichtigkeit: 兩 Vermischt sey mit der schwerigkeit. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 406b, 22 (Frankf./M. 1649): meine Meynung / so sie recht an die Lufft kommen wird. v. d. Broek, Suevus. Spieg.

luft

1440 169v, 43 (Leipzig 1588): Auff das die arme bedrengte Christenheit / lufft vnd raum haben kËnne / den ewigen Sohn Gottes / [...] zubekennen. Keil, Peter v. Ulm 137 (nobd., 1453/4): Du solt sie [steinlein] in ein gleslein thun vnd solt daz glaß wol zustopffen, daz kein luft mug hin ein nichte komen. Gille u. a., M. Beheim 110, 25 (nobd., 2. H. 15. Jh.): daz die himel sper 兩 der luft wurden erleüchtet mer 兩 dann von dem schein der sunnen. Chron. N¸rnb. 3, 145, 13 (nobd., 1488): solichen gewalt haben sie getriben, daß uns nit ward ein luft zu dem aten zihen. Sachs 17, 20, 6 (Nürnb. 1552): Alls unmuts wöll wir uns ergetzen! 兩 Solche lufftsprüng seynd mir nit frembd. Harsdoerffer. Trichter 2, 31, 11 (Nürnb. 1648): Wil er von den Sternen / und dem Himmel / GewÈlk / Blitz / Donner / Luftzeichen / [Meteoris] [...] reden / so [...]. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 166, 9 (obd., 1525): Solt sein gnad [der Bischof] [...] den o o thumbherren ire metzen und huren vertreiben [...], sein gnad würd bösen luft uf seim stift haben. Rieder, Gottesfr. 83, 35 (els., 1369): und ist daz einre von naturen dez luftes zuo vil an ime hat, daz er dovon frËliche geberde an ime hat, [...] so sol sich ein anderer nit ergeren. Koller, Ref. Siegmunds 319, 16 (Hs. 2Basel, um 14409): wenn die ordenunge also bestellet wurt, so [...] wurt ein gemeinsam leben; der luft wurt rein, die elementen dienen uns. Golius 81 (Straßb. 1579): Arteria, lufft ader / pulßader / schlagader. Sudhoff, Paracelsus. 13, 11, 17 (1525/6): das am ersten der yliaster zu vier teil geteilt ist: in den luft, der ist der himel [...]; in das feur [...]; in die erden [...]; in das wasser. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 87, 5 (Straßb. 1466): die gezelt hiengen von eim ieglichen teyl luftfarer varb. Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 6, 120, 26 (Straßb. 1520): wir hetten auch deine reden alß allein in lufft geblasen / lassen für iren wert hyn gon. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 403, 4 (Hagenau 1534): Daß dich Gots lufft und dufft schende. Goedeke, Fischart Schiff, 76 (Straßb. 1576): Hie darf das schiff kain flügel nit, 兩 Wie Persei luftpferd, welchs er ritt. V. Anshelm. Berner Chron. 5, 279, 9 (halem., n. 1529): harzu,o nit an enpfangnen luft, Kristan Blatter sagt: „Hu, [...]“. Schib, H. Stockar 151, 30 (halem., 1520/9): und komand gros kalt lüff und wind und gros nebel und gros riffe. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 395, 13 (halem., 1508/16): Also kamend si über ein, aber ein zug o da mit denen da selbs allenthalb am Rin der luft wurde. ze tun, Jˆrg, Salat. Reformationschr. 43, 7 (halem., 1534/5): das wir nit deshalb vom glouben gfÈrt [...] werdend / den wir denn zmal / und xve jar lang ghan hand / nitt den man erst uß dem luft har trÁytt. Ebd. 769, 6: so er [Zwinglj] lufft / und aaten hette mogen han / er noch da dannen kon wÁre. Maaler 190v (Zürich 1561): Gougkler / Der ringe leybsÈbung vnd lufftsprüng treybt. Ebd. 275r: Der Lufft / Eins auß den vier Elementen. [...]. Der claar vnd heiter Lufft. [...]. Dicker / schwÁrer oder bËser Lufft. [...]. SchÁdlicher vngesunder Lufft / dem hagel od’ sunst vngewitter vnderworffen. [...]. Vergiffter Lufft / oder bËser vngesunder Lufft. [...]. Vngewüsser Lufft / da man nit weißt ob es rÁgnen oder schËn wËll seyn. [...]. Enderung deß Luffts vnd wÁtters. Plant u. a., Main. Naturl. 293rb, 23 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): dc

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luftader − luftig

vns got den luft hie lat dc wir genesen. hail. altvÂter 105v, 7 (schwäb., E. 14. Jh.): Do hatten sich vil tu´fel in dem luft gesamne. Chron. Augsb. 3, 437, 30 (schwäb., 1478): und haben allso der rapp und die mörgans, dieweyl der diener nicht über den mayster ist, gleychen lohn empfangen und ir gesellschafft in hohem lufft gehalten. Ebd. 5, 16, 29 (1523/ o geben hett, daß sie wol 7): nachdem sie mir vor zuversteen o möcht aus an den luft faren und ir nit schaden brächt. Ebd. o 18, 18: wan ich vil am luft bin, so han ich etwo ain harn zwen löffel vol. Ebd. 7, 193, 21 (zu 1550): das aber alles ir baider lustreden, [...] was, sich darmit groß zÈ machen. Barack, Zim. Chron. 1, 462, 47 (schwäb., M. 16. Jh.): derhalben herr Wörnher [...] eilendts geen Wildenstain gewichen, alda, bis sich die lüften etwas gepesseret und der sterben zu Messkirch aufgehört, sie verharrat. Ebd. 4, 151, 10: so was der paw gegen orient und dem schönen luft von ziegelstainen und gegen dem regen und windt, [...], von holz [...] gemacht. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 9, 26 (noobd., 1347/50): wanne erd ist mer swer wann wazzer, und wazzer mer denne luft, und luft denne feur. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 292, 30 (oobd., 1349/50): auz pœsem luft und auz faulem aˆtem werdent priemen [eine Fliegenart]. Ebd. 343, 15: in dem laubapfel wirt ain würmel, dar an prüefent die luftsager oder die wetersager künftigez weter. Klein, Oswald 34, 25 (oobd., 1431/2): Das wasser, feuer, erd, lufft, wind, 兩 [...] 兩 gleich nicht der maget raine. Ebd. 104, 44: das marckt ich wol an aim gerün, 兩 das stob auss faulem lufft. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 577 (moobd., A. 15. Jh.): so haben si [verfluchten] hincz an den jungsten tag den lufft czu ainer stat also daz ir ettleicher in der helle sind vnd ettleich in den luften. Turmair 4, 373, 18 (moobd., 1522/33): [Das papier] an schnüer aufgehenkt und getrückent am luft under dem dach. Patocka, Salzwesen. 1987, 158 (1513): Im Lufftofen der Nahend bei dem veldort vmbher in das gfell krumb gepawt ist. Ebd: Nw sein i i dem Lufftofen gemess in gleiche hoch geseczt. die puttenstet i Ebd. 241 (1595): lufftgrabm weidt, / Geben dem feur Windt alle Zeit. Wackernell, Adt. Passionssp. H. II, 1070 (tir., 1514): Und soll am kreucz auf ghept werden 兩 In dy luft zbischen himl und erden. Ebd. St. II, 2152 (v. 1496): Er [Jesus] mues auf in den luft, 兩 Ob er noch begreyff vernuft. Benzenhˆfer, Rupescissa. Consideratione. 1989, 186, 35: blibet die lufft glich als ein gu˙ldin oley an des geschirres grunde; do du die lu´fft vnd dz wasser vß gedistillieret hast [hier: Destillationsprodukt bei der ’separatio elementorum’]. − Peil, a. a. O. 52, 269; Quint, a. a. O. 2, 200, 8; 612, 7; Reissenberger, Väterb. 6708; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 107, 22; Ralegh. America 6, 42; 22, 28; Knape, Messerschmidt. Bris. 35, 143; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 2176, 6; Gille u. a., a. a. O. 75, 28; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 174; v. Keller, Ayrer. Dramen 2358, 26; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 1795; Sudhoff, a. a. O. 8, 121, 39; P‰pke, Marienl. Wernher 3285; Wiessner, Wittenw. Ring 4225; 5616; Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 159, 29; Chron. Augsb. 9, 352, 11; Glatz, Chron. Bickenkl. 55, 21; Klein, a. a. O. 8, 34; 26, 67; Tur-

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mair 1, 393, 10; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 228; Schweiz. Id. 2, 1762. − Vgl. ferner s. v. aberwasser, abhellen, abher, abrufen 6, abtreiben 12, akzidenz 2, anhalt 1, 1 ar 1, atmen, auftun 1, aus 15, ausreuten 3, austag 2, begreifen 19.

luftader, s. luft. lüften, V. 1. ›etw. anheben und dadurch öffnen‹; auch: ›hochsteigen, flackern (vom Feuer)‹. Jostes, Eckhart 70, 21 (14. Jh.): daz feur ist stat, da ez luftet. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 107, 10 (osächs., 1570/7): so lüfte die rinden unter dem obern querschnitt mit einem glatten beinlein. Haage, Hesel. Arzneib. 9r, 13 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): So peut ich dir, plat [s. blat 5], [...], daz du dich luftest, daz daz mensch icht verderb. Adrian, Saelden Hort 6116 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): si luftet im daz hertz enbor 兩 und kan ze froden winken 兩 so es im well versinken 兩 wilunt von menigen sorgen. − Vgl. ferner s. v. impflein.

2. ›jm. etw. erleichtern, Nachsicht gegenüber jm. üben‹. − Wbg.: lüftung ›Nachlaß, Nachsicht hinsichtlich einer notwendigen Maßnahme‹. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 239, 22 (nürnb., 1464/ 75): das kein paumeister nichtz hinleihen soll von gelt noch anderem der stat zeug on wissen und willen eines erbergen ratz etc. des begert dann ein paumeister lüftung. Ebd. 239, 30: dar innen wirt dann einem paumeister geluft, also was er von zeug hinleich, das man das verpfendt. Ebd. 272, 7: ine [werckleut] aber nach dem vergangen und sweren krieg ettliche lüftung bescheen. − Rwb 8, 1495.

luftfalke, luftfar, luftfenster, luftgebäu, luftgrabe, lufthaspel, s. luft. luftig, Adj.; in allen Bedeutungen relativ schwach belegt, teils semantisch nicht sicher bestimmbar. 1. ›luftartig, vom Element luft her bestimmt‹. − Wbg.: luftisch (a. 1523). Helm, H. v. Hesler. Apok. 11259 (nrddt., 14. Jh.): Der ane stimme sprach: ,geschich‘ 兩 Zu allen creaturen, 兩 Sie sin irdisch oder vuren, 兩 Wazzeric oder luftic 兩 Oder himel guftic. Rupprich, Dürer 3, 296, 530 (nobd., 1528): allerley geschlecht der menschen an zu zeygen, welche feurig, lÈftig, wessrig oder yrdischer natur sind. Maaler 275v (Zürich 1561): Luftig / Lufftiger natur vnd ardt. Flabilis, Perflabilis, Ventosus, Aetherius. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 33, 4 (oobd., 1349/50): soˆ ist der gaist ain naˆtürleich luftig dunst, dar an daz leben steˆt. Hˆver, Bonaventura. Itin. A 246 (moobd., 2. H. 15. Jh.): als durch das kossten geend ein dy we¨ssrigen vnd nassen, durch das gehörn dye lüfftigen [leichnam ›Körper‹]. Ebd. 248: durch das schmeken so geend

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luftisch − lug

ein dye te¨mpfingen leyb, dy ettwas habend von der fe¨uchten natür, ettwas von der lüfftigen. Drescher, Hartlieb. Caes. 39, 34 (moobd., 1456/67): so wisset und merck das der erst o und wonung hymel ist der lu´fftig hymel. darinn die vogel irn flug haben. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 228.

2. ›mit Luft gefüllt; Luft enthaltend‹. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 236r, 10 (md./oobd., 1446/8): Aber ein luftic druß, dy / west von dem braden vnd von eczlicer / kalden materie auf der losten mit einer / sickung kranckenn matikeyt. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 38 (Genf 1636): LÈfftig / das viel lufft hat. Ebd. 40: Ein (lÈfftig) Gemach.

3. ›hoch in die Luft ragend‹. Schˆpper 75a (Dortm. 1550): Ae˘reus. LÈfftig hoch. Stackmann u. a., Frauenlob 1, 13, 13 (Hs. 2alem., 14. Jh.9): ich [Maria] bin uf geschozzen als ein luftic cederboum.

4. ›locker, luftdurchlässig‹. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 70, 17 (oobd., 1349/50): diu vierd [aigenhait an dem feur] ist, daz man ez [...] beschirmt mit üeseln und mit luftigem aschen. Ebd. 104, 5: daz [wazzer], [...] daz im hülzeinn rœrn gelaitet wird, ist aller pest, wan daz holz ist gar luftig.

luftisch, s. luftig 1. luftkind, luftleute, s. luft. luftloch, das. ›Öffnung in Gegenständen aller Art, die der Zufuhr von Luft, auch von Licht, dienen‹; im einzelnen z. B.: ›Luftröhre‹; ›Fenster‹; ›Pore‹; ›Lüftungsöffnung in einer Wand‹; ütr.: ›faule Ausrede‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: 1lug 1. Schˆpper 72a (Dortm. 1550): Fenestra. Fenster tagloch peie lufftloch. Luther, WA 10, 1, 1, 497, 2 (1522): das haben sie [Papst, Bischöfe] yhn selb dennoch eyn groß lufftloch gemacht, Sprechen, das [...]. Gagliardi, Dok. Waldmann 2, 100, 3 (halem., 1489): daz er [...] in sölicher gefenknüß kein ander balchen, noch luftloch nit haben. Maaler 275v (Zürich 1561): Lufftloch (das) Aestuarium, Spiramen, Spiramentum cauernæ. Haszler, Kiechels Reisen 313, 16 (schwäb., n. 1589): dann gemelte cappell kein fünster noch luftloch hatt, ausser deß thürlins. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 85, 13 (oobd., 1349/50): daˆ von durchgeˆt er [reif] diu klainen luftlöchlein an den frühten. − Patocka, Salzwesen. 1987, 214.

luftofen, luftpferd, luftreden, s. luft. luftror, das, luftröre, die. 1. ›Luftröhre‹. − Bdv.: vgl. atemader, atemkele, atemloch, lungenader, lungenror.

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Cirurgia H. Brunschwig 15rb, 5 (Straßb. [1497]): Würt er aber gestochen mit einem degen vnd hat weder spis noch luftrËr gerürt [...] so ist es ein kleine wund. Maaler 264v (Zürich 1561): Latwergen die man im mund zergon laßt wider die prÁsten der lufftrËren. Ebd. 275v: Das lufftror / Ein gurgel oder ror dardurch man athmet. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 17, 17 (oobd., 1349/50): daz ez [plat, epiglotis] wechselleich bedeck die sluntrœrn, die daz ezzen und daz trinken in den magen tregt, und die luftrœrn, die den luft zuo der lungen tregt.

2. „10 Fuß lang und 3 bis 5 Zoll starke Bäumel mit einzölliger Bohrung, die [...] zur Beibringung frischer Luft an die mit bösen oder matten Wettern erfüllten Belegorte dienen“ (so Patocka, s. u.). Patocka, Salzwesen. 1987, 158: Leiden Sy¨ vom Wetter vngemach, / Sein verhanden lufft rhör Zursach, / Mit Plaß Pölgen, treibt man den Windt.

luftröre, s. luftror. luftsager, luftsänger, luftsprung, s. luft. lüftung, s. lüften 2. luftvolk, luftzeichen, s. luft. lug, der / das; −/auch -er + Uml. 1. ›Fenster(öffnung)‹; vgl. 1lugen 1. − Bdv.: vgl. fenster, loch 1; vgl. 2beie, luftloch, lücke 4. 1

Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 115, 14 (Straßb. 1466): vnd ertunckelnt so sy sehent durch die lu´ger [Var. 14752−1518 / Eck: lËcher ; Luther 1545, Pred. 12, 3: fenster]. Niewˆhner, Teichner 326, 22 (Hs. 2moobd., 1360/709): waz da wechst und enphindet, 兩 daz mag durich gantz dinch nicht gan; 兩 ez muez luger und venster han. 兩 so vert der gaist durich gantzew ploch.

2. ›Sicht, Ausblick‹; zu 1lugen 1. − Bdv.: vgl. ausgesicht, gesicht 3. Schottenloher, Flugschrr. 73, 4 (Bamb. 1523): o 兩 Nach mir sy Drumb in ein strauch mich bald verschlug. o hetten wenig lug. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 96, 24 (oobd., 1349/50): alsoo daz des sterns schein ze mitelst durch den dunst ein luog haˆt gemacht mit seiner wirm und mit seinem schein.

3. ›Loch (durch einen Stein, eine Mauer); kleines Erdloch‹; auch: ›Pore, kleine Körperöffnung (der Bienen)‹; in dieser wie der folgenden Bedeutung auch von lücke 5 her motivierbar; vgl. lücke 2 im Rwb 8, 1490.

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lug − lüge

H¸bner, Buch Daniel 1563 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Abir gienc der kunic vort 兩 Zu disses ovens luge 兩 Sprechende schoner vuge: 兩 [...]. Gille u. a., M. Beheim 228, 24 (nobd., 2. H. 15. Jh.): er [widhopfe] da mit seinem snabel slug 兩 durch disen stain ein weites lug (Beispiel für lügen des Talmud). Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 291, 24 (oobd., 1349/50): der zehant dar naˆch ezzeich auf si [peinn] geuzt, so öffent sich die lüegel [Z. 23: lünsel, s. dazu klimse; spältel] und werdent wider lebentig zehant. Fuchs, Kart. Aggsbach 296, 9 (moobd., 1431): das sy ain chlains luegel als ain faustgrazz dasselb zenagst pey dem prunn durch ir weingartmaur unden albeg haben sullen. Winter, Nöst. Weist. 3, 420, 29 (moobd., v. 1578, Hs. 17./18. Jh.): wann ein markstein ausgeworfen würd, de solches thuet den soll man mit dem kopf in die lucken steken.

4. ›Tierbau; Grube, Loch; Schlupfwinkel, Versteck‹. − Bdv.: vgl. bau 15, grube 4. − Wbg.: luger 2 ›Grube‹, luggrube ›Spelunke‹. H¸bner, Buch Daniel 5411 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Vil rischlich er [Danyel] sich irbot 兩 So hin zu jeme luge. Niewˆhner, Teichner 155, 173 (Hs. 2moobd., o 1360/709): daz es [gewurm] in sein lueger [Var. B: lug] lauff, 兩 daz der mensch dann sicher slaff, 兩 so er leit in walden. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 121, 39 (moobd., 1. H. 15. Jh.): gleich sam ain plinter pei der nacht in der gantzen nacht [...], vnd nicht allain viel in zeprochne lueger vnd verfalnew, halt daz er sich laidiget statleich in ewen vnd gar geslechten wegen. Gierach, Märterb. 10577 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): do er [Siebenschläfer] cham hin in 兩 das er vor dem luege sach 兩 stain ligenn. Schmitt, Ordo rerum 34, 15 (oobd., 2. V. 15. Jh.): Spelunca lag grueb / liggrub / luggrüb [...] Vauerna kothe, [...] lach grunt oder grube [...] mortgrube]. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 53, 24 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Da lies des perges lug Decius gar vermachen. Turmair 4, 740, 13 (moobd., 1522/33): der [verräter] wie ein per in luegen des behamischen walds verporgen gelegen wär. − Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 143. 2

lug, s. lüge. lugban, lugbank, s. lüge 1 (+ Phrasem). lugdichter, s. lüge 1. lüge, lügen, die, 2lug, der ; -s/−; die femininen Bildungen mit ungefähr gleicher Häufigkeit belegt, die maskuline Form selten; Schreibungen der erstgenannten beiden Formen mit oder ohne Uml.; zu 2liegen (Schwundstufe); zu den mhd. Formen s. Lexer 1, 1978 f.; vgl. auch Dwb 6, 1266. − Die hier unter 1 und 2, teils auch unter 3 angesetzten semantischen Verdichtungen sind für die Wortbildungen mit lüge- teils durchaus, teils nur unsicher belegbar.

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1. ›Lüge, bewußt erdachte, dann ausgesprochene oder geschriebene bzw. durch den Druck verbreitete Äußerung einer Unwahrheit, falsche Aussage (als sprachliche Handlung, nomen actionis)‹; als Metonymien: ›falsche Aussage (nomen acti)‹; ›Verlogenheit (als Haltung)‹; fließender Übergang zu: ›Unwahrheit (als Faktum)‹. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: sunder lug / lüge (Verwahrformel); etw. mit dem lügenhütlein decken ›etw. mit Lügen verschleiern‹; von der lugbank kommen (auch zu 3 stellbar). − Bdv.: falsch, 2unwarheit. Ggs.: warheit9, jeweils mehrfach belegt. − Synt.: die / eine l. liegen / aufbringen / erdenken / (nach)sagen / hören / merken / gerne haben / suchen / drucken / schreiben / herauspressen (in der Folter), den lug fürgeben, jm. eine l. verweisen, in js. munde keine l. finden, viel rede lüge auslassen, eine l. mit einem grund anstreichen; l. (Subj.) färben, eine sünde, der sünde anfang sein, der warheit wiederstehen, sich selbst fressen, jm. einen zan ausstossen / den menschen uneren; etw. eine l. sein; der lügen (Gen.) rat werden, jn. der l. ausschreien; der l. (Dat.obj.) eine farbe anstreichen; an der ersten l. (nicht) sterben, auf eine l. ein backenstreich gehören, etw. für l. haben, die warheit in eine l. verkeren, mit lügen umgehen, heirat stiften, etw. mit einer l. bestätigen, vor einer l. nicht rat werden, jn. zur l. dringen, eine zusage zur l. machen; der geschwinde / lötige lug, die eitele / grosse / erdichtete / hübsche / lose / öffentliche / ungeschwungene / unverschämte l.; der zol, die kunst, das ziel der lüge(n). Wbg.: lugban ›Strafe für eine Lüge‹ (a. 1338; zum Gw vgl. 2ban 8), lugbank, lugdichter, lügenban ›auf Lüge beruhender Kirchenbann‹ (Gw. zu 2ban 12), lugenbar (bdv.: lügenhaft 1), lügenbuch (für den Alcoran), lügenbusse (a. 1561), lügenesel (bezogen auf den Papst), lügenfund, lügengeist ›Geist der Lüge, Falschheit‹; extensional auf Andersgläubige (Muslime) und Anderskonfessionelle (Schwärmer; Karlstadt, Müntzer) sowie für den Teufel und den Alcoran gebraucht; lügengerechtigkeit (Ggs.: gerechtigkeit 2), lügengesez, lügengot (für mammon), lügenküt-

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lüge

zel ›Lust zu lügen‹, lügenlefze, lügenmal, lügenmälig ›ein lügenmal tragend‹, lügenman, lügenmaul (dazu bdv.: lästerer), lügenreder, lügenredig, lügenreich (das), lügenteiding 1. ›Gericht über kleinere Vergehen‹ (a. 1599), lügenweise ›sich auf das Lügen verstehend‹, lügenwerk, lügeschneider ›Lügner‹ (16. Jh.), lügewort, lügfas ›Lügner, j., der voller Lügen ist‹, luggeselle, lugman, lugnerei, lugnis. Luther, WA 12, 486, 7 (1523): do mit wirstu auch eyn herr uber todt, teuffel, [...], nicht durch deyn lugen gerechtigkeyt. Ebd. 21, 242, 37 (1544): erstlich hat der LÈgengeist bald im Paradis solche sÈsse triegerey angefangen. Ebd. 379, 18 (1544): wie sich der LÈgen Geist, der Teuffel, auch in der Kirchen regen [...] wird. Ebd. 22, 273, 12 (1544): Christen, die [...] dem LÈgenGott Mammon dienen. Ebd. 318, 2 (1544): [die Welt] Decket und schmÈcket solchs [toben...] abermal auch mit dem LÈgen und Schalcks hÈtlin. Ebd. 30, 2, 384, 21 (1530): Wer die lÈgen nach sagt, der leuget noch seerer. Ebd. 502, 25: sonst mmËcht sie [Gemeine] betrogen werden und einen lÈgen bann an nemen und dem nehesten damit unrecht tun. Ebd. 506, 21: an solcher grewel stat lereten sie [Vertreter des Papsttums] die gauckel sunde, so widder jhr lÈgen gesetz geschehen waren. Ebd. 49, 134, 35 (1540): das er [Gott] jn aus des Endechrists LÈgenreich erlËset hat. Ebd. 53, 391, 32 (1542): das sie selbs nicht wissen, Welchs der rechte Alcoran oder das rechte Luegenbuch sey. Ebd. 54, 256, 2 (1545): solche lÈgen frisset sich selbs. Ebd. 34: Was wil hie zu der lÈgen Esel zu Rom sagen? Ebd. 476, 35 (1548): Sind bereit bey D. Luthers leben etliche LÈgengeister gewesen. Helm, H. v. Hesler. Apok. 6086 (nrddt., 14. Jh.): In deme paradise, 兩 Da der lugenwise 兩 Dieb der menscheite louc. Ebd. 6429: Der mensche ist lugenmelic, 兩 Do wider ist Got so selic 兩 Daz her nie lugenmal entpfienc. Ebd. 14519: Wenn sie da mite wunden 兩 Und uz iren lugen lefsen, 兩 So sie die wahrheit berefsen, 兩 Den ewigen tot hagelen. Ebd. 15188: Idoch wart her [tuvel] nie so stark 兩 Daz her icht geschaffen muge; 兩 Swer anders quit, daz ist ein luge. Reissenberger, Väterb. 33883 (md., Hs. 14. Jh.): Sie duchte ungehuwere 兩 Daz ieman spreche ein lugewort. Fischer, Brun v. Schoneb. 787 (md., Hs. um 1400): so vornemit ir daz ist gewisse 兩 di warheit an der lugnisse. 兩 daz wil ich nu lazen bliben, 兩 daz andir vorbaz schriben. Ebd. 4127: sus sprach Salomon war sundir luch. Ebd. 4480: di zwei heten vor den rucke 兩 zu einander gekart ane lucke. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 156, 15 (Köln 1582): Es mÈssen auch verstummen 兩 Die lÈgenmeuler bËs. Ebd. 161, 3: Die wort aus seinem bËsen munde, 兩 Sind eitel list, vnd lÈgenfÈnde. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 287a, 38 (Frankf./M. 1649): waß fÈr lÈgen vn˜ Vnwahrheiten vber sich selbst vnd andere / durch die schmertzen der Folter herauß gebresset werden. Jahr, H. v. Mügeln 126, 1873 (omd., Hs. 1463): die lügen, sünden anefank, 兩 der sintflut worden ist so lank. Sachs 18, 471, 12 (Nürnb. 1566): Herr, errette mein seel allein 兩 Von den lügenmeulern unrein. Ders. 21, 124, 12

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(1526): Die luegen-reder irren sich, 兩 Ir wueten gleicht der schlangen. Reichmann, Dietrich. Schrr. 253, 7 (Nürnb. 1548): Denn fleisch [...] / das behelt nun sein art / das es [...] jmmerdar mit falsch vnd lÈgen vmbgehet. v. Keller, Ayrer. Dramen 2807, 35 (Nürnb. 1610/8): du loser Mann! sag! warumm 兩 Dörffst mich mit Lügn also außschreyen? Barack, Teufels Netz 9402 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): So spricht er [müller]: ,Es ist übel erschossen, 兩 Und tuot ain lugi erdenken‘. Rieder, St. Georg. Pred. 2, 38 (Hs. 2önalem., 13879): hie merket man fu´nf hant lu´g die tËtlich sint, und dri die ablÁssig sint. Banz, Christus u. d. minn. Seele 935 (alem., 1. H. 15. Jh.): Es ist dem tu´fel nu´tz so gelich, 兩 Als der mensch, der da ist lugenrich. Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 8, 61, 19 (Straßb. 1522): du solt auch wider hËren das dich nit lustet / ich wil dir den lüginkützel wol vertreiben. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 73, 18 (Hagenau 1534): warheyt bleibt warheit / und man huete sich vor der that / der lugen wirt wol radt. Ebd. 341, 24: Auff eyn lÈgen gehËret eyn backenschlag. Ebd. 502, 11: Hette er sollen an der ersten lügen sterben / er were lengst todt. Ebd. 2, 7, 27 ([Augsb.] 1548): das der lugengaist in aller Propheten mund gewesen was. Ebd. 92, 22: Lugen ferben. Ebd. 94, 2: Er wirt vor ainer lugen nicht rot. Ebd. 21: Solt er an der ersten Lugen gestorben sein / so were er lange tod. Dasypodius 375r (Straßb. 1536): Lugenredig. Falsidicus, Falsiloquus. Roloff, Brant. Tsp. 330 (Straßb. 1554): Man truckt und schreibt on underscheydt 兩 Wol zehen lugen für ein warheyt. Schlosser, H. v. Sachsenh. 246 (schwäb., 1453): Ich sprach: ,du bist ain lügen vaß‘. Maaler 275v (Zürich 1561): Lug (der) Lugnerey / Lugenwerck / Ein eytele red. [...]. Geschwinder Lug. [...]. Lug erdencken. [...] Ein Lug fürgÁben / Eim liegen. [...]. Er ist überal nüt dann ein lËtiger Lug vnd trug. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 13 (Genf 1636): LÈgenmann / n. LÈgner / [...] Homo mendax. Jaspers, St. v. Landskron 95r, 31 (Augsb. 1484): So einem offenlich [...] fürgehalten wirt sein heimliche schulde vnd er laugent der. so gibt er mit seine˜ lauge˜ den andern czuo versteen. diser hab in verlogen [...] oder sey¨ ein lugtichter oder sei falsch. Henisch 230 (Augsb. 1616): Ein lug bedarff wol zehen dicht / Biß sie einer warheit nur gleich sicht. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 2, 17 (noobd., 1347/ 50): Ich wolt auch liegen also vil, 兩 Das nieman west der lugen zil. Niewˆhner, Teichner 315, 12 (Hs. 2moobd., 1360/709): chÈmpt man von der lug panch, 兩 so spricht wol ein weiser man: 兩 [...]. Ebd. 414, 20: der ist ein rechter lug gesell 兩 der ains ret und maint daz ander. Ebd. 42: aver der mir PraÈzzen zaiget 兩 wann ich vragt nach Elsazz, 兩 der ist recht ein lug vazz, 兩 wann der leuget mit gevaer. 兩 also taillent sich dw mÁr: 兩 wer da leugt mit fÈr satz, 兩 daz ist rechter lug schatz. Ebd. 564, 1256 (Hs. 2moobd., n. 14009): daz halt niemand achtet drauff, 兩 daz ers well fÈr laster han 兩 daz man haizzt ein lugman. Klein, Oswald 22, 55 (oobd., 1425): si(n)bel der nasen spitz, 兩 von lugern gross an lougen, 兩 sawmig, launiger witz. Kummer, Erlauer Sp. 3, 321 (m/ soobd., 1400/40): ich han als schıre ein lug gelogen, 兩 sam ein swalb von nest ist gevlogen. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 36, 12 (tir., 1464): got ist die warhait, vnd die lugen widerste¨t

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lüge

der warhait. − Luther, WA 2, 176, 35; 10, 2, 261, 36; 18, 73, 9; 190, 36; 201, 8; 30, 2, 124, 13; 125, 3; 36, 474, 29; 38, 30, 22; 45, 376, 7; 46, 60, 27; 50, 83, 32; Mieder, Lehmann. Flor. 484 ff.; Quint, Eckharts Pred. 1, 219, 6; Eggers, Psalter 4, 16; H¸bner, Buch Daniel 5514; Sachs 18, 253, 9; Koller, Ref. Siegmunds 188, 13; Chron. Strassb. 380, 26; Gilman, a. a. O. 1, 395, 30; 2, 56, 9; hail. altvÂter 105r, 2; Chron. Augsb. 3, 169, 15; 5, 279, 16; 280, 8; Barack, Zim. Chron. 2, 304, 35; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 274; 12, 7; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 12, 7; Schmitt, Ordo rerum 142, 17; Rwb 8, 1497; 1501; 1504; Schweiz. Id. 3, 1219; 4, 1386; 9, 1133; Schw‰b. Wb. 4, 1329; Öst. Wb. 2, 236. − Vgl. ferner s. v. anstreichen 3, apostat, auslassen 4, bauch 1, bedunken 2.

2. ›mit Betrugsabsicht verbundene oder nach dem Verständnis des Textautors einhergehende Lüge, betrügerische, auf Lüge beruhende Praktiken zum eigenen Vorteil‹; mehrfach auf die Machenschaften des Teufels oder (parteiisch) auf das Handeln des konfessionellen Gegners bezogen, im Unterschied zu 1 mit stärkerer Betonung der betrügerischen Handlungspraxis. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: (dem teufel) ins lügenloch kriechen ›[...] in den Hintern kriechen‹. − Bdv. (bzw. im Orientierungsfeld): abgötterei 3, alefanz 1−3, anschlag 4; 5, arglist, betrieg 1, betriegerei, betrug 1; 2, falsch(heit), has 1, kuppeln, list 4, neid, rank, teiding, vorteil. − Synt.: die / eine l. antrillen / brauchen / erdenken / merken / reden / tragen, die l. mit händen greifen; betrug und l. (Subj.) im schwank gehen, l. jm. wol tun, js. l. an einem dürren ast hängen, jn. in eine l. setzen, durch l. ere erlangen, mit l. alfanzen / gaukeln, mit der l. in der schlangen kommen, die kirche mit l. betriegen, etw. (z. B. die incorporatio) mit l. erwerben, das böse mit l. verdrücken, der teufel mit l. die nachttrüge bringen, um eine l. erschrecken, die warheit von der l. ausscheiden; die erdachte / falsche / feiste / gute / schändliche / ungeschwungene l.; die meister der lugen. Wbg.: lügende 1 (kontaminiert aus lüge und legende), lügender, lügenfare ›betrügerisches Verhalten‹, lügenfas (bezogen auf den Teufel), lügenfasten, lügenfest, lügenfeuer (bdv.: fegfeuer), lügengespinst (Bezug auf das bapsttum), lügenglaube ›Glaube anderer Religionen und Konfes-

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sionen‹, lügenhard (fiktiver Name), lügenkappe (bezogen auf das Mönchtum), lügenkirche, lügenkönig (auf Heinrich VIII. bezogen), lügenlist ›Heimtücke, Betrügerei‹, lügenloch (s. o. unter Phras.), lügenprediger, lügenpredigt, lügenrede, lugenspiel ›Falschheit, Hinterlist e. P.‹, lügensprache, lügentand, lügentaufe, lügentros, lügenvater (dazu phras.: das meiste salz mit dem lügenvater verzert haben ›am besten lügen / betrügen können‹). Schˆpper 4a (Dortm. 1550): Diabolus. Teuffel sathan Faland alte schlang vatter der lÈgen. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 32, 8 (preuß., M. 14. Jh.): want er [hemysche] tychtit gedanken zu vorterbene di semftmutigen mit lugenrede [Worms. Proph. / Froschauer / Eck: täding; Luther 1545: falsche worte]. Luther, WA 10, 2, 237, 18 (1522): das ich nicht ßo schendlich [...] yemand belogen hab, alß mich der lügenkönog von Engelland beleuget. Ebd. 17, 2, 325, 1 (1527): das nicht yemand sage, er neme die werck auch dazu, wie unsere lÈgenprediger ein gemenge machen. Ebd. 22, 198, 4 (1544): Das ist gewesen nicht eine lÈgen fasten (wie unsers Pfaffen [...] das mehr teil gewest). Ebd. 30, 2, 367, 3 (1530): das die Sophisten [...] jhr lÈgenpredigt, schande und grewel, da mit sie die Christenheit verderbt haben, jtzt durch viel geplerr, und geschrey unterstehen zuverbergen. Ebd. 369, 34: Das also dieser Text [...] widder jhr fegfewr, feilfeur odder lÈgenfeur ist. Ebd. 483, 37: Was ist des Papsts kirche fur eine kirche? [...] eine falsche lÈgen kirche. Ebd. 30, 3, 293, 26 (1531): Das Jungher Neidhard und Meister lugenhard jnn jrem neiden und liegen zu schanden worden sind. Ebd. 339, 12: Das ist Eine, und eine seer gute und feiste lÈgen, die man greiffen mus. Ebd. 31, 1, 492, 16 (1530/ 32): Der Christus ist kein nutz, Aber die falsche lugenkappe und platte die gilt. Ebd. 37, 176, 24 (1533): i. e. Einen lugen glauben, daran sie [..., Turcae, Papae] festec hangen. Ebd. 45, 377, 25 (1537): Eva aber hadt daß Recht lugen vaß, [...], den Teufel zcu einem leerer. Ebd. 50, 53, 26 (1537): das solchs rechte lügenden, erstunkene, Teufflische lügen [...] sind. Ebd. 54, 255, 25 (1545): das Bapstum sey [...] ein lÈgengespenst. Ebd. 260, 17: Darumb ist auch aus dem Bapstum nichts gutes komen, sondern verstËrung des Glaubens, LÈgenden, lesterliche AbgËtterey unser eigen werck. Ebd. 53, 513, 18 (1543): Recht ist jnen [Juden] geschehen, da sie dem Teufel ins schwartze, finster hinder Lügenloch kucken musten, und seinen stanck anbeten. Alberus, Barf. Vorr. Alb., 5, 22 (Wittenb. 1542): Erschrecken mus er [Christe] vmb der Vngeschwungen lÈgen vn˜ Gottes Namens Misbrauchs willen. Helm, H. v. Hesler. Apok. 5676 (nrddt., 14. Jh.): Mit diser lugensprache 兩 Vorloren sie [Juden] der werden namen. Ebd. 10256: den bosen cristen, 兩 Die mit irn lugen listen 兩 In der cristenheite rich sin. Ebd. 13609: Irretumes list her brichet 兩 Und scheidet uz die warheit 兩 [...] 兩 Von der irdachten lugene. Ebd. 14581: swa daz mac gevallen, 兩 Daz man mit lugen varen 兩 Truget under den waren. Kehrein, o Kath. Gesangb. 3, 131, 4 (Köln 1582): die losen buben

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lüge

all, 兩 Dern maul redt falschen lÈgentand. Fischer, Brun v. Schoneb. 1689 (md., Hs. um 1400): der stein bezeichent den gelouben, 兩 [...] 兩 her ist gut vor di nachttrugene 兩 di der tubel brengit mit lugene. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 128, 20 (rhfrk., um 1435): da rannte er der konnigynne snellich noch / [...] / das er sye noch bij dem borne sitzen fant / Markair erdrachte da eyn groß lügen vnd sprach [...]. Stambaugh, Milichius. Zaubert. 4, 11 (Frankf./ M. 1563): daß den Widersprechern und LÈgenpredigern auß der Schrifft inntrag geschehe / und ire verfÈhrische irthumben widerlegt werden. Ralegh. America iiijr, 27 (Frankf. 1599): daß man durch LÈgen vnd Betriegerey keine sonderliche Ehr vnd einen guten Namen kan erlangen. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 356a, 17 (Frankf./M. 1649): welcher vnder jhnen beyden mËchte wol das meiste Saltz [...] mit dem LÈgenvatter dem Teuffel verzehret haben. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Joh. 8, 44 (osächs., 1343): wanne her [tuˆfel] redet, soˆ redet her lugene. B¸hrer, Kl. Renner 287 (nobd., Hs. um 1480): Wer sein dingck nun wol kan geschmucken 兩 Vnd das bose kan verdrucken 兩 Mit sweren vnd mit lugenne 兩 Vnd mit mangerley betrigunge. Gille u. a., M. Beheim 119, 85 (nobd., 2. H. 15. Jh.): der teufel kam halt mit der lüg 兩 in der slangen, daz ere 兩 Menschlich v Kurz, Murner. gesleht peraubet 兩 der untätlichen glory hach. Luth. Narr 1922 (Straßb. 1522): Wie wir das ewangelium 兩 Vnd allein die warheit sagen, 兩 Vnd alle andern lügen tragen. Ebd. 2100: WËlt ir die gantz welt reformieren, 兩 Vnd wËlt den lügentroß vmb fieren. Anderson u. a., Flugschrr. 9, 8, 2 ([Straßb.] 1524): zuo beschirmen die / so inen das wort gottes [...] lauter anzeyge˜ / hye gond zuo grundt Cortisane˜ / Pe˜nsioner / Jncorporierer / Absentzer / Luge˜der vn˜ traume˜schwetzer. Klein, Oswald 4, 15 (oobd., 1421): lug, hoffart, spot, hass, zoren, neid 兩 götliche liebe nicht melt. Ebd. 39, 18 (um 1426?): Spil, fremder hab wird ich nicht vol, 兩 zobri, lüg, untreu tüt mir wol. Ebd. 62, 36: das machen neur 兩 der melder lugenspil (1417?). Gereke, Seifrits Alex. 676 (oobd., Hs. 1466): der jung herr gedacht wie er in betrÈg 兩 und in seczet an dew lug. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 15, 13 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): und [er] hett nun mit lugen und listen petrogen dye heyligen Romischen Kirchen. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 7, 17 (tir., 1464): Die maister der lugen die sagten da czwiträchtikhait in mannigseltiger pre¨dig oder le¨re. − Luther, WA 22, 240, 28; 32, 303, 4; 53, 391, 39; Kehrein, a. a. O. 2, 396, 29; Gille u. a., a. a. O. 228, 1; Koller, Ref. Siegmunds 118, 37; Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 45, 4; Chron. Augsb. 4, 238, 11; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 228. − Vgl. ferner s. v. alefanzen, antrillen, ärglich, aufsaz 9.

3. ›als unwahr abgewertete Erfindung, Produkt der Phantasie, Gespinst zum eigenen Vorteil und damit zum Schaden, zum Betrug der anderen‹; mehrfach gegen die Fiktion literarischer Werke, auch gegen volksreligiöse Aussagen sowie Wundergeschichten der Kirche gerichtet. − Bdv. (bzw. im Orientierungsfeld): erdicht, fabel,

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märe, posserei, schwank, traum. − Wbg.: lügelied, lügenberg Name eines fiktiven Bergs, auf dem sich Lügner aller Art (z. B. erenlügner, rumlügner) aufhalten, lügende 2, lügenfabel, lügenglocke fiktive Glocke, lügenmeister, lügenmirakel, lügenrum, lügensagen, lügenschmied, lügenschwank, lügenteiding 2. ›erfundene Geschichte‹, lügentand, lügentrager ›Lügenbeutel‹, lügenwerk 2 (dazu bdv.: fabel), lügner 3. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 81, 31 (o. O. 1524): man findt klerlich in der lügend des heiligen sanct Brandons, wie er etliche jar auf dem mör gefaren und ganz seltsame wunder erfaren. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 105, 31 (Köln 1582): da [-ordnungen] hat man in die gesenge mit eingeflicket den vngegrÈndeten nerrischen lÈgenrum, als sei bisher die liebe warheit vnd Gotteswort aus der welt gewesen. Ebd. 3, 152, 12: Denn falsche zeugen listiglich 兩 Sind auffgetretten wider mich, 兩 Vnd reden was sie dÈrffen dencken 兩 Von lÈgenschwencken. Luther, WA 12, 413, 26 (1523): drumb sind yhenis eyttel lÈgen teding, und die junckfraw darff des falschen erdichten lobs nicht. Ebd. 21, 191, 4 (1524): was man halten sol von den waren wunderzeichen, [...] auch von den lÈgen Mirakeln, da die Papisten mit bestetiget haben, was [...]. Ebd. 30, 1, 140, 9 (1529): wenn falsche prediger auffstehen und yhren lügentand fur Gottes wort dargeben. Ebd. 30, 3, 313, 24 (1531): Solcher schendlicher lugenfabel haben die Munch und Pfaffen so viel bucher vol geklickt, das [...]. Ebd. 50, 74, 8 (1537): Jnn Sanct Sylvesters Lügenden, welche ein ausbündiger Lügenmeister ertichtet hat, stehet [...]. Ebd. 50, 453, 28 (1530): So wËllen wir sie [Warheit] schmüËcken und unter einer lÈstigen LÈgenfarbe und lieblichen Fabeln kleiden. H¸bner, Buch Daniel 7944 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Wand er mit lugen sagen 兩 Uf uns gerne brechte haz. Voc. inc. teut. p iijr (Speyer um 1483/4): Luge˜trager Nugigerulus [...] nugifer. Dedekind/Scheidt. Grob. 203, 9 (Worms 1551): So magstu auch wol lügen dichten / 兩 Nachreden vnd die leut außrichten. Lichtenstein, Lindener. Katzip. 206 (o. O. 1558): man mu´ß nit [...] den fabeln glauben, die von alters die götzenknechte her erzelet haben und lügen gesagt [...]. Unnd haben eben von der badenmagdt unnd dem Demel gantz und gar nichts in der heyligen schrifft, und halt es für ein lauter lügen- unnd lumpenwerck. v. Keller, Amadis 7, 29 (Frankf. 1561): weil solche [Bücher] Fabeln vnd erfundne sachen in sich halten, gleich als lügenwerck zu ruck stellen. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 305, 18 (Frankf. 1563): welcher von wegen seiner unglaublichen rede und possereyen der lugenschmid genennet war [es folgt die Geschichte von einem durch ein Falltor getrennten Pferd; IweinTradition]. Opitz. Poeterey 9, 32 (Breslau 1624): Sie [Poeten] wissen ferner viel von jhren lÈgen / Árgerlichen schrifften vnd leben zue sagen. Sachs 5, 325, 1 (Nürnb. 1533): Spruch oder schwanck von dem Lügenberg. [...] Kam ich zu eym gebirge hoch, 兩 Der war der Lügen-berg genandt. Ders. 332, 27: Der berg hat ein grossen zu-gang 兩 Von Christen, Türcken, Juden und haiden, 兩 Von herren, knechten, frawen,

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lügelied − lugen

mayden, 兩 Die all noch zu euch auffhin wöllen, 兩 Inn lügen sich zu euch gesellen, 兩 Mit euch die lügen-glocken scheln. Franck, Klagbr. 231, 19 (2wohl Nürnb.9 1529): das es [fegfeur] eitel blosse lÈge vnd erdicht der geystlichen sey / mit der sy vns auffsetzen. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 444, 34 (Hagenau 1534): Was sagstu von trewmen / trewme sind lÈgen / es hat (m)ir wol getrewmet daß under jhenem grossen baume [...] eyn grosser kessel mit geld begraben sey. Schorer, Sprachposaun 11, 17 (O. O. 1648): Complimenteur, ein prÁchtiger hËfflicher Reder / Großsprecher / ein rechter Auffschneider vnd LÈgner. B‰chtold, N. Manuel. Bic., 26, 19 (Bern um 1590): Du nennst uns allzit Heine 兩 in dinem lugelied. Turmair 1, 236, 16 (moobd., 1528): Es steˆn in der lugent drauß zu Weich S. Petter noch wol meˆr lugen, als das [...]. Ebd. 4, 811, 25 (1522/33): gaben erzelt geistlich väter auch ursach den unglaubigen, lug zu erdichten von den unschuldigen christen: [...] war die g’main sag, wie die christen junge kinder abtäten. Ebd. 818, 27: dichten si [leut] ein luge, machten etlich vers [...] für sich, die solten von götlichem mund einem geoffenbart sein worden. − Gilman, a. a. O. 1, 442, 2; 445, 8. − Vgl. ferner s. v. 2anliegen 1.

lügelied, s. lüge 3. kügeln, s. 1lugen 3. lügen (die), s. lüge. lugen, V.; zu mhd. luogen ›sehen‹ (Lexer 1, 1987). 1. ›sinnlich sehen, mit den Augen wahrnehmen; wohin sehen, blicken, schauen‹; als Synekdoche: ›beobachten, wahrnehmen‹, teils Tendenz zu: ›(jn. / etw.) lauernd, heimlich beobachten, (auf jn. / etw.) spähen‹, mit dieser Nuance offen zu 3. − Phras.: jm. unter die augen lugen; jm. auf die eisen lugen ›jn. scharf beobachten‹ (eigentlich: ›die Fußspur des Reiters betrachten‹) im Ggs. zu: jn. an einem strohhalm weisen ›jn. sanft führen‹. − Bdv.: ansehen 1, gutzen 2, schauen, sehen, warnemen. − Synt.: abs.; hin und wieder, hin und her, um sich l.; j., der teufel l. als [...]; js. (z. B. des anderen) l.; auf etw., in das grab, in den -ofen, zum fenster heraus l., j. l., ob [...] / wen [...] / wie [...] / wo [...], die schule (Subj.) l., wie [...]; auch als Interjektion: lug! Wbg.: luger 1, luginsland ›hoch gelegener Aussichtspunkt‹. Schˆpper 30b (Dortm. 1550): Videre. Sehen lugen schauwen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 658, 4751 (Magdeb. 1608): Fragt / ob er kem zur Fastnachts frewd / 兩 Oder wolt luegen wie es thut / 兩 Wenn durch das weiß flËß rotes

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Blut. Quint, Eckharts Pred. 1, 88, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): noch duˆ geluogtest nie in disen einvaltigen grunt einen ougenblick. Ebd. 287, 1: Swaz der seˆle in dirre werlt ist oder in dise werlt luoget und swaˆ ir iht begriffen ist und uˆzluoget, daz sol si hazzen. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 686 (mrhein., um 1335): Hie sint zwei swert, lug. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 10, 3 (Hs. 2omd., 14659): In der natur würken hastu nicht gesehen, in die mischung werltlicher sachen hastu nicht geluget, in irdische verwandelung hastu nicht gegutzet. Fastnachtsp. 633, 9 (nobd., 15. Jh.): Sie liept mir mer, denn steigen auf den Luginslant. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 517, 15 (els., 1362): Do o er in einen bachofen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, von luget o [Var. 1483−1518: 220, 18 (Straßb. 1466): Sich vnd lug schawe; Luther 1545, Hiob 35, 5: Schaw] an den hymel: vnd schauwe die sternen. Cirurgia H. Brunschwig 25ra, o o 21 (Straßb. [1497]): So lug ob das plutt vsz gang oder flicsz vß den venis cappillaribus. Fuchs, Murner. Geuchmat 4817 (Basel 1519): Er laßt sich an eim strohalm wysen, o sy [frouw Venus] jm vff ysen. Luginb¸hl, 兩 So eben lugt Brennwalds Schweizer Chron. 2, 414, 14 4 (halem., 1508/16): Als si das vernamend, woltend si nüt lenger belio Wyss, Luz. Ostersp. ben, sunder heim zuo dem iren lugen. 10481 (Luzern 1543): wir wend inhin gan 兩 vnnd lÈgen, wo er syg, der helig man! Maaler 276v (Zürich 1561): o o o Videre. SÁhen [...]. Sich Lug Lug. Ecce Aduerb. deLugen. o [...]. monstrandi: [...]. Einem dËrffen vnder die augen Lugen o o [...]. Mit den augen hin vnd wider Lugen. Hin vnd har Lugen. o [...]. Wenn du jnen in das angesicht Lugst / dunckend sy einen from˜ leüt sein. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 141, 11 (oschwäb., um 1413): Wer dem andern nachgaut oder des o Sappler, H. Kaufringer 30, 2 (schwäb., Hs. andern luget. 1472): Man sicht auf erde wunders vil, 兩 wer des eben luogen will. Ebd. 16: an den schuohen tragentz lange spitz; 兩 die gaffent auf in solicher witz, 兩 das sie iren herren sehent an 兩 und luogent, wie er sei ain man. Chron. Augsb. 2, 251, 27 (schwäb., Hs. 16. Jh.): die von Fridperg [...] santen ir kuntschaftleut und ließen sie luegen, ob in icht begegnen wolt, das ir fueg wär. Ebd. 8, 406, 12 (zu 1552): hat man angefangen, den graben bei dem Lueginslandt [...] machen (zu) lassen. Weitz, Albich v. Prag 146, 18 (Hs. 2oobd., A. 16. Jh.9): wolt die geschwulst also nit vergen, so schneid sy o auff vnd lug, ob kain ledig pain dar jnn sey. Welti, Stadtr. Bern 452, 31 (nalem., 15. Jh.): vnd sol och enkeiner vff o i spil niemans luger sin, noch ouch nieman vff spil nutzit lichen. Turmair 4, 971, 27 (moobd., 1522/33): Kaiser Probus entwich in ainen gar hohen weiten turn, [...], den het er für ain wart und lueginsland pauen lassen. v. Maren, Marquard. Ausgabe 33, 19 (Venedig 1483): wan sie [maria] begert noch lÈget nicht vmb sich vnd redt ein wort nicht mit nyemant. − Quint, a. a. O. 2, 588, 3; Oorschot, Spee. TrvtzN. 57, 20; Goedeke u. a., Liederb. 343, 91; Rohland, Schäden 5, 471; Sappler, a. a. O. 7, 114; 14, 380; Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 60, 13; 318, 13; Chron. Augsb. 5, 318, 13; Klein, Oswald 70, 35; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 145; Schweiz. Id. 3, 1221.

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lugen

2. ›aufmerksam zusehen, aufpassen; auf etw. bedacht sein, achtgeben, daß [...], dafür sorgen, daß [...], sich vorsehen, daß nicht [...]‹. − Phras.: dem ende nicht lugen ›nicht auf das Ende achten‹; seiner schanze, auf seine schanze lugen ›auf sein Glück, seinen Vorteil achten‹. − Bdv.: achthaben 2. − Synt.: js. fal l. ›auf js. Nachteil bedacht sein‹; l., das [...] / wie [...] / was [...] / welcher [...]; auf etw. (z. B. auf den irsal), für sich, zu etw., zu sich selber l.; fleissig l. Enders, Eberlin 2, 127, 34 ([Wittenb.] 1524): aber lÈge, das du dir selbst nit lÈgest. Quint, Eckharts Pred. 1, 74, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): Daz duˆ ez im allez gebest eigenlıˆche, soˆ luoge, daz duˆ dich under tuost in rehter deˆmüeticheit under got. Gille u. a., M. Beheim 239, 90 (nobd., 2. H. 15. Jh.): lugt, wie ir mogt wider ston 兩 den ungetafften hunden (bezogen auf die Türken). Mayer, Folz. Meisterl. 35, 3 (nobd., v. 1496): Wer heilsamkeit beger, 兩 Der lug das er sich nit verschult. Turmair 1, 320, 23 (Nürnb. 1541): wiewol wir uns für witzig und heilig halten und achten und doch daneben ein jeder auf sein schanz luget. Rieder, Gottesfr. 106, 15 (els., 1380): so tuto not, daz ieder mensche zuo o wie daz er sinen sattel erwere. Spanier, Murime selber luge, o ner. Narrenb. 29, 43 (Straßb. 1512): Er [iurist] lugt, das er ein andern hab, 兩 Der im die sach gewunnen geb. Roloff, Brant. Tsp. 526 (Straßb. 1554): Wen glück sefftigkich ano o und halt sich wol inn hut. Bachmann, lachen thuto 兩 Der lug Morgant 171, 15 (halem., 1530): wenn ein frow etwaz inn wyllen hat zethuon, so luoget sy dem end nu˘t. Maaler 276v o für dich / vnd tracht was du handlest. (Zürich 1561): Lug o o / das wil ich versÁhen. [...]. Du [...]. Darzu wil ich Lugen o Adomatis u. a., J. Muwirst zuo meinen dingen wol Lugen. o o lug und goum dich rer. Zorob., 521 (o. O. um 1575): Lug vor dem wyn. Bauer, Geiler. Pred. 473, 24 (Augsb. o 1508): Lug auch das sich nit einmüschen üppige unnutze wort. Chron. Augsb. 3, 194, 21 (schwäb., E. 15. Jh.): sunst o ward nichts ausgericht, dann ieder man lugt des andern fall. o Ebd. 4, 223, 22 (v. 1536): sie wellen lugen, daß (sie) ires o hauptguts und der schäden einkommen. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 198, 3 (schwäb., v. 1542): die zwen fursten lugten die nacht irer schantz und namen den forteyl ain, die die kuniglichen am abent gehant hetten. Klein, Oswald 40, 42 (oobd., um 1426?): frau, ich solt lügen auf mein schanz, 兩 das ich den warner nicht versawm. − Enders, a. a. O. 3, 32, 36; Schade, Sat. u. Pasqu. 2, 174, 325; Dedekind/Scheidt. Grob. 187, 28; 202, 14; 217, 19; Sachs 5, 248, 18; Lauchert, Merswin 15, 17; Fuchs, Murner. Geuchmat 2014; Schmidt, Rud. v. Biberach 11, 18; Wyss, Luz. Ostersp. 5134; 7462; Bauer, a. a. O. 472, 7; Fischer, Eunuchus d. Terenz 68, 3; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 228. − Vgl. ferner s. v. irsal 2.

3. ›auf etw. aufpassen, die Einhaltung von etw. überwachen, etw. prüfen, kontrol-

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lieren‹. − Meist obd.; Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken. − Wbg.: lügeln.

Koller, Ref. Siegmunds 251, 39 (Hs. 2Basel, um o 14409): Nuo luge yederman, wie es umb all sachen stand, das nüt in siner ordenunge stat. Merk, Stadtr. Neuenb. 120, 20 (nalem., 1616): es seie ihme dann vergunnt, [...] alle nächt zue den toren zue lugen, ob die beschlossen seien. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 204, 6 (Straßb. 1522): und o was den gantzen Tag hin und her gelauffen und het gelugt, das o alle Ding recht zugiengen. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 49, 7 (whalem., 1484): da hat man lu´t darzuo geordnet, o die daruf [ordnungen] lugen solten. Schib, H. Stockar 101, 14 (halem., 1520/9): [ich] gieng in 5 kilch(en) und lugett, war die bylder hin warend kun. Maaler 275r (Zürich 1561): LÈglen vnd aufsÁhen. Inspectare. Rennefahrt, Gebiet Bern 99, 20 (halem., 1626): söllend unsere amptlüth o unsere räben [...] besichtigen und lugen, ob dieselben [...] in eheren gehalten und buwen werdint. Dirr, Münchner Stadtr. 580, 18 (moobd., 1380): Daz ir alle kramen und chaufm(anschaft), [...], beschawt und datzu lÈgt, daz iede(m)man recht geschech. Winter, Nöst. Weist. 3, 122, 43 (moobd., 1441, Hs. 1565): do sollen die richterknecht auf warten und luegen. − Lexer, Tucher. Baumeisterb. 209, 6; Bernoulli, Basler Chron. 6, 371, 18; Welti, Stadtr. Bern 484, 24; Chron. Augsb. 5, 20, 4; 183, 7; 9, 232, 6; Winter, a. a. O. 4, 230, 30. − Vgl. ferner s. v. abweisen 3.

4. ›sich nach etw. / jm. umsehen, Ausschau nach etw. halten, etw. zu beschaffen, jn. heranzubringen suchen‹. Michels, Murner. Badenf. 17, 56 (Straßb. 1514): [Das o sie] daran kein zwifal drugen, 兩 Got wirt in vmb belonung o lugen. Bachmann, Haimonsk. 37, 11 (halem., 1530): Luogend mir umm dis guot pfert; dann enttru˘nt das mir, so wyrd ich niemmer mer frölich sin. Ebd. 219, 27: so verheyssen ich u˘ch, daz ich uns umm spyß luogen will. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 297, 4 (halem., 1534/5): das man voran / an denen von Zürch wett vermogen / sich und den Zwinglin / uff ein unpartyig end zuo eyner disputatz zebegeo ben / dann wete er um d(octor) Eggen ouch lugen. Maaler o 276v (Zürich 1561): Vmb gält Lugen. Comparare argentum. − Schweiz. Id. 3, 1223.

5. ›etw. überlegen, betrachten, über etw. nachdenken‹. Gille u. a., M. Beheim 195, 163 (nobd., 2. H. 15. Jh.): lugt er czu perg, da sicht er cler 兩 das himlisch vater lande. Reichert, Gesamtausl. Messe 8, 24 (Nürnb. um 1480): Priester lug und besich dich selbs, zu was diener du gegeben seyst durch aufflegung der hende des bischofs. Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 9r, 26 (Zürich 1521): Nun o laß vns lugen / was hat den sun gottes von dem himel vff erd gezogen.

6. ›hervor-, herausscheinen (von Edelsteinen)‹; als Ütr. zu 1 auffaßbar.

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lügen − lügenfabel

Helm, H. v. Hesler. Apok. 8070 (nrddt., 14. Jh.): Uzer den [cronen] sach man lugen 兩 Manich edele gimmen. 1 lügen, V., unr., abl.; Zusammenfall der Brechungsschreibungen, auch deren analogisch gebildeter Infinitivformen von 2liegen (vorw. alem.) und analogisch zu lüge sowie dem zugehörigen Wortbildungsfeld gebildetem lügen (17. Jh.). ›lügen, die Unwahrheit sagen‹. o Mieder, Lehmann. Flor. 487 f. (Lübeck 1639): Lugen henckt an einander / wie Sand. [...]. Mancher wolt nicht gern lÈgen, wenn [...]. LÈgen lÁßt sich nicht zusammen leymen. Opitz. Poeterey 8, 31 (Breslau 1624): Hat also Strabo vrsache / den Eratosthenes lÈgen zue heissen. Grimm, Weisth. 5, 170, 21 (halem., 15. Jh.): welher den andern frefenlich haisset lügen [...], der [...]. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 295, 12 (halem., 1521): WËlcher uff den andern lügt, das nit die ere berÈrt, und er inn mit recht o vertiget, so soll ers dem richter ablegen mit einer buß, und dem sÁcher ouch. Maaler 275v (Zürich 1561): Lügen / Mit luge vmbgon. Ementiri. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 102, 20 (oschwäb., 1338): er mag vuri daz geriht gan [...] und sprechen: ich lÈgen nit, ich habs getan. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 28, 22 (schwäb., 1574): welcher im ampt Althain den andern lüegen haist, der kompt umb ein klainen frevel. − Harsdoerffer. Trichter 3, 331, 1.

2

lügen, V.; statt -g- im Hiat auch -h-, -j-, -w-; zu mhd. lüejen ›brüllen‹ (Lexer 1, 1976). 1. ›den je arttypischen Schreilaut mit auffallender Lautstärke ausstoßen‹, ütr. auch vom Menschen gesagt; im einzelnen z. B.: ›brüllen (vom Löwen)‹; ›schreien (vom Rind)‹; ›quietschen (vom Schwein)‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: bellen 1, blöken, brimmen, brüllen, gauchen, greinen 2, heulen 1, 1kerren, limmen, muhen, negen, schreien. − Wbg.: lügung. Helm, H. v. Hesler. Apok. 8397 (nrddt., 14. Jh.): Dar lutet her [lewe] so grimme 兩 Daz von siner stimme 兩 Werdent lebene sine kint. Ziesemer, Proph. Cranc Joel 1, 18 (preuß., M. 14. Jh.): daz vi hat irsufzit, di rinder haben geluttet [Worms. Proph. 1527: seind ... verirret; Dietenberger 1534: schreien; Luther 1545, sehen kleglich], das sie nicht weyde hatten. Stackmann u. a., Frauenlob 1, 12, 14 (Hs. 2alem., 1. H. 14. Jh.9): ich [Maria] binz die stimme, do der alte leo lut 兩 die sinen kint uf von des alten todes flut. Ebd. 5, 34, 5 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): so sol ein lewe limmen, 兩 und der ber sol brimmen 兩 dem ochsen lün, dem rosse zimt, negen nach der stimmen. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. 6, 11 (osächs.,

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1343): daz andere bezeichent Marcum in dem des lewin o o stimme in der wustenunge wirt luwinde gehoˆrt. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 18, 106 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): O laider des jemerlichen hewlens und luens, das erhellen der claffenden czen, das unordenlich schreien und sewfczen. Vetter, Pred. Taulers 324, 2 (els., E. 14. Jh.): der löwe, wenne er lÈget mit seiner stimme, so [...]. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 158, 14 (Straßb. 1466): Lu´wet [Var. 14752−1518: Schreyet; Froschauer 1530 / Dietenberger 1534: blöken; Luther 1545, Hiob 6, 5: schreiet] denn der wild esel so er hat das kraut: oder muet der ochs so [...]. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 338, 23 (els., 1362): Der ohse lÈget nu´t so er vor einre vollen kripfen stot. Bachmann, Morgant 227, 34 (halem., 1530): do ward sy gar unsinig und lüeget wie ein touber stier. Maaler 310v (Zürich 1561): Das lÈyen der Ochsen oder kÈyen. Barack, Teufels Netz 9395 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): kelber und swin, 兩 Die tuond lügen und grinen. Schmitt, Ordo rerum 179, 2, 6 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Boatus clamor bouis luegung. − Sachs 16, 224, 18; Vetter, a. a. O. 321, 16; Lemmer, Brant. Narrensch. 108, 50; Wiessner, Wittenw. Ring 1436; Barack, Zim. Chron. 3, 307, 18; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 159, 27; Maaler 275r; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 228.

2. ›toben, wüten, Kriegsgeschrei ausstoßen (vom Menschen im Zustand der Aggression, des Zornes; auch vom Teufel)‹; ütr. vom psychischen Zustand (z. B. von ernst, ungeduld) gesagt. − Bdv.: plärren 2, prieschen, schreien.

Stackmann u. a., Frauenlob 5, 63, 15 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): swa ernest lut 兩 gein ernste frut. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 338, 25 (els., 1362): So die kripfe des herzen vol ist gottelicher gnoden, so ist gelegen daz lÈgen alles vngetuldes. V. Anshelm. Berner Chron. 2, 124, 16 (halem., n. 1529): hat her Burkhart von Randeck [...] die buren gemustret, und im umziehen gegen Kiessenhofen lassen lieien und pleren. Ebd. 4, 141, 16: da was ein grosser huf [...], so die ganzen nacht gelÈegt hat. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 387, 13 (halem., 1534/5): wie der wÈttend vyend / [...] tag und nacht um gieng / lÈjen / wÈten / schryben / posten / trucken / [...] / durch sin jnstrument Zwinglin. Ebd. 486, 12: Und alls die schrifftt vermag / gieng wol der tüfel umm o alls ein wÈttender lËw. SapplÈjen / prieschen / und suchen ler, H. Kaufringer 11, 495 (schwäb., Hs. 1464): er [Seifrid] was gar sere wund. 兩 als ain kuo er schrai und luot. − Fastnachtsp. 538, 10; Jˆrg, a. a. O. 806, 24.

lügenban, lügenbar, s. lüge 1. lügenberg, s. lüge 3. lügenbuch, lügenbusse, s. lüge 1. lügende 1; 2, s. lüge 2; 3. lügender, s. lüge 2. lügenesel, s. lüge 1. lügenfabel, lügenfarbe, s. lüge 3.

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lügenfare − lügenhard

lügenfare, s. lüge 2. lügenfas, lügenfasten, lügenfest, lügenfeuer, s. lüge 2. lügenfund, lügengeist, lügengerechtigkeit, lügengesez, s. lüge 1. lügengespinst, s. lüge 2. lügenglaube, s. lüge 1. lügenglocke, s. lüge 3. lügengot, s. lüge 1. lügenhaft, -haftig (letztere Form etwas häufiger), Adj. 1. ›verlogen, lügend (vom Menschen, seinen Handlungen und seinen Sprechorganen, auch vom Teufel gesagt); falsch, unwahr (von sprachlichen Äußerungen); als erlogen erkannt‹; zu lüge 1. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: erlogen, verlogen, falsch, heissig, lugenbar, lügenlich, verdächtig; vgl. lugenspreche. Ggs.: war(haft). − Synt.: j. (auch Jesus) l. sein, j. l. werden ›der Lüge überführt werden‹; lügenhaftig(lich) reden / schweren; 2jn. l. erfinden / erkennen / anzeigen9, jeweils: ›als verlogen erkennen‹ usw.; der lügenhaftige (subst.) etw. erhören; der lügenhaft(ig)e arzet / geist / eid / fund / lerer / mensch / mut / trost, die lügenhaft(ig)e trugsal / zunge, das lügenhaft(ig)e gespräch / maul / wort. Wbg.: lügenhaftigkeit. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 285, 29 (Wolfenb. 1593): Da sihet man gleichwol, Was böse Meuler, vnnd lügenhafftige Zungen ausrichten könen. Helm, H. v. Hesler. Apok. 23153 (nrddt., 14. Jh.): Lugenhaftes mundes wort 兩 Sint der armen sele mort; 兩 We du lugenhafter munt, 兩 Du bist des grimme trachen slunt! Luther, WA 7, 657, 17 (1521): Der heyssig und lugenhafft geyst hatt dich trieben. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 191, 2 (Köln 1582): Es sollen deine feind auff erden 兩 Mit schanden lÈgenhafftig werden. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 382a, 37 (Frankf./M. 1649): Andere seind eines beschreyete˜ Ansehens / od’ einer beschreyte˜ verdÁchtigen LÈgenhafftigkeit vn˜ Meinayds. Neumann, Rothe. Keuschh. 5236 (thür., 1. H. 15. Jh.): so dodit der lugenhafftige mund 兩 des menschen sele zu aller stund. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 216 (Nürnb. 1517): „Do das der lügenhaft erhöret“, sprach er [schlang], sie würden mit nichte sterben, sunder vilmer got gleich werden. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 256, 35 (els., 1362): Die iuden sprochent och er [Jesus] were lugenhaft. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 10, 115, 19 (Straßb. 1466):

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vnd wird kumen zuo dem haus des diebs vnd zuo dem haus des schwerenden in meinem namen lugen haftiglichen [Luther 1545, Sach. 5, 4: felschlich schweren]. Ebd. 10, 121, 25: vnd nit liebt den lugen haftigen [Luther 1545, Sach. 8, 17: falsche] eyde. Niewˆhner, Teichner 570, 4 (Hs. 2önalem., um 14339): welches mich tÈcht daz besser wÁr, 兩 der die lÈt verraten tut 兩 oder ain lÈghafter mut. Dasypodius 247v (Straßb. 1536): Vanitas, Eytelkeyt / [...] / leichtferigkeit / lugenhafftigkeit. Koppitz, Trojanerkr. 20142 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Ist daz ich lugenhaften fund 兩 An dir finde in jares frist, 兩 Ich frum dir daz dir laid ist. Bauer, Geiler. Pred. 467, 32 (Augsb. 1508): lugenhafftige wort / das ist da aynes solliche ding redet die erlogen und nit war seind. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 36, 11 (tir., 1464): Ein ider lugenhaftiger mensch der ist got graussam, wend got ist die warhait. − Luther, WA 8, 197, 1; 552, 19; 41, 644, 2; Oorschot, a. a. O. 424b, 32; v. d. Broek, Spiegel d. Sünders 157, 9; zu Dohna u. a., a. a. O. 101; Sachs 19, 288, 19; Goldammer, Paracelsus 5, 177, 16; Spechtler, Mönch v. Salzb. 29, 22; Niewˆhner, a. a. O. 566, 76; Grothausmann, Stadtb. Karpfen 30, 12; Schˆpper 94b; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 10; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 228. − Vgl. ferner s. v. bedekkung 2.

2. ›betrügerisch, falsch, bewusst auf Täuschung, Betrug gerichtet (von Personen und ihren Taten)‹; zu lüge 2. − Bdv.: vgl. los (Adj.) 8. Helm, H. v. Hesler. Apok. 23141 (nrddt., 14. Jh.): Swer ubet lugenhafte tat, 兩 Das ist Gote gar versmat. Luther, WA 8, 708, 16 (1522): was solt der lugenhafftig, boszhafftiger stuel des teuffels thun, denn nur liegen, triegen. Ebd. 2, 357, 28 (1525): als die trewlose, meyneydige, lugenhafftigen, ungehorsamen buben [...] pflegen zu thun (Bezug auf die Bauern). Ebd. 22, 360, 29 (1544): das wir nur des Bapsts lÈgenhafftigen Ablas damit [gelt] kauffen mËchten. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 143, 24 (Köln 1582): Jedoch vntrewe fremde kind, 兩 Ein lÈgenhafftes los gesind, 兩 Jm schein wol werden hulden mir [Gott]. Bechstein, M. v. Beheim. o Evang. Joh. 8, 44 (osächs., 1343): soˆ redet her [tuvel] lugene uˆz sıˆme eigenen, wan her ist lugenhaftic und sıˆn vatir. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 131, 31 (els., 1362): Es [leben] ermanet den diep daz er stele, den zornigen daz er schlahe, den lugenhaften daz er betriege. Turmair 4, 71, 26 (moobd., 1522/33): die menschen umbzustürzen, in ewige verdamnus und ungenad gottes zu bringen, gaben sich die lughaftigen geist für nothelfer und götter auß. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 30, 13 (mslow. inseldt., 1534): Auch gedachter Hans Stüml [...] durch Zeügnuß vnnd ´sein ´selbs Zwi´sPaltiges [...] bekentnuß Zue mehrmal vberwais´te, Luegen haffig vnnd Zwis´Paltig erfunden. − Luther, WA 7, 686, 11; 52, 307, 8; v. Keller, Amadis 393, 22; Baumann, Bauernkr. Rotenb. 369, 30.

lügenhaftigkeit, s. lügenhaft 1. lügenhard, s. lüge 2.

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lügenheit − lügerlich

lügenheit, die; -π/−. ›Unwahrheit, verlogenes, falsches Phantasiegebilde (von Sachen); Verlogenheit (von Personen)‹; vgl. lüge 1; 3. Niewˆhner, Teichner 570, 52 (Hs. 2onalem., um 14339): also swint die lugenhait 兩 vor der warhait sunder stritt. Ebd. 93: das ist rechter verrÁter mut 兩 und bËser vil den lÈgenhait. Ebd. 585, 7: also ist och ain urspring 兩 min noch mer der lugenhait, 兩 daz er fÈr ain warhait sait 兩 daz nie wart und niemer geschicht.

lügenhütlein, s. lüge 1. lügenkappe, lügenkirche, lügenkönig, s. lüge 2. lügenkützel, lügenlefze, s. lüge 1. lügenlich, lüglich, Adj. 1. ›verlogen, unehrlich, lügenhaft, falsch (von sprachlichen Äußerungen, religiösen Bewegungen, Personen)‹; vgl. lüge 1. − Bdv.: falsch; vgl. lügenhaft 1; 2. Schˆpper 94b (Dortm. 1550): Mendax. LÈgenlich lÈgenhafft. Mieder, Lehmann. Flor. 874, 17 (Lübeck 1639): o Ein warheit / die lugentlich lautet / ist besser verschwiegen / als geredt. Chron. Kˆln 2, 621, 31 (Köln 1499): so wurde it luden as ein lugentlich wort ind men moechts ouch nit geleuven. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 442, 15 Var. (Straßb. 1466): also werdent auch vnder eu´ch luglich [Luther 1545, 2. Petr. 2, 1: falsche] meyster. Ebd. 3, 234, 7: Sy werdent betruckt mit den wercken. vnd erfu´llent sy: das sy nit gehellent den lu´glichen [Dietenberger 1534: lügenwort; Eck 1537: lugenhaftigen; Luther 1545, 2. Mose 5, 9: falsche] worten. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 212 (moobd., A. 15. Jh.): Darumb daz dı¨ väter die lugleichen keczerey aus slügen so sprachen si: Ich glaub in ainen got. Ebd. 1515: daz pringet den grösten schaden so man dem glaubet der der aller lügleichist ist. − Gerhardt, Meister v. Prag 224, 20.

2. ›täuschend, trügerisch‹; vgl. lüge 2. Eggers, Psalter 72, 5 (thür., 1378): Das phert ist lugenlich zcu deme heyle. Klein, Oswald 11, 8 (oobd., um 1423): Falsch bösen gelt 兩 fürstu luglich, truglichen gar zu flisse.

lügenlist, lügenloch, s. lüge 2. lügenmal, lügenmälig, lügenman, s. lüge 1. lügenmäre, auch lüg-, das. ›phantastische Geschichte, die nicht der Wahrheit entspricht‹; vgl. lüge 3. Helm, H. v. Hesler. Apok. 10382 (nrddt., 14. Jh.): den valschen irreren, 兩 Die mit iren lugen meren 兩 Die cristenheit

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vorkarten. Ebd. 22846: den ungetruwen, 兩 Die lugen mere bruwen, 兩 Den sal man dise wort nicht geben. Jahr, H. v. Mügeln 2315 (omd., Hs. 1463): Mars darnach sunder lügenmer: 兩 den ummeslüßt her Jupiter. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 210, 18 Var. (Straßb. 1466): das sy nit anders lerten: noch vernemen [Var. 14752−1518: auffmerckten den lÈgmÁren; Luther 1545, 1. Tim. 1, 4: Fabeln] an die spiler vnd an die vngeenten geschlecht. Niewˆhner, Teichner 427, 85 (Hs. 2moobd., 1360/709): der ist ein chluger nu genant 兩 der sich fleist lugmÁr.

lügenmaul, s. lüge 1. lügenmeister, s. lüge 3. lügenmirakel, s. lüge 1. lügenprediger, lügenpredigt, lügenrede, s. lüge 2. lügenreder, lügenredig, lügenreich (das), s. lüge 1. lügenrum, lügensagen, lügenschmied, lügenschwank, s. lüge 3. lügenspiel, lügensprache, s. lüge 2. lugenspreche (der), s. lugenspreche (Adj.). lugenspreche, Adj. ›verlogen, die Unwahrheit redend, lügnerisch‹; vgl. lüge 1. − Bdv.: vgl. lügenhaft 1. − Wbg.: lugenspreche (der). Helm, H. v. Hesler. Nicod. 960 (nrddt., 14. Jh.): Do dise lugespreˆchen 兩 Jesum sus beschulden. Ders., H. v. Hesler. Apok. 1301 (nrddt., 14. Jh.): So kan sie [die dutsche zunge] nicht vorleiten 兩 Mit sinen trugenheiten 兩 Der lugenspreche Endecrist. Ebd. 1520: Lich ob ein lugen spreche 兩 Vragete: ,war wart Johan gesant, 兩 Warumme rumete her sin lant‘. Ebd. 5668: Doch man sie [Juden] lugenspreche vant 兩 Sint, do sie Cristum viengen.

lügenstrafen, lügenstrafung, s. lugstrafen. lügentand, lügentaufe, s. lüge 2. lügenteiding 1; 2, lügentrager, s. lüge 1; 3. lügentros, lügenvater, s. lüge 2. lügenweise, s. lüge 1. lügenwerk 1; 2, s. lüge 1; 3. luger 1; 2, s. lugen 1; 1lug 4. lügerlich, Adj. ›unwahrscheinlich, phantastisch, befremdlich‹; vgl. lüge 3.

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lügeschneider − lügner

Luther, WA 24, 456, 20 (1527): Jch habe ein mal ein Exempel gehËret (wenn es nicht lÈgerlich lautet, reymet sichs wo hieher), wie [...]. Ebd. 32, 86, 3 (1530): Es lautet aus der massen seltzam und lÈgerlich, das der schecher, ein bube, wie ich und du sind, sol sagen kunnen: Jch hab gleich als viel als S. Peter. Ebd. 52, 168, 22 (1544): Das ist nun die Lehr, das [...], ob es gleich wunderlich, lÈgerlich und unmËglich lautet. − Ebd. 53, 492, 2.

lügeschneider, lügewort, lügfas, luggeselle, s. lüge 1. luggrube, s. 1lug 2. luginsland, s. lugen 1. lüglich, s. lügenlich. lugman, s. lüge 1. lügner (mehrheitlich ohne Umlautschreibung), der ; −/-π. 1. ›Lügner, j., der die Unwahrheit sagt‹; ütr. auch mit Bezug auf den Alcoran; zu lüge 1. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: bube 3, lästerer, verleugner. − Synt.: die lügner ausreuten / aussieben / umbringen; der l. bedächtig sein (müssen); j. ein l. sein / werden, j. ein l. überweist / erkant werden; auf einen l. verheit sein, j. zu einem l. werden, (jm.) jn. [oft got, so vielfach bei Luther] zu einem l. machen; das her der lügner. Luther, WA 1, 187, 38 (1517): [...], der wil got zu eym lugener machen und sich zur warheit. Ebd. 10, 3, 365, 28 o (1522): Sunst würde Paulus [...] vor eynen lugener geschulden. Ebd. 53, 300, 23 (1542): Den Spruch halt ich fur warheit, ob er gleich aus dem munde des obersten LÈgeners [Z. 20: Alcoran] gesprochen. Ders. Hl. Schrifft. 1. Tit. 1, 12 (Wittenb. 1545): Die Creter sind jmer lügner / böse Thier / vnd faule Beuche. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Joh. 7, 29 (osächs., 1343): wan ich bekenne sıˆn nicht, soˆ worde ich glıˆch mit uˆch ein lugeneˆre. Goldammer, Paracelsus 4, 110, 4 (1530): so got die lugner wird aussiben und reuten durch das siben wie den weizen von den kleiben. Wiessner, Wittenw. Ring 4624 (ohalem., 1400/08): Hüet dich auch vor lügner her, 兩 Wilt behalten guot und er! Wyss, Luz. Ostersp. 7078 (Luzern 1545): MÈss ich [Petrus] schon lyden den tod vff erden, 兩 will ich doch nit zum lugner werden. Maaler 275v (Zürich 1561): Lugner / Der erlogne ding hin vnnd hÁr tregt vnd aufbringt. Rieder, Gottesfr. 86, 31 (els., 1379): unser got der mahte Jonas den großen propheten vil zuo eime lu´gener. Henisch 229 (Augsb. 1616): Ein lugner muß bedÁchtig sein / oder ein gut gedechtnuß haben / mendacem oportet esse memorem. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 28, 18 (tir., 1464): solt ain ander we¨g gen in das himlisch vater land, so würd got zu ainem lugner. − Luther, WA 6, 619,

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8; 7, 265, 3; 30, 2, 607, 3; Peil, Rollenhagen. Froschm. 294, 1112; Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 288, 35; Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 608, 3; 3, 241, 1; Grothausmann, Stadtb. Karpfen 30, 8; Voc. inc. teut. p iv; p iijr. − Vgl. ferner s. v. arm (Adj.) 1, begschierer.

2. ›Lügner, Betrüger, j., der über die Aussage von Unwahrheiten Betrugs-, Täuschungs-, Übervorteilungshandlungen vollzieht sowie zu Verbrechen aller Art offen ist; Verfälscher religiöser / konfessioneller Wahrheiten‹; zu lüge 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: bube; vgl. betrieger 1, lager, läugner 2, lecker, 2lieger, spizredner, täuscher, verfürer, verkerer. Luther, WA 30, 2, 389, 27 (1530): wie kan es aussen bleiben, das wer ein lÈgener ist, solt auch nicht ein mËrder dazu werden. Gropper. Gegenw. 7r, 303 (Köln 1556): vnd wil die lieben Heiligen Apostell / sonderlich den geliebte˜ Jünger Johannem zu luegnern machen. Stambaugh, Milichius. Zaubert. 19, 24 (Frankf./M. 1563): Den [...] TotschlÁo / und Zauberern / und GËtzendienern / gern / und hurern und allen LÈgenern / deren theyl wird sein in dem teich der mit Fewer und mit Schweffel brennet. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 293r, 41 (Leipzig 1588): darzu vngehorsame / MËrder / Ehebrecher / Diebe vnd Schelcke / LÈgener / Verrether / voll Vntrew / vnd aller bËsen TÈcke˜. Gille u. a., M. Beheim 431, 78 (nobd., 2. H. 15. Jh.): so er redet denn lügen, 兩 so redet er auss seiner aigenschafft. 兩 wann er ain lugener und ye 兩 der lugen vater iste. Vetter, Pred. Taulers 260, 7 (els., 1359): Noch sint ander lugener, die geistlich o o heilige Èbunge tunt, und in dem sint, das ist das si etliche gute selben meinent si sich selber. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 17, 8 (Straßb. 1650): denselben [Schneider] hat man zu den Fuchsschwänzern, Lügnern vnnd Suppenfressern eingeleget, als Leuten, die einem ehrlichen Mann seinen guten Namen, Ehr vnnd Leymuth beschneyden können. Barack, Teufels Netz 13359 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Darzuo trieger und och lieger, 兩 Biegar, zaner und trieger 兩 Lugnar, trugnar und spottar 兩 Sind mir [Teufel] nit vast unmær. Adrian, Saelden Hort 157 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): us leret Salomon von du´ 兩 hassen von allen dingen dru´: 兩 ainen lugenaren rich, 兩 dem du´ welt gelichet sich. P‰pke, o Marienl. Wernher 9029 (halem., v. 1382): Vil stundent da lugenære 兩 Da valsch und ungewære. Morrall, Mandev. Reiseb. 175, 11 (schwäb., E. 14. Jh.): In der ynsel ist kain dieb noch kain lÈgner noch morder noch ebrecher. BaptistHlawatsch, U. v. Pottenst. 1516 (moobd., A. 15. Jh.): Johannes viij: „Er ist ain lugner vnd ein erfinder der lugen“. Kummer, Erlauer Sp. 3, 378 (m/soobd., 1400/40): wan er ist gar ein lugner 兩 und alllÁuttrugner. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 30, 9 (mslow. inseldt., 1534): das Er [...] für Recht ein Luegner Vberwais´t vnd erkent worden. − Luther, WA 8, 520, 29; 715, 5; 30, 3, 335, 17;

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lugnerei − luk

Trunz, Meyfart. Tub. Nov. 23, 9. − Vgl. ferner s. v. äffer 2, beilieger 1.

3., s. lüge 3. lugnerei, lugnis, s. lüge 1. lugstrafe, s. lugstrafen. lugstrafen, lügenstrafen, V.; beide Bildungen mit ungefähr gleicher Häufigkeit; teils zusammen, teils getrennt geschrieben, vereinzelt Distanzstellung. ›jn. lügenstrafen, der Lüge zeihen; js. Verlogenheit beweisen; etw. als falsch, unwahr hinstellen‹; vgl. lüge 1; 2. − Wbg.: lugstrafe (wie liegenstrafe, s. dort), lügenstrafung. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 11553 (preuß., um 1330/40): doˆ wart er mit schalle 兩 geluginstraˆfit offinlıˆch. Luther, WA 30, 3, 150, 9 (1529): das kann nicht ainerley gayst sein, da man an einem ort die wort Christi ainfeltigklich glaubt vnnd am anndern denselben glauben tadelt, widerfichtet, lÈgstraffet vnd mit allerley frefeln lesterworten antasstet. Ebd. 287, 18 (1531): Wenn das war were und jr eigen gewissen sie nicht hierinn selbs lÈgenstraffet, so [...]. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 1, 137, 13 (schwäb., 1591): so man gemaind helt und ainer den andern lügstraft oder sunst schmech, derselbige sol umb ain gulden gestraft werden. Ebd. 2, 756, 4 (schwäb., 1556): Lugstraf. Und wellicher den andern [...] one zugelegte schmach lug straf [...], der [...]. Turmair 4, 400, 17 (moobd., 1522/33): Wan die geistlichen, so under dem nam des abgots den leuten waˆrsagten, gaben alweg solch zwispaltig antwurt: [...], so künt man’s nit lugstraffen. − Luther, WA 23, 83, 20; 85, 1; 26, 266, 39; 30, 2, 213, 30; 32, 277, 18; Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 54, 10; Kollnig, Weist. Schriesh. 197, 28; Dietrich. Summaria 26r, 16; Sachs 15, 430, 37; Chron. Augsb. 5, 17, 11; Wintterlin, a. a. O. 1, 429, 2; 2, 202, 11; Winter, Nöst. Weist. 3, 137, 15; Rwb 8, 1502 f.

lügung, s. lügen 1. luh, s. lohfink (s. v. 2loh 1). luistaler, der. eine 1641−1715 geprägte, nach Ludwig IV. benannte Münze. − Schweiz. Id. 12, 1379. luk, das; zu mhd. luc ›Deckel‹, dies zu mhd. luˆchen / belucken (Lexer 1, 1974), frnhd. luchen. ›Deckel‹. Dirr, Münchner Stadtr. 460, 11 (moobd., um 1365): Ez sol auch die hanthab und daz lot und daz luck der ainen myschung sein.

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luk, lucker, teils mit Umlaut(zeichen), Adj. 1. ›relativ zu einem als fest vorausgesetzten Bezugsgegenstand locker, von geringer Konsistenz‹; im einzelnen etwa: ›locker (z. B. von der Erde, vom Schnee)‹; ›schlaff, ungespannt (z. B. von einem Seil)‹; ›weich, schlaff, welk‹; je nach Gegenstand mit implizierter positiver oder negativer Wertung. − Bdv.: s. u. Schˆpper. − Synt.: etw. (z. B. der grund des garten, das bet) l. sein, etw. l. werden; etw. luk stossen (z. B. eine wurst) / binden (z. B. ein band); der lucke sand, die lucke erde / materi, das lucke brot / seil, der luckere boden / schne, die luckere erde. − Wbg.: lücke 6 ›Unfestigkeit‹, luklechtig, lukwek (a. 1590). Schˆpper 52a (Dortm. 1550): ¶ luck vnuäst weich. Ebd. 114b: Flaccidus. Luck lidweich luderig / lumlecht ludelecht laudechtig schlotterig schlottig schlotterecht. Lappenberg, Fleming. Ged. 335, 11 (1632): daß der Wind gelinder wehet, 兩 daß der lucker’ Schnee zergehet. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 119, 17 (osächs., 1570/7): Der maulbeerbaum lesset sich auch von dem samen, die in den fruchten sein, zeugen, wan die in ein lucker erden verscharret werden. Ebd. 135, 12: das der hopfen gerne in feuchtem luckerem und geylen bodem wäxt. Ebd. 136, 13: An welchen ort du nun den hopfen hinlegen wilst, solst du [...] feine gruben machen, [...], und dich mit geiler luckerer erden oder mist schicken. Barack, Teufels Netz 0466 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Si [würst] sigind pfinnig ald rain, 兩 Und [die mezger] stossens also lugg 兩 Nit vil swerer denn ain mugg. Schmitt, Fachprosa 107, 24 (alem., 15. Jh.): lass den alant [...] zergan, [...], vnd lass in denn als lang sieden, vncz das die fu´chtikait vergat, so wirt es ain lugg, tu´rr, licht materi. Golius Golius 338 (Straßb. 1579): Panis spongiosus, luck brot. Bobertag, Eulensp. 73, 19 (Straßb. 1515): Leid was du leiden kanst, so lang der finger wider in die lück erd gat. Dasypodius 374v (Straßb. 1536): Luck wie ein schwum. Fungosus, a, um Lucke. Fungositas. Luck weich. [...]. Lucklechtig. Eneruis, e. Eneruus. Goedeke, Fischart Flöh Haz, 1049 (Straßb. 1594): Etlich [weibervolk] die hosenband luck binden, 兩 Wilt du dich dann dazwischen finden, 兩 So zihen sie denselben zu. Maaler 275r (Zürich 1561): Luck / Abgelassen. Incontentus, Flaccidus, Flaccus. Luck vnd LampÁchtig seyn. Flaccescere. Halb Luck oder wÁlck / Halb verrumpfft. Semiuietus. Lucke seyler / Nit gespannen. Funes laxi. Ebd. 316v: PfÁlschlahung / ein vest fundament in lugken grund damit zu machen. Ebd. 368r: SchwummÁchtig vnd lugk oder blutt wie ein schwumm. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 6 (Genf 1636): Das bett ist gar (luck). Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 373, 27 (oobd., 1349/50): daz wir in unsern landen langen pfeffer haizen, daz ist lück an im selber. −

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lukasrok − lumen

Pf‰lz. Wb. 4, 1046; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 227; Schweiz. Id. 3, 1232 f.

2. ›unbeständig, schlaff, lax, schwach (hinsichtlich des Mutes, Charakters, der Kraft e. P.)‹; Ütr. zu 1. − Wbg.: lücke 7 ›Schlaffheit‹, lukgeben ›nachgeben‹ (a. 1532). Jˆrg, Salat. Reformationschr. 358, 4 (halem., 1534/ 5): Allso lugg / wanckellmÈttig lüt sind die kÁtzer / nochdenn schryend sj / der fels des ungezwyfleten gloubens [...] sig by jnen. Maaler 275r (Zürich 1561): Lucker / Milter oder gÈtiger seyn / HinlÁssig / farlÁssig vnd zelinß seyn / Nit zerauch vnd zestreng seyn. Remissiorem esse. Ebd. 275v: Lugk. Laxus, Laxatus. Lugk oder zelinß meinungen / die o sind. Sententiæ molles. Lücke (die) Mangel an nit streng gnug muto vnnd dapfferkeit / Liederligkeit. Remissio animi ac dissolutio, Languor, Marcor. Wiessner, Wittenw. Ring 6665 (ohalem., 1400/08): Do ward der jäger macht ze lugg. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 227; Schweiz. Id. 2, 91; 3, 1236.

lukasrok, der. ›(grauer) Rock, wie man ihn in Basel am Lukastag den Armen schenkte‹. − Wbg.: luxrok. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 1, 301, 10 (halem., 1508/16): So gen si nach jerlich ire luxrËck armen lu´tten durch gots willen. − Jelinek, Mhd. Wb. 480 (hier für den weiteren böhmischen Raum belegt); Schweiz. Id. 3, 1254/5; 6, 832 (a. 1624).

lukgeben, s. luk (Adj.) 2. luklechtig, s. luk (Adj.) 1. lukmilch, die; zur etymologischen Zuordnung s. Schweiz. Id. 4, 203. wohl ›Schlagsahne‹; vgl. am ehesten luk (Adj.) 1. Leisi, Thurg. UB 6, 449, 27 (Tänikon 1367): das ein kustrin dem convent jerlich an sanct Marien Magdalenun tag ein luggmilch geben sol.

lukscheibe, die; −/-n. ›lockere, körnende Salzscheibe‹; vgl. luk (Adj.) 1. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 365, 30 (halem., zu 1414): iiij lugg schiben oder vj ungefarlich gebent als vil als ein vas saltz. Ebd. 624, 17 (1452): Man sol nachgan und richten, wie ettlich luggschibly saltz und saksaltz in der statt in hu´ser oder gedmer fÈrind und die daselbs fu´r guto saltz verkouffind. − Schw‰b. Wb. 4, 1316.

lukwek, s. luk (Adj.) 1. lül, lülaffe, lülaffen, s. lüllen. lüllen, V., lautnachahmend; zur Wortfamilie s. Dwb 6, 1287; Schweiz. Id. 3, 1261 f.

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›an der Mutterbrust saugen‹; auch: ›vor sich hin singen, sprechen‹. − Wbg.: lül wohl ›Dummkopf, Narr‹, lülaffe ›dummer Mensch‹, lülaffen ›quatschen, dummes Zeug reden‹, lüllein (dasselbe), lüller ›Pfeifer‹. Luther, WA 10, 1, 141, 10 (1522): das sie [Bapst ...] mugen sagen, lulaffen unnd alfantzen, was sie wollen. Ebd. 30, 3, 468, 34 (1531): Was ists nu gesagt, du lieber LÈlaffe. Ebd. 45, 112, 37 (1537): Pfu dich luelein, dicere lob und ehr et orationem debemus deo. Maaler 93v (Zürich 1561): die kind lüllend an dem Düttle / [...] / Saugend. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 29, 3 (whalem., 1484): als ich die warheit lÈl. Wiessner, Wittenw. Ring 1149 (ohalem., 1400/08): Den lüller hiess man trüllen auf. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 229.

lüller, s. lüllen. lum, s. lümen. lumbel, lummel, die; beide Formen mit ungefähr gleicher Häufigkeit, hohe Schreibvarianz; aus lat. lumbu(lu)s ›Lende‹ (Georges 2, 723). ›Lende; Lendenbraten, Rückenstück‹. − Bdv.: vgl. lanke 1, 1lende 1, lommel. − Wbg.: lumbenwurm, lungenbrate (volksetymologisch von lumbel auf lunge bezogen). Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 57, 5 (rib., 1344): Dat eirste [gericht] sal sijn wilbroit, of man’t haven mach. Is des o neit, so geve man lumbel in deme pfeffer. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 384, 23 (rib., 1608): 2 hirzposteden, 1 postet o von einer lummel, 2 gebraten krein. Hajek, Gute spise 86 (rhfrk./nobd., um 1350): Der eynen fladen wËlle machen von fleische, der nem fleisch, daz do ge von dem lumbel oder von dem wenste. Rohland, Schäden 471 (nalem./schwäb., 1400/33): nim die lunden von wyssen hennen. Sudhoff, Paracelsus 5, 289, 9 (1527/8): in excrementis videntur lumpenwürm. Merk, Stadtr. Neuenb. 99, 11 (nalem., 1588): sollen si [metzger] auch die lumeln und schlurpraten, zungen, üterlein und lempen von allen rindern zu dem fleisch, [...], hawen. Bernoulli, Basler Chron. 4, 161, 7 (alem., 1503): 64 lib. 5 s. 9 d. umb rindfleisch, kelber, spinwider, lumel. Winter, Nöst. Weist. 1, 966, 28 (moobd., 14. Jh.): darzuo soll man in geben für speis zwen eimer weins, ain halbs rint, [...], und dem ferigen ainen lunglpraten. − Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, 2880, 17; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 229; Öst. Wb. 3, 753; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 142; Schweiz. Id. 3, 1269.

lumbenwurm, s. lumbel. lumel, lumeln, s. lümen. lumen, der ; aus lat. volu¯men ›Schriftwerk‹ (Georges 2, 3544).

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lumen − lumpe

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›Text, Schriftwerk; einzelner Gegenstand eines Schriftwerkes‹. − Bdv.: vgl. begrif 7, beischrift, geschrift 2; 6, text.

senqvist, Frz. Einfluß. 1932, 150; Ebd. 1943, 362. ›Helmfenster‹.

Helm, H. v. Hesler. Apok. 1354 (nrddt., 14. Jh.): Dar von ticht ich disen lumen [Var. Kb : volumen], 兩 Ob einer durch itewiz 兩 Oder lichte durch vorgiz 兩 Eines rimes dar an vormisse, 兩 Daz man hir vinde gewisse 兩 Daz ich den rim nie valsch gesprach. Ebd. 3716: Des bit ich den lesere, 兩 Swen her kumt in diz mere, 兩 Daz her mit schonen witzen − 兩 Ob dar vrouwen bi sitzen − 兩 Antweder her entrumen 兩 Oder ober var den lumen.

Koppitz, Trojanerkr. 436 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Er band öch uff den helme zı¨r, 兩 So daz er wol ze der lumyer 兩 Ze dem kampffe mochte schechen.

lumen, (Adj.), s. lümen. lümen, V.; zu mhd. lüemen ›erschlaffen‹ und Wortfamilie (Lexer 1, 1977). ›die von einer Sache oder einem Verhalten erwartbare Spannung, Form verlieren‹ (allgemein); im einzelnen: ›(im Getöse einer Schlacht) unkontrolliert jammern, klagen (im Beleg subst.)‹; ›ermatten (von der Trauer)‹; ›locker werden (von einem Pflaster)‹; ›herabhängen, schlottern (von der Brustwarze, der Haut)‹. − Wbg.: lum (Adj.) (1. Dr. 16. Jh.), lumel (Adj.), lumeln, lumen (Adj.; Beleg s. v. los, Adj., 1; Beleg Froschauer 1530), lümer, lumern, lumlecht. Schˆpper 114b (Dortm. 1550): Flaccidus. Luck lidweich luderig / lumlecht ludelecht laudechtig schlotterig schlottig schlotterecht. Helm, Maccabäer 4067 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): Al die erde wart irbiben 兩 von dem daz zusamne triben 兩 di roten, da von was dummern 兩 unde gar grulichez lummern [Mentel 1466: stym der here; Luther 1545, 1. Makk. 9, 13: getümel]. Dasypodius 375r (Straßb. 1536): Lumlecht dutten. Flaccide mammæ. Lummel ohr / lampohr. Flaccus. Lumlecht sein. Flaccere. Lumlecht werden. Flaccescere, Conflaccescere. Matthaei, Minner. I, 6, 168 (Hs. 15. Jh.): o 兩 so du ez heltest in der don. Rohmin truren laz ich lumen, land, Schäden 471 (nalem./schwäb., 1400/33): wölte das plaster lummen, so mach es enger. Fuchs, Murner. Geuchmat 5, 21, 2 (Basel 1519): Ein yeder alter gouch / sol die ior nit ansehen, das jm die hut lumlet. Klein, Oswald 22, 79 (oobd., 1422): teuff ougen inn der praw, 兩 brait schulter, weit mülig lümer, 兩 falsch zung (lümer ist in den Wörterbüchern nicht belegt; Adj. oder Subst.? ›Ohr‹ oder ›Maul‹?). − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 229; Schweiz. Id. 3, 1269.

lümer, lumern, s. lümen. lumier, die; zur Etymologie und zum Problem des Entlehnungsweges s. Verwijs/Verdam 4, 883; Lexer 1, 1982; Ro-

lumlecht, s. lümen. lummel, s. lumbel. lummeln, V. ›schlaff herabhängen‹. − Bdv.: vgl. ablappen, lampen. Fuchs, Murner. Geuchmat 1976 (Basel 1519): Jm alter gilt es alles nüt; 兩 Das fleisch ist hyn / so lummendt hüt.

lumpe, der, für 2 nach dem natürlichen Geschlecht auch die; −/-n; oft im Pl. 1. ›Lumpe, Stück Tuch, Fetzen; abgetragenes Kleidungsstück‹; perspektivisch ütr. auf ›Wertloses, Falsches‹, z. B. ein lumpe des neuen Evangelii. − Phras.: jm. den lumpenhansen singen ›jn. verprügeln‹. − Bdv.: 1hader, fetzen, hudel, 1lappe, limel, tuch. − Synt.: einen lumpen bringen, lumpen arbeiten / aufgürten / ausziehen, einen lumpen um den kopf schlagen, um den finger nemen; etw. auf einen lumpen streichen, in / auf einen lumpen schlagen, durch einen lumpen sichten ›sieben‹, in einen lumpen kucken, [etw.] mit lumpen unterschürzen, von den lumpen gehindert werden, vor den lumpen (›Kleidern der Frauen‹) fliehen, nicht zum himmel kommen, etw. zu lumpen zerreissen; der lumpe des neuen evangelii; der alte / gute / saubere / schmutzige / wollene / vertragene ›abgetragene‹ / zerrissene l., beschissene / faule / lausichte lumpen ›wertlose Redeinhalte‹, die lumpen Mosi (mit Bezug auf die Inhalte des Alten Testamentes). Wbg.: lumpen (V.) ›herabhängen‹, lumpen (Adj.) ›lumpig, wertlos (von einer Aussage)‹, lumpenhandel ›Bagatellstreit‹ (Gw zu handel 3), lump(en)hose, lumpenman 1 ›Lumpensammler‹ (a. 1372), lumpenschneider (abwertend), lumpenstruber ›Gerät zum Entfernen von Wergresten aus dem Lauf der Muskete‹ (a. 1618), lumpentrager ›Lumpensammler‹, lumpenwäscher (abwertend auf die Priester der altkirchlichen Konfession be-

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lumpe

zogen), lumpenwerk (bdv.: fabelwerk), lumper (bdv.: lumpenman), lumpersche, lümpleinsbericht ›verlogene Darstellung‹. Schˆpper 92b (Dortm. 1550): Improbabile. Lame fratzen lumpen vngrundt vnbestendigs furgeben. Luther, WA 7, 264, 17 (1521): wurden on zweyffel nit szo zotticht lumpenwerk furtragen haben. Ebd. 32, 535, 17 (1530/2): wie unser Lumpen wesscher bisher auff der Cantzel nicht anders denn von fegfewr, Ablas, Cappen, Rosenkrentzen, [...] gegeifert haben. Ebd. 24: das sie [Papisten] sich selbs jrer faulen lumpen schemen. Ebd. 37, 229, 23 (1533): herr gott, fur dir ist mein Sammat, gulden stuck erger denn kein lump. drumb richt ich mich nicht nach meinen wercken, Ich wil gern dein lump, hudel, sein. Ders. Hl. Schrifft. Jer. 38, 11 (Wittenb. 1545): EbedMelech [...] nam daselbst zurissen vnd vertragene alte Lumpen [Cranc M. 14. Jh.: tuchir / cleidir ; Froschauer 1530: fÁtzen] vnd lies sie [...] in die Gruben. Peil, Rollenhagen. Froschm. 5835 (Magdeb. 1608): Den RÈcken krumb / die Hend verhart / 兩 Die Zitzen lumpten wie die Fleck. Bobertag, Schwänke 348, 23 (Frankf. 1563): wann [...] seine [deß weihen] bundte federn, die schönen lumphosen, im [gauch] die narrendeck gar vor die augen ziehen. Sachs 13, 120, 27 (Nürnb. 1556): Back dich nur bald, eh man dir sing 兩 Den lumpenhansen mit meim gesind. Bihlmeyer, Seuse 487, 13 (alem., 14. Jh.): Ir su´llent arbeiten lumpen und lappen in gotminnender meinsamkeit. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 811, 13 (els., 1362): Su´ kleidet sich dicke in eins bettelers wise [...], kekende in den lumpen, vnd beschowete sich selben. Goldammer, Paracelsus 6, 74, 9 (1530): secht auf eur fabelwerk, [...], eur wirdigkeit: daß nit lumpenwerk werd, nit in dreck fall. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 302, 12 (Straßb. 1522): da kamen inen die Lumben [s. lumbe, hier pars pro toto für metze] in die Sporen und kunten nit darfor gon. Da kart sich Cista mit o die BËhemer alle, seinem Folck widerumb umb, und erschugen wan sie kunten nit fliehen vor den Lumpen [Wortspiel lumbe/lumpe]. Ebd. 16: geistlich davon zuo reden, das mancher nit kan kumen zuo dem Himel vor den Schleiern und vor den Lumpen, die Weiber und die Metzen ligen in dem Weg. Ebd. 23: O wie vil werden in geistlichem und weltlichem Stant gehindert von den Lumpen. Ebd. 388, 35: ein EschengrÈdel, und dient den Frawen allen und het schmutzige Lumpen umb den Kopff geschlagen. Kurz, Murner. Luth. Narr 2083 (Straßb. 1522): Des lumpenwercks ist also vil, 兩 Das ich sein nit me dencken wil. Rennefahrt, Zivilr. Bern 242, 14 (halem., 1474): was lumpen oder lims der genant Wili mag, die sol er dem Michel [...] geben [für helm uberkomen die Papierherstellung]. Ders., Wirtsch. Bern 662, 22 (halem., 1519): Der bapirmüly lumpentragern ordnung und fryung. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 542, 14 (halem., 1534/5): wie die von Bern ein lümplisbericht / und schantliche tÁding mit den Underwaldern angnan und gmacht. Maaler 275v (Zürich 1561): Lumpen / Alt hudlen. Assumenta. Mit Lumpen vnderschurtzen. Suffarcinare. Schorer, Sprachposaun 10, 5 (o. O. 1648): da brauchen sie / (auch wol das Lumpengesind die Schneider) das Adi, Attressiern,

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datum. Ebd. 74, 7: vnd siehet / daß jhr der Rock forn etwas kurtzer schiene als hinden / spricht sie / du Lumpen Schneider. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 26 (Genf 1636): Lumper / lumpenmann / der alte lumpen samlet. Chron. Augsb. 3, 483, 23 (schwäb., 1490/1500): die [zelt] zerriß der wind zuo klainen lemplen. Barack, Zim. Chron. 2, 483, 9 (schwäb., M. 16. Jh.): da er [...] die hohen heuser in iren langen nachtbelzen und den hochen hüeten, [...], hett gesehen wandlen? oder in den grossen, langen lumpenhosen wie die monstra einher huedlen? Meisen u. a., J. Eck 28, 8 (Ingolst. 1526): Da bringet ir ain lumpen des neüen evangeli herfir. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 494, 8 (m/soobd., 1608): auch komben [...] verdräte roßtauscher- und vergleich-, krumpe, vorschmizte, löze, ringe, fitschlfätschl- und lumpenhändl unter man und weibern etc. für. − Luther, WA 23, 544, 38; 50, 407, 24; 408, 1; 559, 17; Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1943, S. 362; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, S. 187 f.; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 80; Pf‰lz. Wb. 4, 1061.

2. ›Lump, verkommener Mensch‹ (im Beleg v. Keller auf eine keiserin bezogen). − Bdv.: vgl. balg 7, beidenhander 2, läutsch, lolfetze. − Wbg.: lumpengesinde (a. 1626), lumpenhaft, lumpenleute ›Lumpenpack, Gesindel‹, lumpenman 2 ›Schwächling‹, lumpenprediger, lumpenring ›Halseisen am Pranger‹ (a. 1589), lumpenstecher (Schimpfwort; a. 1596), lumpentros, lumperei ›Geschwätz‹ (a. 1606; bdv.: geschwäz), lumpersbube (a. 1609), lumphaftig (von verachtenswert erachteten einfachen Personen gesagt). Luther, WA 12, 651, 5 (1523): Dy lumpenprediger duxerunt euangelium quo voluerunt. Ebd. 52, 35, 15 (1544): Herr, hie kombt ein armes lÈmplin, ein altes [...] hederlein, oder wie Paulus sagt, ein stinckender dreck. Oorschot, Spee/Seifert. Proc. 469, 1 (Bremen 1647): Bettler / jtem sonsten Lumphaffte Persohnen / Narren / wahnwitzige / thorhafte Leute / werden in allen rechten bey der zeugen verhËr verworffen. Ebd. 470, 8: als sie [Persohn] ist Lumphafftig / verÁchtlich / meineydig / ein scholderer rc. Sachs 21, 25, 12 (Nürnb. 1524): Das machen ewer lumpenprediger, die schreyen, es sey ketzerey. v. Keller, Ayrer. Dramen 1887, 19 (Nürnb. 1610/8): Ich richtet den schelm von dem leben 兩 Mit sambt der Lumpen, der Keiserin. Kurz, Murner. Luth. Narr, Überschr. v. 2017 (Straßb. 1522): Der lumo o mit lugen vnd lumpen troß. Wer lutherisch wil sein, der muß penwerk mit dem troß vff land faren. B‰chtold, N. Manuel. Zugabe H. R. Manuel, 358, 2115 (Zürich 1548): Wir sind nit sömlichs lümplis lüt, 兩 Dass wir sin ietzund lougnen wellen. Maaler 276r (Zürich 1561): Lumpenmann / Der nichts wÁrt ist / Vnuermüglich. Homuncio. Ukena, Luz. Sp. 615 (halem., 1575): Das erst ist grecht das ander nütt 兩 Was graten hand die lümplis lütt. − Rwb 8, 1507; Schweiz. Id. 3, 1278 (hier lump als eigenes

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lumpechtig − lundern

Lemma angesetzt aufgrund semantischer Einschränkung sowie Verkürzung der Form); 7, 1128; 9, 1570; 10, 1281; Öst. Wb. 3, 1233.

lumpechtig, Adj. ›schlaff (vom Gesäß); wie Lumpen; zerrissen, abgetragen (von Kleidern); zerlumpt (von Personen)‹; zu lumpe 1. Sudhoff, Paracelsus 5, 215, 1 (1527/8): etwan gehen auch die sedes lumpechtig, etwan ein halber wurm mit. Dasypodius 375r (Straßb. 1536): lumpechtig / hudelechtig. Pannosus. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 18 (Genf 1636): Lumpechtig / zerrissen / zerhudelt. Ebd. 20: lumpechtige Kleyder. Ebd. 23: Lumpechtig / in zerrissenen Kleydern.

lumpel, s. lunge. lümpel, der ; zu lümen (mit graphischem p-Einschub; vgl. Frnhd. Gramm. § L 44, 4). ›Taugenichts, Lümmel‹. − Bdv.: vgl. bengel 2, beuzenbüffel, geteling 4, göffel, knörtsche, pflastertreter. − Wbg.: lümpelastronom (?). Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 367, 12 (Frankf. 1563): So bald der lümpel wider auffgestanden, zündet er ein liecht an. Sudhoff, Paracelsus 8, 38, 29 (1530): das ist die feindschaft, das ir lumpel astronomi seind und gar nichts, nissige philosophi und gar nichts [lumpel kann hier als Subst. wie als Bw eines Kompositums gelesen werden).

lümpelastronom, s. lümpel. lumpen (V.), lumpen (Adj.), lumpenbericht, s. lumpe 1. lumpengesinde, lumpenhaft, s. lumpe 2. lumpenhandel, lumpenhose, s. lumpe 1. lumpenleute, s. lumpe 2. lumpenman 1; 2, s. lumpe 1; 2. lumpenprediger, lumpenring, s. lumpe 2. lumpenschneider, s. lumpe 1. lumpenstecher, s. lumpe 2. lumpenstruber, lumpentrager, s. lumpe 1. lumpentros, s. lumpe 2. lumpenwäscher, lumpenwerk, lumper, s. lumpe 1. lumperei, lumpersbube, s. lumpe 2. lumpersche, s. lumpe 1. lumphaftig, s. lumpe 2.

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lümpleinsbericht, s. lumpe 1. lümut, s. leumund. lunde, die; −/-π oder -n; über franz. l’unde letztliche aus lat. unda ›Welle‹ (Dwb 6, 1302). 1. ›(als bedrohlich empfundene) Welle, Woge (des Meeres)‹. − Bdv.: tunne, unde, wag, welle, walge; vgl. 3linde. − Synt.: die lunde(n) iren lauf, überhand nemen, die anderen treiben, in dem mere sein; auf den lunden reiten, durch die lunden schwimmen, zwischen den lunden faren; die l. des wages / wassers / meres. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 11632 (rhfrk., um 1405): Vol ungewidders was is [mere] sere 兩 Von großen lunten und gewyndet sere. Alberus Yy ivv (Frankf. 1540): Fluctus, fluto / lünden [...] wellen / wasserwag. Erben, Omd. Chrestomathie 198, 28 (omd., 1490): Ich schwimme da hin durch des wilden meres flut, die limden habenn vberhand genomen. Stackmann u. a., Frauenlob 2, 9, 5 (Hs. 2omd., 14. Jh.9): schone dir zu lone 兩 wart: des wages lunden stunden, kunden 兩 must er mit des grimmen todes unden scharf. Morrall, Mandev. Reiseb. 155, 13 (schwäb., E. 14. Jh.): und flu´sset hin und her recht als das ander mer, und dar in sind lunde. Drescher, Hartlieb. Caes. 10, 9 (moobd., 1456/67): und was der uberflus desselben merwassers als hoch das es über die hËch der türn gienge, und ein lünde die andern traib und wütend seinen ungeströmen lauff nam. Ebd. 218, 13: Do sahen sy [...] das dasselbe püchslein offen und unbedeckt was auff dem wag des meres zwischen den tunnen oder lünden des wassers gefarn. − Bˆmer, a. a. O. 12234; Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 3, 18; v. Bahder, Wortwahl [...]. 1925, 99.

2. ›einer Welle, Woge verglichene Last (der Sünden)‹. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 283 (rhfrk., um 1405): Das große mere ist diese werlt hie 兩 Und ist vol großen sufftzen ye und ye, 兩 Gewiders und lidens, 兩 Lunten und stridens. Wakkernell, H. v. Montfort 39, 77 (Hs. 2wmd., 15. Jh.9): sie wer erdruncken in meris unden, 兩 in jamers bach, in groszen lunden. Ebd. 100 (Hs. 2soobd., A. 15. Jh.9): und wirff mir ab myn grosze lunde, 兩 die sweren sund, die ich da trag.

lunder, der. ›Brand, Feuer (der Minne)‹. − Wbg.: lundern ›brennen (ütr.)‹. Pyritz, Minneburg 3274 (nobd., Hs. um 1400): Von glimmender mynne zunder, 兩 Von flammender mynnen lunder, 兩 Die mir in dem hertzen wechelt. Ebd. 3330: Wie mir der mynnen kunder 兩 Und auch der mynnen lunder 兩 Daz hertze hette derhitzet. Ebd. 5358: Wann ich wol merk daz lundert 兩 Min fÈr in im gar brunsticlich.

lundern, s. lunder.

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lündisch − lunge

lündisch, löndsch, Adj. ›aus London, Londoner‹, ein Attr. für ursprünglich in London gefertigtes, wegen seiner Solidität und Feinheit geschätztes Tuch. Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 156, 23 (md., 1464): von Welsschen, Lundisschen, Bruckschen tuchern vom ß I den. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 60, 4 (Frankf./M. 1568): Der ThuchschÁrer. Hereyn / wer Thuch zu schÁren hab / 兩 Es sey Schwartz / GrÈn / Rot oder Blaw / 兩 Mechlisch / LÈndisch / Lyrisch / Stamet. Kurz, Waldis. Esopus 2, 54, 74 (Frankf. 1557): [mein Vatter] Nehrt sich seinr teglichen arbeit, 兩 War nicht mit LÈndschem thuch gekleidt. Goedeke u. a., Liederb. 103, 30 (Frankf. 1582): rot lündisch wil ich dich kleiden, 兩 ein hübsches kleid ist dir bereit. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 125, 16 (nwböhm., 1574): Der Salomon hab ein schwartz lundischen Mantel vmb Liedern gantz hosen an. B‰chtold, N. Manuel. Zugabe H. R. Manuel, 322, 498 (Zürich 1548): Ich wil dich b’kleiden in guto löndsch 兩 Von füessen an bis uf die scheitle. − Bobertag, Schwänke 235, 35; Ders. Eulensp. 110, 13; Helbig, a. a. O. 2, 105, 25; 147, 8; Loose, Tuchers Haushaltb. 63, 14; Sachs 20, 50, 17; 181, 8; Chron. Augsb. 4, 174, 4; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 196; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 229.

lune, die; -π/−; teils lat. Formen: luna, -ae. 1. ›Mond; Mondphase‹; wohl auch: ›Zeitpunkt, Zeit‹ (Belege bei Jelinek, Mhd. Wb. 480). − Bdv.: vgl. gestirn 3, mond, stern 1. − Wbg.: lunesch ›mondsüchtig‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 13994 (preuß., um 1330/40): soˆ man in ˆı dıˆ spıˆse 兩 mit andirme huˆsdinge 兩 solde vom Elbinge 兩 zuˆvuˆrn uˆf der Sirguˆne 兩 soˆ hattin ouch der luˆne 兩 dıˆ Pruˆzin ebbene geraˆmt. Ebd. 19959: wen daz er [Bonislaw] worchte zwischin in 兩 vridde durch eine suˆne 兩 uˆf eine benante luˆne. Gerhard, Hist. alde e 6064 (omd., um 1340): Daz ein lunesch mensch gesunt 兩 Machte der vil zarte Crist. Sachs 4, 73, 4 (Nürnb. 1554): [Ptholomeus] thaylt das [leben] eben 兩 Nach dem einfluß und firmament 兩 Der siben planeten genendt 兩 Luna. Venus, Mercurius, 兩 Mars, Sol, Jupiter, Saturnus. Sudhoff, Paracelsus 14, 530, 29 (um 1570): heb an zu graben [...] in der influenz lunae oder saturni, und wan der mon gehet in stier, steinbock und virginem. Dierauer, Chron. Zürich 183, 9 (halem., 1415/ 20): do ward ein bapst erwËlt uf sant Martis tag ze Costenz, und was der lun 3 tag alt.

2. ›Silber‹; zur Motivation s. den Beleg Benzenhˆfer. Barke, Spr. d. Chymie. 1991, 28, 9 (Straßb. 1574): Dessen man ein Exempel findet an der Luna, wenn man die in Aqua fort solviert / und giest dreyÚ oder viermahl so viel

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Aqua fort darauff / [...] / und läst es etliche Monat stehen / so bekommt man nimmer sein Silber alles wider. Benzenhˆfer, Rupescissa. Consideratione. 1989, 187, 6: Durch den monen ist daz silber geschaffen / vnd vmbe dz ez des monen eigenschafft hat so nennen wir es luna.

lunennagel, s. lünse. lunesch, s. 1lune. lunge, die; -π/ oder -n/-n, sehr vereinzelt -r ; einige Belege mit finalem -l; deformiert auch lumpel (s. u. Winter). 1. ›Lunge (als Körperorgan des Menschen und von Tieren, in letzterem Falle als Schlachtprodukt)‹; Belege teils pejorisierend. − Phras.: boz lung (in Ausrufen, Flüchen); las lunge und leber St. Veltin haben o. ä. ›[...] dahinfahren‹; die lunge wäschen ›tüchtig saufen‹; mit lungen werfen (als Reaktion auf: mit kutteln anfangen); jm. hängt die lunge [wohin] ›j. giert nach etwas‹; jm. ist die zunge holer dan eine lunge von einer falschen zunge gesagt; aus der lungen (statt: aus dem herzen) reden ›aus dem hohlen Bauch reden‹. − Bdv.: vgl. gekröse, gelünge, gereb. − Synt.: die l. nicht hauen / auswegen / mitwiegen als Synekdoche für ›die Lunge nicht zum Kauf anbieten‹, die lunge beschneiden ›der Lunge (pars pro toto für die Person) Abbruch tun‹ (zum Zweck der Gottsuche), die lunge in den kutkessel geben, jm. die lunge verseren; die l. (Subj.) wachsen / abkülen / (v)erfaulen, hol / zerrüttet / verzert sein, jm. faul / wund sein, jm. weh tun, die l. ein blasbalg / luftloch / windfang sein; den luft durch die lungen ziehen, ein geschos in der lungen sein, etw. zu der lungel gut sein; das geschwer / schweinen / gebreste der lunge(n); der zipfel von der lungen; die hitzige / sieche l. Wbg.: lungechtig ›lungenkrank‹, lung(en)ader ›zur Lunge hin- oder wegführende Ader‹, wohl auch ›Luftröhre‹, lungen兩der (das; Gw zu 1 derre) ›Schwindsucht‹ (dazu bdv.: lungensucht), lungengeschwer, lungenmus ein aus Lunge zubereitetes Gericht, generalisiert auch: ›klein gehackte Speise überhaupt‹, lungenweh eine Lungenkrankheit, lungfäule, lungig ›lungenkrank‹ (a. 1522; bdv.: vgl. lungensiech), lungröre ›Luftröhre‹.

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lunge

Toeppen, Ständetage Preußen 4, 358, 39 (preuß., 1454): wente deme hern konyge henget de lunge sere up Danczik. Luther, WA 47, 62, 32 (1538): Sant Bernhard hatte sich so gahr vom Essen [...] enthalten, das ihme die lunge angefangen hat zu verfaulen. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 124, 5 (rib., 1348−1407): dat si [scheifenmenger] niet mitwigen en soillen de milze, strosse, longe, leiver. Thiele, Minner. II, 23, 248 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): dat is die valsche tzonghe, 兩 [...] 兩 die is holre dan eyn longe. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 78, 13 (Frankf. 1535): Es ist in dem atrament ein gifftige krafft die lung drücknet also daz sie villeicht einen tËdtet. Harms u. a., Alberus. Fabeln 181, 21 (Frankf./M. 1550): Wann eim ist Lung vnd Leber faul / 兩 Wann einr die feuln hat in dem maul. Alberus Ss ijv (Frankf. 1540): lung ader / die adem ader am hals. Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb. 183 (o. O. um 1480): Minista est vena pulmonis dy lunge oder. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 132, 4 (Nürnb. 1631): Beschneyden will ich auch mit Lust, 兩 Mein Rucken, Magen, Bauch vnd Brust, 兩 Lung, Leber, Hertz, Miltz, Schenckel, FÈß, 兩 Kleyder, Gesellschafft mein genieß. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 207r, 24 (Hs. 2nalem., um 14009): Dem die lungg o oder / die leber we tut: Nim marrubien bletter / vnd betran vnd hirshËrner. Ebd. 207v, 24: Fu´r das lingender nim die v werdent. Cirurgia H. Brunber, die an dem / spinlenbom schwig 29ra, 12 (Straßb. [1497]): Jst aber das geschoß in der lungen / so gat schümecht pluto dar vß. Spanier, Murner. Narrenb. 68, 43 (Straßb. 1512): Mit lungen ich ouch werffen kan, 兩 Wann du mit kutlen fahest an. Dasypodius 375r (Straßb. 1536): Lungechtig. Pulmonarius. Anderson u. a., Flugschrr. 30, 5, 26 ([Straßb. 1522]): Botz lung ey botz bauch botz handt / wer [...]. Sudhoff, Paracelsus 4, 317, 10 (1527): die erz knappen tragen bËse krankheit, auch lungen- oder herzweˆ. Ebd. 7, 162, 25 (1529): Von der neuen lungsucht. Wie die art mercurii ist, das er austreibt durch den mund also durchsucht er die regiones der lungen, [...], so bringt er allen den wust in die lungen, den er sol austreiben, und wie er mundfeule macht, also macht er auch die lungfeule. Ebd. 9, 470, 23 (1531/5): ein große hizige lung, die da mit gelinger keltin abkület wird, die felt auch in das keichen. Maaler 264v (Zürich 1561): Latwergen die man [...] im mund zergon laßt wider die prÁsten der lufftstrËm oder lungen. Golius 337 (Straßb. 1579): klein gehackte speis / als kraut / oder o Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 428, 13 lungenmus. (halem., 1418): su´llent si die lebren, lunggen, fÈsß, manigfalt und waz in den kutkessell gehËret [...], in den kutt kessel geben. Wyss, Luz. Ostersp. 9792 (Luzern 1545): wyns o würt man vnns har bringen, 兩 das wir dlunggen wol mognug gend wäschen. B‰chtold, N. Manuel. Zugabe H. R. Manuel, 323, 518 (Zürich 1548): Hab frischen muto und bis guto man! 兩 Lass lunggen und leber sant Veltin han! Maaler 264r (Zürich 1561): Latwergen die man [...] im mund zergon laßt wider die prÁsten der lufftrËren oder lungen. Ders. 276r (Zürich 1561): Die Lung. Pulmo. Die Lung ist gantz vnnd gar verzeert von kranckheit. [...]. LungengeschwÁr (das) Empiema. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 71, 17 ([Augsb.] 1548): Auß der Lungen / und nicht auß dem

hertzen reden. Die Lung ist des Hertzens blaßpalg / und das Hertze leyt an der Lunge / ja schier durch die Lunge bedeckt / auff das die hitze des Hertzen / erkÈlung und erquickung habe / [...] / derhalben ist die Lunge nun das lufftloch / Und wer auß der Lungen redet / der redet lufft / und ain stimm on Hertz. Stopp, Kochbuch S. Welserin 45, 1 (Augsb. 1553): Lu´ngenmu´sß zu´ machen Seudt die lu´ngen, hacks klain. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 585, 31 (schwäb., 1588): Dieweil dann bißweilen unrat under daß vich mit der lungenfeilin oder aufstossen komen, also daß vich, [...] verkauft worden, darauß dann bald kranckheiten ervolgen. Henisch 136 (Augsb. 1616): Athem ader / lunge˜ ader / athem keel / athem loch. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 18, 4 (oobd., 1349/50): Diu luftrœr ist ain groˆziu aˆder und haizt ze latein trachea, und haizent si die wundertzt die lungrœr. Ebd. 29, 23: Aristotiles spricht, daz diu lung sei ain wintvanch, der den luft auz und ain füert, daˆ von daz herz erküelt wirt. Eis u. a., G. v. Lebenstein 75, 4 (oobd., 15. Jh.): Es [Eysenchrawt wasser] ist auch guet zw der prust vnd zw der lungel vnd leber. Haage, Hesel. Arzneib. 2v, 13 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): und sol essen vil gutter stup von plumen und von negelein, und die sol man thun auf vil lungen müszlein. Deinhardt, Ross Artzney 202 (oobd., 1598): Für hüzig dermen, wann lung, leber vnnd das mülz erfaullen wil. Winter, Nöst. Weist. 1, 515, 7 (moobd., 1615): soll den fleischhackern verbotten sein die lumpl fleck fueß vozmaul und dergleichen nach dem gwicht nit mit dem fleisch auswegen. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 519, 397; Belkin u. a., a. a. O. 102, 13; Stedtfeld, Roger-Glosse, S. 87; Keil, Peter v. Ulm 181; Gille u. a., M. Beheim 354, 98; Mayer, Folz. Meisterl. 100, 354; Sachs 17, 206, 7; Sudhoff, a. a. O. 1, 26, 26; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, S. 188; Mollwo, Rotes Buch Ulm 167, 28; Sappler, H. Kaufringer 12, 266; Eis u. a., G. v. Lebenstein 34, 9; Bremer, Voc. opt. 1091; 1098; Schmitt, Ordo rerum 340, 9; Voc. inc. teut. p iijr; Dasypodius 241r; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 32; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 229.

2. ›verschriene Frau‹. − Bdv.: vgl. 2lunze. Spanier, Murner. Narrenb. 80, 103 (Straßb. 1512): Wyl die kotz / vnd valsche lung 兩 Jst gesundt / ouch frisch / vnd iung, 兩 So findt sy keinen man für sich; 兩 Dann sy acht keinen irs gelych. Spanier, Murner. Narrenb. 80, 125 (Straßb. 1512): Wann sy aber wirt ein lung 兩 Vnd darzuo ein Ëde zung.

3. Kopfform für lungenader. Haage, Hesel. Arzneib. 17v, 12 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): so sol man im lassen auf dem lincken arem und auf dem rechtten fÈsz die aderen, dye der maister bol baysz, daz ist dye lung.

4. ›Dreck, Mist; Kehricht; Pferdeäpfel‹, anschließbar an den pejorativen Gebrauch unter 1 (s. auch Dwb 6, 1304). − Phras.: jn. mit lungen zum dorf auswerfen.

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lungechtig − lünse

Luther, WA 15, 409, 7 (1524): Sed sicut aliis festis factum est, ita huic factum, mit lungen beschmeist. Ebd. 20, 369, 24 (1526): illi habent corpus sanum, et fruchtbar mit den wercken, et quando lungen (Verb?) und mit mist bescharren, so ists doch eytel frucht [...] quia ideo discit Christianus, ut omnibus sit allis utilis. Ebd. 23, 93, 11 (1527): ein kÈner hellt, den man solt anspeyen und mit lungen zum dorff auswerffen. − Ebd. 30, 1, 127, 28; 52, 691, 19.

lungechtig, lungenader, s. lunge 1. lungenbrate, s. lumbel. lungen兩der, lungengeschwer, s. lunge 1. lungenkraut, das; Bw auch lungel-. eine als Mittel gegen Lungenkrankheiten von Mensch und Tier gebrauchte Pflanze, botanisch nicht sicher bestimmbar; vgl. Marzell 3, 1179 ff. s. v. Pulmonaria officinalis; zu lunge 1. Alberus DD ivv (Frankf. 1540): Oxyphyllon, pulmonea, lungen kraut. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 79, 38 (osächs., 1570/7): Dem vihe wider das umbfallen und sterben, von superintendenten zu Kalba communiciret. Nim lorbeern, marterkraut, lungenkraut, scharlachkraut. Sudhoff, Paracelsus 4, 117, 33 (1527): Usnea proprie est lungenkraut (pulmonaria), in arboribus crescit. Maaler 276r (Zürich 1561): Lungenkraut (das) Linostrophon, Marrubium. Haage, Hesel. Arzneib. 4r, 6 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): welcher mensch ist prunstig an der leberen und an dem milcz, da fur sol man im zessen geben saluay, peterlin, weirauch und lungenkrautt. Deinhardt, Ross Artzney 105 (oobd., 1598): Ist ain pferdt dempffig [...] vnnd huesstig So nimb ain pfundt piern paum mistl, ain pfundt hasel stauden müstl, ain vierling bürckhen müstl, lungl khraut an den aichen. − Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, S. 188; Schweiz. Id. 3, 900; Vorarlb. Wb. 2, 314.

lungenmus, s. lunge 1. lungensiech, Adj. ›lungenkrank, schwindsüchtig‹; zu lunge 1. − Bdv.: vgl. lungig, lungensüchtig. − Wbg.: lungensiechtag, lungensiechtig, lungensiechtung. Haage, Hesel. Arzneib. 20r, 1 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Saluey, peterling burcz und pibernel, [...], die sol man stossen [...] und gebs den menschen ze nuczen, wer do ist lungen siech. Voc. inc. teut. p iijv (Speyer um 1483/ 4): Lunge˜sucht lu˜ge˜ siehtu˜g. Ebd. z viijr: Prustgeschwer od’ lungensiechtag. J. W. von Cube. Hortus 122, 15 (Mainz 1485): Castaneen synt schedelich lungensiechtigen menschen. Maaler 276r (Zürich 1561): Er ist gar Lungensiech. Pulmo totus afficitur. Bremer, Voc. opt. 43063 (schwäb., 2. H. 15. Jh.): Tysis brustkistrin [...] brustkistri [...] lungensiechtag [...] est vlceracio et tumor pulmonis, vnde sequitur consumpcio et diminucio tocius corporis.

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lungensiechtag, lungensiechtig, lungensiechtung, s. lungensiech. lungensucht, die; Bw auch lung-. ›Erkrankung der Lunge, Schwindsucht, Tuberkulose‹; zu lunge 1. − Bdv.: husten, lungen兩der, lungenweh, schweinsucht ›Schwindsucht‹. − Wbg.: lungensüchtig. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 104, 15 (Frankf. o 1535): Er [Bolus armenus] ist guto dem blutspeien des lungensüchtigen / dann es trücknet der lungen geschwer. Ebd. 122, 15: Laugen auß eych esch gemacht ist guto zu dem brauch der artznei / den menschen vnd dem vihe die da versert werden von der grossen lungenseucht (hier formaler Einfluß von -siech-). Sudhoff, Paracelsus 7, 142, 25 (1529): das die lungen verstockt wird von eigener feustin, dodurch husten, lungensucht trefflich erwachsen. Maaler 276r (Zürich 1561): Lungensiech / LungensÈchtig. [...]. Lungensucht (die) Entzündung der lungen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 311, 36 (Genf 1636): LungensÈchtig / der einen schaden an der Lungen hat. Fischer, Eunuchus d. Terenz 62, 22 (Ulm o 1486): für ir ware farb [setzt er] kychend und hustend plaich als sollich lungensüchtig seind. − Luther, WA 37, 590, 11; Sudhoff, a. a. O. 4, 592, 10; 5, 450, 1; 7, 179, 8; Voc. inc. teut. p iijv; Schweiz. Id. 7, 280; 291.

lungensüchtig, s. lungensucht. lungenweh, s. lunge 1. lunger, Adj.; laut Lexer 1, 1984 zu lingen. ›schlapp, matt‹ (?) Klein, Oswald 50, 14 (oobd., v. 1408?): der hunger macht lunger 兩 mir den magen schir.

lungern, V. ›jm. jn. (aus einem Dienstverhältnis) abwerben‹. − Bdv.: vgl. abdingen 1, abspannen 1. − Rwb 8, 1508 (a. 1507). lungfäule, lungig, lungröre, s. lunge 1. lüning, der ; zur Wortgeographie in den rezenten Mundarten s. Dwa 2 und 15, K. 11 (westl. Nd.). ›Sperling‹. Maaler 275r (Zürich 1561): LÈninck (der) Ein spatz. Passer.

lünse, 2lune, deutlich seltener; auch mit -a-; die; nhd. Lün, Lünse,

lone, letztere Formen vereinzelte Schreibungen −/-n; zu mhd. lun, lünse, jeweils ›Achsnagel‹ o. ä.

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lünseplatte − lunzen

(Lexer 1, 1982; 1984; Dwb 6, 1302; 1306; Kluge/S., Et. Wb. 2002, 585). ›Achsnagel, durch Radkappe und Achse verlaufender Nagel zur Befestigung des Rades und zur Stabilisierung der Radspur‹; wohl auch: ›Schemel des Vorderwagens‹. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: leuchse; vgl. lan, stoklune. − Wbg.: londieb, lunennagel ›Achsnagel‹, lünseplatte wohl ›Metallplatte auf dem Vorderschemel des Wagens‹, lonscheibe ›Sicherungsring für den Achsnagel‹ (a. 1591). Joachim, Marienb. Tresslerb. 579, 38 (preuß., 1409): 1 m. 3. sol. Swenkenfelde dem smede vor [...] luse lonen zum grosen bochsenwayne. Bl¸mcke, Hans. Gesandtsch. 153, 37 (nrddt., 1603/05): vor [...] 30 alte iserun, item vor lunzeplate, vor 2 tappen an den Rustwagen, [...] 7 Dal. 3 Gr. Peil, Rollenhagen. Froschm. 159, 3572 (Magdeb. 1608): Wer nach eim gÈlden Wagen ringet / 兩 Zu wenigst ein lÈnß dauon bringet. Struck, Joh. Pfannstiel 115, 12 (mosfrk., 1565): Ein eisen stickhel. − 3 lunssen. J¸rges u. a., Waldecker Chron. 352, 32 (wmd., 1546): 1 tentwagen, der ist zween widerpracht mit 1 lunze und deren riggeln. Schmitt, Ordo rerum 247, 16 (omd., 1466): Trabale lunse lewchsen [...] schämel vel leichsen. Lippert, UB Lübben 2, 171a, 7 (osächs., 1440): 15 g. dem smede von nagil unde von den lÈnssin zcu den streytwagin. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 100, 20 (nürnb., 1464/75): Fur ein lumer ein haller und ettlich zu dreien hallern. Diefenbach, Mlat.hd.-böhm. Wb. 148 (o. O. um 1470): Humerulus ... clauus in extremitate axis [...] lonennayl. Winter, Nöst. Weist. 3, 8, 5 (moobd., v. 1489, Hs. 1 H. 16. Jh.): wer ain lan auszug von ainem wagen in dem aigen und wird daran begriffen, dem soll man die finger an die stat stecken oder stossen und den lon darzu, das mans sech das ist ain londiep gewessen. Rechn. Kronstadt 3, 499, 12 (siebenb., 1549): dedi fabro, quod melioravit in curribus civ., paravit vulgo Blech, Lonnen et quicquid erat parandum [...] et currifici vulgo vor ein Osz, ein Wag [...] fl. 1 asp. 38. − Geier, Stadtr. Überl. 450, 28; Voc. Ex quo, F 591; Pf‰lz. Wb. 4, 1068; Schweiz. Id. 8, 55.

lünseplatte, s. lünse. lunte, die. ›Zündschnur‹; ütr. für ›Wertloses‹. − Phras.: lunten riechen. − Wbg.: luntengeld eine Abgabe zum Unterhalt des Militärs (a. 1609), luntenror, luntenstecke. Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 404, 11 (rib./ westf., 1587): Item lonten die 100 웩 10 alb., so binnen lantz gebruickt wurdt. Ebd. 500, 31 (1611): Lontten der centner 5 ½. Luther, WA 36, 25, 15 (1520): das tzeichen [vorher: krone] meines [kunigin Ester] auff meinem heubt

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hat mir noch nie gefallen, und achte sein wie ein bosze lunten. Ebd. 50, 407, 20 (1539): weil sie solche faule [...] Lunten für bringen, sich zu schmücken. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 309, 27 (Genf 1636): Londe / f. ZÈndstrick. Ebd. 29: Londen Riechen / mercken was andere jhm thun wËllen. Ebd. 34: Londenrohr / ein Rohr darzu man londen braucht. Ebd. 36: Londensteck / der steck mit welchem man die grossen GeschÈtz anstecket. − Vorarlb. Wb. 2, 314; Schw‰b. Wb. 4, 1343.

luntengeld, luntenror, luntenstecke, s. lunte. luntris, luntros, Genus? Etymologische Zuordnung beider Silben unklar (s. die Erläuterungen zu Luther, WA 51, 692, ohne Ergebnis). ›Nichtsnutz‹. − Bdv.: vgl. bärenhaut 2, lotterbube, lümpel, lur. Luther, WA 47, 820, 5 (1539): Nos nihil, wollen alle auffm polster sitzen. Si times probra hominum, bistu ein luntris, filtz. Ebd. 51, 652, 205 (um 1535): Er ist ein Seycher v ˆ tros hümpler Schelm. lun

luntros, s. luntris. 1

lunze, die; zu mhd./nhd. lunze ‹Löwin‹ (Lexer 1, 1984), dies laut Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1943, 362 f., aus afranz. lonce, lunce, ital. lonca; vgl. linze mit der dort angegebenen Ütr. ›Löwin‹. − Bdv.: vgl. lewin. Ziesemer, Proph. Cranc Nah. 2, 12 (preuß., M. 14. Jh.): der lewe hat gevangen genuc sinen welfern und hat getotit sinen lunzen und hat gevullit mit aze sine gruben. 2

lunze, die; zu Lunze ›Spalt‹ (so das Dwb 6, 1309). ›als liederlich verrufene Frau‹. − Bdv.: vgl. lunge 2. Luther, WA 10, 1, 2, 15, 8 (1522): des fleyschs wollust und kutzel suchen mit lang schlaffen, mit fawlen luntzen, mit allerley untzucht. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 229.

lunzen, V.; zu mhd./nhd. lunzen ›ruhen‹ (Lexer 1, 1985; Dwb 6, 1310). ›ruhen; faul herumliegen‹. − Bdv.: nafzen, schlafen. Luther, WA 1, 163, 28 (1517): yhr werdet die bette [...] mit augen threnen waschen, da yr nu auff luntzet. Dienes, E. Gros. Witwenb. 202, 21 (Nürnb., 1446): das luntzen hat nit stat in der zeit, do Got Gotes sun pettet. v. Groote, Muskatblut 35, 75 (nobd., 1. H. 15. Jh.): din [frauwe] liff der sol mit eren bi ym [gespontsen] lontzen. Voc. Ex quo,

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lup − lupfen

D 552 (obd., 15. Jh.): Dormitare slaffen [...] est propter pigritiem fingere somnum [...]; wulgariter naftzen uel luntzen. Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. II, 1281, 7 Var. (tir., 1486): Das sy [leut] lang luntschn in irem pett, 兩 Bis das die sun allenthalben auf gett.

lup, der, 1lüppe, die. 1. ›Gift (von Pfeilen; ütr.: der Zunge, des Wortes); Zauberei; einzelne List, einzelnes Zauberstück; Mittel, Kunststück, Zaubermittel‹. − Obd. − Bdv.: gift (der/die/ das) 4, lachnei, zauber. − Wbg.: geluppe. Pyritz, Minneburg 1275 (nobd., Hs. um 1400): Welhe sich also unseldet, 兩 Mit snappes lupp ein lurppent zung 兩 Oder verstummet gar an wort ursprung 兩 Zem ir zu der selben stunde 兩 Verre baz in irem munde! Rieder, St. Georg. Pred. 4, 27 (Hs. 2önalem., 13879): wan du solt niht geloben an zober noch an luppe noch an hess noch an lachny´e. Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 1226, 4 (Hs. A. 15. Jh.): Wolfdieterich sprach geriht: 兩 ,din lüppe sint verirret, din messer wellent din schonen niht‘. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 50, 10 (schwäb., 1471): Damit [list] frawen zaubern ir mann, 兩 [...] 兩 Sy machen vsz krautt ain gestüpp, 兩 Das ist guto zu der lüpp! Pfaff, Tristrant 19, 29 (Augsb. 1498): Ich weiß wol waz im gebricht; er ist mit lüpt [Var.: gifft] wunde. Niewˆhner, Teichner 440, 118 (Hs. 2moobd., 1360/709): also ist dw weiz ein lupp, 兩 daz man wort dar in besleuzzet. Ebd. 564, 3730 (Hs. n. 1400): wirff nur lupp und czawber nider. Gereke, Seifrits Alex. 6197 (oobd., Hs. 1466): die purger sy gar ser schussen 兩 mit gestuppten pheyllen ze allen stunden 兩 manig tieff verich wunden, 兩 das ir gar vil davon sturben 兩 und van dem gelupp verdurben. Kummer, Erlauer Sp. 3, 465 (m/soobd., 1400/40): dar nach han ich ein stupp, 兩 das ist guto zu einem lupp 兩 dem, der nicht geminnen mag. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 230.

›Flicken, Lappen‹; über die Motivation immissura ›Hineingegebenes‹ an 1 anschließbar (?). Schˆpper 87b (Dortm. 1550): Immissura. Lapp stÈck bletz / lupp fleck flick.

lupf, s. lupfen 1 (Phrasem); 4. lüpfel, die; Schreibform von leibbefilde. ›Begräbnis, Beerdigung‹. − Bdv.: begräbnis 1; vgl. lipfel.

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1. ›sich eifrig, schnell bewegen; schnell wachsen, hervorbrechen, sprießen‹. − Ggs.: 2 geruhen 1; 4. − Bdv.: vgl. anbollen, auffaren 7; 9, aufgehen 5, stossen 1. − Phras.: in jm. einen guten lupf tun ›jn. ein Stück weiterbringen‹. − Wbg. (hierher?): lipf. Gille u. a., M. Beheim 111, 556 (nobd., 2. H. 15. Jh.): peschah auff schnellem lipfe 兩 [...] 兩 mit dem engel gross meng mit ein 兩 dez himelischen hers erschein. Wiessner, Wittenw. Ring 6286 (ohalem., 1400/08): Hupfen, lupfen und ein zoppen 兩 Hiet sich an dem ring derhaben. Klein, Oswald 42, 73 (oobd., v. 1408?): Die swammen stupfen, lupfen 兩 auss der erde herde. Ebd. 75, 25 (v. 1418): Raucha, steudli, lupf dich kreudli!. − Schweiz. Id. 3, 1354.

2. ›etw. / jn. anheben, emporheben‹. − Phras. hilf lupfen ›pack mit an!‹; lupf den grind ›schaut Euch um!‹; die waffen lupfen ›zu den Waffen greifen‹; das fänlein lupfen ›zum Krieg ausziehen‹; 2den stiel, die füsse / strümfe lupfen ›sich beeilen‹9. − Bdv.: aufheben 1, aufladen 1, tragen; vgl. 1aufboren 1, aufdringen 4. − Synt.: etw. / jn. (z. B. den lamen) l.; schwer l. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 707, 28 (Nürnb. 1631): Jhr seht mir zu, vnd lacht euch gnug, 兩 Da ich die FÈß muß lupffen. Goedeke, Fischart Flöh Haz 2749 (Straßb. 1594): seht, wie sie [anmaisen] tragen, ketschen, lupfen, 兩 Und nicht, wie ir, stets hupfen, stupfen. Maaler 276r (Zürich 1561): Lupffen. Leuare, Alleuare, Tollere, Attollere, Sustollere. Auff die achßlen Lupffen. [...]. Die fÈß redlich Lupffen. [...]. Einen hoch auffhin Lupffen. Ebd. 401r: Die Thür auß dem angel lupffen. Wyss, Luz. Ostersp. 3421 (Luzern 1571): Hirtt, lupff den grind vff, mich verstand! Ukena, Luz. Sp. 1349 (halem., 1575): Hilff lupffen wie stast du zgaffen / 兩 Wir hand hütt noch mee zuo schaffen. Ebd. 3005: Lupff den stil / allter huß krüppel 兩 Streck dich du öder lur vnd düppel. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 229; Schweiz. Id. 3, 1355.

3. ›jn. durch Anheben aus etw. (z. B. aus dem Sattel) heraus werfen‹; ütr.: ›jn. seines Amtes entheben‹.

Bobertag, Schwänke 123, 14 (Straßb. 1522): zelen mir [keiser] drü hundert duckaten [für angenommene Kosten der Beerdigung) da her, vnd werffen mich in die Tiber, vnd begon mir kein lüpffel, also geitig was er.

Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 2026, 3 (Hs. A. 15. Jh.): er [Hache] begunde sie [Kriechen] lupfen alumbe und uberal 兩 und uz den setteln schupfen. Spanier, Murner. Narrenb. 15, 75 (Straßb. 1512): Kan schon ein herr regieren wol, 兩 So findt man doch so manchen list, 兩 Biß er vom ampt gelupffet ist. Bernoulli, Basler Chron. 5, 5, 322, 18 (alem., 1454): Do lupft der Seevogel den Waltenheim der massen usz dem sattel, das er des selbigen tags starb.

lupfen, V.; zur etymologischen Einordnung s. Schweiz. Id. 3, 1358. − Gehäuft wobd.

4. ›jn. erhöhen, zu hohen Ehren bringen‹. − Bdv.: vgl. adeln 1; 3, anedeln, auferheben 2, aufrücken 4, aufwerfen 8. − Wbg.: lupf.

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lupler − luppen

Maaler 34r (Zürich 1561): Einen hoch Aufhin lupffen / erhebe˜ / zuo grossen eeren helffen. Ebd. 166r: Dz glÈck hat dich hoch auffhin Gelupfft. Ebd. 276r: Ein Lupff zuo eeren.

lupler, der ; auch -rer ; −/-π. ›Wahrsager aufgrund bestimmter Beobachtungsgegenstände‹ (vgl. die Belege des gesamten Wortbildungsfeldes). − Wbg.: luplerin (bdv.: ansprecherin, zauberin). Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 26, 35 (Hs. 2omd., 14659): Pedomancia, mit kinder gedirme, 兩 und Ornomancia, mit birkhene dermen luplerinne. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. S. 254 (moobd., A. 15. Jh.): Lupplerinn vnd Zawbrinn wie swach die sein. [...]. luppler vnd zawbrer werden geczelet vnd auch verdampmet. [...]. Luppler hilffe ist der tod genant vnd nicht daz leben. [...]. Lüppler vnd plante¨r werden verdampmet. Ebd. S. 256: Luppler vnd zawbrer wie man die eruorschen schülle [...]. Lupplerinn vnd zawberinn wie die wänen sy reyten pey der nacht mit der gottinn Dyana oder mit Herodiana. [...]. Luppler die die verpoten tag halden. Mollay, Ofener Stadtr. 2, 11 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): das geschiecht dan, so der Richterr vnd rat nicht straffen dy luprerr vnd zaubrerr, meinayderr, feirprecherr, spilerr. Ebd. 331, 1: Von ansprecherin, czaubern ader Liplerinn. − Rwb 8, 1509 f.

luplerin, s. lupler. 1

lüppe, s. lup.

2

lüppe, die; möglicherweise schwundstufige Form zu 1lab (Kluge/S., Et. Wb. 2002, 551; vgl. auch: Pfeifer, Et. Wb. 2000, 754 und de Vries, Ned. Et. Wb. 1971, 387 s. v. leb). ›Lab, der Käsebereitung beigegebener, die Gerinnung der Milch bewirkender Stoff‹; auch ütr., dann: ›Bärme, Fügekraft‹. − Bdv.: ren(ne); vgl. 1lab 1. − Wbg.: 2lippe, 2 lippen ›etw. zum Gerinnen bringen‹. Dasypodius 35r (Straßb. 1536): Coagulum, Rennen / kÁß rennen / lüppe, [...], Was zÈsammen fÈgt oder vereynbaret. [...] / ich mach dicke / ich lippe. Ebd. 373v: Lippe / rendel. Coagulatum. Lippen / dick machen. Coagulare. Ebd. 397v: Renne / lippe. Coagulum. Wedler, W. Burley. Liber 119r (moobd., v. 1452): Ains frawnds trew ist lupp der frawntschafft. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 230 (hier vom lüp des heiligen Geistes die Rede angesichts der Menschwerdung Christi); Schweiz. Id. 3, 996.

luppei, luppelei, s. lupperei. luppeln, V. ›zaubern, Zauberei betreiben; schwindeln‹. − Bdv.: zaubern; vgl. augenblenden, 2be-

1486

schweren 5, besegnen, burten, hexen, kokeln, lachsnen, wicken. Gille u. a., M. Beheim 235, 77 (nobd., 2. H. 15. Jh.): hort auch von luplen mancher hand, 兩 das ich euch fure gibe. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. S. 254 (moobd., A. 15. Jh.): Luppeln oder czaubern mit anrueffen der teufel ob das pilleich sey. [...]. Luppeln vnd zawbern seid das dick war wı¨rdet darvmb we¨r auch es pilleich nicht zu verpieten. − Vgl. ferner s. v. lupperei.

luppen, V.; zu mhd. lüppen / luppen ›vergiften‹ (Lexer 1, 1989). 1. ›etw. (Konkretes, z. B. einen Pfeil) vergiften‹; ütr. auch auf die Zunge, das geäußerte Wort bezogen; vgl. lup. − Bdv.: vgl. inficieren, vergiften. Ziesemer, Proph. Cranc Hes. 5, 16 (preuß., M. 14. Jh.): wen ich werfin werde an si mine bosen hungirs sper, di do gelubt [Worms. Proph. 1527: zur verderbung dienen; Eck 1537: tËdtlich; Luther 1545, schedlich] werden und dy ich werfin wil, daz ich si vorterbe. Gerhard, Hist. alde e 3793 (omd., um 1340): Der mit eim gelupten phile 兩 Schoz in einer kurzer wile 兩 Den kung Josiam durch haz. Pyritz, Minneburg 1279 (nobd., Hs. um 1400): Ir snappes gelupter winkels claff 兩 Derr an eren irs hertzen saff! Ebd. 4010: Wes gibstu, freuden morderin, 兩 Gelupten dorn in rosen schin? Lemmer, Brant. Narrensch. 64, 23 (Basel 1494): Pyeris hat vil jungen gmaht 兩 Den ist gelüpt die zung so wol 兩 Das sie dick brennet wie eyn kol / 兩 Diß klagt / die klappert / dise lügt 兩 Die richt vß / als das stübt vnd o flügt. Pfaff, Tristrant 15, 12 (Augsb. 1498): er ward zum anderen mal wund mit eim gelüpten sper.

2. ›e. S. (z. B. der Flasche) zusprechen‹; Zuordnung zu diesem Lemmazeichen dann plausibel, wenn man ›zaubern, schwindeln‹ von luppen als Ütr. im Sinne von ›zaubernd zusprechen‹ auffaßt (vgl. Dwb 6, 1313; Schweiz. Id. 3, 1353). Sachs 13, 5, 291, 30 (Nürnb. 1547): Darzu das fleschlein luppen. Ders. 7, 155, 11 (1551): Dem becher wöll wir deß baß luppen. Ders. 17, 306, 10 (1562): Da assen sie ein wassersuppen 兩 Und theten der bierstützen luppen. Lemmer, Brant. Narrensch. 81, 4 (Basel 1494): Dem goben wir versaltzen suppen 兩 Das er dem flÁschlin wol mËcht luppen. B‰chtold, N. Manuel. Zugabe N. Manuel, 402, 355 (Zürich 1523/6): Und uns täglich schaffen ein suppen, 兩 So wend wir dem schenkfass luppen! − Sachs 20, 6, 29.

3. ›(die Zunge) lösen‹ sowie ›jm. hinsichtlich e. S. Vorschub leisten‹. − Schweiz. Id. 3, 1353 (a. 1533 für letztere Nuance; 1561 für erstere).

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lupperei − lurken

4. ›jn. kastrieren‹. − Bdv.: ausschneiden 7, entgeilen, gelzen, heilen 5, kapaunen, 1leichten, 2 lippen. Chron. Kˆln 2, 405, 13 (Köln 1499): dat men gemeinlich spricht, dese konink Hildericus si van sime broeder gelubt wurden [...], umb dat hei ghein lifserven nae sich liesse.

lupperei, luppelei, luppei, erstere Form dominant; die. ›gegen Glauben, Recht, Moral der Zeit verstoßende Lehre und entsprechendes Handeln allgemein‹; speziell: ›der vernunft, warheit entgegengerichtete Scharlatanerie; amoralischer Betrug; Glaube an Zauberwesen; Ausübung von Wahrsagerei; Magie, Zauberei; Mißbrauch christlicher Symbole‹; von Seiten der Ankläger Christi auch auf dessen Lehre und Handeln bezogen. − Obd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch Chroniken. − Bdv.: faselteiding, gedichtung 2, gesüche 3, läpperei 1, leicherei, schwarze kunst, zauberei (mehrfach), zaubernis. − Wbg. (latinisierend): luppisterei. Schade, Sat. u. Pasqu. 1, 28, 33 (o. O. 1521): Geschweigent ander faselteding und lupperei 兩 Und sagent was die warheit sei. Ebd. 2, 273, 20 (o. O. o. J.): dein [bapst] lupisterei ist dir besetzet wol, 兩 daß dir ist kisten und kasten worden vol. Chron. Strassb. 1021, 11 (els., 1353): wo man in indewendig der mile ergriffet, so sol man in erdrencken, umb daz er mit lupperige umbe ging. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 43, 123 (schwäb., 1471): Nach der Cristmesz hebet man 兩 Vil v¨ppikait mit sünden an, 兩 Spil, lupprey vnd füllen 兩 [...]. Jaspers, St. v. Landskron 42v, 22 (Augsb. 1484): [oder gelauben] an die drutten. an die schrÁtle. an die vnhulden an die werwolff an die alpp. oder an andere [...] laicherey. lupperey¨ vnd gedichtung? Drescher, Hartlieb. Caes. 215, 17 (moobd., 1456/67): so fËrchten sy doch die grossen pein, die sy do mit verschuldent, als offt sy mit heyligen dingen zauberey oder luppey treibent. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst., S. 254 (moobd., A. 15. Jh.): Jncantacio Luppley czaubrey Luppeln oder czawbern [...]. Ob samuel von der zawberinn erküchet würd. [...]. Luppley Wer die erfunden hab. [...]. Luppley vnd Zawbrey die da geschehen mit czedeln, mit pilden, mit wesweren der natur, der chinder, der chrankchen, mit ansprechen vnd mit vil andrer dinge die werden aufgerichtet [...]. Luppley die da geschehen mit aufrichten der par [...], mit figuren, mit zaichen. Ebd., S. 256: Luppley welich tag wehalden vnd aufczaigen an den man chauffen, heyrat stiften, new¨ gepaw an heben, newe chlaider an legen etc. schulle oder nicht das ist alles wider den gelauben. [...]. Luppley vnd Zawbrey vnderschaid wı¨rdet aufgerichtet [...]. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 96, 9 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Er [Gregorius] o verpot all lüplerey, czaubernüss und gesuche. Wackernell,

1488

Adt. Passionssp. H. I, 883 (tir., 1486): Dapey migt ir woll erkennen, 兩 Was ein solicher werd sey, 兩 Der sich an nimpt solich läpperei [bezogen auf Jesus; Var. M: luplerey]. Ebd. Pf. II, 1442 (tir., 1514): Dar czwe lernet ich manige luperey [Var. h: luplerey] 兩 Und petrog manigen mit zauberey: 兩 Was mier ainer nit mit trewen holdt, 兩 So macht ich aus im ain aczen und polt. − Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1943, S. 364.

lüppig, Adj. 1. ›vergiftet‹; vgl. lup, lüppe 1. − Bdv.: vgl. abgift, gelüpt. Ettm¸ller, Heinr. v. Meißen 368, 6 (md., Hss. 14./ 15. Jh.): Ich han vünf strællıˆn, diu sint lüppic: 兩 diu wil ich einem schiezen. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 494, 4 (moobd., 1473/8): Des ward vor zorn pitter 兩 Paris − ein lüpppig zain er in in schoss. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 151, 28 (moobd., 1478/81): so ward auch er mit ainem lüppigen pfeil geschossen, das er pald starb.

›unwichtig, unbedeutend‹. Klein, Oswald 82, 61 (oobd., um 1418): was solt ich des gelauben, 兩 das ir so luppiklichen acht, 兩 was ich eu vor gekeude.

luppisterei, s. lupperei. lur, der ; −/-en; halem., nicht diphthongierte Schreibung von 1lauer ; hier einige Nachträge. ›Dummkopf, Bösewicht, Schelm, Nichtsnutz‹. − Bdv.: vgl. lotterbube, lümpel, luntris. Kottinger, Ruffs Adam 2327 (Zürich 1550): Den luren [Habel] wil ich [Kain] dannen zühen 兩 nach dem hinwäg gon. Bachmann, Haimonsk. 36, 18 (halem., 1530): Ir heren, gedenckend mich zerächen an dyssen lurren, die unser volck so u˘bel schedigend! Ebd. 50, 36: By gott, du lur, du bist tod oder gfangen, ich will dich Karly bringen. Ebd. 58, 12: und sprach zuo innen: „Ir lurren, gott verflüech u˘ch! Ir sind nu˘tz wertt und nu˘tsöllend buoben“. Ebd. 138, 23: by gott, ich gsach nie ein so grossen lurren, als ir sind. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 230; Schweiz. Id. 3, 1376.

lurken, V.; ablautend zu mhd. le¨rcken (Lexer 1, 1885; Bmz 1, 1005; Schweiz. Id. 3, 1382). ›stottern, anstoßen, schwer reden‹. − Nahezu ausschließlich obd. − Bdv.: s. u. die Belege Schˆpper und Maaler ; vgl. anstossen 8, gatzen 2, lerzen 1, lirken, stackeln, stottern − Wbg. (Intensivum): lurzgen (aus vorauszusetzendem lurkzen). Schˆpper 36b (Dortm. 1550): Balbutire. Lallen schwapeln stamlen statzgen statzen lurcken lurgen ¶ lispeln lischben mit der zungen stossen. Merzdorf, Historienb. 713, 14

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lurtsch − lus

(alem., Hs. 2. H. 14./A. 15. Jh.): das myn [Moyses] mund zuo sprechende verirret ist und das ich mit den zungen lurcken. Chron. Strassb. 261, 10 (els., A. 15. Jh.): also nam er einen burnenden gluto und warf den in seinen munt, das ime sine zunge verbrante und darnoch allewegen lurkete. Guth, Gr. Alex. 6400 (Hs. 2oobd., E. 14. Jh.9): Wie ich sey der kunst höl, 兩 So wil ich doch guczgen 兩 Den maistern nach mit lürczgen. B‰chtold, N. Manuel. Krankh., 227, 6 (o. O. 1528): dann die Mess ist ie lenger ie schwecher, sie kürblet und lurket an der red. Maaler 276r (Zürich 1561): Lurgken / Jn der red stossen vnnd schwancken. Labare sermone. Barack, Zim. Chron. 1, 445, 42 (schwäb., M. 16. Jh.): die herzogin Eufemia [...] sol ein zungen gehapt wie ein habbich und gar übel reden künden, daher nachmals gesagt worden, ire erben, kinder und kindskinder reden schwärlichen, wie sich dann bei [...] der linia von Gailndorf des wol beschaint, die heftig in der rede lurken. Ebd. 4, 252, 10: Also verlore es der herr von Bern, der statzget, lurket und war am allerwenigesten beredt. − Pyritz, Minneburg 1275; Wiessner, Wittenw. Ring 536.

lurtsch, die; -π/ auch -π. ein Brettspiel. − Wbg.: lurtschen. Lappenberg, Fleming. Ged. 344, 325 (1632): Wilst du lortschen, wilst du dammen, 兩 wilst du ziehen in dem Schach. Sachs 5, 31, 13 (Nürnb. 1539): Gwinn einer den peutel zu den stümpffen! 兩 Oder spielt in dem pret der lurtz! Ders. 6, 142, 20 (1549): Drinn spilen wir die lurtz gar auß. 兩 Sie nemen das spilbret, gehen ab. Ders. 20, 78, 10 (1559): Ich kan das kurtz und auch das lang, 兩 Puff, gegen-puff und puffregal, 兩 Dickadack und die lurtsch zu-mal. Ders. 21, 521, 15 (1550): Darin erzelet er sueptil 兩 Neunerley spil im pret zw-mal: 兩 Die schlechten pueff und pueff-regal, 兩 Die gegenpueff und auch die luerz. − v. Keller, Ayrer. Dramen 1543, 31.

lurtsch, Adj.; etymologisch mit lurz identisch. ›vom erwarteten Verhalten in Richtung auf ,unangemessen‘ abweichend‹; im einzelnen: ›link (im moralischen Sinne); linkisch (von der Art des Ganges)‹; ›schief, verbogen (von einer religiösen Wahrheit)‹; subst.: ›ungeschickter Kerl, Mensch mit schleppendem Gang‹. Sachs 12, 253, 27 (Nürnb. 1554): Die sach ist gar lurtsh aller-ding. Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 7, 71, 3 o man aber hindersich in der heiligen (Straßb. 1520): sucht geschrifft / ort vnd end, so er angezeigt hat / so ist es lurtsch vnd nit also wie er sagt. Golius 100 (Straßb. 1579): Atta [...] die lurtscher / züpffler / schlürpffler / als wann sie auff dornen giengen. Maaler 275v (Zürich 1561): Lürtscher / Die gleych als auf dËrnen go˜d / nitt dapffer eynhintrÁttend. Ebd. 276r: Lurtsch (der) tËrpel. Murcidus, Bardus. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 230.

lurtschen, s. lurtsch (die).

1490

lurz, Adj.; s. auch lerz. 1. ›links‹. − Md. / nobd. − Phras.: die kleider zu der lurzen hand breiten ›falsch leben‹. − Bdv.: vgl. lenk, link 1, linster, lirk, tenk, sinister. Ggs.: recht. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 1020 (rib., 1444): Etzlichen mechtichde he unverholen 兩 Den jungen Ihesum Crist zo dragen 兩 Up der lurtzer schulderen. Ebd. 6537: An dem ende zer luzrtzer hant 兩 Under eyme boume ich sitzen vant 兩 Eyne vrissche ionffrowe. Chron. Kˆln 1, 375, 27 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): da beneven ein swert, ligende an der luitzer siden ein cruitz. Ebd. 2, 393, 6 (Köln 1499): up der luertzer siden hait doin machen [...] ein alzo koestlich capell der [...] here Johan van Hirtz. Aubin, Weist. Hülchrath 247, 13 (rib., 1500): der ehr van Wevelkoven adir sin bevelhaber sall uf die rechte hant und der herr van Elssen uf die lurtze hant sitzen. Buch Weinsb. 5, 457, 32 (rib., 2. H. 16. Jh.): wie er heimwartz gink, schouss in das bois uff dem wege an das lurtze bein. Grimm, Weisth. 2, 789, 14 (mosfrk., 1413): wilchen der grontheirre antastet zer reichter siden, den seluen sal der vaigt antasten cer lurtzer siden. Schˆnbach, Adt. Pred. 19, 18 (osächs., 1. H. 14. Jh.): etteliche breiten ire cleidere zu der lorzen hant, daz sin die nach o irme mutwillen leben. Sachs 21, 521, 15 (Nürnb. 1550): [puech vom pretspiel:] Die schlechten pueff und pueff-regal, 兩 Die gegenpueff und auch die luerz, 兩 Das lang maist vor und auch das kuerz. − Buch Weinsb. 1, 321, 42.

2. ›matt (vom Körper); dumpf, vernebelt (von der Wahrnehmung); geschlagen (im Spiel)‹. − Wbg.: lürze ›moralische Verbiegung, Falschheit‹. Pyritz, Minneburg 916 (nobd., Hs. um 1400): Du bist der smele ein wite breit, 兩 Ein große lenge der kurtze, 兩 Ein gerechtikeit der lÈrtze. Ebd. 1879: Sie sol wißen und niht sin wenig 兩 Daz ich ir bin undertenig 兩 Mit lÈrtzem lybe und zeswem 兩 Und wil under irem besem 兩 Bis an min ende gern sin. Ebd. 1988: Wie ich der synne bin so lurtz, 兩 Ob mir noch got dez lebens gan. Ebd. 4664: Auch ist der sin mir worden lurtz, 兩 Vernihtet und vertËret. Sachs 5, 31, 15 (Nürnb. 1539): Wer lurtz wird, zal das spiel zwifach! − Schles. Wb. 2, 828.

lürze, s. lurz 2. lurzgen, s. lurken. lus, der ; −/auch -π ; zu mhd. luz ›durch Los zugefallener Landteil‹ (Lexer 1, 1999). − Wobd. / oobd.; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Zur Sache: Rwb 8, 1514. 1. ›jm. durch Los zufallender Idealanteil an einem Gemeindewald, einer Gemeindewiese oder einem Gemeindefeld‹. − Wbg.: 2 lusen ›etw. in verlosbare Stücke teilen‹.

lusen − lust

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Fuchs, Urb. Göttweig 238, 37 (moobd., 1361): o o von zwain lozzen 12 ph. UB ob der Enns Purchardus 10, 403, 16 (moobd., 1386): Darnach schaff ich meiner obgenannten hausfrawn Agnesen mein haus, [...], ainen luz im Purkchueld [...], zwen luzz, die ich chaufft han von Witlein. Ebd. 511, 10 (1388): Chunrat Podwein [...] gibt an unser Fraunspital [...] ein luzzel, das ich von Jacoben beim Tor chaufft han. Winter, Nöst. Weist. 2, 95, 1 (moobd., 16. Jh.): daß man dasselb [holz] gleich außlassen soll [...] iedem ganzen lehen 4 luß und ainem halben lehen 2 luß. und so das ist gelust, so soll es der richter ruefen lassen. Ebd. 397, 12 (1580): die Gainfarner haben ain gemaine wißmadt bei Harmanstorff, gehört in iedes hauß ain lüß. − UB ob der Enns 9, 777, 24; 10, 227, 11.

›Feldstück von (Maßbezeichnung).

bestimmter

Größe‹

Winter, Nöst. Weist. 2, 218, 7 (moobd., 1541): es soll ain ieder sein vieh zu gewönlichen valtarn austreiben, und es soll vor iedem valtar offen sein dreier luss prait, do das vich geruebleich ein und aus mug geen. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 230. 1 lusen, auch -men und -nen, V.; zu mhd. luˆz(e) ›Versteck, Lauer‹ (Lexer 1, 2000). ›in einem Versteck liegend spähen, lauern‹; auch: ›etw. neugierig beobachten‹. − Bdv.: vgl. 1lauren 3; 4, laussen 2, spähen. − Wbg.: lusmer (reiche Belegung im Rwb 8, 1512 f., speziell unter dem Aspekt der Beobachtung von Prozessen, Verhandlungen u. ä.); lustag (im Rwb 8, 1517 als Lusttag lemmatisiert, Bw dann unklar; vielleicht hierher im Sinne von ›Tag der Beobachtung, Information‹).

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 25027 (preuß., um 1330/40): vor dem lande luˆzin 兩 lıˆz er daz her in laˆge. Spanier, Murner. Narrenb. 37, 49 (Straßb. 1512): [Der priester] wil yetz kriegen 兩 Beitzen / reitzen / lussen / iagen. Barack, Teufels Netz 13350 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Klaffer, lüssmer und speher, 兩 Landzwinger und heller 兩 Sind als bœsz als die stelen. Gagliardi, Dok. Waldmann 2, 152, 6 (halem., 1489): er welt nützdestmynder vischen, und nun die lüsyner und suppenässer die machtind söliche pott. Winter, Nöst. Weist. 4, 193, 13 (moobd., 1414): Lusmicht ain man dem andern bei der nacht, [...] slecht er [wirt] in oder sticht in ze töd, er ist nicht verfallen. − Rwb 8, 1512. 2

lusen, s. lus 1. lusmer, s. 1lusen. 1 lust, der / die (letzteres etwas seltener); lustes (für der), -π, lüste (für die) /-π, lüste(n). 1. ›dem Menschen eigenes Streben, Verlangen nach Erfüllung seiner allseitigen

1492

leiblichen, sinnlichen, erotischen, geistigen, religiösen Wünsche und Bedürfnisse‹; im Blickpunkt stehen Essen, Trinken, Vergnügen jeder Art, persönliche Anerkennung, Macht, Herrschaft, Ehre, Geld, Besitz, insofern: ›Freude, Gefallen, Vergnügen an diesen Werten‹; mehrfach kann lust im vorgetragenen Sinne mit dem Nachteil eines Anderen verbunden sein und dann eine ordnungsfeindliche Tendenz haben; teils erscheint lust ohne oder mit neutraler Bewertung, teils kommt sie in die Nähe von Sündenverfallenheit, Mißachtung moralischer Werte, dann offen zu 3. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: guten lust vor jm. haben ›von jm. unbehelligt bleiben‹. − Bdv.: appetit, beger 1; 2; 4, begier 1; 2, begierlichkeit 1, freude, genügde, liebe 1; 4, neigung, wolgefallen, zuneigung. − Synt.: (die) l. nemen / suchen / überwinden / austreiben, l. am gelde haben, aus angeborener art l. zu etw. haben, die natur ire l. ersättigen, l. zu aufrur haben, l. haben zu [+ Verb, z. B. zu essen / zanken]; der l. (Subj.) augenbliklich, das corpus der krankheit sein, die lüste jm. schaden tun, die frau js. lust, die lust des fleisches sein, das weib ein l. der schmerzen sein; des lustes pflegen, der l. gebrauchen, den augen viel lustes bringen; dem l. versagen, den lüsten abgehen; durch l. verfürt werden, in l. schweben, die krankheit in l. speisen, etw. mit l. annemen / ansehen / besitzen, der mund mit l. essen, js. herz mit lüsten erfült sein, nach l. begeren / stellen, nach l. unlust kommen, sich von den lüsten scheiden, des lustes wegen essen / trinken; der l. des leibes, der welt, der sinne; der l. zu einem apfel, zu der welt; der liebe / sündliche / weltliche l., die böse / fleischliche / geistliche / natürliche / sinliche / strenge / zeitliche l.; der liebhaber des lustes. Wbg.: luste ›wohlschmeckend‹, lusthügel ›Busen‹ (auch zu 2 oder 3 stellbar), lustig 1, lusttrunk. Luther, WA 8, 522, 24 (1521): alle ander [(als sündigen] lust und begirlickeytt des hertzen seynt bey yhn naturliche kreffte. Ebd. 41, 701, 35, Anm. 1 (1536): so ghets an, ut lass und uberdrussig und krig lust zu welt zelen et, quod carni placet. Ebd. 48, 15, 6 (1544): da der Teufel on vnterlas hindert vnd verfolget, wo nicht Gottes wort mit lust vnd lieb angenomen [...] wird. Ebd. 54, 283, 20 (1545): Zu letzt

1493 solten sie [Bapst, Cardinal] auch die weide mit sich haben zum labetrunck und lusttrunck im bade. Ingen, Zesen. Ros. 80, 28 (Hamb. 1646): zwischen den zwe anmuhtigen lustÚhÈgeln / des liljenÚblanken brustÚfeldes. Quint, Eckharts Trakt. 278, 10 (E. 13./A. 14. Jh.): swaz der mensche minnende ist und lust nimet und im volget mit willen, ez sıˆ in spıˆse oder in tranke [...], daz enmac aˆne gebresten niht bestaˆn in einem ungeüebeten [Ggs.: gewent] menschen. Fischer, Brun v. Schoneb. 2462 (md., Hs. um 1400): der [apfel] so strenge suze lost 兩 brachte undir ires [Eva] herzen brost. Jostes, Eckhart 67, 27 (14. Jh.): dez geistes, der do alle lust uberwindet, di anevellic sint in mittels weis. Sermon Thauleri 8vb, 25 (Leipzig 1498): die menschen die do gebrauchen yrer lust in synnelicher lustikeit. Palm, Veter Buoch 15, 3 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): [ein maget] nam sich durch demut an, das sie vnsinnic were. Mit arbeitene in der kvichin versmahete werc, mit ezzene vnzertliche die luste spise. Dienes, E. Gros. Witwenb. 27, 10 (Nürnb., 1446): Was wir aussen ankuttzen mit den leiblichen augen, das seh wir an in lust vnd wolgefall. Langen, Myst. Leben 189, 15 (nobd., 1463): Daz ist, daz der mensch abgee / allen lusten der natur an / allein redlicher notdorfft. Chron. N¸rnb. 3, 170, 7 (nobd., 1488): was Wenzeslaus gantz ungeleich dem vater, [...], ein liebhaber des lusts und floch alle arbeit. Ebd. 4, 355, Anm. 4 (1479): ob man einen lust in das wasser zu sehen durch ein ußladung oder sunst daselbst gemachen mochte (hier: ›Öffnung mit schöner Sicht‹). Franck, Decl. 347, 25 (Nürnb. 1531): Wir wissen / das durch den wein der mag ergetzt / der lust zu essen gebracht [wird]. Sudhoff, Paracelsus 7, 267, 13 (1529): aber der natur wird ir lust nicht ersettiget, und in dem lust ligt das corpus der krankheit und nicht in dem dermaßen also auch das corpus der krankheit der lust ist und corpus, das sich exaltirt in der völle. [...] aus dem lust sol folgen die arznei und nicht aus der völle. Goldammer, Paracelsus 6, 188, 11 (1530): das ist ein lust, da ein vatter sitzt bei seiner hand arbeit, hat sein frucht vor dem disch ston. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 186, 30 (Hagenau 1534): Wer der welt lust brauchet / dem ist gleych wie einem hunde / [...] / der einen hartten knochen naget / umb eines kleinen saffts willen. Ebd. 2, 254, 31 ([Augsb.] 1548): Die ersten zway stuck / begreiffen was zum guto / reichthumb / freündtschafft / pracht / und weltlicher lust gehËrt / Lust des flaisches ist alles das / das zur underhaltung dises lebens auff erden / [...] / dienen mag / weib / kind / hauß / hof / handel / wandel / kauffen / verkauffen / vich zucht / gewerb / gelt. Schade, Sat. u. Pasqu. 2, 6, 13 (md. 1523): sunder bleiben sie da o ruo und alles lustes. Maaler 276r/v heimet, pflegen guter (Zürich 1561): Der weyn macht Lust zuo Ássen. [...]. Lacten oder lattich bringend einem einen Lust zuo der Speyß. [...]. nach seinem Lust vnd wolgefallen lÁben. Stomacho suo uiuere. Steer, Schol. Gnadenl. 1, 707 (noschweiz., 15. Jh.): da uon so git natur wol lustig minne durch das man stirbet, si git aber nit ku´nsche minne. Sappler, H. Kaufringer 26, 16 (schwäb., Hs. 1472): wenn er [Gott] sicht hie in disem leben 兩 sein frünt in weltlichem lust sweben, 兩 so verdürnet er in die stras. Bauer, Geiler. Pred. 318, 28 (Augsb. 1508): wenn

lust

1494 o o man dem schleck genug thutt / das man isset von lustes wegen / das ains sich den lust laßet treiben und nit die notturfft. Ebd. 322, 5: Dein haußfraw die ist lust des flaisches. [...]. Ain mensch des hertz erfüllet ist mit den lüsten diser welt / deßselben gedenck mÈssen von not weltlich und flaischlich sein. da gedenkt er an eßsen und an trincken / denn betrachtet er wie er seines leibs mit aller sanfthait pflegen müg. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 270, 29 (oobd., 1349/50): daz si [slang] mit gleicher gestalt Evam [...] zuolocket, wan der mensch und ain iegleich tier nimt sein geleichz und ist lustig gegen im. Klein, Oswald 3, 40 (oobd., 1422?): Ain schön, bös weib 兩 ist ain gezierter strick, ain spies des herzen, 兩 [...] 兩 ain lust truglicher smerzen. Ebd. 9, 72 (1427): Nu unser leib ergenklich ist, 兩 [...] 兩 das wir uns müssen schaiden 兩 von allen lusten, freuden, güt und eren gros. Ebd. 20, 18 (1416): do es [freulin] mit armes banden hart 兩 mit liebem lust verslossen ward. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 953 (moobd., A. 15. Jh.): Do sach daz weib daz daz holcz guet was czu essen vnd pracht den awgen vnd dem ansehen uil lustes. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 102, 7 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Da nun derselb bischolff [...] lust seynes leybs mer, dann nach nutz des bistumb lebt. − Luther, WA 10, 1, 2, 233, 19; Mieder, Lehmann. Flor. 917, 1; Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 12, 21; Stambaugh, Milichius. Zaubert. 6, 7; Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 99, 819; Gille u. a., M. Beheim 80, 78; 81, 198; 267, 49; Goldammer, a. a. O. 7, 169, 17; Eichler, Ruusbr. steen 433; Fuchs, Murner. Geuchmat 1712; Gilman, a. a. O. 1, 18, 24; Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 32, 13; Warnock, Pred. Paulis 8, 69; Wyss, Luz. Ostersp. 10889; Morrall, Mandev. Reiseb. 168, 7; Bauer, a. a. O. 316, 6; 317, 30; Siegel u. a., Salzb. Taid. 186, 40; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 312, 2. − Vgl. ferner s. v. abgeziehen 2, abtilgen 4, abwärts 3, abziehung 5, anfesseln, angehen 4, appetit, arbeit 6, anmut, augenweide, austreiben 9, paradies 3, beger 1.

2. ›Vergnügen, Lust, Freude des individuellen, über gewisse Entscheidungsfreiheiten verfügenden, nach Gutdünken handlungsfähigen Menschen‹ (im Unterschied zu den ihm als natürlich zugeschriebenen Neigungen, Vorprägungen; vgl. dazu 1); vereinzelt metonymisch in Richtung auf Bezugsgegenstände oder Verhältnisse, von denen lust ausgeht, dann z. B. ›Gewinn‹; ›Glück‹. − Phras.: jm. eine kurze lust sein; (k)eine(n) lust haben (mit oder ohne Inf. mit zu); lust zu / mit etw. haben; jm. in reicher lüste liegen ›jm. angenehm sein‹. − Bdv.: begierde 3, freude (mehrmals), glük 1, kurzweile, liebe 4; 6, wolgefallen, wolgeschmak. Ggs.: arbeit 1, not, unlust, verdrus. − Synt.: l. suchen / empfangen / empfinden / nemen, l. an

1495 [sich selber] haben, an / zu etw. (z. B. zum gejägde / ritterspiel, zu ketten / ringen / kleidern) haben, l. zu etw. machen, l. haben, zu [+ Infinitivsatz, z. B. jn. zu peinigen], das glük l. bringen; die l. vergehen, jm. etw. eine l. sein; des lustes enberen; ane l. beten, auf lust stellen, in l. singen, etw. mit l. annemen / erzälen / ausrichten, nach der l. leben, [wohin] reiten, etw. (z. B. die creaturen) nach seinem l. brauchen, von lüsten sat sein, etw. zu seinem l. tun, jm. zum l. etw. bauen, der l. der herren, der Sachsen, der (›zur‹) arbeit; l. ane frucht, zu dem weidwerk; der / die eigene / ergezliche / grosse / kleine / kurze / schöne l. Wbg.: lustban (Gw zu 2ban 3; bdv.: wildban), lustbrunne (als Allegorie der dahin fließenden Zeit), lustgrünend, lustquellend, lustsal ›Pavillon‹, lustwald. Luther, WA 10, 1, 2, 362, 30 (1526): seinen willen wil er [got] mit lust und liebe angenommen haben. Peil, Rollenhagen. Froschm. 589, 2638 (Magdeb. 1608): Gar blos am Heupt / am Hals vnd Brust / 兩 Das war der Alten Sachsen lust. Ebd. 673, 5222: Nun seh ich / das er noch wil pralen / 兩 Mit meines todten Sohns Corallen / 兩 Die er da fÈrt an seiner Brust / 兩 Das sol jhm sein ein kurtze lust. Ingen, Zesen. Ros. 72, 2 (Hamb. 1646): wier verfolgeten di rehÚkÁlber und hirsche / dergestalt / daß di lust und der fang beiden gemeine war. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 23, 12 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): uf prislich tat unde die der mut wol bescheiden bringet, 兩 swa man den spürt, er sol den vürsten ligen in richer lüste [›angenehm sein‹]. Oorschot, Spee. Trvtz-N. 93, 32 (wmd., 1634): Nunmehr bin in frewdentagen, 兩 Bin von lauter Lüsten satt. Ralegh. America 8, 14 (Frankf. 1599): Martines, der keinen Lusten hat lÁnger da zu verharren. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe S. 6, Z. 16 (thür., 1421): Nu byn ich kommen alsust 兩 yn des alders orden: 兩 das mir vor jaren was eyne lust, 兩 ist nu eyne arbeit worden. Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. Vorr. Alb. 7, 6 (Zwickau um 1540): alle die der Warheit nicht gleuben / sondern haben lust an der vngerechtigkeit. Ebd. 381, 3732: Beim leuten ist mir [Warheit] ein sondre lust. Ebd. 451, 4476: Der Erst kurtz der mir [Satan] kumpt ermord ich fluck / 兩 Sauff mich seins bluts zu meinem lust genugk. Opitz. Poeterey 35, 24 (Breslau 1624): weil ich zue den lateinischen Anacreonten weder lust noch glÈck habe. Chron. N¸rnb. 3, 176, 8 (nobd., 1488): mit got ißet man gern und sein prot ist süeß und die fürsten habent lust doran. Mayer, Folz. Meisterl. 6, 7 (nobd., v. 1496): Sam ein lust grunendz paradeyß 兩 Plut es alls durch ein ander reyn. Ebd. 15: Ich auß eim herten felsen dort 兩 Ein lust prunen lawt rauschen hort. Fischer, Folz. Reimp. 39, Ü (Nürnb. 1479): dar nach zu mir kam streychend ein persafa˜t der durch meı˜ pit mir vollget in eı˜ pirgisch gefild zu einem aller lüstigeste˜ süß clingende˜ lustqwellende˜

lust

1496 hochspringenden pru˜˜e. Ebd. 43, 628 {um 1491): In frolich und freyem gemüt 兩 Ein lustgrunendes allter plüt. Franck, Klagbr. 226, 23 (2wohl Nürnb.9 1529): Die kinder so irer elter beraubt vnd waißloß weinen vnd heulen / Ist disen heyligen ein lust vnd freud zu sehen. Reichmann, Dietrich. Schrr. 76, 23 (Nürnb. 1548): was Gott jnen [Engel] befilht / das ist bald in eim huy / mit lust vnnd lieb außgerichtet. Ebd. 131, 19: durch solches gewinnet sie [weib] dem Mann das hertz ab / das er lust vnnd freud hat / das er wider zu hause / un˜ zu seinem weib gehn sol. v. Keller, Ayrer. Dramen 1371, 20 (Nürnb. 1610/8): wenn eur Majestat lust hett, 兩 Sich eines kampffs mit mir zu üben 兩 So thuts mir auch von hertzen lieben. Warnock, Pred. Paulis 9, 82 (önalem., 1490/4): wil der lib mainen, syder gott im alle creaturen geschaffen und geben ha´t under sinen gewalt, so sig och billich, daz er die bruch nach sinem aigen lust und willen. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 186, 2 (Hagenau 1534): Lust on frucht und nutz. Droben ist gesagt / Es sey nichts nütze noch lustig / es sey denn auch ehrlich / und on anderer leutte schaden / sonst ist nutz und lust unehrlich. Ebd. 552, 17: darzu gedencket er [mensch] auch Gott hab lust daran / daß er uns straffe. Maaler 276v (Zürich 1561): Auff frËud vnd Lust stellen / Sich erfrËuwe˜ vnd ergetzligkeit haben. [...]. Lieblicher vnd ergetzlicher Lust die grÈnen matten zebesÁhen. [...]. Wo hast du so lang dein Lust vnnd kurtzweyl gehabt? Ebd. 277r: Hoher Lustsaal oder lauben darinnen man ißt vnd trinckt. Ebd.: Lustwald / Von lusts wÁgen gezogen (der). Chron. Augsb. 6, 23, 14 (schwäb., zu 1520): hett auch ain grossen lust und freud gehabt, die armen in den eisen zuo fragen und zuo peinigen. Roloff, Brant. Tsp. 519 (Straßb. 1554): Das glück laufft umb glych wie ein rad 兩 Dann bringt es lust [›Gewinn‹] / dann bringt es schad. Anderson u. a., Flugschrr. 23, 7, 15 ([Augsb.] 1525): der man wirdt sitzen in seim Weyngarten / das ist / im lust seyner arbayt. Barack, Zim. Chron. 1, 425, 10 (schwäb., M. 16. Jh.): dann er zu allem ritterspil ain sonder lust gehabt. − Luther, WA 8, 534, 7; 35, 423, 2; Mieder, Lehmann. Flor. 491, 4 ff.; 916, 19; Peil, a. a. O. 521, 456; 533, 833; Pfefferl, Weigel. Ges. 21, 27; Gropper. Gegenw. 5v, 168; v. Keller, Amadis 399, 26; Knape, Messerschmidt. Bris. 3, 61; v. d. Broek, Suevus. Spieg. 145v, 29; Opitz. a. a. O. 11, 25; 12, 4; Reichmann, a. a. O. 128, 32; v. Keller, Ayrer. Dramen 2442, 15; 3234, 31; Gilman, a. a. O. 1, 186, 25; Roloff, a. a. O. 744; Bachmann, Morgant 122, 16; Haszler, Kiechels Reisen 324, 19; Chron. Augsb. 4, 168, 30; Barack, a. a. O. 1, 423, 13; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 168, 13; Öst. Wb. 2, 236. − Vgl. ferner s. v. arm (Adj.) 4; 13, aufenthaltung 2, aufsetzung 4, ballenspiel 1, panichen.

3. ›das natürliche Bedürfnis voll auskostendes bis darüber hinausgehendes lustvolles Verlangen, Wollust, das natürliche Maß übersteigende Begierde nach Befriedigung; selbstbezogenes Genießen‹; meist Bezug auf Sexualität, daneben auf andere, als sündhaft gesehene Haltungen und

1497 Handlungen, darunter Luxus, Hoffart. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: begerung 1, begier 1; 3, brunst 5, freiwille, geilheit 1; 2, gierde 4, hochfart, hurerei, laster 1, liebe 7, minne, unkeuschheit, unlauterkeit, unreinigkeit, unzucht, verlangen, wollust, üppigkeit. − Synt.: (den / die) l. haben / büssen / mindern / volbringen, l. mit jm. haben (z. B. mit seinem weibe) / treiben (z. B. mit der frauen); der l. jn. angehen, bei der pein der todsünde verboten sein; des lustes vergessen, der l. ledig werden; dem l. nachtrachten, den lüsten folgen; (der Mensch) durch l. im fleische gebildet sein, in l. kommen, mit l. in freuden liegen, nach den lüsten gehen, nach l. bei einander sein, jn. nach seinem l. haben, von l. ungeneigt werden, das herz von l. wegen ›wogen‹, der / die l. der eltern / frauen, des leibes (jeweils gen. subjectivus), der l. der unlauterkeit (gen. objectivus), zu unkeuschheit; die / der böse (mehrfach) / fleischliche / senende / schnöde / tobende / ungeordnete / unsinnige l.; das feuer des lustes, der grund der l., rosen der lüste. Wbg.: lüstekeit ›Pfuhl, Schmutz der Lüste‹, lustgeiz, lustgeschäft ›Geschlechtsverkehr‹, lustgrab (Beleg s. v. lüstern), lustheirat ›unstandesgemäße Neigungsehe‹ (a. 1580), lustheit, lustsiech ›wollüstigem Verlangen nachgehend‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 1668 (preuß., um 1330/40): wan sıˆ [juncvrouwen] zoˆch des tuˆvils rote 兩 uˆz den cloˆstren mit gewalt 兩 [...] 兩 und tribin mit in ire lust. Luther, WA 10, 1, 2, 374 (1526): so doch unrhaynigkait, hÈrerey, lüste, bËße begirde, unkeüschhait und andere laster mer wider Got ist. Ebd. 47, 322, 36 (1537/40): so ists besser, [...] du, Man, dich an dein weib helts, auff das ihr der brunst, bosen lust und hurenubel ledig wurdet. Ebd. Bibel 7, 70, 16 (1522): Last vns erbarlich wandeln, [...], nicht ynn fressen vnd sauffen, nicht ynn kamern vnd geylheyt, [...], sonder zihet an den hern Jhesu Christ, vnnd thut nicht nach des fleyschs klugheyt, seynen lust zubussen. Ders. Hl. Schrifft. Gal. 5, 24 (Wittenb. 1545): Welche aber Christum angehören / die creutzigen jr Fleisch sampt den lüsten [Mentel 1466: sünden; Emser 1527 / Eck 1537: lastern]. Lappenberg, Fleming. Ged. 8, 4, 12 (1631): ich bin ein Mensch, in Sünden 兩 empfangen und geborn. Der Eltern schnöde Lust 兩 hat mir auch angekleckt den bösen Kot und Wust. Oorschot, Spee/Seifert. Proc. 463, 8 (Bremen 1647): so soll man von dem Hencker / der seine lust darinnen bÈssen kan / ein Weibsbildt nicht lassen berÈhren. Fischer, Folz. Reimp. 45, 184 (Nürnb. 1482): desgeleichen süllen auch zu disen zeiten [bei der Pest] gemiten werden die heimlicheen

lust

1498 lüstgescheft der elichen und unelichen mer, dan ir gemein gewonheit fordert, dan die auslerung keiner andern feuchten die kraft mer swechen. Reichmann, Dietrich. Schrr. 145, 7 (Nürnb. 1548): volget er des satans anreitzung / vn¯ der sÈnde lust / wurd zu eim schendlichen Ehebrecher. Thiele, Minner. II, 12, 313 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): verlanngen kan gemute 兩 uff mynnen gernden senten komer bringen 兩 unnd macht des herczen lust und lieb dest grösßer. Vetter, Pred. Taulers 330, 3 (els., 1359): Die niderste das ist die begirliche kraft und die zu´rnende kraft: das ist die lustheit. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 73, 7 (Straßb. 1522): in allen zeitlichen FrËden, ist etwas bitters darin. Wan wa das nit wer, so weren die Menschen noch vil bËser und lustsiecher. Roloff, Brant. Tsp. 627 (Straßb. 1554): Von der [weib] ich hatt all freüd und lust 兩 Und mer glücks dann ich selber wust. Dreckmann, H. Mair. Troja 25, 30 (oschwäb., 1393): do warend si nach ires leibs lust, und nach der minn ordnung, die naht mer dann halb, mit mangem süssen kuss, [...], und mit dem, daz darzu gehört, vil lieplich bi anander. Sappler, H. Kaufringer 25, 240 (schwäb., Hs. 1472): der bösen unkeusch clait, 兩 ist im ain lust und süessigkait. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 40, 25 (oobd., 1349/50): daz sechst ist, daz si [frawe] niht pœse lüst haˆt als mit dem dirnlein. Ebd. 213, 25: der pfaˆwe zerpricht der pfæwinne air von dem lust, den er zuo ir haˆt. Turmair 4,49, 24 (moobd., 1522/33): [die Bewohner] giengen vich und leut an, man und frauen, schwester und mueter [...], wie si dan der tobent unsinnig lust und wüetend begir ankam. − Luther, WA 12, 322, 17; Rosenthal. Bedencken 36; J. W. von Cube. Hortus 119, 28; Lichtenstein, Lindener. Rastb. 113; Bergmann, Ambr. Liederb. 225, 247; Neumann, Rothe. Keuschh. 2314; Logau. Abdank. 167, 22; Mayer, Folz. Meisterl. 52, 229; Vetter, a. a. O. 233, 5; Strauch, Schürebrand 19, 1; Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 65, 17; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 301, 10; Goldammer, Paracelsus 7, 172, 26; Schorer, Sprachposaun 72, 16; Dreckmann, a. a. O. 34, 22; Spechtler, Mönch v. Salzb. 10, 50; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 199, 13; 15; Schmitt, Ordo rerum 351, 20; Rwb 8, 1517. − Vgl. ferner s. v. afterschlag 3, akust 2, akzidenz 3, 1aspe 4, beheber 1.

4. ›intellektuelles und ästhetisches Vergnügen, Wohlgefallen an der Gestaltung und bei der Rezeption von (vor allem: poetischen) Texten‹; ütr.: ›Lieblichkeit, Idylle, wie sie durch zeichenhafte Gegebenheiten geschaffen wird‹; dient auch der Bezugnahme auf die Mutter Gottes. − Gehäuft späteres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. Peil, Rollenhagen. Froschm. 77, 1063 (Magdeb. 1608): Jst das nicht lust / das du studierst / 兩 Bey Kreutern vnd Blumen spatzierst? Ingen, Zesen. Ros. 76, 30 (Hamb. 1646): und solche verzukkerte getËhne / neben mehr

1499 anderer lust / zu vernÁhmen waren. D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 3, 17 (Frankf./M. 1626): mit schËnen lieblichen GeschichtmÁssigen KupfferstÈcken zu mehrerm Lust vnd Erkandtnuß der Historien vor Augen gestellet. Opitz. Poeterey 47, 25 (Breslau 1624): Jetzt solt du billich mehr als wol / 兩 O meine lust / Pindarisiren. Ebd. 53, 6: Schawt das jhr fÈr den todt dem edlen cËrper hier 兩 Gleichfalls rahtet 兩 Vnd vmbschatet 兩 Mit grÈner lust sein’ asche fÈr vnd fÈr. Ebd. 54, 3: wie alles mit lust vnd anmutigkeit geschrieben wird / so wird es auch nachmals von jederman mit dergleichen lust vnd anmutigkeit gelesen. Dietrich. Summaria 29v, 22 (Nürnb. 1578): sagt Marcus: Diser Schrifftgelerter habe ein lust gehabt an der antwort / so der Herr den Saduceern hab geben / hat derhalben jn versuchet / vnd hËren wËllen / was er doch zu diser frage werde antworten. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 98, 17 (Nürnb. 1631): Bringet einem das singen vnd reymen einen lust, so lasse er jhm das Lob Gottes zu singen vnd zu hËren einen Lust seyn. Behrend, Spangenb. Anbindbr. 2, 7 (Straßb. 1611): [andere] so etwan lust und lieb / solche Teutsche Poeterey zulesen haben. Kohler, Ickelsamer. Gram. 7, 14 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): vn¯ bewegt mich darzu nichts anders dan¯ die liebe vnd lust diser feynen subtilen kunst. Ebd. 46, 12: ain Gra¯matic [...] den Teütschen, die jr nichts achten, kain lust, lieb oder freüde darzu haben. Klein, Oswald 9, 50 (oobd., 1421?): Manig zier und lust wolt ich noch vil erdencken, 兩 das sich der mensch erfreut, noch müss erkrenken. − Opitz. a. a. O. 51, 29; Roloff, Brant. Tsp. 17; 579; Behrend, a. a. O. 21, 76; Maaler 176r/v.

5. ›dem Menschen als lust vermittelte Seinsqualität Gottes, der er die creaturen über das giessen und stetes neues gebären (im son, in uns) teilhaftig werden läßt‹; damit verbunden: ›dem Menschen mögliche Seins-, Liebes- und Erkenntnisähnlichkeit mit Gott‹, insofern auch ›Liebe zu Gott‹; in den späteren Belegen unterschiedlich weit entradikalisiert; dann Tendenz zu: ›bloßes Gefühl der Aufgehobenheit in einer religiös begründeten Ordnung‹; teils Bezug auf Maria. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, oft der Mystik. − Bdv.: freude, liebe 10; 11, minne, wonne; vgl. liecht (das) 4. − Wbg.: lustblühend. Luther, WA 48, 81, 10 (1544): ym hertzen Mus mans [Gottes wort] haben. das ist Lust vnd Liebe dazu haben. Ders. Hl. Schrifft. Phil. 1, 23 (Wittenb. 1545): Jch habe lust abzuscheiden / vnd bey Christo zu sein. Quint, Eckharts Pred. 1, 51, 5 (E. 13./A. 14. Jh.): Ein meister sprichet: luˆter bekantnisse, nochdenne in disem lıˆbe, daz habe soˆ groˆzen lust an im selber, daz aller geschaffener dinge lust sıˆ rehte als ein niht wider dem luste, daz luˆter bekantnisse an im treit. Ebd. 194, 7: daˆ ˆılet got zuo, daz ez unser eigen sıˆ alsoˆ, als ez sıˆn eigen ist. Hie haˆt got lust und wunne in der vüllede.

lust

1500 Dirre mensche staˆt in gotes bekennenne und in gotes minne und enwirt kein anderz, dan daz got selber ist. Ebd. 2, 117, 2: er gebirt sıˆnen sun und gebirt in alzemaˆle niuwe und vrisch und haˆt soˆ groˆzen lust in dem werke, daz er anders niht entuot, dan daz er daz werk würket. Ebd. 626, 6: Allez, daz daˆ guot ist und lust und troˆst bringen mac, daz haˆn ich allez in ,dem geiste der wıˆsheit‘, [...]; und wære doch ein kleine dinc, man enhæte ez denne zemaˆle und glıˆche und rehte, als es got gebruˆchet; alsoˆ gebruˆche ich es glıˆche, daz selbe in sıˆner natuˆre. Ders. Eckharts Trakt. 18, 12 (E. 13./A. 14. Jh.): Alliu neigunge, lust und minne kumet von dem, daz im glıˆch ist, wan alliu dinc neigent und minnent ir selbes glıˆch. Der reine mensche minnet alle reinicheit. Ebd. 34, 19: aber geburt des viures und lust ist sunder zıˆt und sunder verre. Lust und vröude endünket nieman lanc noch verre. Jostes, Eckhart 5, 30 (14. Jh.): Di sel hat ein naturlich licht in ir. In dem naturlichen licht hat got mer lustes und me genug dan in allen creaturen. Strauch, Par. anime int. 65, 37 (thür., 14. Jh.): in disir richir anegesichte, da sich der vadir sihit in sime sone und sich der son so riche sihit in deme vadere, da inne habint si so groze lust daz alle di wonne di alle geiste ie gewannen und joch Maria selbir, das ist ein nicht wider der unmezigir lust di si da fon hant in einir offinbarunge gotlicher nature. Mathesius, Passionale 34r, 14 (Leipzig 1587): Darumb das seine [Jesus] Seel gearbeitet hat / wird er seine lust sehen / [...]. Vnd durch sein erkentnis wird er / mein Knecht / der Gerechte / viel gerecht machen. Mayer, Folz. Meisterl. 82, 110 (nobd., 1517/8): Mit grosser freüd 兩 [...] 兩 Want er pey dir, jünckfrawe, 兩 [...] 兩 Dw lüst plüende awe! Vetter, Pred. Taulers 30, 4 (els., E. 14. Jh.): die wandelent in der vernu´nftigen Èbunge, und do inne vindent su´ solichen lust und wunne daz su´ der aller nehesten worheit verblibent. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 1041 (els., E. 14. Jh.): der mensche [...] sol anesehen daz riche milte fließen gottes mit glorien vnd mit im selben vnd mit vnbegriffenlicher lust in allen heiligen. v Ebd. 3, 96: Sehent dirre lust vnd die frËide, die dirre bru´tegom o bringet in sinre zvkunft, die ist grundelos. Ders., Ruusbr. steen 57 (els., sp. 14. Jh.): sol der mensche geistlich werden, o er aller fleischlicher liebe verzihen vnd an got alleine so mvz mit lust vnd mit liebe kleben. Warnock, Pred. Paulis 6, 159 (önalem., 1490/4): won die gerechten in allen dingen o und mainent, er allain ir gegenwurf ist, allain gott suchent hierumb der lust und die frod, so sy in gott habent, der u´bertrift alle die fröd und lust, so die gantz welt iemer gelaisten möcht, won gott ist der aller lustbarlichest, süsost, der aller wunniklichest und best gegenwurf, der in himel und ertrich sin mag. Goldammer, Paracelsus 4, 243, 25 (1530): ich hab ein lust zu dir [herr], daß du mich menschen so treulichen begnadet hast. Steer, Schol. Gnadenl. 2, 67 (moobd., 15. Jh.): das die gnad gibt allerlaj lust, die jm paradiß vnd jn ewigen frewden sint. Maaler 276v (Zürich 1561): Grosser Lust vnd frËud in gËttlichen dingen. Drescher, Hartlieb. Caes. 244, 21 (moobd., 1456/67): do er also seines gepets innig was und der mitchosung unser lieben frawen anhËrig mit grossem lust aufnam. − Luther, WA 48, 16, 11; Stackmann u. a., Frauenlob 6, 1, 14; Mayer, a. a. O. 82, 2; Steer, a. a. O. 1, 158.

1501

lust − lusten

6. ›Maibusch‹. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 312, 6 (Genf 1636): Lust / ein May von wolriechendem geblÈms vnnd gekrÁut / denn man in die HÁuser setzet. 2

lust, der ; /−; zu mhd. (ver)liesen (Lexer 3, 162). ›Verlust‹. v. Keller, Amadis 728, 18 (Frankf. 1561): Ritter, Habet keine Sorge, daß euch was ergers dieses lusts halber beschehe, Dann euch solches soll widergolten werden. Barack, Teufels Netz 10522 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Ir kainr kompt nit an schaden 兩 Us kains kunden hus 兩 An stelen und an lusz (hierher?).

lustag, s. 1lusen. lustban, s. 1lust 2. lustbäre, Suffix auch -bar ; Adj. ›Freude, Vergnügen, Wohlbehagen bereitend, ergötzlich, schön‹; von sehr unterschiedlichen Bezugsgegebenheiten gesagt, u. a. von Gärten, Landschaften, vom Paradies; zu 1lust 2. − Bdv.: frölich, schön, wonnesam, süsse. Ggs.: geistlich 1. − Synt.: etw. l. ›als ergötzlich‹ sehen; der lustbäre ort / schein, das lustbäre ding / ende / holz / paradies. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 11, 56 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): mit wie vil sorgfeltikeit ist vermischet alles das in disem jamerlichen leben wunsam, suße oder lustper gesehen wirt. Ebd. 12, 31: alle sein [mensch] anfechtigung ist allain von den gegenwertigen lÈstpern und sichtigen dingen. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 95, 4 (Nürnb. 1631): auff was lustige Wiesen, GÁrten vnd Oerter deß lustbaren Paradeyses jhr mit dem Lamb hingehet. Bachmann, Haimonsk. 155, 36 (halem., 1530): la˘ß uns u˘ber daz wasser inn daz forry holtz, daz ist ein vast lustpar end, da mögend wir strytten. Maaler 276v (Zürich 1561): Lustbare ort bey dem wasser / die den menschen erlustigend / oder frËlich machend. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 27, 175 (schwäb., 1471): chain Rubin ward nye so vein, 兩 Der sölichen lustberen schein gäb. − zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 30; Bachmann, a. a. O. 32, 31; 47, 37; Drescher, Hartlieb. Caes. 140, 7.

lustbärkeit, die. ›Ort der Freude, des Wohlbehagens; Freude, Wohlbehagen, Wonne als äußerlicher und tendentiell sündhaft bewerteter Ich-Bezug des Menschen; als Ort der Freude betrachtetes Paradies‹; zu lustbäre, vgl. 1lust 2; 3. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 3506 (preuß., um 1330/40): Er [Got] wirt ire wuˆste breit 兩 setzin als ein

1502

lustberkeit 兩 und ir wiltnis in allir wis 兩 als das gotis paradis. Euling, Kl. mhd. Erz. 522, 55 (nobd., E. 15. Jh.): wiltü des lebens an sorge sten, 兩 und geyt dir frewd und lüsperkeit. Leidinger, V. Arnpeck 463, 3 (moobd., v. 1495): di drey brüder [...] sassen in diken stauden und gedachten an die ewig lusperkait. Roth, E. v. Wildenberg 47, 11 o [...] dachten an die ewigen (moobd., v. 1493): die fursten lusperkeit des himelischen paradeis. − Fischer, Eunuchus d. Terenz 90, 20; Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 10, 16; T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 75; Maaler 276v.

lustblühend, s. 1lust 5. lustbrunne, s. 1lust 2. luste, s. 1lust 1. lüstekeit, s. 1lust 3. lüsteln, V. ›sinnlich begehren; sich sinnlichem Begehren verglichen in mystischer Geborgenheit fühlen, sich in Gott aufgehoben fühlen‹; vgl. 1lust 1−3; 5. − Bdv.: vgl. begeitigen, begeren 1; 12, gemuten. − Wbg.: lüstlung. Hˆver, Bonaventura. Itin. A 320 (moobd., 2. H. 15. Jh.): also durch erglu´sstung ein geend in dye seel dye auswenndigen lustleichen ding nach dryvaltig ausweysung des wolgevallen oder lüstlen durch gleychnüss. Ebd. B 16 (1450/60): wann das menschleich gemÈt, zerflossen mit vil sorgfeltigkaitten [...], mag nicht ein gen zu jm selbs durch gehu´gnuss; [...]; auch mit mangerlay begirden vnd lüstlen bestrickt mag nicht zuo jm selbs widerkeren durch glangung ynnerer sÈsse vnd gaistleicher schimpfleichait vnd lu´stlung. Ebd. 115: vnd geschicht denn, das jn sËllichen ein andachtigs gemut sÈßleich rw´et vnd lu´stlet. Ebd. 617: wenig ist zegeben der zung vnd mÈndleichem gesprÁch, vnd gar vil ist zegeben jnnigem lu´stlen vnd frolocken; [...]; wenig ist zegeben der kunst, tugent vnd weißhait, aber alles vnd alles ist es gancz zegeben vnd zuo zeaigen der gab gottes, das ist dem heyligen gaist.

lusten, V. 1. ›einen natürlichen Drang nach Befriedigung eines körperlichen Bedürfnisses verspüren‹; vgl. 1lust 1. Keil, Peter v. Ulm 213 (nobd., 1453/4): Denasmus ist ein sucht, daz einen lust zu stul gen. Sudhoff, Paracelsus 14, 556, 26 (1591): so ist ja nichts lebendig, dan das leben selber, das ist der cagastrisch aquaster, den lüstet zu essen und er isset vom ligno vitae. B‰chtold, H. Salat 134, 442 (halem., 1532; Hs. E. 17./A. 18. Jh.): Uf die kam ein armer, betrÈbter hufen, 兩 Si lust (dunkt mich) weder freßen noch sufen.

2. ›zu etw. Lust haben, jn. gelüsten, etw. zu tun, jn. reizen, zu [...]; jn. erfreuen, jm. gefallen‹; vgl. 1lust 2. − Bdv.: wolgefallen; vgl.

1503

lüstern − lustgarte

belangen 2. − Synt.: j. l., das [...]; jn. wol l. [+ Subj.satz], jn. l. [+ Infinitiv, z. B. zu schauen / zu wissen, oder Infinitivsatz, z. B. etw. zu lösen / tun], jn. l., das [...], jn. nicht l., denne [...], jn. etw. (Subj., z. B. eine freude, ein gut, eine weise) l., jn. e. S. (Gen., z. B. des spieles, der minne) l.; [etw. tun], was / wie / wen / als oft / so lange jn. lüstet. Luther, WA 6, 228, 13 (1520): sie wollen [...] alle yhre schalckeit, wie sie nur lust [...] zutreiben. Ebd. 32, 432, 20 (1530/32): es heist den leib demütigen und jm nemen alles was jn lustet. Mieder, Lehmann. Flor. 359, 20 (Lübeck 1639): Adam vnd Eva hat zu wissen gelÈstet / was gut vnd bËß. Oorschot, Spee. Trvtz-N. 17, 8 (wmd., 1634): Gleich lüstet mich spatziren 兩 Jn grünen Lorber Wald. Thiele, Minner. II, 31, 451 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): das lostet mich [vrauwe] wol das ich en [ritter] zoge 兩 und en lerte nae myner moge. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 30, 6 (Köln um 1490): Got gruyss dich, lieve roesse 兩 Ich luste dat ich mich mit dyr verkoese. Leman, Kulm. Recht 1, 3, 78 (Thorn 1584): wehn des spiles [Toppil spil] lustet. der sal dy wurfele vor beseen. Ermisch, Freib. Stadtr. 145, 31 (osächs., 1335): Swelch man des anderen vormunde wirdet, der mac vor in antwerten alse lange, als in lustet. Sachs 17, 156, 4 (Nürnb. 1554): Ich sol beten, lust mich nicht wol. Ders. 21, 75, 32 (1524): darumb lust mich ir lutherische weyse gar nit. Vetter, Pred. Taulers 105, 12 (els., E. 14. Jh.): wie mag daz sin das daz [...] ewige, gËtteo das dich daz weder enlustet noch dir ensliche, geminnete gut, macket. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 2, 69, 5 (whalem., 1484): si hattent bi fu´nfhundert pferd, 兩 es mËcht ein keiser lu´sten. 兩 Das er solichs sechen sott. UB Zug 525, 16 (halem., 1413): luste in oder dz kind, dz ze lËsen nach der briefen wisung, do welti er sin recht vor im han. Wyss, Luz. Ostersp. 3458 (Luzern 1571): Mich lust, den Hirtten wol zuo nissen. 兩 Hatt vns der Tüffell mitt narren bschissen? Sappler, H. Kaufringer 30, 100 (schwäb., Hs. 1472): Die frawen tüend ins alles nauch. 兩 der welt zuo dienen lust sie auch. Niewˆhner, Teichner 337, 2 (Hs. 2moobd., 1360/709): Zainmal waz ein herr gut. 兩 wez in lust in seinem muto 兩 daz ward allesampt dervolt. Klein, Oswald 43, 36 (oobd., um 1408?): Wann ich bin grauselich gestallt, 兩 [...] 兩 was möcht eu gen mir lussten klüger minne? Gereke, Seifrits Alex. 398 (oobd., Hs. 1466): er halst sey [frauwe] und chusts, 兩 als offt in gelust. Kummer, Erlauer Sp. 3, e der rÈkk wol 775 (m/soobd., 1400/40): ıre [weib] wırt zerpert 兩 das sein nicht lÈsst ze chuttern. − Luther, WA 1, 177, 36; 8, 706, 18; Quint, Eckharts Trakt. 49, 1; 112, 10; Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 36, 8; Bergmann, Ambr. Liederb. 177, 10; Sachs 2, 60, 26; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 93, 28; Koller, Ref. Siegmunds 213, 26; UB Zug 333, 23; Herzog, Landsh. UB 598, 36; Klein, a. a. O. 19, 100.

lüstern (V.), s. lüstern (Adj.).

1504

lüstern, Adj. ›aufbegehrend, gierig, lustbestimmt; aufmüpfig, trotzig, mit murren, pochen, trotzen nach etw. trachtend, heischend‹; vgl. 1lust 1−3. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: fürwitzig, gelustig, tol; vgl. ässig 4, geirig, gierig 1, inbrünstig 3, leckerisch 1. − Wbg.: lüsterkeit ›selbstsüchtige Sinnenfreude‹, lüstern (V.). Luther, WA 22, 160, 11 (1544): Das Gott auch zufaren muste und mit solcher straffe solchem lÈstern und murren steuren. Ebd. 30, 3, 478, 28 (1531): Gott wird die juckende ohren und lustern hertzen wol finden. Ebd. 32, 508, 40: wurden also lustern und fürwitzig, das sie aller bewme [...] uberdrüssig wurden. Ebd. 49, 344, 39 (1344): Drumb mußen wir auch Episteln schreyben und straffen die Lustern geister. Ebd. 345, 28 (1544): lauffet ihr den irrweg, der furwitzig und lustern ist. Ders. Hl. Schrifft. 4. Mose 11, 4 (Wittenb. 1545): DEnn das Pöbeluolck vnter jnen war lüstern [Vers 1: ungedültig] worden [...] / vnd weineten. Ebd. 34: Da her die selbige Stete heisst / Lustgräber / darumb / das man daselbs begrub das lüstern volck. Ebd. 2. Sam. 23, 15: Dauid ward lüstern [hier eher: ›durstig‹; Froschauer 1530: gelustig] / Vnd sprach / Wer wil mir zu trincken holen des wassers [...]. Ebd. Ps. 106, 14: sie würden lüstern in der Wüsten / Vnd versucheten Gott [...]. ER aber [...] sandte jnen genug. Peil, Rollenhagen. Froschm. 24, 15 (Magdeb. 1608): Vnd kompt jtzt das seculum vnd zeit wider / das man des Himlischen Manna auch vberdrÈssig / vnd nach Egyptischen zwibeln vnd knoblauch lÈstern wird. Warnock, Pred. Paulis 25, 74 (önalem., 1490/4): die o statt, an der du gott solt suchen und finden: das ist in scharpfer o penitentz und nit in ruw noch in lusterkait. − Luther, WA 23, 97, 6; 32, 508, 26; 36, 550, 19; 48, 213, 10; 49, 349, 20; 54, 58, 37.

lüsterkeit, s. lüstern (Adj.). lustgarte, der. ›als Garten mit Pflanzen, Bäumen, auch Tieren ausgestattet gedachter Raum zur Ergötzung‹; teils bezogen auf den Garten Eden, das als Lustgarten vorgestellte Paradies; teils ütr.; vgl. 1lust 1; 2, garte. Schˆpper 73a (Dortm. 1550): Viridarium. Lustgarte grÈnerplatz ¶ auwe anger. Ziesemer, Proph. Cranc Ez. 36, 35 (preuß., M. 14. Jh.): das lant, das ungebuit was, ist wurdin als eyn lustegarte [Worms. Proph. 1527 / Dietenberger 1534: gart zuo Eden] und dy stete, dy do wuyste und entsatzt und undirgrabin worin, sitzin veste. Luther, WA 24, 69, 20 (1527): Das wort ,Eden‘ heyst ja ,lust‘, DarÈmb hat man gemacht ,Paradisum voluptatis‘, das ist [...] ein hÈbschen lust garten. Ebd. 38, 373, 31 (1535): Hie ist der seelen lust garten, zu spacieren jnn Gottes wercken. Peil, Rol-

1505

lustgeiz − lustig

lenhagen. Froschm. 65, 665 (Magdeb. 1608): Ein weiß vnd vberaus schËn Frawe / 兩 So daselbst in der fruchbarn Awe / 兩 Jhr Schloß / Hoff vnd Lustgarten hatte. Pfefferl, Weigel. Gn., S. 102, 5 (um 1571, Hs. 1615): die schrifft zeüget, daß Gott den Adam gesezt habe in einen schönen Lustgartten. v. Keller, Amadis 7, 9 (Frankf. 1561): als in einem spiegel vnd lustgarten, darinn man gute vnnd böse Kreuter findet. Ralegh. America 6, 41 (Frankf. 1599): man sagt auch / daß der Ingas einen Lustgarten hett / vmb die Jnsel Puna. Ingen, Zesen. Ged. 384, 5 (Breslau 1641): Ehe wir nun an den LustÚ und Baumgarten gelangten / gab es [...]. Franck, Klagbr. 231, 8 (2wohl Nürnb.9 1529): das [...] vnsere eltern [...] von dem keller des fegfeurs / in die ergetzlicheyt vnd lustgarten gesetzt werden. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 32, 24 (Straßb. 1650): als ob sie [Welt] ein lauteres Paradiß, ein Lustgarte voller Herrlichkeit vnd Edeles Wesen wäre. Barack, Zim. Chron. 1, 469, 34 (schwäb., M. 16. Jh.): das fürnem und berüempt banket, das mit sondern künsten Alberti Magni zugericht ward, nemlich in ainem schenen lustgarten, darein die beum usschluegen, laub und gras wiechs und ganz warm und sommerlich war. Rot 335 (Augsb. 1571): Paradeis. Ein lustgarten / gepflantzter garten. Thiergarten / Baumgarten. Das ort da Adam vnnd Eua vnser erste Eltern gewont haben. − Luther, WA 6, 212, 20; 51, 280, 31; Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 508, 1; Peil, a. a. O. 348, 2755. − Vgl. ferner s. v. aufwudeln.

lustgeiz, lustgeschäft, s. 1lust 3. lustgesegner, der ; −/-π. ein römischer Priester (s. u. den Belegkommentar). Turmair 4, 637, 24 (moobd., 1522/33): Alle römische geistlikait miteinander [...] vogelseher waˆrsager wetterpanner geistbeschwerer opferspeher lustgesegner muesten singen pfeifen tanzen [...] umb ain regenwetter [lust- in diesem Kompositum nicht sinnvoll motivierbar. Verschreibung oder falsche Lesung von luft-?].

lustgrab, s. 1lust 1. lustgrünend, s. 1lust 2. lusthaft, auch -ig, Adj. ›schmackhaft, wohlschmeckend‹; vgl. 1 lust 1. − Bdv.: ässe, ässig 2, delicat 1, geschlacht 2, geschmak 1, klug 3, lecker (Adj.), lüstlich 1. Niewˆhner, Teichner 333, 77 (Hs. 2moobd., 1360/ 709): suezz und saur, wer daz geit 兩 yegleichez zu rechter zeit, 兩 so sind sew paidw lusthaft [am sinnvollsten auf den Geschmack beziehbar]. Schmitt, Ordo rerum 487, 15 (oobd., 1437/8): Delicatus leckerhaftig lusthaftig ratleich.

lusthaus, das; −/-häuser. ›mit allen Einrichtungen zur Ergötzung gedachtes Gebäude‹; vgl. 1lust 1; 2.

1506

Luther, WA 47, 537, 20 (1539): do sie [kirche, Jherusalem] Gottes tempel und lusthaus war. Lappenberg, Fleming. Ged. 165, 27 (1636): Wir wollen an das Land, in unser Lusthaus gehn; 兩 da laß die Tafel denn für uns gedecket stehn! Barack, Zim. Chron. 1, 218, 31 (schwäb., M. 16. Jh.): hat er doch sollich schlos [...] nichts befestiget [...], sonder [...] als ain lusthaus beleiben lassen. Turmair 4, 523, 18 (moobd., 1522/33): [Lucius Lucullus] paut im auf dem land über all Römer köstlich und lustig säl und lustheuser mit allerlai lust auf das künstlichest und lustigest zuegericht, het mit essen und trinken ein gueten muet. − Chron. N¸rnb. 2, 183, 9; 3, 92, 7; Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 221, 26; 237, 23; Dasypodius 253r.

lustheirat, lustheit, s. 1lust 3. lusthügel, s. 1lust 1. lustig, Adj. 1., s. 1lust 1. 2. ›erfreulich, behaglich, ergötzlich, vergnüglich, die ideale Eigenschaft eines Gegenstandes / Sachverhaltes aufweisend und damit der Wahrnehmung und dem Urteil angenehm‹; im einzelnen z. B.: ›schön, prächtig (von einer Landschaft, einem Garten)‹; ›sanft (vom Wind)‹; ›weich (vom Bett)‹; ›wohlschmeckend (vom Brot)‹; ›stilvoll, ritterlicher Reitkunst entsprechend‹; vgl. 1lust 2. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: ergezlich, gefällig 3, glat 1; 2, herlich 1; 2, lieblich 3, lind 1, sanft, sauber, schön, wert, wonnig. Ggs.: bleich 1, fal, sauber. − Synt.: der weg, Baiern l. sein, sich lustiglich zu ros halten, der berg l. überschattet sein, der baum l. blühen, etw. l. anzusehen sein, l. schmecken; der lustige flek / flus / garte (mehrfach) / hof / markt / ort / wind, die lustige aue / gegend / rose / stat / stube, das lustige bet / blutbad / brot / feld / gemach / haus / land / wasser. Wbg.: lüstigkeit 1. Schˆpper 57a (Dortm. 1550): Gratus seu desyderabilis. Belieblich behäglich däncklich wollgefellig angenem minnigklich anmÈtig lustsam lÈstig dancknemig zu willen. Luther, WA 30, 3, 281, 15 (1531): auff das der Bapst abermal etwas habe jnn die faust zu lachen, wenn er unter uns ein solch lÈstig [ironisch; mit verkehrter Perspektive] blutbad zugericht hat. Ebd. 41, 159, 12 (1535): et tamen ligt er [taw] zu morgens auff dem gras und ist zur selbigen zeit so lustig als sonst im jar nicht. Volz, Prophet Daniel 8, 9 (Worms o nun vberauß starck / gegen mittag / 1527): das [horn] wuchs gegen morgen / vnnd gegen dem lustigen land [Luther 1545: Werdeland]. Ebd. 10, 3 (Zürich 1529): daß ich weder ge-

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lustig

liept vnd lustig [Eck 1537: begierlich] brot aß / vnd mir ouch zuo minem mund yn nie weder fleysch noch wyn kam. Wunderlich, Fierrabr. 12, 24 (Simmern 1533): gar lustigklich vnd dapffer kunt sich Oliuier zuo Roß halten. Gille u. a., M. Beheim 284, 18 (nobd., 2. H. 15. Jh.): daz vor stund grün in lüstikeit, 兩 das wart geverwet ander seit, 兩 blaich unde val. Chron. N¸rnb. 3, 159, 12 (nobd., 1488): wann die juden nit innen hetten die allerlustigisten, besten und schönsten heuser und flecken. Rupprich, Dürer 1, 166, 185 (nobd., 1521): hab ich die gancze statt auff allen orten übersehen, das do fast lustig ist. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 186, 3 (Hagenau 1534): Droben ist gesagt / Es sey nichts nütze noch lustig / es sey denn auch ehrlich. Maaler 276v (Zürich 1561): Lustig / Lieblich / der gesicht angenÁm vnnd ergetzlich. [...]. Ein saubere vnnd Lustige oder herrliche herberg haben. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 210, 7 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): In dem kamen die marggrafen mit ob sibenhundert pferden eingeritten, [...], das gar lustig was anzusehen. Turmair 1, 319, 20 (Nürnb. 1541): setzt in [mensch] gott der herr in das paradeis, das ist in den aller lustigsten und fruchtbaristen garten. Ebd. 4, 40, 28 (moobd., 1522/33): alda ist obern Baiern gar vast lustig und fruchtper. Niewˆhner, Teichner 710, 16 (Hs. 2oschwäb., 14729): so erzaigt er [paum] frücht und gÈtt, 兩 o das er lüstikleichen plÈtt 兩 und pringt wucher maniger slacht. Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. I, 539, 17, Var B (tir., 1486): da geviel mir erst zu muett 兩 Der frucht schaw und lustigkhaytt. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 27, 3 (tir., 1464): Er ist gestarben durch v¨nseren willen an dem chreücz, vnd der chne¨cht der ist schlaffen an dem linden vnd lustigen pe¨tt. − Schˆpper 75b; Pfefferl, Weigel. Ges. 8, 23; Reissenberger, Väterb. 18509; M¸ller, Faustb. 911, 11; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 294a, 18; Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 10, 5; Opitz. Poeterey 48, 34; Chron. N¸rnb. 3, 160, 19; Schottenloher, Flugschrr. 72, 19; Rupprich, a. a. O. 1, 155, 22; Sachs 5, 242, 5; Roloff, Brant. Tsp. 59; Haszler, Kiechels Reisen 330, 10; Rauwolf. Raiß 23, 26; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 187, 12; Schmitt, Ordo rerum 466, 9. − Vgl. ferner s. v. 1ausdäuen, baum 4.

3. ›zu etw. bereit; bereitwillig, eifrig, geneigt, aufgelegt, etw. zu tun‹; vgl. am ehesten 1lust 2. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: geneigt, willig; vgl. bereit 8, gern 4. Ggs.: gezwungen, unwillig, verdrossen. − Synt.: j. l. sein / bleiben, der hund l. sein, j. l. sein, zu [...]; jn. l. machen (präd. Attr.); die lustige frute. Schˆpper 29a (Dortm. 1550): Sedulus. Fleissig embsig frutig geflissen lÈstig vnuerdrossen wackerig vnablessig ¶ arbeitig außrichtig arbeitsam vnmÈssig vnrÈwig geschefftig thätig. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 27143 (preuß., um 1330/40): der [gelouben] doˆ in lustiger vruˆte 兩 mit manchis ediln mannis bluˆte 兩 gepflanzit wol becliben stuˆnt. Luther, WA 30, 2, 388, 38 (1530): Gott wil lÈstige und willige

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diener haben und mag gezwungen und unwillige dienst nicht haben. Ebd. 48, 221, 8 (1547): in armut vnd mangel lustig bleiben, zu leren gantz umb sonst, Gott zu lob. Ebd. 52, 404, 16 (1544): Darumb verdreusset sie es nicht gute werck zuthun, sind lustig und willig dazu. Ders. Hl. Schrifft. Röm. Vorr. 2258, 43 (Wittenb. 1545): Da her on zwang willig vnd lüstig wird jederman guts zu thun. Enders, Eberlin 3, 29, 34 (Erfurt 1523): Bist nit lustig, dein sünd zuerzelen vonn stuck zu stuck dem pfaffen, so las es anstehenn. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 326, 6 (Straßb. 1522): er solt inen [WerklÈten] ytel Weißbrot zuo essen geben, damit das sie lÈstig weren zuo wercken. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 238, 27 (Hagenau 1534): Wenn der hundt nicht lustig ist zu jagen / so reittet er auff dem ars. Bernoulli, Basler Chron. 4, 199, 4 (alem., 1445): wer man so lustig gesin, als das billich were gewesen, so wer das slos wol gewunen worden. Ukena, Zuger Trag. 738 (halem., 1598): Dieweyl Ihr all so lustig sind 兩 Zuo ziechen wider disen find. Henisch 97 (Augsb. 1616): Wann man trewen arbeiteren nichts abbricht / [...] / das macht sie lustig. Turmair 4, 358, 19 (moobd., 1522/33): Zeuch nur herüber, pistu lustig, über das wasser, wirst wol innen werden, wie prait es sei. − Luther, WA 41, 38, 18; 47, 828, 13; Neumann, Rothe. Keuschh. 3235; Roloff, Brant. Tsp. 559; 1727; V. Anshelm. Berner Chron. 2, 238, 24; Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk. 2, 7, 9.

4. ›gottvergessen selbstbezogen, nach etw. verlangend, das über das Notwendige hinausgeht, wollüstig, lustbezogen‹; vgl. 1 lust 3. − Bdv.: vgl. leckerhaftig. − Wbg.: lüstigkeit 2. Pfefferl, Weigel. Ges. 16, 29 (Hamb. 1646): [die falsche Creatur] erhebet sich selbst. diese Naturliche lustige widerbigung auf sich selbst heißet vngehorsam, Sünde, Apfelbis, schlangensamen, vnglauben, alte Adam. Neumann, Rothe. Keuschh. 1121 (thür., 1. H. 15. Jh.): di da gross wollust ires fleisches triben 兩 unnd in lustichlichen gedancken bliben. Sermon Thauleri 8vb, 25 (Leipzig 1498): seint schuldig alle die menschen die do gebrauchen yrer lust in synnelicher lustikeit. Vetter, Pred. Taulers 237, 13 (els., 1359): Der vierde schade das ist die inwendige lustikeit die man nimet in dem geiste. Sexauer, Schrr. in Kart. 272, 27 (nöst., v. 1450): daz nit gedacht werd was eytel oder lustig / denn allain was nötdurft sey.

5. ›fröhlich, wohlgemut, munter, heiter, lustig‹. − Bdv.: frölich, wolgemut; vgl. begnügt, gam (Adj.), gämelich, gögel 1, heiter 6, leicht 4, leichtsinnig 1. − Synt.: j., js. angesicht l. sein, js. leiden dem vogel l. sein; l. singen, mit den händen platzen; der lustige geselle, die lustige person, das lustige gemüt / getümmel. Wbg.: lüstigkeit 3. Mannack, Rist. Pers. 170, 3 (Hamb. 1634): wegen seiner lÁcherlichen AuffzËge vnd Possen habe ich jhn gemeinlich gerne bey mir / er hat mich mannichmal lustig gemachet. Kurz,

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lüstigkeit − lüstlich

Waldis. Esopus 4, 41, 13 (Frankf. 1557): du fauler tropff, 兩 Werst werd, der dich schlÈg vmb den kopff 兩 Mit feusten vnd dich lÈstig macht. Opitz. Poeterey 22, 33 (Breslau 1624): Die Lyrica oder getichte [...] erfordern zuefËderst ein freyes lustiges gemÈte. Ebd. 24, 12: Wil mit andern lustig sein / 兩 Muß ich gleich alleine sterben. Ingen, Zesen. Ged. 392, 7 (Breslau 1641): Mehr konte ich damahls nicht reden wegen eines sehr lustigen GetÈmmels / so sich mitten im Garten [...] erhub. Gille u. a., M. Beheim 63, 20 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Mit dem wil ich 兩 nach huld und gunst 兩 auf diser wall 兩 hie singen lustigclich. Vetter, Pred. Taulers 254, 34 (els., 1359): alle lustikeit die man in allen Èbungen der tugende und der werke haben mag, das sol man alles in das fu´r der minne werffen. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 2, 5, o 26 (Straßb. 1533): Man furt [...] ein geraden lustigen Gesellen wol gekleidt auß unnd wolt im den Kopf abschlagen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 312, 16 (Genf 1636): LÈstig / FrËlich / Wolgemuth. Ebd. 22: LÈstigkeit / FrËlichkeit. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 203, 24 (oobd., 1349/ 50): und ist im [vogel] sein leiden lustik mit der vernunft durch des leidens willen, daz Christus haˆt durch in erliten. − Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 92, 3; 95, 1; v. Keller, Ayrer. Dramen 2209, 7; Chron. Augsb. 9, 306, 16.

6. ›interessant, spannend, vergnüglich, kurzweilig, unterhaltend (von Texten, vom Gesang sowie von dichtenden Personen)‹; vgl. 1lust 4. − Bdv.: vgl. abenteuerlich 2, geschwänklich, kurzweilig, lieblich 3. Wyss, Limb. Chron. 71, 11 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh., Hs. 2. H. 16. Jh.): Der lider unde widersenge machte he gar vil, unde was daz allez lustig. zu Dohna u. a., Staupitz/ Scheurl 47 (Nürnb. 1517): durch die verfluchten begirlikeit, durch die uns die warlich guten dingk hessig und die gedichten lustig werden. Roloff, Brant. Tsp. Widmung, 50 (Straßb. 1554): Dieweil nun [...] die materi lustig ist zuo lesen / [...] / so wirt ein yeder liebhaber der geschichten für guto auffnemen diße arbeit. Barack, Zim. Chron. 2, 66, 15 (schwäb., M. 16. Jh.): [er] war ain seltzamer, wunderbarlicher abenteurer, von dessen hendln ein sonders lustigs capitel were zu machen. Fischer, Eunuchus d. Terenz 3, 2 (Ulm 1486): ain Maisterliche und wolgesetzte Comedia zelesen und zehËren lüstig und kurtzwylig. Turmair 4, 143, 7 (moobd., 1522/ 33): dergleichen tuet auch Pindarus, der lustigest kriechisch poe¨t, gibt zue versteˆn, si sein [...] aus teuschem land kommen. − D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 21, 10; Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 10, 24; v. Keller, Ayrer. Dramen 7, 28.

7. ›aufbauend, erbauend, erquickend, erbaulich, erhebend, motivierend, anregend; fruchtbringend‹; resultativ auch: ›erbaut‹; meist in religiösem, teils in weltlichem Sinne gemeint; vgl. 1lust 5. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: auf(er)baulich, lebendig 3. − Synt.: etw. (z. B. die

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freude / süsse, ein werk) l. sein, j. l. werden, das erdreich lustiglich erfüllen; etw. l. schmecken, (jm.) etw. l. sein, zu [...; z. B. zu essen / zu hören, mit jm. umzugehen]; jn., den mund l. machen; der lustige gedanke / text, die lustige geselschaft, das lustige evangelium / herz / werk / schwummen. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 593 (preuß., um 1330/40): Duˆ [Cristus] snit abe sıˆne sturziln 兩 und pflantztis sıˆne wurziln; 兩 des haˆt er [wıˆngarte] lusticlıˆche 兩 irvullit das ertrıˆche. Luther, WA 30, 2, 69, 17 (1529): als den rechten bawm des lebens, An welchem sie [...] sich nicht satt essen konnen, sondern yhe lenger yhe lieber sol es heissen, yhe mehr yhe lÈstiger zu essen. Ebd. 34, 2, 381, 30 (1531): das sie [Christenheit] deste schoner und lustiger wachsse. Ebd. 49, 518, 19 (1544): quia ibi Dominus meus [...]. Es ist ein ausdermassen lustiger text. Quint, Eckharts Trakt. 39, 12 (E. 13./A. 14. Jh.): ie daz werk grœzer ist und gote glıˆcher, ie ir [tugent] daz werk lıˆhter, williger und lustiger ist. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 153, 2 (Köln 1619): Kein lÈstiger gedancken ist, 兩 Als Gottes Sohn Herr Jesus Christ. Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 22a, 2 (nobd., E. 14. Jh.): daz si [rede] gaistlichen leuten suzze vnde lustige ist zv horen. Langen, Myst. Leben 191, 3 (nobd., 1463): wen der geist / daz fleisch vberwindet / [...], so springet er auf dy ewigen dinck, / vnd den die selbigen werck werden vil lustiger smeckende. Bihlmeyer, Seuse 303, 17 (alem., 14. Jh.): sÈzes wolgesmackes himelbrot, daz da allen sÈzen smak in im hat nach iedez herzen begirde, machet hu´t lu´stig in dir den tu´rren munt miner sele. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 280 (els., E. 14. Jh.): Got loben, das ist das eigendste vnd das lu´stlicheste werg der engele. Ebd. 561: der innigeste grunt des hertze bu´rnet in wÈten vnd in minnen vs dem lu´stigen swummen in den gaben gottes. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 32, 21 (halem., 1534/5): Welchem nüt hüpschers / nüt lustigers / [...] / sin mag / dann wider für ougen stellen / vnsrer fromenn / tapfernn / redlichen / sÁligen elltern / erlich taaten. Bauer, Zist.-Pred. Haller 61, 351 (tir., 1466): die lieb Kchristi die ist suess vnd ist lustig vnd freundenreich. Dies., Imitatio Haller 59, 15 (tir., 1466): die geistlichen freuden die sind lustig vnd ersam als die sunn. Ebd. 104, 1: Es ist gar lustig vnd freudenreich czue sehen die geistleichen vnd andechtigen menschen. − Luther, WA 12, 572, 4; 457, 1; 21, 134, 13; Neumann, Rothe. Keuschh. 27; Langen, a. a. O. 207, 3; Ruh, Bonaventura 341, 17; Martin, H. v. Sachsenh. Tempel, 1019; Jˆrg, a. a. O. 34, 13. − Vgl. ferner s. v. anblicken 1.

lüstigkeit 1; 2; 3, s. lustig 2; 4; 5. lüstlich, Adj.; Schreibung oft ohne Uml.; vgl. das partiell andere Bedeutungsfeld von lustig. 1. ›den Gegenstand natürlichen Verlangens bildend (wie das Schlafen, Essen)‹; speziell: ›genußvoll, wohlschmeckend (vom Essen)‹; vgl. 1lust 1. − Bdv.: vgl. lusthaft.

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lüstlich

Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 5685 (rhfrk., um 1405): Es ist keine speise so adelich, 兩 So kostbar noch so lustelich, 兩 Du wolles sij bereidt haben. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 237, 1 (els., 1362): Du bereitest dir gar lustliche spise, vnd lit min kneht furborgen. Bihlmeyer, Seuse 473, 20 (alem., 14. Jh.): Daz ander stu´cke ist, sinen lip an griffen mit kestigunge in einem abbrechende an slaffende, an essende und an trinckende und alles, daz ime lustlich si. Roloff, Brant. Tsp. 1465 (Straßb. 1554): Der [Mertzenhase] schmeckt mir wol zuo meinem mundt 兩 Und ist vast lustlich und gesundt. P‰pke, Marienl. Wernher 4793 (halem., o v. 1382): Das [krut] macht och der vil wise 兩 Ze also guter v spise 兩 Das man es gern und lustlich ass. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 183, 8 (whalem., 1484): vil spis von brot, [...], das kam inen gar wol und trank und as iederman gar lustlich. Wolf, Norm im sp. Ma. 35, 22 (schwäb., 15./16. Jh.): die mensch, die sie sechent angetane mit waichen und geferbten chlaidern und die da lustliche speis und trancke gebrauchent. − Vgl. ferner s. v. ässig 2.

2. ›ideale, gefällige Eigenschaften aufweisend (meist von Sachen) und dadurch Freude, Wohlgefallen, Vergnügen bereitend, ergötzlich, angenehm zu sehen (auch: zu hören)‹; vgl. 1lust 2. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: genüchtig, schöne, sinnelich, weidelich, wonniglich; vgl. angenem 2, behegelich 1, lieb 1, lustbäre. Ggs.: verdrossenlich. − Synt.: etw. l. zu sehen (z. B. der apfel) / zu hören (z. B. die historie) sein, j. (am angesichte) l. zu sehen sein, ein weg l. zu gehen sein, der mei l. bleiben, den schaz l. besitzen, der vogel l. jubilieren, lustiglichen bei jm. sitzen, die heide l. vor jm. erspringen, die dirne js. herze l. gezieren; der lüstliche bau / brunne / gedanke / keller / knabe, die lüstliche gegend / magd / stat / zier, das lüstliche gemälde / gesicht ›Vision‹ / haus. Wbg.: lüstlichkeit 1. Quint, Eckharts Pred. 48, 7 (E. 13./A. 14. Jh.): Haˆn ich einen apfel in mıˆner hant, der ist mıˆnen ougen lustlich, aber der munt wirt der süezicheit beroubet. Chron. Kˆln 2, 8r, 16 (Köln 1499): [got ... bracht yn] in den boemgarden der genoechden vnd lustlicheyt. Ebd. 256, 8: croniken van den vernoempsten und genoichlichsten historien die uns nutzlich ind lustlich sin zo horen und zo lesen. Reissenberger, Väterb. 16287 (md., Hs. 14. Jh.): Als ein wip er den tuvel sach, 兩 Mit dem der bruder liepliche sprach 兩 Unde bi im lustlichen saz. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 6725 (rhfrk., um 1405): Ich furen sij an lustliche stadt, 兩 Da man frolich ist unde freude hait. Froning, Alsf. Passionssp. 5508 (ohess., 1501 ff.): ich fort dich yn das lant lustlich, 兩 da der floiß honig und milch. Strauch, Par. anime int. 132, 10 (thür., 14. Jh.): wi lustlich ein dinc were, werit ez zu lange, ez worde fordrozzinlich. Bechstein, M. v. Beheim. Evang.

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15, 21 (osächs., 1343): An dem angesichte was her [herre] lustlich. Asmussen, Buch d. 7 Grade 1015 (nobd., Hs. A. 15. Jh.): Kain mensch nie so gern geaß, 兩 kain geitlich man nie kain schatz 兩 pesas so reht lustlich, 兩 der mensch ube hie noch gerner sich. Dienes, E. Gros. Witwenb. 6, 19 (Nürnb., 1446): so machtten sie [Adam, Eva] qwesten, zu verpergen das gehaym, das ane schult vor was lustlich an ze sehen. Vetter, Pred. Taulers 330, 4 (els., 1359): die [lustheit] sol sich zem ersten abscheiden von lustlicheit der naturen und der sinne. Chron. Strassb. 257, 2 (els., A. 15. Jh.): wan es gar ein schËnre lüstlicher knabe was von 16 joren. Ebd. 717, 12: nu was die gegene [...] gar schËne und lüstlich und genühtig von matten, wasser und weiden. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 167, 24 (Straßb. 1522): Manchen Menschen tropfft es in sein leibliche Augen, lÈstlich Gesichten, davon er sich versÈndet, und in die Augen seins Hertzens, bËß gedenckt, noch so thuto er seine Augen zu,o das er im selber vor dem Schaden wer. Schmidt, Rud. v. Biberach 66, 12 (whalem., 1345/60): wie vil solicher dingen ist vnd wie mei nigvaltig vnd schone vnd lustlich si sint. Ebd. 111, 25: Erbeit i der minnenden sint ni enhein wis swer; want me si sint lustlich, recht als der iegern vnd vischern erbeit. P‰pke, Marienl. Wernher 5741 (halem., v. 1382): [er was] Lustlich zesechende fu´r alle die 兩 Warent do und wurdent ie. Klein, Oswald 40, 19 (oobd., 1408?): [ir] gailt eu gen des maien grün, 兩 der sich erglennz lustlich ze blüeen. Ebd. 53, 32 (um 1411?): Wie möcht ain zart seuberliche diern 兩 lustlicher geziern 兩 das herze mein an argen pein 兩 mit so wunniklichem, zarten, rainen lust? Ebd. 106, 4 (1411?): kinder, schickt eu zu dem tanz! 兩 glanz zieret sich lustlich des maien tenne. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 1280 (moobd., A. 15. Jh.): Wann die machten mit fleissiger arbait chostleiche pilde vnd lustleiche czir. − Reissenberger, a. a. O. 9020; Palmer, Tondolus 982; Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 127, 33; Gille u. a., M. Beheim 335, 25; Lauchert, Merswin 25, 9; Schmidt, a. a. O. 10, 27; Lindqvist, K. v. Helmsd. 3594; Morrall, Mandev. Reiseb. 46, 27; Dreckmann, H. Mair. Troja 15, 2; Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 68, 27; Munz, Füetrer. Persibein 24, 2. − Vgl. ferner s. v. augenweide.

3. ›lustvoll, selbstbezogen; über die Notwendigkeit der Lebensführung hinausgehend, Lust bereitend‹; vgl. 1lust 3. − Wbg.: lüstlichkeit 2. Neumann, Rothe. Keuschh. 3465 (thür., 1. H. 15. Jh.): an essen unnd trincken mogen wir nicht geleben, 兩 wir soln uns aber zu lustlicher spise nicht geben. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 20, 4 (omd., 1487): Nicht dy¨ lüstlichen wergk, welche Jn dy¨ßem orden zcugelasßenn. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 2205 (els., E. 14. Jh.): er [Adam] e schmag vnd begerte kunst vnd wisheit in girikeit, vnd er svhte gelust in lu´sticheite. Ruh, Bonaventura 360, 32 (orhein., o um 1480): daz linck ergerlich oug vß zu stechen, daz ist vrsach der su´nden, die vns lustlich beduncken. Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 48, 6 (schwäb., 1491): haby sin

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lustliche − lüstlichkeit

husgesind geziert und geklait mer nu´tzlich dann lustlich, versichert von dem wind, der kelti und regen. 1

4. ›unterhaltsam, spannend, lustig‹; vgl. lust 4. − Bdv.: vgl. lustig 6.

Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 112, 5 (Wittenb.[?] 1424/5): Lucianus hat den künstreichen Pythagoram gar lüstlichen durch einen hanen gestraft. Fastnachtsp. 1375, 24 (nobd., 15. Jh.): Nu vernempt all hubschlich 兩 Ein mathery gar lüstlich. Schottenloher, Flugschrr. 52, 4 (Landsh. 1523): Diss buechlein hat schon schwenckh und vil 兩 Lüstlich.

5. dient der Charakterisierung der Existenzweise Gottes und seiner Handlungen als der lust vergleichbar; passende Übersetzungen ins heutige Deutsch kaum möglich; vielleicht: ›aus sich heraus minnend, Freude schenkend, wohlgefällig, sich in Liebe in den Menschen ergießend (ausgiessen), den Menschen dadurch der Existenzweise Gottes teilhaftig machend‹; reziprok vom Menschen aus gesehen: ›in Gottes Liebe ruhend, geborgen und Gott diese Liebe entgegenbringend‹; vgl. 1lust 5. − Älteres und mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘, gehäuft der Mystik. − Bdv.: befindlich 3, begerlich 6, begierlich 6, behagenlich, freudenreich, frölich, geruhsam 1, lieblich 1, minnereich. − Synt.: js. (Mariae) art l. sein, got an worten l. sein, got. etw., das werk dem vater l. sein, dem menschen l. sein, zu [...]; der lüstliche augenblik / gedanke, die lüstliche gabe / gestaltnis / hitze / minne / zukerung, blüte gottes, gegenwart des herren, das lüstliche leben / paradies / werk / wort. Wbg.: lüstliche (die) ›Ruhen, Existenz in sich selber‹. Quint, Eckharts Pred. 1, 63, 12 (E. 13./A. 14. Jh.): Mintet ir got soˆ enmöhte iu kein dinc lüstlıˆcher gesıˆn, dan daz im aller beste geviele. Ebd. 72, 13; er gebirt sıˆnen sun, und daz werk ist im soˆ lüstlich und gevellet im soˆ wol, daz er niemer anders getuot dan gebern sıˆnen sun, und sie beide blüejent uˆz den heiligen geist. Ebd. 2, 273, 3: wan kein dinc enist niht meˆ lustlich noch begirlich, dan als vil got in im ist. Ebd. 604, 9: mıˆn [der seˆle] liep haˆt mich anegesehen durch einen schranz; sıˆn antlütze daz was lustlich. Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 350 (pfälz., 1436): wie lustlich sol dann sin dem menschen zu volnfüren den buwe in der selen. Jostes, Eckhart 31, 14, 15 (14. Jh.): Do dise geburt geschach geistlichen in unser frauwen Marien, daz waz got lustlicher, dan da er leiplichen von ir geborn wart. Da dise geburt geschiht heut ditz tages in eines menschen sel, daz ist got lustlicher, dan da er himelrich und

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ertrich geschuff. Sermon Thauleri 11ra, 29 (Leipzig 1498): dise mensche˜ ko˜men dan durch dyß in den warn wesenliche˜ lautern fride gotes. vn˜ ko˜men dan in die liebliche˜ lustlichen bluedt gotes. vn˜ haben dan offt da ein semlich lieblichen lustliche˜ frolichen auge˜blick vn˜ gegenwurff des sie do ewiglichen in got gebrauchen sollen. Gille u. a., M. Beheim 82, 48 (nobd., 2. H. 15. Jh.): darinn [muterleib] er [Gott] lüstlich ruwens pflag. Vetter, Pred. Taulers 202, 5 (els., 1359): das si iren Got und iren schËpfer hatte in irre schosse und an iren armen und in den aller begerlichesten lustlichesten wisen, die u´ber alle sinne woren. Bihlmeyer, Seuse 165, 24 (alem., 14. Jh.): Es ist nut [›nichts‹] lustlich, denn [›als‹] daz einfËrmig ist dem innigosten grunde gËtlicher nature. Ebd. 139, 20: du´ lustlich wise, du´ ob allen dingen menschlich herz rÈret. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 93, 30 (els., 1362): Jhesus ist ein susser namme, vnd ein lustlich wort [hier: ›erbauend‹]. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 480 (els., E. 14. Jh.): wan gotte ere bieten [...], daz ist das lu´stlicheste werg vnd [...] aller behagenlicheste der gerechtikeit. Ebd. 2, 370: Dis ist das lu´stlicheste leben nach der liplicher beuintlicheit, das ein mensche erkriegen mag vf ertriche. Strauch, Schürebrand 17, 11 (els., E. 14. Jh.): und ir [brut] alle ire lüsto und gewönlichen gebet lichen andehtigen minnenrichen zukere unsmeglich und urdrützig werdent. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 162, 15 (schwäb., 14. Jh.): daz in im selber etliche lustlichi hat, zuo welcher lustilichi daz die vorganden getragen werdent, daz mag in etlicher wis heizen ein fruht. Schmidt, Rud. v. Biberach 53, 8 (whalem., 1345/60): i der wisheit ist got nach dem der vorderost vnd erst gegenwurf i minne. anblik, als dvi warheit reiset den willen zvo ir lustlichen v Ebd. 56, 13: Da merken wir, das beschod ein klarern anblik hat in die wisheit vnd ein lustlicher enphinden den dvi speculacio. Ebd. 96, 10: [gËtlichvi minne] ist ein svnne, dvi daz gemÈt in i i [...] mit einer alr lustlichosten hitzze. der ewigen selikeit vurclert e ist ein paradis in dem, so si Ebd. 168, 20: Der sel gemvte himelschvi ding meditiert, so hat sie glust vnd frËide als in einem lustlichen paradise. Spechtler, Mönch v. Salzb. 10, 2 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): wie lustlich was dein [Maria] raine art 兩 dem höchsten got, der sich verspart 兩 zu dir. − Vetter, a. a. O. 100, 25; Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 2, 42; Lauchert, Merswin 23, 26; Schmidt, a. a. O. 37, 7; 169, 21; Steer, Schol. Gnadenl. 5, 39; Hˆver, Bonaventura. Itin. A 286.

lustliche, s. lüstlich 5. lüstlichkeit, die. 1.; 2., s. lüstlich 2; 3. 2. ›als lust gedachte Existenzweise Gottes (sowie Marias)‹; vgl. 1lust 5, lüstlich 5. − Bdv.: enzückung, wolgefälligkeit, wonne. Hˆver, Bonaventura. Itin. A 395 (moobd., 2. H. 15. Jh.): das in dem aynigen got ist dye prunnleich vnd die war wolgefe¨llikhait vnd lustleichayt vnd das zu yr aus allen

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lüstlung − lut

wolgefe¨llikhaiten vnd glusstungen wir hanntgefüert werden, sy zubegreiffen. Ebd. B 75: Jn disem grad, so nun widerpracht sind die gaistleichen synne zesechen die hËchsten schËn, [...], zekosten die hËchsten sÈsse, zebegreiffen die hochsten lu´stleichait vnd wunne, wirdt die sel geschickt zu enczuckung des gaists. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 2, 2 (Basel 1497): Schryn der süße˜ gnaden, 兩 in dir [Maria] sind die lustlikeit, 兩 hymelscher süße˜ wabe˜, 兩 da ist ga˜tz warlich gotts substantz. − Vetter, Pred. Taulers 168, 29.

lüstlung, s. lüsteln. lustquellend, lustsal, s. 1lust 2. lustsam, Adj. 1. ›Freude, Lust, Vergnügen, Heiterkeit bereitend; anmutig, schön‹; vgl. 1lust 2. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: schöne, wonnesam. − Wbg.: lustsamkeit. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 96, 3 (o. O. 1517): Dardurch das menschlich gschlecht verürt, 兩 Verlor das leben, gewan der todt 兩 Von lustsamkait in hungers nodt 兩 Von rÈ, in arbait, vnnd in zorn 兩 Gottes. Schˆpper 57a (Dortm. 1550): Gratus seu desyderabilis. Belieblich behäglich däncklich wollgefellig angenem minnigklich anmÈtig lustsam lÈstig dankknemig zu willen. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 11059 (preuß., um 1330/40): daz dıˆ nuˆwe pfanzunge 兩 des geloubin solde, 兩 als der tuˆvil wolde 兩 soˆ jaˆmirlich werdin vornicht, 兩 dıˆ daˆ soˆ pıˆnlich uˆfgericht was in lustsame vruˆte. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 51, 3 (preuß., M. 14. Jh.): der herre [...] wirt ire wustenunge machen als eyne lustsamkeit [Worms. Proph. 1527: Eden; Froschauer 1530: Paradyß; Eck 1537: wollust; Luther 1545: lust garten] und ire eynote als einen garten. Strauch, Par. anime int. 118, 34 (thür., 14. Jh.): Daz lustsamiste lebin sundir gnadin ist lebin in eime luterin clarin bekentnisse fon nature. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 3, 12 (Hs. 2omd., 14659): Frut und fro was ich vormals zu aller stunt; kurz und lustsam was mir alle weil. Ebd. 27, 16: Wünnesam lustsam, fro und wolgemut ist ein man, der ein biderweib hat. P‰pke, Marienl. Wernher 977 (halem., v. 1382): Gar lustlich lustsam was ir [Maria] munt, 兩 Vor aller sÈssi alle stund. Dirr, Münchner Stadtr. 75, 11 (moobd., 1315): daz der margt dest lustsamer und dest schËner und dest gemachsamer sey herren, burgaern, gesten. Gereke, Seifrits Alex. 7034 (oobd., Hs. 1466): zu hant er durich das gepirg cham 兩 in ain land lustsam. − Fastnachtsp. 413, 27; Gereke, a. a. O. 848.

2. ›erbauend, erhebend‹; vgl. am ehesten 1lust 5. − Bdv.: vgl. lustig 7. Reissenberger, Väterb. 1595 (md., Hs. 14. Jh.): Got was in mit genaden bi 兩 Und an dem herzen lustsam. P‰pke, Marienl. Wernher 5918 (halem., v. 1382): Sin [Jesu] o v aten was ain sÈsser smak, 兩 Lustsam fu´r allen guten nak.

lustsamkeit, s. lustsam 1.

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lustseuche, die; -π/−. ›Gier, Hang, Sucht nach sittlich ungebändigter Lust‹; vgl. 1lust 3. − Bdv.: vgl. beger 1, gelust, gerung 2, gier 2, inbrunst 3. Luther, WA 17, 2, 199, 34 (1525): soll man [...] nicht lassen gehen wie unter den heyden, da es gehet nach der lust seuche, das ist, man weret nicht, man lesst der lust den zaum. Ebd. 200, 1: So ist nun der lust seuche eben so viel, als das wyr auff deutsch sagen ,bËse lust‘. Ebd. 47, 673, 21 (1539): Dein vas [corpus] solt in zucht und ehre halten, nicht in der lust seuche. − Ebd. 17, 2, 211, 27.

lustsiech, s. 1lust 3. lustsuchen, V. ›nach selbstbezogener Lust suchen‹; vgl. 1 lust 3. − Wbg.: lustsucher (dazu bdv.: eigenschafter, füllerich, trunkenbold). Bihlmeyer, Seuse 467, 21 (alem., 14. Jh.): du solt dich ime [got] zuo male neigen under sine fÈsse mit din selbes verworfo o fenheit in einem lugen sines willen an lustsuchen din selbes. Vetter, Pred. Taulers 391, 6 (els., E. 14. Jh.): von den kouffern und verkouffern die er [herre] uss dem tempel treip, o o stroffet alle mutwillige lustsucher weltliche und geistliche grusenliche sere. Strauch, Schürebrand 49, 22 (els., E. 14. Jh.): die gritigen eigenschafter, die hochfartigen herscher und o o die mutwilligen lustsucher, die fülleriche und die trunckenbolte, die werdent sitzende zuo underste an dem tische der ewigen pine. − Ebd. 32, 32.

lustsucher, s. lustsuchen. lusttrunk, s. 1lust 1. lustwald, s. 1lust 2. lut, die; zu mhd. luot ›Last‹ (Lexer 1, 1988). 1. ›Stein-, Erzmasse‹; auch mit explicativem Genitiv: todes lut ›als Last gesehener Tod‹. H¸bner, Buch Daniel 786 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): In sulcher wirde uppe 兩 Vergienc die sule alle 兩 Mit disses steines valle, 兩 Als der stoub von winden tut 兩 Des sumeres. dirre lut 兩 Nichtesnicht wart me vunden 兩 Nach dissen selben stunden. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 3283 (preuß., 1331): daz wir von todes lut 兩 Wider czu dem leben vrut 兩 Irstan. − Ebd. 2866.

2. ›Schar, Menge, Meute, Heer‹. − Wbg.: lutmaus ›in Scharen auftretende Wühlmaus‹ (a. 1519). − Bdv.: vgl. geschwürm 1, geselschaft 1, rotte, (-)schar, volk. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 23775 (preuß., um 1330/40): daz da mit vrechchim muˆte 兩 goˆz der bruˆdre huˆte

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lutheraner − lutherisch

兩 an der veigen luˆte. Ebd. 27445: Wes wuˆstis duˆ mıˆn erbe 兩 mit dıˆnes volkis luˆte. Ebd. 27714: Dıˆtherıˆch 兩 von Aldenburc zusamne luˆt 兩 eines michlen heris luˆt. Helm, H. v. Hesler. Apok. 14230 (nrddt., 14. Jh.): Glich einer rumreziger lut, 兩 Die zu einer herte loufet. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 4194 (preuß., 1331): czweir meide uppescheit, 兩 Di da stunden bi der glut: 兩 Daz ist beser kumpan lut. H¸bner, Buch Daniel 7003 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Disse macht muz hinder gen 兩 Vor des norden kunges lut. − Ebd. 1432; Rwb 8, 1518.

lutheraner, der, latinisierend auch -ianer. ›Anhänger Luthers und seiner Lehre‹, meist abwertend. − Wbg.: lutheranisch, lutherast. Rosenthal. Bedencken 35, 16 (Köln 1653): Warumb haben dann die Calvinisten hin vnd wider so gar alle Bilder [...] abgeschafft / auch mit grossem Vnwillen der Lutheraner. Krebs, Prot. Konst. Domkap. Protokoll, 8769 (nalem., 1526): daß [...] der Amtmann zu Dissenhoffen mercklich sich mitt der luteranischer sect befleckt hab, also das er fur den grosten [...] Lawterischen [...] gehalten werde. Schib, H. Stockar 117, 21 (halem., 1520/9): Uff die zitt verbott mian Hans Uolrich Mürinkoffar und ettlichen burger mier (die) statt mit wib und kinder von des lutterasten leben. Haszler, Kiechels Reisen 293, 38 (schwäb., n. 1589): wann frembde billger oder andere hinkommen, düe kein licentiam vom Papst [...] haben, argumiert der gardian, süe seyen luteriani. Ebd. 328, 2: dorüber mich der graf für einen Lutherian ausgeschrien. Ebd. 15: ist villeicht bösser, solche 20 zeckini seyen in malora, dann das er müch zu Vönetia für einen Luterian accusiert hette.

lutheranisch, lutherast, s. lutheraner. lutherei, die; -π/−. ›Lutherei‹, abwertende Kennzeichnung der reformatorischen Lehre durch die Katholiken im Umfeld von irsal 2, ketzerei 1. − Beleghäufung im Wobd.; Texte der Reformationsgegner, oft Chroniken. Lau, Qu. Neuß 97, 30, Anm. 3 (rib., 1535): so nu zor zit die Lutherie sere reugirt (!) ind missliche dinge gehandelt werden. Schade, Sat. u. Pasqu. 3, 273, 42 (Straßb. um 1545): da ein concilium angestellt, darin bäpstliche heiligkeit selbst personlich erscheinen, die Lutheri von grund auß zuo reuten. Roder, Hugs Vill. Chron. 163, 32 (önalem., 1527): o hult das mandat in: allermencklich, gaisstlich, weltlichm frow und man, das man sich for der Lutery und deren, die mit der keczery des Lutersen globens umgiengen, [Satzbruch] [...] ainer hieß Eckolampadyo, und ainer hieß Zwingly [...]; die o o hultend nit uff das hochwurdig sackrament, desgelichen hulten sy nut uff die mes, desgelichen nutt uff den krisstelichen toff [es folgt eine Reihe weiterer Vorwürfe]. Glatz, Chron. Bickenkl. 158, 13 (önalem., um 1640): ain gestüft oder jarzitt [...], wölches der luttery und ihrsal halben des hailigen

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glaubens an den enden und orten in abfall komen ist. Ebd. 161, 12: Die ist [...] aptyssin gewessen und durch die lautterey wider verdrüben worden. V. Anshelm. Berner Chron. 5, 263, 27 (halem., n. 1529): Lienhart HÈpschin, und den venner Willading, bede der lutheri unverdachte wise mannen. − Roder, a. a. O. 129, 17.

lutherisch, Adj. 1. ›der Lehre Luthers anhängend, mit dieser in Verbindung gebracht, dieser entsprechend handelnd oder des entsprechenden Handelns bezichtigt, lutherisch gesinnt oder lutherischer Gesinnung verdächtigt‹, meist von Personen gesagt; je nach konfessioneller Zugehörigkeit der Textautoren erscheinen die lutherischen einerseits als bösewichte, ketzer, unchristen, wiedertäufer, schelme, wölfe, zertrenner, zerstreuer ; gängige Charakterisierungen sind ärgerlich 8, böse 6; 7, falsch, giftig 3, ketzerisch, teuflisch, verfürerisch, unchristlich, calvinisch, schwenkfeldisch, zwinglisch, in Reihungen auch jüdisch, türkisch; die ihnen zugeschriebenen Handlungen betreffen (tadelnd) das beten 1, fasten, fleisch essen, herumstürmen (Bilderstürmerei), die Haltung zur ehe, zu den werken, zur messe, zu den zeremonien, auch zur sozialen Ordnung. Andererseits erscheinen sie als christlich, evangelisch, mit besonderer Betonung des glaubens. Die Katholiken werden (aus protestantischer Sicht) als papistisch, bäbstlich, werkheilig charakterisiert und als papisten, gleichsner, romanisten klassifiziert. Die einzelnen Charakterisierungen / Klassifizierungen / Zuschreibungen / Ab- und Aufwertungen sind zum Teil austauschbar. − Gehäuft agitative Texte oder Texteinlagen. − Synt.: das herz / j. (gut) l. sein; meist attributiv: der lutherische bösewicht / bube / ketzer / kater / pfaffe / schelm / schärmer, die lutherische menge / secte, die lutherischen katzen / fürsten / stätte; subst.: die lutherischen verfolgen; die lutherischen (Subj.) aufrur machen; wieder die lutherischen predigen. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 176v, 29 (Leipzig 1588): wenn die Hertzen in der Religion getrennet sein / das eines JÈdisch / das ander TÈrckisch / eins Lutherisch / das ander Papistisch / eins ein Christ / das ander ein Vnchrist ist / Da kan keine rechte Freuntschafft sein. Bobertag, Schwänke 184, 9 (o. O. 1555): derhalben jm [obseruantzer

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luthertum − lützel

o münch] alle menschen, die nicht zuo seiner predig kamen, musten lauterische ketzer sein. Sachs 17, 382, 12 (Nürnb. 1563): Da redt mich auch an ein papist, 兩 [...] 兩 Wo der glaub, hoffnung und die lieb 兩 Iczund pey uns Luthrischen blieb. Ders. 387, 14: Der papist sprach: Solch christling wandel 兩 Sicht man bey der lutrischen mennig 兩 Sünder schir weder vil noch wenig. Ders. 21, 69, 2 (1524): Eyn gesprech eynes evangelischen Christen mit einem Lutherischen, darin der ergerlich wandel etlicher, die sich lutherisch nennen, angezaigt [...] wirt. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 166, 3 (schwäb., v. 1542): die luterischen fursten mit iren anhengern wollten nit consentieren. Ebd. 186, 25: Die lutterischen schwermer understanden sich die een liederlich zu schayden. Merk, Stadtr. Neuenb. 176, 6 (nalem., 1527): und sich aber die pruder sant Franciscus ordens [...] der verfurischen luterischen sekt und anders halben unordenlichen, dem gemeinen volk zu bösem vorbild, ergerlichen [...] gehalten. Roder, Hugs Vill. Chron. 149, 33 (önalem., 1427): man fing den pfarer von o Grießen, der was och gutt Luters gewessen, und stach im och die ogen uß. Ebd. 158, 16 (1522): Das tett, das die von o Luters warend, fritag und samstag flaisch außend. Straßburg Lauater. GespÁnste 32r, 21 (Zürich 1578): zuo diser zyt sind die Luterischen / wie man sy nen˜t / verfolget worden. Ebd. 33r, 28: dan˜ er sunst auch ernstlich wider die Luterischen geprediget. Anderson u. a., Flugschrr. 29, 11, 5 ([Augsb.] 1524): mayster hans / wan˜ jr etwan da werent / wan˜ die Lutherischen bey ainander seynd / vn˜ bringe˜ ainen vnder sich / der nit Lutherisch ist / da hËren jr wie sy der leüt verschonen / [...] / da halten sy Faßnacht mit jm / vnd o jr Romanist / papist / legen sich alle über jn / der muß gleyßner / vnnd werckhellig sein / vnd reden jm so spËtlich vnd hËnisch zuo / das er vnder jnen sitzt / wie ain pfeüffer. Barack, Zim. Chron. 3, 630, 28 (schwäb., M. 16. Jh.): du bist ain luterrischer schelm und bösswicht. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 95, 14 (schwäb., 1551): das disse tyffliche weltt so gar verrucht ist, das glaub zu der zeit Sodoma und Gommora ist [...]. Gott erbarm sich iber uns. 1. zum allerestenn ist die sektt zwinglisch, 2. die ander ist schwengfeldisch, 3. die dreytt ist lutterisch, 4. es ist die babstlich, 5. es sind die widertöffer. Ebd. 96, 23: die lutterisch sextt wer woll recht mit mess hallttenn, mitt lobgsang, predicyrenn und andern zerimonienn, [...]. Aber das gmein peffell, [...], die habentt allwegenn bey dem ringer taill herwist [haben immer Erntezeit], flaischessenn, kein zins gebenn, aller bschwerd ledig sein, das war das recht und die getzenn in denn kyrchenn herumstyrmenn und dem babst und denn pfaffenn ibell redenn, das was ein recht ewangellisch man. Schottenloher, Flugschrr. 49, o der schwart13 (Landsh. 1523): Ann euch falschen geburten zen teuflischen Luterischen Katzenn, zestreÈrer aller frümmer hertzen, zertrenner und unterdrÈcker aller ordnung des christenlichen gelaubens. Ebd. 24: ir werdent sy an den wercken erkennen, hie die werck und nütz der falschen Luterischen katzen o mit iren Herodischen und Chayscher kinder, der blutdürsstigen ungehorsamen Adls, alle vergifft von dem Luterischen Kather. Ebd. 51, 14: dy gemein frag ist: Bistu gÈt luterisch, damit o gedrungen. der gÈt selig christlich namen gantz und gar zuruck Ebd. 62, 13: Knecht. Seit jr auch gÈt Lutherisch? Schnaphan.

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Potz marter, was fragst du, kenst du mich do wol; wer den der pfaff nit guet Lutherisch, sand veltin züch mit jm. − Rosenthal. Bedencken 36, 23; 43, 7; Roder, a. a. O. 176, 3; 179, 28; 200, 14. − Vgl. ferner s. v. 3aber 1, amächtig 2, bäbstisch 2, beihendig, lutheraner.

2. ›der Lehre, Theologie Luthers entsprechend, von der Lutherischen Theologie her begründet‹; im Unterschied zu 1 auf Sachen (lere u. ä.) bezogen, durchgehend mit negativer Wertung. − Synt.: der lutherische (aber)glaube / handel / posse, die lutherische ketzerei / lere / sache, das lutherische furnemen / wesen. Enders, Eberlin 3, 169, 16 ([Eilenburg] 1524): Munch [...] welcher auch dem Euangelio so feind ist, das er zweymal verbrant hat Lutherische bucher. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 593, 9 (nobd., um 1525): hie zu Rotenburg die luterisch und carolstadisch ketzerey, bose und falsche ler ser uberhant nam. Ders., Bauernkr. Oberschw. 62, 9 (schwäb., v. 1542): Eß nam ach des lutterisch und ketzerisch wesen [... ] fast zu. Ebd. 99, 22: Also stunden die andren zwen ach von irem lutterischen furnemen, [...], begerten cristenlicher begrebtnuß. Ebd. 141, 28: von allen seinen ketzerischen irtungen, so er auß lutterischer [...] ler gesogen hett. Anderson u. a., Flugschrr. 14, 10, 2 (Straßb. 1524): es sol niemant in den würtßheüsere˜ / oder sunst hinder dem weyn / vo˜ Luterischen / oder neüwen sachen nichts reden. Lauater. GespÁnste 31r, 14 (Zürich 1578): Als er aber zuo verston gab das die vrsach siner verda˜nuß die Luterisch kÁtzery were. Reithmeier, B. v. Chiemsee 1, 8 (München 1528): aws denen numals worden seinn Hayden, türcken, sarracen, marran, hussen, Luterisch vnd mer ander aberglawbe. − Lauater. a. a. O. 33r, 27. − Vgl. ferner s. v. 1ach 2, beharren 2, instruktion.

luthertum das; -s/−. ›lutherische Lehre, reformatorischer Glaube‹ (in negativer Sicht). Lauater. GespÁnste 31r, 5 (Zürich 1578): von deß wÁgen daß er, [...] von der nüwen kÁtzery oder deß Lutherthum˜s willen bschÁhen were. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 738, 15 (schwäb., 1585): Niemand kein kind in das Luttertumb geben.

lutmaus, s. lut 2. lützel, subst., adj. und adv. gebraucht. − Älteres und mittleres Frnhd. (s. auch Besch, Sprachlandsch. [...] 1967, 188 f.). 1. ›nicht, nichts, kein‹; ein Teil der Belege als Litotes lesbar; offen zu 2. − Wobd. / oobd. − Synt.: adverbial, gradadverbial und substantivisch gebraucht.

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lützel

Koller, Ref. Siegmunds 194, 4 (Hs. um 1474): so bedorfft man keins babsts me; sye geben ytzunden lutzel umb in. Banz, Christus u. d. minn. Seele 1469 (alem., 1. H. 15. Jh.): ,wer volkommen well sin, 兩 Der verkoff die habe sin 兩 Und volge mir na˘ch.‘ 兩 Deß was dem iu´ngling lu´tzel ga˘ch. Primisser, Suchenwirt 3, 125 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Pey der andren panıre hielt 兩 Ein man, der lÈtzel freude wielt, 兩 Auf einem ors nach streites litz. Ebd. 15, 67: Swert und arembrust, pogen, phfeil 兩 Sach man an der selben weil 兩 Gar lutzel wenig rasten. Weber, Füetrer. Poyt. 106, 5 (moobd., 1478/84): der hanen kräd dy nacht in lützel wekket, 兩 er schlieff pis das dy sunne klar 兩 gen vren drein höch sich het gestrecket. Munz, Füetrer. Persibein 442, 6 (moobd., 1478/84): nw was das der tag ennd nw hett genummen, 兩 vor vinster er lüczel wesste, 兩 wo er zer nacht zw lewten sollte kumen. − Ebd. 398, 4.

2. ›kaum, kaum etw.‹. − Phras.: wenig lüz; mit lützel ›mit knapper Not‹. − Synt.: adverbial, gradadverbial, adjektivisch gebraucht. − Wbg.: lüz. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2216 (nrddt., 14. Jh.): ich waz tot und lebe nu 兩 (Da darf man lutzel glosen zu). v. Tscharner, Md. Marco Polo 55, 10 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Do sint ouch elephant, do sint ouch vil eynhorn, dy luczil cleyner sind wen die elephant. Vetter, Pred. Taulers 197, 18 (els., 1359): Kinder, diser grunt der ist wening lu´tz bekant. Bihlmeyer, Seuse 376, 29 (alem., 14. Jh.): daz wir do etwen von vort wegen lu´zel kein kurzwil da von mohtan gehaben. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 262, 26 (schwäb., 14. Jh.): die vorgesprochen stükelin, die entuont lützel oder nihtes niht zuo der lere dez gelouben. Guth, Gr. Alex. 2581 (Hs. 2oobd., E. 14. Jh.9): Er kom mit lüczel dänn: 兩 Gen Susis er die fluht nam. Klein, Oswald 16, 14 (oobd., v. 1407?): Die junckfrau hett verslaffen, 兩 Der knab wacht lützel bas. − Chron. Strassb. 119, 26.

3. ›wenig‹, jeweils unter quantitativem Aspekt bezogen auf Beträge, auf konkrete oder abstrakt gedachte Mengen, auf die Länge der Zeit, die Ausdehnung von Räumen, die Intensität von Handlungen. − Phras.: 2ein lützel; über lützel 9 ›ein wenig‹; viel oder lützel. − Bdv.: wenig. Ggs.: gros (Adj.) 2, viel. − Synt.: adverbial, adjektivisch, substantivisch gebraucht, im letzteren Falle absolut, mit partitivem Gen. oder mit dem syntaktisch regelentsprechenden Kasus. Grosse, Schwabensp. 144a, 23 (Hs. 2nd./md., um o o so luttel seit von der dienstmanne recht, 14109): daz daz buch o daz Cumt da von, daz [...]. Ebd. 148a, 6: HAt eyn man o eyn wip vnde mit der kint luzel oder vil. Quint, Eckharts Pred. 2, 489, 1 (E. 13./A. 14. Jh.): ich wil sprechen von soˆ getaˆner waˆrheit, die lützel guoter liute suln verstaˆn. Chron. Kˆln 1, 5594 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Rijt en lutzel by

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syden her, 兩 bys al vurleden is vr her. Palm, Veter Buoch 27, 15 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): Arbeitet ein mvnch luczel tage vnd darnach trege wirt, der schaffet nicht. Chron. N¸rnb. 3, 171, 17 (nobd., 1488): gar lützel seint, die ein rechten ursprung wißent. Lauchert, Merswin 23, 13 (els., 1352/70): ich slief gar lu´zel zites. Thiele, Minner. II, 13, 137 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): den ungedruwen Kay 兩 denn wil ich hie mit luczel worten rügen. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 216v, 5, 15 (Hs. 2nalem., um 14009): Nim ruten / vnd des venchels wurczen [...] vnd lu´czel essiches. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 351, 30 (schwäb., 14. Jh.): dar nach über lüzel sprichet Jeremias: „Schrip sü in die taveln dines herzen“. Arndt, biechlin D ijr, 6 (Freib. 1523): wer ein blËdes kranckes hirn hat / das der lützel vn˜ wenig weins trincken sol. Leisi, Thurg. UB 7, 423, 25 (halem., 1385): das sËllint wir, [...], u´ns dehains wegs dehainer gen dem andern ze vigentschaft annÁmen, wÁder lu´zel noch vil. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 416, 17 (halem., 1508/16): won iren ze lüzel u wider heim. Schib, H. Stockar was, zugend si demnach och 58, 12 (halem., 1519): es ist der bruch, das sy vil zusagend vnd lützel haltend ain uns bilger uff der fart. Chron. Augsb. 1, 24, 9 (schwäb., zu 1371): do kom ain grozzer schne [...] und ward lützel roggen und grozz urling. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 209, 25 (schwäb., v. 1542): was dutz jar schon wetter, lutzel regeß, trucken. Jaksche, Gundacker 842 (oobd., Hs. 1. H. 14. Jh.): daz du mit lÈtzel spıˆse, 兩 [...] 兩 spisest fuˆmf tousent man. UB ob der Enns 9, 146, 12 (moobd., 1376): als oft soln sew¨ vns geben zwai phünt wienner phenning sein werd vil oder lÈtzel, was sew¨ sein haben wellen. Spechtler, Mönch v. Salzb. 11, 14 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): wie ich in sünden pin verpflicht, 兩 wie lützel guts von mir geschicht. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 1717 (moobd., A. 15. Jh.): Darumb so sey deiner red luzel. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 131, 31 (moobd., 1478/81): der in dick straft um sein tyrannisch leben, wie es doch lützel half. Bauer, Imitatio Haller 61, 13 (tir., 1466): Von dem, das lüczel menschen sint, die da lieb haben das kchreücz Kchristi. Ebd. 62, 16: das der mensch [...] verpre¨cht grosse puesswertikchait, das ist noch alles czue lüczel. Ebd. 104, 24: vnd [geistliche ... menschen] reden gar selten vnd lüczel wort vnd wachen gar vil. − Chron. Kˆln 1, 1716; Reu, Süddt. Kat. 1, 124, 34; Schˆpper 82b.

4. ›klein‹; subst.: ›Kind‹. − Wbg.: lützelig, lützelkeit (dazu bdv.: wenigkeit). Lauchert, Merswin 12, 18 (els., 1352/70): vnd hette ein gar vsser mosen schËnes minnencliches lu´zelliges kindelin vfe irre schosse sitzzende. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 67, 20 o eim lu´tzeln: [...]. Gewerlich (Straßb. 1466): Vnd jhesus rufft sag ichs eu´ch: wert ir nit bekert vnd wert gemachet als die lu´tzeln. ir geet nit in daz reich der himel. Dorumb der sich gedemu´tiget als der lu´tzel: der ist der mer in dem reich der himel [Var. zu Z. 20: um 1470 / 14751 : kind; 14752−1480: knäblin, 1483−1518: kleinen jungen; Luther 1545, Mt. 18, 2: Kind ]. Ebd. 72, 22: Do wurden im bracht die lu´tzeln: das er in auflegt die hend. Ebd. 3, 156,

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lützelig − luxus

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15: Mein herre du er kennest das ich hab mit mir manige lutzeln. [Var. 14751−1518: kind(er); Luther 1545, 1. Mose 33, 14: Kinder] vnd berhaftige schaffe vnd ochssen. Ebd. 453, 11: vnd alle ding werden gekert in lu´tzelkeit [Var. 14751 : kleinheit; 1476−1480: wenig]. Ebd. 7, 392, 25: erku´nd mir die lu´tzelkeit [Var. 14752−1518: wenigkeit] meiner tage. Ebd. 9, 486, 17: vnd secht ein anders lu´tzel [Var. 14751−1518: klein; Luther 1545, Dan. 7, 8: klein] horn wart geborn von mitzt ir.

o [...], und sy heim kÁmend, ruwen und lüwen und frËud mit wyb und kinden han wËltend, so [...]. − Schweiz. Id. 3, 1545/6.

5. ›gering (vom Menschen); verschlissen, geringwertig, armselig (von der Kleidung)‹. − Bdv.: einfältig, klein 3; 4; vgl. 2alber, arg (Adj.) 1, arm (Adj.) 15, armselig 2, bresthaft, dürftig, mangelhaft.

Sudhoff, Paracelsus 7, 304, 32 (1529): gleich als ein luxisch loch ist gleich dem wolfischen, dem cancrenischen rc. dieweil nun also die gleichnus gezwungen wird, neu krankheit in form der alten sich zu enden und denselbigen sich etwan zu verleichen. Ebd. 311, 26: wie angezeigt ist, zu erkennen die zeichen luxus und veneris mit anzeigung der krankheiten, die nicht luxisch werden mögen oder den eußeren constellationen underworfen, das auch notürftig zu wissen ist zu einem sterkern und merern verstand von den zufallenden zeichen, so der leib an im selbs auch tregt in den weg. er ist treflich unkeusch und nicht leichtlich zu ersettigen, dergleichen auch mer zu völlerei gericht als anders. Ebd. 319, 9: weiter wiß auch die geschmeck sulphuris, dan sie zeigen dir an die luxischen milz. Ebd. 330, 15: das alle diejenigen, so mit solchen imaginationibus sich selbst beschweren, nicht allein in disen luxischen krankheiten sonder auch in andern sich unheilbar machen.

Eggers, Psalter 39, 17 (thür., 1378): gotis orkunde ist getruwe, daz vorlyet di wishait an dem luzzelin [Dietenberger 1534: einfeltigen oderr kleinenn; Luther 1545, Ps. 19, 8: Albern]. Jahr, H. v. Mügeln 2571 (omd., Hs. 1463): der mensche lützel wirt gekleit, 兩 wann das sin sterben wirt geseit. Sappler, H. Kaufringer 21, 32 (schwäb., Hs. 1472): sein enen, der alt man, 兩 hett gar lutzel claider an.

lützelig, lützelkeit, s. lützel 4. lützen, V. ›etw. herabsetzen, schmälern; jn. erniedrigen, in ein schlechtes Licht stellen‹; vgl. lützel 3; 5. − Bdv.: vgl. letzen 2. Thiele, Minner. II, 13, 191 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/ 909): Geistlich person besunder 兩 wil ich mit straffenn luczen. Ebd. 18, 221: das nieman sol sin eben cristen 兩 mit worten lu´tzen noch verschmahen! Barack, Teufels Netz 5017 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Wan si [abtissin, nunnen] kunnent sich och ufmützen 兩 Und ain andran hofflich lützen. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 572, 1 (halem., 1495): Es sol ouch dehein meister dem andern sin tuch oder werck beschuli u an redlich ursach. Chron. Augsb. 1, 337, digen und lutzen Anm. 4 (schwäb., 15. Jh.): damitte dasselbe werck der arbait halben nit möchte gelützzet werden. Fischer, Eunuchus d. Terenz 123, 20 (Ulm 1486): Das alles ist zelesen zornigklich. als von ainem den man lutzen wil. − Adrian, Saelden Hort 11102. − Vgl. ferner s. v. antwerk 3.

lüwe, s. lüwen. lüwen, V.; Etymologie unklar (vgl. Schweiz. Id. 3, 1545). ›sich erholen, ausruhen‹. − Bdv.: vgl. ausseuchen, gemagen, genesen 4. − Wbg.: lüwe ›Erholung, Ruhe‹ (a. 1620). Adrian, Saelden Hort 2570 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): Got haisset ru´wen, luwen 兩 den su´nder und nit sunden me. Qu. Schweiz. Gesch. 1, 165, 2 (halem., 1470): wenn man sy in langwyrigen reißzügen [...] harumb geschleipft

lux, s. lukasrok. luxisch, Adj. ›durch luxus bedingt, krankhaft, syphilitisch‹.

luxuria, s. luxus. luxus, der. ›mit luxus im Sinne von uberflus in Verbindung gebrachte Geschlechtskrankheit, Syphilis‹. − Bdv.: franzosen. − Wbg.: luxuria. Sudhoff, Paracelsus 7, 191, 29 f. (1529): so wissent was luxus sei, das ist, so die natur spermatis gereizet würt aus anligenden kankheiten zu verbringen den actum. nun so solche unkeuschheit geursacht wirt [...] und beschicht, so ists veneris impressio damit in der arbeit, alsdan wird aus disem luxu, luxus der krankheit. nun ist aber diser luxus nicht der natürliche, sonder der geil luxus. dan der natürlich wird hie nicht begriffen, sonder wie luxus ein uberfluß bedeut, also da auch. darumb so wissen, das sich die franzosen nicht weit unterscheiden von der lepra, dan lepra stimulirt den luxum. Ebd. 244, 13: solches ist allein darumb angezeigt, das ir in dem venerischen luxu dermaßen auch handlen sollen, das die arznei gemeß sei dem herzen. Ebd. 304, 28: dieweil luxus ein neue krankheit ist und ein krankheit, deren ursprung nie gewesen ist. Ebd. 306, 29: also werdent luxus und venus monig, witterig, irdisch, wesserig, windisch und firmamentisch. Ebd. 314, 19 f.: zu leichterm verstand nach inhalt derselbigen auslegung, das inwendiger luxus auch ist, [...], den wir nit erkennen. von demselbigen sein zeichen zu erfaren, ist weiter mein fürnemen, das nit allein, was chirurgischer luxus ist, sonder auch phisischer luxus, hierin gemelt wird. Ebd. 315, 15: die zeichen die augenscheinlich in dem eußern luxu begegnent, begegnent inwendigen. Ebd. 384, 9: so merken etliche zeichen hernachfolgent die ich euch zusampt den euern underricht, [...]. nemlich welche franzosen sich bewegen in den paroxismum nach dem

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luzerner

wetter und nach wirkung der luxuria, dieselbigen gehören under dise heilung und am fürtreflichsten, die da fallen in die hülen des leibs. Ebd. 9, 105, 25 (1531/5): das zuvil luxus das sal auch in sein exaltation treibt, nemlich [...] am schnellisten in der gestalt, so der luxus, coitus sein ursprung nem aus den pruritischen, sudorischen, cruorischen anreizen (ein Vergleich in Z. 20: als ein acker, der zu geil ist). − Vgl. ferner s. v. inficieren.

luzerner, der. ›Luzerner Schilling‹. a UB Zug 2319, 6 (halem., 1525): wie es keme, das der Lutzerner nit vil gu´lte als der duggat.

m macerieren, V.; aus lat. ma¯cera¯re ›schwächen‹ (Georges2, 746). ›jn. / etw. (?) schwächen, entkräften‹; auch: ›etw. beizen‹. Rot 326 (Augsb. 1571): Macerirn, Mager machen / auß merglen /Jtem einbeyssen.

mach, s. mächlich. machalder, das; machalder wohl eine Kontamination aus wach- (s. wachholder) und mas- ›Ahorn‹; Genaueres im Dwb 6, 1741; 13, 53; Kluge/S., Et. Wb. 2002, 602; 966; Marzell 66 (hier Belegung der Formenvielfalt). ›Wachholder‹. − Zur Wortgeographie von ,Wachholder‘ in den rezenten Dialekten s. Dwa 2. − Wbg.: machalderholz. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 11291 (omd., 1338): Wurtzel von machalder holtz 兩 Dy was in eyne spise smoltz. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313. 16 (Genf 1636): machalder / der Wachholderbeerbaum.

machalderholz, s. machalder. machbrief, s. machen 5. machebrief, s. machen 20. machei, wohl der ; über nengl. mohair aus arab. muhaiyar ›Stoff aus Ziegenhaar‹ (Kluge/S., Et. Wb. 2002, 627; mit weiteren Angaben). ›ein Wollstoff‹. − Wbg. macheiern. Buch Weinsb. 5, 228, 22 (rib., um 1560): vor machei zum wambis 4 gl. 8 alb. Starzer, Qu. Wien 1, 5, 5814, 35 (moobd., 1624): samet und gemain seiden rupfen, seiden tamaschk, samte und arbey, machey, thobin, seidene porte. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 71, 3 (mslow. inseldt., 1602): Jhrem Enenckel [...] ´shaffet ´sie ainen Macheyern roten rock. − Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 401, 39 504, 5; Stolz, Zollwesen 98, 2; 337, 19.

macheiern, s. machei. machen, V.; nach Maaler (278v): Ein breüchig wort zuo allerley, d. h. ein Nähewort

mit breitem Bedeutungsspektrum und dichter Vernetzung der einzelnen Bedeutungsansätze; keine Möglichkeit einer eindeutigen Zuordnung eines Großteils der Belege; hohe Phrasematisierungsaffinität. 1. ›etw. tun, machen, treiben, in einer bestimmten Weise handeln, verfahren‹. − Gehäuft obd. − Phras.: jn. machen lassen; nicht viel, nicht lange mist mit jm. machen ›sich nicht viel mit jm. abgeben, wenig Umstände mit jm. machen‹. − Bdv.: bestellen 12, gebaren, handeln 2; 3, tun, verrichten. − Wbg.: machete ›Machenschaften‹, machman ›Initiator, Anstifter, Helfer‹. Luther, WA 17, 2, 370, 19 (1527): sondern, wie ers machte, so wolten sie es anders haben. v. Keller, Ayrer. Dramen 1833, 3 (Nürnb. 1610/8): schreibt nach eurer glegenheit! 兩 [...] 兩 Sonder macht, was jhr selbst wolt than! Ebd. 3099, 24: Was macht jhr in meim Hauß? 兩 Hat euch der Teuffel geführet rein. Lemmer, Brant. Narrensch. 28, 1 (Basel 1494): Solt gott noch vnserm willen machen 兩 Vbel ging es jn allen sachen. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 337, 25 (Hagenau 1534): Es sey eyn bËses weib / es kËnde yhr niemandt zÈ dancke thun / wie man es auch macht so taug es nit. Ebd. 444, 31: ist eyn reycher kauffman zÈ yhm kommen / der sich gewundert hatt / was der alle tag auff der brucken mache / und yhn gefraget / was er da suche? V. Anshelm. Berner Chron. 4, 452, 26 (halem., n. 1529): sidtomal er fÈrnemlich widerwÁrtiger pratick, [...], ein machman sie gewesen. Bachmann, Haimonsk. 159, 17 (halem., 1530): daz wer nu˘t wyßlich gmacht, daz du dahinn ryttest. Ders., Morgant 290, 23 (halem., 1530): Ruolland, der im nu˘t vast vertruwet, macht nu˘t vyl mit im. Wyss, Luz. Ostersp. 6617 (Luzern 1545): Judas [rett] Nun schwygend still vnnd land mich machen! Rennefahrt, Wirtsch. Bern 292, 8 (halem., 1649): wird erkannt, dz solche macheten und unzimliche vergleichungen allen ... meisteren, [...], ... allerdingen abgestrickt und verbotten [...] sein. Chron. Augsb. 6, 31, 31 (schwäb., zu 1524): also macht ein rath nit lang mist mit inen. − Reichmann, Dietrich. Schrr. 231, 19; v. Keller, a. a. O. 3100, 8; Gilman, a. a. O. 2, 133, 22; Andreae. Ber. Nachtmal 115r, 4; Fischer, Eunuchus d. Terenz 98, 6; Schweiz. Id. 3, 1423; 4, 30; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 312, 4.

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machen

2. ›etw. machen, herstellen, verfertigen, durch Arbeit effizieren; etw. durch Arbeit zu etw. umgestalten‹; als logische Objekte begegnen (prototypisch) feste, seltener kontinuative Gegenstände unterschiedlichster Art, z. B. Bauwerke, Städte, Waffen, Geschirre, Kunst- und Gebrauchsgegenstände, Arzneien, Speisen, Getränke, Materialien; vgl. die Syntagmen. Bei Übersetzung ins Nhd. ist je nach Objekt zu variieren, z. B. ›bauen‹ (von Gebäuden); ›gründen‹ (von Städten); ›herstellen (von Gebrauchsgegenständen)‹; ›zubereiten (von Speisen)‹; ›etw. herrichten (von Plätzen)‹ usw.; meist mit effiziertem, vereinzelt mit affiziertem Obj.; vgl. die Belege! − Phras.: das kreuz machen; jm. (die) ban machen; jm. den weg, die steige machen; jm. füsse machen; jm. eine nase machen; etw. (z. B. die ecke) in den senkel machen ›nach der Bleiwaage herstellen‹ (lat.: ad perpendiculum facere); jm. einen affenschwanz machen. − Bdv.: 1bereiten 1. − Synt.: fenster / krapfen / pillen / schanzen / schuhe / waffen m., einen / den galgen / käse / palast / weiher / plaz (dies affiziert) m., eine / die abendspeise / arbeit / burg / kirche / müle / salbe / stat m., ein / das bild / gewürke / gezelt / haus / pulver m., geschir / gestüle / öl m., aus kupfer gold, aus wasser wein, aus schlacken zin m., die stat zu einer festung, brot zu brot m., einen haufen mit etw. m., jm. ein ewiges leben, götter, ein kleid m.; an etw. (z. B. an den brücken) machen ›mit der Herstellung von etw. beschäftigt sein‹; das gemachte ding; die macht des machenden; das natürliche machen. Wbg.: machscheit ›Hohlscheit, Salbenspatel‹. Luther, WA 30, 3, 196, 6 (1530): das sie nicht so zu faren vnd mit yhrem vnzeitigen drucken mir vnlust vnd den andern einen affenschwanˆtz machen. Ebd. 47, 159, 16 (1538/40): Sie machen uns nur eine Nasen mit den wortten: Die Kirch hatts gethan. Ders. Hl. Schrifft. 2. Mose 32, 1 (Wittenb. 1545): Auff / vnd mach vns Götter / die fur vns her gehen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 593, 2760 (Magdeb. 1608): DArÈmb rath ich man geb nicht nach / 兩 Das der Feind vmb vns Schantzen mach. Ebd. 658, 4765: Vnd [der Fürst] macht seinen Meusen die bahn / 兩 Als ob man sehe Berg vnterghan. Gropper. Gegenw. 11r, 568 (Köln 1556): gemein naturlich Brot / so erst vß der erden gewachsen / vnd folgends durch die menschen hend zu Brot

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gemacht wordenn. Beckers, Bauernpr. 59, 10 (Köln 1515/18): SEnt Clemens schriefft vn˜ spricht. Jch wyll vch machen eyn ewichs leuen. Lehmann, Rezeptb. A 1848 (pfälz., 1470): menge daz / vnder einander vnd lege daz dar / vff (auf die Nekrosen) in einem machscheit. Dietrich. Summaria 18v, 2 (Nürnb. 1578): sie fasten vil / solches ist nit der meinung geschehen / das sie damit jnen ein weg zum himel machen. v. Keller, Ayrer. Dramen 3103, 25 (Nürnb. 1610/8): Geh hin vnd mich zu friden laß! 兩 Oder ich mach dir Füß. Ebd. 3394, 9 (um 1600): Wilwalt sicht auf, Erschrickt, macht das Creutz für sich. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 28, 14 (schwäb., 14. Jh.): so ist die rede alzemale dez gemahten dinges dü maht des machenden. Rieder, St. Georg. Pred. 6, 24 (Hs. 2önalem., 13879): swaz der mentsche isset oder trinket, daz machet er o Cirurgia H. Brunin im selben ze flaisch und ze blute. schwig 24rb, 10 (Straßb. [1497]): dz [puluer] do gemaht würt vß de˜ gedËrten erd oder regen wurmen. Bachmann, Haimonsk. 80, 4 (halem., 1530): Und ließ den platz machen [›herrichten‹], da˘ der louff beschechen sott. Kottinger, Ruffs Adam 3344 (Zürich 1550): dann alle eck, tryangel, winckel 兩 hand g’stellt und gmacht in senckel. hail. altvÂter 80v, 16 (schwäb., E. 14. Jh.): das sy ainen grossen huffen mit durre˜ holez mache sin. Bauer, Geiler. Pred. 102, 14 (Augsb. 1508): Wenn ain maister seim knecht ain arbaitt für gibt zuo machen / so nun der knecht das selb macht. daz im bevolhen ist / wer wolt [...]. Chron. Augsb. 7, 203, 15 (schwäb., zu 1550): Und seind der zimerleut, so daran gemacht, 243 und 201 tagwercker gewesen. haben all auf ainen tag daran gemacht. Ebd. 8, 375, 9 (zu 1549): man hat auch schon drei tag an den bruggen gemacht. Rauwolf. Raiß 36, 29 ([Lauingen] 1582): vil Seydenflicker / die schËne gewürck machen / alß Borten. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 253 (moobd., A. 15. Jh.): Ain engel vnd ain mensche die machen etzwaz aber si schephen nicht. Niewˆhner, Teichner 693, 24 (Hs. 2moobd., 3. V. 15. Jh.9): ein iglich maister muß besorgen 兩 dy materi zw den sachen. 兩 das ist ein natürlich machen. Roth, E. v. Wildenberg 7, 18 (moobd., v. 1493): do sein vater Belaws starb, do macht er aus lieb ein pild und gleichnus nach seinem vater. Turmair 4, 93, 13 (moobd., 1522/33): muesten die leut [...] viech ziehen, imp setzen, paumgärten züglen, weier machen lernen. Bauer, Imitatio Haller 43, 12 (tir., 1466): Wand Jesus Kchristus [...] würt dir czaigen sein trostung, ist das du im in dir ain wirdige wanunge machen pist. − Chron. Kˆln 1, 5974; Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 166, 22; Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 1307; J. W. von Cube. Hortus 84, 41; Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 104, 12; Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 87, 4; Kurz, Waldis. Esopus 2, 4, 54; Hajek, Gu˚te spise 44; Keil, Peter v. Ulm 248; Bachmann, Haimonsk. 122, 34; Dreckmann, H. Mair. Troja 37, 28; Chron. Augsb. 1, 296, 14; Memminger Chron. Beschr. 22, 29. − Vgl. ferner s. v. abendwirtschaft 1, 2ableren, ädifizieren, 2albe, albenkäse, alchimei, altreusse, alweise, 1alz, anderhalb 2, vestenunge, anstos 8, aufbereiten, pastete.

3. ›jn. / etw. (aus nichts, aus vorausgesetzten Bezugsgrößen, z. B. aus den Ele-

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machen

menten, aus der Rippe; aufgrund seiner Machtvollkommenheit) schaffen, kreieren, bewirken‹; von Gott (auch vom wort) als logischem Subj. und von der Welt, dem Menschen als logischen Objekten gesagt; für die Personen der Trinität gilt negativ: weder gemacht, noch geschepft, noch geboren, sondern gehende (s. u. Steer, K. v. Megenberg. Sel 39; Vorlage: procedens). − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch der Didaxe. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: bilden 2, orden. − Wbg.: machlich ›schöpferisch, kreierend‹. Schˆpper 1b (Dortm. 1550): Creare. SchËpffen schaffen formieren stalten machen staltigen bilden. Luther, WA 7, 586, 3 (1521): also macht und zubricht got ein creatur durch die andern. Ebd. 36, 669, 32 (1533): weil er [Gott] zuvor ein schËnen menschen draus gemacht hat [...], so [...]. Ebd. 46, 561, 2 (1537/8): alles, was gemacht ist, das ist durch dasselbe Wort gemacht. Ders. Hl. Schrifft. Joh. 1, 3 (Wittenb. 1545): Alle ding sind durch dasselbige [Wort] gemacht / vnd on dasselbige ist nichts genmacht / was gemacht ist. Chron. Kˆln 2, 8r, 29 (Köln 1499): vnd viss der ribbe macht he eyn wijff. Gropper. Gegenw. 16r, 904 (Köln 1556): Christus des Lebendigen Gottes Sun / der die Sonn geschaffen vnnd gemacht hat. Steer, Schol. Gnadenl. 3, 262 (rhfrk., 1375): Got der sach an alle ding, die er gemachet hatte vnd si waren gar gut. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk. 13, 19 (osächs., 1343): di tage des betruˆpnisses werden alsulche di nie gewesit sint von dem beginne der creˆatuˆren, di got machite [Luther 1545: geschaffen hat ] biz nu.o Reichmann, Dietrich. Schrr. 233, 2 (Nürnb. 1548): was hast du fur hÈlff vnd beistand? nemlich den Herrn / der dich gemacht hat / Nicht schlecht gemachet / wie er alle menschen schaffet / vnd macht. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 179, 21 (els., 1362): Wenne vnser lip us vier elementen ist gemaht, so fasten wir zuo vier ziten dez jares, daz dise vier elementen von gotte in vnserme libe in rehter ordenunge werdent behalten. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 152, 16 (schwäb., 14. Jh.): ez enist niht müglich, daz dekein creature [...] erhaben müge werden zuo einem höchern grat, ez si denne, der die nature gemachet hat unde geordent hat, daz ez der tuowe. Schmidt, Rud. v. Biberach 165, 6 (whalem., 1345/60): Si [spise] heisset ein machlich, want si maht mit ir ein alle, die si nement. Spechtler, Mönch v. Salzb. 3, 7 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Creatur ward nie gemachet, 兩 die die gothait hab umbvachet 兩 als dein junkfraulicher leib. Ebd. 33, 18: als got beschuf in anegeng 兩 höch, tif, licht, finster, weit und eng, 兩 der sun was anvang der anveng. 兩 mit seiner / hant zu machen 兩 all form, er pildet kürz und leng. Steer, K. v. Megenberg. Sel 36 (Hs. 2moobd., 14119): Der vater ist von nymant gemacht noch geschepht noch geporn. Ebd. 207: aigenschaft der sel, das sy nicht wirt gemacht mit dem leib von der natur als der leib, [...], sy wirt von got geschepht vnd in gegossen dem leib. Baptist-Hlawatsch, U.

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v. Pottenst. 249 (moobd., A. 15. Jh.): die checzer die da sprachen, er we¨r ain macher oder ein werichman vnd nicht ain scheppher. Wider daz spricht die heylige schrifft: Ain scheppher vnd nicht ain werichman, daz yem gelaubt daz er die werlt von ainer ee gewesen matery gemacht hiet, wann der ist ain scheppher der von nichte etzwaz machet, vnd schepphen aygenleich zu reden ist etzwaz von nichte machen. − Luther, WA 45, 286, 12; Dubizmay, kurß zu Teutze 4, 11; Williams u. a., a. a. O. 102, 23 f.; Sexauer, Schrr. in Kart. 223, 12; Baptist-Hlawatsch, a. a. O. 680.

4. ›etw. bilden, formen, hervorbringen, in bestimmter Weise gestalten‹. − Obd. − Phras. (hierher?): got machen vom Prieser im Zusammenhang mit der Verwandlung in der Messe gesagt (a. 1385; Schweiz. Id. 4, 21). − Wbg.: machung 3. Reichert, Gesamtausl. Messe 146, 13 (Nürnb. um 1480): was [Wandlung] man pfligt zethun mit kreutze machunge [›Schlagung des Kreuzes‹] und mit vil grossen heyligen worten. Sudhoff, Paracelsus 14, 370, 19 (1529/32): du machest dir in deiner fantasei ein abergot. Chron. Augsb. 7, 71, 21 (schwäb., zu 1548): daß der Lech vil flüß machte und allenthalben auslüffe. Ebd. 9, 58, 19 (1544/5): Als aber die Huni des kaisers fleis, so er in machung [Aufstellung der Schlachtordnung] des kriegs spitz und ordnung seiner kriegsleut (angekert), gemerckt und gesehen haben, do [...]. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 6, 13 (noobd., 1347/50): wËlle wir sagen von den kraizzen, daraus man die gegenwertigen speram macht von kÈnsten. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 98 (oobd., 1607/11): von einem wilden schweinkopf, da der lingke waffenzan so krumb gewachsen, daß er ein gantzen zirckel macht. Ebd. 2142: ein pfaw, [...], schreitt und macht eine wannen mit seinem schwaiff von rechten federn.

5. ›(ein Buch, ein rechtsrelevantes Dokument, generell: einen Text) konzipieren, verfassen, niederschreiben‹; vereinzelt auf den Realhintergrund eines Textes bezogen, dann: ›(js. Taten) aufzeichnen und dadurch ein Buch herstellen‹; auch: ›an etw. arbeiten‹; als Spezialisierung zu 2 auffaßbar. − Bdv.: schreiben, stellen 14. − Synt.: einen brief / psalmen / reien, eine grammatik / historie / tafel, ein buch (mehrmals) / lied m., der wein die tragedie m.; an einem buch machen; jm. viele landrechtes m. − Wbg.: machbrief ›Urkunde über ein rechtsrelevantes Dokument‹ (a. 1411 ff.), macher 4 (1. H. 16. Jh.), machung 4. Grosse, Schwabensp. 82a, 24 (Hs. 2nd./md., um o dere dem konige vele 14109): daz sprichet magister Macellus, lantrechtes het gemaket. Wyss, Limb. Chron. 70, 26 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh, Hs. 2. H. 16. Jh.): ein monich [...].

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machen

Der machte di beste lide unde reien in der wernde von gedichte unde von melodien. Opitz. Poeterey 13, 2 (Breslau 1624): Eschilus [...[ / dem Sophocles vorgeworffen / der wein hette seine Tragedien gemacht / nicht er. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 392, 10 (els., 1362): Dirre Paulus schribet in der lamparter hystorien die er selber hat gemachet, das [...]. Bachmann, Haimonsk. 103, 13 (halem., 1530): Der brieff ward gemacht und besiglet von Karly und dem marschalck geben. Bauer, Geiler. Pred. 96, 27 (Augsb. 1508): die dreü kindt in dem bachoffen / die da machten den psalmen Benedicite omnia opera domini domino. Chron. Augsb. 7, 69, 6 (schwäb., zu 1548): so machen sie iren weibern guto heuratbrief. Ebd. 491, 2 (1563/4): da seind wir verursacht worden, solche ordnung zÈ geben, und ain tafel gemacht, wie volgt: [...]. Ebd. 9, 39, 13 (1544/5): diser zusamenfiegung viller handlung vnd machung dises buchs ist die fürnemest vrsach die gebrechlichkait mänschlicher natur. Ebd. 306, 24 (1536): so mans rechnet, so hat ain zunft 18. jar an der zunft buch gemacht. Kohler, Ickelsamer. Gram. 46, 13 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): Was sol man ain Gra¯matic [...] den Teütschen, die jr nichts achten, [...], schreiben oder machen? Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 131, 2 (moobd., 1478/ 81): Dise liny, [...], pis auf den heiligen kaiser Hainrich, [...], will ich ir gesta und getat nacheinander machen. Turmair 4, 1, 2 (moobd., 1522/33): Das erst puech der Baierischen chroniken, geteutscht und gemacht durch Johannsen Aventinum. − Chron. Augsb. 7, 187, 8; Spiller, a. a. O. 86, 29; Rwb 8, 1528; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232. − Vgl. ferner s. v. anfänger 2, papier 2.

6. im Bereich ,Sexualität / Zeugung / Geburt‘ in verschiedenen Verwendungen: a) ›mit einer Frau schlafen‹. − Synt.: mit frau als Akk.obj. d. P. − b) ›(eine Frau) schänden‹. − Synt.: im Beleg ohne Obj. − c) ›(Kinder) zeugen‹ (unklar, ob vom Mann oder von der Frau gesagt; ütr. auch auf Tiere bezogen). − Bdv.: vgl. gewinnen 24. − d) ›(ein Kind) zeugen‹ (vom Mann gesagt). − Synt. (in Anlehnung an die Reihenfolge der Belege): jm. (z. B. ir, der schwester) jn. (z. B. ein kind) / etw. (unbestimmt) machen, an jm. (z. B. an dem weib) jn. (z. B. einen son, Salomon) machen, in der mutter leib jn. machen, jn. (z. B. ein kind) machen. − Wbg.: macher 5. − e) ›(ein Kind) gebären‹. − Synt.: z. B. ein meidlein machen. − f) ›(einen Vogel) aushekken‹. − Synt.: die krähe keinen dolen machen. Zu a): Mieder, Lehmann. Flor. 879, 1 (Lübeck 1639): Schaff dir ein Haus / das gemacht ist / vnd ein Fraw / die noch zu machen. Chron. Augsb. 4, 112, 19 (schwäb., v. 1536): da kam der beck und macht sein frauen ain mall und vermeint, es wer sein magt. − Zu b): Ebd. 5, 22, 6 (schwäb., 1523/7): und er hett in (den mädlin] die scham

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mit den fingern geöffnet und darnach gemacht. − Zu c): Wyss, Limb. Chron. 107, 36 (mfrk., 2. H. 15. Jh.): seine kinder machten fort kinder, [...], und seine enkel machten im fort urenkel. Lemmer, Brant. Narrensch. 49, 20 (Basel o 1494): die dochter ist der mutter glich 兩 [...] 兩 Der krebs glich wie syn vatter trytt 兩 Es macht keyn wolff / keyn lemblin nytt. − Zu d) Lichtenstein, Lindener. Rastb. 162 (o. O. 1558): alle notwendigkeyt von Adams zeyten, unsers ersten machers. Morrall, Mandev. Reiseb. 18, 10 (schwäb., E. 14. Jh.): Gang zuo dem grab zuo diner frowen und sich was du ir habest gemachet. Ebd. 44, 24: Bersabee stifftet Urias wib, an der ku´ng David Salomon machet. Chron. Augsb. 5, 118, 18 (schwäb., 1523/7): etlich leutt hetten darfür, der Weys hab den jungen Meixner an der Meixnerin selb gemacht. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 64, 12 (oobd., 1349/50): dar umb, daz sein [des Mercurius] kint, die er macht in der muoter leib, wol gespræch sint. Roth, E. v. Wildenberg 6, 15 (moobd., v. 1493): und machten Noe und sein drei sun Sem, Kam, Jaffet und ire kinder kinder in der zeit so vil kinder, das [...]. Turmair 4, 128, 22 (moobd., 1522/33): [Hercules] macht da ein sun an der künigin Omphale. − Vgl. ferner s. v. bauer 1. − Zu e): Lutz, Buch Alfadol 52ra, 6 (obd., n. 1478): Die frawe wirt ein meidlein machen. Spanier, Murner. Narrenb. 39, 87 (Straßb. 1512): Wel am meisten kinder macht, 兩 Die würdt Áptissen hie geacht. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 101, 26 (Straßb. 1522): so ist mein Frau noch junck, sie mag noch wol mer Kinder machen. Maaler 280r (Zürich 1561): Kinder Machen / kinder gebÁren. − Bolte, a. a. O. 353, 2; Spanier, Murner. Narrenb. 77, 39. − Zu f): Spanier, Murner. Schelmenz. Vorr. 76 (Frankf. 1512): Jch hab des sprich worts dick gelacht, 兩 Das keyn kreg eyn dullen macht.

7. ›etw. durch gezielte Tätigkeit erarbeiten, gewinnen, erwerben‹. − Bdv.: vgl. gewinnen 1. Maaler 279v (Zürich 1561): GÁlt Machen / das ist gÁlt lËsen. [...] Pecuniam Facere. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 192, 48 (m/soobd., 13. Jh.): wo er aber das nit thuen könnt, so soll er [...], oder soll sie innerhalb 14 tagen aus den markt ziechen und auch der belaitigten hult machen.

8. ›(ein Heer, eine Flotte) aufstellen, ausheben‹. Chron. Augsb. 2, 26, 5 (schwäb., Hs. 16. Jh.): da machten die Venediger aber ain groß volk auf dem waßer und auf dem land. Ebd. 6, 47, 8 (zu 1529): also macht man volk und schlueg umb am montag nach Jakobi. Ebd. 48, 1: man wollt vil knecht machen. − Chron. Augsb. 5, 161 , 6.

9. ›sich in bestimmter Weise entwickeln, einen bestimmten Lauf nehmen, sich ergeben‹. − Vielfach berichtende Texte. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 160, 10 (rhfrk., um 1435): wurde sich das zü eym stryde machen / so besorgen ich jr nemen einen argen kauff dran. Neumann, Rothe.

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machen

Keuschh. 130 (thür., 1. H. 15. Jh.): ein formunde ubir Egipten lant 兩 wart her [Josephe] van derselben sache 兩 die sich also begunde mache. Chron. N¸rnb. 2, 348, 9 (nobd., 1449): do sich der krieg also ie machen wolt [...], do [...]. Welti, Stadtr. Bern 455, 33 (halem., 15. Jh.): [ob] eins vogtes sachen sich also machen, das er selber bitten wurde, inn ledig ze lassen. Chron. Augsb. 1, 318, 17 (schwäb., E. 15. Jh.): da macht es sich, das der Jllsung und Hörlin mit ainander im raut auff stiessen. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 12, 1 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Doch warden im in der tayding vil gueter gelub versprochen, wie sich die sach machet. − Wyss, Limb. Chron. 106, 1; Froning, Alsf. Passionssp. 251; Grossmann, a. a. O. 155, 25; Roth, E. v. Wildenberg 138, 33.

10. ›sich bei einer Rechenoperation aus den Summanden ergeben; sich auf etw. belaufen, mit der Gesamtheit der Summanden oder einer einzigen Vergleichsgröße gleich sein, dieser quantitativ entsprechen, etw. betragen‹; vereinzelt auch von dem Ergebnis eines Zeichenprozesses gesagt (s. u. Dürer). Mendthal, Geom. Culm. 41, 16 (Hs. 2preuß., Anf. 15. Jh.9): Das wer als czu vumfczen molen czwenczyck, machin 300, das wer eyn morgen. Ries, Rechenb. A 5v, 23 (Erfurt 1522): so hastu als dan den halben teyl: sam volgende exmpel erleutern werden. [...] Halb 7892 macht 3946. M. Cunitia. Ur. Prop. 155, 9 (Öls 1650): der umbgang der Sonnen in der Ecliptica, macht 1. Jahr. Rupprich, Dürer 2, 47, 30 (nobd., ): thu awch ein strich von vnden herawff. So macht eß ein krewtz awff dem oberen grünen strich. Memminger Chron. Chr. 5, 22 (Ulm 1660): Siben Pfund hlr. machen just vier Gulden. Rauwolf. Raiß 14, 12 ([Lauingen] 1582): fart biß inn Cypern, (dahin noch in 1300 [meiln] seind / deren 3 ein FrantzËsische leucam oder meiln machen). Henisch 134 (Augsb. 1616): Asper / Ghaspar, ein TÈrckisch oder Griechisch mÈntz / deren 40. ein thaler machen. Roth, E. v. Wildenberg 137, 24 (moobd., v. 1493): des ward auf sein begern ein anschlag gemacht, das macht ein gar grosse summa guldein. Zingerle, Inventare 102, 2, 24 (tir./Voralb., 1425): von erst, also er geschaffen o hat durch seiner seel hail willen [...], macht cxxvi r. gulden. − Ries, a. a. O. F 4r, 7; Rupprich, a. a. O. 2, 208, 742; Memminger Chron. Beschr. 39, 18.

11. ›etw. machen, veranstalten, vornehmen, vollziehen‹; das prototypische logische Objekt bilden Verbalsubstantive mit aktivischer Bedeutung oder semantisch vergleichbare Ausdrücke; bei Übersetzung ins Nhd. ist je nach Objekt zu variieren, z. B. ›etw. aussprechen‹ (von der Acht); ›etw. halten‹ (von der Predigt usw.); teils kann ein Verb angesetzt werden, z. B. lachen /

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jammern / jubeln für gelächter / jamer / jubel machen. − Phras.: viel / vergebene worte machen. − Synt.: feierabend / geklänge / gelächter / geschrei / jamer / jubel / ungebärde / unruhe / zweifel m., einen / den abendtanz / auflauf / kauf, (eine / die) acht / anzeigung / flucht / herfart / hochzeit / kästigung / predige / rechnung / sünung / warnung, ein / das begräbnis / spiel / zerwürfnis m., [sich] gedanken m., jm. einen schlag / ausris m., e. S. (Dat.) einen schein m. ›eine Wahrscheinlichkeit verleihen‹, die geburt so lange m. ›hinziehen‹, unz [...]. Wbg.: macher 6 ›Vollzieher, Austeiler des Sakramentes‹, machung 5. Froning, Alsf. Passionssp. 123 (ohess., 1501 ff.): her schultheys, macht ir den slagk, 兩 do sich eyn iglicher nach richten magk. v. Keller, Amadis 6, 20 (Frankf. 1561): mache ich mir gar keinen zweiffel, es werden deren viel seyn. Bˆhme, Morg.R. 15, 20 (Hs. 2schles., 16129): die bey jhren lebzeiten jhnen die gedancken gemacht / daß sie zuvor jhr leben versorgen / und hernach sich zu GOtt bekehren wolten. Opitz. Poeterey 11, 9 (Breslau 1624): Es wird kein buch / keine hochzeit / kein begrÁbnÈß ohn vns gemacht. Kohler u. a., Bamb. Halsger. 33, 2 (Bamb. 1507): wenn die vorgemelten argkwenigen teyl ein gnugsame anzeygung zu peynlicher frag machen. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 620, 13 (els., 1362): Do noch begunde er dem folke eine v des himelriches. Warlange bredige machen von der froden nock, Pred. Paulis 26, 260 (önalem., 1490/4): Sid nun der bös niesser und der bös macher des sacramentz mit ainer straf sond gestraft werden von gott. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 129, 21 (Straßb. 1466): daz ir werdet [...] begnu´gt in aller einualt: die do wirckt durch vns die machungen [Var. 14752−1518: würckung; Luther 1545, 2. Kor. 9, 11: dancksagung] der gnaden zuo got. Maaler 279v (Zürich 1561): Guto spil Machen / Sich mit einem ergËuchen [...] / fatzen. Andreae. Ber. Nachtmal 80v, 1 ([Augsb.] 1557): jrem furgeben kunden sy dennocht ain schein machen. Chron. Augsb. 7, 492, 35 (schwäb., zu 1563/4): fragten wir den doctor, wenn wir wolten feirabent machen. Ebd. 9, 321, 16 (1536): [Hans Wittig] was warhafftig, macht nit vil vergebne wort. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 162, 23 (oobd., 1349/50): Plinius spricht, daz diu perinne dar naˆch daz geporn flaisch lecke und mach die gepurt soˆ lang, unz si glider gewinne. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 131, 13 (moobd., 1478/81): Künig Conrat macht ain herfart in das land zu Bayren auf den hertzog Ornolden. Ebd. 200, 5: das niemant kainerlaj geschray, gelächter oder jubel machte. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 235, 5883; M¸ller, Nördl. Stadtr. 106, 27; Rupprich, Dürer 1, 151, 64; Hail. AltvÂter 83v, 2; Chron. Augsb. 2, 40, 9; 8, 30, Anm. 2; 9, 59, 33; Spiller, a. a. O. 17, 17; 49, 23; 76, 8; 135, 9; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 323; Piirainen,

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machen

Stadtr. Sillein 41r, 18. − Vgl. ferner s. v. abendtanz, äfern 4, anstalt 3, ausreissen 1.

12. ›etw. (einen Zustand) bewirken, herbeiführen‹; im direkten Objekt stehen Zustandsbezeichnungen (z. B. unglük), vereinzelt auch Verbalsubstantive mit passivischer Bedeutung (z. B. ruf: ›daß j. verrufen ist / wird‹). − Phras.: jm. den garaus machen; jn. zu schanden machen; etw. zu nichts machen. − Synt.: kurzweile / unfrieden / unglük m., recht zu unrecht m., aus eigenem willen eine reputation m., leiden (Subj.) lon / tugend m., jm. mut, einen ruf, eine weiche haut, den tod m.; der machende wille. Quint, Eckharts Trakt. 280, 5 (E. 13./A. 14. Jh.): Ez e sinne ze nemenne an dem willen: der ein ist ein sint zwene zuovallender wille und ein ungewesenter wille, der ander ist ein zuoverhengender willen und machender wille und ein gewenter wille. J. W. von Cube. Hortus 84, 42 (Mainz 1485): Camillen blomen machen dem menschen eyn sanfft weich hüt do mit gebadet. Sermon Thauleri 6ra, 2 (Leipzig 1498): vorbirg dich vor de˜ gesturme außwendiger werck. vn˜ inwendiger gedancken wan sie vnfride mache˜. v. Keller, Ayrer. Dramen 3232, 37 (nobd., um 1600): Wolt doch zu schanden machen nit 兩 Die Junckfraw vnd Ehr alles liedt. Maaler 279v (Zürich 1561): Jm selbs ein muto Machen oder schËppffen. Langen, Myst. Leben 223, 4 (nobd., 1463): leiden machet / vil lones in himelreich, leiden machet / vil tugent an dir. Sappler, H. Kaufringer 20, 24 (schwäb., Hs. 1472): er [vorsprech] kan mit seiner zungen swachen, 兩 das recht zuo ainem unrecht machen. Chron. Augsb. 2, 100, 2 (schwäb., Hs. 16. Jh.): und clagt zu seinen geltern, daß sie im unrecht tun hetten, dann sie hetten im ain ruef gemacht. Ebd. 7, 264, 9 (zu 1552): also daß euch nit weniger weder jemants anderm die eusseriste straff auf dem hals ligen und der garaus darob gemacht und sovil geschaft wirdet. Ebd. 31: daß man [...] den allgemeinen beschwerden verhoffenliche endtschaft machen kann. Ebd. 9, 72 Anm. 1 (o. J.): welche [...] aus aignem willen inen selbs gern ain reputation und anhang erschöpfen und machen. Rot 285 (Augsb. 1571): Abolirn, o o / außleschen / durchthun / durch streichen / zu nicht abtun machen. − Schˆnbach, Adt. Pred. 26, 38; Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 120, 17; Gille u. a., M. Beheim 23, 52; Chron. Augsb. 7, 179, 5; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 312, 17.

13. ›jn. / etw. zu etw. bringen, veranlassen‹; die veranlaßte Handlung bzw. der veranlaßte Vorgang stehen im Infinitiv. − Bdv.: vgl. lassen 2. − Synt.: jn. grausen / schlafen / schwitzen m., das fleisch wachsen, das herz brinnen, die wunde eitern, die geburt leicht kommen m., jm. glauben machen, als [...]; mit zu: [sich] zu schelten m.

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Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 153, 30 (Köln 1619): Von Jesus lieb ich schier verschmacht, 兩 Mein hertz er hefftig brinnen macht. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 72, 1 (Frankf. 1535): Der steyn einer frawen an die mauß gehenckt so sie geberen sol / macht er die geburt leichtlich kommen. v. Keller, Ayrer. Dramen 2205, 7 (Nürnb. 1610/8): Wasser macht weder Tantzen noch springen. Cirurgia H. Brunschwig 20rb, 16 (Straßb. [1497]): soltn habe˜ vngentu˜ fustum / das do mu˜dificieret vnd fleisch macht wachsen. Ebd. 31ra, 26: das puluer [...] machet ouch die wunden fin eytern. Bachmann, Haimonsk. 37, 24 (halem., 1530): By miner tru˘w, vatter, du machst dich zeschälten. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 407, 7 (oobd., 1349/50): wilt duˆ den slaˆfen machen, der in ainer suht ligt, soˆ nim alraunpulver. Spechtler, Mönch v. Salzb. 1, 183 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): mach uns dahin dringen, 兩 da erklingen englische singen. Klein, Oswald 26, 73 (oobd., 1427): Planck und ain schreiber, der was te¨glich truncken, 兩 die machten grausen meinen leib. Moscouia D 39 (Wien 1557): dem machten zway der ansechlichen RÁtte / des Schatzmaister vnnd Jacoben Masur weyber glauben / als hetten sy [...]. − zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 25; Klein, a. a. O. 26, 82.

14. ›bewirken, verursachen, bewerkstelligen, was in einem Objektsatz mit das (Inhaltssatz, oft mit konsekutiver oder finaler Nuance) ausgesagt wird, machen, daß etw. geschieht, ein Zustand eintritt, j. etw. tut‹. Pfefferl, Weigel. Ges. 30, 7 (Hamb. 1646): der glaube machts das das geseze auf vnd angehet. Rueff, Rhein. Ostersp. 216 (rhfrk., M. 15. Jh.): o vergifftige slange, daz [aufschliessen der hymelpart] mecht du, 兩 mit daz der selbe ist mentsche worden. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 168, 21 (rhfrk., um 1435): Als das Grymmyner gehort er machte mit syner künst / das der wechter zü stünt entslieff. Schmidt, Rud. v. Biberach 165, 12 (whalem., 1345/ 60): Dvi salbung des Heiligen Geistes maht, daz der mensche versmacht dvi nidren ding. Maaler 31v (Zürich 1561): Auferwecken / Erheben / Machen das einer aufstadt. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 172 (moobd., A. 15. Jh.): wie er [tewfel] daz mach daz wir den sunden sagk lieb haben vnd die sele versawmen. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 613, 3376; Wyss, Limb. Chron. 106, 6; Tiemann, a. a. O. 151, 34; Opitz. Poeterey 42, 33.

15. ›etw. (unterschiedlicher Art, z. B. Beulen, eine Frucht) hervorbringen, hervorrufen; jn. zum Inbegriff einer ihn bestimmenden Qualität (z. B. zu einem Dieb) machen‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 1534 (preuß., um 1330/40): Abir want der same werde 兩 daˆ nicht vil in guˆte erde, 兩 des machte er ouch keine vrucht. Oorschot, Spee/ Schmidt. Caut. Crim. 257b, 16 (Frankf./M. 1649): Muß man alles daß jenig auß dem Mittel raumen / [...] / damit nicht die Gelegenheit diebe mache. v. Keller, Ayrer.

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machen

Dramen 3006, 18 (Nürnb. 1610/8): Vnd die anreitzung zu der lieb, 兩 Als man sagt, Hurn vnd Buben macht. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 73, 1 (Hagenau 1534): die rÈthe bricht keyn beyn entzwey / machet auch keine beulen. Sappler, H. Kaufringer 14, 530 (schwäb., Hs. 1464): und truckt si vast an seinen leib 兩 und machet aus der magt ain weib. Henisch 194 (Augsb. 1616): Einen weltweisen machet nicht ein langer bart. Roth, E. v. Wildenberg 154, 22 (moobd., v. 1493): so warden dardurch vil witiben und waisen und armer lewto gemacht. − v. Keller, a. a. O. 3006, 16.

16. ›etw. (Bezugsgrößen unterschiedlichster Art) so werden lassen, wie es durch das objektbezogene präd. Attr. charakterisiert wird, bewirken / machen, daß etw. wie wird‹. − Synt.: etw. baufällig / feist / feste / ganz / gering / gros / klar / kräftig / kurz / rein / ruhig / sänfte / schwarz / trüb / unmächtig / weit / zeitig m., z. B. den brief unmächtig, das herz rein / ruhig, die frucht zeitig m., sich etw. (z. B. das leben) sauer m., die suche ›Krankheit‹ sich lang m., jm. etw. (z. B. die rede) bekant m., etw. mit etw. zusammmen m. ›mischen‹. Luther, WA 41, 707, 17 (1536): Et nostra ratio, quae hindert, hinder sich zeucht, ut das gering mach. Grosse, Schwabensp. 134a, 10 (Hs. 2nd./md., um 14109): Man o o sal ouch dicheine burch buwen noch dorfe vestere machen. Ebd. o 236a, 19: de [richter] sulen des pawes gerichte veste machen mit Jreme riechte. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 151, 5 (rhfrk., um 1435): da ginge er vff ein ende / vnd machte sin antlitze swartz far. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 19, 26 (hess., 14. Jh.): wilche ir [suster] die woche vollenbrenget, des samsdages sal siz allez rein machen. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 60, 9 (Frankf. 1535): Augsteyn gstrichen über die blöden augen machen sie klar. Kurz, Waldis. Esopus 2, 18, 23 (Frankf. 1557): Damit macht die dein Leben sawr. Eggers, Psalter 48, 11 (thür., 1378): Dv hast veist gemacht [Froschauer 1530: begeussest ...; Luther 1545, Ps. 23, 5: salbest] in dem oley min houbit. Neumann, Rothe. Keuschh. 5555 (thür., 1. H. 15. Jh.): di lude werden krang 兩 unnd di suche sich machet lang. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 33, 5 (Hs. 2omd., 14659): Der lenze sprach, er erquicket und machte güftig alle frücht; der sumer sprach, er machte zeitig und reif alle frücht. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 230r, 6 (md./ oobd., 1446/8): Wenn du dy wunde der haut hast weiter gemacht, das [...]. Fastnachtsp. 751, 12 (nürnb., 15. Jh.): Mit künsten reicher erznei, 兩 Die künnen mit bewerten sachen 兩 Di langen tutten kürzer machen. Dreckmann, H. Mair. Troja 12, 19 (oschwäb., 1393): nu waz zu den zeiten Troy nit alz groz alz siu her nach gemachet ward. Chron. Augsb. 9, 117, 19 (schwäb., 1544/5): [exempel] wöliche dise beschreibung kräfftig machen. Spechtler,

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Mönch v. Salzb. 46, 14 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): tue mir die warhait jehen, 兩 mach mir die red nur pas bechant! − Beckers, Bauernpr. 57, 28; Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 13a, 10; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 187, 74; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 119, 2. − Vgl. ferner s. v. aberwandel 1, ablas 5, abnemen 13, abschleipfen.

17. ›e. P. (auch: sich selbst) so werden lassen, wie es durch das objektbezogene präd. Attr. charakterisiert wird, bewirken / machen, daß j. wie wird‹; auch: ›jn. wie darstellen, erscheinen lassen‹. − Phras.: sich breit machen; mach lang ›leg dich hin‹. − Bdv.: tun. − Synt. (jeweils mit präd. Attr.): jn. arm / reich / flüchtig / from / frölich / geneigt / gerecht / günstig / irre / minniglich / rein / selig / vogelfrei / gehend / sehend m., ein weib schwanger m., jn. des zweifels frei, aus einer klage los, gegen jm. abhold, von bilden ledig, von etw. abtrüllig, von malazen gesund m., jn. lustig machen, zu [...], jn. jm. abfällig / abhändig / gleich / untertänig m., jn. der stat dingpflichtig m., sich kek / verdächtig / schön m., sich der schulden los m., 2jn. kindisch / manlich / ungeschaffen m9. ›jn. darstellen, erscheinen lassen als [...]‹. Wbg.: machung 6. Schˆpper 19a (Dortm. 1550): Superbire Stoltziren hochtraben sich breit machen prangen. Ebd. 102b: ¶ Captare beneuolentiam Gutwillig gunstig geneigt machen. Helm, H. v. Hesler. Apok. 18702 (nrddt., 14. Jh.): Die lamen machet her geende. Ralegh. America 3, 6 (Frankf. 1599): denn wir machten die arme Soldaten / [...] / mit wenig Wein frËlich. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 12, 10 (Hs. 2omd., 14659): do du am ersten dein löblich weib namest, fandest du sie frum oder machestu sie frum? Sermon Thauleri 4va, 2 (Leipzig 1498): dz man sich enttzihe vnd ledigk mache vonn [...] allen bildenn des vorstants. v. Keller, Ayrer. Dramen 1313, 35 (Nürnb. 1610/8): du, Hertz, magst dich machen keck, 兩 Sie anreden. Vetter, Pred. Taulers 123, 35 (els., E. 14. Jh.): du enpfohest den woren Gottes sun, sinen waren o [...] lichamen und sin heilig weschende reine machende blut. Schmidt, Rud. v. Biberach 170, 23 (whalem., 1345/ i die vns glich machent 60): Daz sint die gotformig wurkvnge, gotte. P‰pke, Marienl. Wernher 7978 (halem., v. 1382): Das in Ihesus e zestunt 兩 Gemacht von malaczen gesunt. Bachmann, Morgant 213, 11 (halem., 1530): man könde den tu˘ffel nu˘t so ungschaffen machen, als sy was. Ders. Haimonsk. 155, 9 (halem., 1530): ich bin nu˘t so kindtsch, wie du mich machst. Maaler 8r (Zürich 1561): Einen von seinem fürnemmen Abtrüllig machen / Von seiner meinung bringen. Ebd. 166r: Die sach hat mich gar vnrÈwig vnd verwirt Gemacht. Ebd. 279r: Die weyber schwanger Machen. Rot 318 (Augsb. 1571): Inflammation. Entzündung / erhitzung / inbrÈnstig machung. Klein, Oswald 13, 31

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machen

(oobd., 1416?): wenn si [Maria] uns an dem jungsten tage machet los 兩 aus manigvaltiklicher klage, michel gross? Ebd. 54, 8 (um 1408?): So schon, sprach des maiers dieren all niden auff der banck, 兩 mach lanck, geselle mein, hab immer danck. − Schˆpper 4a; Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 157, 19; Behrend, Magd. Fragen, Beil. zu 223, 25; Mathesius, Passionale 34r, 17; Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 143, 13; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 169; Bell, G. Hager 88, 2, 7; Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 9, 17; Bachmann, Haimonsk. 140, 24; Lauater. GespÁnste 69v, 9; Wolf, Norm im sp. Ma. 45, 45; Chron. Augsb. 8, 169, Anm. 3; Eis u. a., G. v. Lebenstein 30, 15; Roth, E. v. Wildenberg 16, 16; 22, 22; Grothausmann, Stadtb. Karpfen 114, 16. − Vgl. ferner s. v. abhändig 2, 2acht 2, 1 amen 2, änlich 1, anstreichen 2.

18. ›etw. aufgrund eines Anlasses vereinbaren oder kraft Amtes anordnen, festlegen, bestimmen‹; im einzelnen z. B.: ›(Frieden) schließen‹; ›(einen Bund) schließen‹; ›(einen Rat) ernennen‹; ›(eine Versammlung) einberufen‹; ›(ein Gesetz) beschließen und erlassen‹. − Berichtende Texte, oft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: beschliessen 7, entschichten, kiesen 1, (ver)ordnen, reden, setzen. − Synt.: frieden, einen ausschus / bund / pakt / rat / tag(fried) / vertrag, eine einung / ordnung / satzung, ein selgeräte / testament / verbot m.; machen, das [...] (mehrfach), etw. machen, zu [+ Infinitivsatz]; jm. etw. [einen Betrag als Sold] m. Wbg.: macher 7, machung 7. Wyss, Limb. Chron. 58, 11 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh., Hs. 2. H. 16. Jh.): di gemeine machten einen nuwen rat unde regirten di stat nach irme sinne. Ebd. U 122, 27 (1371): want ich by˙ diser [...] ordinacien dises vurgeschreben testamentis unde o [...] diser vurgeschreben testimenty˙by˙ der kore unde machunge rer unde hantgetruwen gesen unde gehort han alle dise vurgeschreben ding. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 81, 13 (omd., 1487): Auch sollen kinder [...] y¨re eldern vormanen [...] y¨r Testament vnd selegerethe zcu machen. Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 663 (schles. inseldt., 1480): erber lewte haben das alzo gemat vnd entschecht, alzo alz ys ist geschreben worden. Chron. N¸rnb. 2, 246, 5 (nobd., 1449): ob man eines ratz bedürft, daz er den machet. Warnock, Pred. Paulis 6, 24 (önalem., 1490/4): Du bist der, durch den die macher der gesetzten underschaident und bekennent, daz guto und gerecht ist. Fuchs, Murner. Geuchmat 3775 (Basel 1519): Die [bËse wyb] mit dem zunfft meister alle sachen 兩 Vff der matten sollendt machen (es geht um den gouchradt). Kˆbler, Stattr. Fryburg 177, 26 (Basel 1520): So haben wir vß redlichen vrsache˜ vns darzuo bewegende / gemacht vnd geordnet / das die stieffbrÈder [...] /

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das gelassen erb vnd gÈt deß abgestorbnen glichlich miteinandern erben. Schib, H. Stockar 89, 33 (halem., 1520/9): Uff das jar hatt mian gemacht aim burgemm(iaster) 20 웩. Edlib. Chron. 13, 6 (ohalem., um 1500): biss dz [...] der römsch künig dazumal den nüwen bund zwüsschend dem huss under herschaft österrich und den von zürich macht. Maaler 280r (Zürich 1561): Mit einem ein pact oder vertrag Machen. Chron. Augsb. 2, 60, 20 (schwäb., Hs. 16. Jh.): do schickt man ain potschaft gen Landshuet da ward geredt und gemacht, daß die stat solt still sitzen. Ebd. 6, 75, 8 (zu 1537): adj. 16. jenner ist ain erber rath, [...], gesessen, [...] und das (bot) gemacht die gotzen hinweck zethun bis auf [...] weitern beschaidt. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 175, 26 (moobd., 1478/81): Er machte auch dahin, das zwelf ritter dar solten wonen mit iren frawen. Moscouia C ijr, 8 (Wien 1557): durch welche Heyrat die Littn verhofft ainen friden zumachen. Siegel u. a., Salzb. Taid. 27, 39 (smoobd., 1625): wo sich [...] rumor begibt, da soll man mit des pfle¨gers willen 14 tag fridt machen, [...], obs aber auf den tag nit vertragen wurden, weiter ain tag ze machen, damit die sach zu gericht kombt. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 43, 16 (mslow. inseldt., 1497): Mer gemacht vnnd als´o betracht, das ein Jetzlich Kindt nach der tailung fray vnnd ledig is´t Zue las´s´en. Ebd. 45, 10 (1503): Welche machung, der obgemelte Orißlan nit gehalten hat. Darumb eine bes´onder machung vnnd willkür ges´chehen is´t. Chron. Mainz 1, 16, 26; Dat nuwe Boych 435, 16; Chron. Augsb. 9, 146, 14; 234, 9; 238, 15; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 85, 41; 229, 25; Schweiz. Id. 4, 23 f.; Rwb 8, 153 f. − Vgl. ferner s. v. abteidingen 6.

19. ›jn. durch rechtlich befugtes, durch machtpolitisch oder religiös begründetes, auch durch opportunes Handeln zum Träger einer Funktion erheben, machen‹; vereinzelt: ›jn. durch sein Handeln zum Vertreter einer fingierten Größe, z. B. zu einer abgöttin, degradieren, machen‹; mehrfach mit Abwertung der Person, dann: ›jn. zu etw. abwerten, erniedrigen, machen (z. B. zum toren)‹; offen zu 22. − Synt., mit doppeltem Akk.: jn. (einen) advocaten / babst / bischof / genossen / grafen / hauptman / herren / könig / keiser, eine abgöttin / helferin / königin m.; mit zu: jn. zu einem bischof / christen / got / herren / könig / poeten / hauptman, zu ritter, zu einem vater, einem erben, einer mutter, (negativ:) zu affenmäulern / gäuchen / narren / toren, zu einem betriesen / hüneresser m. Anderson u. a., Flugschrr. 12, 3, 22 (Wittenb. 1522): [Aristoteles] macht eynem (hier mit Dat.) vil ehr tzu einem hunner esser / dan Christen. Luther, WA 8, 25, 22 (1521): der glawb macht yhn tzu meynem got. Ebd. 30, 2, 32, 11 (1529): ich wil Hertzog Georgen nicht zum herrn

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machen

haben [...], ehe denn Gott yhn mir zum herrn macht und setzt. Ebd. 52, 420, 12 (1544): Sie werden [...] mit einem schËnen, gleissenden scheyn kummen und euch zuo affenmeulern machen. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 1854 (rib., 1444): Den [Aristotiles] machen ich mynen advocait. Schwartzenbach O iijr (Frankf. 1564): VerfÈren. AbfÈren [...] Einen zu eim Buben machen. Opitz. Poeterey 7, 9 (Breslau 1624): das ich vermeine / man kËnne iemanden durch gewisse regeln vnd gesetze zu einem Poeten machen. Bell, G. Hager 112, 1, 26 (nobd., 1592): abimelech gar balte 兩 machtens zu eim kinig ge wis. Franck, Decl. 352, 26 (Nürnb. 1531): als darumb / das er die leut zu narren macht. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 130, 13 (els., 1362): Dirre Sabestianus waz so wol geminnet von den keysern daz su´ in hettent herre gemaht u´ber daz oberste hofegesinde. Chron. Strassb. 384, 31 (els., A. 15. Jh.): dirre mahte sinen sun [...] keyser zuo Rome. Goldammer, Paracelsus 7, 170, 24 (1530): Daß [...] ein ieder mensch sich selbst zu einem vatter und mutter soll machen. V. Anshelm. Berner Chron. 6, 11, 17 (halem., n. 1530): Maria ein gmeine abgËtin gemacht mit unzelichem dienst, beten, fıˆren. Maaler 279v (Zürich 1561): Einen zum bettrisen Machen. [...]. Einen zum erben Machen. Langmantel, Schiltb. Reiseb. 42, 9 (oobd., n. 1427): der Edigi macht meinenn herren den Czeggra chönig. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 105, 1943; Wyss, Limb. Chron. 26, 16; v. Keller, Amadis 377, 37; ders., Ayrer. Dramen 3015, 26; Williams u. a., a. a. O. 164, 13; Fuchs, Murner. Geuchmat 599; Spechtler, Mönch v. Salzb. 19, 61; Weber, Füetrer. Poyt. 61, 10; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 137, 12; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 190, 29; Roth, E. v. Wildenberg 85, 6; 133, 4; Piirainen, Stadtr. Sillein 35r, 38.

20. ›(jm., einer Einrichtung) etw. übertragen, vermachen, stiften, zuteilen, zukommen lassen (z. B. aus Gründen der Versorgung e. P., der Sicherung des Seelenheiles halber, aus je anderen Gründen)‹; auch: ›jm. etw. übergeben, überreichen‹; offen zu 21. − Gehäuft 2wobd. / oobd.; Rechtsund Wirtschaftstexte9. − Phras.: jm. seinen lon machen ›zukommen lassen‹. − Bdv.: eigen, geben 1, stiften 2, widmen; vgl. ansetzen 10, anstellen 3, auferwecken 3, auslegen 10, benamsen 3, benennen 4, bestellen 10. − Synt.: (jm. / [einer Einrichtung]) den hof, die morgengabe / heimsteuer, das haus / land, [einen Betrag] geldes m., jm. etw. zu morgengabe m.; der gemachte zins. − Wbg. machebrief (a. 1411; dazu bdv.: vgl. machtbrief). Enders, Eberlin 3, 174, 7 ([Eilenberg] 1524): dan kompt der teuffel, vnd treibt vns fur vnd fur durch seine procuratores, biß das wir yhnen hauß vnd hoff vnd allen lust der werlt machen got zu ehren. Peil, Rollenhagen. Froschm.

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488, 7030 (Magdeb. 1608): Gott wird jhm seinen lohn wol machen / 兩 Dem befehlen wir alle sachen. Welti, Stadtr. i Bern 108, 34 (halem., 1311): swenne in vnser stat [...], v o frowen oder man, gelthaft werdent [...], daz die ir gut, [...], ir i wiben oder ir kinden [...] geben old machen nuti mugen. Gagliardi, Dok. Waldmann 2, 244, 19 (halem., 1490): Heiny Schiltknecht, [...], spricht, daz Waldman im vor jaren gemacht hab 2 gulden geltz, ob er vor im abgieng, dagegen er im och gemacht habe, ob er inn überlepte, sinen gulden geltz. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 232, 9 (halem., 1525): Es sige och an etlichen orten söllich erkoft und gemacht o o ewig zins die abzulösen zuglassen. Bischoff, Steir. Landr. 199 (m/soobd., Hs. v. 1425): Man sol ainer frawen ir morgengab machen, daz lechen mit der herren hant, daz aigen mit der erben hant. Staub, Qu. Wien 3, 1, 1735, 2 (moobd., e 1385): Janns von Frowndorf hat gemacht seiner hawsvrown Kathrein zu rechter morgengab furo 64½ phunt wiener phenning sein haws. Hˆr, Urk. St. Veit 215, 36 (moobd., 1434): das wir Michelen dem Taler sÁligen einen ewigen jartag gestifft vnd gemacht haben. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 164, 19 (m/soobd., 15. Jh.): das [-fueter] nimbt icz in der richter zu Pischolfstorf und machet das dem richter gen Harperg. − Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 746, 4; Hˆr, a. a. O. 78, 11; 81, 11; 175, 32; 185, 16; Staub, a. a. O. 3, 2, 2932, 10; Schweiz. Id. 5, 466.

21. ›(eine Einrichtung) in eine Erbschaft einsetzen; jm. etw. letztwillig, testamentarisch vermachen, legieren, übertragen‹. − Wobd. / oobd.; gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken. − Bdv.: eigen, geben 4, ordnen, (ver)schaffen, versetzen, widmen. − Synt. (ohne Akk.obj.:) dem gotteshaus / jm. m.; mit Akk.obj. d. S. und Dat.obj. d. P.: jm. etw. (z. B. die hofstat, den garten, das erbe / haus / gut / herzogtum, Österreich, ein tuch) m. Roder, Stadtr. Villingen 48, 35 (önalem., 1371): das man dehain brief besigeln sol, da ieman dehain ligent guto machet, versetzt, hingit oder verkouft, sover das guto [...] in dem ban ze Vilingen lit. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 313, 9 (halem., 1534/5): WÁr ouch jn testamenten den gotzhüsern o machen wil / mags wol tun. Ebd. 452, 14: daruf schreyb o Murner jn disem coment / jr hand mir gmacht das alltartuch / o / worumm hand jr mir nit gmacht den was sol jch damit tun gulden kelch. Dirr, Münchner Stadtr. 376, 12 (moobd., um 1365): Swer ein erb hat, darzuo mer erben sind dann ainer, der mag bey seinem lebentigen leib daz selb erb ainem erben fÈr den andern nicht geben noch machen. Hˆr, Urk. St. Veit 102, 25 (moobd., 1372): [Wir [...] pfaltzgraff bei Rein] haben dem abbt [...] des gotshaws ze sannd Veit [...] gewidemt, geaigent, geben vnd gemacht, aigen, geben vnd machen mit kraft ditz briefs in vnd irm gotzhaws ewigklich vnnser kirchen. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 129, 18 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Chünig Otakcher veranttwurt, wie im sein hausfraw, fraw Margret, Österreich hiet gemachet. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 40, 8 (moobd., 1478/

1545

macher

81): Als Theodo starb, macht er das hertzogtumb zu Bayren seinem sun Lothario. Winter, Nöst. Weist. 1, 923, 12 (moobd., 2. H. 15. Jh., Hs. 16. Jh.): Wer der ist der seinem weib macht hauß oder weingarten oder ain weib dem man hinwider, der [...]. Ebd. 3, 38, 19 (1489, Hs. 16./17. Jh.): wehr seiner hausfrauen machen will oder ain fraw ihrem mann, so sint si nit mehr pflichtig ze geben den von iedem zwen pfening zu schreiben. − Merz, Urk. Wildegg 49, 7; Auer, Stadtr. München 198, 2; Hˆr, a. a. O. 80, 22; Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 43, 25; 50, 28.

22. ›(den Inhaber eines Amtes, einer Funktion) bestimmen, ernennen; jn. zum Ritter schlagen‹. − Berichtende Texte. − Bdv.: ansetzen 10, anstellen 3, auferwecken 3, auslegen 10, auswälen 1, benennen 4, bestellen 10. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 761, 10 (thür., 1421): Frederich von Sachssen, des nuwen gemachten korfursten unde herzogen erster sson. Brandstetter, Wigoleis 196, 36 (Augsb. 1493): dz der künig einen turnier haben vnd ritter machen wolt. Chron. Augsb. 8, 148, 10 (schwäb., zu 1562): Der papst hat [...] 21 cardinäl creiert und gemacht. Roth, E. v. Wildenberg 83, 23 (moobd., v. 1493): dawider machten die Römer einen babst, was genant Johannes. − Lemmer, Schernb. Frau Jutte 1314; Vorarlb. Wb. 2, 321.

23. ›sich in eine bestimmte Richtung (vom Orientierungspunkt weg oder zu ihm hin) bewegen, sich von einem Ort weg, zu einem Ort hin begeben‹; gewisse Tendenz zu tropischer Verwendung als Synekdoche oder Übertragung. − Gehäuft berichtende Texte. − Phras.: 2mach her! mach für dich9 ›beeil dich‹ (als Ütr. hierher?); mach dich auf / hin verre / über die weite! sich auf die flucht machen; sich auf den weg machen; sich auf die füsse machen; sich gegen land machen ›sich davon machen‹; sich auf die ban, auf den weg, auf den fus machen; sich an der Juden tanz machen. − Bdv.: auftrossen, faren, trossen, wegen; vgl. gehen 6; 7. − Synt. (teils ansatzweise phrasematisiert): sich anweg / fort / von dan / hin dan m. ›sich davon machen‹, sich weiter m. ›sich entfernen‹, sich an die feinde, auf einen berg, aus dem felde, aus dem palast, aus der stat, gegen Litauen / Rom, gegen dem schlos, in das mer, in die spelunke, von dem lande, von der feste, von den leuten, von Litauen, zu pferde, zu jm. m., sich zu den stätten m. ›sich auf die Seite der Städte schlagen‹ (ütr.), in das gebirge m. ›bis in das Gebirge Handel treiben‹, wieder Rom m.

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›ziehen‹; trans.: e. S. (z. B. die kirche) gegen (+ Ortsname) m. ›etw. räumlich verlegen‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 14166 (preuß., um 1330/40): Von der vestin sich herab 兩 machte bruˆdir Conraˆt, Swaˆb 兩 genant. Ebd. 20962: doˆ er naˆch der aˆchte 兩 sich kegn lande machte, 兩 der meistir, bruˆdir Bruˆne, 兩 [...] 兩 sich in strite kegn im wac. Ebd. 22873: nuˆn brudir und zweihundirt man − 兩 mit den er machte sich hin dan 兩 kegn Littouwinlande. Peil, Rollenhagen. Froschm. 5188 (Magdeb. 1608): Blieb den Mittag oder die Nacht / 兩 Vnd denn sich an die Feinde macht. Lappenberg, Fleming. Ged. 67, 6 (1631/ 9): so wolt‘ ich ihm [Sonnet] verzeihen, 兩 Daß es sich untersteht zu machen auf den Fuß 兩 und dir zu bringen an den meinen Ehrengruß. Ebd. 76, 14: je weiter ich mich mach‘, je näher kömst du mir. Reissenberger, Väterb. 19126 (md., Hs. 14. Jh.): Der junger wart sich machen 兩 Uf sine vluht vil balde. Chron. Kˆln 2, 611, 21 (Köln 1499): laist uns anbissen ind dan zo perde machen. Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 154, 13 (rhfrk., um 1435): an dem morgen frü troßeten sye sich vff / vnd machten sie sich vff den weg. Froning, Alsf. Passionssp. 235 (ohess., 1501 ff.): Natyr dicit: O Luciper, du werest der schonen sonnen glancz! 兩 ich wyl mich machen an der Judden dancz. Ebd. 1091: Nu dar, ßo mache dich uff die bann! 兩 so woln mer alle volgen der. Gajek, Köler. May¨en-Lust 63, 10 (Breslau 1642): Alß hat sich auch ein Chor von JÈnglingen vnd Knabe˜ / [...] / Gemacht auff Pindus Berg. Pyritz, Minneburg 5038 (nobd., Hs. um 1400): von den luten mache 兩 Ich dicke mich vor jamerkeit. Chron. N¸rnb. 2, 124, 18 (nobd., 1449/50): daz der adel sich zu den steten macht. Kurz, Murner. Luth. Narr 4278 (Straßb. 1522): Wol vß, wol vß, mach dich hin fer, 兩 Das ich dich sehe nimermer. Bachmann, Haimonsk. 33, 25 (halem., 1530): Also rustend sich die zwen botten und machtend sich gegen dem schloss. Ebd. 244, 14: [Richart] sprach zuo Johans: „"Minn fru˘nd, mach fu˘r dich!“ Maaler 280r (Zürich 1561): Sich auff den wÁg Machen / vnnd schnÁll daruon faren. [...]. Sich auff die fÈß machen / oder fliehen. Chron. Augsb. 7, 227, 7 (schwäb., zu 1550): dann er hat sich mit seinem volck aus dem feld gemacht. Ebd. 9, 317, Anm. 4 (1478): es soll kain maister mer haben denn zwen knecht, [...], er mach in das birg oder nit. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 141, 13 (moobd., 1478/81): Nu ward die wonung zu eng in dem wald, und aber mit erlauben machte sy die kirchen gen Vischpach. Ebd. 178, 30: Als sy [mörderin] sich von dann wolt machen, pot sy dem kaiser ze trincken. Roth, E. v. Wildenberg 15, 10 (moobd., v. 1493): do nun Julius Cesar sich gesamet hete o [...] und begirig was zumachen wider Rom, do [...]. Schottenloher, Flugschrr. 64, 25 (Landsh. um 1523): Mach her, lieber pfaff, mach her frËlich. − Strehlke, a. a. O. 21063; Lemmer, Schernb. Frau Jutte 853; Peil, a. a. O. 6554; Lappenberg, a. a. O. 334, 43; Chron. N¸rnb. 3, 141, 2; 162, 4; Bachmann, a. a. O. 59, 2. − Vgl. ferner s. v. abstrahieren 1, alchen, anweg, bebotschaften, innerhalb 3.

macher, der ; -s/ −; vereinzelt mit Uml.: -ä-.

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macherin − machlon

1. ›Hersteller, Produzent von Produkten des Alltags aus Rohstoffen oder Halbfertigprodukten (im Unterschied zu schepfer; vgl. aber 2 und 3), Handwerker‹; zu machen 2. − Gehäuft oobd. − Bdv.: schepfer, werkman; vgl. antwerkman, handwerker 2. − Wbg.: macherlon (Gw zu lon 1). Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 246 (moobd., A. 15. Jh.): Merkch des ersten, daz got ain scheppher haisset wider die checzer die da sprachen, er we¨r ain macher oder ein werichman vnd nicht ain scheppher. Ebd. 255: Ain engel vnd ain mensche die machen etzwaz aber si schephen nicht, wann ir ytweders wirdet ain werchman oder ain macher gehaissen vnd nicht ain scheppher. Turmair 4, 422, 24 (moobd., 1522/ 33): Poe¨t‘ ist ein kriechisch wort, ist in unser sprach ,schöpfer‘ oder ,macher‘, haist einen, der etwas beschaft und aus nichtig etwas macht. Zingerle, Inventare 192, 1, 11 (vorarlb./ tir., 15. Jh.): ain rogk vnd ain mantel für xii mark [...], mit sneider- vnd macherlon. Bauer, Zist.-Pred. Haller 83, 91 (tir., 1466): das dein kchnecht müg reden mit seinem herren [...] vnd die scheppfhung mit dem scheppfher vnd das werck mit dem macher. − Baptist-Hlawatsch, a. a. O. 202; 209; Pf‰lz. Wb. 4, 1091 f.; Schles. Wb. 2, 831; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232; Schw‰b. Wb. 4, 1367.

2. ›Schöpfer, Creator (von Gott gesagt)‹; zu machen 3. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: schepfer ; vgl. got 1. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 17, 7 (preuß., M. 14. Jh.): wirt der mensche sich neygen zu sinem mecher [Mentel 1466 / Eck 1537: schËpfer] und sine ougen werden sehen zu Israhelis heiligen. Ebd. 45, 9: we im, der do spricht sinem mecher [Luther 1545: Schepffer], daz tobschirben der erden von Samijs. Luther, WA 10, 1, 1, 151, 20 (1522): ßo hatt er [Christus] gewißlich seyn weßen vor und ynn yhm selbs unnd von keynem gemachten ding, auch von keynem mecher. [...]. Daraus schleust der Euangelist, das er [Christus] ein Mitwircker und gleicher Schöpffer aller ding gewesen sey mit dem Vater. Ebd. 12, 586, 7 (1522): so er [Christus] nit gemacht ist, sunder der macher selbs, so muß er got sein. Ebd. 46, 553, 1 (1537/8): Nu sind aber Mecher und Gemechte zweierley. Ebd. 54, 57, 16 (1543): Es sind alle drey unterschiedliche Personen, ein Einiger Mecher eines jglichen wercks, Und ein jglich werck ist aller drey Personen, als eines Einigen Mechers oder Meisters werck. Schmidt, Rud. v. Biberach 1, 7 (whalem., 1345/60): daz dvi vernvnftige natur dar vmbe i verstan vnd minnen. geschaffen ist, daz si iren macher muge Spechtler, Mönch v. Salzb. 27, 1 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Kunig Christe, macher aller ding, 兩 du hast erledigt mit guetem geling 兩 den menschen aus der helle qual.

3. ›Bewirker, Verursachender, Anstifter von etw.‹ (von positiv und von negativ Bewertetem gesagt); vgl. machen 11; 12. − Wbg.: macherin.

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Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 10030 (rhfrk., um 1405): Die handt ist eine streckerynne 兩 Der vorhenge und eine macherynne (hier: ›Betrügerin‹): 兩 Sij machet den dÈchern vorhenge fin. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 2, 197, 3 (Frankf. 1602): Der teuffel, alles unheils macher, 兩 Verligt kein stunden ader aur. Schmidt, Rud. v. Biberach 78, 27 (whalem., 1345/60): ein ieklicher, der vereind ist mit gotte, [...] wirt gescheiden von allen dingen [...] vnd wirt i i vureint verstentlich mit vureinung der minne, dvi ein macherin ist gewerer bekantnissi dem vnbekanten gotte mit einer bekennung. Drescher, Hartlieb. Caes. 295, 13 (moobd., 1456/67): was Gott, der aller wunder ain macher ist, gethan o hab wunders in dem lufft.

4.; 5.; 6.; 7., s. machen 5; 6d; 11; 18. macherin, s. macher 3. macherlon, s. macher 1. machete, s. machen 1. machlich, s. machen 3. mächlich, mach, letzteres nur in 1 Beleg; Adj.; s. auch mählich. ›gemächlich, langsam‹. − Bdv.: langsam 1, machsam; vgl. gemach, gemachsam, getelle. Luther, WA 36, 683, 32 (1533): [die pestlentz] hebt an und bleset meilich. Ebd. 47, 317, 38 (1537): so mus man ihnen [strick] entweder mehlig und seuberlich auffllËsen oder unzerhauen lassen. Follan, Ortolf. Arzneib. 65, 8 (rib., 1398): Beceert auer sich dat mensche, alzo dat [...] de adere samfte vnde mechliche sleit, dat is eyn gud teken. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 12086 (rhfrk., um 1405): FÈße von blye die mechelich gan sollen. Ebd. 13551: Han ich wol nit sere gejaget 兩 Und bin mechelich kommen. Kurz, Murner. Luth. Narr 590 (Straßb. 1522): Ach liebster vetter, liebster, mach 兩 So du nit wilt ie lassen nach. Schmitt, Ordo rerum 460, 32 (oobd., 15. Jh.): Lentus melich mächleich machsam [...] langsam.

machlon, der / das; Bw auch mache-. ›Lohn für die Herstellung eines Alltagsgegenstandes‹; zu machen 2. Ziesemer, Gr. Ämterb. 711, 4 (preuß., 1416): dorczu synt komen 60 nobelen czu vorgËlden, das machelon schreibe ich nicht. Chron. Magdeb. 2, 101, 15 (nrddt., Hs. E. 16. Jh.): 12 C kupfer zu einer Büchsen und machlohn sampt allem deme, was sie koste. Ebd. 234, 40 (1505, Hs. E. 16./ A. 17. Jh.): die gulden kethen, darmit der Brautigam die braut beehret [...], soll uber vierzig Reinischer gulden mit dem machlon nicht werdt sein. Lippert, UB Lübben 2, 287b, 26 (osächs., 1572): 10 g. Hans Tischer von beyden thüren machlon. Kˆbler, Ref. Nürnberg 143, 11 (Nürnb. 1484): so aber Jrrung fÈruielen mancherlay machlon vnd arbeit halben allerlay hanntwercke berÈrende. Loose, Tuchers Haushaltb. 100, 27 (nürnb., 1513): beczalt per Anthoni

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machman − macht

mein sun dem Purckel schneider fur machlun von meiner czamlotten hußecken 3 ort. − Lippert, a. a. O. 2, 216b, 17; Chron. N¸rnb. 4, 406, 19; Welti, Stadtr. Bern 442, 31; Rechn. Kronstadt 1, 507, 34; 525, 17; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232.

machman, s. machen 1. machmet, Name, auch als Interj. gebraucht; relativ hohe Schreibvarianz (auch in den Wortbildungen): mah(o)-, mach(o)-. der Name Mohamed. − Wbg.: machmetisch, machmetist, mahometer. − Alle Bildungen nur vereinzelt neutral, meist abwertend in Verbindung mit glaube 5; 6, greuel 1 bzw. mit heide, jude 1, türke, tartar gebraucht und dann die Abweichung vom christlichen Glauben sowie (seltener) die innerchristliche Abspaltung von der als wahr vorausgesetzten eigenen Lehre bezeichnend. Luther, WA 54, 477, 14 (1548): BÈcher, von den vnsern geschrieben wider das Mahometisch vnd nu TÈrckisch Reich. Klett, J. v. Soest 8, 803 (Hs. 2wmd., 1470/809): ’mort, helffe jo‘! durch jamerschrey, 兩 dy heyden schrawen ,Machemet‘. Gropper. Gegenw. 17v, 999 (Köln 1556): wie vormals / [...] / der Ketzer Nestorius gethan hat / Vß dem folgendts der Machumetisch vn˜ Türkisch greüwel entstanden ist. Alberus O ri (Frankf. 1540): Saraceni [...] haben wËllen Abrahams kinnder sein / [...] seind Mahometer / tÈrkisch / vnd Belials knder. Mathesius, Passionale 35v, 19 (Leipzig 1587): eine gewisse RÈstung vnd Gewehr / wider allerley AbgËtterey vnd Grewel der JÈden / Mahometisten / vnd andern Vnchristen. Mayer, Folz. Meisterl. 75, 1 (nobd., 1517/ 8): Schem dich jüd, heid, türck, machmetist 兩 Der dw gelaübest nicht 兩 Das Got ye was, wirt sein und ist. Ebd. 105: Dar umb jud, heid, türck, machmetist, 兩 [...] 兩 Wert doch dürch war beyspil gelert. Sachs 20, 322, 2 (Nürnb. 1563): Zwo grobe unverschämte lügen auß dem machometischen alcoran. Ders. 23, 111, 14 (1557): Weil den wein pey uns drincken nit 兩 Die düerckischen Machometisten. Sudhoff, Paracelsus 9, 401, 3 (1531/5): vor dem werdent zergon die abgötteri, die Amalucken, die Machametisch sect und der glichen al sonder glouben der menschen. Bachmann, Morgant 214, 17 (halem., 1530): Die pattronnen und fuorlutv ruofftend Machmet an. Chron. Augsb. 8, 74, 14 (schwäb., zu 1560): wie wunderbarlich gott [...] den abgöttischen könig in Mauretanien [...] von dem machometischen greuel zum christenlichen glauben bekert hat. Rauwolf. Raiß 28, 15 ([Lauingen] 1582): dieweil die Türcken / Moren / Arabes Etc. nach jrem Machometischen gesetz offt baden / sich von jhren [...] sünden / [...] zuo rainigen. − Mathesius, a. a. O. 51r, 18; Mayer, a. a. O. 21, 121; V. Anshelm. Berner Chron. 2, 179, 24.

machmetisch, machmetist, s. machmet.

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mächnis, das; −/ auch -π. 1. ›Geschöpf (Gottes)‹; zu machen 3. − Bdv.: entwerfnis, gebilde 2; vgl.: geschöpf 2. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 5972 (rib., 1444): Du bist Gods untwerpenisse 兩 Ind syn gebilde ind mechenisse.

2. ›Verfügung; Vermächtnis‹; vgl. machen 20; 21. − Bdv.: vgl. aufreichung, bescheidung 6, gabe 3, geschäft 8, gelas 3, las 3, legat, testament, vergebung, vermächt. UB Zug 1354, 8, 2 (halem., 1483): daz alle überträge, quitanzen, gab, ordnung und mechniß, wie [...] geben und geordnet sindt, [...] vollzogen werden. Welti, Urk. Rheinfelden 367, 140, 6 (halem., 1469): aller ansprach, so der genant Heynrich [...] hat vmb wilent her Hansen Truchseßen, tutschsherren, sins vatter seligen, gabung vnd mechnusse.

macho-, s. machmet. machsam, Adj. ›gemächlich, langsam‹. − Beleg s. v. mächlich. machscheit, s. machen 2. machsel, das. ›Produkt handwerklicher Tätigkeit; Form; Beschaffenheit eines solchen Produktes‹; vgl. machen 2. − Bdv.: werk; vgl. antwerk 4, arbeit 7. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 287, 35 (preuß., 1416): Vortmer sullen die gesworne der ampte ein iczlicher czu seines gewerckis machsil sehen und fleis haben, das kein werk falsch gemachet [...] werde. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 1881 (rib., 1444): [As] den potmecher sijn pot 兩 Wilt straiffen ind haven zo spot 兩 Ind sijn machsel hesslich oeversagen 兩 Ind in yme selver van syme machen beclagen. Ebd. 4097: Want id [pantzier] is van sulche¯ machsel ind prijse 兩 Dat eme alle andere wapen neit eyne lijse 兩 Noch eyne male mochten krencken.

macht, die; -π, im Dat. vereinzelt mächte/ −. Zur Gliederung des Bedeutungsspektrums: 1 bis 3 auf Übernatürliches (Gott, die Natur, tropisch Anschließbares) bezogen; 4 bis 8 auf soziale und rechtliche, 9 bis 12 auf persönlich geprägte Verhältnisse bezogen; 13 an verschiedene Ansätze anschließbar; unter 14 einige Belege für besonderen stilistischen Wortgebrauch. − Reichhaltige Kompositenstrecke im Rwb 8, 1540 ff. − Vgl. generell gewalt (der). 1. ›als groß, überwältigend vorausgesetzte, menschlicher Einflußnahme nicht

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macht

unterworfene Macht, Allmacht Gottes (speziell des Vaters, des Sohnes), selten auch Macht des Teufels und des Todes, sowie einer mit Gott in Verbindung gebrachten Größe (z. B. der liebe, des himmels)‹; als Äußerung und Beweis der Macht Gottes erscheint mehrfach die Schöpfung sowie der Erlösungstod Christi, damit die göttliche gnade; der Machtvollzug wird teils in Kategorien menschlicher Herrschaft dargestellt. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: gewalt (der) 1, herlichkeit 8, kraft; vgl. almacht 1, almächtigkeit 1, gemeinheit 2, gewaltsamkeit 1, gezwang 6, grosmächtigkeit 2, mächtigkeit 1, magenkraft, majestat 1, manskraft, stärke 4; 5. − Synt.: die gnade, der tod m. haben, die m. (gottes) empfinden, Christus seine m. erweisen, got seine m. in die sele würken, der himmel seine m. in die erde drücken; Christus macht sein; die m. (des sones) [wo] wirken, des todes m. die edlen fällen, jn. vergebens hoffen lassen; jn. (den tod) der m. berauben, etw. (das feuer der liebe) einer grossen m. sein, aller m. volkommenlich herschen; aus m. den zorn (gottes) absünen, durch gottes m. der gebresten entledigt werden, alles in gottes m. stehen, mit m. kommen, den himmel brechen, der satan sich mit m. wieder etw. legen, jn. mit m. erlösen; die m. gottes (vielfach) / des todes, satans; die m. in der väterlichkeit; die almächtige / ganze / geistende / götliche (vielfach) / grosse / lebendige m.; der anfang, das ende der m. − Wbg.: machtheit (a. 1532). Luther, WA 22, 32, 20 (1544): so hette es der Teufel mit seiner macht bald umb gekeret. Quint, Eckharts Pred. 1, 386, 8 (E. 13./A. 14. Jh.): der himel envlieze in sie [erde] und endrücke sıˆne maht in sie und enmache sie vruhtbære. Froning, Alsf. Passionssp. 7046 (ohess., 1501 ff.): die mynen wyllen hon volnbracht, 兩 die wel ich erloßen myt macht! Jostes, Eckhart 31, 5 (14. Jh.): Christus der ist gotlich macht und gotlich weisheit. In dir macht hat got alle dinckgeschaffen, wan sein wisheit di ist da und sein macht. Strauch, Par. anime int. 134, 24 (thür., 14. Jh.): sie [gnade] hait auch macht di allir groisten werc zu wirkine. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 7, 29 (osächs., 1343): Wan her [Jheˆsus] was si leˆrinde alse macht habinde [Lang 1521 / Emser 1527 / Eck 1537: der da gewalt hat o. ä.; Luther 1530 f.: gewaltig] und nicht alse ire scrıˆbeˆre und ire Phariseˆi. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 14, 27 (Hs. 2omd., 14659): Als wenig du [Tod] kanst der sunnen ir licht, [...] benemen, als wenig magstu uns unser macht berauben. Bˆhme,

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Morg.R. 16, 25 (Hs. 2schles., 16129): hat der Sathan / [...] / nicht nachgelassen / sich mit gantzer macht darwieder zu legen. Ebd. 144, 5: Wer hat des Pabsts geld-sucht / abgËtterey / [...] aus der Kirchen gefÁget? ein armer verachteter MÈnch. Durch was macht oder krafft? durch die Macht GOTTES des Vaters. Opitz. Poeterey 52, 10 (Breslau 1624): des todes macht 兩 Lest sie gantz vergebens hoffen. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 84 (Nürnb. 1517): das auch sein [des suns gots] macht würkt in gesuntmachung und fürenthaltung. Ebd. 149: das feur der lieb Christi ist so einer grosen macht, das auch [...] die himel als der rauch davon zergin. Eschenloher. Medicus 54, 23 (Augsb. 1678): ist solches [Kind] durch dessen [GOttes] Krafft vnd Macht von erstgenanten dreyen Gepresten vnd Anligen erlediget worden. Klein, Oswald 2, 36 (oobd., 1421): das tüt gots herschafft gross und lanck, 兩 sein macht gewan nie end noch anefangk. Piirainen, Stadtr. Sillein 56r, 1 (sslow. inseldt., 1378): Got der do ist angyn vnd ende aller der macht. − Quint, a. a. O. 1, 300, 5; 2, 321, 5; Luther, WA 31, 1, 143, 24; 35, 451, 11; Gropper. Gegenw. 19r, 834; Jostes, a. a. O. 88, 1; Bechstein, a. a. O. Lk. 21, 27; Roloff, Brant. Tsp. 1620; Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 28, 20; Wyss, Luz. Ostersp. 7466; Klein, a. a. O. 111, 20; Schweiz. Id. 4, 66. − Vgl. ferner s. v. 1acht 7, armleute 2, 1befel 1.

2. steht tropisch für schleier, decke 1; 2 als Zeichen für die Stellung e. P. (der Frau) im religiösen Ordnungsgefüge; an 1 und 6 anschließbar. − Bdv.: bedeckung 1, bedeksel, decke 2, schleier. Luther. Hl. Schrifft. 1. Kor. 11, 10 (Wittenb. 1545): der Man ist nicht geschaffen vmb des weibes willen / sondern das Weib vmb des mannes willen. Darumb sol das weib eine Macht [Mentel 1466: bedecksal; 1483−1518: bedeckung; Emser 1527: Schleyer] auff dem Heubt haben. [Marg.: (Macht) Das ist der Schleier oder decke / dabey man mercke / das sie vnter des Mannes macht sey]. [...]. RJchtet bey euch selbs / Obs wol stehet / das ein weib vnbedecket fur Gott bete. [...]. Das har ist jr zur decke gegeben.

3. ›Macht, Gewalt, zwingende Kraft der Natur oder einer natürlichen Bezugsgröße (z. B. der Sonne, des Feuers, eines Pulvers)‹. − Bdv.: vgl. gewalt (der) 2. − Wbg.: mächtigkeit 2 (bezogen auf einen Stern). Ingen, Zesen. Ros. 114, 10 (Hamb. 1646): so benahm doch dieses geflochtene gehÁkke [staudenÚwerk] dem falle die macht. Quint, Eckharts Pred. 2, 64, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): daˆ diu natuˆre wirt gewendet oder gehindert, daz si niht volle maht enhaˆt in irm werke, daˆ wirt ein vrouwe. Oorschot, Spee. Trvtz-N. 56, 17 (wmd., 1634): Ach Sonn dich heb mitt machten, 兩 Zum Grab nun herwartz leucht. v. Tscharner, Md. Marco Polo 21, 15 (osächs., 2. H. 14. Jh.): das hus ist also gemacht das des ungewittirs macht ym nicht geschadin mak. Lemmer, Brant. Narrensch. 58,

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macht

21 (Basel 1494): brennt das syn [huß] jn alle macht 兩 Der hat vff syn nutz wenig acht. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 362, 22 (oobd., 1349/50): ez [pulver] haˆt die maht, daz ez anderr wolsmeckender ding gewalt widerdruckt. Niewˆhner, Teichner 345, 38 (Hs. 2moobd., 1360/ 709): wenn ich an daz wort gedench, 兩 so ruch ich waz iemen sait 兩 von der stern maechtichait. Klein, Oswald 117, 27 (oobd., n. 1438): Der fünft die unkeusch hoch betracht 兩 und pligt derselben tag und nacht, 兩 so in die macht des weines hat betretten.

4. ›Recht, Befugnis, Erlaubnis, Möglichkeit, Freiheit, etw. zu tun oder zu unterlassen‹. − Gewisse Beleghäufung für Rechtsund Wirtschaftstexte. − Bdv.: erlaub, erlaubnis, fug, gerechtigkeit 3, gerechtsame, gewalt 10, gewonheit, privileg, recht. − Synt.: m. haben, zu [...] (häufig), jm. m. geben, m. über etw. / jn. haben, e. S. (Gen.) nicht m. haben, des m. haben, das [...]; in js. m. stehen, zu [...]. − Wbg.: machten ›sich prahlerisch, großtuerisch verhalten‹ (1. V. 16. Jh.; bdv.: prachten 2). Toeppen, Ständetage Preußen 1, 103, 23 (preuß., um 1504): Entrichtunge der altbüsir. Das sy haben andirs keyne macht ire schu czu machen [...] wenne von aldin ledir. Luther, WA 32, 118, 24 (1523): das gesetz Mose, da der man macht hatte eyn weyb von sich zu stossen, wenn [...]. Ebd. 32, 53, 21 (1530): Ein hausvater sol des macht haben, das er sein gesind heute also, morgen anders speise. Chron. Magdeb. 2, 157, 4 (nrddt., Hs. 1601): das eins Tuechmachers Weib [...], das Sacrament in beider gestalt von ihm begehrt hette, darauf er ihr hette geantwortet, er hetts nicht macht. Stambaugh, Friederich. Saufft. 27, 8 (Frankf./O. 1557): meinst du / du habest macht gehabt / mit dem / das ich dir ubergeben hab / zu handlen / wie du gewolt hast? Weingart u. a., Seelb. Rhodt 339, 25 (pfälz., 1573): das die kürchengeschwornen gut fug und macht haben sollen das verlegt underpfandt mit dem gericht zu Rod anzugreiffen. Kˆbler, Ref. Wormbs 267, 5 (Worms 1499): in crafft eins pacts oder gedinge darinn ime macht vnd erlaub gebben wirdet so nit bezalung geschehe das pfandt in oder anzune˜men mit eigenem gewalt. Froning, Alsf. Passionssp. 3060 (ohess., 1501 ff.): in mym huß solt ir [Jhesus] macht haben, 兩 was er behubet yn dissen tagen! Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 298b, 12 (Frankf./M. 1649): Dieweil vns erlaubt / einen eine stund lang zu foltern / so haben wir ja auch Macht / [...] / solche stunde in etliche StÈcke zu theilen. K¸ther, UB Frauensee 275, 40 (thür., 1495): Wan auch eyn fischer den sehe vormechte, [...], sollenn dy gedachtenn lyge [...] die macht habenn, dennselbenn uffzubrechen. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 59, 28 (schles., 1538): dass sie der eisenschlagken und eisensteines alda zur stelle [...] aufzuarbeiten [...] macht haben sollen. Kˆbler, Stattr. Fryburg 96, 30 (Basel 1520): dan˜ es stat nit in des kouffers macht o Dict. Germ.-Gall.-Lat. 312, 28 (Genf abzustan.

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1636): Macht / daß einer etwas thun darff. Ebd. 32: Macht geben / Gestatten / Erlaubniß geben. Brandstetter, Wigoleis 235, 3 (Augsb. 1493): darumb hat ein yegklicher der soliches weyßt zuo besseren. macht vnd gewalt die worte zuo verenderen. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 5322, 11 (moobd., 1489): wie er sein haus, darinn er wer, vormaln seiner hausfrauen Reginen geschafft, des er nicht macht gehabt hiete. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 82, 43 (m/soobd., 1482, Hs. 16. Jh.): alß dann haben dieselben geipecken oder pöckin macht ihr brodt auch zu verkaufen. − Luther, WA 30, 3, 210, 16; Kˆbler, Ref. Wormbs 39, 26; ders., Stattr. Fryburg 103, 10; Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 27, 2; v. Keller, Ayrer. Dramen 1621, 11; Schweiz. Id. 4, 66. − Vgl. ferner s. v. auszapfen 1, 1alt 4.

5. ›in der Regel große, vor allem militärische Macht, Stärke einer Herrschaftsorganisation‹; speziell (dicht belegt:) ›Heeresmacht, Truppe, Kriegsvolk, Streitmacht‹; vereinzelt auch: ›Herrschaft‹ sowie ›Prunk, Reichtum als Machtdemonstration‹. − Bdv.: vgl. armee, 1harst, haufen (der) 4, her 1, 2 herfart 3, herschild 3, herzug 2. − Synt.: eine m. haben / vernemen, seine m. verlieren, js. m. erfinden / stärken / schwächen; js. m. (Subj.) obsiegen; der macht gewont [sein]; an der m. einem here ungleich sehen, mit m. ausziehen, ein schlos, eine stat gewinnen, auf jn. ziehen, über jn. fallen, in jn. (z. B. in die türken) sprengen, zu jm. kommen, [wohin] einfallen / rücken / ziehen, sich mit einer m. [woher] erheben; die ganze / grosse / kleine m.; die m. Xerxis, des königs / volkes, der mäuse / feinde, des dritteiles des erdreiches. Allg. Schau-B˚hne 41, 38 (Frankf. 1699): wie ehrgeitzigen Hohen Leuten / die grosser AutoritÁt und Macht gewohnt / der tieffe Respect eines grossen Volcks [...] lieber / als das Leben selbsten ist. v. Tscharner, Md. Marco Polo 39, 27 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Von richtum und macht des kunigis der provincien Mangi. Neubauer, Kriegsb. Seldeneck 106, 21 (nobd., 2. H. 15. Jh.): so schaff [...] die feind zu besehenn; dodurch man jre macht, auch jre geschick vnd ordenung, [...] mog herfinden. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 605, 23 (nobd., um 1525): darnach ist marggrave Casimir mit magt außzogen, seine pauren zu castigiren. Trunz, Meyfart. Rhet. 1, 11, 16 (Coburg 1634): Kriegsvolck / welches an der Macht dem Spanischen Heer gar vngleich sahe. Chron. Strassb. 59, 8 (els., 1362): do kunig Adolf vernam die maht die der hertzoge hette, do getorst er nüt zÈ velde bliben. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 258, 6 ([Augsb.] 1548): die grosse macht Xerxis [...] / die da ware mit der aller gewaltigisten rüstung / von Roß / Mann / und Pferden. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 39, 6 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Daselbs kam zu im hertzog Karl

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macht

von Burgundi mit grosser macht und kosperkait. Ebd. 99, 15: der hawbman [...] sprengt mit ainer klaynen macht trostlich in die Turckhen. Moscouia C iiiv, 22 (Wien 1557): so seind weder Litten noch Moscouiter datzumal der schicklichthait gewest / SchlËsser vnd Stet mit macht zugewinnen. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 678, 5380; Ralegh. America 14, 40; Allg. Schau-B˚hne 47, 53; v. Birken. Erzh. Österreich 73, 48; Bachmann, Morgant 287, 16; Lauater. GespÁnste 19v, 14; Dreckmann, H. Mair. Troja 46, 8; Morrall, Mandev. Reiseb. 5, 16; Chron. Augsb. 2, 44, 8; Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, 2654, 6; Grossmann, a. a. O. 200, 27. − Vgl. ferner s. v. abfechten 3.

6. ›herrscherliche, konstitutionelle Machtbefugnis über eine weltliche Herrschaftsorganisation oder über ein dieser analog gedachtes geistliches System‹; als Metonymie hier anschließbar: ›Herrschaftsraum‹. − Bdv.: 1gebiet 1, gewalt 5; 6, recht, regiment. − Synt.: die m. haben, m. haben, zu [...], e. S. (Gen.) m. haben; jn. in seine m. setzen, in js. m. stehen, zu [...], sich in einer mächte in eren halten, das [...] ›so daß‹, mit einer m. [etw. tun], jn. mit m. in die aberacht tun, sich jm. (dem keiser) von der m. nicht ungemässe halten, etw. von keiserlicher m. abnemen ›herleiten‹; die m. des bannes (gen. objectivus), des babstes / grundherren (gen. subjectivus); die fürstliche / keiserliche / königliche / volkommene m. Wbg.: machtfrei ›frei von einer übergeordneten Macht‹ (a. 1456), machtung (um 1500), machtvolkommenheit, machtschild ›Brustschild‹ (im Beleg: Aarons, s. u. Luther, Hl. Schrifft), machtspruch (s. dazu zusätzlich: Rwb 8, 1560). Luther, WA 30, 2, 451, 17 (1530): weil sie gegleübt haben, Es sey Recht gewesen vnd der Bapsts habs macht. Ebd. 36, 67, 26 (1532): Das man die gedancken von weltlicher Macht [...] fallen lasse. Ders. Hl. Schrifft. Sir. 45, 13 (Wittenb. 1545): den heiligen Rock mit golde / [...] gestickt. Das Machtschiltlin [Froschauer 1530 / Dietenberger 1534: brustlatz] auf der brust / [...] / mit den edlen Steinen / darinn die Namen der zwelff stemme Jsrael gegraben. Chron. Kˆln 2, 133, 21 (rib., 15. Jh.): der rait inhadde gein macht vur dem vullenambocht, dat ambocht hadde die macht ind de gewalt binnen Collen. Koller, Reichsreg. Albr. II. 28, 3 (1438/9): mit zeitigen, wolbedachten rate, rechter wissen und Romischer, kuniglicher machtvolkomenheit. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 238b, 37 (Frankf./M. 1649): wo lag dann dero Zeit diese Regul vnd machtsprÈch verborgen / daß GOtt nicht zugeben wÈrde / daß auch vnschuldige in einem solchen Wetter mit getroffen werden solten? Beyer, UB Erfurt 794, 37 (thür., 1398): dorumb

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haben wir sy von Romischer kuniglicher machte in unser und des heyligen Reichs aberachte getan. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 55, 1 (Hs. 2moobd., 3. V. 15. Jh.9): In swelcher mechte sich ein man in eren hat, 兩 daz prislich stat 兩 der stab, der amtes walte. Dinklage, Frk. Bauernweist. 48, 37 (nobd., 1465): wan eins reichs schultheis nit inheimisch oder gegenwertig kunt sein, so solle er doch alle sein macht einem schopfen bevelen. Franck, Klagbr. 231, 25 (2wohl Nürnb.9 1529): Wann der Babst (sprechen sy) mit seiner indulgentz ein seel [...] mag auß dem fegfeur herauß fÈren / so kan er eben mit diser macht recht vnd gewalt vil heraußzihen. Rennefahrt, Stadtr. Bern 190, 28 (halem., 1365): und haben in darumb die gnad getan und tÈn auch mit keiserlih maht, [...], daz [...]. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 131, 19 ([Augsb.] 1548): Die Herren haben deß macht / das recht ist. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 22, 15 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): und dar gienng darnach gross macht [hier ›verletzende Gewalt‹], rawb und pranndt aus dem pundt in dem lannd Steyr. Rintelen, B. Walther 31, 14 (moobd., 1552/8): Es stehet in des Grundherren Macht nit, dem Vogtherren ein Erbvogtey aufzukünden. Moscouia B 3 (Wien 1557): desselben Großfursten macht vnd gepiet sich verr in die leng vnd weit erstreck. − Kˆbler, Ref. Nürnberg 155, 4; v. Birken. Erzh. Österreich 79, 46; Vock, Urk. Hochst. Augsb. 208, 6; Chron. Augsb. 1, 168, 11; Grossmann, a. a. O. 205, 44; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 63, 28; Rwb 8, 1541; 1550; Jelinek 482. − Vgl. ferner s. v. abhören 3, afterding, anforderung 4.

7. ›Vollmacht, jm. übertragene Ermächtigung, an js. Stelle im anzunehmenden Sinne des Erteilers der Vollmacht zu handeln‹; als Metonymie: ›Dokument mit der Vollmacht‹ sowie: ›Inhalt der Vollmacht‹ (dies vereinzelt). − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: ganze / volkommene macht. − Bdv.: gewalt (der) 7, muge; vgl. 1anwalt 1, anwaltschaft, befelung 3, 1bewerung 6, commission 1; 2, geschäftbrief 1, geschäftnisbrief, gottesrecht 3, günnungsbrief, plenipotenz. − Synt.: m. haben, das [...] / zu [...], eine (volle) m. bringen, jm. (volle) m. geben, e. S. (Gen.) nicht m. haben, die m. mit der klage einbringen; jn. mit js. (z. B. des herren) m. laden, jn. mit (voller) m. [wohin] senden, [wie] fertigen; die m. des sends / herren; die aufgetragene / beweisliche / schriftliche, triftige / volle m. Wbg.: machte ›Bevollmächtigter‹, machtgeber ›Erteiler einer Vollmacht‹ (a. 1467 ff.), machthaber (a. 1553; bdv.: machtbote), machtman (Pl.: machtleute). Toeppen, Ständetage Preußen 1, 553, 3 (preuß., 1432): so wellen sie czwene kyszen und wellen sie von en allen mit foller macht uff einen tag senden. Helbig, Qu. Wirtsch. 4,

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macht

36, 3 (md., 1583): weil er wegen leibesschwachheit nicht zur stellen komen, als hatt er ihme als seinem Machtmann oder Factori solchen zu renoviren aufgetragen. Koeniger, Sendgerichte 217, 31 (mosfrk., 15. Jh.): Ich gebieden hude zu tage desem hilgen seend ban und freden [...], und von aller der wegen, dye recht darzu haint und des hilgen seends muge und maicht haynt, das niemans des anderen stull besitz. Behrend, Magd. Fragen 34, 35 (omd., um 1400): Dy ander ratmanne unde burger gemeynlich sullen deme burgermeister [...] volle macht gebin. Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 209, 4 (osächs., 1548): des Hans Thauten weib, di hot eine schriftliche volle macht gebracht. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 172, 10 (schles., 1390): Nu ys m‘ czu wissen wordin, daz daz gelt gespereht zey bey ewerin genadin vnd der hat daz nicht macht. Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 630 (schles. inseldt., 1479): wir czewgen, [...], wy¨ er y¨n geladen hot mit des herren macht czwe mol. Dinklage, Frk. Bauernweist. 15, 23 (rhfrk., 1541): So hette eyne grave von Hanaüwe oder sine machte eynen czentgreffen und eynen buttel zü setzen und zü entsetzen. Bastian u. a., Regensb. UB 409, 19 (oobd., 1373): und haben [...] im unsere gancze und volkomene macht geben, mit denselben juden zu tÈen und zu teydingen von unsern wegen. − Toeppen, a. a. O. 1, 549, 1; Schade, Sat. u. Pasqu. 1, 142, 589; V. Anshelm. Berner Chron. 5, 258, 13; Rwb 8, 1542; 1549; Pf‰lz. Wb. 4, 1093; Schw‰b. Wb. 4, 1368.

8. ›Rechtsgültigkeit, Rechtskraft (eines Dokumentes, eines Rechtsgeschäftes)‹; eng an 6 anschließbar. − Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken. − Phras.: in / mit macht ›kraft‹ des briefes. − Bdv.: kraft; vgl. befestenung 4, befestigung 7, confirmierung, stätigkeit 4. − Synt.: e. S. (z. B. dem abspruch) m. geben, etw. m. haben; etw. (z. B. ein testament) bei m. halten, etw. (z. B. sicherheit / würde) in mächten bleiben. Wbg.: mächtliches (Kasusadv.) ›rechtsgültig‹. Chron. Mainz 1, 13, 27 (rhfrk., 15. Jh.): wes dan der ganze rad, [...] oder daz meinste teil under in uberkomet, daz sal macht han. Kurz, Waldis. Esopus 4, 94, 222 (Frankf. 1557): Drauff sprachen sich in der eintracht 兩 Vnd gaben diesem abspruch macht. K¸ther, UB Frauensee 170, 15 (thür., 1376): unde vorczihin uns des mid dissin geinvordigin e so wir rechtlichis unde mechtliches sollin an geverde. Ebd. brıve, 202, 33 (1435): darumbe [...] ich deme closter gegebin han und gebe mit macht dises briefs eyne wysen. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 26, 27 (thür., 1474): hat danne Herman Keser von denselbten gutern in den stetin, da daz crafft unde macht hat, keyne abeczicht getan. Koller, Ref. Siegmunds 120, 28 (um 1448/52): die sich nit schaument zu sagen, daz eyn babest, waz er unrecht du, aber erleube, daz habe macht. Edlib. Chron. 20, 22 (ohalem., um 1500): wir hoffend vnd getrüwend, das ein gab jm rechten, als billich kraft vnd macht haben mug, als die ander. Chron. Augsb.

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1, 168, 19 (schwäb., 1374): wir [...] wellen das die selben briefe alleweg in iren krefften und mechten sullen beleiben. − Behrend, Magd. Fragen 161, 22; Bastian u. a., Regensb. UB 205, 40; Rwb 8, 1544; Vorarlb. Wb. 2, 323.

9. ›leibliche Kraft (des Menschen, vereinzelt auch einer menschlichen Regung, des Blutes); Einfluß, Wirkung einer Person, Nachdruck des Tuns e. P.‹; ütr.: ›als physische Kraft gedachte religiöse Kraft, Wirkung‹. − Phras.: über macht ›übermäßig‹; mit (der ganzen) macht o. ä. ›mit aller Kraft, Energie‹, bezogen auf die Stimme: ›aus Leibes Kräften‹; etw. hat nicht macht ›besagt nichts‹; da liegt macht an o. ä. ›darauf kommt es an‹. − Bdv.: gewalt (der) 11, 2kraft, stärke 29 (mehrfach), mugende, vermögen, vermögung, vermüglichkeit; vgl. manheit 3. − Synt.: j. m. haben, seine m. zeigen, das blut m. haben, zu [...], j. e. S. (Gen.) m. haben, das [...] ›auf etw. Einfluß nehmen‹, die furcht die m. ausschöpfen, jm. / dem leib m. geben / nemen, seine m. zu etw. gebrauchen; die m. des leibes, Samsons, des wortes; die grosse m. Wbg.: machtler (dazu bdv.: schwach). Schˆpper 51b (Dortm. 1550): ROBVR. Stercke macht / krafft vermËgung. Ebd. 107a: Potentia. Krafft stercke / macht gewalt vermÈglichkeit. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 16328 (preuß., um 1330/40): Sarecke, want der hatte macht 兩 des libes, brach inzwei mit craft 兩 dıˆ hant. daˆmit er stuˆnt gehaft. Luther, WA 16, 72, 14 (1524): Man mus aus der Schrifft den rechten Schatz, den Kern, Krafft, Macht, Safft und schmack nemen. Ebd. 49, 102, 25 (1540): sed eius fructum et vim wol zu hertzen nemen. Da ligt macht an. Ebd. 193, 12 (1541): Es leit nicht die macht in den steinen, sed an dem kindlin. Peil, Rollenhagen. Froschm. 551, 1408 (Magdeb. 1608): Da war der ein Wechter erwacht / 兩 Rieff vom SËller mit aller macht / 兩 Wacht / wacht / wacht auff. Ebd. 634, 3994: Denn setzt hernach mit aller macht / 兩 Mit eim Feldgeschrey. Reissenberger, Väterb. 14582 (md., Hs. 14. Jh.): Sin gedanke in anvaht, 兩 Ez hete niht vil groze maht 兩 Ob er da hin queme 兩 Unde ir durch noturft neme. Rueff, Rhein. Ostersp. 1444 (rhfrk., M. 15. Jh.): weistu nit die nuwen mere, 兩 dar an so grosse macht lyt 兩 und sint volnbracht in disser czyt? Ralegh. America 22, 19 (Frankf. 1599): daß wir entweder alle mit vnser gantzen Macht vnnd Krafft musten rudern / oder so [...] wider vmbwendten. Opel, Spittendorf 22, 4 (osächs., um 1480): dar uns allen und auch den ehrlichen stetten und dem gantzen stiffte macht angelegen were. Roloff, Naogeorg/ Tyrolff. Pamm. 391, 3836 (Zwickau um 1540): Sathanas. Ist recht / huy schenck ihn ein volauff mit macht.

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macht

Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 18b, 8 (nobd., E. 14. Jh.): leiplichev speis stercket den leip vnd geit im kraft vnde maht ze wurken stärkev dinc. Ebd. 29a, 16: daz daz selb plut vollekraft het vnd gantz maht svnde ze waschen. Sachs 12, 68, 35 (Nürnb. 1550): Wir sind ie müd, machtlehr und schwach. Thiele, Minner. II, 2, 79 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): got von himel, geruch im geben 兩 macht und mugent! Roloff, Brant. Tsp. 941 (Straßb. 1554): Meinten wir den jüngling bei ir zuo fahen / 兩 Und lieffen harzuo mit aller macht. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 299, 27 (halem., n. 1529): mine jugend und macht zebruchen zuo dem dienst Gots. Maaler 280v (Zürich 1561): Macht (die) VermËgen / Stercke / Dapfferkeit. Vis, Virtus, Potentia, Potestas, Opes. [...]. Mit gantzer Macht vnd stercke / Mit allem vermËgen ein ding zehanden nemmen. Wyss, Luz. Ostersp. 2423 (Luzern 1583): Sampsons o by finstrer nacht 兩 Von sterck vnd macht, 兩 Der dportten trug Gaza vff hohen berg dahin. Wiessner, Wittenw. Ring 690 (ohalem., 1400/08): Er rüeffet laut mit gantzer macht. Ebd. 4299: Manich tracht [›Essen‹] dir laide schafft: 兩 Es nimpt dir kraft und dar zuo macht. Ebd. 5824: [der preutgam] wolt derzaigen auch sein macht; 兩 Er nam den einen pei dem part 兩 [...]. Niewˆhner, Teichner 7, 37 (Hs. 2moobd., 1360/709): allez sampt er ez zestiezz 兩 nur mitt einez wortez macht. Ebd. 54, 12: nu wellent di laÈt Èber macht 兩 hochvart treiben. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 119, 10 (moobd., 1478/81): so wil ich wol als vil des macht haben [›Einfluß nehmen‹], das ich sy euch an schaden wider zu lande sende. − Luther, WA 10, 1, 1; 10, 3, 249, 14; 12, 455, 30; 30, 2, 108, 12; 32, 23, 23; Spechtler, Mönch v. Salzb. 10, 8. − Vgl. ferner s. v. 1alt 20, 1anliegen 12, aussaufen.

10. ›Herrschaft über Körper, Seele und Sinne‹; speziell: ›Bewußtsein‹. Voc. inc. teut. p iijv (Speyer um 1483/4): Macht wl. gesuntheit vnd krefft des leibs. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 253, 8 (thür., 1421): Wie krangk do der babist was, sso vyngk her eyne macht unde tedt zu on eyne lange rede. Henschel u. a., Heidin 848 (nobd., um 1300): Daz sie vor leide nider seik 兩 [...] 兩 Vber lank sider 兩 Qvam si zv mahte wider. − Hulsius L ivv.

11. ›Genitalien‹. − Bdv.: vgl. arschwurzel, bärzeug, 1gemächt, geschäft 3, geschir 7, 1geschröt, gümpel, hänslein 1, heimlichkeit 7, kerze 3, manschaft 8, penal, penicil, penitenzer 2, pfeife 3, stange (h), stechzeug 2, stecke 1, stehwurzel, stempfel 3. − Wbg.: machtweh. Cirurgia H. Brunschwig 17rb, 10 (Straßb. [1497]): iij zwerch finger obe˜ vo˜ dez nabel biß vff die macht. Barack, Zim. Chron. 2, 607, 26 (schwäb., M. 16. Jh.): seitmals Christus desselbigen dags uf aim essel gesessen und aber kein sattel gehapt, hab er ain fel abgeritten, derhalben im dann so machtwee gewesen, das er schmerzen halb wainen müessen (in einer Scherzerzählung).

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12. ›im Menschen liegende, ihm von Natur aus eigene oder erworbene (und dann positiv oder negativ zu bewertende) oder (häufiger:) dem Menschen von Gott aus Gnade gegebene zweckhafte Kraft, Möglichkeit, Potenz zu etw. (z. B. zur Gotteskindschaft, zu guten Werken o. ä.)‹. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ‚Religion‘, auch der Didaxe. − Phras.: in der mächten sein ›in js. Macht stehen‹. − Bdv.: gewalt (der) 6; 7, kraft, mugende, wille, wirkung. − Synt.: m. haben, j. / die sele m. haben, zu [...], jm. m. geben, zu [...] / das [...]; jm. m. (Subj.) gegeben sein, zu [...], die m. ein zeichen der gnade heissen; etw. aus eigener m. wirken, es ist / steht in js. m., zu [...], j. / etw. ist / steht in eigener m., sich mit aller m. in etw. brechen (z. B. in das liecht), nach seiner m. [etw. tun], von eigener m. sünden; die m. des menschen, die m. der sele zu dem werke; die eigene m. (mehrmals). Luther WA 10, 3, 258, 5 (1522): das der herr Christus hie befilcht und macht gibt allen Christen richter zu sein uber aller ler. Ders. Hl. Schrifft. Joh. 1, 12 (Wittenb. 1545): wie viel jn aber auffnamen / denen gab er macht [Mentel 1466: gewalt] / Gottes Kinder zu werden. Ingen, Zesen. Ros. 91, 27 (Hamb. 1646): sage mier / wan es in deiner macht stÈnde / sie nicht zu lieben / woltestu wohl unterlassen sie zu lieben. Quint, Eckharts Pred. 2, 121, 1 (E. 13./ A. 14. Jh.): Diu seˆle muoz mit aller maht sich brechen in ir ˆ z der maht und uˆz dem liehte entspringet ein brant, lieht. U ein minne. Ders., Eckharts Trakt. 10, 18 (E. 13./A. 14. Jh.): alsoˆ sprichet sant Johannes [...], daz ‚allen den ist gegeben macht und mugent, gotes süne ze werdenne, die niht von bluote [...], sunder von gote und uˆz gote allein geborn sint’. Ebd. 251, 4: der mensche enwerde denne sunderlıˆche dar zuo [uˆzwendige werke u. a.] getriben von gote und habe die maht, daz wol ze tuonne. Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 559 (pfälz., 1436): Die erst crafft oder maht der sele zu dem werg ist gnant memoria. Gille u. a., M. Beheim 69, 50 (nobd., 2. H. 15. Jh.): du allen heilgen auf das pest 兩 hast macht und willen geben, 兩 Das sy mit solcher tugent hie 兩 gecziret werden. Ebd. 76, 77: Wir yczt halt nicht macht haben 兩 gnüg czu tun fur die missetot. Vetter, Pred. Taulers 54, 15 (els., E. 14. Jh.): Die wile su´ in irre eigenre maht stont, so ku´nnent o su´ kume ein kleine werg tun one grosse swerheit. Ebd. 209, o nach im [Jhesus Christus] 25 (1359): das wir alles unser tun su´llen richten nach unserre macht. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 199 (els., E. 14. Jh.): Nv sullen wir merken an v vf daz wir im volgen wellent in tu´Cristum vnsern bru´tegom, genden nach vnserre maht. Ebd. 2, 54: Dise einikeit besitzen wir in vns selben obe sinnelicheit, vnd hinnan vs kummet memorie vnd verstentnisse vnd wille vnd alle die maht geistlicher werke. Ebd. 72: die nature zve truckende vnder die gebot der

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macht − machten

heiligen kirchen [...] noch maht der naturen in bescheidenheit. Steer, Schol. Gnadenl. 3, M 1, 238 (alem., M. 15. Jh.): so haist ein gnad ein zaichen der genad, als dy weyssagung oder macht oder wunder oder zaichen zetün. Warnock, Pred. Paulis 1, 83 (önalem., 1490/4): so sprich ich, daz der o mensch mit denen guten werchen wol mag verdienen geschiklichait der vernunft, gesunthait des lips [...], won die ding sint nit uber den menschen, sunder su´ sint in der macht und wesen oder o würkung des menschen. Ebd. 88: mit den andren gutten werchen, die iren anfang nement vom schöpfer, [...], der durch sin o gottlich gnad u´ns die gutten werch ist insprechen, mit denen mugent wir wol verdienen daz ewig leben, won wir die nit würkent als uss u´nser aignen macht und bewegung, sunder gott wu´rkt die durch u´ns mit siner göttlichen gnad. Ebd. 120: Der mensch mag wol von aigner macht töttlich su´nden, aber er mag nit widerumb davon ufston allain us siner craft. Maaler o 280v (Zürich 1561): Macht vnd gwalt etwas zethun. Facultas, Imperium. [...]. Macht vnd gewalt haben, Habere potestatem, facultatem, uires, Posse, Valere. Rot 78 (Augsb. 1571): Ein krieg ist bald angefangen / aber es ist nicht in vnser macht auffhËren. − v. Keller, Ayrer. Dramen 728, 9; Steer, Schol. Gnadenl. 3, A 2, 116.

13. steht mit gen. explicativus tendenziell für dessen Inhalt. − Älteres und mittleres Frnhd.; Verstexte. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 3079 (Köln 1476): [Sestzien der froemer ionckherren] Synt da in ritterlych doyt bleuen; -- [...] 兩 Dar zu syeuenhondert man, so burger ind knecht, 兩 Syeuentzien burger van Bun dorch schyessens mecht. Henschel u. a., Heidin 832 (nobd., um 1300): la mich vrowe an dir sehen 兩 Senften tag vnd naht 兩 Dvrch aller diner tvgende maht. Stackmann u. a., Frauenlob 3, 6, 4 (Hs. 2omd./ schles., 14. Jh.9): recht alsam jene besloz in ir 兩 gar aller creatiuren macht. Klein, Oswald 120, 18 (oobd., 1417?): Wann ich durch all mein sinn betracht 兩 des bildes form, leib, schon und macht, 兩 wie es der maister hat bedacht.

macht-, zur Kompositenstrecke mit macht- als Bw s. generell auch das Rwb 8, 1546 ff. machtbote, der; −/-n. ›Bevollmächtigter‹; oft: ›mit einer Vollmacht ausgestatteter Gesandter e. P. oder Instanz‹; zu macht 7, 1bote 3. − Obd.; meist Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: machthaber ; vgl. abgefertigter, abgesandter, abgeschikter, afterman, angewalter, 1anwalt 1, anwart, befelhaber, befeltrager, commissar, gewaltfürer 1, gewarsame, lehenträger. − Synt.: einen machtboten fertigen / senden / einlassen; der m. einen brief haben, einen gewaltbrief erzeigen, von etw. abstehen; durch den machtboten vor gericht kommen, etw. (z. B. spielgeld) durch den machtboten erfor-

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dern; der m. der gegend, der gotteshausleute, des truchsessen; der geordnete / volmächtige m. Wbg.: machtbotschaft. Kˆbler, Ref. Nürnb. 122, 18 (Nürnb. 1484): Es mag auch ein yeder [...]. sein verlorn spilgelt durch sich selbs od‘ seine˜ machtpotte˜ mit Recht erfordern. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 158, 25 (halem., 1525): so haben die obgenannten machtboten erzögt einen gewaltsbrief [...], under Andres Herren, amman zuo Roschachs insigel usgangen. Glitsch u. a., Hofger. Rottw. 66, 31 (schwäb., um 1435): wenn sin machtbot des ainen solichen permentin brief hat mit anhangenden insigeln. Chron. Augsb. 3, 289, 3 (schwäb., 1461): unsers lieben herrn und schwagers, des römischen kaisers, räte und machtpotschaft. Straus, Juden Regensb. 886, 1 (oobd., 1517): Ysacc Walch, machtpot gemainer JÈdschaft zÈ R. Seuffert u. a., Steir. Landtagsakten 2, 85, 16 (m/ soobd., 1466): bitten wir euch ir wellet aus ewrm rat und gemain ewr machtpotten fertigen und [...] gen Lyncz senden. − Koller, Reichsreg. Albr. II. 183, 11; Merk, Stadtr. Neuenb. 75, 13; Hauber, UB Heiligkr. 2, 210, 20; Chron. Augsb. 3, 287, 26; Maaler 280v; Schweiz. Id. 4, 1887; Rwb 8, 1546 f.; Schw‰b. Wb. 4, 1368. − Vgl. ferner s. v. 1anwalt 1, artikel 4.

machtbotschaft, s. machtbote. machtbrief, der ; -es/-e. ›Urkunde einer Vollmacht (meist für Gesandte, Unterhändler)‹; zu macht 7, vgl. brief 1; 5. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: empfelnis, geleitbrief, schrift; vgl. machebrief. − Synt.: den / einen m. machen / haben / senden / übergeben / überkommen / hören / lesen / sehen / versiegeln; m. des hochmeisters / pfalzgrafen; der offene / versiegelte / schlechte m.; die form des machtbriefes; der sendebote mit dem m. Toeppen, Ständetage Preußen 3, 221, 23 (preuß., 1448): das sie eynen fulmechtigen sendeboten mit iren machtbrieffen [...] hir ins land senden. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 12497 (rhfrk., um 1405): Da ich die machtbrieffe hatte gesehen 兩 Flißelich und auch hatte gelesen. Koller, Reichsreg. Albr. II. 183, 4 (1438/9): Machtbrieff und emphelhnisz dem von Weynsperg mit den juden zu uberkomen. Kollnig, Weist. Schriesh. 38, 41 (rhfrk., 1453): herrn Friderichs [...], des versiegelten machtbrief sie hatten. Rˆhrich u. a., Cod. Dipl. Warm. 4, 100, 5 (omd., 1425): Die eyne [copie] ist eyn forme eyner uffenbarer schrifte, und die andere ist eyne forme eynes machtbriefes under euwerm ingesigel. − Toeppen, a. a. O. 2, 380, 29; Bˆmer, a. a. O. 12460; 12704; Kollnig, a. a. O. 41, 38; Opel, Spittendorf 221, 23; Rwb 8, 1548.

machte, machtgeber, s. macht 7. machten, s. macht 4.

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machtfrei − mächtig

machtfrei, s. macht 6. machthaber, s. macht 7. machthansen, pl. t. ›großtuerische Personen gehobenen, verfassungsrechtlich relevanten Standes‹; vgl. macht 4−6, hans im Phrasem grosse hanse (s. v. hans 1). Luther, WA 46, 567, 7 (1537/8): so wird ers [er = Gott] uns grossen Fürsten und Machthansen zuvor [...] anzeigen lassen. Hampe, Nürnb. Ratsverl. 1, 491, 29 (nobd., 1554): Auff den bericht, wess sich Jörg von Loburg für betrohliche reden sol vernemen haben lassen, ist bevolhen, sein unnd der anndern verstrickten marggräfischen machthannsen halb im Haylßpronner hof nochmals fleissig darauff zu inquiriren. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 16, 21 (noobd., 1512): da fingen dy schraiigen machthansen an, wie dan der ommes thut, wen er lauffend wird, schriren überlaut über die, so der kayserlichen majestät wolten gehorsam sein.

machtheit, s. macht 1. mächtig, Adj. / Adv. 1. ›die erwartete Eigenschaft der Stärke, der Dimension und Ausprägung einer Bezugsgröße, eines Geschehens oder einer Handlung voll erfüllend‹; z. B. mächtiglichen bestehen ›standhaft verharren‹, mächtige hoffart ›ungebührlicher Prunk‹ usw.; generelle intensionale Bestimmung kaum möglich; vgl. die Übersetzungsvorschläge zu den Belegen. − Oft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte. Luther, WA 8, 528, 14 (1521): Es ist [...] unglewblich, wie mechtig [›stark‹] unnd krefftig der glawb ist. Ebd. 10, 1, 2, 221, 5 (1522): den selbigen wirt diß wort also mechtig [›stark‹] im hertzen, das er [der Gläubige] überwindet tod, teüfel, [...], Also mechtig ist das wort. Froning, Alsf. Passionssp. 5103 (ohess., 1501 ff.): uwer boßheyt ist ßo mechtigk [›groß‹], 兩 das er der warheyt nyt moget gehoren! v. Tscharner, Md. Marco Polo 71, 23 (osächs., 2. H. 14. Jh.): der bischof und sine geselleschaft di [...] bestundin mechticlichin [›standhaft‹] in irem geloubin. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 17, 7 (Hs. 2omd., 14659): Recht mechtig [›prächtig, üppig‹] blumen reutet sie [sengse] aus. Mathesius, Passionale 48r, 2 (Leipzig 1587): CHristi Reich gehet klein an / vnd gewinnet doch ein grossen / herrlichen vnnd mechtigen [›herrscherlichen‹] außgang. Pyritz, Minneburg 5437 (nobd., Hs. um 1400): Die meister, [...], 兩 Die han die mynne also derkant 兩 So vest, so mechtig [›tief, überwältigend‹] und so ark, 兩 So gar gewaltig und so stark. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 166, 13 (Straßb. 1466): die su´n iuda wurden mechtigklich [›sehr‹] gesterckt. Bachmann, Haimonsk. 223, 16 (halem., 1530): do sy

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lang inn ruowen wa˘rend gsin, do fing innen die spis mechtig [›stark‹] an zeschwinnen. Wyss, Luz. Ostersp. 3, 80, 23 (Luzern 1616): Longinus will sich an im rächen, 兩 Vff den gestorbnen mechtig [›kühn, entschlossen‹] ficht. Chron. Augsb. 6, 50, 22 (schwäb., zu 1532): und hielt ain köstliche hochtzeit mit mechtiger [›ungebührlicher‹] hoffart. Kohler, Ickelsamer. Gram. 47, 9 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): es gibt gar ain grosse hilff die rede deste gewiser, verstentlicher vn¯ mechtiger [›besser, verständlicher‹] zu lesen. Roth, E. v. Wildenberg 80, 11 (moobd., v. 1493): ward gar mächtigklich [›schwer, heftig‹] gestritten mit den Hungern. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 2, 38 (tir., 1464): die me¨chtigen die müssen me¨chtige [›schwere‹] pein leiden. − Luther, WA 10, 3, 221, 5; 52, 737, 5; Pfefferl, Weigel. Ges. 40, 27 f.

2. ›außerordentlich, sehr, überaus, höchst, äußerst‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper. − Synt.: Meist Gradpartikel vor Adverb oder Adjektiv. Schˆpper 116b (Dortm. 1550): Valde. Vast hefftig mechtig grËßlich ser vberauß trefflich gar außbÈndig auß der massen. Harms u. a., Alberus. Fabeln 77, 31 (Frankf./M. 1550): der grËst bub auff Erden / 兩 Der muß der alleredelst sein / 兩 Dann stund der adel mechtig fein. D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 7, 24 (Frankf./M. 1626): Bey welcher Zusag vnd Verbindung ein mÁchtig groß Erdtbidem enstunde. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 459, 29 (nobd., n. 1525): sich daselbst gelegert, mechtig stark zu ross und fuß. v. Keller, Ayrer. Dramen 2206, 12 (Nürnb. 1610/8): Hab nichts gefressen noch gesoffen, 兩 Vnd brennd so mechtig heiß die Sunnen. Haszler, Kiechels Reisen 309, 14 (schwäb., n. 1589): und sahe müch mein gesöllschaft mechtig saur an. Chron. Augsb. 6, 34, 11 (schwäb., zu 1527): dieselbig frau was dem wort Gottes mechtig wider. Ebd. 70, 13 (1536): da hat niemant kain gwissen seinem brueder zum gueten zuo helfen, [...], und waren sie mechtig guet euangelisch. Turmair 4, 392, 14 (moobd., 1522/33): und macht alda mit der zeit auch ein stat solcher zuelauf, kam mächtig vil guets dahin. − Opel, Spittendorf 172, 13; v. Keller, a. a. O. 2445, 27. − Vgl. ferner s. v. aufbringen 20.

3. ›allmächtig, allgewaltig, allherrschend (von Gott, teils in Bildern menschlicher Macht, seltener vom Teufel, auch von den Engeln gesagt)‹; vgl. macht 1. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: gewaltig 1, gros (Adj.) 15, stark 5; vgl. almächtig 1, almügend, almügig, alvermögend, grosmächtig 2, stark 5. − Synt.: got, der teufel, die drei personen m. sein, [got, Subj.] der feinde, über tod / helle / teufel m. sein, etw. mächtiglich schaffen; 2der mächtige (himmels)fürst / got / herre / herzog9 (jeweils mit Bezug auf Gott), die mächtige hand (gottes).

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mächtig

Luther, WA 10, 1, 2, 273, 33 (1522): die drey personen sind ein ding und wesen, zuo gleich mechtig und gewaltig. Ebd. 21, 127, 37 (1528): Der Teuffel ist stark und mechtig, ja [...], ein fÈrst der welt. Ebd. 34, 2, 286, 14 (1531): Darumb sind diese grosse, mechtige unnd treffliche Himmels-FÈrsten, die H. Engel, [...] zum dienst uns verordnet. Dubizmay, kurß zu Teutze 14, 5 (hess., 1463): der kung der eren das ist der starcke vnd der mechtig got der gewaltig ist in dem streytt. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 3, 9 (osächs., 1343): ich sage uˆch daz got mechtic [Mentel 1466 / 14752−1480: gewaltig; Lang 1521: machen kan; Luther 1545: vermag ... zu] ist von disen steinen irweckin die sune Abrahaˆmis. Jahr, H. v. Mügeln 48 (omd., Hs. 1463): sust, her, in dingen kenn ich dich, 兩 die du, got, schepfest mechtiklich. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 9, 4 (Hs. 2omd., 14659): Der milte got, der mechtige herre, gereche mich an euch, arger traurenmacher! Williams u. a., Els. Leg. Aurea 379, 33 (els., 1362): Jch mehtiger got vnd herre han u´wer gebet erhËret. Spechtler, Mönch v. Salzb. 47, 41 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Unser gedächtig pis, o fürste mächtig, 兩 waick stainein herzen, vertreib sünden smerzen. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 89, 19 (tir., 1464): Der starkch got der ist me¨chtig vnd erschrikhenleichen, we¨r mag im widersten? − Luther, WA 10, 3, 53, 33; 12, 587, 23; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 197, 2; Eggers, Psalter 50, 3; Gille u. a., M. Beheim 82, 323; Reichmann, Dietrich. Schrr. 234, 35; P‰pke, Marienl. Wernher 4179. − Vgl. ferner s. v. 1befelen 1.

4. ›hinsichtlich Anzahl und Kampfkraft stark, machtvoll (von einer Streitmacht); militärisch überlegen (von einem Volk)‹; vgl. macht 5. D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 11, 4 (Frankf./ M. 1626): Hierauff kamen die Perser mit einem mÁchtigen Heer von zweymal hundert tausendt Mann starck. Chron. Kˆln 1, 3837 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Wilt hie weruen synen vromen, 兩 hie sal zo velde meichtich komen. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 254, 31 (nobd., n. 1525): Doch soll kain taile schuldig sein mer volks, [...], in sein stett oder flecken einzulassen, dann sovil er ongeverlich mechtig ist. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 10, 206, 14 (Straßb. 1466): die sahen das zuo trennet ward daz mechtig here zuo der rechten seiten. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 86, 11 (Hagenau 1534): Dieweil die RËmer alleyn gemeyner stadt nutz betrachten und suchten / da waren sie allen yhren feynden zu mechtig. − v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 706, 21; P‰pke, Marienl. Wernher 3311; Roth, E. v. Wildenberg 134, 10.

5. ›mächtig, einflußreich, über konstitutionelle politische und herrscherliche Macht sowie über sozialen und wirtschaftlichen Einfluß verfügend‹ (von Personen als Funktionsträgern sowie politischen und rechtlichen Einheiten, Gruppierungen gesagt); vgl. macht 6. − Bdv.: durchleuchtig, edel,

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gros (Adj.) 12, löblich 1; 5, mogig, reich. Ggs.: arm (Adj.) 4. − Synt.: j., Babylon, die Wenden, der pobel, das kloster m. sein, die ampte / gaffeln m. werden; sich m. wissen, jn. (z. B. die majestat) m. machen; subst.: 2die mächtigen entsetzen ›erniedrigen‹; gern bei den mächtigen sein9; der mächtige admiral / bürger / fürst / heide / herzog / herre / graf / keiser / könig (mehrfach) / Römer, die mächtige stat (mehrfach), das mächtige stift / volk; der palast der mächtigen. Luther, WA 14, 364, 15 (1524): Esau wirt balde ein her, groß und mechtig. Ebd. 19, 423, 4 (1526): Weil das Babylon so mechtig war und so feste was. Peil, Rollenhagen. Froschm. 537, 982 (Magdeb. 1608): Neydhart / Eignutz / Kindischer Rath / 兩 Verrieth auch Rom die mechtig Stad. Dat nuwe Boych 443, 19 (rib., 1396): dat die Ampte vnd gaffelen vaste bestoinden, by eyn zo gain vnd zo vergaderen vnd ouch mechtich wurden. Chron. Kˆln 2, 162, 17 (rib., 1429): de moisten dem alden rade hulden [...] ind laissen den alden rait sitzen gerest ind grouwet, mechtich ind moegich na herkomen. Ralegh. America iiijr, 34 (Frankf. 1599): [ich] wolte jhre Majestat mÁchtiger machen / vnd grËssern Reichthumb sam˜len. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 275b, 3 (Frankf./M. 1649): die jhnen vnrecht thaten / wahren zu mÁchtig / daß sie keinen trËster haben kËnten. Th¸r. Chron. 5v, 10 (Mühlh. 1599): Außgenomen Africam / Darinnen Carthago die mÁchtige Stadt gelegen. Opitz. Poeterey 20, 17 (Breslau 1624): damitt er gleichsam von den bËsen flÈchen der Dido einen anfang der feindschafft zwischen diesen zweyen mÁchtigen vËlckern machte. Dietrich. Summaria 28r, 8 (Nürnb. 1578): Dem selben zu trost / lest sich der arme HERR Jesus / als einen mechtigen Konig vnd Herrn sehen. Williams u. a., Els. Leg. Auo rea 453, 12 (els., 1362): daz er wolte suchen den grosten mehtigisten herren der welte, dem wolte er dienen. Koller, Ref. Siegmunds 106, 13 (Hs. um 1474): Dye closter sein mechtig, sye gebenn umb kein drewen mer. Roloff, Brant. Tsp. 623 (Straßb. 1554): Ich [Candaules] was ein mechtig Künig groß 兩 Das man nit vil fundt mein gnoß. Wickram 4, 32, 23 (Straßb. 1556): Er wußt sich auch an gÈt so mechtig / als ihr vatter was. Heydn. maister 25r, 11 (Augsb. 1490): die grund der erden hat er geleichliche˜ außgeteilt / damit geleiche hab / den and’en nit mocht mÁchtiger machen [Gesetze des Licurgus]. Maaler 280v (Zürich 1561): MÁchtig sein an freünden / Wol gefreündet sein. Chron. Augsb. 7, 124, 26 (schwäb., zu 1548): andere stet, in denen der povel mechtig. Ebd. 145, 7: das (ist) auch den mechtigisten herrn von dem hochberömtesten geschlecht, den vieren Scipionibus, widerfaren. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 183, 40 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): das [...] die grossenn pistumb und mechtigen stifft mit krieg der regirer und obristen vast geswecht und verdorbn sein. Moscouia B ivv, 20 (Wien 1557): welcher der MÁchtiger vnd stergcker gewest / hat die mindern verdruckt. Bauer, Imitatio Haller

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mächtig

78, 19 (tir., 1466): du solt nicht scherczen mit den reichen vnd solt nicht gern sein pey den mechtigen. − Luther, WA 23, 610, 27; Peil, a. a. O. 589, 2226; Knape, Messerschmidt. Bris. 22, 96; Wunderlich, Fierrabr. 4, 6; Ralegh. a. a. O. 1, 4; 15, 28; Reichert, Gesamtausl. Messe 3, 2; Williams u. a., a. a. O. 17, 23; Roloff, a. a. O. 693; Baumann, Bauernkr. Oberschw. 62, 16; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 213, 121; Klein, Oswald 3, 35; Moscouia B 2v, 26; Bauer, a. a. O. 94, 9. − Vgl. ferner s. v. admiral 1, arm (Adj.) 15, auferhöhen, aufheben 26, ausbeissen, aussteuern 2, palast 1.

6. ›über etw. verfügungsberechtigt, die Verfügung über etw. besitzend‹; vgl. macht 6. − Bdv.: vgl. gewaltig 5. − Synt.: j. (nicht) m. sein, zu [...]; j. e. S. (z. B. des amptes / gutes / landfriedes / schlosses / werkes / wortes / wiederkaufes, der abtrift) m. sein, j. e. S. (z. B. der schlüssel) m. werden, die frösche der herschaft, die mäuse der nüsse m. sein; mit Akk.: j. das gut m. sein, 2das schlos m. haben, den grund, die habe m. bleiben 9, jeweils subjektbezogenes präd. Attr. Wbg.: mächtigen 5. Luther, WA 47, 17, 19 (1519): sie [grosse hansen] sind reich, mechtig. Chron. Magdeb. 2, 173, 36 (nrddt., Hs. 1601): Sie haben [...] bittlich angetragen, das ein Radt und ihre wechter des nachts der schlussell hierzue muchten mechtig werden. Peil, Rollenhagen. Froschm. 46, 78 (Magdeb. 1608): Die FrËsch der Herrschafft mechtig waren. Ebd. 563, 1815: Das sie [Haselmeuse] ohn mÈhe vnd ohn gefahr / 兩 Der NÈßlein allzeit mechtig weren. Chron. Kˆln 3, 790, 23 (Köln 1499): umb desselven kriegs willen wart dat stift van Collen ind dat lant van Cleve van beiden irren heren mit allen ampten so gar versat, dat ir ghein geinichs sloes noch amptz gantz mechtich enwas vur sich zo gebruichen. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 37, 15 (thür., 1474): daz der genanten frouwen Gertschin alle yres mannes gud nach synem tode volgen solle, daz eygene unde legende grunt zcu yrem liebe unde dy farnde habe mechticlich zcu bliebin. Opel, Spittendorf 244, 31 (osächs., um 1480): hetten die andern meister das schos mechtigk von den ihren, so solten unsere bornmeister des schos von unsern wegen auch gemechtiget sein. Wattenbach, Urk. Czarnowanz 120, 31 (schles., 1439): vnd mechtigete recht vnd redlichen [...] irem elichen Manne alle ir sachen. Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr. 252, 11 (o/nobd., 1406): Nu sey wir dez lantfr(ids) nicht mechtig. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 16 (Nürnb. 1517): so du aber der natur anders nichts, dann du von Adam genommen, zuschreibest, so hastu den glouben, die hofnung und lieb nit, sunder allein ein halbtotigen, schwachen, verwunten menschen, der auch der möglichen werk der natur nit mechtig ist. Welti, Stadtr. Bern 412, 11 (halem., 1480): das wir sËlichs mÁchtig syen o vnd ze uerkeren in keinen weg. Klein, Oswald aber abzetun 126, 15 (oobd., 1116?): do si [junckfrau] das raine kindelein, 兩 das mächtig was der welde ring 兩 drückt an ires leibes

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awen. − Schorer, Sprachposaun 7, 21; Rwb 8, 1551 f.; Schweiz. Id. 4, 68. − Vgl. ferner s. v. abtrift, austragenlich 3, auswebern.

7. ›ein Herrschaftsrecht über jn. / ein Kollektiv habend; über jn. tatsächlich verfügend, jn. in seiner Gewalt, Zugriff auf jn. habend; jm. überlegen‹. Luther, WA 30, 3, 296, 13 (1531): ob man auch mit der faust der selbigen [land vnd leute] so mechtig sey, zu blut, leib vnd gut auffzusetzen. Chron. Magdeb. 2, 150, 25 (nrddt., Hs. 1601): Jhr wollet itzt gedult tragen, dan ein Radt ist itzunder der gemeine nicht mechtig. Peil, Rollenhagen. Froschm. 647, 4406 (Magdeb. 1608): Daraus entstund von des Volcks menge / 兩 Ein so erbÁrmlich gros gedrenge / 兩 Das der KËnig vnd seine scharen / 兩 Jhrer durch aus nicht mechtig waren. Dinklage, Frk. Bauernweist. 33, 29 (nobd., 1469): ein freymann oder ein freyfrawe sollen in keyn stat oder under ein andern herren zyhen, da ein amptman zu Gemunden ir nicht mechtig ist. Kohler u. a., Bamb. Halsger. 167, 23 (Bamb. 1507): wann er were des entleybten, als er jne erschlagen hette, gantz mechtig vnd von der benËttigung erledigt gewest. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 95, 1 (nobd., 1525): die unseren, der wir ungeverlich mechtig sind. v. Keller, Ayrer. Dramen 1624, 28 (Nürnb. 1610/8): Gott hat verhengt vber jhn, 兩 Daß ich seiner nicht mächtig bin. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 2, 11 (Straßb. 1466): do vor was ein meister zuo athenis. vnd was eins ytlichen lerers mechtig. − Opel, Spittendorf 4, 35; 9, 11; Chron. N¸rnb. 2, 127, 16.

8. ›bevollmächtigt, über Handlungsvollmacht an js. statt verfügend‹; vielfach subst., dann: ›Bevollmächtiger‹, laut Rwb 8, 1557 auch konvers, dann: ›Vollmachtgeber‹ (a. 1517); vgl. macht 7. − Gehäuft 2md./ nobd.; Rechts- und Wirtschaftstexte9. − Bdv.: vgl. befugt (s. v. befugen 3), bemächtigt (s. v. bemächtigen 2), gevolmächtigt, gewaltig 6, gewis 7. − Synt.: etw. (z. B. die zweitracht) m. entscheiden, etw. (z. B. die sache) mächtiglich(en) (auf jn., zu jm.) stellen / setzen, jn. m. an jn. (z. B. an die altarleute) weisen; jn. m. machen ›ermächtigen‹, zu [...]; subst.: der mächtiger der erste besetzer [›Besitzende‹] sein, zu rechte kommen, als ein mächtiger [wo] stehen, jn. durch einen mächtigen aufbürgen; der mächtige des hauptmannes, der geschwisterde. Goerlitz, Magd. Schöff./Posen 71, 32 (omd., um 1414): ap meynes houptmannes mechtiger der erste sey, (der) czu dem rechte komen ist. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 151, 9 (schles., 1457): So stehe ich alhie als eyn mechtiger desselbn¯ hanns hessen des Jungen vnd seyner vnmundischer geswisterde. Opel, Spittendorf 487, 32 (osächs., um

1569

mächtig

1480): das sie die [sachen] beydersiett, [...], mechtiglich uff uns beyden fursten [...] gesetzt unnd gestalt haben, sie der allenthalben nach schrifflichen yren vorbrengen in der güte mit wissen adder in rechte zcu entscheiden. K¸ther, UB Frauensee 374, 36 (thür., 1528): eyn probst zum Sehe, der den sie [zweytracht] doryn gantz mechtigk zu entscheidenn gehapt hatt. Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 27 (schles. inseldt., 1452): wy¨ das ist komen vor vnser gehegte banc dy¨ erber frawe Margrith, [...], vnd hot mechtig gemacht [...] iren eewirt Stephen Wberaman ir vaterlich gut czu vordern. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 193, 36 (nobd., n. 1525): also das ain rat dieselbig sach auch mechtigklichen zu den kaiserlichen commissarien stelle. − Opel, a. a. O. 58, 29; Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 3, 313, 12; 198, 32.

9. ›rechtskräftig, rechtswirksam‹; zu macht 8. − Bdv.: fest, kräftig, machthabend; vgl. aufrecht 4, behäbig 3, bestendig 4, lebendig 6, steif 5, stäte (Adj.) 5. Ggs.: vgl. machtlos 1. − Synt.: der kauf m. sein, jm. etw. (z. B. ein gut) m. aufgeben; der mächtige brief, die mächtige ausschrift / rechtung / stat ›rechtsrelevanter Ort‹, das mächtige testament. Wbg.: mächtigen 6 (a. 1525). v. Bunge, Livl. UB 4, 242, 28 (nrddt., 1399): mag der orden und die kirche ansichtlich ir recht beweisen mit briven, mechtigen usschriften. Chron. Mainz 1, 1, 45, 5 (rhfrk., 15. Jh.): mit beheltnisse, daz die alden sunbriefe in allen iren begreff kreftig und mechtig virliben sullen. Ebd. 87, 28: dise rachtunge sal in allen iren vorgeschreben punten [...] mechtig sin. K¸ther, UB Frauensee 218, 40 (thür., 1446): die in allen [...] yren clausuln puncten innhaldungen und artickeln krefftig und mechtig sin bliben. Franck, Decl. 334, 22 (Nürnb. 1531): Das testament ist mechtig vnd fest / der letst wil des verschiden sol handthabt [...] werden. − Rwb 8, 1553. − Vgl. ferner s. v. altsessen.

10. ›wirksam, machtvoll, nachhaltig (von Abstraktgegebenheiten wie den worten, der auferziehung usw. gesagt)‹. Gropper. Gegenw. 40, 91 (Köln 1556): Hierumb sËllen vn˜ müessen die selbige˜ [wort] / als von Gott geredt / krÁfftig vn˜ mÁchtig seyn. Perez, Dietzin 1 405, 26 (Frankf. 1626): die bËse Auferziehung / welche zu allem bËsen so krÁfftig vnd mÁchtig ist / daß sie zu allem bËsen [...] verleyten kan. Mathesius, Passionale 56r, 1 (Leipzig 1587): die Gnade des gehorsamen des Knechtes vnd Sones Gottes ist mechtiger denn die SÈnde des vbertretters. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 148, 2 (schwäb., 14. Jh.): daz daz sacramente unsers herren lichamen mehtiger si denne die andern sacramente. Ebd. 272, 23: daz er [...] beweren müge dü ding, die er da saget, anders so were sin lere niht mehtig. Chron. Augsb. 6, 50, 2 (schwäb., zu 1531): adj. 7 heumonat hat meister Michl angefangen zuo predigen, hat ain mechtigen widerstandt gehabt im rath an den gottlosen.

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11. ›in körperlicher Hinsicht stark, kräftig, gesund; körperlich überlegen; im Vollbesitz der geistigen Kräfte‹ (vom Menschen gesagt; analog vereinzelt auf Tiere sowie auf Pflanzen bezogen); von der Stimme: ›laut, deutlich‹; vgl. macht 9. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: gewaltig 7; 9; vgl. aufrüstig 1, gesund (Adj.) 1, heil 1. Ggs.: bresthaft 2, krank, schwach, siech. Schˆpper 51b (Dortm. 1550): Robustus. Starck mÁchtig krefftig vermÈgig. Behrend, Magd. Fragen 11, 3 (omd., um 1400): So sprechen des toten mannis frund, sy solde nicht me haben, wenne dy leczte gobe, [...], dorumb das ir ir man vor gehegetem dinge nicht mer hette gegeben, do her das mechtig was. Pyritz, Minneburg 5073 (nobd., Hs. um 1400): Wann mich hat in starkem grymme 兩 In sinen clowen ein mechtig ar. Bell, G. Hager 288, 3, 6 (nobd., 1605): pharao für bas 兩 ziret den joseph fein 兩 [...] 兩 vnd lies aus riefen mechtig 兩 jn zu förchten al tage. Vetter, Pred. Taulers 39, 19 (els., E. 14. Jh.): din bette, [...], daz soltu nu ufheben und tragen gewelteklichen und mechteclichen. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 397, 12 (schwäb., 14. Jh.): Doch werdent die groben libe unde die nidern übermitz die subtilen unde die mechtigen von etlicher ordenunge gerihtet. Maaler 280v (Zürich 1561): Starck vnd MÁchtig / die yetz in jrer beste sind. Parthi adulti. Ebd.: MÁchtige weynrÁb / starck vn˜ wol gewachsen. Sappler, H. Kaufringer 5, 593 (schwäb., Hs. 1464): si viengen ainen hirssen palt; 兩 der was mächtig und auch gros. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 234, 8 (oobd., 1349/50): dar umb ist daz tier alle zeit nüehtarn und ist doch starch an dem leib und mähtig.

12. ›souverän im Sinne eines dem einzelnen Menschen möglichen, naturgegebenen Eigenwertes (seltener); gerecht im Sinne der dem Menschen zuteil werdenden Gnade Gottes‹ (s. gerecht 10, gerechtigkeit 2); folglich: ›mit herausragenden Handlungs-, Leidens- und Seinsmöglichkeiten ausgestattet (häufiger)‹; vgl. macht 12. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch ,Didaxe‘. Luther, WA 47, 326, 12 (1537): wer in der brunst ist, der ist seiner Vernunfft nicht mechtig. Strauch, Par. anime int. 134, 23 (thür., 14. Jh.): di minniste gnade [...] ist auch mechtic alle sunde zu bewarne (›vor Sünde zu behüten‹). Jostes, Eckhart 67, 8 (14. Jh.): Daz ander punt der waren minne ist alzo, daz wir so mehtig und kreftig ietzund sein in uns, waz pein oder smacheit oder dekeiner hand leiden, daz uns zu kumt, daz wir daz wol mugen leiden durch die minne. Lemmer, Brant. Narrensch. 24, 15 (Basel 1494): Diogenes vil mÁhtiger was 兩 Wie wol sin bhusung was eyn faß. Wyss, o Luz. Ostersp. 371 (Luzern 1583): Wir sind so klug, mechtig vnd stoltz, 兩 Zuo essen von eim yeden holtz. Spechtler, Mönch v. Salzb. 47, 35 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.):

1571

mächtigen − mächtigkeit

mächtiger martrer, der wüest edler pawer, 兩 propheten maister. Steer, Schol. Gnadenl. 6, 25 (moobd., 15. Jh.): in diser gnad, wer sy hat, ist ein yeglicher mächtig vnd reich. Bauer, Imitatio Haller 63, 2 (tir., 1466): Es [...] ist niemant mechtiger vnd freier denn der, der alle irdische ding verlassen ist. Ebd. 55, 12: Wenn die genad gotes kchümet in den menschen, so würt er starkch vnd mechtig in allen dingen.

mächtigen, V. 1. ›sich e. S. (z. B. eines Gutes) bemächtigen; auf etwas nötigend zugreifen‹; vgl. mächtig 6. − Bdv.: vgl. annemen 3, anziehen 25, bemächtigen 1, einnemen, occupieren. Luther, WA 12, 103, 6 (1523): er [Gott] will beyde fasten und beten nachgelassen haben, ehe eyns [ehliche leutt] sich sollt seyns leybs mechtigen. Schmidt, UB Halberst. 4, 3222, 34 (omd., 1403/5): zo sollin wir [...] dem gnanten unserm hern von Halb. [...] darzu behulfin syn, daz wir uns solchir habe mechtigetin. Mitzschke, UB Bürgel 362, 12 (thür., 1425): das wir in die guter und zinse nicht halten noch sprechen wollen, nach uns der in keiner wise mechtigen.

2. ›sich unter Berufung auf jn. zu einer Annahme berechtigt sehen, sich hinsichtlich einer Entscheidung für befugt erklären, sich eine Handlung anmaßen, sich e. S. unterfangen, etw. auf sich nehmen; eigenmächtig für einen Abwesenden handeln‹; vgl. mächtig 6; 7. − Obd.; gehäuft berichtende Texte. − Bdv.: annemen 11, erbieten, unterwinden, vermögen. Chron. N¸rnb. 2, 134, 22 (nobd., 1449/50): dieselb unser botschaft hat sich auch do des genanten herrn von Heideck gemechtigt und auch offintlich erboten, daz er [...]. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 95, 26 (nobd., 1525): der ausschuß hat inen solhes abgelaint der maynung, sie konnten sich herr Zeysolfs lewt nit annemen, noch sich derselben mechtigen. Ebd. 491, 15 (1525): haben sie den vogt umb weyter anlehen ersucht, aber der vogt sich desselben on sondern befelh nit wöllen mechtigen. Bernoulli, Basler Chron. 6, 157, 18 (alem., 1531): und zËigten an, was sy mit denen von Solathurn gehandlet hetten, und ein abscheid mit inen gemacht, und sich beider stetten gemÁchtiget. Ebd. 505, 24: hat sych ein ersamer rath der selben beden botten gemechtiget und vermögen, das sy, [...], sampt den obgenanten eins raths verordneten verritten. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 530, 21 (halem., 1433): in diser sach, fu´r die er sich ouch gemechtiget und den u kouff uffgenomen hat. Gagliardi, Dok. Waldmann 1, 119, 11 (halem., 1478): damit si [zwei streitende Parteien] sich beider teilen zuo früntlichen tagen gemechtiget habent. Ebd. 1, 185, 19 (halem., 1477): und haben [...] gemein Eidgnossen sich des hern von Kran und aller siner hoptlüten [...] gemechtiget. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 2, 169, 12 (whalem., 1484): u´nsers gnedigen herren von Oesterrich rÁte, des gnaden wir Eidgnossen u´ns in diser sach mechtigent.

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Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 459, 11 (halem., 1508/16): [der Galiaz Viscunt] der nun die Eidgnossen ferhort und etlich artikel von dem küng bracht, deren sich die boten nüt mechtigen woltend. Langmantel, Schiltb. Reiseb. 11, 8 (oobd., n. 1427): das sich chainer ains solchen herren mächtigen solt oder unterwünt zu töten. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 151, 1 (noobd., 1539): eines abschids, des wolt er sich allain ausserthalb seines brudern, des kurfürsten, nit mechtigen. − Chron. N¸rnb. 2, 9, 18; Chron. Augsb. 2, 9, 18; Rwb 8, 1556; Vorarlb. Wb. 2, 324; Schw‰b. Wb. 4, 1369.

3. ›jn. zu etw. bevollmächtigen, ermächtigen‹; zu mächtig 8. − Bdv.: vormunden. − Wbg.: mächtigung 2. Opel, Spittendorf 47, 2 (osächs., um 1480): das wir den rath mechtigen wolten, den schos zu nemen in aller masse. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 220, 43 (thür., 1474): zcwene syner nagkebur, dy in sunderheyt von der gemeyne darczu gemechtiget sint. Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 228, 6 (halem., 1488): so haben wir gemechtiget yetzt bemeltenn herren Wolffgang [...], die sachen rechtlich adder fruntlich zu handellenn. − Opel, Spittendorf 1, 2; 282, 41; Rwb 8, 1555.

4. ›sich über etw. hinwegsetzen, etw. beiseite wischen‹. D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 18, 20 (Frankf./ M. 1626): jedoch finden wir es eben nicht so gantz vngereymbt / so man sich in der gebundenen Rede oder Poe¨sie der versetzung solcher WËrter mÁchtiget. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 1, 309, 20 (halem., 1508/16): doch mechtigotend sich ander Eidgenossen deren [fu´rwort ›Einwände‹] und empfiengend die loblich statt Basel in iren punt.

5.; 6., s. mächtig 6; 9. mächtigkeit, die; -π/−. 1. ›Allmacht Gottes (des Vaters und Sohnes), auch einer gottnahen Person (Marias) unter dem Aspekt der Uneingeschränktheit ihrer herrscherlichen (ebenso strafenden wie gerechten) Macht, ihrer Existenz und Erkennbarkeit in den Geschöpfen, der Gnadenhaftigkeit, wie sie sich in der Schöpfung und im Erlösungstod Christi zeigt‹; vereinzelt auch: ›Zeichen der Allmacht‹; vgl. mächtig 3. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: ere, glori 4, höhung, lob 4, majestät 1, tugend; vgl. almacht 1, macht 1, stärke 4; 5. − Synt.: die m. empfinden / sehen / verkünden, js. m. prüfen; die m. (Subj.) ane zal sein, (des todes) leid überwinden, in der creatur begriffen sein, in den geschöpfen

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mächtigung − mächtlich

wiederscheinen; etw. zeuge der m. sein; in js. (des herren) m. hoffen; die m. gottes (vielfach) / Jesu / des herren / schöpfers / Marias, der tugend; die götliche / heilige / höchste m.; der stul, der herre der m.; got mit seiner m. Kehrein, Lieder 14./15. Jh. 4, 6, 20 (14./15. Jh.): du [Maria] hast den pesten tail vnd wal 兩 dein mähtikhait [hier: ›Zeichen der Allmacht‹] ist gar an zal. Feudel, Evangelistar 132, 32 (omd., M. 14. Jh.): alse des menschen sun siczit uf den stulen syner mechtekeit, so sullit ir ouch syczen [...]. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 138 (Nürnb. 1517): Zudem hat er ein gezeugen gemacht ein iedes erschaffens wesen seiner mechtikeit. Klein, Oswald 95, 6 (oobd., um 1425): O rainer got, 兩 gnad, tugent hoch, der barmung tieffer gründe, 兩 [...] 兩 gewaltiklich ain herr der mächtikait. Hˆver, Bonaventura. Itin. A 32 (moobd., 2. H. 15. Jh.): dy höchsst me¨chtikhait, [...] des scheppffers dye wyderscheynt in den geschöppfften güetern. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 109, 10 (moobd., 1478/81): das die [veindt] sehen dein glorj, eer und grosse mächtigkait. Bauer, Imitatio Haller 49, 1 (tir., 1466): Es ist kchain creatur als kchlain vnd als schnöd, dar inn die mechtikchait gottes nicht pegriffen würt. − zu Dohna u. a., a. a. O. 19; Niewˆhner, Teichner 320, 121; Spechtler, Mönch v. Salzb. 26, 67; Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 91, 11; Klein, a. a. O. 111, 89; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 19, 28; 40, 20; Wackernell, Adt. Passionssp. Br. 3, 4231. − Vgl. ferner s. v. aufgang 13.

2., s. macht 3. 3. ›weltliche Macht, Herrschaft; Einfluß, Reichtum, Luxus, wie sie mit herrscherlicher Macht verbunden sind‹; zu mächtig 5. − Obd.; vielfach berichtende Texte. − Phras.: Eure königliche mächtigkeit (Anredeformel). − Bdv.: ere, rat, reichtum, überflus; vgl. herschaft 1. Gille u. a., M. Beheim 129, 98 (nobd., 2. H. 15. Jh.): [herren und frawen] wellen 兩 Als grass reichtum cze haben, 兩 mehtikait, miltung, uberflus. Chron. N¸rnb. 4, 202, 12 (nobd., 15. Jh.): das sie waffen wider uns nement vnd doch als welisch lant und alle ir mechtigkeit von unsern eltern gepaut ist worden. Chron. Strassb. 438, 4 (els., A. 15. Jh.): wan sü von der mehtikeit Anacleti des unrehten bobestes nüt möhtent zuo sant Peters kirche kumen. Chron. Augsb. 2, 375, 2 (schwäb., Hs. 16. Jh.): allergnädigister kunig und herre, wir tÈn ewer kuniglichen mächtikait ze wissen, daz [...]. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 38, 26 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Doch hye mues ich von ainer machtigkait aines males, das der hertzog [...] gab (schreiben). Ebd. 49, 26: so pitten sy [...] das dye Christen abnemen und vertilgt werden und das sie [Juden] an ir machtigkait kamen, als sy dann vor gewesen sind. Ebd. 127, 5: Wer der machtigkeit und vorgangs begertt auff erttreich, der vindt nyderung. Turmair 4, 227, 6

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(moobd., 1522/33): dieweil im [Salomon] lieber wär weishait, het nit umb lang leben, weder reichtum, ˆer noch mechtikait gepetten. Bauer, Imitatio Haller 101, 27 (tir., 1466): so würt denn vil nüczer sein die stetig geduldikchait denn die mechtikchait der ganczen welt.

4. ›von Gott gegebene, auf einer Analogisierung mit ihm beruhende Seinsmächtigkeit und Erkenntnisfähigkeit des Menschen oder der menschlichen Seele; Würde der Gotteskindschaft‹; vereinzelt: ›Macht, Fähigkeit der Seele‹ (ohne explizite theologische Anbindung); vgl. mächtig 11. − Wobd. / oobd.; meist Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: vgl. gnadenstand, gnadenwesen. Warnock, Pred. Paulis 5, 108 (önalem., 1490/4): daro umb ist er [mensch] daz buch, daz inen und ussen geschriben ist. Inwendig versta´t und kent er gott durch die mächtikaiten der sel, mit denen er och glichet gotz ha´t in im, won als gott ist ainfaltig im wesen, [...], also ist die sel des menschen ain ainfaltige substantz und hat dry creft, mit denen sy gott lert erkennen von innen. Ebd. 8, 51: also ist ain substantz und wesen der sel und dry mächtikaiten: memorativa, intellectiva et voluntativa, die gedachtnus, verstentnus und der will. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 2, 120 (schwäb., 1493/4): Plato [...] sprach: ,Es sint zwo MÁchtikaiten in der Sel, [...], das ist die Vernunft und der Will‘. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 99, 7 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Zu dem dritten mal von seinr habnuss in der wirdichait vnd mechtichait zü dem volche gots. Hˆver, Bonaventura. Itin. B 122 (moobd., 1450/60): mÈgen wir versten, das wir jn die gotleichen gehantfÈred werden durch mÁchtigkait vnd krefft der vernufftigen sel naturleich ein gepflanczt. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 26, 16 (tir., 1464): ir liebsten sün, ir sült eüch vmgürten mit der me¨chtikhait vnd seit gewaltige süne. − Warnock, a. a. O. 6, 98; 13, 36.

mächtigung, die. 1. ›vertragliche Regelung‹. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 321, 10 (halem., 1534/ 5): [das die ix ortt] jnen nochmals die jetzige / so vil millter dann vordrige / mechtigung der iij orten gfallen liessend.

2., s. mächtigen 3. 3. ›Vergewaltigung (einer Frau)‹. − Bdv.: vgl. angreifung 3, entblumung, gewaltigkeit 3, gewältigung, handtat 1, notzucht, notzwang. − Schw‰b. Wb. 4, 1369 (a. 1586). machtler, s. macht 9. mächtlich, Gradadv. ›sehr, überaus, äußerst‹; vgl. am ehesten macht 9. − Bdv.: vgl. ausbündig 2, 2banlich,

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mächtliches − mad

grob 4, gröslich 2, hart 15, mächtig 2, marter (Gradadv.). Wyss, Luz. Ostersp. 9400 (Luzern 1545): Aber will ich o kÈlem wyn, 兩 der lieber Ruwig sin, 兩 Mich hallten zuo guttem o doch mir so machtlich wol. thutt

mächtliches, s. macht 8. machtlos, Adj. 1. ›nicht rechtskräftig, ungültig‹; vgl. macht 8. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: vgl. 1 ab 6, los (Adj.) 5, quit, tot. Ggs.: vgl. mächtig 9. Schˆpper 91a (Dortm. 1550): Irritum. Nichtig vnwerd vnkrefftig machtloß krafftloß vnbÈndig von vnwirden vntÈglich. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 258, 37 (thür., 1474): der ußspruch ist darmete uffgelost unde machteloß worden. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 77, 10 (osächs., 1523/ 4): so ist die gabe an den anerstorben gutern machtlos. Ebd. 209, 14: Sulch clage, gein derselben gemein [...] mit zetergeschrei und unrecht furgenomen, ist nach gestalten sachen machtlos. Ebd. 728, 12: seintmal das das auflassen, das sie also getan haben, machtlos (ist). − Rwb 8, 1559. − Vgl. ferner s. v. icht 7.

2. ›kraftlos, schwach; ohnmächtig‹; vgl. macht 9. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: kraftlos, mat 1, müde, muglos, schwach, zitternd. − Wbg.: machtlosheit ›Unvermögen‹. Schˆpper 52a (Dortm. 1550): Imbecillis. Schwach vnstarck machtloß vnuermÈgig blËd lidweich ¶ luck vnuäst weich. Luther, WA 16, 208, 21 (1524): es kan einer kaum auff den beinen stehen, arm und bein werden zitternd und machtlose. Ebd. 17, 2, 428, 32 (1527): hab ich gesagt, o o [...] zubrochen werdas der mensch an disem Euangelio musse den [...] als ein mensch, der machtloß ist, und nichts vermag, der weder hende noch fÈsse kan regen. Ebd. 429, 4: Drumb mÈssen wir entweder auff jn [eckstein] fallen aus unserm unvermügen und machtloßheit, [...], oder [...]. Voc. inc. teut. p iiijr (Speyer um 1483/4): Machtlos der krefft inualid‘ a u˜ Debilis. Sachs 17, 516, 3 (Nürnb. 1563): Als die schildtkröt sach 兩 Sein weib so machtloß, hellig, schwach, 兩 Fragt er sein weib, was ihr gebrech. Bachmann, Morgant 261, 37 (halem., 1530): Gannellon mocht Arbalisters stych nu˘t uffenthan, wann er fiel zuo erden gantz machtloß. − Luther, WA 56, 403, 5; Sachs 17, 126, 7; Schweiz. Id. 3, 1431.

machtlosheit, s. machtlos 2. machtman, s. macht 7. machtschild, machtspruch, machtung, machtvolkommenheit, s. macht 6. machtweh, s. macht 11. machung, die. 1. ›als handwerkliche Tätigkeit gedachte Herstellung von etw.‹; zu machen 2.

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Steer, W. v. Herrenb. Büchl. 244 (pfälz., 1436): Der schriber jn machunge der buchstaben schribt nit zu der feder. Ders., Schol. Gnadenl. 3, M1, 184 (alem., M. 15. Jh.): Di gnad get von got [...] als das pild von dem kunst maister, nach dem pild inwendig, vnd nach der machung auswendig (auch zu 2 stellbar). Mayer, Folz. Meisterl. 13, 53 (nobd., v. 1496): Machung wirt ym [geist] nit zu gesacht, 兩 Sunder sein außgeistung endet sich nymer 兩 Ewig vom vater und vom sun. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 75, 130 (moobd., 1. H. 15. Jh.): wann er [werchman] ain sulleich werch hiet gemacht, daz do lang vnd wol vnd recht gelauffen mocht von seinr ersten wurchung vnd machung vnd pesserung wegen. − Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 439, 27; Vorarlb. Wb. 2, 324.

2. ›Kreation, als Tätigkeit Gottes gedachte Schaffung, Schöpfung von etw. / jm.‹; zu machen 3. − Bdv.: stift (der / die / das) 5; 7; vgl. anbegin 2, beschaffung, geschaft 3, geschäft 9, geschöpf 2, geschöpfde 2, handgetat 1. Plant u. a., Main. Naturl. 299rb, 1 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): od‘ der welte stift oder machu¯ge sol zerstorit werden. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 472, 27 (oobd., 1349/50): sam der mensch widerkümt mit der tauf und mit rew, daz er an daz ˆerst wesen kümt seiner ˆersten machung, die Adam enpfieng, alsoˆ [...]. − Voc. inc. teut. p iiir.

3.; 4.; 5.; 6.; 7., s. machen 4; 5; 11; 17; 18. macis, Genus? zu mhd. macis ›Muskatblüte‹, dies aus lat./griech. mastiche¯ o. ä. ›Harz des Mastixbaumes‹ (Georges 2, 834); s. auch Marzell 3, 263 s. v. mystica flagrans. ›Muskatblüte‹. − Obd. Chron. Augsb. 4, 434, 2 (schwäb., zu 1500): ain furdil negel 16 dug., prysill 9 dug., maci 13 dug. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 116, 18 (halem., 1479): kein pfund imber zuo Jenff gekouft umb 1 groß, [...] mÁtzis umb 30 groß. M¸ller, Welthandelsbr. 175, 13 (schwäb., 1506): Man gibt zu gabenliern von negl, nuß, maziß [5 ∏. Ebd. 303, 27 (1414/5): es ist not, das man all clain speceri als nuß, canel, mazis, negel [...] zu wag pring. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 371, 20 (oobd., 1349/50): iedoch haˆt daz wort macis noch ain ander bedäutung, wan ez haizt auch ain muskaˆtplüet. − Loose, Tuchers Haushaltb. 38, 2; 110, 25; Lehmann, Rezeptb. 216; M¸ller, a. a. O. 259, 11; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 196.

mad, das, vereinzelt die; -s (zu das)/-en, -er + Uml.; zu mhd. maˆde (die), maˆt (das); Trennung beider Bildungen im Frnhd. kaum möglich (s. Lexer 1, 2004; 2060). − Obd.; oft Rechts- und Wirtschaftstexte.

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madam − made

1. ›das Mähen, die Mäharbeit‹; als Metonymien: ›Haubreite beim Mähen‹; ›Schwade einer Haubreite‹; ›Ernte, Frucht‹; vgl. mäen 1. − Wbg.: madgeld (analog zu maderhaller), madlon, madtag ›1 Tag als frondienstliche Verpflichtung der Untertanen‹. Ettm¸ller, Heinr. v. Meißen 170, 15 (md., Hss. 14./ 15. Jh.): der künste maˆt 兩 haˆn ich gesaˆt. Schnelbˆgl, Salb. Karls IV. 65, 18 (nobd., 1366/8): auch gebent si zu madlon und zu snitlon 8 ß. Graf-Fuchs, Ämter Interl./ Unterseen 279, 23 (halem., 1515): der sol ein maden meyen und das hËw deren und in derschochen uffmachen. Maaler 281 (Zürich 1561): Mad / Die ordnung grases so der mÁder ab gemÁyt. Maden schlahen. Winter, Nöst. Weist. 3, 827, 3 (moobd., Hs. A. 15. Jh.): die Fronwisen ze Achleitten ze madgelt oder für das mad ein idleich gÈt ainn phenning. Turmair 1, 347, 1 (Nürnb. 1541): Es ist noch bei uns ein reim: wenn der man geˆt ins mad, soll das weib ligen im bad; damit angezeigt wirdt, das der man zwir elter soll sein dan das weib. Ders. 4, 78, 30 (moobd., 1522/33): ein gemain sprichwort ist: ,wen der man geˆt ins maˆd, sol das weib ligen im pad‘. Si mainten, die sich lang vor frauen hüetten [...], würden stark grat lang groß alt menlich leut. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 312, 18 (m/soobd., 16. Jh.): es soll auch ein jeder ambtman die holden fordern zu aller rabat, wo des noth beschiecht, es sei zu schnid, zu dem mad, zu paun, zu einfürn. Wopfner, Bauernkr. Tirol 130, 16 (tir., 1525): als au˘ch etlich nachpern daselbs in der Leu˘ta˘sch au˘f Slosperg ainem phleger ain madtag zu˘ ainer eeru˘ng than. − Niewˆhner, Teichner 714, 82; Winter, a. a. O. 1093, 23; Rwb 8, 1586; Schweiz. Id. 12, 920; Öst. Wb. 4, 290.

2. ›mähbares Grundstück, Wiese, Matte‹; vgl. mäen 1. − Phras.: die mad mus geschoren sein ›etw. muß erledigt werden‹. − Bdv.: 1 anger 1, wiese; vgl. 1matte. − Synt.: ein m. haben / brauchen / mäen / wässern; dem m. schaden zufügen, das vieh dem m. zu schaden gehen; an eine m. stossen, in dem m. raumen, einen ablas machen, in dem m. schaden geschehen, über ein m. einen steg legen; 1 tagwerk mads. Wbg.: madenflachs eine Pflanze (a. 1574), mädermatte (a. 1509), madland (a. 1645; Schweiz. Id. 4, 72), madstük, madvieh (Schweiz. Id. 1, 649), madwerk. Fuchs, Murner. Geuchmat 2508 (Basel 1519): Die o geschoren syn. Graf-Fuchs, Ämter Interl./ mat, die muß Unterseen 104, 20 (halem., 1401): als die egenanten heri [...], von Heinrich Zimerman gekouffet ren [...] ein madstucke, hant. Ebd. 126, 11 (1404): was aber einer medern under einem vierteil hetti, dz sol inn an siner alp nit irren. Ebd. 315, 24 (1527): was schadens daselbs innert fünff iaren in

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a den rechten medern geschehen. Rennefahrt, Recht Laupen 81, 32 (halem., 1499): weil wir in vergangnen jaren ettwas wyern im Forst gemacht und zu˚ buw derselben die by gelegnen gÈter, aker und mad ettlicher maß gebrucht und in solichem o Gehring, Würt. Ländl. [...] ettwas schaden zugefÈgt. Rechtsqu. 3, 35, 14 (schwäb., 1574): welcher one erlaubt über sein oder eins andern mad [...] ein steg legt, der kombt umb ein guldin. Ebd. 3, 677, 2 (1530): darzu hat (er) in all ösch vier jauckart ackers und an der Roth zway tagwerck mads, darauß gibt er der herrschaft 2 malter roggen, [...] zway gulden heugelt. Winter, Nöst. Weist. 1, 203, 20 (moobd., 1532): darumben nimpt unser herrschaft [...] den dritten schober hei und gibt der herr ins madt den dritten pfenning. Siegel u. a., Salzb. Taid. 221, 42; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 15, 27 (m/soobd., 1577): damit das schofviech und den madern auf den gepürgen nit zu schaden geht. − Rennefahrt, Statut. Saanen 40, 25; Unger, Richtes Stig 3, 20; Baumann, Bauernkr. Oberschw. 50, 30; Schw‰b. Wb. 4, 1375; Schweiz. Id. 4, 550. − Vgl. ferner s. v. äne, äuste, bau 5.

3. ein Flächenmaß (für Wiesengrundstücke)‹. − Wbg.: madwerk ›Fläche, die 1 Tagwerk des Mähers ausmacht‹. Geier, Stadtr. Überl. 121, 12 (nalem., A. 16. Jh.): sechs maden hörend darzuo [zum Besitz der Stadt]. Leisi, Thurg. UB 5, 279, 10 (halem., 1349): j wisblez zu Kuningen, des sint dri madan durch die wis abhin. Welti, Stadtr. Bern 579, 2 (halem., 1438): die hofmatten bi xii medren, vnd vi jucharten achers vff der Furen. Rennefahrt, Recht Laupen 197, 4 (halem., 1530/1): so sind alle gÈter, acher, matten, weiden, hËltzer und ander witinen zuo medern und jucherten [...] geschetzt. Vock, Urk. Hochst. Augsb. 391, 4 (schwäb., 1420): zwey tagwerk mads gelegen ußerhalb des Weckerlins ange. Wopfner, Bauernkr. Tirol 169, 14 (tir., 1525): des sey bey siben madwerch, u˘ngeferlichen zehen fu˘eder hew˘. − Schw‰b. Wb. 4, 1373.

4., s. mäen 2. madam, die; -π/-. ›Dame, vornehme Frau‹‹. − Seit 1580. − Bdv.: metze (zu letzterer Nuance). − Wbg.: mademoiselle. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1802 (oobd., 1607/11): Ein conterfett einer madama, meines erachten von haus Österreich. − Jones, French Borrowings 404; 405.

made, der, auch die; −/-n; meist pluralisch gebraucht. ›Made, wurmartig gedachte Insektenlarve‹; speziell wohl ›Fliegenlarve‹; teils wird sie gezüchtet (z. B. zu Köderzwecken), teils denkt man sie sich durch Urzeugung entstanden; nach den Belegen wachsen sie in Pflanzen, im Fleisch von Menschen und

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madechtig

Tieren, fressen diese schmarotzerhaft auf, werden aber auch zur Herstellung von Arznei genutzt; generell negative Bewertung, mehrfach zur drohenden Erinnerung an die Vergänglichkeit des Menschen inszeniert. − Bdv.: (fleisch)wurm. − Phras.: maden in den wunden (sein) ›Gegenteiliges bewirken; etw. verschlimmern‹. − Bdv.: vgl. geschmeis 1, gewürm 1. − Synt.: maden zeugen / finden / weren / fürkommen, zu pulver brennen (zu Heilzwecken), jm. unterstreuen, eichäpfel, der gaul maden haben; maden (Subj.) auskriechen, [wo] wachsen, jm. schaden, jn. fressen / verzeren, aus dem schaden (›aus den Wunden‹) gehen, in js. blut baden, [wohin, z. B. in das obst] kommen, [wo, z. B. im leib, in den füssen / händen] wachsen / wülen (z. B. im rücken), sich von js. ase beren; etw. vol maden stecken; käse zu maden werden; die maden des fleisches, in der wunde, im holz, in der erde; böse / dicke / greuliche / schädliche / weisse maden; die speise der maden. Wbg.: madechtig, maden ›verwesen und dadurch Maden hervorbringen‹, maden兩as (bdv.: madensak), madenbremse ›Schmeißfliege, Bremse‹, mad兩essig ›verwesend, einen Nährboden für Maden bildend‹, madenheilig (subst.), madenspeise, madenstank, madicht, madig. Luther, WA 10, 2, 237, 2 (1522): das sie auch fürgeben, der Christlich glawbe sey auß, wenn man yhn die warheit sagt und saltz yhn yhre garstrige wunden unnd maden [Satzbruch]. Ebd. 22, 338, 9 (1544): und [ich] fule eitel traurigkeit, schwermut [...], dazu tod, grab und maden, so mich verzeren sollen. Ebd. 41, 716, 13 (1536): etiam madenstanck unter seinen henden. Ebd. 47, 499, 28 (1528): das die falsschen heiligen predigen und Tuncher sein werden, Madenheiligen, Stanckheiligen da sein werden. Ebd. 49, 110, 32 (1540): Tantum historiam, non virtutem etiam. quam tribuunt iren stinckenden garstigen, madigen operibus. Ebd. 49, 313, 17 (1544): solch hand, zung, die nichts ist denn Madenspeise. Peil, Rollenhagen. Froschm. 73, 921 (Magdeb. 1608): Wie die Moren jhr todten essen / 兩 Die Hund mÈssen den Perser fressen / 兩 Das sie nicht faulen / vnd die maden / 兩 Jn jhrem fleisch / vnd blute baden. Ebd. 308, 1483: [WEr] niemand dient / sich nur dienen lest 兩 [...] 兩 Als die Maden im holtz vnd Erd / 兩 Jst durchaus keiner ehren werth. Ebd. 687, 5688: [DJe Krebs] Stiessn vnd bissen gleich wie Embsen / 兩 Die Raupen / vnd die Maden bremsen. Follan, Ortolf. Arzneib. 99, 22 (rib., 1398): Merke ouch dusze arczedye. Nym honich vnde reyneworme, maden, iclikes gelych, bernes to puluere. Beckers, Bauernpr. 56, 19 (Köln

1515/18): haint sy [eicheppel] fligen so is idt eyn myddell jair. haint sy maeden. bedudet eyn guyt jair. Froning, Alsf. Passionssp. 7541 (ohess., 1501 ff.): Wir sollen keuffen salben, [...] 兩 das ehem nicht moegen geschaden 兩 dye wyrme nach auch dye maden! Kurz, Waldis. Esopus 4, 100, 172 (Frankf. 1557): [sie, Welt, ist] Krumb, lam, beinbrÈchig, hackrig, hinckendt, 兩 Gar schwach, verwund, faul, madig, stinckend. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 7066 (omd., 1338): Wan nach dem tode sich dor in 兩 Der mensch verwandelt libes halb 兩 Rcht als eyn ander todes kalb, 兩 Dor uz bin der erden graden 兩 Wachsen wurme und maden. Ebd. 10010: dis mensch sun, dy made, 兩 Di sich von synem aze byrt 兩 Wan der mensch eyn lyche wirt. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 121, 23 (osächs., 1570/7): Wann [...] die sonne drauf scheinet, so wirdet es lebendig wie weisse maden mit schwarzen köpfen, umbkreucht und naget die beume. Ebd. 179, 4: Maden zu zeugen, so man an die angeln brauchet. So nim ein schwarz hun, [...], grabe es ehlentief 14 tage in den mist, so findest du maden. Stackmann u. a., Frauenlob 7, 26, 17 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): die ist recht als ein böser made, 兩 der in ein obez komt ungeladen. Gille u. a., M. Beheim 279, 61 (nobd., 2. H. 15. Jh.): der ruken was ir faul. 兩 darynn sah ich die maden wulen. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 701, 14 (Nürnb. 1631): O Fleisch, O Madenaß, 兩 O Fleisch, O Wasser Blaß. Menge, Laufenb. Reg. 2718 (Hs. 2nalem., um 14709): Die fu´chte [spyse] stopfet vnd madet. Adrian, Saelden Hort 4590 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): si [su´nd] zu´get scha´dlichen maden 兩 mu´sigen, satten hertzen. Sudhoff, Paracelsus 1, 113, 6 (um 1520): das alle die kes under den warmen sternen in der zeit augusti, julii rc zu würmen werden oder maden. Ebd. 5, 333, 29 (1527/ 8): Wo nun ein wunden ins fleisch geschlagen wird, primum est, das man die zufell were, nemlich tumorem, eiterung, maden. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 23 (Genf 1636): Der Mensch ist ein Speise der (maden). Ebd. 29: madechtig / oder madicht / voll maden. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 32, 2 (schwäb., 1471): Wellich gest nit geren bezalen, 兩 Vnd vsz dem käs manigen [= made?] schalen, [...] Der selben gest ich geren gerat! Rudolf, H. v. Langenstein. Erch. 50, 16 (moobd., 1393): Maden werdent dir vndergestreˆt, vnd dein hÈl, das werdent wÈrm. Deinhardt, Ross Artzney 247 (oobd., 1598): Wann ain gaul maden hat. [...] Holer, du solst gebunden stan, biß du haist die wirm oder maden auß dem schaden gan. In dem namen des Vatters. Mollay, Ofener Stadtr. 106, 7 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): süllen sy [fleischakerr] altzeit als das fleisch peschawen, [...] nicht stingkund noch mad ¨essig noch phinnod sey¨. − Luther, WA 12, 116, 24; 22, 373, 1; 32, 356, 7; 41, 374, 8; Peil, a. a. O. 335, 2321; Dedekind/Scheidt. Grob. 93, 20; Rohland, Schäden 474; Gille u. a., a. a. O. 164, 82; Sachs 14, 174, 11; 23, 203, 27; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 190; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 110, 21; Kummer, Erlauer Sp. 3, 46; Turmair 4, 732, 32; Bremer, Voc. opt. 46079; Schles. Wb. 2, 833. − Vgl. ferner s. v. afel.

madechtig, s. made.

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madelger − mader

madelger, das/die (?); Bw etymologisch und motivationell unsicher; Erklärungsversuch bei Marzell 2, 619: „durchbohrte Wurzel“; Schweiz. Id. 2, 501; Dwb 6, 2439 s. v. Modelgeer: ahd. PN. eine Pflanze, wohl ›Kreuzwurz, KreuzEnzian‹; Gw zu ger (der) 1. Maaler 293r (Zürich 1561): Modelgeer / Ein Kraut. Senecio. − Voc. Ex quo B 61; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232; Vorarlb. Wb. 2, 324; Schw‰b. Wb. 4, 1375.

mademoiselle, s. madam. maden, s. made. mäden, V. ›jm. die Erlösung (gedacht als Ernte) bringen‹; vgl. mad 4, mäen 2. − Wbg.: mädung ›Ernte‹. Ziesemer, Proph. Cranc Jer. 51, 33 (preuß., M. 14. Jh.): dy tochtir Babylonis ist als ein tenne, di zit irir trote kumit. noch eyn cleynis, so wirt di zit komin irir medunge [Wormser Proph. 1527 / Eck 1537 / Luther 1545: Erndte o. ä.]. H¸bner, Buch Daniel 8221 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Diz muz [= Gotis spize] er der engel schar 兩 Wil tragen, die da meden 兩 Dem menschen unde reden 兩 Vor en aldort daz beste [zum Verständnis s. auch s. v. mader, V. 8106 des vorliegenden Textes].

maden兩as, madenbremse, s. made. madenflachs, s. mad 2. madenheilig, s. made. madensak, der ; -saks/-säcke. ›Mensch unter dem Aspekt seiner Sündenverfallenheit, Sterblichkeit, Körperlichkeit; den Maden anheimgegebener menschlicher Körper, bloße Hülle des Menschen‹. − 16. Jh.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘. Schˆpper 114a (Dortm. 1550): ¶ Venter. Bauch wanst ¶ madensack. Luther, WA 10, 1, 2, 224, 36 (1526): Das kan denn nicht geschehen, hab ich gesagt, biß das der onmechtig madensack unnd der alte Adam gantz weg ist. Ebd. 17, 2, 458, 5 (1527): Wir armen madensecke, wenn wir kaum ayns hellers werdt gÈtter von Got haben, so blasen wir uns auff. Ebd. 22, 14, 9 (1544): so mag sie [Welt] euch [...] den faulen, stinckenden Madensack nemen. Ebd. 30, 3, 291, 11 (1531): Mir kÈnd [...] nicht bas geschehen, denn das mich die Papisten fressen, zurissen, zubissen, odder wie sie mir sonst aus dem sundlichen, tËdlichen madensack hËlffen. Ebd. 48, 205, 10 (1547): so lang wir in diesem Madensack wonen, sind wir Frembdlinge in des Teufels herberge. Stambaugh, Friede-

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rich. Saufft. 10, 24 (Frankf./O. 1557): Wir armen / elenden / sterblichen Madensecke / die wir gegen Gott nicht wol einer Fliegen / oder Eimsen zu vergleichen sein. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 621, 16 (nobd., 1525): Die herschaft er [Luther] vorhyn selbst verschmecht 兩 Schergen genent hat und henckers knecht 兩 Und den keyser ein madensack. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 696, 19 (Nürnb. 1631): O Fleisch du schnËder Madensack, 兩 Wie viel hastu betrogen. B‰chtold, N. Manuel. Barb. 160, 753 ( Zürich 1526): Das wär ein schmach göttlicher majestat, 兩 Dass ir ein armen madensack und unflat 兩 Weltind setzen glich nebend gott. Qu. Brasso´ 4, 222, 27 (siebenb., 1633): in Wahrheit sage ich. bin ich armer Madensack menschlicherweis [...] in Sünden entfangen. − Luther, WA 19, 326, 21; 21, 261, 34; 486, 20; 32, 173, 8; 339, 36; 48, 214, 6; Sachs 6, 146, 25; Trunz, Meyfart. Tub. Nov. 24, 8; Schweiz. Id. 2, 205; 7, 628.

madenspeise, madenstank s. made. 1

mader, der, auch mit Umlaut(schreibung): -ä-, -e-; -s/-π (+ Uml.). ›Mäher, mit Mäharbeit beauftragter Tagelöhner oder Fronarbeiter‹; offener Übergang zu ›Erntearbeiter, in der Ernte Tätiger‹; auch in obszöner Ütr.; zu mad 1. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: 1heuer, schnitter, schütter. − Synt.: einen m. (zu heu) haben; der m. werben, in das gras schlagen, die sense verschlagen, eine segense kaufen, die matte / wiese (ab)mäen, einen ablas machen; dem m. nar tragen ›bringen‹, [einen Betrag; z. B. sechs kreuzer] geben; der tod, ein m.; fresser: mader (Anspielung auf den Appetit des Mähers); der m. auf der matte, mit der sense; die besoldung des maders; dem m. zu lon [ein Betrag]. Wbg.: 2madergeld, maderhaller9 ›in Geld / Hellern verrechnete Abgabe als Ersatz für zu leistende Mäharbeit‹, maderlon, madertag ›1 Tag als frondienstliche Verpflichtung für die Untertanen‹ (a. 1492), madertagwan ›Tagwerk eines Mähers‹. Ziesemer, Proph. Cranc Am. 9, 13 (preuß., M. 14. Jh.): di tage kumen, [...], das der erer wirt begrifen den meder [Mentel 1466: schnitter, Var. 14772 : schitter] und der wyntreter den seher. H¸bner, Buch Daniel 8106 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Quam er so hin uf daz velt 兩 Tragende des libes nar 兩 Sinen medern. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 16, 5 (Hs. 2omd., 14659): Wir sein gotes hantgezeuge, herre Tot, ein rechte würkender meder. Fastnachtsp. 145, 7 (nürnb., v. 1486): Seit das er eur gras versmeht, 兩 Ich muß auch ein andern mader han, 兩 Der mir mein wiesen meen kan (hier obszön). Barack, Teufels Netz 10955 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): so gat darin

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mader − mäen

[in der Sense] menger schranz, 兩 So die ain mader tuot kouffen. Geier, Stadtr. Überl. 459, 5 (nalem., 1558): ainem mader soll man geben ain tag sechs kreutzer. Welti, Stadtr. Bern 579, 6 (halem., 1438): Item die meder im Kummin. Item die medertagwan, treffent bi xx 웩. Maaler 280v (Zürich 1561): MÁder / der die matten oder wisen abmÁyt. Fœnisex, Fœniseca, Falcarius. M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 284, 42 (schwäb., 1410/11): 4 lb. 16 ß mäderlon, die die Stainach mageten in dem hewet. Ebd. 285, 2: den mädern ze lon und für cost, daz sy zu Aw das mad mägeten. Hauber, UB Heiligkr. 2, 212, 22 (schwäb., 1438): ain pfund und vier schilling Haller gand jerlichs von den nach geschriben [...] gÈtern in maderhallern und dieselben Haller gebend die nach benanten gÈter. Niewˆhner, Teichner 600, 26 (Hs. 2moobd., 14699): Von manigerlay hant werchen [...] fresser: mader, 兩 fleischman: gib tewr, 兩 ckaltsmid: ungehewr, 兩 ckurssnar: pozzer palkch. Winter, Nöst. Weist. 4, 356, 34 (moobd., M. 15. Jh.): haben auch die herrn datz Abtstorff die robatt: [...] auch zu der zeit ein mader ain recher zum hei und ain wagen. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 355, 4 (moobd., 1473/8): Do warb er wie der mader auff der wisen, 兩 der mit seiner sensen pluemen / nider reret. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 313, 23 (m/soobd., 16. Jh.): Wan man mader hat [...] zu hey oder zu graimat, so [...]. Wopfner, Bauernkr. Tirol 100, 26 (tir., 1525): [sy] beswa˘rn sich der vogteyzins halben, als nemlich vogtfueder, herbststewr, madergelt, leyfersgelt, [...], so sy unntzher mit grosser mu˘e in E. F. D. ambthau˘s gen Botzen zinsen [...] mu˘ssen. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 6, 1 (mslow. inseldt., 1569): So ´soll eines Moders tag bes´oldung ´sein denar 16. − Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 234, 11; Niewˆhner, a. a. O. 586, 111; Bastian, Runtingerb. 2, 335, 24; Grothausmann, Stadtb. Karpfen 40, 5; Rwb 8, 1587; Pf‰lz. Wb. 4, 1117 f.; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 237; Öst. Wb. 4, 290. − Vgl. ferner s. v. ablas 1, 1 arn 1, aufschaz. 2

mader, s. marder. maderbalg, s. martbalg. madergeld, maderhaller, maderlon, s. mader. mädermatte, s. mad 2. mädern, s. mardern. madertag, madertagwan, s. mader. mad兩essig, s. made. madgeld, s. mad 1. madicht, madig, s. made. madland, s. mad 2. madlon, s. mad 1. madonna, die. ›Dame, vornehme Frau; leichtlebige Frau‹.

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Klett, J. v. Soest 4, 1237 (Hs. 2wmd., 1470/809): nach den erst kam dy recht madon, 兩 dy hat off yr eyn gulden kron. Lichtenstein, Lindener. Katzip. 51 (o. O. 1558): ein köchin, die war ein gute madunnen, die het der narr offt bey dem herren erwüscht. Ebd. 71: war die allte madunnen uber das klaine männlein her und wolte in einweyhen. PfeifferBelli, Murner. Kl. Schrr. 8, 41, 11 (Straßb. 1522): Das ich aber vnßer liebe fraw ie ein metzen oder ein madunnen genant hab / das hat nie kein man von mir ie gehËrt.

madpfenning, der ; −/auch -π. ›finanzieller Ablösebetrag für eine frondienstliche Mähverpflichtung‹; zu mad 1. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: schnitpfenning. UB ob der Enns 9, 577, 35 (moobd., 1379): da von e dınen vnd raichen schol, drey meczen waicz, [...] czwai mad phenning cze sand Michaels tag. Mell u. a., Steir. Taid. 2, 21 (m/soobd., E. 15. Jh.): mer volgen gein Flindsperg aus dem geugericht inhalt des urbarpuechs die madphening. Wopfner, Bauernkr. Tirol 99, 16 (tir., 1525): das wir in F. D. kellenambt [...] geben mu˘ssen von yedem hof ain sta˘r fu˘eter, zwo hennen, zehen ayr und vier kreu˘tzer madphenning. − Schnelbˆgl, Salb. Karls IV. 71, 14; Rwb 8, 1596.

madstük, s. mad 2. madtag, s. mad 1. mädung, s. mäden. madvieh, s. mad 2. madwerk, s. mad 3. mäen, V.; im Hiat vielfach -g-, -h-, -w-, auch -j-. 1. ›mähen‹ (als bäuerliche Tätigkeit); ›etw. (eine Feldfrucht) mit der Sichel oder Sense abhauen, mähen‹; mit verschobener Bezugsgröße: ›etw. (eine Fläche mit Feldfrüchten) abmähen‹; ütr. auch vom Wirken des Todes sowie von sexueller Tätigkeit gesagt; bei Ütr. auf einen Kampf mit effiziertem Obj. bezogen: ›(eine Lücke) schlagen‹. − Phras.: auf neuer wiese mäen (sexuell anzüglich). − Bdv. bzw. sachbereichszugehörig (Dienstleistungen): 1ackern, bauen 3, dörren, düngen, eggen, hauen 4, heuen, holzen, karren, robaten, roden, säen, schneiden, zäunen; vgl. abaugsten, abbringen 2, abfechsnen, abgemähen, abgewinnen 3, 1aren 2, aufbringen 4, bauen 5, behalten 12, herbsten. − Synt. oft absolut, z. B.: im sommer, im holz, mit der segense, in fron m.;

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mäer

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vielfach mit der Bezeichnung des abgemähten Gewächses als affiziertes Obj. d. S.: 2amahd / dornen / gras / heu / korn m.9; das gemäte kraut; mit verschobener Bezugsgröße als affiziertes Obj.: 2den anger / garten, eine matte / schar / trift / wiese (mehrfach), ein tagwerk, einen morgen m.9, als effiziertes Obj. (ütr.): 2einen ring m9.; subst.: das mäen erfüllen; die rechtsame des mäens. Wbg.: mäknecht, mälücke (Gw zu lücke 2).

Herrnwis, [...], die soll die gemain män, aufvohen vnd furen. − H¸bner, Buch Daniel 3100; Mon. Boica, NF. 1, 480, 18; Geier, Stadtr. Überl. 370, 23; Roder, Stadtr. Villingen 75, 20; ders., Hugs Vill. Chron. 110, 5; Rennefahrt, Recht Laupen 245, 20; Chron. Augsb. 2, 329, 4; Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 137, 34; M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 80, 20; 245, 20; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 11, 35; 313, 38; Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. 2, 1460; Bretholz, a. a. O. 363, 21; Schmitt, Ordo rerum 635, 21/23; Rwb 8, 1591; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 237. − Vgl. ferner s. v. abschlagen 11, amahd 1.

Peil, Rollenhagen. Froschm. 649, 4482 (Magdeb. 1608): Das bey dem Mordax viel FrËschreuter / 兩 Abfielen als gemeiete Kreuter. Bobertag, Schwänke 206, 5 (o O. 1555): Als aber der guto meder ein schar oder zwei gemeigt. Herborn u. a., Rechn. Jülich 110, 26 (rib./snfrk., 1398/9): Geg(even) den heuwemeche(r)n ind die dat heuwe meet zu yrme loyne 3 Malter. Fischer, Brun v. Schoneb. 119, 76 (md., Hs. um 1400): daz volk sol gan zu vilde sich pinen, 兩 arbeiten roden ackern segin, 兩 daz korn von dem stopfel megin. Kollnig, Weist. Schriesh. 245, 33 (rhfrk., 1642): im Herren Ried hat die gemeind helfen mähen und daß graß helfen dürr machen. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 42, 5 (Frankf./M. 1568): [Der Bauwer] Jch muß Ackern / Seen vnd Egn / 兩 Schneyden / Mehen / Heuwen dargegn. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 17, 29 (Hs. 2omd., 14659): Ist das rechte gemeet? Ist das rechte gericht? Geet so euer [des Todes] sengse hau für sich? Fastnachtsp. 749, 23 (nobd., 15. Jh.): Frau, habt ir uns verstanden recht, 兩 So gebt eur tochter ainn jungen knecht, 兩 Der wol auf neuer wisen kan meen. Koppitz, Trojanerkr. 19063 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Manig ring von im [Achiles] ward gemagtt, 兩 Als sy da werend gesagt 兩 All in den grünnen cle. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 414, 1 (halem., 1532): nit allein den ochsen zewarten, sonnder ouch zemägyen, zeholtzenn, zekarren. Maaler 281v (Zürich 1561): MÁyen / das heüw mit der sÁgesen abschnyden. Hauber, UB Heiligkr. 2, 373, 38 (schwäb., 1489): wisen im Ried die si uff die zyt unwetters halb nit hetten mogen mÁyen. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 105, 25 (schwäb., v. 1542): mußten die pauren dem bunt und apt wuder schweren [...], all versaumpt dienst, als dungen, mewen, hewen, zuachergaun, alles erfollen. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 505, 37 (schwäb., 1570): alle ösch-, meh-, [...] und hert-lucken sollen [...] zur zeit, da mans zu brauchen hat, [...] geofnet werden. Henisch 254 (Augsb. 1616): Bei nachts wenn es thawet / ist es am besten mehen. Grimm, Weisth. 6, 200, 43 (oobd., 1475 / 1568): die pauknecht und meenknecht sollen acht haben auf den paumeister. Winter, Nöst. Weist. 2, 777, 27 (moobd., 1488/1521): is sol auch kainer darin [holz] men zu heu vor sant Michels tag sunder mit erlaumnes des richter. Siegel u. a., Salzb. Taid. 290, 2 (smoobd., 1494): er sol auch dem wild [...] geleck legen oder driften mäen und aufsetzen. Zingerle, Inventare 128a, 2 (tir. / vorarlb., 1471): i segens, da man das mit me¨t. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 35, 2 (smähr. inseldt., 1414): die

2. ›ernten (was man gesät hat), die Ernte als Lohn und Ergebnis des Säens einfahren‹; oft in Sprichwörtern mit der Relation säen − mäen; als Synekdoche eng an 1 anschließbar; mehrfach ütr. im moraltheologischen Sinne. − Bdv.: ernten, scheunen, sameln, scheuern, schneiden. − Phras.: an etw. mäen ›an den Folgen von etw. schwer zu tragen haben‹. − Wbg.: mad 4, mäig ›reif, erntefähig‹ (a. 1433), mäkorn ›Mischkorn‹ (laut Vorarlb. Wb. 2, 332; a. 1310). Froning, Alsf. Passionssp. 1392 (ohess., 1501 ff.): der nu meet, der nummet den lon gewyß 兩 und samet die frucht yn das ewige leben. Kurz, Waldis. Esopus 1, 80, 4 (Frankf. 1557): Mit Weytzen thet ern [Acker] dick beseen, 兩 Auff das er mËcht dest reicher meen. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 6, 26 (osächs., 1343): Seht an daz gevogele des himelis, wan si seˆwin nicht noch meˆwin [Mentel 1466 / Eck 1537: schneiden; Luther 15221 : samlen; ders. 1534−15402 : schewren; ders. 1541: scheunen; ders. o 1545: erndten] noch samenen in di schune. Vetter, Pred. Taulers 356, 33 (els., 1359): Der sperlichen seiet, der meiet och krenklich. Fuchs, Murner. Geuchmat 3125 (Basel 1519): Eua hat ein somen geseyet, 兩 Dar an man noch vff erden meyet. Goedeke, Fischart. Schiff/Kehrab 824 (Straßb. 1576): Jeder wie er sait, maien soll. PfeifferBelli, Murner im Glaubensk. 2, 28, 9 (Luzern 1526): Erlos ist, der [...] meyet do er sein lebtag nie hyn geseyet hat. Sexauer, Schrr. in Kart. 252, 21 (nöst., v. 1450): Von östern vncz ins mad. sol er [zymerman] schintln vnd was sölhs dem haws notdurf ist züberaiten. Gereke, Seifrits Alex. 6666 (oobd., Hs. 1466): pey der nacht sy [amayssen] auch se¯entt, 兩 paidew sneydent und auch me¯ntt. − Rennefahrt, Zivilr. Bern 67, 19; Pfeiffer-Belli, a. a. O. 1, 5, 17; Winter, Nöst. Weist. 4, 428, 10; Pf‰lz. Wb. 2, 332.

mäer, der ; -s/-π. ›Mäher, mit Mäharbeit beauftragter Tagelöhner oder Frondienstleistender‹; zu mäen 1. − Bdv.: 1mader, schnitter. Ziesemer, Proph. Cranc Jer. 9, 22 (preuß., M. 14. Jh.): des menschen az wirt vallen als ein myst uf daz gevilde und

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mag

als eyn graz hynder des meheris [Froschauer 1530: mÁder ; Dietenberger 1534 / Luther 1545: Schnitter] rucke. Volkmar 225 (Danzig 1596): ein MÁder / Meher. Herborn u. a., Rechn. Jülich 98, 3 (rib./snfrk., 1398/9): hebben die meyer, snider, binde(r) [...] alrehande coste gehadt. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 94, 6 (schwäb., 1633): keinen bettler [...] bey straff 1 fl beherbergen, es wer denn, daz zur zeit der ernt einer schnitter oder meher haben müßte. − Roder, Hugs Vill. Chron. 44, 15; Schmitt, Ordo rerum 170, 23; Girgensohn, Berl. Kämmereirechn. 39; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 82.

mag, der ; -es/-e, auch -en; zu mhd. maˆc, maˆge ›Verwandter‹ (Lexer 1, 2001). 1. ›Blutsverwandter‹, und zwar eher der weitere als der engere; die Belege weisen auf das Feld kommunikativer, sozialer und rechtlicher Nähe, damit auf Vertrautheit, Verläßlichkeit, soziale und speziell rechtliche Sicherheit, in religiösem Kontext auch auf Verhaftung mit der Welt. − Phras.: freunde und / oder mage o. ä. − Bdv.: agnat, blutsfreund, ganerbe; vgl. bewandter, cognat, germage, gesippe (der) 1, gespinne, geteling 1, leibsfreund. − Synt.: den m. argwilligen / laden ›einladen‹ / essen / verderben / verlieren / schonen, [wohin] senden, in einen bischof weihen, die mage zu herzogen machen, die mage um gut verkaufen; der m. jm. tröstlich sein, die mage vor jm. hangen ›erhängt sein‹, arbeit um jn. dulden, eine malstat bauen, die mage hitzig sein, zu [...], der nächste m. den ferneren abtreiben; j. js. mag sein, der mensch gottes mag sein; j. den magen tot sein, dem mag etw. verkaufen / stiften (z. B. ein gut) / verleihen / zumessen, eine heimlichkeit ausbringen; etw. auf die mage verstehen ›beziehen‹, etw. auf die mage fällen, auf einen m. teidingen, bei magen sitzen, der vater für ›vor‹ die mage erben [›beerben‹], mit den magen vertragen, etw. mit den magen beweisen, um die magen meinen, das [...], von den magen versert werden, von keinem m. nichts empfangen, von den magen ein lügner erkannt werden, der eheman jn. (z. B. das weib) vor den magen erben ›beerben‹, vor den magen schweren, das [...], jn. zu magen rechen; der m. des ritters, des erschlagenen, von blut; der m. vater halb; der geborene / eigene / gesipte / liebe / nächste m.; der tod des mages. Wbg.: magelich ›verwandt‹, magin ›weibliche Blutsverwandte‹, magling

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›Stammverwandte(r)‹, magsverwandschaft, magverwand. v. Bunge, Livl. UB 4, 180, 42 (nrddt., 1397): welch man stirbet ane kinder, [...], des gut sal erben an den, der sin nester mog ist. Grosse, Schwabensp. 61a, 10 (Hs. 2nd./md., um 14109): so sal manz [das Alter einer juncvrowen] bewio sen mit dem vater vnde mid der muter vnde mid den vadderen vnde mid den magen. Thiele, Minner. II, 21, 68 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): dar zuo haut man sin magen, 兩 all dest o bas in ku´nfftiger zit, 兩 des man im gutten lomden git. Chron. Kˆln 2, 2r, 14 (Köln 1499): dairumb syn wyr gantz plichtich vnd verbonde˜ tzo danckberheyt vnsern vurfaren ind vnsere maegelichen vrunden vmb yre wailldait. Dat nuwe Boych 428, 29 (rib., 1396): do verdroigen zij vruntlich mit yren vrunden vnd maigen vnd partijen. Buch Weinsb. 1, 197, 1 (rib., um 1560): wilchs [lantrecht] vermochte, das der neigste bloitzfrunt und maig den fernern abtriben mogte. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 136, 26 (rhfrk., um 1435): er was Marckairs mag vnd hat yne ouch sere wert. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 29, 22 (hess., 14. Jh.): Keine suster inmuz von keineme irme mage noch von keime menschen nit intfain [...] noch brife noch scrift noch keine gabe nemen. Froning, Alsf. Passionssp. 1527 (ohess., 1501 ff.): diesser mentsche hot nicht gethaynn 兩 adder keyner syner maige. Bergmann, Ambr. Liederb. 161, 17 (Frankf. 1582): Wir können wol sitzen bei freunden und magen, 兩 wer leichtlich glaubt ist bald betrogen. Neumann, Rothe. Keuschh. 4393 (thür., 1. H. 15. Jh.): lassit uch beduncken das ir tot syd 兩 (dot meyne ich also uwern sunden, 兩 dot uwern magen unnd frunden). Ebd. 5002: der wille alletzyd din eigen ist, 兩 den vorkauffe ane falsche list, 兩 vorkauffe frunde unnd mage, 兩 erbe unnd gud! Thiele, Chron. Stolle 48, 14 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): do sante her do hen tyberium synen mog mit groseme volke. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 108, 31 (thür., 1474): daz hat er alles geerbeth unde gefellet uff syne nesten gesippten maghe. v. Tscharner, Md. Marco Polo 56, 10 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Von eyner bosin gewonheit der di do essin ire moge. Ermisch, Freib. Stadtr. 67, 2 (osächs., 1335): ab imant [...] bewise, daz he sin mac also na si gewest, daz he recht zu deme gute habe, deme sullen si iz geben. Ebd. 202, 27: Ist aber, daz ienre, [...], teidingen wil uffe sinen man [...], oder uf sinen gebornen mac oder uf sinen swager oder uf einen so getanen sinen vrunt, des mac he wol ledic sin. Palm, Veter Buoch 49, 11 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): Zv dem quam ein maget, die sagete, das er was ir mac von geburte. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 30, 11 (schles., 1357): dy selbe Moylstat zal her vnd sin Erben vnd mogen Buen, wenne sie wellen. Bihlmeyer, Seuse 512, 16 (alem., 14. Jh.): Die wernt ist ir [phariseyen] vol, vol, vol: swartz und rot, gra und bla, die umb ir gut und umb ir mage ader umb ir wyszheit ader ir kunst [...] meinen, das [...]. Vetter, Pred. Taulers 191, 26 (els., 1359): oder es si die welt und was der anhaft: guto oder ere, fru´nt oder moge. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 116, 29 (els., 1362): Do von wihete sant Remigius sinen mog Genebandum in einen bischof. Welti, Stadtr. Bern 49, 12 (halem., A. 14. Jh.): v wil, nemen einen kamph, ob er ioch nuti ob er sin logenon

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magazin − magd

mag were des erschlagenen. Graf-Fuchs, Ämter Interl./ Unterseen 117, 2 (halem., 1404): wa einem eman sin ewib stirbet, der eman der erbet allein sin ewip an allen iren beider urhab guto vor allen ire beider elichen kinden und vor andren magen. Koppitz, Trojanerkr. 17334 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Daz alle sine mage 兩 Umb in duldentt arrebaitt. P‰pke, Marienl. Wernher 2255 (halem., v. 1382): Din æltu´ mægin Elyzabeth 兩 Och ain sun enpfangen het. Kˆbler, Stattr. Fryburg 129, 35 (Basel 1520): das sol allein vff zwen die nechsten fründ / vnd vorab ob die von vatter vnd o magen vorhande˜ / vnd [...] in der nehe daby gesessen / mutter wern verstande˜. V. Anshelm. Berner Chron. 2, 410, 4 (halem., n. 1529): dass er [...] im darzuo den [...] kÈng Ferdinand in maugsverwandschaft gebracht. Ebd. 4, 232, 10: harzuo im sin maugverwanter der babst willig und richlich mit ablas, friheit, [...] so wit beholfen was, dass [...]. Voc. Ex quo, C 976 (schwäb., 15. Jh.): Contribules [...] maglinck. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 118, 4 (oschwäb., 1557): so i u gÈt, dui [...] gestift werdent den nehsten magen sont duselben i darnach vervallen sin. Österley, Steinhöwels ald frunden Äsop 225, 24 (Ulm 1474/82): daz der die mül haben solte, der von den fründen und magen der gröste lugner wurde erkennet. Drescher, Hartlieb. Caes. 123, 23 (moobd., 1456/67): darnach in kurczer zeitt wurden die frew´nd und magen der erstochen ritter so inhiczig, ir pluto zerechen. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 254, 15 (oobd., 1349/ 50): Pei dem hecht versteˆn ich all wüetreich, die arm läut frezzent und auch ir aigen maˆg und freunt verderbent. Niewˆhner, Teichner 295, 91 (Hs. 2moobd., 1360/709): er [mensch] ist gotez chint und mag 兩 und ein praut in voller wag. Munz, Füetrer. Persibein 329, 7 (moobd., 1478/ 84): das dises lasster gros 兩 mir vnd mein magen sol werden zu´e gemessen! Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 549, 4 (moobd., 1473/8): Anthenor het bestellet mag [in 578, 7 ist die Rede von kün ›Geschlecht‹] und man, 兩 damit er do wolt mordes han begunnen 兩 an Eneas. Piirainen, Stadtr. Sillein 58a, 22 (sslow. inseldt., 1378): dy erste sippe zal dy man czu magen rechent Bruder chint vnd swester chint in dem ellebogen sten dy andern. − Quint, Eckharts Trakt. 23, 13; Buch Weinsb. 5, 450, 18; Thiele, a. a. O. 2, 15, 157; Foltz, UB Friedb. 1, 186, 7; 453, 14; Wiese, UB Wetzlar 1, 584, 8; Wunderlich, Fierrabr. 120, 27; Froning, a. a. O. 522; K¸ther, UB Frauensee 137, 36; Grosch u. a., a. a. O. 78, 36; Feudel, Evangelistar 128, 20; Chron. Strassb. 705, 32; P‰pke, a. a. O. 10974; Graf-Fuchs, a. a. O. 114, 25; 474, 22; Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 98, 22; Sappler, H. Kaufringer 6, 143; Fichtner, a. a. O. 176, 4; Rwb 8, 1575 f.; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232. − Vgl. ferner s. v. angesicht 8, agnat.

2. ›Heiratsverwandter‹; in beiden Belegen keine sichere Interpretation möglich, Bedeutungsansatz deshalb fraglich. − Wbg.: magen (V., refl.) ›Anwendung finden‹ (von der Gesetzesbestimmung über mag-

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schaft; 16. Jh.), mageschwager (Regestbeleg; Schmidt, St. Kastorst. 2, 144, 13; a. 1445). Chron. N¸rnb. 3, 166, 4 (nobd., 1488): mit solicher antwort wolt er [kaiser] die sach zwischen den burggrafen (Var. mit Zusatz: seinem eiden), seinen magen (fehlt in Var.) und seinen getrewen Nurenbergern aufheben. Rennefahrt, Zivilr. Bern 22, 27 (halem., 1488): die eygnen luti nachmai len genotrengt, sich zuo irn gesipten frunden und magen mit o elichen banden zu beraten.

3. ›Untertan, Hintersasse‹; hier anschließbar: ›aufrührerischer Bursche‹. − Bdv.: vgl. s. v. arm (Adj.) 4, armleute, bauer 1. K¸ther, UB Frauensee 327, 17 (thür., 1515): unßernn schaden zcu warnen tage und nacht, wye daß eynem armen mag und undersaßen geburth seynem erbhern zcu thun. Voc. Ex quo, C 749 (oobd., 1468): Compos ein vngebunden bose geselle oder mag.

magazin, das, aus ital. magazzino, dies aus dem Arab. (Schulz / Basler 2, 52; Kluge/S. 2002, 588). ›Magazin, Lagerhaus‹. − Bdv.: balhaus, gehalthaus, gredhaus, lendehaus, grad (der) 1, halt (der) 2, leger 7, speicher. M¸ller, Welthandelsbr. 141, 14 (schwäb., 1506): und gat unkost darauf [...] den bastaxi von dem magason. Rauwolf. Raiß 27, 29 ([Lauingen] 1582): darinnen vil Magazsin oder Gewelber vnnd Kam˜ern neben einander [...] o zufinden. − Jones, French Borrowings 405.

magd, meid, die, mädlein (Suffix auch -le, -chen); -π (für die)/-e + Uml.; in 1 vielfach diminuiert. 1. ›Mädchen im Kindesalter (im Unterschied zum Buben, Jungen)‹; Grenzziehung zu 2 in Einzelfällen kaum möglich. − Bdv.: kind 1. Ggs.: bube 1, degenkind, knabe 1, knecht 1. − Synt.: die mägde ziehen ›erziehen‹, eine m. gebären; die mägde manbäre werden, mit tocken spielen, [eine Anzahl Jahre, z. B. 6, 10, 12 jare] alt sein; das erste kind eine m. werden; die junge / kleine m.; der vater, die schulmeisterin, die art der m. Wbg.: magdkind (Bw auch im Pl. mägde-) ›Mädchen‹ im Unterschied zu degenkind ›Junge‹, mägdlach (Kollektivum). Luther, WA 32, 441, 27 (1532): das sie [pfaffen] [...] mit den gulden spielen wie die megde mit den tocken. Ingen, Zesen. Ros. 76, 18 (Hamb. 1646): Da hÈpfen die eitelen wËrter nach ahrt der kleinen mÁgdlein. Grosse, Schwabensp. 68a, 34 (Hs. 2nd./md., um 14109): Sin se degen

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magd

kint, so sal man ire zal rieten zuo meiste en vnde vierzich wochen [...] § den megeden kint den eynis min werzich wochen. [...] (es geht um rechtliche Beschränkungen für Kinder, die vor der rechten zit oder zuo spate geboren sind: 39 Wochen als Bemessungsgrenze für den Ausschluß von der väterlichen Erbschaft). Ebd. 144a, 3: daz erste o kint, daz da wirt, daz ist des gotteshuses, iz si mait oder in degen kint. Chron. Kˆln 2, 9r, 29 (Köln 1499): Want Eua gebaire in eynre geburt eyn knechtgyn vnd ey meydgyn. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 8, 50 (osächs., 1343): her antworte dem vatere der magit: [...] „gloube allein! und si wirt gesunt.“ v. Tscharner, Md. Marco Polo 68, 6 (osächs., 2. H. 14. Jh.): abir di meyde di czien si [Bewohner einer Insel], bis das si manber werdin. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 71, 17 (nwböhm., 1570): hab .2. kinder 1 pueben vnd Ein Meidl ausserhalb seiner STief kinder. Kˆbler, Ref. Nürnberg 224, 18 (Nürnb. 1484): alles Jn vËlligem allter. als. so die knaben vierzehe˜ Jar vn˜ die maydlein zwelf Jar alt sein. Chron. Augsb. 1, 280, 21 (schwäb., E. 15. Jh.): Was sie [GËthy] kinder genasen, was knäblach waren, die totens und die mägtlach behieltens. Ebd. 2, 315, 2 (Hs. 16. Jh.): ain kind, ain medlin, was bei 6 oder 7 jaren alt, [...], das kind hett nit mer dann 13 gross in ainem seckelin, darumb es ermürt ward. Ebd. 7, 256, 6 (zu 1551): Es will auch ain ersamer rathe nit gestatten, daß ainicher teutscher schÈlmaister kneblin und medlin beiainander habe. Bischoff, Steir. Landr. 243 (m/soobd., Hs. v. 1425): [Von vnzeitigen khinden.] Die zwayer hannde chind, der die rechtvertigen wil, sind sie degen chind, so sol man ir zal raitten zum mynnisten aine vnd vıˆrczig wochen; die ain wochen ist zu gnad darczue geseczt; der mayd chind an aine vıˆrczigt wochen. Gereke, Seifrits Alex. 8460 (oobd., Hs. 1466): ob das chind das sy [Roxane] gepiert 兩 aber ain maydlein wirt, 兩 so chiest al mit all 兩 wer euch zu chaiser wol geval! Qu. Brasso´ 4, 230, 1 (siebenb., 1645): welcher mit jungen Mädlein von 9 oder 10 Jahren gräuliche Unzucht [...] getrieben. − Luther, WA Br. 6, 146, 7; Peil, Rollenhagen. Froschm. 610, 3286/9; Ska´ la, a. a. O. 14, 10; 33, 8; Chron. N¸rnb. 5, 596, 29; Sudhoff, Paracelsus 9, 201, 2; Schib, H. Stockar 1065, 4.

2. ›junge weibliche Person über dem Kindesalter (s. 1)‹; die Belege zeigen die magd (in hier besprochenem Sinn) als mögliche Gehilfin in wirtschaftlichen Situationen, als Teilhaberin an der Rechtsordnung, als Bezugsperson von Erzählungen, unter religiösen, moraldidaktischen und (oft) unter erotischen / sexuellen Aspekten, speziell unter dem Gesichtspunkt der von ihr erwarteten Unberührtheit, der herrschenden Keuschheitsmoral und deren Übertretungen. − Bdv.: dirne, jungfrau 2, tochter. − Synt.: die / eine m. aufziehen / finden / sehen / nemen / notzogen, lieb haben, arbeiten lassen, mit

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der rute schrecken, zu jm. schicken, die mägde auf dem handwerk fordern, teuer machen; die / eine m. (Subj.) klagen / schreien / fürwitzen, jm. behagen / gefallen, einen man nemen, keinem knaben versagen, die mägde frech daussen sein, auf der gasse singen, mit den gesellen zechen, in furcht stehen bleiben; als eine m. gebildet sein; einer m. ein kind befelen, den mägden eine gabe, urlaub geben; etw. (das ein) mit den mägden freundschaft haben, sonder mägde [keine] freude haben, von der m. ein kind bekommen, jn. zu der m. füren; die andächtige / elende / fremde / frische / fromme / fürwitzige / gemeine (abwertend) / junge (mehrfach) / ledige / reine / schöne / stolze m., die törichten mägde. − Wbg.: mehrfach diminuiert: mägdlein. Schˆpper 5a (Dortm. 1550): Virgo. Jungfraw magt meidlin. Luther, WA 41, 361, 27 (1555): 1 [...] verworffen aschenbrodel [...] wie ein elends meidlein war. Ebd. 49, 92, 31 (1540): sic ziehet man ein Megdlin auff, lernets kochen, haushalten, ut fiat mater familias. Peil, Rollenhagen. Froschm. 126, 2567 (Magdeb. 1608): Das diß PfÁfflein fÈr zweyen Jahren / 兩 Ein Bawrs MÁgdlein zu sich genommen / 兩 Von derselben ein Kind bekommen. Mieder, Lehmann. Flor. 145a, 12 (Lübeck 1639): Nimt ein Alter ein junges MÁgdlein / so geht jhm hernach sehr viel an seinen Gedancken ab. Quint, Eckharts Trakt. 115, 17 (E. 13./ A. 14. Jh.): Ouch sprichet der selbe meister [...], daz diz ein mit nihte eigenlıˆcher vriuntschaft enhaˆt dan mit juncvrouwen oder megeden. Froning, Alsf. Passionssp. 942 (ohess., 1501 ff.): es enmagk dach nymmants freyde gehaynn 兩 sonder meyde und junge wybe! Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 417, 31 (hess., 1597): daß nun hinfurther die maister keine frembde mägdlin mehr, sondern nur hiesige burgers tochter [...] uf dem handtwerckh fordern. Mone, Adt. Schausp. 2, 602 (Hs. 2omd., 13919): wilch mayt da hynden blybet, 兩 dye werff ich da neder 兩 und erswinge er ir geveder. Jahr, H. v. Mügeln 896 (omd., Hs. 1463): Hie urloub unde gabe glich 兩 den meiden gap der keiser rich [meide stehen für die freien Künste]. Sachs 20, 297, 9 (Nürnb. 1563): Welliche statt [Magdenburg] doch an dem ent 兩 Nach einer göttin [Venus] war genendt, 兩 Welche stund in dem tempel dar, 兩 Weil die landschafft noch heidnisch war, 兩 Gebildet als ein maget fron. o Bihlmeyer, Seuse 406, 11 (alem., 14. Jh.): [die] suhtent v und funden ein usgenomen ime [David] eine gemeite jungfrowe; schËn megetin, his Abisag. Rieder, Gottesfr. 139, 2 (els., v den dorehten megeden beschach umb ire 1390/1402): also och o v des bru´tegomes. Gilslafheit und unahtsamkeit der zukunft man, Agricola. Sprichw. 1, 196, 25 (Hagenau 1534): Fürwitz macht die megede tewer. Nott halben blib manche magd wol eyne magd / und behielt yhren ma(g)dthumb wol / wo sie nicht fürwitzte. Barack, Zim. Chron. 2, 606, 18 (schwäb., M. 16. Jh.): er [pfaff] het ainer magt im schloss ain kindt, wie man sagt, bevolchen. Chron. Augsb. 7, 490,

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40 (schwäb., zu 1563/4): wie zwo maid gar frech daußen weren, die mit jungen gesellen zÈ nacht zechten. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 335, 20 (oobd., 1349/50): wenn man den ölpaum pelzet und ablist, soˆ schickent die Kriechen raineu kint und maigd zuo den werken. Klein, Oswald 20, 88 (oobd., 1415): des müss ich ellends magatein 兩 auss lieben slossen strecken. Ebd. 42, 79 (1408?): raide, ir maide, sücht der stauden winckel. Weber, Füetrer. Poyt. 115, 6 (moobd., 1478/84): Er sach in enngels weys ain magdt, 兩 von der er mynne wunnden vil entpfinnge. Turmair 1, 258, 37 (moobd., 1528): die [lieder] haben darnach man und weib, [...], auch die kinder und jungen maid auf der gassen [...] müessen singen. Winter, Nöst. Weist. 2, 459, 5 (moobd., 17. Jh.): wann alhie die jugent ihre vogtbaren jar erweisen sollen, mueß der knab auf fünfundzwainzig und daß mädel achtzöhen jahr erweisen. Kummer, Erlauer Sp. 4, 228 (m/ soobd., 1400/40): Herr, ich pin gewesen ein schone maid, 兩 chainem chnaben hab ich nie versait. − Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 1, 2; Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 45, 15; Kurz, Waldis. Esopus 4, 22, 19; 28, 53; v. Keller, Ayrer. Dramen 30002, 2; Nyberg, Birgittenkl. 2, 259, 12; Klein, a. a. O. 34, 12; 75, 34; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 100, 6; Munz, Füetrer. Persibein 377, 5; Weber, a. a. O. 10, 3; Turmair 4, 78, 23; Siegel u. a., Salzb. Taid. 13, 23; Piirainen, Stadtr. Sillein 54b, 34; 137b, 31; Schweiz. Id. 4, 78. − Vgl. ferner s. v. apparenz 1.

3. ›Magd, eine Frau, die gegen Lohn, in untergeordneter Stellung, oft auf Zeit im Haushalt, in der Landwirtschaft, auch im Handwerk tätig ist, als treu wie als widerborstig erachtete Gehilfin, Dienerin, Dienstbote‹; vereinzelt auf Männer bezogen; relativ breites Spektrum der persönlichen, rechtlichen, sozialen Abhängigkeit und Situation; teils religiös überhöht und / oder ütr., dann auch: ›Frau, die sich einer höheren Macht (Gott, dem Teufel) ergeben fühlt und sich als deren Dienerin versteht bzw. als solche angesehen und behandelt wird‹. − Bdv.: arbeiterin, dienerin, dirne, eigenweib, 2diensbote, tagloner, knecht9 (für die männliche Person). Ggs.: frau, meistersche. − Synt.: eine m. haben / annemen / (ab)dingen / mieten, zur arbeit anhalten / wecken, mit im (refl.) nemen, in demütigem gewand finden, die hausfrau und die mägde vereinen; j. eine m., js. m. sein, als eine m. dienen (z. B. einer frauen); die m. treu sein, in js. dienst stehen, unter dem rind sitzen, jm. (Dat.obj.) warten, der siechen pflegen, früh aufstehen, hinter den hecken sitzen, aus dem ziel gehen ›weglaufen‹, die frau ab dem

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stule zucken; den mägden kein ausgeläufte gestatten; die meistersche (nicht) ane m. sein (sollen), ein aufmerken auf die m. haben, die m. des herren, teufels, gottes; die m. bei einem meister ; die faule / gedingte / leibeigene / verlaufene m. Wbg.: mägdekammer (auch magd-; so 1531), mägdisch ›widerborstig, aufmüpfig‹ (wie es den Angehörigen der Unterschicht zugeschrieben wird), magdrecht ›durch die soziale Ordnung gesicherter Status der magd im Hause‹ (bdv.: magdschaft), magdschaft ›durch die religiöse Ordnung gesicherter Status der magd in der Welt‹ (bdv.: magdrecht), magdstand (entsprechend), magdvolk 1. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 97, 6 (o. O. 1517): Jch [Maria] bin deß herren dienerin vnd maget 兩 Mein will in gott ist. Luther, WA 9, 538, 9 (1520): das dis kindt von einer armen [...] magtt soll werden ein kunig der werltt (auch zu 4 und 5 stellbar). Ebd. 30, 2, 572, 31 (1530): nichts deste weniger ist Frawen stand, Knecht und Magd stand und alle ampt gleich wol Gottes stifft. Ebd. 32, 319, 16 (1530/ 32): man recht und frawen recht, kinds recht, knechts und magd recht jm hausse, burgerrecht oddrr stadrecht jm lande. Ebd. 34, 1, 355, 11 (1531): nec tu widderschilt und widderbell, quia non est Christlich. Es mag wol knechtisch, magtisch, Turkisch und Tatterisch. Ebd. 46, 617, 6 (1537/38): so erhelt er [der Gleubige] gleichwol in der welt die Vaterschafft, Mutterschafft, Kinderschafft, Herrschafft, Knechtschafft und Magdschafft. Ebd. 52, 686, 29 (1544): das das jung Magdvolck [...] uber auß frech ist, und flucht bißweylen wie die Landsknecht. Pfefferl, Weigel. Ges. 33, 1 (Hamb. 1646): Darumb folget aus dem höchsten vnd grösten geboth, [...], das Vierdte gegen dem Menschen er sey [...] Herr oder Knecht, fraw oder Magt. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 1952 (rib., 1444): De meistersse en soele nyet sijn aen maget. Buch Weinsb. 2, 139, 18 (rib., 1565): in einer nacht hat man [...] bei die 63 widderdeufer gefangen, man, frauen, knecht, mede, kinder. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 2, 223 (hess., a. 1510): Wann auch drittens ein gesell, arbeiter oder magd bey einem meister sich ein zeitlang zu arbeiten versprochen, soll er [...] Österley, Kirchhof. Wendunmuth 3, 163, 27 (Frankf. 1602): Man sagt von einer edlen frawen, wenn dieselbig ein magd gemietet, hette sie ir ein besen in den weg geworffen. Ebd. 4, 374, 28 (1603): eines reichen meyers nachgelaßene witwe, die, so die hanen [...] die stunden anmeldeten, ihre mägd zur arbeit weckt, [...]. Darmit die mägd übel zufrieden. Ebd. 375, 14: Hie schaw an diese faule megd! Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 272a, 11 (Frankf./M. 1649): Dann da heist man sie Halsstarrige / [...] / stumme Krotten / vnnd Leibeygene Teuffels mÁgde. K¸ther, UB Frauensee 213, 26 (thür., 1441): dem gesinde havemeister kache meydden knechten [...] 4 sex. Ebd. 410, 14: 1 schlos an der megdkamer. Thiele, Chron. Stolle 100, 19 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): unnd also sy wol czwolff tage gelag

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in der krangkeit, do worte or eyne orer meyde. Sachs 16, 142, 15 (Nürnb. 1559): Die knecht und mayde allesamen 兩 Sollen sein irer herrschafft trew. Bell, G. Hager 635, 4, 3 (nobd., 1603): Er ver lies Haus, hoff, alles schlecht, 兩 nam mit jm weib vnd kinde, 兩 aiden, dar zu meid vnde knecht 兩 Sein ganczes haus gesinde. v. Keller, Ayrer. Dramen 27, 99, 2 (Nürnb. 1610/8): Ancilla, die Magd, geht ein vnnd sagt: [...]. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 32, 20 (els., 1362): Do entwurte Lucia: „Ich bin eine maget gottes“. Rieder, St. Georg. Pred. 323, 16 (Hs. 2önalem., 13879): Daz ding daz daz ertrich nit mag verdoln, daz daz mÁgeti die o vrowen ab dem stule zuket. Kˆbler, Stattr. Fryburg 98, 29 (Basel 1520): Wir wËllen vnd ordnen / welcher tagloner / knecht / oder mÁgt dingte / vnd im die on vrsach vß dem zil giengen / [...] / So mag er sy durch die Stattknecht handhaben. Fuchs, Murner. Geuchmat 2591 (Basel 1519): Er [Abo raham] hatt ein magt vnd ein zur ee. Vock, Urk. Hochst. Augsb. 284, 38 (schwäb., 1392): ein mÁd und dienerin, diu der siechen und kranker lu´t phlegen und uzwarten soll. Heydn. maister 37v, 11 (Augsb. 1490): Diser gebeüt vns ey¨nikeit zehalten / der sich selb / sein haußfrau vnd sein mÁget in ey¨m hause nit verainen mag. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 217, 13 (schwäb., 1495): welche [...] knecht oder mÁgt ausser andern gebietten, [...] dingen wËllen, daz sy [...]. Ebd. 798, 41 (1610): es soll auch verpotten sein [...], daß knecht und mägd inn- oder usserhalb der flecken hinder den heggen, [...] zusamen sitzen. Henisch 144 (Augsb. 1616): Der Frawenaug kochen wol / der Magd augen nimmermehr. Piirainen, Stadtr. Kremnitz 53 (mslow. inseldt., 1537): die Eltern, [...], sollen auff Ihre khinder, gest, hausgesind Magt vnnd Knecht Ein getreues auffmerkhe(n) tragen. − Luther, WA 28, 521, 15; Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 32, 30; Bindewald, Texte schles. Kanzl. 43, 11, 1; Dienes, E. Gros. Witwenb. 79, 21; Kˆbler, Ref. Nürnberg 67, 24; Vetter, Pred. Taulers 408, 19; Chron. Augsb. 8, 132, 6; 9, 89, 8; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 113, 4; Bremer, Voc. opt. 41086/92; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 34; Rwb 8, 1568; Pf‰lz. Wb. 4, 1107. − Vgl. ferner s. v. abdingen 1, augst 2, ausgeläufte.

4. ›Jungfrau, weibliche Person, die − oft ufgrund moralischer Überhöhung der Jungfräulichkeit und religiös bedingter Verweigerungshaltung − keinen Sexualverkehr hatte; in 1 Beleg (s. u. Chron. Straßb.) auf eine männliche Person ütr. − Oft Texte der Sinnwelt ‚Religion‘, auch didaktische sowie berichtende Texte. − Phras.: die 11000 mägde nach der Legende der Ursula, der Anführerin der 11000 Märtyrer-Jungfrauen (s. LThK 10, 578 f.). − Bdv.: jungfrau 3. − Synt.: eine m. ansprechen / überkommen (›überreden‹) / in ein feuer werfen, das feuer die m. nicht verseren, die m. mit der mägde krone krönen,

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die m. wieder heim gehen lassen, jn. magd lassen; die m. (Subj.) ein weib werden, j. (nicht) m. sein, eine mutter m. bleiben, j. (er und sie) m. bleiben, die m. [nicht] gebären, seligkeit besitzen; aus der m. ein weib machen, die tochter vor m. geben; eine reine m.; der lon, die krone der mägde. Wbg.: 2mägdeabend, mägdetag9 ›Tag der 11000 Jungfrauen (22. Oktober)‹, mägdeschänder, mägdewachs ›helles Wachs frisch gebauter Waben, die weder mit Honig noch mit den Eiern der Königin in Berührung kamen und daher noch gleichsam jungfräulich sind‹ (so Rohland, s. u., nach Keil [mit falschem Verweis]), magdvolk 2, meidheit. Schˆpper 5a (Dortm. 1550): Virgo. Jungfraw magt meidlin. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 19068 (preuß., um 1330/40): als sıˆ darnaˆch 兩 mit geswornem eide jach, 兩 und mit meitlichim zeichen, 兩 dıˆ man sıˆ sach reichin, 兩 sich offinlich berumzeˆte, 兩 daz er sıˆ nıˆ intbluˆmete. Luther, WA 11, 323, 2 (1523): magd heyst eygenlich ein jung weybs bild, das manbar, tzur frucht tuchtig und unverruckt ist, das es nicht alleyn die jungfrawschafft, szondern auch die jugent und fruchtbarn leyb mit begreyffe. Ebd. 15, 478, 5 (1524): nos non copulatas vocamus magdvolck. Ebd. 26, 533, 11 (1528): [dass sie] schweigen die (von den ...) aller schendlichsten hurntreiber [...] und frawen reuber und megdeschender, so sie selbst [...] sind. Chron. Kˆln 2, 80, 11 (rib., 1393): in den selven jaren up der 11000 mechde avent reden de oversten van Collen [...] vur de Dicke. Luther, WA 30, 3, 216, 33 (1530): Wird aber eine [Ehe] daraus gemacht, und die magd ein weib wird, soltu sie nu, weil sie verderbet ist [...], nicht widder geben. Leman, Kulm. Recht 1, 5, 23 (Thorn 1584): Vnde gebit eyn vatir syne tachtir hin vor mayt. vnd der man [...] spricht adir gyt. sy were nicht mayt. vnd lest sy wedir heym gan [...]. Vnd spricht also. Ich wenete das sy were eyne mayt. Rieder, o Gottesfr. 7, 37 (els., 1382/91): do buwete er [Ruleman v Merswin] och eine nuwe cappelle in ere der eilf tusent megede. v Ebd. 78, 28 (1377): reine juncfowen libes und lebendes, also daz su´ vor gotte nu sint und su´llent besitzen der megde lon iemer ewiclich. Vetter, Pred. Taulers 11, 17 (els., E. 14. Jh.): Ein maget betu´tet alse vil als daz uzwert unfruhber ist und von innan vil fru´hte hat. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 43, 13 (els., 1362): wenne es nie gehËrt wart das eine o maget gebere, vnd ein muter maget blibe. Rohland, Schäden, S. 477 (nalem./schwäb., 1400/33): nim ... j lot megd wachs, so nüwer, so besser. Chron. Strassb. 426, 22 (els., A. 15. Jh.): er [herzoge von Peygern] hette eine frowe [...], und bleip er und sü reyne maget untz an irer beider dot. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 203, 5 (Straßb. 1466): dise hab ich enpfangen zuo eim weip ich gieng ein zuo ir vnd fande sy nit ein maide [Luther 1545, 5. Mose 22, 15: Jungfraw], ir o vatter vnd die mutter die nemen sy vnd tragent mit in die zaichen ir maitheit [Luther 1545: iungfrawschafft]. Wiessner, Wittenw. Ring 2209 (ohalem., 1400/08): Sei [Mät-

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zel] sprach: ‚Nu pin ich nicht ein mait’. Ebd. 2247: Wilt du dannocht sicher sein, 兩 So zappel vast und dar zuo grein! 兩 So wänt er erst, du seist ein meit. Pfaff, Tristrant 134, 1 (Augsb. 1498): ir habent mein schwester magt gelassen uns o allen zuschmahe, und wir doch wol wissent, das sy als edel [...] ist, als ir. Dirr, Münchner Stadtr. 136, 20 (moobd., 1330): an dem eritag nach der Aindleftausent Maggt tag. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 19, 17 (moobd., 1478/ 81): Es wurden auch der zeit getött die aindlif tausent mayd zu Kölen von dem künig Etzel. − Chron. Mainz 1, 293, 34; Chron. N¸rnb. 4, 294, 22; Williams u. a., a. a. O. 136, 31; 137, 32 f.; Rieder, a. a. O. 80, 6; Vetter, Schw. zu Töß 30, 22, 28; Sappler, H. Kaufringer 14, 235; Chron. Augsb. 1, 290, 3; 2, 120, Anm. 1; Dirr, a. a. O. 104, 1; Wiessner, a. a. O. 3405.

5. ›Jungfrau Maria, Mutter Jesu Christi‹; im Mittelpunkt der Belege stehen die unbefleckte Empfängnis Christi, die Geburt Jesu, das Geheimnis der Jungfräulichkeit, das Lob Marias; mehrfach Tendenz zur Verschiebung der Heilstat Christi auf Maria bzw. auf die Teilhabe Marias an der Heilstat; Darstellung in teils kühnen erotischen Bildern, Vergleichen, Metaphern. − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion‘, auch didaktische und berichtende Texte. − Bdv.: jungfrau 3; vgl. stern 3. − Synt.: die m. (Subj.) helfen / gebären (ohne Obj.), die m. Jesum emfangen, jm. gnade erwerben, ein pfand tragen, die art zerbrechen, gehengnis zu etw. geben, das herz zur erbärmde bewegen, die m. zu dem himlischen bette gefürt sein; der mensch m. sein müssen; der m. Jesum kündigen, lob sprechen / geflechten; Christus sich in der m. verbergen, in der m. aufgehen, gottes werk in der m. verborgen sein, die gotheit in der wammen der m. geberg nemen, Christus das fleisch von der m. schneiden; die (aus)erwälte / gebenedeite / ewige / geblümte / hochgeborene / hochgelobte / höchste / hübsche / keuschliche / klare / minnigliche / reine / röselechte / schöne / sündelose / unbewollene / unverwerte / zarte m.; die m. in den himmeln, vom geschlecht Jesse; der leib / leichnam der m. Wbg.: magdschlos ›jungfräulicher Schoß (Marias)‹, magdkeit, meidmutter (Kopulativkompositum). Helm, H. v. Hesler. Apok. 16552 (nrddt., 14. Jh.): Daz grozte zeichen 兩 [...] 兩 Daz ein maget uns art zubrach 兩 Und ungerurt kint gebar. Quint, Eckharts Pred. 1, 26, 8 (E. 13./A. 14. Jh.): her umbe soˆ muoz der mensche maget sıˆn, juncvrouwe, diu den megetlıˆchen Jeˆsum enpfaˆhen sol. Fischer,

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Brun v. Schoneb. 2525 (md., Hs. um 1400): si [Maria] was meitmutter so man seit. Dubizmay, kurß zu Teutze 26, 1 (hess., 1463): Maria die meydt ist gefurtt 兩 zu dem hymelischen bette. Ebd. 78, 16: GEgrusset bistu der werlt sterne heylige gots muter vnd ewige maget. Schˆnbach, Adt. Pred. 24, 6 (osächs., 1. H. 14. Jh.): diz brot wart gemachet von dem wazzer unser sterbelicheit und in deme lichname der reinen maget sente Marien. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 62, 3 (Bautzen 1567): Ein Medlein trug ein heimlich pfand, 兩 Das der natur war vnbekandt. Gille u. a., M. Beheim 437, 1 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Ain megetein 兩 ich sunderlichen labe 兩 fur alle die juncfrawen vein. Rieder, St. Georg. Pred. 158, 25 (Hs. 2önalem., 13879): daz waz der weg der rainkait, der ku´nschlichen mÁgetkait. Ebd. 228, 14: von dem grossen wunder daz ain un bewollenu´ magt gebar ainen man, maget wesent vor und nach unverwert. Ebd. 242, 8: dis wort wart ze flaische an der stunde do er enphangen wart in der rainnen mÁgde lip. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 816 (els., E. 14. Jh.): Cristus, die klare sunne, die gieng vf o [...] in dem morgenrot sinre hochgelobter muter, der magt Marien. P‰pke, Marienl. Wernher 2727 (halem., v. 1382): Ir [Mariä] magtslos sint unverlorn, 兩 Si ist, als do si ward geborn, 兩 Mæglicher rainkait. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 162, 1 (oobd., 1349/50): den [Jesum] vieng diu hoˆchgelobt mait mit irer käuschen rainikait. Spechtler, Mönch v. Salzb. 12, 59 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Jesus Christ, der sich verparch 兩 zu dir vil rainer meget. Klein, Oswald 7, 20 (oobd., 1427): Traut, se¨lig weib, 兩 keuschliche maid, frau, mütter gottes kinde, 兩 der uns durch dich all hat erlosst. Ebd. 15, 19 (um 1410): hilf, mait, mit ganzer trinitat, 兩 und las uns nicht der helle vas! Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 15, 19 (moobd., 1478/81): Under diser zeit ward geporen Cristus von der keuschen unvermailigten Jungkfrawen Marie, der ewigen magt. − Grosse, Schwabensp. 204a, 26; Helm, a. a. O. 171; Jahr, H. v. Mügeln 2194; Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 4; 82; Bihlmeyer, Seuse 110, 30; 546, 4; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 23; P‰pke, a. a. O. 14631; Wyss, Luz. Ostersp. 2546; 2792; Spechtler, Mönch v. Salzb. 3, 18; 7, 19; 16, 49; 20, 1; Klein, a. a. O. 114, 6; McClean, Havich 2621; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 31, 10. − Vgl. ferner s. v. adelsarg, amme 2, anbund.

6. ›das Sternbild ‚Jungfrau‘‹; teils mit Bezug auf die Jungfrau Maria. − Älteres und mittleres Frnhd.; meist Verstexte. Jahr, H. v. Mügeln 2453 (omd., Hs. 1463): Natur uns kündet unde seit 兩 des Zeichens art, genennet Meit. 兩 Das sechste zeichen heißt die Meit, 兩 [...] 兩 welch mensch darinne wirt geborn, 兩 das darbet list und midet zorn. Menge, Laufenb. Reg. 349 (Hs. 2nalem., um 14709): DIe sunne ist In der maget 兩 Als uns die lere saget. Ebd. 360: wann nuo der sunnen gluto 兩 Yetz die erde vnberhaft tuto 兩 Harumbe die sunne Jn der frist 兩 Nuo Jn der megde zeichen ist 兩 Wann nit me nuwe entspringet 兩 Noch uß der erde tringet 兩 Ouch als die maget nit gebirt. Ebd. 1477: Das Sechste zeichen die maget 兩 HIe noch stot die maget 兩 [...] 兩 Den buche vnd die Ingeweyde

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magd − mägdlich

兩 Vinde ich hie mit vnderscheide 兩 Zuo disem zeichen sunder. Plant u. a., Main. Naturl. 301ra, 6 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): Ein ander zeichen heizzet virgo danne ist div zit vnberhaft als ein maget. − Jahr, a. a. O. 507.

magd- + Wortbildungen, s. auch meid + Wortbildungen. magdblume, die. eine Pflanze, botanische Bestimmung und wortbildungsmotivationelle Zuordnung aus dem Beleg nicht möglich. Alberus IIIv (Frankf. 1540): Matricaria, parthentum, o amaration [...], magdblum / mutterkraut.

magddistel, die; Bw motivationell nicht zuzuordnen. eine Pflanze (vgl. Marzell 1, 1212 s. v. Cotyledon). Maaler 281v (Zürich 1561): Magdistel / Ein vnkraut in kËlgÁrten. Cottyledon.

mägdeabend, s. magd 4. mägdekammer, s. magd 3. mägdemilch, die. ›Quintessenz aus ‚sublimiertem‘ Quecksilber, Gemisch aus dem ‚fünften Wesen‘ von ‚Quecksilber‘ und ‚Vitriol‘‹ (chemisch nicht sicher zu definieren). − So Benzenhˆfer, Rupescissa. Consideratione. 1989, 187, 16 mit Belegen. mägdeschänder, mägdetag, mägdewachs, s. magd 4. magdisch, s. magd 3. magdkeit, s. magd 5. magdkind, mägdlach, s. magd 1. mägdlich, Adj. 1. ›jugendlich‹; vgl. magd 1; 2. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 110, 14 (Straßb. 1466): Ob ein weip gelobt vnd sich verbint mit dem aide die do ist in dem haus irs vatters: vnd noch in maidlichem [Var. 14752−1518: kintlichem] allter [Dietenberger 1534 / Eck 1537 / Luther 1545, 4. Mose 30, 4: Magdthum]: ob ir vatter derkent das gelu´bde das sy hat verhaissen vnd den aide mit dem sy hat gebunden ir sele vnd schwaigt: sy wirt schuldig des gelu´bdes.

2. ›jungfräulich (im profanen Sinne)‹; zu magd 4. − Mittleres Frnhd.; Verstexte. − Wbg.: mägdlichheit.

1600

Neumann, Rothe. Keuschh. 2356 (thür., 1. H. 15. Jh.): di meitliche kuscheit auch uss tribed 兩 alle bose begerlicheit. Ebd. 537: Di kuscheit ist ein meytlicheit 兩 di an den licham wirt geleit. Koppitz, Trojanerkr. 15438 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Were aber ir da nit enkomen 兩 Ain kempfer blügender tugend, 兩 Sy hett megtliche jugend 兩 Von dem rissen do verlorn. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 95, 5 (moobd., 1473/8): Wann ich ew¨r manlich hertz der stäte fündt, 兩 das ir mein mägtlich eer mir wolt bewaren, 兩 ich läg eüch pey pis an den tag. Ebd. 161, 7: Das zimpt nicht weibes wirde; 兩 mägtliche zuchtt sol solichem sein erbolgen. − Koppitz, a. a. O. 9654; Schw‰b. Wb. 4, 1387.

3. ›jungfräulich (im Sinne einer religiös begründeten Glaubenseigenschaft)‹, meist direkt oder tropisch auf Jesus und (regelhaft) auf Maria, von dort aus teils auch auf den Menschen generell bezogen; in diesen Fällen je nach Zusammenhang: ›unschuldig; unberührt; befreit; tugendhaft‹; vgl. magd 5. − Gehäuft älteres und mittleres Frnhd., meist Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: holdselig, jungfräulich 2, keusch, rein, tugendlich. − Synt.: j. m. (in im selber) sein; 2der mensch m. stehen, j. m. js. mutter sein, mägdlichen eines sones genesen 9 jeweils subjektbez. präd. Attr.; der magdliche ›von einer Jungfrau geborene‹ Jesus, der mägdliche magdtum (figura etymologica) / der mägdliche blume / leib, schos, die mägdliche geburt / jungfrau / keuschheit / keuschigkeit / reinigkeit / steinwand / zucht; das mägdliche bild / herz / leben / wachs. Luther, WA 30, 2, 639, 20 (1530): das der deutsche man also spricht, Du lieber Daniel, du liebe Maria, oder du holdselige mad, du medliche junckfraw. Helm, H. v. Hesler. Apok. 23089 (nrddt., 14. Jh.): Scheme wil bi wonen eben 兩 Der meitlichen zucht. Quint, Eckharts Pred. 1, 26, 7 (E. 13./ A. 14. Jh.): daz der mensche ist juncvrouwe, daz enbenimet im nihtes niht von allen den werken, diu er ie getete; des staˆt er megetlich und vrıˆ aˆne alle hindernisse der obersten waˆrheit, als Jeˆsus ledic und vrıˆ ist und megetlich in im selber. Als die meister sprechent, daz glıˆch und glıˆch aleine ein sache ist der einunge, her umbe soˆ muoz der mensche maget sıˆn, juncvrouwe, diu den megetlıˆchen Jeˆsum enpfaˆhen sol. Fischer, Brun v. Schoneb. 4993 (md., Hs. um 1400): virginitas soror est angelorum. 兩 der megetlicher magetum 兩 hat mit den engelen swesterrum. Ebd. 5881: do gebar si mit meitlicher zucht 兩 di allir suzeste vrucht. Neumann, Rothe. Keuschh. 1838 (thür., 1. H. 15. Jh.): Cristus had alleine nicht 兩 lust in meitlicher kuscheit, 兩 her had auch lust zu reinikeit 兩 di frome, heilige wetwen tragen. Ebd. 2925: di meitliche kuscheid 兩 di togentliche schemde in ir treid, 兩 di neret gotiz liebe unnd gunst. Vetter, Pred. Taulers 7, 19 (els., E. 14. Jh.): Die ander geburt die man hu´te beget, das ist die mÈterliche berhaftekeit

1601

mägdlichkeit − magdtum

die geschach megdelicher ku´schikeit in rehter luterkeit. Ebd. o 11, 13: alsus sol ein geistlich muter Gottes diser geburt sin, su´ sol sin luter reine maget; ist su´ wol ettewenne gewesen uz der luterkeit, so sol su´ widerkeren, so wurt su´ wider reine und mÁgtlich. Bihlmeyer, Seuse 544, 5 (alem., 14. Jh.): daz du [Maria] den begerten aller der welt mit dinem megtlich lip enpfiengest. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 252, 10 (els., 1362): Do von so empfing su´ zuo stunt in iren megdelichen lip des ewigen vatters sun Ihesum. Schmidt, Rud. v. Biberach 2, 11 (whalem., 1345/60): Ein wab ist das megdlich wachs, das vil stetten vnd gehaltes hat, die honges vol sint (vgl. mägdewachs). Rieder, St. Georg. Pred. 328, 13 (Hs. 2önalem., 13879): swie wol si daz wiste, do waz ir [Maria] doch der o mÁgtlich blume alz liep daz si Got gehiez ir ku´nschi ze behaltenne untz an ir ende. Ebd. 19: so han ich gelopt minen o mÁgtlichen blumen Gotte ze behaltenne. Spechtler, Mönch v. Salzb. 7, 62 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): gotes sun, got vater worte 兩 sunder magenkreftig porte, 兩 übergehews dein maidelich schos. − Fischer, a. a. O. 23192; Gille u. a., M. Beheim 82, 44; Vetter, Schw. zu Töß 107, 6; Mayer, Folz. Meisterl. 11, 20; Rieder, a. a. O. 36, 35; Adrian, Saelden Hort 1225; Lindqvist, K. v. Helmsd. 63; 216; Primisser, Suchenwirt 41, 536; Spechtler, a. a. O. 5, 42; 10, 6; 19, 1; 41; Klein, Oswald 13, 10; 14, 3.

mägdlichkeit, s. mägdlich 2. magdrecht, magdschaft, s. magd 3. magdschlos, s. magd 5. magdstand, s. magd 3. magdtum, der (meist), vereinzelt: das, die; -s (für das)/−; zur alem. Sonderform mägden s. Schweiz. Id. 4, 118. 1. ›Jungfräulichkeit, Unberührtheit, Keuschheit, Reinheit (einer Frau)‹; als Metonymie: ›Jungfernhäutchen‹; in 1 Beleg: ›Jugend, Jünglingsalter (bezogen auf einen Mann)‹; ütr.: ›mit der Jungfräulichkeit verbunden gedachter hoher sittlicher Wert, moralische Verfassung e. P. generell‹; in Texten der Mystik auch: ›als Jungfräulichkeit, Unberührtheit von Gegebenheiten der Welt gedachte Empfänglichkeit des Menschen für die gemeinschaft mit Gott‹; vgl. magd 4. − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: blume 4, ere, jungfräulichkeit, jungfrauschaft, keusche, keuschheit, reinigkeit, schaz. − Synt.: j. den m. beweinen / einsalzen / brechen / verlieren (mehrfach), wieder gewinnen, die kräfte den m. verlieren, jm. (der jungfrauen / tochter) den m. (be)nemen, jm. (dem gesel-

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len) den m. bezalen; der m. unversert bleiben, zu nichte werden, umsust sein, der m. js. zuversicht, der höchste schaz (sein); jn. des magdtums entsetzen, die morgengabe eine belonung des magdtumes sein; am m. schwer tragen, jm. (der jungfrau) für den m. [einen Betrag, z. B. 30 gulden] geben, im m. leben, zu dem m. zeichen gehören; der verrükte ›verlorene‹ m. Wbg.: magdtumschaft. Schˆpper 70b (Dortm. 1550): Virginitas. jungfrawschafft reynigkeit magdthumb. Quint, Eckharts Pred. 1, 162, 13 (E. 13./A. 14. Jh.): dar umbe wan die krefte berüeret werdent und berüerent soˆ verliesent sie irn magtuom. Rueff, Rhein. Ostersp. 664 (rhfrk., M. 15. Jh.): Dis ist eyn cabeben-korn: 兩 welch mait hat ern mathum verlarn, 兩 die solt der selben essen sieben, 兩 so gewonne sie eren mathum widder. Leman, Kulm. Recht 1, 5, 23 (Thorn 1584): dy tzeychen sullen sy nemen dy tzu dem mayttume gehoren. das ist das gewant. das vndir der mayt do leyt. do sy by dem manne lag. Jahr, H. v. Mügeln 1276 (omd., Hs. 1463): wie das sunder falschen rum 兩 bleip unversert der magetum, 兩 darin das kint geboren wart, 兩 gefleischet got in menschen art. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 22, 34 (Hs. 2omd., 14659): kanstu [klager] vergangene jar, gesprochene wort und verruckten magtum widerbringen, so widerbringestu die muter deiner kinder. Neumann, Rothe. Keuschh. 410 (thür., 1. H. 15. Jh.): wanne aber die wangen werden bleich 兩 unnd die broste vorne weich 兩 unnd die ougen wilde mit deme gesichte, 兩 so ist der magitum worden zu nichte. Ebd. 3601: [das her, mensche] nicht di kuscheid heldet nach rum, 兩 anderst ist umme sust der magetum. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 2, 36 (osächs., 1343): [dise] hatte gelebit mit irem manne siben jaˆr in irem magetuˆm. Gille u. a., M. Beheim 193, 36 (nobd., 2. H. 15. Jh.): mit seinem falschen swacze 兩 Er iren hachsten schacze 兩 penymet, das ist ir magtum. Euling, Kl. mhd. Erz. 497, 1 (nobd., E. 15. Jh.): Meigtum ist ein miltes güt. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 278, 9 (Straßb. 1466): dornach volgt er [Lucas ein antthiochier] sant paul nach vntz [...]. vnd beleib on su´nde in seiner magtumschaft [Var. 14752−1518: iunckfrawschafft]. vnd wolt vnserm herrn dienen. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 17, 24 (Straßb. 1522): Die erbern LÈt erkanten es also, das die zwo DËchtern solten dem jungen Gesellen [den sie verführt o bezalen. Rieder, St. Georg. Pred. hatten] den Magthum 221, 15 (Hs. 2önalem., 13879): nu sprichet sant Augustio o nus waz magtum si: ,daz ist rehter magtum‘, sprichet er, ,der verselwet nie wart mit dekainer unku´nschi an girde, [...]. daz o der an lib und an willen ku´nsch ist ist allain rehter magtum und dar an stÁt blibet unz an den tot‘. Wiessner, Wittenw. Ring 2238 (ohalem., 1400/08): Du legist hin daz pläterlein, 兩 Da die maituom scholdet sein. Rennefahrt, Staat/ Kirche Bern 101, 38 (halem., 1494): weil letzterer die a und irs mÁgthumbs entsetzt, ouch Tochter Gantners verfellt swanger gemacht. Morrall, Mandev. Reiseb. 165, 1 (schwäb., E. 14. Jh.): wenn sie [Bewohner einer Insel] ainer jungfrowen ainen man gebend, so laussend sie ainen an-

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magdtumschaft − mage

dern man by ir ligen der ir die magtum benimpt. Rˆssler, Stadtr. Brünn 402, 8 (mähr. inseldt., 1. H. 14. Jh.): daz ein tochter vor funf und czwaintzig iaren iern maittum pricht, [...]. − Luther, WA 36, 151, 20; Gerhard, Hist. alde e 1656; Fastnachtsp. 641, 1, 4; 680, 19; Kurrelmeyer, a. a. O. 7, 518, 11; Koppitz, Trojanerkr. 5010; Kummer, Erlauer Sp. 3, 620; Schmitt, Ordo rerum 692, 11; Rwb 8, 1573 f.

2. ›Jungfräulichkeit (der Mutter Gottes)‹; ütr.: ›mit Jungfräulichkeit verbunden geglaubte, auch als ere, rum, tugend bezeichnete moralische Heraushebung (der Mutter Gottes)‹; als Ütr. hieran anschließbar die Heraushebung männlicher Personen (des Johannes); zu magd 5. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: den m. preisen, got den m. opfern; der m. keusch / fein gefristet sein; durch den m. eines sones genesen, die gotheit sich in den m. beschliessen; der m. Marias; der ganze / reine m.; das gezeugnis des magdtumes. Helm, H. v. Hesler. Apok. 9931 (nrddt., 14. Jh.): Lutterer dan ein sloze 兩 Von sines vater schoze 兩 Schoz her in Marien schoz 兩 Daz die gotheit sich besloz 兩 In irem magetueme. Ebd. 8989: Daz Maria maget waz 兩 Do sie des Gotes sune genaz 兩 Durch einen ganzen magetuem, 兩 Daz waz ere, tugent und ruem. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. 179, 4 (osächs., 1343): Ditz ist Joˆhannes ˆewangeˆliste [...], der ein juncvrowe von gote irwelt ist, den got ruˆfte von der bruˆtluˆft o des wollinde bruˆtlu˙ften. Disem wirt zwıˆveldic gezucnisse o gigebin in dem ˆewangeˆlioˆ, [...] disme bevalch got sıˆne magetumis muˆtir [...], daz ein juncvrowe di andere juncvrowe bewarete. Dar ubir ist her offinbaˆrende in dem ˆewangeˆlioˆ daz her selbir o ˆrlich. Gille u. a., M. Beheim 51, 21 (nobd., was unzusto 2. H. 15. Jh.): [Maria meit] Dein magetum 兩 fur alle plum, 兩 lilgen und rosen 兩 Man preisen sol. Rieder, St. Georg. Pred. 82, 28 (Hs. 2önalem., 13879): wie mag ich [Maria] o o muter werden, nu han ich doch Got minen magtum geophert? Adrian, Saelden Hort 7286 (alem., Hss. E. 14./ o 15. Jh.): mit sinem magetume [›Geburt durch eine magd‹] 兩 er [Johannes] bi dem cru´tz daz erwarb, 兩 da ander mento magd, der mÁgd hort, 兩 im gab schait Got erstarb, 兩 daz muter o ze muter Gottes wort 兩 und in ze sun der megd wider. − T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 76; Thiele, Minner. II, 21, 168; Adrian, Saelden Hort 581. − Vgl. ferner s. v. baum 3.

magdtumschaft, s. magdtum 1. magdvolk 1; 2, s. magd 3; 4. 1 mage, 1magen, teils Kontraktion zu man, der ; vereinzelt Schreibungen mit -h-; -n, auch -ns/−; erstere beiden Formen in den Belegen nicht immer trennbar. 5

1604

›Mohn, Samen der Mohnpflanze‹; auch ›Mohnpflanze‹. − Synt.: (den) magen (ver)kaufen / gezälen, unter das öl tun, von der stat füren; der m. lind sein; aus mage öl machen, etw. (einen hund) mit magen anschütten; der rote / wilde m.; 1 metze, 1 mut, 1 napf, 1 scheffel, 1 tonne magen; eine schüssel magens vol. Wbg.: magenblat (dazu phras.: nichts als ein magenblat ›ein Nichts‹), magenhalm ›Mohnhalm‹, 1magenkraut ›Mohnpflanze‹, magenkopf, mag(en)korn ›Mohnkorn‹ (a. 1473), magenmilch. Luther, WA 32, 26, 9 (1530): Der Teufel kan aus einer sunde die eins mahen kornleins gros ist, einen in verzweiffelung bringen. Ebd. 33, 635, 30 (1531): Das keiserthumb und des Turcken reich nicht anders sein den als ein Manblath. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 93, 13 (thür., 1421): wenn seynes [des Darius] volkes were alsso vil allse der korner yn dem sacke. unde sante om [Alexandro] eynen sagk vol maens. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 227, 34 (osächs., 1570/7): ein magen und kummich gleich, thue es unter das öel, also das es dick wird, und mache kugeln darvon [zur Herstellung von Köder]. Schnelbˆgl, Salb. Karls IV. 65, 11 (nobd., 1366/8): si gebent auch ein virteil mahens Pairreuter mazz. v. Keller, Ayrer. Dramen 331, 24 (Nürnb. 1610/8): Wenn einer lang im Feld vmbgeht 兩 Vnd haut die Mahenköpff drin ab. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 516, 20 (halem., 1431): kunnent aber die grempler nitt uss hanff, uss linsatt, uss mage Ël machen, so mag er das machen von inen unbeku´mbert. Ebd. 609, 23 (1449− 51): Hanns Rabold [...] hatu geseitt, daz er x pfund pfeffer, imber und meggin, und darunder iij muren mit ij brott gestossen und habe daruss bulffer gemacht [zur Herstellung von Speisegewürz]. Dirr, Münchner Stadtr. 210, 19 (moobd., 1310/2): swer den magen oder daz magËl von der stat furet, der geit judici den magen und daz Ël, civitati 10 lb [Ausfuhrverbot]. Ebd. 233, 26: Von dem mutte weitzzen oder rogken oder magen geit man einen pfenninch [als Brückenzoll]. Auer, Stadtr. München Anh. 7, 33, 5 (moobd., n. 1347): Wir wellen, daz nieman von der stat dausse uf dem lande magen chauffe. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 414, 2 (oobd., 1349/50): VON DEM MAGENKRAUT. Papaver haizt maˆgenkraut. daz ist kalt und trucken. Ebd. 4: ez ist zwaierlai maˆgen: ainer ist weiz und der ander swarz, und der weiz ist kalt und fäuht, aber der swarz ist kalt und trucken. Fuchs, Kart. Aggsbach 292, 15 (moobd., 1430): Wernnerin von ainem lehen drey meczen magen und zwelf pfenning. Gereke, Seifrits Alex. 2269 (oobd., Hs. 1466): des magens warff er [Alexander] in den mundt 兩 und as sein an der selben stundt. 兩 der chunig sprach: ,des vokchs ist vil, 兩 aber eines ich euch sagen will: 兩 der magen ist lindt 兩 also ist es umb das gesindt‘. Ebd. 2285: Allexander, wiss, als woll 兩 den magen du gezellen magst, 兩 als vil ist unsers [des Darius] volkches acht. Ebd. 2304: das ain charn pheffers ist 兩 werder und edler woll 兩 wann ain schussel magens vol. Schmitt, Ordo rerum 386, 21 (obd., 1466): Papuer

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mage − magen

[...] Opium magen milich. Winter, Nöst. Weist. 1, 41, 17 (moobd., 1. H. 16. Jh., Hs. M. 16. Jh.): her richter, ob ainer ein hunt mit frevel derschlecht, wie soll er in bezallen? − Item, man soll den hunt aufhahen bei dem schwanz oder fuessen und soll den anschitten mit waiz oder magen auf ainem thenn [als Buße]. Eis, Albrants Roßarzneib. 112, 29 (oobd./ wböhm., 2. H. 13. Jh.): Swelich ros hagen huof ist, so mach ein chalchez von aschen aus magen halm und wasch iz da mit. Mollay, Ofener Stadtr. 154, 20 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): [Dy fragnerin] verkauffen dyse nach geschribne ding: Dürr arbais, pan, linsen, gersten, hanif, magen. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 310, 35; 570, 24; Peil, Rollenhagen. Froschm. 622, 3638; Bergner, Urk. Kahla 13, 17; 14, 33; Schnyder, a. a. O. 526, 7; Stolz, Zollwesen 84, 14; Voc. inc. teut. p iiijr; Pf‰lz. Wb. 4, 1107; Vorarlb. Wb. 2, 330; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 1991, 86. 2

mage, s. 2magen.

3

mage, zu mhd. magen- ›Kraft, Macht‹ (Lexer 1, 2006). ›Dienst (im Rahmen einer Grundherrschaft)‹. Wyss, UB Deutschord. Hessen 67, 36 (hess., 1367): an allem dem, daz man mag odir dynst mochte genennen. 4

mage, s. magus.

mäge, die; zu mäen mit Hiat-g. ›Sense‹. Dasypodius 68v (Straßb. 1536): Falx fœnaria, Ein sægiß / meeg. − Hulsius M ir.

mägelbecher, s. magölle. mägelchen, s. 2magen 3. mägelein, s. 2magen 2. magelich, s. mag 1. mägelich, Adj.; wohl zu mhd. magenlich (Lexer 1, 2006). ›beherrscht, mit Macht / Nachdruck, züchtig‹. − Bdv.: vgl. behutsam, bescheiden 3, erbar, geschämig, glimpfig 1, ziemlich, züchtig. Neumann, Rothe. Keuschh. 380 (thür., 1. H. 15. Jh.): unnd must ir van not sprechin ein wort, 兩 das dut megelichen unn macht ess kort. Dienes, E. Gros. Witwenb. 53, 29 (Nürnb., 1446): Do wirt er dann yre verpurgne werck aller meynglichen auf decken (hier Kontraktion von -age- zu -eianzgenommen).

mägelkraut, das; Bw unklar. eine Pflanze, möglicherweise Bergeppich (Marzell 3, 642).

1606

Alberus CC iijr (Frankf. 1540): Oreoselinom. [...] idem, bergeppich / bawerneppich / kuchenschel / hergotsbÁrtlin / megelkraut. 1

magen (der), s. 1mage (der). magen, 2mage (letzteres seltener), der ; -ns/-π. 1. ›Magen des Menschen und der Tiere‹; vereinzelt mit Übergang zu gedärm sowie zu ›Magenbereich, -gegend, Bauch‹; speziell: ›Magen saugender Kälber (zur Herstellung von 1lab ›Rennin‹)‹. − Phras.: keinen magen zu jm. haben o. ä. ›jm. nicht wohl gesonnen sein‹ (2. H. 17. Jh.; s. Schweiz. Id. 4, 100). − Bdv.: bauch 1, 1leib 2, sak, wanst; vgl. balg 8, gedärm. − Synt.: den magen ausspülen / erhitzen / erkräften / ergetzen / füllen / stärken / stopfen / verwunden, der hunger jm. den m. lucker machen; der m. dauen / eitern / platzen / schweren, im leibe liegen, die speise empfahen, der magen ein hafen, mat / vol sein, der m. jm. erkältet / kalt / hungrig sein, der m. voller feuchtigkeit werden; dem magen etw. dienstlich sein, die arznei dem magen gesund sein; sich auf den magen ›auf den Bauch‹ legen, den kot aus dem magen treiben, jm. im magen weh sein / werden, jm. etw. im magen liegen, das essen in den magen gehen, die speise in den magen sinken, wein um den magen nützen ›des Magens halber trinken‹, jn. über den magen ›oberhalb des Magens‹ salben, der dunst von dem magen in das haupt gehen, einen aufrur wieder den magen anfangen; der m. der schwalbe, des stichlings / storchen, des kranken; der abnemende / aufgeblähte / böse / gute / hungrige / kranke / sieche / undäuige magen; der hunger / mund (›orificium‹), die däuung / blödigkeit / schwäche / unkraft, das wehtum des magens; der mage von einem ochsen; die glieder von dem magen. Wbg.: magenarznei, magenboden ›fundus ventriculi‹, magenfäule, magengalle (a. 1608; Gw zu mhd. galle, Lexer 1, 729 ›Geschwulst‹; dies wohl aus dem Rom.; s. auch Schweiz. Id. 2, 204), magengeschwer (a. 1588; Gw zu geschwer 1), magengurgel, magenkrankheit, 2magenkraut (auch mag-), magenmund ›oberer Magenmund‹, magenpulver, magensiech, magenweh, magkraut wohl Artemisia absinthium, ein 2

1607

magen

Mittel gegen Magenkrankheiten (Marzell 1, 424). Peil, Rollenhagen. Froschm. 372, 3534 (Magdeb. 1608): Der Glieder Vnreingkeit mit dem Magen. ALs dem Leib ehemahls ist gegangen / 兩 Da sein Auffruhr ward angefangen / 兩 Von andern Gliedern in gemein / 兩 Widder den Magen gar allein. Ebd. 374, 3582: [Der Mag] Kroch zusamen / hub seinen Grund / 兩 Mit Schleim vnd Gall zum Magenmund. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 1297 (Köln 1476): Roe hoenich ind ertzen tzoppen, 兩 Dayr myt moysten vortan stoppen 兩 Dye gud gesellen yren maegh. J. W. von Cube. Hortus 93, 9 (Mainz 1485): daz diß krut gesotten o in wyn vnd gessen machet eynen guten magen vnd den wËldauwen. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 116, 18 (Frankf. 1535): Das [Chrisolectrum] mit schlechtem honig vermengt / dienet es zu der dünckle der augen vnd dem magen wee. Ebd. 124, 19: Corallen gepüluert / vnd getruncken mit regenwasser / [...] / benimmet des magens vnd bauchs weethumb. Ebd. 164, 20: wider das schweren vnd eyttern des magens vnd der ingeweyd. Alberus CC iiiv (Frankf. 1540): Artemisia [...] o beifuß / jungfernkraut / magkraut. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 3, 360, 34 (Frankf. 1602): wie denn sanct Paulus 1 Cor. 12 [...] sagt, daß kein glied des andern entberen kan, allein der magen, der faule wanst, ligt mitten im leibe. o Hajek, Gute spise 53 (rhfrk./nobd., um 1350): mache o zvm iÈngesten ein klein lecker kËstelin von stichellinges magin vnd mucken fÈzze. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 73, 34 (osächs., 1570/7): Löbeseck zu machen. Nim ein magen von einem fahrochsen und spüel in nur gar ein wenig aus, [...], so löbet ehr nicht. Ebd. 74, 8: Auf den morgen schuete sie [milch] wider heraus in den quark und knette es wieder unter einander und fühl den magen alsdan damit (zur Herstellung von 1lab). Harsdoerffer. Trichter 3, 131, 1 (Nürnb. 1653): Die Artzney ist bitter im Mund / dem Magen gesund. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 212r, 30 (Hs. 2nalem., o um 14009): So dik das / gesu´ht [...] nit ruwen lat nachÚ/ tes, so nim papellan vnd violen vnd mag / krut vnd su´d die dru´ in wasser [...]. Vetter, Pred. Taulers 56, 14 (els., E. 14. Jh.): also der lichame nu´sset die lipliche spise, so enpfahet su´ der mage und wurt denne al umbgeteilet in ein ieglich geliet. Ebd. 295, 11 (1359): als die spise wol geku´wet ist, so get si senfteklichen in und also sinket si niderwert in den magen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 220, 6 (Straßb. 1466): nu´tze ein lu´tzels wein vmb deinen magen vnd vmb deinen emssig siechtum. Sudhoff, Paracelsus 7, 163, 7 (1529): Von der neuen magenkrankheit. Also begibt sich, das aus solchem unzimlichem quecksilber der magen, [...] den hetschen, singultum genant, gewint. Ebd. 9, 137, 10 (1531/5): dan der tartarus wird ie lenger und weiter distillirt, [...] und ie weiter er dahin kompt ie mer und heftiger acht auf in zu haben ist. darumb im munt der leichtiste, im magenmunt der ander, im magenboden der drit und hertiste under denen dreien. Ebd. 531, 28: da entspringt iezt lungenfeuli, darzu leberfeuli, magenfeuli, hirnfeuli. Ebd. 10, 556, 29 (1536): das der hunger des magens und durst der lebern gestilt werde. Schorer, Sprachposaun 54, 8 (o. O. 1648): ihrem Mann ein Artzney zu verordnen / als welchem das Magenwehe hart zusetzte.

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Adrian, Saelden Hort 6766 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): des boser munt und siecher mag 兩 da menigem mentschen wirt gesunt. Maaler 282r (Zürich 1561): Ma˜cherley speyß ergetze˜d den Mage˜. [...], Schweche oder blËdigkeit deß magens wenn er die speyß nit wol annem˜en vnd nit dËuwen mag. Ebd.: Magenartzney (die) Magenpuluer / Ein yetliche artzney die den magen stercke / vnd weeret dem aufstossen. [...]. Magengurgel (die) Magenmund / Das ror oder der schlund / durch welche˜ die speiß gadt. [...]. Magensiech / Der einen bËsen Magen hat. Lauater. GespÁnste 18v, 30 (Zürich 1578): sonder der rachen vnd magen deß krancken sind verseert. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 37 (Genf 1636): Ein hungeriger mage läßt sich nicht mit worten speisen. Plant u. a., Main. Naturl. 297ra, 19 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): dc machet den lip rosch vn¯ liht vn¯ erhitzit den magen wol ze dowenne. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 32, 3 (oobd., 1349/50): Der mag ist der ˆerst haven, dar inn daz ezzen gekocht wirt. Ebd. 175, 28: des storchen mägel ist ain sunderleich erznei. Klein, Oswald 50, 15 (oobd., v. 1408?): der hunger macht lunger 兩 mir den magen schir. − Luther, WA 16, 289, 35; Belkin u. a., a. a. O. 104, 8; Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 232r, 4; 236r, 17; Gille u. a., M. Beheim 452, 110; Fastnachtsp. 768, 14; Weitz, Albich v. Prag 147, 10; 167, 4/7; Barack, Teufels Netz 10049; Sudhoff, a. a. O. 7, 244, 2; Arndt, biechlin c jv, 16; Welti, Stadtr. Bern 505, 5; Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 239, 29; Memminger Chron. Beschr. 35, 28; Klein, a. a. O. 45, 12; Kummer, Erlauer Sp. 2, 119; Bremer, Voc. opt. 1114; Schweiz. Id. 9, 2129. − Vgl. ferner s. v. amacht 2, aufblähen, aufgehen 6, aufhabung, aufhaltung 5, augstmonat, bad 2, bäen 2, 1pappel, bauch 1, pech 1.

2. ›Magen als Gegenstand handwerklicher / hauswirtschaftlicher Weiterverarbeitung‹; im einzelnen: ›(Schwarten)magen‹; 2als Diminutiva, jeweils schwach belegt): mägelein eine feine Wurst, mäglein ›Lab‹ (dazu bdv.: 1lab 1)9. − Wbg.: magenwurst. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 9 (Genf 1636): magen machen / Amaigrir, Macerare. Bremer, Voc. opt. 13262 (wobd., 15. Jh.): Hilla [...] schübling [...] magenwurst [...] rosen wurst [...]. Hilla ist farcimen, quod fit de multus intestinis pingwibus unum magnum in plentibus intestinum; volgariter schu´belwurst. Maaler 280v (Zürich 1561): MÁgle (das) als es die sennen brauchend. Coagulum. Niewˆhner, Teichner 560, 28 (Hs. 2nobd., E. 14. Jh.9): het er newr iht gutz vor sein, 兩 wilpret und meglein, 兩 weyn, fisch, daz sent er dan 兩 und plib er selb dar an. Voc. Ex quo, S 96 (oobd., 15. Jh.): Salsucium [...] magenwurst. − Lindqvist, K. v. Helmsd. 282r.

3. ›Tiegel, Topf‹; Ütr. von 1. − Wbg.: mägelchen ein Becher, mägepot ein Gefäß. Peil, Rollenhagen. Froschm. 187, 4373 (Magdeb. 1608): thuts zusamn in steinern Magen / 兩 Der die Fewerflammen kan vertragen. Loesch, Kölner Zunfturk. 2,

magen − magenschlos

1609

250, 7 (rib., 2. H. 15. Jh.): twe blauwe meggepot. Rechn. Kronstadt 3, 545, 11 (siebenb., 1550): Pro 1 argenteo poculo vulgo Megelchyn, nehesyg 37 ponderante.

magen (V.), s. mag 2. magenarznei, s. 2magen 1. magenblat, s. 1mage. magenboden, s. 2magen 1. magend, s. mägenen. mägenen, V.; zu mhd. megenen, (ge)mägenen ›stark werden, stark machen‹ (BMZ 2, 1, 8b; Lexer 1, 838; 2069; Schreibform auch: 4meinen). ›zahlreicher werden, seine Anzahl vergrößern; sich verstärken, zunehmen‹. − Bdv.: vgl. gemanigfaltigen, gemeren, stärken 2. − Wbg.: magend ›herrschend‹. Stackmann u. a., Frauenlob 8, 6, 7 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.): an swem ir eines valsch erjaget, 兩 vor dem bewart iuch, [...] 兩 e daz sin spil 兩 mit falscheit meine sich. Wiessner, Wittenw. Ring 8797 (ohalem., 1400/08): Die häxen mägten sich zer erd. Wolf, Norm im sp. Ma. 29, 11 (schwäb., 15./16. Jh.): das die weiber in geben urlaub mit der magenden krafft des landes bischoff.

magenfäule, magengalle, magengeschwer, magengurgel, s. 2magen 1. magenhalm, korn, s. 1mage.

magenkopf,

magen-

magenkraft, die; -π/−. ›Allmacht, in Tropen und Bildern irdischer Herrschaft gedachte unbeschränkte Macht, Herrlichkeit Gottes; got als die magenkraft selbst‹; auch bezogen auf Jupiter; Bw zu mügen. − Nahezu ausschließlich obd. belegt; meist Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: gewalt (der) 1, herlichkeit 8, macht 1, majestat 1, reich, stärke 5; vgl. almacht, gemeinheit 2, gewaltsamkeit 1, gezwang 6, grosmächtigkeit 2, herlichkeit 8, manskraft. − Synt.: der vater / son / heilige geist m. haben; die m. (Subj.) jm. scheinen; got als eine m. [wo, in der engelschen ierarchie] herschen; in die m. beten, den herren in seiner m. sehen, in der m. (gottes) reich sterben, von der m. jm. (den engeln) etw. gegeben werden, das auge zu der m. aufkeren; die m. gottes, des schöpfers, der gotheit; die götliche / ewige /

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hohe m.; der beistand, die augen, worte der m.; got in seiner m. Wbg.: magenkräftig (auf Maria bezogen), mankraft (Bw kontrahiert aus magen- ›Allmacht Gottes‹). Jostes, Eckhart 55, 37 (14. Jh.): daz verwunden schol ewiglichen grunen und pluen vor den augen meiner magenchraft. Tax, Jan.-Off. 57, 18 (rib., um 1400): darvmb bid ich dine mankrafft, dat du dilies mine boisheit. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 74, 8 (Straßb. 1466): Gewerlich sag ichs eu´ch das ir [...] seit mir nach geuolgt in einer andern geburt so der sun der meid sitzt auf dem gesesse seiner magenkrafft [Var. 14751 : meyenstat; 14752−1518: maiestat; Beheim: gewalt; Luther 1545, Mt. 19, 28: Herrligkeit]. Ebd. 6, 361, 3: daz vngeng ist nit in irem vrteil: wann die stercke. vnd das reich. vnd der gewalt. vnd die magenkrafft [Var. 14752−1518: maiestet] aller ewigen. Adrian, Saelden Hort 3825 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): den selben wirt och da gegeben 兩 [...] 兩 von der Gottes magen craft 兩 do´rt ewig gesellenschaft. Schmidt, Rud. v. Biberach 171, 18 (whalem., 1345/ i 60): daz wir wurken gotformigvi werk zvo glichnissi der mittel engelsch ierarchie, ,in der herschot vnd richset got als ein magenkraft‘. Vˆlker, Antichrist 1334 (wschwäb., 15. Jh.): Wer sich gottes macht an nimpt vnd an zucket als der anticriste o wirt tund, der nimpt sich auch der wort der götlichen magenkraft an. Rieder, St. Georg. Pred. 275, 19 (Hs. um o 1300): für dich bettot [...] din liebir bruder Jhesus Christus, ze deme vatir in die hohun maginkraft. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 57, 8 (oobd., 1349/50): dar umb macht er [Jupiter] allez ertreich frühtig und pringt guoteu jaˆr, wenn er in seiner magenkraft ist. Niewˆhner, Teichner 445, 34 (Hs. 2moobd., 1360/709): pey der sunn erchennet man 兩 daz under schaiden der geschaft 兩 und auch dez schepfer magenchrafft. Spechtler, Mönch v. Salzb. 7, 61 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): gotes sun, got vater worte 兩 sunder magenkreftig porte, 兩 übergehews dein maidelich schos. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 78, 9 (moobd., 1478/81): mit beistandt der göttlichen magenkraft, der ain vogt und herr ist aller streit, der gab seinen sig und victori Pippino. − Niewˆhner, a. a. O. 707, 7; Rieder, a. a. O. 91, 39; Bihlmeyer, Seuse 550, 28; Jaksche, Gundacker 3424; Wiessner, Wittenw. Ring 2263; Buijssen, Dur. Rat. 36, 9; Jelinek 483.

magenkräftig, s. magenkraft. magenkrankheit, s. 2magen 1. 1 magenkraut, s. 1mage. 2 magenkraut, s. 2magen 1. magenmilch, s. 1mage. magenmund, magenpulver, 2magen 1. magensame, s. 1mage. magenschlos, das; Bw zu mhd. malhe ›Mantelsack‹ (Lexer 1, 2018); volksetymologisch als magen- ›mächtig‹ semantisiert,

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magensiech − mager

teils auch kaum nachvollziehbarer Bezug auf mahel- sowie machen-; vgl. malschlos. ›Vorlege-, Hängeschloß‹. − Bdv.: vgl. klauster. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 211, 2 (nürnb., 1464/75): den [gatter] besloß man mit einem gutten mahelsloß. Sachs 3, 565, 27 (Nürnb. 1539): Dardurch war im geschlagen groß, 兩 Ein starkes eyßres magen-schloß. Ders. 17, 313, 11 (1562): Da in der fürwitz hart vexiert, 兩 Biß er doch den segen probiert 兩 Und hielt den an ein magenschloß. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 513, 40 (halem., 1431): kramer mugend wol zinin geschier, [...], machenschloss. geslagen bly, griffel. alisen, [...] wol veil haben.

magensiech, s. 2magen 1. magensucht, die. ›Magenkrankheit‹; Bw zu 2magen 1. − Wbg.: magensüchtig. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 134, 1 (Frankf. 1535): Exebenos hilfft den magensüchtigen getruncken mitt mertreibel wasser. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 215v, 28 (Hs. 2nav lem., um 14009): Ysopus [...] ist och / guto fu´r die magen suht. − Dasypodius 376v.

magensüchtig, s. magensucht. magenweh, s. 2magen 1. magenwurst, s. 2magen 2. mägepot, s. 2magen 3. mager, der. eine Hautkrankheit, wohl ›Flechte, „nässendes, stark juckendes Ekzem am Oberarm oder an den Oberschenkeln“‹ (so Gleinser, s. u., S. 190); vgl. mager (Adj.) 1. − Synt.: den m. salben; der m. jn. beissen; der fliessende / beissende m. Wbg.: magerde, mager兩 eis ›Eiterflechte‹ (a. 1658). Maaler 282r (Zürich 1561): Der Mager / Kleine vmbefrÁssende oder spitzige raud. Impetigo. Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 96, 15 (1658): für den fließenden und by¨ßenden mager an der dickin an arm oder schencklen. − Ebd., S. 190; Schweiz. Id. 4, 101 s. v. Magen II (mit reichhaltigen Belegen und mit semantischen Differenzierungen; vgl. dort auch die Anm. zur Motivation). − Vgl. ferner s. v. mager (Adj.) 2, dort Beleg Eck.

mager, Adj. 1. ›mager, hager‹, mit Tendenz zu ›schmächtig, ausgemergelt, häßlich (vom Menschen, seinem Aussehen und seiner Gestalt gesagt)‹; ›abgerieben (von der

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Haut)‹. − Phras.: mit (dem) mägerlein essen / handeln ›mit magerer Kost umgehen‹ (semantisch eher hierher als zu mager, der). − Bdv.: dün, dür, hager, ran, schwank; jämerlich 2; vgl. kleinlecht, mat 1. Ggs.: feist, fet. − Wbg.: magerheit, magerigheit, mägerlein ›Geizkragen; abgemagerte Person‹ (zum Phrasem). Luther, WA 17, 1, 61, 31 (1525): qui mager est corpore, habeat plus concupiscentiae. Ebd. 24, 557, 8 (1527): [Lea] war bleych, mager, dÈrr und spitzig von angesicht, Rahel aber fett und vollig. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 8264 (rhfrk., um 1405): Anderlude magerheit spiset mich [Neid], 兩 Anderlude zorn erfrauwet mich. Cirurgia H. Brunschwig 32vb, 15 (Straßb. [1497]): so gebürt dir [...] zu bedencken des menschen co˜plexen. Starck. kranck. alt. od‘ iu˜g mager oder eines follenn geblütz. Dedekind/Scheidt. Grob. 104, 2 (Worms 1551): So sicht ein jeder ders nicht weißt / 兩 Ob du seist mager oder feißt. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 190, 12 (Frankf. 1535): Welcher gern mager were / der nem weinsteyn vnd Mastix. Alberus Qq jv (Frankf. 1540): DÈnn / Tenuis [...], subtil / schwang { mager. Ebd. ijr 489: ariditas, magerheyt. Jahr, H. v. Mügeln 2530 (omd., Hs. 1463): welch mensch [im zeichen des bok] darinne wart, 兩 das lebte jo nach rechtes art. 兩 sin antlitz eng und dabi lank, 兩 sin lip ist mager unde swank. Schˆnbach, Adt. Pred. 21, 28 (osächs., 1. H. 14. Jh.): durch daz gebet [...] und durch des lichnames magericheit, durch dise druo dinch mach wol gesprochen sin in canticis: veni de Lybano sponsa mea. Sachs 9, 237, 18 (Nürnb. 1559): Sein weib, auch darzu seine kind 兩 Und darzu sein gantz haußgesind 兩 Muß als mit dem mägerlein essen. Ders. 15, 302, 3 (1562): Wenn ein armer zum herren werd, 兩 Der vor in armut hat gewandelt, 兩 Lang zeit mit mägerlein gehandelt. Trunz, Meyfart. Rhet. 1, 373, 7 (Coburg 1634): mein Fleisch ist Mager vnd hat kein Fett / vnd ich muß jhr Spott seyn. Bihlmeyer, Seuse 551, 27 (alem., 14. Jh.): sin [Christi] rËselechten wangen, [...], sint nuo von unfletikeit entschËpfet und erbleichet und gar magerlich gestellet. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 26, 28 (Straßb. 1650): die heßliche Weiber, [...], kommen endlich auß hitziger begierde [...] so erhungert dürr vnd mager zu vns, daß wir etlich mahl auß forcht vor ihnen entlauffen. P‰pke, Marienl. Wernher 5875 (halem., v. 1382): Sinu´ [Jesu] wangen nu´t ze mager noch zevais. Wiessner, Wittenw. Ring 6225 (ohalem., 1400/08): Do was der rek ze mager gar, 兩 Die pruoch ze weit. Maaler 282r (Zürich 1561): Mager werden [...]. Von liebe Mager worden. Rot 326 (Augsb. 1571): Mager vom Latein Macer, dürr / hÁger / gespenderlet. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 118, 22 (oobd., 1349/50): Alsoˆ sint die menschen mager in guoten werken [hier ütr.]. Niewˆhner, Teichner 372, 61 (Hs. 2moobd., 1360/ 709): also [wie bei dem nater] sullen christen laÈt 兩 sich der alten haut schamen 兩 und sich mit der vasten zamen, 兩 daz im sÁmleich meger pirt. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1986 (oobd., 1607/11): ein alter magerer manskopf mit einer zipfelhauben. − Williams u. a., Els. Leg. Aurea 672, 23;

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mägerde − mägern

Schmitt, Ordo rerum 487, 18/23; Voc. Ex quo, M 13−M 16; Voc. inc. teut. p iiijr; Schˆpper 114b; Maaler 280v; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 7. − Vgl. ferner s. v. abfasten.

2. ›mager (von größeren Tieren)‹. Ziesemer, Marienb. Konventsb. 289, 22 (preuß., 1412): 24 m. minus 1 sc. vor 50 mager swyne. Luther, WA 38, 10, 26 (1531/33): gleich wie [...] ein traurig thier abnimpt und mager wird. Ebd. 51, 653, 238 (1535): Es mus ein mager brate sein dar nichts von ab tropfen. Ders. Hl. Schrifft. 1. Mose 41, 3 (Wittenb. 1545): [Pharao sahe] an der sieben küe aus dem wasser auffsteigen / die waren heslich vnd mager [Mentel 1466: verzert mit megerung; Eck 1537: abkom˜en von mÁger]. Lohmeyer, K. v. Nostitz 98, 13 (preuß., 1578): Denn im Spitelhofe kommen zu vil [Schlachttiere], werden mager wie die hunde. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 443, 27 (Hagenau 1534): Also kund Joseph / dem Pharaoni / [...] den traum deütten / von den syben feysten / und syben magern ochsen. Maaler 31r (Zürich 1561): Der Arßwolff / Ein abgeriben fÁl oder auff geribne haut im gesÁß / als wenn einer ein mager rossz on ein sattel ritet. − T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 76. − Vgl. ferner s. v. auffressen 1.

3. ›die erwartbare normale Qualität oder Eigenschaft nicht erreichend‹; im einzelnen: ›arm (von der Küche)‹; ›klein geraten, verkümmert (von Eichäpfeln)‹; ›schwach gewachsen (von einem Reis) (dazu bdv.: schmächtig)‹; ›ohne Flüssigkeit, fest (vom Stuhl)‹. Luther, WA 7, 234, 11 (1521): wann die küchen wil mager werden, so fahens dann an murmeln. Beckers, Bauernpr. 56, 25 (Köln 1515/18): Synt sy [eicheppell] auer mager. so wyrt es eyn heysser sommer. Mathesius, Passionale 48r, 6 (Leipzig 1587): wie ein PfrËpffreißlen oder Wurtzel / das in einem sandigtem vnd dÈrrem / oder kieserichtem / magern Erdreich stehet. Rohland, Schäden o S. 474 (nalem./schwäb., 1400/33): ist er (stul) vast fest vnd ist da mit mager. − Luther, WA 7, 242, 3.

mägerde, s. mager (der). mägere, die. 1. ›nicht voll erreichte Eigenschaft, Qualität (e. S., eines Tieres)‹; im einzelnen: ›Magerkeit‹; ›Trockenheit (der Haut)‹; ›Kargheit (des Bodens)‹; ›Schwäche (z. B. der sele, des Hundes)‹; vgl. mager (Adj.) 1−3. − Nur obd. Belege. − Bdv.: grind 1, magerheit, räude, schäbigkeit, zittersche. Fischer, Folz. Reimp. 43, 28 (Nürnb. um 1491): Der arczt sol yn [den Besucher eines Bades] auch schaczen ab, 兩 Von welchem element er hab 兩 Mer oder minder, und darpey

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兩 Feist oder megrin kisen frey, 兩 Swech, sterk, zeit vnd sein war komplex. Maaler 280v (Zürich 1561): MÁgere (die) o [...]. Die MÁgere zeücht die haut zusamen vnd verstrupfft sy. Voc. Ex quo, M 15 (schwäb., 1442): Macies [...] megri. Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 30, 10 (schwäb., 1491): das in dem ringen ertrich die fu´rsichtikait und der vliß des buers mag u´ber winden die megri des ertrichs. Österley, Steinhöwels Äsop 221, 30 (Ulm 1474/82): Der hund [...] gab im [wolff] ainen harten stouß mit syner brust und fiel zuo der erden, als ob er im vor überigem hunger und megri des lybes nit möchte an gesigen. − Rohland, Schäden 477; Wickram 4, 469, 23; Dasypodius 376r; Schweiz. Id. 4, 103; Schw‰b. Wb. 4, 1391. − Vgl. ferner s. v. magerkraut.

2. eine Pflanze, möglicherweise Dachhauswurz. − Bdv.: hauswurz. Lehmann, Rezeptb., S. 219 (pfälz., 1470): megere, die üff den hüsern wehsset.

mager兩eis, s. mager (der). magerheit, magerigheit, s. mager (Adj.) 1. magerkraut, das. eine Pflanze, wohl ›Galium verum, Echtes Labkraut‹, die als Heilmittel für Hautkrankheiten genutzt wird (so Marzell 2, 593 mit Hinweisen auf weitere Zuordnungen / Motivationen); wohl doch zu mager (Adj.) 1. − Bdv.: mägere 2. Lehmann, Rezeptb. A 1730 (pfälz., 1470): ein gut wünt salbe [...] Ny˙m [...] mager krüt und stoß daz wol. Ebd. 2491): Wie man die mager heylen sol [...]. Ny˙m mager kraut, / vnd stoß das in eym steine. − Rohland, Schäden 477.

mägerlein, s. mager (Adj.) 1. magern, V. ›mager werden, abnehmen‹; zu mager (Adj.) 1. Maaler 282r (Zürich 1561): Mageren / Mager werden. Niewˆhner, Teichner 271, 19 (Hs. 2moobd., 1360/ 709): so ist er gaehens alt und grab, 兩 daz er magert und erplindet.

mägern, V. ›etw. / jn. (auch: sich) unter den natürlichen, normgerechten Zustand versetzen, bringen‹; im einzelnen: ›sich grämen, kasteien‹; (ütr.:) ›jn. verletzen‹; ›jn. demütigen‹; ›jn. / ein Tier (z. B. den Kapaun) zum Abnehmen bringen‹; ›(Nüsse) beizen‹; ›(Baumsetzlinge) antrocknen‹; vgl. mager (Adj.) 1−3.

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mägerung − magister

Schwartzenbach K iijr (Frankf. 1564): Kastigen. Kasteyen. Den leib mÁgern / Oder Peinigen. Kurz, Waldis. Esopus 3, 93, 27 (Frankf. 1557): Da sprach der Hundt: „ach lieber Gsell, 兩 Es ist kein ander vngefell, 兩 Das mich so mÁgert vnd verseucht, 兩 Denn das man mir das Brodt entzeuht“. Sachs 17, 515, 24 (Nürnb. 1563): Darob ward gar hässig und gram 兩 Dem affen der schildtkröten weib 兩 Und stellt im heymlich nach dem leib, 兩 Hüngert und mägert sich ein zeyt. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 415, 19 (Straßb. 1466): vnd machst zemegeren [Var. 14751−14772 / Luther 1545, Jes. 25, 5: Du (ge)demütigest] die geschlecht der starcken. Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 150, 21 (schwäb., 1491): E das du die nüssz in legest, so soltu sy megern und baissen in hüng wasser. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 196, 23 (oobd., 1349/50): si [cappaˆn] werden snell vaizt, dar umb, daz si der unkäusch werk nit derr noch meger. Niewˆhner, Teichner 248, 9 (Hs. 2moobd., 1360/709): do sprachen seu: ‚nu hËren und sehen 兩 megert uns und ander nicht.‘ 兩 do vragt ich nach der geschicht, 兩 wie seu daz gemegern chund. 兩 do verjach mir ains mund: 兩 ’unser e an. 兩 dw herr ist ain man, 兩 der siecht uns unbırdichleichen geschicht uns megern tÈt. Rudolf, H. v. Langenstein. Erch. 55, 93 (moobd., 1393): ir aigen smercz megert vnd verczert sy¨ vor hin ee das sy¨ sterbent. Gierach, Märterb. 5890 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): er megert sich an allen enden; 兩 sinen bart er nie geschar. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232.

mägerung, die. ›Abmagerung, Entkräftung (als Kasteiungshandlung oder als Zustand)‹; vgl. magern, mägern. − Bdv.: vgl. a(n)macht 2. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 181, 20 (Straßb. 1466): ander vij staigen [ochssen] auf von dem floß vnsauber vnd verzert mit megrung [Eck 1537: mÁger ; Luther 1545, 1. Mose 41, 3: mager, Adj.]. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 10, 8 (tir., 1464): Ich gesweig des, so vil trüebsal, [...], abpre¨chung, wachung, chirchuerten, megrung des fleisches, enplössung, vastung, armüt, [...] hat er [Hieronymus] geliten. Ebd. 13, 32: wend die me¨grung die was als gros, das man seine [des heiligen Hieronymus] gepain hiet mügen ze¨len von stukh. − Voc. Ex quo, M 13; 16; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232.

magesat, die. ›Mohnsamen, Mohnkorn‹; zu 1mage. − Bdv.: vgl. magsame. − Wbg.: magsatkuchen (15. Jh.). Chron. Strassb. 307, 18 (els., A. 15. Jh.): Darius [...] schihte ime [Alexandro] einen sag mit magesot und sprach: ,also wenig du disen magesot maht gezalen, also wenig mahtu min volg gezalen‘. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 181 (oobd., 1607/11): Ein kindlin ligt auf einer lewenhaut schlaffendt, hatt in der lincken hand zwen ölmagenkolben oder maagsath von weissem marmo. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232; Schweiz. Id. 7, 1421.

mageschwager, s. mag 2.

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magia, die. ›innere Ähnlichkeiten aller Gegebenheiten des Kosmos voraussetzende Magie, Zauberkraft und -wirkung (der Natur)‹; der Mensch kann diese Kräfte erkennen und nutzen, dann: ›Zauberkraft, -kunst des Menschen‹ (im Frnhd. ubiquitär vorhandene Erscheinung mit Öffnung zu Okkultismus, Gaunerei u. ä.) − Zur Sache: Lex d. Mal. 6, 82 ff.; Assion, Altdt. Fachlit. 1973, 159 ff. − Bdv. (meist zu letzterer Nuance): vgl. ansprechung 2, 2beschwerung 1, burtlerei, galsterei, gaukel, hexerei, kochelei, lachnei, lachsnerei, lupperei, unholdenwerk, zauberei. − Wbg.: magisch, magorist ›Kenner der Geheimnisse von Giften und der Giftmischerei‹. Sudhoff, Paracelsus 1, 94, 31 (um 1520): das [machen des Blitzstrahles] befilch ich der magia, die der alchimei philosophei ist. Ebd. 14, 539, 38 (um 1570): Wiewol nun diser praesertiva mer sind, die vor solchem bewaren und beschüzen den menschen vor aller zauberei der magischen eingriff, die durch die ascendenten geschehen, als da sind die corallen, azoth und dergleichen mer. Ebd. 42: dan hierin muß auch ein magische ubernatürliche cur gefürt werden. Ebd. 655, 28 (1589): die ubrigen [Kenntnisse über spinnen] müssen von einem fleißigen magoristen erkundiget und erlernet werden. Ebd. 657, 10: welchs nach verstant und auslegung der natürlichen magiae auch nichts anders ist, dan ein zauberei der spinnen. Barack, Zim. Chron. 1, 500, 33 (schwäb., M. 16. Jh.): alda er [freiherr zu Zimbern] zum oftermaln in magia, die er fürtrefflich künt, sich hat geüebt. − Sudhoff, a. a. O. 8, 240, 36. − Vgl. ferner s. v. interpretation.

magin, s. mag 1. magination, die, Schreibung von imagination. ›Einbildung, irriges Phantasiegebilde‹. Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 6, 68, 29 (Straßb. 1520): alß din [Luthers] fundament stadt in der hussischen lüstigen vnd falschen magination.

magisch, s. magia. magister, der, oft lat. Flexion. Titel für den Absolventen höherer Studien, Lehrer vor allem in den freien Künsten (artes liberales); mit Autorität ausgestatteter Inhaber eines höheren Amtes; teils negative Konnotierung. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 6, 88 f. − Bdv.: gelerter, lermeister, schulmeister, meister, mit offenem Über-

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magisterium − magistrieren

gang zu baccalarius, collegiat, doctor, oft im Orientierungsfeld mit gehobenen Berufen wie arzet, jurist, pfärner, probst. − Synt.: den m. behobeln, verächtlich ansprechen; der m. bekennen, das [...]; dem m. schreiben, etw. geben; der m. der freien künste, in handwerken / künsten, in historiis, von natur ; viel der m. im babsttum. Wbg.: magisterium, magistrat 1 ›Absolvent des Magistergrades‹ sowie ›Inhaber eines gehobenen Amtes‹. Joachim, Marienb. Tresslerb. 112, 34 (preuß., 1401): dy groschin worden geben dem ougenarzte magistro Conrado. Ebd. 547, 30 (1409): 7 scot vor 1 steyn alune magistro Bartholomeo. Luther, WA 37, 146, 11 (1533): wo der [Staupitz] einen geschickten jungen Munch hette, macht er jn zu eim doctor, magister. Lohmeyer, K. v. Nostitz 151, 23 (preuß., 1578): 5 ader 6 jüristen, dorunter doctores und magistri gewesen. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 167, 12 (Frankf. 1563): Der fahrende ward in zorn bewegt und sprach, warumb er einen magister der sieben freyen künste [...] dürfte also verechtlich ansprechen. Franz u. a., Qu. hess. Ref. 4, 206, 47 (hess., 1538): Mir ist auch, so ich [...] stathalder und meigister Adam schriben wullen, ankomen, das [...]. K¸ther, UB Frauensee 262, 8 (thür., 1490): Ich Johannes Geilman magister der freyen kËnst und pherner zu Hußen bekenne [...], das [...]. Maaler 364r (Zürich o 1561): Schulmeister (der) oder leermeister. Rot 326 (Augsb. 1571): Magister. Ein Meister / es sey in kÈnsten der Bücher oder handwercken. Ebd.: Magisterium, die Meysterschafft. Henisch 224/5 (Augsb. 1616): Beampt / der ein ampt hat / ein besoldeter [...] minister magistratus. − Lemmer, Schernb. Frau Jutte v. 259; v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 75, 37; Dietrich. Summaria 30r, 33/37/39; Boner, Urk. Zofingen 681, 2; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 80; Bremer, Voc. opt. 31001; Schmitt, Ordo rerum 140, 1; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 130. − Vgl. ferner s. v. baccalarius, behobeln.

magisterium, s. magister. magistrat, der/das. 1., s. magister. 2. ›Obrigkeit, Verwaltung einer Stadt‹; als Metonymie: ›obrigkeitliches Amt‹. − Bdv.: bürgerschaft 3, herschaft 1, oberkeit, regierung; vgl. ampt 4. − Synt.: den m. abolieren; der m. etw. erteilen, die laster strafen, bedenken machen, bei etw. verbunden sein, zu [...]; der m. jn. erfordern, das [...]; dem m. anliegen [+ Hauptsatz], dem m. gehorsam erweisen, etw. (z. B. weisheit) ofnen, etw. (z. B. eine instruction) behändigen; der m. der stat; der bürgerliche / ersame / gewonliche m.

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Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 276a, 8 (Frankf./M. 1649): welcher [Priester] dem Magistrat anlag sie solten die vnd die (so sie mit Nahmen nenneten) [...] Foltern. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 12 (Nürnb. 1517): domit geoffnet werde die manigformig weißheit gots den gewaltigen und magistraten in den himlischen engeln [unter Berufung auf Engel] durch die kirchen. Chron. Augsb. 9, 86, 11 (schwäb., 1544/5): mußt der magistrat der statt Cartago aus der ursach, daß alle alte kriegsknecht an inen hiengen, alles gedulden. Rot 326 (Augsb. 1571): Magistrat / Burgerliche Obrigkeit / Der burger Herrschafft. Jtem das ampt selbs. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 245, 15 (moobd., 1627): das nehmlichen ein ehrsamer magistrat beeder stätt alle und jede burgerliche köch und köchin für erfordere, [...], das sie [...] keinen gemainen, [...], zu einer mahlzeit mehr als 8 oder 10 [...] zurichten und kochen sollen. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 453, 12 (m/soobd., 1608/51): instruction, die zwar hiervor durch die herren grafen [...] verfaßt und einen magistrat behendigt worden. − Oorschot, a. a. O. 3286, 27; Rwb 8, 1578. − Vgl. ferner s. v. ausleschen 2, aussetzen 8, begebenheit, 2bei 7.

3. ›Führerschaft (in einer religiösen o. ä. Angelegenheit)‹. − Bdv.: vgl. leitung 2. Luther, WA 31, 2, 200, 30 (1527/30): Wer eyn magistrat wyl annhemen, der faße eynen muth, non suis viribus, sed genibus flexis deum oret. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 94, 25 (halem., 1534/5): was die afentür jst darumm sy [Lutrer und Carolstat] gstochen hand / allein der namen / magistraat / und eergytt / und was Carolstat hierzÈ bewegtt hatt. Ebd. 349, 25: Darumm er [Zwingli] das magistraat an sich zoch.

magistration, die. ›Verwaltung‹. − Bdv.: vgl. ampt 4, ausrichtung 8, beherschung, gewalt (der) 5, regiment, verwesung, verwaltung. Chron. Augsb. 9, 92, 26 (schwäb., 1544/5): ain gmaine, freie regierung in der statt Rom anzurichten, in wölicher freien regierung sie die magistration und oberkait zu setzen und zu entsetzen macht haben möchten. Ebd. 135, 9: es sei ain unbilliche sach, daß die burgermaisterliche magistration und römischen hochen ämpter durch heirat oder sunst durch schanckungen [...] erlanget werden sollten. Ebd. 168, 1: was sie aber [...] in besitzung der rät als die, von denen der ursprung der rechten magistration hie seie, ainer erberen gmaind [...] zu gutem gedienen mögen.

magistrier, s. magistrieren. magistrieren, V. ›einen Ausbildungsgang durchlaufen, studieren; den entsprechenden Abschluß bestehen‹. − Wbg.: magistrier (der). Thiele, Minner. II, 13, 72 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/ 909): Da unmynn ging zu schul 兩 unnd sich magistrirt. Ebd.

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magkorn − magnet

18, 262: gar zu´chtiglich ich zuo ir spräch: 兩 ,min hört, du dungst mich gar gefiert. 兩 ich bin der kunst och gemagistriert 兩 und kan die rehten fÈß stig‘. Rot 326 (Augsb. 1571): Magistrirn, Meyster werden. Spechtler, Mönch v. Salzb. 33, 82 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Du [heiliger geist] zündest siben candelir, 兩 du pist der siben steren zir, 兩 der siben gaist ain durchflorir, 兩 der siben doner [Var. K: gabe˜ ] magistrir. − Schmitt, Ordo rerum 622, 4; Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1943, 364.

magkorn, s. 1mage. magkraut, s. 2magen 1. mäglein, s. 2magen 2. magnet, der ; -en, auch -es/-en; über lat. magne¯s aus dem Griech. (kluge/S. 2002, 589). 1. ›Magnet (sowohl als mineralisches Material, Magneteisenstein, wie als einzelnes Magnetstück)‹; vielfach ütr. und bildlich im Sinne von: ›als magnetische Anziehungskraft gedachte, den Gegebenheiten des Universums, der Natur, der Psyche des Menschen als inhärent angenommene Kraft der Attraktion und damit der Beeinflussung des Menschen zum Guten wie zum Bösen‹. − Gehäuft obd. belegt. − Bdv.: vgl. calamit, stein 3. − Synt.: den m. binden ›seiner Kräfte berauben‹; die sonne, das eisen, j. einen magneten haben; der m. grosser macht sein, der irdische m. mit dem leib ein geist sein, der m. eisen / stahel an sich, das gemüt / herz zu jm. ziehen, in einem pater noster ein m. sein; j. härter dan ein m. sein, etw. (js. herz) wie ein m. sein, als der m. etw. (z. B. die andacht / begierde) an sich ziehen; der siderische geist dem siderischen magneten offen stehen; mit einem magneten etw. beweren ›beweisen‹, mit dem magneten böse gedanken an sich ziehen, das auge zu einem magneten machen; der feurische / himlische / constellierte / siderische m.; der schein, die conservation des magneten; ein horoloquium mit einem magneten. Pyritz, Minneburg 182 (nobd., Hs. um 1400): Perlin und dyamanden, 兩 [...] 兩 Saffir, magneten, celidon, 兩 [...] 兩 An siner besten stat do lag. Ebd. 2996: Von durch meistertem dyamant 兩 Sy er [helm], durch setzet spehe und fin 兩 Mit ysenvarben magneten schin. Mayer, Folz. Meisterl. 87, 67 (nobd., 1517/8): Dw [Maria] zeuchst on dich als der magnet 兩 Andacht, begyrd und reins gepet. Goldammer, Para-

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celsus 2, 91, 8 (1530/5): machst dir dein aug zu einem wolf und magneten und agstein, daß du fressest, was du sihest. Sudhoff, Paracelsus 1, 12, 19 (um 1520): wie die sunn von uns hinauf zeucht an sich, also unser glider von ir herab. dan das ist die magnetische kraft, die uns fürgebilt wird im magneten, alein dorumb, wie er zeucht an sich sichtig ding durch vnsichtige kraft, also bildet er uns unser glider im leib, dermassen anzuziehen das jenig, das innen zustet. Ebd. 8, 391, 34 (1530): ir sehet das der magnet an sich zeucht das eisen aus ursachen, das eisen seinen spiritum vitalem füret. Ebd. 14, 527, 6 (um 157o): darzu hastu [mensch ...] ein magneten in dir verborgen, darmit du solches [böse gedanken] an dich zeuchst. das ist der himlisch magnet uber alle andere magneten, die da eisen und stahel aufheben und an sich ziehen. auch uber die quintam essentiam oder constellirten magneten, welche das verfallen und verborgen eisen verraten [...]. dan der himlisch magnet ist einer solchen großen macht, da er uber hundert oder tausent meil, [...], aus den vier elementen an sich zeucht, wan er in sein exaltation geˆt. Ebd. 650, 30 (1589): wie der irdisch magent mit seinem leib ein geist ist und an sich zeucht, also auch ziehen an sich der leib und geist des siderischen leibes und geistes im menschen: dis ist der magnes microcosmi. Ebd. 651, 31: da stehet der siderische geist des beflekten leibes dem siderischen magneten offen und bloß. Ebd. 657, 44: also hat auch die sonn und mon ein mumiam und feurischen magneten in sich und seind dise beide basiliskische augen, und alles das sie ansehen vergiften sie, so sie auch ein solch menstruosich gift empfangen haben von dem menstruo des weibes. Dierauer, Chron. Zürich 204, 18 (halem., 15. Jh.): da [in einem pater noo in, und sant Andres dumen und 2 tÁffeli ster] was fil heiltum o er alwÁg am barret. Heydn. maister und 1 mangnet, trug 2v, 3 (Augsb. 1490): [Thales habe] auch von erst von der natur disputiert / vnd den vnlebendigen selen geben / sËlliches mit magneten vnd messing bewÁrt. Rot 326 (Augsb. 1571): Magnet vom Latein Magnes, Ein stein der eisen vn˜ stahel an sich zeucht / Vn˜ sich in den Compeßten allweg gegen mittag wendet. Weitz, Albich v. Prag 138, 2 (Hs. 2oobd., A. 16. Jh.9): dar nach nym apostolicon, magneten vnd pollipodium vnd stos es alles klain vnd leg es auff die wunden. − Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 54, 15; Sachs 3, 6, 27; Goedeke, P. Gengenb. 133, 630; Roloff, Brant. Tsp. Widm. 10; Sudhoff, a. a. O. 1, 167, 23; ders. Naogeorg/Tyrolff. Pamm. 15, 92; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 433, 21; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2222; Barke, Spr. d. Chymie. 1991, 290. − Vgl. ferner s. v. abfeilicht, barchent 1.

2. ›Kompaß‹. − Bdv.: vgl. bussole, kompas. − Wbg.: magnetnadel, magnetzunge. Peil, Rollenhagen. Froschm. 405, 4505 (Magdeb. 1608): Als der Magnet nach Eysen kreucht / 兩 Vnd seine Spitz nach Mittag reicht. Allg. Schau-B˚hne 30, 43 (Frankf. 1699): Dessen sich doch die Alten wegen Mangel der Magnet Nadel nicht unterstehen / noch sich in die offenbahre See wagen dorffen. Opitz. Poeterey 40, 26 (Breslau 1624): Der kËstliche Magnet Zeigt wo das schwache Schiff auch bey der nacht hingeht. Klein, Oswald 17, 31 (oobd.,

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magnetisch − magöl

1410): nach des kimpas firmament 兩 den magnet lent, levant la dich nicht forzen. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2210 (oobd., 1607/11): Ein circul, [...], hatt oben im knopf ein magnetzinglein.

magnetisch, Adj. ›wie ein Magnet anziehend, attrahierend‹; vgl. magnet 1 (ütr. Verwendungen). Sudhoff, Paracelsus 8, 391, 38 (1530): auch der mensch ein solche anziehende kraft in im hat die sich in einem gradu mit der magnetischen kraft helt. Ebd. 392, 5: also werden die gesunden von den ungesunden vergiftet durch dise magnetische anziehung, in welchem ein praeservativum ist, der kranken luft nit berüren. Ebd. 13, 199, 19 (1530): so balt, aber der mon in seine magnetische art gehet, so entzeucht er im die werme. Ebd. 14, 656, 23 (1589): der das nit glauben wil oder glauben kan, gibt eine anzeigung, das er noch die magnetische art der diabolen und der giften nit verstehet.

magnetnadel, s. magnet 2. magnetstein, Bw auch magneten-; der. ›Magneteisenstein; Stück Magneteisenstein von gebrauchsfertiger Größe‹; zu magnet 1. Rupprich, Dürer 1, 166, 224 (nobd., 1521): Jch hab ein magnetstain kaufft umb 16 stüber. Cirurgia H. Brunschwig 30rb, 33 (Straßb. [1497]): Magneten (dies möglicherweise als Adj. aufzufassen) stein den ma˜ bringt vo˜ Orient. ij. Lot. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 278 (oobd., 1607/11): 2 grosse stuckh magnetstain und 4 kleine stückhle dabey. − Dasypodius 123r; Harsdoerffer. Trichter 3, 334, 5; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 233.

magnetzunge, s. magnet 2. magnificat, auch der. ›Lobgesang (Marias nach Lk. 1, 46: Magnificat anima mea Dominum)‹; generell: ›Lob Gottes, Lobgesang‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion‘. Luther, WA 7, 553, 13 (1521): das wortle ,Magnificat‘, das heisset ,grosz machen‘, ,erheben‘. Ebd. 52, 690, 31 (1544): das wolt ich, das es alles eytel Magnificat kËndte singen und so einen gnedigen Gott [...] preysen. Wir heylosen tropffen thun es mit dem mund allein, [...], es klebet das Magnificat uns nur wie ein schaum auff der zungen. Bihlmeyer, Seuse 29, 24 (alem., 14. Jh.): Dis geischlichen kerzen bereit er [Seuse] vorhin alle tag mit drin Magnificat. Ebd. 111, o 24: da sang man den Magnificat gotes muter ze lobe. BaptistHlawatsch, U. v. Pottenst., S. 270 (moobd., A. 15. Jh.): Das lobgesangk magnificat legt Augustinus aus. Cap. xvj O. Magnificat das lobgesankch machen vir ding lobleich. Cap. xliij A. Magnificat den herren grosmachen was daz

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sey. Cap. xliij E. − Luther, WA 10, 2, 407, 14; 17, 2, 461, 23; 36, 207, 8. − Vgl. ferner s. v. gesang 6, lobgesang 2.

magling, s. mag 1. magnifizenz, die; aus lat. magnificentia ›Großartigkeit‹ (Schulz/Basler 2, 57). ›Prachtentfaltung, herrscherlicher Glanz, Herrlichkeit, mit der sich ein Herrscher umgibt oder die ihm entgegengebracht wird‹; auch: ›Herrlichkeit Gottes‹. − Seit E. 15. Jh. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): glori 1 (auch 4), herlichkeit 1; 4, majestat 2, pracht 3, prächtigkeit, reverenz, rum, zier. − Synt.: in m. hof halten, mit m. im sal sitzen, die majestat mit m. [wohin] beleiten; die grosse / himlische m. Boon, St. Prätorius 101, 36 (o. O. 1593): Er [Gott] wird das gÈlden Meer seiner GËttlichen freude vnd aller seiner i Himlische˜ magnificentz guter in dich giessen. v. Keller, Amadis 385, 8 (Frankf. 1561): hielte der König Lisuart offnen herrlichen Hof in aller Magnificentz vnd Pracht. Sachs 9, 467, 22 (Nürnb. 1559): Do saß mit grosser magnificentz 兩 Der bapst herrlich in seinem sal. Barack, Zim. Chron. 4, 299, 29 (schwäb., M. 16. Jh.): in massen das [eine possesion] ein mangnificenz und auch wol zu besehen gewesen. Rot 326 (Augsb. 1571): Magnificentz, Herrligkeyt / pracht / prÁchtigkeit. Leidinger, V. Arnpeck 533, 38 (moobd., v. 1495): do ward er mit vast grosser loblicher zier und mangnifizenz enpfangen. − Sachs 2, 389, 37; Jones, French Borrowings 406.

magogisch, Adj.; aus Gog / Magog, Namen des Alten Testamentes (z. B. 1. Mose 10, 2; Hes. 38, 2; vgl. LThK 4, 1986, 1037). ›gottes-, ordnungsfeindlich‹. Fastnachtsp. 1028, 6 (Basel o. J.): Rouben, brennen ist dann recht, 兩 Dann reckt sich das magogisch gschlecht, 兩 Die boßhafftigen man dann thuot loben.

magöl, das; Bw auch magen-; -es/−. ›Mohnöl‹; zu 1mage. Chron. Augsb. 5, 76, 11 (schwäb., 1523/7): Wie die rieb, weixlen, hiener, und magöl teur was. Dirr, Münchner Stadtr. 210, 13 (moobd., 1310/2): Man sol dez pamËles daz pfunt geben umb 4 dn, dez magËles umb 4 dn. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 354, 6 (oobd., 1349/50): reht sam daz maˆgenöl den habern verderbt und der flachs und daz unkraut daz korn. Winter, Nöst. Weist. 3, 609, 2 (moobd., Hs. E. 15. Jh.): von dem magöl von iedm stant 1 he¨lbing als oft er da stet. − Bremer, Voc. opt. 48094; Schmitt, Ordo rerum 386, 21; Voc. inc. teut. p iiijv; Schw‰b. Wb. 4, 1393; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 198.

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magölle − magschaft

magölle, majolica; -n/− (zu ersterer Form); aus ital. maiolica ›Töpferware, -grundstoff‹ (Kluge/S. 2002, 591; Schulz/ Basler 2, 58). ein tonartiger Grundstoff des Töpferhandwerks; als Metonymie: ›kleine Vase, Becher (als Produkt des Grundstoffes)‹; auch: ›Becher generell‹. − Obd. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 6, 150. − Wbg.: mägelbecher (hierher oder zu 2magen, der, 3?). Sachs 5, 336, 10 (Nürnb. 1536): Erst sah man hin und wider farn 兩 Becher, magölla, gleser, krausen. Ders. 23, 329, 2 (1566): Die reimen der zwolff monat auf die zwolff magöllein. Hampe, Nürnb. Ratsverl. 1, 509, 19 (nobd., 1555): zway kupferine oder messene magöllein, die on ainen sichtigen spiegel gar vergult worden. Chron. Augsb. 7, 154, 10 (schwäb., zu 1548): haben sie 40 fl müntz überantwort, mer 20 silberin becher, 8 magelen und 12 alt becher. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1163 (oobd., 1607/11): Zwey grosse weisse vasi von maiolica. Lampel, Qu. Wien 1, 8, 16486, 31 (moobd., 1608/14): 1 fartl in str., drin majolica und gleser. Zingerle, Inventare 186, 1, 37 (tir./vorarlb.): sibm silbrein pecher vnd ain silbrein mayölel. Qu. Brasso´ 4, 202, 32 (siebenb., 1680): ihre Grossmutter, der Mutter halb, ein Mägelbecherlein von Loth 6½. − Hampe, a. a. O. 1, 262, 10; 409, 1.

magorist, s. magia. magsame, der. ›Mohnsamen, Mohnkorn‹; zu 1mage. − Synt.: magsamen senden, jm. geben; der m. schlafen machen, lind / weich sein, [wo] stehen; der m. des Darius; pflaster aus magsamen, handtuch mit magsamen gefült, die hand / der sak vol magsamen. Wbg.: magsamengarte (a. 1612), magsamenkraut (a. 1488), magsamenöl, magsamensaf, magsamensalbe, magsamenstaude. J. W. von Cube. Hortus 85, 11 (Mainz 1485): celidonia hait [...] bletter die synt weich glich dem magsamen. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 4, 53, 32/34 (Frankf. 1603): Der vatter gieng ohn gefehrd in einem garten, da viel magsaamen innen stünde, als ihm dieser brieff geliefert ward, und der bott ein antwort fordert, het er ihm ein stäcklein in der hand und schlug den magsaamenstaud alle die häupter ab, und sagte dem botten, er bedürfft weiter keiner antwort. Chron. Strassb. 307, 25 (els., A. 15. Jh.): Allexander [...] schreip ime [...]: „künig Darye, du hest mir vil magesomen gesendet, der ist lynde und weich in dem munde: so sende ich dir ein wenig pfeffers“. Sudhoff, Paracelsus 2, 485, 9 (1525/ 6): Arcanum elementatum wirt also gemacht. Rec. chelidoniae, melissae, wilden hanff, [...], flores tapsi, magsamen, centaurii, battengen. Broszinski, Minner. Chir. Parva 79r, 3 (ha-

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lem., 2. H. 15. Jh.): ein ungentum [...] heisset marciaten: Rp. rot magsäm, mu´ntzen beider, beider kletten. Ebd. 81v, 1: Cura der wunden, die appostema habent. Sint vier form: 1.) Die erst cura ist / rosenöli, magsamenöli mit den wisen vom ey gemischlet. B‰chtold, H. Salat 181, 4 (o. O. 1537): Die wenigen senfkörner des großen künigs Alexandri hatten me kraft und räße in in, dann kÈnigs Darii magsamen aller. Maaler 282r (Zürich 1561): Magsaamen (der) Papauer. Magsaamen / der einen macht schlaaffen [...]. Somno aptu˜ papauer. Magsaamen salb. Diacedion. Magsaamen safft (das) Opium. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 414, 9 (oobd., 1349/50): man macht ain pflaster auz maˆgensaˆmen und auz frawengespünn und von weizem ains ais. Gereke, Seifrits Alex. 2267 (oobd., Hs. 1466): er [Darius] begund umb [Alexander] ze sentten 兩 ain hanttschuch van seinen hannden 兩 mit magen samen gefult voll (ähnlich Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 293). − Struck, Joh. Pfannstiel 154, 24; Schmitt, Ordo rerum 386, 21; Dasypodius 164r; Pf‰lz. Wb. 4, 1109; Schweiz. Id.3, 908.

magsamengarte, magsamenkraut, magsamenöl, magsamensaf, magsamensalbe, magsamenstaude, s. magsamen. magsatkuchen, s. magesat. magschaft, die; -π/−. 1. ›Blutsverwandtschaft, eher weitere als engere Verwandtschaftsbeziehung von Personen, die eine kommunikative, soziale, rechtliche Nähegruppe bilden und in einem besonderen Vertrautheits-, Verläßlichkeits-, Sicherheitsverhältnis stehen‹; in Texten der Sinnwelt ,Religion‘ vereinzelt als innerweltliche Verhaftetheit betrachtet; offen zu nicht ausschließlich verwandtschaftlich bedingten Nähebeziehungen wie freundschaft; zu mag 1. − Rechts- und Wirtschaftstexte, Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: bruderschaft, freundschaft, geblüt 3, gefatterschaft, geschlecht 2, gesippe, gesipschaft, mitsipschaft, sippe, sipteil, sipzal, schwägerschaft, stam 3, verwandnis. − Synt.: die m. beweisen, zerstören, m. mit jm. haben, die m. belangend ›angehend, betreffend‹; die m. (Subj.) geistlich / gros / stark sein, sich der m. halben als erbnemer angeziehen; an m. zu jm. gebunden sein, etw. (z. B. ein gut) an die m. fallen, j. in einer m. sein, in der m. verwandt sein, jm. von m. verwandt sein, von m. wegen zugehören, etw. um m. willen [tun]; die rechte m.; die beweisung, das band / wesen, grade der m.

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magsverwandschaft − magzal

Schˆpper 58b (Dortm. 1550): Cognatio. Verwandtnus gesipp gesipschafft magschafft. Ziesemer, Proph. Cranc Sach. 11, 14 (preuß., M. 14. Jh.): do virsneit ich mine andir gerte, di do genant was lynichen, daz ich virstorete die mageschaft [Mentel 14752−1480: freu´ndschafft; 1483 ff. / Luther 1545: Bruderschafft] zwischen Juda und Israhel. Luther, WA 10, 2, 281, 10 (1522): Die ander ursach (des kirchlichen Eheverbotes) ist die mogschafft odder schwegerschafft. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 7067 (omd., 1338): Dor uz bin der erden graden 兩 Wachsen wurme und maden. 兩 Dorumme han sy mageschaft 兩 mit den vrunden. Bergner, Urk. Kahla 44, 18 (thür., 1471): Wann sich nymans [...] magschafft halbin als erbnemer der gutere billichin magk angeczihen. Hertel, Hall. Schöffenb. 2, 465, 11 (osächs., zu 1438): sintdemmal daz nymand queme, der bessir bewiesunge der mageschafft brechte, [...], so were dy gerade [...] or. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 21, 37 (schles., 1532): dasselbe [gut] soll nun an die magenschaft oder freundschaft fallen. Ebd. 42, 10 (1436): Wo aber imand todeshalben abginge, er oder die ir gutter unvorschafft und unvorgeben lissen, dasselbige soll an die neste freundschaft oder mogenschaft erblich sterben stammen. Vetter, Pred. Taulers 208, 26 (els., 1359): und sint ander lu´te die under geistlichem o schine tragent weltliche herzen und suchent ere an allen dingen: an kleidern, kleinËten, und ir genÈgde an fru´ntschaft, an geselschaft, an mogschaft, an gespilschaft. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 449, 12 (Straßb. 1466): vnd kere wider zuo der magschafft [Var. 14752−1518: geschlecht; Eck 1537: freu´ndschaft] vnd zuo der besitzunge seiner vetter. Hubert, Straßb. lit. Ordn. 2, 5 (els. 1513): der sol es sagen, es sy hindernis vß sypschafft, magschafft, geuatterschafft [...] oder sust ander hinderniß! Geier, Stadtr. Überl. 350, 30 (nalem., 1521): [wo] kein erb, so der oder den personen, davon also dieselben a erbfell herkummen, im zehenden grad der freuntschaft des geblüets, oder im sechsten grad der magschaft, mitsipschaft und frundschaft verwandt. Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 5r, 19 (Zürich 1521): Da hyn dienen ouch die band der früntschafft / sybschafft / vnnd magschafft. Welti, Stadtr. Bern i 431, 14 (halem., 1526): Wo aber die frunnd vnnd magschafft so groß wÁre, so mag die zal der vier vnnd zweintzig personenn [bei einer brutlouff...] bisß vff viertzig personenn gemerett werdenn. Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 402, 29 (halem., 1533): diewyll aber uß dem, das sich bißhar ettlich in gar nochen graden der sipschaft und magschaft vermischt, vill nachre(d), [...] und abschuchens entstanden, sollichem vor ze sin. − Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 1, 76, 9; Chron. Mainz 1, 184, 14; Leman, Kulm. Recht 1, 4, 53; Opel, Spittendorf 207, 15; K¸ther, UB Frauensee 390, 18; Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 1, 61; Ermisch, Freib. Stadtr. 141, 20; Kisch, Leipz. Schöffenspr. 823, 12; Chron. N¸rnb. 3, 110, 12; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 1991, 418; Rwb 8, 180 f. (mit Angaben zur kirchenrechtlichen magschaft, z. B. durch die Taufe). − Vgl. ferner s. v. bedrauung.

2. ›Heiratsverwandtschaft‹; ütr.: ›als verwandschaftsähnlich verstandenes Verhältnis

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des keuschen lebens der Menschen mit den Engeln sowie mit Christus‹ (Beleg für Letzteres: Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 232); vgl. mag 2. v. Bunge, Livl. UB 571, 26 (nrddt., 1407?): Also gedachte ich uf die mogschaft, die sie nu gemachet haben, der koning von Engelant und der von Denemarken. Chron. N¸rnb. 3, 165, 15 (nobd., 1488): wiewol Carolus der kaiser verwant was durch magschaft den burggrafen. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 344, 22 (els., 1362): daz gotte kein leben genemer were vnd eine mogeschaft der engel were. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 11, 2 (halem., n. 1529): Bracht [...] den Spanyschen kÈng gegen Nawarra in ein bstand, und o letsten den Engelschen kÈng in friden und magschaft. zum Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 404, 4 (halem., 1533): was aber wytter und über disen grad [den 2. Vero oder magwandtschaftsgrad] ist, es syge in sipschaft des bluts o u schaft, mag woll für eelich erkennt und zugel assen werden.

magsverwandschaft, s. mag 1. magus, 3mage, der. ›Magier, über besonderes Wissen, eingegebene Erkenntnis und zauberisches Können verfügender Weiser‹. − Bdv.: vgl. ansprecher 2, besprecher, burtenicker, consecrator, gaukelweise, gaukler, hexenmeister, lachner, lachsner, schwarzkünstler, sternmächtiger, unholder, zauberer. Luther, WA 17, 2, 360, 35 (1527): Der Euangelist nennet sie [drey KÈnige] Magos, die mag man hayssen naturkündige, denn Magia ist aigentlich die kunnst, wenn yemandt waißt die art und natur der Creaturn. Peil, Rollenhagen. Froschm. 5301 (Magdeb. 1608): Wie beyn Persen die Weisen Magen / 兩 Diß an Cambysen dÈrfften wagen. Sachs 11, 185, 15 (Nürnb. 1557): Es sindt magos von Orient, 兩 Durch die das gstirn wirt erkendt. Ders. 15, 492, 11 (1562): ihm [gottselig monn] thet groß widerstand 兩 Die magi, das sind heydnisch pfaffen. Ders. 494, 2: Welchen [knaben] die magi mit gefehrd 兩 Darunter hetten thun verstecken. Sudhoff, Paracelsus 8, 290, 13 (1530): Er [Theophrastus] steckt voller incantationibus, er ist ein magus. − Schulz/ Basler 2, 54.

magverwand, s. mag 1. magzal, die. ›(eheliche oder eheähnliche) Gemeinschaft, Zusammenleben mit einem / einer Verwandten‹; zu mag 1. − Bdv.: vgl. gemeinschaft 3. Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 1, 66, 10 (rib., 1490): dat etlige in den kirspelen [...] in offenbaern sonden, mit namen

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mähel − mäheln

in oeverspil, maichzail ind gefaderschaft ungeburlich ind verdoimlich [...] sitzen. − Rwb 8, 1584 (mit mnd. / mnl. / afries. Belegen und semantischen Differenzierungen).

mähel, s. mäheln 1. maheldingen, s. 3mal. mähele, die. ›Hochzeit, eheliche Verbindung; Hochzeitsfeier‹; vgl. mäheln 1; 2. − Bdv.: brautlauf 1; vgl. beilager 2, ehe, ehestand, gemahelschaft, heilich, heirat 1, hochzeit. − Wbg.: mähelich ›ehelicher Verbindung entsprechend und geziemend‹ (um 1400?). Adrian, Saelden Hort 5616 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): Swie daz versw´igen u´s die namen 兩 noch beder sint die da zesamen 兩 kament oder soltent komen, 兩 der bru´t und och des bru´tgomen, 兩 uns ir namen machot kunt 兩 nach minem sinn sa ze stunt 兩 gewonhait und der lant sitte, 兩 die noch der mehli wonet mitte. Ebd. 6938: also vinden wir geschriben 兩 daz du meli zuo getriben 兩 wurd do von Marten. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 237; Rwb 8, 1595.

mahelfingerlein 1; 2, s. mäheln 1; 3. mähelich, s. mähele. mäheln, V. 1. ›heiraten; jn. heiraten‹ (jeweils vom Mann als Handelndem gesagt). − Bdv.: vgl. befreien 6, befreunden 6, bestatten 4, betrauen 2, beweiben, gemaheln, gesamnen, gewinnen 22, heilichen, heiraten, kaufen 2, loben 4, mannen 1. − Wbg.: mähel ›Gemahlin‹, mahelfingerlein 1 ›Hochzeits-, Ehering‹, mähelring 1, mahelschaft 1 ›Verlobungsgabe, Hochzeitsgeschenk, Brautgabe‹, auch: ›Ehe‹ (so Rwb 9, 7) sowie ›eherechtliche Verabredung‹ (bdv.: beredung 2; Schw‰b. Wb. 4, 1394), mahelschaz (dazu bdv.: brautschaz, ehepfennig, gottespfennig, haftgeld, handtreue), mähelung ›Vermählung‹ (a. 1515). Lappenberg, Fleming. Ged. 251, 40 (1632): und folgen derer Leichen, 兩 auf die sie dachten schon, 兩 wie sie ihr wolten reichen 兩 den Malschatz, ihren Lohn. Ebd. 254, 49: Dein Malschatz bin selbst ich, 兩 du meiner. Meine mich, 兩 wie ich dich herzlich meine! Reissenberger, Väterb. 27823 (md., Hs. 14. Jh.): Ouch wurden des gelubdes wort 兩 Vesteclich bestriket dort 兩 Mit malschatze an in beiden. Chron. N¸rnb. 2, 5, Anm. 3 (nobd., 1420): die hochtzeitt kopff, mahelfingerlein, clayder, kürßner lotter ansing unnd kuchen gelt, [...] zech zur hochtzeitt 177 gülden. Voc. Teut.-Lat. a iiijr (Nürnb. 1482): Hafftgeld. arra. oder gotzpfennig oder

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prautgab oder hantrew oder leytkauff oder mahelschatz. Morrall, Mandev. Reiseb. 13, 8 (schwäb., E. 14. Jh.): Ouch sprechent sie daz weder man noch frowe su´llent sich mechlan denn ainost. Und wer sich zuo dem andern mal mechlat, die kind die da geborne werdent sygent alle banckart. Ebd. 128, u 4: Wen sie aines halben jars alt werdent, so mÁchland sie [Zwergmenschen] sich. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 210, 9 (oschwäb., um 1420): und sol ain brutgent, so er mÁcheln wil, nit mer vesti geben denn in zwuo trinkstuben. Barack, Zim. Chron. 1, 300, 35 (schwäb., M. 16. Jh.): als er seim gemahl ain guldin ring gab zur letze, er auch ain andern, den mehlring, von ir empfieng. Leidinger, A. v. Regensb. 594, 19 (oobd., um 1430): Der sant zu Garibaldo künig in Bayren und begert zu mähel seyner tachter. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 105, 5 (moobd., 1478/81): nach dem mächelt sy künig Karl und ward ain reiche hochzeit. − M¸ller, Handel Paumgartner 21, 5; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 233; Vorarlb. Wb. 2, 332.

2. ›jn. mit jm. verheiraten, jm. jn. zur Ehefrau bzw. zum Ehemann geben‹. − Vielfach berichtende Texte; Beleghäufung für das Wobd. / Oobd. − Bdv.: vgl. aushingeben 1, aussetzen, ausstatten 1, beehelichen, beilegen 6, beheiraten, bemannen, beraten 2, bestatten 4, beweiben, geloben 2, legen 16. − Synt. (meist Aussparung des Handelnden): jm. (einem Mann) jn. (eine Frau) m.; meist passivisch (handlungs- sowie zustandspassivisch, in letzterem Falle mit Tendenz zu prädikativ); (eine Frau) jm. (einem Mann) gemähelt werden / sein (aus dieser Konstruktion ist der Handelnde nicht erkennbar); in 1 Beleg umgekehrt: Joseph Marien gemähelt sein; (2 Personen) gemähelt werden. − Wbg.: mahelschaft 2 ›Heirat‹. Schwartzenbach 54r (Frankf. 1564): Heurath. Verehelichung. eheliche vermehlung. [...]. Hinliche kundtschafft. Feudel, Evangelistar 4, 34 (omd., M. 14. Jh.): Uf daz her [Joseph] belege mit Marien dy im waz gemalit czu einer husvrowyn. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 47, 7 (els., 1362): Vil schiere dise maget eime iu´ngelinge wider iren willen gemahelt wart. Leisi, Thurg. UB 8, 323, 6 (önalem., 1397): do Albrecht von Landenberg und fro Elsy von Randegg elich ze samend gemÁchelt wurden. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 2, 175, 4 (whalem., 1484): wie das er ietzt u´nser gnedigesten frowen, u´nsers gendigesten herren herzog Maximianen eliche o dem delfin gemechelt hette. Koppitz, Trogemachel, sinem sun janerkr. 10196 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Helenna gemecheltt was 兩 Dem fürsten Menolao. Adrian, Saelden Hort 1134 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): Joseph, der do Marien was 兩 gemehelt. P‰pke, Marienl. Wernher 13440 (halem., v. 1382): Indem fu´nfczechenden jare du´ raine zart 兩 Joseph do gemæchelt wart. Lindqvist, K. v. Helmsd. 205

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mähelring − mäig

(halem., Hs. um 1435): wie die raine zart 兩 GemÁchelt ward und auch verhaissen 兩 Ainen man, was Joseph gehaissen. Ebd. 3180: Die ir [Michol] vatter durch ainen ky¨b 兩 Mit gwalt her David wider nam 兩 Und sy¨ mÁchlte aim andern man. Edlib. Chron. 1, 15 (ohalem., um 1500): fug sich dz dem vorgenanten grauf fridrichen gemachlet ward ein ellicher gemachel genant elsbet. Fischer, Eunuchus d. Terenz 30, 26 (Ulm 1486): dannocht ist not das sie keüsch beliben sye. soll sie ainem fryen jüngling gemÁhelt werden. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 74, 6 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Darnach [...] hat eyn legat hertzogen Maximilian und seinen gemahel Mariam zw Genndt [...] gemahelt und zwsamengeben. − Williams u. a., a. a. O. 588, 5; Koppitz, a. a. O. 10237; 16417; Adrian, a. a. O. 1219; Vorarlb. Wb. 2, 332; Schweiz. Id. 8, 1655.

3. ›sich / jn. wie im Eheband, Eheversprechen mit jm. / etw. verbinden‹; als Handelnder / Handelnde erscheinen einerseits got, der son, die gotheit, andererseits der geistliche mensch; in ersterem Falle vollzieht sich die Handlung von Gott auf den Menschen (darunter auf die fraue ›Maria‹, die frauen ›Klosterfrauen‹, die freundin, die menschheit), in letzterem vom Menschen auf Gott (die ewige weisheit, die götliche minne); vereinzelt erscheint eine Bezugsperson (z. B. ein vater) als derjenige, der jn. (z. B. die tochter) dem himlischen vater anvertraut; in der Position des Handlungszieles begegnen auch der ungenosse, die tugend, der traum; als Ütr. an 1 und 2 anschließbar. − Gehäuft wobd.; älteres, auch mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘, speziell der Mystik, als Bw im Kompositum auch bei Luther. − Wbg.: mahelfingerlein 2, mähelring 2, mahelschaft 3 ›Verlobung‹, malschaz (bezogen auf die braut oder auf Christus). Luther, WA 34, 2, 339, 12 (1531): Jhenes droben, da die braud zugesagt ist worden et data malschatz. Ebd. 36, 158, 15 (1532): So ists denn ein trostlichs Sacrament, [...], quando volo ansehen den malschatz, ut sciam, quis pro me mortuus. Quint, Eckharts Pred. 1, 388, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): und [der sun] ist dar umbe her uˆz komen uˆz dem allerhœhsten, daz er wolte hœhen sıˆne vriundinne, die im der vater ˆewiclıˆche gemahelt haˆte, daz er sie widerbræhte in daz allerhœhste. Mayer, Folz. Meisterl. 4, 21 (nobd., v. 1496): Der heilig geist furware 兩 Des gleich vor ye werender acht 兩 Dich [Maria] mit dem mehel ring und hefftlin eret. Bihlmeyer, Seuse 218, 30 (alem., 14. Jh.): Sweli durch mich zerganklich minne lassent, [...], die wil ich [Ewige Weisheit] hie mit miner gËtlichen o minne und sÈzikeit mehellen. Ebd. 410, 19: Lugent, alle minner, der welte spil! Ich hatt einen schatten umbvangen, ich

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v hatt einen trom gemehelt, ich hatt den won besessen. Eya, wa v nu des wones bilde, des tromes gelu´bede? Ebd. 412, 23: Nieman dienen, nieman denne gotte leben, wie fri du bist! Ach, zarter herre, minnekliche wiszheit, dich meheln, minne durch minne lassen, wie rehte minneklich daz ist! Williams u. a., Els. Leg. Aurea 146, 2 (els., 1362): Jch [vater] wolte dich [dohter] dem himelschen vatter han gemehelt, vnd wonde durch dine reinekeit behalten werden. P‰pke, Marienl. Wernher 1373 (halem., v. 1382): Es wære ain stætu´ machelschaft 兩 Mit aller tru´we minne kraft: 兩 ,Wan erist [er = Got] min [Maria] und bin ich sin‘. P‰pke, Marienl. Wernher 1451 (halem., v. 1382): Sin [Gott] edel machelvingerlin 兩 Trag ich [Maria] in dem herczen min. Strauch, Schürebrand 3, 19 (els., E. 14. Jh.): das su´ nu in steter luterkeit zuo gotte eweclichen vertruwet und gemehelt sint und ir trurikeit verwandelt ist in fröude. Ebd. 26, 29: Alle gotes gemehelte efrouwen in geistlichem schine eins bewerten ordens süllent leren tu´reredig sin und die menige vaste schu´hen. Rieder, St. Georg. Pred. 97, 3 (Hs. 2önalem., 13879): daz er mentschlich natur an sich nam und sich du´ gothait ma´helt zuo u´nserr kranken mentschhait. Bartsch, Reinfrid 2414 (halem., Hs. 14. Jh.): nu mac den sinnen wol ze gaˆch 兩 werden, daz sıˆ vælent 兩 an rehter minne und mælent 兩 sich ze ungenoˆzen. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 127, 111 (schwäb., 1471): Zu der [fraw] sich gott gemähelt hat 兩 Für aller sünder missetat. Primisser, Suchenwirt 44, 60 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Gib mir tugent, die ich mal 兩 Tzu meiner sel. − Rwb 9, 7; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 233; 237; Schweiz. Id. 6, 1091.

mähelring 1; 2, s. mäheln 1; 3. mahelschaft 1; 2; 3, s. mäheln 1; 2; 3. mahelschaz, mähelung, s. mäheln 1. mählich, Adj. ›langsam, allmählich, gemächlich‹. − Bdv.: vgl. almählich, alum 3, (ge)mächlich, gemachsam, langsam 1. Peil, Rollenhagen. Froschm. 442, 5621 (Magdeb. 1608): es stund mehlich auff ein Wind. Schmitt, Ordo rerum 460, 32 (15. Jh.): Lentus melich mächleich machsam [...] gemechlich [...] langsam [...] treg oder fawl [...] gemachsam. Sch¸lke, Geistl. Gemahelsch. 3017 (moobd., Hs. 15. Jh.): was nutzes wer ze sagen vil; davon man ungelerten lewten 兩 mälich icht chan pedewten.

mah(o)-, s. machmet. maierol, wohl der ; aus span. majare ›mit den Füßen stampfen‹ und rular ›drehen‹ oder Wortspiel (so das Glossar der Ausgabe B. Weber) mit magyar-? ein ungarischer Tanz. Klein, Oswald 23, 86 (oobd., 1425): do ich gen Ungern rait, [...]. 兩 in wasser, wetter, wegen 兩 „husch“ lert ich maierol.

mäig, s. mäen 2.

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maitresse − majestat

maitresse, die. ›Maitresse, Konkubine‹. − Jones, French Borrowings 409 (a. 1605 ff.). majestat, die; -π/-en; in rund der Hälfte der Belege Umlaut des Suffixes: -tät; zu mhd. majestaˆt, dies aus lat. ma¯iesta¯s (Lexer 1, 2014; Schulz/Basler 2, 1942, 58). 1. ›Majestät, Erhabenheit, Allmacht Gottes (als des Vaters) sowie Christi‹; majestat zeigt sich in Gottes Herrlichkeit und in Kennzeichen, die irdischer Herrschaft analog gedacht werden (Thron, Stuhl usw.), in Gottes Schöpferkraft und der vollzogenen Schöpfung, in der Dreifaltigkeit wie der Einigkeit, in Gottes Unermeßlichkeit, seiner Liebe, in der Erlösungstat, in seiner Allgegenwärtigkeit (und weiteren Heilstatsachen bzw. -vorstellungen); vereinzelt Bezug auf Maria; als Metonymie: ›Gott als Inbegriff und Träger von majestat‹. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv. (bzw. zum Orientierungsfeld gehörig): almacht 1; 2, beständigkeit 1, dreifaltigkeit, trinität, einigkeit, ere, ewigkeit, freude, gewalt (der) 1; glanz 3, gleichförmigkeit 2, glorie 4, grosheit 5, grösse 5, herlichkeit 8, herschaft 7, hochheit, höhung, klarheit 5, liecht 4, lob 4, macht 1, mächtigkeit 1, ungemessenheit, wonne. Ggs.: schnödigkeit. − Synt.: die m. sehen / erkennen / bekräftigen / uneren; die m. (Subj.) sich in Christo ringern (in der Menschwerdung); got als eine m. herschen; der m. vergessen; der son dem vater an m. gleich sein, der mensch bei der götlichen m. nicht vergessen sein, got hat den menschen in seiner m. geschaffen, die mutter hat den son in m. gesehen, das lob [Mariae] in der m. schweben, die creatur(en) in der götlichen m. gleich / weslich erkent, dem herren in m. dankbar sein, der herre in seiner m. [wo] gegenwärtig sein, got (Akk.obj.) in seiner m. sehen / beschauen, got (Subj.) in seiner m. ganz / unversert bleiben, den son gebären, der teufel Christo nach der m. greifen, j. vor der m. erscheinen; die m. gottes (vielfach); die barmherzige / götliche (vielfach) / grosse / hohe / höchste / unbegreifliche / unzälige / warhaftige m.; der anblik / gewalt / glanz / herre / spiegel / stul / tron, die höhe / ere, das siegel der m.

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Pfefferl, Weigel. Gn. S. 144, 7 (um 1571, Hs. 1615): Christus Jst das ebenbildt, vnd der glanz der göttlichen Maiestet. Alberus, Barf. Vorr. Alb. 6, 21 (Wittenb., 1542): [der Teuffel] wolt so gern Christo nach seiner Maiestat greiffen. Fischer, Brun v. Schoneb. 12401 (md., Hs. um 1400): wie der son si gelich 兩 dem vatere an der majestat. Froning, Alsf. Passionssp. 5495 (ohess., 1501 ff.): das ir moget kommen an die staid, 兩 do ir en beschauwet yn gotlicher majestad! Stambaugh, Milichius. Zaubert. 18, 31 (Frankf./ M. 1563): so ist zauberey ein rechte Teufflische AbgËtterey / damit die hohe Majestet Gottes [...] geunehret wird. D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 24, 22 (Frankf./M. 1626): SChaw / ich erschein allhier fÈr deiner MajestÁt / 兩 FÈr deinem hellen Stuel / an dieser schËnen stett. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 10, 15 (Frankf./M. 1568): daß auch der geringste / vnd Ármeste Mensch / [...] / bey der GËttlichen Maiestat nicht vergessen sey. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 9, 32 (osächs., 1343): doˆ si [Petrus ...] irwacheten, si saˆhen sıˆne majestaˆt [Luther 1545: Klarheit] und zweˆne man di mit ime stuˆnden. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 5, 13 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): als vil mer der mensch ein erkenner ist seiner snodikeit, also vil mer und clerlicher ist er ein beschawer der gotlichen majestat. Gille u. a., M. Beheim 134, 76 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Da wurt er dir schaffen ainn sicz 兩 czu seinn engeln für den anplicz 兩 seiner majestat grassen. Mayer, Folz. Meisterl. 70, 31 (nobd., 1517/8): Also sein alle creatür 兩 In der gotlichen mayenstat 兩 Vor ewig ungeschaffen ye 兩 Und ycz erschopffet gleich erkent 兩 [...] 兩 Sünder weslich. Bihlmeyer, Seuse 477, 23 (alem., 14. Jh.): daz [eines sein der Seele mit Gott] begert der clare widerglast des ewigen liehtes, der luter spiegel der gËttelichen majestat. Thiele, Minner. II, 21, 187 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): läß niessen sie [reine wib] das best teil 兩 das dir [Maria] din kind gegeben hat 兩 in diner hËchsten magen stät (hier volksetymologischer Bezug auf magen-, s. magenkraft). Menge, Laufenb. Reg. 1814 (Hs. 2nalem., um 14709): sidt das gott den mentschen hatt 兩 Geschaffen in sim mayestat. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel, 805 (schwäb., 1453): Allein zuo dinem [Mary] lob, 兩 Das allem lob schwebet ob 兩 Hoch in der majestaut (hier: ›im Majestätsbereich Gottes‹). Warnock, Pred. Paulis 20, 51 (önalem., 1490/4): daz er [gott] vom thron siner götlichen mayesta´t herab wolt komen in den schrin irs jungfrowklichen lips. Wyss, Luz. Ostersp. 3, 83, 53 (Luzern 1616): Personlich selbs allß bald verhanden, 兩 Im grossem glantz vnd o gsehen hatt. Morrall, ManMayestatt 兩 den Sun die Mutter dev. Reiseb. 159, 12 (schwäb., E. 14. Jh.): dar nach so kommend sie in ain ander paradyß, da sie gott senhend in siner maiestät. Klein, Oswald 8, 27 (oobd., 1423?): Nu alle creatur, die got beschaffen hat, 兩 [...] 兩 ie danckper ist dem herren in der majestat 兩 neur umb die gnad, das er si hat formieret. − Luther, WA 7, 852, 28; 22, 412, 6; 36, 556, 12; 46, 184, 10; Quint, Eckharts Pred. 2, 540, 87; Fischer, a. a. O. 6467; 11935; Rosenthal. Bedencken 35, 32; Dubizmay, kurß zu Teutze 21, 7; Gerhard, Hist. alde e 2995; Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 34, 40; Mathesius, Passionale 56v, 23;

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majestat

Opitz. Poeterey 12, 13; Gerhardt, Meister v. Prag 208, 13; Mayer, a. a. O. 53, 149; Reichert, Gesamtausl. Messe 9, 7; Sachs 1, 331, 13; Rieder, St. Georg. Pred. 131, 4; Bihlmeyer, a. a. O. 321, 27; Schmidt, Rud. v. Biberach 166, 17; Sappler, H. Kaufringer 28, 113; Bauer, Geiler. Pred. 90, 19; Spechtler, Mönch v. Salzb. 10, 27; Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 91, 11; Hˆver, Bonaventura. Itin. B 107; 151; Gereke, Seifrits Alex. 9038.

2. ›Majestät, Hoheit, herrscherliche Würde, Autorität der je höchsten weltlichen oder geistlichen Instanz und damit zugleich des jeweiligen höchsten Würdenträgers‹, vereinzelt auch: ›die herrscherliche Würde repräsentierende Organe‹ bzw. die ›Organträger‹; als Metonymie (häufig): 2›Person als Träger der majestat (Kaiser, Papst, König, seltener Fürst), vereinzelt von da aus ütr. auf eine dem Träger der Majestät verglichene Bezugsgröße wie Amor oder Venus‹; auch: Anrede an die Person9; (seltener:) ›Dienstsiegel, Ornat des Herrschaftsträgers‹. In den Belegen sind die einzelnen Nuancen teils klar, teils kaum sicher zu unterscheiden; Trennung der Nuancen im Rwb 9, 37 f. − Bdv.: achtbarkeit, ansehen (das) 7, ere, gewalt 4−6, herlichkeit 4; 6; 7, hochheit, mugenigkeit, wirde, wirdigkeit. − Synt.: die m. [wo] betreten ›antreffen‹, mächtig machen, js. m. beweisen; die m. [wo] abstehen, rat halten, [etw.] sagen, ein her aufwerfen; der m. nachfolgen, dienst erzeigen; etw. an die m. begeren, gegen die m. unternemen, etw. gegen der m. sein, dem könig der m. halben gehorsam gehören, etw. mit der m. (dem Siegel) versiegeln, in m. in glorie sitzen (›im Herrschaftsornat sitzen‹), von der m. erschrekt sein, gefangen werden, in die acht erklärt [werden]; die m. der oberkeit, des ordens; die (römisch) keiserliche / königliche / bäbstliche / fürstliche / hohe / anhangende (bezogen auf das Siegel) m., 2die verlezte m., der verletzer der m., die beleidigung der m.9, jeweils bezogen auf das crimen laesae maiestatis ›Majestätsbeleidigung‹; die hände (›Macht‹) / worte, das befelnis, der brief, das siegel, der anwalt / diener / geschichtschreiber / poet / rat der m., im namen der m. [etw. tun]. Wbg.: majestatapfel ›Reichsapfel‹, majestatinsiegel.

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Toeppen, Ständetage Preußen 2, 462, 18 (preuß., 1442): und weiseten mir eynen brieff vorsigelt nach der weisze, als euwir gnade pfleget mit des ordens majestat vorsigeln. Peil, Rollenhagen. Froschm. 574, 2143 (Magdeb. 1608): Gnedigster KËnig ewr Majestet / 兩 Halt mirs zu gut / das ich auch red. Ebd. 591, 2686: DarÈmb nachmals das Deutsche Reich / 兩 Zween Adeler fÈhret zugleich / 兩 Odr einen der zwey Heupter hat / 兩 FÈr Keyserliche Majestat. Kˆbler, Ref. Franckenfort 77, 12 (Mainz 1509): mit den oder der gleiche˜ worten der KËniglichen Maiestat [...] zu eren / lassen wir die appellacion zu. Ralegh. America iiijr, 29 (Frankf. 1599): [ich] hab solches allein gethan jrer Majestet vnd meinem Vatterlandt Dienst darmit zu erzeygen. Lemmer, Amman/ Sachs. Ständeb. 2, 5 (Frankf./M. 1568): Der Cardinal. Wir sind Diener deß Stuls zu Rom / 兩 Dem Bapst gantz treuw vnd gehorsam / 兩 [...] 兩 Auff daß sein hohe Maiestat 兩 Auff Erd der aller hËchst besteh. Ebd. 7, 2: Der Keyser. RËmisch Keyserlich Maiestat 兩 Helt mit sein FÈrsten weisen Raht. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 302b, 1 (Frankf./M. 1649): vnd waß solten wohl jhre May. der grosse Kayser darzu sagen / wann er hËren solte / daß [...]. Allg. Schau-B˚hne 42, 31 (Frankf. 1699): das in Engelland gewËhnliche scharffe Urtheil verletzter MajestÁt / so sie High treason (hohen Verrath) nennen. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 166v, 24 (Leipzig 1588): eine erste Busspredigt allen KËnigen / FÈrsten vnd Herrn in der Welt fÈrgestelt / Zur erinnerung / das sie nicht jmmer vnd ewig in solcher Maiestet vnd herrligkeit verbleiben werden. Pyritz, Minneburg 3309 (nobd., Hs. um 1400): wie in hoher glorge 兩 Sie saßen und in magestatt. Chron. N¸rnb. 4, 171, 5 (nobd., 15. Jh.): der aller vorgeschribener ding zu merer urkund haben wir unser groß majestat insigel lassen drucken in disen brief. Gille u. a., M. Beheim 79, 320 (nobd., 2. H. 15. Jh.): das tet er dar ofe 兩 Das mit solchem pewisen 兩 und offenperlich werden silt 兩 sein gütikait und tugent milt 兩 und majestat an disen. Fischer, Folz. Reimp. 39, 629 (Nürnb. 1479): Pfalczgraf den majestatapfel dregt, 兩 Von Sachsen herczog unbefleckt 兩 Das schwert zu dragen ist bereit. Sachs 15, 104, 26 (Nürnb. 1559): eh dann es tagt, 兩 Wöllens ewr mayestat erschlahen. v. Birken. Erzh. Österreich 78, 19 (Nürnb. 1668): Rudolphi aus MajestÁt und Freundlichkeit gemischtes Ansehen / macht jederman ihme freywillig zulauffen. Maaler 97r (Zürich 1561): Die Er, das ansehen vnd maiestat deß gemeine˜ nutzes erhalten. Ebd. 282r: Maiestet (die) Fürstliche wirde. Maiestas. Maiestet einer oberkeit. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 179, 12 ([Augsb.] 1548): das sy wissen / der Künig sey von Gotte geordnet [...] / unnd im gebüert gehorsam und forcht / nicht allaine der Maiestet halben / [...] / Sonder des gewissens halben. Rot 326 (Augsb. 1571): Maiestet, vom Latein Maiestas / KËnigkliche würde / Herrligkeit / hochait / wirdt am meysten GËttlicher (wie billich) darnach o Spiller, auch Keyserlicher vnd KËniglicher wÈrde zugeeygnet. Füetrer. Bay. Chron. 107, 13 (moobd., 1478/81): Er hiet alle ding, die wider die päbstlich und künigklich mayestat wär, aus hochmuet [...] gehandelt. Qu. Brasso´ 5, 442, 42 (siebenb., n. 1646): Warum kompt Euer Bascha ohne Schreiben oder Mandat von Ihr Kaiserlichen Majistät und belä-

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majestatapfel − makel

gert uns? − Luther, WA 50, 554, 27; Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 566, 22; Ralegh. a. a. O. iiijr, 34; Allg. Schau-B˚hne 40, 37; Kˆbler, Ref. Nürnberg 220, 3; Chron. N¸rnb. 5, 488, 2; Sachs 2, 101, 24; v. Birken. a. a. O. 87, 29; 89, 41; 90, 24; Thiele, Minner. II, 17, 123; Roloff, Brant. Tsp. Widm. 7a; Chron. Augsb. 8, 24, 1; Brandstetter, Wigoleis 196, 22; Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 207, 8; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 214, 24; Turmair 4, 106, 19; Valli, Königsb. Apostelgesch. 1947, 55; Voc. inc. teut. p iiij v; Tarvainen, Wortsch. Unrest. 1966, 141; Rwb 9, 38 f. − Vgl. ferner s. v. aberacht, abfordern 2, abstehen 14, abwürfig, 1anwalt 3, aufentpören, aufsatzung 1, augustus 1, befelnis 4.

3. ›Würde, Größe, Bedeutsamkeit (hoch geachteter profaner Bezugsgrößen)‹. − Spätes Frnhd. − Wbg.: majestätisch (bdv.: herlich 3). Luther, WA 41, 432, 16 (1535): quod facit Mosen so herlich klar, Maiestatisch ut deus in Monte. Rosenthal. Bedencken 21, 19 (Köln 1653): welche [Ketzer] [...] theils durch die Hochheit der Concilien [...] / theils auch durch die MayestÁt der Wunderzeichen seind verdammet worden? Opitz. Poeterey 20, 21 (Breslau 1624): Die Tragedie ist an der maiestet dem Heroischen getichte gemeße. Trunz, Meyfart. Rhet. 1, 3, 9 (Coburg 1634): Die Majestet der Teutschen Sprach ist ein geraume Zeit verborgen gelegen. Ebd. 58, 23: Nicht allein aber ist die WohlRedenheit sehr MajestÁtisch vnd prÁchtig / sondern eben darumb / weil sie MajestÁtisch vnd prÁchtig sich erzeiget / kan der Mensch solche himlische Gabe ohne mÈheseelige Arbeit nimmer mehr erlangen. − Luther, WA 47, 209, 10; 51, 272, 3.

majestatapfel, majestatinsiegel, s. majestat 2. majestätisch, s. majestat 3. majolica, s. magölle. majoran, der/die; zu mhd. majeran, dies aus mlat. maiorana (Lexer 1, 2014; Kluge/ S. 2002, 591). ›Majoran (die Gewürzpflanze)‹. − Wbg.: majorankraut, majoranöl, majoranstrauch, majoranwasser. Oorschot, Spee. Trvtz-N. 256, 13 (wmd., 1634): Brecht vnd schnüret kräuter ein, 兩 Lorber, Balsam, Palm, vnd Myrrten, 兩 Meyera`n, vnd Roßmarein. Alberus FF iv (Frankf. 1540): Parthenium, wirt vielen kreutern zugelegt / o beifuß / maieron / metern. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 22, 24 (osächs., 1570/7): guette wohlschmacke kräuter zur speise lieblich und gesund. Körbelkraut, majoran, petersilien, roßmarin. Broszinski, Minner. Chir. Parva 79r, 19 (halem., 2. H. 15. Jh.): Rp. [zu einer Salbe] olium wild ku´rps ij lib., meioran, cere, terpentin, galbanum, hirtzin marck.

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Maaler 289v (Zürich 1561): Der lieblich wol schmËckend Meyeron. [...]. MeyeronËl (das). [...]. Ein salb auß Meyeron gemacht. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 27 (Genf 1636): Majoran strauch / [...], Planta amaracina. Ebd. 29: Majoran Wasser / Eau de mariolaine. Eis, Gesundheitsl. 137, 8 (oobd., 1520/30): Es sagt Auicenna vnd Galienus, das mayoran sey warm vnd drucken ym dritten grad [...]. Sy ist mer arcztey wann speyse. Vnd, als Auicenna schreibt, sy ist subtil vnd verczeret die feuchtigkeit vnd öffent mit macht die verstopffung des hyrns vnd ist gut für heubt wetagen. − Luther, WA 47, 484, 23; Knape, Messerschmidt. Bris. 42, 24; Opitz. Poeterey 52, 26; Menge, Laufenb. Reg. 5200; Sudhoff, Paracelsus 4, 164, 26; Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 1, 91; Bremer, Voc. opt. 50202; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 238; Schw‰b. Wb. 4, 1415.

majorankraut, majoranöl, majoranstrauch, majoranwasser, s. majoran. majoren, Adj.; aus lat. ma¯ior (Georges 2, 774). volljährig, majorenn‹. Leisi, Thurg. UB 7, 435, 19 (halem., 1385): jeglichi person von mansnamen, die maiger sint ald zu ir tagen komen sind. − Bdv.: vgl. manbar 1.

majorität, die. ›hierarchische Überordnung‹. Luther, WA 47, 239, 17 (1533/40): ihr sollet unter einander dienen, wie ich euch gedienet hab. Die Maioritet und Herlickeit horet alhier auff.

makel, der ; -s/-π. 1. ›als schadhaft, störend erachteter Fleck auf einem Gegenstand‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner 1brechen (der) 1; 2, fel, runzel, sprinzel; vgl. meil 1. − Wbg.: makel (Adj.) ›schmutzig‹, makelicht ›verschmutzt‹. Schˆpper 57b (Dortm. 1550): Næuus. Maaß fleck mal mackel anmal. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 444, 10 (Straßb. 1466): Der do eintregt ein fleck [Var. 1483−1518: mackel; Eck 1537: brechen; Luther 1545, 3. Mose 24, 19: verletzt (verbal)] eim iegklichen seiner burger: als er hat gethan: also werde im gethan. Sudhoff, Paracelsus 8, 354, 10 (1530): das also oftmals cataracten einfallen, mackel, fell rc in den augen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 18 (Genf 1636): Mackeler / [...], Sordidus. Ebd. 19: Mackelicht / Besudelt. Rot 326 (Augsb. 1571): Mackel vom Latein Macula, Masn / flecken / spritzel / mal. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1450 (oobd., 1607/11): geschirr von igiada mit deckhel, grien und im stain sein etlich silbertropfen oder mackeln. − Luther, WA 41, 609, 36; Bauer u. a., a. a. O. 543; 646; 1279; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 8.

2. ›Makel, moralische Verfehlung; Zeichen einer Verfehlung‹; auch: ›soziale Ab-

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makel − makrele

stufung e. P.‹, z. B. durch außereheliche Geburt; Ütr. von 1. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: ane / sonder makel ›vollkommen‹. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): flek, 1mas 1, meilung, schimpf, laster 1, schande, sünde, vermeiligung. − Synt.: den m. abwaschen / aufheben, keinen m. erfinden, einen m. davontragen; der m. dem laster folgen, die tugend überschatten; des makels frei sein; ane m. werden, da stehen, jn. ane m. finden, krämerei selten ane m. sein, vor einen m. ansehen, das [...]; der m. der laster, der sünde; der schönste ane m., das mal mit einem m. Stoltzius, Chym. Lustg. 1, 11 (Frankf./M. 1624): So wird der KËnig herfÈr gehn / 兩 Ohn Mackel / saubr vond rein da stehn. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 296a, 33 (Frankf./M. 1649): Der Hencker selbst ziehets seinem Ehrenstand vor eine sondere Mackel vnd schimpff an / daß eine solcher Gestalt / auß seinen HÁnden entkommen solte. Dienes, E. Gros. Witwenb. 7, 6 (Nürnb., 1446): das das heylige sacrament der taufe die makel vns ab wasche. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 60 80 (Hs. 2nobd., 3. Dr. 15. Jh.9): von dem makel wil ich clagen: 兩 Adam an eren nie verlos newere sin nachgebure. Gille u. a., M. Beheim 117b, 340 (nobd., 2. H. 15. Jh.): mit den wunet der ewig gat 兩 in irn herczen und selen 兩 [...] 兩 on mailung ader makel. Franck, Decl. 348, 38 (Nürnb. 1531): damit sie wider die laster dester kËner wÁren zu streitten / welicher mase vnd mackel so vil tugent Èberschatten. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 90 (Nürnb. 1517): Domit aber in der erwelten selen weder mackel noch masen [...] mög erfunden werden, strafet got die erwelten. Sachs 18, 191, 36 (Nürnb. 1559): Der ainige haylant Jesus. 兩 Der ist der schönst on alle mackel. Ders. 19, 113, 26 (1564): Daß kauffhändel und krämerey 兩 Selten on sünd und mackel sey. Roloff, Brant. Tsp. 1093 (Straßb. 1554): Das khein schand hatt begriffen dich / 兩 On fleck und mackel funden bist. − Luther, WA 47, 690, 15; Dubizmay, kurß zu Teutze 12, 4; Oorschot, a. a. O. 225b, 6; Reichert, Gesamtausl. Messe 7, 32; Franck, a. a. O. 333, 23; 345, 33; Roloff, a. a. O. 1238; Weber, Füetrer. Poyt. 5, 3.

makel (Adj.), makelicht, s. makel (der) 1. mäkeldei, s. mäkeler. mäkeler, der ; −/-π ; aus dem Nd. entlehnt; rib. und mosfrk. auch verschobene Formen: -ch-. ›Aufsichtsführender und Vermittler für das Marktgeschehen‹. − Nrddt. / md.; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Wbg.: mäkeldei ›Maklergebühr‹, makelerei.

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Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 17, 20 (preuß., 1404): habe wir bie im 28 leste hering alle ungelt abgerechent ane hofeloge und mekeldye. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 358, 23 (preuß., 1441): ist dem rathe von Danczik bevolen umb die worheit der sache zcu dirforsschen umb die mekelereyge und ander kouffschlagunge, die her mit den Polen pfleget zcu treybende. Ziesemer, Marienb. Konventsb. 30, 39 (preuß., 1400): 2 m. und 9 sc. vor frucht und 10½ sc. czu schiffen und den mekelern. Loesch, Kölner Zunfturk. 4, 577, 12 (rib., 1487): zo schrijven doin, ire burgere Laurenz Oeske ind Johan Starcken iren gesworen mecheler [...] zo verhoeren, of [...]. Struck, Kollegiatstife 565, 12 (mosfrk., 1456): Weinkaufsleute und Mäkler (mecheler): [...]. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 67, 6 (mosfrk., 1467): wo die meckeler thonnen mit heringe addir honige betreten, die do [...] der stat masß nicht enthetten, so sollin sie das straffen. Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 70, 24 (md., 1464): das die meckeler alles gut [...] zcuuor den burgern, die mit der ware vmbegehen, anbyten ehr denne einem gaste. Golius (Straßb. 1597): Proxeneta, vnderkeuffer / mackler. − Rwb 9, 50 (mit Wortbildungen).

mäkelerei, s. mäkeler. makelicht, makeln, s. makel (der) 1. makeln, V. ›etw. besudeln, beschmutzen, verunreinen, verhöhnen‹; bei Luther ütr.; vgl. makel (der) 1; 2. − Bdv.: besudeln; vgl. beflecken 1; 2, beklautern 1, beklecken, beschmieren 2, besolen. Luther, WA 6, 579, 12 (1520): schreybt er [Eck], ich [Luther] mackel das sacrament der tauff, das ich sage, es neme nit alle sund abe. Ebd. 10, 2, 151, 36 (1522): O yhr seelmËrder, wie iemerlich mackelt yhr ewr hend ynn dem unschuldigen blutt. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 16 (Genf 1636): Mackeln / besudeln / [...] Sordidare.

mäkeln, V. ›meckern (von der Ziege)‹. Schmitz, Schiltb. 85, 9 (Frankf. 1597): daß sie o [Schiltburger] nicht anderst erschracken / als ein mauwende Katz vor dem KÈrschner / oder ein arme mÁckelnde Geyß vor einem Schnyder.

mäkorn, s. mäen 2. mäknecht, s. mäen 1. makrele, die. ›Makrele‹. Bl¸mcke, Hans. Gesandtsch. 157, 22 (nrddt., 1603/ 05): Vor Makrolen 9 Gr. Fischer, Folz. Reimp. 34, 107 (Nürnb. um 1520): Der pringt ein groß her in dis lant, 兩 [...] 兩 Kugelhawpt, neünaugen, weysfysch, 兩 Lachsforhen, rotaugen, mackril; 兩 Und sunst noch ander reüter vil. Gille

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maktieren − mal

u. a., M. Beheim 354, 62 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Nun trag us her gut visch! 兩 [...] 兩 Walvisch, danthai, telffein, 兩 kabellon, törsch, magrillen, 兩 Salman, schait, hausen, pfrillen. Golius 300 (Straßb. 1579): Scombrus. [...]. Macrell.

maktieren, V.; aus lat. macta¯re (Georges 2, 750). ›schlachten, Fleisch verarbeiten‹. Rot 326 (Augsb. 1571): mactirn, Metzgen / fleischwercken. Jtem einen schedigen zerhawen.

makulatur, s. makulieren 1. makulieren, V. − Seit dem mittleren Frnhd. 1. ›etw. beschmutzen, verunreinigen; etw. unbrauchbar machen‹; vgl. makel (der) 1. − Bdv.: beflecken 1, bescheissen 2, besudeln, verunreinigen; vgl. makeln. − Wbg.: makulatur ›verschmutztes, wertloses Papier‹. Luther, WA 47, 237, 33 (1537): Wir sind ein besuddelt, zerklickt pappir oder ein zerrissen Mackelthur. Lichtenstein, Lindener. Katzip. 168 (o. O. 1558): wolt sie nit auff das heüßlein hofieren gehen, sonder nam alte macaltur unnd schisß drein unnd schÈbe es unter das beth. Sachs 21, 20, 33 (Nürnb. 1524): Chorherr. Ey nein, das ist das decretal; maculir mirs nit! Sudhoff, Paracelsus 14, 487, 1 (um 1570): also, das es [geschirr] vor großem mitleiden und engsten schwizet und maculiert wird, so balt es der mensch in seine hende nimt. Maaler 28ov (Zürich 1561): Maculaturen a papeyr. Ineptæ chartæ. Rot 326 (Augsb. 1571): (die) Boß Maculirn, meyligen / klaun / bscheissen / beflecken / verunreinigen / besudlen. Ebd.: Maculatur, Beschriben oder besudlet papir / Reißpapir / darein man etwas schlecht bind / oder zu scharnützlen macht. − Alberus dd ijv. − Vgl. ferner s. v. abtilgen 4.

2. ›etw. (einen hohen, meist religiösen Wert) in den Schmutz ziehen, verhöhnen; etw. verdrehen‹; zu makel (der) 2. − Bdv.: vgl. afterkosen, ärgern 1, beschalken 1, beflecken 2, fälschen, geschämen, enteren, kränken, lästern 2, schmähen, spotten, strafen, uneren, verachten, verleumden. − Wbg.: makulist ›Lästerer, Beschmutzer‹ (dazu bdv.: bescheisser 2). Fuchs, Murner. 4 Ketzer 373 (2wohl Straßb.9 1509): Er gab jnen ein bËsen nammen, 兩 Des sye sich billich solten schammen, 兩 Wann Maculisten er sye hieß. Schade, Sat. u. Pasqu. 2, 126, 28 (schwäb., um 1525): es ist aber der maculist prediger münch von Senis. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 96, 16 (schwäb., 1551): das die wortt des herenn gerecht sind und sich nytt allso mackellirnn lassenn. − Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 131.

1640

makulist, s. makulieren 2. mal, das, vgl. aber 2 und 3; -(e)s/-π, -e und mäler ; zu 1Mahl ›Zeitpunkt‹ (Kluge/S. 2002, 592). 1. ›Zeitpunkt, Termin, Zeit (von bestimmter Erstreckung)‹; speziell: ›Lebensende, Tod‹. − Bdv.: vgl. augenblik 2, datum 1, gezeit 3, heu(e)re, punkt 4, term 2, termin 1. − Synt.: zu einem male in qual fallen; etw. (z. B. vier weih ›Weihen‹) eines males ›zusammen, mit einander‹ geben, zum ersten male ›zum erstanberaumten Termin‹ zu dem gerichte kommen; unz zu dem male ›bis an das Lebensende‹, von dem male ›von da an, seitdem‹, nu zu male ›heutzutage‹, desselben males ›zu der selben Zeit‹. 1

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 4739 (preuß., um 1330/40): Von dem maˆle sich ouch vleiz 兩 mit innenclichir andaˆcht heiz 兩 der selbe bruˆdir. Reissenberger, Väterb. 4458 (md., Hs. 14. Jh.): Hastu gelust nach quale, 兩 So beite untz zu dem male 兩 Ile hin des lebens louf. Reichert, Gesamtausl. Messe 4, 12 (Nürnb. um 1480): die ersten vier weych mag der bischof dem menschen wol geben auf einen tag, ob es joch nit suntag wer, alle vier eins mals [Z. 14: mit einander]. Boos, UB Aarau 224, 19 (halem., 1411): ein v acht zehen viertel dingkeln. MorgÈtli, [...], gulte nu ze male rall, Mandev. Reiseb. 70, 22 (schwäb., E. 14. Jh.): Do verbrant Julian sin gebain, wann er des selben mals kayser waz. Niewˆhner, Teichner 12, 61 (Hs. 2moobd., 1360/709): er waiz nicht zu welhem mal 兩 er gefellt in jamers qual. Mollay, Ofener Stadtr. 365, 3 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): Ap ey¨n geczeug da sich paid tail an ly¨essen, nicht qwem czu gerichte, Zum ersten mÁl. − Quint, Eckharts Pred. 2, 582, 7; Bernoulli, Basler Chron. 5, 268, 7.

2. kennzeichnet einen Punkt in einer Reihe weiterer, meist als zeitliche Folge konzipierbarer Punkte; stark konventionalisierte Syntax mit fließendem Übergang zur Zusammenrückung (dann mit Zusammenschreibung) und zur phrasematischen Verwendung mit Tendenz zu stark kontextabhängiger Bedeutung; vgl. bei den schwer verständlichen Fällen die den Belegen beigefügten Übersetzungsvorschläge. − Synt.: zwei / drei / vier / sieben / tausend / dik mal(e), ein mal, das andere mal, alle / etliche / manche male, eines, erstes, des, dies mal(e)s, auf das mal, unter allen malen, zum ersten, einen / anderen / dritten / dickern male, zu zweien /

1641 etlichen / allen malen, zu male ›gänzlich, ganz und gar‹, auch: ›sehr besonders‹ (Gradadv.), seit dem male ›sintemalen, da, weil‹. − Bdv.: malhäftigkeit. Wbg.: malheit ›Wechselhaftigkeit‹. Ingen, Zesen. Ros. 75, 22 (Hamb. 1646): Dan als ich eines mahls, [...] angestrenget ward / nach der grossen stat [...] zu zu gehen. Helm, H. v. Hesler. Apok. 4308 (nrddt., 14. Jh.): Und koz im eine gemalen, 兩 Mit der her zu allen malen [›für immer‹] 兩 Sines leides sich irloste. Schˆpper 44b (Dortm. 1550): Sæpe`. Offt dick offtermals villmals zum offtern mal zum dickern mal vilfeltiglich. Froning, Alsf. Passionssp. 3832 (ohess., 1501 ff.): Cursor, gangk nach eyn mael 兩 und fure Jhesum in den sale! Karnein, Salm. u. Morolf 513, 1 (srhfrk., Hs. um 1470): Salmon bließ zu dem andern male sin horn. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 118, 8 (rhfrk., um 1435): Lieben fründe / jch wil es zü mal [›sehr‹] gerrne dün. J. W. von Cube. Hortus 6, 42 (Mainz 1485): eppich dick mail genutzt ist die fallen sucht brengen. Ebd. 84, 35: Welcher den steyn hette der bade mit camillen dry oder vier male er wirt des ledig. Strauch, Par. anime int. 27, 2 (thür., 14. Jh.): und allir creaturen glichnisse und vollincumenheit zu male [›zugleich‹] ist geschaffen an deme menschen. K¸ther, UB Frauensee 209, 1 (thür., 1440): Summa funff gulden und hundert, die machen uff daz male [›zusammen‹] 15½ und hundert sex. Ebd. 304, 26: wan man die schwynn teylt, sal her alle moel [›jeweils‹] eylff junge schwynn an die stadt habenn. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 165, 12 (thür., 1474): unde habe daz getan in synes selbist homote unde met eygener torstikeyt eynmal, daz ander mal unde auch daz dertte mal. Mone, Adt. Schausp. 1, 3077 (Hs. 2omd., 13919): frame lÈte, 兩 dye wullen mit dir czyeen czue male [›auf einmal, zusammen‹] 兩 uff dye Juden. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 22, 3 (Hs. 2omd., 14659): Seint den malen das wir ein zolner sein, dem alle menschen ir leben zollen und vermauten müßen, wes widerstu dann dich? Bechstein, M. v. Beheim. Evang. 4, 2 (osächs., 1343): daz jene drıˆe in der stat zuo eime maˆle [›gleichzeitig‹] gesprochin habin. Schˆnbach, Adt. Pred. 15, 15 (osächs., 1. H. 14. Jh.): daz machet daz du in der boseit niht zu ainem male sunder vil dike hast gewatet. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 172, 18 (Bautzen 1567): er [Petrus] vorleugnet jhn drey mahl, 兩 Eh dann der Han kreet ein mahl. Pyritz, Minneburg 1844 (nobd., Hs. um 1400): Wann ich zum mal [›gänzlich‹] vergeßen hette 兩 Witz, wort und auch synne. Ebd. 4139: Dar nach furt dar fraw Truwe 兩 Ein edelkneht zum jungste mol [›zu guter Letzt‹]. v. Keller, Ayrer. Dramen 2449, 5 (Nürnb. 1610/8): Keins spils ich heut dis mals begehr. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 518, 29 (els., 1362): der mit eime swerte wirt geschlagen, der erstirbet zuo einem mole [›sofort‹]. Merk, Stadtr. Neuenb. 162, 31 (nalem., 1414): daz si nieman funden noch erfËrschen kËnden, der des moles [›gerade, zu der Zeit‹] silber gelt verkoufen wolte. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 552, 9 (Hagenau 1534): Der gerecht fellet alle tag syben mal / das ist / offt. Bernoulli,

mal

1642 Basler Chron. 5, 414, 2 (alem., 1448): und reyt der von Ramstein zum dickern mol uff und ab. Lindqvist, K. v. Helmsd. 2816 (halem., Hs. um 1435): [Samson] Gieng in ain statt da man im was 兩 Ze mal [›überaus‹] gar vy¨ent v und gehass. Ebd. 4038: Si spuwend dir in dine ogen 兩 Ze v v mÁnigem mal, daz ist ane logen. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 39, 12 (whalem., 1484): und aber dabi under allen malen [›jedes Mal‹] etlich knecht von Eidgnossen ouch umbkomen. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 46, 26 (noobd., 1347/50): den get du sunne ze ainem mol [›ein einziges Mal‹] in dem jare durch iren haubtpuncte. Klein, Oswald 31, 28 (oobd., 1422/3): Der wunder zal vil tusent mal 兩 we¨r mer ze singen überal. Schmitt, Ordo rerum 453, 87 (obd., 2. H. 15. Jh.): Vicissitudo [...] malheyt [...] malhäftigkait. Moscouia E ijr, 30 (Wien 1557): Als ich erstes malls durch Khaiser maximilian dahin geschigkht / wart [...]. − Quint, Eckharts Pred. 2, 45, 1; 633, 4; Wyss, Limb. Chron. U 120, 58; Henschel u. a., Heidin 1579; J. W. von Cube. a. a. O. 121, 35; Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 170, 6; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 287a, 29; Reichert, Gesamtausl. Messe 20, 24; v. Keller, a. a. O. 2120, 3; Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 18, 23; Chron. Augsb. 8, 464, Anm. 2; 9, 314, 24; Klein, a. a. O. 20, 54; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 127, 31.

3. dient als Multiplikationszeichen: ›mal, [eine Zahl] multipliziert mit [einer anderen]‹; auch zum Ausdruck hoher Zahlen gebraucht, z. B. sechs mal hunderttausend. − Wbg.: malteilung ›Teilbarkeit einer ganzen Zahl in gleiche Teile (z. B. 12 : 1 / 2 / 3 / 4), deren Summe größer ist als die geteilte Zahl‹. Luther, WA 10, 1, 1, 429, 11 (1522): Darumb nennen sie eyn solche tzal die reyche, ubirflussige tzal, darumb das yhr maltheylung mehr bringen denn sie selb hatt. Ders. Hl. Schrifft. 4. Mose 31, 32 (Wittenb. 1545): Ausbeute / die das Kriegsvulck geraubet hatte / sechs mal hundert vnd fünff vnd siebenzig tausent schafe. Fischer, Brun v. Schoneb. 2016 (md., Hs. um 1400): und der bislafelinge zwaren 兩 zu vir male zwenzig waren. Vogel, Pract. Alg. Ratisb. 227, 3 (moobd., M. 15. Jh.): et fac sic: die 2 mal 6 est 12.

4. ›Mahlzeit als soziale Veranstaltung aus verschiedenem Anlaß und mit unterschiedlicher rechtlicher Funktion‹; diese Nuance dicht belegt; dabei werden angesprochen: die Kosten einer Mahlzeit, die Mahlzeit als Teil der Entlohnung für geleistete Dienste, Aufwendungen für Reisen einschließlich der Unterbringung und Fütterung von Pferden (vgl. die Formel futter und mal), auch die Gewährleistung durch

1643 das Einlager (s. dazu leistung 5). Je nach dominantem Aspekt kann speziell das Festmahl, die Gesellschaftsveranstaltung oder eine bestimmte kleinere Mahlzeit gemeint sein. In vielen Fällen sind die einzelnen Gebrauchsvarianten nicht eindeutig umreißbar; als Metonymien: ›Essen, Speise (als Nahrungssubstanz)‹; ›das Essen, die Einnahme des Essens‹. − Gehäuft obd. − Phras.: sein mal bessern ›seinen Vorteil suchen‹ (Schweiz. Id. 4, 154). − Bdv.: atzung, futter, gericht II, 1, gastung 1; 2, hochzeit, imbis 1, ürte, zerung; vgl. abendbrot 1, jause, speisung. − Synt.: das / ein m. abtun / bereiten / teidingen / bessern (›aufbessern‹) / essen / geben / haben / halten / längern / machen / nemen / rügen, jm. (z. B. dem bürger, organisten, den dürftigen) ein m. geben, das m. für jn., aus dem gemeinen einkommen bezalen; die warheit js. mal sein; des males pflegen; 2des males, an dem male, für das mal, über das mal9 (jeweils: ›für das Mahl‹) [einen Betrag] geben, nach dem m. trinken, [wohin] gehen, jm. nach dem m. nachhin ziehen, ab dem m. guter sprüche sein, um das mal [einen Betrag] rechnen, zu dem m. gehen, jn. zu dem m. laden; das m. des kanzlers; das eingenommene / gemeine / grosse / gute / herliche / köstliche / rechte / reiche / schmale m.; das ausgeben des males; futter und m. Wbg.: malgelage, 1mal兩 geld (a. 1466 f.), malschilling (bdv.: kostgeld), malschüssel ›Anrichtschüssel‹, maltrog ›Kasse für die obrigkeitliche Leinwandschau, -prüfung‹ (M. 16. Jh.). Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 228, 4 (Leipzig 1537): Lauterheyt vnser brot sein sall, 兩 Vnd warheyt allzeyt vnser mall. Dinklage, Frk. Bauernweist. 26, 4 (nobd., 1413): das ein iclich probst und der stifft zu sant Johanns zu Haug zu Wirtzpurg alle jare yerlichen sullen haben drew male mit zwelff pferden. Dienes, E. Gros. Witwenb. 94, 23 (Nürnb., 1446): do machet sie [frawe] eyn mall vnd pat dorzu yre freunde. Gille u. a., M. Beheim 99, 169 (nobd., 2. H. 15. Jh.): da miten under in er [schalk] sass, 兩 ob seinem tisch das mal er ass. v. Birken. Erzh. Österreich 71, 28 (Nürnb. 1668): Nach eingenommenem Mahl / sagte er dem Abt diese und dergleichen Worte. Bobertag, Eulensp. 62, 8 (Straßb. 1515): lieber gast sprach die fraw, gebt mir dz malgelach .xxiiii. pfening. Kurz, Murner. Luth. Narr 4152 (Straßb. 1522): So bin ich ietz gerochen wol, 兩 Das ir o vff disem grossen mol 兩 Die selbig bruch gefressen hant. Geier, Stadtr. Überl. 528, 3 (nalem., 1552): Groß mal. Dorns-

mal

1644 tags, [...], würdet das groß mal uf dem rathhauß gehalten. Bernoulli, Basler Chron. 5, 269, 9 (alem., 1445): und o zugent inen noch dem malu nochhin by 6 oder 800 ze fusz. Koppitz, Trojanerkr. 8205 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Und sölte ain richer künge zartt 兩 Sölichs riches malles pflegen, 兩 Er müste coste sich bewegen. Welti, Urk. Rheinfelden 131, 28 (halem., 1459): alsdann sollent wir beid [...], oder yeklicher, der nicht leisten wolt oder mËcht, mit einem erbern knecht und mÈssigen pferid an siner statt, die nit des wirtes sind, ein recht offen gewonlich gyselschaft doruf leisten in veilem kouf vnd zu rechten malen. Ders. Stadtr. Bern 185, 13 (halem., 1403): Daz der, so in den spittal geben wirt, den i durftigen ir mal geb. Ebd. 430, 20 (E. 15./A. 16. Jh.): wieuil personenn zuo dem mal sËllennt geladenn werdenn. Rennefahrt, Zivilr. Bern 102, 3 (halem., 1504): so der obbemelten heiligen tag [...] wird begangen, so sol deheiner in der o bruderschaft schuldig, noch zwungen sin, [...], zuo den malen o u zu gand. Ders., Staat/Kirche Bern 579, 19 (halem., 1587): In gemeynen versamlungen der capitlen sollend uff das vilest nit mer dann zwey mal uß gemeynem ynkommen bezalt werden. Schib, H. Stockar 134, 24 (halem., 1520/9): Und hatt ich und ros aim dag zu lun 7 s und der knecht 5 s und ros und futtar und mal und nagel und ysen. Heydn. maister 22r, 7 (Augsb. 1490): Epimenides als er sein mal het. vnd Ëlber alß / verschufo er die sand poten [...] zuo jm o ko˜men. Maaler 281r (Zürich 1561): Mit außgÁben guter MÁlinen den gunst vnd huld deß volcks erlangen. Morrall, Mandev. Reiseb. 128, 17 (schwäb., E. 14. Jh.): Hie seit er von gewonhait die sie hond, wenn ainer haisset ain mäl beraiten. M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 271, 32 (schwäb., 1453/4): So han ich geben dez mals, [...], umb visch 6 lb. Ders. Stadtr. Ravensb. 267, 15 (oschwäb., 1519): anno etc. (15)19 hat ain rat alle mäler, [...], uß grossen darzuo bewegenden ursachen abgethan. Bastian, Runtingerb. 2, 58, 2 (oobd., 1383/4): 22 g. gab ich fÈr ein mal den gesellen. Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte 1, 196, 15 (moobd., 1524): daz hinfuran nyemandt, [...], kain hochzeit mer vber vier Tisch hallte, auch nit mer dann ain mall gebe. Winter, Nöst. Weist. 4, 12, 38 (moobd., 1529): welche¨r sein mällel mag pesse¨rn in der bochen an ainem fastag, das mag er thain. Mell u. a., Steir. Taid. 32, 39 (m/ soobd., 1568): nachdem [...] der richter selbst quotemberlich neben ainem burger und den aufhabern die feurstet in allen heüsern besichtigt und hernach dem burger und andern so die bschau neben ime geton ain mal geben, sol [...]. Zingerle, Inventare 98, 2, 32 (tir./vorarlb., 1478): v malschÈssel. Rechn. Kronstadt 1, 545, 35 (siebenb., 1524): herr Lucas Hy¨rsser hat och an seinem Mall gegeben flor. 25. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 46, 86; Kaeber u. a., Qu. Blankenb./Deutz 225, 41; Chron. N¸rnb. 2, 264, 20; Dinklage, a. a. O. 92, 38; zu Dohna u. a., Staupitz/ Scheurl 152; Rupprich, Dürer 2, 151, 4; 54, 243; Sachs 14, 116, 30; Menge, Laufenb. Reg. 2931; Bernoulli, a. a. O. 5, 249, 5; Welti, Stadtr. Bern 103, 30; Rennefahrt, Gebiet Bern 789, 32; ders., Wirtsch. Bern 213, 29; M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 59, 34; Winter, a. a. O. 3, 645, 5; Maaler 277r; 282r;

1645 Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 24/27/30/32; Rwb 8, 1592; Vorarlb. Wb. 2, 341; Schweiz. Id. 2, 255; 8, 585; 14, 644. − Vgl. ferner s. v. atzung 1, imbis 1, batze 4, ban 8.

5. ›letztes, sakramentstiftendes Abendmahl Christi mit seinen Jüngern; Abendmahl als kirchliche Veranstaltung‹; Spezialisierung zu 4. − Phras.: das jüngste / lezte mal. − Bdv.: vgl. abendmal 2; communion, imbis 5, 1 letze 3. Schmidt, Rud. v. Biberach 181, 26 (whalem., 1345/ 60): Zvo dem ivngsten mal so setzzet got [...] vnd spricht. Dienes, E. Gros. Witwenb. 256, 2 (Nürnb., 1446): Vnser lieber herr Cristus Ihesus an dem letzten mal, das er aß vor seym heyligen leyden mit seyn zwelf potten, do sprach er [...]. Karnein, Salm. u. Morolf 17, 12 (srhfrk., Hs. um 1470): Sie [kunigin] was schone und da bi wol getan. 兩 sie versumte manchen ritter an sinem mal (hier wohl ›Messe‹). Rennefahrt, Statut. Saanen 68, 11 (halem., 1447): so sol ein yegklich person, [...], dem vorgenanten kilcherren sechs pfenning alle jar in der vasten geben, nemmlich ein furi den kertzpfenning, [...] die andren vier furi das mal. − Luther, WA 41, 284, 2 ff.

mal, das; -(e)s/-π, -e und mäler ; zu 2Mal ›Fleck, Markierung‹ (Kluge/S. 2002, 592). 1. ›Mal, Zeichen am Körper des Menschen (seltener: von Tieren)‹; speziell: ›Wunde (als Zeichen für eine Verletzung oder als Kampfzeichen)‹; mit vereinzeltem Übergang zu: ›Makel (der Sünde)‹; auch: ›Fiederung von Beizvögeln‹; ›Schatten (auf dem Mond)‹. − Phras.: sonder mal; jm. kein mal vom auge schwätzen. − Bdv.: anmal, flek, meil 1; 2, makel 1, 1mas, stigma, wunde, zeichen. − Synt.: ein m. begehen / entfangen / gewinnen, für ein zeichen halten, (wo, z. B. an der stirn / brust) haben, der mane ›Mond‹ ein m. haben; js. kopf voller mäler sein; eine tat an malen beweisen, den frieden mit einem m. brechen; das m. des heldes, der nägel, der sünden, am antliz, an händen / füssen, im auge, unter dem auge; das m. an einem hause; das blaue (mehrfach) / graue / schwarze m.; das lämlein ane mal, die braut sonder m. Wbg.: malecht ›fleckig (von Äpfeln)‹ (a. 1517), malstreichig ›ein Wundmal bildend‹ (im Unterschied zu blutries, beinschrötig, meiselend; a. 1600). 2

Helm, H. v. Hesler. Apok. 18440 (nrddt., 14. Jh.): der [vurst] nie mal entpfienc 兩 Von suntlichem meine. Schˆpper

mal

1646 57b (Dortm. 1550): Næuus. Maaß fleck mal mackel anmal. Luther, WA 37, 380, 1, 5 (1534): Von den malen an den henden und fussen Christi ist die gemeine sage, das [...]. Ders. Hl. Schrifft. 3. Mose 14, 35 (Wittenb. 1545): Es sihet mich an / als sey ein aussetzig mal [V. 34: Aussatzmal; Mentel 14751 : wunde der misel; 14752ff. / Eck 1537: plag des außsatz o. ä.] an meinem hause. Da sol der Priester heissen / das sie das haus ausreumen / ehe denn der Priester hin ein gehet / das mal zu besehen. Oorschot, Spee/ Seifert. Proc. 464, 17 (Bremen 1647): Muß man nicht ein jedwederes natÈrliches maal / oder flecken / [...] / fÈr ein Heren zeichen halten. Voc. inc. teut. p iiijr (Speyer um 1483/4): Mael vndern auge˜ am antlitz. Beckers, Bauernpr. 59, 3 (Köln 1515/18): wan˜ der maen is new / hat he an de˜ hore˜ eyn dunckell schyn / schwartze maell dat bedudet in syner neuwe regen daich. H¸bner, Buch Daniel 2774 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Ey, richter, ir habit mal 兩 Gewunnen mancherhande 兩 Uf sliezende die bande 兩 Der ungerechten durch gut. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 248, 7 (osächs., 1523/4): und wolt ime nach seinem leben gestanden haben, und hett weder blau mal noch blutrunst. Ebd. 456, 9: seintmal die tat nicht beweislich ist an wunden oder an anderen malen. Asmussen, Buch d. 7 Grade 1216 (nobd., Hs. A. 15. Jh.): ob sie kain mol der sunden 兩 von kainer schulde den noch hab, 兩 daz ir daz wasche deu andoht abe. Ettm¸ller, Heinr. v. Meißen 27, 7 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): Die [Parzival u. a.] worchten heldes male, 兩 daz schuf der fürsten milte hant. Gille u. a., M. Beheim 328, 714 (nobd., 2. H. 15. Jh.): das er [marder ›Mörder‹] daz mal must han 兩 An seiner stirnen stan. Dict. Germ.-Gall.Lat. 314, 34 (Genf 1636): HÈtt dich fÈr denen / so die Natur mit einem (mal) gezeichnet. Chron. Augsb. 8, 231, 14 (schwäb., zu 1563): welchem [kind] der kopf und sein leiblein aller erschlagen und voller mäller gewesen ist. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 423 17 (schwäb., um 1600): welches daß ander malstreichig oder bluetriß machet. Henisch 141 (Augsb. 1616): Man schwetzt einem kein mal vom aug. Gierach, Märterb. 618 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): mich hat Got gedinget 兩 im selben zü einer gemäl 兩 und zü einer prawt sunder mal. Turmair 1, 394, 23 (Augsb. 1517): labes ,mael, fleck‘, proprie, ut ait Festus, macula in vestimento, etiam ruina est, ad animum quoque transfertur. − Helm, a. a. O. 19449; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 225, 14; 311, 12; Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 170, 11; Sachs 21, 490, 28; Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 188, 1 Var.; Voc. inc. teut. p iiijr; Rwb 9, 59; Schw‰b. Wb. 4, 1416; 1431; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 148; T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 76.

2. ›Mal, Grenzzeichen, Grenzpunkt; Grenze einer Fläche‹; auch: ›steinernes Denkmal, Erinnerungszeichen‹; ›Person (Christus) als Eckstein‹; als Metonymie zu ›Grenzzeichen‹: ›mittels mal abgegrenzte Fläche‹ (Schweiz. Id. 4, 144); ›Ausgangspunkt‹ sowie ›Zielpunkt, Ziel (beim

1647 Schützenfest)‹; auch: ›obrigkeitliches Schau- und Kontrollzeichen auf Leinwand‹ sowie (als Metonymie dazu:) ›Handlung der Auszeichnung‹. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: jm. das mal stekken ›jm. die Richtung seiner Handlung vorgeben‹. − Bdv. markstein, (-)markung, reinung; grenze 2, zeichen, ziel, zwek; vgl. 2lache 1. − Synt.: das / ein m. aufrichten / (aus)setzen / hauen / machen / abhauen / abtun / verrükken / verändern, jm. ein m. zusagen / verzinsen; mit einem m. anheben (eine Grenze zu markieren), die leinwat mit einem m. kenzeichnen, zu einem male gehen; das alte / grosse / kleine / steinerne m. Wbg.: malacker ›Acker eines bestimmten Umfangs; Feldmaß‹ (a. 1631), maleiche ›Grenzeiche‹ (a. 1585/6), 1malen 9 ›eine Grenze durch ein Zeichen sichtbar machen, ein Grenzzeichen anbringen‹ (a. 1341 f.), 2mal 兩geld ›Gebühr für die Anbringung der Ursprungsmarke an Tüchern‹ (a. 1480 ff.), 1mal 兩haufe ›zur Grenzmarkierung dienender Erdhaufe‹, malholz ›Grenzbaum‹, malplaz ›Stelle, an der eine Berechtigung endet‹, 2mal 兩stat ›Merkort‹ sowie ›Ausgangs-, Zielpunkt‹. Schˆpper 41b (Dortm. 1550): Meta. zweck zil malstatt vorzeichen. Luther, WA 9, 555, 11 (1521): Unser gebett, soll es recht gehen, musß es also geschickt sein, das wir unsern Herr Gott nicht das mall stecken, das ers thue, wan wir wollen, sunder [...]. Ebd. 23, 622, 18 (1527): die selbigen [Ërter] werden auch drum auffgericht werden [...] als heilige steine und streits zeichen odder malstete ynn der Christenheit. Ebd. 41, 133, 29 (1535): also [...] dieser Christus ein zeichen odder mal sein mus, dem da wider sprochen wird. Ders. Hl. Schrifft. 1. Mose 35, 14 (Wittenb. 1545): Jacob aber richtet ein steinern Mal [Mentel 1466: zeichen; Froschauer 1530: saul] auff an dem ort [...] / da er mit jm geredt hatte. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 286, 1 (mosfrk., 1562): iedweder weiß sein maˆlplatz, da es keren und wenden sol. Alberus b ijv (Frankf. 1540): Diaulodromus, der in eim lauff hin vnd widder vmb laufft bis an die malstad / da er anfing. Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. 61, 15 (o. O. 1532): wellicher [...] Ein vnndermarckung, Rejnung, mal oder marckstein verruckt, [...] der [...]. H¸bner, Buch Daniel 3462 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): er [Got] machet ein mol, 兩 Daz ir des versuchens zol 兩 Lidet gar an alle dol. Schmitt, Ordo rerum 613, 25 (omd., 1466): Limitare mal seczen. Hertel, UB Magdeb. 3, 368, 2 (nrdt., 1487): es soll auch nymand von den schutczen, [...], anders dann bey dem male und zcil, so durch den rat [...] uszgesaczt ist, stehen.

1648

mal

Ebd. 521, 3 (nd./omd., 1494): die erde, so ausz dem graben gefurdt, an die Elbe hinter das mal [...] abgesnürt ›abgeladen‹. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 641, 9 (osächs., 1523/4): Seintdemmal die pauern in ire reinen und male zusagen mit der gewere, so [...]. Voc. Teut.-Lat. g iijr (Nürnb. 1482): Ende zyl mal od‘ malstat. meta. i. locus determinatus metu˜ idem. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 121, 43 (halem., 1356): daz man zwei mal gemacht hat, da mit man die linwat zeichennen sol, ein gross und ein kleins mal. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 391, 4 (schwäb., 1578): Es sollen auch hinfüro alle newe standreis oder mahlhölzer [...] gezaichnet und an iedem ein blättlein gehawen und mit einem röttelstein darein gemerckt und nit gebohret werden. Niewˆhner, Teichner 216, 214 (moobd., 1360/70): also gie ez [chindlein] zuo dem mal 兩 do ez den schreiber west und sach. Mell u. a., Steir. Taid. 116, 26 (m/soobd., 1553): erstlich hat er [amptman] angehebt mit mal an der Muerzprucken. − Luther, WA 41, 510, 36; Rwb 9, 58; 80; 83; Pf‰lz. Wb. 4, 1444; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 233; Vorarlb. Wb. 2, 340; Schweiz. Id. 2, 255. 3

mal, das; zu mhd. mahel ›Gericht‹ (Lexer 1, 2010). ›Gerichtsversammlung‹; metonymisch auch: ›Gerichtsurteil‹ sowie ›zur Rechtsprechung eingehegter Raum‹ (rechtssymbolisch gesehen). − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: vgl. ding 15, grundrecht 2, landschranne, landtag 1, tag 9; 10, teiding 1. − Phras.: den fus bei das mal setzen ›Einfluß ausüben‹. − Bdv.: gericht I, 5, urteil. − Synt.: das m. beschreien / hegen / halten; das m. (Subj.) macht haben; jn. an das m. setzen; das angehegte / gemeine m. Wbg.: maheldingen ›über etw. entscheiden, richten‹ (14. Jh.), malgericht, malrecht. Struck, Cist. Marienst. 1290 (mosfrk., 1488): daß ferner der Vormund des Klosters, [...], ihm zur Seite stehen (synen fosse bii das maell setzen) und zum Recht verhelfen solle. Dinklage, Frk. Bauernweist. 107, 28 (nobd., um 1540): So solle der herr zu sant Steffan denselbigen tag der ainigung gewertig sein und die mall halten und hegen und den abendt darvor beschreien lassen. Ebd. 117, 12 (1427/1503): so man ein gemein mahel hat beschrien dem armen als dem reichen, so einer [...] pleibt aüssen freventlich, so ist die bues 6 ∏. Ebd. 118, 7: so ir zwen ein zwitragt hetten und sye des erbutten fur ein mahelrecht, so sollen sye die bürgermeister anleffen und die bürgermeister erkennen, das sye ein maelgericht darüber seczen. Siegel u. a., Salzb. Taid. 333, 4 (smoobd., 1435): der landrichter sol ains in dem jar auf das guet kömen und sol sein pfe¨rd heften an das valltör in dem dorf und sol das mal nicht da halten. − Dinklage, a. a. O. 89, 36; Rwb 8, 1592; 9, 1; Pf‰lz. Wb. 4, 1121; Schweiz. Id. 13, 583.

1649

mal − malaz

mal, Adj.; entsprechend nl. mal ›nicht ganz bei Sinnen‹ (de Vries, Nl. Et. Wb. 1971, 424; Dwb 6, 1509). ›verrückt, von Sinnen‹. − Bdv.: vgl. aberwitzig, amächtig 2, beisinnig. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 79, 4 (Köln um 1490): Wat, gaet gy driten? sijt gy malle? Kurz, Waldis. Esopus 3, 51, 50 (Frankf. 1557): Vatter, dich nit verkall! 兩 Jch mein fÈrwar, das du seist mall.

malabenteuer, das; Bw aus lat. malus ›schlecht‹ (Georges 2, 784). ›böses Geschick‹, im Beleg als Ausruf gebraucht; zum Gw vgl. abenteuer 8; 14. Mone, Adt. Schausp. 2, 915 (Hs. 2omd., 13919): Mercator percutit uxorem et dicit. 兩 Facculdey, malaventure! 兩 ach due alde ungehure!

malachit, der ; über lat. malachites letztlich aus dem Griech. (Duden, Gr. Wb. 1999, 6, 2496). ›Malachitstein‹. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1644 (oobd., 1607/11): ein weisse schlechte schachtel, ist voller malachitten.

malacker, s. 2mal 2. mala franzose, Genus? ›französische Krankheit; Syphilis‹. − Bdv.: 1breche 2; vgl. breste 3, franzosen, landsknecht 3, luxus. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 234, 11 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): 1498 [...] ist gestorben [...] kunig Karll an leiberben an dem prechen, den man nennt mala Franntzos. − Tarvainen, Wortsch. Unrest. 1966, 141.

malagranat, der ; starke Formenvielfalt: malo-, magran, malgran, margran, entsprechend in den Wortbildungen; zu mhd. malagranaˆt o. ä., dies aus lat. malum granatum (Lexer 1, 2015; Pfeifer, Et. Wb. 2000, 468). ›Granatapfel‹; auch: ›trinkbarer Aufguß aus dem Saft und der Rinde des Apfels‹; dem Grantapfel werden besondere ästhetische, geschmackliche und heilende Qualitäten zugeschrieben; er dient auch als Symbol für die Mutter Gottes, als Schmuck in den Fahnen. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 4, 1650. − Synt.: m. essen / trinken; der m. warm / feucht sein, jn. wärmen / feuchten, den geist stär-

1650

ken, kraft haben, wol schmecken, etw. bezeichnen; jn. mit m. umstecken; der süsse m.; most von m. Wbg.: malagranatapfel, malagranat(apfel)baum, malagranaten (Adj.). Follan, Ortolf. Arzneib. 25, 8 (snfrk./rib., 1398): wert eynen so sere dorstende, so gef eme malogranat to etende eder dyadraganatum eder lactuken. Fischer, Brun v. Schoneb. 22907 (md., Hs. um 1400): ich wil dir gebin trinken, sich, 兩 gemengeten win uz miner stat 兩 und most von malagranat. Voc. inc. teut. p viv (Speyer um 1483/4): Malag˜ appel mar gra˜ opfel malog˜ratu˜. Mayer, Folz. Meisterl. 74, 141 (nobd., 1517/8): O pamarancz, malogranat, 兩 Dw [Fraüv] carioffel und müscat, 兩 Des mandels kerns war leger stat 兩 Ich mein deins süns so fron. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 10, 108, 4 (Straßb. 1466): noch der weingart vnd der feygbaum vnd der magrambaum [Luther, 1545, Hag. 2, 20: Granatbewm] [...] hat nit geblu´et. Rieder, St. Georg. Pred. 86, 18 (Hs. 2önalem., 13879): von dirre gezierde sprichet du´ sele in canticis: ,under lege mich mit blÈmen und umbsteke o o guten smak‘. Ebd. 258, 26: mich mit malagranatin guten, der malagranat hat grosse kraft und smeket wol. der bezaichent die gehu´gde u´nsers herren toˆdes. du´ haˆt also grosse kraft daz su´ den gaist sterket dem da gebrosten ist. Arndt, biechlin B jv, 29 (Freib. 1523): Du solt trincke˜ in disem monat ab tosten / malagranat vnd oderming. Bremer, Voc. opt. 48152 (wobd., 15. Jh.): Malogranatus [...] granatapphelv [...] baum [...] margranaphelpaum [...] malagnatapfelbom v malgrantpawm [...] granaaphalbom. Malogranatus [...] est quedam arbor, cuius fructus dicitur malogranatum [...] ex eo, quod intra corticem continet multitudinem granorum. (Idem fructus) et malum punicum dicitur, quia ex punica regione sit aduectum uel quia grana habeat rubea quasi punica. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 329, 16 (oobd., 1349/ 50): ain apfel haizt malogranatum, wan granum ze latein haizt ain korn, dar umb haizent si die laien malgranöpfel. die süezen malgran sint mæzicleichen warm an der kraft und fäucht, alsoˆ daz si den menschen werment und fäuchtent. − Stedtfeld, Roger-Glosse 88; Voc. inc. teut. p vr; Öst. Wb. 1, 281. − Vgl. ferner s. v. balauste.

malagranatapfel, malagranat(apfel)baum, malagranaten, s. malagranat. malaxieren, V.; aus lat. malaxa¯re ›geschmeidig machen‹ (Georges 2, 775). ›etw. weich, geschmeidig machen, zum Auftragen zubereiten‹. Rauwolf. Raiß 31, 22 ([Lauingen] 1582): so leget der Mor erst einen [...] auff das angesicht / greiffet vnd rencket jhm abermals alle glider dermassen / als wann er ain pflaster malaxieret. Broszinski, Minner. Chir. Parva 72r, 4 (halem., 2. H. 15. Jh.): puluis radicis yrreos, malixier es mit gilgenöly, mach ein pflaster. Ebd. 72v, 18: mach ein pflaster, malexier es mit rosenöly, dis verstelt das lidwasser.

malaz, Adj.; zu mhd. malaˆt o. ä. ›aussätzig‹, dies aus lat. male aptus (Lexer 1,

1651

malazei

2016; vgl. auch Schweiz. Id. 4, 166), starke Formenvariation: -dig, -echt, -eisch, -ig, -etze; auch Kontraktion zu malz, malzig. ›aussätzig, lepros‹. − Bdv.: aussetzig, blaterig 2, feldsiech, krank, mieselig; vgl. ausgemerkt, ausmerkig, aussiech, besondersiech, geflechtig, gnetzig, grindig 1, maselsiech, maselsüchtig, purpelecht. Ggs: rein. − Synt.: j. m. sein / werden, j. eines siechtagen m. sein; der malzige flek, der malaze mensch / bruder, die malaze haut / nase; subst.: die malazen brennen / reinigen, in das spital geben; der malaze ausgehen / predigen, als ein malaze [wie] stehen ›dastehen‹, der malzige keinen balsam in sich haben, die malazen jn. nicht dolen wollen. Wbg.: malazenkotte ›Haus für Aussätzige‹, malazgasse (14. Jh.), malazhaus. Chron. Kˆln 2, 26, 21 (rib., 1376): na sente Panthalions dage quam buschof Frederich [...] bi den malatenkotten. Ebd. 346, 3: Wie dese Constantinus mallaitsch ind uissetzich wart ind davan gereiniget. Froning, Alsf. Passionssp. 2441 (ohess., 1501 ff.): hye [Jesus] reynniget die maledigen! Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 96, 16 (Frankf. 1535): mach darauß ein salb / vnd damit schmiere die bËse raude / oder maletzet haut in einem bad. Ebd. 190, 2: Salarmoniac zerlassen in Rosenwasser mit Campffer vermischt / [...] / benimpt die vngestalt des antlits / als die maltzigen flecken. Wolf, Rothe. Ratsged. F, 620 (thür., 3. Dr. 14. Jh.): Wen man vz dem Rate werfen Sal. Daz sin wip vnere czu brenget, 兩 [...] 兩 Wer malacz were, 兩 Synen eldern sprichet an die ere. Voc. Teut.-Lat. c iiijv (Nürnb. 1482): aussetziger maletschiger. aussetzel od‘ guttermon. leprosus. Chron. Strassb. 583, 19 (els., E. 14. Jh.): Malzen in Francrich wurdent gebrant. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 320, 15 (Straßb. 1466): Do er [Mose] sy [slange] hett gelegt in die schoß: er fu´rbrachte sy misilig oder maltzig [Var. 14751 / Luther 1545, 2. Mose 4, 6: aussetzig] in geleichsam des snees. Kurz, Murner. Luth. Narr 736 (Straßb. 1522): Vnd sagen, wie sie teilen wËllen, 兩 Die geistlich zinß mit iren gesellen: 兩 Zuo dem ersten in den spittal geben 兩 Den maltzen auch da neben. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 282, 18 (Straßb. 1522): Wie kumpt es, das me Lamer, Blinder, Maltzen und Betler sein in der Cristenheit dan in der UnglËbigheit. Goedeke, Fischart Flöh Haz 1774 ( Straßb. 1594): in ain butzscher sie steckten, 兩 Zwen brüder, die sie drin ersteckten, 兩 Jn dem giftigen rauch und gstank, 兩 Davon man malzig wird und krank. Sudhoff, Paracelsus 14, 452, 30 (um 1570): ein ieglicher reiner mensch hat ein besonderen balsam in sich, der malzig aber hat keinen. Boos, UB Aarau 12, 16 (halem., 1283): Den vride kreiz han wir in geschepphet von dem Malaz hus unz an Blanken hus. Adrian, Saelden Hort 9435 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): so daz sin antlu´t minneclich 兩 wart ainem malatzen gelich. Leisi, Thurg. UB 8, 222, 2 (halem., 1395): verhËr-

1652

ren, erkennen und usschaiden, ob si dez selben siechtagen sigint malacz oder nit. [...]. etlich ander malaczian und ander veltsieo v underwindent sich an willen und gunst der chen unser bistums v veltsiechen der malaczie ze Costentz u´berhËrens, geschowans und underschaidung. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 3 (Genf 1636): Malazeischer [...], Leprosus. Strauss, A. v. Villanova dt. 165v, 15 (obd., Hs. 1421): vnd wirt ußslahen vnder dem antlitze vnd wirt sten alz eyn malotze dicke vnder seynen augen. − Chron. Kˆln 1, 434; 3, 900, 27; Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 1, 461, 8; Chron. baier. St‰dte. Regensb. 409, 1; Gerhardt, Meister v. Prag 410; Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 365 f.; 367; Ising, Spätmal. Schriftdialekte 1, 119; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 233; Schweiz. Id. 2, 452; Schw‰b. Wb. 4, 1418; M.A‹−o›. Holmberg, Die dt. Synonymik für ‚aussätzig‘ und ‚Aussatz‘. In: Nd. Mitt. 26, 1970, 25−71.

malazei, die; -π/−; starke Formenvarianz (bis zu undurchsichtigem malzei) bereits der mhd. Vorläufer (maˆlazıˆe, maˆlatıˆe, malzıˆ usw.); diese aus dem Mlat. und Rom. (Dwb 6, 1514). ›Aussatz, Lepra‹. − Bdv.: aussaz 3, aussetzigkeit 1, gebreche 2, krankheit, siechtum; vgl. aussetzel 2, aussezheit, grind 1, lepra, mieselsucht. − Synt.: arzenei die m. vertreiben, blut die m. heilen; die m. (Subj.) von jm. abweichen, ein gebreche sein; von der m. gesund werden, kinderblut wegen der m. gebrauchen, Jesus jn. von der m. gesund machen; die quade / rechte / schuppechte m.; die feldsiechen, der siechtag, die krankheit der m. Wbg.: 2malazeischau ›obrigkeitliche Untersuchung Aussatzverdächtiger‹; malazeischauer9 (16./17. Jh.), malazhaus. Chron. Kˆln 1, 532, 32 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Cristus sal uch myt synre ducht, 兩 [...] 兩 in der douffen gesuntheit geuen 兩 ind maichen quijt malaterien. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 150, 11 (Frankf. 1535): Litargirum gmischt mit essig vnd saltz / benimpt die maltzei. Hulsius A iijv (Nürnb. 1596): Außsatz / malatzey / la lepre ladrie. Menge, Laufenb. Reg. 2876 (Hs. 2nalem., um 14709): ouch ettwenn die malatzye 兩 Diß sint gebresten michel groß 兩 Die von wynes vnmoß 兩 Kument. Michels, Murner. Badenf. 29, 47 (Straßb. 1514): Heilt menschlichs bluto die o malacy, 兩 So lug, ob got ein artzet sy! Ebd. 74: Er wist die rechte artzeny 兩 Die vnß vertrib die maltzery. Lemmer, Brant. Narrensch. 55, 30 (Basel 1494): Eyn bichtvatter ist wol des glych 兩 Der nit kan vnder richten sich 兩 Was vnder yedr maletzy 兩 Vnd gschlecht der sünden / mittels sy. Chron. Strassb. 903, 29 Var. (els., E. 14. Jh.): keiser Constantinus getouffet und gesunt wart von der maletrie und darumbe gap er grosse friheit der cristenheit. P‰pke, Marienl. Wernher 7978 (halem., v. 1382): Von dem [Symeon] tuto du´

1653

malazeischau − maledeien

schrift bekant 兩 Das in Ihesus e zestunt 兩 Gemacht von malaczen gesunt. V. Anshelm. Berner Chron. 1, 233, 16 (halem., n. 1529): allerhand kostbar und wunderselzam erdacht, ungedacht arznıˆen, insunders von wegen der malacy vil kinderbluto gebrucht. Leisi, Thurg. UB 8, 221, 26 (halem., 1395): Wissent, daz die beschaiden phleger und fu´rseher in namen der phlegnu´st und fu´rsichtkait der veltsiechen der malaczie ze Costentz, [...], fu´r uns komend und fu´rlaitend, wie [...]. B‰chtold, N. Manuel. Elsli 262, 125 (Basel 1530): Das gegicht, den rissenden stein, die maletzy, 兩 Der hodenbruch und dass dir we am zümpel si! − Welti, Urk. Rheinfelden 311, 37; Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 540, 20; Dasypodius 376v; 487r; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 1; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 131; Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1932, 152; 1943, 367/8; Voc. Teut.-Lat. c iiijr; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 233; Schweiz. Id. 8, 1595; 1628. − Vgl. ferner s. v. argwönig.

malazeischau, malazeischauer, malazenkotte, s. malaz. malazgasse, malazhaus, s. malaz. malbank, der ; Schreibungen des Bw mit -a-, -e- und -u-; damit drei Wortbildungsbasen. wohl ›einer Bank verglichenes Mahlwerk‹; vgl. 2malen 1; 2, bank 12. M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 81, 35 (schwäb., 1432/ 3): Usgeben von ain malbank, daruf die stain malnd ze machend in die grosse mül, darunter 8 lb. ß maister Uolichen 36 tag an dem mulbank zu machend. Ebd. 106, 12 (1436/7): Do ist die klain mülin stilgestanden ain woche, als man den nüwen malbanck machet. − Ebd. 90, 38.

malbauer, s. 2malen 2. malbaum, der. ›Grenzbaum, Baum mit einer Grenzmarkierung‹; zu 2mal 2, vgl. baum 1. − Bdv.: vgl. grenzbaum, lochbaum, lochter 3, losbaum. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 734, 1 (osächs., 1523/4): Einer hat abgehauen ein halben malpaum der do stund in einer rechten scheidung. Piirainen, Stadtr. Sillein 101b, 5 (sslow. inseldt., 1378): Von malpaumen DEr malpaume odir mark steyne seczet der sol in dar vber han der an der ander seyten seyn lant hot. − Ebd. 44a, 18; Pf‰lz. Wb. 4, 1143.

malch, s. manig. 1 male, die; zu mhd. malhe ›Ledertasche‹ (Lexer 1, 2018). ›Ledertasche, Reisetasche‹. − Nrddt./ md. − Bdv.: vgl. behaltsak. Ziesemer, Gr. Ämterb. 652, 38 (preuß., 1414): reysegerethe: 4 hutten, 2 geczelt, 3 krippetucher, 3 riclynen, eyne male.

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Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 2890 (rib., 1444): Dit broit soelen in yre male 兩 Alle gude pilgeryme doen vil reyne. Ebd. 3444: us eynre kisten de sij upslois, 兩 Reikde sij mir de male ind staff al blois. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 10313 (rhfrk., um 1405): Der [herre Ú phennig] ist ein got gemacht mit hande; 兩 Er wil dicke in malleten beslossen sin 兩 Und auch dicke wider dar uße sin. − Ziesemer, Marienb. Ämterb. 1, 19; 137, 15; ders. Gr. Ämterb. 35, 20; ders., Marienb. Tresslerb. 157, 7; Schmitt, Ordo rerum 201, 8. − Vgl. ferner s. v. panzersak. 2

male, die. ›Mahlwerk einer Mühle‹; vgl. 2malen 1; 2. Kl‰ui, Urk. Hermetschwil 27, 25 (halem., 1357): sol i ich [...] bis zu sant Jacobs tag [...], die muli mit einer malen und einer rËllen bereit und gemachot han und darnach inrend i iares frist die andren malen bereiten und machen an furzug mit sËlicher bescheidenheit, das ein mal dem convent des obgenempv ten gotzhus stÁtklich ze wisem brot nutz sig. − Schweiz. Id. 4, 169. 3

male, die; Etymologie? ›Panzerring‹. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 4099 (rib., 1444): Want id [pantzier] is van sulche¯ machsel ind prijse 兩 Dat eme alle andere wapen neit eyne lijse 兩 Noch eyne male mochten krencken. Ebd. 4186: du salt wissen dat it [colier] aen falien 兩 Is gemacht mit dubbelen malien.

malecht, s. 2mal 1. maledeien, V. 1. ›fluchen; jn. lästern, verspotten; jn. verfluchen, verwünschen‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: bannen 9−11, beleidigen 1; 2, fluchen, griesgramen, lästern 2, 2liegen 1−3, schelten, speien, toben, verdammen, (ver)fluchen, vermaledeien, vertumen, wüten; vgl. anathematisieren, anfluchen, aussegnen 2, einen schalk ausstossen, bannen 10, beschreien 6, blasphemieren, gotteslästern, gottesschelten, gottesschweren, lasterkosen. Ggs.: benedeien 1; 2, segnen. − Wbg.: maledeier. Luther, WA 8, 693, 31 (1522): as solt ein truncken bold, wen er nicht fluchen, maledeyen und [...] toben kund. Ebd. 706, 28: szo ist der Bapst eyn lesterer, maledeyer, flucher. Ebd. 53, 512, 26 (1543): wie sie [ie Jueden] den Goijm fluchen, speien und maledeien. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 6, 28 (osächs., 1343): benedıˆget di, di uˆch maledıˆende [Luther 15301 : beleidigen; ders. 1545: verfluchen; Emser 1527: vermaledeyen] sint. Sachs 19, 431, 21 (Nürnb. 1563): Thund sich selb verfluchen, verdammen 兩 Mit maledeyen und grißgrammen. Ders. 21, 76, 20 (1524): Liebet ewer feindt, benedeyet die euch maledeyn [Luther 1545,

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maledeier − malefiz

Mt. 5, 44: fluchen], [...]. Und j. Petri kj (3, 8): [...]. Vergeltet nit böses mit bösem, nit scheltwort mit scheltwort, dargegen benedeyet. Rot 326 (Augsb. 1571): Maledeien, Eim vbel reden / eim etwas vbel gsegnen / fluchen / schelten / vermaledeyen. Wackernell, Adt. Passionssp. Vsp. 1093 (tir., 1530/50): Er wirt verspot unnd verspeibt, 兩 Geckrönt, gegaisselt unnd gemaladeit. − Luther, WA 8, 696, 1; 705, 12; 10, 3, 412, 16; Fastnachtsp. 15, 17; Sachs 21, 92, 24; Ukena, Luz. Sp. 467.

2. als part. Adj. (maledeit): ›unrein, geschädigt, entstellt, krank (von der Haut)‹. J. W. von Cube. Hortus 103, 22 (Mainz 1485): Zwobeln gestoissen mit essig vnd die maledyt hut do mit geweschen benymt die vnreyn hut.

maledeier, s. maledeien 1. maledeiung, die; -π/−. ›Verfluchung, Verwünschung, Fluch; Verdammnis‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: s. u. Schwartzenbach. Ggs.: benedeiung 2. Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 24, 6 (preuß., M. 14. Jh.): hirumme wirt maldiunge [Luther 1545: Fluch] di erde vrezzen, und ire woner werden sundegen. Luther, WA 8, 706, 7 (1522): die schrifft meldet ettlich maledeyung, die Got, Christus, Apostel [...] than haben. Schwartzenbach 40r (Frankf. 1564): Fluch. Gottslästerung. Schmachtwort. Maledeyung. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 75, 4 (omd., 1487): liß alle hy¨storien vnd meynu˜g der lerer vindst kein maledey¨ung dy so leichtlich kindern anhange als dy¨e y¨n von y¨ren eldern geschy¨tt. Mayer, Folz. Meisterl. 100, 262 (nobd., um 1480): „thu, herr, thu, erful das wir biten in unsern tagen snelliglich, snellichlich!“ Dise maledeyung wurt gnant Minin. Ebd. 103, 91: daz sint die wort der maledeiung: ,Den die von unß getretten sint vom glauben, sey kein hoffnüng‘. Sachs 1, 383, 12 (Nürnb. 1529): Darauff Mose verkündet hie 兩 Dem menschen das götlich gesetz, 兩 Das den menschen erschreckt zu letz, 兩 Im gab ewige maledeyung, 兩 Darvor der mensch het gar kein freyung. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 354, 7 (Straßb. 1466): also daz die kunst vnd vernunfft die sy nit mu´gen [...] begreiffen die verschmechen sy. als ein maledeiunge. − Luther, WA 7, 281, 7; 8, 703, 29; Fastnachtsp. 26, 13.

malediction, s. maledizenz. maledizenz, die. ›üble Nachrede, Verwünschung‹. − Bdv.: afterrede, fluch, nachrede, schmachrede, schmachwort, vermaledeiung; vgl. abziehung 4, afterkose, anzicht 1, aufsprach 1, beispreche, berüchtigung, 3 gehei, gelächter 1, gespei 3, gespenst 1, 2gespöt 1, hinterrede, klaf 2, klaffe 1, klapper 2, klammer 2, lachung, lästerung 2, lästerwort, nachrede,

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schimpfrede, schandrede, speiwerk, spotrede, stechwort, 1stich 6, sticherrede, stichwort, verlachung, zote. − Wbg.: malediction. Rot 326 (Augsb. 1571): Maledicentz, Vbel redung / nachred / Afterred / schmachred / fluch / vermaledeyung. Maleo diction, Schmachwort / fluch.

maleiche, s. 2mal 2. maleficium, s. malefiz. malefikant, s. malefiz 1. malefiz, (vereinzelt:) maleficium; der/ die/das (für ersteres); -π (für die und das), -es (für der und das) /-π und -ficia (nur für 3 belegt); aus lat. maleficium (vgl. Georges 2, 778/9; Dwb 6, 1500; Eckel, Fremdw. Murners. 1978, 131). − Gehäuft wobd. / oobd.; diese Zuordnung gilt auch für weite Teile des Wortbildungsfeldes. 1. ›von jm. begangenes oder (perspektivisch umgekehrt, selten:) erlittenes Verbrechen von einem erheblichen, daher oft unter die Hochgerichtsbarkeit fallenden Schweregrad‹. − Vielfach Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): bosheit 2, diebheit, diebstal, fel, frevel, getat 2, handel 3, mishandlung, missetat, todschlag, übeltat, übertretung, unzucht, verbrechung. − Synt.: (eine) m. begehen / tun / belangen / berechten, eine m. abklagen ›leugnen‹, auf jn. bringen; eine / die m. (Subj.) sich begeben, jm. ein maleficium begegnen, m. eine getat gedeuten ›bedeuten‹; etw. für eine m. erkennen, über / um eine m. richten, um eine m. austreten ›sich absetzen‹, um m. richten, jn. um m. fangen, zu feste legen, jn. (!) um m. nacheilen, richter über das m. sein, strafe von der m. wegen beschehen. Wbg.: malefikant, malefizenz, malefiztat (a. 16. Jh.), malefiztäter (n. 1620), malefiztitel ›als malefiz betrachtete Kränkung‹. Kˆbler, Ref. Wormbs 316, 1 (Worms 1499): ob ein Man so grosse vbelstat vn˜ malefuz thette darümb syn guto vnnser Stat fisco verfallen [...] were. Schwartzenbach 62r (Frankf. 1564): Malefitz. Jnzicht. Vbelthat. Ebd. 62v: Missethat. SÈnd. Verbrechung. [...]. Malefitz. Todswehrte handlung. Roder, Stadtr. Villingen 125, 23 (önalem., 1501/16): das die von Villingen ainen oder mer umb malefitz oder der glich hendel nachilen. Rennefahrt, Statut. Saanen 194, 18 (halem., 1571): rechtssachen, das malefiz und an-

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malefizbusse − malefizenz

dere derglychen väl belangend. Maaler 282r (Zürich 1561): Malefitz (das) Misszthaat / mißhandlu˜g. Maleficium. Barack, Zim. Chron. 4, 258, 37 (schwäb., M. 16. Jh.): Dem ist in der jugendt ein solchs starks maleficium begegnet, das (er), wie er erwachsen, sich kainer frawen annemmen dörfen. Chron. Augsb. 3, 425, 25 (schwäb., 1477): dagegen dem rappen fürgehaltten, das doch solliche hanndlung kain malafitzia und allain nur wort weren. Rot 326 (Augsb. 1571): Malefitz (vom Lateinischen wort malefacere & maleficium) allerley missethat / mißhandlung vbertrettung. Maleficentz, Jtem. Reithmeier, B. v. Chiemsee 4, 15 (München 1528): ain übeltaeter, der des malefitz vnd strengen vrtails des tods begeben ist. Winter, Nöst. Weist. 3, 112, 5 (moobd., 1630): Wann ainer dem andern ainen dieb schelmb mörter [...] mit einem malefiztidtl schildt und ihme also sein guet geruech [...] zue nehmen vermeint, kan ers darthuen. Mell u. a., Steir. Taid. 40, 4 (m/soobd., 1523): haben ain statgericht und uber das malefiz so si von dem landsfursten pan und acht emphachen zu richten. Siegel u. a., Salzb. Taid. 303, 27 (smoobd., 17. Jh.): das ain landrichter zu Matrei ze richten hat [...] umb alle malefitz, umb deuphait mit stock und parten. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 96, 31 (m/soobd., 17. Jh.): Da aber in dißen purkfridt ein mörder, todtschläger, rauber, dieb oder sonst ein anderer maleficant, [...], betreten und ergriffen wurde. Ebd. 207, 29: kampt aber ein clag und dieselbe [...] der mallefizthat überwissen wirth, [...], soll man [...]. − Mieder, Lehmann. Flor. 356, 7; Laufs, Reichskammergo. 148, 19; Bischoff u. a., a. a. O. 32, 11; Siegel u. a., a. a. O. 27, 10; Rwb 9, 64; Vorarlb. Wb. 2, 342; Schw‰b. Wb. 4, 1419; Öst. Wb. 4, 916/923. − Vgl. ferner s. v. austreten 4.

2. ›Malefiz-, Hochgerichtsbarkeit; Hochgerichtsverfahren; hochgerichtliche Rechtsprechung; Textstelle des Malefizrechtes‹; jeweils Metonymieverhältnis zu 1 und untereinander; fließende Übergänge und mehrere Möglichkeiten der Einordnung; Versuch klarer Trennungen im Rwb 9, 65 f. − Rechts- und Wirtschaftstexte, berichtende Texte. − Bdv.: blutban, halsgericht, herlichkeit 4, recht; vgl. 2ban 1, bangericht, halsban. − Synt.: die m. haben ›innehalten‹ / 2berüren / antreffen9 ›angehen‹ / volfüren, auf im tragen, jm. die m. vorbehalten; die m. (Subj.) gegen jn. gebrauchen; die herlichkeit bis an das m. haben, unter einem m. gesezt sein; die regierung des malefizes. Wbg.: malefizbusse ›vom Hochgericht verhängte Strafe‹, malefizfal ›in die Zuständigkeit des Hochgerichts fallende Straftat‹, malefizkost ›Kosten eines Hochgerichtsverfahrens‹, malefizrichter, malefizzehent ›Hochgerichtsverfahren‹.

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Kollnig, Weist. Schriesh. 260, 7 (rhfrk., 1623/48): Auch malefiz- und rugcent allhie abgehalten worden. Sachs 16, 304, 4 (Nürnb. 1562): Wo der [fürst] zu gäch, kühn und gedürst 兩 Ein urtheyl geb, welches hernach 兩 Antreff malefitz peynlich sach. Merk, Stadtr. Neuenb. 76, 24 (nalem., 1491): Wurde aber iemande [...] umb einen frevel, der noch nit mit recht usfu´ndig noch gichtig wer und der kein malefiz [...] uf im trüge, angezogen. Dasypodius 195 (Straßb. 1536): Quæstor, Ein Malefitz richter. Roder, Hugs Vill. Chron. 100, 11 (önalem., 1524): und stalt man die buren im Hege ab zuo recht ge Stocka, on das das malleficz berÈrt, das was dem her forbehallten. Kˆbler, Stattr. Fryburg 211, 12 (Basel 1520): so stond er / vnd der rechtthÁter vmb ir lyb vnd guto in vnser straff / wie dan˜ im nachgenden letsten Tractat vnder dem malefitz / ouch gesetzt ist. Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk. 2, 30, 3 (Luzern 1526): dan in den malefitzen wurt der wil vnd nit die geschehene dadten oder das end angesehen. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 884, 10 (halem., 1534/5): wie dann die selben [Die von Bern] all herlickeytt etc. / bis an das malefitz / zuo Kriegstetten hand. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 296, 15 (halem., 1559): wie sin fürstlich gnad von Römischen keysern [...] mit allen regalien und friheiten nit weniger als ein ordt der Eidtgnoschaft gefriet, es sige mit der mannschaft, malefitz, vogtyen, eigenschaft der lüten zöllen. Rennefahrt, Zivilr. Bern 689, 18 (halem., 1666): ob darunder auch die malefitz- und dergleichen hoche bueßen, [...] begriffen sein söllind. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 55, 30 (schwäb., v. 1542): Cunrat von Rot der sollt sein leben lang [...], den malefitz haben. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 268, 16 (schwäb., 1611): möchte aber einer so gefehrlichen uff den andern warten [...], er würde dessen höchlicher gestraft und das malefitz gegen im gebraucht werden. Siegel u. a., Salzb. Taid. 164, 7 (smoobd., 1585): so müessen die Vischawennger [...] dem freiman alle handnotdurft [...] hergeben und leihen sambt holz und stro, welches inen aber von dem maleficzcossten bezalt werden mueß. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 4, 42 (m/soobd., 15./16. Jh., Hs. 18. Jh.): der straffen, büess und wandl halben, so sich ausserhalb obbewelter dreüer malefizfällen in bemelten zweien hofmarchen durch die denselben innwohnen zuetragen. − Brinkmann, Bad. Weist. 201, 13; Roder, Stadtr. Villingen 178, 5; Geier, Stadtr. Überl. 333, 19; M¸ller, a. a. O. 27, 25; 163, 34; Welti, Stadtr. Bern 619, 3; Rennefahrt, Recht Laupen 91, 35; Schwarz, Awürt. Lagerb. 2, 609, 8; Siegel u. a., a. a. O. 67, 10; Hulsius O rv; Vorarlb. Wb. 2, 343.

3. ›beschwerliche Krankheit‹. Barack, Zim. Chron. 4, 261, 23 (schwäb., M. 16. Jh.): Nun war ain kreutlerarzet im Algew, der sich uf die maleficia ganz wol versteen solt.

malefizbusse, s. malefiz 2. malefizenz, s. malefiz 1.

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malefizfal − malefizperson

malefizfal, s. malefiz 2. malefizgericht, das. ›Hochgericht‹; vgl. malefiz 2, gericht I, 4. − Bdv.: blutgericht, halsgericht. Kollnig, Weist. Schriesh. 186, 18 (rhfrk., 1613): Malefitz- und halßgericht. Wan ein ubelteter [...] begriffen würdt, würdt solcher einem ieden bischofflichen keller uberliefert. Schib, Urk. Laufenb. 276, 9 (halem., 1572): [ich] volgendts für ein ersam malefitz gericht doselbsten gestellt. − Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 519, 22; Rwb 9, 68; Schweiz. Id. 6, 363.

malefizhandel, der ; −/-π + Uml. ›schweres Verbrechen‹; als Metonymie: ›hochgerichtliches Verfahren‹; in den Belegen sind beide Verwendungen nicht eindeutig trennbar (vgl. Rwb 9, 70); zu malefiz 1, handel 3. − Rechts- und Wirtschaftstexte. Roder, Stadtr. Villingen 123, 18 (önalem., 1501/ 1516): das die von Villingen [...] in dem ietzbestimpten und undermarck bezircke alle oberkait herlichait und grechtikait mit straf aller malefitzhendel und todtschleg haben sollen. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 54, 33/35 (schwäb., v. 1542): Nun hat der malefutzhandel alwegen gen Weyssenhorn gehört und her gestraft worden. Understunt sich Cunrat von Rot, dem was Obenhausen verpfant, und strafet den malefutzhandel und todschlag. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 766, 34 (schwäb., 1622): Welcher dan den gelobten friden [...] nit geben wölt, soll von stund an gefänglich angenommen werden oder, [...], von stunden an der herrschaft als ein malefitzhandel heimberkennt werden. Wopfner, Bauernkr. Tirol 122, 8 (tir., 1525): das man kain tagsatzu˘ng au˘f dem sloß Rabenstain halten sol au˘sgenomen umb malefitzha˘nndl. − Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 1, 827, 12; Pf‰lz. Wb. 4, 1143.

malefizisch, Adj. − Gehäuft Rechtsund Wirtschaftstexte. 1. ›in dem Maße verbrecherisch, daß es unter die Hochgerichtsbarkeit fällt oder (nach Meinung des Textautors) fallen sollte‹; zu malefiz 1. − Bdv.: bösfertig, schändlich, übeltätig; vgl. arg (Adj.) 5. − Synt.: j. m. werden, etw. (z. B. der handel, die sache, das gebrechen / verhalten) m. sein; den mishandel als m. strafen; der malefizische handel, die malefizische bosheit / person / sache, malefizische leute, das malefizische verbrechen; subst.: den malefizischen rechtfertigen. Brinkmann, Bad. Weist. 14, 16 (rhfrk., 1560: das mordgeschrei, diebstal, bindbare wunden, falsch gewicht, maß und meß, notzucht, mord, brand, rauberei, zauberei [...], auch aus-

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werfung [...] der märk- und schiedstain und andere dergleichen malefizische händel, [...], so durch den nachrichter zu strafen ist. Geier, Stadtr. Überl. 598, 18 (nalem., 1585): in sachen, die nit malefitzisch noch auch kein argwohn oder verdacht ains malefitz uf in tragen. Maaler 282r (Zürich 1561): Es ist Malefitzisch. Capitale est. Mein handel ist nit Malefitzisch / Die straaff [...] / ist nit von todschlags wegen. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 70, 31 (halem., 1534/ 5): uß bËsvertiger / gantz schantlicher / malefitzischer lüten bekennung. Rennefahrt, Gebiet Bern 87, 13 (halem., 1592): der gfangnen halb, so von malefitzischer sach wegen behendiget worden ..., söllend unsere amptlüt ... mit denselben fürderlich procedieren. Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte 1, 69, 19 (moobd., 1524): die gebrechen, [...], Souer die nit malefizisch, noch sonnst ainem offenwarn betrug, vnthat, oder Fräuel gleich, vnd nit Gerichtlich Hanndlungen sein. Mell u. a., Steir. Taid. 135, 45 (m/soobd., 17. Jh.): wo ein malefitische pershon im gericht zu Neudau begriffen wurd. − Roder, Stadtr. Villingen 124, 2; Jˆrg, a. a. O. 212, 5; Welti, Stadtr. Bern 640, 19; M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 81, 35; Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 211, 5; 456, 22; 519, 18; Spechtler u. a., a. a. O. 1, 41, 7; Winter, Nöst. Weist. 1, 25, 3; Maaler 92r; 139v; Schwartzenbach 62r; Rwb 9, 71.

2. ›hochgerichtlich, unter die Hochgerichtsbarkeit fallend‹; vgl. malefiz 2. − Bdv.: richtlich. − Synt.: die malefizische nachfrage / verhörung. Roder, Stadtr. Villingen 162, 31 (önalem., 1582): was die hoch-malefizisch oberkhait anlangt. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 280, 36, Anm. (halem., 1529): so man über das pluot oder sunst malefizisch richten will. Siegel u. a., Salzb. Taid. 79, 32 (smoobd., 1654/68): Was zu disem gericht mallavicisch angenomen und verrecht wierdt, so geet alle cost und zörung uber ain landsfürsten. Ebd. 345, 38 (o. J.): wie es in rumorshandlungen, so malefitzisch sachen anhengig, soll gehalten werden. − Geier, Stadtr. Überl. 514, 4; Rennefahrt, Statut. Saanen 170, 34; Rwb 9, 72; Pf‰lz. Wb. 4, 1143/4; Vorarlb. Wb. 2, 343.

malefizkost, s. malefiz 2. malefizperson, die; −/-en. ›Straftäter, Person, die ein hochgerichtlich zu behandelndes Verbrechen begangen hat‹; zu malefiz 1, person 5. − Bdv.: vgl. delinquent, verbrecher. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 230, 14 (moobd., 1569): gegen den malefizpersonen, so mitterer verprechungen als unversehene todschläg und grosse diebstall und dergleichen begangen haben und deswegen den tod oder der galleenstraff verworcht. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 49, 34 (m/soobd., 15. Jh.): wo man enhalb der Enß die mallefizpersonn in das landgericht antwordt. − Vgl. ferner s. v. ausbeleiten.

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malefizrecht − maleie

malefizrecht, das; -en/−. ›Hochgerichtsbarkeit; Hochgerichtsrecht; die entsprechende Gerichtsinstanz; Verhandlung, Sitzung des Gerichtes‹; vgl. malefiz 2. − Rechts- und Wirtschaftstexte, auch Chroniken. Welti, Urk. Rheinfelden 458, 173, 13 (halem., 1504): daß die von Heflingen ye gebrucht worden syen, an die malefiz recht oder landtage [...], vrtel geben. Chron. Augsb. 8, 426, 4 (schwäb., zu 1556): Auf 5. tag junii hat man das erst malefitzrecht in der Rossenau gehalten. Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte 1, 40, 4 (moobd., 1524): WIE DAS MALEFITZRECHT IN VNNSER STAT SALTZBURG BESETZT VND DAMIT GEHALTEN WERDEN SOLL. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 226, 28 (noobd., 1552): den 9. juli, ward aber malafizrecht, [...], an s. Jacobs hof gehalten. Siegel u. a., Salzb. Taid. 44, 5 (smoobd., 1625): wie der herrschaft Liechtenthann [...] maleficzrechtens recht auch von alter herkommen ist. Ebd. 82, 6 (1654/68): leit, darüber man das malefizrecht besözt. Ebd. 185, 39 (17. Jh.): findt man an im, das er solches [Notzucht] gehandlet und volbracht hat, so soll man in zu dem mallafizrechten stellen. Mell u. a., Steir. Taid. 234, 10 (m/soobd., 1638): Nach volbrachter beicht und hailigen communion wirt des andern tags das gehaime malefizrecht [...] gehalten. Wopfner, Bauernkr. Tirol 65, 7 (tir., 1525): Es sol au˘ch ainem yeden absager gestatten werden, sich erstlich im yntzicht- und darnach im malefitzrechten zu˘ veranntworten. Ebd. 179, 11: das die vom lanndtgericht iren aigen richter [...], au˘ch malefitz-, lanndt-, unzu˘chtrecht und gu˘etlich hanndlu˘ngen au˘sser unnserm beysein haben. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 4, 34 (m/soobd., 15./16. Jh., Hs. 18. Jh.): solle der landspfleger [...] eine bekenntniss geben über den so also übergeantwortet wirdet, malefizrecht ergehen zu lassen. − Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 389, 11; Rwb 9, 74 f.

malefizrichter, s. malefiz 2. malefizsache, die; -π/-n. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. 1. ›schwere Straftat, Kapitalverbrechen (als Sachverhalt)‹; zu malefiz 1. − Bdv.: brand 1, mord, mörderei, rauberei, ketzerei 1; 2, tat 2, untat. − Synt.: eine m. üben / volbringen / richten, in die oberkeit ziehen; eine m. (Subj.) verfallen, sich zutragen; jn. mit einer m. beschreien, eine tat um eine m. geschehen; die peinliche m.; malefizsachen ausgenommen (dies formelhaft). Berthold u. a., Zwick. Stadtrref. 182, 5 (osächs., 1542/70): Wen ein malifizsachen geupt (als wo einer todlich vorwundet, erschlagen ader ein dipstal ader ander untat begangen) und niemand das clagt ader rechts begeret, so sol [...]. Schottenloher, Flugschrr. 39, 26 (Nürnb. 1523): Es

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were dan sËlche tat geschen umb scheinparlich wissenlich peinlich malefitz sachen, alsz sonderlich MËrderei, Rauberei, heimlich fahen, verkauffen oder einer andern unerbarn, strefflichen sachen willen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 5 (Genf 1636): Malefitzsach / die Leib vnd Leben antrifft [...], Crimen capitale. Hauber, UB Heiligkr. 2, 452, 11 (schwäb., 1542): was malefitzsachen in die hochen oberkait gezogen werden. − Laufs, Reichskammergo. 199, 35; Kollnig, Weist. Schriesh. 16, 16; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 4, 37; Rwb 9, 77; Pf‰lz. Wb. 4, 1144.

2. ›Behandlung und Aburteilung einer Malefizsache vor Gericht; hochgerichtlicher Verhandlungsgegenstand‹; vgl. malefiz 2. − Bdv.: blutgericht. − Synt.: die m. ausfüren / entscheiden; sich der m. nicht beladen; jn. einer m. halben in gefängnis legen; in einer m. handeln, [wie] richten / urteilen, zeuge in einer m. sein; die ausgescheidene / peinliche m. Berthold u. a., Zwick. Stadtrref. 183, 8 (osächs., 1542/70): Das ander teil der malefizsachen saget von scharfer ader peinlicher frage. Schottenloher, Flugschrr. 105, 33 (Bamb. 1523): das die edellewt in irem vertrag alle malefitz sachen, [...] sich ir nichts haben wellen beladen. Geier, Stadtr. Überl. 296, 39 (nalem., 1551/63): zwölf richter [...], vor denen alle ausgeschaiden malefitzsachen rechtlichen ausgefürt [werden]. − Kollnig, Weist. Schriesh. 300, 13; Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 33, 8; 53, 20.

malefiztat, malefiztäter, malefiztitel, s. malefiz 1. malefizzehent, s. malefiz 2. maleiche, s. 2mal 2. maleie, die; zu mhd. malıˆe ›Gefecht‹ (Lexer 1, 2018), dies aus afranz. meslee (Rosenqvist, Frz. Einfluß. 1932, 152). ›Kampf, Kampfgedränge, Kampfgetümmel; Ansturm eines Kampfbeteiligten‹; auch: ›Turnier‹. − Älteres und mittleres Frnhd.; literarische Texte. − Bdv.: vgl. abenteuer 3, gedränge 3, gerümmel, gesträusse 1, getrippel, 2harz, irsal 4, kämpel, kampf, landfede, landurleug, landwer 2, lermen (der) 1. Schneider, Pont. u. Sid. 166, 26 (rhfrk./mosfrk., 2. H. 15. Jh.): Er schiet die malligen vnd die presse, wie starck sie waren, vnd hiewe sie mit syme scharffen swert von eynander. Adrian, Saelden Hort 2773 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): si tribent die malie 兩 da Herodes und sin amie. Bartsch, Reinfrid 11275 (halem., Hs. 14. Jh.): der herzog uˆzer Braˆbant 兩 von Presselaˆr den fürsten vie, 兩 uˆf dem soˆ ritterlıˆch ergie 兩 manic groˆz malıˆe. Ebd. 15753: Reinfrit soˆ ritterlıˆchen vaht 兩 mit hurtender malıˆen 兩 das [...]. Spiller,

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maleisen − malen

Füetrer. Bay. Chron. 28, 29 (moobd., 1478/81): so das die streng durchächtung hingetan wurd und dise maley zu pesserm wesen käme. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 469, 3 (moobd., 1473/8): wolten sy auff den plan 兩 morgens gen der maleye 兩 die Troyer aber mit hertem streit bestan.

maleisen, s. 1malen 3. malen, die; eher aus franz. malle als zu male (s. d.). ›Tasche, in der man etw. aufbewahrt‹. − Schweiz. Id. 4, 168 (a. 1536 f.). 1

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malen, V., vereinzelt abl. Formen. 1. ›malen (als Ausübung einer Fähigkeit / Fertigkeit)‹; trans.: ›etw. (konkrete oder als existent gedachte mentale Bezugsgegebenheiten) / jn. (eine Person oder ein als existent verausgesetztes, personenähnlich gedachtes Wesen) bildlich darstellen, abbilden, zeichnerisch als existent hinstellen‹. − Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: den teufel über der tür malen. − Bdv.: abkonterfeien, abreissen 5; vgl. abbilden, abmachen 2, abwerfen 12, effingieren. − Synt. (ohne Obj.): wol ›gut‹ m., auf der tafel, mit dem pinsel, um die meisterschaft m., malen, wie [...]; mit affiziertem Akk.obj. d. S.: etw. (z. B. buchstaben / waffen / schilde, eine landschaft / elster / märe / tat, die alte e, eine kirche, die ewige weisheit, den tag) m., js. bild / ein auge an eine wand m., etw. mit farben m., den schne blutfärbig m., js. figur [wo] gemalet sein, das leben vor im ›sich‹ gemalet sehen, mit affiziertem Akk.obj. d. P.: jn. (z. B. die apostel, den bapst, den hörnen Siegfried, frau Venus, Veronica, Joseph, die anen) m., den teufel an das infel m., jn. (wie, z. B. blind, als priester) m., der abgot nach der natur gemalet sein; das gemalte mänlein; subst.: im malen sein wesen sehen. − Wbg.: 1malung. Luther, WA 47, 137, 14 (1538/40): Aber mahle den Teuffel nicht uber die thuer, er kompt dir sonst wohl. Ebd. 422, 18 (1537/40): Drumb so sinds Bisschofe wie die gemalten [tropisch für: ›tatenlos‹] menlein an der wand. Peil, Rollenhagen. Froschm. 583, 2459 (Magdeb. 1608): [Die] Ein vnverhofft Mummenschantz brachten / 兩 Das viel den Schne Blutferbig mahlten. Ebd. 681, 5480: Wie ein Rhinoceroth gestalt / 兩 Wie man den hËrnin Siegfried mahlt. Lappenberg, Fleming. Ged. 476, 34, 5 (1636): den [Tag] dir Matutens Zier und Phöbus schöne Stralen 兩 bei abgehellter

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Luft mit lichten Farben malen. Quint, Eckharts Pred. 1, 153, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): Ein ouge ist edeler in im selber dan ein ouge, daz an eine want gemaˆlet ist. Thiele, Minner. II, 30, 34 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): ich sach meysterlich boiestavin 兩 beide gemalt und ouch gegravin. Koller, Reichsreg. Albr. II. 131, 26 (1438/9): dise wapen, schilte und cleynat, als dann die in der mitte disz gegenwertigen unsers brieffs gemalet und mit farwen eigentlicher usgestrichen sind. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 73, 5 (omd., 1487): i i Es sey¨ mit Jungen kindern gleich als mit einer nawen vngemaltten taffell. was zcum ersten darein gemalt ist swerlich abezcubrı˜gen. Schˆnbach, Adt. Pred. 25, 5 (osächs., 1. H. 14. Jh.): din got ist ein got, dune solt niht anbeten abgot, daz ist stok und steine, nach der nature gesniten und gemalet. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 16, 20 (Hs. 2omd., 14659): Unbeschreibenlich sei wir, und doch unser [Tod] figure zu Rome in einem tempel an einer want gemalet. Vetter, Pred. Taulers 373, 33 (els., 1359): das sint die ertz engele; die phliget man ze molende als priester. Bihlmeyer, Seuse 103, 16 (alem., 14. Jh.): Sunderlich hat er im in siner jugend heissen gemalet an ein bermit die ewige wisheit, du´ himel und erd in ir gewalt hat. Lemmer, Brant. Narrensch. Vorr. 28 (Basel 1494): Der siecht jm molen wol syn wesen 兩 Vnd fyndet dar jnn / wer er ist. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 244, 13 (Straßb. 1522): Es hetten uff einmal zwen Meister einander ußgebotten, zuo malen umb die Meisterschafft. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel, 711 (schwäb., 1453): Von aller zung buochstaben 兩 Gemalt die alten ee, 兩 Das gen einander ste 兩 Die nw in der figur. Ebd. 813: An disem umhanck fin 兩 Wil ich noch fürbas mauln 兩 [...] 兩 Den edeln Joseph guot. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 20, 9 (Straßb. 1650): indem sie [Mahler] vns abreißen vnd mahlen ihres gefallens, bald mit Klawen vnd griffen, [...]; bald mit Hörnern vnd Habichtsnasen, [...]; bald mit langen lüheschwäntzen. V. Anshelm. Berner Chron. 5, 13, 5 (hao abmalet, lem., n. 1529): wie der babstesel [...] das babsttum o also malet eigenlich dis mÈnchskalb die apostel und schuler des babsts. Maaler 166v (Zürich 1561): Einsi lÁben der massen beschreyben das einer vermeint er sÁhe es vor jm Gemalet. Nyberg, Birgittenkl. 2, 215, 1 (schwäb., um 1522): [sy] kund auß der maßen wol rechnen vnd schreiben, auch kund sy malen. Kohler, Ickelsamer. Gram. 21, 5 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): [er] findet nichts aigentlichers zu der stym¯, m, dan¯ die KÈe mit jrem brummen, da findet vnd sihet er nun den buchstaben, m, bey jr gemalet. Buijssen, Dur. Rat. 178, 15 (moobd., 1384): der chelich [bedÁut] daz grab oder die marter Christi, von welichem in dem ersten tail in dem capitel von der malung gesagt ist. Steer, K. v. Megenberg. Sel 557 (Hs. 2moobd., 14119): also ist die sel, wenn sy geschepht wirt, plos als ein geschabnew tauel, da man auf malen vnd schreiben sol. Turmair 4, 172, 7 (moobd., 1522/33): unser ungelerten münch und pfaffen, die schreiben malen und predigen am weinachttag, wie sibylla Octavio Augusto, [...], ein junkfrau mit einem kind in der sonnen zaigt solt haben. − Luther, WA 37, 455, 14/17, Neumann, Rothe. Keuschh. 5177; Mathesius, Passionale 49r, 25; Asmussen, Buch d. 7 Grade 829; v. Groote, Muskatblut

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malen

72, 1; v. Keller, Ayrer. Dramen 3015, 36; P‰pke, Marienl. Wernher 10718; Bernoulli, Basler Chron. 5, 434, 25; Wiessner, Wittenw. Ring 2896; Wyss, Luz. Ostersp. n. 7304; Dasypodius 294v; Maaler 282r; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 323, 34; Harsdoerffer. Trichter 3, 334, 26. − Vgl. ferner s. v. anich 1, antliz 1, augenlos, ausmachen 5, pantier 1, papieren 1, jaglandschaft.

2. ›etw. (eine feste Unterlage z. B. aus Holz oder Metall, ein Tuch) farblich ausgestalten, bemalen, verzieren‹; auch: ›(ein Tuch o. ä.) mit einem Qualitätszeichen versehen‹. − Bdv.: bilden 1, zieren; vgl. 2abmalen 1, abreissen 5, anstreichen 1, aufbutzen 1, ausbutzen 1, bestreichen, blümen. − Synt.: etw. (z. B. das bret / gehäuse / wappen / kreuz) m.; nachgestellt im Part. Perf.: etw. (z. B. die schüssel / lade, der palas / umhang, das gemach) gemalt (teils mit näherer Bestimmung, z. B. von golde, wunderbar); der gemalte teller / teppich / schleier, das gemalte glas / tuch (mehrfach); den himmel ›Tragehimmel‹ mit malen bestellen. Wbg.: maltuch ›bunt verziertes Manteltuch‹. Joachim, Marienb. Tresslerb. 318, 35 (preuß., 1404): 2½ m. vor 1 alterbret zu molen. Ziesemer, Gr. Ämterb. 345, 34 (preuß., 1516): 1 cleynn holtzenn ladeleynn gemolt mit goltschawme belegt, dorinne etlich heiltum vorwart ist. Luther, WA 47, 787, 15 (1539): Ipsi habent ein gemalt glas [das das Sehen behindert], ideo putant et nos non videre. v. Tscharner, Md. Marco Polo 10, 18 (osächs., 2. H. 14. Jh.): schone pallas, geczirit unde gemolit von golde. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 36, 5 (omd., 1487): dy¨ wey¨ber wollen [...] selbist [...] als dy¨e gemaltten tockenn irscheinen. Voc. Ex quo, T 450 (ofrk., 1415): Trabea [...] ein mal tuch. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 721 (schwäb., 1453): Ein umhang, der sol hangen 兩 An einer stangen guldin, 兩 Mit fÁrben claur und fin 兩 Gemalet meisterlich. Wyss, Luz. Ostersp. 3, 172, 89 (Luzern 1596/7): ein Ryche wittfraw, Erbar, doch schwartz vnd leidtlich mit einem gälen langen gmalen schleyer vbers houpt. Morrall, Mandev. Reiseb. 156, 13 (schwäb., E. 14. Jh.): Wenn er aber sust rittet mit venig volckes, so haisset er im ain hultzin crutz vor fÈren, das ist nit gemalet und an gold, und das tuto er durch die ere gottes dar. Chron. Augsb. 2, 384, 36 (schwäb., Hs. 16. Jh.): 12 guldin mayster Jörigen mauler von den wauppen ze maulen. Henisch 250 (Augsb. 1616): Behang an den WÁnden / ein gemahlet Tuch oder Teppich / so man vmb eine Wand herumb zeucht. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 156, 26 (oobd., 1349/50): Panthera ist ain tier [...], und ist gar schœn, reht sam ez gemaˆlt sei mit klainen kraizlein. − Joachim, a. a. O. 64, 32; Ziesemer, Marienb. Ämterb. 19, 29; v. Tscharner, a. a. O. 46, 24; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 395; 786; Rwb 9, 50. − Vgl. ferner s. v. affe 1, baldekin 1.

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3. ›(Münzen) prägen‹; hiermit als Ütr. verbindbar: ›etw. / jn. wo einprägen‹ (z. B. den herren in der sele). − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: der teufel hat jn. in seine hand gemalt ›der Teufel hat jn. im Griff‹. − Bdv.: bilden 5, bezeichen 3, zeichen; vgl. ausbreiten 2, aufmünzen 2, aufschlagen 2, aufwerfen 13. − Wbg.: maleisen ›Münzstempel‹ (14. Jh.), (zur Ütr.:) 1maler 3. Quint, Eckharts Pred. 2, 349, 5 (E. 13./A. 14. Jh.): al die wıˆle des dinges iht ist an sıˆnem wesene, soˆ enwirt ez niht widerschaffen; ez wirt wol gemaˆlet oder erniuwet als ein ingesigel, daz alt ist; daz drücket man wider ˆın und erniuwet ez. Reichert, Gesamtausl. Messe 26, 34 (Nürnb. um 1480): Des ersten muessen wir den herren Ihesum an dem kreutze in unser sele zeychen oder malen. Thiele, Minner. II, 18, 209 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): ’din zÁrtlich fËrm hat sich gebilt 兩 gar tieff in mines hertzen grund.‘ 兩 su´ sprach: ,das wer ain fremder fund! 兩 nün bin ich doch kain maler nicht; 兩 v wie mËcht ich den min angesicht 兩 gebilden in din hertz ane bensel?‘ Rennefahrt, Stadtr. Bern 267, 33 (halem., 1387): die [Münzbeauftragte] ouch liplich zuo den heiligen i o sweren sullent, die phenning ze versuchende, e daz man si malet; und sol ouch, der die phenning ze malende het, sweren zuo den heiligen, keinen phenning ze malende, denne die, die im geanti wurt werdent von denen die zuo der muntze geordenet und geseto zet sint ze versuchende. hail. altvÂter 870, 2 (schwäb., v E. 14. Jh.): ich wan das dich der tÈfel in sin hant gemalet v v v hab wan wa ain schaff von den anderen gat das wirt den wolfen zeteil. − Dalby, Lex. Mhg Hunt. 1965, 148 (hier: ›to leave an imprint‹, vom Hirsch gesagt); Schweiz. Id. 1, 542; 4, 152.

4. ›etw. hinsichtlich eines gewünschten Inhaltsaspektes sprachlich, rhetorisch ausgestalten, ausschmücken, schildern; etw. in Worte fassen; (Textinhalte) zu einem geschlossenen Bild zusammenstellen‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: abreissen 5, ausstreichen 8, blümen 3. Luther, WA 1, 175, 21 (1517): darumb malet disser psalm auffs aller klerest die weyß, wort, werck, gedancken und berden [...] eyns waren rewigen hertzen. Ebd. 22, 94, 23 (1544): DAS redet er also mit gemaleten, geblÈmeten worten, das er uns diese sache klar und wol einbilde. Ebd. 30, 3, 243, 6 (1530): solt ich odder hette zeit, solchen buben zu malen und auszustreichen, So wolt ichs wol klar machen. Ebd. 32, 480, 37 (1530/32): Auff das er uns deste vleissiger warne fur dem laster zu huten, setzet er ein grob gleichnis und malets fur augen. Ebd. 49, 328, 21 (1544): Das ist auff das eusserste gemalet [auf den Punkt gebracht] ein armen SÈnder, qui nun pertinet ad Dei populum nec ad offitium, quia Kriegsman. Gropper. Gegenw. 5r, 133 (Köln 1556): wËrtlin / [...] / die jrer art nach / ein Wesenlich Selbstendig

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malen

dyng / das die Lateyner Substantiam nennen / anzeigen / vnd doch noch nit eygentlich zu verstehe˜ gebe˜ was das sei / biß dasselbig vort in der Proposition oder rede gemelt [...] wirt. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. 71, 25 (osächs., 1343): und daz her ˆın satzte zuo bekennene ˆıclıˆche dinc di her was in eime kurzen werke zuo samene maˆlinde. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 255, 27 ([Augsb.] 1548): unnd achten nicht wa Gott geehret / oder das Regiment erhalten werde / wie sy der cxliiij. Psalm fein malet. − Luther, WA 16, 404, 29; Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 275, 15. − Vgl. ferner s. v. papier 2.

5. ›sich schminken, aufputzen; sich zurecht machen‹; im Part. Prät. mit der Nuance ›angemalt, unecht, das Wirkliche, Echte verbergend‹, in letzterem Sinne häufig bei M. Luther. − Bdv.: aufmutzen, auftun 20, schmücken, verkleiden, zieren. Luther, WA 8, 165, 33 (1521): die Bischoff, die itzt regiern, sind nit Bischoff, ßondernn wie die gemalte und hultzene Bischoff. Ebd. 8, 175, 10 (1521): drumb mag es faren, wo es feret, seyn gleych woll Bisschoff, eben wie die gemallten heyligen ynn kirchen heyligen seynd. Ebd. 9, 668, 34 (1521): Wan man etwas anders predigt und das liecht nicht anczundet, furtt man uns nymmer auß dem gemalten glaß. Schmitz, Schiltb. 105, 24 (Frankf. 1597): daß sie [Weiber] nur allein darauff gedenken / wie sie sich rechtschaffen auffmutzen / schmÈcken Zieren / Malen / auffthun / einbreisen / o o schnuren / KËpffen / HÁwblen / vmb den Arß futtern. v. Keller, Ayrer. Dramen 3013, 7 (Nürnb. 1610/8): Nun wil ich in die Zellen mein, 兩 Mich mahlen vnd verkleiden sein. Fuchs, Murner. Geuchmat 2030 (Basel 1519): Wescht / malt / do by das angesicht! 兩 Dar vff hab acht ein yedes wyb.

6. ›(e. S., z. B. dem holze) ein Zeichen einbrennen, einschlagen, einkerben; jn. (z. B. den Christen) mittels eines Namens (z. B. Daniel) als solchen identifizieren, kennzeichnen‹; eng an 3 anschließbar; vgl. 2 mal 1. − Synt.: holz, die Christen m. H¸bner, Buch Daniel 5526 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Alle christen man molen 兩 Sal mit disme namen [Danyel] zwar. − Vorarlb. Wb. 2, 344 (a. 1649).

7. ›etw. malen, zeichnerisch herstellen‹; im Unterschied zu 4 eher effizierendes malen meinend, so daß es nur in bildlicher Darstellung existiert. − Bdv.: machen 4, schneiden. − Synt.: ein bild (prototypisch) / werk, die sonnenur m. (jeweils effiziertes Obj.); das gemalte bild. Wbg.: malerisch ›gaukelnd, täuschend‹. Quint, Eckharts Pred. 2, 458, 7 (E. 13./A. 14. Jh.): vnd sprachen etliche meister, Got hette das bilde gedrvket in die

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sele, als der ein bilde malet an der want vnd das vergat. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 139, 4 (rib., 1449): en sall gein meister, [...] einicherlei werk, gemailt noch gesneden, offenbar veil hain. Neumann, Rothe. Keuschh. 4410 (thür., 1. H. 15. Jh.): Dit bilde man also tzu malen phlit 兩 das der tuvel under sinen fussen lit. Steer, Schol. Gnadenl. 1, 769 (noschweiz., 15. Jh.): wer ain maler, der bilde malen kan gerecht nach sinem willen, ku´nde der machen ain bilde als guto vnd als gerecht, das ain bilder wÁre allen gerechten bilden, der wu´rde in dem bild me gelobt an ku´nsten denne in tusend bilden. Goldammer, Paracelsus 3, 281, 27 (1530/5): so seindt sie bilder, die uns gott anzubetten verbotten und prefigurirt durch die gemelte bilder. dann es ist nur ein spiegelwerk und ein malerische fantasei. die seindts, die uns die seel verfüeren. Chron. Augsb. 1, 283, 2 (schwäb., E. 15. Jh.): und maultend ir zwen clain flügel umb iren hals. Ebd. 8, 103, Anm. 1 (zu 1561): haben die herrn baumaister [...] an den Berlenthurn lassen die 4 sunen uhren mallen. − Bihlmeyer, Seuse 104, 1.

8. ›etw. (wie ein Bild) entwerfen, fingieren, sich etw. ausdenken, ausmalen‹. − Bdv.: auflegen 14, bedenken 14, beschauen 4, besinnen 4, gestalten 1, informieren 1. − Wbg.: 1 maler 4. Luther, WA 8, 151, 13 (1521): [es] kund auch eyn iglicher maler und bildener wol eyn Concilium machen. Ebd. 17, 2, 314, 8 (1524): das dieser Son dem Vater gantz gleich sey [...], und nicht gemalet noch gemacht odder geschaffen. Peil, Rollenhagen. Froschm. 1476 (Magdeb. 1608): Wahn aber lests dabey nicht bleiben / 兩 Sondern muß auch mahlen vnd schreiben / 兩 Was fÈr Gespenst im Keller sein 兩 [...] 兩 Ja wie die Hell also gestalt / 兩 Wie grewlich man die Teuffel mahlt. Gille u. a., M. Beheim 53a, 41 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Da malt ich pild 兩 geistliche mild 兩 in czu gesichte. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 191, 19 ([Augsb.] 1548): Man mÈß den Junckfrawen mÁnner malen. − Luther, WA 21, 65, 31; Oorschot, Spee. Trvtz-N. 202, 26; Schorer, Sprachposaun 71, 16.

9., s. 2mal 2. 2 malen, V., unr., abl.; zu mhd. maln ›mahlen‹ (Lexer 1, 2019). 1. ›mahlen, der Mahltätigkeit (in der Folge von pflügen, ernten, dreschen, malen, bakken nachgehen (speziell vom Müller gesagt); mahlen lassen (vom Kunden, Mahlgast gesagt); als Maschine laufen, fungieren (von der Mühle gesagt)‹. − Gewisse Beleghäufung für Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: malen und backen jm. abgeschlagen sein ›aus der Gemeinschaft ausgestoßen sein‹. − Synt.: mit Subj. d. P. oder d. S., ohne Obj. Wbg.: 2maler 1 ›Müller‹, malfrei ›von Abga-

1669

malen

ben für das Mahlen befreit‹, malpfenning ›steuerliche Abgabe für das Mahlen‹ (dies war für den Eigenbedarf nicht abgabepflichtig), malter 1 ›Mahltätigkeit‹, malweide ›Bezirk, innerhalb dessen der Müller das Mahlrecht besitzt‹, 2mal兩werk 1 ›das Mahlen‹ (a. 1540), 2mal兩zeichen ›Berechtigungszeichen zum Mahlen von Getreide‹, malziese (Gw zu mhd. zise ›Verbrauchssteuer auf Getreide‹; Lexer 3, 1135; vgl. auch akzise). Toeppen, Ständetage Preußen 2, 34, 37 (preuß., 1437): Ist ymands, der sein getregede in die mËle brenget, und desselben wil uszwarten und malen, der sal nicht pflichtig seyn den malphenning zcu geben. Luther, WA 23, 597, 22 (1527): zwen harte steine malen nicht wol. Ders. Hl. Schrifft. Mt. 24, 21 (Wittenb. 1545): Zwo werden malen auff der müle / Eine wird angenomen. Grosse, Schwabensp. 190a, 12 o (Hs. 2nd./md., um 14109): swer erst zuo der molen kumt, der male ouch erst (ähnlich mehrfach; s. Tpma 8, 88). Herborn u. a., Rechn. Jülich 112, 29 (rib./snfrk., 1398/9): wart die molen zu Cast(er) aff gelaicht [...] ind lach darnae VIII daige ledich, e sy gemale(n) kunde. Toeppen, Ständetage Preußen 4, 138, 36 (preuß., 1453): Darzu hab Pawl von Ruszdorff weilent hochmaister land und lewten gesagt [...], das sy malen mochten, wo sy woltten. Lau, Qu. Neuß 305, 2 (rib., um 1637): einem jeden ufrecht zu mahlen [dies zu 1] und gut gerech zu thoin, [...], sonderlich aber den Breueren ohne [...] gezeichnete Säck nit zu mahlen. Schmidt, St. Kastorst. 2, 480, 17 (mosfrk., 1465): ir hant uns [...] unser burgerschaft, schirme und fryheit, backen, malen etc. und alle gemeynschaft uffgesagt. K¸ther, UB Frauensee 354, 35 (thür., 1524): yr habt myr auch meyn mËllnn geschwecht myt ander mËlnn, wan ich wol gemalenn kËnn wassers halbenn zü, hab ich nicht zü malenn. Pyritz, Minneburg 1412 (nobd., Hs. um 1400): Vernunft und will, ir zwen stein, 兩 Malen uff ein ander clein 兩 Und hertt, daz sie zubrechen eben 兩 Dez mynners hertze. Dinklage, Frk. Bauernweist. 109, 9 (nobd., um 1540): daz ettwa ein muller ist hie gewesen, der hat gemalen und gebacken, wiewol er es nit macht noch freyheit gehapt. Sachs 17, 154, 32 (Nürnb. 1554): Wist ir denn nit, daß zwen hart steyn 兩 Malen weder sauber noch klein? Grimm, Weisth. 2, 684, 31 (1622): Wie wir dan unserm dorf Zinxem zuerkennen malfrei, backfrei, zapfrei gelden und verkaufen. Leisi, Thurg. UB 7, 830, 27 (halem., 1296): daz die gotzhuses lu´te alle u da malen son und ir zins gerwen von den ogesten. Welti, a denn, das Stadtr. Bern 346, 10 (halem., n. 1437): es were a dz si nit gemalen mochten. Jˆrg, semlich wasser grËssi kem, Salat. Reformationschr. 671, 23 (halem., 1534/5): Das allen bÁpstischen / [...] sote verbotten / [...] sin / malen / bachen / wunn und weyden. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 6 (Genf 1636): malen / mÁhl machen. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 190, 10 (oschwäb., 1380): Wela malher aber ze i i hat [...] uber daz recht mess, der sol wit zargen an siner muli

1670

es bessren. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 301, 27 (schwäb., 1608): Klag, daß fremde Müller nach K. fahren und dem Müller zu K. und Sinnigen also ihr Malwaid wider alt Herkommen zugrund richten. Turmair 4, 93, 12 (moobd., 1522/33): muesten die leut von im ackern säen schneiden dreschen malen pachen pelzen, viech ziehen, imp setzen, paumgärten züglen. Mell u. a., Steir. Taid. 90, 33 (m/soobd., 1590): daß auf der [...] hausmül nicht allain zu diser herrschaft betürftige malter verricht [...] werde. − Luther, WA 22, 120, 22 / 27; Boner, Urk. Aarau 351, 5; 865, 13; Chron. Augsb. 2, 180, Anm.; Hauber, UB Heiligkr. 2, 365, 6; Dirr, Münchner Stadtr. 95, 30; Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 229, 17; Rwb 9, 12; Schweiz. Id.4, 168; Schw‰b. Wb. 4, 1430.

2. ›etw. (prototypisch: getreide) mahlen‹. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte, auch berichtende Texte. − Synt.: etw. (z. B. erbsen / getreide / gerste / haber / hirse / korn / weisse, mit effiziertem Obj.: mel) m., etw. m., das [›damit‹...]. Wbg.: 2malbauer, malgast9 ›j., der sein Getreide mahlen läßt‹, malgrosche eine obrigkeitlich verordnete Getreidesteuer, malgut ›zu mahlendes Getreide‹, 1 mal兩haufe ›Trichter, durch welchen das Getreide auf den Stein fällt‹, malknecht, malmel, malkorn, malrad ›Mühlrad‹, malsieb ›Getreide-, Mehlsieb‹ (a. 1646). Toeppen, Ständetage Preußen 4, 27, 32 (preuß., 1453): eine moel mit 6 redern, mir und en zu notze, iglichem teile die helffte des malmels. Ebd. 5, 162, 13 (1465): allerley, das men pfleget zcu malen, es sey korn, weesze, erbis, gerste etc., [...], sal men vam scheffel vier pfennige geben. Luther. Hl. Schrifft. Jes. 28, 28 (Wittenb. 1545): Man malet [Mentel 1466: wirt gemynnert; Wormser Proph. 1527 / Froschauer 1530 / Dietenberger 1534 / Eck 1537: wirt zermalet o. ä.] es / das Brot werde / vnd dresschet es nicht gar zu nicht / wenn mans mit wagenraden vnd Pferden ausdresscht. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 7170 (rib., 1444): as de moelen zo wryvet sich 兩 Die umme geit ind neit en hait zo malen 兩 Ind sich selver meelt [dies zu 3] zo pulver zuo male, 兩 Also zo wryven ich mich ouch 兩 Van verdrosse. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 40, 2 (Frankf./M. 1568): Wer Korn vnd Weitz zu malen hat / 兩 Der bring mirs in die MÈl herab. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 147, 27 (osächs., 1570/7): Der müller soll auch daran sein, das den mahlgesten ihr getreide gutt gemacht und gemahlen [...] [werde]. Ebd. 150, 39: Der müller noch sein bestalt gesinde sollen auch in der muhlen nicht aufkehren, es haben dann zuvorn die scheider und helfere den becken und mahlgesten das ihre zusammengekehret, eingesackt und vorwahret. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 227, 20 (schles., 1667): Wie dass die [...] fürsten und stände [...] ein allgemeinen accis vom getrank, wie auch mahlgroschen fleischpfennig vieh- und rauchfangsteuer angeleget. Chron.

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malenschlos

N¸rnb. 2, 302, 17 (nobd., 1449): darumb so mul man hirß zu muesmel. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 77, 5 (nürnb., 1464/75): fur ein eichen schauffel pant zu dem segrat oder einem malrat, ie fur eins 1 pf. Chron. Strassb. o 694, 26 (els., A. 15. Jh.): ouch mahte die stat eine gute müle under der Rynbrucken die alle tage 20 viertel kornes oder driso sig mul. Merz, Urk. Lenzb. 155, 26 (halem., 1642): soll die Stadt an ihrer Vogtsmüli nur einen mahlhuffen vnd ein waßerrad inhencken, der andere nüwe mahlhuffen soll zuo oberest an der Vogtsmüli vffgerichtet werden. Morrall, Mandev. Reiseb. 117, 24 (schwäb., E. 14. Jh.): daz [getrocknetes Baumharz] malend sie, so ist es wiß und schËn, und machent da von brot. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 88, Anm. (schwäb., 1607): Der müller soll vorthin [...], wochentlich zweymahl in daß dorf Ersingen fahren und daß mahlkorn in die mühlen füeren. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 185, 67 (moobd., 1. H. 15. Jh.): das hercz ist als ein müll: dyweil dy müll waycz me¨lt, so mag sy nicht haberen gemallen. Staub, Qu. Wien 3, 1, 1053, 8 e (moobd., 1378): und dınt alles hincz den Predigern vıre phunt und zwen mÈtt waiz umbsust ze malen. Winter, Nöst. Weist. 3, 125, 5 (moobd., 1441, Hs. 1565): Wier ruegen auch mer das niemant kain semel herfueren soll und anders nichts herfueren soll dan malguet. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4115c, 16 (moobd., 1466): Von einem Mut oblais und mallgut 3 sh. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 206, 17 (m/soobd., 16./17. Jh.): Malpauern bedrangnusz so inen von den mülnern zuegefüegt wierdet. − Luther, WA 32, 68, 36; Rieder, St. Georg. Pred. 29, 6; Memminger Chron. Chr. 27, 11; Rwb 8, 1596 f.; Schweiz. Id. 7, 44. − Vgl. ferner s. v. absonderlich 1, bautreide.

3. ›etw. (z. B. Gewürze, auch Erz, Gold, Speisen) zerreiben, zerkleinern, zerpulvern, mahlen‹; ütr. auch: ›sich selber aufreiben, zermürben‹ (Beleg unter 2). − Phras.: gemalenem golde vertrauen ›auf Sand bauen‹. − Bdv.: neuen, pulvern 1, reiben, rellen, stampfen 2, stossen 3, zerknütschen; vgl. bleuen 2, gepulvern, reiben, zerreiben. − Wbg.: malkost ›Kosten für das Mahlen / Zerkleinern erzhaltigen Gesteins‹, 2malung 1. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 32, 6 (Frankf./M. 1568): Auch mag man das Golt maln vnd reibn / 兩 Ein o spise 26 GÈlden Schrifft darmit zu schreybn. Hajek, Gute o lebern. (rhfrk./nobd., um 1350): vnd nim dri gesoten hunes Mals zvo sammene mit ezzige vnd mit hÈner sode. Ebd. 48: Mal kÈmel vnd enis mit pfeffer vnd mit ezzige. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 203v, 23 (Hs. 2nalem., um 14009): nim gemalen pfeffer vnd / geriben senff: das hab in dem mund, v Weizs‰cker, Graupn. Bergb. so / fu´rbet es dir das hopt. 206, 27 (osächs., 1537): Es sol sich der Hottißkey mitt denjenigen vortragen umb die malkost, was es anlangt. Dasypodius 137r (Straßb. 1536): Molitura, Ein malung / zerreybung. Henisch 1483 (Augsb. 1616): Es gehËrt vil glaubens darzu / wo man einem gemalen Gold / vnd ungemessen

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Ertz / vnd Silberkuchen vertrawen soll. Siegel u. a., Salzb. Taid. 199, 42 (smoobd., 1342): Was auch von werch [hier: ›Erz‹] gemalen wirt, da sol das drittail chomen an unsern wechsel umb ein pfunt. − Ott-Voigtl‰nder, a. a. O. 211r, 29; Dasypodius 376v; Lehmann, Rezeptb. 217.

4. ›etw. (meist: Mehl, auch Tierfutter) durch Mahlen von Getreide o. ä. herstellen‹; ütr. auch (hier anschließbar? s. u. den Zweifelskommentar zum Beleg): ›etw. (Schaden) anrichten, bewirken‹. Ziesemer, Gr. Ämterb. 494, 2 (preuß., 1394): off dem huse: 5 leste gemalens melis, item 314 lemmir. Joachim, Marienb. Tresslerb. 175, 17 (preuß., 1402): 2 m. den molknechten vor 30 leste mels zu malen. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 162, 13 (preuß., 1465): allerley, das man pfleget zcu malen, es sy korn [...] ader sweine osz. Luther. Hl. Schrifft. Jes. 47, 2 (Wittenb. 1545): Nim die müle vnd male [Wormser Proph.: mach] mehl / flicht deine Zöpffe aus. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 81, 32 (osächs., 1570/7): Wann man die kelber abgewehnet [...] Man mus ihnen auch [...] von aftergetreide gemahlen mehl mengen. Mon. Boica, NF. 2, 1, 30, 3 (nobd., 1464): deszgleichen auch alles hÈntzasz, so das gemalen wÈrt, mit korben und gemesszen den jegern geben wÈrde. Niewˆhner, Teichner 428, 51 (Hs. 2moobd., 1360/709): do (an den hohen schulen) man tugent von in [chunsten] noz, 兩 daz si nieman schaden muoln.

5. ›etw. zerkauen; an, auf etw. kauen‹. − Phras.: ein hungertuch kauen ›am Hungertuch nagen‹. − Wbg.: 22malung 2, malzan9 ›Bakkenzahn‹. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 25, 33 (Hs. 2omd., 14659): Da sint in dem munde zene, alles leibfuters tegelichs malende einsacker [Var. M: malunge]. Martin, H. v. Sachsenh. Jesus, 84 (schwäb., 1453): Manig gouch der nimpt o 兩 Den gelich sich ertzny an, 兩 Der nie gelas Galienus buch. o ich wol zuo ainem man 兩 Der allzeit malet ain hungertuch 1 [hierher? oder zu malen 2?]. Kohler, Ickelsamer. Gram. 14, 1 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): Das, d, vn, t, werden gemacht mitt ainem anschlag der zungen an die malzene.

malenschlos, malschlos, markschlos, das; -π/-π, auch -schlösser ; generell hohe Schreibvarianz, teils bis hin zur etymologischen Undurchsichtigkeit; Bw zu male (umgedeutet auch maler-) sowie mark- (Belege dazu: Schw‰b. Wb. 4, 1427); vgl. magenschlos. ›Vorlege-, Hängeschloß‹. − Bdv.: vgl. hängeschlos, klauster. − Synt.: ein m. bringen / haben / stelen, [wo] anlegen, vor etw. legen; das

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maler

m. behende / klein sein; etw. mit einem m. beschliessen / zuschliessen / verschlagen; das grosse / mächtige m.; die tür mit einem m. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 467, 16 (hess., 1478): als die kremere und furkeuffer bißhere malenslosse, nele, bate, scheren und der glichen feile gehabt han, das meynet der rat zu dulden. Ebd. 1, 472, 17 (1513): Es sollen auch, die des smidthandtwercks sein, keyn gemacht steiegel malsloß, strohemesser, gehenck oder der glichen gesliffen werck kauffen, sunder die selbst machen. K¸ther, UB Frauensee 410, 5 (thür., 1540): 2 schlos vor das gefengknis. 4 malschlos vor die korn und haberboden. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 128, 14, 2 (schles., 1361/3): hat vor vns brocht Swelbil, der slosser, eyn malenschlos, daz also behende vn also cleyne was, daz [...]. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 127, 3 (nürnb., 1464/75): ein grosse gevierte truhen, [...], darvor ein mahelschloß ist. Bihlmeyer, Seuse 60, 6 (alem., 14. Jh.): zwen lidrin ringe; da schlofde er sin hend in und beschloss die arm dar inne mit zwein marhenschlossen. Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. 119, 34 (alem., um 1430): was die tür beschlossen mit großen mächtigen malenschlossen. Ebd. 120, 1: An der tür [...] was gemacht ain vierschröt loch, och mit ainer tür und mit einem grossen malenschloß. Lemmer, Brant. Narrensch. 32, 7 (Basel 1494): Jr [frowe] bËß fürnemen vnd anschlag 兩 Leitt man eyn malschloß schon dar für 兩 Vnd bslüßt all rygel / tor / vnd tÈr / 兩 [...] 兩 So gatt es dennaht als es wil. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 333, 7 (Straßb. 1522): Und sein die BÈcher in die Schatzkamer gelegt worden der Stat Rom, [...], mit Malschlosen beschlossen. V. Anshelm. Berner Chron. 3, 119, 33 (halem., o n. 1529): da furends zu,o und gurtten im die keten mit gwalt eng um und schlussends mit zweien malenschlËsslinen zu.o Rennefahrt, Recht Laupen 256, 20 (halem., 1664): Allerley ysenwärkh als mäßer, schärmäßer, [...], spanner, maletschlößer, kertzenstöck. Mollwo, Rotes Buch Ulm 197, i u 6 (schwäb., 1418): Es mugen och allein crÁmer und weder i spengler, sattler noch suss nieman inirer zunfte markschlos in iren laden fail haben. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 272, 23; 6111, 20; ders. Marienb. Ämterb. 39, 17; Loose, Tuchers Haushaltb. 88, 26; Vizkelety, Spangenberg. Glücksw. 690; Boner, Urk. Brugg 113, 12; Rennefahrt, Gebiet Bern 175, 9; Mollwo, a. a. O. 196, 9; Zingerle, Inventare 140, 2, 16; Dict. Germ.-Gall.Lat. 314, 15; Hulsius L jvv; Pf‰lz. Wb. 4,1147; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 233; Vorarlb. Wb. 2, 355; Schweiz. Id. 9, 736; Schw‰b. Wb. 4, 1426.

maler, wmd. auch 1mäler, der ; -s/-π, auch mit Uml. 1. ›Maler, Angehöriger des gesellschaftlich hoch geachteten Malerhandwerks, der Bilder von Gegenständen, Sachverhalten (auch religiösen), Personen herstellt‹; vgl. 1 malen 1. − Phras.: der maler verliert viel farbe, ehe [...] ›wendet vieles auf, um / bis [...]‹. − 1

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Synt.: der m. etw. (z. B. bilde, einen baum ›Stammbaum‹) m., jn. gleich ›getreu‹ abmalen, die maler jm. abhold sein, dem handwerk nicht recht tun, über jn. zu klagen bewegen, ein m. über alle sein; dem m. etw. [einen Betrag] geben; über die m. erzürnt, unter den malern berümt sein, j. von einem m. frommen, das [...]; der maler unflätiger dinge; der gute / schlechte m.; das haus / herz, die kunst des malers, die ordnung, das gesez der maler. Wbg.: malerfarbe, malergeschlecht, malergeselle, malerin ›Frau des Malers‹, malerkunst ›Malkunst‹. Ziesemer, Marienb. Konventsb. 240, 8 (preuß., 1410): dy Peter molerynne dedit 7 m. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 538, 18 (preuß., 1508): wy sich dy goltschmid und glaszer beclagen, das etlich under dem heren hawscompthur geseszen, als moler und glaser, die dem handtwerck nicht gleich und recht tun. Luther, WA 10, 1, 2, 91, 1 (1522): der stam Jesse, wie die maler malen eynen bawm auß Jesse. Quint, Eckharts Pred. 1, 330, 1 (E. 13./A. 14. Jh.): Ein maˆler, der ein volkomen bilde haˆt gemachet, daˆ prüevet man sıˆne kunst ane. Chron. Kˆln 2, 10r, 34 (Köln 1499): is die gewoinheit vpkomen dat die mailer by dem voisse des cruytzes maelen Adams heufft. Pyritz, Minneburg 4467 (nobd., Hs. um 1400): Ich wolt uzzer moßen gern 兩 Daz meister Arnolt der moler 兩 Von Wirtzburg in irre kuntschaft were! Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 126, 14 (nobd., 1457): Ich Hanns Fewerer der maler, [...], bekenne mit diesem briefe gein allermeinniglichen, als mir die ersamen weisen bürgermeistere [...] angedingt und verlassen haben ein tafeln von gemelde und schnytzwerk zu machen. Rupprich, Dürer 1, 49, 28 (nobd., 1506): Awch wist, daz mir dy moller fast abholt hy¨ sind. v. Keller, Ayrer. Dramen 2120, 34 (Nürnb. 1610/8): Vnd ist kein Maler gewesen nie, 兩 Der sie gleicher abmahlen ko¨nd. Bihlmeyer, Seuse 60, 12 (alem., 14. Jh.): do frumt er von einem maler, daz er im entwarf die heiligen alten veter und ire spru´ch. Strauch, Schürebrand 44, 24 (els., E. 14. Jh.): ein moler muso zuo dem ersten [...] vil arbeit und varwe verlieren, ebe er zuo einem meister wurt. Goldammer, Paracelsus 2, 55, 2 (1531/4): so seindt doch etwan sondere gaben bei den meistern, die bei den knechten nit seindt. als ein maler, der ein maler ist über alle oder über vil. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 20, 9 (Straßb. 1650): Vber niemand sind wir in der Hölle mehr erzürnet als vber die Mahler, darum, weil sie mit vns vmbgehen, als ob wir ihre Narren [...] wären. Steer, Schol. Gnadenl. 3, A 2, 184 (schwäb., 1447): Dü gnad fluzzet von got in vns, [...], alz ain bilde zü ainer v¨zzern anschauwung, nach dem alz es uff geleget ist in dez malers herczen. Maaler 282r (Zürich 1561): Maalerfarb. Pigmenta. Dict. Germ.Gall.-Lat. 313, 37 (Genf 1636): Mahler kunst [...] Ars pictoria. Chron. Augsb. 8, 152, 8 (schwäb., zu 1562): zwen ringmacher und ain mallergesell begegnet, die haben dise megdt mit gar onzichtigen worten angesprochen. Uhlirz, Qu.

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maler − malgeld

Wien 2, 2, 2139 (moobd., 1420): Ottilia, die der pesten maister und maler geslechts zu Regens(purg) gewesen ist. − Luther, WA 8, 693, 9; 10, 3, 352, 25; Chron. Kˆln 3, 708, 14; Wyss, Limb. Chron. 75, 1; Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 424, 31; 428, 11; Harms u. a., Alberus. Fabeln 76, 9; Rupprich, a. a. O. 1, 43, 38; 44, 53; Sachs 21, 427, 1; Franck, Decl. 342, 13; Vetter, Pred. Taulers 18, 23; Rennefahrt, Zivilr. Bern 101, 4; 102, 10; Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 4, 7; Bastian, Runtingerb. 2, 273, 25; Straus, Juden Regensb. 988, 260; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 83; Dasypodius 375v; Rwb 9, 82.

2. ›Anstreicher, Handwerker, der etw. farblich bestreicht, ausgestaltet‹; vgl. 1malen 2. Joachim, Marienb. Tresslerb. 103, 28 (preuß., 1401): Moler: zum irsten 9 firdung, das alde snicyhÈs zu molen, als herzogis Wytowts frauwe hy was im 1400 yare. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 705, 8 (preuß., 1446): lansilber, das do wirt gemachet von geslagnem golde, alse is die meler ufflegen unde pflegen zcu arbeyten. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 74, 4 (Frankf. 1535): vnd etwan brauchen den [Armenus] die ferber vnd maler für lasur / vnnd ist sanfft zu greiffen.

3.; 4, s. 1malen 3; 8. 2 maler, 2mäler, der. 1., s. 2malen 1. 2. ›Mahlgast, Mahlkunde, j., der bei einem Müller mahlen läßt‹. Struck, Cist. Marienst. 981 (mosfrk., 1449): Auch sollen und wollen wir Dieterich, grave zu Sein, [...], die vorg(enannten) geistliche herren abt, prior und gemeine convent bei der vorg(enannten) mulen und melleren, unsern armen leuten, [...] schirmen. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 189, 9 i vor der stat hat, (oschwäb., 1380): das ainer, der ain muli wol mag lihen sinen malern acht pfunt haller. − Rwb 8, 1597, Pf‰lz. Wb. 4, 1120; Schweiz. Id. 4, 169. 1

mäler, s. 1maler. 2 mäler, s. 2maler. malerei, die; -π/−. ›Malerei (als Kunsthandwerk)‹; metonymisch: ›Schriftzüge‹; ›Malerstube, Malerwerkstatt‹; vgl. 1malen 1; 2. Rupprich, Dürer 1, 168, 64 (nobd., 1521): do kam zu mir der dechant von den mahlern und bracht mit ihm die fordersten mit in die mahlerey¨. Ebd. 2, 127, 29 (1513): dy kunst der malerey, dy nit alain begert der geometrei und arithmetica, vrsprung aller mass, sunder vil mer der ander kunst anhengig kunst der mass, als perspectiua, [...], catoptrica, geodesia, chorographia. Schorer, Sprach-Verd. 26, 25 (1643): in welchem [Schreiben] deß Schreibers ZÈge vnd Mahlereyen das beste [war].

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malerfarbe, malergeschlecht, malergeselle, malerin, s. 1maler 1. malerisch, s. 1malen 7. malerkunst, s. 1maler 1. malete, die. ›auf einmal gemahlene Getreide- und entsprechende Mehlmenge‹; zu 2malen 2. Welti, Stadtr. Bern 527, 35 (halem., 15. Jh.): Dar zuo i sol ouch ein meister dem vogt, dem muller vnd im selbs ein beylen haben vnd je die malatten an jegklichs beylen schlachen. M¸ller, Nördl. Stadtr. 570, 2 (schwäb., 1484): all kleien sollen an der beutelmül durch ain sonderen engen beutel gebeutelt werden, doch das aus aim gantzen malat nit über ain malter laibmelb gemacht werd. − Schw‰b. Wb. 4, 1424.

malevolenz, die. ›Unwille, Mißlaunigkeit‹. Rot 326 (Augsb. 1571): Maleuolentz, BËser will / vnwill / o muthwill.

malezettel, der. ›Steuer, Abgabe für das Mahlen‹; vgl. 2 malen 1; 2. − Bdv.: vgl. 3mal兩geld. Thiele, Chron. Stolle 451, 39 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): es wart ouch mancherleye hande gereth. [...] Etliche sprochen, es were dy scholt der male czedeln. Ebd. 456, 8: Etliche sprochen, (sy) vor drosse das kleine moss, dy male czedeln, das den von (erfforte) nicht zu stunde zu setczen hinder orem erbhern des bisschoffes.

malfrei, s. 2malen 1. malgast, s. 2malen 2. malge, s. malgieren. malgelage, 1mal兩geld s. 1mal (das) 4. 2 mal兩geld, s. 2mal (das) 2. 3 mal兩geld, das. 1. ›kostenabhängige Gebühr für das Mahlen des Getreides (im Beleg zur Unterhaltung des Mühlenwehrs)‹; zu 2malen 2. − Bdv.: vgl. malezettel. Rudolph, Qu. Trier 58, 33 (mosfrk., 1540): Das malgeld gehoicht werde, daemit an dem molenwere nit jerlichs zuegelacht wurde. − Rwb 8, 1599.

2. eine obrigkeitlich verordnete, auf das Mahlen erhobene Getreidesteuer; zu 2malen 2. − Md. − Bdv.: 1bete 5, gefälle 5, steuer 1, ungeld. − Synt.: das m. fordern / heischen / setzen / aufheben / geben / gelten / höhen /

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malgericht − malkost

neuen / tragen; das m. (Subj.) angehen / fallen; über das m. schreien; das m. vom korn / weisse. Wiese, UB Wetzlar 1, 476, 12 (rhfrk., 1330): daz sie [burger ze Wepflaren] haben unde nemen sÈln [...] daz ungelt von allen dingen, [...], und ouch darzu ewichlichen ein malgelt, ie von einem malter chorens drei haller. Foltz, UB Friedb. 1, 190, 45 (1353): daz ir heischet, [...] daz malgelt halbes daselbes ze fridberg. Ebd. 393, 16 (1389): antwirten wir, daz wir kein malegelt odir wegegelt gesaßt enhan adir keyne macht hetten zÈ setzene ane daz heilge riche. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 34, 7 (hess., 1512): das hinfure die becker keym mele zu feilem kauff backen sollen, es sy dan zuvor das malegelt vom korn oder wiß davon gefallen. Thiele, Chron. Stolle 450, 5 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): etliche schregen uber das male gelt, etliche uber das kleine moss. Ebd. 471, 15: Anno domini M° CCCC° XCIX do gingk das malegelt wedder an. − Rwb 8, 1599.

malgericht, s. 3mal (das). malgieren, V., entsprechend mnl. malgeren, dies aus afranz. maillier (Verwijs/Verdam 4, 979). ›(etw.) emaillieren‹. − Bdv.: vgl. amalieren, auskörnen, glasuren. − Wbg.: malge ›Spange‹. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 74, 21 (rib., M. 14. Jh.): dat ingein broder noch neman, de malgeirt, in sal neit me nemen zu quistingen dan van der m. eyt d. gewete. Ebd. 2, 344, 3 (1466): von dem krempen- ind naildenmachen. [...]. As thuschen den gurdelmecheren an eine ind den naildenmecheren an die ander sijde etliche schele ind zweidracht entstanden geweist sijnt, mit den krempen ind malien zo maichen, die [...].

malgrei, die; Etymologie unsicher. ›Unterbezirk einer Gemeinde‹. − Rwb 9, 83 (1. V. 14. Jh.f.). malgrosche, malgut, s. 2malen 2. malhaftig, Adj./Adv.; Zugehörigkeit unklar. ›wechselseitig‹. − Bdv.: vgl. malkander. − Wbg.: malhaftigkeit ›Wechselseitigkeit‹ (dazu bdv.: malheit). Schmitt, Ordo rerum 453, 86 (omd., 1466): Vicissus malhafftig. Ebd. 454, 87 (oobd., 2. H. 15. Jh): Vicissitudo [...] malhäftigkait. − Voc. inc. teut. p vr.

malhaftigkeit, s. malhaft. 1 mal兩haufe, s. 2mal (das) 2. 2 mal兩haufe, s. 2malen 2. malheit, s. 1mal (das) 2. malholz, s. 2mal (das) 2.

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malig, Adj.; auch mit Uml. ›fleckig, unrein, durch Beulen gekennzeichnet (von Personen); schadhaft (von Sachen)‹; vgl. 2mal (das) 1. − Bdv.: vgl. meilig, ungestalt, unsauber. − Wbg.: maligen ›etw. verschmutzen, beflecken‹; ütr.: ›sich mit Sünde beladen‹ (dazu bdv.: vgl. meiligen 1; 3). Voc. inc. teut. p iiijr (Speyer um 1483/4): Malig vndern auge˜ des antlitz. Ebd. p iiijr: Malige˜ maculare. Vock, Urk. Hochst. Augsb. 364, 26 (schwäb., 1414): ob [...] dier brieff malig, schadhafft oder gebresthafft wer [...], das sol [...] disem briefe an sinen krefften ... kainen schaden nicht beren. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 423, 4 (schwäb., 1600): da si [weiber] aber einander mit [...] scheüter, stäcken und anderm bluetriß oder mällig schlagen wurden, straff ain thaller. − Schweiz. Id. 4, 154.

malignate, deformierte Form von malagranat. ›Granatapfel‹. Broszinski, Minner. Chir. Parva 77v, 29 (halem., 2. H. 15. Jh.): [ein pflaster] Rp. pippenelle, bthonice, malignate, verbene, vermicularis, iegklichs ein handvoll, su´ds in win.

malignieren, V., aus lat. maligna¯re ›boshaft verfahren‹ (Georges 2, 780). ›böse, unwirsch, mißlaunig sein‹. − Wbg.: malignität. Barack, Zim. Chron. 3, 46, 28 (schwäb., M. 16. Jh.): als ir der erst sone gestorben, hab sie heftig maligniert und sich grösslich wider den unfahl entsetzt erzaigt. Rot 326 (Augsb. 1571): Malignirn, Zürnen / vbel zufriden sein / schellig vnd vnwirs sein / schelten vnd fluchen. Ebd.: Malignitet, Vntrew / vngunst / boßhafftigkeit / zorn / Boßlistigkeyt.

malignität, s. malignieren. malkander, Indefinitpron.; entsprechend mnl./mnd. malkander ›elkaar‹ (de Vries, Nl. Et. Wb. 1971, 156). ›einander, gegenseitig‹. − Bdv.: vgl. malhaftig. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 782 (Köln 1476): Erd wurpen sy malckandren tzoe, 兩 Dat dye dayr vloych all euen hoe. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 121, 27 (n/ hpreuß., 1464): dat dar dorch de erbenemeden beide parte alle tyd under malkanderen in veide, krige unde twedracht sitten scholden. − Ebd. 128, 18.

malknecht, malkorn, s. 2malen 2. malkost, s. 2malen 3.

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mallich − malstat

mallich, s. manniglich. malman, der ; −/-leute. ›Mahlgast, Mahlkunde; einer bestimmten Mühle zugewiesener Mahlkunde‹; vgl. 2 malen 2. Siegel u. a., Salzb. Taid. 13, 4 (smoobd., 1637, Hs. E. 17. Jh.): Die mülner, [...], sollen dem mallman die stund, wann man ihme das getraid aufschittet, wissentlich benennen. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 579, 12 (schwäb., 1588): ob der miller die mahlleut bei dem gewohnlichen lohn, [...], lasse, oder ob er die mit newerung beschwehre. − Mell u. a., Steir. Taid. 27, 14; Schw‰b. Wb. 4, 1425 s. v. malleute und malman.

malmasier, s. malvasier. malmel, s. 2malen 2. malmen, V. ›etw. völlig zerstören, vernichten‹. − Bdv.: vgl. aufhacken 3, aufhauen 2, aufschroten 2, auskleinen, ausziehen 26, bleuen 2, gepulvern, hacken 3, pochen 2, pulvern 1, stäupen 2, 2malen 3, stampfen 2, stossen 3, zerreiben, zerknütschen. Luther, WA 19, 43, 20 (1526): [Gott] der ym synn hat und angefangen, den grewel auff dem erdbodem zu malmen und zu asschen zu machen.

malmüle, die; −/-n. ›Getreidemühle‹; vgl. 2malen 1; 2. − Rechts- und Wirtschaftstexte. Kollnig, Weist. Schriesh. 185, 30 (rhfrk., o. J.): zu Ober Laudenbach ist ein malmulen, stet churfurstlicher Pfaltz zu. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 2, 205, 11 (hess., 1466): das das wasser an syme gange domyde nit verhindert werde und der malemolen keinen schaden fuge. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 143, 11 (osächs., 1570/7): Wo bretmuhlen bei mahlmuhlen seind, sehe man vleissig zu, das der müller nicht segespehne unter kleien [...] menge. Sachs 4, 150, 1 (Nürnb. 1548): Das menschlich hertz ist eyner malmül gleich (da es an all rhu stets malen thut, so V. 14). − Ermisch u. a., a. a. O. 158, 9; Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 80, 14; Rwb 9, 4; Pf‰lz. Wb. 4, 1121.

malot, Genus? aus lat. melilotus, -um (Marzell 3, 126). eine Steinkleeart. Apherdianus 129 (Köln 1575): Melilotum, maloot. 1

mal兩pfenning, s. 2malen 1. mal兩pfenning, der ; −/auch -π ; Bw zu 3 mal (das). ›Geldablösung für das dem Gericht an Gerichtstagen durch die Gerichtsunterta2

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nen bereitzustellende Mahl‹ (so Rwb 9, 5 mit reicher Belegung). Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 223, 32 (smähr. inseldt., 1414): Auch geuelt daselbs ein jar malphening 3 lb. minus 6. den. vnd gehort zum gericht daselbs. UB ob der Enns 10, 425, 27 (moobd., 1387): Darzu wollen wir in auch geben vnd dienen zu rechter dienstzeit ain halbs pfunt malpfenning. Winter, Nöst. Weist. 3, 42, 15 (moobd., 15./16. Jh.): dem selben vorsprech soll die gemain geben 12 ∏ zu iedem pantaiding, und das sind mallphenning. − Ebd. 2, 246, 14.

malplaz, s. 2mal (das) 2. malpunik, wohl der ; aus mlat. malum punicum. ›Granatapfel‹. − Bdv.: malagranat. − Wbg.: malpunikapfel, malpunikenbaum. Schmitt, Ordo rerum 371, 34 (rheinfrk., 1414): Malu(s) punicus malpunikenbom [...] margrampawm [...] eyn malpunick [...] malapunken. Ebd. 35: Malum punicum [...] Mala punicum malapunike [...] eyn malkenbom punicke [...] malpunickËpffel.

malpunikapfel, malpunikenbaum, s. malpunik. malrad, s. 2malen 2. malrecht, s. 3mal (das). malsak, der. ›Getreide-, Fruchtsack‹; vgl. 2malen 2. Loose, Tuchers Haushaltb. 136, 6 (nürnb., 1516): adi 9 ottobris fur 10 eln czwilch czu 4 malsecken. Sachs 20, 47, 13 (Nürnb. 1558): Seh hin, und nem den malsack hin, 兩 Und faß mir einen saff [›saffran‹] ein! Ders. 216, 9 (1563): Der bawer sprach: Wenn du [teuffel] mir thetest 兩 Gleich eben disen malsack vol, 兩 Daran sol mich benügen wol.

malschilling, s. 1mal (das) 4. malschlos, s. malenschlos. malschüssel, s. 2mal (das) 4. malschuz, s. mäheln 3. malsieb, s. 2malen 2. mal兩stat, die; -π/-stätte; Bw semantisch von 2mal her motivierbar und in den Ausgabenglossaren teils so motiviert, etymologisch aber zu 3mal (das). − Gehäuft Rechtsund Wirtschaftstexte, Chroniken. 1. ›Versammlungsort, Stätte für rechtsrelevante Handlungen (meist Rechtspre1

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malstat − malstein

chung, oft auch Geschäfte u. ä.)‹; vereinzelt: ›Treffpunkt, Ort des Zusammenkommens, Lagerns von Gruppen (z. B. eines Heeres, von Aussätzigen)‹. − Bdv.: maltag, ort. − Synt.: eine m. anzeigen / ändern / benennen, (wohin, z. B. gegen Baden) bestimmen / [wohin] verschieben; an der m. niedersitzen, rechttag halten, an der m. weistum geschehen, an der m. das gericht versammelt sein, einen tag fürnemen, an eine m. zusammen kommen, einen tag an eine m. bescheiden / setzen, etw. an eine m. ausschreiben (z. B. ein concilium), jn. an eine m. bescheiden / beschreiben / erfordern / hinauffüren, j. auf eine / auf einer m. erscheinen, auf eine m. kommen, auf der m. antworten, etw. (z. B. holz) auf die m. füren, j. zur m. reiten; die m. des gerichtes / landtages / reichstages, der verhandlung, eine m. teutscher nation; die bequemliche (mehrfach) / angezeigte / beschriebene / bestimte / gelegene / gewönliche / sichere / streitige / vorgemeldete m.; die verkündigung der m., die verwandlung der malstätten; zeit und malstat. Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. 111, 14 (o. O. 1532): welliche [Zimmerleute für die Errichtung des Galgens] mit der erforderunge allso anheimbsch betrettenn [...] sollen vff bestimpte zeit vnd Mallstat erscheinen. Kollnig, Weist. Schriesh. 39, 24 (rhfrk., 1453): Und sind daroff in das zentgerichte an ihre gewohnlich malstatt und off ir gewonlich gestulze nidergesessen. Schottenloher, Flugschrr. 35, 11 (Mainz 1523): der soll alszdan sein zuverordneten, [...], zu ime an bequemlich malstatt erfordern, solcher beschwerde und lasts halben, [...], zu beratschlagen. Ebd. 41, 18 (Nürnb. 1523): so sËllen alszdann jre schidliche freundt [...] dieselben partheyen [...] an ain gelegen malstat fÈr sich beschayden. Laufs, Reichskammergo. 176, 6 (Mainz 1555): eynen erwelen, der dann an gelegne malstat tag fürnemen, die sachen hören und laut der ordnung [...] procediren soll. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 2, 415, 22 (Frankf. 1602): nach dem [...] solche kauffmanschafft an gewönlichen orten nicht geschehen oder gehalten könt werden, ist die mahlstett hiezu an bequemere und sichere ende verschoben. Chron. N¸rnb. 4, 672, Anm. 5 (nobd., 1475): in das here zuschreiben von der beswernus, die der stat hewptluten im here geschicht mit verwandellung irer leger und malsteten. Ebd. 5, 580, Anm. 4 (15./A. 16. Jh.): die armenleut, [...], nit in die stat zelassen, sunder [...] denselben armen ein malstatt auf dem gotzacker anzuzaigen. V. Anshelm. Berner Chron. 2, 100, 14 (halem., n. 1529): Und sol daruf ein ieder mit o die nÁchst beschribnen malstÁt siner macht zuo ross und zuo fuss o Ebd. 5, 3, 6: dass bÁbstlich heilikeit dem gschrei zuziehen. mit unser verwilligung ein frıˆ, kristlich concilium an bequeme malstat TÈtscher nation, [...], angefangen uszeschriben [...] wer-

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den sol. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 370, 5 (halem., 1534/5): ward mit merer hand diser raatschlag gemacht / e allso / das die malstatt gen Baden jn Argow bestimbt. Chron. Augsb. 3, 414, 14 (schwäb., 1485): das sy in sollichem [...] gemainer tutscher nacion mergklichem anligen sich aber gehorsam beweysen und so in maalstatt und zitt nach gelegenhait und grösse der sach mit irer anczal nit verhallten [...] wurden. Siegel u. a., Salzb. Taid. 264, 16 (smoobd., Hs. 17. Jh.): sollen dieselben vier, [...] an ain gelegen malstatt zusamenkomen und aus unserer beeder fürsten fürgeschlagnen obman, [...], ainen irs gefallens ze nemen macht haben. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 470, 12 (schwäb., 1570): da inen kain sondere zeit und mahlstatt benennt, soll ain jeder auf den bestimpten rechtstag umb 12 uhrn auf dem rathauß [...] erscheinen. Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte 2, 30, 20 (moobd., 1526): geben hiemit Macht unnsern Camer Richter, [...] unns und die Curfursten und Stend des Reichs furderlich an gelegen Malstatt zubeschreiben. − Loersch, Weist. Boppard 106, 22; Hertel, UB Magdeb. 3, 678, 20; 841, 34; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 128, 3; Rwb 9, 9; Pf‰lz. Wb. 4, 1121; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 233; Schweiz. Id. 11, 1753 (mit reicher Belegung); Schw‰b. Wb. 4, 1394.

2. ›Kampfstatt, Kampfplatz‹. − Bdv.: vgl. acker 3, 1anger 3, gries 2, kampfstat, plan 2. K¸ther, UB Frauensee 378, 25 (thür., 1528): das die zugleich den todten leichnam abhawben las und uff die malstat begraben laß. Chron. Augsb. 9, 376, 31 (schwäb., 1555/ 61): So hat er [fürst] doch nicht mögen gnesen 兩 Auf drey malstetten ungehewr. 1

3. ›Richtstätte‹. − Bdv.: vgl. galgenstat, laube 1.

Grimm, Weisth. 1, 794, 13 (mosfrk., 1418): die galgen oder die mahlstatt weissen wir oben ans dorff [...] zu richten über halss, [...], den dieb an galgen. Ebd. 3, 380, 39 (hess., 1486): bedorfen die gerechtsherren eines stockes, so sollen se ene lassen machen, so sal das gerechte (ene) uf die malstad schicken.

4. ›Geburtsort‹. Buch Weinsb. 5, 504, 18 (rib., um 1560): Die moder und malstadt ist nit offenbar. 2

mal兩stat, s. 2mal (das) 2.

3

mal兩stat, die; Bw wohl zu 1mal (das) 4. ›Futterplatz (für den Falken)‹. − Dalby, Lex. Mhg. Hunt. 1965, 149. mal兩stein, der ; −/-e. 1. ›eingegrabener, mit einem Besitz-, Hoheitszeichen o. ä. versehener Stein zur Kennzeichung der Grenze von Flächen (zwischen Hoheits-, Rechtszuständigkeiten, 1

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malstein − malter

Besitztümern u. ä.)‹; zu 2mal (das) 2, stein 12. − Bdv.: markstein, zeichen; vgl. almendstein, banstein, blutstein 3, gerichtsstein, grenzstein, güterstein, lachstein, lochstein, reinstein. − Synt.: einen m. setzen / ausgraben / verändern / versetzen, hinweg füren; der m. ein kreuz haben, die malsteine [bis wohin] gehen; etw. ein m. zu sein pflegen; das wappen an den m. hauen, bei einem m. mit einer waffe arbeiten, das vorwerk in den malsteinen gelegen sein, den teich mit malsteinen verzeichnen; die malsteine zwischen [zwei] gebieten; die setzung der malsteine. Chron. Magdeb. 2, 95, 19 (nrddt., 1569): Ao 64 seindt die Malsteine zwischen deß Ertzbischofs und der Stadt gebiete zu underscheidung der gerichte gesetzt. Peil, Rollenhagen. Froschm. 666, 5014 (Magdeb. 1608): [ein Stein] Gleich wie er an dem Acker lage / 兩 Der Bawren mahlstein zu sein pflage. Hertel, UB Magdeb. 3, 536, 27 (nd./omd., 1495): so weyt sich dieselbige zcugehorunge ergibet und erstrecket, mit malsteinen, daran [...] der alten statt Magdeburg wopen gehawen seint. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 341, 4 (mosfrk., mfrk., o. J.): daß keiner mit einer waffen, [...], bei 2 schuechen sol arbeiten bei einem malstein bei verlust eines frevels. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 11, 21 (thür., 1421): her [...] satzte die malsteyne uff den velden. K¸ther, UB Frauensee 376, 3 (thür., 1528): das Johann [...] Curdt Trubestein [...] hab gefencklich angenomen [...], darumb das er eynem malsteyn hatt außgegraben. Opel, Spittendorf 474, 13 (osächs., um 1480): der steinwegk uff Marcqwarts brucke, also ferne die mahlsteine gehen. − Peil, a. a. O. 158, 3549; Rwb 9, 89.

2. ›Götzenbild, religiöses Denkmal; Gedenkstein‹. − Bdv.: bild 1, stein 11; vgl. abgot 1, götze 2, götzenbild, mal兩zeichen 2, statue, stok 10. Luther, WA 18, 70, 8 (1525): Uber das habe ich Levit. 26. eynen gewalltigen spruch: Ich byn ewer Gott, Yhr sollt euch keynen goetzen machen noch bilde, noch keyn mal odder steyn auffrichten ynn ewrem lande, [...]. So er daruemb verpeut goetzen und malsteyn, das sie nicht sollen anbeten. Ebd. 18, 70, 15: Denn Josua. 24. richtet eynen malsteyn auff zu Sichem unter eyner eyche zum zeugen. 2

mal兩stein, der. ›Mühlstein‹; zu 2malen 1, stein 12. − Bdv.: mülstein; vgl. griesstein 2, stein 13. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 208, 5 Var. (Straßb. 1466): nit entphach den nidern zan vnd den obern zuo einer stat des phands [Hs. W: mülstein; Var. 1483−1518: den vndern vnd den obern malsteyn; Luther 1545, 5. Mose 24, 6: Mulstein].

malstreichig, s. 2mal 1.

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maltag, der ; −/-e, auch -π. ›Sitzung, Versammlung der dörflichen Gemeinde, auf der Rechtspositionen festgelegt / wiederholt werden und Zinsen abzuliefern sind‹; vgl. 3mal (das), tag 9. − Bdv.: gericht I, 5; vgl. abendgespreche, alprecht 3, audition, banteidingrecht, bauding 1, bauerschafthaltung, manung 1, märkerding, markttag 2, martinsmal. Grimm, Weisth. 5, 678, 21 (pfälz., 1484): 3 maltage soll ein iglicher suchen der in dem gerecht siczt mit hus und hof; der erste maltagk 14 tage nach dem ostermandagk [...] ein huber der sin maltagk nit sucht, hat verbrochen 2 ß ∏. Ebd. 694, 23 (mosfrk., 1476): das die obgenanten herren [...] mögend ihre mahltag, jahrding und gericht halten und nach ihren rechten [...] fragen. − Rwb 9, 11.

malteilung, s. 1mal 3. malter, der/das; -s/-π. − Rechts- und Wirtschaftstexte, auch Chroniken. 1., s. 2malen 1. 2. ›Mahlgut, Getreide, das zum Mahlen ansteht‹. − Bdv.: getreide 5; vgl. 2malwerk 2. − Synt.: das m. dienen ›als Dienstleistung abliefern‹ / malen (mehmals); auf m. warten, sich auf das (eigene) m. legen / begehen, jn. mit dem m. nicht befürdern; das eigene m. Wbg.: malterfrucht (a. 1467), malterscheid ›Landstück von der Größe eines Malters Saatgut‹ (Gw im Rwb 9, 94 als -saat lemmatisiert, semantisch überzeugend), maltsak (Bw entsprechend mnl./mnd. malt ›Malter‹; Rwb 9, 90). Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 2, 2, 355, 31 (Wipperfürth 1582): So hat auch die clause zu s. Agathen keine renten ohn zwei malderschet landes darneben ligen, thut jeder malderschet 1 malder habern. Struck, Joh. Pfannstiel 115, 15 (mosfrk., 1565): 2 maltseck verprant. Thiele, Chron. Stolle 507, 32 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): welch mensche malen wolde eyn malder korns, der solde deme rothe geben da vone zu ungelde XVI alde gr. UB ob der Enns 9, 850, 22 (moobd., 1380): das sew [...] dyenen schÈllen ze rechtem dinst alle Jar [...] zwen vnd dreizzk meczen dÈerres chorn, Vnd darzÈ alles das Malter des das obgenant Spital bedorff. Siegel u. a., Salzb. Taid. 337, 19 (smoobd., o. J.): Es sol kain müllner innerhalben der prukchen warten auf malter, dann die meinem herren von Salzburk stewrent. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 229, 17 (smähr. inseldt., 1414): die mul dint zu s. Gorigentag 3 lb. den. [...], vnd mues auch mallen zum haws alls malter. − Rwb 9, 92.

3. ›im unteren Zentnerbereich liegendes, regional sowie je nach gemessenem

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malter

Gut variierendes größeres, von 1 Person gerade noch tragbares Volumen- und damit Gewichtsmaß, vereinzelt auch Raummaß, meist für Getreide, auch für andere Mengengüter (z. B. für kole, holz)‹; mehrfach in Angaben mit fuder, metze, mut, sumer, vierteil gebraucht; offener Übergang zu ›große Menge‹; s. dazu die folgenden Phraseme. − Phras.: der grosse / kurze malter wohl ›doppelter / halber Malter‹; ein malter geldes ›ein Sack voll Geld‹; 10 malter korn gegen etw. nemen ›einen überhöhten Gegenpreis für eine kleine Leistung nehmen‹; 1000 malter (z. B. pfeffers) haben ›steinreich sein‹. − Synt.: einen m. abrechnen / tragen / reichen, einen m. teurer geben, dan [›als‹], einen m. holz hauen, 3 vierteil einen m. tun; 1 malter (Subj.) 5 gulden, 5 pfennig gelten; das holz in m. setzen, von einem m. einen metzen (als Lohn) nemen; [eine Anzahl] m. korn(s) / rocken / haber / weize / dinkel / getreide / frucht / bonen / pfeffers / brotes / holz / kols / äsche; der Binger / Erfortsche / xantische m. Wbg.: malterig ›einen Malter umfassend‹, maltern ›ein Gut verleihen, dessen Zinsertrag in Maltern berechnet wird‹, malterstok ›Meßstock für ein malter‹ (bezogen auf Holz; a. 1490?), malterviertel ›vierter Teil eines Malters‹. Luther, WA 49, 538, 11 (1544): der wenig samlet, hatte ij homor, ist ein groß malder, den ein Esel tragen kan. Mieder, Lehmann. Flor. 919, 3 (Lübeck 1639): wenn er ein Trunck wasser / oder Rind vom Brod gibt / so wolt er ein fuder Wein / oder zehen malter Korn dargegen nehmen. Rueff, Rhein. Ostersp. 599 (rhfrk., M. 15. Jh.): Herre, myn lone ist nit kleine: 兩 czwei pont kisselsteine 兩 und ein malder eschen 兩 (do mit so muß ich weschen). Koeniger, Sendgerichte 282, 37 (mosfrk., 1538): eyn half Bynger malder haberen, in Trierschen eyn soemeren. Grimm, Weisth. 6, 509, 49 (mfrk., 1526): das neun mullen sollen sein in dem backhausz, mit namen drei anderthalbmältrigen, drei malterigen. Ders. 4, 184, 40 (els., 1339): Das gebietten(d) brot soll sein alsz grosz, das man dreyssig möge machen von einem malterviertel. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 151, 4 (rhfrk., um 1435): Man saget vor war er habe me dan ein malder geldes. K¸ther, UB Frauensee 358, 19 (thür., 1525): Doch sal der hoffman daz samekorn nemlich vierundvirczigk maldir korn und haffer abczurechen habe. Ermisch, Sächs. Bergr. 191, 3 (osächs., 1509): Es sall keyn huttenher [...] von einem malder holtz nicht uber eyn halbenn groschen tzu hawen geben. Dinklage, Frk. Bauernweist. 23, 5 (nobd., 15. Jh.): eyn moller zu Asha sol haben zwehen güthe

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eßel, damit er den nachbawern zu der mulen holt, und sol einen starcken knecht halten, der ein malter korns mag getragen, und sol sein zarge nit weyter sein, dan ein pfennigseyle darumb mag gegen. Bremer, Voc. opt. 11010 (wobd., 1428 ff.): Maltrum malter [...] est mensura frumenti continens 8 uel 12 quartalia, et est nomen tractrum a vulgari nostro. Thiele, Minner. II, 18, 152 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): den hett ich pfeffers tusent malter, 兩 ich gebe ain kËrnlin nit umb dich! Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. 39, 20 (alem., um 1430): das man nie kain malter haber türer gab, dan umb ain rinischen gulden. Schib, Urk. Laufenb. 35, 7 (halem., 1364): ein gut, [...], giltet jerlichs 3 malter dinckel, 6 muti habern. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 286, 27 (halem., 1402): Heintz Wolfhart tenetur Wegenlin iiij ß umb ein malter kols. Chron. Augsb. 1, 20, 14 (schwäb., zu 1473): und gult 1 fyrtayl erbis 1 gulden, tünd 3 fyrtayl 1 malter. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 81, 20 (schwäb., v. 1542): [Sy] furten ain mörcklich groß koren und haber hinweg, der apt saget, eß wer wol 1500 malter gewesen. Hauber, UB Heiligkr. 1, 552, 24 (schwäb., 1381): daz sy mir [...] gabent [...] die wil ich leb und nit fÈro jÁrklichs i o geltes funf kurz ui malter gemaines kornes und ain lang malter habern. − Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 3089; Kollnig, Weist. Schriesh. 187, 32; K¸ther, a. a. O. 251, 25; Thiele, Chron. Stolle 498, 19; Bindewald, Texte schles. Kanzl. 128, 5, 21; Chron. N¸rnb. 2, 210, Anm. 2; Leisi, Thurg. UB 6, 417, 21; 8, 316, 26; Boner, Urk. Zofingen 100, 17; Merz, Urk. Bremgarten 126, 7; Chron. Augsb. 5, 55, 21; Drescher, Hartlieb. Caes. 282, 11; Schmitt, Ordo rerum 242, 10; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 19; Rwb 9, 91; Pf‰lz. Wb. 4, 1148; Schw‰b. Wb. 4, 1428 (hier detaillierte relative Angaben). − Vgl. ferner s. v. anreissen.

4. ›Mehl (unter dem Aspekt ‚gemahlenes Getreide‘)‹. − Bdv.: mel. − Wbg.: malterbrot ›Brot aus eigenem oder aus fremdem Mahlgut‹ (hinsichtlich ,eigen/fremd‘ aus dem Beleg nicht entscheidbar; vgl. Rwb 9, 93 versus Verwijs/Verdam 4, 1991 s. v. mouderbroot). Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 20, 16 (rib., 1473): des hain unse herren dem ampte zogelaissen ein malderbroit, dat 13 d. galt die zijt. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 308, 27 (noobd., 1459): alle Wasser und die Yßer was gefroren, das man gar großen Mangl und Teurung leuden mueste Malterß § halben. Winter, Nöst. Weist. 3, 639, 20 (moobd., 1. Dr. 16. Jh.): Wer ain mezen gereüterts trait an ein müll schickt zu mallen, [...], so soll im der müllner hinwider antwurten aus denselbigen trait so schwer guets malter als dan derselbig metz trait ist gewesen. Siegel u. a., Salzb. Taid. 13, 20 (smoobd., 1637): welcher aber sein malter nit peitlen lassen will, ist den müllner nichts als die maut [...] schuldig. − Loesch, a. a. O. 2, 19, 10. − Vgl. ferner s. v. bekampt.

5. ›dem Müller als Naturallohn (in Mehl oder Getreide) zustehende Abgabe für das Mahlen‹. − Bdv.: vgl. maut 5.

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malterbrot − malvasier

Aubin, Weist. Hülchrath 176, 21 (rib., 1515): mins g. hern van Collen moellener geburt durch dat dorp Fritzhem zu vaeren und smecken; wer im dan up sin kaer zo mailen gift, daevan sall hy einen ganzen molter heven, und wer sin koern selbes in der moelen foert, der gift ein half molter. Buch Weinsb. 2, 231, 2 (rib., 1572): hat der churfurst eim rait widder etliche inkomsten und gutter [...] verschriben [...]; nemlich den halben molter uff den rheinmullen, dan den ander halben molter haben die mullenherrn. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 232, 25 (m/soobd., 15. Jh.): die mullner allenthalben auf unsers gotzhauss gründen sollen sich des malters und meut halben halten wie die landshandfest inhelt. Siegel u. a., Salzb. Taid. 271, 42 (smoobd., Hs. 18. Jh.): soll sich ieder müllner [...] niemands wüder das gebürliche molter beschweren und sich der uralten billichen mueß gebrauchen.

6. phras.: des königs malter ›hohe Anzahl (30; 32) Stockhiebe‹, über das Kriterium ,groß‘ anschließbar an 3. Grosse, Schwabensp. 155a, 36 (Hs. 2nd./md., um 14109): VOrvnrecht de bode sin recht gein daz gerich mit vntat, [...] So sol her deme richtere wedden des koniges malder; daz sint drittich slege mit eyner ekenen gerten. − Piirainen, Stadtr. Sillein 126b, 39.

malterbrot, s. malter 4. malterfrucht, s. malter 2. malterig, maltern, s. malter 3. malterscheid, s. malter 2. malterstok, malterviertel, s. malter 3. maltrog, s. 1mal 4. maltsak, s. malter 2. maltuch, s. 1malen 2. mälücke, s. mäen 1. 1 malung, s. 1malen 1. 2 malung 1; 2, s. 2malen 3; 5. malvasier, malmasier, der. ›edler Wein, dessen Herkunft auf die Landschaft um Monemvassia (daher der Name) auf der Halbinsel Morea (Peloponnes) zurückgeführt wird‹; generell: ›Südwein‹; malvasier begegnet in den Belegen mehrfach zusammen mit anderen Weinen (z. B. mit alicante, bassaner, muscatel, reinfal, welschwein) und Getränken (z. B. mit bier, met, gräussing) sowie mit ausgewählten Speisen (fisch, wildbrät, confect) und steht dann zeichenhaft für üppige Festlichkeiten auf

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hohem Sozialniveau. − Synt.: m. begeren / auftragen / dienen / schenken / schicken / nemen / trinken / kosten, auf den markt füren, m. bei etw. (z. B. bei einem mas) messen / verkaufen, jm. m. geben; der m. etw. gelten, der beste / höchste trank sein, sich mit landwein mischen; sich mit m. füllen; der m. der treue (poetisch); der edle / gute / köstliche m.; der becher / stauf, das mas / lagel / achtel / viertel m. Wbg.: malvasierkrauch. Luther, WA 32, 85, 17 (1530): Eben als yhr zween kunnen einen becher Malvasier ynn der hande halten, der eine zittert mit den hand, der ander zittert nicht. Ebd. 33, 101, 18 (1531): ich wolt dir lieber rathen, das du malvasier trunckest und nur an Christum gleubtest undt liessest den Munch wasser oder seinen eigenen urin sauffen. Bl¸mcke, Hans. Gesandtsch. 25, 28 (nrddt., 1603/05): dass der Grossfurst etzliche stucke weinss, alss von Alekanten, Malvasier, auch Reinischen wein begerende. Lau, Qu. Siegburg 120, 15 (rib., 1516−31): ein hundert malmesienkruichen sall gelden 4 marck. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 35, 8 (osächs., 1570/7): Wann der wein vergohren hat [...], so nimb ein maß malvasier und thue den in ein [...] pfannen, setze das übers feüer. [...] geüß es so heiß ins ausgespielte faß, [...] und laß es vier wochen also liegen. Also dann zeüch den neüen wein darauf. Dieser schmeckt wie ein muscateller nachn stock. Pyritz, Minneburg 2522 (nobd., Hs. um 1400): Nym margram opfel wasser 兩 Und diner gute zipper win 兩 Und diner truwen malvasin, 兩 GÈß ez in mynes hertzen munt! Fastnachtsp. 726, 4 (nobd., 15. Jh.): Muscatell und auch Malmasier 兩 Das trink ich für saurs pier. Keil, Peter v. Ulm 142 (nobd., 1453/4): ein zagel-wasser. Nym iiij lot glet vnd ein achttail malmasirs: daz sewd vntereinander. Loose, Tuchers Haushaltb. 66, 22 (nürnb., 1508): ein lagel muschatel mallfesier, damit ich den herczog F(riedrich) kurfurst etc. mit verert hab. Sachs 20, 446, 25 (Nürnb. 1563): Da trug man auff wildbrät und fisch, 兩 Malvasir, vernetsch und rot-wein. Thiele, Minner. II, 12, 327 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): nye dings was also dure, 兩 es wurd unwerd, wurd es wolfeil gegeben. 兩 wer sam der Ryn ein flus vonn malmasien, 兩 sie gult nit eynen heller. Ebd. 13, 307: der edel malmasy 兩 hatt sich gemüscht mit lantwin auch darunder. Fuchs, Murner. Geuchmat 3555 (Basel 1519): Rüschpret sy sich hertigklich, 兩 Lieff ich in die appotecken glich 兩 Vnd holet ein meßlin malmasier. Sudhoff, Paracelsus 6, 246, 15 (1528): herwiderumb auch der malvasir das höchst drank und das best, hingegen aber hat er den größten corrosivischen essig in im. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 220, 5 (schwäb., v. 1542): Das tranck ist gwesen Rainfal, Malfensier, reynisch rot und weiß wein, Rosatzer, Neckerwein und aimbeckisch weis bier. Chron. Augsb. 7, 401, 5 (schwäb., zu 1547/8): dem alcaldi gibt man nur ain fiertl Malmasier und 3 semlen, 3 bretzen. Schmitt, Fachprosa 89, 11 (bair., 2. H. 15. Jh.): Hertzog Sigmunds rennen Item nymb j lott birbaumben mistel, ein lott galgan, j lott epheu an den eichen, [...]. Vnd so du rennen wilt, so gib dem lauffer des puluers drey tag

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malvasierkrauch − malz

vff dem futter ye j lott vnd bespreng das futter mit gutem malmasier [als Stimulans für Rennpferde]. So wurstu wunder erfaren. Zingerle, Inventare 69, 1, 41 (tir., 1484): vermerckt, das Malmasier, Rainual, Passaner geyt das vass ain r. gulden. Eis u. a., Asanger Aderl. 3, 17 (sböhm., 1531): das ist ain guet regimen fur dj pestilentz. Recipe teuffels piß, [...], züm andren nym kranäugl, auch gepulffert, [...], zu dem dritten nym ttiriacam, [...], zum vierdnn nembt malmasier oder prantten wein. Temperiert das alles duricheinander. − Luther, WA 45, 360, 22; Boon, St. Prätorius 71, 23; Klett, J. v. Soest 8, 1588; Helbig, Qu. Wirtsch. 3, 104, 18; Welti, Pilgerf. v. Walth. 5, 22; Opel, Spittendorf 124, 6; Gille u. a., M. Beheim 354, 120; Chron. N¸rnb. 3, 393, 32; Sachs 5, 337, 18; Broszinski, Minner. Chir. Parva 83v, 22; M¸ller, Nördl. Stadtr. 82, 13; 456, 9; Chron. Augsb. 3, 190, 8; 233, 6; Klein, Oswald 23, 54; Stolz, Zollwesen 78, 10; Pf‰lz. Wb. 4, 1149; Schw‰b. Wb. 4, 1430; BaumannZwirner, Augsb. Volksb. 1991, 87. − Vgl. ferner s. v. alemonie, ampher, bassaner.

malvasierkrauch, s. malvasier. malweide, s. 2malen 1. mal兩werk, das; -s/-π ; zu 1malen. ›Malerei, Malarbeit‹; als Metonymie: ›Bild, Gebilde‹; zu 1malen 1. 1

Luther, WA 47, 687, 33 (1539): all sein [Moses] gestifft inn seyner kirchen sol heißen ein malwerck unnd bildwerck der rechtten kirchen. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 210, 22 (els., 1362): [er] gap sich us wie er ein gros meister were in zimberwerke vnd in molewerke. Martin, H. v. Sachsenh. Temp. 731 (schwäb., 1453): Wil ich das maulwerck suochen 兩 Uß alter bibel buochen. Fuchs, Kart. Aggsbach 65, 12 (moobd., 1384): an der arbait, die er zu unserm chlËster ze Axpach gearibait hat mit malberich und mit glaswerich. Fuchs, Kart. Aggsbach 69, 13 (moobd., 1385): die [arbayt] wı¨r zu irm [...] chloster mit glaswerich, malwerich [...], volbracht haben. − Schw‰b. Wb. 4, 1430. 2

mal兩werk, das; -s/−; zu 2malen. 1., s. 2malen 1. 2. ›Mühle‹; als Metonymie: ›Getreide, Mahlgut‹; vgl. 2malen 1; 2. − Bdv.: mole (zu ›Mühle‹); vgl. (zur Metonymie:) malter 2. Lohmeyer, K. v. Nostitz 16, 12 (preuß., 1578): Cristoff Kreitzen, [...] wirts verdrissen, wirt ihnen schaden thun an irem malwerg. Ebd. 64, 16: hab ich ein mole zu bauen bevolhen mit 2 ader 3 gengen, nachdem malwerg sein wirt. Chron. N¸rnb. 4, 336, 4 (nobd., 15. Jh.): und was solche zwanksal des vihs und der leut und des malberks halben an manchen enden des jars. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 185, 43 (moobd., 1524): sover ainicherlay mangl mit dem mallwerch oder peckenknechten beschicht, darauf burgermaister, richter und rate angesuecht werden, sollen sy den gemainen mel-

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kauf erlauben. − Lohmeyer, a. a. O. 43, 14; Brunner, a. a. O. 185, 24.

3. ›Erzmühle, Werk zur Zertrümmerung, Zerkleinerung von Erz‹; vgl. 2malen 3. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 98, 25 (schles., 1357): allerlei bergwerke, [...], dy wir itzund haben und hernach gewunnen, es sy an goltwerg an sywerwerg kopferwerg slywerg ader malewerg.

malz, das; -es/−; teils Umlaut(schreibung) mit -e-, auch in den Wortbildungen. ›Malz, zur Herstellung von Bier dienendes Produkt aus Getreide (meist Gerste)‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: hopfen und malz verlieren. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): getreide 5, gerste 2 (oft), 1haber 1, weisse. − Synt.: m. anschütten / ausfüren / erholen / (ver)kaufen / malen / nemen, m. (von gerste) machen, [wohin] füren, jm. m. lassen; m. (Subj.) unsäubern; des malzes bedürfen; mit m. auf den schiffen liegen, vom m. [einen Betrag] geben; die last m., x malter / scheffel m.; das gemalene / gerstene m. Wbg.: malzbier, malzbütte (Gw zu bütte), malzder (zum Gw: 1derre 1) ›Trockenanlage für Malz‹, malzfas, malzkammer, malzmacher, malzmetze ›für die Malzbereitung angemessener Behälter, Trockenmaß‹, malzmüle ›Mühle, in der Malz geschrotet wird‹, malzner, malzsak, malzscheffel (wie malzmetze), malzschuld ›Zinsschuld in Malz‹, malzsoller (Gw aus lat. solarium) ›Trockenspeicher für Malz‹, malztenne (Gw zu tenne 4), malztrog, malztuch (dazu bdv.: derretuch) malzwage (bdv.: karre 1), malzzettel eine die Malzvergabe betreffende Bescheinigung (genauer Sachverhalt unklar, laut Rwb 9, 99: ›für den Müller bestimmte Quittung über die Malzsteuer‹), malzzins ein in Malz zu entrichtender Naturalzins (für die Bierherstellung, das Mahlen?). Ziesemer, Marienb. Ämterb. 59, 15 (preuß., 1435): 1 brupfanne, 3 bruboten, 1 melczboten van 50 scheffel, 1 gros kessel czur batstobe. Ebd. 73, 19 (1377): an czinsze von garten und kreczmen 12 m., item an malczczinse 8 lest kornes. Ebd. 92, 21 (1396): item ist 800 scheffel truger gersten im malczhuse, item 21 melczebir im kellir. Ebd. 120, 24 (1420): 2 kessil und 1 grope, 2 eymer, 2 malczvas, 2 mulden. Ders., Gr. Ämterb. 113, 20 (preuß., 1518): Im brau-

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malz − malzeichen

haus: pfannen, bothenn [...], 11 maltsecke boze unnd gut. Ebd. 304, 30 (1414): Coventskellir: [...] item 60 scheffel gerste, dy sint im melcztroge. Ebd. 550, 3 (1438): Melczhawsz: item 4 leste gerste, 300 scheffel hoppe, 1 malczbote, 2 mulden. Ebd. 611, 12 (1447): Malczhuws: item 3 leste gerste und 300 scheffel hoppen, item 30 scheffel malcz in der malczkamer. Ebd. 641, 4 (1420): gerste im 12ten jare summa 4 leste und 15 scheffel. item malczscholt im 10den jare czum Tuchel summa 8½ last und 17 scheffel. Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 116, 37 (preuß., 1437/8): eyne malcmole czinset 54 m, sie hat eyn radt. Joachim, Marienb. Tresslerb. 405, 11 (preuß., 1406): 375 scheffel gerste, do malz von ken Samaythen gemacht wart. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 408, 29 (preuß., 1423): weise meel gerste und maltcz hot her frey gegeben usczufuren. Ebd. 2, 9, 21 (1436): hat unser herre homeister erlowbet gerste und maltcz ken Lyfflandt czu furen. Ebd. 4, 577, 5 (1457): Czum irsten haben sie handelunge gehat van dem malcze, und ist [...] beslossen, wer eyn melcz in die mole brenget, der sal vom scheffel melcz zcu malen geben 3 phennynge. Ebd. 5, 616, 3 (1517): die clynen mulen, die maltz malen und keyn zceysze geben. Luther, WA 10, 3, 300, 4 (1522): da verlor man ein derre ader malcztuch, der bruder hett es genommen. Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 48, 3 (md., 1506): Dan die Behemen das gantze jare mit maltz und schiffen uff den wasser ligen, [...], meniglichen das maltz lassen, dodurch umbligende kretzschmare, cleine stete auch die vom adel sich durchs gantz jar maltz irholen, brawen und schengken, domit unns unsere bire ligen bleiben. Ebd. 159, 5 (1489): ein malczwag gobt ij groschen, ij neu pfennig fur j groschen; ein karn halp alsvil. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 63, 9 (rib., 1408): so hain wir zo eime bier zwei malder malz; dat malder cost 4 m. 8. Ebd. 89, 13 (1494): en sullen gein moelen me binnen Coelne sijn, mals zo mailen, dan die rechte malsmoilen darzo ordineirt. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 1307 (Köln 1476): Dat dayr bynnen nyet zo kouffen 兩 En was hauer noch gersten malt. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 541, 40 (rib., 1659): Umb diese zeit ist der malzsoller oben dem sommerhaus aufs neu [...] gebunnet mit ungefehr 100 bort. Wiese, UB Wetzlar 1, 625, 23 (Wetzlar 1346): Ez ensal nyman maltz, gerstin odir habirn, noch fette swyn verkeufen zuschen hie unde sente Johans tag baptisten, uz der stad zu furen. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 88, 27 (hess., 1594): Demnach die bierbrewer die maltzzettel, so sy uff der Fahrpfortten lösen, etwan lang bey sich behalten, ehe sy diselben uff die mühl lieffern, darunder allerhandt vortheil und betrug leichtlich gebraucht werden kann, alß ordnen und wöllen wir, daß hinfurter kein zettel, [...], lenger dann acht tag gelten [...] soll. Bergner, Urk. Kahla 95, 21 (thür., 1460): so sall ein iglicher burger der do bruwet zu einem ganzen gebraw nemen [...] vierundzwenzig scheffel malz und nicht mehir. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 411, 55 (osächs., 1523/4): alle erbes, malz, graupen, hirsen, butter, schmalz und kese und aller genißlicher vorrat, zu essen und zu trinken dienende. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 144, 23 (osächs., 1570/7): soll dem muller gleichergestalt ein geeichter gestrichener malzschöffel, [...], neben einer geeichten und gezeichenten malzmetzen, derer ... auf einen solchen gestrichenen malzschöffel gehen,

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[...] uberantwortet werden. Ebd. 182, 4: Nim gemahlen malz, klein gerederte baldrianwurz und das weisse von eiern, [...], alles gepulfert. Diß pulfer vormenge mit menschenblutt [zur Köderherstellung]. Chron. N¸rnb. 4, 366, 3 (nobd., 15. Jh.): 1482 da pran der parfuser maltzderr am pfintztag (in der) palmwochen. Voc. Teut.-Lat. t vr (Nürnb. 1482): Maltzhause od’ malcztenne. brasiatorium. Dict. Germ.Gall.-Lat. 314, 23 (Genf 1636): Hopffen vnd (maltz) verlieren / Batre l’eau perdre ses peines, Laterem lauare. M¸ller, Nördl. Stadtr. 272, 4 (schwäb., 1513): dieweil denn solich maltz alles das unseubert, was in der mulin ist, haben wir geordnet [...], das man nun hinfüro an den enden, da man weiß malen will, kain maltz mer malen, sunder solich maltz malen oder prechen in der spital mülin. Schmitt, Ordo rerum 195, 20 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Brasiator melczer [...] multer [...] malczner [...] malczer [...] bierbrew [...] malczmacher [...] mulczer. Lampel, Qu. Wien 1, 8, 15663, 9 (moobd., 1458): Der Kaiser wünsche, daz die o leuto [...] zu ewigen zeiten malz machen, pier brewn und sölh pier schenkhen. − Ziesemer, Marienb. Ämterb. 10, 17; 50, 22; 92, 28; ders., Gr. Ämterb. 315, 21; 411, 23; 556, 18; 750, 29; 754, 19; Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 20, 22; Toeppen, a. a. O. 2, 221, 8; 4, 410, 25/ 31; Helbig, Qu. Wirtsch. 3, 109, 34; K¸ther, UB Frauensee 311, 25; M¸ller, a. a. O. 185, 30; Bastian u. a., Regensb. UB 142, 30; Voc. inc. teut. p vr; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 198. − Vgl. ferner s. v. ausschiffen 3.

malz (Adj.), s. malaz. malzan, s. 2malen 3. malzbier, malzbütte, malzder, s. malz. malzei, s. malazei. 1 mal兩zeichen, das; -π/−. 1. ›körperliches Kennzeichen, Prägung, Marke, Markierung, jn. entstellendes und / oder markierendes, auch die Zugehörigkeit positiv indizierendes Körpermal‹; verdeutlichend zu 2mal (das) 1; ütr.: ›geistliches, seelisches Prägezeichen‹; − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner brandmal, brandzeichen, charakter 2, denkzeichen, symbolon. − Wbg.: malzeichnen. Schˆpper 51b (Dortm. 1550): Cicatrix. Wundmaase schnatte / narbe wundtmal beul / streime streichmaase malzeichen. Luther, WA 8, 540, 13 (1521): [der Bapst] gibt fur, das er yhn [Clericken] eyn unaußleschlich maltzeychen ynn yhre seele drucke, welchs doch nichts anders ist, denn das maltzeychen der Bestien yn Apocalip. Ebd. 38, 228, 1 (1533): wie sie ertichten, der Caracter, das geistliche malzeichen jnn der seelen, so kein gemeiner Christ haben sol on allein die geweyheten Priester. Ebd. 38, 236, 37 (1533): das ein Pfarrher bey uns zum unterscheid seiner Winckel Weyhe und unsers beruffs

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malzeichen − malzeit

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die gesalbeten finger mit laugen, saltz und seyffen sol reiben und des Endechrists Caracter odder malzeichen abwasschen. Ders. Hl. Schrifft. Gal. 6, 17 (Wittenb. 1545): Hinfurt mache mir niemand weiter mühe / Denn ich trage die Malzeichen des HErrn Jhesu an meinem Leibe. Alberus, Barf. 33, 5 (Wittenb., 1542): Denn Gott hat Franciscum auff erden Herrlich gemacht / [...] / erhaben / erhËhet / stigmatisiert / vnd mit seinen FÈnff wunden gemalzeichnet. Ebd. 123, 4: Da ergreiff Franciscus einen Felsen / vnd hielt sich so hart daran / das man seiner Finger malzeichen / in dem Stein / wie in ein Wachs gedruckt / noch heutiges tages sihet. Oorschot, Spee/Seifert. Proc. 464, 21 (Bremen 1647): Daß maalzeichen muß man nicht suchen / weyl die arme sÈnderin noch in der tortur hanget. Ebd. 476, 17: da man jhnen [Hexen] mahlzeichen geschlagen / vnd sie doch nicht darvon auffgewachet. Ders., Spee/Schmidt. Caut. Crim. (Frankf./M. 1649): Von den Characteren oder Mahlzeichen der Hexen / vnnd ob solche ein indicium zur Tortur oder verdammung geben? Ermisch u. a., Haush. Vorw. 77, 5 (osächs., 1570/7): so wirdet die zeuberin an ihrem leibe vorbrennet und beschediget, das man das mahlzeichen oder brand sihet. Sachs 1, 21, 7 (Nürnb. 1548): In den [thier] steht das malzeychen mein, 兩 Drin man erkenn den schöpfer mild. 兩 Dich [Adam] erschuff ich, nach meinem bild. Maaler 278v (Zürich 1561): Maalzeichen (das) Character, Forma. Chron. Augsb. 8, 66, 13 (schwäb., zu 1560): sie [weib] hat im angesicht vil malzaichen gehapt, daß sie hart gestoßen und geschlagen ist worden. − Dasypodius 225v; Luther, WA 15, 557, 30; 25, 269, 20; 45, 184, 19; 52, 60, 2/ 6.

malzeit, die; −/ auch -π. 1. ›Essen, Speise‹; als Metonymien: ›das Essen, die Essenseinnahme‹; ›Mahlzeit als Veranstaltung zu besonderen (z. B. festlichen, religiösen, rechtlichen) Anlässen; Gastmahl‹; in religiösen Zusammenhängen auch ›Feier‹, dann offen zu 2; zu 1mal (das) 4. − Phras.: etw. wird hart vor der malzeit ›etw. wird erst einmal hart‹; etw. ist eine schwere malzeit ›etw. ist schwer zu verdauen‹. − Bdv.: abendbrot, abendessen 1, banket 1; 2, collation 4, essen (das), imbis 1, jause, 1mal 4, nachtmal, speisung, tracht, untern, zeche, zerung. − Synt.: die / eine m. bereiten / bestellen / zurichten / essen / halten / nemen / tun / volbringen / verzeren / geben / opfern, die m. aus dem se putzen ›gewinnen‹, jm. eine m. borgen / machen / geben; jm. eine m. (Subj.) gebüren; zu der m. blasen / gehen, etw. zu der m. bereiten, sich zu der m. betrinken, jn. zur m. laden, gegenwärtig haben; die m. der herren; die erliche / gute / herliche / köstliche / öffentliche / gemeine / ziemliche m.; unter ›während‹ der m., zwischen zweier malzeit. Wbg.: malzeitgeber.

2. ›Denkmal; Erinnerungszeichen, Merkzeichen; Prägung‹; auch: ›Überrest (als Hinweis auf etwas Gewesenes)‹; vgl. 2 mal 2. − Bdv.: vgl. antiquität 3, bildestein, bildnis 2, bildsäule, denkmal, gedenkzeichen, 1 mal兩stein 2, manungzeichen.

Schˆpper 48a (Dortm. 1550): Prandium. Malzeit mittags essen. Luther, WA 34, 2, 339, 11 (1531): da lest er ein starcke predig ausgehen, das wird hart vor dr malzeit. Ebd. 37, 186, 3 (1531): wenn die 2 suppen zusammen komen, traurickeit und schwermut [...], ists eine schwer malzeit. Chron. Magdeb. 2, 206, 20 (nrddt., 1525): isth von stundt nach der Malzceyt [...] Eyn grosser Concurs von der gemeyn gewurden. Peil, Rollenhagen. Froschm. 564, 1830 (Magdeb. 1608): Weil Gott fÈr alles Viehe den See / 兩 FÈllet mit Wasser / Regen / Schnee. 兩 Weil der Mensch jhn vielfeltig nÈtzt / 兩 Vnd seine Mahlzeit daraus putzt. Mieder, Lehmann. Flor. 189, 14 (Lübeck 1639): Wer allein Mahlzeit hÁlt der hat ein Jmbs wie ein Pferd. Bergner, Urk. Kahla 62, 19 (thür., 1489): einen erbarn sitzenden rath zu Kale und die brückenmeistere zu sulchen collation und malzeiten keinwertig haben. Knape, Messerschmidt. Bris. 16, 11 (Frankf./M. 1559): Man bliese zu dem nachtessen vnd malzeit / die Tafeln waren bereit vnnd KËstlich gezieret. v. Keller, Ayrer. Dramen 2122, 16 (Nürnb. 1610/8): Das der Herr Graf vnd seine Gsellen 兩 Bey vns die Malzeit nemen wöllen. Dasypodius 328v (Straßb. 1536): Gasthalter malzeit geber. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 63, 13 (Hagenau 1534): Zwo maltzeyt schlahen sich nicht. [...] wir Deutschen sagen / so yemand gessen hatt / und kompt zu uns / so wir noch essen / Zwey essen schlagen sich nicht. Ebd. 288, 27: Es ist keyn wirt so arm / er kann einem gaste ein malzeit brot borgen. Wickram 4, 40, 5 (Straßb. 1556): hett verschaffet / das auff den nÁchst künfftigen tag / ein

Luther, WA 10, 1, 1, 387, 3 (1522): Da hatt der Euangelist aber eyn maltzeychen gesteckt, das er [...]. Ebd. 11, 384, 9 (1523): diß kalb [Munchkalb] hat nicht hoerner, sondern nur malzeichen und schein davon. Ebd. 18, 269, 20 (1525): so das Thier und sein Bilde anbeten und sein Malzeichen an jr stirn oder Hende annemen, werden keine ruge haben. Ebd. 19, 503, 29 (1526): Inn dem bedencken sol die krafft gar stehen, das brod und wein nicht mehr sey denn ein malzeichen und farbe. Sachs 15, 153, 37 (Nürnb. 1563): Jacob richt auff an diser stet, 兩 Da gott mit im geredet het, 兩 Ein hohes steineres malzeichen. Ebd. 155, 31: Daß wir in buß bestehn allwegen, 兩 Gott und den nechsten lieben thon, 兩 Richten auff ein mahlzeichen schon 兩 Mit einem gut christlichen leben. Kl‰ui, Urk. Hermetschwil 118, 40 (halem., 1557): soll der Brief [...] in Kraft bleiben und das Kloster kraft [...] erfundner malzeichen an diesem Ort eine Mühle bauen dürfen. − Luther, WA 15, 491, 23; 18, 336, 158, 12; Byland, Wortsch. Zürcher AT. 1903, 53. 2

mal兩zeichen, s. 2malen 1. malzeichnen, s. 1malzeichen 1.

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malzeitgeber − malzmaler

herrliche malzeit in seinem haus bereit würd. Maaler 504r (Zürich 1561): Ein kostlich / Herrlich vnd vast Wolgerüst malzeyt oder banckquet. Rot 328 (Augsb. 1571): der vntern / Jausn / Jst ein speysung die zwischen zweyer mallzeit geschicht. Ebd. 335: Parentalia, Mallzeit / so man an begrebnus vnd bestettung der verstorbnen helt. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 90, 8 (schwäb., 1600): Nach anlegung solches essend vogt, die vierer und beede hierten miteinander ein mahlzeit uff einer gemeinde costen. Ebd. 568, 26 (1588): hierauf ist die obrigkait, [...], einem ersamen gericht sambt den ambtleuten ain malzeit zu halten schuldig. Eschenloher. Medicus 57, 4 (Augsb. 1678): vnd [als] a der bose Bub sein vngewaschene Goschen wieder seinen Vatter auffthÁte / ist vnder wehrender Mahlzeit der bËse Geist in denselben gefahren. Moscouia C IIv, 15 (Wien 1557): Zu Malzeiten hat er sich gewËndlichen betruncken / das er am Tisch entschlaffen ist. − Toeppen, Ständetage Preußen 3, 246, 10; Peil, a. a. O. 112, 2146; Koeniger, Sendgerichte 39, 33; Gille u. a., M. Beheim 99, 176; Baumann, Bauernkr. Rotenb. 313, 11; v. Keller, a. a. O. 2128, 24; 2450, 29; Wickram 4, 16, 17; Rennefahrt, Gebiet Bern 87, 18; Wyss, Luz. Ostersp. 3, 175, 2; Gehring, a. a. O. 3, 425, 28; Dasypodius 376v; Maaler 278v; 282r; Rwb 9, 12. − Vgl. ferner s. v. abdanken 3, aufbieter, auflegen 15, banket 1.

2. ›Heiliges Abendmahl‹; Spezialisierung zu 1; zu 2mal 5. − Bdv.: abendmal 2; vgl. communion, imbis 5, 1letze 3. Luther, WA 17, 2, 432, 23 (v. 1527): Das ist dann die malzeyt, darauf der himlische Vatter seyne ochsen [...] geschlacht hat. WA 41, 288, 15 (Wittenb. 1535): das es gute, albere leutlin gewesen sind, die zum Euangelion, auff diese herrliche malzeit komen sind. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 647, 7 (Bautzen 1567): Nun soln wir vns in demut gros, 兩 Zu werden alles kommers loß, 兩 Zu solcher malzeit finden. − Luther, WA 41, 283, 36; 284, 18. − Vgl. ferner s. v. aufräumen 1.

malzeitgeber, s. malzeit 1. mälzen, V. 1. ›Malz bereiten‹. − Wirtschafts- und Rechtstexte. Ziesemer, Gr. Ämterb. 392, 38 (preuß., 1438): in den vorberurten hoffen ist so viel gerste gelassen, das hir nach czur soit nach czu melczen keine gerste kouffen bedarff. Toeppen, Ständetage Preußen 3, 139, 17 (preuß., 1450): das die herren des ordens kouffslagen, melczen, bruwen und vorlegen allerley ampte. Auer, Stadtr. München 246, 9 (moobd., n. 1347): und die preuen, wann sie melzent und arbaitent, die süllen auch panpfenning geben. Nyberg, Birgittenkl. 1, 49, 30 (oobd., 1496): Desgleichen freyen vnd vergÈnen wir in ein prewhauß, darinnen sie zu irer vnd der iren noturfften maltzen vnd pier sieden mÈgen. − Toeppen, a. a. O. 4, 40, 27;

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Dirr, Münchner Stadtr. 557, 20; Voc. inc. teut. p vr.

2. ›(Tuch) einweichen‹; Ütr. zu 1. (a. 1419). − Schw‰b. Wb. 4, 1431. mälzer, der ; −/-π. ›Zubereiter, Hersteller von Malz‹. Voc. inc. teut. q vijr (Speyer um 1483/4): Meltzer Brasiator. Helbig, Qu. Wirtsch. 1, 22, 10 (md., um 1300): Ist, daz di beckere oder kein man geht vor daz thor [...] unde koufet getreigede da [...], der sal zu rechte ein pfunt geben an di stat, he si becker oder melcer. Ebd. 4, 83, 34 (1449): daz nicht umbe dy stad sessen smede, schuster, snyder, melczer, birbruwer. − Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 213, 32; Schmitt, Ordo rerum 195, 20; Rwb 9, 97.

malzfas, s. malz. malzhaus, das. ›Gebäude, in dem Malz für den Brauereibetrieb zubereitet (zum Keimen gebracht, getrocknet) wird‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: bierhaus, brauhaus. − Synt.: das / ein m. bauen / aufrichten / kaufen / visitieren; das m. (Subj.) verbrinnen, [wo] liegen; ein haus, gelegen bis an das m. Ziesemer, Gr. Ämterb. 206, 18 (preuß., 16. Jh.): Malczhawsz: 2 last weecz, 4 last geerst. Lohmeyer, K. v. Nostitz 126, 12 (preuß., 1578): Marschalch furnembste ampt ist auff die hofejünkern zu sehen, [...], in kochen, keller, baghauß, breuhauß, meltzhauß, schlachthoff offte visitiren. Voc. inc. teut. q vijr (Speyer um 1483/4): Maltzhuß Brasiatoriu˜. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 459, 5 (osächs., 1523/4): N. nam ein frauen zu einer eelichen wirtin und zoge ir in ire haus und bauet do in irer behausung bräuhaus und malzhaus. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 10, 8 (schles., 1529): ein gemein soll breuheuser meltzheuser fleischbenk badestuben und anderen gemeinen nutz aufzurichten. − Ziesemer, Marienb. Ämterb. 20, 29; 93, 3; ders., Gr. Ämterb. 101, 12; 509, 16; Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 118, 21; Hertel, Hall. Schöffenb. 2, 548, 35; Bindewald, Texte schles. Kanzl. 126, 3, 9; Chron. baier. St‰dte. Regensb. 51, 24; Schmitt, Ordo rerum 195, 21.

malziese, s. 2malen 1. malzig, s. malaz. malzkammer, malzmacher, s. malz. malzmaler, der. ›Zubereiter des Malzes; Betreiber einer Malzmühle‹; Gw zu 2maler 1. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 151, 36 (osächs., 1570/ 7): sollen in solcher muhlen [...] drei scheider, drei helfer, drei

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malzmetze − mamme

malzmahler [...] gehalten werden. Ebd. 154, 3: Von jedem malz, so in die stadt Neudresden gemahlen wirdet, soll uns 4 gr. fuhrlon und den malzmahlern 3 gr.

malzmetze, malzmüle, malzner, malzsak, malzscheffel, malzschuld, malzsoller, malztenne, malztrog, malztuch, malzwage, malzzettel, malzzins, s. malz. mäm, s. mamme 1. mameluckenstriegel, mameluckisch, s. mameluk 2. mameluk, der ; −/-en; über ital. mammalucco aus dem Arab. (Kluge/S. 2002, 594; Schulz/Basler 2, 1942, 64). 1. ›von christlichen Eltern geborener, zum islamischen Glauben übergetretener und im Militärdienst eines islamischen Herrschers dienender Söldner‹; zur Einschätzung der Mamelucken vgl. vor allem den Beleg Österley (mit längerem Umfeld); offen zu 2. − Berichtende Texte. Luther, WA 38, 146, 30 (1533): als wenn sich ein Mamluch widder zum Christen glauben [...] bekerete. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 3, 458, 32 (Frankf. 1602): Etwas von den Mamelucken und ihrem namen. Die Mamelucken und ihr königreich haben ihren anfang gehabt bey werender regierung keyser Friderich II. [...]. Der nam an ihm selbst heißet nicht einen verlaugneten Christen, sondern bedeut so viel als einen, der umb seinen sold dienet und ein kriegsmann, denn sie als kriegsleuth ihrem sultan dieneten. Sachs 12, 199, 18 (Nürnb. o. J.): Der soldan geht ein mit seim admirald und einem Mammalucken. Chron. Augsb. 3, 163, 10 (schwäb., E. 15. Jh.): der [panckart] ist zum künig Soldan gezogen, der hat im 800 Mammolucken gelihen und hat das künigkreich eingenommen. Rauwolf. Raiß 27, 27 ([Lauingen] 1582): Kürchen / in die kein Christ gehn darff / er wËll sich dann beschneiden / vnnd zum Mamalucken machen lassen. − Schw‰b. Wb. 4, 1432.

2. ›vom christlichen Glauben, der Konfession, einem Geschlecht Abgefallener, Abtrünniger, Verräter, willfähriger Diener des religiösen, konfessionellen oder politischen Gegners‹. − Bdv.: vgl. abentrünne, abtreter 1, abtrünniger, apostat. − Wbg.: mamelukkenstriegel ein Buchtitel zur Warnung des gemeinen mannes vor dem Abfall von der rechten Partei (Gw ütr. zu striegel ›Metallkamm‹; Schweiz. Id. 11, 2147), mameluckisch.

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Enders, Eberlin 3, 168, 8 ([Eilenb.] 1524): so ist der vogt ein Mammeluck, vnd tyrannisirt das Regiment zu Stutgart. Luther, WA 32, 299, 25 (1532): Als erstlich sind jnn dis funfft Capitel gefallen die groben sewe und esel, Juristen und Sophisten, des Bapst Esels rechte hand und seine Mammo Luchen. Tittmann, Schausp. 16. Jh. Krüger 117, 356 (o. O. 1580): erstlich so war der Lucifer 兩 von got geschaffen ein engel zart, 兩 der bald zum Mamelucken wart, 兩 und tet sich über Got erheben. Sachs 15, 470, 36 (Nürnb. 1562): Auch steht in sorgen und gefahr, 兩 Sie [christliche schar] außzu-tilgen und vertrucken 兩 Heyden, Jüden und Mamalucken, 兩 Gleißner, schwermer oder die ketzer, 兩 Ob gleich die haben zu anhetzer 兩 Etwan gottlose obrigkeit. Trunz, Meyfart. Rhet. 1, 28, 11 (Coburg 1634): rasende Bestien / welche [...] erleuchtete Adelsbursch verhËnen / auslachen / zernichtigen / anfeinden / als Mammelucken von den Thaten / vnd als Mißgeburten von den GeblÈte jhrer Voreltern beschmitzen. Schottenloher, Flugschrr. 54, 7 (Landshut 1523): von den turckischen handlungen des verdampten Mamalückischen Frantzen von Sickingen und seines teÈflischen verpuebten unverschembten aller bËßheit anhangkh. − Luther, a. a. O. 33, 296, 40; Schweiz. Id. 4, 226.

mämlein, mämlitzen, s. mamme 1. mamme, mäm, die; −/-n. 1. ›Mutterbrust; Brustwarze‹; vereinzelt: ›Euter (der Tiere)‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: 1brust 1, dutte, spune, titte, zitze; vgl. puppe 3. − Synt.: die m. saugen / trinken, fort (›nach vorne‹) recken, jm. die m. bieten; die mammen das kind spuden, milch bieten; die brüste mammen sein; mit der m. die kind futen, das lam von der m. scheiden, j. von der m. gesaugt sein; die m. der brust, der prediger (ütr.). Wbg.: mämlein, mämlitzen, mämmelecht (bdv.: weinsüchtig), mämmeln, mämmerl ›Brustwarze‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 15710 (nrddt., 14. Jh.): Iz sin tochter oder sune, 兩 Die souget sie [cristenheit] mit der spune 兩 Des heiligen geistes flammen 兩 Uz der predigere mammen, 兩 Die suze milch in bieten. Fischer, Brun v. Schoneb. 6279 (md., Hs. um 1400): gedenke sun, ich [Marie] bin din muter, 兩 du sogest miner bruste mamme. Ebd. 11749: ir wizzet daz di mammen spuden 兩 di kleinen kint und vuden. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 8136 (rib., 1444): Alle die alden die du noch sien salt 兩 [...] 兩 Synt alle gar van mynen mammen 兩 Gesouget. Ebd. 13370: Yre angesicht was simpel ind tzuchtlich, 兩 [...] 兩 Ind hadde eyne mamme vort gereckt 兩 Durch yrss rocks bosemloch getreckt. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 84, 6 (Köln um 1490): Och were yu roeckskyn voir ontkneufft, 兩 Dat ick yu memskyn sugen moecht. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 12022 (rhfrk., um 1405): In viel wege und wijsen 兩 Hait er [Sathan] manich schaff vom leben gewijsen, 兩 Und auch viel lemmer 兩 Hait er

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mammelecht − man

gescheiden von der memmen. Maaler 281r (Zürich 1561): MÁmmele (das) der vnmündigen kinden tranck. Bua. MÁmmelen / Ein wenig trincken. Subbibere. Rot 326 (Augsb. 1571): Mäm, vom lateinischen wort Mamma brust oder tut / der jungen Kinder erstes wort / damit sie jre mÈtter nennen / o Als ein ernererin. Ebd.: Mämmitzn, Der muter rÈffen / begern vnd nach schreyen. Ebd. 486r: Weinsüchtig / Der gern trinckt oder mämmelet Bibulus. Rot 366 (Augsb. 1571): Mämmerl a` mammula [...], brÈstle, TÈtle. − Fischer, a. a. O. 3439; Neumann, Rothe. Keuschh. 754; Chron. N¸rnb. 4, 342, 3; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 28/30.

2. ›weibliche Verwandte in der Elternoder Vorelterngeneration‹. − Bdv.: vgl. 1 base 1−4. Rot 326 (Augsb. 1571): Mamme, Heist auch dem Griechio o schen nach ein mutter der mutter / das ist ein Andel / Anfraw Enckele / gleich wie das wort tata oder corrupte ata, einen Vater oder ernerer heyst. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 419, 2 (Nürnb. 1631): DA sich Maria schwanger bfand, Alleluja, 兩 Gieng sie gar ferr wol Èber Land, 兩 [...]. 兩 Zu jhrer MÁm Elisabeth. B‰umker, Geistl. Liederb. 64, 10, 2 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Ich lob dy junckfrawn, da sy süchet haime 兩 elyzabeth, ir mamen.

3. ›Zufuhr der Nahrung, des Proviants‹. − Schweiz. Id. 4, 224 (a. 1530; als Diminutiv). mammelecht, mämmeln, mämmerl, s. mamme 1. mammon, der ; über kirchenlat. mammo¯na letztlich aus aram. ma¯mo¯ma¯ (Kluge/S. 2002, 594). ›Mammon, Besitz, dem persönlichen Wohlleben dienender Reichtum unter dem religiösen Aspekt, daß er von Gott abführt, seine Stelle als Lebensziel einnimmt und schließlich selbst vergottet wird‹; dann: ›Mammon, Geld, Reichtum, Geld als Gott oder göttlich verehrte irdische Macht‹. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): reichtum; vgl. abgot 3, bauch 1, beelzebub, ere, 1 gut (das) 1, gewalt (der) 9, (böser) geist 5, götze 1, lügengot. − Synt.: den m. lieben / hinschenken, als got preisen; der m. js. got sein, m. reichtum / gut heissen; der böse geist m. genant sein; dem m. aufsagen / dienen, das hirn zerbrechen; an dem m. hangen, an den m. glauben, auf den m. trauen, nach dem m. sorgen / trachten; der geitige /

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schändliche / unrechte m.; der vater m. Wbg.: mammonist, mammonsdiener. Boon, St. Prätorius 43, 16 (Ülzen 1579): Dis sind merckliche wort des Geistes Gottes / die [...] die Mammonisten / mit demant griffeln billich / solten in jre hertze¯ schreiben. Luther, WA 21, 518, 9 (1544): Die ersten [...] halten von keinem Gottes Wort noch Glauben nichts, on, das sie an jren Mammon und Bauch gleuben. Ebd. 22, 273, 4 (1544): die nach dem Mammon sorgen und trachten, das sind Heiden. Ebd. 32, 440, 11 (1530/32): was der Mammon fur ein feiner Gott ist, der kein bessere huter und hoffgesind umb sich hat denn eitel rost und motten. Ebd. 48, 41, 12 (1547): das den verechtern Gottes, den Epicurern vnd Mammons dienern, so glücklich in der Welt gehet. Ders. Hl. Schrifft, Mt. 6, 24 (1545): Jr künd nicht Gott dienen / vnd dem Mammon [Mentel 1466 / Lang 1521 / Eck 1537: reichtum o. ä.]. Harms u. a., Alberus. Fabeln 144, 13 (Frankf./ M. 1550): Der Mammon ist jhr hËchster Gott / 兩 Sie halten fleißlich sein gebott. Reichert, Gesamtausl. Messe 30, 23 (Nürnb. um 1480): ein hauß der wuchrer wirt genant ein hauß der boesen geyst, genant Mammone (nach Mt. 6, 24). Bachmann, Morgant 24, 19 (halem., 1530): so will ich inn [Lutziffer] ab sinem sitz setzen und will zerbrächen das hirny dem gittigen Mammon. Rot 326 f. (Augsb. 1571): Mammon / Heist nach Syrischer sprach / Reichtumb / vnnd wirdt nachmals fÈr ein Gott der Reichthumber geacht / wie dann die Reichen das zeitlich guto fÈr jren Gott halten. [...] / Ja es wirdt auch das gerecht guto / das erblich von den Eltern herkompt / Mammon, genent [...]. Der heylig Augustinus sagt / Mammon, sey kein Lateinisch sonder ein Hebraisch wort / [...] / heist bey jhnen als vil / als bey den Lateinern Lucrum gwin. Suidas sagt / es sey Goldt vnnd Reichthumb o des Erdrichs / aller vberfluß am gut. − Luther, a. a. O. 10, 1, 2, 372, 30; 374, 12; 10, 3, 277, 19; 22, 263, 38; 28, 641, 27; 30, 2, 379, 32; 32, 444, 11; 446, 9; 451, 13; 454, 8; 47, 355, 26; Sachs 9, 224, 26; Adomatis u. a., J. Murer. Abs., S. 853. − Vgl. ferner s. v. alchimei.

mammonsdiener, mammonist, s. mammon. 1

man, der ; mans, mannes / man, manne, mannen, männer, auch: leute; in 14 meist diminuiert: 1mänlein. 1. ›Mensch (allgemein)‹, wie er prototypisch durch die erwachsene, handlungsfähige Person männlichen Geschlechtes vertreten erscheint, insofern oft auf ›Mann‹ bezogen und ohne klare Grenze zu 2 und 3; vielfach mit Tendenz zu indefinit pronominalem Gebrauch (vgl. man, Indefinitpron.), dann: ›jemand, einer, der‹; als Diminutivum (mänlein 1): ›Kleinkind‹ sowie ›Figürchen in Menschengestalt‹. − Phras.:

1701

man

ein man ›jemand‹; kein man ›niemand‹; ieder man ›jedermann‹; manich man ›manch einer‹; der man, der [...] ›der, welcher, wer‹; was einer für ein man ist ›was, wer jemand ist‹. − Bdv.: mensch. − Synt.: 4000 man speisen, jeden m. fangen, got den (ersten) m. beschaffen, aus einem klos einen m. machen, man um man ›jeden einzelnen‹ verderben ›abrichten‹, eigene rede einen m. verurteilen; ein m. ›jemand‹ erschlagen werden, der m. gottes stul sein, ein m. sich für einen gelerten annemen, ein m. flüchtig werden, der (fromme) m. ›der Fromme, Tüchtige‹ erlich handeln, ein m. den ärzeten zuteil werden ›in die Hände fallen‹, etw. als ein m. geschaffen sein; der blinde / erste / fromme / tumme / volkommene / zornige m.; die stirne des mannes. Wbg.: 1 mänlich 1, manserbe ›männlicher Erbe‹, 2mansgedächtnis, mans(ge)denken9 ›Menschengedenken‹, mansleben ›Generation, Zeit eines Menschenlebens‹, mansperson 1 (verdeutlichend, für beide Geschlechter), manssame (im Phrasem von manssamen geboren ›als Mensch geboren‹), manszeit ›Menschengedenken‹. Luther, WA 10, 1, 1, 15 (1522): Was eyner fur man ist, darnach redet er auch. Ebd. 21, 94, 4 (1528): Er erkent sein gebrechen wol und weys, das er ein arm ellend mensch ist, und wie man spricht: blind man arm man. Ebd. 50, 73, 31, 74 (1537): Es hat ein gelerter trefflicher man, [...], so noch fast bey mans zeiten gelebt hat, sich da wider gelegt. Ders. Hl. Schrifft. 1. Mose 15, 16 (Wittenb. 1545): Sie aber sollen nach vier Mansleben [Mentel 1466: geschlecht; Froschauer 1530: wÁlten; Dietenberger 1534 / Eck 1537: geburd, -t-] wider hieher komen. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2832 (nrddt., 14. Jh.): Wen als der man ist Gotes stul 兩 Der herze gerecht wirt. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 328, 20 (rib., 1471): Want id dan in mansgedechtenis niet geschiet were, dat [...]. Fischer, Brun v. Schoneb. 12643 (md., Hs. um 1400): amen sprichet manich man, 兩 der doch lutzel bescheiden kan, 兩 waz daz wort amen si. Behrend, Magd. Fragen 187, 4 (omd., um 1400): Ab eyn man irslagen wurde von me luten [...], ab man dy alle richten mag adir ab man nicht me denne man umb man vorterbin mag. Eggers, Psalter 52, 8 (thür., 1378): Wer ist der man [Luther 1545, Ps. 25, 12: der], der got vurchtet? Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 19, 16 (Hs. 2omd., 14659): Werlich, so zu kurz geschach nie manne! Ebd. 31, 1: Eigen rede verurteilt dicke einen man und sunderlich einen, der jezunt eines und darnach ein anderes redet. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 630, 35 (osächs., 1523/4): dan mirs [gut] kein man abgesprechen moge. Ebd. 774, 6: Der man, der seinen dieb mit seiner diebereie hat angefangen. Opitz. Poete-

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rey 39, 4 (Breslau 1624): weil die Alexandrinischen [verse] [...] zue sehr Áhnlich sindt / wann sie nicht jhren mann finden / der sie mit lebendigen farben herauß zue streichen weiß (auch zu 2 und 3 stellbar). Reichert, Gesamtausl. Messe 8, 37 (Nürnb. um 1480): Sein [priester] wonung oder kurtzweyl sol nit sein mit den weltlichen, [...], aber mit [...] volkomen mannen auf ertrich. Gille u. a., M. Beheim 78, 224 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Der [Christus] in dem erstem augenplik 兩 seiner enphenknüs und ewigk 兩 hin fur allwegen pleibe 兩 Ein man. Dietrich. Summaria 23v, 26 (Nürnb. 1578): wie der Herr vier tausent Mann speiset / mit siben broten. Bell, G. Hager 207, 1, 8 (nobd., 1598): allerlein menlein zware 兩 Das am ersten die mutter bricht, 兩 Sol gott dem herren an ge neme 兩 Geheiliget heisen. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 203, 9 (els., 1362): Der man ist minnesam, der fru´ntschaft leistet dem menschen. Michels, Murner. Badenf. Vorr. 20 (Straßb. 1514): Schrib min wËrter alle an, 兩 [...] 兩 Jch hoff sie nützen manchen man! Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 5, 7 (Hagenau 1534): Es soll ein frum man ehrlich mit dem andern handeln. Kˆbler, Stattr. Fryburg 172, 17 (Basel 1520): das allweg by mans personen / das wyb ouch begriffen werd. Sappler, H. Kaufringer 20, 11 (schwäb., Hs. 1472): nun vindt man oft ain tummen man, 兩 der sich nimpt ze reden an. Ebd. 28, 38: das gott hat solich ding getan, 兩 do er beschuof den ersten man; 兩 der was gehaissen Adam. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 160, 16 (schwäb., 1555): ein [...] dapfer mann, als er bey mansdencken nitt ist auff erden gewest. Chron. Augsb. 8, 217, 5 (schwäb., zu 1563): Es ist bei mansgedencken nit gehört worden, daß [...]. Dirr, Münchner Stadtr. 311, 5 (moobd., 1340): Ist daz ein man flÈchtich wirt und seinem gelter wil enpfliehen, ergreift in der, [...], der mag sein leib [...] angreiffen. Spechtler, Mönch v. Salzb. 1, 152 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): seind der erst man sich nicht besan, 兩 wie kan der mensch dann widerstan 兩 der werlt, im selbs, des tifels pan? Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 205, 29 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Sälig ist der man, der da dult dye versüechung. Winter, Nöst. Weist. 3, 135, 29 (moobd., 1583): Vermerkt die gerechtigkät, freihait und alt herkomen bei mändlicher gedächtnuß in dem Eckhersperg genant. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 26, 22 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Sy vienngen yeden mann, alt und chindt habend sy getodt. Ebd. 73, 18: Do nun hertzog Karl von Burgundi vergienng, [...], do lyeß er nicht mannserben, sunder ain aynige tochter. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 348 (oobd., 1607/11): ein landtschafft, darin 3 mändlein, uff dem kleinern ein blumengesteüd. − Luther, WA 47, 625, 24; Buch Weinsb. 2, 308, 16; Jungbluth, a. a. O. 20, 3; Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 583; Sudhoff, Paracelsus 14, 559, 7; Brandstetter, Wigoleis 217, 24; Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 235, 18; Rwb 9, 116 f.; 131; Schweiz. Id. 7, 936; 12, 376. − Vgl. ferner s. v. adam 1, annemen 18.

2. ›erwachsene Person männlichen Geschlechtes im Unterschied zur Frau, Mann in seiner naturgegebenen körperlichen

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man

Ausstattung, mit den Qualitätsattributen der geschichtlichen Zeit sowie mit der Arbeits-, Funktions-, Urteils- und Handlungsfähigkeit, die der gesellschaftliche Rahmen ihm zuschreibt‹; auch: ›Prägung einer männlichen Person auf einer Münze‹; als Diminutivum mänlein teils abwertend, teils im Sinne von ›Narr, Schleimer‹, auch für ›merkwürdiges Wesen, Kauz‹ gebraucht; offen zu 3. − Phras.: kein man ›niemand‹; 2noch man noch weib, frauen noch mannen9 ›niemand‹; 2man und weib, frauen und manne9 ›alle‹; der laufende man (bdv.: 1bote 1); jn. (auch: sich) ein mänlein machen ›jn. / sich lächerlich, zum Narren machen‹; gut mänlein sein ›es sich gut gehen lassen‹. − Ggs.: frau, weib. − Synt.: einen man kränken / täuschen, das ampt den man anzeigen, got jn. man und weib machen; der m. ein weib gewinnen / nemen, von einem gedingten knecht nicht kaufen, an das schwert gebunden sein (zur Deutung s. den Kommentar in der Ausgabe: Luther, WA 51), der m. richter sein, leren, das [...], der m. und die frau sich am anfang erfinden, männer sich hadern, sich verhaufen, ein weib verletzen; frauen subtiler denne man sein, leichter als männer zu überreden sein, ein mänlein (Ätzel) mänlich hereintreten; sich keinem m. vertrauen / verheiraten, einem m. am gemächt weh sein, einem mänlein sein glied durchstechen; das weib aus einem m. machen, aus mannen weiber machen (ütr.), das weib den stand durch den m. kriegen, die weiber (im bad) von den männern abgesondert sein, j. zu einem m. werden; der albere / alte / junge / aufrichtige / böse / gute / fromme / kluge / verständige / reiche / weibische m.; ein haufe von mannen, die beine ›Gebeine‹ der manne, mannes geschlecht. Wbg.: mänchen (abwertend), mangebig ›im Heiratsalter befindlich (von der Frau gesagt)‹, mangeld a) ›Zahlung für die Tötung eines Menschen / Mannes‹ (bdv.: blutgeld 2); b) ›Vergütung für eine bekannte Person‹, manheit 1 a) ›Minnender; Mann‹; b) ›Erwachsenenalter‹, manjäte ›von 1 Person pro Tag bearbeitbare Fläche‹ (a. 1439; Gw zu jat, jäten 1; bdv.: vgl. manstagewerk), mankraut (eine Pflanze, Hartheugewächs?

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›Androse‹; s. Vorarlb. Wb. 2, 351; Marzell 2, 937; dort auch Deutungshypothese für den Namen; a. 1607), manlast ›von 1 Person tragbare Last‹ (a. 1400), manleibserbe ›Erbe in männlicher Linie‹, mänlein 2, mänler ›Homosexueller‹ (a. 1328, bdv.: sodomit), mannenfasnacht (a. 1419), mannengemach, mannensäckel ›Geldbeutel für Männer‹ (a. 1464), mannenschenke ›Bewirtung männlicher Hochzeitsgäste‹ (a. 1593), mannenzimmer, männern (Adj.), manrecht 5, manschaft 8, manscham ›Vorhaut‹, manschatzung eine pro Person berechnete Steuer, mansbürde ›Traglast für einen Mann‹ (a. 1562), mansdaume ein preuß. Längenmaß (a. 1577), mansfrevel ›an einem Mann verübte Rechtsverletzung‹ (Ggs.: frauenfrevel), mansgadem (Gw zu gadem 1), mansgeburt ›männliche Nachkommenschaft‹, mansgemächt ›Zeugungsglieder des Mannes‹ (dazu bdv.: vgl. macht 11 sowie die im Folgenden genannten Komposita), 2mansgezeug, manszeug, mansglied (dazu bdv.: mansbirne, mansdegen, mansrute)9 ›Genitalien des Mannes‹, mansgestalt ›Figur des männlichen Körpers‹, mansglockenbeutel eine Art Beutel (zur Motivation vgl. glocke 7), mansgürtel, mansharn, manshirn (im Unterschied zum frauenhirn), manskünne ›männliches Geschlecht‹, manslaube ›Männerempore‹, nanslauf ein Wegemaß (1 Stadium) (a. 1530), mansleib ›Person männlichen Geschlechts‹, manspaternoster ›Gebetsschnur für Männer‹, manstand ›Status des Mannes als soziale Gegebenheit‹ (im Unterschied zu frauenstand), manswätschger ›Tragetasche‹ (Gw letztlich zu mhd. waˆtsak; Dwb 13, 2596), manszeichen, mantagewerk ›Arbeitsleistung pro Mann und Tag‹ (a. 1563; bdv.: vgl. manjäte), manstaphart ›Männermantel‹ (Gw zu mhd. taphart, dies aus mlat. tabardum; Schweiz. Id. 13, 338 f.; a. 1383 ff.), mansvolk. Rˆhrich u. a., Cod. Dipl. Warm. 4, 554, 5 (omd., 1434): 1 mannespaternoster; item VII kossen, I houptpfol. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 672, 25 (preuß., 1445): wirt eyn man von eynem erbe dirslagen, so sal man keyne guttir nach das mangelt von deme erbe nemen. Luther, WA 1, 701, 32 (1518): darumb hab ich geteütscht kindschaft, und nicht ,kindthait‘, als manschafft haißt versamlung

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man

der maenner, priester schafft der priester. Ebd. 21, 329, 7 (1544): das sie [Heiden] haben [...] auch Krautheubt und Zwibbeln, ja dazu auch Mans glied angebetet. Ebd. 32, 450, 28 (1532): ist denn der alber man, unser Herr Gott, auffs aller feinste geteusscht. Ebd. 42, 102, 3 (1535/45): sie [Eva] ist des fleischs das ich bin. Ein mennern fleisch. Ebd. 47, 246, 22 (1537): Fursten- und herrn stand, Man- und frauen stand machet keinen zum Christen. Ebd. 47, 761, 34 (1539): wie vil mehr solte sich das Manns volck dafür [vol sauffen] schÁmen? Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 274, 23 (Wolfenb. 1593): Potz Velten willen, Da kümpt ein Man her, Wer mag der sein? Ingen, Zesen. Ros. 82, 4 (Hamb. 1646): Diß sein / so wohl dem schein als der wÈrkung nach / weibische mÁnner. Ebd. 51, 652, 192 (um 1535): Der man ist an das schwerd gebund(en). Wilkes u. a. Urk. Diersfordt 652 (snfrk./mnl., 1526): Das Erbmarschallamt wird auf die Dauer der echten mansgeburte verliehen. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 11, 44 (rib., o o 1397): die mansklockenbudel solen koufmansgoit sin. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 8563 (rib., 1444): Mer sunder gereitschaff en smedt geyn man, 兩 We wale he dat ambacht kan. Buch Weinsb. 1, 213, 27 (rib., um 1560): Es sint wol etliche advocaten und doctores, die [...] in groisse ansehen komen, groisse digniteten, mangelt, deinsten und derglichen beifell und abentur erlangen neben irer arbeit. Voc. inc. teut. p vir (Speyer um 1483/4): Mansgade˜ oder fraue˜ gaden im bad. Ebd: Ma˜sgemecht Virilia sunt genitalia viri. Koller, Reichsreg. Albr. II. 189, 13 (1438/9): welher teyl under in abgienge on manleibserben, das dann [...]. Franz u. a., Qu. hess. Ref. Bd. 3, 294, 35 (hess., 1560): er hab uf der mansleuben gestanden, indem sich hab sich ein tumult unter der böne untern weibern angefangen. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 2, 177, 4 (hess., 1593): der [gesell] soll zuforderst ein maisterstuck, nemblich zwen frawenbeutel [...] und ein wolgeformbten manswetschger mit seinen ringen und zugehör verfertigen. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk. 10, 6 (osächs., 1343): von dem beginne der creˆatuˆren machite si got man und wıˆp. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 28, 6 (Hs. 2omd., 14659): Als balde ein man ein weib genimt, also balde wirt er selbander in unser gefengnüß. Ebd. 32, 45: Die bürde müßen tragen herren und knechte, man und weib, jung und alt. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 94, 37 (osächs., 1570/7): Das viel tauben in einen taubenschlag fliegen, [...]. Nim alten ausgebranten leim von einem packofen, [...], feuchte denselben ahn mit altem mannesharm, breite den uf ein viereckigt bret fur das taubenhaus. Mayer, Folz. Meisterl. 88, 32 (nobd., 1517/8): Er schüf sie nit aüs erden grob. 兩 Als unser manes künne. Rupprich, Dürer 1, 171, 101 (nobd., 1521): [Erasme Roderadame] Du bist doch sonst ein altes meniken. Jch hab von dir gehört, das du dir selbst noch 2 jahr zugeben hast. Ebd. 2, 46, 3 (um 1500): wen du nun anfehst zu machen ein awspündige gute manß gestalt seitlich an zu sehen, so [...]. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 12, 11 (nobd., n. 1525): und was umb die stund ain grosser hawf von mannen und gesellen, die zuhöreten. v. Keller, Ayrer. Dramen 2125, 5 (Nürnb. 1610/8): Das Weib kriegt den stand durch den Mann. Thiele, Minner. II,

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21, 121 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): dar an [Bezug auf frau] der manheit hËchstes heil 兩 von angeng was und u´mer ist. Chron. Strassb. 237, 2 (els., A. 15. Jh.): wol wuste, daz frouwen bas werent zuo überredende denne die manne. Koller, Ref. Siegmunds 183, 24 (Hs. 2Basel, um 14409): in v allen frowenclËstren süllent sye leren und lesen, wan frowen sint subtiler mit synnen den man; sü mügent wol studieren, das sy verstont, was sye syngent. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 76, 15 Var. (Straßb. 1466): er leßt sytten der heyden vnd gelaubt got. vnd beschneydet daz fleysch seiner vberwachsung [Var. 1483−1518: mannscham]. Spanier, Murner. Narrenb. 8, o 14 (Straßb. 1512): Des selben lËffels muß ich lachen, 兩 Der im doch laßt ein menlin machen. Sudhoff, Paracelsus 1, 277, 25 (um 1520): so erfinden sich zwei menschen am ersten anfang, der man und die frau. Ebd. 9, 186, 16 (1531/5): nim für dich das das hirn in der frauen frauenhirn ist und nicht manneshirn, ir herz frauenherz vnd nicht mannesherz. Koppitz, Trojanerkr. 24642 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Alsus der loffend man 兩 In der Krı¨chen herr bekam. Welti, Stadtr. Bern 249, 14 (halem., n. 1437): wir [...] ordnen [...], dz alle die, so in vnser stat recht sitzent von mannes lip, die zuo iren tagen komen sint, alles ir gut, eigen i wem vnd wie sie wellent. vnd lechen, [...] verordnen mugent Plant u. a., Main. Naturl. 298rb, 14 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): also teilit man dez menschen lebtage in vier. dc erste ist die kintheit. jugent. manheit. Adomatis u. a., J. Murer. Nab. 1110 (Mühlh. 1556): So wend wir ylentz in vergraben 兩 Und darnach sitzen zuo dem wyn 兩 Voll werden und guto mÁnnlin syn. Maaler 281r (Zürich 1561): Guto MÁn˜lin seyn / schlein˜en. Co˜græcari. Ebd.: Zum MÁnnle werden / Deß mÁnnlis natur an sich nemmen. Ebd. 283v: Mannsglid (das) Mannsruto / MÁnnliche scham. Ebd.: mannszeug. Virilia. Ebd.: Mannengemach oder kam¯er. Andron. Mannschatzung (die) steür / schatzung den personen nach außgetheilt. Capitatio. Ebd. 284r: Mannenzimmer / Ein ort im Hauß da allein die mannen sind / damit sy sicher vor den weyberen seygind. Andronitis. Bremer, Voc. opt. 18046 (schwäb., 15. Jh.): Cingulus [...] mannesgÈrtel [...] cingula, cingulum [...] ponuntur pro zona, qua vestes corpori circulariter astringuntur ad ventrem. Barack, Zim. Chron. 4, 11, 19 (schwäb., M. 16. Jh.): Nun ist aber die badtstuben zu Waldt underschlagen mit brettern, das die weiber von den mannen abgesöndert. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 40, 4 (oobd., 1349/50): spring aber der saˆm auz dem rehten gezeuglein in die lenken seiten, soˆ werd dar auz ain weibisch man. Ebd. 242, 17: Aristotiles spricht, daz kain visch ainen hals hab noch ain mansruoten noch mansgezeugel noch tütel oder prüstel. Ebd. 487, 27: Ez geschiht auch, daz zwuo würkent kreft gleich kreftich sint. der aineu würkt manneszaichen und diu ander frawenzaichen. Primisser, Suchenwirt 39, 157 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Du wis nicht valsch getzeuge 兩 Gen frawen noch gen mannen. Eis u. a., G. v. Lebenstein 33, 18 (oobd., 15. Jh.): wollichem man ann seinem gemacht wee sey oder geschwollen ist oder faulen wil, der [...]. Klein, Oswald 2, 2 (oobd., 1421): Wach, menschlich tier, 兩 brauch dein vernunft, ir frauen und ouch manne! Schmitt, Ordo rerum 483, 15 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Nupcialis [...] man-

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gebig. Turmair 4, 19, 14 (moobd., 1522/33): under dem abgot [der Münze] ligt ein mendlin, ist Teutschland, dem steˆt obgenanter abgot mit dem rechten fueß auf dem koph. Ebd. 52, 22: [da] die man meˆr weiber dan ains, [...], durften nemen. Ebd. 508, 1: Zaigt im darnach ein clains alts mendlein, was ein fechtmaister, denselbigen solt er mit den kampf besteˆn. Ebd. 1138, 18: Man sagt, es [Ätzel] sei ein clains mendel gewesen, hab ein grosse weite starke prust gehabt und tapfer menlich herein tretten. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 18, 35 (m/soobd., 1443): Das chainer, er sei ein man oder ein knecht, von ainem gedingten knecht [...] nichtz kaufen [...] sol. Qu. Brasso´ 5, 133, 36 (siebenb., 1550): Darnach [...] hot der weise Herr der Richter an die ganze Gemein Mann und Frauen, Knecht und Meed, [...], eine [...] Vermahnung getan. − Wyss, Limb. Chron. 31, 17; Wunderlich, Fierrabr. 55, 4; Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 149, 17; 166, 31; Gille u. a., M. Beheim 81, 36; Goedeke, P. Gengenb. 132, 575; Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 289, 29; Sudhoff, a. a. O. 14, 656, 33; Chron. Strassb. 99, 16; Martin, H. v. Sachsenh. Temp., 411; Jesus, 8; Dreckmann, H. Mair. Troja 16, 4; Barack, a. a. O. 3, 128, 5; 571, 28; Schottenloher, Flugschrr. 56, 10; Schmitt, a. a. O. 345, 7; Voc. inc. teut. p vir; Maaler 282v; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 199; Rwb 9, 132 f.; 140 f.), Pf‰lz. Wb. 4, 1171; Schweiz. Id. 3, 1117; 4, 655; 1546; 7, 670; 8, 965. − Vgl. ferner s. v. abgehen 11, abstelen 1, also 1, 1alt 13, amazone, aufrichtig 2, ampt 3, bart 1, beginnen 7, jar 6.

3. ›Mann, männliche Person, die über größere körperliche Kraft als die Frau (das weib) verfügt, der man vergleichsweise überlegene moralische und psychische Kräfte und eine besondere soziale und rechtliche Autorität einschließlich einer damit verbundenen Schutzfunktion zuschreibt und die man religiös in verschiedener Richtung überhöht, speziell in der Mystik durch Vergleichssetzungen in ein direkteres Verhältnis zu Gott bringt‹. − Phras.: selbst ist der man; j. der man sein ›der bedeutendste sein‹; jm. (auch ütr.: der wolf den schafen) mans genug sein; sich selbst ein mänlein auf den ärmel blasen / malen ›sich aufspielen, sich als Mann gerieren‹. − Ggs.: frau, weib. − Synt.: redlichkeit einen man machen; der m. stark sein, nicht weinen, mut, ein starkes herz haben, das gut, die kinder beschirmen, der m. das oberste teil an der sele sein, den obersten kräften gegleichet sein; kinder m. werden, die sele m. sein, das fünklein der sele der m. heissen; der himmel die ursache des mannes sein; der m. an / in der

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sele; der angesichtige / durchleuchtige / herliche / redliche / trostliche / starke / tugendreiche / weidenliche m.; mannes name. Wbg.: manbar 3 ›mutig‹, manbarkeit 3 ›Tapferkeit‹, mannen (Adj.) ›wahrhaft männlich‹, mannensage ›verlässliche Zusage‹ im Unterschied zu weibersage (a. 1538/40), mannenwerk ›Arbeit von einer Schwere, daß sie nur von Männern geleistet werden kann‹ (a. 1609), mansherz, mansmut, manwarheit ›zuverlässiges Wort eines mannes 3‹ (a. 1530). Luther, WA 32, 454, 34 (1532): Wer aber jn Gottes dienst wil erfunden werden und sein ampt recht furen, das er dencke und ein mans hertz fasse. Ebd. 41, 128, 25 (1535): Dominus fecit, da er selbs meister und (wie man spricht) Selbs der Man ist. Helm, H. v. Hesler. Apok. 17166 (nrddt., 14. Jh.): Des heizet her [Christus] wol mannes name [›ein Mann‹], 兩 Wen her diz manlichen warb 兩 Und als ein helt drumme starb. Quint, Eckharts Pred. 1, 275, 3 (E. 13./ A. 14. Jh.): Her ume sint die man gelıˆchet den obersten kreften, wan sie alle zıˆt bloˆzes houbetes sint, und die vrouwen den nidersten kreften, wan in daz houbet alle zıˆt bedecket ist. Die obersten krefte sint über zıˆt und über stat und ursprungent aˆne mittel in dem wesene der seˆle. Ebd. 2, 280, 1: Diu kraft, diu in der seˆle ist, diu der man heizet, daz ist diu oberste kraft der seˆle. Ders., Eckharts Trakt. 110, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): Der man in der seˆle daz ist der guote boum. Wyss, Limb. Chron. 80, 6 (mfrk., Hs. 2. H. 16. Jh.): wer di aller lengesten [Kleidungsstücke] drug, der was der man. v. Keller, Amadis 413, 18 (Frankf. 1561): Wo er ein solcher Mann ist, [...], so muß freylich ohne fehlen sein gesell auch etwas gelten. Knape, Messerschmidt. Bris. 2, 63 (Frankf./M. 1559): dein kÈnfftig hertz vnnd mannbar gemÈt / welchs sich nach aller Ritterlichen ehre / vnd dapfferkeit / sehnet. Strauch, Par. anime int. 50, 38 (thür., 14. Jh.): daz funkelin der fornuftikeit an der sele ist daz hoiste und heizit der man und ist alse mer alse ein funkelin gotlichis lichtis ein ingedruckit bilde gotlicher natur. Ebd. 59, 15: der man in der sele ist fornuftikeit. wan di sele gerichte ist ufgekort in Got mit fornuftikeit, soist di sele man und ist ein. Kochendˆrffer, Tilo v. Kulm 1720 (preuß., 1331): Di leiter di Jacob sach, 兩 An di nimant kumen kan 兩 Czu dem tugentrichen man [Gott] 兩 Den Jacob dort leinen sach 兩 Bobn der leiter gar gevach. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 250 (Nürnb. 1517): ob ouch drei man entgegen sein würden, Noe, Daniel und Job, dennach werden sie das urteil gots nit endern. Sachs 17, 22, 33 (Nürnb. 1552): wo er mich wird greiffen an, 兩 So wil ich im seyn manns genug. Harsdoerffer. Trichter 3, 336, 9 (Nürnb. 1653): Mann. Held / und Mensch. [...]. Deß Weibes Gegentheil. Der Herr in seinem Haus. Deß Adams starker Sohn. Das vordre Geschlecht / das hÁlt das Oberrecht / dem Weib / Kind und Gesind. Vetter, Pred. Taulers 130, 11 (els., E. 14. Jh.): Kinder, o einen kreftigen ker. Thiele, wir mÈssent man werden und tun Minner. II, 7, 207 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): nie-

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man hort die wisen sagen 兩 das hoch gedachter mannes mut 兩 numer bring kein ungut. Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 6, 101, 1 (Straßb. 1520): blassest hoch wyder sie [priester] vff / vnd malest dir selb ein menlin vff den ermel. Goldammer, Paracelsus 2, 283, 8 (1530/5): sonder darfür [für gut, kinder] alles zu beschirmben aus seinen kräften wie ein mann. Behrend, Spangenb. Anbindbr. 17, 37 (Straßb. 1611): Weiber nemen macht kein Mann: 兩 Alter und Redlichkeit solchs kan. Sudhoff, Paracelsus 9, 215, 5 (1531/5): so ist doch der himel die erst ursache des mans. wie pestis ein krankheit ist uber die natur des mannes vom himel und ist doch im man anzufahen und die ultima materia in im. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 56, 27 (Hagenau 1534): Selbs ist der man. Diß ist ein alt Sechsisch sprichwort. Ebd. 2, 258, 13 ([Augsb.] 1548): Es ist ain Wolff unzelo lichen Schafen manns genug. Adrian, Saelden Hort 6193 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): ain wibin wip si haisset wol 兩 ain schonu´ frow tugenden vol, 兩 und ain man ain mannin man, 兩 der wol in allen sachen kan 兩 gegen Got und der welt sich 兩 getragen, Èben ordenlich 兩 [...] 兩 sus was duv frow ain wibin wip 兩 und des vil werden herren lip 兩 ain manin man genemet wol. Rennefahrt, Statut. Saanen 58, 35 (halem., 1441): mit im vil redlicher, trostlicher, angesichtiger, weidenlicher mannen von üwerm lannd. Sappler, H. Kaufringer 32, 98 (schwäb., Hs. 1472): recht als ain kint und nicht ain mann 兩 wainet ich fremde schulde. − Chron. Kˆln 2, 11r, 11; Jostes, Eckhart 31, 24; Reichmann, Dietrich. Schrr. 130, 7; Behrend, a. a. O. 17, 5; P‰pke, Marienl. Wernher 11405; Hulsius M ir; Rwb 9, 169; Schweiz. Id. 7, 378; 16, 1227; Tpma 8, 97 f.

4. ›erwachsene und wehrfähige männliche Person in ihrer Eigenschaft als Bewaffneter, Krieger, Kämpfer; Angehöriger einer militärischen Einheit (meist auf Fußsoldaten bezogen)‹. − Bdv.: held 1, reisige; vgl. beckelhaube, bestreiter, 1degen 2, gast 3, gereisige, haderer, harster, herman 1, ritter. − Synt.: die man auslesen / schlagen / enthaupten / bestellen, auf dem hause lassen, gefangen nemen, jm. x [x = eine Anzahl] man liefern / senden / zubringen, angegen schicken, den man zu stücken schiessen; die man entrinnen, [wo] liegen, auf der ban bleiben, sich ausziehen sollen (s. v. Beleg Tiemann], nicht von dannen kommen, mut und man aus dem felde fliegen; bei 140 man erstochen werden, sich mit x mannen [wo] lagern, jm. mit mannen beholfen sein, mit mannen in den landen ziehen, über x man gewalt haben, um die man [wie] stehen; die man zu fus, die man des landgrafen; der gewapnete / gute / werliche man; macht von man und pferden; mannes wer. Wbg.: manlich 2 ›kriegs-, kampftauglich (ütr., von der

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Waffe)‹, manszug ›Heereszug‹, manteil ›derjenige Teil einer Abgabe (des pfundzolles), der nach der Anzahl Bewaffneter berechnet wird‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 16893 (preuß., um 1330/40): daz der achthundirt manne 兩 nicht me quaˆmin danne 兩 sundir kuˆme zeˆne. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 662, 28 (preuß., 1445): das sie zcu manichen geczeiten das groszte teil usgeleget haben in tagefarten, sulden eyn manteil alle jar wsnemen, so man den pfundczol teilet. Ebd. 3, 605, 10 (1453): das wir und unser orden en keynen oberfall, mansczog adder gewalt czuczyhen. Luther. Hl. Schrifft. 2. Kön. 19, 35 (Wittenb. 1545): in der selben nacht / fuhr aus der Engel des HERRN / vnd schlug im Lager von Assyrien / hundert vnd fünff vnd achzig tausent Man. Peil, Rollenhagen. Froschm. 549, 1334 (Magdeb. 1608): Wenn ein schrecken befelt die Helde / 兩 So fleugt Muth vnd Mann aus dem Felde. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 599 (Köln 1476): Sy wurffen ind sy schussen dayr manchen man zo stucken. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 171, 24 (rhfrk., um 1435): got hat otmüdicheit aller liebeste. Wolt ir mir nü folgen / so wollen wir durch das here dun rüffen / das sich die manne alle sollen vß dun bis vff yre hembde. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 17, 24 (Hs. 2omd., 14659): Ich [...] sach mit meinen augen zwo ungeheuer schar volkes − jede het über drei tausent manne. Rennefahrt, Stadtr. Bern 179, 12 (halem., 1363): sol die herschaft von i beholfen sin, dien von Berne, mit zwein hunder·sterrich uns o Jˆrg, Salat. Reformationsten gewafneter mannen ze fus. chr. 271, 25 (halem., 1534/5): das hundertt und xl man uß der statt Zürch zuo WaltzhÈtt legend. Morrall, Mandev. Reiseb. 25, 26 (schwäb., E. 14. Jh.): das der Soldan von Egipten mag hon, [...], zwaintzig tusent gewappetter man. Chron. Augsb. 2, 6, 19 (schwäb., Hs. 16. Jh.): der hett bei 70 spieß guet raisiger, und durchritten das volk und zertranten sie und wurden erstochen bei 140 mannen. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 258, 7 ([Augsb.] 1548): da man im zaigt die grosse macht Xerxis / [...] / die da ware mit der aller gewaltigisten rüstung / von Roß / Mann / und Pferden. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 45, 4 (moobd., 1473/ 8): Jedoch wolt er’s [er Ú Priamus] nit lassen, 兩 wie er sich daucht’ zue kranck gen mannes wer. Ebd. 549, 4: Anthenor het bestellet mag und man, 兩 damit er do wolt mordes han begunnen. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 110, 7 (moobd., 1478/81): Karolus ordnet im guets streitpars volks anderhalb hunderttausent man. Winter, Nöst. Weist. 3, 639, 26 (moobd., 1. Dr. 16. Jh.): Ein ieder, [...], sol mandlich wer haben nach seinen vermügen. − Herborn u. a., Rechn. Jülich 70, 27; 109, 22; Strehlke, a. a. O. 5648; 6803; Peil, a. a. O. 66, 692; 590, 2675; 667, 5051; Karnein, Salm. u. Morolf 38, 4; v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 658, 11; Gille u. a., M. Beheim 327, 311; Sachs 18, 368, 19; Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 87, 40; Jˆrg, a. a. O. 272, 2; Sappler, H. Kaufringer 16, 118; Schmitt, Ordo rerum 103, 38, 1. − Vgl. ferner s. v. abbitten 1, abschiessen 4, abtreten 4, angegen, 2auf 12, 1 ban 1.

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5. ›erwachsene männliche Person unter dem Aspekt erotischen und sexuellen Begehrens bzw. als Gegenstand des entsprechenden Begehrens einer Frau‹. − Phras.: halber man ›Eunuch‹. − Bdv.: vgl. amase, beischläfer, bule 1, galan, haushan, 2leffel. − Synt.: meide gerne junge männer haben, das weib keinen alten m. nemen, den m. erkücken, den jungfrauen männer malen; der alte m. ein junges weib nemen, der / ein m. bei der frau liegen, liebe begeren, mit der königin seinen willen haben; eine jungfrau nicht ane m. sein, einem m. beschworen sein; [einer Frau] die lust zu den mannen vergangen sein; der alte / junge / edle / minnegernde m.; mannes same. Wbg.: manmächtig a) ›sexuell potent (von Mann gesagt)‹; b) ›erwachsen, heiratsfähig (von der jungen Frau gesagt)‹ (a. 1519), männerisch, mansbegierig (Beleg s. v. begierig 1), 2mansbirne, mansdegen9 (obszön; bdv.: vgl. mansrute), mansfleisch (unter sexuellem Aspekt gesehen), manssame, manstreue. Luther. Hl. Schrifft. Weish. 7, 2 (Wittenb. 1545): Jch bin ein Fleisch gebildet / zehend mond lang im Blut / zusammen gerunnen / aus Mans samen durch lust / im beyschlaffen. Grosse, Schwabensp. 175a, 5 (Hs. 2nd./md., um o 14109): JSt eyn juncvrowe eynem manne besworen [...] Cumt o ein ander maan zu ir inne des, [...], vnde Der man gelit bi ir unde [...]. Lichtenstein, Lindener. Katzip. 347 (o. O. o 1558): Man gab aber dem gutten mayster die schuldt, wie das er nit stroportzeln künde unnd nicht mannmächtig wäre. Fischer, Brun v. Schoneb. 9205 (md., Hs. um 1400): got ist glich dem minnegernden man, 兩 der zu siner amien kumpt gegan. J. W. von Cube. Hortus 4, 29 (Mainz 1485): went er [knobelauch] verdruget den samen [...] das ist die natuer des ma˜nes. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 120, 34 (rhfrk., um 1435): wie selig were der man / der mit der konigynne synen willen mochte gehan. Fastnachtsp. 640, 19 (nürnb., 15. Jh.): Herr der wirt, wie seit ir ein mann, 兩 Das ir ain solche dirn so wol getan 兩 So lang her habt loßen erfirn 兩 Und ir nit gedacht ümb ain manspirn. Ebd. 748, 15: Die krankhait kan ir nit enpfliehen, 兩 Sie werd denn wider an der kurm ziehen, 兩 Dar an man mansdegen schol schleifen. Ebd. 748, 22: Wann ain pfunt mansflaischs ir vil lieber wer, 兩 Denn edels wilprets zehen zentner schwer. Ebd. 771, 33: So wer mir lieber, er het geschwigen, 兩 Und gehieß mir ains und geb mir dreu; 兩 Das wer ein rehte manstreu. Fischer, Folz. Reimp. 33, 163 (Nürnb. 1479): Darzu mus man gar clein zustussen 兩 Ein pfunt rechts glaubens von den Hussen 兩 Und so vil manstrew der Florenczer, 兩 Der keinr wer ein knabenkredenczer (Spottrezept). Sachs 17, 64, 3 (Nürnb. 1553): Mir ist vergangen freud und lust 兩 Zu ihm und allen mannen sust. Hulsius M ir

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(Nürnb. 1596): halber mann / vn Eunuque. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 488, 7 (Hagenau 1534): Es ist noch besser / ein alter man und ein junges weib / denn eyn alt weib und ein junger gesell. Ebd. 498, 30: Es nimpt keyn weib eyn alten man umb Gottes willen. Ebd. 2, 191, 19 o ([Augsb.] 1548): Man muß den Junckfrawen mÁnner malen. Bremer, Voc. opt. 1291 (wobd., 15. Jh.): Sperma est [...] v manssam [...] semen virile, quod in actu generacionis effunditur. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 4 (Genf 1636): mÁnnerisch / eins manns begirig [...] Cupida mariti, Virosa. Barack, Zim. Chron. 1, 457, 23 (schwäb., M. 16. Jh.): das aim alten man kain hoflicher gift mögt zugerust werden, dann so man ine berede, ain jungs weib zu nemen. Klein, Oswald 47, 45 (oobd., v. 1408?): zart liebstes weib, 兩 [...] 兩 erkück den man in freudenschal. − Fastnachtsp. 733, 26; Gilman, a. a. O. 1, 306, 26; Sappler, H. Kaufringer 14, 54; Rwb 9, 147; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 234. − Vgl. ferner s. v. anbringen 5.

6. ›von einer sozial, rechtlich, hierarchisch höher gestellten Person, einem Herren (vgl. herre 6; 7; 8) Abhängiger, Untergebener‹; zur Unterschiedlichkeit der Rechtsstellung des Abhängigen vgl. auch die Belege im Rwb 9, 116 f. − Bdv.: (-)diener, dienstman, hintersasse, (-)knecht 3; 5, untertan; vgl. amptman, arbeiter 2, hausgenosse 4, heimlicher, helfer 11, stokwärter. − Synt.: die manne abrichten, [von etw.] ausnemen, von jm. (z. B. von dem erzbischofe) ausnemen; js. m. sein; den mannen gebieten; die mannen des abtes / klosters. Wbg.: mannesman ›von jm. Abhängiger‹ (15. Jh.), mansteuer ›Abgabeverpflichtung des Leibeigenen an den Leibherren‹ (a. 1350 f.). Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 207, 12 (mosfrk., 1350): sollen wir ouch sunderlichen die manne burgmanne turnknechte portener [...] genzlichen aberichten. Karnein, Salm. u. Morolf 700, 2 (srhfrk., Hs. um 1470): das waz Morolff Salmons man 兩 bringent mir den selben spielman. K¸ther, UB Frauensee 187, 11 (thür., 1403): und heizcin und gebieten alle unsern amptlüten mannen und undirthanen, das sie [...]. Rennefahrt, Stadtr. Bern 179, 21 (halem., 1363): Die herschaft von ·sterrich hat och uss genomen i zuo den si vormales [...] und vor behept [...] lender und lute, mit briefen verbunden sint, und alle ir man, dienstman, burgman und diener. − Koller, Reichsreg. Albr. II. 76, 7; Franz u. a., Qu. hess. Ref. 2, 51; Rwb 9, 166; Schweiz. Id. 7, 268. − Vgl. ferner s. v. 2abkeren 10.

7. ›angesehene, rechtskundige männliche Person, die vor einer Rechtsinstanz als Wissende auf Rechtsverhältnisse befragt oder als Zeuge gehört wird oder als Vertreter einer Partei auftritt‹. − Rechts- und

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Wirtschaftstexte. − Bdv.: vgl. gespreche 1, legist. − Synt.: den / einen m. nach rechten fragen, mit mannen bezeugen, an mannes stat rechtens befragen, x manne zu gezeug haben, mit gerichte anziehen; der / ein m. (vor gerichte) schweren, js. wort, zu recht sprechen, ein pferd angreifen (›anfassen‹, als Rechtsakt, vgl. anfahen 8), jm. vor gehegter bank [etw.] aufgeben / aufreichen; eines mannes bitten, der [...]; sich mit wolhabenden männern verbürgen, etw. mit x mannen bezeugen / verzeugen, jn. mit unversprochenen mannen weisen; der biedere / ersame / fromme / glaubhaftige / glaubwirdige / unversprochene / wissende / wolhabende m. Luther, WA 51, 646, 37 (um 1535): Ein man kein man (Sinn: ›ein Zeuge, Ankläger kann nichts beweisen‹). Leman, Kulm. Recht 1, 2, 76 (omd., 1. H. 13. Jh.): Mag her abir den toden man myt syben mannen vortzugen. so en darf her sich den ym tzu kampe nicht byten. Ermisch, Freib. Stadtr. 202, 8 (osächs., 1335): Der kleger oder der da antwerten sal mac aber wol eines anderen mannes bitten, der sin wort spreche, mit urteile. Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 23 (schles. inseldt., 1452): das zy das eymb mit dem andern solden fordern, ap sy das kunden beczeugen mit czween manen in dem dorffe ader in der stad vnd mit eyn manne of dem phelde. Dinklage, Frk. Bauernweist. 45, 4 (nobd., 1451/69): das ich gesesen pin zu den dreien gerichten und han gefragt 12 biter man nach unser herschaft rechten. Kˆbler, Stattr. Fryburg 67, 2 (Basel 1520): so verr dan˜ der fürbringer / ein ersam gloubwirdig ma˜ / dem ere vnd eid zu vertruwen ist / so sol im ein eyde / in supplementu˜ gegeben werde˜. Merz, Urk. Wildegg 44, 13 (halem., 1442): i Gessler entgegnet, er truwte gott vnd dem rechten nit, das sy in mit dehainen brieffen wisen sËlten oder mËchten dann allain mit siben vnuersprochen mannen. M¸ller, Nördl. Stadtr. 17, 17 (schwäb., 1348/50): Aber die gesworen burger sind, die sÈlent [...] sagen, daz sie die unzuht nauch des clagers clag gesehen und gehËret haben [...]: also, daz man man mit man˜en beziugen sol, und frawen mag man beziugen mit manne und frawen. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4083, 30 (moobd., 1464): ward gefragt ain man an ains mans stat rechtens, der sprach zu recht. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 32, 14 (mslow. inseldt., 1534): damit meniglich bey dies´er Stadt [...] fried, ruhe vnnd gemach haben möge, Sol er ´sich mit Acht wolhabenden Mennern, [...], auf nachfolgend wais´ vnnd Artickl verPürgen. − Doubek u. a., a. a. O. 130; Dinklage, a. a. O. 45, 20; 53, 27. − Vgl. ferner s. v. abgehen 5, abnemen 19, anersterben 1, anfordern 3, anfang 8, aufgehen 9.

8. ›Lehensmann, von einem herren Lehensabhängiger sowie im Treueverhältnis Stehender‹. − Berichtende Texte, Rechtsund Wirtschaftstexte. − Bdv.: lehentrager ;

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vgl. gehöfner, landesherre 2; 3; lehenuntersasse. − Synt.: eines herren m. sein, nicht werden wollen, nicht mer sein wollen, ein m. bei seinem lehen sitzen; das lehen mit einem redlichen m. vermannen, vor den mannen zu gericht sitzen; m. eines herren / herzogen, euer gnaden. Wbg.: 1man兩buch ›Lehensregister‹ (a. 1426 f.), mandienst ›Dienstpflicht eines Lehensnehmers‹ (für das Hd. a. 1624?), manding ›Versammlung der Lehenspersonen zur Behandlung von Lehensangelegenheiten‹ (a. 1528), mangericht dasselbe sowie: ›aus Landadligen gebildetes Gericht‹ (15. Jh.), manheit 2 ›Lehenschaft, Stellung als Lehensmann‹, manhube wohl wie manlehen (a. 1529), manlos 2 ›untreu gegenüber dem Lehensherren‹ (Gw zu los, Adj. 8), manrichter ›Richter an einem mangericht‹, manschaft 7, 3man兩tag ›vom Lehensherren einberufene Versammlung der Lehensmänner‹ (a. 1443 f.; Schweiz. Id. 12, 921 mit reicher Belegung, s. auch Rwb 9, 167). Aubin, Weist. Hülchrath 202, 27 (rib., 16. Jh.): Haben auch under sich ein man- oder lehengericht zu vertedingen von wegen etlicher guter, die graflich sein. Koller, Reichsreg. Albr. II. 195, 21 (1438/9): das uns und unsern nachkomen an dem reiche soliche lehen vermannet werden mit eynem redlichen manne, der wapensgenosze und solicher tochtere lehentrager sey und auch soliche lehen verdiene. Chron. N¸rnb. 2, 527, 24 (nobd., 1453): Tetzel du bist mein lehenman [...]: ich wil mit dir reden, wann du mein man bist. der Tetzel redt: der Tucher ist auch ewer gnaden man. Bernoulli, Basler Chron. 4, 30, 12 (alem., 1424): wenn daz were, daz der jung marggraff hertzog Ludewigs manne nit me sin wËlte, so [...]. Ebd. 5, 270, 33 (1445): sy wiszten wol, das etlich under uns der herren manne weren. UB Zug 110, 61 (halem., 1370): sullen und wellen ich und die egenant min su´ne und unser erben lehentrager sin der vorgenant unserr herren von Oesterich, also daz wir darumbe man sin der herren von Swartzenberg. Dirr, Münchner Stadtr. 340, 104 (moobd., 1340): und sol er dann domit [mit dem lehen] o als ein man durch recht pey seinem lehen sitzzen sitzzen gerut, sol. Auer, Stadtr. München 156, 17 (moobd., n. 1347): Swenn zwen lehenheren chriegent umb ain manschaft, daz sol dem man nicht schaden. Chron. baier. St‰dte. 494, 21 (moobd., 1461): daz er auch nit bey in ze Augspurg war gewesen, und auch nit sein man wolt werden. Turmair 5, 551, 10 (moobd., 1522/33): Herzog Heinrich [...], erschien selbs auf bestimbten tag, clagt über Caspar Törringer, beschuldiget in, er wär manlos und treulos an im, seinem natürlichen herren, worden. − Merz, Urk. Wildegg 52, 47; Rennefahrt, Zivilr. Bern 197, 6; Rwb 9, 116 f. (hier sind Abhängigkeits-, Herrschaftsverhältnisse unter-

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schiedlicher Art unter einen Bedeutungsansatz zusammengefaßt; klare Abgrenzungen in der Tat kaum möglich); ebd. 128 f.; 134; 153; 167; Schweiz. Id. 2, 960.

9. ›verheirateter Mann, Ehemann‹; die Belege beziehen sich gehäuft auf das Zusammenleben von Mann und Frau, auf das innerfamiliäre Beziehungs- und Machtgefüge, oft auf Sexualität, Untreue, Betrug (letztere beiden Haltungen werden häufiger der Frau als dem Mann zugeschrieben), auf die Rechtsstellung beider Ehepartner untereinander sowie mit Verwandten, auf Erbschaftsrechte. − Bdv.: eheman, gemahel 1; vgl. amis, aufseher 2, betgenosse, gatte, genos 1, hanrei, haushalter. Ggs.: (ehe)frau, weib. − Synt.: j. [z. B. die fraue / witib, das weib] einen m. nemen / haben / äffen / betriegen / beklagen / leichen / erben ›beerben‹ / lassen; der man richten, das recht tun, viel können, abgehen ›sterben‹, tot sein, die frau anbeten / beschlafen / vertreten, dem weib lieb sein, unter die bank müssen, bei dem weib wonen, dem weib etw. (z. B. x mark) morgengaben, ein man im hause sein, dazu helfen, das [...], j. ein ehelicher man sein, der m. und das weib zwei selen, einen leib haben, des gutes ungesondert sein; eine frau keines mannes mer achten; die frau, das weib dem manne etw. abreissen / abweinen, übel mitfaren ›mitspielen‹, das herz abgewinnen, ursache geben, zu [...], (j.) dem man eine frau geben, minnezäme machen; eine klage an den m. stellen, (die Frau) an den m. gebunden, gegen einen man schwach bewiesen sein, sich des leides mit einem manne ergetzen, mit irem manne vor das gehegte ding kommen, sich von dem manne verlaufen, um den m. an der klage sitzen, die weiber über die männer herschen, jm. (einer Frau) jn. zu manne geben; der m. des weibes, Marien; der alte / eheliche (mehrfach) / ersame / fromme / weibische m.; der ehebruch / handel, die erbschaft, das abwesen des mannes; die abscheidung der frau von dem manne; ane des mannes willen. Wbg.: manhabend ›verheiratet‹, mankrieg (von der Frau aus gesehen), manlos 3 ›verwitwet‹, mansschwester ›Schwägerin‹, mansstam, mansstammenrecht (Beleg s. v. manlehen), manweib 2 ›Ehefrau‹.

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Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 1, 33, 4 (srhfrk., um 1460): der eine (seit) mit mannewiver ind der ander mit ledigen personen ind willen af noch an ind willen ouch neit gestraift sin. Schˆpper 71a (Dortm. 1550): Vidua. witwe nachgelassene mannloß ¶ des ehegemächts beraubt. Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe 267, 3 (Wolfenb. 1593): Wenn mein Man Tod were, so wolte ich keinen lieber haben dann euch. Grosse, Schwabensp. 64a, 13 (Hs. 2nd./md., o um 14109): Eyn wıˆp mach ires gutes nicht anich werden ane ires mannes willen. Beckers, Bauernpr. 51, 7 (Köln 1515/18): Gefelt he [kerstach] vp den maendach / [...] dat veich vnd vil frauwen werden an der claich sytzen vmb yr ma˜ dat selue jair. Voc. inc. teut. p vr (Speyer um 1483/ 4): Man des weibs maritus. Kˆbler, Ref. Wormbs 128, 25 (Worms 1499): so der Man in zweyen iaren nach dem kirchgang tods abgienge so [...]. Ders., Ref. Franckenfort 43, 3 (Mainz 1509): Von den Erbschafften mans vnd weybs in den gütern so sie zusamen brengen. Ders., Ref. Nürnberg 363, 2 (Nürnb. 1484): die eefrawen die Jn gemaine˜ hanndel Jrer man˜ steen. Ralegh. America 12, 7 (Frankf. 1599): Sie [Weiber] kommen im Jahr nur einmal zu jren MÁnnern / vnd bleiben nur einen Monat bey jnen. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 4, 359, 8 (Frankf. 1603): verflucht sey das weib, das nicht mehr liebet ihren mann, denn ihr eygen leben! Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 149, 27 (rhfrk., um 1435): der ist myn vader vnd der gab mich dem konnige von Franckerich / vnd der ist myn elicher man. Behrend, Magd. Fragen 121, 9 (omd., um 1400): Eyn man hat syme elichen weibe gemorgengobit LXXX marg an syme varenden gute. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 135, 9 (omd., 1616): Seind [...] mann und weib seind ihres gutes ungesondert, so mag die klage und citation an dem den (sic!) mann ehelicher vormundschaft seines weibes gestellet werden. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 1, 16 (osächs., 1343): Jaˆcob abir gebar Joˆseˆph Marien man [Lang 1521: ehman; Froschauer 1530: eelichen gemahel], von der geborn ist Jheˆsus. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 9, 19 (Hs. 2omd., 14659): Freue dich, ersamer man, reines weibes, freue dich, reines weib, ersames mannes! Reichmann, Dietrich. Schrr. 129, 33: Jr men¯er / spricht er [Petrus] / wonet bey ewren weybern / mit vernunfft vn¯ gebet de¯ weybischen / alß dem schwechsten werckzeug / sein ehr. Ebd. 130, 1 (Nürnb. 1548): Diser befelh gehet sonderlich auff den man / der sol anfahen / vn¯ dazu helffen / das eynigkeyt vn¯ liebe in der ehe gehalte¯ werde. v. Keller, Ayrer. Dramen 2773, 2 (Nürnb. v. 1618): Es steht eim Ehrlichn Weib wol an, | Ires Manns Ehebruch zu verbeissen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 278, 21 Var. (Straßb. 1466): Die drit zung hat aufgeworffen die gesworn [Var. 14752−1518: manhabenden] weib. Dasypodius 418v (Straßb. 1536): mans Schwester Glos. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 553, 28 (Hagenau 1534): Es ist ein gemeine sage in aller welt / wie die weiber uber die menner herschen und regiern. Roloff, Brant. Tsp. 775 (Straßb. 1554): so die eltst noch hatt kein mann | Wie kan die jüngst dan einen han. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 18, 32 (Straßb. 1650): weil die Weiber entweders durch ihre böse halßstarrige Köpffe, oder aber durch ihren Vngehorsam, [...]

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ihren Männern vielmahl Vrsach geben sich der Hochzeit zugereuen. Wiessner, Wittenw. Ring 4971 (ohalem., 1400/ 08): Waz hilf daz weibe, daz ıre man | Ausrenthalb joch gar vil kan | Und ein narr ist in dem haus? Kl‰ui, Urk. Kaiserstuhl 349, 31 (halem., 1606): so daß den Gebrüdern Tschudi nun ein Pfandbrief [...] auf sie und ir lyngen manßstamens [...] zugestellt werden soll. Sappler, H. Kaufringer 8, 3 (schwäb., Hs. 1464): ain man und auch sein eweib | zwuo sel und ainen leib | süllen mit ainander haun. Bischoff, Steir. Landr. 132 (m/soobd., Hs. v. 1425): Ain jsleich man, [...], der tut daz recht hincz seinem weib vnd hincz seinen chinden. Ebd. 182: Wann man ain witiben bechlait vor ainem rechten vmb gült, vnd nympt die witib ain man, so mag der richter nymmer hincz ir gerichten vmb varund guˆt; ez sol ir man richten. Winter, Nöst. Weist. 2, 100, 27 (moobd., 1469, Hs. 1660): wehr daß die frau den mannkrieg nit vertragen wolt und wolt den mann in solch groß wandl [...] füehren, so [...]. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 269, 6 (smähr. inseldt., 1414): ein frume fraw, die ein eleichen man hat, die mag nicht mer verburihen mit eleichen sachen wann 32 den. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 159, 14 (mslow. inseldt., 1625): da ´sie in abwe´sen ihres mannes eine ganze nacht bei 2 jungen ges´ellen gelegen. − Kˆbler, Ref. Wormbs 309, 28; Karnein, Salm. u. Morolf 586, 1; Schˆnbach, Adt. Pred. 28, 6; Behrend, a. a. O. 126, 20; Goedeke, P. Gengenb. 123, 226; Dietrich. Summaria 26r, 24; v. Keller, a. a. O. 3001, 19; 3002, 17; Fuchs, Murner. Geuchmat 2501; Edlib. Chron. 1, 20; Sappler, a. a. O. 15, 6; Dirr, Münchner Stadtr. 345, 15; Bretholz, a. a. O. 127, 5; Tpma 8, 107 (157). − Vgl. ferner s. v. abgewinnen 1, abreissen 4, 1abreiten 3, abscheidung 5, abweinen 1, ackergaul, affen 1, allectorius, amie 2, anbeten 2, anewerden 3, 2anliegen 1, ausser 8, baussenbleiben, 2bei 13.

10. ›Gott als Bräutigam gedacht‹, im einzelnen: Christus als der sele gemahelt, als ander Adam sowie lam gottes, man der christenheit (diese gesehen als eheliche kone), als man / Christus der gläubigen. − Bdv.: bräutigam 4, gemahel 4. Helm, H. v. Hesler. Apok. 17144 (nrddt., 14. Jh.): Als wart der ander Adam, 兩 [...] 兩 Siner cristenheite man 兩 Und sie sin eliche kune. Ebd. 20711: Daz lamb Gotes daz ist Crist; 兩 Der heizet man der cristenheit, 兩 Wen sie im liebe kint treit. Pfefferl, Weigel. Ges. 41, 10 (Hamb. 1646): sie [Gleubige] seindt nunmehr Christo ihrem Manne vnterthan, vndt nicht dem Geseze. Jostes, Eckhart 31, 8 (14. Jh.): Nu spricht s. Paulus: Disen man [Cristus] han ich eu getrewet und gemahelt. Reht alz ein e ist auzwendich zwizen frauwen und man, alzo ist inwendich ein e zwizen got und der sel.

11. steht in Verbindung mit voranstehendem Adjektivattr. tendenziell für die von diesem ausgedrückte besondere, oft positive Qualität der Person, speziell im

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Bereich des sozialen Status; als Übersetzung kann dann ein subst. Ausdruck oder − bei präd. Funktion der Wortgruppe − ein präd. Adj. stehen: heiliger / voller man ›Heiliger / Betrunkener‹ oder j. ist ein treuer man ›j. ist treu‹. Zur Verdeutlichung sind ausgewählten Belegen Übersetzungsvorschläge beigefügt; deutliche Tendenz zur Formelhaftigkeit einiger Verbindungen, dann ansatzweise Phrasematisierung; Beispiele außer den zitierten sind (in Auswahl): der alte ›Alte‹ / amächtige / bescheidene / erbare / erhaftige / schädliche / tote man; umfängliche Auflistung im Rwb 9, 119 mit Verweisen auf rechtsrelevante Bedeutungen des Adjektivs. Lemmer, Schernb. Frau Jutte 443 (Eisleben 1565): Das zu vns komen sind in das land / 兩 Zween ersame gelerte Man [›Gelehrte‹]. Pfefferl, Weigel. Ges. 25, 29 (Hamb. 1464): so weinig als ein abgemahleter Man, [...] machet den lebendigen Man, eben so weinig mögen die Ceremonien den glauben wircken. Chron. Kˆln 2, 307, 2 (Köln 1499): dat der keiser ouch ein aventursch [›risikobereiter‹] man was, dat he alzit plach mit den eirsten zo sin. Beckers, Bauernpr. 63, 11 (Köln 1515/18): Nu laissen blyuen den armen man 兩 Dat he ouch broit essen kan. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 105 (mrhein., um 1335): La die erde sin, iohan, 兩 vnd deufe mich, vil heilger man [›Heiliger‹]. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 29, 9 (Hs. 2omd., 14659): Ein jeglicher ebenteuerlich und sinnig man ist mir des gezeug, das kein manneszucht mag wesen, sie sei dann mit frauenzucht gemeistert. Dinklage, Frk. Bauernweist. 97, 15 (nobd., 1430): ob ein arm man, [...] zenthrecht thete, würde dem genomen, so solt man in und das sein helfen behalten. Chron. N¸rnb. 5, 786, 15 (nobd., 1516): also das darnach die gemainen empter under dieselben dapfern gottsfürchtigen männer [...] außgethailt mogen werden. v. Keller, Ayrer. Dramen 3159, 3 (nobd., um 1600): TRAGEDIA VOM REICHEN MAN UND ARMEN LAZARO. Rieder, Gottesfr. 149, 3 (els., 1390 / 1402): Der selbe weltliche man [›Laie‹] darnoch gar ku´rtzliche starp. Ders., St. Georg. Pred. 74, 22 (Hs. 2önalem., 13879): da von sprichet ain hailig man: ,dis korne ist u´ns gesant von hymelrich uff ertrich. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 144, 9 (Straßb. 1466): als das wirt ausgeblost von cristenlichen mannen [›Christen‹]. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 343, 8 (Hagenau 1534): Eynem vollen manne [›Betrunkenen‹] soll eyn geladener wagen weichen. Ebd. 2, 254, 7 ([Augsb.] 1548): Da sitzt neben mir ain armer mann / hat weyb und kind / Er ist frumb / arbaitet fleissig / [...] / Aber er kan nicht für sich kommen. Kottinger, Ruffs Etter Heini v. 422 (ohalem., 1538): nun luogend zuo, ir ritterliche man [›Ritter‹], 兩 von sölchen dingen thuot ritterschafft. Niewˆhner, Teichner 197, 1 (Hs. 2oobd.,

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man

1350/659): Man haist manigen ein pider man 兩 [...] 兩 man solt in ain ab zog haizzen gÈt. Morrall, Mandev. Reiseb. 18, 5 (schwäb., E. 14. Jh.): die stat und das land ward verloren von aines jungen mans [›Jünglings‹] torhait wegen. Schwarz, Awürt. Lagerb. 1, 413, 10 (schwäb., 1521): So möcht wol ain arm man [›Bedürftiger, Abhängiger‹] ain faß wins holen, [...] und möcht uff der achse daruf schenken. Weissthanner, Urk. Schäftlarn 162, 9 (moobd., 1343): [wir] veraygen vns geben den gaistlichen mannen [›Geistlichen‹] [...] einen freyen, ledigen vnd vertigen mÈlslach. Vock, Urk. Hochst. Augsb. 231, 28 (schwäb., 1370): offennbrief, da˘ran sin aygen insigel und dannocht zwayer biderber mann [›Rechtschaffene‹] insigel gedrÈkt oer gehenkt sint. Klein, Oswald 115, 29 (oobd., n. 1438): Ich näm ains weisen mannes [›Weisen‹] müt 兩 für vier törleicher fürsten güt. Turmair 4, 1152, 17 (moobd., 1522/ 33): so müeß wir und aller adel in Gallien [...] an die Teutschen uns von dem reich und römischen kaisertum begeben und ir leibigen man [›Leibeigene‹] werden. Winter, Nöst. Weist. 4, 317, 20 (moobd., 16. Jh.): Wer unser herschaft mit gwalt in ir burkfrit reit, ist er ain lantherr so ist er um 32 tal. ∏, [...], und ein schlechter man umb 5 tal. ∏. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 335, 12 (smähr. inseldt., 1414): der sol gehaissen den burigern vnd dem richter, das er der herschafft ein trewer man [›treu‹] sey. − Luther, WA 49, 444, 30; Leman, Kulm. Recht 2, 76; K¸ther, UB Frauensee 272, 28; v. Keller, a. a. O. 3008, 20; Gilman, a. a. O. 1, 74, 7; Goldammer, Paracelsus 5, 180, 9; Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 414, 1; Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 246, 26. − Vgl. ferner s. v. abnemen 1, alzu 1, amächtig 2.

12. phras. (häufig belegt): der gemeine man ›erwachsene Person (de facto gemeint: ein Mann) innerhalb der sozialen Schicht, die die Mehrheit der Bevölkerung stellt, sozial, wirtschaftlich und rechtlich über nur geringen Einfluß verfügt, an der Grenze der Armut lebt und trotz vereinzelter Überhöhungen mehrfach ein Ziel der Verächtlichmachung wie der Ausbeutung bildet, dem man eine Disposition zum Aufruhr zuschreibt‹. − Synt.: den gemeinen man anfüren / ansetzen / betriegen; der gemeine man bewegig ›aufrührerisch‹ werden, sich nicht selbst regieren können, jm. das herz abfluchen; dem gemeinen man abbruch tun, schweis und blut abpflocken; bei dem gemeinen man mangel an speise sein; aufrur des gemeinen mannes. Wbg.: gemeiner mansbeutel ›Geldbeutel des kleinen Mannes‹. Peil, Rollenhagen. Froschm. 260, 26 (Magdeb. 1608): Das [...] keine Hohe / Allgemeine Obrigkeit sein solle / lesset er sich nicht gefallen. Darumb / das der gemeine Man sich selbst nicht regieren vnnd raten kËnne. Rudolph, Qu. Trier

1720

468, 10 (mosfrk., 1523): welche felder vom gemeinen mann ächten genant werden. Sachs 16, 328, 31 (Nürnb. 1563): Wo ein herrschafft tyrannisiert 兩 Blutdürstig, hochmütig regiert, 兩 Darob der gmeyn mann wird bewegig. Kˆbler, Stattr. Fryburg 211, 8 (Basel 1520): ordne˜ wir / das dheiner der vnsern / mit dem andern einich verstentnuß oder pact machen / die zuo rebellion vnd vffrÈr deß gemeinen mans dienen mËcht. Henisch 356 (Augsb. 1616): Gemeinen Mannsbeutel / populi crumena, publicum ærarium. Wenn grosse Herren bawen / so gehets vber deß gemeinen Manns beutel. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 5013, 4 (moobd., 1484): wie merkhlicher mangl an speis, auch an gelt bei dem gemainen man zu Wienn sei. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 335, 36 (smähr. inseldt., 1414): man ruegt eim sentmassigem [...] vmb 10 tal. ze wandel vnd eim gemainn man 5 tal. vnd eim buriger 72 den. − Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 194; Seuffert u. a., Steir. Landtagsakten 2, 150, 14. − Vgl. ferner s. v. abbruch 3, abfluchen, abpflocken, anfüren 3.

13. ein Längenmaß entsprechend der Normalgröße eines Mannes; auch: Herzgrube des Mannes als Bezugspunkt für eine Höhenangabe. − Oft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Wbg.: mansrame ›Größe eines erwachsenen Mannes‹ (verdeutlichend), mansspanne ›Spannweite der Männerhand‹, manstudel ein Holzmaß von 2 Klaftern. Lohmeyer, K. v. Nostitz 102, 16 (preuß., 1578): Den teich [...] muß man den tham ½ man erhoen. Buch Weinsb. 2, 348, 14 (rib., 1577): sin bei Antwerpen 3 walfischs gefangen, in deren meuler män uffrichtich stunden. Sachs 23, 357, 4 (Nürnb. 1566): Cristi, des herrn, gstalt und person: 兩 Sieben mans-spann sein lenge war. Dasypodius 226v (Straßb. 1536): Statura, Die mans ram / længe vnd grœsse. Dirr, Münchner Stadtr. 353, 26 (moobd., v. 1347): hat der rat ze MÈnichen [...] gesetzt [...], daz all prugk, die der zolner sol machen, sechs enspaem sol haben und prugkladen o von sechzehen schuchen und ze gemainem wazzer, daz ein man ste mit gerachkter hant auf einem flozz und an die prugk nicht rÈr. Siegel u. a., Salzb. Taid. 78, 7 (smoobd., 1654/ 68): steet er [pantzaun] ebens grunds, so soll er ainem gleichen man ans herzgriebl geen. Ebd. 244, 23 (Hs. 17. Jh.): Darin haben die herrn von Kall stockrecht zum salzsieden und geben unserm genedigisten herrn [...] von manstuedl zween pfening. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 416, 22 (m/ soobd., 1506, Hs. 17. Jh.): der jungen stamen, waß ainer gueten manßspan dick. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 99 (oobd., 1607/11): 1 seltzam starckh gebein, so herr Hanns Trautsam [...] 1½ mann tieff under der erden gefunden.

14. ›Tiermännchen (bezogen auf alle Tierarten)‹. − Wbg.: meist diminuiert: mänlein 3; bienenmänlein. Peil, Rollenhagen. Froschm. 455, 6054 (Magdeb. 1608): Die Bien MÁnlein / 兩 FÈhrten so viel des Honigs ein.

1721

man

Chron. Kˆln 2, 12r, 23 (Köln 1499): [Noe] voirt mit ym van allen dyere˜. [...] eyn menchyn ind eyn wijffchyn. Ebd. 12v, 3: Sent Augustinus [...] spricht dat die dyere. die in dem wasser leuen [...]. vnd die diere die sonder mans vnd wijffs tzo doyn geboren werde. die synt niet gewest in d‘ archen. Sachs 16, 489, 9 (Nürnb. 1562): vippera, die naterschlang, 兩 [...] 兩 Wenn sich parrt mendlein und weiblein, 兩 So winden sich ihr beyder leiblein 兩 Umb einander so glat und vest, 兩 [...] 兩 Samb wer diß mendlein und das weiblein 兩 Beydesammen ein eynigs leiblein 兩 Also sie beyd, mendlein und weiblein, 兩 Mit todt verlieren ire leiblein. Rot 287 (Augsb. 1571): Admissur, zulassung / oder reytung des vichs / die zeit / so man die mÁndle zu dem weible last. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 139, 7 (oobd., 1349/50): ist, daz daz weibel niht ain männel haˆt soˆ ez diu hitz der unkäusch entzünt, soˆ geswillt ez und stirbt. Ebd. 159, 24: in allen tiern sint diu weip behender [...] wan die man, aˆn an den rindern. Ebd. 243, 16: der visch weibel sint grœzer wan die mändel, wan die rogner werdent grœzer denn die milcher. − Bauer u. a., Kunstk. Rud. 187; Qu. Brasso´ 4, 162, 44; Dalby, Lex. MhgG Hunt. 1965, 151. 2

man, der ; zu manen; zur Wortgeschichte s. Dwb 6, 1569; Rwb 9, 126; 139 (dort s. v. mannire und manitio). ›Recht des Gerichtsherren zur Ladung vor Gericht‹; vgl. manen 2; 4. Grimm, Weisth. 2, 99, 32 (mosfrk., 1524): Die scheffen weisen [...] man vnd ban, binden vnd entbinden, [...] alle mass. Ebd. 2, 325, 30 (mosfrk., 1315): Da teilten sie [...] dem bischoff vnd dem stifft man vnd ban, walt [...] vnd feld. Loersch, Weist. Boppard 208, 19 (mosfrk., 1538): Zum vierten weisen wir zu unserm gnedigen herrn man und bann, fund und prunt. Franz u. a., Qu. hess. Ref. 2, 296, 3 (hess., 1538): diselb pfar [...] ist itzt ins bapsts man gefallen. 3

man, s. mane.

4

man, s. manna.

5

man, s. 1mage.

6

man, s. 1mäne.

man, Indefinitpron., 3. Pers.; zu 1man. 1. ›man, jemand (allgemein)‹; die Aussage mit man ist im Nhd. paraphrasierbar mit Passivtransformationen, mit es- und istzu-Konstruktionen (z. B. ›es finden sich‹; ›es ist zu hören‹), mit Verben niedrigerer Valenz. Luther, WA 35, 432, 12 (1524): die keyn man ruret noch erkand 兩 von Gotts wort sie man schwanger fand. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 7, 8 (Frankf./M. 1568): MAn findet / meines erachtens / viel / [...] / Gottlose Menschen.

1722

Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 52, 7 (Frankf. 1535): Feursteyn gepüluert / damit polirt mann alle harte steyn. Schˆnbach, Adt. Pred. 15, 10 (osächs., 1. H. 14. Jh.): ie mer der mensche danne wechset in die jar, ie [...] erger er wirt von den sunden, als man spricht in einem bispele: [...]. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 28, 3 (Hs. 2omd., 14659): Bei loben und bei schenden sol fuge und maße sein: ob man ir eines bedürfe, das man des stat haben müge. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 76, 4 (omd., 1487): Es ist bey¨ vnsern zceitten darzcu kömen das man wenig fragt wie man eldern ere beweise. Ries, Rechenb. C 8r, 13 (Erfurt 1522): ein Jar gibt mann eynem knecht 10 flor 16 groschen / wieuil gepÈrt ym 17 wochen. Bˆhme, Morg.R. 13, 6 (Hs. 2schles., 16129): wie soll mans anfahen dich / [...] / zu bewegen / daß du [...]. M. Cunitia. Ur. Prop. 149, 8 (Öls 1650): so die Sonne mitten am Himmel stehend betrachtet wird / meinet man / das [...]. Henschel u. a., Heidin 123 (nobd., um 1300): Man hËrt iz inder werlde wıte 兩 Von mannen vn˜ von wiben. Stammler, Berner Weltger. 892 (ohalem., 1465): Jch tett, als man saget das ding: 兩 Der ze vil wil, dem wirt cze wenig. Maaler 282v (Zürich 1561): Man glaubt schwÁrlich den wortten. [...]. Man hat gemurmlet. [...]. Man seit oder sagt. Sappler, H. Kaufringer 16, 234 (schwäb., Hs. 1464): wes man in der juget hat 兩 gewont, das hangt im alter an. − zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 212.

2. ›jedermann‹, mit impliziter Verpflichtung, sich selbst als den Mitgemeinten zu verstehen; mit Negationsausdruck: ›keiner, niemand‹. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 39 (mrhein., um 1335): Man git zuo erste den besten win. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 23, 23 (osächs., 1343): gerichte und o o o barmherzikeit unde truwe: dise muste man tun und jene nicht laˆzen. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 291, 27 (thür., 1421): do vorbot der keisser, man sulde den gesten keyne speisse vorkouffen. Dietrich. Summaria 29v, 4 (Nürnb. 1578): das ist / Man soll beide [dem keyser und Gott] dienen / doch also / wo sich dise zwen dienste wolten stossen / das man es ehe an des Keysers / denn an Gottes dienst soll fehlen lassen. Koller, Ref. Siegmunds 218, 2 (Hs. um 1475): sye [Begeynen] sein züfugerin, abesserin, müssiggengerin, man sol in nit geben. Bauer, Geiler. Pred. 104, 33 (Augsb. 1508): ir vernunfft / lond sy [menschen] allzeit mÈssig ligen / und ligt inen allwegen / als ain acker / den man nitt bauwet. Klein, Oswald 13, 28 (oobd., 1416?): Wer ist die ros an doren, 兩 do von man list und sagt. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 21, 38 (tir., 1464): Man mües vntertänig sein got vnd nicht dem menschen.

3. ›man‹, die gemeinten Bezugspersonen ergeben sich aus dem Handlungszusammenhang. Grosse, Schwabensp. 61a, 8 (Hs. 2nd./md., um o 14109): Jst aber, das se [juncvrowen] getruwet wert vnde louo chen wolden, daz se zuo iren jaren nicht were vulkomen, so sal

1723

man − manbar

manz bewisen. Froning, Alsf. Passionssp. 48 (ohess., 1501 ff.): darumb sollet ir nu ansehen 兩 mit innikeyt das schone spyell, 兩 das man hie begynnen well. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 135, 14 (rhfrk., um 1435): rident dem hunde noch war er uch vor gene wirdet / dann man mocht da mit die warheit erfaren. Karnein, Salm. u. Morolf 13, 2 (srhfrk., Hs. um 1470): Da sie [Kunigin] inn das munster kam, 兩 die frone meß hup man an. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 160, 8 (Frankf. 1535): Mann leget den gips auff o das ortt da mann blutfluß hat. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 218a, 26 (Frankf./M. 1649): weil man in Arbeit ist / die Zauberer vnd Zauberschen zuverbrennen. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 173, 30 (Leipzig 1537): Mann zog ihm [Jesus Christus] an ein purper kleyd, 兩 Zu spott. Opitz. Poeterey 11, 10 (Breslau 1624): Mann wil vns [Poeten] auff allen SchÈsseln vnd kannen haben. Reichert, Gesamtausl. Messe 1, 27 (Nürnb. um 1480): wenn dy kirch verbrent wuerd [...], das man der kreutz an den wenden, [...], nit mer gesehen moecht. Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 8b, 9 (nobd., E. 14. Jh.): doch minnet got e dise mine fur gut wann man in dirre minne svnde let vnde wÈrket gvtev werk. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 133, 7 ([Augsb.] 1548): Zum Andern gehËrt inns Künigs recht / o die FrËne der dienst / [...] / zuo Faren / zuo Reiten / zuo Fuß zu lauffen / ain zeit wann mans bedarff. Eis u. a., G. v. Lebenstein 73, 15 (oobd., 15. Jh.): wolliches kind sein synn verloren hab, dem geb man das wasser zw trincken. − Chron. Kˆln 1, 877; Goldammer, Paracelsus 5, 179, 24; Dreckmann, H. Mair. Troja 15, 18. − Vgl. ferner s. v. 2ächtigen.

man, Adv., zu asächs. newan, entsprechend ahd. ni-wan (Dwb 6, 1524; Kluge/S. 2002, 544). ›nur, lediglich‹. − Bdv.: vgl. lediglich 7. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 65, 19 (preuß., 1462): Dy rechte hoptbrieffe seyn dorvon zcu Lubeke und das zcu Thorun ist man eyn transsumpt.

manaffe, s. mane 1. manbar, Adj. 1. ›erwachsen‹; die Eigenschaft manbar reicht vom ausgehenden Kindes- bis zum mittleren Mannesalter; sie impliziert zugleich Rechtsfähigkeit und Waffenfähigkeit; Kritierien für manbar sind das Alter, der Beginn der Zeugungsfähigkeit, der Bartwuchs, die Größe; in der Regel von Personen männlichen, aber auch weiblichen Geschlechtes gesagt; in vielen Belegen nicht sicher von 2 trennbar; vgl. 1man (der) 1; 2. − Bdv.: erwachsen, mündig; vgl. bartfähig, bestanden 1, manhaft 1. − Synt.: j. m. sein / wer-

1724

den (jeweils häufig); manbare jare ›Erwachsenenalter‹, der manbare jüngling / erbe, das manbare alter. Wbg.: manbärig, manbarkeit 1, manbärlich, manbarschaft ›Mannesalter‹ (a. 1655). Luther, WA 18, 536, 8 (1525): das einn ietzlichenn Buerger frey sey, zw Brawenn, der Hawß unnd Hoff hat unnd manbar sey. Koeniger, Sendgerichte 187, 12 (mosfrk., 15. Jh.): hette eyn widfrauwe eynen manbergen soen, solle auch erschynen. Knape, Messerschmidt. Bris. 22, 56 (Frankf./M. 1559): vnd zuchtmeister / hatt er fÈrwar gehabt / welche also ein frommes gehorsames kind / [...] / zu einem solchen teuren Ritter / in seinen verstendige¯ vn¯ manbaren jaren / gezogen [...] haben. Dasypodius 192r (Straßb. 1536): Pubertas, Die zeit der manbarkeit / nach viertzehen jaren in den mannen / vn˘ nach zwœlffen in den weibs bilden. Maaler 50v (Zürich 1561): Barten / Man˜bar werden / Anfahen bart uberkommen. Pubescere. Ebd. 283v: Mannbar (der/die) Nubilis. Man˜bar seyn / die yetz alt sind kinder zemache˜. Puberes filij. Man˜bar alter an knaben vmb vierzÁhen an tËchteren vmb zwËlff jar. Pubertas, Confirmata ætas. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 39 (Genf 1636): Mannbar / der mans grËsse hat. Chron. Augsb. 9, 132, 28 (schwäb., 1544/5): hat er vonstunden, [...], alles volck, was manbar ware, auff morgens frue auff den plan, [...], berueffen und ist vonstundan dem feind under augen zogen. Barack, Zim. Chron. 3, 92, 37 (schwäb., M. 16. Jh.): der hat in seiner jugendt und mannbarn jaren kein eheweib nie gehapt. − Grimm, Weisth. 2, 415, 44; Wyss, Luz. Ostersp. 3, 182, 36; Dasypodius 293r; Alberus P ijr; Rwb 9, 126; Schweiz. Id. 4, 290.

2. ›erwachsen, damit im heiratsfähigen Alter, heiratsfähig (von der Frau gesagt)‹; vgl. 1man (der) 2; 5. − Bdv.: erwachsen, mangebig, zeitig; vgl. manmächtig b, manzeitig 2. − Wbg.: manbarkeit 2. Luther, WA 27, 477, 9 (1528): ein junge dirne, die noch ein reine Jungfraw ist, doch die manbar und geschickt ist zur fruchte. Alberus uu iijr (Frankf. 1540): Pubertas est finis secundae aetatis, manbarkeyt. Schmitt, Ordo rerum 483, 15 (omd., 1466): Nupcialis manbar − mangebig. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 162, 38 (nobd., 1476): was unendlicher sleyer sein, hat sie beschiden irem endlein [...], sunder legen hinter einen rate, [...], bis es manbar wirt. Roloff, Brant. Tsp. 689 (Straßb. 1554): Wer hatt ein dochter die manbar ist 兩 Der soll sie vermÁheln kurtzer frist. Wickram 4, 32, 16 (Straßb. 1556): ein schËne gerade tochter / die yetzunder schon manbar was / die fieng dem krancken kauffherren an zuo gefallen. P‰pke, Marienl. Wernher 812 (halem., v. 1382): Wele [magde] kament zuo den jaren 兩 Das su´ manber waren, 兩 Die gabent die priester och ze man. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 42 (Genf 1636): mannbar / Dienlich vor einen man˜. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 82, 13 u [...], dui (oschwäb., 1326−30): es ensol [...] kain juncfrowe, u an dekainen tanze gan. Barack, manbaer si, vor den ˆefrowen Zim. Chron. 2, 414, 7 (schwäb., M. 16. Jh.): Als aber

manbärig − mancherlei

1725

das fröle, [...], erwachsen und mandbar worden, hat ir herr vatter sie graf Josen [...] vermehelt. Mollay, Ofener Stadtr. 395, 11 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): So mag dy¨ Iuncfrawe mit rÁte der nechsten frewndt ires vaters, dy¨e da mannen sey¨n, Vnnd sy¨e manbar ist, hey¨roten. − v. Tscharner, Md. Marco Polo 68, 6; Sachs 19, 29, 13; Chron. Augsb. 9, 99, 2; Barack, a. a. O. 3, 36, 16; Turmair 5, 149, 9; Rwb 9, 126; Schw‰b. Wb. 4, 1448. 1

dy vns je gemant vm keinnen vndergang, so hettend wir jnnen ouch daruff geantwort. − Baumann, a. a. O. 421, 17; Chron. Augsb. 1, 29, Anm. 1; Rwb 9, 14.

mänbube, s. 2mäne. 1

man兩buch, s. 1man (der) 8.

2

man兩buch, s. manen 6.

3., s. man (der) 3.

manbürge, s. manen 4.

manbärig, s. manbar 1.

manch(-), s. manig.

manbarkeit, die; -π/−. 1.; 2., s. manbar 1; 2. 3., s. 1man (der) 3. 4. ›Jungfräulichkeit‹. − Bdv.: vgl. blume 4, jungfräulichkeit, jungfrauschaft, jungfraustand, lauterkeit 3, magdtum 1, reinigkeit. Ziesemer, Proph. Cranc Ez. 23, 3 (preuß., M. 14. Jh.): zwey wib, [...], in irir jugent begingin si unkuscheit zu Egypto. [...], do wurdin slaf di bruste (irir) manberkeit.

manbärlich, manbarschaft, s. manbar 1. 1

man兩brief, der. ›Urkunde über die eheliche Geburt / Herkunft / Abstammung e. P.‹; vgl. 1man (der) 2, brief 1. − Bdv.: geburtsbrief. Buch Weinsb. 1, 343, 11 (rib., um 1560): hab in beiden einen manbreif laissen machen, das sei hie in Coln ehelich geboren sint. M¸ller, Nördl. Stadtr. 165, 22 (schwäb., 1510): Frag allwegen nach der urkund eelicher gepurt und mannbrief, sonderlich wo ainer nit alhie geporn ist. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 108, Abs. 5 (hess., 1544): Nachdem aber der brauch, solche mannbrieff zu geben, nit allenthalben gleich ist. − Buch Weinsb. 5, 86, 18; Rwb 9, 128.

man兩brief, der ; −/auch -π. ›Schreiben mit einer Aufforderung zu einer Handlung, z. B. dem Aufgebot Folge zu leisten‹; vgl. manen 2−4, brief 2. − Bdv.: ladbrief 2, manungsbrief. 2

Baumann, Bauernkr. Rotenb. 422, 5 (nobd., 1525): Uns ist yetz ain manbrief, [...] zukommen, darinnen ir uns erfordert, euch mit hundert manen, [...], zu hilf gein Crautheim zuzuziehen (Beleg auch zu 1manbrief stellbar). Rennefahrt, Statut. Saanen 70, 11 (halem., 1447): sie hätten die Saaner demgemäß by iren eiden mit irem offnen besigelten manbriefe gebetten und gemant, ir reysen mit innen ze ziehen. M¸ller, Nördl. Stadtr. 422, 28 (schwäb., 1453): Er [procurator] sol nemen von eim ladbrief zu lon 5 ∏ und von eim manbrief 10 ∏. Edlib. Chron. 20, 3 (ohalem., um 1500): wir zügend vns dess vff ir manbrieff, denn hettend

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mänchen, s. 1man (der) 2; 14. mancherhand, Pronominaladjektiv, -adv.; auch Indefinitpron. 1. ›verschieden, verschiedenartig, mancherlei, unterschiedlich‹; vgl. manig 1; 2. − Bdv.: mancherlei. − Synt.: m. (Akk.obj.) sprechen; der papagei mancherhand farbe sein; der könig mancherhand gezieret; mancherhand arbeit / farbe / gewerbe / gewicht / kästigung / marter / rede / wunderzeichen, mancherhand anfechtungen / begierden / dinge / sorgen / stricke. Reissenberger, Väterb. 13795 (md., Hs. 14. Jh.): Ez waren, [...] 兩 Zeimal zu samne bruder kumen, 兩 Die manigerhande sprachen. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 232, 19 (Köln 1582): die in angst vnd grossen faren, 兩 Mit schiffen auf dem wasser faren, 兩 Treiben gewerbe mancherhand. H¸bner, Buch Daniel 7040 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Der kunic wirt sich leynen 兩 Heimwert kein sime lande 兩 Gezieret mancherhande. v. Tscharner, Md. Marco Polo 72, 8 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Ouch sint do papegoge vil und manchirhande var und schone geverbit von der naturn. Chron. Strassb. 53, 9 (els., 1362): Jn diser reise [...], do wart gebreste mangerhande dinge. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 211, 14 (Straßb. 1466): Nichten hab mancherhand gewicht in dem sack merer vnd minner. Glatz, Chron. Bickenkl. 54, 35 (önalem., um 1640): Da seind ir sicher vor menger hand stricken und anfechtungen des bössen feindts. Dierauer, Chron. Zürich 18, 14 (halem., 1415/20): mit mÁnger hand kestegung und arbeit tet er in an, das si sinem gebott e gehorsam wırint. − Henschel u. a., Heidin 204; Sachs 20, 545, 15; Kurrelmeyer, a. a. O. 2, 229, 4; 241, 9; Dierauer, a. a. O. 17, 6; 83, 8; Primisser, Suchenwirt 37, 42; Schmitt, Ordo rerum 474, 13.

2. ›oftmals, vielmals‹. − Bdv.: vgl. manchmal, tausendmal. Helm, H. v. Hesler. Apok. 17903 (nrddt., 14. Jh.): Daz nam ich in minen sin 兩 Und gedachte manigerhande, 兩 Daz ich [...].

mancherlei, Schreibvariation im Vergleich zu manig deutlich geringer und auf

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mancherleie − manchmal

mancherlei hinlaufend; Pronominaladjektiv (vereinzelt -adverb), teils adjektivischer, seltener sustantivischer Gebrauch, oft unflektiert. 1. ›unterschiedlich, verschieden, verschiedenartig; vielerlei, mancherlei‹, von Bezugsgegebenheiten gesagt, die in ihren einzelnen Erscheinungsformen, in ihrer Substanz u. ä. als ungleich, variant gedacht werden; vereinzelt Tendenz zu ›viel‹; vgl. manig 1; 2; 5. − Bdv.: manigfaltig, viel, vielfaltig, ungleich, unterschiedlich; vgl. allermassen. Ggs.: einerlei, eins. − Synt.: m. auf eins ziehen ›auf das Wesentliche reduzieren‹; der angst, die mischung, die ursachen der ketzerei, das elend m. sein; m. ratschlagen / reden; etw. (z. B. die ampte) m. austeilen; mit Sing. (z. B.): mancherlei arznei / farbe / gefar / gesez / geschrei / gesicht / gestalt / glaube / glük / hantierung / misverstand / sage / sin / singen (subst.) / strik / tier / übel / volk; mit Pl. (z. B.): mancherlei bekümmernisse / dignitäten / flekhaftige / gedanken / gnaden / herren / namen / zufälle; (etw.) in mancherleien worten ausweisen; die mancherlei lautende schrift. Wbg.: mancherleie (die) ›Vielfalt‹, mancherleien ›kontrovers diskutieren‹, mancherleikeit ›jeweilige Gegebenheit‹, mancherleiung. Helm, Maccabäer 12306 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): In der stat sie sich zweieten 兩 da von sie mancherleieten, 兩 eine hielden mit Hyrcano 兩 andre mit Aristobolo. Luther, WA 41, 209, 23 (1535): Darnach aber gibt er [Gott] einem jglichen sein Ampt und Stand, wie er wil und weis, dieselben mancherley aus zuteilen. Fischer, Brun v. Schoneb. 11204 (md., Hs. um 1400): der angist ist mancherleie, 兩 daz wizze der pfaffe und der leie. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 72, 13 (Frankf. 1535): Argilla ist zehe erdtrich / leymig vnnd schleimig zu mancherley werck der hÁfener geschickt. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 287, 1 (thür., 1474): wy danne solliche zcusage unde wedderrede in mancherleyen unde viel langen, obirflüeßigen wortten ußwisen. Schmitt, Ordo rerum 474, 14 (omd., 1466): Varietas mancherleyunge. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 237r, 7 (md./oobd., 1446/8): czu einer manerley drüß nacher der ma/nickeit der feuttikeyt vnd nach mancher/leykeit der stat vnd nach mancherley der / sterke vnd kranckhey¨t des gelides. Gille u. a., M. Beheim 79, 21 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Wann es [grüpeln] pringt ubels mancherley¨. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 39 (Nürnb. 1517): Von der glori geberen mancherlei ungleich lautend schrift einen zweifel. Ebd. 164: etlich ausruefer eigner heilikeit, die sich manicherlei propheti-

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scher gesicht ruemen. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 528, 32 (nobd., 1525): Dieweyl dann hiezwuschen uns manigerlay geschrays und sag begegnet. Reichmann, Dietrich. Schrr. 128, 20 (Nürnb. 1548): wie der Sathan so mancherley strick hat / damit er die hertzen helt. Dietrich. Summaria 21v, 14 (Nürnb. 1578): Jesus redet zu jnen mancherley durch gleichnusse. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 143, 9 (Straßb. 1466): Vnd an dem tag schiede er [laban] die gaisse. vnd die schaff vnd die bËck vnd die wider. vnd die manigerley fleckhaftigen. Goldammer, Paracelsus 5, 179, 26 (1530): die domini, die ihnen selbs mit titel und mancherlei digniteten wol gepeplet haben. Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag jvr, 28 (Zürich 1521): Das Circe die zouberin / durch ein tra˜ck / die gselle˜ Vlyssis / in mengerley gstalt der thieren verstelt hab. Fischer, Eunuchus d. Terenz 112, 28 (Ulm 1486): o mengerlai ratslagen. Klein, Oswald 18, Merck wie die buler 98 (oobd., 1416?): Ich han gelebt wol vierzig jar leicht minner zwai 兩 mit toben, wüten, tichten, singen mangerlai. Reithmeier, B. v. Chiemsee 91, 4 (München 1528): Es seinn wol manigerlay vnderschidlich gnaden, aber nur der ainig geist. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 199 (oobd., 1607/11): 1 frembder indianischer von mancherley farben schöner meerkrebs. − Luther, a. a. O. 49, 766, 12; Peil, Rollenhagen. Froschm. 22, 19; 675, 5297; Mieder, Lehmann. Flor. 281, 14; Froning, Alsf. Passionssp. 4074; Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 25, 29; Grosch u. a., a. a. O. 147, 37; v. d. Broek, Suevus. Spieg. 145r, 10; Reichert, Gesamtausl. Messe 26, 20; Chron. Augsb. 4, 374, 8; Reithmeier, a. a. O. 41, 5; Voc. inc. teut. p vv; Maaler 282v; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 33. − Vgl. ferner s. v. ablos 7, aufhaltung 3, begreifen 22, beisorge 1.

2. ›manchmal‹, mit Tendenz zu ›oftmals, vielfach‹; vgl. manig 5. Bell, G. Hager 36, 1, 9 (nobd., 1593): ver wundert eüch 兩 nicht, ob eüch mancherley¨e 兩 die welt zu stund 兩 hasset gar rund. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 189, 33 (Hagenau 1534): sein nachpawer pflueget yhm zu nahendt / thut yhm schaden an seinem gut [...] / wie sich denn die felle mancherley begeben.

mancherleie, mancherleien, mancherleikeit, mancherleiung, s. mancherlei 1. mancherwegen, manchfart, s. manig 1. manchmal, Adv. ›manchmal; oftmals‹; vgl. manig 1; 2, 1 mal 2. − Bdv.: vgl. bisweilen, jezuzeiten, mancherlei 2. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 707, 26 (Nürnb. 1631): Vor Durst mir meine Lefftz vnd Zung, 兩 Gar mannigmal zerschrunden. Adomatis u. a., J. Murer. Nab. 752 (Mühlh. 1556): Ich [mann Belials] habs wol glernet brucht o sol. − Ingen, mengs mol 兩 Ich weiß wie ich der sach thun

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mandat

Zesen. Rosenw. 44, 23; Kehrein, a. a. O. 2, 712, 53; Chron. Augsb. 9, 325, 14; Voc. inc. teut. p vv; Maaler 283v.

mandat, das; -(e)s/-e, in 3 auch die (dann mandate anzunehmen); teils lat. Flexionsendungen; aus lat. mandatum ›Befehl‹ (Georges 2, 791). 1. ›von einer obrigkeitlichen Instanz erlassener, mündlich und / oder schriftlich bekanntgegebener Erlaß, Befehl an die dem jeweiligen Rechtssystem Unterliegenden bzw. (selten) an eine Einzelperson‹; als Metonymie: ›Inhalt des Erlasses‹; ›Erlaßurkunde‹. − Bdv.: abschied 5, 2ban 2, 1befel 2, brief 1; 2, bulle (die) 2, edict, erkantnis, gebot 1, geheis 2, gesez 1, landbot, ordnung, satzung; vgl. anweisung 2, ausgang 12, ausgebot, beforderung, begeren (das) 4, decret 1, geheisch, gewaltmandat, heischung 2; 3; 4, herrengebot, jagdschied, statut. − Synt.: ein m. aufsetzen / geben / anschlagen / ausrufen / volstrecken / aufheben / revozieren / brechen / übertreten / hören / lesen / sehen, gut heissen, ausgehen lassen, [wohin] schicken, ein m. aufrichten, das [...], jm. ein m. setzen; das m. erschallen, das m. sein, das [...]; durch ein m. zwingen, durch m. verbieten, das [...]; das m. des königs, der majestät; das keiserliche / königliche / fürstliche / alte / angeschlagene / ausgegangene / offene/ wormische ›Wormser‹ m.; die abtuung / änderung / affigierung / verkündigung des mandates, laut der mandaten. Wbg.: mandatar, mandatsbrief, mandement ›Unteramt eines Amtes‹. Koeniger, Sendgerichte 229, 25 (mosfrk., 16. Jh.): abe einer wurde geröcht und derselbig wiederspennig und nit gehorsam sein wurde, sall ein commissarius durch ein mandat und ban zwingen, biss daz sie sich vertragen haint. Alberus Y ijv (Frankf. 1540): Edictum, ein ein mandatsbrief. Schwartzenbach 18r (Frankf. 1564): Befelch. Gehaiß. Mandat. Sachs 15, 124, 16 (Nürnb. 1559): Versigelts mit meim ring allsammen, 兩 Das alt mandat zu revocirn. Ders. 16, 25, 11 (1561): Hie lest köngliche mayestat 兩 Anschlagen ein könglich mandat. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 64, 19 (halem., 1540/2): Alsdann der hochwirdig fürst [...] o das überflüssig zutrinken, ouch gotzlestern, übelschweren und o fluchen verpoten nach lut der offnen mandaten. Maaler 282v (Zürich 1561): Mandat (das) Præceptum. Decretum. Offenlich angschlagen oder außgerÈfft Mandat. Edictum. Ein erkan˜tnuß oder Mandat aufheben vn˜ brechen / nichts mer lassen gelten. Kl‰ui, Urk. Hermetschwil 169, 6 (halem., 1588): weil die herren und obren durch usgangne mandatha

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verpotten einichen kernenzins [...] zuo nemmen. Rennefahrt, Gebiet Bern 616, 45 (halem., 1640): so daß sy jerlichen by ein tusend centneren wyßgesottenes mehrsaltz [...] in den vier mandamenten allein, by pfunden oder mäßen [...] vertryben mögind. Barack, Zim. Chron. 2, 25, 2 (schwäb., M. 16. Jh.): Darneben welle Ir Majestat mandatta allenthalben in das reich, [...] ausgeen lassen. Rot 327 (Augsb. 1571): Mandat oder gantz Mandatum, beuelch / gebott / geheyß. Ebd.: Mandatari, Ein beuelch haber / beuelchsman / beuelch geber. Turmair 1, 214, 33 (moobd., 1529): Ich hab noch nie kain mandat oder landbot gesehen, darin man geboten hett, das die richter und schergen den armen man nit beschwerten. Ebd. 5, 43, 32 (moobd., 1522/33): Ich hör kain mandat noch hab’s gelesen, darin man ernstlich het bevolchen, das man die zehen gepot hielte. − Kuther, WA 16, 13, 20; 19, 445, 10; Peil, Rollenhagen. Froschm. 568, 1952; Kollnig, Weist. Schriesh. 144, 38; Wyss, UB Deutschord. Hessen 11, 6; Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 139, 23; Sachs 2, 117, 27; 15, 89, 18; 107, 22/24; 16, 417, 21; 447, 28; 20, 253, 1; 340, 27; Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 473, 32; v. Keller, Ayrer. Dramen 2887, 12; Chron. Augsb. 7, 107, 15; 122, 17; Ukena, Zuger Trag. 597; Rwb 9, 100. − Vgl. ferner s. v. anhang 11, anschlagen 2, affigierung.

2. ›als obrigkeitlicher Befehl gedachtes und gehandhabtes kirchliches Gebot, von einer religiösen Instanz hergeleitete Verpflichtung‹. − Bdv.: 1befel 2, gebot 1, edict; vgl.: decret 2. Luther, WA 18, 268, 29 (1525): Derhalben soll niemant gezymen, disen Brieff, unser [Clemens VII.] mandat, gebots, decrets, ermanung und verwarnung zubrechen. Ebd. 47, 324, 13 (1537): [die bisschoffe] stelleten ein Mandat, dorinnen sie gebotten, das alle [...]. Peil, Rollenhagen. Froschm. 269, 248 (Magdeb. 1608): Wie der Beißkopff an Gottes stath / 兩 Den Engeln gab dazu Mandat. Mathesius, Passionale 46r, 2 (Leipzig 1587): sie werden schweigen mit ihren Mandaten vnd Religionen / vnd werden Christum in jhren Thoren einlassen. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 345, 12 (schwäb., 1607): Mandatum, wie solches der künderlehr und anderm gotsdienst angeschlagen worden in festo Andreae Apostoli [...] anno 1607. − Luther, WA 26, 560, 3; 46, 737, 9; 52, 220, 2; 10.

3. ›als religiöser Auftrag Christi verstandenes Gebot, christliches Ritual, kirchliche Zeremonie‹; speziell bezogen auf das Abendmahl und die Fußwaschung; nach der Antiphonie Mandatum novum do vobis (s. Schw‰b. Wb. 4, 1435). − Bdv.: vgl. ceremonie. − Wbg.: mandatebrot. Helm, H. v. Hesler. Nicod. 428 (nrddt., 14. Jh.): do begieng die mandate 兩 unse herre Jesus Christ, 兩 [...] 兩 mit einem reinen tuche 兩 begort er sich mit muzen 兩 und kniet zu der junger fuzen 兩 und twuc in die vil reine. Wyss, Limb.

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mandatar − mandel

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Chron. 4125, 6 (mfrk., 1372): daz [korngeld] sal men under dij sichen dey˙len unde dy˙ darmit spisen my˙t brode unde wine, als mandatez recht ist. Hertel, UB Magdeb. 3, 116, 29 (omd., 1475): dy machen X schok groschen XLVIII alde groschen alle jare, zw dem mandatebrot 11 pfund ∏. Chron. Augsb. 3, 242, 6 (schwäb., E. 15. Jh.): Am grünen dornstag was der kaiser bei der mandat, geschach im newen chor, [...]; unser bischof zwüg seinen chorherrn die fÈß. Jaksche, Gundacker 1072 (oobd., Hs. 1. H. 14. Jh.): da begie Got mandat. 兩 ich man dich, herre sÈze, 兩 daz du der junger fÈze 兩 diemuˆtlich twÈge. Ebd. 1097: da mit du, herre, sæze, 兩 mit den jungern du eze, 兩 mit in begie du dıˆe mandat. Ebd. 1106: ‚pin ichz der 兩 der dich verriet, oder wer?‘ − 兩 ,ja, du hast ez erraten; 兩 nu shÈl wir mandaten.‘ Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 71, 27 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Er saczt die procession [...] an dem aschtag den aschen ze segen. und daz die phaffen die peicht niemand süllen sagen, und die füzz pey dem mandat an dem antlaztag ze waschen. Wackernell, Adt. Passionssp. Br. III, 3253 (tir., 1551): [wie Jesus] Vor seinem todt auch hat volpracht 兩 Am heyligen weyhenpfintztag nacht 兩 Das Abendtessen und Mandat. − Luther, WA 54, 290, 5; Schweiz. Id. 5, 970.

beuelh vnd mandat fürbrengen. Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 6, 23 (osächs., 1527): der ersame Blasius Smelczer, [...] hansen Munczers [...] vor unß geschwornen erschinen mit anzeigung seins mandats. − Rwb 9, 103.

4. ›auf Antrag des Klägers ergehender richterlicher Befehl, auf den Klageanspruch beschleunigt und in einer die Verteidigung einschränkenden Weise zu reagieren‹. − Wbg.: mandatssache (a. 1594 f.).

Lau, Qu. Neuß 389, 29 (rib., 1501−2): Vergolden weder Johan van Broich 4 steinmengere ind 3 groisser manden 6 alb. Buch Weinsb. 2, 150, 32 (rib., 1566): 1 groisse kolmande, 1 kleiner mande mit iser. Struck, Joh. Pfannstiel 159, 53 (mosfrk., 1543/4): Vor manden und korbe 12 alb. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 234r, 11 (md./oobd., 1446/8): alle tage ein manden mit vaßer, / in dem krebs gesotten sint. − B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 80; Rwb 9, 104; Pf‰lz. Wb. 4, 1154.

Laufs, Reichskammergo. 134, 2 (Mainz 1555): wann ein bott eynem gericht compulsoriales, inhibitiones, mandata oder andere proceß zu verkünden [...] abgefertigt. Ebd. 185, 6: wo aber der oder die, denen also gebotten, ungehorsam sein würden, soll alßbaldt der keyserlicher fiscal gegen dem [...] ungehorsamen zu der declaration uff obgemelt mandat unverzüglich [...] procediren. Ebd. 200, 2: dem Täter durch das keyserlich cammergericht bey einer namhaften peen und sine clausula justificatoria mandirt und gebotten werden soll, one verzug auch eyniche inrede die pfandung widerzugeben. Ebd. 201, 6: oder daß die sach [...] keynen verzug leyden möcht, dann in sollichen und sonst andern fellen, in denen vermöge der recht a praecepto one vorgeende erkantnuß angefangen werden mag, sollen und mögen durch cammerrichter und beysitzer mandata one justificatori-clausel erkant und one eynich widerrede oder verhinderung volnzogen und darauf wider die, so solliche mandata ubertretten, auf die darin verleibte peenen, [...], procedirt und gehandelt werden. Ebd. 269, 34: gleichwol darüber uff die mandata des cammergerichts nicht zu schreiten. − Ebd. 221, 7; Rwb 9, 102.

5. ›an einen Anwalt erteilte Prozeßvollmacht‹. − Bdv.: 1befel 2, gewalt 7, volmacht. − Wbg.: mandieren 2. Luther, WA 30, 3, 393, 7 (1531): das sie nicht einen [Auffrhur] anrichten, weil sie mandiren und gebieten, was unrecht und wider Gott ist. Kˆbler, Ref. Franckenfort 69, 20 (Mainz 1509): Es sol auch ein jeglicher montpar oder anwalt / so er in einer sachen rechtlich handlen wil / sein

mandatar, s. mandat 1. mandate, s. mandat. mandatebrot, s. mandat 3. mandatsbrief, s. mandat 1. mandatssache, s. mandat 4. mande, die; zu mand(e) ›Korb ohne Henkel‹ (Dwb 6, 1534). ›aus Weiden geflochtener größerer henkelloser Korb zum Tragen von Lasten‹; auch: ›größerer Bottich‹. − Wmd. − Bdv.: vgl. behältnis 4, 1bere 1, (-)korb, stok 16, zeine. − Wbg.: mandenmächer (a. 1358 ff.).

mandel, die (meist) / der ; -π (für die), -s (für der) / -n; über mhd. mandel, ahd. mandala aus spätlat. amandala (Kluge/S. 2002, 595). 1. ›Mandel, Samen von prunus amygdalus‹; die Belege beziehen sich vor allem auf die Mandel in wirtschaftlichen Zusammenhängen (z. B. als Handelsware; oft im Orientierungsfeld mit anis, feige, honig, kümmel, latwerge, pfirsich, reis, rosine, weinbere, würze, zucker u. a.), bei der Zubereitung von Speisen sowie als zeichenhafte Größe in der Sinnwelt ,Religion‘. − Synt.: mandeln säen / nemen ›rauben‹, in honigwasser legen, der stecke mandeln tragen, jm. mandeln bringen; mandeln süsse / bitter sein, die m. eine rauchige eigenschaft haben; für mandeln seidelbast essen, butter mit mandeln sieden / vermischen, jm. (gute) speise von mandeln kochen, zieger von mandeln machen; die nus der m.; x zentner / pfund / tonnen mandel(n); die bittere / süsse / lautere m., der zucker1

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mandel

süsse m. (Anrede an die Minne-Dame, fiktional); m. der götlichen blume (gen. explicativus für Christus); mandel der freude; der kern, die frucht des mandels. Wbg.: mandelbach (bezogen auf weib, Minnedame), mandelkäse ein Gericht aus Mandeln, Milch und Zucker, mandelkuche, mandelmus, mandelsüs, mandeltorte, mandelwecke, mandelzelte (Gw zu mhd. ze¨lte ›Kuchen‹). Ziesemer, Marienb. Ämterb. 137, 5 (preuß., 1399): liz bruder Buntschu daz kuchenampt [...] 4 tonnen mandeln, 4 korb rosynecken, item 4 tonne rys. Luther. Hl. Schrifft. 4. Mose 17, 8 (Wittenb. 1545): fand er [Mose] den stecken [...] grunen / vnd die blüet auffgangen vnd mandeln tragen. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 387, 5 (Köln 1610): daß du [Jungfraw] von dem Taw des heiligen Geists vns die sÈsse o mandel der GËttlichen blumen solst gebehren. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 22, 30 (osächs., 1570/7): thue aber ein wenig sauerteig oder bittere mandel oder ein imgberzehe darein (in den Wein). Ebd. 269, 33: Kern zu seen. Mandeln, morellen, amorellen, pfirschken und kirschkernen die lege drei tag in honigwasser, see sie in ein gut geelb erdrich. Hajek, o Gute spise 72 (rhfrk./nobd., um 1350): Wilt du machen aber einen kese von mandeln, so nim mandelkern [...] vnd gÈz o einer guten milich dor zvo [...]. laz in erkalden vnd lege in in einen kese napf [...]. daz heizzet ein mandelkese. Ebd. 73: So du denne wilt machen einen mandelwecke, so [...]. Ebd. o 74: So du wilt mandelkuchin machen, so [...]. Pyritz, Minneburg 2312 (nobd., Hs. um 1400): Ich forcht mir sy vergiftet 兩 Min freudenricher wandel, 兩 Daz ich fur [›statt‹] freuden mandel 兩 Werde eßen leides zeidelbast. Ebd. 3588: Ey zucker sußer mandel, 兩 Min susser trostes krisem, 兩 Min sußer drehender bysem, 兩 Nym mich in die gnade din! v. Groote, Muskatblut 42, 9 (nobd., 1. H. 15. Jh.): Wib suesser nam, wib richer stam, 兩 [...] 兩 du bist ein suesser mandelbach! 兩 [...] 兩 sprechent wol dem wibe die yren lib 兩 in dugent gen uch mildet! Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 232r, 1 (md./oobd., 1446/8): niem dy mandel, wen dy haben ein / rauchic ey¨genschaft. Mayer, Folz. Meisterl. 74, 143 (nobd., 1517/8): O pamarancz, malogranat, 兩 Dw [Fraüw, Maria] carioffel und müscat, 兩 Des mandels kerns war legerstat 兩 Ich mein deins süns so fron. Sachs 17, 361, 9 (Nürnb. 1563): Die hetten gut vogel und fisch 兩 Und darzu ein köstlich gemüß 兩 Mit würtz, zucker und mandel süß. Merk, Stadtr. Neuenb. 89, 38 (nalem., 1499): von einem sack mit mandel sechs phenning (an Zoll). Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 193, 17 (Straßb. 1466): bringt gaben dem mann: ein lu´tzel hartzes vnd honiges vnd latwerigen vnd mirren tropffen vnd therebint. vnd mandeln [Eck 1537: mandelkern]. Dasypodius 128r (Straßb. 1536): Maza, Ein mandelzelte / nusso / vngeseürt brot. Welti, Stadtr. Bern 460, 8 (hakuchen i figen II ß. lem., 15. Jh.): Ein zentner ris, mandel, trubel, Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 8 (Genf 1636): MandelsÈsz / SÈß wie ein mandel. M¸ller, Welthandelsbr. 163, 6 (schwäb., 1506): lutter mandel, der nyt in den stainen,

sunder ausgesc(h)lagen, verkouft man nit by dem meß. Stopp, Kochbuch S. Welserin 49, 1 (Augsb. 1553): Ain gu´t mandelmu´sß machen [...]. Ebd. 116, 1: Ain mandeltorten zu´ machen / Nim ain fierdu´ng mandel [...]. Eis, Gesundheitsl. 115, 11 (oobd., 1520/30): Die buther neret den leib [...], vnd zumal wann man sy mit mandeln vnd zuckar vermischet. Ebd. 156, 22: Von den mandeln. Sy seyn czweyerleye, süsse vnd bitter. [...]. Man benymt den mandeln ir schaden, wann man sy legt yn eyn warm wasser. − Toeppen, Ständetage Preußen 1, 220, 2; Ziesemer, Gr. Ämterb. 704, 41; Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 150, 16; Hajek, a. a. O. 71; Pyritz, a. a. O. 5443; Scholz, a. a. O. 231v, 24; Fastnachtsp. 784, 23; Thiele, Minner. II, 13, 156; Kl‰ui, Schweiz. Urbare 3, 314, 34; Adrian, Saelden Hort 7126; Lindqvist, K. v. Helmsd. 440; Stopp, a. a. O. 63, 2; 111, 1; Dasypodius 377r. − Vgl. ferner s. v. ambrosine, anis.

2. ›Mandel (im Nasen-Rachen-Raum)‹. − Wbg.: mandelgeschwer (Bw auch im Pl.: -n). Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, S. 192 (1658): halß flüß, oder so die mandel geschwullen ist. Dasypodius 240r (Straßb. 1536): GeschwÁr inwendig am halß / mandel geschwÁr. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 3 (Genf 1636): Mandeln / im Halse. Ebd.: mandelngeschwer [...], Glandrum inflammatio.

mandel, der/die/das; −/-π oder -e; in den Wörterbüchern über mnl. mandele (Verwijs/Verdam 4, 1091) aus mlat. mandala (Kluge/S. 2002, 595; Pfeifer, Et. Wb. 2000, 833) hergeleitet; bei van Veen / van der Sijs 1997, 536 wird Verwandtschaft mit lat. manipulus angenommen; Herkunft, Wortgeographie und Wortgeschichte geben Fragen auf. 1. ›Garbenstand des Getreides‹; im einzelnen mit Tendenz zu ›meßbare Menge von Getreidegarben‹ (dies auch als Abgabe). − Bdv.: frucht, 1garbe, haufe 9. − Synt.: die mandeln anzünden / einsammeln, stehen / liegen lassen, die zehente m. geben (als Regale); sich unter einen m. legen, vieh unter die mandeln treiben; der 30. m. kornes (Abgabe). − Wbg.: mandelkrähe ›Blaukrähe‹ (die sich zur Erntezeit auf den Garbenständen niederläßt; a. 1603; vgl. Suolahti, Vogeln. 1909, 16), mandeln ›Garben zu mandeln zusammenstellen‹ (auch als zählbare Einheiten für die Zehntveranlagung; a. 1358; 1520; bdv.: schocke). 2

Lappenberg, Fleming. Ged. 204, 284 (1638): Die Ernte bricht herein; 兩 wer Korn hat ausgesät, der samle Mandeln ein!

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mandelbach − mandelkern

Luther. Hl. Schrifft. Ri. 15, 5 (Wittenb. 1545): [Simson] lies sie [Füchse mit angezündeten Schwänzen] vnter das Korn der Philister / Vnd zündet also an die Mandel [Froschauer 1530: garben; Eck 1537: fru´cht] / sampt dem stehenden Korn. Ebd. Hos. 12, 12: Vnd [sie] haben so viel Altar / als Mandel [Mentel 1466 / Eck 1539: hauffen; Wormser Proph. 1527 / Froschauer 1530: steyn hauffen] auff dem felde stehen. Ebd. Rut 3, 7: [Boas] kam vnd legt sich hinder einen Mandel [Froschauer 1530 / Dietenberger 1534 / Eck 1537: hauffen garben o. ä.]. Winter, Nöst. Weist. 4, 273, 10 (moobd., 1657): So ernt- oder schnitzeit ist, so solle keiner dem andern unter das abgeschnittene trait, heifel und mandl [...] weder pfert rintviech schwein noch die schäfferei treiben. − Byland, Wortsch. Zürcher AT. 1903, 53; Rwb 9, 105 f.; Schles. Wb. 2, 842.

2. ›Anzahl von 15 Stück einer zählbaren Sache‹ (in Inventarlisten im Orientierungsfeld mit der gros, lot, schok u. ä.), seltener ein Raummaß, dann: ›Stapel, Stoß (z. B. von Holz)‹; wohl auch ein Gewichtsmaß (in: x mandel -fisch); eine mandel wird relativ zur Bezugsgröße als wenig oder als viel gewertet; vgl. die Belegkommentare. − Synt.: ein m. eier haben, unter die henne legen, eine m. von etw. kriegen; etw. mer dreier dan mandel eier kosten; eine ganze m.; x mandel(n) bratwürste / bakfisch / ferkel / fleisch / geldes / gelöte / groschen / hüner / lämmer / schüsseln, spiesse rindfleisch, x mandel holzes; x schleien m. Ziesemer, Marienb. Konventsb. 87, 5 (preuß., 1402): 3 m. und 4½ sc. vor 3 mandel eychens holczs czu pfelen. Ders., Gr. Ämterb. 116, 5 (preuß., 1477): vihe im hofe: item 4 klepper, item 1 schock alde schofe unnd 18, item 3 mandel junge lemmer. Toeppen, Ständetage Preußen 5, 692, 38 (preuß., 1522): 1 slein mandel, von der mark 1 schill. Luther, WA 49, 227, 9 (1541): Wir kriegen, quanquam pauci nos audiunt, ja ein Mandel (›eine ganze Menge‹) / vom grossen hauffen. Ebd. 436, 7 (1544): Heut hat sie ein Mandel Eyer, dieselben leget sie unter eine Henne. Peil, Rollenhagen. Froschm. 236, 5902 (Magdeb. 1608): Danck ich Gott / das der Teuffelin / 兩 FÈr zorn nicht war kommen in sinn / 兩 Das vielleicht mein Peltz gËlt mehr dreyer / 兩 Denn sonst jhr Hun / vnd mandel Eyer (hier eine geringe Menge). Lippert, UB Lübben 2, 59b, 20 (osächs., 1428): Cerstan Lederman hod gelabit 3 sch. von Peter Geternicz wegen und Pawil Stelmecher fumff mandil g. deme rathe. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 245, 9 (nwböhm., 1578): In pächen [...] gefischt, etlich hecht, Vnd Je Wol bey¨ [...] 3 mandl [hier möglicherweise Gewichtsangabe] backVisch gefangen. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 191r, 9 (Leipzig 1588): Das sind also die furnempsten Regeln / an der Zahl eine gantze Mandel [›eine ganze Menge‹] / Die vns erinnern / das es nicht ein schlechte oder

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leichte Sache sey / gute Freundschafft zu bestettigen. − Ziesemer, Marienb. Konventsb. 61, 16; Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 102, 22; 113, 43; Ziesemer, Gr. Ämterb. 51, 24; 243, 20; Rwb 9, 105.

mandelbach, s. 1mandel 1. mandelbaum, der ; −/ auch -π. ›Mandelbaum‹; zu 1mandel 1, baum 1. − Wbg.: mandelbäumen (Adj.), mandelzweig (Klammerbildung). Reissenberger, Väterb. 27586 (md., Hs. 14. Jh.): Jesus, der selen brutgoum. 兩 Du bist der edele mandelboum. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 113, 23 (osächs., 1570/7): Mandelzweige auf pfirschingbeumen und pfirschingzweigle auf mandelbeume inoculirt habe ich gesehen [...] gros wachsen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 143, 15 (Straßb. 1466): jacob der nam gru´n papelbaum ruten vnd mandelbaum [Var. 14752−1490: mandelbÁmen]. Ebd. 8, 115, 19: Der mandelbaum blu´et: vnd der heuschreck wirt derfaist. Bremer, Voc. v opt. 48069 (wobd., 1328 f.): Amigdalus mandelbon [...] est species arboris cunctas alias arbores preueniens in florendo. Et est nomen Grecum. Et eius fructus Grece dicitur amigdalum; sed Latine dicitur nux longa. Rauwolf. Raiß 24, 24 ([Lauingen] 1582): MandelbÁum / Sebesten, deren frücht in vnsern Apotecken / auch vnder disem Namen zufinden. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 342, 20 (oobd., 1349/50): ain pfersichpaum. der geleicht sich an vil dingen dem mandelpaum. − Schmitt, Ordo rerum 372, 1. − Vgl. ferner s. v. baumgarte 1.

mandelbäumen, s. mandelbaum. mandelgeschwer, s. 1mandel 2. mandelkäse, s. 1mandel 1. mandelkern, der. ›Mandel, Mandelkern‹; religiöse Bezüge ähnlich wie bei 1mandel 1. − Hohe Belegdichte für die Sinnwelt ,Religion/Didaxe‘. − Synt.: m. nemen / stossen / verscharren; der süsse ein m. sein; der pfirsichkern dem m. gleich sein; campfer mit einem m. getötet, von m. milch machen; der bittere m.; der m. der süsse (für ,minne‘). Wbg.: mandelkernen (Adj.). Peil, Rollenhagen. Froschm. 99, 1771 (Magdeb. 1608): Darauff im Silber stunden rein / 兩 Mancherley Eyero kÈchelein. 兩 Rosinlein / Zucker / Mandelkern. Hajek, Gute o spise 24 (rhfrk./nobd., um 1350): Daz ist auch gut. Nim mandelkern, mache daz in siedeme wazzer, stoz sie. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 217, 35 (osächs., 1570/7): genommen einen jungen Merzenhasen, [...], den balg, faiste und gaile, bilsamkraut, zeitlosen, [...], campfer mit einen mandelkern getödtet. Solches alles in den hasenbalg gethan (zur Herstellung für hasenschleifen ›Lockmittel für Hasen‹). Ebd. 258, 8:

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mandelkernen − mandelreis

Du magst auch castanien, pfersch und mandelkern disen monat in töpfe mit erden vorscharren, das sie auskeumen. Pyritz, Minneburg 900 (nobd., Hs. um 1400): Du [Mynne] bist der suße ein mandelkern. Stamm, Schwarzw. Pred. 2, 202 o (wobd., 14. Jh.): Also nam herre Iacob alberin ruta vnd mandelkernin. vnd ahËrnin. P‰pke, Marienl. Wernher 14406 (halem., v. 1382): Du [Maria] liechter morgensterne, 兩 Du sÈsser mandelkerne, 兩 Du klaru´ fin, du Gottes schrin. Lindqvist, K. v. Helmsd. 446 (halem., Hs. um 1435): Das Maria die raine zart 兩 Gebar wider naturlich art, 兩 [...] 兩 Den sÈsszen mandelkerne 兩 Jhesum. Broszinski, Minner. Chir. Parva 72r, 31 (halem., 2. H. 15. Jh.): Das nu´nd ist ein pflaster von geissbacht: [...] Rp. geissbacht iiij lot, eselku´rps, [...], farine fabarum, bitter mandelkernen, iegklichs j lot, hepff von altem öli, [...], mach ein salb. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 342, 33 (oobd., 1349/50): der pfersich kern ist ainem mandelkern geleich, aˆn daz er pitter ist sam die pittern mandelkern. Rechn. Hermannst. 145, 11 (siebenb., 1494): a Martino Regner de Coloszwar mandelkeren emptas eodem die libras 11 pro flor. 1 den. 40. − Keil, Peter v. Ulm 242; Spechtler, Mönch v. Salzb. 18, 10; Schmitt, Ordo rerum 372, 2. − Vgl. ferner s. v. abrüren 1, anis, behemisch 1.

mandelkernen, s. mandelkern. mandelkrähe, s. 2mandel 1. mandelkuche, s. 1mandel 1. mandelmilch, die. ›Mandelmilch, milchähnlicher Saft aus Mandelkernen‹; dient außer der Speisezubereitung auch therapeutischen Zwecken; zu 1mandel 1. − Fachliche Texte. Follan, Ortolf. Arzneib. 114, 5 (rib., 1398): Van dem sweren dez maghen. [...] gif eme mandel mylch to drinkende. o spise 13 (rhfrk./nobd., um 1350): Zvo geHajek, Gute o fÈlten kuchin nim do des briz [...] vnd tuo dar zvo ein wenic brotes [...] oder daz dicke von der mandel milich. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 213r, 21 (Hs. 2nalem., um 14009): Wer gebrochen win welli machen gestendig, / der nem mandelmilch. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 419, 18 (oobd., 1349/50): wenn man daz reis seudet mit mandelmilch, soˆ fuoret ez paz wan sunst. Strauss, A. v. Villanova dt. 161r, 18 (obd., Hs. 1421): Sy machent, daz sy wol werden bruntzen vnd daz duto auch mandel mylch. − Hajek, a. a. O. 24; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 192.

mandelmus, s. 1mandel 1. mandeln, s. 2mandel 1. mandelnus, die. ›Mandel, Mandelkern‹; zu 1mandel 1. − Bdv.: 1mandel 1, mandelkern.

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Euling, Kl. mhd. Erz. 702, 9 (nobd., E. 15. Jh.): das dü vil suesse mandelnuß 兩 solst werden hie ein milter fluß, 兩 ein muter, der driveltikeyt. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 67, o die so waren geweiterter 19, Var. (Straßb. 1466): die blumen: bletter gebildet in die mandelbaum [Var. 14752−1518: ... geformet in mandelnuß; Luther 1545, 4. Mose 17, 8: mandeln]. − Bremer, Voc. opt. 48167; Dasypodius 237v.

mandelöl, das. ›Öl aus 1mandel 1‹. Keil, Peter v. Ulm 114 (nobd., 1453/4): Ein salb zu kurtzen adern. Nym wild katzen-smaltz ij lot [...] vnd ij lot wermut-öl vnd ij lot mandel-öl. Goldammer, Paracelsus 4, 248, 6 (1530): nun ist sein [horn des einhorns; realer Hintergrund: Stoßzahn des Narwals, ein Präservativ gegen Gift und mittelalterliches Heilmittel] art, daß mit mandel ol bereit wird. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 389, 30 (oobd., 1349/50): der swarzen kichern kochwazzer [...] zepricht den stain in der plaˆtern und in den niern, wenn man si kocht mit mandelöl. − Rohland, Schäden 474; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 192.

mandel兩1reis, das; Gw über mhd. rıˆs ›Reis, Zweig‹ (Lexer 2, 455) aus (m)lat. risum, risus (Kluge 2002, 754). ›Zweig, Reis des Mandelbaumes‹ (in dieser Bedeutung im eigenen Material nicht belegt); in tropischem Gebrauch mit Bezug auf religiöse Bezugsgrößen: ›Maria‹; ›Brot des Abendmahls‹; zu 1mandel 1. Gille u. a., M. Beheim 160, 10 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Du [himel prot] palsam und du crisam, 兩 du pluendiges mandel reis, 兩 du aphel in dem paradeis. Euling, Kl. mhd. Erz. 738, 50 (nobd., E. 15. Jh.): das edel pluens mandelreys 兩 ward frucht von himelgeystes taw [Bezug auf virgo, magt]. Mayer, Folz. Meisterl. 87, 9 (nobd., 1517/8): Dw [virgo ... Maria] wünigkliches paradeis, 兩 Dw wol gezirtes mandelreis. Spechtler, Mönch v. Salzb. 6, 20 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Maria guete, 兩 edle Jesse bluende ruete, 兩 mandelreis.

mandel兩2reis, der ; Gw über mhd. rıˆs ›Reis‹ aus mlat. risum (Kluge/S. 2002, 754). eine wohlschmeckende, aus Mandeln (Mandelmilch?) und Reis zubereitete Speise; zu 1mandel 1. Kurz, Waldis. Esopus 4, 90, 19 (Frankf. 1557): Mit WÈrtz, Rosinen, Mandelreiß 兩 FÈltens das Schwein mit gantzem fleiß. Spanier, Murner. Schelmenz. 40, 36 (Straßb. 1512/3): Das er ein solche wÈste spyß 兩 nit mer anricht für mandel ryß. Michels, Murner. Badenf. 25 (Straßb. 1514): Gotts gegenwürt würt sin sin spis; 兩 Für die / es er kein mandelris. Fuchs, Murner. Geuchmat 1322 (Basel 1519): fruntlich wort sindt der geuch spiß, 兩 die er an nem für

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mandelsüs − mane

mandel ryß. Kurz, Murner. Luth. Narr 4151 (Straßb. o o die speiß, 兩 Ein bruch verschluckt 1522): habt ir versucht in mandelreiß. Wiessner, Wittenw. Ring 2197 (ohalem., 1400/08): Ampfern und nit mandelris, 兩 Äphel saur daz was ıre spis. − Kurz, a. a. O. 2, 32, 12.

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›essen‹. − Wbg.: manducation. Rot 327 (Augsb. 1571): Manducirn, Essen / geniessen. Ebd.: manducation, Essung / niessung.

Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 140, 19, Var. (Straßb. 1466): Wann ruben gieng aus in der zeit des schnites des waitzen er fand alrum [Var. 15752−1518: mandragoras; Luther 1545, 1. Mose 30, 14: Dadaim, mit Randglosse] auff dem acker. Sudhoff, Paracelsus 10, 170, 18 (1536): dieselben arzneien seind die stupefactiva, als fröschlaich, öl von mandragora und irs gleichen, und die brauchen so lang bis die schmerzen [...] genomen seien.

mane, 3man, mon, teils mit auslautendem -d; der ; manen (meist), auch manes / mane (vereinzelt für 1), -en. 1. ›Mond‹; in den Belegen dominieren der Mond als von der Sonne gespeister Lichtkörper, der Zyklus seiner Sichtbarkeit, seine Position in der Schöpfung. − Phras.: der wachsende / volle mane. − Synt.: den manen eren, (nicht) sehen, got den manen schaffen; der m. zunemen / bleich / vol / neu / fleckicht sein, schwarz / vol / neu werden, schein geben, den schein verlieren, gebrestenliches liecht haben, der sonne / erde nahe sein, von der sonne sein liecht nemen, erleuchtet sein von einem liecht, herschaft über etw. haben, in ein rad gesazt sein; ein stella als ein m. leuchten; got dem manen farbe / glanz geben; an dem manen zeichen ergehen / geschehen, der schatten (des erdreiches) an den manen triefen, der schein in den manen leuchten, die sterne den schein in den manen giessen, die sonne glast über den manen geben; der m. der leutseligen menschheit; der halbe m. (ein Körpermal), der liechte m.; das liecht, der kreis / gleicher / fürer, die sidera des manen. Wbg.: manaffe (a. 1563; Lemmaansatz und Zuordnung unsicher; hierher? vgl. Schweiz. Id. 1, 101, dort trotz Zweifeln Zuordnung zu Mond; im Index des Idiotikons erscheint Manaff; dazu bdv.: merkatze), mänelein ›mondförmiges Zierstück‹, 1mänen ›etw. mondförmig schmieden‹, manenschein, mangebreche ›Mondfinsternis‹ (Gw zu gebrechen, der, 1; 2), manhof, manmilch ›weißliche, schaumartige Masse in den Klüften der Kalkalpen‹ (bdv.: steinmark; s. Schweiz. Id. 4, 203), 2manscheiniger, mansüchtig, manwendiger, manwendigkeit9 wohl jeweils für eine Person bzw. eine Stimmung, die auf den Mondwechsel zurückgeführt wird (s. auch mänig, Adj., 2), manstafel ›Mondtabelle (im Kalender)‹ (E. 15. Jh.).

manducation, s. manduzieren. manduzieren, V.; aus lat. manduca¯re ›kauen‹ (Georges 2, 793).

Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 3, 18 (preuß., M. 14. Jh.): an deme tage wirt der herre ablegen cyrde des geschudes und bellechin menelyn, halsgesmide und vurspan. Quint, Eckharts Pred. 1, 141, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): Als ein morgen-

mandelsüs, mandeltorte, mandelwecke, mandelzelte, s. 1mandel 1. mandelzweig, s. mandelbaum. mandement, s. mandat 1. mandenmächer, s. mande. mandienst, manding, s. 1man (der) 8. mandieren, V. 1. ›(jm.) etw. befehlen, gebieten‹. − Bdv.: 1befelen 2, gebieten 3, 1heissen 5, ordnen, setzen, verschaffen; vgl. anschaffen, ansetzen 7, anweisen 2, auferladen, aufladen 3, auflegen 11, beschreiben 14. Lichtenstein, Lindener. Katzip. 277 (o. O. 1558): Derhalben wir [...] einem yeden falter oder thor, [...] ernstlich gebieten, befelhen unnd auf juristisch mandiern, das [...]. Sachs 20, 260, 15 (Nürnb. 1556): [Ir weiber] Habt ubern senat klag fürbracht, 兩 Das im ein rhat nie hat gedacht, 兩 Zu ordnen, setzen, noch mandirn 兩 Das stück, welches euch ligt im hirn. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 601, Fußnote (halem., 1534/5): es wÁrend ettlich verbott bschechen und mandiert. Rot 327 (Augsb. 1571): Mandirn, Schaffen / heyssen / gebietten / befelhen / beuelch geben / Jtem vertrawen. − Vgl. ferner s. v. 1befelen 2.

2., s. mandat 4. mandollis, der ; etymologische Einordnung? ein Schlaftrunk. − Piirainen, Stadtr. Sillein 100 (a. 1509). mandragore, die; über lat. mandragora¯s aus dem Griech. (Georges 2, 793). ›Alraun‹ (›eine Pflanze, aus deren Äpfelchen und Blättern ein öliger Absud hergestellt wird‹; so Lehmann, Rezeptb. 217).

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mane

sterne [...] und als ein voller maˆne in sıˆnen tagen und als ein widerschıˆnendiu sunne alsoˆ haˆt dirre [stella] geliuhtet. Ebd. 156, 1: Der maˆne haˆt heˆrschaft über alle viuhte natuˆre. Niemer enist der maˆne der sunnen soˆ naˆhe, dan soˆ er vol ist und als er sıˆn lieht von der sunnen zem ˆersten nimet; und daˆ von, daz er der erde næher ist dan kein sterne, soˆ haˆ er zweˆne schaden: daz er bleich und vleckeht ist und daz er sıˆn lieht verliuset. Thiele, Minner. II, 25, 12 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): wes die mane of die zonne 兩 bescreven onder o o haint van guede, 兩 daz steit in reynre wyben muede. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 1634 (rib., 1444): dat is dat rat 兩 Da der maene is in gesat 兩 Ind alwegen ynne loufft aen underlaissen. Beckers, Bauernpr. 57, 16 (Köln 1515/18): Wann˜ der kerstach kompt an wassende maen / so wyrt ey˜ guit jair. Jostes, Eckhart 13, 23 (14. Jh.): Dan so ist der tag am hËhsten, und geuzet di sun irn schein in di sterne, und di sterne giezen irn schein in den man, daz ez allez geordent wirt under di sunne. Schmitt, Ordo rerum 21, 23 (omd., 1466): Halo manhoff circulus qui apparet circa lunam. Gille u. a., M. Beheim 75, 32 (nobd., 2. H. 15. Jh.): uns dienet sunn und monen schein, 兩 die erd machens uns fruchtig. Voc. Teut.-Lat. t vv (Nürnb. 1482): Ma˜sche˜iger. lunaris. od‘ meniger od‘ ma˜we˜diger -we˜tigkeit. Vetter, Pred. Taulers 47, 10 (els., E. 14. Jh.): Unser herre sprach: ,ich bin ein lieht der welte‘. [...]. Und von diseme liehte sint erlu´htet alle lieht in ertrich, liplich, also die sunne und der mane und die sternen und die liplichen sinnen des menschen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 10, 130, 18 (Straßb. 1466): IN dem tag wirt ein offenbar brunn dem haus dauids [...]: in abwaschung des su´nders vnd der mensu´chtigen [Var. 14752−1518: monedsÈchtigen; damit Bezug auf mane gesichert; Vorlage Vulgata: menstruatae; Schreibung mensüchtig wohl Anlehnung an mens, menstruatata der Vorlage; dem entspricht das bei Luther, Sach. 13, 1 gebrauchte Vnreinigkeit]. Sudhoff, Paracelsus 9, 217, 4 (1531/5): sie haben nie gedacht [...] der verenderung der frauen in irem inwendigen leibe durch die sidera des mannes. Barack, Teufels Netz 9722 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): er [samen] soll uff gan 兩 So nüw wirt der man. Koppitz, Trojanerkr. 5112 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): uff die zitt 兩 Daz der lı¨chtte mone gitt 兩 Sinen völlenklichen schin. B‰chtold, H. Salat 277, 26 (halem., 1536): [ein o uf die gar selzam monstrum] vor an der brust dri buchstaben form 7XV, mit einem halben maan, dri rot flamen über den buch ab. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 423, 3 (halem., 1534/5): Vinsternus des mans / das jst vergessung der grechtikeytt des welltlichen staats. Plant u. a., Main. Naturl. 298v, 24 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): vn˜ dez ertriches schatewe driffet an den manen dc er swarz wirdet d s gebreste heizit eclipsis lune dc ist ein gebreste dez manen un˜ ist werlichen ein breste dez maneschines denne der breste den d s sunne widervert. Ebd. 299rb, 9: dc der mane gebrestenlich lieht habe vo˜ eime manade an den andere˜. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 14, 14 (noobd., 1347/50): der selb mongeprech, der uns scheint in der ersten stund der naht, der scheint den leuten gegen der sunnen aufgank Èmb die dritten stund dez nahtes. Ebd. 56, 30: der geleicher des monen ist ain zupÈncti-

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ger ›konzentrischer‹ kraiz dem ertreich. Ebd. 57, 1: dez monen fÈrer ist ain auzpÈnktiger ›exzentrischer‹ kraiz. Spechtler, Mönch v. Salzb. 8, 50 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Als die sunn geit liechten glast 兩 über man und über stern, 兩 also traistu [mueter] der wirde last. Klein, Oswald 2, 13 (oobd., 1421): Die sunn, der man, der sterne kranz, 兩 den plümlin auf der haid, 兩 den geit er [gott] farb und liechten glanz. Turmair 4, 16, 34 (moobd., 1531): A, [...], hat bei den Teutschen ain große gemainschaft mit dem O, weicht ainer dem andern, als in dem wort ,man mon‘ steˆt ainer für den andern; und die paurn sprechen gemainiglich o, wo die in stetten a prauchen als ,tage toge‘. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 1268 (moobd., A. 15. Jh.): Darumb erten ettleich [hayden] [...] daz firmament mit der sterne lauf, ettleich daz wasser, etleich die sunnen, ettleich den manen. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 16580; Quint, a. a. O. 2, 594, 6; Jostes, a. a. O. 27, 37; Gille u. a., a. a. O. 75, 28; 301, 160; Stedtfeld, Roger-Glosse 89; Bihlmeyer, Seuse 112, 16; 174, 24; 407, 5; Vetter, a. a. O. 200, 31; Stammler, Berner Weltger. 103; Morrall, Mandev. Reiseb. 140, 19; Chron. Augsb. 1, 42, 4; Bre´ vart, a. a. O. 9, 23; T¸rk, Wortsch. Dietr. v. Gotha. 1926, 77; Schweiz. Id. 8, 810; 12, 532 − Vgl. ferner s. v. abnemen 4, anblik 6.

2. ›Monat (als Angabe des Zeitraumes und der Zeiterstreckung)‹. − Bdv.: vgl. mänheit, manot. − Synt.: x mane warnemen; 2x mane kindes gehen, vor [einer Stadt] liegen, einen schweren leger haben, eine zweitracht x manen stehen, der stul [des Papstes] x manen ane bleiben ›unbesetzt bleiben‹9, jeweils mit Akk. der Zeiterstreckung; x mane (Subj.) ausgehen ›vergehen‹; ein m. Adar heissen; in einem m. viel finstere ›Finsternisse‹ werden; der 10. tag des manes; der sinne, des manen, der gewonheit m. Wbg.: manstunde ›wiederkehrende Stunde pro Monat, ein kirchliches Totengedächtnis‹, manzeit (wie manstunde, analog zu jarzeit). Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 25483 (preuß., um 1330/40): Dıˆ zwitracht vorwaˆr 兩 stuˆnt vıˆr maˆnden und zwei jaˆr. Ebd. 25503: Sint der stuˆl paˆbist aˆne 兩 bleib achtundzwenzic maˆne. Helm, Maccabäer 7067 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): die andre hochzit ouch vil zart 兩 was in dem manden hiez Adar. Chron. Magdeb. 2, 163, 5 (nrddt., Hs. 1601): Derhalben Vigilien, Seelenmessen, Mohnzeit, Jahrzeit etc. fur die Verstorben Christen zu halten, ist nicht allein nerrisch. Ebd. 205, 15 (1525): [sie] beslossen, daz sie in ernanthen zweyen manzeyten uff die vorangezceigten artickel [...] andtworten wollen. Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 1, 276, 13 (rib., 1533): dat die pastoere [...] die erven ader bewanten der afgestorvenen zu haldung der begenknissen, drissigsten, maendstunden, jargeziten und derglichen nit noedigen. Bekkers, Bauernpr. 58, 9 (Köln 1515/18): Wylt yr wissen

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mane − mäne

off idt in ey˜ ygliche˜ maent schoy˜ wedd‘ sy ad‘ regen werdt. So besye in welcher vr eyn neuwer maen wyrt. Chron. Mainz 1, 11, 4 (rhfrk., 15. Jh.): also, ob ir einer abeget, daz daz antwerk oder die zunft, [...], ein ander biderwerben bescheiden man an sin stad bin einme mande kisen mogen. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 32, 26 (rhfrk., um 1435): jch gene groß kindes / vnd han nit zwene mande noch zü gene. Dienes, E. Gros. Witwenb. 76, 7 (Nürnb., 1446): der herr spricht, das nichtzen verpurgens geschicht, es wirt geoffenparet: er das zwene monden auß gyngen. Plant u. a., Main. Naturl. 300ra, 22 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): daz man drie hande manode˜ war nimet. dc die erste˜ sint der synne˜ manden. die andern sint dez manen mande˜. die dritte˜ der gewonheite manden. Drescher, Hartlieb. Caes. 262, 11 (moobd., 1456/67): Das osterlampp ward geeret an dem zehenden tag des manecz und ward an dem XIIIj tag geoppfert. Ebd. 287, 31: In dem man wurden auch vil vinster, die auch frËmd ding bedew¨tten. − Helm, a. a. O. 13853; Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 2, 11, 26; 176, 21; Buch Weinsb. 2, 84, 3; v. Tscharner, Md. Marco Polo 21, 18; Jaksche, Gundacker 4018. − Vgl. ferner s. v. aufantworten 1, augst 2.

mane, die. ›Mahnung, Aufmerksamkeit heischendes Zeichen; Aufmerksamkeit; Eindruck‹; vgl. am ehesten manen 1; 5. − Dicht für H. v. Hesler belegt, dort jeweils poetischer Gebrauch. − Bdv.: innerung 2, innigung 1, 2lere 6, manung 3. Helm, H. v. Hesler. Apok. 365 (nrddt., 14. Jh.): [Die gesicht] waz ein tief Gotes mane (es geht um den brennenden Busch). Ebd. 7937: Sin [Smaract] gruenliche brune 兩 Lutter daz gesune, 兩 Swer in mit genzelicher mane 兩 Treit und vil geschouwet ane. Ebd. 9153: Da man we tet kegen we 兩 An einer hezzigen mane, 兩 Wen zan gienc kegen zane (hier reimbedingt semantische Berührung mit mein / 2 meine?). Ders., H. v. Hesler. Nicod. 1146 (nrddt., 14. Jh.): do sach er daz volk ane 兩 − ir genuc von des leides mane. Hˆr, Urk. St. Veit 99, 32 (moobd., 1370): darumb habent si vollen gewalt [...], uns vorgenant selbtscholen und porigen zu monn zu laisten. 1

mäne, die, in 1 Beleg: der ; zum Pl. mene von mhd. man ›Mähne‹ (Lexer 1, 2023). ›Mähne (vor allem von Pferden)‹; allgemein: ›dichtes Haarbüschel‹. − Phras.: jm. (der frauen) die mäne reiben (obszön). − Bdv.: har 3, lok 1, zopf; vgl. halshar, 1kam 4, kamhar, kanz, pferdshar. − Synt.: die m. aufwehen, lang / weis sein, dem ros die m. beschoren sein, wol stehen; die hand auf die m. legen; die m. am pferd; die beschrotene / gelbe / geschleierte / schöne m.; das pferd mit der m. Wbg.: 6man (der).

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Peil, Rollenhagen. Froschm. 533, 834 (Magdeb. 1608): Vnd [das Pferd] lieff wider den Wind zur lust / 兩 Der Maen vnd Schwantz aufwehen must. Wunderlich, Fierrabr. 105, 13 (Simmern 1533): [das selbig pferdt] het auch starcke schenckel / [...] / der manen weiß / mit weiten naßlËchern. Mone, Adt. Schausp. 2, 469 (Hs. 2omd., 13919): ich helf ir ouch den flachz geten 兩 und dar czue dye mÁn ryben, 兩 alz man tÈt den jungen wiben. Sachs 16, 242, 20 (Nürnb. 1562): Da kam zu der obersten hauffen 兩 Ein schönes junges fühl gelauffen 兩 Mit einer schönen gelben mehn. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 19, 12 (Straßb. 1650): Andere haben so viel Zöpff vnd Haarlocken vmb vnd an sich hangen wie die junge Pferde mit ihren mähnen. Maaler 281r (Zürich 1561): Die MÁne an eim pfÁrd / das sind die langen haar am halß. Iuba, Iubæ. Beschrottne MÁne / die nit überig lang ist. Libertas iubarum castigata. Barack, Zim. Chron. 1, 567, 31 (schwäb., M. 16. Jh.): es reiten iren etliche über die brucken [...] uf klainen rösslin, denen ist die menin beschoren. Gereke, Seifrits Alex. 4914 (oobd., Hs. 1466): haup und orn, als es scholl, 兩 man und zagl stendt in [ros] woll. Deinhardt, Ross Artzney 278 (oobd., 1598): Wann ain gaul räch wirdt So leg die henndt creiz weiß auf die mon vnnd sprich: [...]. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 169, 4 (noobd., 1541): darauff ritt dy kayserlich majestät auff einen klainen hübsschen geulen, schlairlet män. − Wedler, W. Burley. Liber 149. 2

mäne, die; zu mhd. mene o. ä. ›Fuhre‹ (Lexer 1, 2098; Dwb 6, 1461; Schweiz. Id. 4, 298). ›Gespann von 2−6 Zugtieren (Ochsen, Pferden)‹; als Metonymien dazu: ›Zugtier‹; ›Fuhrdienstleistender‹; ›zugehöriger Wagen‹; ›Fuhre (als Resultat des Fuhrdienstes)‹; ›Gespann-, Frondienst mit einem Zugtiergespann‹; die einzelnen Verwendungen sind teils nicht klar trennbar. − Obd.; gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: fure, wagen; vgl. bettelmene, gespan (das) 1, gewäte 2, gezauwe 2, gezeug (das) 2. − Synt.: eine m. haben / halten / einspannen / tun / vermögen / wegtreiben / unterhalten; eine m. tagdienste tun, feld bauen, notdürftig (sein); sich der m. abtun; einer m. zwei brot geben, vier ros für eine m. rechnen, mit der m. dienen / bauen, [wo] überfaren, ein gut mit x mänen besetzen; die m. von 4 rossen; die eigene / fronende / ganze / starke / schwache m. Wbg.: mänbube (16. Jh.), 2mänen (dazu mit reichhaltiger Belegung: Schweiz. Id. 4, 296), mäner, mäneweg ›Feldweg‹, mängeld ›Geldablösung für die Fronpflicht‹, mänigen ›(Hunde) antreiben‹,

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manege − manen

mänknecht (ütr. auch auf den Heiligen Geist bezogen), mänpferd (a. 1533), mäntag ›Feldmaß: 1 Gespann pro Tag; ein Viertel einer Hufe‹, mänung (a. 1352). v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 340, 17 (thür., 1421): alsso qwam uff den bestaten tag grave Lodewigk unde erschellete seyne horner unde meinigete seyne hunde. Chron. N¸rnb. 5, 588, 20 (nobd., E. 15./A. 16. Jh.): es hat sich begeben, das ich disen wein zu Jphofen geladen hab und hab zu ein schwache men eingespant. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 425, 16 (nobd., 1525): Aus bedacht des spitals, der villeicht ir mene notturftig, haben wir [...]. Maag u. a., Habsb. Urbar 2, 1, 753, 20 (alem., 1394): Die luti in dem ambt tund ouch mÁninen und tagwan. Maaler 281r (Zürich 1561): MÁnen. Hortari. Den zug mÁnen. Agitare currum. Vock, Urk. Hochst. Augsb. 313, 37 (schwäb., 1401): 2 Dienste mit ainer menin (Pferd), doch daz si dez nachtz allwegen wider hainkomen mügen. Schwarz, Awürt. Lagerb. 2, 415, 31 (schwäb., 1526): Pflug, der mit ainer gantzen meny, das ist mit 4 roßen besetzt ist. Ebd. 615, 41 (1522, Hs. 1636): Unsteter Hellerzins aus Äckern, gen. mängelt (Regestbeleg). Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 60, 40 (schwäb., 1639): Es sollen auch die amptleüt zweyen bauern in jedem flecken, welche woll gemehnet sein, aufferlegen und gebüetten, daß [...]. Ebd. 786, 17 (1607): Denen [bawr] gibt man, wan sie fronen, [...] uff ain tisch ain laib brott, item jetwederer meni zway brott. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 130, 13 (schwäb., 1471): Er hatt vier rosz gespan˜et an, 兩 Die in dem veld vmb zugen, 兩 Ain Menknecht kund sy laitten schon. Ebd. 130, 149: Zwarv aller maist 兩 Der hailig gaist 兩 Der Menknecht ist gewesen! Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte 2, 248, 11 (moobd., 1526): AINES MENKNECHTS BESOLDUNG Item ainen gewagsen menkhnecht oder Puebn der Starkh [...] ist, dem soll man im Jar uber 12 ß phen und 4 par schuech und 1 loden parhosen geben. Siegel u. a., Salzb. Taid. 57, 20 (smoobd., 17. Jh.): setzt aber ainer ain poum oder mer zu dem zaun, die aufschiessen [...], so mag der selb nachtbar [...] herab maissn, als hoch er erlangen mag, damit der menner wol dardurch farn meg. − Schwarz, a. a. O. 2, 554, 15; Schnurrer, Urk. Dinkelsb. 5, 1598; 1167; Maag u. a., a. a. O. 2, 2, S. 305; Pf‰lz. Wb. 4, 1123.

manege, die; über franz. mane`ge, letztlich aus lat. manus agere ›treiben‹. ›Reitschule‹. − Jones, French Borrowings 413 (a. 1626). mänelein, s. mane 1. manen, V. 1. ›etw. wecken (z. B. den freien willen); jn. aufmuntern, aufbauen, zu etw. auffordern‹; auch: ›(ein Pferd) antreiben, anstacheln‹. − Bdv.: aufwecken 2, fordern, treiben;

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vgl. aufbringen 8, aufmuntern, auftreiben 8, herzigen, stärken 3, stochen. Luther, WA 16, 388, 28 (1524): Jch sol auff das sehen, [...], das mir gesagt ist, damit er mich manet, treibet und foddert. Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 2188, 1 (obd., Hs. A. 15. Jh.): Daz ros begunde er manen und sprengte zu in dar 兩 mit dem sturmfanen. Steer, Schol. Gnadenl. 3, 64 (M. 15. Jh.): die [gnad] ist albeg berait den freyen willen aufzewecken vnd zemonen. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 4, 41 (schwäb., 1471): Es sang ain Nachtigall wilde 兩 Von sunnen schein in grönem hag, 兩 Sy mant ain frawen pilde, 兩 In stillem kummer da sy lag. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 246, 5 (moobd., 1473/8): er mandt‘ sein ritterschaft, die ausserkoren; 兩 er jach: „Acht nicht ir menig gross!“ − Steer, a. a. O. 3, O1, 87.

2. ›etw. zu leisten anmahnen, verlangen, einfordern; jn. mit Nachdruck zu etw. (zu einer Handlung, Haltung, zur Zeugenaussage, zur Erinnerung) auffordern, aufrufen‹; zur Differenzierung der Aufforderungshandlung im Rechtsbereich vgl. das Rwb 9, 15 f. − Bdv.: anrufen 4, bitten 1; 2, einbinden, eischen, künden, 2laden 2, lernen 2, raten, rufen, treiben, vermanen; vgl. abmanen 1, ausdingen 5, begeren (V.) 6, heischen 5. Ggs.: bitten 1; 2 (vgl. dazu den Beleg Dierauer). − Synt.: jn. (z. B. die Griechen / brüder / siechen / boten, altsessene / getreue leute, den richter / schuldner, den rat, das volk) m., etw. (z. B. einen anfal, schaden / -schatz, eine summe) m., js. kekheit m., jn. [von einem Ort weg, wohin] m., jn. etw. (pronominal: was) m., jn. des eides m., jn. an / um (z. B. um hilfe, um einen undergang) / zu etw. (z. B. zu hilfe, zu dem guten) m., jn. m., zu [...] (z. B. sich gerüst zu enthalten), jn. stetlich m., jn. m., das [...] (häufig); subst.: dem manen folgen; das götliche m. Wbg.: mangebot ›Erscheinungsgebot‹ (a. 1484). Ziesemer, Gr. Ämterb. 162, 10 (preuß., 1418): 4 scheffel korn gewis inczumanen, item 1673 scheffel habir gewis czu manen. Quint, Eckharts Trakt. 250, 8 (E. 13./A. 14. Jh.): Duˆ solt merken [...] war zuo duˆ von gote allermeist gemanet sıˆst. Chron. Kˆln 1, 255, 426 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): die gesellen van Hemelrich 兩 leissen des dais neit manen sich, 兩 si quamen hard scheire 兩 under der stede baneire. Leman, Kulm. Recht 1, 3, 44 (Thorn 1584): ab icht billicher altsessen vnd erbsessen vnd getruwe lute ich ee manen sulle. wenne ymant do vor getreten moge. Ebd. 4, 41: Hat abir dy vrouwe burgen do vor dy mag sy manen. Behrend, Magd. Fragen 228, 50 (omd., um 1400): Nu vrogit, ab man icht billicher die altsessen manne manen sulle, wenne sie

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manen

mit keiner rede do vor gevallen moge. Ermisch, Freib. Stadtr. 8, 3 (osächs., 1335): So mac he eines urteilis vregen: wi man in manen sulle zu rechte. Daz sal man mit dem eide. Ebd. 79, 9: Nu he brenge in [velscher] vor gerichte unde bite den richter, daz he mane di boten, ab he gebart habe, als recht si. Ebd. 107, 26: di manunge get also: „Her richter, ich mane uch, daz ir saget, waz uch wizzelich si umme di sache“. Ebd. 186, 5: wen he den richter irsatcet habe mit siben mannen, als recht ist, ab man zu rechte icht einen man manen wulle uz den sibenen, daz der sage, waz im wizzelich si umme die sache. Ebd. 187, 3: So sal in der richter manen also: „Her Heinrich, ich mane uch mit mines herren hulden, daz ir saget, waz uch wizzelich si umme die sache“. Ders., Sächs. Bergr. 45, 14 (osächs., Hs. 15. Jh.): Zo zal er den boten manen by dem eyde, ap er den stollen nachgevolget habe, alz recht sy. Vetter, Pred. Taulers 35, 6 (els., E. 14. Jh.): beschiht an in [an o den siechen] daz su´ von Gotte gemant werdent und geruffet o werdent u´bermitz suhte [...], so kerent su´ sich zu Gotte. Ebd. 36, 10: wenne er [mensche] usget unvernu´nftiklichen nach bewegunge der sinne [...] und nu´t von eime gËttlichen tribende noch manende. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 222, 32 (els., 1362): Doch lies sant Gregorie nu´t abe, er manete daz folk daz su´ von irre andaht nu´t enliessent. Dierauer, Chron. Zürich 227, 19 (halem., 15. Jh.): und zugen [...] mit ir paner us und zugen hinnach und manten all Eidgnossen, aˆn die von Bern, die baten si. Rennefahrt, Zivilr. Bern i dar umb nit 87, 17 (halem., 1404): alle die wile si von uns gemant werdent. Adrian, Saelden Hort 2059 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): er [Herodes] mande 兩 sie aides und gebotten 兩 daz si a´llu´ kint ertoten. Wyss, Luz. Ostersp. 3352 (Luzern 1571): Il [Maria] inn Egiptten von stunden an, 兩 Bis ich dich wider da dannen man. Lauater. GespÁnste 19v, 14 (Zürich 1578): darum˜ er de˜ künig Josaphat zuo hilff gemanet. Dreckmann, H. Mair. Troja 39, 16 (oschwäb., 1393): daz wir, ee daz wir den krieg mit den kriechen an hebent, si manend und ratend, daz si mir mein swester Exiona wellend wider antwurten. Chron. Augsb. 8, 32, Anm. 1 (schwäb., zu 1560): und dann etliche churÚ und fürsten, auch andere reichsstendt, [...], bereits ire provisoner, landtÚ und lehenleut in rüstung gemant und inen mit ernst eingebunden, sich anhaimbs gerüst zÈ enthalten. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 55, 52 (moobd., 1. H. 15. Jh.): der heilig ewangelist Johannes [...] ist vns manunt vnd lernt, daz wir fleissichleich merchen, welche ruerung sein von dem geiste gots. Ebd. 205, 23: das vns der himlisch chünig ladet vnd manet, das wir me¨ndleich streiten wider vnser veint. Klein, Oswald 71, 81 (oobd., 1420/1): Ir güten cristan, seit gemant, 兩 andächtiklich helft uns den fürsten flehen. Munz, Füetrer. Persibein 371, 5 (moobd., 1478/84): was er in mant, er [helld] thet alls vor im fliehen. − Quint, a. a. O. 35, 3; Koller, Reichsreg. Albr. II. 196, 36; H¸bner, Buch Daniel 7670; Ermisch, Freib. Stadtr. 177, 31; 184, 17; Gille u. a., M. Beheim 73, 101; 238, 145; Edlib. Chron. 20, 3; 27; 22, 14; 22; Wyss, a. a. O. 2826; Wolf, Norm im sp. Ma. 39, 31; Dreckmann, a. a. O. 40, 8; Plant u. a., Main. Naturl. 304r, 8; Pf‰lz. Wb. 4, 1166. − Vgl. ferner s. v. abtun 2.

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3. ›jn. zur Waffenhilfe aufbieten, zum Aufgebot fordern‹; Spezialisierung zu 1. − Wobd. − Bdv.: vgl. ansagen 7, anschlagen 22, aufbieten 6, aufkündigen 2, aufmanen 1, ausbieten 2, berufen 7, beschreiben 11. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 64, 27 (halem., 1349): daz wir von dizhin jemerme der ... burgerren von Berne i reisen gan sullen, [...] und wir dar umbe von inen mit briefen oder mit botten gemant werden. Rennefahrt, Statut. Saanen 70, 8 (halem., 1447): mit gantzer macht und mit so vil, als sie denne sy ie ze ziten manent, fürderlich nach ir i hilflich ze sinde. Bachmanung mit lib und guto getrulichen mann, Morgant 303, 13 (halem., 1530): das ir vernnemend, warumm ich üch gemantt hab: ich gloub, es sig üwer keiner, der nu˘t wu˘ß, daz ich lange zytt den krieg wyder Karly uffenthalten hab. Adomatis u. a., J. Murer. Bab. 850 (Zürich 1560): das sy manind von huß zuo huß 兩 Was das schwÁrt fÈrt und mannlich sey 兩 es sey uß eim huß zwen ald dry 兩 Das sy grüst kommind uff den platz. Chron. Augsb. 4, 425, 19 (schwäb., zu 1499): also kam der king herauff und macht frid mit den von Gellern und mannt den grossen bunt.

4. ›jn. wegen einer ausstehenden Forderung in rechtsüblicher Weise, mehrere Male, vor dem pfänder zu leisten mahnen‹; seltener: ›eine Leistung anmahnen‹; auch: ›jn. zu einer Haltung oder einer Handlung anmahnen, die von ihm innerhalb gegebener Ordnungsverhältnisse erwartet wird, jn. tadelnd abmahnen‹. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: abheischen, anlangen 6, bitten 1, fordern, heischen 3; 5. − Synt.: die klage m., jn. (z. B. den bürgen / schuldner, die suster) m., jn. eines ›einmal‹ / aber ›zum zweiten Male‹ / zu dreien malen m.; j. um das recht, um die zubusse m.; j. jn. des bundes m. ›zur Bundestreue mahnen‹, j. jn. m. zu [...], z. B. zu bezalen. Wbg.: manbürge, 2man兩tag ›Gerichtstag, in dem über ein strittiges manlehen verhandelt wird‹. Peil, Rollenhagen. Froschm. 175, 4034 (Magdeb. 1608): So bitt er [Kauffman] / Gott wolt jhm nichts geben / 兩 Ohn das Niemand mahn bey seim leben. Grosse, Schwabensp. 146a, 31 (Hs. 2nd./md., um 14109): Man sol de o o o manen, daz Se sich des wuchers abe tun. Hilliger, wuchere Urb. St. Pantaleon 316, 22 (rib., 1490): dat yrste sij darumb zo drijn mailen gemaynt werden, yeder manonge vierzien dage na der andere zo reichenen. Cirullies, Rechtsterm. Anh. 1981, 251 (rhfrk., 1359): Hartman Zegeler manit sin clage uff Henchin Daduz. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 15, 10 (hess., 14. Jh.): Obe keine sustere werde ober ungehorsam [...] wederwurdich wesende die heilge regele, unde die geboth

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manen

der altfrauwen versmet, die sal gemanet werden al na godes gebothe eines und aber geswesliche von den altfrauwen. Behrend, Magd. Fragen 166, 3 (omd., um 1400): Manet eyn man den andern buszen gerichtes, der antwertter spreche also: ich habe nicht geldis. K¸ther, UB Frauensee 129, 37 (thür., 1356): daz wir burgen und selbschuldege sin worden und wollin gutlich leyste, abe wir gemand werdin. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 454, 8 (osächs., 1523/4): da trat der cleger fur gehegter pank, dem recht gelobt was, und mant umb das recht. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 122, 4 (schles., 1559): da man um ausständige zubuss hüttenkost und dergleichen zu mahnen hette. Lemmer, Brant. Narrensch. 71, 7 (Basel 1494): [Do mit] man der gerechtikeyt entfliech 兩 Lont sie sich bitten / triben / manen 兩 Echten / verlüten / vnd verbannnen. Roder, Hugs Vill. Chron. 48, 19 (önalem., 1513): In dem do manat der herzog von Megland di Schwitzer sines puntz. Welti, Stadtr. Bern 122, 4 (halem., E. 14./A. 15. Jh.): Wele, judo oder christan, offen o wucherer, gewissheit vmb gelt nimet, der sol inderhalb dem jare i darnach, [...], sin gelt vordern vnd sin burgen manen. Boner, Urk. Brugg 378, 7 (halem., 1529): inhalt eins briefs, des anlas ist: [...] manburg: Conrat Spilman. Maaler 282v (Zürich 1561): Die schuldner Manen zebezale˜ / die schuld hËuschen. Rennefahrt, Zivilr. Bern 200, 29 (halem., 1595): und ersuchte, zuo handhabung sines rechtens imme ein mantag zevergünstigen, söllichen spann daselbst zeerörteren. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 343, 35 (schwäb., 1600): so sollen hinfurt alle des Hailigen zinß, gülten, schulden und gefellen mit pfenden oder langem verzug und umbtrib nit mehr, sonder mit gebotten wie ander der oberkeit freflen und schulden oder mit manen in ein würtßhauß allweeg nach der oberkeit gefallen eingezogen werden. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 5 (Genf 1636): Mahnen / den˜ Schuldleuthen Geldt abheyschen. Dirr, Münchner Stadtr. 44, 22 (moobd., 1294): daz der burgaer, fÈr den er pfendet, oder des burgeres bot in manen sol vor vierzehen tag ˆe er in pfend. Goedeke u. a., Liederb. 146, 8 (München 1575): seins gelts wil er verschonen, 兩 ein andern tut er monen. Unger, Richtes Stig 97, 25 (1474): Wenn der richter einen eines urtails fragt umb ein sach und vindet es jener nicht, so pit man den richter, das er umb das urtail mane. Wenn so er zw dreien malen gemant wirt, und wil er es nicht vinden, so [...]. Hˆr, Urk. St. Veit 75, 34 (moobd., 1358): so habent si vollen gewalt, vns vorgenant selbschol vnd vnser porgen, [...], ze monen ze laisten gein Pybch. Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 255, 6 (moobd., 1391): so habend si aber, ir ainer oder si all, die das gelt angehËrt, vollen gewalt manen ze laisten ainen vnserr bÈrgermaister. − Behrend, a. a. O. 106, 25; K¸ther, a. a. O. 378, 13; Kisch, a. a. O. 13, 10. − Vgl. ferner s. v. ansprechen 7.

5. ›jn. / sich an etw. erinnern, jm. / sich etw. ins Gedächtnis rufen (um eine Handlung zu bewirken)‹. − Bdv.: besinnen 3, denken 2, gedenken 4, gehügen, ge兩innen, innern 1; 2. Fischer, Brun v. Schoneb. 34 (md., Hs. um 1400): gan mir got so vil der tage, 兩 so wil ich manen einen brib, 兩 der

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heizit lib obir lib 兩 und lob obir allem lobe. Ebd. 1139: ich spreche: du valsches ane 兩 mines lobes ich dich mane, 兩 daz ich dir in der werlet gab, 兩 bis nu hie min vredestab. Koeniger, Sendgerichte 213, 17 (mosfrk., 1640): Der sendherr stehet auf, mahnet die sendschöpfen bey ihrem eyd, behegt das geistliche gericht, gebeut recht. Schultheiss, Achtb. Nürnb. 91, 3 (nobd., 1343): und solt si irr eid manen, daz si teten, als si in gesworen heten. Lindqvist, K. v. Helmsd. 3537 (halem., Hs. um 1435): er zËgt alle sin wunden 兩 Und o o manet Gott, sinen vatter gut, 兩 Das er vergossen hat sin blut. Maaler 282v (Zürich 1561): Etwaran Manen vnnd eyngedenck machen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 10 (Genf 1636): Mahnen / einem ein ding wider zu gemÈth fÈhren. Klein, Oswald 2, 49 (oobd., 1421): Was ich si man der lieben me¨r, 兩 die si ainst an mich lait. Piirainen, Stadtr. Sillein 38b, 28 (sslow. inseldt., 1378): vnd sol man mich e [vnser fraÈwe] mannen zehen frevd dy ich hette vnd han. − Spechtler, Mönch v. Salzb. 23, 179.

6. ›jn. (Gott, eine gottnahe Person, seltener: einen Menschen außerhalb der Sinnwelt ‚Religion‘) inständig (um etw.) bitten, anflehen, anrufen‹. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: jn. seiner brüste manen, das [...] ›jn. bei seinen Brüsten bitten, daß [...]‹. − Bdv.: anrufen 2, bitten 1−4; vgl. anbeten 3, anflehen, anschmeichen, anschreien 3. − Synt.: jn. (e. P., Gen., z. B. gottes ›bei Gott‹, fakultativ) m., jn. (durch / um etw. / jn., fakultativ) m.; auch: jn. m., das [...] oder Infinitivsatz ohne zu. Wbg.: 2man兩buch ›Stundengebetsbuch (zu den Tagzeiten Marias)‹ (so Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 199), maner 2. Fischer, Brun v. Schoneb. 12509 (md., Hs. um 1400): wer ditz buch hore lesen, 兩 sus suln si mine maner wesen 兩 zu got und sprechen vorholne 兩 ein pater noster mir zu zolne. Froning, Alsf. Passionssp. 5954 (ohess., 1501 ff.): myt ganczen truwen man ich [Maria] dich des, 兩 lieber frunt Johannes: 兩 wo du en hoist gesehen 兩 zu lest, die warheit saltu mer jehen! H¸bner, Buch Daniel 686 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Mit siner kumpanyen 兩 Mante er [Danyel] Got den vrien 兩 Gedenken aller gute. Koller, Reichsreg. Albr. II. 171, 27 (1438/9): wenn sy uns dann monent und umb hilff anruffent, die sullen wir in [...] tun. Gille u. a., M. Beheim 84, 149 (nobd., 2. H. 15. Jh.): wirdige mait Maria, 兩 ich man dich 兩 [...] durch sein tat und sein pegrabm. Lauchert, Merswin 24, 21 (els., 1352/70): so mane ich dich gottes, daz du mir sagest, wie ich tvn sËlle. Stammler, Berner Weltger. 736 (ohalem., 1465): Ich manen dich der brüsten min, 兩 Das du dem sünder wellest milte sin! Dirr, Münchner Stadtr. 112, 30 (moobd., 1328): Si sÈllen auh unsern herren Iesum Christum [...], als himlisch her mit ernst mant und bitent sein umb gaestleich und werdleich geriht. Spechtler, Mönch v. Salzb. 12, 41 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): man in

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mänen − mange

[Got] an kindlich scherzen, 兩 sprich: ,pis mit in all stund‘. Klein, Oswald 7, 3 (oobd., 1427): Loblicher got, 兩 [...] 兩 ich man dich alles, das ich kan, 兩 vernim mein kranks gedöne. − P‰pke, Marienl. Wernher 11241; Langen, Myst. Leben 182, 20; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 446, 3.

7. ›jn. (vor etw. Drohendem) warnen‹. − Bdv.: vgl. bedrauen 1, gewarnen 1. − Wbg.: manung 7. Feudel, Evangelistar 8, 8 (omd., M. 14. Jh.): unde her [Joseph] wart gemanet in dem slafe, do czoyte her czu Galylea. v. Tscharner, Md. Marco Polo 16, 14 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Do das di Tartirn irvurn, do wurdin sy gemant und gesigetin. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 242, 25 (oobd., 1349/50): ez sprechent etleich, daz die visch von ainr manung irr aigen naˆtuˆr vor auz dem land fliehen. − Gille u. a., M. Beheim 36, 35. 1

mänen, s. mane (der) 1. mänen, s. 2mäne. manenschein, s. mane (der) 1. maner, auch mit Uml.: -e-; der ; -(e)s/-π. 1. ›Person, die js. Verhalten, Handlungen mahnend begleitet und im Sinne gesellschaftlicher Normen und rechtlicher Regelungen steuert‹; vgl. manen 2; 4. 2

Ziesemer, Proph. Cranc Jes. 30, 21 (preuß., M. 14. Jh.): dine oren werden horen daz wort des meneris [Eck 1537: ermaners] hindirrucke: diz ist der weg, wandirt doran. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 12549 (omd., 1338): Entweder daz dem sunder sich 兩 Got offenbaret tougentlich, 兩 Entweder by dem maner sin 兩 Oder mit synes vleisches pin. Wyss, UB Deutschord. Hessen 34, 4 (hess., 1363): Weres das is also queme, [...], daz der vorgenante priester nit wurde gehalden zuo der messe, [...], dez sal ich Volkenand ein menner sin dy wile ich lebe. Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 525, 12 (moobd., 1474): ainem jedlichen pfarrer [...] pit ich durch gocz willen, das sy mir den prieff kalten (!) vnd trew maner wellent sein gen den pflegern. − Voc. inc. teut. q vv; Rwb 9, 20.

2., s. manen 6. mäner, s. 2mäne. manester, die; aus ital. minestra, churwelsch manestra, letztlich aus lat. ministra¯re. eine Suppe, und zwar sowohl ›Gemüsesuppe‹ wie ›Giftsuppe‹. Barack, Zim. Chron. 1, 548, 11 (schwäb., M. 16. Jh.): Von wem aber solch welsch monester zugericht, kan man gründtlichen nit wissen. − Schweiz. Id. 4, 294 (a. 1557); Schw‰b. Wb. 4, 1437.

mäneweg, s. 2mäne. mang, der ; -ens/−; zu halem. Mang ›Geschmack‹ (Schweiz. Id. 4, 325; 331; Dwb

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6, 1550); s. dort auch mangen ›Geschmack‹ (Dwb 6, 1550). ›Geschmack von Speisen und Getränken‹. − Bdv.: aschmak, bekorung 1, bitterkeit 1, gust, 2linde 1b. Maaler 283r (Zürich 1561): Der Mangen / so sich am o Ássen oder trincken / gustando am versuchen empfindt. Sapor. Ein bËser Mangen [...]. SÈsser Mangen gleych wie honig [...]. Byren sind guto mit einem saurlÁchte˜ oder bitzlÁchtigen Mangen. o [...]. Es hat ein Mangen wie das meer so man es versuchet. Mare sapit. Ebd. 238v: KÁß der ein vnangenÁmen [...] mangen hat. Lauater. GespÁnste 18v, 27 (Zürich1578: sy o [bruye ˜] habe gar kein lieblichen mangen nit.

mang, s. manig. mang, Präp., zu mengen. ›unter, zwischen etw. / jm.‹. − Nrddt. / md. − Phras.: mitten mang (im Beleg: ›unter Augen‹). Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 19671 (preuß., um 1330/40): Sus wart der strıˆt mang in volant. Ebd. 26519: Manc den juncvrouwen eine 兩 was soˆ schoˆne und soˆ zart 兩 daz [...]. Chron. Magdeb. 2, 101, 11 (nrddt., Hs. E. 16. Jh.): mank den gütern hatten die von Breslau 10 terling laken. Ebd. 168, 4 (Hs. 1601): Veith hatte angehort, das einer unter dem Hauffen manckt den losen bueben hatte geret. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 3, 981 (Köln um 1490): Se wrang ere hande, [...] unde schriede, und makede desse word ruchtbar mank allen vrouwen der stadt. Ebd. 1117: he solde sick waren, dat hee ene nicht meer seghe midden manck synen oghen. − Ebd. 3, 190; Schles. Wb. 2, 843.

mange, die; über mhd. mange ›Kriegsmaschine zum Schleudern von Steinen‹ aus mlat. manga, letztlich aus dem Griech. (Lexer 1, 2029; Dwb 6, 1539). ›Glättwalze (der Weber und Färber)‹; als Metonymie: ›Teil des Hauses, in dem der Walzbetrieb vollzogen wird‹. − Fast ausschließlich obd.; meist Rechts- und Wirtschaftstexte. − Wbg.: 3mangeln ›(Tuche) glätten, mangeln‹, 2mangen, manger, manghaus (verdeutlichend für die o. a. Metonymie), mangmeister, mangschauer ›Aufsichtsperson über die Glättwalze‹ (a. 1508). Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 332, 25 (hess., E. 16. Jh.): die manger sollen alle außberaite burschid vor die funffer bringen, die zu besichtigen. Sachs 23, 286, 11 (Nürnb. 1565): Darzw ich auch ein mange hab, 兩 Da ich sie [thuecher] mang fein hell und glat. Boos, UB Aarau 272, 13 (halem., 1427): ein schrift lesen, darinn [...] Claus RÁvel, Jenni In der mang und der Zeltner etwaz kuntschaft von der

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mange − mangel

obgenanten sach wegen [...] geseit. Rennefahrt, Wirtsch. i Bern 634, 32 (halem., 1501): das sich furwerthin dehein frËmbder mangmeister, noch fÁrwer, [...], har inn unser statt sol setzen, sËlich handtwerck zuo bruchen. Ders., Gebiet Bern 41, 15 (halem., 1538): Den bach, [...], sollen die Bauherren [...] in einem Teilstück bei der färby oder mangi unterhalten. Boner, Urk. Brugg 453, 9 (halem., 1558): [verkaufen um 200 Pfd.] huß und hof ab des houptschuldners hus vnd hof mit sampt dem färli, ouch der mangi vnd der hußhofstatt. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 33 (Genf 1636): Mangen / das Tuch mangen. Chron. Augsb. 2, 208, 4 (schwäb., Hs. 16. Jh.): auf sant Gallen tag ward das newe manghaus [...] angefangen ze pawen. Ebd. 8, 411, 8 (zu 1554): doch hat er gemelten Seitzen für ainen andern gehabt, als nemlich für den mangmaister in dem Schuchgeßlin. Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, 2926, 25 (moobd., 1443): eine gute manng darein zu seczen und ainn manngmaister darczu zu halten. − Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 47, 5; Boner, Urk. Aarau 382, 4; Chron. Augsb. 2, 155, 1; 4, 446, 11; 7, 163, 19; Uhlirz, a. a. O. 2, 2, 2926, 20/ 24; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 11; Schweiz. Id. 4, 328; Schw‰b. Wb. 4, 1437 f.

mange (der), s. mangel (der) 2. mangebig, s. 1man (der) 2. mangebot, s. manen (V.) 2. mangebreche, s. mane (der) 1. 1 mangel, der ; -s/-π + Uml. 1. ›Mangel, Fehlen, Nichtexistenz, Nicht-Vorhandensein e. S.; das Ausbleiben von etw.; Nichtanwesenheit e. P.‹; offen zu 2; zu 1mangeln 1. − Phras.: in mangel ›mangels, in Ermangelung‹; mangel sein ›fehlen‹; an mir wird kein mangel sein ›ich werde mich beteiligen‹. − Bdv.: vgl. abgang 11, fel, lämde 3. Lappenberg, Fleming. Ged. 473, 28, 12 (1636): Nim diese Hand voll Klee, im Mangel der Violen. Allg. SchauB˚hne 30, 43 (Frankf. 1699): Dessen sich doch die Alten wegen Mangel der Magnet-Nadel nicht unterstehen. Opitz. Poeterey 17, 32 (Breslau 1624): das ich in mangel anderer deutschen exempel mich meiner eigenen gebrauchen soll. Reichert, Gesamtausl. Messe 143, 5 (Nürnb. um 1480): Welchs unter den dreyen mangel wer, so wuerd nicht gewandelt der leyb Cristi Ihesu. Sudhoff, Paracelsus 3, 180, 12 (1526/A. 1527): das sie also mangels halben der stulgeng mit nepern habend löcher ingeboret. Maaler 283r (Zürich 1561): Auß Mangel der artzet sind vil verdorben [...]. So krieg vorhanden seyn wurde / wirdt an mir kein Mangel seyn. Kohler, Ickelsamer. Gram. 27, 22 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): Souil hab ich wËllen anzaygen vo¯ dem überfluß, mangel vnnd verwandlung der buchstaben des teütschen lesens. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 65, 12 (m/

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soobd., 16. Jh.): Ob sich das taiding verzug mangl halben der herrschaft und nicht an den recht bestimbten tägen gehalten möcht werden. − Kohler, a. a. O. 18, 19; 23, 31; Maaler 283r. − Vgl. ferner s. v. pasport 1.

2. ›das Zuwenig (gemessen an einer Norm) an Bezugsgegebenheiten unterschiedlichster Art, (meist:) an Erfordernissen materieller Art, (seltener:) an Werten, Qualitäten, Kräften u. ä.‹; auch: ›Schmälerung‹ (z. B. der ere). − Phras.: aus mangel ›mangels‹. − Bdv.: abgang 11, brest 2, fel, gebrech 1, gebrest 1, not; vgl. 2brust. Ggs.: viele (die). − Synt.: m. haben / spüren / verdecken, keinen m. in der sprache haben, jm. einen m. sagen; m. (Subj.) [wo] sein; aus m. schmachten; m. des gutes, der gerechtigkeit / narung, der kräfte; m. an epitheta / leib und sele / proviant / notdurft / wein / korn / narung / speise / wasser, an der ere, am essen. Wbg.: mange (der), mangelhaft 1 (bezogen auf freunde). Schorer, Sprach-Verd. 31, 21 (1643): die Teutschen gebrauchen sich allerley frembder WËrter / da Sie doch keinen Mangel in jhrer Sprache haben. Schˆpper 55b (Dortm. 1550): Indigentia. Fähl gebrest mangel. Kˆbler, Ref. Wormbs 142, 26 (Worms 1499): das die Ebern nit mangel oder gebrech haben irer leybs narunge. Ralegh. America 9, 10 (Frankf. 1599): wie die Soldaten auß vielem rheysen / vnd Mangel an Prouiant schier verschmachtet waren. Reichmann, Dietrich. Schrr. 144, 28 (Nürnb. 1548): das auff diser hochzeyt mangel an wein ist. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 29, 2 (Straßb. 1650): weil ihr auß mangel eurer Kräfften vnnd deß abgebrauchten Leibs, [...], nicht mehr sündigen könnet. Wickram 4, 43, 14 (Straßb. 1556): damit keinerlei mangel noch bresten bey inen [armen leut] gespürt würde. Roder, Hugs Vill. Chron. 13, 3 (önalem., 1499): do fiel ain schelm nachts uber die mur hinuß und seit den Schwitzern allen mangen, den sy in der stat hetten. Maaler 283r (Zürich 1561): Mangelhafft an fründen / der wenig fründ hat / Mit fründe˜ übel versÁhen. Heydn. maister 14r, 7 (Augsb. 1490): Bias hat mit nachgeschribner ku˜st vnd list den mangel an d‘ speiße v’deckt. Rauwolf. Raiß 25, 18 ([Lauingen] 1582): Gleichwol haben sie vmb Tripoli an Wassern keine˜ mangel. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 40, 23 (mslow. inseldt., 1567): das Er an ´seinen Ehren, [...], keinen Abgang noch mangl haben ´solte. − Luther, WA 10, 1, 2, 379, 4; 17, 2, 353, 26; Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 159, 7; Opitz. Poeterey 29, 28; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 239; v. Keller, Ayrer. Dramen 3094, 32; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 193, 19. − Vgl. ferner s. v. abgang 1.

3. ›qualitativer Mangel, Fehler, Schwäche, Schaden, Schädigung an einer voraus-

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mangel

gesetzten Norm, der normalen Funktion e. S. oder einer Handlung‹. − Bdv.: fel. Pfefferl, Weigel. Ges. 41, 25 (Hamb. 1646): wo er [Christus] wohnet in einem Gleübigen, da vorrichtet er durch seinen Geist alle Dinge ohn Mangel. Mieder, Lehmann. Flor. 213, 22 (Lübeck 1639): kein Mensch [...] kan niemands was perfects ohne allen Mangel machen. Opitz. Poeterey 22, 2 (Breslau 1624): sie wollen die vielfÁltigen mÁngel vnd irrungen so darinnen [in dem buche] sich befinden / beydes meiner jugend / [...] zuerechnen. Maaler 42v (Zürich 1561): anzeigen was fÁls vn˜ mangels seye an einer feilen waar. Chron. Augsb. 9, 228, 3 (schwäb., 1544/5): daß der parchat am zeug [...], mangel leiden werd. Kohler, Ikkelsamer. Gram. 45, 8 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): Jn disen kurtzen [...] wËrtern, kan ain yeder dz lesens art, sampt allen seinen mÁngeln vnd zugehËrungen, gewone¯. Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte 1, 33, 6 (moobd., 1524): dieweil täglich new sachen, vnd mängl zuefallen, die [...] newer versehung bedurffen. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 226, 6 (m/soobd., 1494): die mit iren arglistigen kunsten solh insigill von dem wachs oˆn alle spur vnd mangl abgezogen.

4. ›Schaden, Nachteil in wirtschaftlicher Hinsicht‹. − Wobd. / oobd. − Bdv.: abbruch 3, abgang 10, gebrest 1, gefärung, stos 8. Chron. Augsb. 9, 247, 9 (schwäb., 1544): als solte solliche farb [...] dem einkomen des rats ain mangel pringen und nachtailig sein. Ebd. 332, 17 (1536): ursach, wir thetten käuff, die wir umb bar gelt etwan nit hetten (tun können) und hetten an disem (brauch) kain mangel, sonder nutz und ehr. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, 4719, 16 (moobd., 1479): doch dass sie [...] des salcz also halten und handeln, dass das seinem salczsieder in der Hallstat kainen mangel bringe. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 136, 25 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Des kaysers verbyeten [...], pracht mangel, das die zalung zw der versprochen zeyt nicht geschehen mocht. Winter, Nöst. Weist. 1, 234, 33 (moobd., 1499): wo iemant einem ein mangl davon geschäch, so muesten si im den schaden abtragen.

5. ›körperliches Gebrechen, Schaden (meist des Menschen, vereinzelt eines Tieres)‹. − Bdv.: krankheit, schaden; vgl.: bekümmernis 1, gebrech 2, gebrest 2, gegicht. − Synt.: drei mal den m. haben (Bezug auf Epilepsie), der leib einen m. haben, einen m. an einem glied haben, das attractiv den m. an sich ziehen; der m. sich [wo] erzeigen, ein m. an jm. sein / erscheinen; 2übel gehören, blind sein9 mängel sein ›stellen mängel 5 dar‹; der m. der gehörde. − Wbg.: mangelsam ›schwach (vom Sehsinn)‹ (16. Jh.). Mieder, Lehmann. Flor. 499 (Lübeck 1639): Ein jeder Leib hat seinen Schatten vnd seien mangel. Lichtenstein,

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Lindener. Katzip. 93 (o. O. 1558): dises mensche hat ein grosse kranckheit und mangel. Darumb nimb arschwurtzel, stehewurtzel. Knape, Messerschmidt. Bris. 13, 41 (Frankf./M. 1559): zu dem er [Gaul] auch so wol abgericht worden / das an jhm kein mangel erschein. v. Keller, Ayrer. Dramen 1208, 22 (Nürnb. 1610/8): Gehör gar übl vnd bin schier blind, 兩 Welches dann solche mängel sind. v. Birken. Erzh. Österreich 88, 12 (Nürnb. 1668): Als er aber mit Margarethen [...] kein Kind zeugete / und deswegen sie der Unfruchtbarkeit beschuldigte / hingegen von ihr ebenmÁssig / wie daß an ihm der mangel sey / beschuldigt wurde / begehrte er [...]. Sudhoff, Paracelsus 2, 436, 26 (1525/ 6): das [attractif] zeucht an sich disen mangel. Kˆbler, Stattr. Fryburg 135, 8 (Basel 1520): Ob der mangel in der scheydung am man wer / wie er das wyb mit guto versehen sol. Memminger Chron. Chr. 24, 17 (Ulm 1660): daß nur die jenige metzlen solten / welche etwan einen Mangel an einem Glied oder sonsten gehabt / daß sie kein ander Handwerck treiben konten. − Lauater. GespÁnste 18v, 15; Vilmar 260; Schweiz. Id. 4, 327. − Vgl. ferner s. v. arzet 1.

6. ›charakterliche, geistige, psychische Schwäche, Fehlerhaftigkeit, Defizienz, Unzulänglichkeit; daraus resultierendes Verhalten, fehlerhaftes Tun‹. − Phras.: in js. mängeln falke sein (›scharf sehen‹) / maulwurf sein (›nichts sehen‹). − Bdv.: säumnis, sünde, unreinigkeit; vgl. gebrest 1, gebrestlichkeit, gebrestung, grobheit 5, grenze 2. − Synt.: einen m. haben / erkennen / keren, der tod mängel curieren; ein m. an jm. erscheinen, kein m. an jm., an einem herzen sein, ein m. von Christo erstattet sein ›überwunden, aufgehoben sein‹; j. ane m. sein, mit m. behaftet sein, etw. um eines mangels willen darniedergehen; mangel des gemütes, am gedächtnis, unter den leuten; Maria sonder mängel. Wbg.: mangelhaft 2, mänglig. Peil, Rollenhagen. Froschm. 129, 2680 (Magdeb. 1608): Wer selbst seiner SÈnd nehme war / 兩 Verschwieg eins andern mangel gar. Ebd. 492, 7145: Am hertzen mus kein mangel sein / 兩 Der Muth ist groß / der Mann ist klein. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 232, 7 (Köln 1582): Denn er thet ihn nach ihrem willen 兩 Jhr mangelhafften seel erfÈllen. Kˆbler, Ref. Wormbs 68, 27 (Worms 1499): das er vff die terminy in der citacion bestympt vn˜ kein mangel oder sümnus an yme sy. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 153v, 38 (Leipzig 1588): Vnd die aller heiligsten Leute / dieweil sie [...] mit mancherley mangel vnd vnreinigkeit behafftet sein / jetzt hie / bald dort jrren. Opitz. Poeterey 12, 23 (Breslau 1624): das freylich etliche von jhnen etwas auß der art schlagen / vnd denen / die in anderer Leute mÁngeln falcken / in jhren eigenen MaulwËrffe sein / anlaß geben jhnen vbel nach zue reden. Gille u. a., M. Beheim 72, 63 (nobd., 2. H.

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mangel − mangelfarb

15. Jh.): als die juncfrau frum 兩 Maria sunder mengel 兩 Hie auf der erden also hot 兩 hach uberstigen die genot 兩 und das verdienn der engel. Dietrich. Summaria 30r, 1 (Nürnb. 1578): ob gleich solche lieb nicht volkommen ist / [...] / so ist doch solcher mangel von Christo erstattet. Mell u. a., Steir. Taid. 7, 36 (m/soobd., 1523): Wo aber der erwelt richter [...] nit teuglich, [...] oder dem fursten und ambtleuten geverlich oder sonst menglig ist, sollen [...]. − Kehrein, a. a. O. 1, 73, 5; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 384a, 31; Stambaugh, Milichius. Zaubert. 6, 25; Reichmann, Dietrich. Schrr. 253, 28; v. Keller, Ayrer. Dramen 1285, 20; 2131, 36; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 483, 14. − Vgl. ferner s. v. inhabung.

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keinem mangel, alein dass sie mit grunt der heiligen gschrift erkantnuso tÈegid.

9. ›das Vermissen e. P. / S.‹; vgl. mangeln 5. P‰pke, Marienl. Wernher 11067 (halem., v. 1382): Was hat mir [Martha] grosser saelden hort 兩 An dir benomen todes mort, 兩 Der ich muso iemer mangel han. Niewˆhner, Teichner 564, 2821 (Hs. 2moobd., n. 14009): machtu daz vermeiden und lazzen 兩 daz ich fliehen tun und hazzen, 兩 du gewinnest mein nymmer mangel. 2

mangel (der), s. 2mangeln.

7. ›Not, extreme Armut, existentielle Bedürftigkeit (oft auf die Hungersituation bezogen)‹. − Bdv.: abgang 11, armut 1, bedürftigkeit, darben (das), gebrechung, hunger, not, teure, teurung; vgl. abfal 5, abscheiderin, ärmde, arme, bange (die) 3, hartsel, verderben, zerrüttung. − Synt.: den m. meren, j., der geiz m. haben, j., das vieh m. leiden, der krieg, der Türke m. schaffen, den mangel got heimstellen; m. (jn.) überkommen, der m. so weit kriechen, das [...]; in m. geraten; der m. der stat; der grosse m.

mangel, Adj. ›e. S. bar, beraubt, verlustig; e. S. bedürftig‹; vgl. 1mangel (der) 1; 2. − Bdv.: vgl. anig 1, mangelbar.

Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 148, 1 (Köln 1582): der Herr, 兩 Er thuto mich immer weiden, 兩 Darum ich nimmermer 兩 Mag not und mangel leiden. Gille u. a., M. Beheim 453, 215 Ü (nobd., 2. H. 15. Jh.): von dem mangel und hunger der stat. Franck, Klagbr. 221, 16 (2wohl Nürnb.9 1529): der mangel / abgang vnnd thewrung aller ding ist so weit krochen / [...] / daß wir [...]. Ebd. 223, 25: die vnzalbar vile vnd legion der BettelmËnch meren nit ein wenig disen vnsern abgang darben vnd mangel. Dietrich. Summaria 23r, 8 (Nürnb. 1578): Wo aber fromme GottsfËrchtige leut mangel leiden / das geschicht ein zeitlang / jren glauben zu Èben. Lemmer, Brant. Narrensch. 70, Vorspruch 2 (Bao jm sel 1494): Wer nit jm summer gabeln kan 兩 Der muß wynter mangel han. Kˆbler, Stattr. Fryburg 102, 23 (Bao zuo schencken vnd mangel übersel 1520): So einer zusagt kompt. Maaler 400v (Zürich 1561): Theüre (die) Mangel [...] Rerum emendarum caritas. − Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 131, 10; Knape, Messerschmidt. Bris. 22, 123; Ralegh. America 13, 18; Bihlmeyer, Seuse 91, 5; Schmitt, Ordo rerum 293, 11. − Vgl. ferner s. v. abätzen, armut 1, bauernkrieg 2, bedürftig.

mangel, Präp. ›mangels, in Ermangelung‹; vgl. 1mangel (der) 2. − Synt.: mit Gen.

8. ›Beschwerde, Kritik gegenüber der Obrigkeit‹. − Bdv.: beschwer 5, beschwerde 4, geschwernis 2, gravamen, wiederrede. v. Keller, Ayrer. Dramen 281, 12 (Nürnb. 1610/8): Großmächtiger König, seidt zu frid! 兩 Wir haben keinen mangel nit. 兩 Wer sich beschwer, der supplicir. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 395, 27 (halem., n. 1529): Da hat er [Luther] geantwort, er habe an keiserlicher majestÁt und dem rich

Karsten, Md. Paraphr. Hiob 14281 (omd., 1338): Das alle ding, liechtes mangel, 兩 Slinden schir des todes angel. Ebd. 14910: Da er [tufel] wonte das vleisch vrezzen, 兩 Da slant er dor an den angel 兩 Und wart sines roubes mangel. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 19, 9 (tir., 1464): das der gere¨cht verlassen sei worden an dem ent vnd das sein geschle¨cht mangel sei des protes. Ebd. 30, 1: ain vnücze geistleichhait, die da manngel ist der parmhercikhait.

Roder, Stadtr. Villingen 160, 2 (önalem., 1582): daß sie ursachen übel erlerter handierung, auch mangel gewinnender lebensmittel mit den kindern hunger leiden [...] miessen. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 368, 29 (m/soobd., 17. Jh.): dabei sich monichesmals die nachkomben mangl des zümmerholz und strei bei disen jetzigen grossen anlagen nit erhollen können.

mangelbar, Adj. ›arm, e. S. beraubt, verarmt, bedürftig, verlustig; fehlerhaft, unvollständig‹; vgl. 1 mangel (der) 1; 2; 3; 7. − Bdv.: arbeitselig 1, armiglich 1, beärmt, bedürftig 1, mangelhaft 5. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 400, 2 (halem., 1534/ 5): das er wider us jr statt und land ward gwisen / mangellbar und entsetzt des rechten und des sjnen. Maaler 283r (Zürich 1561): Mangelbar. Pauper, Indigens. Mangelbar etwar an seyn. In angustum uenire. − Rwb 9, 110.

mangeld, 1man (der) 2. mängeld, s. 2mäne. mangelfarb, Adj. ›verschossen, abgetragen (von Kleidern); ärmlich, dürftig (von Viehfutter)‹;

1759

mangelhaft − mangeln

vgl. 1mangel (der) 2; 7. − Bdv.: arm (Adj.) 15, lumpechtig. Sachs 5, 294, 1 (Nürnb. 1547): Das klaid ist mangelfarb. Ders. 17, 228, 24 (1561): Mangelfarb ist ir [jacobswirth] habern und hew, 兩 Gar dün ist ir futter und strew, 兩 Viech und leut mangel bey ihn leiden.

mangelhaft, mangelhaftig, Adj. 1.; 2., s. 1mangel (der) 2; 6. 3. ›fehlerhaft; nicht der Vorschrift entsprechend, einen Schaden aufweisend‹; vgl. 1 mangel (der) 3. − Bdv.: gebrechenhaft, gebrestlich, tadelhaftig. Kˆbler, Stattr. Fryburg 165, 8 (Basel 1520): so verr das testament in anderweg nit mangelhafftig ist / so [...]. Mell u. a., Steir. Taid. 32, 23 (m/soobd., 1523): solche feurbschau [...] verrichten und was si nachtailig und manglhaftig befinden dem richter anzaigen. − Rwb 9, 111.

4. ›mit körperlichen Gebrechen behaftet, krank (von Menschen sowie vom Schlachtvieh gesagt)‹; zu 1mangel (der) 5. − Bdv.: vgl. arm (Adj.) 12, behaftet (s. v. beheften 4), krank, leidig 3, lungig, mat (Adj.) 1, siech. Ggs.: vgl. gesund (Adj.) 1, leblich 4. Dasypodius 377v (Straßb. 1536): Mangelhafft am leib. [...]. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 21 (Genf 1636): mangelhafftig. Gebrechlich / das einen gebrechen hat [...] Ægrotus. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 709, 35 (schwäb., 1639): Wellicher aber den andern bainschredt, bainbrüchig, lam, glidloß oder mangelhaft [...] schlecht. Eschenloher. Medicus 33, 21 (Augsb. 1678): EJn andere Fraw [...] ware sehr mangelhafft an ihren Augen. Winter, Nöst. Weist. 1, 717, 10 (moobd., 1601): Item soll auch ein ieder fleischhacker kain mangelhaft viech, es sei gleich auf der haut oder inwendig, [...], nit schlagen.

5. ›arm, bedürftig, notleidend‹; vgl. mangel (der) 7. − Bdv.: s. u. Schˆpper und Schwartzenbach; vgl. bedürftig 1, hausdurftig, mangelbar. − Wbg.: mangelhafte, mangelhaftigkeit. 1

Schˆpper 55a (Dortm. 1550): Pauper. Arm dÈrfftig mangelhafft nottÈrfftig kummerhafft. Schwartzenbach 12v (Frankf. 1564): Arm. Elend. [...]. DÈrfftig. [...]. Bresthafft. Mangelhafft. Bloß. Sachs 15, 422, 9 (Nürnb. 1563): Und sicht sein bruder frü und spat 兩 Darben und mangelhaft in schmertz. Dasypodius 59r (Straßb. 1536): Indigus [...], Dürfftig / mangelhafft [...]. Indigentia, mangelhafftigkeyt / o armut. Ebd. 130r: Mendacitas, Armuto / mangelhaffte. Rennefahrt, Statut. Saanen 239, 21 (halem., 1623): das derjenige, so zu verkaufen hat, dem mangelhaften mitlandmann voruß verkaufen mag. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 8 (Genf 1636): mangelhafft. Bedürfftig / nottürfftig.

mangelhafte, s. mangelhaft 5.

1760

mangelhaftig, s. mangelhaft. mangelhaftigkeit, s. mangelhaft 5. mangeln, V. − Vgl. Besch, Sprachlandsch. 1967, K. 53, mit Raumverteilung für die Handschriften eines Einzeltextes. 1. ›etw. / j. nicht da, nicht vorhanden sein, (jm.) fehlen‹. − Bdv.: gebrechen (V.) 2, geferren 1, lamen 3. − Synt.: drei tage (Subj.) m., etw. (z. B. der wille) m., j. (jm.) m., jm. etw. (z. B. waffen) m., etw. (Subj., z. B. eine schale) e. S. (z. B. des deckels) m., nichts mer m., als / dan [...]; die mangelnde flotte. 1

Schˆpper 104b (Dortm. 1550): ¶ Deesse. Mangeln fälen erwinden. Peil, Rollenhagen. Froschm. 198, 4743 (Magdeb. 1608): nun mangeln nur drey tag / 兩 Das man gewonnen ruffen mag. Ingen, Zesen. Ros. 113, 21 (Hamb. 1646): sein einiger will ist das jenige / was noch mangelt. Kˆbler, Ref. Wormbs 30, 11 (Worms 1499): mag der antworter die clag vnd Libell so etwas an weßlichen oder formlichen stucken mangelte anfechte˜. Ebd. 257, 9: souil ime vber den wert des pfands noch mangelte oder vnuernügt vsstünde. Allg. Schau-B˚hne 29, 1 (Frankf. 1699): wie die Spanier einen solchen Orth angreiffen mËgen, den sie zu Wasser wegen mangelnder Flotte / zu sperren icht vermochten. Hoffmeister, Kuffstein. Gef. Aiiijr, 17 (Leipzig 1625): mangleten mir doch seinen Feind anzugreiffen / nothwendige Waffen. M. Cunitia. Ur. Prop. 163, 40 (Öls 1650): und mangelt nichts mehr / als die Signaturen ihrer sorten zu erfinden. Wickram 4, 39, 15 (Straßb. 1556): Also was es alles schon richtig / o was. und manglet nicht mer dann das Richart nit zugegen Maaler 283v (Zürich 1561): Das Manglet oder gebrist. Id abest. [...]. Es Manglet Áben einer / Es fÁlt vmb einen. Vnus abest. [...]. Es Manglet sunst nüt denn das. Morrall, Mandev. Reiseb. 142, 5 (schwäb., E. 14. Jh.): ir sËllend o alle wegen als vil sin, wann es getar wissen das dez volkes muß ir ainer nit mangeln. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 448 (oobd., 1607/11): runde schälen, die manglen ihrer deckhel. Ebd. 737: 1 türckisch messer [...], an der schaid mangelt das ortband. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 43, 35 (tir., 1464): das liecht, das da gemangelt hat Tobias, der da schrai: ,Was freüden mag ich gehaben?‘ Zingerle, Inventare 42, 2, 29 (tir./vorarlb., 1481): ain newes messgebannt mit seiner zuegehörung: daran mengelt ain stol. − Peil, a. a. O. 92, 1538; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 195, 24; Bauer u. a., a. a. O. 876.

2. ›Mangel leiden; darben; in einer Fähigkeit fehlen‹; auch: ›zum Mißerfolg führen‹. − Bdv. s. u. Schˆpper, ferner: darben 1; vgl. ausstehen 7, bedarben, bemissen 4. − Synt.: mit Subj. d. P. / S. (letzteres vereinzelt), ohne Obj.

1761

mangeln

Schˆpper 55b (Dortm. 1550): Carere. Entberen fälen gebrechen gerathen mangeln entrathen. Luther. Hl. Schrifft. Spr. 21, 5 (Wittenb. 1545): Wer aber all zu jach ist / wird o mangeln [Eck 1537: ist in armut]. Lappenberg, Fleming. Ged. 195, 375 (1638): Zu mangeln zwar gewohnt, nicht aber gar zu darben, 兩 mußt‘ ich auch mitte fort. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 18 (Nürnb. 1517): do ereugnet sich zuhandt der creatur nichtikeit und das unmöglich were, [...], das sie nit mangelte in sitten. Sachs 19, 318, 20 (Nürnb. 1563): Die anschleg eins endlichen (secht!) 兩 Die bringen gwönglich uberfluß; 兩 All-zu gech doch offt mangeln muß. Chron. Strassb. 345, 6 Var. (els., E. 14. Jh.): also groß hunger in der stat, das die mÈter (ff. Var.:) ohssent vnd liessent die kind manglen. Kurz, Murner. Luth. Narr 3169 (Straßb. 1522): Gib du mir vnd mangel du. 兩 Es ist als nichtz der heiligen bit, 兩 Sie helffen doch on gelt vnß nit. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 74, 1 (Hagenau 1534): wer mÈssig geet / der soll mangeln. Kˆbler, Stattr. Fryburg 86, 13 (Basel 1520): dadurch würd einer allein bezalt / vn˜ mÈsten die andern mangeln. Banz, Christus u. d. minn. Seele 1331 (alem., 1. H. 15. Jh.): So würd manglen manger gottes knecht. 兩 Ich [Cristus] wil u´ch allen gnüg geben. Bachmann u. a., Volksb. 197, 10 (alem., 15. Jh.): wan wir dan nütt me hand, so mangle er dan als wol als wir. Guth, Gr. Alex. 3540 (Hs. 2oobd., E. 14. Jh.9): Solt ich allain genunk hann, 兩 Und mangeln die da stann? Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 19, 5 (tir., 1464): Die reichen die hat gehungert vnd gedürstet vnd habent gemanngelt. Qu. Brasso´ 4, 278, 2 (siebenb., 1663): dass mancher armer Mann mit seinem Weib und Kindren hat müssen mängeln. − Dedekind/ Scheidt. Grob. 115, 2.

3. ›e. S. / P. entbehren; nicht über etw. verfügen, etw. nicht haben‹. − Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: bedürfen 2; 3, enberen; vgl. bedarben, bemissen, darben 2, geraten 4. − Synt. (der vom Mangel Betroffene steht als logisches Subj.; die mangelnde Größe im Akk.obj. der S. / P. oder im Gen.obj. der S. / P., dies letztere häufiger): j. etw. (Akk.obj., z. B. holz / freude, die glieder, nachfart) m.; j. e. S. (Gen.obj., z. B. des auges / gutes / nutzes / tisches / wissens, der druckerei / begierlichkeit / gnade / manheit / zucht / schulde, der freuden) m., j. e. P. (Gen.obj., z. B. eines jungen, 2dein / sein / irer9 jeweils pronominal) m., das herz des gewaltes m. Wbg.: manglung 1, 1mangen. Lappenberg, Fleming. Ged. 282, 102 (1635): so wollen wir stets küssen, 兩 das wirt itzt stets mangeln müssen. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 10, 37 (Frankf./M. 1568): vorzeiten / als man der Truckerey gemangelt / hat man alle BÈcher abschreiben mÈssen. Perez, Dietzin 1 128,

1762

19 (Frankf. 1626): wir weren zu frieden / liebe Mutter / daß wir der Augen Mangelten. Wenn wir ein so schËn Angesicht hetten / wie das / dem jr ewer Lieb vergleicht. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 81, 12 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): Heinrich ergatzte uns siner tugent: ich clage, daz wir din mangen. Gille u. a., M. Beheim 70, 43 (nobd., 2. H. 15. Jh.): hachvart was er [Welczebok] nicht mengeln. Ebd. 71, 178: darumbs gemangelt hand der gnadt 兩 der in gegossen lieb von got 兩 durch ir wesen unwiczlich. Ebd. 75, 176: Da musten sy und ire chind 兩 [...] 兩 mangeln der selben habe. Ebd. 127, 52: Er [gat] mag sein nit enperen nach 兩 mangeln, wann er ist an mass hach 兩 valkumen aller güter. Mayer, Folz. Meisterl. 103, 81 (nobd., 1517/8): we din sone die gefangen sint und mangen dez tisch ires vaters! Bihlmeyer, Seuse 94, 4 (alem., 14. Jh.): wunsches gewalt ist mir geben, dez menig veriertes herz mu˘ss manglen. Koller, Ref. Siegmunds 225, 18 (Hs. 2Basel, um 14409): Das vierde ist allen glidlemigen, betterisen und allen den, die ir glyder mangelent. Fuchs, Murner. Geuchmat Kap. 5, 15, 21 (Basel 1519): was du wol manglen magst, das gyb andren lüten! Bartsch, Reinfrid 20397 (halem., Hs. 14. Jh.): ich wæn dem Aschaloˆne 兩 wære misselungen, 兩 ob er des starken jungen 兩 gemangelt het in sıˆner schar. Wyss, Luz. Ostersp. 9550 (Luzern 1545): O Jesus, min allerliebster sun, 兩 mÈss ich dich hie verlassen nun, 兩 bis an dritten tag, herr, manglen dyn. Maaler 283v (Zürich 1561): Solt ich jren nit mËgen Manglen / Solt ich nit mËgen on sy seyn. Dict. Germ.o Gall.-Lat. 315, 24 (Genf 1636): mangeln / bedurffen / eines dings von nËhten haben. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 35, 22 (schwäb., 1471): Er mangelt holtz vnd leidet frost. Heydn. maister 9v, 10 (Augsb. 1490): gefraget / wer a milt war / sprach er der sein guto außteilt vn˜ begirlicheit frËmbo des gutes mangelt. Niewˆhner, Teichner 334, 5 (moobd., 1360/70): dez [zucht, manheit] mangelt man unmazzen ser. Klein, Oswald 44, 59 (oobd., 1431/2): ab irem [mütter] zoren mir da graust, 兩 doch mangeln ich sein selten 兩 scharpf mit spelten. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 123, 42 (m/soobd., 16. Jh.): Sollen auch die zwölfer [...] zu erscheinen schuldig sein, des sich von richters ambt wegen erfordern wurt in manglung eines richters. Bauer, Imitatio Haller 55, 26 (tir., 1466): Es ist ain grosse gnad dem menschen, der da manglen ist der weltleichen freuden. Dies., Haller. Hieronymus-Br. 31, 33 (tir., 1464): Es ist ain gut we¨rch [chirchen zu bauen], aber in sölicher mass, das die armen menschen [...] nicht manglung leiden. − Luther, WA 38, 47, 7; Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 1217; Euling, Kl. mhd. Erz. 668, 27; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 33, 7; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 30, 22; Bauer, Imitatio Haller 55, 24. − Vgl. ferner s. v. arbeit 6, 1ausliegen 10.

4. ›jm. an etw. / an jm. (dies letztere vereinzelt) fehlen, mangeln, abgehen, gebrechen‹ (mit Subj. d. S., oft mit es oder ohne Subj. und häufig mit Dat.obj. d. P. / vereinzelt d. S. sowie fakultativ einer Angabe für die fehlende Bezugssache oder -person). −

1763

mangeln − manggarn

Bdv.: abgehen 17, gebrechen (V.) 2; 3. − Synt.: jm., einer Instanz (z. B. dem rate) etw. (z. B. der atem, das auge, die guttat, die kräfte, nichts) m.; es mangelt jm. etw. (z. B. rat), es mangelt an e. S. (z. B. an spielen), es mangelt e. S. (z. B. der weishait) an worten, es mangelt (jm.) (nicht) an etw. (z. B. an proviant / schuz / schirm / beredsamkeit / liebe / gunst / ere / rat, an der sprache / zeit), es mangelt jm. (nicht) an jm. (z. B. an neidern); jn. m., das [...]; ohne Subj.: jm. nicht m., jm. e. S. (z. B. des rates / papieres) m.; jm. an etw. (z. B. an gut, vorrat) (nicht) m. Luther. Hl. Schrifft. Spr. 28, 27 (Wittenb. 1545): Wer dem Armen gibt / dem wird nicht mangeln. Peil, Rollenhagen. Froschm. 675, 5301 (Magdeb. 1608): Dem mangelt ein Aug / dem Hand vnd Bein. Pfefferl, Weigel. Ges. 22, 13 (Hamb. 1646): Verstehestu dis noch nicht, so wiße das dir mangele vnd gebreche des geistes zeugnis. Ingen, Zesen. Ros. 86, 17 (Hamb. 1646): es mangelt dier auch kein Raht. Buch Weinsb. 4, 202, 24 (rib., 1594): war er wol sechs- oder achttausent gulden zu achters, die eim rade mangelten. Gropper. Gegenw. 22v, 1356 (Köln 1556): Meinen diße Leut des es der Weißheit Gottes / dem Ewigen Wort Gottes / an bequemen worten gemangelt habe. Ralegh. America 22, 37 (Frankf. 1599): wie es vns auch mehr an Prouiant anfieng zu manglen. Allg. Schau-B˚hne 40, 35 (Frankf. 1699): Bey so hohen GlÈck mangelte es ihm an Neidern und Widersachern nicht. Hoffmeister, Kuffstein. Gef. Aiiij v, 20 (Leipzig 1625): daß beydes der Athem vnnd KrÁfften mir zugleich mangeln wolten. Opitz. Poeterey 56, 23 (Breslau 1624): hoffen wir / es werde vns an vornemer leute gunst vnd liebe / [...] / nicht mangeln. v. Birken. Erzh. Österreich 88, 54 (Nürnb. 1668): einen arglistigen Man / dem es an Beredtsamkeit nicht manglete. PfeifferBelli, Murner. Kl. Schrr. 7, 36, 35 (Straßb. 1520): dermassen mËcht der Türck vnd ein ieder lei weiden die schefflin Christi / den in manglet das sie von got darzuo nit erwelet seint. Wickram 4, 16, 13 (Straßb. 1556): damit in [den hartnÁckigen leuten] / an irem letsten end / nit an irer sprach manglen werde. Ebd. 26, 23: wiewol im an guto / gar nicht manglet. Maaler 283v (Zürich 1561): Dem Manglet nüt / der nüt begÁrt. [...]. Es Manglet mir grad noch yetz mÈts / Jch bin noch nit zuo mir selbs kom˜en. Mihi animus etiam nunc abest. [...]. Mir Manglet papyrs / Jch hab nit o papyr. [...]. Mir Manglet radts / Ich weiß nit wz ich thun sol. Bauer, Zist.-Pred. Haller 59, 337 (tir., 1466): Ist das dich got der vater ist lieb haben, was guethait ist dir denn manglen vnd abgen? − Boon, St. Prätorius 50, 37; Peil, a. a. O. 531, 786; 582, 2413; Ralegh. a. a. O. iijv, 32; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 253b, 22; Opitz. a. a. O. 4, 10; Reichmann, Dietrich. Schrr. 253, 15; v. Keller, Ayrer. Dramen 1619, 32; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 29. − Vgl. ferner s. v. abgehen 21, au, ausfürlich, interim 2.

1764

5. ›jn. / etw. (z. B. einen hund) nicht auffinden können; jn. / etw. schmerzhaft vermissen, missen‹. − Bdv.: vgl. irgehen, mankieren. − Synt.: mit Akk.obj. Sachs 16, 165, 8 (Nürnb. 1561): Die liebsten mangeln wer der todt! Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 163 (Straßb. 1522): ein Wind, der was im lieb und het in nit fÈr vil Geltz gemangelt. Chron. Augsb. 2, 19, 17 (schwäb., Hs. 16. Jh.): die ir herrn suechten und nit vinden kunden. die sagten, daß man mangelt 86 edl, ritter und knecht. 2

mangeln, V., zu mhd. mangelen ›handgemein werden‹ (Lexer 1, 2030). ›kämpfen, streiten‹. − Bdv.: vgl. anhiehen, ankämpfen, aufleinen, 1bagen 1, beissen 6, concertieren, decertieren, gearguieren, gefechten, greinen, 1 harzen, irren 5, 1keiben, 1pelzen, stossen 15. − Wbg.: 2mangel ›Streit‹ (bdv.: differenz; 1. H. 16. Jh.), 2manglung. Chron. Magdeb. 2, 112, 26 (nrddt., Hs. E. 16. Jh.): sie hielt ihme selber den mund, das er desto eher sticken muste und in der Mangelunge bis er ihr einen finger abe. Chron. Kˆln 1, 357, 18 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): so dat beide partien da as lange mangelden, dat van ieklicher siden etzlige doden bleven. Opel, Spittendorf 251, 25 (osächs., um 1480): die manglunge gingk ein ebene weyle zuvorne, so schickte der bischoff von Halberstadt etzliche die seinen bey die fursten. − Rwb 9, 110. 3

mangeln, s. mange.

mängeln, V.; wohl zu mang (der). ›in trügerischer Absicht unklar reden‹. − Schweiz. Id. 4, 330; 331 (1. V. 16.Jh.). mangelwurz, die. eine Pflanze. Volkmar (Danzig 1596): Rulapathum, groß Mangelwurtz. P. Loptan.

mangelsam, s. 1mangel 6. 1

mangen, s. 1mangeln 3.

2

mangen, manger, s. mange.

mangericht, s. 1man (der) 8. mangfrucht, die; Bw zu mengen. ›Mischgetreide‹. − Bdv.: vgl. mangkorn. Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp. 2, 102, 4 (rib., 1582): 5 Mltr. an mankfrucht.

manggarn, das; Zuordnung und Motivation von mang- unklar.

1765

manghaus − manhaft

ein Jagdgarn. Ziesemer, Gr. Ämterb. 115, 30 (preuß., 16. Jh.): Jagethscheune: manckgarnn, regarnn, szo guth als ich sie funden habe, seint noch do. − Ebd. 56, 3.

manghaus, s. mange. mangkorn, das; -s/−. ›Mischgetreide‹. − Bdv.: vgl. mangfrucht. Ziesemer, Gr. Ämterb. 546, 15 (preuß., 1419): 240 scheffel habir, item 1 last und 24 scheffel mangkorn. Mosler, UB Abtei Altenb. 2, 190, 36 (rib., 1458): unsen zienden zo Solingen 3 jarlanck verpechtet alle jars vur 74 ml. ha. guder gewander vruchte ind 28 ml. mankorns. Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw. 501, 31 (rib. / westf., 1611): Mankkorn oder habern daß malder 2. Apherdianus 125 (Köln 1575): Miscellanea seges, quando feritur admistotritico, Mangkorn. Ziesemer, a. a. O. 89, 27; Mosler, a. a. O. 2, 293, 28/32; Schmitt, Ordo rerum 385, 9.

mänglich, s. manig. mänglig, s. 1mangel (der) 6. 1

manglung, die. 1., s. 1mangeln 3. 2. ›Schaden, Scharte (an einem Werkzeug)‹. − Bdv.: scharte. Niewˆhner, Teichner 657, 31 (Hs. 2moobd., 14699): ist ein werchzeug manglung vol, 兩 das man den wider sleyffenn sol. 2

man in gÁrtene˜ zylet oder pflantzet. Bulupathum, bulupathi. Ebd. 283v: Mangelt (der) Ein gemein KËll kraut. Beta. Ein gattung Mangelts / ein koch kraut / weicht dem bauch. Blitum. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 398, 31 (oobd., 1349/50): wenn man daz kraut [Eruca] mischt zuo piezen oder zuo mangolt, soˆ sänftigt ez der piezen kelten. Deinhardt, Ross Artzney 177 (oobd., 1598): Wann ain roß gefallen ist auf die khnüe So nimb hanif samen, manngolt vnd haußwurzen. − Keil, Peter v. Ulm, S. 421; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 192; Bremer, Voc. opt. 50051; Schw‰b. Wb. 1439.

mangoldkraut, mangoldwurz, s. mangold. mangrab, auch -graft und -grabe, Genus? ein Flächenmaß für Reben, ein Zehntel eines Jucharts; motiviert aus: ›soviel 1 Mann pro Tag mit Werkzeugen umzugraben vermag‹; zu 1man (der) 2, vgl. grabe (das) 1 oder grabe (die). − Bdv.: vgl. anzing, 2bet 2, gewende 2, jauchert, 1joch 4, mansmad, manwerk 1, tagmad. Schmidt, St. Kastorst. 2, 21, 1 (mosfrk., 1406): Weinberg von 4 man grafft in Dingbytzen. Leisi, Thurg. UB 6, 747, 18 (Halem., 1374): das guto gelegen ze Ermantingen, des uf vier mann grab ist. Ebd. 8, 196, 6 (o. O. 1394): haben uffgenommen von Heinin Etter von Ermantingen sechs manngrab reben. − Ebd. 6, 133, 35; 7, 510, 3; Zingerle, Inventare 63, 2, 3; Schweiz. Id. 2, 677.

manglung, s. 2mangeln.

mangschauer, s. mange (die).

mangmeister, s. mange.

manhabend, s. 1man (der) 9.

mangold, der ; -s/−; hohe Schreibvariation. ›Mangold, Pflanzen der Gattung ‚beta‘‹. − Fachliche Texte. − Wbg.: mangoldkraut, mangoldwurz. Haage, Hesel. Arzneib. 4v, 5 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Welcher mensch hat den reysenden harnstain, und welt ir im das helffen pasz, so nemt swartz wurcz und peterling und mangolt und harenstainkraut und siedent das. Ebd. 16v, 14: krebs augen und mangot burcz und mer griesz, die funf ding, dy sol man dirren [...] und sol sy dem menschen zu nuczen geben, der do hat die harenwintten. Weitz, Albich v. Prag 170, 7 (Hs. 2nobd., 2. H. 16. Jh.9): vnd scholt essen crawt sam spenat, manholt, kËll vnd solch crawt scholt ir kochen. Sudhoff, Paracelsus 10, 104, 11 (1536): stoß darein dise stuck: breiten und spizigen wegerich, [...], mangeltkraut und wurzeln ieglichs ein handvol, [...], stoß und zerknisch es durcheinander, also das es [...] zu einer salben werd. Maaler 283r (Zürich 1561): Groß Mangelwurtz / von wËlcher gattung ist das gemeinlich genannt München rhabarbaren / so

1766

manhaft, manhaftig, letzteres seltener, Adj. 1. ›erwachsen‹; damit zugleich ›waffenfähig‹ sowie ›heiratsfähig‹. − Wobd. / oobd. − Bdv.: manbar 1; 2; vgl. berätig 2, manmässig. Welti, Stadtr. Bern 196, 1 (halem., 1407): daz ein ieklich person, so manhaft ist vnd aber alz arm, dz man im nit i harnesch gebieten kan, [...], so sol si vorhin haben ein armzug, zwen hentschuo vnd ein halbarten. Grimm, Weisth. 1, 106, 1 (halem., o J.): was manhafter lüt ouch in der vogty sitzend vnd ir aigen sundrig brat essend, der yeglicher sol den vögten dez iares geben ein herbsthun. Chron. Augsb. 7, 425, 39 (schwäb., zu 1564): Megera wollts [s Ú kind] auferziehn und Tisiphone verheuraten, Erynnis, so es mannhaft wurde, ime zÈ allen unerbaren fürnemen glücklichen eventum geben. Mell u. a., Steir. Taid. 92, 1 (m/soobd., 1672): daß diejenigen welche mer dan ain guet besüzen, [...] wenigist ainen mannhaften knecht [...] in die angesagten gejaider schicken sollen.

1767

manhafte − manheit

2. ›mannhaft, über hohe körperliche Kraft, herausragenden Mut, eine im Rahmen des sozial Üblichen / Vorherrschenden vorbildliche Moral verfügend, ein entsprechendes Verhalten zeigend, damit gesellschaftliche Anerkennung genießend, im Besitz der dieser adäquaten Ehrenhaftigkeit, Milde u. ä. Qualitäten befindlich‹; von Männern (wohl aufgrund wortbildungsmotivationeller Unverträglichkeit in keinem Beleg von Frauen), tropisch vereinzelt von Tieren, ferner von den entsprechenden Taten, Charaktereigenschaften usw. gesagt; in einer Reihe von Belegen Tendenz zu formelhaftem Gebrauch für alles Gute, Positive; vgl. 1man (der) 3. − Bdv. (bzw. im Orientierungsfeld): berümt, erfaren, erlich, from, getreu, mänlich 5, milde, namhaftig, notfest, stark 2; 4, unverzagt, witzig. − Synt.: j., ein tier m. sein, j. m. werden, als förderer m. erfunden werden; sich m. erzeigen, der geist jn. m. machen; der manhafte bürger / held / mut, die manhafte tat, manhafte leute / herren (dies in der Anrede). Wbg.: manhafte (die). Luther, WA 31, 1, 81, 24 (1530): die unverzagten helden und manhafftigen eisen fresser, die itzt Sant Velten, potz macht, Sant Quirin, Sant Antoni donnern. Peil, Rollenhagen. Froschm. 511, 129 (Magdeb. 1608): Das Er [Erb] klug / Mannhafft / wolerfahren / 兩 Das Er in den BlÈenden Jahren / 兩 Elend im Wasser wer gestorben. Ingen, Zesen. Ged. 386, 21 (Breslau 1641): Schaue ich die erschrËcklichen und Mannhafften Thaten des Großen Alexanders an / [...] / so muß ich erzittern. Logau. Abdank. 162, 2 (Liegnitz 1651): Hoch Wohl EdelÚGebohrne Gestrenge und Mannhaffte / Edle / [...] freundlich geliebte / gÈnstige Her- und Freunde. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 57 3 Var. (Straßb. 1466): Das dett banaias der sun ioiade. der do was vnder dreyen starcken der aller genannste [Var. 14752 : mannhafftigißt; Luther 1545, 1. Chr. 11, 24: berümbt]. Roloff, Brant. Tsp. 2072 (Straßb. 1554): Ich [Wolust] hab noch dort ein grosse zal 兩 Von manhafftigen leüten überall. Lindqvist, K. v. Helmsd. 2491 (halem., Hs. um 1435): Den o o o [lËw] er da ze tod erschlug: 兩 Das schuff sin mannhaffter mut. Primisser, Suchenwirt 11, 107 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Der sechst, Manhaft [hier als Name gebraucht], sein leben 兩 Auf erd hat nie begeben. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 139, 4 (oobd., 1349/50): ain grütz. daz ist gar manhaft und grimmer danne sein naˆtürleich kraft vermag. Gereke, Seifrits Alex. 5671 (oobd., Hs. 1466): Die ritter wuerden manhaft 兩 und gewunnen newe chraft. Ebd. 8969: er [Allexander] was wiczig und charkch. 兩 manhaft, mild und starkch. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 219, 13

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(oobd., 3. Dr. 15. Jh.): das [...] kunig Maximilian, [...] ungottlichs kriegshenndl, [...], die hat er all mit Got und seiner kuniglichen manhafft glucklich uberwunden. − Luther, WA 10, 3, 76, 29; Chron. Magdeb. 2, 132, 10; Peil, a. a. O. 93, 1561; 392, 4147; 675, 5293; Knape, Messerschmidt. Bris. 22, 88; Niewˆhner, Teichner 392, 8; Gereke, a. a. O. 794; 2358. − Vgl. ferner s. v. algemein 2.

3. ›sich wie ein Mann verhaltend, dessen Eigenschaften erstrebend, annehmend, zeigend‹ (von der Frau gesagt; schwach belegt). Bremer, Voc. opt. 4028 (wobd., 1328 ff.): Virago mannhaft wib [...] est mulier virilibus actibus intendens.

manhafte, s. manhaft 2. manhaftig, s. manhaft. manheit, die; -π/−. 1.; 2., s. 1man (der) 2; 8. 3. ›Mannestum, Männlichkeit, Mannhaftigkeit; Tapferkeit, Mut als Eigenschaften, die man einer männlichen Person im Erwachsenenalter (teils im Unterschied zur frau, zum weib) zuschreibt‹; manheit in diesem Sinne umfaßt körperliche Kraft, Tugendhaftigkeit, Rechtschaffenheit (damit Anklänge an den Katalog der Kardinaltugenden); in einem weiteren Sinne wird manheit mit hoher gesellschaftlicher Anerkennung und Würde, mit Ansehen und Ehrenhaftigkeit sowie mit Glück in bewaffneten Auseinandersetzungen assoziiert; abwertend vereinzelt Öffnung des Gebrauchsspektrums in Richtung auf ›männliches Gehabe, Schein von Männlichkeit‹; tropisch (selten) kann auch das Verhalten von Tieren als manheit gedacht werden; vgl. 1 man (der) 3; 4. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte, für das ältere Frnhd. oft gebundener Form. − Bdv.: fertigkeit, kekheit, kraft, stärke 1; 4; 6, jeweils im Orientierungs- und Handlungsfeld mit erbarkeit, ere, festigkeit, gerechtigkeit 3; 4, glanz 1; 2, klarheit 1; 4, künheit, lauterkeit 2; 3, manlichkeit, milde, mut, redlichkeit, reinkeit, schiklichkeit, tapferkeit 1; 2, tugend, weisheit, werdekeit, preis 1, schein, sieg, streit, in Abgrenzung von eitelkeit, furcht, hof-

1769

manheit

fart, wollust. − Synt.: m. fassen ›sich ein Herz fassen‹, die m. verlieren, js. m. verschmähen / fürchten, die minne die m. lämen / zwingen, jm. (die) m. beweisen / nemen / öfnen, die m. mit saufen beweisen; die m. (Subj.) zu klein / unerloschen / ellenthaft sein, jm. entgehen, erstorben liegen, die m. jn. [wohin] bringen, jm. etw. (z. B. land) / jn. (pron.: mich) erwerben, js. m. jn. auf abenteuer aussenden; der m. blos für ›vor‹ jm. stehen; die furcht in m. verwandeln, mit m. jn. bei der erbschaft halten, etw. (z. B. einen einfal) mit m. erweren, von der m. zu keiser werden, jm. von seiner m. sagen; die m. des leibes, der getat; die gestrenge / jugendliche m.; der mut der m. Luther, WA 10, 3, 76, 27 (1522): werden auch mËrcken im hertzen ain manheit und ein krafft, dann [...]. Ebd. 19, 411, 11 (1526): Wenn aber hertz und mut weg ist, so ist die manheit weg. Peil, Rollenhagen. Froschm. 654, 4625 (Magdeb. 1608): Die Helden FrËsch wolten herbey / 兩 Den einfall mit Mannheit erwehrn. v. Keller, Amadis 379, 31 (Frankf. 1561): Aber als jhn der König Arban vnnd sein gesindt ersahen, ware jhr forcht in Mannheit vnd keckheit verwandlet. Stambaugh, Friederich. Saufft. 12, 16 (Frankf./O. 1557): da ein jeglicher seine Mannheit mit Sauffen beweisen / Ritter werden / und das Feldt behalten will. Th¸r. Chron. 11r, 7 (Mühlh. 1599): Da verbandt sich Pompeius mit Marco Marcello wider Julium / vnd fÈrchten doch seine gestrenge Manheit / seine vernunfft / vnnd endtlich seine geschickligkeit. v. Tscharner, Md. Marco Polo 16, 15 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Noch dem erbarn stryte irkrigite Cyngius dy vruntschaft und erbarkeit alle der Tartirn durch der manheit unde der gerechtigkeit dy her bewyste den obirwundin provincien. Pyritz, Minneburg 2197 (nobd., Hs. um 1400): Syt du [Minne] manheit twingest und lemst 兩 Und syt du auch daz wilt gezemst. Rieder, St. Georg. Pred. 41, o 21 (Hs. 2önalem., 13879): der erst blume ist manheit der getaˆt; der ander ist luterkait des willen; der drit ist rainkait der werch. Chron. Strassb. 28, 30 (els., 1362): der waz der erste der von sines libes manheit zuo keiser wart on des senatus gunst. Fuchs, Murner. Geuchmat 5, 11 (Basel 1519): Ein yeder gouch, so er by wyben sitzet, sol [...] ynen vil von syner manheyt sagen / wie er [...] beren gefangen / vnd mit Sampson dem lËwen den mundt vff gerissen. Wyss, Luz. Ostersp. 10398 (Luzern 1545): so hätt syn [Christi] clarheyt, glantz vnd schyn 兩 vns stercke, krafft vnnd mannheyt gnon. Maaler 86v (Zürich 1561): Dapfferkeit (die) Man˜heit. Fiducia [...] Bellicositas, Vis. Virtus, Grauitas. Dreckmann, H. Mair. Troja 32, 18 (oschwäb., 1393): der [die von Troy] wärt er sich ritterlichen, aber ez waz sein manhait ze clain wider alz vil. Brandstetter, Wigoleis 192, 6 (Augsb. 1493): vnder disem allem sagte er jm. wie er nicht mit manheit sunder mit krafft der stein vnd zauberey sigloß waer worden. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 136, 6 (oobd., 1349/50): und stellt ain greindez swein für in

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[elephant], soˆ verleust er alle sein manhait. Rudolf, H. v. Langenstein. Erch. 53, 22 (moobd., 1393): Das vierd zaichen der edel ist vestichait vnd manhait wider dy¨, dy¨ wider strebent. Turmair 4, 48, 26 (moobd., 1522/33): Wo kain feind oder streit ist, ist kain sig und manhait. Moscouia D iv, 19 (Wien 1557): der selb mit seiner schickligkhait vnnd manhait wurde die khinder seine fründt wissen vnd mügen bey der Erbschafft erhalten. Winter, Nöst. Weist. 1, 565, 22 (moobd., 1570): das ein fraw nicht mer verwirkt zu wandl den 12 ∏ außnomen ob si ainen man auß seinem hauß vodert und manhait allso verschmähet. Qu. Brasso´ 5, 213, 18 (siebenb., 1609, Hs. 1726): als Carolus Magnus unser Väter Mannbarkeit und Mannheit nun zum öfternmal erfahren hat. − Luther, WA 16, 208; 35; 41, 710, 30; Peil, a. a. O. 416, 4835; v. Keller, a. a. O. 408, 35; Stackmann u. a., Frauenlob 5, 40, 10; 8, 2, 9; v. Groote, Muskatblut 66, 29; Gille u. a., M. Beheim 237, 206; Goldammer, Paracelsus 4, 250, 23; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 666, 5; Dreckmann, a. a. O. 17, 23; Brandstetter, a. a. O. 203, 9; Primisser, Suchenwirt 3, 86; Rudolf, a. a. O. 61, 9; Klein, Oswald 86, 10; Weber, Füetrer. Poyt. 130, 1. − Vgl. ferner s. v. abenteuer 1, aufen.

4. ›ritterliche, militärische Tat‹; als Metonymie oder Synekdoche an 3 anschließbar. Goedeke u. a., Liederb. 355, 4 (Nürnb., 16. Jh.): wie das der helt Paris zu Troi wol in der stat 兩 auch manheit vil getriben han. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 145, 24 (moobd., 1478/81): der auch in dem streit mit den Hungern grosse manhait begangen hat. Roth, E. v. Wildenberg 3, 27 (moobd., v. 1493): dern zwen fürsten grosse ding mit manheit und streit erstanden haben gein irn veindten.

5. ›Zeugungskraft, -fähigkeit, Potenz des Mannes; sexuelle Begierde‹; als Metonymie: ›Genitalien des Mannes‹; vgl. 1man (der) 5. − Bdv.: vgl. macht 11, manschaft 8. Chron. Kˆln 2, 405, 18 (Köln 1499): wanne einre zo cloister geit ind ein moench wirt, so plecht men zo sagen: dem is sin manheit uisgeworpen. Fastnachtsp. 771, 21 (nürnb., 15. Jh.): Scholt ich denn nicht meinn kumer da wenden, 兩 So müst ich mein manhait gar ser schenden. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 205, 4 (Straßb. 1466): Der keu´sch zerbrochen oder der abgeschnitten der nieren vnd der beschnitner manheit [Var. 14752−1518 / Eck 1537, 5. Mose 23, 1: manschaft] der gee nit ein die kirchen gotz. Sudhoff, Paracelsus 14, 462, 2 (um 1570): Dises sigill ist wunderbarlich für alle zauberei der weiber, so etwan den mannen die manhait genomen. Klein, Oswald 63, 39 (oobd., 1416): kam si mir dan in solh genäch, 兩 das ich die manhait retten solt, 兩 ich fluh ir nicht. Ebd. 66, 13 (v. 1408?): Ain farb von itel grün 兩 den possen rain verdackt 兩 der jedem fürsten kün 兩 sein manhait wol erwackt, 兩 wenn er sich bei im strackt. − Schw‰b. Wb. 4, 1450.

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mänheit − manier

6. ›der manheit verglichene und minneideologisch bestimmte hohe Kraft und Sittlichkeit der frau‹. − Bdv.: vgl. güte 2. Matthaei, Minner. I, 8, 259 (Hs. 15. Jh.): sprach sie [V. 240: Mynne; 253: frawe]: ‚ich wil dirs nit verdagen, 兩 man heißet mich die Manheit‘. Ebd. 278: man gibt ewch, Manheit, manic haz; 兩 daz hËr ich von den wisen. Thiele, Minner. II, 21, 121 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): dar an [Frau] der manheit hËchstes heil 兩 von angeng was und u´mer ist.

mänheit, die; Bw wohl Umlautschreibung für mane ›Mond‹. ›Monat‹. − Bdv.: vgl. manot. Werbow, M. v. Amberg. Gew. 464 (omd./oobd., v. 1382): eyn alzo grozzes clagen, daz daz weynen und sewfczen einen ganczen manden [Var.: menheyt] nicht einde nemen mocht.

manhof, s. mane (der) 1. manhube, s. 1man (der) 8. mania, die, lat Flexion; über lat. mania ›Wut‹ aus dem Griech. (Georges 2, 796). ›Tobsucht‹. − Bdv.: vgl. aberwiz, raserei, wüterei. J. W. von Cube. Hortus 90, 10 (Mainz 1485): Diß krut meret das heubt wee der do mit handelt vnd brenget maniam das ist die dobesucht. − Vgl. ferner s. v. aperitiv, aufbicken.

manier, die; -π/−. 1. ›Art, Weise, Form, in der etw. abläuft, getan, gestaltet wird, wie etw. aussieht‹, im einzelnen bezogen auf Betragen, Darstellungsweise, eine Kunstform, Mode u. ä. − Phras.: jn. in die manier setzen, das [...] ›jn. dazu bringen, daß [...]‹. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: art 12; vgl. bäre 1, begangenschaft 1, beschaffenheit, gewonde 3, grif 3, haltung 7, hand 12, heit, leben (das) 4. − Synt.: eine m. nicht gebräuchlich sein, etw. js. m. sein, die m., zu [...]; einer m. lachen, sich einer m. brauchen; aus einer m. nutzen entspringen, etw. auf / in / mit / nach einer m. [tun]; die neue / ungewönliche m., tausenderlei m. Schˆpper 98a (Dortm. 1550): Iuxta formam. Nach form gestalt maß weiß weg manier. Peil, Rollenhagen. Froschm. 612, 3363 (Magdeb. 1608): Der ander lacht der Manier / 兩 Das viel jhr angeborn Pitschier / 兩 Hetten hinden ins Hembd gedrÈckt. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 797 (Köln 1476): Nyemantz kan der dyngh manyren 兩 Vollyncklych genoych visyren. Thiele, Minner. II, 26, 62 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): dus mynnet engel, mensch und dier, 兩 eyn yeglich

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nach synre manier. Schneider, Pont. u. Sid. 50, 18 (rhfrk./mosfrk., 2. H. 15. Jh.): vnd gleuben an vnsern großen got Machamet, so wil ich sie setzen inn die manere, das sie selten darzu kommen sollen, wieder vnsern glauben zu thun. Dedekind/Scheidt. Grob. 87, 32 (Worms 1551): daß auß einer vngewonlichen manier / vngedachter nutz entspringe. v. Keller, Amadis 8, 12 (Frankf. 1561): daß manche sagen werden, wie die art vnnd manier zu reden in disem Buch, jetzt der zeit nit sonders gebreuchlich. Oorschot, Spee/ Schmidt. Caut. Crim. 244a, 14 (Frankf./M. 1649): daß man den Process auff zweyerley Manier anstellen kËnne. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 42 (els., E. 14. Jh.): Dise wort welle wir tu´ten vnd entbinden in drie manieren oder wisen. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2133 (oobd., 1607/11): Von laibfarbem wax nach A. D. [Albrecht Dürer] manier ein bassarilevo. − Chron. Kˆln 2, 11r, 27; Schneider, a. a. O. 153, 5; Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 16, 5; Sachs 1, 427, 19; v. Keller, Ayrer. Dramen 6, 7; Eschenloher. Medicus 64, 15; Memminger Chron. Chr. 10, 9. − Vgl. ferner s. v. ausgehen 10, bauen 4, beben 1.

2. ›im Vergleich zu 1 längerfristig gültige und damit verpflichtende Gewohnheit, Brauch, Sitte, Üblichkeit; auf Gewohnheit beruhende Eigenart‹. − Bdv.: art 12; 13, brauch 2, gebrauch 2, gewonheit 1, ordnung, sitte; vgl. 1band 15, betragnis, habit 1, lauf 12, pflicht 3. − Synt.: m. halten, eine m. aufbringen, die beschreibung eine m. haben; sich einer m. befleissen / verwundern, auf eine m. gewapent sein, sich auf eine m. kleiden, etw. nach einer m. tun; die m. des adels; die alte (mehrfach) / neue / deutsche / welsche / französische / türkische / heidnische / erbare / erliche / besondere m.; die dirne in irer m. ›Tracht‹. Schˆpper 89b (Dortm. 1550): ¶ Consuetudo. Sitt gewonheit geprauch weise manier. Chron. Kˆln 2, 9v, 35 (Köln 1499): He [Caym] brachte ouch vp die manier mit d‘ waege vnd de˜ gewicht. Buch Weinsb. 2, 270, 40 (rib., 1574): Ich halt gern maneir, ordnong und brauch, doch corrigeir ich gern misbrauch. Rupprich, Dürer 1, 162, 21 (nobd., 1520): Den samstag kamen wir zu der Güs, da conterfet ich ein dirn (in) jhrer manir. Barack, Zim. Chron. 1, 481, 26 (schwäb., M. 16. Jh.): ist herr Wörnher der rechten, theuren, alten Schwaben ainer gewest, der sich in allem seinem thun und lassen der alten manier beflissen, hat kainer frömden claidung sich gebrauchen mögen. Turmair 4, 6, 6 (moobd., 1522/ 33): Es hat sunst auch der land und leut auch geschicht beschreibung ir art und pesunder monir, von welches wegen ich mich beflissen hab des alten, natürlichen, iederman verstendigen teutsches. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 653 (oobd., 1607/ 11): 1 ander indianisch kurtz schwert, der knopf und kreütz durchbrochen von messing, auff gar alte manir. Qu. Brasso´ 5, 586, 24 (siebenb., 1617): Den vorigten Tag aber, [...],

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manieren − manig

hat er auf die Türkische Monier auf die 20 weiss Kranchenfedern nebenst einander aufgestecket. − Mieder, Lehmann. Flor. 284, 2; Thiele, Minner. II, 32, 414; Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 45, 5; 88, 5; Wyss, Luz. Ostersp. 3, 87, 65; 170, 2; Barack, a. a. O. 2, 257, 33; Turmair 4, 114, 13. − Vgl. ferner s. v. abtun 1, 1adel 1.

3. ›Gruppe (von Menschen, die durch bestimmte Kriterien umrissen wird)‹. − Bdv.: partei 3; vgl. art 9, ausschus 2, bank 15, geschlecht (das) 1, gesinde (das) 3, gespielschaft 1, stiftung 5, teilung 1. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 396 (els., E. 14. Jh.): Fv´nf manieren von personen mÈssent sich offenbaren fu´r disen rihter. Die erste partie vnd die bËste, daz sint die cristen menschen.

manieren, s. manierung. manierung, die. ›Erscheinungsweise e. P.; Ausrüstung, Kleidung‹; vgl. manier 1; 2. − Bdv.: vgl. ausserkeit, bäre 1, gepär. − Wbg.: manieren ›(die Sprache) ordentlich, manierlich gebrauchen‹. Peil, Rollenhagen. Froschm. 16, 88 (Magdeb. 1608): Darumb wird Euch kein wunder sein / 兩 Das meine FrËsch in jhrem Reym / 兩 Jhr Mutter sprach nicht außpoliert / 兩 Artig versetzet vnd maniert / 兩 sondern wie die Genß am riefier / 兩 Vnd die Weiber beym Wein vnd Bier. Ebd. 682, 27 (Marg.): Vornemer Krebsherrn manierung. Wyss, Limb. Chron. 51, 6 (mfrk., Hs. 2. H. 16. Jh.): nu saltu wißen phyzonomien unde gestalt hern Conen vurgenant, want ich in dicke gesehen unde geprufet han in sime wesen unde in mancher siner manirunge. Ebd. 79, 21: daz dise kleidunge unde manierunge der kleider dise genwortige wernt nit an sich genomen hant von grobeheit [...], dan si disen snet unde kleider von großer hoffart gefonden [...] hant.

manifestation, s. manifestieren. manifestieren, V. ›etw. offenlegen‹. − Bdv.: offenbaren, öfnen; vgl. 1anen 7, aufentschliessen, aufsperren 3, ausflechten, bestimmen 1. − Wbg.: manifestation. Luther, WA 41, 3, 18 (1535): man sol welt commendirn zu regirn, docuerunt corda sic manifestirn, ut videatur, quid homines. Rot 327 (Augsb. 1571): Manifestirn, Ëffnen / oder offenbaren. Manifestation, Offenbarung.

manig, im Beleg wohl pluralisch, über das Ital. letztlich aus lat. manica ›langer Ärmel‹ (Georges 2, 796). ›Ärmel‹. − Bdv.: arm (der) 2, ärmel 2, mauwe 1, 1stauche 4.

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Loose, Tuchers Haushaltb. 138, 19 (nürnb., 1516): schwarcz czendelthort mir [Tucher] czu manigi an ein allt wames a 14 ß.

manig, s. mane 1. manig, mannig, malch, manch, mang, 2mänlich, meng; Pronominaladj., teils unflekt., Indefinitpron.; hohe Schreibund Formenvariation infolge von Doppelung des -n-, Synkope und Umlaut (gekennzeichnet mit -ä- und -e-), zusätzlich durch das Suffix -lich. 1. ›unquantifiziert viele‹, auf eine solche Anzahl zählbarer Bezugsgegebenheiten (Personen, oft mensch, oder Sachen, z. B. jare, vögel, wunden, gebreste, sele) bezogen, die über der Erwartung liegt oder eine aufmerksame Wahrnehmung verlangt. − Bdv.: viel. − Synt.: seltener pronominal als adjektivisch gebraucht, oft flektiert. Wbg.: mancherwegen ›vielerorts‹, machfart ›oft‹, manigertieren ›verschiedenster Art‹ (-tieren entsprechend mnl. -tiere, -tieren; Verwijs/Verdam 328; de Vries, Et. Wb. 1971, 732), manighornig ›vielhornig‹, manigkeit, mänigschaft ›große Menge‹, manigspältig. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 25176 (preuß., um 1330/40): ein teil seltzeˆner dinge, 兩 dıˆ bin der werlde ringe 兩 manchirwegin sıˆn gescheˆn. Helm, H. v. Hesler. Apok. 19138 (nrddt., 14. Jh.): Zerastes ist ein krieschich wort 兩 Und dutet „manic hornic“ dort: 兩 [...] 兩. Ein slange manichornic, 兩 Mortgrimme, tobezornic. Quint, Eckharts Trakt. 36, 4 (E. 13./A. 14. Jh.): daz [eˆwic leben] manic tuˆsent menschen niht enhaˆnt. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 5789 (rib., 1444): Du deis eme verwende hosen an 兩 Ind dar zo edele cleidere drayn 兩 Van varwen ind machsel mannichertieren. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 1282 (mrhein., um 1335): Wir din gebeident han bit ger 兩 in dirre vinstere mange stunt. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 182, 5 (Frankf. 1535): Lebendiger Schwefel gepüluert / treibet auß vergifft / [...] hat manchem menschen geholffen. Eggers, Psalter 3, 13 (thür., 1378): worvmme ist er so vele, di mich erbeiten? mange sten weder mir. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 14, 14 (osächs., 1343): her gıˆng uˆz und sach manige schare und irbarmete sich ubir sie. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 2, 7 (Hs. 2omd., 14659): des wir [her Tot] [...] vormals doch manigen künstereichen, edeln, [...] leuten sere über den rein haben gegraset. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 452, 8 (osächs., 1523/ 4): und ime das [erarbeiten] manchfart dick schwerlich sauer ist worden. Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 35b, 13 (nobd., E. 14. Jh.): dise glust habent in der heilgen schrift

1775

manig

manigen namen man haizzett si weinheffen. Sachs 20, 236, 20 (Nürnb. 1563): Den bekümmert gar manigspeltig, 兩 Daß der pfaff selig sprach iederman. Vetter, Pred. Taulers 393, 8 (els., E. 14. Jh.): wie ein wite materie daz ist der dem noch solte gon, das menglich vol sines eigenen willen ist, vol, vol, vol! Martin, H. v. Sachsenh. Tempel 131 (schwäb., 1453): Dinr tugent marner wyset 兩 Mang ellend sel zuo land, 兩 Die hieß des tüfels pfand 兩 Müst yemer sin beliben. Voc. Ex quo M 603 (oobd., 1468): Multitudo menigschaft [...] manigkeit. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 106, 31 (oobd., 1349/50): alsoˆ ist manig deˆmüetiger mensch, der inwendig groˆzen schatz behalten haˆt. Spechtler, Mönch v. Salzb. 23, 110 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): sein bluet auf ire chlaider flos, 兩 das schuef vil manig wund. Klein, Oswald 1, 63 (oobd., 1421): Des sünders pan, 兩 die ist so aubenteurlichen verrichtet 兩 mit mangen hübschen, klügen latz. Voc. Ex quo, M 603 (oobd., 1468): Multitudo menigschaft [...] manigkeit. Roth, E. v. Wildenberg 71, 8 (moobd., v. 1493): do mänigklich von der grossen macht wegen verzagt hetten, die die heiden hetten. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 28, 27 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): aber manigs mensch muest an leyb und guet darumb verderben. − Chron. Kˆln 1, 787; Wyss, Limb. Chron. 26, 20; Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 153, 20; Jahr, H. v. Mügeln 947; Mˆnch v. Heilsbronn. a. a. O. 36a, 8; Kurz, Murner. Luth. Narr 2271; Klein, a. a. O. 2, 16; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 7, 29. − Vgl. ferner s. v. 1aue 1.

2. ›unquantifiziert viel, vieles‹, bezogen auf kontinuative, kollektive, sog. ,abstrakte‘ Bezugsgrößen, die in der Regel nicht der Zählung unterworfen werden; oft mit Tendenz zu ›vielerlei, vielgestaltig, vielfacher Art‹. − Synt. (meist flektiert): maniger gebrauch / kummer / ser / sin / schade / überlast, manige gnade / sorge; unflektiert: manig list / pein / tugend / weisheit. Wbg.: manigformig ›vielgestaltig‹, mänigkeit ›Menge, Quantität‹, manigpar ›vielerlei‹ (par wohl entsprechend par 5, s. d.), manigschlacht (dazu bdv.: mancherhand 1, mancherlei 1). Peil, Rollenhagen. Froschm. 592, 2724 (Magdeb. 1608): Es wird manch list dabey erdicht / 兩 Da man zuvor nicht auffgesonnen. Karnein, Salm. u. Morolf 1, 5 (srhfrk., Hs. um 1470): das was der kunig Salmon, 兩 der manig wißheit geriet. H¸bner, Buch Daniel 6072 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Wie daz sine wirde lanc 兩 Vor der crefte vursten dranc 兩 Unde nam em offenbar 兩 Opfer dienstes manicpar. Eggers, Psalter 6, 12 (thür., 1378): ich aber getruwe in mancher diner gnade. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 237r, 6 (md./oobd., 1446/8): Von der angeprantten kolera, [...] / czu einer manerley drüß nacher der ma/ nickeit der feuttikeyt vnd nach mancher/leykeit der stat vnd nach mancherley der / sterke vnd kranckhey¨t des gelides. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 12 (Nürnb. 1517): do-

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mit geoffnet werde die manigformig weißheit gots. Rupprich, Dürer 1, 155, 41 (nobd., 1520): allerley¨ wunderbahrlicher ding zu maniglichem brauch. Chron. Strassb. 46, 11 (els., 1362): die zwene wurdent dem kunige gegeben und wurdent gepineget in manigen weg. Wiessner, Wittenw. Ring 4231 (ohalem., 1400/08): [klaider] Van lein und paumwull manigschlacht. Schib, H. Stockar 129, 6 (halem., 1520/9): und vil mit inen erlitten und ain grosen, mienklichen ko(mer) gehian. Sappler, H. Kaufringer 21, 18 (schwäb., Hs. 1472): der hett von frost manig ser; 兩 hunger und durst tätt im wee, 兩 die reifen und der kalte schnee. Klein, Oswald 1, 51 (oobd., 1421): durch manchen grossen überlast 兩 emphrembt si mir die gail. Haage, Hesel. Arzneib. 11v, 15 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Ist des haren vil und maniger schlachte varb, so ist der leib aller befangen mit siechtum. Bauer, Imitatio Haller 86, 1 (tir., 1466): Wand got der herr der rett mit vns durch vil mannig sinn an die enpfhahung der menschleichen personen. − Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 42, 3; Sappler, a. a. O. 2, 22. − Vgl. ferner s. v. anhang 12, ausfaren 1.

3. ›vergleichsweise quantifiziert viele, viel‹, auf eine bestimmte Anzahl von Bezugsgegebenheiten bezogen, mehrfach auf genau diejenige Anzahl, die im Text als bekannt verausgesetzt wird (Muster: also manig pfarre, so manig lerer); vereinzelt stehen an Stelle zählbarer Gegebenheiten auch Kontinuativa (nebel, gewette 3). − Bdv.: viel. Luther, WA 32, 241, 2 (1530): Sic est ecclesia Christiana vol yrtung, also manig pfarr, so manig lerer. Beckers, Bauernpr. 55, 12 (Köln 1515/18): wie vyll daw im mertzen synt / so vil reiffen komen na paschen. Als mannich neuel kompt in dem Augsten. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 245, 29 (thür., 1474): so muß her ydeme schepphin, der an daz orteil gefolget hat, syne busse gebin unde deme richter also mannigk gewette. Schˆnbach, Adt. Pred. 25, 6 (osächs., 1. H. 14. Jh.): und [du] solt vermiden alle houbetsu˘nden, wanne als manige du der hast, also manigen apgot tregestu. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 16, 9 (osächs., 1343): betrachtet di funf broˆt und funf tuˆsent menschen, und wıˆ manigen [Luther 1545: viel] korb naˆmet ir uˆf? Jerouschek, Nürnb. Hexenh. 1r, 42 (obd., 1491): der einfal des capitels lert von ersten wie ma˜gen kuntschaffter o swere˜. Geier, Stadtr. Überl. 301, der richter soll habn˜ zum 26 (nalem., 1520): sollen volgends berürte eniklin [...], obbestimpte verfangenschaft ganz, [...], mitainander durchauß in die heupter aichelnweise gleich erben und thailen, als manig mund, als manig pfund. Maaler 282v (Zürich 1561): Als Mancher kopff / als mancher sin˜ / Als vil der leüten / so vil der meinunge˜ / Als mancher bauwr / als manche Juppen. − Rohland, Schäden 475; Piirainen, Igl. Bergr. 26, 2, 27.

4. ›jeder, jedermann (als einzelner innerhalb einer Gesamtheit); alle, alle zusam-

1777

manig

men‹; auch ›irgendein‹. − Bdv.: 2al (Adj.) 2, jeglich, jederman. Ggs.: wenig. − Synt. (subst. Gebrauch, meist unflektiert): mäniglich (Akk.obj.) warnen; mäniglich (Subj.) klagen / schlafen / sprechen / aufmerken, etw. tun / vernemen, sich nach etw. richten, über etw. erschrecken, verstehen, das [...], zins geben, nuz suchen, sich an etw. binden, js. tapferkeit loben, geachtet werden, zu [...]; mänlich (Dat.) etw. verschweigen, mäniglichen (Dat.) bekant, zu wissen (sein), etw. kund tun, mäniglich unerkant sein, verborgen sein, was [...]; ane mänigliches hindernis leben, sich gegen mäniglichen erlich verhalten, von mäniglich in eren gehalten sein, für tot gehalten werden, von mäniglich zeter geschrieren sein, vor mäniglich etw. aufsetzen / erzeigen. Luther, WA 17, 2, 475, 22 (1527): Hüte sich, wer da kan, Jch wil meniglich hiemit gewarnet haben. Grosse, Schwabensp. 101a, 31 (Hs. 2nd./md., um 14109): Jz mach wol manlich sinen schaden vorswighen, ob her wel. Chron. Kˆln 1, 2546 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Do pinde sich mallich an’t vurveichten 兩 dat sy [Bürger] die stat in vryheit breichten. Ebd. 2, 449, 19 (Köln 1499): ind dat mallich sin eigen nutz zo vil suchet ind alzo wenich dem gemeinen goede getruwelich furderlich sint. Knape, Messerschmidt. Bris. 16, 17 (Frankf./M. 1559): das jederman seine augen vnd gesicht / auff jhn hat / vnd meniglich / seine Ritterliche dapfferkeit lobet. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 31, 7 (Frankf./M. 1568): Jn meiner MÈntz schlag ich [MÈntzmeister] gericht / 兩 Gute MÈntz an kern vnd gewicht / 兩 [...] 兩 Vnd gut alt Thurnis / aller mennig 兩 Zu gut /in recht guter Landewerung. Leman, Kulm. Recht 3, 19 (Thorn 1584): dy andern alle entgeen allenthalben menlich selb schende. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 1, 16 (Hs. 2omd., 14659): von mir und aller menniglich sei über euch ernstlich zeter! geschriren. Chron. Strassb. 280, 4 (els., 15. Jh.): Künig Nabuchodonosor [...] det machen eine güldin süle und die anebetten für got. das det menglich. Wikkram 4, 12, 6 (Straßb. 1556): ein reicher tugentsamer Kauffherr / [...] / welcher von mengklich jung unnd alten / in hohem wert gehalten was. Bernoulli, Basler Chron. 4, 215, 28 (alem., 1444): der iegklich muso 1 lb. one gnade ze besserung geben; da wisse sich menglich nach ze richtende. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 306, 25 (halem., 1534/ 5): das mencklich / zins / zechenden / [...] / gebend wie von allter har. Dierauer, Chron. Zürich 165, 7 (halem., 1415/20): Es ist ze wissen menlichen und offen fÈr war, das [...]. Andreae. Ber. Nachtmal 24r, 7 ([Augsb.] 1557): auff das mÁnigklich verstehe / was die wahre Consecration sey. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 784, 40 (schwäb., 1622): Solle auch jeglicher jud und jüdin, [...], ihr gewönlich judenzeichen, damit sie menniglichen bekannt, offentlich herumbgetragen. Turmair 5, 8, 1 (moobd., 1522/33): solten die Baiern frei und ir selbs herren sein, [...] on männiglichs

1778

hindernus leben. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 191, 45 (m/soobd., 17. Jh.): Eß sollen sich alle burger ehrlich [...] gegen meniklichen verhalten. Qu. Brasso´ 5, 437, 18 (siebenb., n. 1646): Am Neuen Jahrstag ist ein so grausamer Wind gewest, daß männinglich drüber erschrocken ist. − Chron. Magdeb. 2, 34, 7; Chron. Kˆln 1, 3134; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 26; Sachs 2, 229, 39; Roloff, Brant. Tsp. 42; Stackmann u. a., Frauenlob 51, 13; Adomatis u. a., J. Murer. Nab. 899; Eschenloher. Medicus 45, 4; Chron. Augsb. 8, 164, Anm. 2; Andreae. a. a. O. 18v, 18; Drescher, Hartlieb. Caes. 294, 32; Weber, Füetrer. Poyt. 89, 7; Turmair 1, 55, 19; 4, 889, 3; Vorarlb. Wb. 2, 351. − Vgl. ferner s. v. aufmerken 2.

5. ›manche, manch einer; einige‹, jeweils unquantifiziert bezogen auf zählbare Bezugspersonen und -sachen. − Ggs.: einer. − Synt. (meist adjektivisch und dann in der Regel flektiert, teils nominal gebraucht): maniger diener / gelerte / lerer / man (vielfach) / meister / nar / manige fürstin / sünde / nacht, maniges mensche, manig land, manig ritter ; 2manigen zeiten, zu maniger zeit9 ›manchmal‹; nominal: manig(er) klagen, auf dem bette liegen, die ehe brechen, dem anderen abbrechen ›schaden‹, maniges lange [wo] stehen / warten. Helm, H. v. Hesler. Apok. 6784 (nrddt., 14. Jh.): Wes mac in Got gedanken dan, 兩 Swen sie mencheren [Komp.: ›mehrere‹] man 兩 Vorterben dan sie generet han? Froning, Alsf. Passionssp. 403 (ohess., 1501 ff.): mancher [gelarte] selber die ehe bricht. Sachs 3, 222, 1 (Nürnb. 1531): so begibt sich mengen zeyten, 兩 Das du verkriegest all dein gut. Vetter, Pred. Taulers 94, 23 (els., E. 14. Jh.): wie unbegriffenlich sorglich menglich dem andern daz sine abebrichet. Cirurgia H. Brunschwig 30ra, 3 (Straßb. [1497]): Zuo o meister berufft wart die vnd’stu¯den dem etwan mancher guter im das isen vß zuo zichen. Kurz, Murner. Luth. Narr 1400 (Straßb. 1522): So manchs mensch zuro kirchen wil gon, 兩 Das sol ein eigne schellen hon. Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 189, 11 (Hagenau 1534): Es ist manchem armen / fromen / erbarn manne leydt gewesen das unordenliche wesen der bawern. Martin, H. v. Sachsenh. Jesus 138 o 兩 Der lert (schwäb., 1453): Als noch vil manger lerer tut, und volgt doch selber nicht. Sappler, H. Kaufringer 14, 455 (schwäb., Hs. 1464): der grauf und manig ritter cluog 兩 [...] 兩 wurden da gesetzt ze tisch. Chron. Augsb. 4, 379, 6 (schwäb., v. 1536): ist menigs [›manch einer‹] lenger dann ain halben tag da gestanden und darauff [flaisch] gewartot, und ist im denhot kains worden. Schlosser, H. v. Sachv vil] schiessenh. Mörin 4457 (schwäb., 1453): die [frowen v dem aberzil 兩 Und felen doch an mangem man. sen nach Klein, Oswald 12, 40 (oobd., 1416): manche fürstin schöne, 兩 die mich zu schallen ›singen‹ mit ir bat. Ebd. 17, 29 (1410): Zu manger zeit kompt dir mit neid 兩 Scherock

1779

mänig − manigfaltig

mit grossem widerstreit. Weber, Füetrer. Poyt. 127, 1 (moobd., 1478/84): Durch manig lanndt gevaren 兩 pin ich nach süesser mynn. Winter, Nöst. Weist. 2, 915, 8 (moobd., 1424/1633): ob ainer oder menücher solch weg nit machen oder bessern wolt, der ist darumb wandlwartig. − Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 300; Reichmann, Dietrich. Schrr. 145, 13; Meisen u. a., J. Eck 49, 5; Chron. Augsb. 7, 425, 4; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 183, 9; Klein, a. a. O. 1, 33; 5, 2; 19, 163. − Vgl. ferner s. v. andächte.

mänig, auch -a- und -ö- sowie mit Suffix -isch, Adj. 1. ›an einer Kopfkrankheit leidend (vom Menschen und vom Vieh gesagt); mondsüchtig, geisteskrank‹; vgl. mane (der) 1. − Bdv.: 2manscheinig, manwendig9 (Beleg s. v. mane, der, 1), mansüchtig; vgl. lunesch 1. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 66, 6 (Straßb. 1466): O herre derbarm dich meins suns wann er ist menig [M. v. Beheim 1343: meˆnisch; Luther 1545, Mt. 17, 15: Monsüchtig]. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 386, 30 (halem., 1556): das sy khein mÁnig, ryttigs oder stürmigs veech, [...], kouffind. Maaler 293r (Zürich 1561): Monsüchtig / MËnig / Taub oder sunst kranck / Desse Kranckheit wachßt vnd schweynt / gleych wie der Mon. Lunaticus.

2. schwach belegt auf bestimmte Eigenschaften des Mondes bzw. Eigenschaftszuschreibungen bezogen, dann: ›fleckig‹ (s. dazu den Beleg Quint 156, 1 s. v. mane, der, 1) sowie ›monatlich‹. Voc. Teut.-Lat. t vv (Nürnb. 1482): Ma˜sche˜iger. lunaris. od‘ meniger. Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb. 180 (um 1470): Mensurus manyk. − Schweiz. Id. 4, 238.

mänigen, s. 2mäne (der). maniger, Lemmansatz, Genus und etymologische Zuordnung? ›Tongeschirr‹. Lau, Qu. Siegburg 120, 10 (rib., 1516−31): menger ind stechpotte dat groisse hundert 12 weispenninck. Ebd. 134, 5: ein hundert kochduppen 8 mark; ein hundert memmelger (hierher?) 16 weispenning. − Ebd. 116, 34.

manigertieren, s. manig 1. manigerweise, Adv. ›auf vielfache, verschiedenartige Weise‹; vgl. manig 2. Helm, H. v. Hesler. Apok. 7195 (nrddt., 14. Jh.): Got castiget uns maniger wis, 兩 Sumeliche durch daz paradis. Ebd. 21431: Daz her [Jhesus Criste] ein also wilden 兩 Sachen glich ie gebilden 兩 Sim edelen bilde wolde, 兩 Daz sich an im solde 兩

1780

So manigewis vorwirken. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 241, 9 (Straßb. 1466): GOtt ret etwen zuo den vettern in den weyssagen in manigerhand rede vnd in manigerweyse [Luther 1545, Hebr. 1, 1: mancherley weise].

manigfach, Adj. / Adv. ›vielfältig, vielfach; quantitativ viel, zahlreich; außerordentlich‹; vgl. manig 1−3. − Bdv.: vgl. lauter (Adj.) 7. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 21557 (preuß., um 1330/40): Dıˆ gedankin manicvach 兩 laˆgen im zu herzin. Ebd. 23769: Daz tribbin sıˆ [bruˆdre] alsoˆ gevaˆch, 兩 unz daˆ vor in manic vach 兩 der heidin laˆgen lıˆbis swach. Wackernell, H. v. Montfort 40, 94 (wmd., 15. Jh.): Eyn seyl, das was dick manigfach, 兩 daran der ancker hafft. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 100, 7 (Nürnb. 1631): Wem nunmehr [...] der so manigfache reiche nutz vnnd frucht deß singens, kein anmutung macht zu Geistlichen Liedern [...], dem [...]. − H¸bner, Buch Daniel 698; Jahr, H. v. Mügeln 1710.

manigfalt, der. ›Blätter-, Kuttelmagen des Rindviehs‹ (Motiv der Benennung: die Menge der Falten); vgl. manig 1. − Bdv.: vgl. bauch 3. − Schweiz. Id. 1, 819 (a. 1563). manigfalt, die. ›Mannigfaltigkeit, Vielheit; Unterschiedlichkeit; Menge‹. − Bdv.: unterscheid. − Bdv.: vgl. gröslichkeit, grossigkeit, manigfaltigkeit 1, manigfaltigung, mänigheit, vielheit. Ggs.: vgl. einfaltigkeit, einigkeit. v. Tscharner, Md. Marco Polo 52, 1 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Von der manchvalt der epgote und von manchir hande edil vrucht brenginde boume. Schˆnbach, Adt. Pred. 12, 23 (osächs., 1. H. 14. Jh.): daz ouch din herze solde weich machen die grozze manichvalt der gotes gabe. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 421, 22 (Straßb. 1466): sy wurden erstrewet in der flucht vnd hielten sich in der manigfalt ›flohen‹. Niewˆhner, Teichner 564, 2618 (Hs. 2moobd., n. 14009): von der selben manichvalt [Ú underschaid in allem leben] 兩 lat mich wissen durch ewr er!

manigfaltig, auch -falt, -fältig, -faltiglich; letzteres oft, aber nicht ausschließlich adverbial gebraucht; Adj., Adv. 1. ›vielfältig, vielgestaltig, verschieden, unterschiedlich‹, von zählbaren (meist konkret gedachten) Bezugsgegebenheiten gesagt, die von einander differieren, häufiger von (eher abstrakt gedachten) Bezugsgegebenheiten, die in sich, in ihren Erscheinungsformen, ihrer Substanz u. ä. als un-

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manigfaltig

gleich, variant, wechselnd konzipiert werden; oft mit Tendenz zu ›quantitativ viel (indefinit)‹; vgl. manig 1; 2. − Bdv.: vielfaltig. Ggs.: einfaltig. − Synt.: der lon, die barmherzigkeit / gleichheit / pein / stimme, das leiden / recht, die betrübnisse m. sein, manigfaltiglich leiden, manigfaltiglichen reden, etw. manigfaltiglich erscheinen, ein bündnis sich manigfaltiglich erheben, den leib manigfaltiglich machen, jn. m. loben, etw. m. richten, jn. manigfaltiglich peinigen / versuchen; der manigfaltige glaube / misbrauch / sin, die manigfaltige anweigung / gewalt / hochheit / reichheit / schande / verleuchtung / verständlichkeit, manigfaltige blumen / gaben / gebresten / mirakel / schäden / stricke; gnade / tugend / ketzerei / freude manigfaltig, got nicht manigfaltiglich, (ein Tier) gepockelt manigfalt. Peil, Rollenhagen. Froschm. 883, 5547 (Magdeb. 1608): ein krËt / Eydechs / Trach / und Schlang / 兩 Was ohn ein Krebsschwantz wie ein Tasch / 兩 [...] 兩 Schwartzbraun gepockelt mannigfalt. Grosse, Schwabensp. 143a, 25 (Hs. o o so luttel seit von der 2nd./md., um 14109): daz daz buch o dienstmanne recht, daz Cumt da von, daz ir recht so manichvalt ist. Quint, Eckharts Trakt. 37, 12 (E. 13./A. 14. Jh.): manicvaltic sint gotes barmherzicheit. Ebd. 52, 3: soˆ wirt mir lıˆhte troˆst und vröude alle mıˆn lıˆden, swie groˆz daz ist und manicvalt. Stambaugh, Milichius. Zaubert. 8, 7 (Frankf./M. 1563): Was Zauberey sey / unnd wie manchfaltig sie sey. Eggers, Psalter 52, 27 (thür., 1378): Mines herzcen betrupnisse sint mannigvald. Roloff, Naogeorg/ Tyrolff. Pamm. 441, 4332 (Zwickau um 1540): Nun sitzt herbey / ihr habt gehËret all / 兩 [...] 兩 [...] auch wie heymlich bÈndnus sich 兩 Erhebet wider uns manchfeldiglich. Gille u. a., M. Beheim 71, 316 (nobd., 2. H. 15. Jh.): wy vil er 兩 im lobs und dankes schuldig wer 兩 umb sein gnad manigvalte. Ebd. 77, 78: ir solt wissen, das gote 兩 Gemachet hat auf erden 兩 manchveltigeleich des menschen leib. Vetter, Pred. Taulers 74, 30 (els., E. 14. Jh.): Wir su´llent halten einen einvaltigen waren gantzen glouben an einen Got in drivaltikeit der personen, nu´t manigvalteklich, sunder einvalteclich und luterlichen. Bihlmeyer, Seuse 96, 16 (alem., 14. Jh.): Si tet als du´ gewirbigu´ binlu´, du´ daz su´ss hong uss den menigo in tragent. Morgan u. a., MHG. Transl. valtigen blumen Summa 276, 2 (schwäb., 14. Jh.): sit daz die glicheit zemerken ist nach der behörlicheit in der förmen, so ist die glicheit manigvalticliche nach vil wisen der glicheit der gemeinsamunge in der formen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 33, 16 (Straßb. 1466): Wann in einem ytzlichen besundern wort. seint verborgen maniguelticliche verstentlichkeit. Bauer, Geiler. Pred. 471, 27 (Augsb. 1508): das ain mensch warnem der grossen und manigfaltigen schÁden / so auß seinen worten kommen mËgen. Hˆver, Bonaventura. Itin. A 137 (moobd., 2. H. 15. Jh.): allzo erczaygt sy [würchhumb] miz yrer aller

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manigfalltigissten manigvalltikhait dy vnme¨ssichhait [...] diser güthait gotes. − Froning, Alsf. Passionssp. 7822; Karnein, Salm. u. Morolf 316, 5; Strauch, Par. anime int. 134, 12; v. d. Broek, Suevus. Spieg. 144v, 29; Roloff, a. a. O. 103, 858; Gille u. a., a. a. O. 1176, 91; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 100, 14; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 1004; Bihlmeyer, a. a. O. 93, 7; 372, 15; Rieder, St. Georg. Pred. 311, 9; Schmidt, Rud. v. Biberach 162, 14; Lindqvist, K. v. Helmsd. 2066; P‰pke, Marienl. Wernher 14285; Primisser, Suchenwirt 39, 127; Spechtler, Mönch v. Salzb. 1, 169; Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 179, 3; 183, 22; Klein, Oswald 8, 32; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 7, 8; 93, 42; Maaler 283v. − Vgl. ferner s. v. ausbrechen 4, algereit 1, 1alt 14, aussaugen 2.

2. ›oftmals, des öfteren, verschiedentlich; immer wieder, wiederholt, vielmals, häufig; fortwährend‹; teils mit Tendenz zu: ›auf verschiedene Weise‹. − Bdv.: vgl. mancherhand 2. Froning, Alsf. Passionssp. 7727 (ohess., 1501 ff.): ich hayn gebethen manigfalt 兩 myn vatter sunder wan, 兩 das dyn glaube sale bestan! v. Tscharner, Md. Marco Polo 2, 18 (osächs., 2. H. 14. Jh.): do der keysir irwegit wart von grosir bete di si an yn gelegit hattin manchvalt, das her si wolde lozen und orlob gebe heym czu czinde [...], do [...]. Gille u. a., M. Beheim 195, 133 (nobd., 2. H. 15. Jh.): auch die singerinn manigvalt 兩 vil ubels tut mit singen, 兩 Wann sy czeucht mit irr stim leipplich 兩 der jungen toren hercz an sich. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 149 (Nürnb. 1517): so die seel erweichet ist, erseufzt sie manigfaltig. Chron. Augsb. 9, 149, 7 (schwäb., 1544/5): daß [...] bisher die gantze statt mit der begird des freien stands erfüllet und manichfeltig durch die gmaind ausgesprochen und komen ist. Reithmeier, B. v. Chiemsee 90, 2 (München 1528): do er in derselben todsünd das sacrament nam vnd sich aufs herren menigfeltig ermonung nit bekeren wolt, do [...]. Turmair 5, 586, 18 (moobd., 1522/33): solch stätig und manigfeltig anruefen, als si uns täglich tuen. − P‰pke, Marienl. Wernher 11122; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 196, 6.

3. ›wankel-, wechselmütig, zerstreut, zerfahren‹ (von Personen); ›stets wechselnd, sich fortwährend ändernd, je besonders‹ (von Haltungen, Sachen); meist auf die sinnliche Zerstreuung des religiösen Menschen bezogen und dann im Gegensatz zu 1. − Älteres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘, speziell der Mystik. − Bdv.: auswendig 9; 10, vergänglich; vgl. ausschweifig, leichtfertig 3, liedweich. Ggs.: einfaltig, gewis 1; 3; vgl. bestendig 6. Helm, H. v. Hesler. Apok. 15507 (nrddt., 14. Jh.): Johan, stures 兩 Und enwis nicht manicvaldic, 兩 Du wirs noch

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manigfältig − manigfaltigen

gnuc gewaldic. Quint, Eckharts Pred. 2, 541, 97 (E. 13./ A. 14. Jh.): so wir ie mer abgent von got, so wir ie mer vnd mer manigualtiger berdent. Strauch, Par. anime int. 25, 29 (thür., 14. Jh.): ie [...] ouch di innerin [sinne] frigir und ummekummirtir sin mit disin manicvaldigin dingin, ie di offinbarunge [...] gewissir sint. Ders., Schürebrand 16, 19 (els., E. 14. Jh.): das insprechen gottes kan kein mensche niemer rehte verston, der zuo manigvaltig ist in sinen wisen und zuo vil sehendes het uf die creaturen. Ebd. 37, 5: des man ouch [...] alle gewerde natu´rlicher und frischer blibe in der gemeinde wanne in der manigvaltigen sunderheit und eigenschaft. Vetter, Pred. Taulers 118, 3 (els., E. 14. Jh.): und nu´t in den sinnen enmuso er leben und nu´t uzlouffen nu har nu dar, nu sus nu so, in manigvaltige manigvaltikeit und ussewendikeit. − Quint, a. a. O. 2, 107, 1; Strauch, Par. anime int. 108, 27; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 780.

4. dient der Charakterisierung von Bezugsgegebenheiten, oft von Handlungen, die über das normal zu erwartende Maß hinausgehen und die man deshalb wünscht oder befürchtet; im einzelnen: ›gebieterisch, streng‹ (von einem gebot); ›deutlich‹ (vom obersagen ›gebieten‹); ›groß, reichlich‹ o. ä. je nach Bezugsgröße (z. B. von einem lon); ›zahlreich‹ (von einem her); ›ausführlich‹ (von einer Darstellung). Luther, WA 30, 3, 291, 32 (1531): Es sey nicht mein rat, Sondern Gottes ernstlichs und manchfeltiges ›gebieterisches‹ strenges gebot. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 165, 17 (thür., 1474): solliche hoenlich, lesterlich unde smeliche worth, so mannigfeldig ›deutlich‹ er ym dy in vorwandeltin stetin obirsaget hat. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 6, 23 (osächs., 1343): Vrowit uˆch in dem tage und irhebit uˆch, wan uˆwer loˆn ist manicveldic [Luther 1545: gros] in dem himele. Adrian, Saelden Hort 8803 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): Philippe, wise 兩 u´s war wir kouffen spise 兩 dem manigvaltigen [›zahlreichen‹] hohen her! Koppitz, Trojanerkr. 775 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): verzagtt was ie min mütt, 兩 Min vorchtt die was manigfaltt [›groß‹]. Ebd. 22089: Sy verlüret iere sinen: 兩 Ir truren wirtt so manigfaltt [›tief, groß‹]. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr. 173 (moobd., A. 15. Jh.): Wütreich, die werden manigueltichleich ›ausführlich‹ ausgerichtet capitulo xxxjo p. Weber, Füetrer. Poyt. 227, 7 (moobd., 1478/ 84): Alls in die messenney ersach, 兩 do was ir frewd von seiner kunfft maniguallde [›groß‹]. − Piirainen, Stadtr. Kremnitz 29.

5. ›in jedem Falle‹. Primisser, Suchenwirt 38, 40 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Wo du macht, und bis da pey 兩 Worhaffter wort manikvalt.

manigfältig, s. manigfaltig.

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manigfaltigen, V. 1. ›etw. erhöhen (z. B. die gnade), steigern (z. B. die unkräfte); etw. lobend verbreiten (z. B. js. namen)‹; refl.: ›sich wandeln, ändern (z. B. von der zeit gesagt)‹; im Unterschied zu 2 mit der qualitativen Komponente ›die Vielfalt erhöhen‹; vgl. manigfaltig 1. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: etw. (z. B. die arbeit / dürftigkeit / gnade / (un)tugend, den zorn, js. namen, das hartsel) m.; refl.: die zeit, der zorn sich m. Luther, WA 30, 3, 425, 31 (1531): Jch acht aber, [...], das sein untugendt ßo gros gemanchfeldigt werde, das sie letzlich sich selbst zurbreche. Quint, Eckharts Pred. 2, 134, 1 (E. 13./A. 14. Jh.): Daz ein ist diu ˆewicheit, diu [...] einvar ist. Diu zwei das ist diu zıˆt, diu sich wandelt und manicvaltiget. Froning, Alsf. Passionssp. 2320 (ohess., 1501 ff.): lieber herre mynn! 兩 ich wel nach manchfeldigen den namen dyn! v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 8, 16 (thür., 1421): sprach dornoch got „Ich wil manchfeldigen deyne dorfftickeit: in smerzen saltu deyne kynder geberen“. Sachs 19, 336, 26 (Nürnb. 1563): Der [Mangel] in [den faulen mann] bind, fecht und uberweltigt 兩 Und all sein hartsel mannigfeltigt. − Eggers, Psalter 26, 23; 79, 5; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 171; Sachs 17, 482, 18; 20, 497, 28; Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 636.

2. ›etw. quantitativ steigern‹; im einzelnen: ›(Gegenstände) vermehren‹; ›(Maße) ausweiten‹; ›(den Ernteertrag) erhöhen‹; auch: ›die Zahl der Menschen steigern‹; vgl. manigfaltig 1. − Bdv.: s. u. Schˆpper. − Synt.: den geviert, die frucht, das korn, altare, die gaben, die leute, js. samen m. Schˆpper 108a (Dortm. 1550): Adaugere. Vielen hauffen mehren grËssern erweitern außbreiten erdickern heufflen manchfeltigen. Ziesemer, Proph. Cranc Os. 8, 11 (preuß., M. 14. Jh.): want Effraym hat gemanchveldeget altar zu sundene, di altar sin em zu missetat gedegen. Voc. inc. teut. p vir (Speyer um 1483/4): Manigueltige˜ multiplicare. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 326 (els., E. 14. Jh.): soliche werg der sunnen, die die fruht sere tuto zitigen vnd manigualtigen. Ebd. 2, 621: Von dem selben korne pfliget men denne zvo seiende, vf das es gemanigualtiget werde in nu´tz der menschen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 46, 13 (Straßb. 1466): wachst vnd werd gemanigueltigt [Eck 1537: werden gemeret; Luther 1545, 1. Mose 1, 22: mehret euch] vnd erfu´llet die wasser des meres. Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 293, 5 (schwäb., 1491): so er [gefiertt] ist allenthalben o werden sy gemeingveltigott werden in zwo sytten. glicher schuch, − Eggers, Psalter 5, 8; 22, 9; Eichler, a. a. O. 2, 176; Wyss, Luz. Ostersp. 769; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 234.

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manigfaltigkeit

manigfaltigkeit, die. 1. ›Unterschiedlichkeit, Mannigfaltigkeit zählbarer, oft als sinnlich wahrnehmbar gedachter Bezugsgrößen, der Dinge (res)‹; Tendenz zu ›Vielheit, Menge‹; vgl. manigfaltig 1. − Im mittleren Frnhd. auslaufend; Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: menge, viele (die); vgl. manigfalt, anderheit 1, anderung 2. Ggs.: einfältigkeit. − Synt.: got alle m. bekennen; die m. von einem sein, etw. (z. B. die unmässigkeit der eigenschaften) verkünden / erzeigen; etw. äusserlich an m. haben, die sele aus der m. auf ›hinauf‹ ziehen; die m. der creaturen / farben / figuren / formen / gesichte / liechter / sprachen / werke wurme, aller dinge, an den dingen. Quint, Eckharts Pred. 2, 468, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): Alles, das man hie ausserlichen hat an manigfaltigkeyt, das ist da alles innerlich vnnd eyn. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 11433 (omd., 1338): Von der wurme manchvaldekeyt 兩 Sich beschebet gar min cleyt. Strauch, Par. anime int. 12, 13 (thür., 14. Jh.): so samenit Got di sele und zuhit si mit den nidersten creften uz allir manicvaldikeit uf zu den ubirsten creften und heftit si mit der ubirsten craft an Got. Ebd. 67, 18: wan alle manicvaldikeit ist fon eime, sprechin di meistere. Jostes, Eckhart 88, 31 (14. Jh.): Da got wurket, dar inn ist er manikfeltig und bekennet alle manikfeltikeit. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 108 (Nürnb. 1517): [zeit der selikeit] Dero [...] anzeigung sein: weislich reden, kunstlich reden, der gloub, [...], würkung der wunderzeichen, prophezei, unterschidlich erkennung der geist, manigfaltikeit der sprachen. Schmidt, Rud. v. Biberach 71, 12 (whalem., 1345/60): Dvi menigvaltikeit der formen vnd fili der naturn i an geschaffenen dingen, [...], waz sint die, nuwant als glanze vnd liecht der gotheit. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 59, 26 (moobd., 1. H. 15. Jh.): zü dem vierden mal von der menig vnd manigualtichait der gesicht vnd gedennkchen wegen, die langew zeit gesammet sint in etleichen feuchten menschen. − Luther, WA 31, 1, 583, 19; Cirurgia H. Brunschwig 28va, 6; Jostes, a. a. O. 79, 5; Sermon Thauleri 3rb, 14; Hˆver, Bonaventura. Itin. A 114; A 120.

2. ›Vorkommens-, Erscheinungsvielfalt, innere Verschiedenheit einer als Einheit gedachten und in ihr gründenden, meist religiös fundierten, in der Regel im Sing. stehenden Bezugsgröße (z. B. der pein)‹; vgl. manigfaltig 1. − Älteres und mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: vielheit; vgl. anderheit 1. Ggs.: einfaltigkeit, einigkeit. − Synt.: die m. sehen (in ihren Erscheinungen); die m. (Subj.) sich schliessen,

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in jm. sein, jm. eine einigkeit sein; etw. (z. B. die tugende) von der einigkeit zu der m. zusammengebunden sein; die m. der pein / sünde / tugend(en), des leidens, der wirden; keine m. in der substanz. Quint, Eckharts Pred. 1, 179, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): Ie denne der manicvalticheit meˆr ist in dir ie der einicheit meˆr ist, wan daz eine ist gewandelt in daz ander. Ebd. 200, 16: Alliu pıˆne ist im [mensche] ein vröude, alliu manicvalticheit ist im ein bloˆzheit und ein einicheit, staˆt er rehte in dem willen gotes. Ders., Eckharts Trakt. 243, 1 (E. 13./A. 14. Jh.): diu minne bedecket die manicvalticheit der sünde. Gerhardt, Meister v. Prag 108, 1 (Hs. 2nobd., 14779): sullen wir betrubt sein durch die manigueltikeit der pein die vnser herr hat geliden. Chron. N¸rnb. 4, 169, 13 (nobd., 15. Jh.): enpieten wir [Soldan] [...] Friderichen, [...], heil in der manigveltigkeit der entpietung der wirden und eren unsers gemachs. Bihlmeyer, Seuse 64, 14 (alem., 14. Jh.): also bezeichent der rËselohte ring menigvaltikeit dez lidens, daz die lieben gotesfru´nde mÈssent tragen, die wil su´ noch in der zit mit ritterlicher Èbung got dienend sind. Vetter, Pred. Taulers 68, 22 (els., E. 14. Jh.): ir sehent dise kilche und dise manigvaltikeit die herzuo gehËret, also daz fulment, die muren, die steine. Rieder, St. Georg. Pred. 41, 32 (Hs. 2önalem., 13879): der sehste o [blume] ist mÁnigvaltikait der tugend. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 203, 15 (schwäb., 14. Jh.): tugenden, die da zesamengebunden sint, .... von der einikeit zuo der menigveltikeit. Ebd. 297, 3: so ist offenbar: daz man sprichet, daz got daz verstan si, da von so ensetzet man dekein menigvaltikeit in sin substancien. − Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 118.

3. im Sinne von 1 und 2 verstandene manigfaltigkeit unter dem Aspekt der wandelbarkeit der einzelnen Gegebenheiten und der den Menschen damit verwirrenden, klein machenden, betrübenden, zerstreuenden Abführung, Ablenkung von got, vom reich gottes, von der (mystischen) geburt (Gottes im Menschen), vom selbst, vom eins, bzw. die Hineinführung in die verlorenheit; impliziert ist die Warnung vor der Existenz in manigfaltigkeit bzw. der Aufruf zu einer Spiritualität wie zu einem Handeln im Sinne der Mystik; vgl. einfaltig 3. − Gehäuft alem.; älteres bis mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv. (bzw. bereichszugehörig): menge, unterscheid, unledigkeit, verlorenheit, zweiung. Ggs.: eins. Quint, Eckharts Pred. 1, 296, 9 (E. 13./A. 14. Jh.): Diu stat daz ist diu seˆle, diu [...] behuot vor gebresten und uˆzgeslozzen haˆt alle manicvalticheit. Jostes, Eckhart 96, 22/24 (14. Jh.): Disen schatz, daz da ist daz reich gots, den hat zeit verborgen und manikfeltikeit und eigeneu werk der sele und die geschaffenheit. So sich di sele nuˆ ie mer scheidt von

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manigfaltiglich − manigspältig

aller diser manikfeltikeit, so ie mer in ir endekt wirt daz reich gots. Vetter, Pred. Taulers 12, 7 (els., E. 14. Jh.): wanne die manigvaltikeit der bilde die dis wort in dir bedeckent und u´bergont, die hinderent dise geburt in dir. Ebd. 217, 8 (1359): das der mensche nu´t alleine enhat uswendige manigvaltikeit gelossen, sunder och inwendige manigvaltikeit der inren krefte, das sint die bildende krefte in iren bilden und die fantasien und gedenke. Bihlmeyer, Seuse 356, 23 (alem., 14. Jh.): wan weslich lieht lidet ordenunge und underscheit, entwiset von usbru´chiger manigvaltikeit. Illing, Albert. Sup. miss. 437 (els., n. 1380): Wenne gottes vnd cristi werk ist, i alle ding in eis verein(en), aber dez tufels werk ist, alle vereinete v ding zerstrowen in menigualtikeit. Ebd. 443: In die wÈste i manigueltikeit fÈrt der tufel, aber got, der sleht daz allez abe o vnd fÈrt alle ding in ein gut, daz er ist. Ebd. 1406: alle, die i von dirre guldin ketten sich scheident, die werdent geteilt in vil oder in menigfaltigkeit vnd verderbent also der prophete ios sprichet: Ir herze ist geteilt. Strauch, Schürebrand 15, 31 (els., E. 14. Jh.): verstelent u´ch nuwent dicke heimeliche mit ime [Jhesus] zuo kammern und zuo winckele von der menige und von aller manigvaltikeit. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 586 (els., E. 14. Jh.): Mitteliden duto den menschen sich selben anesehen vnd merken [...] manigvaltikeit sinre gebresten, verlornheit der zit. Ebd. 909: manigvaltikeit der creaturen: die machet vns kleine vnd kurtz, daz wir got nu´t gesehen enmu´gent. Ebd. 2, 750: Der erste ritte, der heißet tegelich, daz ist manigualtikeit von hertzen. Wan dise menschen wellent alle ding wissen vnd zvo allen dingen sprechen vnd alle ding berihten, vnd ir selbes vergessent sv´ dicke. [...], ir wise ist maniger hande: nv sus, nv so, nv har, nv dar, es glichet dem winde. Ders., Ruusbr. steen 31 (els., sp. 14. Jh.): Aber ist es also, daz er mit vnlidekeit vnd manigvaltikeit siner werke also got vor v ogen nv´t enhat. Ebd. 484: er berespete sv´ von ir sorgveltikeit vnd daz sv´ betrÈbet waz mit manigvaltikeit vßewendiger dinge. Ruh, Bonaventura 350, 28 (orhein., um 1480): wan manigfaltikeit der wandelbarkeit diser zergenglichen ding me den billich ist betrachtent, zerströwet nit allein daz gemüt eines fridlichen hertzen. Schmidt, Rud. v. Biberach 16, 29 (whalem., 1345/60): „Ich [got] minnen, die mich minnet, min tvba“, want „dvi gar einvaltig (an alle menigvaltikeit) bist“! Hˆver, Bonaventura. Itin. B 260 (moobd., 1450/60): Auch furkümpt es dir sam das da nichcz hat von zwayung noch manigueltigkaitt, vnd also ist es das allerhËchst ains. v. Maren, Marquard. Ausgabe 16, 19 (Venedig 1483): diser brister ist anders nicht dan Áin ynnewendiger mensch der sich von aller manigfeltikeit schÁidet vnd allÁin in got vnd in dem ynnewendigen tempel seins hertzen wonet. − Bihlmeyer, a. a. O. 285, 19.

4. ›manigfaltigkeit‹ unter dem Aspekt des Ausmaßes, der Größe der jeweiligen Bezugsgegebenheit; vgl. manigfalt 4 (beide Belege auch zu 2 stellbar). Schˆnbach, Adt. Pred. 12, 21 (osächs., 1. H. 14. Jh.): durch die manichvalticheit diner missedat sint dine su˘nde wor-

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den hart. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 18, 14 (omd., 1487): Nicht dy¨ grösße aller manchfeldigkeitt des opphers sunder Jnnigkeitt vnd mey¨nu¯g des hertzen sy¨tt gott an.

manigfaltiglich, s. manigfalt. manigfaltigung, die. ›Vervielfachung, Vermehrung e. S.‹; tropisch: ›Vielfalt, Mannigfaltigkeit e. S.‹; vgl. manigfaltigen 1; 2. − Älteres und mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘. − Bdv.: äferung 1; 2; vgl. aufwuchs 2, auktion, häufig 2. Voc. inc. teut. p vir (Speyer um 1483/4): Manigueltigu˜g multiplicato˜. Brett-Evans, Bonaventuras Leg. S. Francisci 88, 8 (önalem., v. 1478): also was er gelich Eliseo an der manickvaltigung der spis. Buijssen, Dur. Rat. 36, 25 (moobd., 1384): daz bedewtt wert die begir der alten a e vÁter oder zw bedewtten die evrung und die manigvaltigung ırs seufften. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 57, 56 (moobd., 1. H. 15. Jh.): zü der vnderschaidung des gaist gots vnd des gaist des irrsals ist vns gar fleissichleich ze merchen die mänigualtigung des vrsprung der inristen anruerung vnd vnser antreibung nach dem leichnam vnd nach dem gaist. Ebd. 81, 190: daz er [mensch] nicht wais, was er tun sol durch der manigualtigung der geschrift ratung vnd weisung vnd widerwÁrtigung der tail, die da fÈrchoment dem menschen.

manigfar, -farbe, -firbig, Adj. ›verschiedenfarbig, bunt‹; vgl. manig 1. − Bdv.: vgl. bunt, geteilt (s. v. teilen 8). H¸bner, Buch Daniel 4696 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Daz du durch itel ere 兩 Liezest die geveze clar, 兩 Von golde rot, manic var, 兩 Geroubit uz dem tempil. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 169, 3 Var. (Straßb. 1466): er [vatter] macht im [joseph] einen schËnen [Var. W: gemengten; 14752−1518: schËnen oder manigfarben; Froschauer 1530: geteylten; Eck 1537: gestickelte˜ ; Luther 1545, 1. Mose 37, 3: bundten] rock. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 156, 12 (oobd., 1349/50): daz ist ain tier manigvirbig sam daz pantier.

manigformig, s. manig 2. mänigheit, die. ›Vielheit, Mannigfaltigkeit‹, im Beleg bezogen auf die dreivaltigkeit (als Problem). − Bdv.: anderheit 1, manigfaltikeit 2; 3. Ggs.: ein, einfaltigkeit. Bihlmeyer, Seuse 330, 2 (alem., 14. Jh.): wie mag es als gar ein blozes ein sin, da so vil menigheit ist?

manighornig, s. manig 1. mänigkeit, manigpar, mänigschaft, manigschlacht, s. manig 2. manigspältig, s. manig 1.

1789

manigwerbe − manlehen

manigwerbe, Adv.; zu werbe s. anderwerbe. ›häufig, oft‹; vgl. manig 1; 2. − Bdv.: vgl. 2 gedicht 3, häufig 1, manchmal. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 78, 3 (Köln um 1490[mnl.]): Mer ic heb ju al te lieff, 兩 Dat doyt my mannichwerff desz nachtz waken 兩 Dar ic to voren restlick sliep. Chron. Kˆln 2, 447, 15 (Köln 1499): Dese seven sint des richs overste amptlude ind haint [...] so dicke ind manichwerf dem rich des noit is, einen roemschen keiser zo erwelen. Plant u. a., Main. Naturl. 294rb, 14 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): so gat daz wurmel furi sich vn¯ wirfet dc rat vmbe diz wurmelin hin wider vil menic werbe e dan ez gecrieche wider o an dc zeichein da ez anhub.

manipel, der ; aus lat. manipulus ›Handvoll‹ (Georges 2, 798). 1. ›kleine Menge, die man mit einer Hand fassen kann, eine Handvoll‹. − Bdv.: büschel, handvol; vgl. arfel, lok 2. Keil, Peter v. Ulm 236 (nobd., 1453/4): Ein salb zu frischen wunden. Nym öl xxiiij lot, [...], ana manipulam j: das mach also: Die kraut mit dem senit soltu stossen. Rot 327 (Augsb. 1571): Manipel, Ein hand vol / ein bÈschel / das man mit der hand begreifft / oder ein arm voller. − Broszinski, Minner. Chir. Parva S. 319; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, S. 193.

2. ›am linken Unterarm getragenes gesticktes Band des priesterlichen Ornats‹. − Bdv.: handfan. Ziesemer, Marienb. Ämterb. 131, 1 (preuß., 1437): dis nochgeschreben kirchengerethe, [...]: stolen, manipel, humeralen und gorteln, eyn ornatum. Reichert, Gesamtausl. Messe 21, 7 (Nürnb. um 1480): Darnach so thut der priester den manipolum − genant handfan − an den gelincken arm und spricht dise wort: [...]. Ebd. 15: Herre, let mir auf mein hend den manipel der unschuld. Ebd. 22: Der manipel oder handfan, den der priester an dem gelincken armm treg und dar an hangen hat, bedeut den strick, dar mit die hend Cristi gebunden warnn. Bremer, Voc. opt. 19010 (wschwäb., 15. Jh.): Manipulus hantvan [...] manipel [...] est vestis honoris stricta et longa, que brachio sacerdotis circumvoluitur iuxta manum et ibidem pendet deorsum. Et dicitur a manus et plico/-as/-are, quia plicatur circa manum sinistram. Chron. Augsb. 4, 299 Var. z. Z. 1 (schwäb., v. 1536): Der kaiser hat angehept ain alb, stol und manipel und darob ain evangelierrock mit grosen feinberlachen und edlem gestain. Buijssen, Dur. Rat. 65, 1 (moobd., 1384): wann der pischof will tÈn sein peicht, so stozzet im der leczner vor dem alter den manipel an. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 286, 6; 627, 8; Zingerle, Inventare 206, 1, 2; Luther, WA 49, 215, 27; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 199; Schmitt, Ordo rerum 61, 9; Goertz, Dt. Begriffe der Lit. [...]. 1977, 226 f.; 410.

manjäte, s. man (der) 2.

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mankamer, die. ›Lehnhof‹; in den Belegen: ›Wirtschaftseinheit einer Abtei‹; als Metonymie: ›Verwaltungsraum der Einheit‹; zu 1man (der) 8, vgl. kamer 6; 8. − Bdv.: vgl. bauhof, gewerbe (das) 3d, 1gut (das) 3, stalhof. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 318, 2 (rib., 1497): also dat ich A. vorsch. dat vorg. erve ind gut nu vortan trouwelichen vermhannen sal, ind dat vort mit erflichem rechte nae gewonheit ihrer abdien mankammeren vur mich, H. m. h. ind unse erven zo lehn ... dragen ind halden sal. Ebd. 552, 6 (1663): das [...] unsere mantkammer sambt den zehenten vor der Weyerporzen auch alle lehn und churmoden nicht mochte geschmälert [...] werden. Ebd. 581, 29 (1680): 12 Oct. hat Hanss Heinrich Mitten [...] neben den iuribus, so auf der mankammer zu zahlen, auch vor das hergeweit duplicem canonem, [...] bezahlt. − Rwb 9, 140.

mankieren, V., aus ital. mancare, franz. manquer (Jones, French Borrowings 413). ›jn. vermissen‹. − Bdv.: vgl. mangeln 5. Haszler, Kiechels Reisen 319, 12 (schwäb., n. 1589): Als wür ohngevahr ein stund geritten, manckiren wür dess einen janitschars, dann er sich in Jherusalem voll angesoffen. − Jones, s. o.

mankind, das. ›wunderhafte übernatürliche Person mit Menschennatur‹, bezogen auf die Doppelnatur Christi als Mensch und Gott; zu mane 1, kind 1. Luther, WA 29, 448, 31 (1529): ubi respexit ad multas hereses Christi humanitatem negantes, Sicut aliqui eum appellant filium Mariae als eyn gespenste und Mankyndt.

mänknecht, s. 2mäne. mankraft, s. magenkraft. mankraut, s. 1man (der) 2. mankrieg, s. 1man (der) 9. manlast, s. 1man (der) 2. manlehen, das; -s/-π. ›Lehen, dessen Vererbung für die männliche Linie vorgesehen ist und die dort regelhaft erfolgt, das in Einzelfällen aber auch auf die weibliche Linie übertragen oder durch einzelfallgebundene Ausgleichsleistungen ersetzt werden kann‹; manlehen ist seltener auf den Rechtsakt der Vergabe als (metonymisch) auf das betrof-

1791

manlehengut − mänlich

fene Gut oder auf bestimmte Einkünfte bezogen; der genaue rechtliche Status des Vergabeaktes ist, da er in den Quellen als bekannt vorausgesetzt wird, in vielen Fällen nicht sicher bestimmbar; er osziliert zwischen dem Lehen als wechselseitiger sachen- und personenrechtlicher Verpflichtung oder der grundherrschaftlich organisierten Pacht, die zu zahlen ist bzw. empfangen wird; vgl. 1man (der) 2; 6; 8, lehen 2. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: burglehen; vgl. manhube, manwerk 2. − Synt.: ein m. beschirmen / besorgen / handreichen / vermerken, der son das m. vererben, die söne das m. nemen, mit den töchtern teilen, die tochter ein m. haben, die frau kein m. erben, der wirtin ein m. mitteilen (als ob sie ein man wäre); die burg / stat, das gut ein m. sein; der jauchert auf das m. stossen, von dem m. steuer geben, etw. (z. B. huld, dienste) tun, etw. zu m. empfahen, jm. etw. (z. B. ein gut) zu m. sein, jm. etw. (z. B. ein gut, einen hof) zu einem m. geben / (ver)leihen; das m. von dem stamme zu Greifense; das freie / rechte (mehrfach) / alte m.; das recht des manlehens; das pagament zu m. Wbg.: manlehengut, manlehenrecht, manlehenweingarten, manlehig ›nach Mannlehenrecht pflichtig‹ (17.Jh.). Hilliger, Urb. St. Pantaleon 279, 32 (rib., 1380): drij schillinge Coeltz pagementz zu manliene, die he onsem gemeynen convente ind heren Iohanne vurs. van nuo vort alle jaire geven ind betzailen sal. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 202, 15 (mosfrk., 1349): wand [...] min herre her Baldewin [...] uf mich als umb den doitslach, den ich [...] han gedan, verziegen hat gnedingliche, daz ich darumb sin und sines stiftes man ewenglichen worden bin mit eiden hulden und diensten, als man von rechtem manlehen pleget zuo dune, und ensal daz lehen nummer ufgeben. Ebd. 257, 30 (1398): daz wir [...] denselben Wigand uns und unserm stift von Triere von nuwes zu manne gewonnen han umb funfzehen mlr. fruchte [...], die er itzunt von uns und unserm stifte hait entphangen mit truwen hulden eiden und diensten, als sulichen manlehens und unsers stiftes von Triere recht und gewonheid ist, als auch na ime sine rechte libslehenserben doin sullen. Brinkmann, Bad. Weist. 323, 39 (rhfrk., 1551): daß Zuzenhaußen die burg, stat und dorf [...], vom stift und bistumb Speyhr ein manlehen und der junker Hans von Venningen ein oberster vogtsherr und oberkeit zu Zuzenhausen sei. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 3, 306, 3 (thür., 1474): met allen unde iglichin guttern, als derselbe Hans Possegke, ir vater, von deme gotishuse unde krommen stabe zcu lehen hatte, zcum rechten lehengute belegen, also manlehenrecht unde gewonheit ist. Kisch, Leipz. Schöf-

1792

fenspr. 295, 11 (osächs., 1523/4): das ime das gut zu freien mannlehn in sibenundzwainzig jaren der minnerzal geliehen ist. Dinklage, Frk. Bauernweist. 21, 8 (nobd., 1466): den, die manlehenweingarten innhan, soll man geschier under die keltern, darin sie iren wein thun, bestellen. v. Keller, Ayrer. Dramen 3233, 21 (nobd., um 1600): ein Son, 兩 Der nach meim dhot ErErben kon 兩 Meine Landgüetter vnd ManLehen. Leisi, Thurg. UB 5, 804, 10 (halem., 1331): Disu´ nachgeschriben gÈter sint du´ manlehen, du´ man ze lehen het von dem gotzhus und von eim abt. Maag u. a., o Habsb. Urbar 2, 1, 408, 2 (alem., 1361): An disem buch sind vermerkiht miner herschaft von Österrich sezzlehen und o manlehen, als die hertzog Rudolf [...] in der stat Zovingen hat verlihen. Kl‰ui, Schweiz. Urbare 2, 279, 37 (halem., i 1370): der meijer von Burglon git [...] ze sant Martis tult einen zigur von eim manlen zechenden. Schib, Urk. Laufenb. 60, 10 (halem., 1386): Daß mir ... min herr von Österrich die obgenanten burg und beide stett ... zu einem rechten mann lehen verlichen hat, mir und minen erben, ob ich elich manns lip erben ließe. [...] Es ist och beredt, were das ich elich töchteren hinter mir ließe, die soll min herr von Österreich beraten in klöster. Ebd. 215, 38 (1532): dry iucharten ob Rietmat, stost zuo beden sitenn vf das manlechenn. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 118, 24 (halem., 1404): umb frye manlechen oder vogtye lechen, [...], die manlechen iechlich mag und sol nach manlechens rechte, als das von alterhÁr komen ist, besorgen, beschirmen und machen nach sinem fryen willen. Ebd. 448, 31 (1566): doch wellicher daselbig mannlechen guto von wegen manns stammens recht wider züchen wöllte, sol dero selbig das wol thun mögen, allso wyt das er ander guto dargegen gebe. Rennefahrt, Zivilr. Bern 200, 29 (halem., 1595): o daß Ruff Rener von verwantschaft wegen wybstammens o zugfaren und dieselben manlechen ... zuo sinen handen bezogen, obwohl allwegen brüchlich gewesen, das die manlechen an die nechsten gsipten und verwanten mann und nit wybstammen gefallen syen. − Lamprecht, a. a. O. 1, 1312, 6; 1318, 2; Kˆbler, Ref. Nürnberg 125, 14; Mon. Boica, NF. 2, 1, 22, 2; Loose, Tuchers Haushaltb. 179, 25; Boner, Urk. Zofingen 108, 46; Leisi, Thurg. UB 7, 129, 22; 935, 2; Merz, Urk. Wildegg 46, 3; Graf-Fuchs, a. a. O. 195, 12; Steinberger u. a., Urk. Hochst. Eichst. 130, 22; Rwb 9, 141 f. − Vgl. ferner s. v. parochie.

manlehengut, manlehenrecht, manlehenweingarten, manlehig, s. manlehen. manleibserbe, s. 1man (der) 2. mänlein 1; 2; 3, s. 1man (der) 1; 2 (auch unter Phras.); 14. mänler, s. 1man (der) 2. 1 mänlich, Adj. 1.; 2., s. 1man (der) 1; 4. 3. ›männlichen Geschlechtes; einer männlichen Linie angehörend‹; vgl. 1man

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mänlich

(der) 2. − Ggs.: weiblich. − Synt.: der mänliche agnat / erbe (oft) / stam, die mänliche person, das mänliche geschlecht. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 47, 16 (Straßb. 1466): er o [gott] beschuff sy mennlichs [Var. 14752 / Froschauer 1530 / Eck 1537: man; Luther 1545, 1. Mose 1, 27: menlin] vnd weiplichs. Enders, Eberlin 1, 116, 15 (Basel o 1521): Wir ordnen yn eim jetlichen bistum ein Collegium für o mannlich person begobt mit guter narung für der achtburger oder leüt kint. Maaler 281r (Zürich 1561): MÁnnlich geschlÁcht. Proles uirilis. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 9, 8 (moobd., 1478/81): wie und von recht prüeder erben solten, ob ja ain tail an mändlich erben vergieng. Moscouia D ivv, 17 (Wien 1557): Souil von dem mÁndlichen stamen von Jagello vnd seinem Sun Olgierd herruerend. − Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 3, 305, 33; Roth, E. v. Wildenberg 79, 6; Moscouia E iv, 42. − Vgl. ferner s. v. 1achtung 4, agnat.

4. ›männlich, des Mannes, die Eigenschaften, Natur eines Mannes aufweisend‹; vgl. 1man (der) 2, auch 5. − Bdv.: vgl. männisch. − Synt.: jungfrauen nicht m. sein; der mänliche affekt / leib / schuz / same, die mänliche list / natur / scham / stimme, das mänliche glied / recht / werk. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 102, 7 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh9.): Swenn aber der süzen blumen lust durch menlich list gevallen ist, 兩 wib nennet man sie denne. Ebd. 13: Ouch ob sie menlich recht begat 兩 und vrucht gebirt, alrest den rat, 兩 daz hoste phat 兩 errungen hat. H¸bner, Buch Daniel 12 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Got herre min, der da ist 兩 [...] 兩 In Marien gegozzen 兩 Mit des heiligen geistes vluz 兩 Gar ane menlichen schuz. Fastnachtsp. 744, 8 (o O., n. 1450): Ein man, der do leit bei weiben 兩 Und wil sein menlichs werk treiben, 兩 Der [...]. Gille u. a., M. Beheim 111, 225 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Da von spricht Augustin, sam sy 兩 in on mendlichen sam enpfy 兩 und on leipleich geluste. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 184, 26 (els., 1362): wenne su´ [Marie] nu´t von menlichem somen hette enphangen. Ebd. 190, 21: also ist der lichame vnsers herren geschaffen [...] one alle erkentnisze menlicher naturen. Goldammer, Paracelsus 7, 176, 16 (1530): die seindt jungfrauen, die von natur nit mannlich seindt. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 130, 6 (schwäb., 1553): das manchem man die feiss abgefrorenn warenn, ettlichenn die mänlichen glider abgefrorenn, das mans hatt meisen abschneidenn. Henisch 176 (Augsb. 1616): sÁcklin an dem mÁnlichen glied / scortum. Ebd. 196: Bass / m. ein grobe mannliche stimm / grauis. Klein, Oswald 71, 31 (oobd., 1418): Dein manlicher leib 兩 mich hat erzunt. − Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 42, 2. − Vgl. ferner s. v. auch 3.

5. ›männlich in einem die erwachsene Person männlichen Geschlechtes überhöhenden Sinne‹; die Überhöhung verläuft je

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nach Sinnwelt unterschiedlich, unterliegt aber dennoch einem gemeinsamen, den Mann als ›wahrhaft männlich, herausragend‹ konstituierenden und zu entsprechenden Handlungen verpflichtenden Denken, im einzelnen etwa wie folgt: ›mannhaft, mutig, kühn, heldenhaft, furchtlos, tapfer‹ (im Kontext von ‚Kampf‘); ›beharrlich, unverzagt, zuversichtlich, vertrauensvoll‹ (im Kontext von ‚Religion / Didaxe‘); ›wagemutig, beherzt, zuverlässig, erfahren‹ (im Kontext ‚Alltag‘); die hier vorgeschlagenen nhd. Synonyme sind wie die bedeutungsverwandten Ausdrücke des Frnhd. großenteils austauschbar; vgl. 1man (der) 3, auch 4. − Phras.: j. enbräche mänliche seine augen aus ›j. bräche eher seine Augen aus, als [...]‹. − Bdv. s. u. Schˆpper und Schwartzenbach, ferner: aufsetzig 2, ausbündig 1; 2, erfaren, erlich, geschikt 1−4, handfestig, kek 1, kräftig, küne, mutig, ritterlich, stark 4, streitbar, unerschrocken, volkommen, wacker. Ggs.: anmächtig 2, krank. − Synt.: j. m. (z. B. im streiten, in der pein) sein, j. m. gestalt sein; m. (Adv.) fechten / kämpfen / retten / sterben / stürmen / überwinden / wiederstehen / wirken, sich m. weren, m. [wo] gehen / wandern, m. [wohin] faren, jn. (z. B. den feind) m. anfallen / überwinden, m. etw. (z. B. die freiheit) gewinnen, m. wieder jn. (z. B. wieder die heiden) arbeiten, e. S. (z. B. der stat) m. warten, etw. (z. B. den anker) m. in got werfen; der mänliche fürst / held / Herkules / man / mensch / mut / regent, die mänliche bäre / tat, das mänliche gesicht / herz / volk; subst.: einen mänlichen zu man haben, nichts mänliches an jm. verspüren. − Wbg.: manliche ›Manneskraft‹ (1. H. 14. Jh.). Schˆpper 27a (Dortm. 1550): fortis. StarckmÈtig hertzhafft mannlich weidlich dapffer. Ebd. 107a: Bellicosus. WËrlich streitbar kriegbar ¶ handtuÁst gestreng mannlich fräfen vnuerzagt. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 4597 (preuß., um 1330/40): doˆ dıˆ Pruˆzin saˆhin 兩 dıˆ cristenen kein in gaˆhin 兩 mit soˆ menlıˆchim muˆte 兩 ir spitz ein aftirhuˆte 兩 wart in zegelıˆchir flucht. Peil, Rollenhagen. Froschm. 24, 28 (Magdeb. 1608): der vrsach halben / haben auch die alten Deutschen [...] / des alten Hildebrandes mÁnliche thaten gereymet. Chron. Kˆln 1, 4898 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): so wat in volchde in irre scharen 兩 saich men menlich vurwert varen. Wyss, Limb. Chron. 51, 8 (mfrk., 3. D.

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mänlich − manlichkeit

14. Jh., Hs. 2. H. 16. Jh.): [He ... hatte] ein scharp menlich gesichte, einen bescheiden mont. Wunderlich, Fierrabr. 146, 3 (Simmern 1533): so habent jr zuo man eynen so manlichen / als jr hie vnnd zwischen Affrica finden mËgent. Schwartzenbach D iv (Frankf. 1564): Behertzt. Mannlich. Dapffer. Auffgericht. [...] Ernstlich / GroßmÈtig. Allg. Schau-B˚hne 52, 61 (Frankf. 1699): Seine Frau sagte auch: Daß sie nichts mÁnnliches an ihm verspÈrt Zeit wÁhrenden Ehestandes. H¸bner, Buch Daniel 6827 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Er meinet: welche vort gen 兩 Menlich an der buze stec. Eggers, Psalter 69, 1 (thür., 1378): Tut menliche, vwer herzce werde gestercket, alle, di in got getrvwen. Schˆnbach, Adt. Pred. 23, 16 (osächs., 1. H. 14. Jh.): wie daz kunnich Naas eine stat belach und enwolde keinen vride halden mit den luten er enbreche menliche sin rechte ouo gen uz. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 29, 13 (Hs. 2omd., 14659): So menlichen man gesach ich nie, der recht mutig wurde, er würde dann mit frauen troste gesteuret. Vetter, Pred. Taulers 326, 10 (els., 1359): ob anders der mensche wil wider ston weckerlichen und werfe sinen enker in Got manlichen. Bihlmeyer, Seuse 55, 22 (alem., 14. Jh.): wie dËrt her in kemi ein suber jungling, der was gar manlich o und manlich ir alle, gestalt. Ebd. 370, 30: gebarend kunlich die got getru´went! Williams u. a., Els. Leg. Aurea 9, 26 (els., 1362): Sant Andres ist gewesen schËne in sime lebende, [...], menlich in der pine. Wickram 4, 6, 11 (Straßb. 1556): o und getrewen nachbauren / wie dapffer und von einem guten mannlich er sich gegen seines nachbauren feinden gehalten hat. Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 24v, 24 (Zürich 1521): Wer wolt manlicher vn˜ frÁueler den fynd anfallen vnd schlao tod schleger. Jˆrg, Salat. hen / dan˜ ein sËlicher blutrinsiger Reformationschr. 36, 29 (halem., 1534/5): wie unnser vÁtter und ellternn / uns so eerlich tapferlich / handfesticklich / und mannlich / gwunnen und zuo gestellt hand / unsern stand. Sappler, H. Kaufringer 5, 34 (schwäb., Hs. 1464): das der jung ritter guot 兩 mit so gar manlichem muot 兩 sich also verligen muost. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 230 (moobd., 1. H. 15. Jh.): der ritter ist seinem herren vil lieber, der mändleich in dem streyt dy veint hat v¨berbunden, den der in den streytt nye cham. Klein, Oswald 8, 59 (oobd., 1423?): mänlichen vicht! got frü und spat, 兩 den nim zu hilf für stahel und für isen! Turmair 5, 49, 4 (moobd., 1522/33): aber harnasch und wer und krieg machten ain manlichen erfarnen geschickten fürsten. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 115, 3 (m/soobd., 1603): do aber, [...], ein feuer bei einem außke¨m, der soll [...] manlich retten helfen. − Peil, a. a. O. 567, 1925; Wunderlich, a. a. O. 124, 15; Ralegh. America 21, 38; Allg. Schau-B˚hne 49, 38; v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 28, 41; Sermon Thauleri vb, 26; Roloff, Naogeorg/ Tyrolff. Pamm. 15, 70; Gille u. a., M. Beheim 453, 953; Rieder, St. Georg. Pred. 337, 38; Brandstetter, Wigoleis 200, 16; Chron. Augsb. 1, 49, 22; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 228, 36; Hohmann, a. a. O. 205, 28; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 271, 7; Leidinger, V. Arnpeck 543, 4; Roth, E. v. Wildenberg 3, 21; 71, 15; Bauer, Imitatio Haller 49, 16; 85,

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3; dies., Haller. Hieronymus-Br. 11, 22; 40, 27; Maaler 283v; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 149; Schweiz. Id. 4, 295. − Vgl. ferner s. v. anmächtig 2, aufsetzig 2, ausbündig 1.

6. ›in männlicher Linie vererbbar‹ (von Lehen; s. manlehen); vgl. 1man (der) 8. Wiese, UB Wetzlar 1, 502, 9 (hess., 1333): [wir] gebin in und erin erbin ouch darzuo hundert marc wert menlicher lehin noch unser beider tode. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 91, 11 (thür., 1474): Waz abir sust Hanß Koppe menlicher lehengutter [...], die von andern herschafften zcu lehen beruren, [...] hinder sich gelaßin hat, der magk sich dy genante frouwe Angneß [...] vor yr lipgedinge nicht zcuzcyhen. − Rwb 9, 147.

7. ›stumpf, auf eine Hebung endend (vom Reim)‹. Opitz. Poeterey 36, 18 (Breslau 1624): die letzte sylbe in den mÁnnlichen [...] reimen [...] sollen nicht an allen Buchstaben gleiche sein. Ebd. 37, 29: masculinus, das ist / mÁnnlicher verß / da der thon auff der letzten sylben in die hËhe steiget. Ebd. 39, 11: Der weibliche verß hat dreyzehen / der mÁnnliche zwËlff sylben. 2

mänlich, s. manig. manliche, s. mänlich 5. manlichkeit, die; -π/−; nur vereinzelt Umlaut(schreibung). ›Mannhaftigkeit, dem Manne zugeschriebene herausragende Handlungsfähigkeit, speziell Tapferkeit, aber auch Besonnenheit, Klugheit des Handelns; Großmut, Tugendhaftigkeit‹; diese letzteren Qualitäten erscheinen teils auch als Gegensatz zu manlichkeit; vgl. mänlich 5. − Bdv.: fürnemkeit, grosmütigkeit 1−3, kekheit, trutzigkeit; vgl. manheit 3. Ggs.: weibischheit. − Synt.: m. erwerben, in zorn verlieren, js. m. schreiben ›beschreiben‹; m. (Subj.) eine trutzigkeit sein, js. m. jn. bekoren, gros machen, in jm. m. sein; in der m. jm. gleich sein; die m. der Germanen, an kräften; die tapfere m.; das werk der m. Thiele, Minner. II, 28, 17 (Hs. 2md./rhein., 1. V. o 15. Jh.9): syne manlicheit, syne zuesse woirt 兩 haint mich sendes wyf bekoirt. Chron. N¸rnb. 3, 54, 18 (nobd., 1488): durch den [Mars] sie hoften sig erwerben und manligkeit. so aber in krigen manligkeit ist ein trutzigkeit und fürnemikeit, so sie nit hat weisheit, so erten sie gar vast die göttin der weisheit Dianam. Ebd. 102, 13: in aller manlikeit was er [Fridrich der andere] geleich seinem anherrn Friderico Barbarossa. Ebd. 165, 11: es was große keckheit und manligkeit in den ratsherren und hertes fürnemen. Grundmann u. a., A. v. Roes

1797

manlos − manna

203, 22 (alem., 15. Jh.): dar umb das der gloube den die vestikeyt der RËmer vergyht, die manlicheyt der Germanen gewaltiglichen gebiete zu haltende und die subtilikeyt und reddgobe der Walhen [...] meniglichen wisent zu´ haltende (es geht um die Verteilung von priesterlicher ere, gewalt und der ku´nste riche). Enders, Eberlin 1, 84, 6 (Basel 1521): Durch solich ding ist das teütsch volck vnentpfintlich verfurt worden [...], von redlicheit zuo betrogenheit, von mannlicheit zuo wybischeit. Koppitz, Trojanerkr. 19056 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Mitt manlichhett an creften 兩 Er [Hector] clang sin schwertt uf helme. Ruh, Bonaventura 343, 32 (oschwäb., 2. V. 15. Jh.): werck der mannlichait, geordnet zuo den in wendigen dingen, das also geschech ain vf erhËben über sich. Wedler, W. Burley. Liber 55r (moobd., v. 1452): Hüett, das dw dein mandlichkait nicht verliesest in zornn. Roth, E. v. Wildenberg 3, 37 (moobd., v. 1493): herr Mathias von Kementen hat des fürsten Friderich all sein tugent, gericht-, mändlich- und grosmutigkeit und streitper händl nach leng geschrieben. − Gille u. a., M. Beheim 98, 152; Ruh, a. a. O. 344, 11; Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 304, 13; Karnein, de amore dt. 97, 8; Schwartzenbach 62r.

manlos, Adj. 1. ›ohne die Qualitäten von 1man (der) 3, mutlos, feige‹. − Bdv.: herzlos, las (Adj.) 2, zage. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 23, 65 (schwäb., 1471): da ward der werde knab 兩 Manlos in seinem hertzen. Turmair 4, 943, 10 (moobd., 1522/33): [Decius] habe alle christen dergleichen für untreu und mannlos leut gehalten.

2.; 3., s. 1man (der) 8; 9. manmächtig, s. 1man (der) 5. manmässig, Adj. ›erwachsen; heiratsfähig‹; vgl. 1man (der) 2. − Bdv.: vgl. manbar 1; 2. Drescher, Hartlieb. Caes. 43, 5 (moobd., 1456/67): Ee das die selbe heylig junckfraw Cristina in den orden kom und nwo eines man mässigen allters was, do [...]. Winter, Nöst. Weist. 2, 307, 3 (moobd., 1. H. 16. Jh.): ob ain nachpar, haußgenoß oder ein manmässiger mit ainem knaben [...] umb gelt, [...] spilt [...], wo er begriffen wirdt, so soll er geen in des herrn straff.

manmilch, s. mane 1. manna, das (meist) / die; -π/−; wechselnde Schreibungen (z. B. 4man, manhu u. ä.); letztlich aus dem Hebr. (Kluge/S. 2002, 596). 1. ›eine den Israeliten in der Wüste aus dem Himmel zugefallene, das Wirken Gottes bezeugende (wenn auch an natürliche

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Gegebenheiten, das Tamariskenmanna, anknüpfende) Nahrung‹. − Zur Sache: LThK 6, 1986, 1360. − Bdv.: himmelbrot, speise, tau. − Synt.: m. haben / essen, [wo] finden, durch nar ›der Nahrung halben‹ nemen, got m. regnen lassen; m. himmelbrot heissen, die m. gebresten, das m. jn. anstinken; des m. (nicht) sat werden; jn. mit m. speisen; das ware / weisse m. Helm, H. v. Hesler. Apok. 3032 (nrddt., 14. Jh.): Jenez manne, daz do namen 兩 Die juden durch des vleisches nar, 兩 Nimt unser geist zu sich gar. Ebd. 3358: Die juden sprachen da zu, 兩 Da sie iz lasen: ,mannahu?‘ 兩 Daz spricht zu dute: „waz ist daz?“ Sachs 18, 307, 5 (Nürnb. 1566): Gott gebot von wolcken herab, 兩 [...] 兩 Und ließ man herab auff sie regen, 兩 Gab in zu essen himelbrot. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 337, 1 (Nürnb. 1631): Ave Jesu 兩 Wahre Manhu, 兩 Christ Jesu. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 274, 22 (Straßb. 1466): die su´n israhel: sy sprachen zuo einander. Manhu? [Luther 1545, 2. Mose 16, 15: Man] Das bezaichent. Was ist daz Wann sy miskanten was es was. Morrall, Mandev. Reiseb. 15, 11 (schwäb., E. 14. Jh.): doch sËllent ir wissen daz man in dem grab nit fand wann manna, daz ist hymelbrot, und maint man daz er mit lyb und sel in dem paradyß syge. Rot 327 (Augsb. 1571): Mann oder manna, Himelbrot / heyst Hebraischer sprach nach / quid est hoc, was ist das. Jst ein frucht wie Coriander gestalt. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 90, 8 (oobd., 1349/50): Manna haizt ze däutsch himelproˆt und vellt auch oben her ab von den lüften, iedoch ain weˆnig hœher wann daz himeltroˆr. − Luther, WA 16, 257, 33; 299, 16 / 20; 28, 724, 18; 48, 213, 9; Fischer, Brun v. Schoneb. 3112; Sachs 6, 224, 18; Kurrelmeyer, a. a. O. 4, 265, 2. − Vgl. ferner s. v. anstinken.

2. in Uminterpretation von manna 1 bezogen auf Glaubenstatbestände des Neuen Testamentes, darunter auf das Brot des Heiligen Abendmahls, auf den leichnam Christi sowie auf Christus selbst, auch auf Maria; über das Vergleichsmoment ,von Gott Gegebenes‘ anschließbar an 1. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Wbg.: mannaschmak. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2970 (nrddt., 14. Jh.): ‚Swer an dem vleische gesiget, 兩 Deme geb ich danne 兩 Min vorborgen manne, 兩 Daz lebende daz ich selbe bin.‘ 兩 [...] 兩 Manna [dies zu 1] daz brot bedutet 兩 Daz bi den alden ewen 兩 laz vor des hungers wewen 兩 Die vluchtige juden diet. Fischer, Brun v. Schoneb. 4329 (md., Hs. um 1400): sich ditz wazzer [Bezug auf Christus] hat mannasmag. 兩 di warheit man wol prufen mag. Ebd. 5593: si [Marie] glichet sich [...] 兩 ouch manna als ich uch jach 兩 der da hete allir wunnen smach. Ebd. 9636: daz got spiset si mit manna, 兩 des bedute: [...] 兩 glich also in got manna daz brot 兩 also gibet uns hute der suze got

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mannaschmak − mannen

兩 vor manna sinen heiligen lichamen. Schˆnbach, Adt. Pred. 24, 2 (osächs., 1. H. 14. Jh.): als her David der propheta spricht: panem angelorum etc. Diz brot waz gezechent in manna daz aller hande smachen und suzzicheit hatte nach eines igeliches gerunge der daz nutzete, aso ist iz umme unsers herren gotes lichnam. Mayer, Folz. Meisterl. 87, 23 (nobd., 1517/8): Dw arch und aüch monstrancze, 兩 Dar in das edel manna lack: 兩 War Got und mense gancz unverzack. − Stackmann u. a., Frauenlob 7, 15. − Vgl. ferner s. v. apfel 1, bachen 5.

3. ›aus dem Stamm der Mannaesche gewonnener Saft‹; generell: eine aus den Belegen nicht erschließbare Apothekerware pflanzlicher Herkunft, als solche eine Handelsware. − Bdv.: engelbrot, gummi; vgl. apotekerei. Follan, Ortolf. Arzneib. 79, 11 (rib., 1398): Nym cassye fistule eyn loth, manne, fiole, thamarindi, prumorum, iclikez czwei loth. Sudhoff, Paracelsus 2, 157, 1 (1525/6): die doctores der hohen schul seind dermaßen so gelert, das sie nicht wissen agaricum oder mannam von einander zu erkennen. Ebd. 6, 72, 27 (1528): wenn ich neme einen wein, seihete darin ein nenufar, ein scolopendriam, ein mannam, lorbonen rc und wolte also ein vermischung machen der körper mit samt den kreften, were auch falsch. Ebd. 14, 583, 32 (1591): sehet an die immen, die machen das honig aus der edelsten manna aller blumen. Morrall, Mandev. Reiseb. 98, 11 (schwäb., E. 14. Jh.): By der stat da sind berg, da fint man manna. [...]; man haisset es ouch engelbrot. Und sËllent wissen daz es ain wisß ding ist und vil sÈsser denn honig. M¸ller, Welthandelsbr. 169, 16 (schwäb., 1506): Clain gumma, als manna und oppion, und squila und auch capri wechst auch in Puia. − Bastian, Runtingerb. 2, 25, 11; Starzer, Qu. Wien 1, 5, 5814, 302.

mannaschmak, s. manna 2. mannen, V. − Für die Bedeutungsansätze 1 und 2 Beleghäufung für das Wobd. 1. ›heiraten (reziprok); sich verheiraten‹ (von der Frau auf den Mann gerichtet; im Unterschied zu weiben); ›jm. (einer Frau) einen Mann geben, (eine Frau) verheiraten‹; vgl. 1man (der) 5; 9. − Bdv.: bestatten 4, heiraten, verheiraten, verheuren; vgl. ändern 2, aussetzen 14, befreien, befreunden 2, beschwestern, betrauen 2, geben 5. − Wbg.: männern, mannigung ›Beischlaf, Zeugung, Empfängnis‹, mannung. Schˆpper 69b (Dortm. 1550): Nubere. Mannen heyraten zur ehe greiffen. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 142, 9 (rib., 1397): eins meisters dochtern die sich mant binnen disme ampte mit eime gesellen. Enders, Eberlin 2, 81, 7 (o. O.

1800

1521): als wenig einer [...] vß mann fraw mag machen, so wenig mag menschlich hilff, rath, anschlag hindern das werck der manigung, sÁmung, oder geberung. Merk, Stadtr. Neuenb. 76, 17 (nalem., 1491): das nun hinfu´r solicher frier zug [...] ungevarlich mit wiben und mannen undereinander us der herschaft in die statt und hinwider us der statt in die herschaft gehalten werden [...] sollend. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 115, 5 (Straßb. 1522): sie weiben oder mannen under den Adel, das sie auch edel seien. Ebd. 142, 28: von dreien Witwen, die also guto Leben wolten haben und wolten zuo dem andern mal mannen. Dasypodius 150v (Straßb. 1536): Nuptus, [...]. Die mannung / oder heurung. Welti, Stadtr. Bern 581, 6 (halem., 1438): wa ein sun oder tochtter wibet oder mannet wider sines vatter willen. Rennefahrt, Zivilr. Bern 66, 29 (halem., 1525): wöllicher uß dem orden gewibet hat oder einny uß dem orden gemannet hett, der und die selben sind [...]. Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk. 1, 3, 65, 31 (Luzern 1526): ir habt [...] den nunnen zuo Kingsfelden erlaubt zuo mannen. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 312, 3 (halem., 1534/5): Welchs ordens lüt den orden / und clËster verland / wibend oder mannend / sond ouch jr closterpfrÈnd beroubtt sin. Maaler 289v (Zürich 1561): Mannen / Sich mit einem mann verheüren / oder einen mann nemmen. Denubere, Innubere, Nubere. [...]. Jn ein mannhafft vn˜ verrÈmpt geschlÁcht Mannen. Dict. Germ.Gall.-Lat. 315, 7 (Genf 1636): mÁnnern / nach einen mann verlangen haben [...] Cupere maritum. Ebd. 10: Sie (mÁnnert) schon? − Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 217, 3; Rwb 9, 130; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 234.

2. ›heiratslustig sein (von der Frau gesagt)‹; vgl. 1man (der) 9. Maaler 283v (Zürich 1561): Begirig vnd reyff seyn zu Mannen / Eines Manns zuo der ee begÁren. Nupturire. − Schweiz. Id. 4, 290.

3. ›sich aufraffen, ermannen; sich wie ein Mann geben, verhalten (von der Frau gesagt)‹; vgl. 1man (der) 2; 3. − Bdv.: vgl. angreifen 6, ansporen, aufmustern, aufstiften, bewegen 3. Henschel u. a., Heidin 1704 (nobd., um 1300): Do begvnd die vrowe mannen 兩 Vnde ginch zv dem Graven gvt. Niewˆhner, Teichner 540, 48 (nobd., E. 14. Jh.): ein yesleich dink hat pezzer preiz 兩 dem die natur sein form geit 兩 [...]. 兩 aber wenn ein fraw sich mant 兩 und ein man sich weiben tut, 兩 daz ist yetweder halb niht gut.

4. ›jn. (eine Frau) heiraten; jm. (einem Mann) jn. eine Frau geben, ihn verheiraten; jm. jn. verheiraten‹; vgl. 1man (der) 5; 9. − Bdv.: vgl. beiliegen 2, beweiben, heimfüren 2 mäheln 2. Adrian, Saelden Hort 4936 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): daz frowen oder man 兩 ir kinden vil verderbent, 兩 [...] 兩 und ze oden clostern tribent 兩 und si denn mannent,

1801

mannen − männisch

wibent 兩 nach irem hertzen. Jˆrg, Salat. Reformationschr. 519, 10 (halem., 1534/5): und die fromen einfalltigen / gott ergebnen junckfrowen [...] darus (aus dem -kloster) vertriben / jns ellend verwystt und gstossen / dero ettlich (falls Subj., zu 1 zu stellen) gemannet.

5. ›(eine Burg o. ä.) bemannen, mit militärischer Mannschaft ausstatten‹; zu 1man (der) 4. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 5252 (preuß., um 1330/40): Dıˆ selbin vestin beidirsıˆt 兩 mannetin sıˆ in der zıˆt 兩 mit vil weˆpeneˆrin starc. Ebd. 9908: vil starc gemannit dise heˆrn 兩 hıˆltin ire hove. Chron. Kˆln 1, 2499 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Die burch sy was gemannet wale. Wyss, Limb. Chron. 49, 23 (mfrk., 3. Dr. 16. Jh./Hs. 2. H. 16. Jh.): da di burg ufgeslagen was, da spiset he si unde mante daz sloß wol mit guden rittern unde knechten.

6. ›sich unter eine fremde Herrschaft begeben‹; vgl. 1man (der) 6. − Bdv.: vogten. Siegel u. a., Salzb. Taid. 300, 30 (smoobd., 1494): welheu person unsers genädigen herrn [...] mit dem leib wär und gäb sich darüber ainem andern herren oder mannet sich under ain andreu herrschaft mit verheiraten. − Rwb 9, 131.

mannen (Adj.), s. 1man (der) 3. mannenfasnacht, die; Bw auch manne-, mans-. 1. ›Sonntag vor Ostern, Invocavit‹; vgl. 1 man (der) 1. Volkmar 166 (Danzig 1596): Androdionysia, Mannefastnacht. P. zapust. Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 916, 23 (osächs., 1538): sol genanter Wolf Syber dem Benisch Becken bezalung tun auf nehistkonftige mannefasnacht. Gagliardi, Dok. Waldmann 2, 222, 32 (halem., um 1490): ist im a uff nästvergangnen invocavit der manenfaßnacht dienstgellt verfallen 25 g. − Eis, Wahrsagetexte 59, 22; Schles. Wb. 2, 844.

2., s. man (der) 2. mannengemach, mannensäckel, s. 1 man (der) 2. mannensage, s. 1man (der) 3. mannenschenke, s. 1man (der) 2 mannenwerk, s. 1man (der) 3. mannenzimmer, s. 1man (der) 2. männerisch, s. 1man (der) 5. männern, V., s. mannen 1. männern, Adj., s. 1man (der) 2. mannesman, s. 1man (der) 6. mannig, s. manig.

1802

männigen, V. ›etw. multiplizieren‹; vgl. manig 1; 3. Lˆffler, Columella/Österreicher 1, 297, 29 (schwäb., 1491): WËlhi namen der samen in in selbs gemÁnigott werdent mmxxv. Ebd. 298, 8: so wiert er [juchart] durch die lengi haben xxxxviiii samen und durch die braitti xxv.

mannigung, s. mannen 1. männin, die; −/-e. 1. ›Frau, Männin, Person, die − aus der Rippe des Mannes geschaffen (so 1. Mose 2, 21 f.) − diesem von der materie, vom fleische, vom bein (vgl. 1bein 6) völlig gleich gedacht ist‹. − Texte der Sinnwelt ‚Religion‘. − Bdv.: magd 2; 4, weib. Gille u. a., M. Beheim 3, 302 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Do nam Adam sein weib und nant sey virago, 兩 das ist als vil gesprochen als ein Mennyn. 兩 darumb so nennet er das weib also, 兩 Recht als ir materg von seinr materg kumen was, 兩 also was er der frauen namen nennyn. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 51, 7 (Straßb. 1466): diß fleisch ist von minem fleisch o Dise wirt geruffen ein mennin wann sy ist genomen von dem man. Jaksche, Gundacker 60 (oobd., Hs. 1. H. 14. Jh.): er [Adam] sprach zu im: ,wer ist daz?‘ 兩 er antwurt mit sinne: 兩 ,ez ist ein mænnine.‘ − Wyss, Luz. Ostersp. 356.

2. ›Frau, der man die für den Mann geltenden Eigenschaften zuschreibt‹; zu 1man (der) 2. − Wbg.: männen. Golius 78 (Straßb. 1579): Virago, ein Männin / ein manlich Weib. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 315, 13 (Genf 1636): mÁnnin / Femme, femme vertueuse qui fau actes d’homme, Fœmina virilis. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 40, 2 (oobd., 1349/50): spring aber der saˆm auz dem lenken gezeuglein des mannes in die rehten seiten der muoter, soˆ werde dar auz ain mänleich weib oder ain männinne. − Schmitt, Ordo rerum 74, 28; Dasypodius 254r; Luther, WA 24, 80, 11.

3. ›Amazone‹. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 493, 9 (oobd., 1349/50): die vorgenanten männinne habent die art, wenn si ie minner unkäuschent, soˆ si ie sterker sint und ie pezzer ze streiten.

männisch, Adj. ›männlich, für Personen männlichen Geschlechts typisch‹ (von natürlichen Körpereigenschaften sowie von Hautfarbe, Krankheit u. ä. gesagt); auch: ›sich wie ein Mann verhaltend‹ (dies von der Frau gesagt); vgl. 1man (der) 2. − Bdv.: vgl. mänlich 4. Ggs.: fräuisch.

1803

mannung − manrecht

Sudhoff, Paracelsus 1, 283, 28 (um 1520): so merken kürzlich auf, das in Eva die leiblichen farben schön und hüpsch gewesen sint [...] und in Adam die onschönesten farben auf mennische art. Ebd. 7, 313, 18 (1529): also hie an dem ort auch zwo krankheit werden eine, die ein ist mennisch die ander freuisch. Maaler 283v (Zürich 1561): Ein mÁnnische tochter mit weyß vnd bÁrd wie ein mann. − Ebd. 281r.

mannung, s. mannen 1. manot, manet, der ; -s/-π. ›Monat‹ (wie mane, der, 2). − Synt.: 2einen m. bei jm. sein, die stat räumen, von der stat faren, einen m. einung verschulden ›Verbannung auf einen Monat und die damit verbundene Geldstrafe zu vollziehen bzw. zu leisten habend‹, x m. frist / gemach haben, nicht von etw. hören, in sünde bleiben, neun m. im leibe beschlossen bleiben, jm. x m. dienen, sich x m. bedenken9 jeweils Akk. der Zeiterstreckung; 12 m. (Subj.) im jare sein; sich binnen einen m. eines gerüchtes entlästigen, sich in x manoten nach der klage weren, in einem m. etw. abstellen / bessern, in einem m. aus dem dorfe ziehen, x menschen töten, kaufmanschaz treiben, inrund ›binnen‹ einem m. [etw. tun], über x m. ›x Monate später‹ etw. geschehen; x m. tagweid; der m. Julius / November. Wbg.: manotsold. Chron. Magdeb. 2, 205, 11 (nrddt., 1525): Darauff die Barfuser irstlich zcwo Manet sich zewbedengken frist und dilation gebeten. Gille u. a., M. Beheim 84, 65 (nobd., 2. H. 15. Jh.): in dem aller hailgsten leib 兩 neün manait er peslassen pleib. Rieder, Gottesfr. 174, 22 (els., Hs. 15. Jh.): so sol er schaffen, daz dz gebessert werde in einem manode darnoch. Bachmann u. a., Volksb. 310, 20 (alem., 15. Jh.): ob er im eins gannczen jars zwölff hannd marter antet, als zwölf manot inn dem jar sinnt. Boos, UB Aarau 29, 23 (halem., 1317): Sturbe ouch der bÈrgen einer, so sËllen wir im [...] o geben ein alz guten irund ein manod. Welti, Stadtr. Bern 79, 21 (halem., E. 14./A. 15. Jh.): wie der leisten sol, der einen manot einung verschuldet. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 138, 11 (schwäb., v. 1542): fand darin ful lantzknecht, thet ynen nichts, dan das sy im ain oder zwen manet dyenen mußten. Drescher, Hartlieb. Caes. 301, 20 (moobd., 1456/67): darnach u´ber zway manett da gschach zu Ach aber ein erdpidmen. Turmair 1, 250, 35 (moobd., 1529): Wen man den manatsold ausgab, so pehielt man ainem itlichen knecht halben manätsold inn. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 111, 31 (tir., 1464): der pös petrieger der höret nicht auf tag noch nacht von der selbigen anfechtung czwen gancz manät. Mollay, Ofener Stadtr. 309, 9 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): dor nach sullen dy¨ gescheft herren frist haben sechs monet dy¨ nechsten [...] auß zu richten gancz vnnd gar das gescheft. − Palm, Veter Buoch 78, 26; Dierauer,

1804

Chron. Zürich 9, 5; UB Zug 153, 22; Welti, a. a. O. 76, 27; Bachmann u. a., a. a. O. 8, 31; Rennefahrt, Statut. Saanen 175, 31; Morrall, Mandev. Reiseb. 30, 17; Hauber, UB Heiligkr. 1, 393, 30; Chron. Augsb. 5, 316, 5; Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 49, 23; Auer, Stadtr. München 266, 11; Gierach, Märterb. 12261; 12396; Mollay, a. a. O. 438, 3; Schweiz. Id. 7, 854.

manoter, der. ›Ratsherr, der der Stadt abwechslungsweise zur Verfügung steht‹; zu manot. Welti, Stadtr. Bern 125, 1 (halem., E. 14./A. 15. Jh.): wer der ist, den dehein tag angät, der sol die manoder des abendes vnd morgende vf dem tag zu varen manen vnd ouch verkosten.

manotsold, s. manot. mänpferd, s. 2mäne. manrecht, das; Bw auch mans-; -ens/-π, -s, -er. − Bedeutungsansätze 2 bis 4 nur für Rechts- und Wirtschaftstexte belegt (s. generell: Rwb 9, 150 f.). 1. ›Recht und Verpflichtung aufgrund der Zugehörigkeit einer Person zu einem bestimmten Stand‹ (vgl. den Beleg); im Unterschied zu 2 eher auf die grundsätzliche Stellung jedes Menschen innerhalb einer gesellschaftlichen Ordnung bezogen; vgl. man (der) 1; 2. Luther, WA 32, 319, 15 (1530−32): Denn was ist der wellt gerechtigkeit anders denn das jderman thue jnn seinem stande was er schuldig ist, welchs heisst desselbigen stands recht, als mans recht und frawen recht, kinds recht, knechts und magd recht jm hausse, burgerrecht odder stadrecht jm lande, welchs alles stehet darinn, das die so ander leuten furstehen und regieren sollen, solch ampt mit vleis, sorgen und trewen ausrichten, die andern auch des gleichen schuldigen dienst und gehorsam trewlich und willig leisten.

2. ›in den einzelnen Rechtsräumen unterschiedliches Recht, das die allseitige persönliche Stellung der betroffenen (als männlich vorausgesetzten) Person (häufig: des fremden, ausländigen 1) betrifft‹; das manrecht wird ad personam in den Fällen in einem brief, schein dokumentiert, in denen eine Person von einem Rechtsraum / Rechtssystem in einen anderen / ein anderes umzieht; dies erfolgt oft in der Absicht, dass dort ein handwerk ausgeübt und daß

1805

manrechtbrief − mansbild

man meister, bürger, gemeinsman werden kann. Inhalt des manrechtbriefes ist die erliche geburt, das herkommen generell, die Ausbildung (oft als Handwerker), speziell der Abschluß der Lehre, die redliche Berufsausübung über eine Anzahl von Jahren, eine gewisse wirtschaftliche Absicherung (narung muß gesichert, man muß begütert sein), der Stand (z. B. die ledigzälung von der leibeigenschaft), die Verfügung über eine Rüstung. Aussteller des Dokumentes sind der schultheisse, das gericht, die oberkeit; metonymisch: ›Dokument über das manrecht der einzelnen Person‹; vgl. 1man (der) 2. − Bdv.: abscheid 4, abschied 4, brief 1, burgerrecht, geburtsbrief, kundschaft, manbrief, urkunde. − Synt.: m. (an)zeigen / auflegen / haben / bringen, jm. das m. auflegen / erkennen; jn. zu dem m. taugig halten. Wbg.: manrechtbrief. Kollnig, Weist. Schriesh. 276, 8 (rhfrk., 1562): wann einer ein mannrecht will haben, so ist er ein gulden schuldig. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 108, 31 (hess., 1544): Es soll auch ain jeder, der frembd in das benderhandwerck komen will, sein manrecht und gepurtsbrief bringen, das er von redlichen unberuchtigten ehelewten geporen und selbs auch fur from und redlich gehalten sei. Roder, Stadtr. Villingen 168, 16 (önalem., 1582): das er auch seines mannrechts, verhaltens und lödigzellung der leibeigenschaft halber gnugsam schein und urkundt fürzeigen soll. Kˆbler, Stattr. Fryburg 210, 15 (Basel 1520): Wa aber ander by vns wonen / vn˜ nit burger / sonder insessen sin / die sollent so sy gewerb vnd handthieru˜g triben wËlten / zünffte / darin gewerb vnd hanto thieru˜g trifftig sind / schuldig sin / anzunemen vnd zuo erkoufo fen / das gelt bar zugeben / ouch gewer vn˜ harnasch zuo habe˜ / deßglichen versigelten gloublichen schin / jrer geburt / harkomens vnd manrechtens / ouch wie sy an andern orten gescheide˜ o M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen sind / anzuzËgen. 100, 30 (halem., 1565): Der inzüglingen halb so an etlichen orten in der lanndtschaft ain jarzechend und darob gesessen und ale bisher nie ir manrecht gebracht und sich auch das widern, us ursach, dz sy so lang da gewont, ist beschlossen, dz die so frömbdling und nit gottshuslüth sind angends gemant werden, innerhalb dry moneten solche zeerzaigen oder die landtschaft ze rumen. Ebd. 306, 19 (1559): nach dem sich ouch zwüschent hochgemeltem [...] herrn von Sanct Gallen und denen von Roschach wither span haltet von wegen der mannrechtbriefen, wo die geben und genommen söllen werden. Rennefahrt, Statut. Saanen 201, 21 (halem., 1571): doch söllent sy o ouch keinen annemen, er habe und zoige dann zuvor sin mannrecht, sines harkommens, handels und wandels, daß er von frommen unverlümbdeten eltern erzogen und erboren, und niemands lybeygnen, noch sonst vellig sye. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 469, 22 (halem., 1611): die [frömbden]

1806

o söllent zuvorderist den herren und meisteren des handwercks ein jeder mannrecht und lehrbrieff uflegen. − Brinkmann, Bad. Weist. 100, 22; Geier, Stadtr. Überl. 534, 15; Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 438, 32; M¸ller, a. a. O. 291, 13; Barack, Zim. Chron. 2, 355, 17; Chron. Augsb. 8, 178, Anm. 1; 9, 324, 10; Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 1, 426, 25; Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 67, 21; 314, 3; Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 20, 4; 475, 13; 754, 6; Rwb 9, 150; Pf‰lz. Wb. 4, 1166; Schweiz. Id.4, 1198; 6, 290; Schw‰b. Wb. 4, 1453.

3. ›zur Dokumentation des manrechtes (im Sinne von 2) fälliger Betrag‹; Metonymie zu 1. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 295, 29 (halem., 1559): fäl, vaßnachthennen und das mannrecht zegeben, beo richt zustellen, wie sich sin fürstlich gnad hierin halten [...] möge. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 242, 37 (schwäb., 1578): daß dieselbigen [frembde personen] ir manrecht, darzue den junckherrn zehen gülden [...] ufflegend, huldigung nach dem burgerrecht [...] erstatten.

4. ›Lehenrecht‹; genauere Bestimmung aus den Belegen nicht möglich; vgl. aber Rwb 9, 151 (mit Ausdifferenzierungen und reichhaltiger Belegung); vgl. 1man (der) 8. − Bdv.: manlehen. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 56, 18 (schles., 1361): ich welde g’ne czu dem rechte komen vnde welde mich des vorantworten noch mines herren manne recht. Leisi, Thurg. UB 7, 128, 19 (halem., 1378): Wär, ob derselb Johannes Huter nit elich knaben liess, dz denn sin elichen dochtren, [...], manrecht haben sond zu den vorgenanten lu´ten und gütern, also dz sis haben, nützen und niessen sond [...], als ob si knaben ald man oder lehensgenoss wärind. Ebd. 689, 13 (1388?): Und batt uns [...], dz wir ir und dem vorgenanten irem trager die vorgenanten guto in tragnus wise ouch ze lehen lihind und ir ouch man recht daru´ber gÁbind.

5. ›Genitalien des Mannes‹; zu 1man (der) 5. − Bdv.: vgl. macht 11, manschaft 8, mansglied. − Schw‰b. Wb. 4, 1454 (17. Jh.). manrechtbrief, s. manrecht 2. manrichter, s. 1man (der) 8. mansbegierig, s. 1man (der) 5. mansbeutel, s. 1man (der) 12. mansbild, das; −/-e, -er. 1. ›Bild, Figur, Gestalt eines Mannes‹; zu 1man (der) 2, bild 3. Ziesemer, Proph. Cranc Ez. 16, 17 (preuß., M. 14. Jh.): und namist di vas diner czirde von minem golde [...], und machtist dir mannisbilde [hier wohl euphemistisch]

1807

mansbilden − manschaft

und tribest unkuscheit mit in. Turmair 4, 836, 10 (moobd., 1522/33): Vil und groß manspild, weit grösser dan ander all menschen, als man von den risen und recken sagt, [...] sach man durch die stet [...] und im luft hin und her laufen.

2. ›Mann, erwachsene Person männlichen Geschlechts‹; in den Belegen meist in erotischen, seltener in rechtlichen Zusammenhängen erwähnt; vgl. 1man (der) 2; auch 5−7, bild 3. − Bdv.: mansname 2, mansperson 2. − Wbg.: mansbilden ›männlich‹. Luther, WA 10, 1, 1, 69, 1 (1522): Es gibt keyn weybiß bild eynem Man solche reyn gedancken, alß diße iunpfraw, widderumb auch keynn manß bild eynem weyb, alß diß kind. Ebd. 10, 1, 1, 297, 12: Es ist eyn weybsbild naturlich tzur liebe und gunst geneygt, mehr denn eyn manßbild. Ingen, Zesen. Ros. 86, 5 (Hamb. 1646): daß ein mannsbild im lieben erst erkennen lernet / was freude fohr ein ding sei. Burkhardt, UB Arnstadt 396, 30 (thür., 1487): Hanszen und Micheln gebrudern, orn sonen und oren rechten elichen nachkomende erben der selbigen linien manszbilden geslechts. Weise. Jugend-Lust 149, 7 (Leipzig 1684): Kein Mannsbild ist so heßlich / es hat die schËnste Jungfer verdienet. Sachs 16, 98, 35 (Nürnb. 1559): Daß sich ein tochter hüten sol 兩 All zeit vor den mannsbilden wol. Ders. 17, 443, 8 (1562): thu sich nit auffspreytzen, 兩 Mannsbilder zu bulrey zu reytzen. Kˆbler, Ref. Nürnberg 398, 5 (Nürnb. 1484): ES mag ein manßpild vnder zwaintzig Jaren. vnd einich frawenpilde [...] das ampt der spruchlewt nit annemen. Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 471, 2 (Nürnb. 1631): Mit keim Mansbild bist worden behafft, 兩 Hieltst hoch in Ehrn dein Jungfrawschafft. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 58, 19 (m/soobd., 16. Jh.): wan aber zwei manßbilder raufen odr schlagen, so [...]. Mell u. a., Steir. Taid. 153, 31 (m/soobd., 1580, Hs. 1629/43): wann es sich etwan begeben möcht, das ein manspilt bei eines andern weib betreten wirt, so [...]. − Sachs 16, 141, 32; 20, 370, 24; v. Keller, Ayrer. Dramen 1116, 18; Henisch 378; Vock, Urk. Hochst. Augsb. 319, 34; Rwb 9, 127; Öst. Wb. 3, 167.

mansbilden, s. mansbild. mansbirne, s. 1man (der) 5. mansbruder, der. ›Bruder des Gatten (von der Frau aus gesehen), Schwager‹; zu 1man (der) 9, bruder 1. − Bdv.: geschwager. Bremer, Voc. opt. 3083 (halem., 1328 f.): Leuir manso bruder [...] frater mariti [...]. Et dicitur (leuir) a levus, id est sinister, et vir, quia est sinister vir. − Voc. inc. teut. p vir; Dasypodius 337r; Apherdianus 195; Dict. Germ.Gall.-Lat. 315, 30.

mansbürde, s. 1man (der) 2. manschaft, die; -π/−. − Vgl. generell Rwb 9, 154 ff.

1808

1. ›Lehen als rechtlicher Gegenstand des Lehnsverhältnisses (z. B. ein Gut, ein Ernteertrag, ein Zinswert); wechselseitiges sachen- (Dienstleistung) und zugleich personenrechtliches (Treueverpflichtung) Verhältnis zwischen einem Lehnsgeber (Lehnsherren) und einem Lehnsnehmer; mit diesem Verhältnis verbundene Rechte des Lehnsgebers (auf Dienste) gegenüber dem Lehnsnehmer und Schutzrechte des letzeren gegenüber ersterem; Dienstleistung des Lehnsnehmers‹; vgl. 1man (der) 8, lehen 1; 2; 7. Die einzelnen Varianten stehen im Metonymieverhältnis; keine klare Trennung möglich. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: bundschaft, herschaft 5, lehenschaft 1; 2, manlehen, rechtung. − Synt.: die m. geloben / empfangen / haben, auf den heiligen behaben, zu kaufen geben, kaufen / abtun / aufgeben / aufsagen / verliesen, zu lehen verleihen, jm. die m. bieten, js. m. versprechen ›aberkennen‹; etw. m. heissen; der m. ledig sein, jn. der m. ledig / los sagen, sich der m. entziehen / verzeihen; rechtes lehen mit m. empfahen, von m. etw. schuldig sein; die m. des hofes, an dem gute, der m. ane schaden (verwahrformelhaft). Koller, Reichsreg. Albr. II. 70, 27 (1438/9): das wir im die obgenant lehenschaft, vogtey und mannschaft, wie die genant und wo die gelegen sind, [...] zu manlehen zu verleihen gnediclich geruchten. Foltz, UB Friedb. 1, 316, 42 (hess., 1378): Unde sal auch ich, [...], dy manschaft der stat zu Frideberg nummer uffgesagin. Jungbluth, J. v. Saaz. Akkermann 34, 6 (Hs. 2omd., 14659): kurfürste, in des kurfürstentum alle kür ist: wol im wart, wer manschaft [Var. B: ma˜hait] von dir [wachter aller werlt ... kurfürste] enphehet! Chron. Strassb. 446, 11 (els., A. 15. Jh.): gap der bobest ein urteil über disen keyser und entsatte in von dem riche [...] und seite alle man des riches lidig ire manschaft und ire eyde die sü schuldig worent disem keyser. Bernoulli, Basler Chron. 4, 30, 14 (alem., 1424): wenn daz were, daz der jung marggraff hertzog Ludewigs manne nit me sin wËlte, so sËlte er im fu´nftzehenthusent gu´ldin geben, und mËchte der manschaft damitte lidig sin. Ebd. 5, 130, 19 (1402): das er die manschafft und die buntschafft gegen dem hertzogen von Orlentz gentzlich abe tet. Leisi, Thurg. UB 5, 179, 10 (halem., 1347): daz ich dem erbern kneht RÈdolf [...] ze v geben han du´ manschaft und du´ rehtung, die ich hatte koffenne u´ber den zehenden ze Bettelnhusen. Du´ selben manschaft ich ze lehen hatte von minen herren, den herzogen von ·sterrich, v hat, so [...]. Und won er nu du´ manschaft von mir gekoffet han ich mich derselben rehtung entzigen. Ebd. 6, 534 (1370):

1809

manschaft

und entzech sich ... gen u´ns, [...], aller aigenschaft, aller lehenschaft, aller manschaft, aller gewer. Ebd. 7, 790, 11 (1390): von dem [lehentrager] wir und daz vorgenant u´nser gotzhus oder u´nser nachkomen von des selben lehans wegen 2getru´wer manschaft9 (›Treue‹] wartend sigind. Welti, Urk. Rheinfelden 143, 54, 12 (halem., 1406): Dieser [...] sagt den i Käufer quit ledig vnd los der manschaft, der gelupte vnd des eydes, so er ime von des selben lechens wegen gebunden war. Merz, Urk. Wildegg 45, 15 (halem., 1443): so setzen sie nun vnder anderm vnsern hoff [...], mitt gunst wissen vnd willen i des edeln hern junckher Turings [...] von dem er vnser lechen ist, zuo vnderpfand ein, der lechenschafft vnd manschaft ... aˆn schaden. Boner, Urk. Zofingen 482, 4 (halem., 1467): das lichen von der hand, so man nempt die manschaften, an dem hoff im Segott. Fuchs, Kart. Aggsbach 235, 24 (moobd., um 1411): und verczeihen uns auch gÁnczleich der manschaft, die wir darauf gehabt haben. − K¸ther, UB Frauensee 102, 19; Mon. Boica, NF. 1, 659, 9; GrafFuchs, Ämter Interl./Unterseen 131, 2; Rennefahrt, Stadtr. Bern 265, 2; Boner, Urk. Aarburg 70, 24; Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 190, 23; Rwb 9, 154; Vorarlb. Wb. 2, 352; Schw‰b. Wb. 4, 1454.

2. ›Treueeid des Lehnsnehmers gegenüber dem Lehnsgeber, Huldigung im Rahmen des Lehnsaktes‹; auch: ›als Huldigung gedachte Anheimgabe e. P. an einen Religionsstifter, an den Teufel, an einen sittlichen Wert‹ (letzteres verbunden mit Personifizierungen wie Amor, Natur, Rede usw.); vgl. 1man (der) 2, auch 8. − Bdv.: dienstbarkeit, eid, hulde, huldung, treue; vgl. lehenseid. − Synt.: js. m. erbitten, jm. (auch dem teufel, Machmet) m. tun, die natur der gnade, Amor (Subj.) Rede (Dat.obj.), Rede (Subj.) Amor (Dat.obj.) m. tun; jn. der m. ledig sagen; die habe / [einen Geldbetrag] mit m. empfangen, jm. (z. B. dem keiser) zu m. stehen. Wbg.: manschaften (V.) (dazu bdv.: herren 1, hulden, huldigen). Thiele, Minner. 2, 26, 135 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): Amor wold Reden daz bedÈden 兩 daz Reden sold o und manschap doin. Meijboom, mit sinen lÈten 兩 hem hulden Pilgerf. träum. Mönch 9099 (rib., 1444): Lege neder male ind staff dar tzo 兩 Ind myme Mamet manschaff do! Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 288, 20 (mosfrk., 1473): es hait auch der vurgenant Conrat Schenk die obgenanten sehß huben lands [...] von uns liplich entphangen mit manschaften truwen hulden eiden und dinsten. Voc. Teut.-Lat. p ijv (Nürnb. 1482): Huldung. omagiu˜ oder manschafft. Schmitt, Ordo rerum 606, 10 (salem., 2. Dr. 15. Jh.): Omagi(n)are hulden [...] verhulden vnd trew geben [...] herren [...] huldigen manschafften. Grundmann u. a., A. v. Roes 203, 11 (alem., 15. Jh.): das der ku´nig in weltlichen sachen

1810

keinen herren u´ber sich hette, dem er als einem keyser [...] zu manschafft odder in einen andern weg zu´ dienste mu´stent ston. Rennefahrt, Stadtr. Bern 483, 33 (halem., 1418): alz si [5 Personen] dz mit einer gemeinen lehens hande enpfangen und ir manschaft darumb erbotten hand. Drescher, Hartlieb. Caes. 368, 5 (moobd., 1456/67): Da sprach der o tew´ffel: ,Walther, wilt du mir manschafft thun, so wil ich dich gesund machen und wil dich reichen u´ber all dein gesla´cht. − Thiele, a. a. O. 2, 26, 305; Lamprecht, a. a. O. 3, 256, 15; Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 1569; Schmitt, a. a. O. 116, 14.

3. ›Vasallen eines Lehnsherren, nach Lehnsrecht Dienstleistende, Getreue‹; zu 1 man (der) 8. − Bdv.: vgl. landbarun, lehenman 2. Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 117, 17 (rhfrk., um 1435): Künigk Karle [...] hilt eynen vffenen hoff / vnd die hochzijt des heiligen phingestages / da hatt er alle sin manschafft zu yme dar verboden. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 785, 22 (thür., 1421): der lantgrave von Hessin [...] liess om huldin die manschaft unde stete yn dem lande. Thiele, Chron. Stolle 311, 25 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): do quam der bisschoff do hen unnd slug die beheltnisse uff mit siner manschafft unnd rate.

4. ›Recht auf die Bestellung des militärischen Aufgebotes, Militärgewalt‹; als Metonymien: ›wehrfähiger Teil der Bevölkerung‹; ›Heeresgruppe‹; ›militärisches Aufgebot, Truppe‹; auch: ›Kriegsdienst‹; das hier gemeinte Recht ist Teil unterschiedlicher Rechtszusammenhänge: Lehnrecht (auslaufend), grundherrschaftliches Recht, territorial-obrigkeitsstaatliches Recht; vgl. 1 man (der) 4; 8. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: folge, manung 2; vgl. anlegung 5, aufbot 2, aufbruch 4, aufmanung, ausschus 3, berufung 3, gültrüstung, landgeschrei, landvolk 3, lauf 1. − Synt.: eine m. nemen / schicken; die m. (Subj.) sich weren, (jm.) vorbehalten werden, die m. ›Kriegsdienst‹ [wo] bleiben ›unterbleiben‹; die eidgenosschaft mit m. freien; die bewerte / junge / streitbare / taugliche / tapfere m. Luther. Hl. Schrifft. 1. Sam. 24, 3 (Wittenb. 1545): Saul nam drey tausend junger Mannschafft aus gantz Jsrael. Lohmeyer, K. v. Nostitz 12, 10 (preuß., 1578): In diesem schönen ampt, [...], sein sher vil wuster huben, geben etzliche von der wuste huben 30 ß; wo bleibt der scharwergk, manschafft und volkommene zins? Allg. Schau-B˚hne 60, 15 (Frankf. 1699): die Braunschweiger [...] fielen mit etlichen hunderten bewehrter Mannschafft auß. Lauterbach,

1811

manscham − manschlacht

Orhein. Rev. 270, 4 (nalem, v. 1509): die sindt mit stett vnd lender erosset vnd die manschafft vermmy¨ndert. Ebd. 355, 1: Herzog Lupold [...] zoch mit eim grossen manschafft vnd wolt die Schwitzer erschlahen. Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 373, 18 (halem., 1534): das Münchenwyler mit zinß u gÈttern und nidern gerichten verkoufft und daselbs minen herren einigen die manschaft, oberherrlickeyt und hochengericht vorbehalten werden. Ders., Recht Laupen 92, 23 (halem., o 1535): daran gar kein gerechigkeyt, noch zuspruch vorbehalten, dann allein das mallefitz und die manschaft. Ders., Statut. Saanen 313, 5 (halem., 1655): eine allgemeine musterung unserer landen und gepieten ... von allen ußzügeren und übrigen manschaft. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 296, 14 (halem., 1559): wie sin fürstlich gnad von Römischen keysern und königen hochloblichen mit allen regalien und friheiten nit weniger als ein ordt der Eidtgnoschaft gefriet, es sige mit der mannschaft, malefitz, vogtyen, eigenschaft der lüten, zöllen, gleiten. Maaler 283v (Zürich 1561): Mannschafft (die) Erwachsen zum streyt. Die dapfferst Man˜schafft der schlachtordnung / Ein rott der stercksten kriegßleüten. Principia. Wopfner, Bauernkr. Tirol 287, 7 (tir., 1668): Würdt vom oberambt jedesmahls, wan der außschuß daselbst gemustert und exercirt wirdt, uff erforderung die taugliche junge mannschaft geschickt. − Luther. Hl. Schrifft. 2. Chr. 11, 17; 2. Makk. 12, 27; Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 68, 33; GrafFuchs, Ämter Interl./Unterseen 201, 1; Rennefahrt, Recht Laupen 91, 35.

5. ›Stand der Freiheit (frei sein)‹. Leman, Kulm. Recht 1, 5, 56 (Thorn 1584): man obirtzuget sy des roubes vnd der dupheyt wol myt allen luten dy ir recht nicht vorlorn haben vnd ir manschaft.

6. ›bäuerliche Grundschicht, abhängige Einwohner, Untertanen eines Dorfes, einer Landschaft; Arbeiterschaft eines Bergbaugebietes‹; die betroffene Schicht steht teils in grundherrschaftlichen, teils in frühkapitalistischen Rechts- und Wirtschaftszusammenhängen (vgl. unter Synt. die anzal, das sich meren der manschaft); als Metonymie: ›gottgewollter Status der Abhängigkeit im Unterschied zu herschaft‹; vgl. 1man (der) 6. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: halvolk. − Synt.: die m. sich meren, eine merere m. werden ›wachsen‹ (von der wirtschaftsrelevanten Zahl der Betroffenen); der m. (Dat.obj.) zu abbruch reichen, das gut mit einer m. besetzen, das dorf (Subj.) nach der m. frönen, der herschaft, dem gemeinen nuz nachteil an der m. begegnen; die m. des klosters, die m. Kutzendorf; die arme / erbare m.; die anzal / minderung der m.; eine gemeinde (z. B. Wildgrube) mit der m.

1812

Luther, WA 17, 2, 158, 14 (1525): so mÈste man auch sagen, das hirschafft, knechtschafft, manschafft, kindschafft [...] o eytel fruchte des Euangeli weren. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 71, 18 (schles., 1405): so sal dorczu dy manschaft Kuczendorff und der Stoel mit allen rechten gehören. Mon. Boica, NF. 2, 1, 250, 7 (nobd., 1464): Nach gewonheit, die bey meynen zeiten ist gewesen, frËnen auch die e hernachgeschriben dorfer nicht nach den lehen und hwben, sunder nach der manschaft. Kˆbler, Stattr. Fryburg 155, 12 (Basel 1520): Wir haben in disem vnserm nüwen Stattrecht vorofft gmeldet / was nachteil vnser gnedigsten herrschafft von Ësterich rc. vnserm‘ gemeinen nutz an manschafft vnd sunst o begegne / so ligende onbewegliche guter / in hand vn˜ gewalt der ihenen kom˜en die nit in vnserm gezwang sind. Rennefahrt, Statut. Saanen 179, 15 (halem., 1555): alle mit bevelch und gwalt [...] der grafschaft Gryers inkommen, zinß, zechenden, rent / gült, herschaftrecht, usaigien, gerichtszwing und ban uf der manschaft, den hüsern und herdstetten nach, jedes [...] zeschetzen. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 183, 29 (moobd., 1524): und [maniger armer gesell] mugen dadurch nit zu heuslichem wesen komen, das dann zu verödung der stett und mindrung der manschaft raicht. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 280, 39 (m/soobd., 1532): sein auch deshalben general im land umbgangen die edn (›öden‹) hueben zu besetzen, damit ain merere manschaft und grösserer nutz im land were. Mell u. a., Steir. Taid. 46, 16 (m/soobd., n. 1590): Als nun das perkwerch aufgenomen und sich die manschaft gemeret. Wopfner, Bauernkr. Tirol 152, 10 (tir., 1525): das unns nit allain appru˘ch oder mynndru˘ng des viertls am Eysackh, sonnder au˘ch an der antzal der manschafft und der stew˘rn zu˘ grossem abganng und nachtail raicht. Mell, Steir. Weinbergr. 117, 33 (smoobd., 1543): dieweill si [pauersun] doch so der winter verhanden, widerumben zu iren vatern kumben und den ganzen winter ab inen zerren, essen und trinken, welliches dann ir majestät an ir majestät mannschaft und perkrechten, auch denen grundherren zu abbruch [...] der gueter und zinsen raichet. − Wattenbach, Urk. Rauden 49, 36; Rwb 9, 157.

7., s. man (der) 2. 8. ›Genitalien; Zeugungskraft des Mannes‹; vgl. man (der) 5. − Beleg s. v. manheit 5. − Bdv.: vgl. manrecht 5. manscham, manschatzung, s. (der) 2.

1

man

manscheinig, s. mane (der) 1. manschlacht, der. ›Totschläger, Mörder‹, meist auf Männer, nur vereinzelt auf Frauen bezogen, dann: ›Mörderin‹; vgl. 1man (der) 2; 3. − Bdv.: vgl. gurgelstecher, kelenstecher, kindvertuerin ›Mörderin‹; Orientierungsfeld: vgl. brenner, bösewicht, dieb, hexin, hure, lügner 1; 2, mör-

1813

manschlacht

der, papist, räuber, schelm, sünder, teufel, verderber, verherer, verräter, wucherer. Barack, Teufels Netz 938 Ü (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): VON DER MANSLACHT [dies zu manschlacht, die, 2] SÜND. [...] Er [man] hat manigen man erslagen. 兩 Manslacht ist er genant 兩 [...]. 兩 All untugend mag abnemen des bischoffs gewalt, 兩 Aber manslacht [dies zu manschlacht, die, 2] ist so meng gros valt 兩 Das darzuo gehœrt des babstes gewalt. Boos, UB Aarau 325, 15 (halem., 2. H. 16. Jh.): Ob aber der manschlacht darnach gevangen o wirt in der statt, so sol er die gesatzten busz liden. − Rwb 9, 161.

manschlacht, die, vereinzelt -schlecht, das sich aus einem i-Stamm herleiten läßt (vgl. Schweiz. Id. 9, 21); -π/auch -schlecht. 1. ›Tötung eines Menschen als schweres Verbrechen (ungetat) oder (seltener:) als nicht beabsichtigte Folge eines Ereignisses (z. B. einer Schlägerei), auch als Reaktion auf einen Einbruch; Mord als beabsichtigte Tat‹; vgl. 1man (der) 1; 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘ sowie Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: mord, totschlag, ungetat, aggregativ ohne klare Grenzen im Orientierungsfeld mit: blutrunst, deube, deubheit, diebstal, ehebrecherei, falsch, feindschaft, gierde 4, gierigkeit 2, has 1, hur, hurerei, lüge, krieg, lästerung, mishandlung, notnunft, notzug, mord, raub, schändung, stelerei, sünde, töbung, trunkenheit, unfure, unkeusche, untreue, wundtat, zorn. − Synt.: m. raten (›anraten‹) / begehen / tun / haben / lassen, m. mit leuten überzeugen ›beweisen‹; m. (Subj.) von der sünde kommen, von tag zu tag ergehen, bei tag / nacht, mit redlicher tat geschehen; der m. unschuldig sein; jn. durch ›wegen‹ m. fangen, die taufe mit m. beschmeissen, von m. dichten, freiung von m. geben, jm. eine gunst in der m. geben. Helm, H. v. Hesler. Nicod. 5185 (nrddt., 14. Jh.): [der tiefel] retet da mort unde haz, 兩 valsch, giricheit und lugene 兩 untruwe unde trugene, 兩 die manslaht mit dem hure 兩 und allerhande unvure. Grosse, Schwabensp. 80a 11 (Hs. o 2nd./md., um 14109): andere dinghe vberzuget man se wol o o o mit vmbesprochenen luten, alse dube, manslacht, ruob. Feudel, Evangelistar 58, 14 (omd., M. 14. Jh.): Barrabas, der [...] indem strite begangen hatte manslecht. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 10, 20 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): Auß dem herczen geen herfur poße gedancken, manslecht eebrecherey, unkewsch, stelerey. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 292, 8 (Straßb. 1466): ob er [diebe] ditz thuto so der sunn wirt ge-

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born. er hat begangen ein manschlachte [Dietenberger 1534, 2. Mose 22, 3: todtschlach; Luther 1545, Mt. 15, 19: Mord]: und er selb sterbe. Dirr, Münchner Stadtr. 283, 1 (moobd., 1310/2): Swer angesprochen wirt umb ein manslaht oder umb ein grozziu ungetat, diu bei der naht geschehen ist. Winter, Nöst. Weist. 1, 463, 4 (moobd., M. 15. Jh.): Ob zwen auf der gassen mit einander slaghaft wurden und ainer den andern vom leben zum tod brächt, derselb der di manschlacht gethan hat fluch in aines erbern mann haus [...]. Siegel u. a., Salzb. Taid. 281, 7 (smoobd., 1497, Hs. 17./18. Jh.): es hat ein ieder pfleger zu Vischorn freiung zu geben umb mannschlaht, die mit redlicher that beschicht. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 104, 21 (tir., 1464): die sünnde der vnlauterchait. Von der selbigen schnöden sünnd chümt manschlacht, trunkchenhait, frasshait, neid, misshandlung, chrieg. v. Maren, Marquard. Ausgabe 62, 13 (Venedig 1483): paulus spricht das dy werck des flÁisches das sein vnkewsch vnreynigkeit veintschaft krieg manslacht trÈnckenhÁit. − Helm, H. v. Hesler. Nicod. 1293; ders., H. v. Hesler. Apok. 4282; 4763; Reissenberger, Väterb. 6954; Gille u. a., M. Beheim 180, 2; Sachs 4, 43, 24; Chron. N¸rnb. 2, 165, 7; Leidinger, V. Arnpeck 489, 37; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 235, 7; Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 238, 18; Piirainen, Stadtr. Sillein 46b, 2; Rwb 9, 159; Schweiz. Id. 9, 28.

2. ›Tötung, Gemetzel im Zusammenhang mit Aufruhr, Krieg, Verfolgung; Umkommen von Menschen infolge natürlicher Katastrophen (hunger)‹; vgl. 1man (der) 1−4. − Oft berichtende Texte. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): aufrur 1; 2, blutbad, brand 1, deubheit, gesträusse 1, gewurge, hunger, mord, raub, räuberei, übel, unrat, urlaug, verwüstung. − Synt.: m. werben; m. (Subj.) von etw. (z. B. von feindschaft) kommen, wo (z. B. in der stat) sein; m. in den reichstätten, der Christen (gen. objectivus); übel mit m. Palm, Veter Buoch 50, 4 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): Ich kume von deme lande, da habe ich geworbin vrlouge vnd manslacht gar vil. Sachs 1, 321, 9 (Nürnb. 1537): In der stat war noch jamers mehr, 兩 Auffrur, manschacht, rauberey herb. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 1, 378, 3 (halem., 1508/16): Es beschach insunders grosser schad mit mord, brand und manschlacht in den richsteten. Leidinger, A. v. Regensb. 611, 2 (oobd., um 1430): do er [kayser karel] in grossem layde was von der manslacht wegen der Kristen. Panzer, Merlin Füetrers 157, v auf in vil hertigk5 (moobd., 1473/8): nw hergt ein kunig leich 兩 mit grosser manslacht, rawb vnnd auch mit prande. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 159, 11 (moobd., 1478/ 81): daraus erstuend grosser unrat, aufruer und wüestung paider handt in Bairen und Swaben mit prant, raub und jämerlicher manslacht. − Dierauer, Chron. Zürich 83, 14; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 86, 25; Rwb 9, 160; Schw‰b. Wb. 4, 1455.

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manschlächte − manschlächtig

3. ›Schlacht, militärische Auseinandersetzung‹; zu 1man (der) 4. − Bdv.: vgl. anstos 11, bataille, gefecht, kampf, krieg, sturm. Chron. Kˆln 3, 645, 18 99): daevan ein grois strit ind manslacht quam. Chron. Augsb. 3, 48, 18 (schwäb., E. 15. Jh.): Do man zalt nach Cristi gepurt 1400 jar acht tag nach liechtmeß geschach die manschlacht vor Wirtzpurg, der waren namhaftiger mann zwei tausent und fünfhundert man. Ebd. 59, 1: Ain manschlacht geschach des jars zwischen den Frantzosen und den Englischen. Turmair 4, 350, 29 (moobd., 1522/33): der maˆn bedeutet den Persiern gros manschlacht und pluetvergiessen. − Schweiz. Id. 9, 28.

4. ›mit der Tötung eines Menschen in Vergleich gesetzte feindselige Haltung, Schädigung, Tötung der Seele, Antastung der Ehre e. P.‹; als Ütr. an 1 anschließbar; vgl. 1man (der) 1. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 8934 (rib., 1444): Manslacht mit rechte˜ namen 兩 Is sij [sege ›Säge‹] genant ind Mort zo samen 兩 Sij is de meyet ind snijdet aff 兩 De sele, de dem mynschen dat leven gaff. Barack, Teufels Netz 372 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Wer gen sinem ebengenosen 兩 Sich des lat überbosen, 兩 Das er nid und hasz in sinem herzen lat stan, 兩 Der hat an im ain manslacht getan. Ebd. 1986: Wer aim sin er tuot absagen 兩 Der hat in sicherlich erslagen: 兩 Vor got hat er ain manslacht getan.

manschlächte, der. ›Totschläger‹; auch: ›j., der sich jm. gegenüber feindselig verhält‹; vgl. 1man (der) 1−3. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: manschlacht (der), manschlachter, mörder, totschläger. Palm, Veter Buoch 4, 15 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): Slach sie nich. Du salt (nicht) manslechte heizen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 130, 14 (Straßb. 1466): Der manschlecht [Var. 14752−1518: manschlechter ; Luther 1545, 4. Mose 35, 30: Todschleger] der werd gepeiniget vnder den gezeu´gen. Ebd. 320, 11: Denn ker wider der manschlecht [Luther 1545, Jos. 20, 6: Todschleger] vnd gee in die stat vnd in sein haus. Lindqvist, K. v. Helmsd. 3392 (halem., o v hass an recht, 兩 Das der fu´r Hs. um 1435): Wer sin bruder war ist ain manschlecht 兩 Und ist gefallen in den tod. BaptistHlawatsch, U. v. Pottenst. 647 (moobd., A. 15. Jh.): Er [tewfel] ist ain manslächt gewesen von dem aneuang vnd ist in der warhait nicht gestanden. Dies. 673: Daz die schrifft paz gelaw¨tert werd, ,der was ain manslächt von dem anuang‘ [Mentel 1466−14751 : manschleg; Krumpach 1522: todtschlager ; Luther 1545, Joh. 8, 44: mörder]. − Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 129, 15.

manschlachter, Gw auch mit Umlaut(schreibung): -schlächter, -e-; der ; −/-π.

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›Vernichter, Zerstörer; Totschläger; Mörder‹; im Beleg v. Maren Differenzierung zwischen manschlachter und (verbrecherischerem) mörder ; vgl. 1man (der) 1−3. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: ausreuter, manschlächte, manschlachtiger, mörder, totschläger, verderber, verherer, zum Orientierungsfeld s. manschlacht, der. Ziesemer, Proph. Cranc Jer. 22, 7 (preuß., M. 14. Jh.): ich [herre] wil heiligen uf dir den manslachter [Wormser Proph. 1527 / Dietenberger 1534: verheerer o. ä.; Froschauer 1530: außreüter ; Eck 1537: manschlÁchtiger ; Luther 1545: Verderber] und sine wapen. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 9697 (omd., 1338): der manslechter, der sich let 兩 Nach blute dursten und irslet 兩 Den durftigen und den armen. Gille u. a., M. Beheim 235, 90 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Es ist ein checzerlich geverd, 兩 [...]. 兩 Wer auch des hat gelauben, 兩 das man mit haissen wasser und 兩 haiss eisen schuldig leüt erfund 兩 und auch mach den manslachter chund 兩 mit anrurn des erslagen. Reichert, Gesamtausl. Messe 2, 27 (Nürnb. um 1480): wenn ein mensch wer ein manschlechter oder an eines andernn menschen tode schuldig wer, der mag nicht priester werden. Barack, Teufels Netz 13379 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Manslachter und unkünscher 兩 Land die segi nit ler. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 65, 19 (moobd., 1478/81): erzürnet er [Pippinus] ser über Dydonen, den manslachter, so, das er im aus dem landt darumb entrinnen muest. v. Maren, Marquard. Ausgabe 68, 17 (Venedig 1483): Wan wer einen Ëffenlich tËttet der ist ein manslachter Wer aber einen hÁimlichen tËttet der ist ein mËrder [...] so sÈndet einer mer der einen hÁimlichen tËttet dan Ëffenlichen. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 18, 18 (tir., 1464): We¨r seinen pruder hasset, der ist ain manschle¨chter. − Winter, Nöst. Weist. 2, 13, 17; Voc. Teut.-Lat. gg vjr; Rwb 9, 161.

manschlächtig, Adj., mehrfach subst. gebraucht. 1. ›der Tötung eines Menschen schuldig; des Mordes schuldig‹; zu manschlacht (die) 1. − Orientierungsfeld (substantivisch): dieb, ehebrecher, meineid, mörder, totschläger, -schläher, verflucher, verräter, wucherer. − Synt.: j. (vor got) m. sein, j. (ane willen, ane vorsaz, mit der tat, von krieges / zornes wegen) m. werden; der manschlächtige man / mörder ; subst.: die manschlächtigen töten / verderben, versameln; der manschlächtige (subst.) entrünnen, flüchtig werden, zu seinem lande keren. Wbg.: manschlächtigkeit. Kaeber u. a., Qu. Blankenb./Deutz 145, 20 (rib., 1386): of eynich manslijchtisch man vur geheisscht wurde seyss

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manschlächtigkeit − manschlag

wechen, [...], ind die da enbynnen nyet en erschene, den sall man verzellen. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 22, 7 (osächs., 1343): doˆ wart her irzcornet und sante sıˆne here: her vorterbite jene manslechtigen [Luther 1545: Mürder] und intzundete ire stat. Ebd. Joh. 8, 44: Ir sıˆt uˆz dem vatere o dem tuˆfele und uˆweres vateres begerunge wolt ir tun. Der was manslachtic [Luther 1545: Mörder] von beginne und stuˆnt nicht in der waˆrheit. v. Tscharner, Md. Marco Polo 18, 14 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Der manslechtik wirt, der hot keynen vryde. Chron. N¸rnb. 3, 143, 23 (nobd., 1488): da warent wider in die stat gesamelt alle mörder, manschlechtig, verreter, dieb, alle [...], die meinaid warent, [...], die do groß schuldig warent. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 130, 12 (Straßb. 1466): dornoch so er [bischof] abget der manschlechtig [Luther 1545, 4. Mose 35, 28: Todschleger] kert wider zuo seim land. Ebd. 10, 285, 10: Aber also vil ging aus feintschafft das auch durch etzliche nËttige freund symonis geschahen manschlechtikeit. v. Maren, Marquard. Ausgabe 68, 39 (Venedig 1483): wer einen menschen tottet [...] anders dan mit dem rechten [...] oder als ein furste der des gewalt hat vnd der sundet dar an vnd ist auch manslechtig vor dem almechtigen got. Gierach, Märterb. 260 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): Also Mag eyn menschen manslechtig werden mit der thÁt ane fursacz Vnnd ann willen. Mollay, Ofener Stadtr. 204, 3 (ung. inseldt., 1. H. 15. Jh.): Wen ey¨n Ofner Man slechtig wirt, was freitum ist ader hat Dy¨ ofner haben den frey¨tÈm, ap ir eyner, der da hat weip vnnd chint, eynen fremden man slechtig wurd von geschicht, Ader einen andern, Aber sÈst groß vbil teth, was den, der schade wer, den er zu rettung sey¨nes leibes het gethËn vnnd dar vmmb fluchtig worden wer. − Feudel, Evangelistar 128, 5; Palm, Veter Buoch 18, 5; Koller, Ref. Siegmunds 229, 15; Schmitt, Ordo rerum 291, 36; Voc. inc. teut. p vir; Schweiz. Id. 9, 45. − Vgl. ferner s. v. begeren 5.

2. ›der Tötung, des Mordes an einem Menschen vergleichbar schuldig‹; zu manschlacht (die) 4. Gille u. a., M. Beheim 177, 38 (nobd., 2. H. 15. Jh.): ein yder mensche 兩 Der hie ist wider spensche, 兩 mit has gegen sein pruder, der 兩 volpringet einen tot slag swer 兩 und ist ein mensch manslechtiger. Barack, Teufels Netz 1447 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Der sin næchsten het als sich selb lieb 兩 Der wær weder manslechtig noch ain dieb. Ebd. 5138: Si [abtissin, nunnen] muossend all in die helle min. 兩 Si mürdend und sin manslechtig 兩 Und sind lützel mer andechtig.

manschlächtigkeit, s. manschlächtig 1. manschlachtung, die. ›Tötung eines oder mehrerer Menschen; Gemetzel‹; vgl. 1man (der) 1−4. − Bdv.: vgl. ableibung 2, interemption, interfection, manschlacht (die) 2, mord, totschlag, ungetat. v. Tscharner, Md. Marco Polo 62, 23 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Do geschit ouch groz gerichte von manslachtunge und

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o von dube. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 5, 469, 18 (Straßb. 1466): vnd von fÈrhaltung der dreyer plag eine zuerkiesen. als einen sterben. oder ein durre zeit. oder ein manslachtung.

manschlag I, auch -schlage (-an-Stamm), -schläge (-jan-Stamm), -schlecke, -schläger, -schlegge (geminiert; zum Verhältnis -gg- zu -ck- vgl. Frnhd. Gr. § L 48, 2); der ; −/ -schlagen. ›Totschläger; Mörder‹; auch Bezug auf den Teufel; vgl. 1man (der) 1−4. − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: manschlächte, mörder ; Orientierungsfeld: verflucher, verräter, wucherer. − Synt.: den m. begreifen, erschlagen / verliesen, der handhaft gezeihen, mit urteil überwinden, zu dem tode verdammen; jm. einen man m. (doppelter Akk., ›als Todschläger‹) geben; der m. (Subj.) jn. erschlagen, in ein haus kommen, nicht in dreien teidingen vor kommen, die schuld mit dem tode büssen, der m. ein holde des gotteshauses sein; an dem m. etw. offenbar werden; der m. des künnes; der feind des manschlagen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 83, 14 (Straßb. 1466): Wann do es der ku´nig hett gebort er wart derzu´rnt: er sant sein her vnd verloß sein manslecken [Var. 14752−1518: ero schlug die manschlechter ; Hs. 16. Jh.: manschlechten; Luther 1545, Mt. 22, 7: Mürder]. Ebd. 2, 290, 20: Wann ir habt verlaugent des heiligen vnd des gerechten: vnd iescht eu´ch zegeben einen man man schleger [Var. TF, 14.−16. Jh.: manslecken; Luther 1545, Apg. 3, 14: Mörder]. Ebd. 7, 198, 5: Der manschleg [Var. 14752−1518: manschlÁchter ; Luther 1545, Hiob 24, 14: Mörder] stet auf an dem ersten morgen: vnd erschlecht den gebrestigen. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 198, 24 (schwäb., 14. Jh.): daz heizet gesündet in den nechsten; alse ez offenbar ist an dem diep und an dem mansleke. Gierach, Märterb. 12085 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): daz du [tiefel] wilt mich peswarn, 兩 dü manslekch menschen chünne? Rˆssler, Stadtr. Brünn 343, 6 / 12: Wirt aber der mansleg begriffen an der stat mit plutigem swert, mag daz der richter beweren selb siwenter erwerger leut [...]. Hat aber der richter der czeugen nicht, so bewer er iz selb funft [...], also daz under den czeugen chainer dez manslagen veint sei. Ebd. 343, 14 f.: Ist aber daz der vorgenant manslag in den drin taidigen nicht vur chumt [...], so schol in der richter echten lazzen und bescreiben [...]. Hat der manslag aber nicht weib noch chinder, so schol man das selb drit tail seins guetes geben czu den chirchen [...]. Und wen ein manslag weschriben wiert, der schol in iars vrist von stat nicht vur chomen. − Rwb 9, 163; Schweiz. Id. 9, 273.

manschlag II, der ; −/-schläge, auch -π. ›Tötung eines Menschen; Mord; Gemetzel (innerhalb einer Hungersnot)‹; vgl.

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manschläge − mansgeschlecht

1 man (der) 1−4. − Bdv. bzw. Orientierungsfeld: ableibung, diebheit, influs, manschlacht (die) 1; 2, manschlachtung, notdurft, ungetat, unkeusche, zaubernis.

Helm, H. v. Hesler. Apok. 5798 (nrddt., 14. Jh.): Sint Got ein obez so ture wac, 兩 Daz minner ist vil dan manslac 兩 Oder ein ander houbet mein, 兩 Wie sal dan unser ichein 兩 An der sele genesen dort. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 494, 5 o (Straßb. 1466): die do [...] machten nit buß von iren manschlegen [Froschauer 1530: mËrderey; Luther 1545, Offb. 9, 21: Mörde] noch von iren zaubernissen noch von iren gemein vnkeuschen: noch von iren diebheiten. Klein, Oswald 27, 87 (oobd., 1420/21): den [zorn] wir [...] rächlich sehen 兩 [...] [...] zu Behem auf der mitte, 兩 mit inflüss, mansleg, sterben gan 兩 und durch gelouben ketzerlicher sitte. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 174, 31 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Die geistleichen lew¨t understunden den manslag und taidingten zwischen dem povel und den burgeren. Winter, Nöst. Weist. 1, 448, 23 (moobd., 17. Jh.): Item, manschlag 32 웩 ∏. Ebd. 2, 744, 6 (1641): derselbe ambtman soll alle sachen, [...] richten, doch dreierlei sachen außgenohmen: mannschlag notturft und diebhait.

manschläge, manschlägecht, manschlägig, Adj. ›des Totschlages, eines Gemetzels als Haltungen schuldig, die mit der Tötung eines Menschen vergleichbar sind‹; zu 1man (der) 1−4, manschlacht (die) 4, manschlächtig 2. Rieder, St. Georg. Pred. 2, 24 (Hs. 2önalem., 13879): swer sin eben cristen hasset, der ist manschleg. Chron. Strassb. 1, 269, 14 (els., A. 15. Jh.): Hiemitte det Davit drige houbetsünden: er wolte han gemaht einen unrechten erben, und brach sine e, und wart manslegig. Ebd. 2, 556, 12: do sprochent vil lütes: dis were ein manslegiger babest und ein blutvergiesser.

manschlagecht, manschlägig, s. manschläge. manschlecke, die. ›Todschlag‹. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 200, 12 (schwäb., 14. Jh.): zuo einem gesteltnüsse der mansleke behörent, daz man wirget oder versteinet oder stichet. − Rwb 9, 163 s. v. Mannschlägge.

manschuh, der ; −/auch -n. ›Männerschuh (steht auch zeichenhaft für ‚Größe, Bedeutung‘)‹; vgl. 1man (der) 2; 3. Loesch, Kölner Zunfturk. 4, 413, 13 (rib., 1483): ein par mansschoin mit drin stucken mit einem rinken up deme voisse. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 151, 7 (nwböhm.,

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1575): dem Rüdel 1 par man schug vnd weiber stieffel. gestoln heuer vor phingsten. Bremer, Voc. opt. 17146 (wschwäb., o o [...] manschuch [...] est calce15. Jh.): Coturnus metteschuch amentum grossum, quod fingitur esse signum tragedi; vnde et ipse tragedus dicitur quandoque coturnus, quia tragedi magnis et inflatis vtuntur verbis; dicitur eciam quandoque tumidus et superbus.

mansdaume, s, 1man (der) 2. mansdegen, s. 1man (der) 5. mansdenken, s. 1man (der) 1. manser, der ; lat. Flexion: −/-es; zu Wort und Sache vgl. Du Cange 5, 225 und 254, dort s. v. manze. ›unehelicher Sohn‹. − Vgl. bankriese, bankstichel, bastart 1; 2, beison, kebesson. Kˆbler, Ref. Wormbs 219, 14 (Worms 1499): Wo auch in disem vnsern gesetzen [...] geschriben ist von gesipten oder gewanten des geblüts. das soll nit verstanden werden von den kinden die Bastart spury manseres oder Nochy genant sind. M¸ller, Handel Paumgartner 39, 28 (schwäb., 1537): mit der Brechtigung, Notare zu ernennen, spurios, bastardos, manseres, nothos, adulterinos et incestuosos zu legitimieren.

manserbe, s. 1man (der) 1. mansfleisch, s. 1man (der) 5. mansfrevel, mansgadem, mansgeburt, s. 1man (der) 2. 1

mansgedächtnis, mansgedenken, s. man (der) 1. mansgemächt, s. 1man (der) 2. mansgericht, s. 1man (der) 8.

mansgeschlecht, das; meist phrasematisch gebraucht. ›männliches Geschlecht‹; zu 1man (der) 2, geschlecht (das) 5. − Phras.: (von) mans geschlecht ›männlichen Geschlechtes‹. − Wbg.: mansgeschlechte ›aus männlicher Linie‹. Welti, Stadtr. Bern 494, 27 (halem., 1458): vnd disen i hienach geschriben eyd mit den luten allenthalben, die von mannes geschlecht vber die viertzehen jar werend, zuo sweren. Rennefahrt, Statut. Saanen 152, 27 (halem., 1500): dann wir wellen ..., das si in unsern und unser erben mannßgeschlecht handen und herrschaft blyben. Merz, Urk. Wildegg 97, 9 (halem., 1530): ob beschech, das einer mans vnd stamens

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mansgeschlechte − mansmad

namen der Efinger on elich liperben mans geschlecht abgienge. − Koller, Reichsreg. Albr. II. 70, 24; 195, 18; Rwb 9, 134.

mansgeschlechte, s. mansgeschlecht. mansgestalt, mansgezeug, mansglied, mansglockenbeutel, mansgürtel, s. 1man (der) 2. manshand, die. ›Männerhand‹ als pars pro toto für ›Mann‹ in seiner jeweiligen Funktion; vgl. 1 man (der) 2; 3, hand 3. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 341, 16 (rib., 1426): aller gueder kurmodige ind zynss gueder sullen staen aen twen handen, dat ys mansshand ›in der Verpflichtung des Mannes‹ ind vrawenhant. [...] Item wanne die manshant styrft, vervelt den here 1 kurmode. Henisch 184 (Augsb. 1616): Mannshand / bindet den band. − Rwb 9, 136.

mansharn, s. 1man (der) 2. mansherz, s. 1man (der) 3. manshirn, s. 1man (der) 2. manshube, s. 1man (der) 8. mansion, die; aus lat. ma¯nsio ›das Bleiben‹ (Georges 2, 800). 1. ›Verbleib, Wohnen, Aufenthalt‹. − Bdv.: vgl. aufbehalt, aufenthalt 3, auflas 2, behaltnis 7, 1gewist 2, herberge 2, station 1. Rot 327 (Augsb. 1571): Mansion, Bleybung / wonung / das bleyben an eim ort.

2. ›bleibende Folge‹ von etw. (lat. Flexion). Sudhoff, Paracelsus 6, 406, 28 (1528): dan nicht allein der himel sein motiones gibt, sonder auch ein ietlichs drank mansiones hat nach art der krankheit, daraus sie ist.

manskraft, die; Bw auch man-. ›Allmacht, Wirkungsmacht, Schöpferkraft Gottes; Mut, Tatkraft, Gestaltungskraft des Mannes‹; vgl. 1man (der) 3 oder man als Kontraktion von magen-. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: vgl. gewalt (der) 1, macht 1, magenkraft, stärke 4; 5. − Wbg.: manskräfte (Adj.). Helm, H. v. Hesler. Apok. 521 (nrddt., 14. Jh.): Er sich irhube der begin 兩 Aller sachen, do waz nicht 兩 Mer wenne ot daz einic icht: 兩 Got an siner mankraft, 兩 Der alle dinc hat geschaft. Dubizmay, kurß zu Teutze 8, 2 (hess., 1463): HEre vnser here wie wunderlich [...] Wann die große manß-

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krafft ist erhoben vber dye hy¨mel. Henschel u. a., Heidin 221 (nobd., um 1300): Gib minem h’zen mannes kraft 兩 Vnd minem libe gantze ritt’schaft. Thiele, Minner. II, 14, 149 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): Dar nach so komen viertzig jar, 兩 das du gewinnst maneskrafft; 兩 die zit solt du sin we¨ro hafft, 兩 reht als der edel su´mer fruto 兩 fruchtig sÁmen peren tut. Ebd. 24, 18 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): da was o o mit stoltzer mannes craft 兩 durch stoltze ritterschaft, 兩 die ducke o ere waeghden lyp und gut. Sch¸lke, Geistl. Gemahelsch. 1989 (moobd., Hs. 15. Jh.): Der waz Pharo genant, 兩 der nach czaichen slegen ward 兩 mit manneschrefter hervart.

manskräfte, s. manskraft. 1

manskünne, manslaube, manslauf, s. man (der) 2. mansleben, s. 1man (der) 1. mansleib, s. 1man (der) 2.

mansmad, das; -mades/-en oder mäder ; Bw auch man-, Gw teils auf matte bezogen. ›nach der Mähleistung pro Mann und Tag (laut Schweiz. Id. 4, 74), auch nach dem Mähertrag bemessenes Wiesen- oder Feldgrundstück‹; zu 1man (der) 2, mad 2. − Wmd. / wobd.; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: vgl. mangrab, manwerk 1. − Wbg.: mansmadwiese. Koller, Reichsreg. Albr. II. 228, 14 (1438/9): funfundreissig mansmatten gelegen obewendig der stat zu Hagenow. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 2, 493 (mosfrk., 2. H. 13. Jh.): endlich prata ad carr. feni oder noch sinnlicher 5 mansmaitwiesen. Roder, Stadtr. Villingen 107, 22 (önalem., 1500): das der selbig [...] von iegklicher manmad embdwisa alle jar zu bannen geben sol zwen pfenning. Ders., Hugs Vill. Chron. 66, 24 (önalem., 1517): es gabend offt trig oder fier manmat wissen, guto emdwissen, nit 2 karen hew. v Welti, Stadtr. Bern 577, 34 (halem., 1438): ze Loppen hat ein vogt einen garten, einen vierteil eins mans mades. Maaler 253v (Zürich 1561): Mannsmaad (die) Ein weyte matten so vil ein mÁder eins tags gemÁyen mag / Mannwerck. Rennefahrt, Gebiet Bern 822, 13 (halem., 1603): jeder sölle järlich [...] von jedem mansmat [...], zwen bz, [...] entrichten. Ders., Statut. Saanen 269, 6 (halem., 1641− 47): abgeraten, das man nun fürthin in gemeinen zälgen uf einen acher oder uf ein mansmad zwo küe besetzen. Zingerle, Inventare 55, 1, 7 (tir., 1495): Vnnd zinst von ainem manmad wisen ennhalb der Etsch auf den spaten wisen xviii kr. − Lamprecht, a. a. O. 345, 3; Leisi, Thurg. UB 5, 267, 12; 617, 31; Rennefahrt, Recht Laupen 182, 28; Maag u. a., Habsb. Urbar 2, 2, S. 305; Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 809, 28; Rwb 9, 147; Pf‰lz. Wb. 4, 1167 f.; Schw‰b. Wb. 4, 1452.

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mansmadwiese − mansrute

mansmadwiese, s. mansmad. mansmut, s. 1man (der) 3. mansname, der ; -n/-n. 1. ›Person männlichen Geschlechts; männliche Linie einer Familie‹; auch auf kind 1, knabe 1 bezogen; zu 1man (der) 1. − Bdv.: mansperson 1; 2, stammesname. Ggs.: frauenbild, frauenname, weibesname. − Synt.: auf m. erben; über m. gebieten, von m. in leib ›im Leben‹ sein, alles von m. erstechen; die erben m. (nachgestellt attributivisch gebraucht); die enthaltung des mansnamen. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 388, 42 (halem., 1508/16): habend ettlich frowenbild, desglich vil kinder erstochen und den Kindern, so mansnamen sind, ire gemecht usgehowen. Merz, Urk. Wildegg 97, 8 (halem., 1530): ob beschech, das einer mans vnd stamens namen der Efinger on elich liperben mans geschlecht abgienge vnd des anderen kind oder kindskind mans namen lebtent vnd vorhanden werend von elichem namen vnd stamen Efinger, das dan semlich des abgangnen guto sËlle fallen an des anderen kind oder kindskind, so von mans namen in lip vnd lÁben werend. Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 290, 29 (moobd., 1397): des vorgenanten Hanns Rudolf eltister erb mansnamen. − Merz, a. a. O. 99, 17; Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 264, 27; Rwb 9, 149.

2. ›Mann, männliche Person im Erwachsenenalter (im Unterschied zu frauen-, weibesnamen)‹; zu 1man (der) 2. − Phras.: mannesnamen haben ›ein Mann sein‹. − Bdv.: vgl. mansbild 2, mansperson 2. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 22250 (preuß., um 1330/40): unz toˆt daˆ liggin blibin 兩 dıˆ mannesnamen allentsam. Quint, Eckharts Trakt. 114, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): daz meinet, daz die vrouwen daz houbet bedecket haˆnt und die mannesnamen bloˆz. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 5871 (omd., 1338): Eyn wyser mannes nam von kunst 兩 Nicht mit keines zornes dunst 兩 Sol ir vullen synen magen. Thiele, Chron. Stolle 500, 2 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): Dar noch gingk der erbar rathe unnd alle mannes namen, als wid als dy stat was. V. Anshelm. Berner Chron. 1, 187, 30 (halem., n. 1529): so sollend uf allen kilchwihinen [...], alle die, so von mansnammen die wellend o o das tun mit aller zucht. Roder, Stadtr. Villingen besuchen, 70, 16 (önalem., 1371): Als bisher grosse irung und unfru´ntschafft von frowen und mannsnamen, [...], ufferstanden ist. Enders, Eberlin 1, 135, 10 (Basel 1521): aber zuo in soll kein mans namm in das kloster gon. Chron. Augsb. 1, 76, 8 (schwäb., zu 1384): do giengen alle die manns namen hetten fur die stat. Barack, Zim. Chron. 4, 223, 3 (schwäb., M. 16. Jh.): Ich gib mich sonst gefangen 兩 Uf gnad,

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on alle wer, 兩 Das ich mich on zweifel seer 兩 Gegen mannsnammen wolt schemen. − Karsten, a. a. O. 7648; Chron. N¸rnb. 2, 14, Anh. 4.

manspaternoster, s. 1man (der) 2. mansperson, die; −/-en. 1., s. 1man (der) 1. 2. ›Mann, erwachsene Person männlichen Geschlechts (im Unterschied zu weibsperson)‹; zu 1man (der) 2. − Bdv.: vgl. mansname 2. Ggs.: weibsperson. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 93, 9 (omd., um 1559): solcher aydt [zum vormessen] sol durch mundige mannespersonen gescheen. Kˆbler, Stattr. Fryburg 153, 11 (Basel 1520): Welche personen ein testament darin sy erben setzen / machen o minsten achtzewËllen / Jst es ein manßperson / so sol er zum hen jar alt sin. Sachs 6, 212, 28 (Nürnb. 1558): So solt du erwürgen darinnen 兩 Alles, was ist von manns-personen. Vetter, Pred. Taulers 165, 12 (els., 1359): so enmag das o denne mannes personen. amt [des priesters] nieman tun Chron. Augsb. 8, Anm. 2 (schwäb., zu 1563): Als auch under den haußarmen, [...], vil manspersonen verhanden, so gern arbaiten, hat ain ersamer rath verordnung gethon, daß soliche personen vor andern zu gemainer stattgebeu gefurdert werden sollen. Memminger Chron. Beschr. 18, 14 (Ulm 1660): daß [...] auch gewachsene / theils haußhÁbige Mannspersonen sich solche [Music] zu lernen befleissigen. Siegel u. a., Salzb. Taid. 134, 10 (smoobd., 17. Jh.): das hin und wider [...] allerlei verdechtig und unerbore sowol mans- als weibspersonen [...] dem müessiggang und faulenzen abworten. − Kˆbler, Ref. Nürnberg 270, 10; Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 465, 21; Rwb 9, 149; Pf‰lz. Wb. 4, 1170. − Vgl. ferner s. v. abstricken 2, aufhalten 9.

mansrame, s. 1man (der) 13. mansrok, der ; −/-π sowie -rock(e). ›eine Art Überwurf, Mantel für Männer (im Unterschied zum frauenrok)‹; zu 1man (der) 2. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 53, 10 (preuß., 1388): Schroter von eynem slechten mannesrogke 1 scot. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 131, 12 (nwböhm., 1574): Der Ander diebstall er [...] 2. Mans Rock 1 Puchsen gestolen. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 193, 6 (nobd., 1483): so sollen sie auch alle quatember [....] ye ein ganz groes kemlinstuche kaufen, das schern, daraus ye uf ein goltvasten fünf mannesrocke [...] und die [...] hawsarmen lewten [...] ausgeben umb gotes willen. − Ska´ la, Egerer Urgichtenb., a. a. O. 208, 1; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 199; Pf‰lz. Wb. 4, 1170.

mansrute, die; -n/−. ›Penis‹; zu 1man (der) 2. − Bdv.: vgl. adamsrute, arschwurzel, 1gemächt 1, gerte 4, glänker, kerze 3, penal, penitenzer, stange h, stecke 1.

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manssame − mantag

Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 56, 3 (Frankf. 1535): So mann nimpt ein kËrnlin von seinem [Adamus] stücklin / vnd das gelüwet würt an die spitzen des eisens mit rËmer leim / o vnd dann gelassen in die blaß durch das loch der mansruten / so bricht er den steyn. Ebd. 152, 10: Wider das schweren der o mans ruten sol mann es temperieren mit roßËle / vnd damit bestreichen. Sachs 21, 315, 4 (Nürnb. 15 44): Eim grossen fisch, der sein mansruet 兩 Im in der laich verschneiden thuet. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 248, 3 (oobd., 1349/50): in der unkäusch wirt er beraubt der kraft fürpaz meˆr ze unkäuschen, alsoˆ daz sein mansruot aˆn nutz wirt.

manssame, s. 1man (der) 5. mansschwester, s. 1man (der) 9. mansspanne, s. 1man (der) 13. mansstam, mansstammenrecht, s. 1 man (der) 9. manstafel, s. mane (der) 1. manstand, manstaphart, s. 1man (der) 2. mansteuer, s. 1man (der) 6. mans兩treu, Genus unklar. ›Bezeichnung mehrerer Pflanzen‹ (vgl. Marzell 5, 344 s. v. Männertreue, speziell 2, 306 f. s. v. Eryngium). Luther, WA 48, 702, 25 (o. J.): Creutziger tunc vocabat manstrew. Est herba, quae non patitur se tangi manibus. Alberus DD ivr (Frankf. 1540): erynge, iringis, [...], eberwurtz, Wallendistel, brachendistel, radendistel, distelkopf, iringel, manßtreu. Maaler 253v (Zürich 1561): Mannstreüw / ein wolgeschmackt dornkraut.

mans兩treue, s. man (der) 5. manstudel, s. 1man (der) 13. manstunde, s. mane (der) 2. mansüchtig, s. mane (der) 1. mansvolk, s. 1man (der) 2. manswätschger, s. 1man (der) 2. manwendig, s. mane (der) 1. manszeichen, s. 1man (der) 2. manszeit, s. 1man (der) 1. manszeug, s. 1man (der) 2. manszucht, die. ›hohe Sittlichkeit; körperliche Übung; Disziplin; ordnungsgemäßes Verhalten‹; vgl. 1man (der) 3. − Bdv.: vgl. manheit 6.

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Ggs.: vgl. abenteuer 8, laster 1. − Synt.: die m. erhalten / meren / stärken; etw. als eine m. geschehen lassen; m. mit frauenzucht gemeistert sein; in m. bleiben; die gute / böse m.; bestrafung von manszuchten wegen. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 29, 10 (Hs. 2omd., 14659): das kein manneszucht mag wesen, sie sei dann mit frauenzucht gemeistert. Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 845, 17 (halem., 1587): So vil das kugelnwÁrffen, ballen und kuglenschlahen, ouch plattenschiessen belangt, lassend wir als ein mannszucht und lybsÈbung sËllichs geschÁhen. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 188, 26 (moobd., 1524): Damit beliben die burgerschafft in guetter straff manzucht und gehorsam. Winter, Nöst. Weist. 1, 906, 41 (moobd., 1650): damit [...] die mannszucht und mannschaft gemert, gesterkt und alle sachen in wesentlichem wandel erhalten werden. − Brunner, a. a. O. 236, 21; Rwb 9, 172.

manszug, s. 1man (der) 4. 1

man兩tag, der ; -s/−; Bw teils umgelautet: män-. ›Montag‹, hohe Funktion als Gerichts-, Markt-, Zinstag. − Phras.: der geschworene / gute / brehende / stolze / hübsche mantag (differenzierte Information und reiche Belegung im Rwb 9, 852 f.). − Bdv.: vgl. bauernfasnacht, geilmontag, gutemtag o. ä., pfingstgutentag. − Synt.: an dem m. gericht tun, jm. messe sprechen, etw. arbeiten, etw. geschehen (dies oft formelhaft: geschehen am m.); am m. frühe, des morgens, vor unser frauen tag, nach St. Ulrichs tag; der nächste m., des mantags nach Allerheiligen. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 27211 (preuß., um 1330/40): An dem maˆntage diz geschach, 兩 als man dıˆ cruˆzen tragen sach. Beckers, Bauernpr. 51, 1 (Köln 1515/18): Gefelt he [kerstach] vp den maendach / soe wyrt eyn gemeyngder wynter. Struck, Cist. Marienst. 1046/2 (mosfrk., 1454/8): 3. sabbato post gesworen maindach. Feudel, Evangelistar 21, 3 (omd., M. 14. Jh.): An dem montage dor noch schribit sente Matheus: [...]. Ermisch, Freib. Stadtr. 199, 8 (osächs., 1335): In Vribere sal man dri stunt gerichte sitcen in der wochen: daz erste dinc an dem mantage. Gille u. a., M. Beheim 453, 3060 (nobd., 2. H. 15. Jh.): dez morgens an mantag fru 兩 solt der auffbruch beschehen. Bihlmeyer, Seuse 144, 8 (alem., 14. Jh.): und sËlte ime ein jar alle wuchen zwo messan sprechen, ein an dem mÁndag Requiem und ein an dem fritag. Rieder, St. Georg. Pred. 2, 4 (Hs. 2önalem., 13879): du solt den virtag nit [...] brechen als die kÁtzer, die an dem sunnentag gerner werchant denn an dem mÁntag. Hauber, UB Heiligkr. 1, 460, 30 (schwäb., 1368): an dem nachsten maentag vor sant Katherinen tag der hailigen jungfrowen. Chron. Augsb. 2, 347,

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mantag − mantel

42 (schwäb., Hs. 16. Jh.): geben am mäntag nächst nach dem heiligen ostertag anno rc. XVImo. − Chron. N¸rnb. 2, 16, 4; 172, 12; Chron. Augsb. 2, 377, 25; 383, 31; 5, 372, 31; Dirr, Münchner Stadtr. 54, 9; Schweiz. Id. 12, 922 f. (mit reicher Belegung, speziell für die Rolle des Tages im gesamten Sozialleben); Öst. Wb. 4, 292. 2

man兩tag, s. manen 4. man兩tag, s. 1man (der) 8. mäntag, s. 2mäne. mantagewerk, s. 1man (der) 2. manteil, s. 1man (der) 4. mantel, der ; -s/-π + Uml. 1. ›Mantel, mantelähnlicher, vom Kopf bis zum Fuß reichender Umhang als Bekleidungsstück für Männer und Frauen‹; Zuschnitt, Farbe und Tuchqualität des Mantels stehen zeichenhaft für Amt und Herrschaft, den sozialen Status des Mantelträgers, die geistliche Würde, das schützende wie das beschönigende Umhüllen, vereinzelt für Nichtigkeit; vielfach auch Belegung in rechtlichen Zusammenhängen (dazu umfangreich: Rwb 9, 172 ff.); teils steht die Zeichenhaftigkeit des mantels im Vordergrund vor der Nennfunktion von mantel; offen zu 2 und 3. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 6, 203 f. − Synt.: den / einen m. schneiden / anhenken / auflauchen / (an)tragen / ausschütteln / füttern / breiten / versetzen, einen m. von jm. empfangen / auf die achsel nemen, auf dem haupt tragen, in den Jordan werfen, um jn. schlagen, auf die erde spreiten (im wörtlichen Sinne; andere Bedeutung im Rwb 9, 117: den m. spreiten ›sich versöhnen‹), jm. den / einen m. bescheiden / geben / lassen / schaffen, vom leibe reissen; der m. (Subj.) bequem geschnitten, js. lon sein; eines mantels gelüsten; ane m. [wohin] gehen, jn. aus dem m. schätzen ›nach seinem Mantel beurteilen‹, in einem m. erscheinen, mit 1 mantel genug haben, jn. in den m. wickeln, unter js. m. mantel kriechen, von m. bekleidet werden, x ellen tuches zu einem m. haben; der m. mit einer kapuze, mit einem überschlag / zipfel, der m. von Leuven; der böse / einlitzige ›einnahtige‹ / grobe / köstliche / gül3

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dene / lange (mehrfach) / pfellene / scharlachene / zwiefache / rote / schwarze / weisse / indianische m., 2der arrische / brückische / leidische / mechelische m.9 jeweils mit Bezug auf die Städte Arras, Brügge, Leiden, Mechelen; die falten des mantels. Wbg.: mantelfaren eine Zauberei, mantelrok ›langer Amtsmantel (des Weibels)‹ (16. Jh.), mantelschlos eher ›Mantelspange‹ als volksetymologische Umdeutung von malschlos (s. d.), mantelspange, manteltuch (a. 1596). Ziesemer, Gr. Ämterb. 299, 20 (preuß., 1376): in der trappenie: 2 blo gewand und 20 elen. item 1 gro laken, [...], item 7 elen gro manteltuches. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 53, 17 (preuß., 1388): von eynem einliczegen mannes mantile 2 schillinge; ist her czwyvach 3 schillinge. Grosse, Schwabensp. 136a, 7 (Hs. 2nd./md., um 14109): der o o o richter noch de sschepene sulen huben noch hute, cappen noch o hantschuo noch mantel an traghen. / de mentele sulen se vf de o achsel bi dem nuchsel nemen. Luther, WA 1, 252, 5 (1518): Wer wunschruten, schatz beschwerung, cristallen sehen, manthel fahren, milchstelen ubet. Ebd. 10, 1, 1, 591, 3 (1522): die hexen, das sind die boßen teuffelshuren, die da e milch stelen, wetter machen, auff booeck und beßen reytten, auff mentel faren [...] unnd desgleychen. Alberus, Barf. 3, 10 (Wittenb., 1542): wie Franciscus einem alten Weib seinen mantel gab / vnd vmb solchs guten Wercks willen in hoffart fiel. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 251, 5 (rib., 2. H. 15. Jh.): ein joncfrouken mit einre roeder mantel gesneden van robien mit 7 perlen. Hertel, UB Magdeb. 3, 710, 30 (nd., 1503): die unzcuchtigen frawen sollen yre mentel uff den hewbten tragen ader ein zceichen haben, dorbey man sie kennen mËge. Froning, Alsf. Passionssp. 687 (ohess., 1501 ff.): Sathan, wylt bestan, 兩 ßo nym und hencke den mantel an 兩 und winge das duch um dyn heubt: 兩 die frawe der destu baß gleubet! Stambaugh, Milichius. Zaubert. 17, 31 (Frankf./M. 1563): Der Prophet Eliseus nam den mantel o Elie und schluge ihn inn den Jordan. Jahr, H. v. Mügeln 1018 (omd., Hs. 1463): was schone heißt, das was da gar: 兩 lib, adel, lust, freud ane zil. 兩 in ires [Natur in ihrer Schönheit] mantels falden vil 兩 tir, fische, mensche wonte da. Neumann, Rothe. Keuschh. 1735 (thür., 1. H. 15. Jh.): mentel unnd rock di beide 兩 sollen sin gesneten gar bequemlich (als Ehegebot). Ebd. 4958: leget danne der mensche sinen mantel abe, 兩 so mag her sine stimme widder gehabe. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 120, 7 (thür., 1474): auch alle wipliche cleydere, eß sint mentel addir rögke, alle kossen, bette unde lynlachin. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 5, 40 (osächs., 1343): deme der mit dir wil krıˆgen an dem gerichte und dıˆnen rok nemen, laˆ ime ouch den mantel. Ebd. 27, 28: si ummegaˆbin en mit eime gelin pfellilıˆn mantel. Voc. Teut.-Lat. l vr (Nürnb. 1482): Goltfel. brates bractea ide˜. od‘ furspang od‘ mantelspang. Mayer, Folz. Meisterl. 13, 147 (nobd., v. 1496): Jungfraw, preyt den mantel dein 兩 Über unß sunder, so wir hie ab

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mantel

keren! Franck, Decl. 334, 14 (Nürnb. 1531): der rock ist einem yeden nÁher / dann der mantel. Bihlmeyer, Seuse o 412, 3 (alem., 14. Jh.): Su´ tunt als der altvatter, den da glustet eines langen mantels (als Zeichen geistlicher Würde). Vetter, Pred. Taulers 77, 5 (els., E. 14. Jh.): und hant so schËne mentele und so rehten schËnen schin das do nu´t wieder enmag sin. Bremer, Voc. opt. 17055 (halem., 1328 f.): Pallium mantel [...] Pallium est vestimentum rotundum et sine manicis a collo descendens; et proprie est virorum. Et dicitur pallium quasi pellium a pellis, quia talis vestis olim fiebat de pellibus animalium [...]; vel dicitur (pallium quasi pellium) a pello/-lis/-ere, quia (talis vestitus exterior) depellit aeris temperiem. Ebd. 18024 (wobd. / oobd., 15. Jh.): Spinter [...] mantelschlos [...] furspang an ain mantel. Lindqvist, K. v. Helmsd. 2675 (halem., Hs. um 1435): Sich tugentlich hat beklait 兩 Mitt des wy¨ssen mantels wat 兩 Mitt dem ku´ng Herodes hat 兩 Jhesum beklaidet mitt spotte gar. Wiessner, Wittenw. Ring 6544 (ohalem., 1400/08): Wie schier der Troll einn mantel [hier: ›Tuch, Lappen‹?] vand 兩 Und wand in dreistund umb die hand. Welti, Stadtr. Bern 374, 3 (halem., 1470): daz nuo furwerthin dehein frow, [...], dehein ir cleider, rËcke, mentel oder anders lenger dann ein gemÈnde einer hand uff dem herde [›über der Erde‹] i Boner, Urk. Brugg 328, 8 (halem., tragen sullentt. i ein 1514): ein vßbereite bettstatt, item ein blawe schuben, schwarcz kurtzer mantel, zwen vnderröck. Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag 7, 26 (Zürich 1521): die alten mann / die man vß dem bart vnd mantel mËcht eren würdig schetzen. Rennefahrt, Wirtsch. Bern 588, 33 (halem., 1619): das keiner, [...], ohne mantel uff der gaßen, noch under den louben, [...], noch anderst wohin gahn. Rot 334 (Augsb. 1571): Pallium, Ein hosacken / ein langer mantel / Wirdt genommen / für den Bischoflichen Gewalt. Klein, Oswald 41, 45 (oobd., 1431/2): Von mandel, rock recht als ain tock ward ich beklait, 兩 durch füxs und märder. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 198, 17 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): an dem montag erschayn hertzog Maximilian inn ainem rottn, scharlachen manntl. Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 97, 14 (oobd., Hs. 1. H. 15. Jh.): Er ward ze Ach von dem cardinal gechrönet, wann der von Maincz het nicht zu den zeiten den mantel. Kummer, Erlauer Sp. 3, 310 (m/soobd., 1400/40): dein lon sol wesn 兩 ein rokch von vesn 兩 und zwo hosen zerissen 兩 und ein mantel, dez ist nindert ein pissen [›ein Nichts‹]. Piirainen, Stadtr. Sillein 52a, 21 (sslow. inseldt., 1378): ein byschof czu meideburch albrecht der enphinch seinen mantel vom babst Iohanne. − Ziesemer, a. a. O. 260, 21; Luther, WA 19, 612, 18; Luther, WA 47, 42, 18; 344, 35; Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 365, 29; Tiemann, E. v. NassauS. Kgn. Sibille 118, 18; 172, 19; Hertel, a. a. O. 3, 159, 19; ders., Hall. Schöffenb. 2, 148, 29; 397, 36; Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 162, 37; Chron. N¸rnb. 2, 13, 2, Anm. 3; 78, 29; Vetter, a. a. O. 203, 34; Chron. Augsb. 8, 239, 26; 240, 22; Bauer Geiler. Pred. 321, 2; Steinberger u. a., Urk. Hochst. Eichst. 391, 2; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 142; Zingerle, Inventare 188, 2, 12/38; Schweiz. Id. 6,

1830

832; 12, 306. − Vgl. ferner s. v. auflauchen 1, paternoster 2.

2. Funktion des Mantels im Sinne von ‚Deckmantel‘, ‚Tarnung‘, ‚Kniff, Trick, List‘, ‚Hülle‘, ‚Bemäntelung‘; teils offen zu 3. Thiele, Minner. II, 32, 492 (Hs. 2md./rhein., 1. V. 15. Jh.9): des bin ich [vrouwe Czwivel] gewes al doir die lant 兩 der mynnen [gen. explicativus] mantel woil bekant, 兩 want ich bedecken kan die mynne, 兩 das ich tzweier hertzen synne 兩 verstolentlich verborghen blive. Stambaugh, Milichius. Zaubert. 6, 29 (Frankf./M. 1563): [Schrifften] inn welchen die Werck der finsterniß mit ihren Farben abgemahlet / unnd der Mantel [›Tarnung‹] / darmit sie sich bedecken / inen fein abgezogen wird. M. Cunitia. Ur. Prop. 154, 21 (Öls 1650): daß niemand veranlaßt werde / solch meine frey gebohrne [...] geburt [...] unter einem Lateinischen Mantel verhÈllet / verfÁlscht / und zerrÈttet [werde]. Trunz, Meyfart. Tub. Nov. 23, 2 (Coburg 1626): O du Gottloser / du hast vnter dem Mantel [›Deckmantel, Schein‹] der Heiligkeit / deine Heucheley verborgen. Bihlmeyer, Seuse 456, 11 (alem., 14. Jh.): Min kint, ich rede zwu´schen mir und dir alleine: lass ellu´ valschen mentellu´! [›Falschheit‹]. Lindqvist, K. v. Helmsd. 1004 (halem., Hs. um 1435): Den sy¨ [mertzler] mitt falsches mantels frist 兩 Bedachtend in dem tempel her (poetisch). Ebd. 1013: Mitt sËllichen mÁntellin o [›Kniff‹] verdakt 兩 Ward do ir [mertzler] wucher ungeschlacht. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 8, 25 (Straßb. 1650): wann man aber den Mantel [›Hülle‹] hienweg thut vnd das Hertz ansiehet, so ist es anderst. Turmair 4, 808, 19 (moobd., 1522/33): Die andern [...] wolten aber nun andern leuten das ir abgeilen und ir faulkait also ein mantl [›Tarnung‹] anlegen.

3. phras., an 1 und 2 anschließbar: e. S. ein mäntelchen umhängen ›etw. schönfärben‹; den mantel drüber decken / werfen o. ä. ›etw. großzügig, verzeihend übergehen‹; den mantel nach dem wetter keren / nach dem winde hinwenden / zu beiden seiten henken o. ä.; jm. einen langen mantel anhängen ›jn. in Sicherheit wiegen‹; den mantel am hals haben ein Zeichen der Zinsunfähigkeit und des Absinkens in die Unfreiheit; den mantel zum rok faren lassen o. ä. ›alles Unwesentliche fahren lassen‹; jm. einen mantel um das haupt winden ›jn. für dumm verkaufen‹; jm. bleibt der mantel ›jm. bleibt der (billigere) Rest‹; jm. schlottert das mäntelein; jm. an das mäntellein greifen ›jm. zu nahe treten‹; etw. an seinen mantel henken (bdv.: sich etw. zueigen); jn. beim mantel halten ›jn. in der Verpflichtung halten, ihn festnageln‹; mit einem alten mantel beholfen sein

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mantelfaren − mänteln

wollen ›über den Schaden des Anderen hinaus noch Vorteile aus etw. ziehen wollen‹; alle gassen mit einem mantel keren ›großtuerisch auftreten‹; das füslein unter den mantel ziehen ›sich gedeckt halten‹ (vor dem satan). Luther, WA 6, 40, 35 (1520): Drumb wer das seyne widder fodert und den mantell nit nach dem rock auch faren lessit, der widder steht seyner eygen reynigkeyt und hoffnung zur ewigen selickeit. Ebd. 10, 1, 1, 14 (1522): das man gott liebe auß gantzem hertzen, das man den mantell tzum rock faren lassen. Ebd. 10, 3, 201, 14 (1522): das kunden wyr yhm wol tzu gutt hallten und wol den mantel und kappen darÈber werffen. Ebd. 33, 510, 16 (1531): Er decket den manttel druber und saget: Hastu gesundiget, so vergebe ich dir die sunde. Ebd. 39, 1, 522, 2 (1538): du must das fußlein mit vntter den mannttel ziehen, sonst hastu kein friedt. Ebd. 41, 666, 24 (1536): Tecke deinen mantel gratiae druber. Quint, Eckharts Pred. 1, 91, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): soˆ tuost duˆ niht anders dan ob duˆ got næmest und wündest im einen mantel umbe daz houbet und stiezest in under einen bank. Grimm, Weisth. 1, 637, 22 (mfrk., 1537): der mag trei tag u. sechs wochen sein gut im lenzen brauchen, in solcher massen dass er kein fewer zu scheren soll, sein stab fur die thür stellen, den mantel am hals halten [...]. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 97, 14 (Frankf. 1563): wenn dich ein schalck beim mantel helt, / Auff daß du sein werdst abgesellt, 兩 [...] Soltu den zipffel flucks abschneiden. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 392b, 20 (Frankf./M. 1649): eben solcher Gestalt kËnne˜ sie [MenschenFeinde] solcher jhre Besagung durch ertichtete angenommene Heyligkeit ein MÁntelgen vmbhange˜. Opel, Spittendorf 84, 17 (osächs., um 1480): sie wolten auch noch darzu mit einem alten mantel behulfen sein. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 621, 11 (nobd., ): Nu so er [Luther] das fewr hat angezyndet, 兩 Wäscht er mit Pilato die hend, 兩 Den mantel nach dem wind hinwendt. Thiele, Minner. II, 13, 350 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/ 909): dannck hab der edelfalck, 兩 der sinen mantel kann zubeyden syten henckenn, 兩 Da im die wind her wehenn 兩 gar scharpff und auch unlind. Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr. 6, 69, 13 (Straßb. 1520): das er [got] offt ir schuld mit eignem mantel bedeckt hat / angesicht menschlicher blËdikeit. Wickram 4, 10, 21 (Straßb. 1556): hab ich mich zÈ forderst entschuldigen wËllen / wo dir villeicht allemal dises bÈchlin an das mÁntelin würde greiffen. Maaler 283v (Zürich 1561): Den Mantel hencken wo der wind dahÁr wÁyet. Prou. Ad nutum aliquorm˜ circumferri. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 72, 11 ([Augsb.] 1548): Den Mantel nach dem Winde hangen. Barack, Zim. Chron. 1, 529, 22 (schwäb., M. 16. Jh.): der war hiemit (wie man dann gemainlich spücht, das dem schuldigen das mentele schlottere) ganz confus. Niewˆhner, Teichner 365, 53 (Hs. 2moobd., 1360/709): wen der veint wil schenden 兩 dem haecht er ein langen mantel an 兩 wann der veint geit im den wan 兩 daz im wol ist mit dem ding. Klein, Oswald 104, 33 (oobd., 1429): Der fräveliche schlupf 兩 dem risen wer geweret, 兩 den er zu seiner metzen tüt, 兩 und alle gassen keret

1832

兩 mit ainem mantel. Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 198, 6: also belaib vns der vech mantel vnd der seydein slayger. Turmair 5, 489, 23 (moobd., 1522/33): unbeständig leut (die hin und her fielen, den mantl nach dem weter kerten). − Luther, WA 10, 3, 240, 19; Schweiz. Id. 4, 321.

4. ›bewegliche Schutzvorrichtung zur Deckung der Angreifenden; Zinnenkranz an einer Ringmauer o. ä.‹; hier als Ütr. anschließbar: ›moralischer Schutz‹ (von der Ehe gesagt). Luther, WA 9, 216, 23 (1519): Der ander nutz in der ehe ist eyn vorbuntnuß der trew, Ist der ander mantel, der do machet, das man die schalkheit nicht mercket. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 1158 (Köln 1476): Nyet en lyessen dye Nuysser doch, 兩 Sy en versuchten mannich loch, 兩 Hielten ouch gheyn langen tantell 兩 Jnd rouffden dayr manchen mantell. Wiessner, Wittenw. Ring 9563 (ohalem., 1400/08): Das wolten seu do erste enden 兩 Und wurden her und dorthin senden 兩 Umb laitern, mäntel und auch pleiden. M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 56, 3 (schwäb., 1428/30): Von ainem zun ze machent hinder dem mantel an der burg und umb stecken und gerten zu dem zun 3 lb. h. Qu. Brasso´ 4, 514, 14 (siebenb., 1552, Hs. 1613/7): denn sie [Bauren] sich ritterlich gewehret, allein den Mantel hat er herumb abgeschossen. − M¸ller, a. a. O. 2, 96, 35.

mantelfaren, s. mantel 1. mantelkind, das; −/-er. ›vorehelich geborenes Kind, das bei der späteren Eheschließung der Eltern von der Mutter [...] unter den Mantel genommen und damit legitimiert wurde‹ (so Rwb 9, 179; 15. Jh.f.); vgl. mantel 1; 2, kind 1. mänteln, V. 1. ›jn. amtlich einkleiden‹; ütr.: ›etw. bemänteln, zu seinen Gunsten handhaben‹; als Part. Perf. zu ersterer Nuance (im eigentlichen Sinne): gemäntelt ›mit einem Mantel bekleidet‹; zu mantel 1. − Bdv.: vgl. bekappen, bekleiden 6, beschirmen 8, beschönen 2, beglimpfen, bestreichen 4, glosieren, verklügen. Luther, Wa 30, 2, 448, 10 (1530): wenn yhr Pfaffen weyhet, Bischoffe menˆtelt und Bepste krönet, [...] Jsts auch gewis? Niewˆhner, Teichner 540, 30 (nobd., E. 14. Jh.): daz die fraw ein gugel hat 兩 und der man gemantelt stat. Maaler 166v (Zürich 1561): GemÁntelt / Mit einem wÁttermantel bekleidet. Penulatus.

2. ›etw. bemänteln, zu seinen Gunsten handhaben; verfälschend, schönfärberisch handeln‹; vgl. mantel 2. − Bdv.: zudecken.

1833

mantelrok − manung

1834

Luther, WA 10, 3, 430, 11 (1522): malitia ac perversitas eorum, sie konnens wol und meisterlich menteln. Luther, WA 49, 555, 20 (1544): Videbis, ob dichs wird helffen, quod kanst so fein menteln, zudecken und dich beruffen auff dein recht, notturfft. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 7, 24 (Straßb. 1650): Jch wuste immer nicht wie ich das verstehen, oder mich in die gefärbte, gemäntelte, verdeckte Händel schicken solte. − Ebd. 49, 555, 20.

›Handbuch zur Verzeichnung rechtsrelevanter Vorgänge‹; als Metonymie: ›Person, die jn. in Tagesdienste einführt‹.

mantelrok, mantelschlos, mantelspange, manteltuch s. mantel 1.

manumission, die; aus lat. manu¯missio ›Entlassung aus einer Gewalt‹ (Georges 2, 805; DuCange 5, 241 ff.). ›Entlassung aus einem Abhängigkeitsverhältnis‹. − Bdv.: vgl. pasport 2.

mantier, das; −/auch -π ; Neubildung G. Rollenhagens. Fiktion eines besonderen menschlichen Wesens mit einer Reihe idealer und tadelnswerter Eigenschaften; zu 1man (der) 1. Peil, Rollenhagen. Froschm. 63, 610 (Magdeb. 1608): Der Beer den grosmÈtigen Lewen / 兩 Vnd der Lew mus das Manthier schewen / 兩 Das Manthier eins das ander mord / 兩 Das man von keinem Thier sonst hort / 兩 Denn dis das aller bËsest ist / 兩 Beyde mit stercke / vnd mit list. Ebd. 272, 352: ES ist auch kein so starcker Mann / 兩 Kein Manthier / das jhn [Beyßkopff] heben kan. Ebd. 401, 4410: Denn in der Kindheit hab Jch kant / 兩 Ein kleins Manthier Philips Melanth / 兩 Das pflag sein SchÈler außzufÈhren / 兩 [...] 兩 Vnd denn von Weißheit viel zu sagen. Ebd. 436, 5466: darumb solt man bitten auch / 兩 Nach der weisen Manthiere brauch / 兩 Die nichts in allen sachen theten / 兩 Sie fiengen denn vor an zu beten. Ebd. 512, 179: Das bey tag vnd bey Nacht zusamen / 兩 Vnzehlich viel Meußmenner kamen / 兩 Vnd die Mannthier groß wunder nam / 兩 Woher der grosse Meußzug kam? − Ebd. 446, 576, 5; 483, 6871; 525, 576; 534, 87, 2.

mäntler, der ; auch -π/−. ›Handwerker, der Kleider (z. B. Mäntel) herstellt oder umarbeitet‹; vgl. mantel 1−3. − Nobd. / oobd. Niewˆhner, Teichner 589, 3 (Hs. 2önalem., um 14339): Wer latin in tÈsch kan laiten, 兩 daz ist miner noch mer ze raiten 兩 sam ain volck, haist mÁnteller (zum Verständnis vgl. folgenden Beleg!). Ebd. 16: er [der Übersetzer] ist nu ain wender, 兩 als der mantler min noch mer 兩 wenden tut sin alte fach. Rˆssler, Stadtr. Brünn 374, 18 (mähr. inseldt., 1. H. 14. Jh.): swelch chaufman arwait mit altem gewande als mentler und chursner und leinwater und chramer und woller, der [...]. − Schultheiss, Achtb. Nürnb. 17, 25; Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 550, 10; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 200.

manual, der ; −/-en; aus mlat. manualis (Niermeyer u. a. 2002, 843; vgl. lat. manua¯lis, Georges 2, 803).

Rot 327 (Augsb. 1571): Manual, Anweiser / Lehrer / der eim etwas in die handt gibt / den handtgriff lehret. Als die so die jungen Priester inn den Ceremonijs vnd Meß lesen vnterweysen / werden manuallen geheissen. − Rwb 9, 181.

Roder, Stadtr. Villingen 120, 40 (önalem., 1501): es solle sich keiner oder keine mit einer ausländischen persohn verheirathen, er oder die selb persohn habe sich dann zuevor bei einem ehrs. rath angemeldet und wegen der manumission und herzugs richtigkeit gemacht. − Rwb 9, 182.

manung, die; −/-e, -en. 1. ›Aufforderung, Auftrag, Befehl von Seiten eines innerweltlich dazu Befugten (auch: des freien willen) oder von Seiten Gottes; zu etw. verpflichtende Bestimmung, Anleitung, Lehre; göttliche Eingabe‹; als Metonymie hier anschließbar: ›auf Grund einer Aufforderung stattfindende Versammlung‹ (Rwb 9, 25; a. 1388 f.); vgl. manen 2. − Bdv.: anweisung 2, 1bete 7, bitte 1; 2, forderung, gebot 1, regel, wille; vgl. anbietung 2, angemut, ansage 3, aufsaz 5, gesinnen (das) 2, heischung 2, 2ladung 2. − Synt.: eine m. ausschreiben / getun / hören; die m. sein, das [...], die m., zu [...], z. B. etw. anzugreifen; der m. folgen / gehellen, gehorsam sein, mit werken antworten; eine gewonheit für eine m. halten, auf eine m. den schacht (nicht) bauhaft halten, mit / nach einer m. [etw. tun], sich nach einer m. etw. zu herzen gehen lassen, von einer m. gefreiet werden, nichts finden, ein brief von m. kommen, von m. wegen etw. tun; die m. des vaters / psalmisten; die getreue / götliche / grosse m. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 1, 2 (hess., 14. Jh.): Vernemet, liebe sustere, die gebot des meisters, neiget daz ore uers herzen zu der manungen des milden vaders. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 381a, 15 (Frankf./M. 1649): sondern er muß von newen auff die Reckebanck / vnd das ist der heutige Praxis, wiewohl in der P. Halsgerichts Ordnung Caroli V. von dieser redlich mahnung nichts gefunden habe. Jostes, Eckhart 33, 29 (14. Jh.): Ditz sol der sel ein

1835

manung

groz manung sein zu auzgen ir selber. Ermisch, Freib. Stadtr. 150, 9 (osächs., 1335): Kumit aber der brif zu dinge, wi he dar kumet von manunge oder von bete, daz he gelesen wirdet, unde stet derselbe Cunrat denne dran, so darf im der widersache keine antwerte darumme geben. Hajek, o Gute spise 29 (rhfrk./nobd., um 1350): Vnd nach dirre manunge erdenke auch ander spise. Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 13a, 30 (nobd., E. 14. Jh.): mit deinem rat geschuf vns der vater nach seinem pilde mit dein manvng / schuf sich der svn nach vnserm pilde der armen menschait. Gille u. a., M. Beheim 80, 113 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Also sein manung iste, 兩 Das niemant chrönt wirt mit dem lon 兩 des ymer werndes leben fron, 兩 dann der in diser friste 兩 Vast vicht wider die veinde. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 580, 24 (nobd., n. 1525): Umb Assumptionis Marie [...], als ain manung gein Kirchberg ausgeschriben, ward obgenannter groß Lienhart [...] verkundschaft, wie er zu Lendsidel in aim wirtshaws were. Vetter, Pred. Taulers 41, 27 (els., E. 14. Jh.): su´ haltent ir [...] alle ir gewonheit fu´r die gËtliche manunge und den gËtelichen willen. Ebd. 73, 31: kummet unser herre mit einer manungen, [...], do setzet er sine wise fu´r und kert sich daran nu´t einen troppfen. Ebd. 184, 18 (1359): das er sich liesse und Gotz geiste volgete, sinen anwisungen und manungen volgete. Bihlmeyer, Seuse 437, 17 (alem., 14. Jh.): Also sprichet die ewige wiszheit: hËrent, mine lieben kint, mit kurtzen worten die getru´wen manung u´wers vatters. Steer, Schol. Gnadenl. 3, 66 (alem., M. 15. Jh.): das ist dann des freyen willen, das er diser manung (›dem Wecken des freien willen‹) gehel oder gehorsam sei. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 107, 1 (els., 1362): Do er dirre manungen vil getet do bleip er do bi sant Hyldolfo so lange zit vncz [...]. Dierauer, Chron. Zürich 230, 26 (halem., 15. Jh.): Und zugend die von Bern von denen von Switz bitt wegen dar und nit von manung wegen, und zugend durch Tum us uf das veld. Adrian, Saelden Hort 4848 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): die trieger, lieger, bieger 兩 mit 2valscher manung9 [›Falschheit‹] tuto er [tu´fel] 兩 us disen ringen slichen. BrettEvans, Bonaventuras Leg. S. Francisci 52, 24 (önalem., v. 1478): stat, an der der orden der minren brÈder wart angefangen von Sancto Francisco noch der manung der gËttlichen berieffung. Buijssen, Dur. Rat. 27, 7 (moobd., 1384): nach der mannung dez psalmisten der do spricht: Wıre schollen fürchommen sein anplikch [...] und in psalm schol wıre im vrolochen. − Williams u. a., a. a. O. 819, 6; Koller, Ref. Siegmunds 284, 13; Steer, a. a. O. 3, 62; 5, 131; Piirainen, Stadtr. Kremnitz 6; Rwb 9, 22 f.; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 313, 20. − Vgl. ferner s. v. antworten 1, bedassung.

2. ›militärisches Aufgebot (als Befehlshandlung wie − metonymisch − als aufgebotenes Truppenkontingent)‹; zu manen 3. − Bdv.: anlegung 5; vgl. aufbot 2, berufung 3, manschaft 4, leut 2. − Wbg.: manungsbrief (dazu bdv.: ladbrief 2). Baumann, Bauernkr. Rotenb. 438, 13 (nobd., 1525): denen von Bischofsheim befelh tun, [...] gein Kulsheim, [...],

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auch andern, so zu uns verpflicht sein, soliche manung zugeschickt werd. Ebd. 455, 5 (n. 1525): Ain getruckter manungsbriefe ward an dem hailigen Pfingsttag von der versamelten bawrschaft zu Wurzburg hieher gepracht. Rennefahrt, Stadtr. Bern 179, 15 (halem., 1363): und sËllent die fuso lu´te ietwederm teile nach iekliches manunge, die dar umbe werden beschigket, beliben einen manode, als si von huse scheident. Chron. Augsb. 4, 336, 12 (schwäb., v. 1536): An sant Martha tag haben die von Augspurg aus verpflicht auff die erste manung wider die Türcken 380 mann geschickt. Ebd. 5, 102, 21 (1523/7): alle, die im schwäbischen pundt waren, die solten a die 3. marzo gen Ulm komen mit zwuo anlegung oder zwuo manung volck.

3. ›Mahnung aufgrund einer nicht eingelösten Schuld oder einer nicht erfolgten sonstigen Leistungsverpflichtung; Abmahnung wegen eines Vergehens‹; vgl. manen 4. − Bdv.: vgl. innerung 1; 2, innigung. Grosse, Schwabensp. 166a, 18 (Hs. 2nd./md., um o it 14109): vischet her dar ober dar inne nach drin manugen, gat ime zuo huto vnde tuo hare. Graf-Fuchs, Ämter Interl./ i Unterseen 63, 11 (halem., 1349): Wernher Gnutsche (!), o i [...] sullen inrunt dien nechsten acht tagen nach Jans sin bruder i o ze veilem gute, und von der manunge ze Berne in antwurten dannant [...] niemer ze komenne untz an die stunt, daz die phenninge, dar umbe dui manunge denne beschehen were, gentzlich bericht werdent. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 314, 17 (Genf 1636): Mahnung / f. Forderung der schuld [...], Appellario debitorum. Thiel u. a., Urk. Münchsm. 72, 6 (moobd., 1352): WÁr awer [...], daz wir nicht begiengen den jartag, [...], vnd man vns dez ermonet mit disem brief, vnd nach der monvng wir daz versÁzzen [...], so [...]. − K¸ther, UB Frauensee 317, 26; Schw‰b. Wb. 4, 1462.

4. ›Erinnerung an etw. in der Vergangenheit Liegendes; darauf gerichteter Aufruf‹; auch Bezug auf etw. in der Zukunft Liegendes, dann: ›Verheißung‹; vgl. manen 5. − Bdv.: vgl. andächtigkeit 2, behalt 4, behufung 1, dächtnis, gedächtnis 2, gedenken (das) 4, gedenkung 1, gehügede 1, gehugnis. − Wbg.: manungzeichen ›Denkmal‹. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 1538 (preuß., um 1330/40): Ir boˆse, suntlıˆche unzucht 兩 hatte sıˆ vorhart soˆ seˆre, 兩 daz dikeiner hande leˆre 兩 noch manunge der seˆlikeit 兩 sıˆ konde entzıˆn von irrekeit. Eichler, Ruusbr. steen 877 e (els., sp. 14. Jh.): wir mvßen [...] v´ber vns selber gan mit andaht, [...] vnd alsus anhangen mit rehter manunge vnd mit bevintlicher liebe. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 446, 6 (Straßb. 1466): secht dise ander epistel schreib ich euch in den ich erstee eu´wer reins gemu´t in manung [Luther 1545, 2. Petr. 3, 1: ich ... erinnere]: das ir seyt gedencken der wort die ich euch vorsagt. Dasypodius 377r (Straßb. 1536): Manung. [...]. Manungzeychen. Monumentum.

1837

mänung − manwerker

5. ›Buße (für ein Vergehen)‹. Grimm, Weisth. 1, 472, 12 (rfrk., 1436): Haben die obgeschriebene [...] mit einander geschlagen, der verliehre ein mahnung, das were [...] 11 schilling.

6., s. manen 7. mänung, s. 2mäne. manungzeichen, s. manung 4. manwarheit, s. 1man (der) 3. manwart, s. manwerk 1. manweib, das. 1. ›Frau mit den Eigenschaften eines heldenhaften Mannes‹; vgl. 1man (der) 3. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 2 (Genf 1636): Manweib / [...], Androgynus.

2., s. 1man (der) 9. manwendig, manwendigkeit, s. mane (der) 1. manwerk, vereinzelt manwart; -es/-π, auch -e; die Schreibung -wart laut Schweiz. Id. 16, 1227 vielleicht unter Einfluß von -mad. 1. ›Flächenmaß (meist für Mäh-, seltener für Acker- und Weinbauflächen, auch für Waldflächen)‹. Das Maß wird in den Belegen und in den Wörterbüchern wie folgt bestimmt: als Mähleistung pro Tag und Person, als Pflugleistung pro Ochsengespann oder pro Person, nach dem Umgrabmaß für Weinberge, nach dem Weinertrag (0,5 saum weins); da diese Bemessungsgrundlagen nicht deckungsgleich sind, ergeben sich Schwierigkeiten für exaktere Angaben: vgl. aber Welti, Pilgerf. v. Walth. 1, S. 409 f. sowie das Schweiz. Id. 16. 1226 f. − Wmd. / wobd.; meist Urkunden und Urbare. − Bdv.: tagwan 3, vgl.: 2bet 2, jauchert, 1joch 4, mad 3, mangrab, mansmad. − Synt.: das m. bauen / wässern; von einem m. nichts geben; x m. acker / heu(es) / heuwachs / hölzer / matten / reben / wiesen; x m. gros. Wbg.: manwerker 1, manwerkmatte. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 362, 34 (rib., 1585/96): sunderungh zu diesem manwerk, davon sie nichts geben, dess seint sie schuldig das manwerk zu bauwen zu behoef des herren

1838

allein ahn deilung. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 1, 409 (mosfrk., o. J.): si queris, cur vocetur manwerch? ideo dicitur, quia uni viro committitur ad colendum; et est tantum terrae, quantum par boum in die arare sufficit. Ebd. 1, 909, 11 (1425?): ob ein manwerker, mans- ader frauwenpersone, abginge von toits wegen und keine erben hette, so salt solich manwerke u. h. vefallen sein. Ebd. 3, 287, 20 (1472): als unsere lehenlude [...] alle jairs schuldig sint ire wingarten zu misten, nemlich von einem ganzen manwerk hundert burden mistes. Welti, Urk. Rheinfelden 86, 32, 34 (halem., 1364): ein manwarch matten gelegen in dem banne ze Meli. Ebd. 715, 258, 14 (1582): von wegen zweyer manwart matten zu Rüscheli. Kl‰ui, Schweiz. Urbare 2, 21, 26 (halem., 1371): i lit bi der gassen gen 1 manwerk wisen haisset dui Durrmatten, Gundoldingen. Boos, UB Aarau 134, 4 (halem., 1380): de prato sito in augea Ernlisbach, quod est tonsionis trium dietarum, quod vulgo dicitur dru´ manwerk. Schib, Urk. Laufenb. 114, 17 (halem., 1434): ab einer halben manwerchmatten, gelegen [...]. Rennefahrt, Gebiet Bern 812, 15 (halem., 1458): 1 mannwerck reben, acker, matten hËltzer, [...] sol ieglicher schetzen als lieb im das sy. Ders., Staat/ Kirche Bern 366, 41 (halem., 1529): zwey mannwert (!) rÁben, thuto zun gmeinen jaren ein soum winß. − Leisi, Thurg. UB 7, 1011, 3; Boner, Urk. Brugg 460, 6; Welti, a. a. O. 719, 260, 16; Merz, Urk. Lenzb. 143, 13; 149, 4; Maag u. a., Habsb. Urbar 2, 2, S. 305; Rwb 9, 169.

2. ›einem herrenpflichtigen Pächter, Hörigen, Lehnsabhängigen von einem Grundherren zur Bewirtschaftung gegen eine festgelegte Natural- und Geldabgabe überlassenes Grundstück von nicht angebbarer, aber bescheidener Größe (Bemessungsgrundlage ist manwerk 1)‹; als Metonymie: ›das zugehörige Recht‹; vgl. 1man (der) 6, auch 8. − Bdv.: manlehen. − Synt.: ein m. aufnemen / haben / halten / kaufen / verkaufen / verleihen, in bau halten, eine schuld das m. berüren; das m. (Subj.) auf einen erben fallen; sich des manwerkes gebrauchen; von einem m. etw. geben. − Wbg.: manwerke, manwerker 2 ›nach manwerkRecht eingesetzter Pächter‹; konversosem: ›Empfänger der Abgaben‹. Grimm, Weisth. 4, 590, 20 f. (mosfrk., 1425?): wie man das manwerk bishere gehaltten hait, vnd die fryheyt, die manwercker dauon haint. [...]. Zum ersten sint die manwercke geheyssen manwercke vmbe des willenn, were die hait, die sint da von vnser heren mann vnd auch ene vorbuntlich als eyn mann synen herenplichtig ist. Item sall eyn ygklicher manwerkker alle jare [...] geben synen wyne, [...] vnd [...] eynen thornyss (ff. weitere Bestimmungen). Ebd. 591, 41: eyn ygklicher manwercke sall also fry syn, das nyemant die vorsetzen [...] soll vor keyn scholt. − Rwb 9, 169.

manwerke, s. manwerk 2. manwerker 1; 2, s. manwerk 1; 2.

1839

manwerkmatte − mappe

manwerkmatte, s. manwerk 1. manzal, die. ›Kopfzahl, Anzahl Bewaffneter (bezogen auf ausgerüstete Bewaffnete als Meßgröße für die Schoßverteilung)‹; vgl. 1man (der) 4. − Nrddt. / md.; Rechts- und Wirtschaftstexte. Schmidt, UB Halberst. 4, 3014, 18 (nd./omd., 1388): wËrde darover yenich vrome ghenomen, den scholde me delen na mantale wapender lÈde. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 80, 28 (preuß., 1396): das das geschos der stete dis landes, das unser here der homeister den genanten 5 steten [...] hat obirgeben, sal iczlicher stat czu hulffe komen noch manczale des volkes. Ebd. 516, 22 (1429): dy helffte dovon haben dy hern von Thorun und Elbing nach manczall ir teyl beczalt. Wiese, UB Wetzlar 1, 647, 5 (Wetzlar 1348): und waz o o o habe wir uff dem slozse funden, dy sulden wir buten nach manczal. − Toeppen, a. a. O. 1, 369, 10; Rwb 9, 170.

manze, genaue Lemmaform und etymologische Zugehörigkeit unklar. eine bestimmte Menge (z. B. von Garn). Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 10, 26 (preuß., 1404): 40 mandzen garnes, die man bothen mag, 40 flotrepen. − Ebd. 51, 2. 1

man兩zeit, s. mane (der) 2.

2

man兩zeit, die; zu manen 2. ›Zeit von 6 Wochen (im Anschluß an eine Zeit von 3 Wochen ungestörten Besitzrechtes eines nach dem Tode des Mannes dem Erbrecht unterliegenden Nachlasses), in der die hinterbliebene Frau an die Herausgabe der Erbschaft gemahnt werden konnte und in der sie selbst die Herausgabe der Morgengabe anmahnen konnte‹. Leman, Kulm. Recht 1, 4, 45 (omd., 1. H. 13. Jh.): Von Morgen gobe. Noch des mannes tode en darf man eyner vrouwen yrre morgen gobe nicht geben. wenne tzu des mannes drysychten. wenne man denne syne man tzyt begangen hat. dornoch gebit man yr e ere morgen gobe. so mag sy dennocht vrist haben vor sich tzu besehene vnd tzu besitzene in des mannes gute bes an dy vor benumete tzyt. v. r. w. 3

manzeit, s. manzeitig.

manzeitig, Adj. ›in der Pubertät befindlich, in das heiratsfähige Alter kommend‹ (von der Frau gesagt; für den Mann gilt frauen-, weibszeitig); vgl. 1man (der) 2; 5. − Bdv.: vgl. berätig

1840

2, manbar 2, manmächtig b. − Wbg.: 3manzeit, manzeitigkeit. Voc. Ex quo, P 1344 (rhfrk., 1418): Pubertas [...] manczijt. Schmitt, Ordo rerum 484, 17 (omd., 1466): Puber manczetig − manczidich vrowenzidich [...] Pubertas manczydekeyt. Ebd. 344, 6 (oobd., 2. H. 15. Jh.): jungpart oder erstcz har circa pudenda, capitur etiam pro juuene oder man oder weybsczeytig .i. aptus ad nubilos annos. − Voc. inc. teut. p vir; Voc. Teut.-Lat. p vijv; Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb. 227.

manzeitigkeit, s. manzeitig. manzeler, s. manzerkorn. manzerkorn, das; Bw stark variierend, laut Lexer 1, 2040 zu manzal, laut Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 1, 234 aus mlat. mansus ›Hube‹ (s. Du Cange 5, 330); beide Motivationen möglich. ›Kornabgabe‹, je nach Etymologie: pro Hube oder nach der Kopfzahl. − Wbg.: manzeler ›Erheber der Abgabe‹ (a. 1346). Grimm, Weisth. 1, 711, 39 (els., o. J.): Vnd soll jeglich habe [...] geben in denselben hof vier viertel mantzer korn [...]; dasz erst ding soll besitzen der meyger und der gebüttel vnd des mantzelers schaffner. Ebd. 5, 434, 8 (1329): so sol ein probest von Haselo [...] zuo dienste geben zwei malter manzal kornes. − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 234; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 80; Rwb 9, 183.

manzipation, s. manzipieren. manzipieren, V., aus lat. mancipa¯re ›mit der Hand ergreifen und dadurch als Eigentum übernehmen‹ (Georges 2, 790). ›jm. etw. übereignen‹; zur Motivation s. anfangen 8. − Bdv.: vgl. aufsellen 1, darzälen, geben 4. − Wbg.: manzipation. Rot 327 (Augsb. 1571): Mancipirn, Zu aigenthumb vnnd rechter besitzung eingeben / vereygnen / verkauffen. Ebd.: Mancipation, Ein weyß von den RËmern / gebraucht in verkauffung gelegner gÈtter / vnnd andrer kËstlichen ding / Eygenthumbliche gab.

mappe, die; entsprechend der lat. Ausgangsform auch mit finalem -a. 1. ›Landkarte, (seltener:) Seekarte; Skizze, Zeichnung einer Gebirgsmasse, Bergbaukarte‹. − Bdv.: 1karte, landtafel 3. − Synt.: eine m. lesen / verkleinen / vergrössern / verfertigen; aus einer m. bericht schöpfen, in einer m. etw. abzeichnen (z. B. einen flus) / jn. auf-

1841

mar − marcasit

zeichnen (z. B. menschenfresser), mitsamt einer m. etw. abmalen (z. B. bräuche, eine landschaft); die neue m.; eine m. mit farben, über die welt. Ralegh. America 11, 11 (Frankf. 1599): Wie alle die WasserflÈß durch einander lauffen / [...] / wirdt E. M. weitern Bericht schËpffen auß einer Mappen. Rot 327 (Augsb. 1571): Map oder mappa [...] Jtem ein Landtafel / ein anzeygung der gantzen Welt / oder allein etlicher lÁnder mit jrer gelegenheit. Turmair 1, 308, 11 (Nürnb. 1541): ein mappa [...] über die ganz welt mit verzeichnus [...], wo überal die alten schlacht, nemlich der Römer, grossen Alexanders und Teutschen geschehen sein. Ebd. 4, 35, 27 (moobd., 1522/ 33): wil ich kurzlich die breuch und landschaft des lands Baiern mitsambt einer mappen abmalen. Patocka, Salzwesen. 1987, 108 (oobd., 1595): Ain Mappa new,i hie Zu lesen. − Ralegh. a. a. O. 22, 26; Turmair 4, 5, 14; Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2215; 2579. − Vgl. ferner s. v. aufzeichnen.

2. ›Tisch-, Altardecke, -tuch‹. − Bdv.: altarsturz, altarteppich, altartuch, lachen (s. v. laken, das), staubhülle, zwehel. Reichert, Gesamtausl. Messe 41, 33 (Nürnb. um 1480): die altar tuecher nent die geschrifft ,mappe‘ oder ,palle‘. Und die sind bedeuten die kleyder Cristi Ihesu. Rot 327 o (Augsb. 1571): Map oder mappa Tischtuch / zwehel / Tischlach. − Wilkes, Sta. Xanten 28, 26; Goetz, Dt. Begriffe d. Lit. 1977, 229.

mar, der ; −/-π ; zu mhd. mar ›Nachtgespenst‹ (Lexer 1, 2041). ›als gespenstisches Lebewesen gedachte beunruhigende Erscheinung, Alp, Nachtmahr, bedrückendes Nachtgespenst‹; ütr.: ›Alptraum‹; Weiteres s. v. alb 1. − Bdv.: bercht(e) 1, butze 1, butze(n)man, geist 5, genius, gespenst 2−4, gespuknis, larve 1. Luther, WA 31, 2, 219, 25 (1527/30): Es syndt Alb, Mahrdt, kobolt, allerley tewfel, qui nobis nocturno tempore insidiantur. Peil, Rollenhagen. Froschm. 363, 3237 (Magdeb. 1608): Was ist der Kneppel fÈr ein Thier? 兩 [...] 兩 Jst es der Kobbolt / oder Mahr? Henisch 36 (Augsb. 1616): Alb / der alb / alp / nachtmÁnle / wichtele / nachttrutten / schrÁtle / scherzel / mahr / ein kranckheit / wann einer meint im schlaff er werd gedruckt. − Jelinek 489.

maralde, Genus und Etymologie unklar; Schreibung von smaragd? ein Edelstein. Loesch, Kölner Zunfturk. 11, 250, 37 (rib., 2. H. 15. Jh.): ein grote schapiel mit 12 groter stucken end mit 18 groter maralden end 72 groter perlen. Ebd. 251, 2: drie ballaes end drie maralden end 27 ballaes end mit 26 maralden.

marb兩ach, s. marbe.

1842

marbe, Adj.; zu mhd. mar ›mürbe, zart‹ (Lexer 1, 2041). dient der Kennzeichnung von Bezugsgegenständen unterschiedlicher Art als ›zart, weich; angenehm zu empfinden‹. − Wbg.: marb兩ach ›junges Nadelholz‹ (zu -ach s. Lexer 1, 17: Kollektivsuffix), marholz ›junger Wald‹. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mr. 13, 28 (osächs., 1343): von dem figboume lernit ein glıˆchnisse: Wan sıˆne zelge [›Zweige‹] ˆıczunt morwe [Eck 1537: zart; Luther 1545: safftig] werden und sıˆne bletere geborn werden, soˆ bekennit ir o daz der sumer ist naˆhe. Voc. Teut.-Lat. g vv (Nürnb. 1482): Peißper. morsilis. od‘ mursch od‘ mar od‘ murb. Primisser, Suchenwirt 43, 56 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Tzu Babilon und nicht tzu Rab: 兩 Dez todes hert die wart im mar. Klein, Oswald 2, 32 (oobd., 1421): Wer nert das würmlin in der erd, 兩 das räblin junck und marb, 兩 wenn vatter und mütter von im kert. Langmantel, Schiltb. Reiseb. 62, 13 (oobd., n. 1427): wann es [fleisch] wirt trucken von der werm deß roß und würdt auch mar. Eis, Gottfr. Pelzb. 142, 24 (öoobd., 15. Jh.): Das dy stainnuczz zu guten, merben nuezzen werden. Mell u. a., Steir. Taid. 200, 26 (m/soobd., 1572): und darüber nichts ausgezaigt und also der jungen stämb und marpach in allweg verschont. Siegel u. a., Salzb. Taid. 308, 30 (smoobd., Hs. 17. Jh.): wölche die wäld und marholz , es sei in der eben, perg oder thall mit prennen, schwenten oder hacken, den gaissen oder in anderweg handlen, von ainem stam zu pen 1 웩 Agler markte verfalen. − Klein, Oswald 37, 44.

marcasit (o. ä.), der ; über mlat. marcasita (o. ä.) letztlich aus dem Arab. (Du Cange 5, 208; L¸schen, Steine 1979, 270). ›Markasit, ein Mineral (Schwefel-EisenVerbindung)‹. − Fachtexte. − Wbg.: markasit (Adj.), marcasitisch. Wiemann, liber lap. Marb. 128, 19 (1522): hoc est marchasita aurea, que medium quodam modo est inter metalla et lapides. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 52, 20 (Frankf. 1535): Ballas polirt mann mit Marcasit / das ist Golt ertz / vnnd mit leinËl. Ebd. 158, 16: Marcasit. Magnesia. Marcasita. Jst ein stein / hat vilerley farben / denn er nimpt die farb eins ieden metalls an. Sudhoff, Paracelsus 6, 361, 1 (1528): der margazit ist ein extracts von dem kakimia. Ebd. 8, 153, 6 (1530): o margazit, o magnesia, also leuchten ir beim golt, sehent wie golt, als der margazit auch, und im feur so ist es schwefel und pech. Ebd. 9, 52, 17 (1531/5): so wissent das vil sind der salia, andere sind kalch, andere eschen, andere arsenicalisch, andere antimonisch, andere margasitisch. Ebd. 13, 99, 31 (1525/6): [cachimia] hat aber al farben, weiß, rot, wie marcasit.

1843

marcasit − marder

1844

marcasit (Adj.), marcasitisch, s. marca-

hase erwähnt. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.

marchdenar, marchdienst, s. 2märe.

Ermisch u. a., Haush. Vorw. 230, 8 (osächs., 1570/7): Reib die [bretlin] [...] mit roßmist, so [...] wittert nicht leicht weder fuchs, wolf noch marder. Ebd. 232, 9: Wie man das gelos von einem fuchs, einem dachs, marder oder wiesel bekommen soll. Ermisch, Freib. Stadtr. 259, 2 (osächs., 1335): Hat ein man eine creature, ein thir, [...], iz si eine hinde, ein hirz, ein mart, iz si ein vuchs oder ein wolf [...], daz da schedelich si den luten [...], daz sullen di lute unde di nakebure im kunt tun. Gille u. a., M. Beheim 57a, 23 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Ain eltis der 兩 was ir einer, 兩 ein mader czwene. 兩 Das recht gewan 兩 ein uber man, 兩 ein walf, ich wene. Adrian, Saelden Hort 6629 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): daz sich da [im walt] mugent wol begrasen 兩 aychern, fu´hse, ku´ngel, hasen, 兩 ve marder, swin, wild und zam. Winter, Nöst. Weist. 1, 406, 23 (moobd., um 1450, Hs. 1512): Ain ietlicher nachpawr mag füchs piber eltes mäder dächs und swein vachen auf unsers herren grunt. Mell u. a., Steir. Taid. 102, 32 (m/soobd., 15./16. Jh.): Alle reißgejaig als wild, huener, vögel, hassn, fux, aichorn, mader [...] bei schwarer straf verpoten sein. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 23, 8 (m/soobd., 16. Jh., Hs. 18. Jh.): wer auch mit erlaubnuß fux, mäder, lux, täx oder piber zu handen bräht, der soll die pölg der herrschaft zuebringen. − Ermisch u. a., Haush. Vorw. 226, 27; Gille u. a., a. a. O. 354, 54; Schmitt, Ordo rerum 305, 14; Voc. inc. teut. p iiijr. − Vgl. ferner s. v. albenhun.

sit. marchfutter, das; Bw etymologisch am ehesten zu 2märe, auch motivationell dort anschließbar, aber auch assoziativer Bezug auf mark II, 3 oder 4 möglich. eine Getreide-, Haferabgabe (gedacht als Pferdefutter). − Oobd.; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: treide, treiddienst, zehentdienst. − Synt: m. antworten / dienen / messen, nicht anstehen lassen; das m. (Subj.) sich zwiespälten. Fuchs, Urb. Göttweig 7, 24 (moobd., um 1270): Isti sunt denarii, qui dicuntur lantphennige, et avena, que dicitur marchfuter. Ebd. 81, 30 (1322): et serviunt unum mod. avene marchfuter. Winter, Nöst. Weist. 2, 863, 35 (moobd., um 1400): auch muessen diselben arm leut dem herzogen all jar raichen [...] von iedem lechen 10 metzen habern marchfueter. Ebd. 3, 651, 32 (um 1450): die das marichtfueter nicht an den rechten tag bringent, die seind des wandl, und das marichfueter zwispelt sich. Mell, Steir. Weinbergr. 124, 1 (smoobd., 1543): Wer perkrecht sol oder marichfuter, der mus daz furn als verr er ains tags pei der sunn gefaren mag. − Winter, a. a. O. 2, 215, 14; 371, 36; 3, 339, 1; 676, 4; 831, 1;

marcustag, marxtag, sanct, der. ›Tag des heiligen Marcus (25. April)‹. − Obd. Rupprich, Dürer 1, 51, 36 (nobd., 1506): Geben zw Fenedich jm 1506 jor an sant Marx dag. Plant u. a., Main. Naturl. 298ra, 6 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): Noch danne sint sehz hohzit der abint man vasten sol. Wihe naht. Phingsten. Svnegiht. Laurenti. vnser frowen messe der erren. vn¯ och sant Markes tag. Memminger Chron. Chr. 47, 18 (Ulm 1660): An S. MarxÚTag / schickt man dem Keyser zu Hülff hinweg von hier H. Alexander von Pappenheim. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 281, 17 (smähr. inseldt., 1414): all amptlewt, [...], sullen hie auf dem aygen siczen an s. Marxtag, vncz das man vesper lewtt. − Schweiz. Id. 12, 938.

marder, mader, mart, der ; −/-π (teils mit Uml.; für marder); erstere Form am häufigsten belegt, letztere deutlich seltener und auf das Nrddt. / Md. beschränkt; zum Verhältnis der Formen s. Dwb 6, 1621; Pfeifer, Et. Wb. 2000, 837; Kluge/S. 2002, 598. 1. ›Marder‹; vielfach in Reihung mit fuchs, dachs, luchs, bieber, iltis, eichorn, wiesel,

2. ›Marderfell‹; häufiger: ›gegerbtes Marderfell (als kostbarer Rohstoff für die Herstellung bzw. Verzierung von Kleidern)‹. − Gehäuft Wirtschaftstexte. − Wbg.: marderbalg, marderkele ›Halsstück des Marderpelzes‹, marderkelen ›aus Marderkehle‹ (a. 1611), marderschwanzdecke, martfel, marthaupt (als Zahlungsmittel; seit 13. Jh.), martkele. Joachim, Marienb. Tresslerb. 468, 30 (preuß., 1408): 41 m. 1 fird. vor 5 zymmer marder zu her Heynrichs mantel, [...]. item 2 m. 5 scot und 10 den. vor dy marder zu gerben. Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 351, 29 (preuß., 1391/99): zo behelt myn here myt my int lant noch unverkoft 46 marten unde 6 smale camkat. Ebd. 470, 36 (1419/34): 1 lang rog minczel mit marderkelen underczogen. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 671, 13 (preuß., 1445): das keyn hantwerkesman adir seyn weip, schulcze, [...], noch eere weybe, growerck, czabelen adir marderen sullen tragen. Ziesemer, Gr. Ämterb. 112, 7 (preuß., 1518): 6 par lacken, 8 pelczsdecken, 1 marderswanczdecke. Ebd. 714, 40 (1447): 1 brune rock mit martkeln gefuttert. Loesch, Kölner Zunfturk. 1, 122, 11 (rib., 1397): van eime unzijdigen martvelle zein s. zo boissen. Loose, Tuchers Haushaltb. 120, 22 (nürnb., 1515): 6 marczo czalt [...] dem Purckel schneider von meiner hußecken, die mit medern gefuttert. Welti, Stadtr. Bern 374,

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marderbalg − märe

129 (halem., 1470): als dann ouch bishar etlich slecht gemein frowen [...] an iren rËcken, mentelen, oder anderm, vech, marder vnd hermlinen getragen. Chron. Augsb. 2, 283, Anm. 2 (schwäb., Hs. 16. Jh.): mir sol auch füro hin ewigclich zobell, mader und alls vechwergk, all seyden gewand, [...], berlin, korallen, [...] an mich ze schneiden, machen lassen und ze tragen ganntz verbotten [sein]. Ebd. 7, 422, 1 (schwäb., zu 1564): so hat er auch under seinen handen vil costlicher soien, klainetter, gefillwerck, costliche meder, zobel [...] gehabt. Bastian, Runtingerb. 2, 7, 6 (oobd., 1387): ich lech im 7 guldein umb maderchel. Klein, Oswald 41, 46 (oobd., 1428): Von mandel, rock recht als ain tock ward ich beklait, 兩 durch füxs und märder. − Sattler, a. a. O. 446, 12; Toeppen, a. a. O. 2, 285, 24; Starzer, Qu. Wien 1, 5, 5814, 533; Klein, a. a. O. 86, 38; Rwb 9, 188; Schweiz. Id. 3, 199.

marderbalg, marderkele, marderkelen, s. mader 2. mardern, mädern Adj.; auch Umlautschreibung: -e-. ›aus Marderfell‹; zu marder 2. − Synt.: unter die ärmel [nichts] mardernes ziehen; der marderne kropf / rok / mantel, die marderne kürsen / schaube (mehrfach), das marderne gewand. Ziesemer, Gr. Ämterb. 353, 23 (preuß., 1485): inn des hernn pflegers kammer: [...] 4 bucher, item 1 mardern rock, item 1 gancze vicze, item 5 groe tucher. Luther, WA 47, 222, 14 (1538/40): Der ermeste bettleler [...] ist auch nichts gegen dem geitzwanste, der in mardern schauben einhehr gehet. Chron. N¸rnb. 2, 18, 1 (nobd., zu 1428): do verpot man, das nieman kein mederen mantel noch rock tragen solt. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 29, 25 (schwäb., 1471): Ob sy nun tragen Mädrin gwandt, 兩 Darumb ist nicht ir alles lanndt. − Sachs 16, 429, 24; Mollwo, Rotes Buch Ulm 220, 11; Chron. Augsb. 7, 137, 9; Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 1615, 36; 2, 3, 5293, 65.

marderschwanzdecke, s. marder 2. mardistel, die. eine Distelart, wohl Eryngium campestre (s. Marzell 2, 307); Bw motivationell nicht geklärt. Voc. Teut.-Lat. z vv (Nürnb. 1482): Prackelwurtz walle˜de distelmorben oder mardistel. iringus.

märe, die, vereinzelt das; -π (für die) /-π. − Sehr eng vernetztes Bedeutungspektrum; 1−6 auf Bezugsgegenstände eher sprachlicher Art, 7 und 8 auf Bezugsgegenstände eher sachlicher Art bezogen; Trennung zwischen den beiden Bedeutungsblöcken 1

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in vielen Fällen kaum möglich; generell Offenheit der Bedeutungsansätze zu einander. 1. ›glaubhafter Bericht, Nachricht, Kunde über eine Begebenheit, ein Ereignis, das als wahr (im Sinne von fakten- wie von glaubenswahr) aufgenommen und erzählt wird‹; speziell: ›Evangelium als gute märe‹; steht im Reim auch für den Inhalt der folgenden Aussage (vgl. z. B. den Beleg Bell); offen zu 2. − Literarische und bildungssprachliche Texte. − Bdv.: avisen, bericht 1, bescheid 2, beschied 1, gehorchte 2, geschicht 7, gewissen (das) 4, grus 2, laut (der) 4. − Bdv.: botschaft 1, 1geschichte 7, zeitung; vgl. erzälung, historie, kundschaft. − Synt.: die / eine m. sagen / hören / vernemen (jeweils mehrmals), jm. eine m. sagen / bringen; die m. erschellen, ( jm., z. B. dem keiser) [wo / wohin] kommen; sich der märe freuen; die böse / gute (mehrfach) / leidige / liebe / neue / seltsame m. Luther, WA 19, 552, 11 (1526): weyl mir die gute mehr zukamen, das E. K. M. dem Euangelio geneigt were. Ebd. 35, 459, 28 (1533−35): Vom himel hoch da kom ich her, 兩 ich bring euch gute newe mehr. Enders, Eberlin 3, 279, 7 (o. O. 1526): da Christus dise mere [von der ehebrecherin] hËret, macht ehr kain geschrey dauon, schweyg aber styll, vnd wiche von dannen. Karnein, Salm. u. Morolf 115, 2 (srhfrk., Hs. um 1470): Da der heiden uß entran 兩 und man zu hoffe die mere vernam, 兩 da sprach der listige man: 兩 [...]. Jahr, H. v. Mügeln 1065 (omd., Hs. 1463): die boten das vernamen sidr 兩 und ilten zu Naturen widr 兩 und seiten ir die mere glich. Chron. N¸rnb. 2, 36, 31 (nobd., e soldner einr [...] widerumb zu ew¨ch mÈg ko1421): daz ewr e die und andre mer muntlich auch wol mag men seyn, der ewch gesagt haben. Bell, G. Hager 440, 2, 1 (nobd., 1595): jch hab ver numen newe mer, 兩 wie Das zu vns sey¨ kumen her 兩 Ein frembter singer Eben. B‰chtold, N. Manuel. Bic. 24, 12 (Bern um 1590): z‘ Gamalot kamend üch die märe, 兩 wir wärend nümmen me wit. Morrall, Mandev. Reiseb. 143, 1 (schwäb., E. 14. Jh.): wenn nu´we merr komend in das land, so hond sie [Tataren] den sytten das sie gar bald o Primisser, Suchenwirt 6, botschafft durch das land tund. 109 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Daz man in manigen landen 兩 Sagt mær von seiner milde. Klein, Oswald 35, 5 (oobd., 1409/10): Des freut sich da die frummen all 兩 auf erden und zu helle 兩 Der neuen me¨r, wie das an swe¨r geboren we¨r 兩 ain sun von rainer maide. Mollay, H. Kottanerin 28, 39 (moobd., 1439/40): do komen die me¨r, daz der Kung von Polan zu alten Ofen we¨r vnd wolt her vber dy˙ Tuenaw ziehen. − Goedeke u. a., Liederb. 314, 50; Tittmann, Schausp. 16. Jh. Ayrer. Sidea 289, 132; v. Keller, Ayrer. Dramen 1621, 19; Bihlmeyer, Seuse 66, 4; Wil-

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märe

liams u. a., Els. Leg. Aurea 19, 20; Bernoulli, Basler Chron. 6, 261, 13; Sappler, H. Kaufringer 6, 45; Chron. Augsb. 2, 170, 27; Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 24, 12; Turmair 1, 564, 14; Kummer, Erlauer Sp. 2, 19; Maaler 75r; Schw‰b. Wb. 4, 1466.

2. ›glaubwürdige Auskunft, Mitteilung über einen im Vergleich zu 1 eher statisch gedachten Sachverhalt, über ein Faktum‹; steht (teils im Reim) auch als Stellvertreter für den Inhalt einer folgenden Aussage: märe, wie [...]. − Bdv.: rede. Wyss, Limb. Chron. 85, 8 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh., Hs. 2. H. 16. Jh.): du salt wißen, daz ich von dem konige keine gude mere weiß zu schriben. Froning, Alsf. Passionssp. 6959 (ohess., 1501 ff.): und salt en sagen die mere: 兩 wie mer getreymmet hot gar sere, 兩 das Jhesus sulde uffsten. Sachs 23, 64, 11 (Nürnb. 1555): Ich nam ain herz, fragt ain der mer, 兩 Was hantwercks die geselschaft wer. Lauchert, Merswin 29, 31 (els., 1352/70): ich wil dir zuo dem ersten o sagen gute mere die dich wol erfrËwen mag. Roloff, Brant. Tsp. 697 (Straßb. 1554): Dochter wir bringen dir newe mehr 兩 Die wËllest dir nit lassen ligen schwer 兩 Es ist ein reicher ehren mann. Wiessner, Wittenw. Ring 9412 (ohalem., 1400/08): Wie vil aber wäre derschlagen, 兩 Der mär getar ich euch nicht sagen. Chron. Augsb. 2, 143, 8 (schwäb., Hs. 16. Jh.): als der bischoff die mör hört, daß er möcht 1000 fl. haben, die hett er nu geren gehapt. Klein, Oswald 55, 32 (oobd., 1422): hett ich gehabt ain peutel swe¨r 兩 als euer genad, vernempt die mär, 兩 von meiner frauen we¨r mir bas gelungen. − Kummer, Erlauer Sp. 2, 6.

3. ›inhaltlich nicht verbürgte, mit Tendenz zu einer bloß erdachten, erfundenen Aussage, Erzählung; Gerücht, dessen warheit in Frage steht‹; der Zweifel findet sich teils durch Konjunktive im Belegumfeld indiziert. − Phras.: etw. zu märe brengen ›unter die Leute, ins Gerede bringen‹. − Bdv.: gedanke 2, gerücht 4, rede, sage; vgl. geschrei 10, gleichheit 2, gleichnis 4, leben (das) 4, legende 2; 5. − Wbg.: landmärig, 2mären, märlen9 ›fabeln‹. Voc. Ex quo, F 7 (rhfrk., 1414): Fabulari [...] meren. Chron. Mainz 1, 322, 11 (rhfrk., 15. Jh.): so mogent ire erbern herrn von den stedten [...] versteen nach solicher sage und meren, so ußgeschollen und nu landmerigk ist, wie das der alt radt die stadt vertarft [...] solle hain. Oorschot, Spee/ Schmidt. Caut. Crim. 252a, 4 (Frankf./M. 1649): wann sie [Priester] etwan eine Fabel oder alt MÁhrlein von Zaubrischen hËren / [...] / so nehmen sie dasselbig nicht anders auff / alß wa˜s ein Evangelium wehre. Ebd. 347a, 29: mit solchen seinen Gedancken vn˜ MÁhrlein die gantze Statt dermassen erfÈllet / daz keiner dem andern getrawet. Palm, Veter Buoch 28, 16/19 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): Ob

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mir ein bruder vremde mere bringet, sol ich in bitten swigen? [...] Swige wir zv vnsers bruder meren, da mitte nimet er wol bilde. v. Groote, Muskatblut 79, 28 (nobd., 1. H. o 15. Jh.): nu fluch dyne nageburen 兩 die smeichafft sint vnd ir kint 兩 leren heymelichen losen 兩 vnd alle ding brengen zuo mer. Schottenloher, Flugschrr. 100, 29 (Bamb. 1523): von etlichen des Frenckischen Adels geben die lewt von den oberlendischen Reichstetten, [...], bËse mer auß. Sachs 6, 363, 4 (Nürnb. 1559): Als, was du hörest auff und nider, 兩 Tregst also merlein hin und wider. Roloff, Brant. Tsp. 343 (Straßb. 1554): Vorauß yetz mit den newen meren 兩 Thuto man der warheit zwagen und scheren. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 86, 2 (whalem., 1484): sind uf Petri und Pauli mere gen Regenspurg komen, der ku´ng von Polant habe den merenteil des ku´ngrichs ingenomen. Dict. Germ.-Gall.Lat. 316, 6 (Genf 1636): MÁre außbringen / [...], Famam promulgare. Chron. baier. St‰dte. Regensb. 502, 2 (noobd., 1403): Da rait herzog Steffan geen Freising zu den zbaien herrn, aber mit schön märn, und hiet gern lenger gefridt. − Schweiz. Id. 4, 361.

4. ›sprechsprachlich gekonnte bis literarisch ausgestaltete Kleinform fiktiven Inhalts mit Zeichenwert für etwas hinter dem Wortlaut Stehendes, damit in der Nähe zur Fabel, zur Anekdote, zum Gleichnis; rhetorisch gezielt eingesetzte Kleinform mit Tendenz zur Unterhaltung bis hin zur Täuschung des Zuhörers, dabei reduzierter Wahrheitsgehalt‹; oft Oszillation zwischen Belehrung, Erbauung, Unterhaltung. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: erdichtung, sage; vgl. gerücht 4. Schˆpper 94b (Dortm. 1550): Figmentum. Fabel gedicht mär märly fabeley / tandt fundt fÈndlin traum / geiffer. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 149, 20 (els., 1362): Dirre sant Iohannes seite gewonlich den lu´ten die mit ime wonetent ein merlin, wie [...]. Ebd. 154, 36: Ein merlin seite sant Johannes daz er die lu´te bewegete zuo erbarmeherzikeit. Enders, Eberlin 1, 147, 20 (Basel 1521): das auch jetz das christlich volck vast verdrüssig ist worden zuo hËren sollichen mÁrlin der prediger, vnd ire seelen sind dürstig nach dem lÁbendigen wort gottes. Dasypodius 66v (Straßb. 1536): Fabula, Ein gemein red / od‘ ein erdichtung / die der warheyt gleych ist / ein merle. B‰chtold, N. Manuel. Abl. 123, 301 (halem., 1525): Bin ich am kanzel menchmal gestanden 兩 Und hab vablen und märli gedicht, 兩 Die alle dahin warend gericht, 兩 Dass man ablass koufte. Maaler 281r (Zürich 1561): MÁrle (das) Fabel. Apologus, Nugæ, Fabulæ. MÁrlin hËren / oder der fablen zÈlosen. Aduertere aurem fabulis. Chron. Augsb. 9, 68, 6 (schwäb., 1544/5): Daß ire beschreibungen der historien mer ainem märlein oder selbs erwaxen gedicht dann ainer warhafftigen historien gleichsehen. Barack, Zim. Chron. 131, 33 (schwäb., M. 16. Jh.): darauss [historias] dann sovil kurzweiliger und lieblicher merlen

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und sagen erwachsen, wie das in den tafelrundt- und andern ritterbüecher zu finden. − Luther, WA 24, 243, 21; 27, 278, 15; Vetter, Pred. Taulers 42, 12.

5. ›leeres, hohles, keinem anerkannten Zweck dienendes Gerede, Geschwätz, Geklatsche; verbales Ergehen in Nichtigkeit‹; jeweils im Gegensatz zur warheit eines Bezugssachverhaltes; offen zu 6. − Phras.: jn. zu märe machen ›jn. ins Gerede bringen‹. − Bdv.: fabel, geplärre, geschwäz, weiberteiding; vgl. geblätze, geflik, geifer, gelfen (das), geklaffe, gekläpper 1, geschmäz, tenderling. Ggs.: warheit. − Wbg.: märezäler, märleindichter, märleinprediger. Luther, WA 33, 326, 39 (1531): sie haben [...] die predigt des Euangelij unter die benck gesteckt, Ablas, Fabeln, Merlin und ander gepler her fÈr gesucht. Ebd. 41, 533, 16 (1535): Ipsi ad 1. botschafft haltens fur weiber teiding, merlin. Frantzen u. a., Kölner Schwankb. 1, 64, 7 (Köln um 1490): Dae mit meicht yr mich zu meren. v. Keller, Ayrer. Dramen 348, 23 (Nürnb. 1610/8): Oder habt jr was bsonders drauß? 兩 Villeicht Fabel vnd Merle sagn? Sexauer, Schrr. in Kart. 235, 6 (Basel, um 1510): Im [dem kuchinmeister] zimpt nit ze sitzen in den zellen / meˆrlin vßzerichten. es begeb sich dann das einer kranck lige. Dasypodius 66v (Straßb. 1536): Fabulor [...], Jch schwetze / rede. [...]. Fabulator, Ein mÁrle dichter. Enders, Eberlin 1, 16, 30 (Basel 1521): do durch solich buchvÁtter vnd mÁrlin prediger allweg zu schaffen haben mit den leüten, so sy parnosisch im gewissen vrtailen vnd erschrecken. Wiessner, Wittenw. Ring 51 (ohalem., 1400/08): Secht es aver ichts hie inn, 兩 Dar weder nutz noch tagalt pring, 兩 So mügt ¨ırs haben für ein mär. Ebd. 4773: Die bösen valscheu märe sagend 兩 Und nicht, daz wir verdienent habent. Maaler 281r (Zürich 1561): MÁrle sagen / Vnnütz geschwÁtz treyben. Nugari. MÁrlesager. [...]. MÁrlezeller Adoleschos. Ukena, Luz. Sp. 581 (halem., 1575): Beitt du [Cayphae diener] frissest mich nitt so gschwind / 兩 Du Tellerschlecker vnd Orenträger / 兩 Falltthans / hälschlyffer / märisäger. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 250, 19 (oobd., 1349/50): und treibent ir unfuor mit küssen, mit unzimleichen reden und mit mærlein und verunrainent sich lesterleich. Niewˆhner, Teichner 365, 76 (Hs. 2moobd., 1360/709): dem haecht er ein langen mantel an. 兩 wann der veint geit im den wan 兩 daz im wol ist mit dem ding, 兩 [...] 兩 so pringt ers der werlt zu mÁr 兩 daz e offenbaer. Turmair 4, 7, 12 (moobd., di gehaim wırt 1522/33): davon geschiden dasjenig, so meˆr ungrüntlichen torhaiten, gedichten, märlein dan gegründter waˆrhait gemeß war. − Schweiz. Id. 14, 582.

6. ›Lügengeschichte, Unwahrheit‹. − Bdv.: fabel, geschwäz, 2lied 1, lüg(en)märe, narrenteiding; vgl. abenteuer 7, gaukelmäre. Ggs.: war (die). − Wbg.: märetand (a. 1523), märlügner, märsage (dazu bdv.: lüge 1).

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Luther, WA 12, 497, 30 (1523): die groben Sew, die also unnutz davon [Euangelio] schwatzen, als were es eyn history von Dieterich von Bern ode sunst ein meerlin. Ebd. 17, 2, 208, 24 (1525): [fabeln ...], Der die Kriechen [...] vol sind [...] wie bey uns die merlin, so die weyber [...] sagen. − Sachs 5, 326, 33 (Nürnb. 1533): Der märlügner. Nach dem sah ich ein andern man 兩 An dem berg [lÈgenberg] etwas höhers stan, 兩 Der schray Leicht mir ein layterr her! 兩 Ich hab gesagt viel newer mär. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 1, 191, 19 (Straßb. 1466): das hat er [lucas] gethan dorumb das sy [kriechen] icht wu´rden enthalten allein in den iudischen merlein [Var. 1476−1518: lugmÁren] ketzerischer valscheit: vnd auch dorumb das sy icht mit der ketzer dorechten sorgueltiglich wurden vallen von kristenlicher war. Maaler 281v (Zürich 1561): MÁrsag. Sappler, H. Kaufringer 31, 71 (schwäb., Hs. 1472): das ist war und nicht ain mär 兩 also sprach der Teichnär. − Schweiz. Id. 7, 378; 13, 1616.

7. ›Ereignis, Geschehen, Geschichte, Begebenheit in Faktenwahrheit voraussetzender sprachlicher Fassung (z. B. eines Berichtes, einer Nachricht)‹; mehrfach Reduktion des Inhalts in Richtung auf eine bloße Zusammenfassung des Umtextes bis hin zu pronominalem das, das alles (u. ä.); mit Adjektivattribut und speziell bei Reimzwang Tendenz zur Verlagerung des Inhalts von märe auf das Attribut. − Phras.: zwischen den mären ›inzwischen‹. − Bdv.: vgl. begebenheit, begebung 4, gefarnis, geläufte 3, lauf 7; 8, tanz 4. − Synt.: die / eine m. erfaren / künden, kund tun; die m. geschehen; etw. eine (böse) m. ›ein Verhängnis‹ sein; jn. der märe fragen / unterrichten; die böse / erschrekliche / glükliche / klägliche / leide / seltsame m. Lemmer, Schernb. Frau Jutte 702 (Eisleben 1565): Heiliger Vater vnd Herre / 兩 Ich klage euch klegliche mehre. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 252 (mrhein., um 1335): Awe der leiden mere, 兩 die sint mir alzu swere. Pyritz, Minneburg 5095 (nobd., Hs. um 1400): Min mÈt vor not erhischet 兩 Daz ich die mere balde ervar. Sachs 16, 47, 21 (Nürnb. 1561): Ey, ey, das sind erschröcklich mehr, 兩 Die von anfang deß reichs bißher 兩 Zu keiner zeit seyen geschehen. Roder, Hugs Vill. Chron. 78, 1 (önalem., 1519): als nun die mer in der nacht von Schweningen herin uff die fulle kund ward gethon, hatt man ain raut. Chron. Augsb. 3, 473, 27 (schwäb., 1490/1500): under den meren kamen auch ain tail priester herein in die stat und hielten mess als vor. Spechtler, Mönch v. Salzb. 46, 9 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): ‚Ein alter jud mich da began 兩 der märe fragen so zuhant‘: 兩 ‚sag mir, wachter, trawt salig man, 兩 wer hat uns Bethlehem verprant, 兩 was singest du, was hast du gesehen‘? − Sachs 16, 401, 20; Lemmer, a. a. O. 1271;

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märe

Sappler, H. Kaufringer 9, 174; Chron. N¸rnb. 2, 51, 6; Roloff, Brant. Tsp. 507.

8. ›Tatsache, Sachverhalt, Umstände, Angelegenheit, Bewandtnis‹; auch: ›Argument, Vision‹; mit Adjektivattribut Tendenz zu Inhaltsverlagerung auf das Attribut (wie bei 7). − Verstexte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: vgl. gelegenheit 2, 2 meinung 2. − Synt.: eine m. künden, sich klägliche m. ›eine Schreckensvision, Fürchterliches‹ denken, jm. eine m. anzeigen; jn. durch m. ›aus einem Grunde‹ [etw.] fragen; die fremde / kluge / nötliche / ware m. Fischer, Brun v. Schoneb. 5973 (md., Hs. um 1400): vrunt bedute mir desen spruch, 兩 des vrage ich dich durch mere 兩 wenne Maria eine myrra were. Jahr, H. v. Mügeln 1031 (omd., Hs. 1463): das dütet fremde mer, 兩 das ir sit alle kommen her. Ebd. 1840: Theologia darnach sprach, 兩 da sie die Warheit angesach, 兩 waruf ir grunt gebuwet wer, 兩 das sie ir kunte diese mer. Pyritz, Minneburg 5462 (nobd., Hs. um 1400): Wann ich weiz daz wore mere: 兩 Wer nÈ ist von mynne krank 兩 Und dem die mynne gibt kein dank 兩 [...] 兩 Kunde der einen syropel vinden, 兩 Da von der smertz im abe e 兩 Er trunk sin ein trunk durch not. Sachs 21, 406, gıng, 19 (Nürnb. 1547): Der hausknecht zaiget an 兩 Dem weib Xanti die mer, 兩 Ir herr verhayrat wer. Sappler, H. Kaufringer 28, 149 (schwäb., Hs. 1472): ich [jud] will mit cluogen mären 兩 das noch ainest hie bewären, 兩 das ir habt der götter mer 兩 dann ainen. Primisser, Suchenwirt 28, 79 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Des smorgens sind ez andrew mÁr, 兩 So ist daz haupt im so swær, 兩 Daz in niemen erwekchen mag. Klein, Oswald 26, 34 (oobd., 1427): ich swaig und redt da nicht vil wort, 兩 ie doch gedächt ich mir nöttlicher meˆre. Kummer, Erlauer Sp. 4, 184 (m/soobd., 1400/40): ich pin got gar unmÁr: 兩 ich nam die merhen all. − Wiessner, Wittenw. Ring 1203; Dasypodius 340v. 2

märe, die, vereinzelt das; -n (zu die) /-n; zu mhd. merhe ›Stute‹ (Lexer 1, 2111). ›Stute (speziell am ehesten als Reittier gesehen)‹. − Phras.: durch einer mären fist ›beim Furz einer Mähre‹ (Ausruf der Verwunderung; Parallelen im Kommentar Wiessners zum Beleg). − Überwiegend wobd. / oobd. belegt. − Bdv.: gurre, pferd 1; vgl. pflugkobel. − Synt.: die m. nemen / stelen / waschen, jm. m. (als Schimpfwort: unrede) erbieten; eine m. (Subj.) einen grossen huf haben; j. auf die m. kommen ›aufsitzen‹; die graue / grosse m. Wbg.: marchdenar ›in Geld abgelöstes marchfutter‹ (a. 1451), marchdienst ›Lei-

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stung oder Naturalabgabe (in Getreide)‹ bzw. im Zusammenhang damit (seit 12. Jh.), märenfud ›Vulva einer Stute‹ (a. 1529), märengeheier (bdv.: esel-, kühegeheier), märenheiern (bdv.: böswichten, dieben, ketzern, küheheien; a. 1531); die Wortbildungen mit -hei- sind pragmasemantisch nicht sicher bestimmbar; es kann um eine derbe Beschimpfung gehen oder aber die Unzucht mit Tieren gemeint sein; vgl. geheien, 2 heien), märensauger (a. 1589), marschild (hierher?). Luther, WA 46, 705, 28 (1537/38): Also spricht die Mutter auch zu jrem Töhterlin: du Hürlin, du Sack, du Mehre, das ist eitel köstlicher zucker (hier als liebevolle Anrede gebraucht). Quint, Md. Karl u. Eleg. 1358 (Hs. 2thür., n. 14559): Duto an uwer steln gewant! 兩 Mit freyden vnd mit schalle 兩 Ricket dy marschilde alle! Sachs 17, 97, 10 (Nürnb. 1553): [dieb] Der mir mein grawe merrhen hat gstoln. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 272, 17 (halem., n. 1529): bi 10 schilling verboten, dass keiner dem andren weder im schimpf, noch ernst sËlle ku,o mÁrhen, esel und derglichen unreden erpieten. Wiessner, Wittenw. Ring 517 (ohalem., 1400/08): [Eisengrin] sprach: ,Mıre tuot das chlagen laid, 兩 Siha, durch einr merhen fist: 兩 Ob mein pfärt gevallen ist, 兩 Waz schulden schol ich dar um tragen‘? Ebd. 579: Und hulffen do dem chüenen man, 兩 Daz er auf die merhen kam. Koppitz, Trojanerkr. 7255 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Der edel garzunn ir do nan 兩 Mitt hübschen züchten daz marck. Schib, H. Stockar 122, 26 (halem., 1520/ 9): und kost mich die mieren 30 gl rinsch [...]. Und hatt die mieren gros miechtig huf. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 150, 82 (oobd., 1349/50): ain maul. daz ist gar ain starkz tier [...]. daz kümpt von ainem esel und von ainer merhen. − Fuchs, a. a. O. 249, 28; Schweiz. Id. 1, 682; 2, 1111; 7, 518.

märe, Adj. ›berühmt, geachtet; jm. angenehm‹; vgl. am ehesten 1märe (die) 5. − Phras.: als märe [etw. tun], als [...] ›ebenso gern, als‹. − Bdv.: vgl. bekant, berufen (Adj.) 1, berümt, gerüchtigt, herlich 4, klar 6, lautbrecht 2. Helm, H. v. Hesler. Apok. 9557 (nrddt., 14. Jh.): Johannes der sach wanderen 兩 Zu dem ersten den meren [9263: Jhesus Crist] 兩 In den siben luchteren. Wiessner, Wittenw. Ring 4731 (ohalem., 1400/08): Bis auch niemant anderm swär: 兩 Daz macht dich werd und dar zuo mär! Ebd. 4945: Chlainer gwin ist got mär. B‰chtold, N. Manuel. Zugabe H. R. Manuel, 327, 634 (Zürich 1548): Ich wölt als mär min gelt verzechen, 兩 Als gen den herren und fürsprechen, 兩 Oder so liederlich verschlan. − Schw‰b. Wb. 4, 1468.

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mären − mariendistel

mären, V. 1. ›jn. verbal herausheben; etw. wie nennen‹; vgl. 1märe (die) 1; 2. − Bdv.: ausschälen 1, aussundern 3. Barack, Zim. Chron. 2, 468, 31 (schwäb., M. 16. Jh.): in seiner alten hundskappen, also hat man solchen harnasch domals gemert, gehalten und lecherlich [...] gesprochen. Ebd. 3, 28, 32: mit bitt, das er ine, [...], nit mären wellte, sonder [...]. − Schw‰b. Wb. 4, 1468.

2., s. 1märe (die) 3. marende, der/ die / das; aus lat. marenda. ›Zwischenmahlzeit‹. − Bdv.: vgl. abendessen 1, jause (die), untern. − Rwb 9, 1451 f.; Vorarlb. Wb. 2, 354; Schw‰b. Wb. 4, 1469. märenfud, märengeheier, heier, märensauger, s. 2märe.

mären-

märesager, s. 1märe (die) 5. märetand, s. 1märe (die) 6. märezäler, s. 1märe (die) 5. margaretentag, der. ›St. Margaretentag‹ (in der Diözese Konstanz der 15. Juli, bei den Dominikanern der 13. oder 20. Juli). Bihlmeyer, Seuse 136, 13 (alem., 14. Jh.): do nam er war eins tages umb sant Margareten tag, daz si mit den andren jungen swËstern waz us gegangen uf einen aker ire werk liechen. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 41, 20 (smähr. inseldt., 1414): 10 den. zwm snit zw s. Margrethentag.

margarite, die; −/-n; über mhd. margarıˆte und lat. margarı¯ta aus dem Grich. (Lexer 1, 2047; Kluge/S. 2002, 598). ›Perle‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion/ Didaxe‘.

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ein Milchprodukt (als Abgabe). − Schweiz. Id. 4, 209 (14. Jh.), dort auch Angaben zur etymologischen Einordnung. margretlein, das, -ler (der). eine Münze. − Schweiz. Id. 4, 402 (dort Weiteres; a. 1566 für erstere Form, a. 1650 für letzere). margtropf, der ; ›Schlaganfall‹. − Schweiz. Id. 4, 400; 14, 1280 (a. 1548). marholz, s. marbe. Maria Magdalena blume, die. laut Glossar zum Beleg: ›Gänseblümchen‹; Marzell (5, 354) gibt weitere Pflanzen an. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 185, 5 (osächs., 1570/7): Nim campfer als zwo erbes gros, biebergell soviel als drei erbes, Maria Magdalenablumen als viel als man zwüßen dreien fingern halten mag (Anleitung zur Herstellung von Ködern).

marial, das. ›Mariale, Buch mit der spätmittelalterlichen theologischen Behandlung der dogmatischen Stellung der Mutter Gottes, ihres Lebens und zugehöriger Glaubensgegenstände der katholischen Kirche‹. Luther, WA 30, 3, 312, 10 (1531): Sind nicht sonderlich der schebichten Barfusser und Prediger Muench buecher fur handen, solcher abgoetterey durch aus vol, als die Marialia, Stellaria, Rosaria, Coronaria und gantz eitel Diabolaria und Satanaria? Ebd. 30, 3, 313, 6 (1531): wil jch aus so viel tausent exempeln itzt das erzelen, das jnn einem Marial stehet, wie man sol die Jungfraw Maria ehren mit opffern. Ebd. 47, 581, 38. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 6, 281; LThuK 7, 1986, 46.

Helm, H. v. Hesler. Apok. 22166 (nrddt., 14. Jh.): Under den porten witen 兩 Waren zwelf margariten. 兩 Daz spricht: zu vier orten 兩 Der stat waren zwelf porten, 兩 Der ieslich von claren 兩 Zwelf margariten waren. Pyritz, Minneburg 2468 (nobd., Hs. um 1400): vil manig margariten 兩 Dar innen [schilt] sin verkastet, 兩 Der schıne doch bleichvar glastet. Bihlmeyer, Seuse 242, 8 (alem., 14. Jh.): du´ wu´nklich stat glenzet hin von durschlagem golde, si lu´htet hin von edlen margariten. Adrian, Saelden Hort 5749 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): doch ist es nu´t der wille min 兩 daz man nu werf fu´r du´ swin 兩 die edeln magariten.

marien- + Wortbildungen, s. Schw‰b. Wb. 4, 1474 ff.

margelmulchen, wohl das; Gw zu mhd. molchen, -u- ›Milch, Käse‹ (lexer 1, 2194).

Dasypodius 30v (Straßb. 1536): Chamæleon, est herba, Mariedistel. − Schweiz. Id. 13, 2002.

mariendistel, Bw auch märgen- u. ä., die. ›Mariendistel, Silybum marianum‹; Motivation von der Legende her, ,nach der die weißen Flecken auf den Blättern der Distel aus der Milch der hl. Maria entstanden sind‘ (so Marzell 4, 332). − Bdv.: fechdistel, frauendistel, milchdistel, stechkraut, weisdistel.

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mariengrosche − mark

mariengrosche, der. ›Scheidemünze mit einem Marienbild‹. − Rwb 9, 189 (16. Jh.). marienhof, der. ›nach der Jungfrau Maria benannter Wirtschaftshof‹. Grimm, Weisth. 2, 42, 19 (rhfrk., 1453): quemen pilgerin, fremde lute in die sant Marien hoffe, vnd gingen sy abe, liessen sy eynich gut, das [...].

marienman, der. ›Leibeigener eines marienhofes‹. Grimm, Weisth. 2, 41, 63 (rhfrk., 1453): ein sant Marien man, ob der sturbe, ist myner frauwen schuldig ein besthaupt. − Ebd. 42, 3; Rwb 9, 189.

marientag, der. im Phrasem kleiner marientag ›Tag der Geburt Mariae‹ (8. Sept.). Rechn. Kronstadt 3, 310, 1 (siebenb., 1551/2): Am sonntag vor der kley¨nner Marientag [...].

marienträne, die. eine Pflanze. − Schweiz. Id. 14, 686 (a. 1620 f.); Marzell 3, 431 f.; Dwb 6, 1625. mariete, wohl die; −/-n; Schreibform von margarite. ›Kranz‹. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 2, 57, 1 (Frankf. 1602): Mit seim geschütz 100 schantzbaÈrn, die alle marieten auß lorberlaub in henden getragen.

marischkentanz, s. moriskentanz. mark, das. ›Mark, inneres Gewebe der Knochen von Mensch und Tier, auch von Pflanzenstämmen‹; ütr.: ›Innerstes, Herz (im nicht anatomischen Sinne), Kraft, Lebenskraft, Wirkung‹ (teils in formelhafter Verbindung mit kern, kraft, saft). − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch Fachtexte. − Phras.: bis ins mark (hinein) o. ä.; kein mark [wo] bleiben; (jm.) geht etw. durch mark und gebeine. − Bdv.: vgl. baumkern, grund 8. − Synt.: das m. verwunden, nicht haben wollen, jm. das m. aussaugen / verzeren, das m. aus js. sele ziehen, jm. etw. in das m. stechen; das m. (Subj.) das innerste sein, auf js. finger triefen; bis ins m. erbie-

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ben, etw. in das m. nemen ›sich etw. zu Herzen nehmen‹, mit m. opfern, die anatomie von dem m. verstehen, jm. die beine unz auf das m. zerhauen; das durchgehende ›Rückenmark‹ / gute / hirzene / rinderne m.; das m. des sinnes, der macht, in den beinen, im rükgrat, von holder / kernen. Wbg.: 1marken ›das Mark aussaugen‹; märklich ›bis ins Mark‹; markschade ›Knochenmarkverletzung‹ (a. 1612), markwehtage ›Schmerz in den Knochen, im Mark‹, markwunde. Helm, H. v. Hesler. Apok. 8788 (nrddt., 14. Jh.): Wen sin [Got] gerechtikeit ist so stark 兩 (Das nemet in des sinnes mark) 兩 Daz her den sun gab vor den knecht. Ebd. 10856: Also zouc der helle wark 兩 Uz miner sele daz mark 兩 Miner geistlichen macht. Luther, WA 7, 651, 22 (1521): Drumb were es gutt, das ein schmid ein schmid blieb, ein versifex ein versifex und ließ das geystlich schwerd furen die do krafft unnd marck ynn feusten und armen haben. Ebd. 26, 477, 2 (1528): Also geschicht yhn recht, Weil sie den kern und marck nicht woellen haben, sollen sie auch die schalen und huelsen nicht behalten. Dedekind/Scheidt. Grob. 97, 4 (Worms 1551): Das halt in deiner hand so starck / 兩 Daß durch die finger trieff das marck. Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 32a, 34 (nobd., E. 14. Jh.): Jch opf‘ dir opfer mit gvtem marge daz als vil gesprochen ist als mit innerr andaht wann daz marc ist auch das inrest. Ebd. 36a, 25: daz geschriben stet Di fremde¯ haben inz marck auzgesvgen. Vetter, Pred. Taulers 30, 30 (els., E. 14. Jh.): die spise die get eime durch fleisch und bluto und marg und gebeine. Cirurgia H. Brunschwig 15ra, 34 (Straßb. [1497]): das die nücha das ist das durch gonde marck den rücken herab verwunt würt. Ebd. 27va, 4: das du machest meysseln oder wiechen vo˜ encian der wurtzelen od‘ marck von holder oder bintzenn. Sudhoff, Paracelsus 2, 355, 9 (1525/6): daraus komen große stich, schüß und der gleichen markwehetagen. Ebd. 5, 419, 1 (1527/8): Von markwunden anatomei. So verstant auch von dem mark sein anatomei, so es zu bösem geˆt, so durchgeˆt es das bein. Maaler 47v (Zürich 1561): Außtruck vnd marck von gesottnen kernen (hier: ›Extrakt‹). Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 7 (Genf 1636): Marck / das inwendigste in denn Beinen / oder Holtz. Ebd. 10: Marck außziehen / [...] emedullare. Henisch 8 (Augsb. 1616): An einem baum seind die rind / der safft / das fleisch / die neruen / adern / das marckt / das schmeer. Hˆver, Bonaventura. Itin. B 607 (moobd., 1450/60): es mag auch niemannt recht begeren, nur allain der, den des gotleichen gaists few´r marckleich (medullitus) durch dringet. Deinhardt, Ross Artzney 204 (oobd., 1598): Wann ain pferde ain sucht in ainem bayn hat [...] nimb speckh, schmirr od(er) innslet von ainem pockh vnd rindtern marckh. Kummer, Erlauer Sp. 5, 152 (m/soobd., 1400/40): ich zee di pain unz auf das markch. − Luther, WA 10, hau ım 3, 140, 23; 300, 10; 350, 22; 14, 379, 23; 21, 28, 25;

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mark

Perez, Dietzin 1 404, 30; Sermon Thauleri x viiiva; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 193; Deinhardt, a. a. O. 190; Maaler 271r; 336v.

mark I, die; wohl gleiche etym. Grundlage wie march II (Dwb 6, 1635; Pfeifer, Et. Wb. 2000, 839). 1. ›festgelegte Gewichtseinheit, die je nach Gegenstand unterschiedlich bemessen wird und als Maß für Schwerebestimmungen sowie für Preisfestlegungen dient‹; fließender Übergang (Metonymie) zu 2. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 6, 296. − Phras.: nach der mark arbeiten ›den Arbeitslohn nach dem Gewicht der bearbeiteten Sache bemessen‹. − Bdv.: gewäge I, 2, gewicht 3; 4; lot 2; vgl. bürde 2, 1gran, grien 3 (recte: 4), last 3. − Synt.: etw. x m. lot haben / wegen, etw. (z. B. ein napf ) x marke schwer sein, x m. wegen, [eine Maßeinheit] rogge x m. lot halten; das silbergewicht marcha heissen (in Mailand); die m. um x unzen bestehen; an 1 m. x plappart, auf 1 m. x schillinge gehen; die m. kupfers / silbers / geldes / goldes, die lötige m. silbers (mehrfach); die farende / liegende / geschikte / gemischte / gewegene / kölsche / lötige / neue m. Wbg.: markhaupt, markstein I ein Dreizehntel eines Silbergewichtes, etwa die Hälfte eines markhauptes. Herborn u. a., Rechn. Jülich 93, 40 (rib./snfrk., 1398/ 9): mit den pelle(n) vogele(n), die wa(re)n eyne sijde sijlve(r)n ind die and(er) sijde sijlve(r) ind oev(er) gült, dat woich same(n) VI½* mark VI½ loit ind I hellinck gewichte. Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 173, 33 (preuß., 1402−4): so machen czu Grossen Nawgarden 13 marcsthein 1 stucke sylbers unde 28 marthowpte machen do 1 marcstheyn. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 266, 27 (preuß., 1415): das cleyne gelt wart geschicket off die lotige marc silbers 1 marc 8 scot kopper, und wart gechroten off dy gewegen marc 5 firdung geczalt. Schmidt, St. Kastorst. 2, 253, 42 (mosfrk., 1473): nemelich der eyne Colsche marck nuynzehen grate fyns gouldtz heldet. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 111, 45 (omd., um 1559): wolten gewercken ader ihre vorsteher after, sandt etc. nach der marck zu arbeiten. Palm, Veter Buoch 38, 9 (schles., Hs. E. 14./A. 15. Jh.): vnd brant ez [gut] in mitten in der stat. Das liez sie alle ir minnere an sehen, des was virzic marc goldes. Koppitz, Trojanerkr. 16639 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Der selben nepffe on allen hass 兩 Warend vier tussend oder bas, 兩 Der minste waz drü marke schwer. Leisi, Thurg. UB 7, 558, 11 (halem., 1387): ze gebende drye und drisig marck silbers des obgenanten brandes

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und gewÁges. Welti, Stadtr. Bern 382, 28 (halem., a n. 1437): dz si einen wagstein haben sËllent, der wegen sol vierzechen march. Ebd. 443, 29 (1466): Bern plaphart, die i sËllent halten zem halben VII½ lott an das korn vnd sullent hundert vnd IIII plaphart an ein geschickte marck gän. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 4 (Genf 1636): Marck / ein gewiß gewicht. M¸ller, Welthandelsbr. 125, 19 (schwäb., 1506): So ist darnach silber gewicht zu Mayland; haist man marcha. Bastian u. a., Regensb. UB 444, 31 (oobd., 1376): es het der semelrok 5 mark aˆn 2 lot und der rok 6 mark an 1 lot. Chron. baier. St‰dte. Mühld. 398, 15 (moobd., 2. H. 14. Jh.): Allev maz geleich nach dem alten recht, alz di stat gesatzt ist, die chauf geleich, di marich geleich, di emer geleich. − K¸ther, UB Frauensee 110, 25; Goerlitz, Magd. Schöff./Posen 116, 12; Bihlmeyer, Seuse 282, 27; Hauber, UB Heiligkr. 1, 436, 10; Welti, a. a. O. 442, 8; Rennefahrt, Statut. Saanen 33, 22; Bastian u. a., Regensb. UB 57, 19; Rwb 9, 201 f.; Schweiz. Id. 8, 175.

2. ›einzelne Zähleinheit innerhalb eines Systems solcher Einheiten‹; speziell: ›Währungseinheit, deren Wert auf dem Edelmetallgehalt der Münzen als des wirtschaftsräumlich und -rechtlich gültigen Zahlungsmittels beruht‹. − Phras.: (ein hoher Betrag, z. B. 100, 500, 1000) mark steht für etwas übermäßig Teures oder Unmögliches, x (ein kleiner Geldbetrag, z. B. 1) mark steht für etwas Geringfügiges, Symbolisches. − Bdv.: vgl. geschok, gewicht 4, gewiege, libra, 2pes, (-)pfund. − Synt.: x m. begeren / gewinnen / nemen, jm. x m. abschlagen / schuldig sein; der zol marka heissen (in Catalonia), jm. x m. werden (als Besitzangabe), x m. als ingeld gefallen, mit x (einer, zwei) mark(en) etw. (z. B. das bauermal / bürgerrecht, die innung) gewinnen, j. unter 1 m. (Besitzuntergrenze für die Besteuerung) haben ›besitzen‹. Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 965 (mrhein., um 1335): Ir [bode] sollent han zuo bodenbrode 兩 hundert mark vnd ein vil gut pert. Hertel, UB Magdeb. 3, 710, 16/9 (omd., 1503): szo ymandts hergewede, radeleve ader erbe [...] furdern wolte, der sal bawer und burger sein ader sein bawermal mit zweyen margken gewinnen. Ermisch, Freib. Stadtr. 288, 15 (osächs., um 1465): er habe danne sein burgerrecht und dornoch sine ynnunge gewonnen mit eyner marg, das sind vir schillinge nuwer groschin Friberger muntcz. Ebd. 53, 24 (1335): Waz ein man under einer marc hat, he bege sich is oder nicht, davon darf he nicht schozzen. Ebd. 110, 8 (1355): wo einen man got berate, daz im werden dri marc oder zwu, daz he denne eine gebe, von vir marken oder von sechsen zwu

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mark

unde daz also lange tribe, biz daz im ein genant gelt werde (Regelung der Buße im Falle von wunde und todslac). Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 116, 5 (omd., um 1559): Wen ein neufenger in seiner fundtgruben ader maßen ercz trifft, drey marg und einen virding. Bihlmeyer, Seuse 414, 12 (alem., 14. Jh.): ein nu´t rechen, da du dich wol mËhtist rechen, daz ist reht, als ob du im hundert march opfretist. Ebd. 499, 4: Dir [Herre] sint doch tusent marg als ein pfenning zuo lassende. Koppitz, Trojanerkr. 24056 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Wer ainen balg geltten müss 兩 [...] 兩 Er were nach fünff hundertt mark wertt. M¸ller, Welthandelsbr. 280, 31 (schwäb., 1414/5): Noch ist ain zol haist la marcka. Klein, Oswald 59, 41 (oobd., 1422): Viertausent marck begert ir herz 兩 und Hauenstain. Kummer, Erlauer Sp. 3, 141 (m/soobd., 1400/40): Herr, mein lon ist gros und starkch, 兩 ich nim nicht minner den hundert markch. − Helbig, Qu. Wirtsch. 3, 18, 33; 123, 35; Wiessner, Wittenw. Ring 1818; Rwb 9, 201 f. − Vgl. ferner s. v. ingelt.

mark II, das/die, marke, die; -π (für die mark) / -π (für das mark); Belegung der angegebenen Formen unterschiedlich: marke relativ selten; für die Ansätze 1−3 herrscht das, für 4 die vor; in vielen Fällen ist die morphologische Grundform nicht sicher feststellbar. 1. ›Marke, Merkzeichen sichtbarer, ütr. auch geistiger Art‹; im einzelnen: ›körperliches Unterscheidungsmal; Eigentums-, Herkunftsmarke, Eichzeichen, Gütesiegel‹; im eigenen Material schwach belegt; vgl. aber das Rwb 9, 198 f. − Bdv.: vgl. beile (die) 1, kerbe 1, merkzeichen. − Synt.: etw. (z. B. die wage, ein mas) ein m. haben, sein m. auf holz, auf ein gut schlagen, jm. ein m. an die ferse brennen; das m. des richters, die marke der stat, sinnes marke. Wbg.: markeisen, märken, marksiegel. Helm, H. v. Hesler. Apok. 14645 (nrddt., 14. Jh.): Nu merket die glosen vaste 兩 Mit tigerer sinnes marke. Fastnachtsp. 123, 35 (nürnb., v. 1486): Laß dir ein mark an die fersen prennen, 兩 So kenn ich dich auß andern knaben. Winter, Nöst. Weist. 2, 763, 30 (moobd., Hs. E. 17. Jh.): im fall aber der metzen nicht gebrent, sollen sie denselben mit des gemeinen marktß marcheisen brenen. Siegel u. a., Salzb. Taid. 142, 19 (smoobd., 15. Jh.): Welcher holz schlüeg in dem gemain wald und sein marich nit darauf schlüeg, was [...]. Ebd. 237, 29 (15. Jh., Hs. 1673): es soll auch alle waag, mass, eln und müllmezen gemärkt sein und alle jahr beschaut werden. Ebd. 31: der traid verkauft [...] ohne mass, das es des richters march nit hat, waß [...].

2. ›in einen dazu geeigneten Gegenstand (z. B. in einen Baum) eingeschlagenes, in der Erde angebrachtes (usw.)

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Grenzzeichen, Markzeichen; Baum, Pfahl, Stecken, Stein, Erdvertiefung, Rain, sofern sie der Markierung einer Raumgrenze dienen‹. − Wobd. / oobd.; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: 2lache 1; vgl. ausreiner, bimark 2, gemarke 2, grenzwer, lachung, lewer, 2 loh 2, mal (das) 2, 1mal 兩zeichen 2; markscheide, stein 12. − Synt.: ein m. machen, das m. ändern / auswerfen / freveln ›beschädigen‹ / stossen ›einkerben‹ / verrücken, die m. stümmeln, marken abtun / auszeichnen / ausziehen / erfrischen / setzen; die marke (Subj.) umgefallen sein, verderbt werden; etw. (Akk.obj.; z. B. das haus / holz) mit marken auszeigen, etw. (Subj.) mit marken umgriffen / umfangen sein; m. an einem holze; das / die offene / rechte / sichtige m. Wbg.: markschädiger. Boner, Urk. Aarburg 65, 7 (halem., 1459): das by kurti zem zitt marchen zwuschent dem ampte Arburg und der grauffschafft Willissow [...] gesetzt und also ussgezeichnet worden sind. Vock, Urk. Hochst. Augsb. 232, 11 (schwäb., 1370): der Stadel und die Hofreite, alz es ietz mit marken, mit undergengen, mit zuˆnen umbgriffen und umbfangen ist. Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 1371, 11 (moobd., 1397): als die march zaigent, da das alt pau hin geraicht hiet. Winter, Nöst. Weist. 1, 562, 12 (moobd., 1570): der [...] er ainen marchstain außwuerf [...] soll an dem leib gestrafft werden nach seinem verdienst wie eim marchschödinger geburt. Siegel u. a., Salzb. Taid. 11, 43 (smoobd., 1637): March, als stain, paumb, rain, grueben und stecken, deren kaines verruckt, geändert noch gefräfelt werden solle. Ebd. 29, 35 (1625): darnach der landambtmann [...] marchstein ze le¨gen, marchstecken schlagen oder in die pämb sichtige march ze machen. − Fuchs, Kart. Aggsbach 38, 99; 272, 4; 337, 4; 407, 14; Rwb 9, 197.

3. ›markierte oder gedachte Grenze, Grenzlinie zwischen Grundstücken, Raumflächen‹; eng an 2 anschließbar. − Wobd. / oobd.; Urkunden, Weistümer. − Bdv.: anstos 6, frontier, grenze 1, 2lache 1, 1letze 1, rein, ziel; vgl. angrenze, banzug, beleit 3, (-)kreis. − Synt.: die m. überzäunen / ären, der schifweg die marken geben; der fartweg das m. sein; für das m. herfür treten (bei einem Grenzkonflikt), um eine m. kriegen, sich um ein m. zweien, banzäune x schuh von dem m. richten ›aufstellen‹; die marke des erbes / gartens / hofes / reiches; das rechte m. Wbg.: markbaum, markbuch, markeiche, markenpfal (a. 1508 ff.), märker 1 ›mit der Überwachung und Einrichtung der Mark Beauf-

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mark

tragter‹ (a. 1417 f.; s. dazu auch Kramer, Volksl. Bamb. 1967, 24), markstange ›Grenzpflock‹, markstecke, marktanne (a. 1633), markweg (a. 1502); ein Teil dieser Wortbildungen auch von 2 her motivierbar. Boner, Urk. Brugg 418, 28 (halem., 1541): ob nit dis ir alther vnd rechter pruch sie, das der schiff weg vff der Aren zwischen ihnen die marchen und lachen gebe. Wopfner, Urk. Agrargesch. 321, 12 (oobd., 1381): marchpaum und smerpaum habend ir besunder recht, wann von ainem smerpaum nider ze schlachen ist die puzz, dem selben sein hant auf dem stock abschlachen oder 60 pfening und 5 pfunt pfening, desgleichen ist von marchpaum. Winter, Nöst. Weist. 1, 259, 31 (moobd., 16. Jh.): kam aber der lantrichter ehe und drät ainer fur das march herfur und wolt schaun wie man den daheer fieret, derselbig ist pueß verfallen. Siegel u. a., Salzb. Taid. 12, 20 (smoobd., 1637, Hs. E. 17. Jh.): peuntzeun seind dridthalben schuech von dem mark oder rain zu richten. Ebd. 36, 32 (1625): Wer ainen überpaut, uberschneidt, ubermähet oder uber die march uberzeint, spricht der nachbahr zu diesem ,du hast mich uber die march uberfahren‘ spricht dann der ander [...]. Ebd. 84, 6 (1654/68): wo andere auf das march zein, soll er den marchstecken herausser seines zauns lassen. Ebd. 101, 23 (1671): auß der Vilzgassen auf gen Spieglsperg in die marchaich der Langwidt nach. − Rennefahrt, Zivilr. Bern 784, 9; Winter, a. a. O. 1, 62, 46; Siegel u. a., a. a. O. 29, 34; Maaler 284r; Rwb 9, 194; 206; 208; 232; Schweiz. Id. 10, 286; 1101 (a. 1494); 13, 70; 15, 835; Öst. Wb. 2, 657.

4. ›durch Grenzen natürlicher Art oder durch Grenzziehungen politischer, rechtlicher, wirtschaftlicher Art zustandegekommene Fläche, Einheit eines geographischen, rechtlichen, wirtschaftlichen Raumes, umgrenztes Gebiet‹; extensional bezogen auf Inseln, Waldgebiete, Grundbesitz, Dorfgemarkungen, Weidetriebe, Stadtgebiete, Grenzmarken. − Bdv. (bzw. im Orientierungsfeld): dorf, gericht (das) I, 7, insel 1, kirchspiel, kreis, stat (die) 3, wald, ziel; vgl. art 6, banforst, banmeile, bannerei, banschaft, begrif 5, burgfriede, confin, 1gebiet 2, gegend 1, gemarke 1, gemärkt 1, gemarkung, gezirk 1, grund 6, land 8. − Synt.: eine m. (inne)haben / behüten, das mer eine m. ›Insel‹ machen; die m. [wo] angehen / wenden, frei / ledig stehen, die marken sich scheiden; der marken halb im gespan sein; auf die m. geschos ›Steuer‹ setzen, in einer m. sitzen, jn. in der m. verunrechten, in der m. eigen / gut haben, wald in js. m. gelegen sein, in seinen marken sein gut frieden ›rechtlich si-

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chern‹, innerhalb der m. etw. bauen, innerhalb den marken gesessen sein, von einer m. fart tun, jn. ferre von einer m. faren; die m. des dorfes / hofes, die marken des landes; die brandenburger / windische / sinsheimer / eigene / gemeine / gemärkte / versteinte m., die troische marke; das ende der m.; recht auf der m. Wbg.: markbrief ›Beschreibung der Grenzen einer mark‹ (a. 1427 f.), markenbrüchte ›Vergehen gegen die Ordnung einer mark‹ (a. 1584), markenspan ›Grenzstreit‹ (16. Jh.), märker 2 ›Nutzungsberechtigter an einer mark‹ (seit 13. Jh.) sowie ›Aufseher über das Gemeindeland‹ (a. 1520); märkerding ›Versammlung der märker‹ (seit E. 13. Jh.), märkerdingtag, märkermeister, markholz (verdeutlichend zu ›Waldgebiet‹), marklosung ›Vorkaufsrecht eines Angehörigen bei einem anstehenden Verkauf eines Gutes an einen Markfremden‹ (a. 1588; s. Schw‰b. Wb. 4, 1480), markreite ›Gemarkung‹ (Gw zu Reite ›Hofplatz‹; Dwb 8, 766), marktag 2 ›Versammlung der Angehörigen eines oder zweier Orte zur Erledigung innerer oder die Markgrenzen betreffender Fragen‹ (Gw zu tag 9; a. 1540), markziel ›Grenze der mark‹. Peil, Rollenhagen. Froschm. 494, 7224 (Magdeb. 1608): Stehe fest mein Mann / es wird sonst arg / 兩 Du tregst die BrandenbÈrger Marck (poetisch). Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 292, 1 (mosfrk., 1340): in nemore de Nikedich, que ein marke vulgariter nuncupatur. Grimm, Weisth. 5, 320, 2 (hess., 1484): zu welcher zit jerlichs inne der mark ekern ist, das sollen [...]. Ebd. 6: wie fiel ein waltpot, die merkermeister und ein iglicher merker oder lantman schwine inne das ecker druben [...]. Ebd. 33: wie dicke ein waltpot not bedunkt merkerdinge zu halten, so mag er [...] einen mekerdingtag [...] verkunden laissen. Pyritz, Minneburg 1420 (nobd., Hs. um 1400): Sie tÈ in [mynner] in gedenken varn 兩 [...] 兩 Vil verre von der mark, 兩 Da er gern wolte sin. Dinklage, Frk. Bauernweist. 43, 7 (nobd., 1451/69): das unser herschaft sein her und voyt und zu verbiten und zu erlauben auf recht auf der marck und straßen im dorf. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 379, 19 (nobd., 1515, Hs. A. 16. Jh.): einen morgen zinseigen weingarten ufm Gleßberg in der mark Wurtzpurg gelegen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 299, 14 (Straßb. 1466): Die ambechter die enphiengen kein andern teyl in dem land neuer die stet zuo entwelen. vnd ir merckt [Var. 14752−1518 / Luther 1545, Jos. 14, 4: Vorstedte] zeweyden die schweygen vnd ire vich (semantisch hierher; epithetisches -t von merckt sowie Vorstedte der Alternanten lassen auf se-

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mark − markgraf

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mantische Interferenz mit markt 4 schließen). Koppitz, Trojanerkr. 22572 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): von Troyscher marcke 兩 Getün ich niemer trites vartt. Wiessner, Wittenw. Ring 7675 (ohalem., 1400/08): Meichsen ist ein stat allain 兩 Und hat ein march für sich gemain. M¸ller, Nördl. Stadtr. 8, 16 (schwäb., 1290/1300): vrau oder man die ein selgeraet git [...], hinzze sant Georien oder an diu klËster, daz in der stat markraeit leit. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 449, 19 (schwäb., 1574): soll es fürterhin bey jetziger vermarckung bestandhaft und creftig verbleiben, doch sollen sy die gefahrliche muttwillige einfeng, ybergrif der hecken, heger, zounstellinen und graben [...] innerhalb. sechs jaren einziehen, also das die marck frei, ledig steen sollen. Wopfner, Urk. Agrargesch. 303, 7 (oobd., 1376): Wir sÈllen auch Ènser vich auf dez vorgenannten goczhaus marckholcz und panholcz auf new sleg nicht treiben. Turmair 4, 54, 10 (moobd., 1522/33): das [mer] macht groß weit seˆ, auen und werd, künigreich und march, so man in latein insl nent. Ebd. 68, 21: Die windisch mark [...] hat ingehebt der helt Jader. Winter, Nöst. Weist. 1, 74, 10 (moobd., 1617): dieselbigen rain oder markzill wie sie genant sein, mit stock stain wasser oder mit paumb, die soll man haben in wohlbewahrter huet. − Weingart u. a., Seelb. Rhodt 166, 58; Struck, Joh. Pfannstiel 116, 35; Wopfner, a. a. O. 329, 3; Dinklage, a. a. O. 59, 35; Rennefahrt, Zivilr. Bern 43, 2; ders., Statut. Saanen 33, 14; 165, 36; Turmair 1, 55, 24; Rwb 9, 191; 210; 212 ff.; 216; Schweiz. Id. 5, 468; 12, 934; Vorarlb. Wb. 2, 358; Maaler 196v. − Vgl. ferner s. v. bauernsame, jarding.

Gall.-Lat. 316, 13 (Genf 1636): Marcken / Marckstein setzen. Fuchs, Kart. Aggsbach 236, 19 (moobd., 1411): yedm man seinen tail auz dem holcz, als sy es selb ausgezaigt und gemarcht habnt, geraint und gestaint [...] habnt. Winter, Nöst. Weist. 1, 488, 31 (moobd., v. 1480): Wäre aber das die vierer [...] unrecht wollten marchen oder unrecht gemarcht hetten, so [...]. − Siegel u. a., Salzb. Taid. 18, 4; Rwb 9, 209 (mit weiteren Bedeutungsansätzen); Vorarlb. Wb. 2, 358.

mark, (der), s. markt. markbaum, s. mark II, 3. markbrief, s. mark II, 4. markbuch, markeiche, s. mark II, 3. markeisen, s. mark II, 1. 1 marken, s. mark (das). 2 marken, V.; zu mark II. ›die Grenze von Liegenschaften ausmessen, festsetzen und mittels geeigneter Zeichen markieren‹; vgl. mark II, 2. − Bdv.: auszeich(n)en 1, auszielen 1, auszeigen 1, 1hagen 1, reinen, steinen, zielen. − Synt.: etw. (z. B. einen acker) m.; nach recht, redlich / (un)recht m.; mit m. (subst.) sich frevel begehen. Wbg.: marker (Beleg s. v. markung 2).

markgenosse, auch marken-; der ; −/-n (+ Uml.). ›Teilhaber einer Waldgenossenschaft‹; in den Belegen bezogen auf das Recht der Eichelmast; vgl. mark II, 4. − Bdv.: vgl. alpgenosse, alpgeselle, anparter, bender 2, bergherre 3, bergteile, gemeinder, genos 2, stolner, teiler 3, teilgenosse.

Grimm, Weisth. 2, 494, 9 (mosfrk., 1563): so jemandt marckens von nöthen, soll es ahn dem vogt angesinnen, der sol ihme der markung thun [...]. schwester vnd bruder mögen nur einmal mit einander marckhen. Schib, H. Stockar 146, 8 (halem., 1520/9): Uff dye zitt han ich mit Simon Binder müsen markan und hain im aingewunen dye muren zuwend im und mir nach lutt des markbryeffen. Dict. Germ.-

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marken, s. markten.

märken, s. mark II, 1. markenbrüchte, s. mark II, 4. markenpfal, s. mark II, 3. markenspan, s. mark II, 4. märker 1; 2, s. mark II, 3; 4. märkerding, märkerdingtag, märkermeister, s. mark II, 4. marketenden, V., aus ital. marcatante. ›Kleinverkauf treiben‹. − Wbg.: marketender (a. 1566 f.; bdv.: markthoke). − Schweiz. Id. 4, 403 (a. 1637); Rwb 9, 217. marketender, s. maketenden.

Grimm, Weisth. 3, 140, 48 (nd./wfäl., 1603): die markengenössen, so der [...] mast zu geniessen berechtigt. Ebd. 141, 24: Niemant von den baurmennern oder sonsten markgenossen soll fremde biester [...] in diese marken zu weiden annehmen. Ebd. 5, 331, 33 (mosfrk., 1388): domini nostri hoc ius in silva [...] et villam habent in Erpele pertinens, quod sunt comparticipes eiusdem silve, videlicet markgenosz nuncupati. − Rwb. 9, 219.

markgraf, mit altem jan-Suffix auch -gräfe o. ä.; −/-en. ›Markgraf, Titel für Adlige fürstlichen Ranges‹; in frnhd. Zeit außerordentliche Unterschiede in Machtstellung und Funktion des Titelinhabers; vgl. mark II, 4, graf. − Zur Sache: Hrg 3, 316 f.; Rwb 9, 229 ff.

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markgraf(en)tum − markscheide

− Bdv.: vgl. marquis. − Wbg.: markgraf(en)tum, markgräfin, markgräfisch (1. H. 15. Jh.f.), markgräflich (um 1500 f.), markgrafschaft (a. 1400 ff.). Luther, WA 29, 197, 8 (1529): da spricht civis so: Marggraf ist ein her, rex Bohemiae est dominus. Peil, Rollenhagen. Froschm. 495, 7229 (Magdeb. 1608): Biß der Margraff die Leut ermant / 兩 Vnd den Feind abtrieb aus dem Land. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 482, 15 (rib., 1339): Wir Wilhelm van godes gnaden markgreve van Gulich doin kunt. v. Tscharner, Md. Marco Polo 23, 8 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Des wizen festis gar vru kumen alle kunige, vurstin, herczogin, markgrevin, grevin, bayorn. Dienes, E. Gros. Witwenb. 70, 13 (Nürnb., 1446): Die drit [witwe] ist Elyzabeth, die margräfyn von Düringen. Sachs 13, 2, 61, 14 (Nürnb. 1546): ein eylende boß, 兩 Wie das mein edle braut schon kumb 兩 Und sey schon in dem margraffthumb. Adrian, Saelden Hort 4892 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): margraven, graven, herzogen 兩 der git tuto stiften raisen 兩 und machot witwen, waisen. Koppitz, Trojanerkr. 9595 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Der schuldige do ze stund 兩 Naigtte füss, hoptt und mund 兩 Ze der erden für die margrävein. Fuchs, Kart. Aggsbach 140, 9 (moobd., 1397): Wir eWilhalm und Albrecht vettern, von gotes gnaden herczogen ze Osterreich, [...], graven ze Habspurg, [...], marggraven ze Burgow und lantgraven in Elsazz. Klein, Oswald 41, 36 (oobd., 1431/2): von Cölen, Mainz und Triel drei bischof hoher zeich, 兩 Phalzgraf bei Rein, Marggräf Brandburg gemachet. − Ermisch, Freib. Stadtr. 34, 2; Wiessner, Wittenw. Ring 3379; 7272; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 18.

markgraf(en)tum, markgräfin, markgräfisch, markgräflich, markgrafschaft, s. markgraf. markhaupt, s. mark I, 1. markholz, s. mark II, 4. märklich, s. mark (das). marklosung, s. mark II, 4. marko, wohl der. ›Markensafran (aus der ital. Mark Ancona)‹; vgl. mark II, 4. Helbig, Qu. Wirtsch. 3, 27, 26 (md., 1444): Pypper hät gulten 4 fl. minus 4 gr., marko 6 sch. und och minder.

markolf, der ; zu dem Namen Markolf; zu dessen literarischen Bezügen: Fuchs (s. u.), S. 430; zu den Synonymen in den rezenten Mundarten: Dwa 15, 1; dazu: E. Schˆnbrunn-Kˆlb, in: Zmf 25, 1957, 92−122; 129−174.

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›Eichelhäher‹. − Bdv.: vgl. häher, herrenvogel. Apherdianus 147 (Köln 1575): Garrulus, markolff / hÁher. Fuchs, Murner. Geuchmat 3721 (Basel 1519): So wer mir worlich wol beholffen, 兩 Das ich trÈg ein solchen marckolffen, 兩 Dich vnflat trÈglich in mynem hertzen. − Voc. Ex quo, G 250; Suolahti, Vogeln. 1909, 202.

markpfund, das; Mehrzahl der Schreibungen des Bw: mark-, seltener markt-. Bei Annahme der Erleichterung von Mehrfachkonsonanz ist volksetymologischer Bezug auf markt 2 möglich, wofür auch bdv. krampfund spräche; als wahrscheinlicher gilt der Bezug auf mark I, 1. ›auf dem Gewicht der Mark fußendes Handelsgewicht‹, damit: ›marktgängige Währungseinheit‹; vgl. mark I, 1; 2. − Texte aus dem Bereich des Deutschen Ordens. − Bdv.: krampfund. Helm, Maccabäer 6071 (omd./nrddt., Hs. A. 15. Jh.): Drierleie pfunt waren do; 兩 daz minneste pfunt was also: 兩 vumfzic marcpfunt was gewere 兩 ein einic pfunt der kremere, 兩 so waren sibenzic marcpfunt 兩 der burger ein pfunt in der stunt; 兩 die sweresten pfunt waren die: 兩 zwenzic unde hundert pfunt hie 兩 marcpfunt, [...], 兩 daz was daz grozte pfunt vurbaz. 兩 Die grozten pfunt gehorten do 兩 zu kungen, vursten, dem templo. Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 103, 3 (preuß., e 1400−2): so habe wir czu Thoron in unserm trezil 24½ steyn und 9 marc웩 musschaten. Ebd. 173, 7 (1402/4): 1 wage in Vlandren ist 30 nayle unde 1 nayl machet 6 marc웩. Ebd. 174, 10: eyn czentener machet czu Thorum 100 unde 20 marc웩 gerade. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 509, 7 (preuß., 1428): so haben die stete hyr gehat iczliche ir gewicht und haben die kegen denandern geicht, so das man etlich underscheit findt czwischen dem cram- und marktpfund. Ebd. 2, 6, 20 (preuß., 1436): von dem mark- und crom-pfunde, von dem scheffel und tonnen ist besloszen, das [...]. Ebd. 61, 20 (1438): das marktpfundt ist 2 scot gewichte swerer denn das crompfund. Ebd. 3, 85, 28 (1448): eyn yderman doheyme spreche von der wichte, alse vom krampfunde und markpfunde umbe der gebrechen willen, die dovon komen, das die rechtverdich gehalden werden, czur nehesten tagefarth dovon inczubrengen iglicher seyner eldesten gutduncken. − Rwb 9, 233.

markreite, s. mark II, 4. markschade, s. mark (das). markschädiger, s. mark II, 2. markscheid, s. markscheide. markscheide, die; meist mit Erleichterung der Mehrfachkonsonanz: -rk兩sch- zu -r兩sch-.

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markscheiden − markstein

›Grenzziehung zwischen Grubenfeldern (1 Beleg)‹; als Metonymie: ›zwischen Grubenfeldern / Bergbauten gezogene Grenze‹; auch: ›Grenzzeichen‹ (1 Beleg im Rwb, s. u.); vgl. mark II, 2−4. − Omd. und östliches Inseldt.; bergbaubezügliche Texte. − Bdv.: vgl. feldrändung, gescheid 2, grenze 1, landmark 1, landscheidung 1. − Synt.: die m. (›das Grenzzeichen‹) zerbrechen / bewilligen / machen, nach dem kompas richten / schlagen; die m. (Subj.) geschehen (mit Zeitangabe); die flache (wohl ›oberirdische‹) / stehende / obere / untere / willige m.; die m. des stollen. Wbg.: markscheid (›Grenzzeichen‹; a. 1539), markscheidezettel, markscheidezug. Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 148, 35 (osächs., 1530): Am freitag [...] ist die marschede geschen uffn Mogkenberge zwischen Monzers zeche und Sant Nicklas. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 120, 4 (omd., um 1559): Begebe sich’s aber, das zwene stolen in eine fundtgrube ader maße, einer von der obern, der ander von der untern margscheide kommen und also gegen einander fahren. Ebd. 188, 27 (1554/1633): Marscheidtzüge müßen die marscheider alle gründlich sambt den örtungen [...] dem bergkmeister beschrieben geben. Ebd. 214, 7: Willige marscheiden mögen wohl gemacht und bewilliget werdn zwischen zweyen gewergschaften, doch nicht ohne bewilligung und ohne genugsambe volmacht der gewercken, und das dieselbe marscheide den nechst beyliegenden zechen ohne schaden und nachtheil sey. Ebd. 218, 12: Ihme [bergkambtsdiener] gebührt auch die marscheidezettel alle quartal einzuschreiben. − Piirainen, Igl. Bergr. S. 96; Rwb 9, 236 f.; Jelinek 491.

markscheiden, V., unr., abl. ›aneinander grenzen (von zechen)‹; tropisch dazu: ›(Grubenfelder, Gänge, Grenzen u. a.) vermessen‹; vgl. mark II, 4. − Bdv.: feldländung, steinung; vgl. markung 2. − Wbg.: markscheidung ›Markierung von Grundstücksgrenzen‹. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 129, 26 (omd., Hs. M. 17. Jh.): Wenn es nun der bergkmeister vergönstiget, alßdann sollen die negstgelegene zechen, so mit einander auf einen gange marscheidten, uf gleiche costen den lochstein hineinbringen. Ebd. 132, 6: der bergmeister [...] soll am negsten lochstein, der mit demselbigen feldt marscheidtet, [...], anhalten ihnen ihre maßen aufs neue geben. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 23 (Genf 1636): Marckscheydung / f. FeldlÁndung / vnd Steynung. − Rwb 9, 237; Veith, Dt. Bwb. 334.

markscheider, der ; -s/-π. ›vereidigter Vermesser von Grubenfeldern und Grubenbauten, auch von Grund-

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stücken generell‹; zu markscheiden. − Bdv.: vgl. ausmesser 1, austeiler 4, erdenmesser, landmesser. − Synt.: einen m. nemen; die m. gleiche ordnung halten, der m. die gewerken mit dem lone übersetzen ›überverteilen‹, dem bergmeister die züge beschreiben, die ordnung des ganges vermessen, an den tag bringen; dem m. (nicht) kost / zerung geben; der geschworene / gesezte m.; der eid des markscheiders. Helbig, Qu. Wirtsch. 4, 341 (md., 1499/1500): So der martscheyder (hier formale Beeinflussung durch 1mart) die gewerken in gemeinen tzugen, [...], mit dem lone vbersitzenn wolte, solchs [...]. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 95, 7 (omd., um 1559): da soll der berckmeister befhelen, das die ordnung und streichens desselbigen ganges durch den geschwornen marscheider an tag gebracht und alsdan nach berckleuftigem gebrauch vormeßen werde. Ebd. 188, 22 (1554/1633): Marscheidern giebet man alhier weder kost noch zerung. Und do sie mit den marscheidelohnen die gewercken zue hoch überseczen wollen, das stehet bey des bergkmeisters und geschwornen erkentnus. Ebd. 194, 17 (um 1559): die marckscheider, [...], sollen in ihrem ziehen und sonderlich im hineinbringen der erbstufen alweg auf einem gang einerley und gleich ordnung halten. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 20 (Genf 1636): Marckscheyder / m. Feldscheyder. − Rwb 9, 237. − Vgl. ferner s. v. markscheide.

markscheidezettel, markscheidezug, s. markscheide. markscheidung, s. markscheiden. markschlos, s. malenschlos. marksiegel, s. mark II, 1. markstange, markstecke, s. mark II, 3. markstein I, s. mark I, 1. markstein II, der ; -(e)s/-e, auch -π. ›Grenzstein zwischen Besitzflächen‹; vgl. mark II, 2; dichte Belegung für das Vergehen des Verrückens / Versetzens von Grenzsteinen und darauf bezügliche rechtliche Reaktionen (vgl. Rwb 9, 239 f. mit weiteren Belegen). − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: gemarke, lochstein, reinstein, scheid-, schiedstein; vgl. banstein 1, blutstein, gerichtsstein, güterstein, hatter, hauptmarke. − Synt.: einen m. setzen / ausbauen / ausgraben / auswerfen / überfaren / verändern / verkeren / hineinbringen / setzen; auf dem m. über jn. richten, sich in den marksteinen überfaren ›sich

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markt

versehentlich über die Grenze begeben, sich verfahren‹, etw. mit marksteinen auszeichnen / vermärken, jn. anstat des marksteines eingraben, jn. mit dem haupt in das loch des marksteines schieben / verschütten, eine zwerche hand von dem m. bauen, etw. (z. B. der acker) zwischen den marksteinen gelegen sein, unz an den m. befrieden ›einen Zaun bauen‹; der gesezte / gewisse / verrükte m.; die auswerfung der marksteine, nach ausweisung der marksteine; von einem m. zum anderen. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 425, 14 (mosfrk., 1484/ 99): die Beunde [...] war [...] bene markata, wail mit marsteinen vermerkt. Kollnig, Weist. Schriesh. 144, 25 (rhfrk., 17. Jh.): falsche maaß und gewicht, betrug, verräterey, gefährliche außwerfung der mark- und schiedsteine und alles, so durch den nachrichter zu strafen ist. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 114, 15 (omd., um 1559): Von marcksteinen und lochsteinen hineinzubringen. Boos, UB Aarau 105, 9 (halem., 1367): als die marstein wisent, die zwu´schent mir und Johans Zu´richer stand. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 444, 17 (schwäb., 1615): Es solle zum wenigsten daß jahr zwei mahlen, [...], ein gemeiner undergang gehalten und von iedem gesetzten marckstein zwen kreitzer bezahlt werden. Bastian u. a., Regensb. UB 288, 33 (oobd., 1366): si schullen auch befriden von uns zwischen unsers hofs und ir von unserm paumgarten untz an den marchstain. − Struck, Cist. Marienst. 1399; Welti, Stadtr. Bern 239, 16; Kl‰ui, Urk. Kaiserstuhl 126, 5; Siegel u. a., Salzb. Taid. 17, 33; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 26 / 27; Rwb 9, 239 f.; Schweiz. Id. 11, 853.

markt, mark, 1mart, der ; -es/-e + Uml.; hoch ausdifferenzierter und reich belegter Artikel im Rwb 9, 242 ff.; vgl. auch die dort angegebenen Wortbildungen. 1. ›Markt als an einer bestimmten Stelle (meist innerhalb einer Stadt), dem Marktplatz, situierte, rechtlich gesicherte wirtschaftliche Einrichtung zum Vollzug von Handels-, Kauf-, Verkaufsgeschäften‹; als Metonymie: ›Marktplatz als Fläche für solche Geschäfte sowie für andere Handlungen im öffentlichen Interesse, schließlich als Stadtmittelpunkt‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte, auch Chroniken. − Bdv.: bank 8; 11; 13, plaz 3, stat (die) 3. − Synt.: einen m. bauen / setzen / ordnen, einen m. aus etw. machen; an den m. gehen, e. S. (Gen.obj.) an dem m. warten, das flos an dem m. liegen, etw. (z. B. reife) an den m. kommen lassen, jn. am m.

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in stok stellen, auf dem m. stehen, etw. (z. B. einen toten leib) auf den m. tragen, etw. (z. B. getreide) auf dem m. kaufen, etw. (z. B. korn) auf den m. füren, jn. auf dem m. fangen, jn. (z. B. ein weib, einen man, vieh) auf dem m. (ver)kaufen, auf dem m. etw. ausrufen, in den m. reiten / kommen, etw. (z. B. wild ) in den m. bringen, eine mauer um den m. bauen / mauern, von m. zu m. laufen, zu m. faren / stehen / aushenken (dies mit Ellipse des Objekts), etw. (z. B. fische) zum m. kommen lassen; der m. zu Brandenburg; der algemeine / alte / neue / freie / offene m.; das haus an dem m., (ein gut) in / vor dem m., das haus, an dem m. gelegen, zu Danzig auf dem m. Wbg.: markthaus 1 ›am Marktplatz gelegenes, mit besonderen Auflagen und Rechten ausgestattetes Haus‹, marktkamerer ›Aufsichtsbeauftragter für den Marktplatz‹, marktkirche, marktplaz, markt兩stafel ›Marktstand‹ (Gw wohl eine Entlehnung aus dem Franz.; s. Schweiz. Id. 10, 1407), markttor. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 484, 40 (rib., 1352): sowe mit vremden gewande, [...], buissen Coelne vert zu marte, dat o [...], niet wieder in die stat van Coelne [...] he die stucke, brengen en sal. K¸ther, UB Frauensee 299, 19 (thür., 1501): unser huß [...] gelegen zcu Hersfelde an dem mart. Ermisch, Freib. Stadtr. 88, 33 (osächs., 1335): Welch man ein pfert anvangen wil, der sal sin warten an der vrien strazen oder an dem marcte. Ebd. 251, 5: Uf dem marcte sal zu rechte nimant stehn. Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica 243 (schles. inseldt., 1462): von des erbes thway¨n, das do ist bey¨ dem marg toor. Sachs 12, 12, 27 (Nürnb. 1527): Ich rath, das wir den toden leib 兩 Für als volck tragen auff den marck. Welti, Stadtr. Bern 580, 19 (halem., 1439): haben ouch geordnet, dz die marchstauel weder ze Thun, [...] noch in andren vnsern stetten iro kouffmanschafft veil haben sollent [...] denn allein die, so in dem selben stetten gesessen [...] sint. Rennefahrt, Zivilr. Bern 303, 14 (halem., 1613): daß niemandt ... einicher gattung spysen, [...] durch synen eigennützigen fürkouff verthüren, sonders alles o uff gwonlichen mÁrit platz gmeinen hußhaltungen zuo gutem tragen lassen sËlle. Morrall, Mandev. Reiseb. 33, 17 (schwäb., E. 14. Jh.): das man zuo Cayr in der statt man und wipp verkouffet uff dem marckt als man hie das vich verkoufft. M¸ller, Nördl. Stadtr. 12, 15 (schwäb., 1290/1300): daz man kainen fisch sol kaufen wan uf den margke. Chron. Augsb. 2, 44, 28 (schwäb., Hs. 16. Jh.): da brach man die under metzg ab und macht man ain markt darauß und ain meurlin darumb. Barack, Zim. Chron. 4, 212, 23 (schwäb., M. 16. Jh.): ir aigen stainhaus zu Rottenburg, bei der margkirchen gelegen. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 1, 792, 1 (schwäb., 1600): aus

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wolermelter herrschaften befelch soll das gericht mit taugenlichen [...] leüten, doch allein aus denen burgern, so marktheüßer aigens bewohnen und das der halbetheil zugleich von jeder herrschaft zugeherigen underthonen, besezt und genommen werden. Winter, Nöst. Weist. 3, 241, 38 (moobd., 1610): Wür befehlen das unser marktcamerer ein stock oder zaichen für das Wiener thor zur Träßen setzen laße. Piirainen, Stadtr. Sile lein 63a, 3 (sslow. inseldt., 1378): Wo man newe stet pawet adir merkte. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 117, 3 (smähr. inseldt., 1414): (H)ye sind vermerchet die gueter, [...] der herschaft zu Duerrnholcz [...]. − Von erst in dem markcht vnd vor dem markcht. − Herborn u. a., Rechn. Jülich 73, 21; Toeppen, Ständetage Preußen 1, 199, 16; 2, 462, 25; Loesch, a. a. O. 2, 53, 21; Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 69, 9; Helbig, Qu. Wirtsch. 3, 68, 15; Welti, Pilgerf. v. Walth. 14, 12; Thiele, Chron. Stolle 451, 40; v. Keller, Ayrer. Dramen 2443, 16; Rennefahrt, a. a. O. 775, 23; M¸ller, a. a. O. 9, 35; Chron. Augsb. 1, 34, 13; 9, 320, Anm. 1; Bastian u. a., Regensb. UB 415, 5; Fuchs, Kart. Aggsbach 26, 38; Klein, Oswald 52, 4; Kummer, Erlauer Sp. 3, 113; Mollay, H. Kottanerin 17, 34; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 201; Schw‰b. Wb. 4, 1482 (mit langer Kompositenliste).

2. ›Handels-, Verkaufstätigkeit, wie sie auf einem Markt erfolgt; einzelner Marktbetrieb; einzelner Handel‹, teils negative Bewertung des Marktgeschehens. − Gewisse Beleghäufung für Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: einen markt nicht leben ›etw. nicht erleben‹; der markt zerschlägt ›der Handel platzt‹; der markt ist für der tür ›die Gelegenheit ist günstig‹; auf den markt gehen ›an die Öffentlichkeit gehen‹; etw. (z. B. ein argument) zu markt bringen ›in die Öffentlichkeit bringen‹; seinen schragen zu markt füren o. ä. ›seinen Vorteil suchen‹ o. ä.; einen markt treffen / tun ›einen Handel abschließen‹; zu markt und bank stehen ›im Besitz des auf dem Handwerksbetrieb ruhenden Bürgerrechtes sein‹. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: kauf 1, contrakt (der) 1, messe, niederlage; vgl. commerz 1. − Synt.: den m. bestellen / ordnen / erlauben / halten / besuchen / hinausziehen / daniederlegen, [wo] haben, jm. den m. verbieten; etw. (z. B. fische) nicht mer ›länger‹ denne einen m. halten; der m. (Subj.) wanne angehen, [wo] sein, x märkte im jar sein, ein m. [eine Zeit] wären; sich des marktes gebrauchen; dem m. schaden geschehen; stelen auf den m. gehören, im m. eine

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summe bezalen / entrichten, in märkten betrug beschehen, ausserhalb des marktes etw. (z. B. korn / haber) aufkaufen, zu einem m. kommen; der freie / gefreite / gemeine / gesezte / offene / offentliche / wochentliche m.; der friede, die ausläutung des marktes. Wbg.: marktabendtag ›Vortag des eigentlichem Markttages‹, marktbruch / martbruch ›Bruch des Marktfriedens durch einen frevel‹, marktfan ›Fahne zur Kennzeichnung des Marktes, der Markteröffnung und -schließung‹, marktfarer ›fremder Händler‹, marktfreiung ›Marktfriede‹, marktfrevel (wie marktbruch; a. 1484); 2marktgäbe, marktgut9 ›markttauglich‹, marktglocke ›Glocke, mit der die Eröffnung und das Ende des Marktes angezeigt werden‹ (a. 1399 f.), markthäm ›Eichmaß für Flüssigkeiten‹ (Gw zu 4ham), markthaus 2 ›kleines Kaufhaus‹, markthoke ›Kleinhändler‹ (bdv.: marketender), marktinsiegel (Gw zu insiegel 1) ›Marktsiegel‹ (15. Jh.f.), marktkorb, marktlauf ›Marktpreis‹ (Gw zu lauf 13), marktlauf (wohl Adj.) ›marktgängig (vom Preis gesagt)‹, marktmetze ›geeichtes Marktmaß‹ (bdv.: 4ham, marktmas), marktordnung ›rechtsrelevante Ordnung des Marktgeschehens‹, marktsalz, marktschön (bdv.: marktgäbe; 16. Jh.), marktsiegel, marktsucher ›fremder Händler‹, markttreidmas, marktverseher ›Marktaufseher‹, marktviertel ›1 Viertel eines Bezugsmaßes‹, marktwerk ›Marktware‹, marktwert (wie zu marktrecht liegen, s. v. marktrecht 1), marktzol (wie marktgeld), marktzülle ›Marktschiff‹ (Gw zu mhd. zülle ›Nachen‹; Lexer 3, 1173; bdv.: marktschif). Toeppen, Ständetage Preußen 3, 50, 11 (preuß., 1448): [das die Nuremberger] sust keynen marckt meh im jare halden sollen. Ebd. 4, 586, 37 (1457): das man dy ware sal geben, was margtloeff ist. Luther, WA 41, 602, 16 (1536): Iam stossen thur und fenster auff und ghen auffn markt. Ebd. 705, 15, Anm. 2 (1536): Ideo, kauff, weil marck fur der thur. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 102, 8 (rib., 1371−96): Vort van martwerke moigen wir breider ind swairre machen ind darumb geine boisse gelden. Buch Weinsb. 3, 328, 39 (rib., 1586): A. 1586 [...] (hat) ein grois folk [...] uff Coln zu willen zehen, darin vil folks ware, hausleude, martferer, edelleut. Schneider, Pont. u. Sid. 230, 30 (rhfrk./ mosfrk., 2. H. 15. Jh.): Mir zwivelt, herre Genelet, das ir diesen mart nit lebenn werdent, want ir das ende noch nit

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diesen mart nit lebenn werdent, want ir das ende noch nit wyssent! Loersch, Weist. Boppard 96, 11 (mosfrk., 16. Jh., Hs. 17. Jh.): wan solches korn geliefert, sollen es die bethmeister besichtigen, obs tüghlich und marthguth seye (Beleg auch als Subst. lesbar). Wiese, UB Wetzlar 1, 475, 22 o (hess., 1330): daz ir [...] noch in noch irem guto chein stiure o uflegend und in ouch den zol uf den beiden mÁrcgten gantz lazzet gevallen. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 255a, 28 (Frankf./M. 1649): daß sie offtmahls so leichtfertige nichts sollende argumenta an statt wichtiger GrÈnde zu Marck bringen. Goerlitz, Magd. Schöff./Posen 91, 3 (omd., 1400−36): Sint dem mole, [...] das gut herkomen ist off eynen freyen markt und off eyne recht nedirlage, do man phlegt zu kowffin und wedir zu vorkoffin. v. Tscharner, Md. Marco Polo 25, 26 (osächs., 2. H. 14. Jh.): vor eyner iclichin pfortin habin si gros gebuyde, in den si herbergin alle die koufmans und dy marktsucher. Ermisch, Freib. Stadtr. 286, 14 (osächs., um 1450): das sullen die bender zugeben, daryn nicht halden nach sprechen und den freien margkt damitte darneder legen. Fuchs, Murner. Geuchmat 238 (Basel 1519): Doch lernt ich das von iungen tagen, 兩 Das ich zuo marckt fÈgt minen schragen, All zyt nach der gelegenheit. Anderson u. a., Flugschrr. 14, 10, 27 (Straßb. 1524): in allen tempeln / capellen / vnd marcktheüsern / ia auch vff der offenen stratz. Geier, Stadtr. Überl. 199, 27 (nalem., A. 16. Jh.): das ir [Träger] ouch den märktversehern gehorsam sin wöllen, es sie mit korn vassen oder laden. Welti, Stadtr. Bern 41, 11 (halem., A. 14. Jh.): alle, die denne zuo dem offennem merit koment, die erlassen wir des zolnes. Adrian, Saelden Hort 3339 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): sit daz si niftel und gespil 兩 wilunt verhonent also vil; 兩 und ie der margt zer slu´eg, 兩 [...] 兩 si wunder e erdahte, 兩 ir selbes kint si bra´hte 兩 mit sunden inden unflat. Bremer, Voc. opt. 5012 (woobd. / oobd., 1. H. 15. Jh.): Pandochium [...] gemeinhus [...] marckthus [...] kraumgaden [...] est domus rebus venalibus apta. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 627, 4 (halem., 1452): mit sunder sol gebunden guto vor gan und darnach merck saltz gen Czug. Wyss, Luz. i merckt Ostersp. 6481 (Luzern 1545): züchend vweren hinus! [aus dem tempel ] 兩 es ist geheissen das betthus. Rennefahrt, Statut. Saanen 198, 1 (halem., 1571): alle die o und fräfel, [...], söllend nit grösser sin, dan von alter har, bußen o tröstung und märitbrüch. [...], vorbehalten der vereinung bußen, Ders., Zivilr. Bern 309, 11 (halem., 1613): Wann aber im märit die gantz summ oder zu theyl zuo paren zalungen angestelt und zuo zilen und tagen nit entrichtet und bezalt werdend, [...]. Ebd. 762, 22 (1615): Wer ein mÁrcktbruch begaht. Welcher [...], als lang namlich der mÁrckt wÁrt, item an den dryen mÁrckts tagen, z’ostern, pfingsten und Lucien, an jemands einichen frÁffel begaht, [...], der [...]. Morrall, Mandev. Reiseb. 69, 4 (schwäb., E. 14. Jh.): Meldas, das ist als vil gesprochen als marckt, wann die haiden ouch da marckt hond. Leisi, Thurg. UB 6, 144, 19 (Gottlieben 1316): daz ellu´ du´ hu´ser, die [...] zu marktwert (!) gelegen sint, daz du´ ˆewklich derselben u´nser statt, u´ns und u´nserm gotzhus [...] diensthaft sont sin. M¸ller, Welthandelsbr. 306, 17 (schwäb., 1535): In (Spangnia) sein im jar vier

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mergkht. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 783, 10 (schwäb., 1622): es solle keiner oder keine nichts kaufen oder verkaufen [...], biß [...] der gewöhnlich marktfahnen offentlich uffgesteckt würdt. Bastian, Runtingerb. 2, 94, 15 (oobd., e tag, alz ze 1383): sy sol mir daz gelt geben ze under frawn Sausawe mart ist. Winter, Nöst. Weist. 1, 514, 1 (moobd., 1615): Wan [...] traid zu verkaufen dahin gebracht wierdt, soll solches [...] mit dem gmainen marktmezen ausgemessen werden. Ebd. 966, 19 (14. Jh.): Si [schieffleut] ertailent auch das all zeit ain brobst das urfar und die marktzülln gelassen müge wem er will. Ebd. 2, 668, 38 (1433, Hs. 17. Jh.): das ein ieder mit der gerechten und gepranten markthämb sein wein inner und ausser hauß geben ainem ieden umb sein gelt. Ebd. 3, 779, 7 (1484, Hs. 1535): welchem man des mark sigl anhecht, der soll davon 60 ∏ in der burger lad. Schottenloher, Flugschrr. 65, 8 (Landsh. 1523): PËswicht putzer, wie wol kanstu den schragen des verfürrens zuo marck setzn. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 236, 39 (moobd., 1585): daß sie ihnen mit eurer neuaufgerichten marckhtordnung [...] immerweeg yerrung und verhinderungen zue fuegen sollen. Siegel u. a., Salzb. Taid. 297, 11 (smoobd., 1494): zu melden, das die vier jarmärkt zu Mittersill eingeent vor an ainem ieden marktabenttag zu mittentag und wernt hinumb hinz an den dritten tag auch zu mittentag. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 270, 21 (m/ soobd., 15. Jh.): den wannzehnt mist man nach dem marktviertail. Ebd. 383, 40 (1599): wellicher di markttraidmaß entlehnet und solche uber nocht [...] nit haimbschückt, ist die straff dorauf 12 den. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 335, 31 (smähr. inseldt., 1414): so ruegt man marchtfreyung [hier: ›Bruch des Marktfriedens‹] vnd de get in, wann man an dem suntag angeuer vesper lewtt vnd get wider aws an der montagen nacht. Piirainen, Stadtr. Sillein 68a, 11 (sslow. inseldt., 1378): Der [burger meister] hot den e gewalt daz er richten mag [...] vber marcht hoken, daz dy iren chavf recht geben. − Toeppen, a. a. O. 3, 72, 37; 102, 2; Luther, a. a. O. 47, 667, 31; Buch Weinsb. 1, 279, 12; Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 57, 1; Welti, Stadtr. Bern 101, 35; ders., Urk. Rheinfelden 164, 8; Rennefahrt, Zivilr. Bern 278, 10; Heydn. maister 25r, 22; Mell u. a., Steir. Taid. 218, 10; Rwb 9, 242 f.; 256; 267 f.; Heinzerling/Reuter, Siegerl. Wb. 4, 1193; Vorarlb. Wb. 2, 360; Vilmar 262; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, S. 201; Tpma 8, 113 (54); 114 (76); Schweiz. Id. 4, 410 f. − Vgl. ferner s. v. abpfächten 1.

3. ›handelsüblicher Preis, Marktpreis‹. − Bdv.: vgl. banmarkt 2, lauf 13, marktgang, marktlauf. − Synt.: den m. (auf)setzen, bewaren; wie der m. lert ›angibt‹; der rechte m. Buch Weinsb. 1, 238, 6 (rib., um 1560): Sunst war der mart 45, 46, und 47 gl. dar umbtrint. Rueff, Rhein. Ostersp. 997 (rhfrk., M. 15. Jh.): MEDICUS respondet: Drysig pont ist der mart. Bastian, Runtingerb. 2, 171, 15 (oobd., 1400): 600 Reinisch guldein bei Hainr. dem Poneys, di sol er mir aber umb Unger oder umb Dukat verbegsln, wie in der martt ler.

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marktabendtag − marktfreiheit

4. ›kleinere Gemeinde mit einem Markt für umliegende kleinere Siedlungen, Marktflecken, Marktort‹. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: dorf, flecke, ort, stat (die) 3; vgl. gemeinde 2, landschaft 5, marktflecke. − Wbg.: marktban ›Herrschafts-, Verwaltungsraum eines Marktortes‹ (Gw zu 2 ban 1), marktrat ›Obrigkeit eines Marktflekkens sowie des Marktes‹, marktregister. Helbig, Qu. Wirtsch. 4, 340 (md., 1497): Darjnne sie auch von andern vmblygenden Steten, mergkten ader flecken keyn hynderung haben sollen. Ermisch, Freib. Stadtr. 294, 19 (osächs., 1468−86): Nochdem ouch ettliche uß den umbelegenden stetchin und mergkten wochenlich in der stad von hawße zu hawße louffen und den lewten ire erbeit anbieten. Gille u. a., M. Beheim 24, 20 (nobd., 2. H. 15. Jh.): er sas in einem markt, haisst Etmerhause. Hulsius A irr (Nürnb. 1596): Marcktbann / oder Bann vmb ein statt / flecken oder Dorff. Leisi, Thurg. UB 7, 201, 3 (Frankf. 1380): Und gebieten darumb allen fu´rsten, geistlichen und weltlichen, grafen, [...], burgermeistern, allen stetten, merkden, dËrffern und allen andern [...] lyeben getrewn, das sey dye obgenanten burger schu´tzen. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 92, 8 (schwäb., 1551): hatt kaisser Caroll der 5. [...] lassenn in der tytzschenn nakzionn verkindenn inn stettenn, mergttenn, flekenn, ann allenn ortten, die geschencktte hantwerk auffheben und abthon, das [...]. Fuchs, Urb. Göttweig 257, 20 (moobd., 1361): ze dem ersten mal hat er ze ChËtans 13 hertsteˆt ime mÁrcht. Winter, Nöst. Weist. 1, 28, Anm. 3 (moobd., A. 16. Jh.): so hat sich [...] befunden daß zu erhaltung fried und einigkeit nothwendig ein marktrath nicht allein von denselben vier sondern auch von denen andern herrschaftsunderthanen so sich in dem markt befinden zu besetzen seie. Ebd. 3, 774, 25 (Hs. 1535): wer sich [...] in gegenwertigkeit richter und ratt lest schreiben in das marktregister, er verspricht auch das er alles das wöll halten als hiet es richter und ratt [..] gevertigt. − Sappler, H. Kaufringer 12, 13. − Vgl. ferner s. v. bauman 3.

marktabendtag, s. markt 2. marktag, s. mark II, 4. marktanne, s. mark II, 3. marktban, s. markt 4. marktbruch, s. markt 2. markten, 3marken, V. ›Kauf-, Handelsgeschäften nachgehen‹; auch (resultativ): ›einen Gewinn eintragen‹. − Bdv.: dingen, handeln 8, kramen, kaufen 1, 1 tauschen; vgl. commerzieren 1, kaudern. − Synt.: mit jm., mit münzen, nach dem pfund, um

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bargeld / tuch, um die freiheit m.; subst.: jn. mit markten betrügen Luther, TR 3, 307, 17 (o. J.): Die 400 fl. sollen mir etlich taussent marckten (ironisch). Sachs 14, 176, 16 (Nürnb. 1551): Ich hab gemarcket in der stadt. Maaler 281r (Zürich 1561): MÁrckten. Co¯mercari. Krame˜ / Kauffen. M¸ller, Welthandelsbr. 146, 40 (schwäb., 1506): so nun die arsani oder gemain volck kupfer oder anders kouft, so koufen und marckin (sy) nach dem 웩 also: 20 ist ain 웩. − Rwb 9, 255; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 12; Schweiz. Id. 4, 415.

marktfan, marktfarer, s. markt 2. marktflecke, der ; -n/−. ›Marktflecken, Ort mit Stadtrecht‹. − Bdv.: vgl. markt 4. − Synt.: der m. für den hauptort gehalten sein; in dem marktflecken zollen; der gerichtsherre, die gerechtigkeit des marktflecken. Kollnig, Weist. Schriesh. 260, 5 (rhfrk., 1623/48): Dieser markflecken ist auch je und alle zeit für der cent hauptort gehalten. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 467, 36 (schwäb., 1570): das ich als ordenlicher gerichts- und grundherr [...] deß marcktsflecken und dorfs Uttenweiller, [...] die hernachgeschribne gerichtsordnunge, [...] gebessert hab. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 1, 790, 10 (schwäb., 1600): Volgt ferners hernach des marckflecken Duntzdorf herkommende gerechtigkaiten. − Ebd. 1, 101, 22; Schmitt, Ordo rerum 37, 25; Rwb 9, 257; Pf‰lz. Wb. 4, 1193.

marktfrei, Adj. ›von Marktabgaben befreit‹; vgl. markt 2. − Wbg.: marktfreiheit ›Recht auf Einrichtung, Betrieb eines Marktes sowie Recht auf Abgabenerhebung‹; als Metonymie: ›unter eine Marktobrigkeit fallendes Gebiet‹ (Beleg dazu s. v. marktgericht). Geier, Stadtr. Überl. 383, 21 (nalem., 1547): andere, so von uns [...] mit dergleichen marktfreiheiten [...] hinfüran begnadet werden. Winter, Nöst. Weist. 1, 29, Anm. 5 (moobd., 1650): das alles [...] gehöret [...] in die dem closter [...] ubergebene marktfreiheit, worin ein ... convent oder dero anwalt als marktobrigkeit handlen ... mögen was landsbrauch und der marktfeiheit recht ist. Ebd. 2, 452, 16 (1590): das die marktfreihaiten vor ainer ganzen gemain verlesen werden sollen. Ebd. 1017, 5 (1686): darumb haben sie so vil rechtens zu der weit holz wasser, mautfrei marktfrei, urfarlon [...]. − Rwb 9, 258 (mit weiteren Bedeutungsansätzen für marktfreiheit).

marktfreiheit, s. marktfrei.

marktfreiung − marktmas

1877 marktfreiung, gäbe, s. markt 2.

marktfrevel,

markt-

marktgang, der. ›Marktpreis, marktgängiger, marktläufiger Preis‹; zu markt 2. − Rib. / mnl. / wnd. − Bdv.: vgl. markt 3. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 19, 7 (rib., 1469): drij wechen vur onser liever frauwen lichtmissen sall man weder bescheit setzen na martgange. Ebd. 544, 8 (1464): so, gn. l. herren, haint unse herren die burgermeistere nu an den meisteren unss amptz gesonnen, in zo geven, dat sich ietzunt na martgange gebuere, dat unsme ampte swair were. − Verwijs/ Verdam 4, 1187; Rwb. 9, 261.

marktgeld, das. ›Gebühr, Abgabe eines Händlers an den Marktherren für die Marktbenutzung, Standgeld‹; zu markt 2, vgl. geld 4. − Bdv.: aufsaz 5, budengeld, geleitgeld, stätgeld, zol; vgl. budenzins, standgeld. − Synt.: m. bezalen / nemen / einheben, ein m. von etw. (z. B. von pferden) legen; jm. m. werden; das grosse m. Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 64, 30 (md., 1447): also kremer, hoken [...] wollen wir med keyne czolle adir nuwen ufsetzen owirsteygen, Sundern alleyne stedegelt adir martgeld [...], von on nemen. Foltz, UB Friedb. 1, 362, 44 (hess., 1387): Auch sal dem budel werdin mertgelt in den zweyn mergketen, von ydem mergkete eyns und nit me. − Rwb 9, 262.

marktgericht, das; -s/−. ›Marktgerichtsbarkeit‹; als Metonymien: ›mit der Marktgerichtsbarkeit verbundene Einnahmen‹; ›Raum, in dem die Marktgerichtsbarkeit gilt‹; ›Sitzung eines Marktgerichtes‹. − Bdv.: marktobrigkeit, mesgericht, marktrecht. − Wbg.: marktgerichtsgedinge ›Sitzung eines marktgerichtes‹. Grimm, Weisth. 1, 648, 6 (mosfrk., 1556): Uf heut [...] das marktgericht gehalten. [...]. Darnach hat der zentgraue an die scheffen gestellt, mit weme dieser marktgerichtsgedinge geheget und besetzt werden soll? Maag u. a., Habsb. Urbar 2, 1, 591, 12 (alem., um 1400): Item der zol ze Phirt; item und das marketgerichte (als lehen). Winter, Nöst. Weist. 1, 28, Anm. (moobd., zu 1650): ist derowegen verglichen [...] worden daß bemeltes jungfrawencloster als marktobrigkeit zu besetzung eines raths oder marktgerichts neben dem marktrichter so vilerei rathsverwante als unterschiedliche herrschaftsunterthanen in Kirchb. und in der marktfreiheit sein erwöhlen und damit den rath besetzen mag. − Rwb 9, 264.

marktgerichtgedinge, s. marktgericht.

1878

marktglocke, marktgut, markthäm, s. markt 2. markthaus 1; 2, s. markt 1; 2. markthoke, marktinsiegel, s. markt 2. marktkamerer, marktkirche, s. markt 1. marktkorb, marktlauf, s. markt 2. marktman, der ; −/-leute. ›am Markt Beteiligter (Kaufender wie Verkaufender)‹; speziell: ›Marktbesucher‹; damit Tendenz zu ›Fremder, Reisender‹; vgl. markt 2 (auch 4?). v. Tscharner, Md. Marco Polo 32, 23 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Dy provincie und dy vordirste provincie Gagadi dy han di selben gewonheit czu lygen ir husvrowin den markt lutin alse gesprochin ist in der provincien Camul, das tun si in der libe irer gote. Doch legin dise und dy Gaddyte dar czu: also lange do stet eyn czeychin das der marktman hot do gesaczt obir dy tore des husis, dy wyle kumt der wirt nicht. Gille u. a., M. Beheim 111, 368 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Das [hauss] was gemacht pesunder, 兩 da markt leüt oder ander gest 兩 vor ungewiters uber lest 兩 fluhen und lieffen under. Dasypodius 150r (Straßb. 1536): Nundinator, Ein marckt man. Wyss, Luz. Ostersp. 6643 (halem., 1545): wie er [Cristus] vs dem tempel hat 兩 getriben die mercktlüt, gstrafft, gelert. − Rwb 9, 270.

marktmas, das; −/-π. ›marktübliches Maß für Getreide, geeichtes Meßgefäß als Bezugsgröße für einzelne Messungen‹; vgl. markt 2. − Rechtsund Wirtschaftstexte. − Bdv.: vgl. burgscheffel, gerichtshalbmas, gerichtsscheffel, lop, malter 3, nasse / trockene mas (s. v. 1masse 1). − Wbg.: marktmässel ›Getreidehohlmaß, ein Achtel eines Grazer viertelschaffes‹ (dazu bdv.: kastenmas, in dieser Bed. im eigenen Material nicht gebucht). Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 2, 270, 5 (mosfrk., 1527): wan einer aber in der wochen kauft uf den verkauf und fort verkauft und die martmaiszen begert, der ist einmail den zol schuldig den zolnern. Winter, Nöst. Weist. 2, 457, 25 (moobd., 1590): andere maß [...], das dieselben nicht klainer sondern der marktmaß gleich. Mell u. a., Steir. Taid. 197, 23 (m/soobd., 1572): das ganz viertl-schaff, das halb viertl, das quart, das achtl (das ist das marktmäsl) und das mäsl iedes getraids. Siegel u. a., Salzb. Taid. 238, 1 (smoobd., 15. Jh., Hs. 1673): wie vil müllmezen an ain marktmeß gehet und waß der müllner von dem muth nemben soll. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 81, 11 (m/

1879

marktmässel − marktrecht

soobd., 1482, Hs. 16. Jh.): ein huebman in markt geseßen soll und mag prachen [...] auf ein mezen marktmaß, es sei korn, haiden oder haber. − Rwb 9, 270.

marktmässel, s. marktmas. marktmeister, Bw auch mart-, der ; -s/-π, auch -e. ›Beauftragter eines Marktortes über alle den Marktbetrieb betreffenden Angelegenheiten, ferner über die Qualitätskontrolle von Lebensmitteln (speziell: Fleisch, Fisch), über die öffentliche Hygiene, auch für die Einnahme von Bußen‹; vgl. markt 2. − Md.; Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken. − Synt.: den m. setzen / entsetzen, bestellen; der m. den markt fegen, etw. setzen ›über etw. entscheiden‹, über die gebäude richten / setzen ›entscheiden‹, den fleisch- / fischmarkt waren; durch den m. den zol einnemen, jn. zu m. ziehen, jn. der gemeinde zu m. vorstellen; die erlaubnis des marktmeisters; ane wissen der marktmeister. Luther, WA 59, 742, 12 (o. J.): wen einer ein Marcktmeister [...] ist, [...], so tregt er ein messer an der seyten. Lau, Qu. Neuß 197, 8 (rib., 1526): so ensal der gelder des [fuschwerk] niet hoiger of durer verkoufen, dan id vur gegolden hadde, ind dat sal man den martmeisteren also bevelen, dat of ymantz dair bruchlich inne wurde, den zo straifen. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 126, 17 (rib., 1348/1407): en sall gein man koe slain noch updoin, der martmeister en si dabi. Ebd. 533, 28 (1505): dat iemant herbinnen zo marte vische brechte mit erleufnisse der burgermeistere, martmeistere, amptzmeistere ind gaffelmeistere. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 30, 23 (hess., 1455): Die busse [für Marktvergehen] halb dem rade und halb dem martmeister gefallen sal. Thiele, Chron. Stolle 405, 4 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): der bisschoff habe den martmeister zu setczen unnd zu entsetczen, der hat zu setczen ubir die gebuwede, mist uff der strasse zu vor bieten unnd kammern ubir den weg. Ebd. 411, 44: eyn rad hat ouch macht einen martmeister zu bestellen, der swert deme rate zu zu seen ubir alle fissche, vogile, wiltprodt, das in die stad zu marte bracht wert. − Chron. Mainz 1, 188, 15; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 81; Rwb 9, 271; Pf‰lz. Wb. 4, 1193.

marktmetze, marktordnung, s. markt 2. marktpfund, s. markpfund. marktplaz, s. markt 1. marktrat, s. markt 4.

1880

marktrecht, das; -(e)s/-π. − Meist Rechts- und Wirtschaftstexte. 1. ›Gesamtheit aller Rechte, die eine mit einem Markt begabte Siedlungs- / Rechtseinheit (meist eine Stadt, auch ein Marktflecken oder ein Dorf) besitzt und nach denen sie den Markt betreibt; Gesamtheit der Rechte der Personen, die unter das marktbezogene Recht fallen‹; ütr. auf die als Marktteilhabe gedachte geselschaft der Menschen mit den Engeln. − Phras.: zu marktrecht liegen von Häusern und Personen gesagt, deren Zugang zum Markt besonderen Rechtsregeln unterliegt (damit metonymische Tendenz zu marktrecht als Raum; vgl. 3); vgl. markt 2, auch 1 und 5. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): ehehaft, freiheit, freiung, gericht I (das) 2, niederlage. − Synt.: m. empfangen / haben / lösen ›kaufen‹ / niessen, das m. verlesen / verrechnen / betreffen, jm. m. geben / leihen, einem dorf m. leihen; des marktrechtes geniessen; auf dem / zu m. sitzen, etw. (einen handel) mit dem m. abhandeln, jm. [einen Betrag] nach m. schulden, zu m. zins geben, etw. zu m. empfangen (ein gut) / haben (einen acker, ein haus); das rechte m.; der brief um das m. Hertel, UB Magdeb. 3, 503, 41 (nd., 1494): vorgnanther rath [...] die gherechtikeit ghehabt und noch hadt, das sye marchtrecht und nydderlaghe in der alden stad Magdeburg alleyne und gentzlich ghehabt. Ebd. 614, 25 (nd./omd., 1497): Anclage das marcketrecht, nyderlage, auch das kornschiffen auf der Elbe betreffende sein also betedinget, dasz [...]. Bindewald, Texte schles. Kanzl. 130, 1, 30 (schles., um 1350): do wir ouch wËllin, daz kein Creschim si. von den czollin czu wretslau ein islich mensche, iz habe markit recht adir nicht, vri sy. Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 23a, 22 (nobd., E. 14. Jh.): Zv dem dritten mal gemainsamt vns disev heilichait geselleschaft aller engel also daz wir marckt recht. vnd hantslac enphahen daz wir mit den engeln ze hymel [...]. Mon. Boica, NF. 2, 1, 44, 7 (nobd., 1464): Es haben etwan die castner verrechnet die merkrecht auf den kirchtagen. Leisi, Thurg. UB 7, 673, 8 (halem., 1388): Swas hu´ser, du´ ze mÁrckt reht ligent, [...], die sond stu´r und waht geben, als andru´ hu´ser, die ze mÁrktreht ligent. Es sol ouch enkain herr von sinem aigen manne erben nach sinem tode o das ze markrecht lit. dehain hus noch enhain ligendes gut, M¸ller, Stadtr. Ravensb. 98, 19 (oschwäb., 1338): man sol daz guto enphahen ze markreht und anders niht. UB ob der Enns 10, 657, 11 (moobd., 1390): Freyheitsbrieff vmb die markhrecht, so der markht Weyr, anderen märkhten im landt gleich, haben soll. Zingerle, Inventare 176, 1,

1881

marktregister − markttag

23 (tir., 1420): so sol er hern Christoffel Fuchs xvi marck, ii lib. perner nach marktrecht. − Leisi, a. a. O. 5, 341, 26; 8, 434, 4; Mollwo, Rotes Buch Ulm 50, 11; Rwb 9, 275 f.; Schweiz. Id. 6, 293. − Vgl. ferner s. v. aufmaut.

2. ›mit marktrecht 1 verbundenes Recht auf Abgaben-, Steuer-, Gebührenerhebung für die Teilhabe und Teilnahme am Markt‹; als Metonymie: ›erhobene Abgabe, Steuer, Gebühr‹. − Bdv.: gefälle 5, geld 4, steuer 1, zins, zol. − Synt.: m. haben / nemen / heben / geben; jm. etw. zu m. geben / verkaufen; etw. zu m. haben; zu m. x pfennig. Goerlitz u. a., Rechtsd. Schweidnitz 69, 4 (omd., 1371): daz sie vnd alle ire nochkomelinge [...] nymmerme keyn marktrecht genemen sullen vor keynerley war, sie sy kleyne odir grËz, die man kegen der Sweidnicz brenget. Schnelbˆgl, Salb. Karls IV. 74, 2 (nobd., 1366/8): daz marchrecht zu der Weiden auf 6 웩. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 178, 14 (smähr. inseldt., 1414): Auch geuelt daselbs ze weinachten von dem vngelt markchtrecht 9 lb. den. − Foltz, UB Friedb. 1, 341, 26; Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 1, 289, 16; Rwb 9, 277. − Vgl. ferner s. v. angehen 8.

3. ›Gebiet, in dem marktrecht 1 gilt‹. Boner, Urk. Brugg 326, 16 (halem., 1514): wann es erb vnd eigen guto in marckts recht gelegen antriffet. − Rwb 9, 278.

marktregister, s. markt 4. marktrichter, der ; -s/-π. ›für das gesamte Marktwesen eines Marktortes zuständige, außerdem mit Ordnungs- und Richterfunktionen einer Marktgemeinde beauftragte obrigkeitliche Person‹; vgl. markt 2; 4. − Oobd.; Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: aufseher 2, landrichter 1; 2. − Synt.: der m. aufsehung haben, mas geben, frevel strafen, im markt gebieten / richten, die gerichtshändel versiegeln, mishelligkeiten abtun, jm. etw. (z. B. holzschläge) anzeigen, jn. mit einer tat betreten, das weinmas bei im (refl.) haben, die marktgerechtigkeit einnemen, jn. (z. B. den dieb) drei tage behalten, die resignierung des richteramptes tun, keinen gewalt haben, zu [...]; dem m. etw. büssen, dem m. ein geschworener ausstehen; jn. an den m. weisen, vor dem m. etw. machen / handeln (z. B. einen kauf ), jn. zu einem m. erwälen; der m. zu (z. B.) Dachau; die auszeigung / erlaubnis des marktrichters.

1882

Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 429, 28 (moobd., 1429): e Ich Hainreich Vcz, die zeit landrichterr vnd margtrichterr zue Dachaw, bechenn offnleich [...], daz mit recht fÈr mich chom, da ich zue Dachaw an offner landschrannen sas vnd den stab in der hand het ze richten, [...]. Winter, Nöst. Weist. 2, 668, 39 (moobd., 1433, Hs. 17. Jh.): ob aber der marktrichter [...] ainen mit wahrer that beträtt das er mit ander ainicherlei maß sein wein umb gelt schenket. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 160, 22 (m/soobd., 1330): tzucht ein gesezzner in den purchfried des marchtes swert, er puezzt es nieman ander danne dem marchtrichter. Ebd. 380, 35 (1598/1661): Statuten gemaines markts Schwannberg welche durch Mathiasen Dorann, der zeit marktrichter alhier, neben denen hernach benanten rathsherren: [...] uberschriben werden. − Rwb 9, 279. − Vgl. ferner s. v. 1achtung 2, aufkündung, ausstehen 4, auszeigen 1, auszeigung 2, ausser 3, befinden 9.

marktsalz, s. markt 2. marktschif, das. ›auf kürzeren Strecken fahrendes Schiff für den Marktverkehr (Personen und Waren)‹; vgl. markt 1; 2. − Bdv.: vgl. marktzülle. − Wbg.: marktschiffer. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 14, 12 (hess., 1439): Desglichen sal man iß auch mit den margschiffen halden, das man uff die vorgerurten tage nichtes daruß laden sal, iß were dann, das die margschiffe so ferre in der nacht an dem fijerabende qwemen. Bremer, Voc. opt. 28034 (wobd., 1328 ff.): Auctoria [...] merktschif [...] est nauis magna, que non solum remis sed et velis inpellitur. Et dicitur ab augeo [...], quia eius motus velis et remis augetur. Dict. Germ.Gall.-Lat. 316, 40 (Genf 1636): Marchschiff [...], Fori nauigium. Ebd. 43: Marckschiffer / m. Le Batelier qui gouuerne ou est maistre a` vn tel bateau. Eiusdem nauta. − B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 81; Rwb 9, 282; Schw‰b. Wb. 4, 1489.

marktschiffer, s. marktschif. marktschön, marktsiegel, s. markt 2. markt兩stafel, s. markt 1. marktsucher, s. markt 2. markttag, der ; -(e)s/-e, auch -täg. ›Markttag, dem marktrecht 1 entsprechend angesetzter und organisierter, durch akustische (marktglocke) oder optische Zeichen (fan, wisch) gekennzeichneter Zeitraum zur Abwicklung von Handelsgeschäften‹; zu markt 2. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Synt.: einen m. halten, keinen m. auf den sontag legen, der gnädige herre den m. schützen / schirmen; (mit Akk. der Zeit:) den m. wein /

1883

marktteil − markung

fleisch kaufen, gefreit sein, einen fanen, ein hütel aufstecken, einen strowisch stecken; der m. frei von zol sein, den krämern frei sein; eines / des marktes übel handeln, nichts kaufen; am m. den frieden brechen, brot / fleisch verkaufen, vieh kaufen, etw. feil haben, an dem markte etw. (z. B. gewand ) auf das rathaus tragen, auf den märkten zol gefallen, jm. auf dem m. ein schwert zu schaden werden, ein gut auf einem m. stehen lassen, ein tag zu m. verordnet sein; der freie / zukünftige m. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 117, 15 (preuß., 1408): sal man keynen marktag uff den Sontag legin. Helbig, Qu. Wirtsch. 2, 17, 5 (md., 1357/8): daz keyn gast hye uˆf slahen sal sıˆnen craˆm wider vor der kirchin noch uˆf dem markte, wenn nicht markttage sint. Ebd. 61, 18 (1322): Swer ouch gewant sniden wil, [...], der schol ez trage an deme marktage uf daz rathus. Schmidt, Frankf. Zunfturk. 1, 223, 18 (hess., 1550): sollich [unverkauftes] gut lassen zu steen biß uff zukunfftigen marckttag. Brinkmann, Bad. Weist. 204, 34 (rhfrk., 1603): Solcher zol uf baiden marktägen gefallend würd alternative von haus Schwarzach und Zwingenberg [...] empfangen. Kisch, Leipz. Schöffenspr. 377, 5 (osächs., 1523/4): das am dinstag der markttagen in der kirchen Sanct Kungundis [...], die hochmesse [...] gesungen ist. Welti, Stadtr. Bern 102, 6 (halem., 1427): wand die dorffluti [...] keinen andren tag habent, der zuo merkt tag in der wuchen geordnet sy. M¸ller, Nördl. Stadtr. 90, 5 (schwäb., 1510): das niemandt [...], weil der fan steckt noch an andern marckttagen [...] fürkawfen oder gefarlich kawfen noch failsen soll, ee es kompt an rechten marckt. Chron. Augsb. 8, 187, 4 (schwäb., zu 1562): nach s. Michaelstag sollen alle wirt und weinschencken, was sie alle marckttäg vir wein kaufen, von ainem marckt bis auf den andern verÚungelten. Straus, Juden Regensb. 557, 2 (oobd., 1487): daß H. Albrecht der J[uden] halben welle verordnen, das sy dy wochenmÁrkht des abents, auch des markhttags des morgens vor der dritten stund auf den nichts sËllen kaufen. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 178, 1 (smähr. inseldt., 1414): fleischstokch, do man an dem marchtag fleisch auf verchaufft. − Toeppen, a. a. O. 1, 86, 7; Helbig, a. a. O. 2, 17, 26; Dinklage, Frk. Bauernweist. 65, 2; Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, 3360, 11; Geier, Stadtr. Überl. 198, 28; Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 52, 43; Pf‰lz. Wb. 4, 1194. − Vgl. ferner s. v. auswebern.

marktteil, wohl der. ›Verhältnis, Relation‹. − Bdv.: anteil 1; vgl. markzal. − Schweiz. Id. 12, 1528 (a. 1394). markttor, s. markt 1. markttreidmas, marktverseher, marktviertel, s. markt 2. marktweg, s. mark II, 3.

1884

marktwerk, marktwert, s. markt 2. marktzeit, die. ›Zeitraum der Abhaltung eines Marktes‹; zu markt 2. − Synt.: die m. vergehen; ein mas (›grube‹) in der m. ausschreien, an der m. ein zeichen ausstecken, zu der m. auslegen (Ellipse des Objekts), offenen laden halten; die gewönliche m. Ermisch, Freib. Stadtr. 246, 7 (osächs., 1335): Ist, daz vihe zu dem marcte kumit veile, [...], da sullen die burger ee koufen den di vleischower zu rechte. Wenne di marctzit vergeht [...], so mugen di vleischower koufen ane vare. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 45, 25 (schles., 1537): dass auch die aufgenomen massen durch die vier wochen die 4 sonnabet vor essens in der marktzeit ausgeschrien werden. − Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 123, 34; Rwb 9, 293.

marktzol, marktzülle, s. markt 2. markung, die; -π/−. − Nahezu ausnahmslos Rechts- und Wirtschaftstexte. 1. ›Qualitätssiegel für Eisenwaren; Anzeichen, rechtsrelevantes Kennzeichen, Merkmal für etw. (z. B. für zauberei )‹; vgl. mark II, 1. Toeppen, Ständetage Preußen 2, 657, 25 (preuß., 1445): ab ymand van alden czynwerck wolde nw werck gyssen adir machen laessen, der sal is so gut machen, alse das nwe werck mit merckonge noch aldir gewonheit, und das hot der homeister in bedacht genomen. Jerouschek, Nürnb. Hexenh. 7r, 21 (1491, 1491): Die ander merchung [von ketzerey, zauberey] stat an vngewonlicher kranckhait / oder smertzen den die menschen oder fühe enpfahen.

2. ›Kennzeichnung, Markierung einer Flächengrenze durch Anbringen geeigneter Zeichen (als Handlung)‹; metonymisch: ›angebrachte Markierung, Grenzzeichen‹; zu mark II, 2. − Obd. − Bdv.: aussteinung, reinung; vgl. andermarkung, grenze 1, landmark 3, markscheidung, termin 2. − Synt.: m. tun, eine m. begeren; der m. beiwonen; jn. um m. anrufen, zu der m. erscheinen; die m. der äcker / wiesen; zur Metonymie: die m. abhauen / ausziehen / verändern / verrücken; eine m. eine eiche sein. Kohler u. a., Bamb. Halsger. 139, 4 (Bamb. 1507): welcher bËsslicher vnd geverdlicher heymlicher weyss ein markkung verruckt oder verendert, der [...]. Mon. Boica, NF. 1, 568, 18 (nobd., 1. H. 15. Jh.): das der herschaft ein grosze notdurft ist, die iren darczu zu schicken von raynung und markkung wegen der wisen, ecker und holczer. Merk, Stadtr. Neu-

1885

markweg − markzal

enb. 111, 16 (nalem., 1616): Es solle auch järlichen ein rat einen vom rat und drei aus der gemeind zue markern verordnen und, wann sie einer oder zwen umb markung und aussteinung der güetern anrueft, so sollen sie dem oder denselben parteien [...], zue solcher markung zu erscheinen, verkinden. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 721, 19 (schwäb., 1585): Wellicher ein marckstein, pfahl, gruoben oder andere marckung verruckt, außziehet, abhawet oder abtuet [...], ist ein solcher, so daß thete, der herrschaft dreysig pfund verfallen. − Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 266, 1; Rwb 9, 295.

3. ›Grenzlinie, Grenze zwischen Raumflächen (meist Grundbesitztümern, Verwaltungseinheiten)‹; als Metonymie: ›jeweils umgrenzte Fläche, Raumeinheit‹; vgl. mark II, 3; 4. − Bdv.: begrif 5, flecke, 1gebiet 2, gemeinde 1, gericht I, 1, grenze 1, rein, umfang, ziel; vgl. mark II, 3. − Synt.: die m. sich weit erstrecken, js. m. [wohin] reichen; auf der m. lesen, ausser der m. ›nach außerhalb des Bezugsraumes‹ kein gut verkaufen, jn. in js. m. fangen, zueinander in die m. greifen; die m. des dorfes; die versteinte m., die Aglasterhausen(er) / Randersacker / Wirzburger m.; das ende der m. Brinkmann, Bad. Weist. 65, 13 (rhfrk., 1555): auch hat der junker von Hirschhorn hasen, vögeln und alles klein weidwerk zu Aglasternhausen markung zu treiben. Mon. Boica, NF. 1, 587, 29 (nobd., 1414): In den obgeschriben gerichten marckung und grennicz ligen alle hernachgeschriben dorffer weyler hofe und mulen [...] als weyte, als dann eins iglichen nachgeschriben dorffes weyler hofes und mule rein und marckung reichen. Ebd. 2, 1, 23, 15 (1464): darinnen [in bÈchern] eynes yeden gutes gelegenheyt zwe dorfe und zwe velde, und wer daran stossen hat an dem ende derselben markung, ordenlich beschreiben. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 343, 20 (nobd., 1511, Hs. 16. Jh.): unser [...] weingarten in Randerßacker markung gelegen. Dinklage, Frk. Bauernweist. 108, 37 (nobd., um 1540): das der herr zu sant Steffan soll des zehents warten, solang und dieweil ir drey uff der markkung zu lesen haben. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 452, 25 (schwäb., 1574): Vom undergang zill und markkung. − Wendehorst, a. a. O. 238, 4; Rwb 9, 295; Pf‰lz. Wb. 4, 1194.

markweg, s. mark II, 3. markwehtage, markwunde, s. mark (das). markzal, die. ›Verhältnis, Proportion einer im jeweiligen Handlungszusammenhang zu bemessenden Sache zu einer anderen, die mittels eines Substantivs genannt wird, aus dem

1886

Belegumfeld hervorgeht oder als bekannt vorausgesetzt wird‹; auch: ›Angemessenheit e. S. relativ zu einer anderen‹; Motivation des Bw unsicher; vgl. mark I, 1. − Rechts- und Wirtschaftstexte, vereinzelt Chroniken. − Bdv.: anzal 2, gebürnis 2; vgl. markteil, teil 6; 8. − Synt.: etw. bei der m. verpfunden, nach m. erben, etw. nach (einer) m. geben / gelten / verzinsen / teilen, der stat nach m. etw. senden, nach m. von etw. steuern, jm. nach m. abgehen, jm. etw. nach einer m. abschlagen / geben, jm. nach m. um etw. genug beschehen; m. des gutes, der güter, des imis, der zeit, der orte, der schuld; die rechte / ziemliche ›angemessene‹ m. Toeppen, Ständetage Preußen 1, 305, 23 (preuß., 1417): allerley ware, [...], is sy gewandt, saltcz, [...], dy vorpfundet man by der margkczal, von der neuwen marg 1 neuwe firchen. Chron. Kˆln 1, 324, 25 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): inwendigen ind uswendigen luiden geliche zo deilen na marzalen der schult der iedermanne bruch is. Wyss, Limb. Chron. U 126, 44 (mfrk., 1373): so sollent dij testamentyre iglichem abebrechen unde geben nach der martzel, daz sij gudes haben. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 278, 4 (mosfrk., 1464): amptgulte, die ine noch marzale der zit erschienen und unbezailt usstaende were. Wiese, UB Wetzlar o 1, 491, 48 (hess., 1332): daz wir der vigende mechtich wuro den unde nutz von in nemen, [...], dez solde man uns gebin unse deil ader den cehenin, dy wir der stat senten noch marzal. Wolf, Gesetze Frankf. 26 (hess., 1383): so sulde man ir iglichem sine 30 lb. nach marczal abeslahin. Chron. Mainz 1, 33, 32 (rhfrk., 15. Jh.): sprechen wir, daz die inern und auch die ußern [burger], die weder in die stad koment, die selbe scholt nach marzal glich gelten sullent. Ebd. 53, 31: dieselben sullent ir schatzunge geben, daz sich geburte, von solichen huseren und erben nach marczal und geburnisse. Neubauer, Kriegsb. Seldeneck 89, 26 (nobd., 2. H. 15. Jh.): dan zu gebenn den obgeschribenn solt noch marczall der zeytt, die sie gedint hetten. Chron. Strassb. 1, 130, 12 (els., 1362): daz bar guto daz sü hettent, daz nam der rot und teiletes under die antwerg noch marczal. Rennefahrt, Stadtr. Bern 392, 32 (halem., 1406): also daz inen umme die versessen und o beschenhen sige. ergangnen zinse ... nach marckzal ee gnug Ders., Recht Laupen 197, 1 (halem., 1530/1): Alle gÈter habent rechtsame und eehafftigkheit in holtz, allmend, [...] nach landtsrecht und marchzal der gÈtern. Ders., Gebiet Bern 168, 31 (halem., 1594): das im sovil vom künftigen jarwyn nach der marchzal der verdieneten zyt oder den synen gevolgen sölle. − Kˆbler, Ref. Nürnberg 366, 16; Merk, Stadtr. Neuenb. 59, 34; Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 370, 9; Boos, UB Aarau 268, 41; Rennefahrt, Recht Laupen 27, 40; ders., Statut. Saanen 46, 14; 127, 20; ders., Zivilr. Bern 48, 21; Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 32, 16; Jˆrg, Salat. Reforma-

1887

markziel − marmel

tionschr. 815, 25; Mollwo, Rotes Buch Ulm 89, 7; Barack, Zim. Chron. 2, 318, 5; Rwb 9, 299; Schweiz. Id. 12, 1528. − Vgl. ferner s. v. imi 1.

markziel, s. mark II, 4. marlacke, Genus und etymologische Zuordnung? ›Schaf dalmatinischen Schlages‹. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 168, 6 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): do pracht er mit in den durftigen und armen lewtten, die [...] all die zeit grossen mangl gehabt hetten, annderthalb hundert ochsen, zwayhundert ma˘rla˘cken und hundert vass wein.

märleindichter, märleinprediger, s. märe 5. märleintrager, der. ›Schwätzer, aufschneiderischer Verbreiter unverbürgter Gerüchte‹; vgl. 1märe 3; 5; 6. − Bdv.: vgl. ausredner, gaukelman 1, geiferer, geistpolster, ipsian, laferman, loquebar, maulberer, maulfrank, maulklapperer. 1

Sachs 2, 17, 34 (Nürnb. 1530): nemet mir gefencklich an 兩 Apium, den zernichten man, 兩 Mit sampt den schöpffen und anklager, 兩 Sein zeugen und den merlein-trager. Ders. 3, 341, 1 (1531): All person nach eynander her 兩 Müssen vor irem [Frau nachred] gwalt sich schmucken 兩 [...] 兩 Das sind mit namen alle neyder, 兩 [...] 兩 All orenplaser, pladerer, lügner, 兩 All verräter und blut-verkauffer, 兩 All merlein-trager, zungenrauffer. v. Keller, Ayrer. Dramen 1312, 24 (Nürnb. 1610/8): Daß macht, er ist sein [des Keisers] Märleintrager, 兩 Sein Fuchsschwentzer vnd Zeitungsager. Maaler 281r (Zürich 1561): MÁrletrager (der mit vnnützem geschwÁtz vm˜ gadt. − Vgl. ferner s. v. bärentreiber 2.

märlen, s. 1märe (die) 3. marling, Genus und etymologische Zuordnung? ›zweisträngiges Garn (zum Binden von Fässern)‹. Bl¸mcke, Hans. Gesandtsch. 153, 19 (nrddt., 1603/ 05): vor Mattenn unnd Marling, die Weine damitt zu beriven, 9 Gr. − Ebd. 154, 11.

märlügner, s. 1märe 6. marmat, Genus und Etymologie? eine Stoffart. Ziesemer, Gr. Ämterb. 666, 20 (preuß., 1437): 1 ganczen ornat mit rocken von eynem marmath. − Ebd. 93, 34; Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 110, 14.

marmel, marmor, der ; -s/−; erstere Form deutlich häufiger, teils mit Uml.;

1888

starke Schreibvariation (auch durch -rm- zu -rb-); über mhd. marmel aus lat. marmor (Lexer 1, 2051). ›Marmor (als Gesteinsmaterial)‹; auch: ›einzelner Marmorstein‹; in den Belegen kaum neutral gebraucht, meist mit Hochwertung für religiös oder herrschaftlich Erhabenes, auch abwertend für äußeren Glanz. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 6, 316. − Synt.: m. brechin, den m. auf den grad (zum Glauben) legen; im m. salz sein, etw. (z. B. die gassen) mit m. pflastern, etw. mit m. bedekt sein, etw. von m. machen; der turn, von m. gemauert, das grab, von m. gehauen; der weisse / braune / veielvarbe / reine m.; der badkasten, die säule / stiege, das geschir von m. Wbg.: marmelfar, marmelkirche, marmelsarg, marmelsäule, marmelspalt, marmorisch, marmorweis. Luther, WA 1, 199, 25 (1530): Aber eine marmel kirchen bawen, gülden kleinot schencken, den todten steinen und holtz dienen, das gleisst. Ders. Hl. Schrifft. Tob. 13, 21 (Wittenb. 1545): MJt weissem vnd reinem Marmor / werden alle jre Gassen gepflastert werden. Fischer, Brun v. Schoneb. 4600 (md., Hs. um 1400): dine [vrouwe] bein sint geschaffen 兩 als zwe marmelsulen an der schouwe. Ebd. 4642: ist dir dise rede wundirlich 兩 nicht marmelvar genuc? 兩 nu sprich ja meister kluc. 兩 sint der mermel vil winkels hat, 兩 so lege ich in uf den grat 兩 daz wir zu dem gelouben stigen. Oorschot, Spee. Trvtz-N. 223, 11 (wmd., 1634): Schaw die Marmerweisse Schwanen 兩 Schon auch schmeltzen ihren Schnee. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 21, 158, 11 (schles., 1580): Auf dem Zobten wird Marmor gebrochen. Pyritz, Minneburg 119 (nobd., Hs. um 1400): Der burg torhus waz beschurt 兩 Mit einem turn, hoch gemurt 兩 Von mermel und von augstein. Lehmann, Rezeptb. U 459 (orhein./ nobd., 1466/70): Daß gulden pflaster / mach also: / Nim gummi arbycium vnd marmelspalt / vnd hirssen vnschlit. Sachs 16, 62, 4 (Nürnb. 1559): So wöll wir in fürstlich begraben, 兩 In einem märbel-sarg erhaben. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 438, 10 (els., 1362): do sach er ein grab von marmel gehowen. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 327, 5 (Straßb. 1466): waz dings do werden gemacht von gold vnd von silber vnd von ere. vnd von marmel [Var. 14752−1518: iacinckt]. vnd von edelm gestain. Haszler, Kiechels Reisen 311, 33 (schwäb., n. 1589): zur linckhen handt, ist der berrg Calvariä oder Golgata, geth mann ein stüegen hinauf von weüssem marmor. Ebd. 313, 12: do dann das heylige grab sein soll, hatt derselbige theil gedachte halbe cappell inn, mütt einem weißen marmor bedöct, drey schuch hoch. Langmantel, Schiltb. Reiseb. 47, 4 (oobd., n. 1427): man ersicht sich in der kirchen an der maur als in einem spigell als clar [...] ist es gemacht von merbell und mit lasur an der maur. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1392 (oobd., 1607/11): Ein

1889

marmelade − marmelstein

ablang geschirr von marmo. − Fischer, a. a. O. 4611; Hoffmeister, Kuffstein. Gef. Av v3; Kurrelmeyer, a. a. O. 6, 117, 2 Var.; Sudhoff, Paracelsus 13, 111, 23; 29; Koppitz, Trojanerkr. 6326; Bauer u. a., a. a. O. 1833. − Vgl. ferner s. v. alabastrinisch, badkasten 1.

marmelade, die; über franz. marmelade aus dem Port./Span. (Kluge/S. 2002, 600; Jones, French Borrowings 425; Schulz/ Basler 2, 1942, 75). ›Marmelade, Fruchtmus‹. − Jones, French Borrowings, s. o. (a. 1603). märmelen, marmoren, Adj. ›aus Marmor bestehend, hergestellt‹. Chron. Kˆln 2, 438, 12 (Köln 1499): dat koestliche marmoren paviment in dem pallais nam he mit sich. J. W. von Cube. Hortus 136, 5 (Mainz 1485): daz erlich machen kalck vß merstein. etlich vß gemeyn steyn. etlich vß marmoren stein. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 26, 7 (osächs., 1343): ein wıˆp, di hatte eine mermelıˆn buchsin der o salbin einer turen gemengetin nardi. v. Tscharner, Md. Marco Polo 12, 29 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Von der mermelyn sule di do swebit czeychlich. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 396, 7 (oobd., 1349/50): man behelt den campfer in märmeleinen vazzen. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 767 (oobd., 1607/11): 1 groß egybtisch idolo von silber, ist abgegossen von einem weiß marmorin antiquo. − Williams u. a., Els. Leg. Aurea 201, 17.

marmelfar, marmelkirche, marmelsarg, marmelsäule, marmelspalt, s. marmel. marmelstein, der ; −/-e; Bw auch märmel-. 1. ›Marmor (als Material), Marmorstein (als Rohstoff für Bauwerke)‹; zu marmel, stein 3. − Synt.: aus m. kalk machen, j. aus m. sein ›kalt sein wie Marmorgestein‹, etw. auf m. ›Marmor als Malgrund‹ malen, etw. aus m. bauen (z. B. einen palast), etw. in m. stechen, etw. mit m. bauen (z. B. einen tempel ) / machen (z. B. einen kasten / palast); das bild, der tisch von m. (sein); der gefierte / graue / kostbare / lautere / reine / rote / weisse m. Wbg.: marmelsteinhauer. Voc. inc. teut. p viv (Speyer um 1483/4): Marmelstein marmor. Quint, Md. Karl u. Eleg. 1106 (Hs. 2thür., n. 14559): ein palast, 兩 Dz korczlich gemacht wz 兩 Von clare˜ mermel-stein. Rupprich, Dürer 1, 165, 151 (nobd., 1521): Jch hab den guten marmelstain hauer, maister Jan, [...] − mit der schwarczen kraiden conterfet. Kehrein, Kath.

1890

Gesangb. 2, 604, 1 (Nürnb. 1631): Wann du [SÈnder] schon werst auß Marmelstein, 兩 Es solt dich doch erbarmen. Lindqvist, K. v. Helmsd. 181 (halem., Hs. um 1435): diser mÁgti geburt glichnen ich schon 兩 Dem tempel den Salomon 兩 Gebuwen haut mit marmel stain. Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk. I, 2, 7, 18 (Luzern 1526): Du [Zwingly] schreibst in stoub das lesteren dein 兩 So stechendt wirs in marmelstein. Dreckmann, H. Mair. Troja 37, 5 (oschwäb., 1393): die mur umb die stat waz zwai hundert dum elen hoch, alz mit gefiertem marmelstain. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2800 (oobd., 1607/11): Auff wassergrawen marmorstain, darauf H. V. A. ein [...] ungewitter mit plitz und schiffbruch gemalt. − Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 108, 3; Sachs 16, 200, 8; Kehrein, a. a. O. 1, 335, 7; Koppitz, Trojanerkr. 2488; Chron. Augsb. 5, 44, 14; Bauer u. a., a. a. O. v. 1866; Dasypodius 126v; 377v; Maaler 284r; Rot 327. − Vgl. ferner s. v. alabaster 1.

2. ›einzelner Stein, Steinblock aus Marmor; Behälter, Gerät (z. B. Messer) aus Marmor‹. − Synt.: den m. brechen ›zerbrechen‹ / erlauchen ›verrücken‹ / treffen; js. (der frauen) beine als marmelsteine geschaffen sein; auf einen m. etw. malen, jn. in einen m. begraben, das bad / grab in einen m. bereiten, jn. in einen m. ›in eine Marmorsäule‹ verkeren, das bad mit marmelsteinen einlegen, einen plaz mit marmelsteinen besetzen; der ägyptische / enge / gleichmässige / grosse / köstliche / schöne / weisse / weite / zerstossene m.; des herzen m.; pflaster von marmelsteinen. Fischer, Brun v. Schoneb. 276 (md., Hs. um 1400): ouch sint geschaffen vrouwe reine 兩 dine beine also mermelsteine. Karnein, Salm. u. Morolf 776, 6 (srhfrk., Hs. um 1470): ein bat hieß er bereiten 兩 in einen schonen marmelstein. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mr. 14, 3 (osächs., 1343): ein wıˆp die [...] brach den mermelstein [Emser 1527 / / Eck 1537: bÈchs o. ä.; Luther 1545: glas] und goˆz si [salbe] uˆz uˆf sıˆn houbit. Pyritz, Minneburg 2013 (nobd., Hs. um 1400): Ich mochte baz derluchen 兩 Einen großen marmelstein 兩 Mit einem syden vadem clein 兩 Wann ir gnade erwerben. Sachs 2, 78, 26 (Nürnb. 1556): Die [Ägypter] schneyden auff die seyten sein [des Toten] 兩 Mit eym egyptischen merbelstein. Ders. 16, 9, 7 (1562): Ich wurd stumb, redt kein wort hernach, 兩 Wurd verkehrt in ein märbelstein. Maaler 284r (Zürich 1561): Pflaster von zerstoßnen Marmelsteinen. Morrall, Mandev. Reiseb. 55, 10 (schwäb., E. 14. Jh.): der platz ist schËn besetzt mit wissen marmelstainen. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 37, 45 (schwäb., 1471): mein aller schönstes weib, 兩 Mein stätten dienst also beschreib 兩 In deines hertzen marmelstain. Rauwolf. Raiß 29, 18 ([Lauingen] 1582): Dise jre BÁder [...] haben nahe beym eingang ain schËnen Sal / der [...] mit Marmelstainen von mancherlay farben künstlich eingelegt. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 228, 8 (oobd., 3. Dr.

1891

marmelsteinen − marner

15. Jh.): Nachdem berayt man das grab in ainem kostlichen marmelstain mit schoner zier. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2801 (oobd., 1607/11): Ein ander gleichmessiger marmelstain darauf H. V. A. ein höll. zauberey und hexenwerckh gemalt. − Wunderlich, Fierrabr. 121, 2; v. Tscharner, Md. Marco Polo 7, 17; Mayer, Folz. Meisterl. 6, 21; Kurrelmeyer, Dt. Bibel 6, 129, 29.

marmelsteinen, Bw auch marmor-; Adj. ›aus Marmor, marmorn‹. − Synt.: der marmelsteinene besaz / kasten / tisch, das marmelsteinene geschir / grab / postament, die marmelsteinene büchse / säule (mehrfach) / schlange. Wbg.: marmorsteinern. Peil, Rollenhagen. Froschm. 609, 3256 (Magdeb. 1608): Vnd von eim Hasenbein ein Keul / 兩 Gleich als ein Marmelsteinen Seul. Morrall, Mandev. Reiseb. 18, 6 (schwäb., E. 14. Jh.): die starb, und die ward geleyt in ain marmelstainni grab. Haszler, Kiechels Reisen 316, 12 (schwäb., n. 1589): oben uf dem hemell ein rond gebey von öttlichen marmorsteinern seüln umbher mütt kupfer bedöct. Dreckmann, H. Mair. Troja 11, 2 (oschwäb., 1393): [Hercules] hiez im da uf rihten XII marmelstainin sul zu ainem zaichen seins sigs. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1869 (oobd., 1607/11): ein graw marmolsteinene schlangen, gar artlich nach dem leben gemacht. − Chron. Augsb. 5, 4, 10; 8, 328, Anm. 5; Rauwolf. Raiß 30, 19; Bauer u. a., a. a. O. 1921; Maaler 80v; 82r.

marmelsteinhauer, s. marmelstein 1. marmor, s. marmel. marmoren, s. märmelen. marmorisch, marmorweis, s. marmel. marmosen, V.; Deformation aus machmet (s. d.). ›Mohamed dienen, ihm huldigen‹. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 9202 (rhfrk., um 1405): Es ist nit billich das ich marmoset, 兩 Der daub ist und kein auge het, 兩 Ich yme diene odir huldeschaff duhe (marmoset wird im Glossar der Ausgabe als Subst. ausgewiesen; das passt zu mnl. marmoset ›trollartige Figur‹; so Verwijs/ Verdam 4, 1191; in der Ausgabe Bˆmer 9120 steht Mamet, nach meinem Urteil ist marmoset eher als 3. Pers. Sg. eines Verbs zu lesen).

marner, der ; −/-π ; über mhd. marnære aus lat. marinarius, ital. marinaro (Dwb 6, 1669; Schw‰b. Wb. 4, 1492). 1. ›Seefahrer, Seemann‹; auch: ›Binnen-, Flußschiffer‹; vereinzelt über das Vergleichsmoment ›Kundiger‹ auf den als fahrtenkundig gedachten Textgestalter ütr. 1

1892

− Gewisse Beleghäufung für berichtende Texte. − Bdv.: ferge, ruderknecht, schifkind, schifman; vgl. pilot. − Synt.: die m. bitten, zu [...], die keiserin [Maria] jm. m. geben; die m. (Subj.) faren (z. B. gen Cypern) / ankern / ruhen / kaufen, die kiele richten, das schif festen, süsses wasser machen, die oren verschieben (gegen die Syrenen); j. js. m. gemacht sein; den marnern lonen; j. der oberste über die m. erkant sein; die m. des kieles; der alte, getreue m. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 8025 (preuß., um 1330/40): der von Wıˆde was genant 兩 und obriste was irkant 兩 ubir dıˆ merneˆre. Karnein, Salm. u. Morolf 49, 2 (srhfrk., Hs. um 1470): die marner riechten die kiele zu dem staden, 兩 die heiden leitent an ir steheln gewant. v. Tscharner, Md. Marco Polo 58, 19 (osächs., 2. H. 14. Jh.): wen der nordin wint mit syme sturme unde des meris irgysunge hot des landis vil ingewaschin, als di merner sprechin, als ouch mappa mundi bewist. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 347, 11 (Straßb. 1466): o thiri dein weysen seint gemacht dein marner [Var. 14752−1518: regierer ; Cranc, M. 14. Jh.: stuyrmanne; Froschauer 1530: schiffherren; Eck 1537: schifregierer ; Luther 1545, Hes. 27, 8: Ruderknecht]. Koppitz, Trojanerkr. 15413 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Des kı¨lles marnere 兩 Batt do der gewere 兩 Sich ussz schiffen an daz land. Morrall, Mandev. Reiseb. 20, 5 (schwäb., E. 14. Jh.): und ist nÁher, wann das die marner o gern gen Cypern farent, das sie ruwent. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 2, 62, 36 (schwäb., 1471): Schifkinder Marhner Fergen 兩 Nach allem deinem synn 兩 Geb dir die kaiserin, 兩 Die got Im selbs erkos! Chron. Augsb. 3, 363, 31 (schwäb., E. 15. A. 16. Jh.): die märner verschiebend ire oren, 兩 das sy der Syrenen stim nit horen. Jaksche, Gundakker 4141 (oobd., Hs. 1. H. 14. Jh.): marnære die pesten 兩 daz shef hiez er vesten. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 101, 14 (oobd., 1349/50): wenne die marner süez wazzer machen wellent, daz sie trinken. − Adrian, Saelden Hort 10995; Chron. Augsb. 3, 364, 7; Jaksche, a. a. O. 4188; 4919; Primisser, Suchenwirt 4, 190. − Vgl. ferner s. v. ausschiffen 2, ingeräte.

2. ›Steuermann‹, mit Tendenz zur Ütr. auf Gott als Geleiter sowie Maria als Geleiterin; eng an 1 anschließbar. − Synt.: den m. loben, jm. einen m. gewinnen; der m. weise sein, die sele zu land weisen; dem m. etw. für den schiflon geben; ane m. in ein schif sitzen ›sich begeben‹; der gute / rechte m.; der tugend m. Wbg.: marnerin. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 34, 47 (Hs. 2omd., 14659): E wige lucerne, ewiges immerlicht; rechte farender marner, des kocke nimmer undergeet; [...] allersterkister, [...] erhöre mich! Adrian, Saelden Hort 10320 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): si [judent] sassent an marner 兩 in ain schiff

1893

marner − mars

o und furten si 兩 des meres in die mitteli. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel, 130 (schwäb., 1453): Dinr [Maria] tugent marner wyset 兩 Mang ellend sel zuo land. Klein, Oswald 17, 3 (oobd., 1410): halt in der mass, 兩 bis das du vindst die rechten sträss, 兩 und kanstu das, so bis dus, morner, weise. Wackernell, H. v. Montfort 13, 15 (soobd., A. 15. Jh.): die marnerin muoss bi mir sin, 兩 sol ich ze lande schiben, 兩 die uns doch vor geholfen haˆt. − Seem¸ller, Chron. 95 Herrsch. 220, 18; Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 571, 1; hail. altvÂter 77r, 25.

2

marner, der ; etymologische Zuordnung unklar. eine Art Wollweber. − Schw‰b. Wb. 4, 1492 (a. 1499 f.). marnerin, s. 1marner 2. maroble, das; aus lat. marrubium ›Andorn‹ (Georges 2, 819; Marzell 3, 62). ›Andorn (eine Gewürzpflanze)‹. − Fachtexte. − Wbg.: marrubienblat, marrubienwurz. Ott-Voigtl‰nder, Rezeptar 207r, 25 (Hs. 2nalem., o um 14009): Dem die lungg oder / die leber we tut: Nim marrubien bletter / vnd betran vnd hirshËrner vnd hirs. Haage, Hesel. Arzneib. 17r, 9 (Hs. 2noobd./md., E. 15. Jh.9): Reival, haselburczkraut und marobel, die drey dy sind gutt fur daz kalt gicht in dem kopff. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 408, 34 (oobd., 1349/50): Marrubium haizt marobel oder sigminz und haizt auch ze latein prassium. Deinhardt, Ross Artzney 81 (oobd., 1598): Wann ain roß bluet stalt [...] nimb agramonia khraut vnd matrueben wurzen vnd seudts baide in wein. Weitz, Albich v. Prag 138, 10 (Hs. 2oobd., A. 16. Jh.9): das alles misch o marobel vnd mynczen. − mit safft von saluia, rutten, wermut, Ebd. 161, 16.

marquis, der ; über mhd. markıˆs ›Markgraf‹ aus afranz. marchis, dies aus dem mlat. marchensis (Lexer 1, 2050; Jones, French Borrowings 426). ›Markgraf‹. Koppitz, Trojanerkr. 5850 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Zirusz, der markis tugend san 兩 Fürtte mitt ellenthafter hand 兩 Die banyer rich von Karnant.

marrecht, s. marren (V.). marren, die; aus ital. marrone, rom. marrun; A. 17. Jh. neu entlehnt aus franz. marron (Schweiz. Id. 4, 353; Jones, French Borrowings 426; Schulz/Basler 2, 1942, 77). ›Eßkastanie‹. − Wbg.: marrenkästen.

1894

Maaler 284r (Zürich 1561): Marren / Die grossen kestinen. Balani, Nuces castaneæ. Marrenkestinen. Turmair 1, 387, 14 (Augsb. 1517): haec nux ,nuss‘, haec castanea ,kesten, marren‘. 1

marren, V.; s. Dwb 6, 1670. ›sich wie ein Hund, eine Katze mürrisch, zänkisch, bissig verhalten‹; ütr. von dem Naturlaut, der dem Esel, dem Hund und der Katze zugeschrieben wird, auf den als ähnlich gesetzten mürrischen Ton des Menschen, und zwar meist der Frau. − Bdv.: anschnarren, bellen 2, fluchen, grannen, heulen 1; 2, krellen, mäulen, munken. − Wbg.: marrecht ›mißlaunig, bissig, knurrig‹. Schˆnbach, Adt. Pred. 19, 37 (osächs., 1. H. 14. Jh.): o swanne der esel geth, so setzet er einen vuz balde nach deme andern und enmarret niht, also ensoltu ouch niht marren. Sachs 5, 164, 5 (Nürnb. 1557): ein hader-katz, 兩 Die all mal marr, gron, krell und kratz 兩 Mit nachparn, kinden, magd und knechten. Ders. 16, 517, 38 (1562): [der pfab] thut er sich denn mewlen, 兩 Thut wie ein hund marren und hewlen. Ders. 21, 145, 22 (1562): Als-denn sie [weib] heimlich murrt und flucht, 兩 Und wird denn marret wie der hund. − Ebd. 20, 188, 10; 21, 410, 6; v. Keller, Ayrer. Dramen 2816, 21. − Vgl. ferner s. v. anschnarren. 2

marren, s. merren. marrenkästen, s. marren (die). marrobortin, der ; über das Mlat. letztlich aus dem Arab. (Lexer 1, 2052). eine in Portugal geschlagene Münze. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 5760 (preuß., um 1330/40): daz er im vil manche zıˆt 兩 zu zinse muˆste gebin sıˆt 兩 teglıˆch in dıˆ kammir sıˆn 兩 goldis tuˆsint marrobortıˆn.

marrubienblat, marrubienwurz, s. marobel. mars, der; lat. Flexion. ›Mars, römischer Kriegsgott‹; ütr.: ›der Planet Mars‹; als Metonymie: ›Eisen‹; zu den mit mars verbundenen okkultistischen, alchimischen, astrologischen, kosmologischen Vorstellungen vgl. die Belege sowie: Hwb. d. dt. Abergl. 7, 36−294, speziell 142 ff.; Lex. d. Mal. 6, 2200−2204; Georges 2, 819. − Wbg.: martial ›draufgängerischer Mensch‹, martialisch ›zänkisch (von Frauen gesagt); aggressiv (von Krankheiten)‹, martistag ›Dienstag‹ (vgl. Beleg Plant).

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märsage − marschalk

M. Cunitia. Ur. Prop. 151, 6 (Öls 1650): in den 5 Planeten oder irrenden Sternen: Saturn. Jupiter. Mars. Venus. Merkur. das ziel des stillstehens / nembl: in welchem sie uns stillzustehen scheinen / auß beweißlichen Geometrischen grÈnden. Benzenhˆfer, J. de Rupescissa. [...]. 1989, 187 (nalem. / rhfrk., 1438/40): vmbe daz y¨sen eygenschafft hat von mars / so ist ysen mars genant. Sudhoff, Paracelsus 4, 163, 22 (1527): dan das martialisch fleisch gehet in seiner confini, so ist es tötlich. Ebd. 8, 74, 24 (1530): daraus entspringt, das ir nicht sollen sagen, das ist cholera, [...], sonder das ist arsenicus, [...]; also auch der ist saturni, der martis, nit der ist melancholiae. Ebd. 383, 40: das gesicht des basilisken tötet, also ist auch das gesicht martis. Ebd. 10, 41, 12 (1536): den ist wie den bösen weibern, was saturnisch ist, neidig, hässig, untreu, dieselbigen sind auch zu solchen zufellen gericht, auch die martialischen. Ebd. 13, 45, 24 (1525/6): Die metallen, [...]. diser 7 planeten sind vil; als vil sind die soles, seind vil lunae, vil martes, [...]. und heißend siben, darumb sie sibenerlei metallen machen. Plant u. a., Main. Naturl. 294vc, 20 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): d s erste planete heizit. Saturnus der ander Jvpiter. darnach Mars. Ebd. 295rb, 26: an d s erste¯ stunde¯ dez cistages richzet. Mars davon heizit er martis tac. Rot 327 (Augsb. 1571): Mars, Ein Heydnischer Gott des Kriegs. Jtem ein nam eins Planeten. Es wirt auch offt für eysen vnd krieg genommen. Ebd.: Martial, Ein kriegerisch hÁderisch kumpel / das die art vnd natur Martis an jm hat / bluto durstig. Klein, Oswald 22, 20 (oobd., 1416): Ain planet ich eu melde: 兩 von erst der Sunne fluss, 兩 darnach des Mannes zelde, 兩 Mars und Mercurius. Ebd. 66: Ain herr der bösen glider, 兩 Mars, dürr und grimmlich haiss. − Martin, H. v. Sachsenh. Tempel, 913; Barke, Spr. d. Chymie. 1991, 291 f. − Vgl. ferner s. v. astronomus, ausbachen 3, 2ausstäuben 1.

märsage, s. 1märe (die) 6. marsch, s. marschieren. marschalk, der ; -s/-e + Uml. (nur vereinzelt belegt); Bw zu 2märe (die), Gw zu ahd. / mhd. scalk (Splett, Ahd. Wb. 1, 2, 829; Lexer 2, 640); im 16. Jh. Entlehnung aus franz. mare´chal, das seinerseits germ. Herkunft ist (Jones, French Borrowings 421). ›hoher Funktionsträger eines Herrschers, im einzelnen: eines Königs, auch Sultans, eines Territorialherren, Grafen, Bischofs, einer Stadt‹; in einzelnen Fällen: ›Pferdeknecht‹; der Aufgabenbereich des marschalks ist die Organisation des Militärwesens, des Hofdienstes (bis zu Tagesaufgaben hin), des Rechts- und Verwaltungswesens; im ütr. Sinne kann marschalk auch den Patron eines Stiftes (z. B. Neuß) be-

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zeichnen oder für eine Abstraktgegebenheit wie geizigkeit, gerechtigkeit stehen. − Phras.: des reiches marschalk ›Herzog von Sachsen‹. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): amptman, drost, hauptman 1; 2, hofmeister, schenk, truchses; rostäuschler. − Synt.: einen m. haben, den m. [wohin] senden; der m. den stal besorgen, wein schenken, helfen recht sprechen, ding / recht halten, das schwert füren, das fluchen / schweren strafen, die herberge bescheiden, das gebot in reisen haben; gerechtigkeit m. ›als Marschall‹ stehen; dem m. etw. bekennen; etw. (zweitracht) an den m. brengen, durch den m. ein treffen geschehen, sich mit dem m. erzürnen, jn. zu m. nemen, zu dem m. reden / sprechen; der hohe / oberste (mehrfach) / pfälzische m., nachgestellt: der m. treu / stäte; der m. in Bayern / Österreich, m. St. Quirin; der m. des königs / herzogen / grafen, des hofes, der geizigkeit, der m. des erzbischofs zu Cöln, des herrn von Trier ; der bengel, das erfordern des marschalks; ane des marschalks wissen. Joachim, Marienb. Tresslerb. 316, 36 (preuß., 1404): 4 m. des koniges marschalkes tolken gegeben. Luther, WA 41, 468, 21 (1535): Oeconomus erat dominus super alios servos, et eos halten zur erbeit, Adhuc in aulis Marschalh, hofemeister, in monasteriis fursteher. Grosse, Schwabensp. 63a, 37 (Hs. 2nd./md., um 14109): Jst aber der da nicht, so sol iz sin des riches marschalc, daz ist der hertoge van Sassen; daz recht gap in der konigh Karl den Swaben tuo eren. Ebd. 123a, 34: Der hertzege von Sassen, des riches marschalk, hat den dritten kore; de sol deme konige sin swert vore tragen. Matthaei, Minner. I, 10, 559 (Hs. 15. Jh.): so kumpt das zwerglin stoltz 兩 mit in synr handt ein holtz, 兩 recht wie eins marschalcks bengel. Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 5 (Köln 1476): Dem hoeghen marschalck sent Quirijn 兩 Moes ouch zo loeff myn rede syn. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 3, 248, 20 (mosfrk., 1495): und sal der benant Michel sich mit einem reisigen pferde stetlichs gerust halten [...], zu unsers ader unsers marschalks oder rotmeisters zu ziten erfordern. Wiese, UB Wetzlar 1, 662, 45 (Wetzlar 1349): clagin wir, daz der greven von Solmes marschalk, ir dyner unde knechte [...] bi slafinder diet unser ingesezzin burgere nachtbranten, brantschaczeten. Feudel, Evangelistar 11, 1 (omd., M. 14. Jh.): eyn yclich marschalk schenkit czu dem ersten vore den besten wyn, unde wenne sy vortrunken werden, so schenken sy den snoden. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 106, 36 (schles., 1480): So aber czwetracht under den gewercken were, so sal man sulchs an uns ader unsern marschalk brengen. Pyritz, Minneburg 1464 (nobd., Hs. um 1400): Gerechtikeit sol herre da sy; 兩 Stet sy marschalk o und wille sy hofgesinde; 兩 Truwe die sy auch da by; 兩 Vernuft

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marschalkampt − marstal

hofmeister linde. Neubauer, Kriegsb. Seldeneck 67, 16 (nobd., 2. H. 15. Jh.): wer jme here auffrur macht mit schlagen oder anderm, an des marschalcks oder der haubtleut wissenn vnnd wilnn, den sol mann mit dem peyel vmb ein hanndt straffen. Chron. N¸rnb. 2, 256, 13 (nobd., 1449): wenn man außzeucht zu veld, so gepürt sich zu haben marschalck, küchenmeister, kelner, protgeben, köch. Ebd. 4, 322, 415 (15. Jh.): geschach ein ritterlich treffen [...] durch den pfaltzegravischen marschalk, heubtleuten und ritter wider hertzog Ludwigs marschalk und hauptman rc. und worden hertzog Ludewigs hauptman und marschalk gefangen. Mayer, Folz. Meisterl. 38, 4 (nobd., v. 1496): Der het als ym wol zame 兩 Ein marschalck trew unnd stete zwar. Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. 16, 13 (alem., um 1430): Der herzog von Saxen, der sol dem römischen küng das schwert vortragen und ist der oberst marschalk, das er sinen stal besorgen soll. Ebd. 116, 29: also sandet er durch die statt den markschalk und o der von Costentz burgermaister, Hainrichen von Ulm und ruftend das, ainer in tüsch, der ander in latin und ainer in wälsch. Maaler 336r (Zürich 1561): Rosszteüschler / Marschalck (der) Hippocomus. Wyss, Luz. Ostersp. 5067 (halem., 1571): Die Juden vnd der Saluator gand in Tempell, so redt Herodes zuo sinem Marschalk 兩 Herodes: Marschalk, hör was ich dir sag. Bremer, Voc. opt. 41060 (schwäb., 1436): Tiro [...] marschalk [...] est, qui corpore robustus et mente fortis bellicis rebus quasi nouis et pulchris intendit et dimicando confligit. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 252, 22 ([Augsb.] 1548): Geytzigkait / hat an ir alle untugendt. 兩 Liegen / triegen mag wol sein 兩 Ir Schencken und ir Trucksessein 兩 [...] Ir Marschalck ist Herr Cziterort 兩 Ir Cantzeler herr bitter wort. Uhlirz, Qu. Wien 2, 3, A. xxvii, 5 (moobd., 1415): Ott von Meissau, obrister marschalich und obrister schenck in Osterreich. Munz, Füetrer. Persibein 84, 2 (moobd., 1478/84): der marschalck vnnd ir maistrin pey ir pliben 兩 vnd Persiben der clare, 兩 [...] 兩 Zu´e hanndt die küniginne 兩 zu´e irem marschalck sprach 兩 [...]. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 204, 19 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Under andern schickt der durchleuchtig furst Philipp, Phalltzgraff bey Rein, sein treffenliche botschafft zu dem kunig von Franckreich durch den bischoff von Wurms und durch seiner gnaden marschalck mit der werbung. Turmair 4, 288, 3 (moobd., 1522/33): Titus Largius, der nam zum marschalk und hauptman über den raisigen zeug Spurius Cassius. Piirainen, Stadtr. Sillein 143a, 8 (sslow. inseldt., 1378): der erste Der phalczgraue von dem reyne dez reyches truchseze Der ander der marschalg der herrzoge von sachsen der dritte der kemerer der markgraue von brandenburch der virde ist der schenk des reichez. − Luther, WA 41, 468, 21; 45, 220, 37; Ziesemer, Gr. Ämterb. 37, 15; Schmidt, St. Kastorst. 2, 206, 27; Lamprecht, a. a. O. 3, 233, 10; K¸ther, UB Frauensee 378, 11; Gille u. a., M. Beheim 172, 50; Fastnachtsp. 180, 36; Morrall, Mandev. Reiseb. 25, 17; Vogel, Urk. Heiliggeistsp. 1, 219, 22; Klein, Oswald 26, 135; Piirainen, a. a. O. 64a, 29; Rwb 9, 305 f. − Vgl. ferner s. v. bakmeister.

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marschalkampt, das; -s/−. ›Funktionbereich, Amt des marschalks‹: zu marschalk, vgl. ampt 1; 3. − Synt.: das m. zu lehen empfangen, jm. das m. befelen / erlassen; j. des marschalkampts erlassen werden; das m. des bistums; das m. in Kärnten. Ziesemer, Gr. Ämterb. 31, 14 (preuß., 1434): do wart bruder Jost Strupperger das marschalkampts dirlassen. Turmair 4, 128, 14 (moobd., 1522/33): [er] pefalch das regiment die hauptmanschaft das hofmaister- und marschalkampt Joseph. − Ziesemer, a. a. O. 12, 5; 33, 39; Rwb 9, 308.

marschieren, V.; aus franz. marcher (Jones, French Borrowings 418). ›marschieren‹. − Wbg.: marsch (1. H. 17. Jh.; s. u. auch den Belegkommentar zu Bartsch), marschierung ›Heeresordnung‹ (a. 1619). Schorer, Sprachposaun 10, 13 (#o. O. 1648): Es ist auch so weit komen / daß vnsere fromme Bawrsleute [...] sich wissen mit denen Worten zu behelffen / die jhre Vorfahrn niemaln in jhren Leben gehËret / als marchiren, contribution. Bartsch, Reinfrid 4347 (halem., Hs. 14. Jh.): er liez in allen landen ein 兩 marsche niht ern wære daˆ. Ebd. 23522: sıˆns gebotes marsche gaˆt, 兩 als ich daˆ gehœret haˆn, 兩 verre über den Jordaˆn (in beiden Belegen liegt nach Lexer 1, 2052 s. v. marsche Kontamination von dt. mark II, 3; 4 und franz. marche vor). − Schweiz. Id. 4, 424; Jones, French Borrowings 417 f.

marschierung, s. marschieren. marschild, s. 2märe. marstal, der ; -s/ auch -π + Uml. ›Pferdestall einer meist größeren Wirtschafts- oder Herrschaftseinheit‹; vgl. 2märe 1, zu 1stal 2. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Bdv.: rosstal; vgl. pferd(e)stal. − Synt.: einen m. erbauen / beschauen / versehen / haben; etw. auf den m. geben (z. B. haber), aus dem m. füren (z. B. mist), in m. füren (z. B. gras, heu), jm. ein ros aus dem m. leihen, j. in den m. keren / reiten, ein ros in seinem m. haben, jm. den mist vor ›für‹ den m. geben; der m. des königs / meisters; der gute m.; die diener / soller im m. Ziesemer, Gr. Ämterb. 427, 11 (preuß., 1381): im marstalle: 8 waynpfert, item 8 ros, item 12 knechtepfert, item 3 sweiken. Ders., Marienb. Konventsb. 253, 13 (preuß., 1411): 2. m. 10 sc. minus 4 d. dem pferdemarschalke den knechten czu geben vor mist us dem marstalle czu furen. Ders.,

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marstaller − martbalg

Marienb. Ämterb. 100, 23 (preuß., 1413): 170 scheffel haber off dem soller in dem marstalle. Joachim, Marienb. Tresslerb. 471, 22 (preuß., 1408): ½ m. den stalknechten in des meisters marstall zu brote gegeben. Kollnig, Weist. Schriesh. 170, 21 (rhfrk., 1496): 4 malter habern geben sy al jor unserem gnedigsten hern zu mulhabern uf den marstal gon Heidelberg. Quint, Md. Karl u. Eleg. 1256 (Hs. o 2thür., n. 14559): Do reyt he in den marstal. 兩 Dz futer schotte he Ëber al 兩 Vor sine¯ voln risch. Mon. Boica, NF. o 2, 1, 151, 22 (nobd., 1464): Es ist auch yezunt gewonheit, das im die herrschaft den mist gibt vor dem marstall. Chron. N¸rnb. 5, 603, 7 (nobd., E. 15./A. 16. Jh.): stachen und ermörten Cristoffen, diener hie im marschalk (hier Verwechslung mit marstal). Schib, H. Stockar 52, 16 (halem., 1519): do schick(t) der alt her Rechberger nach mim ros und batt mich, ich sett im es lon, er wett mirs gern in sim markstal han. Maaler 284r (Zürich 1561): Des künigs Margstall oder rosszstall. M¸ller, Stadtr. Ravensb. 296, 16 (oschwäb., 1546): wölcher nun hinfüro ain roß auß dem margstall ime zu leichen begert. Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 186, 16 (moobd., 1338): ihr Haus, das da leit under den Flaˆeschpenchen bei sant Stephan ze Wienne und den marstal. Zingerle, Inventare 83, 1, 36 (tir./ vorarlb., 1446): In dem marstal: ain klaines, altes petlein von ainer person. − Struck, Cist. Marienst. 1037; Mon. Boica, NF. 2, 1, 80, 1; Koppitz, Trojanerkr. 21065; Rwb 9, 313; Schweiz. Id. 11, 23; Vorarlb. Wb. 2, 362; Schw‰b. Wb. 4, 1495.

marstaller, vereinzelt -ställer; der; -s/-ø. 1. ›Stallmeister, Aufseher über die Pferde, den Fuhrpark einer größeren Herrschafts- oder Wirtschaftseinheit‹; in 1 Beleg (s. Rwb 9, 314): ›Kurfürst als Inhaber des Erzmarschallamtes‹ (a. 1356), ansonsten keine klare Grenze zu 2; vgl. 2märe, 1 stal 2. − Bdv.: marschalk, stalknecht, stalmeister, wirtestabularius. − Synt.: einen m. berufen / haben; jn. m. der elefanten setzen (doppelter Akk.); der m. gen hof kommen, jm. den kopf abschlagen, das pferd in den stal bringen, nach jm. reiten, siechtum (der pferde) erkennen, darauf sehen, das [...], elephanten bei im (refl.) haben; mit einem m. hof halten; der m. des bischofs / herren; der eigene m. Alberus R ijv (Frankf. 1540): Magister stabuli. marstaller / stallmeister / der Ëberst über die reutter / hauptman / feldmarschalck. Knape, Messerschmidt. Bris. 21, 4 (Frankf./M. 1559): so ist gleich eylends / Sigmund der marstaller / sampt den knechten / mit den gesattelte¯ geulen [...] gen Hof komen. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 180, 15 (nobd., 1481): der ersame Heintz Schillinge, derzeit des hochwirdigen [...] bischofs zu Wirtzpurck [...], marsteller. Voc. Teut.-Lat. ee viijr (Nürnb. 1482): Stalherre. stal-

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knecht. marstaller. oder marschalck oder wirtestabularius. Sachs 15, 272, 4 (Nürnb. 1562): Nach dem der köng beruffen thet 兩 Sein marstaller, der bei ihm hett 兩 Der elephanten auff fünff hundert. Ders. 16, 170, 16 (1560): dir sendt auß Griechen 兩 Der keyser hie warhafftigklichen 兩 Zwey weiser pferd, der gleich nicht lebt, 兩 [...] 兩 Dein marstaller entprings in stal. Koller, Ref. Siegmunds 110, 5 (Hs. um 1474): Ein cardinal sol sein hoff halten mit XIIII personen, zwen capplan, einen kamermeyster, einen schreyber, zwen edel, vier schiltknecht, ein marstaller, ein koch. Tobler, Schilling. Bern. Chron. 1, 81, 28 (whalem., 1484): er zu´cht und halt sich als ein grosser fu´rst und hat alwegen [...] ein marstaller mit acht hu´bscher hengsten nach im riten. Fischer, Eunuchus d. Terenz 74, 4 (Ulm 1486): Sie neidten mich erbermklich. aber doch ainer gar vast, den der künig der indischen helfant marstaller gesetzt het. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 10, 26 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): und lyeß im sein hawbt abschlagen; und das muest tun sein aigner marstaller. − Bernoulli, Basler Chron. 6, 391, 21; Adomatis u. a., J. Murer. Zorob. 1374; B¸cher, Berufe Frankf. 1914, 81; Maaler 284r.

2. ›Pferdeknecht‹; vgl. 2märe, zu 1stal 2. − Bdv.: sattelknecht, stalknecht, wagenknecht, stuterer. − Synt.: den m. hangen; der m. unrecht tun, dem pferd unmäre sein, die marstaller ein häuslein innenhaben, j. m. sein, ein volk m. heissen; dem m. etw. [ein Trinkgeld] geben; der garte des marstallers. Thiele, Chron. Stolle 392, 34 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): [sie] hingen alle sine [cardinal] reverendarii, doctores, [...], credencerer, marstaller. Niewˆhner, Teichner 552, 2 (Hs. 2nobd., E. 14. Jh.9): Ich wil ew sagen ware mer 兩 von einem volk, haizzt marstaller. 兩 die haben mangen fremden list 兩 der den herren schedlich ist. Ebd. 558, 42: also wirt er misse preyset 兩 der ein torn straft und weiset. 兩 daz ist ym ymmer unmer 兩 alz dem pfert der marstaller. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 302, 16 (nürnb., 1464/75): das wachheuslein unter dem sibellen turen haben die marstaller innen. Bastian, Runtingerb. 2, 367, 20 (oobd., 1400): gab fur mich dem Wirndel, meinem marstaler, 2 lb. hlb. − Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 482, 41; Barack, Teufels Netz 8284; Uhlirz, Qu. Wien 2, 1, 889, 28; 2, 2, 2575, 8; Klein, Oswald 18, 13; Schmitt, Ordo rerum 272, 19. 1

mart, s. markt. mart, s. marder. martbalg, maderbalg, der ; −/-e + Uml. ›Marderfell‹; zu marder 2, balg 1. 2

Joachim, Marienb. Tresslerb. 232, 7 (preuß., 1403): 9 m. Grudencz dem korszner martbelge zu koufen. Loose, Tuchers Haushaltb. 77, 3 (nürnb., 1510): dem Deindelpeck kurßner für ein maderpalg mir umb den halß 1 gülden. Winter, Nöst. Weist. 3, 708, 1 (moobd., 1504): Wir in dem ambt Holnstain sullen zechen maderpelg und in dem ambt

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martbruch − marter

Gesting zwelf maderpelg unser herschaft järlichs zu sand Jorigen tag geben. Siegel u. a., Salzb. Taid. 310, 37 (smoobd., Hs. 17. Jh.): Es soll auch niemand kain wildprätt noch maderpälg, fuchspälig noch hörmpalg noch ander wildgevill verkaufen. − Ebd. 230, 12.

martbruch, s. markt 2. martel, s. marter. marteln, s. martern. marten, V. ›Handel treiben‹; zu markt/1mart 2. − Bdv.: vgl. handeln 8, hantieren 1, markten. Buch Weinsb. 1, 237, 37 (rib., um 1560): Min neuwer swager [...] zouch mit mir hinuff, das lant zu versoichen und auch wat zu marten. Ebd. 278, 19: Zu Alken wein gesuirt und zu Brem gemart.

märtenstag, martini. marter, dissimiliert: martel; die; -π/-π. 1. ›Passion, Leiden und Tod Jesu Christi als Erfüllung des göttlichen Heilsplanes‹; in den Belegen steht marter in der Folge Menschwerdung (geburt), urstende, auffart; sie ist die theologische Voraussetzung für die Befreiung, Erlösung, Rechtfertigung des Menschen von der Sünde. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Zur Sache: LThuK 8, 1986, 144 f. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): 1blut 1, leiden (das) 2, pein 7, plage, qual, wunde; vgl. martirat. − Synt.: got, der son die m. empfangen / leiden, auf die wage legen, j. die m. betrachten / eren / künden, die m. in eine kirche machen ›darstellen‹; die m. (Subj.) die menschheit erlösen; der marter danken / gedenken, der mensch der marter teilhaft werden; got (Dat.) an der m. leid geschehen, das gebet bei der m. sprechen, bei (gottes) m. schweren, jn. durch die m. trösten, jm. durch die m. gnädig sein, den son in die m. geben, den menschen in der m. freien, j. von der m. erstehen; die m. des herren / gottes; die bittere / grosse / heilige m.; die betrachtung / pein, der kelch der m.; der tag nach der m. Wbg.: marterkelch ›Kelch der Passion Christi‹, marterpein, marterspiel (bdv.: passionsspiel ), marterstük ›bildliche Darstellung der Passion Christi‹, martertag ›Tag der Kreuzigung Christi‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 22679 (nrddt., 14. Jh.): [Die] zu jungest trunken 兩 Uz Gotes marter kelchen. Lu-

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ther, WA 21, 293, 23 (1544): Christ ist erstanden von seiner marter alle. Ebd. 49, 28, 2 (1540): Manichei martertag hieltens schoner quam den ostertag. Grosse, Schwabensp. 204a, 19 (Hs. 2nd./md., um 14109): des vritages gescËp gËt den ersten menschen vnde vriete in mit siner bitteren martere. Quint, Eckharts Trakt. 414, 7 (E. 13./A. 14. Jh.): doˆ der sun in der gotheit mensche werden wolte und wart und die marter leit. Strauch, Par. anime int. 55, 16 (thür., 14. Jh.): daz der mensche teilhaft wirt alles des lebines und alle der werke und der martil und des todis Ihesu Christi. Harms u. a., Alberus. Fabeln 78, 17 (Frankf./M. 1550): Vnd schwerst Gotts tauff / Gotts Sacrament / 兩 Dardurch wirdt Gottes ehr geschendt / 兩 Sein blut / sein marter / wunden / pein / 兩 Muß deines schwerns ein vrsach sein. Asmussen, Buch d. 7 Grade 2263 (nobd., Hs. A. 15. Jh.): seit du [herre] durch den sunder deinen sun 兩 geb in solheu marter. Langen, Myst. Leben 168, 16 (nobd., 1463): daz er [got] mir genedig / sey durch sein heilig marter vnd / mein sund vergeb. Bihlmeyer, Seuse 3, 20 (alem., 14. Jh.): ist ein gemeinu´ lere, und sait von betrahtung unsers herren marter. Stammler, Berner Weltger. 299 (ohalem., 1465): Wer sin marter nit hatt geeret, 兩 Der wirt lasterlich enteret. V. Anshelm. Berner Chron. 3, 89, 20 (halem., n. 1529): Diss marterspil, sobald es angereiset, do wards fÈr und fÈr [...] gÈnstigen hern [...] gzeigt. Plant u. a., Main. o Naturl. 296ra, 4 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): vn¯ [got] ruwete och in dem grabe dez selbin tages nach der marter. Sappler, H. Kaufringer 16, 752 (schwäb., Hs. 1464): got will sein marter und sein pluot 兩 enmitten auf die waug legen 兩 und den tiefeln widerwegen 兩 die übeltät ganz und gar. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 8, 9 ([Augsb.] 1548): Gott [...] wirt auffs hËchste mißbraucht mit falschem Gotesdienst / falschem schweeren bey seinem Namen / Leyden / Wunden / Marter. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 61, 15 (noobd., 1347/50): seit der sunnen scheingeprech der waz an dem martertag unsers herren Jhesu Cristi. Langmantel, Schiltb. Reiseb. 107, 34 (oobd., n. 1427): es sey sündt, das man unsers (herrn) marter mer dann aine(st) mach in ain kirchen. Wackernell, Adt. Passionssp. St. 1, 34 (tir., v. 1496): Da rüeft er an den vatter sein, 兩 Das er in über hüeb der grossen marter pein. − Luther, WA 9, 137, 16; 159, 27; Quint, Eckharts Pred. 2, 8, 6; Rueff, Rhein. Ostersp. 37; Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 986; Froning, Alsf. Passionssp. 2917; H¸bner, Buch Daniel 5619; Langen, a. a. O. 180, 2; Morrall, Mandev. Reiseb. 15, 4; Spechtler, Mönch v. Salzb. 16, 53; 25, 40; Klein, Oswald 6, 47; Buijssen, Dur. Rat. 15, 33; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 19; Schweiz. Id. 10, 1827. − Vgl. ferner s. v. auffart 6.

2. ›künstlerische Darstellung der Passion Christi in Gestalt eines Kreuzes, eines Gemäldes auf einem Untergrund, einer Säule‹; in letzterem Fall dient marter auch als räumlicher Orientierungspunkt. − Phras. (am ehesten hierher, aber auch zu 1 sowie zu martrer 2 stellbar): der marter buch

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marter

›sprachliche Darstellung des Leidens von Heiligen‹. − Wbg.: martersäule. Helm, H. v. Hesler. Nicod. 431 (nrddt., 14. Jh.): also do geschriben ist 兩 an der marter buche. Ziesemer, Gr. Ämterb. 12, 29 (preuß., 1407): eyn kleyn holczyn schelechyn mit unsers herren martir. Chron. N¸rnb. 5, 523, 7 (nobd., 1485): die haben sein k. mt. gessat Schweinaw im veld zwischen der marter und dem dorff betreten. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 202, 17 (nürnb., 1464/75): darauf hat ein erber ratt dem Endres Zeringer vergunt ein marter zu setzen. [...], darüber er schilte an die marter macht. Loose, Tuchers Haushaltb. 103, 2 (nürnb., 1513): adi 21 dito verrechet mir Nicolaus Tucher an einer marter pei der Loo verpawt 12 fl. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 238, 1 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Dy Schweitzer haben ir hochst panir aufgeworffen, do was dy marter Gotz an aim panir. Turmair 4, 128, 29 (moobd., 1522/33): wie wir ietzo marterseulen, setzt er [Hercules] alda groß seulen. Winter, Nöst. Weist. 2, 353, 19 (moobd., 1629/32): so soll der richter den todten cörper bei der nechsten marterseul begraben. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 334, 9 (m/soobd., 17. Jh.): zu einen rainstain der ein halbe werkclafter von der alten martl, [...], am egk gesezt. − Ziesemer, a. a. O. 6, 37; Weizs‰cker, Graupn. Bergb. 133, 21; Lexer, a. a. O. 218, 8.

3. marter als Teil von Flüchen. − Wbg.: bozmarter ein Fluch (vgl. boz), gottesmarter (s. d.), marterkatze (bdv.: marterhans), martern 2 ›fluchen‹, marterschwur Schwur im Sinne von: ›beim Leiden Christi‹. Luther, WA 34, 2, 90, 12 (1431): Es sind Pochhansen, marter katzen, Ja potz marter, fÈnff leyden, Veltin, Pestilentz. Ebd. 41, 701, 20 (1536): Sic wer mit faulen leuten umbghet, mus stets beulen, martern. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 336, 3 (nobd., n. 1525): [Jörig] wollte mit vil bosen worten und marterschwurn, und dann vor demselben Spitalter [...] wol mit drewhundert mannen lagen. v. Keller, Ayrer. Dramen 2442, 8 (Nürnb. 1610/8): So kommt denn Georg, sein lieber Sohn, 兩 Vnd schnarret seinen Vatter an, 兩 [...] 兩 Vnd flucht Marter, Creutz vnd Wunnen. Ebd. 2444, 7: Potz marter, dorten sich ich stehn 兩 Mein nechtig Zechgsellen all zwen. Bihlmeyer, Seuse 482, 2 (alem., 14. Jh.): du sprecht also: „waffen, durch der marter willen!“ Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 380, 15 (Hagenau 1534): Daß dich Gots marter schende. Luginb¸hl, Brennwalds Schweizer Chron. 2, 468, 3 (halem., 1508/16): Bozmarter und schlüfind wir in fuchslËcher, dise Schwizer kemind üns nach. − Luther, Wa 51, 602, 22. − Vgl. ferner s. v. alleweil 3.

4. ›Enthaltsamkeit, Selbstkasteiung, Askese, selbst auferlegte asketische Übung, die man als Weg zur Seligkeit denkt, die, mit den Qualen der Märtyrer in Vergleich gesetzt, auf dem Hintergrund mystischen Denkens mit Gott vergemeinsamt‹; auch:

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›freiwilliges Dulden zugefügten Unrechts in der Absicht der imitatio des Leidens Christi‹. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: vgl. abbrechung 2, arbeit 3, 2behem 2, kasteiung, kästigung, mägerung, peinigung, peinlichkeit 1, 1masse 13. − Synt.: die m. erdulden / leiden, gewilliglich empfangen, durch Christum gedulden, jm. (die) m. tun / abnemen, jm. die m. der marterer gemeinsamen; m. (Subj.) jm. wol tun, nicht jederman verliehen werden; der marter (Gen.obj.) geren; zu eren der marter leiden; jn. an die m. ›zur Hinrichtung‹ füren, mit m. die krone erholen, mit freude zur m. gehen; die bittere / grosse / peinliche m. Wbg.: marterleben, martilie (aus martyrium mit Dissimilation: r zu l ). Luther, WA 10, 3, 105, 33 (1522): So hat Agnes, die 18. Jahr alt war, die Merter frËlich erduldet. H. v. Hesler. Apok. 5586 (nrddt., 14. Jh.): Die jungeren waren irvult 兩 Gotes geistes also vol 兩 Daz in [jungeren] martere tet wol, 兩 Swaz sie ir durch Crist gedolten. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 4027 (rib., 1444): Du wirdes van Gode dar umb gekroent, 兩 Want dir mit den martilien ind slegen 兩 Wirt gesmeet. Palmer, Tondolus 1116 (Speyer um 1483): Dis sind die / die irem lib abgezogen / [...] hant vnd die martel gelitten vmb cristus willen. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 3, 289, 7 (Frankf. 1602): also giengen sie [kriegsleut] mit sondern frewden zur marter. Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 23a, 7 (nobd., E. 14. Jh.): wan˜ disiv gnade gotes leichna˜ gemainsamet uns uns die marter aller marterer. Bihlmeyer, Seuse 462, 21 (alem., 14. Jh.): meisterschaftampt o haben und dem reht tun daz ist nu´t gemaches pflegen, es ist marterleben. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 159, 6 (els., 1362): tusentley pin scheczet er ein kindespil, wenne er enphing die martel gewilleklich. Lauchert, Merswin 18, 12 (els., v e dise grose pinliche vbende 1352/70): do nam mir got do och martel abe, vnd lies mich do lidig one alle bekorunge ston. Enders, Eberlin 1, 26, 8 (Basel 1521): martyr wirt nit jederman verlyhen, der auch es begeret, sunder allein denen es got günnet. Rieder, St. Georg. Pred. 167, 33 (Hs. um 1300): die hatton also stark minne dc sie die bittirne marty´r ˆe littin ˆe siu von Gottis minne woltin schaiden. Klein, Oswald 7, 9 (oobd., 1427): Nach deim gebot 兩 gedultiklich ich leiden wil zu eren 兩 der bitter marter, so du laid 兩 gedultiklichen geren 兩 umb unser freud und sälikait. − Asmussen, Buch d. 7 Grade 1374; Lindqvist, K. v. Helmsd. 1389.

5. ›Leiden, Qual, Gottferne, Verdammnis, Pein der Hölle negativ spiegelbildlich in der Folge von freude, gemach, lust, sünde im irdischen Leben sowie der Verführung durch das Böse‹. − Meist Texte der Sinn-

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marter

welt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: leiden (das) 1; 2, pein 8. − Wbg.: marterbrief, marterhaus ›Hölle‹, marterland (bdv.: fegfeuer, 2helle 1; 2). Luther, WA 10, 2, 143, 16 (1522): Es geht nit das Euangelium von yhn ßondernn eyttel fledermeusße, Citacion, bannbrieff, marter brieff, gellt brieff, bullen unnd luegen, da sie yderman mit schenden und schinden. Jahr, H. v. Mügeln 1910 (omd., Hs. 1463): ich [Barmherzikeit] gottes tochter bin: 兩 uf nicht gebuwet ist min sin, 兩 wan das ich widerbrechte das, 兩 daran der mensche sich vergaß 兩 gein gott und hie gefallen ist 兩 in marter von des tüfels list. Bihlmeyer, Seuse 285, 15 (alem., 14. Jh.): da sihe ich in dem marterlande angst und not. Stammler, Berner Weltger. 686 (ohalem., 1465): Brünnent sËnd sy iemer ligen 兩 Jn der helle mit marter groß. Adrian, Saelden Hort 350 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): hie fro´d haben und gemach 兩 tuto marter liden, schrien ach 兩 in der tieffen helle dËrt. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 484, 10 (oobd., 1349/50): daz [gotes wort] ist etleichen fruhtper in daz ˆewig leben und etleichen ain abtanz in die ˆewigen marter. Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. 1, 331 (tir., 1486): Luciper clamat: 兩 O ferflüechtes marter haus, mein helle! − Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 213, 92. − Vgl. ferner s. v. abtragen 4.

6. ›Unrecht, verletzende Gewalt, die einer P. (vereinzelt:) / S. (von jm., von außen) zugefügt wird und der die P. / S. ausgeliefert ist‹; meist in religiösen Zusammenhängen gebraucht. − Phras.: mit marter ›kaum, mit Mühe‹; es hat marter sat ›es gibt genug Schwierigkeiten‹. − Bdv.: arbeit 1−4, durchächtung, gewalt (der) 9, kästigung, mühe, peinigung 1, plage, schmerz, trübsal; vgl. abenteuer 8, gewalttat, mein/ 2meine. − Synt.: m. haben / leiden, dem buch (= heilige Schrifft) m. anlegen, jm. m. tun; der m. vergessen; mit m. leben, jn. mit m. töten, sich mit m. heraus (aus einer Situation) schwingen; die fängliche / grosse m. Wbg.: märterei. Luther, WA 47, 821, 15 (1539): Vor hats marter sat, quando laboras und leidest, was dir boses fÈr kompt. Ebd. 48, 31, 11 (1541): Wird im [buch, heilige Schrifft] gut, so ligts vnter der Banck ec., Die andern zureissens, creutzigens, geisselns vnd legen im alle Marter an. Volkmar 358 (Danzig 1596): Martyrium, ein Zeugnis / mÁrterey. Lichtenstein, Lindener. Rastb. 109 (o. O. 1558): drey betlin, die alle drey einander anrürten, umb der änge willen, das man mit marter darzwischen gehen mocht. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 11, 51 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): Mit arbeit trubsal und jamer leben wir und nach vil mwe und kestigung mit grosser marter und forcht wern wir außgeen. Maaler 284r (Zürich 1561): Mit grosser peynigung vn˜ Marter getËdt werden. Sappler, H. Kaufringer 3, 643 (schwäb., Hs. 1464): darumb ist er wol dreistund 兩 ser geslagen und worden wund,

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兩 das er mit marter genas. Ebd. 9, 96: so hätte er [reiber] mich ausgeriben, 兩 das ich mit marter wär beliben. Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, 2859, 9 (moobd., 1441): eczlicher cleinot und guter wegen, dorumbe auch die erbern frauen grose marter, smerczen und wertliche schande geliden. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 96, 37 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Die Turckhen [...] totten etlich pryester mit grosser marter. − Chron. Strassb. 399, 19; Sappler, a. a. O. 3, 606; Vock u. a., Urk. Nördl. 2398.

7. ›innerer Schmerz, seelische Belastung, Qual, Leiden‹; auch: ›Liebesleid, Liebesqual‹ (als Schmerzen, die jm. z. B. aus religiösen oder moralischen Gründen zugefügt werden und denen man sich deshalb teils sinngebend unterzieht). − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: s. u. Schˆpper, ferner: affliction, gedrang 3. − Synt.: m. von etw. (z. B. von gebresten) haben; etw. eine m. sein; der marter empfinden; jn. von einer m. lösen; die höchste m. Schˆpper 21b (Dortm. 1550): Angor. Angst enge engstigung marter vexatz quelung plag angstbarkeit angsthaffte bekÈmmernus pein truck not jamer qual bedrengknus bangigkeit. Luther, WA 21, 252, 1 (1544): mit der Beicht haben sie jnen selbs ein untregliche marter und angst gemacht. Pyritz, Minneburg 4355 (nobd., Hs. um 1400): kum, lieber tot, 兩 Und lose mich von der marter, 兩Wann strenger und harter 兩 Betrubet got kein menschen nie! Adrian, Saelden Hort 430 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): swie rich si sint, man und wip, o 兩 [...] 兩 so hant si marter doch genug 兩 von mæniger hand gepresten 兩 den si an irem næchsten 兩 sehent, ob si tungent hant. Bauer, Geiler. Pred. 81, 17 (Augsb. 1508): da sich ain mensch [...] wol künd gerechen / so ym unrecht oder gewalt beschicht / und das lauterlichen umb gotes willen underwegen laßt / daz ist und haißt ain marter des hertzen. Andreae. Ber. Nachtmal 108r, 13 ([Augsb.] 1557): Also ist das die hËchst peen vnd marter / das leben bey sich haben / vn˜ des lebens nicht tailhafftig werden. Eschenloher. Medicus 53, 13 (Augsb. 1678): ein Weibspersohn / in welcher der Teuffel ein Zeit lang seinen Sitz gehabt / vnd sie mit solcher VngestÈmmigkeit geplagt / daß ihr Leben gleichsamb ein immerwehrende Marter war. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 9, 38 (tir., 1464): es ist czwaierlai marter: Ein marter [dies zu 6] die ist die v¨berwindung durch die swe¨rt der pösen, die ander [dies hierher] ist, da man hueten vnd halten ist die geduldikhait in dem gemüet. − Pyritz, a. a. O. 1825; Gille u. a., M. Beheim 173, 102. − Vgl. ferner s. v. affliction.

8. ›Folter als Mittel der Strafjustiz zur Erzwingung von Geständnissen‹; als Metonymie: ›Foltergerät‹ (z. B. 1leiter 7, eisen). − Phras.: um keine marter ›keineswegs‹; die ziemliche marter ›aufziehen mit dem 25pfündigen stein‹; die notwendige marter ›aufziehen mit

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marter(-) − marterbild

dem zentrigen stein‹, beides in Unterschied zu jn. ler aufziehen (Beleg s. v. martern 7). − Bdv.: folter, pein 2, qual, tortur ; vgl. angreifung 5, peinung 1. − Synt.: jm. m. anlegen / (an)tun, etw. eine m. namsen; der m. (Gen.) ober sein ›entledigt sein‹; ane m., ausserhalb der m. etw. bekennen, an der m. etw. (z. B. die tat) bekennen / verjehen ›bekennen‹, aus m., in der m. bekentnis geschehen, jn. an die m. füren, jn. an der m. hangen lassen, (jn.) durch m. töten, jn. in die m. erkennen, in der m. (nicht) bekennen, mit der m. fragen, jm. etw. mit der m. abfragen, jn. mit m. ansuchen / fragen / plagen / peinigen, zu etw. nöten, js. mit der m. verschonen, jn. zu m. anfangen, zu der m. bringen; die grosse / peinliche / schwere / seltsame m.; die furcht der marter ; das fragen an der m. Wbg.: marterlich 2 ›in der Folter erzwungen‹, marterspiegel ›Gesamtheit aller Folterinstrumente‹. Oorschot, Spee/Seifert. Proc. 484, 2 (Bremen 1647): Deßwegen flur 80. Stuffen im Thurn / in den Keller hinab: den Marterspiegel her / herfÈr mit den SchweininenÚschuhen / Daumenschranffen [sic!] / rc. Wo man sie nicht gleich den ersten Tag schon / da sie in verhafft kam an die Folter hat gebracht. Ralegh. America 3, 34 (Frankf. 1599): wie er sie ein Ketten geschmiedet hatte / [...] / vnnd andere mehr Qual vnnd Marter an that. Goerlitz u. a., Magd. Schöff./Schweidnitz 121, 18 ff.: Nw begeret der ancleger [...], dem gefangen sulche dewbe durch peyn mit der marter abzufrogen. [...], vnd hoffen zu gote vnd zu dem rechten, vnser frÈndt sey neher [...] sich seiner eren, leibes vnd gesundes zu uorantworten, denne das en eyn slecht man mit eygenem munde mit slechten worten ane hanthafftige toth vnd ane alles geczeugnisse zu sulcher noth vnd marter gebrengen moge. Chron. N¸rnb. 3, 150, 1 (nobd., 1488): nach vil worten heiß er in an die marter füeren und aufdenen. Jerouschek, Nürnb. Hexenh. 6v, 44 (obd., 1491): wan˜ der richt‘ hat zü dem o die person zuo bosen lumuto ayne˜ zeugen [...] so ist es genug fragen mit marter. Lexer, Tucher. Baumeisterb. 118, 30 (nürnb., 1464/75): In das loch macht man dem lochhüeter wes im not thut von schlossen auch von kübeln zu den prysaunnen und ander nottorft in die cappelen zu der marter gehörent. Bremer, Voc. opt. 30037 (halem., 1328 f.): Culleus martersak [...] est saccus, qui dampnandus insuitur; et in eo submergitur. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 209, 9 (halem., n. 1529): Als aber der Saffoysch herzog, nach marterlich bekanter mistat am Osterabent hat lassen [...] richten sinen lehenman. Rennefahrt, Zivilr. Bern 523, 32 (halem., i u der ubeltÁtigen 1524): so sol der nachrichter von dem fragen an der marter dehein belonung vordern. Maaler 44r (Zürich 1561): Außmarteren / Das ist / Durch marter tËdten / dem hencker zetËden übergÁben. Chron. Augsb. 2, 305, 20

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(schwäb., Hs. 16. Jh.): das hand die drei mörder und pöswicht an der marter, als man sie gewegen hat, verjehen. Ebd. 307, 6: was ich von in geredt han, darzu bin ich mit großer ängstlicher pein und marter genött worden, dann man wolt mir nichts glauben, [...]; man ließ mich an der marter hangen [...], und was man mich dann fragt das sagt ich. Ebd. 6, 23, 15 (zu 1520): hett auch ain grossen lust und freud gehabt, die armen in den eisen [...] zuo peinigen mit seltzamer marter. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 31, 30 (schwäb., 1548): Da hatt man sey angefangenn zu martter und gesagtt „nun das must bekennen, [...] und jettlichenn lassenn woll 3 stundt an der martter hangenn“. Schottenloher, Flugschrr. 64, 19 (Landsh. 1523): jnen [pfaffen] solt einer aller heiligen marter anlegen. − Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 249, 28; Jerouschek, Nürnb. Hexenh. 1r, 20; v. Keller, Ayrer. Dramen 1622, 19; Roloff, Brant. Tsp. 1744; Chron. Augsb. 6, 18, 17; 8, 431, 30; Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 32, 6; Barack, Zim. Chron. 1, 520, 30; Rwb 9, 316; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 235. − Vgl. ferner s. v. abhören 3, anziehen 4.

marter(-), Gradadv. und Präfixoid in Wortbildungen. ›außerordentlich, verdammt‹; anschließbar an marter (die) 3. − Obd. − Bdv.: vgl. ausderachte, ausnemend, banlich, gewaltig 10, herlich 9. − Wbg. (als Beispiel): marterschwer. Sachs 17, 195, 25 (Nürnb. 1554): Red nicht so lautreisiger weiß! 兩 Die blinden hören marter-leiß. Ders. 20, 59, 18 (1560): Wie ist der tod so marter-schwer, 兩 Als ob er halber bleyen wer. v. Keller, Ayrer. Dramen 2931, 2 (Nürnb. 1610/8): O eins theils zahlen marter vngern. B‰chtold, N. Manuel. Zugabe H. R. Manuel, 319, 415 (Zürich o 1548): So tut’s mir [Lanzknecht] marter we im rucken, 兩 o Wenn ich mich hart darnach muss bucken. Chron. Augsb. 3, 59, Anm. 7 (schwäb., E. 15. Jh.): da sprach er: ,wol hatt unß die kue [j. mit einer Kuh im Helm] so marter hartt gestossen, hayst in zuo mir komen. − Sachs 6, 163, 13; v. Keller, a. a. O. 1642, 34.

marterbank, marterbaum, s. martern 7. marterbet, s. martern 5. marterbild, das. ›Darstellung eines Gekreuzigten (meist: Christi) am Kreuz‹; vgl. marter 2, auch 6, bild 2. Rieder, St. Georg. Pred. 249, 8 (Hs. 2önalem., 13879): u´ber allez gemÁlde [...] sont wir an sehen u´nsers lieben herren marter bilde. Chron. Strassb. 119, 4 (els., 1362): sü sprochent ouch, (daz) ein martelbilde zuo Offenburg geswitzet hette. Bremer, Voc. opt. 12026 (halem., 1328 f.): Crucifixum marterbild [...] martercru´x [...] est ymago hominis sculpta et picta ligno figuram crucis habenti coniuncta. − Krebs, Prot. Konst. Domkap. 767; Chron. Augsb. 5, 40, 22.

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marterblut − marterlich

marterblut, s. marter (die) 2. marterbrief, s. marter (die) 5. märterbuch, s. martrer 2. märterei, s. marter (die) 6. marterer, der ; −/-π. ›j., der jn. martert, jm. Qual, Schmerz zufügt, Quälender, Peiniger‹; vgl. am ehesten martern 4. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Phras.: des teufels marterer ›Handlanger des Teufels‹. − Bdv.: vgl. aneischer, genager, hänger 1, peiniger 1, quäler, stäuper. Luther, WA 33, 525, 12 (1531): die welt hat nicht lust dazu, sondern wil des Teufels Merterer sein und wird vom Teufel wol geritten. Ebd. 46, 617, 37 (1537−38): Ein Edelman ist der Bauren Merterer und Schindfessel. Ebd. 54, 155, 15 (1544): Des Teufels Marterer [...] wird die Helle viel seurer zuverdienen, denn der Himel den rechten Heiligen. Chron. Strassb. 115, 16 (els., 1362): alle die bi gotte sweren frevelliche und daz nüt beßernt, sint ouch verlorn, wan die sint und heißent gottes (gen. objectivus) marteler. Matthaei, Minner. 1, 1, 212 (Hs. 2nalem., 14599): ich o sprach: „hab gedult, ich dich ler, 兩 dan buler daß sind martrer“. Rieder, St. Georg. Pred. 142, 35 (Hs. Hs. um 1300): [ware minne] ist ain signenu´ftærin an den martererne: alle die martir du´ dich ane gat von der kestegunge des tu´vils, von der kranchait des vlaischis [...], die wil sie mit gewalt virtribin. Adrian, Saelden Hort 3314 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): ir [valsche minne] diener marterere 兩 an dem alter sint genant. Henisch 191 (Augsb. 1616): Ein barmhertziger Landsknecht / ist fÈr Gott ein marterer.

marterfar, Adj. ›an die Kreuzigung erinnernd (von einem Bild gesagt); gemartert (vom Leben gesagt)‹; vgl. marter 1; 4; 6. Ettm¸ller, Heinr. v. Meißen 4, 1 (md., Hss. 14./ 15. Jh.): Man siht naˆch gote ein bilde malen martelvar. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 7658 (omd., 1338): Got hat di bruder min getan 兩 Von mir verre gevirret dan, 兩 Daz sy sorgen nicht um eyn har 兩 Um min leben gar martir var.

martergerüst, s. martern 5. marterhans, der ; −/-en. ›erwachsene männliche Person, die prahlend, fluchend Anerkennung, Aufwertung sucht‹; vgl. marter 3, martern 2, hans 1. − Bdv.: eisenbeisser, marterkatze, federschwinger, störzhans; vgl. gebäger, grossprecher, maultaffer. Luther, WA 44, 425, 17 (1535): qui ad primum conspeca Merterhantum hostis illico fugam capessunt. die Stortzhansen,

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sen etc. Bobertag, Schwänke 199, 2 (o. O. 1555): Von einem grossen marterhanssen, wie er in einen gerner oder beinhauß gefallen ist. MAn findt noch auf disen heutigen tag semo lich groß marterhanssen vnd eisenbeisser, thund dergleichen, als wolten si allen menschen in einem streich die oren abschlagen. Spanier, Murner. Schelmenz. 4, 19 (Frankf. 1512): o Was glück vnd heil kan bey den seyn, 兩 die gott fluchen in wunden eyn, 兩 die marter hansen, die armen tropffen! Schottenloher, Flugschrr. 64, 21 (Landsh. 1523): fart schon jr marter hansen, euch wirt der pfeffer noch paß gesaltzen. − Luther, WA 44, 427, 16.

marterhaus, s. marter (die) 5. marterkatze, s. marter (die) 3. marterkelch, s. marter (die) 1. marterkolben, s. martern 5. marterkräuel, s. martern 7. marterkraut, das. eine Pflanze, im Glossar der u. a. Ausgabe wird eine Chrysanthemen- oder eine Matricariaart vermutet. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 79, 38 (osächs., 1570/7): Dem vihe wider das umbfallen und sterben, [...]. Nim lorbeern, marterkraut, lungenkraut, scharlachkraut sambt den samen.

marterkrone, die. ›Märtyrerkrone, Ehrenzeichen, das den unschuldig Verfolgten, den im Glauben Standhaften und den unglücklich Liebenden zugesprochen wird‹; vgl. marter (die) 6; 7. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 137, 1 (Köln 1619): Gott grÈß euch MÁrterer BlÈmelein, 兩 Die jhr so junge Kindelein [Vnschuldige Kindlein], 兩 Erlanget habt die Martyr Kron, 兩 Weil Christ geboren Gottes Sohn [Bw hier auch zu martrer in der Variante martyr stellbar]. Hoffmeister, Kuffstein. Gef. Biv, 22 (Leipzig 1625): Die zwey alten Weiber / so / wie du sihest / mir die Marter Cron auffsetzen / ist die eine genandt TrÈbsal / die andere heist Anfechtung. Ukena, Zuger Trag. 1952 (halem., 1598): Also hatt diser Bischoff schon 兩 Erworben nun die martter Cron.

marterland, s. marter (die) 5. marterleben, s. marter (die) 4. marterlich, Adj. 1. ›qualvoll, leidvoll; gequält, gemartert; grausam; asketisch anstrengend, mühevoll‹, von Handlungen, Verhältnissen u. ä. gesagt, denen sich der Mensch (z. B. aktiv zum Erwerb der Seligkeit) unterzieht, de-

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martern

nen er (passiv etwa im Sinne spiegelnder Bestrafung innerweltlich begangener Sünden) ausgesetzt ist, die von außen auf ihn zukommen; vgl. marter (die) 4; 6, martern 3−5. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: ängstlich 1, beschwerlich 3, hart 11, sorglich. − Synt.: m. gebaren / leiden, sich m. stellen, m. die hände winden, m. durchächtet werden, etw. (z. B. die sünde) m. gearnet ›gesühnt‹ werden; der marterliche blik / ser, die marterliche sele / übung, das marterliche ende / klagen / leben / trauern. Helm, H. v. Hesler. Apok. 4457 (nrddt., 14. Jh.): Wenne nicht sunde ist so tougen 兩 In diser werlde geschen, 兩 Sie enwerde da [am Jüngsten Gericht] gesen 兩 Und marterlichen gearnet. Bihlmeyer, Seuse 40, 26 (alem., 14. Jh.): dis marterlich Èbung treib er wol XVI jar. Ebd. 118, 22: got der heti im kund getan, daz er marterlich mÈste liden. Ebd. o 381, 18: meisterschaft und pflegamt haben und dem rehte tun, daz ist nit gemaches pflegen, es ist ein marterliches leben. Adrian, Saelden Hort 238 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): sich, daz ist din [Welt] richsen: 兩 in we gebern, in jamer leben, 兩 ain materliches ende geben, 兩 ain wellen, weltzen, werren. Lindqvist, K. v. Helmsd. 3239 (halem., Hs. um 1435): Kain hailig wart Gott nie so liep 兩 Er wurd verschmechter denn ain diep 兩 Und durch Áchtet marterlich, 兩 WËlt er verdenen Gottes rich. Koppitz, Trojanerkr. 6166 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Wir lassen hie ze lande 兩 Die schönnen [Helena] one schande, 兩 Dü dik on misse wende 兩 Wand marterlich ir hende. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 61, 59 (schwäb., 1471): Nit stell dich vastent märterlich 兩 o Vnd such dein lon nit werntlich. Kummer, Erlauer Sp. 6, 287 (m/soobd., 1400/40): owe mÁrterleicher plikch, 兩 owe jamer und not, 兩 owe pitterleicher tod. − Karsten, Md. Paraphr. Hiob 5369; Adrian, a. a. O. 10812; Glatz, Chron. Bickenkl. 49, 2; Koppitz, a. a. O. 5572; 11304; Maaler 284r.

2., s. marter (die) 8. 3. ›merkwürdig, ungereimt‹ (Interpretation der Belege semantisch unsicher). Chron. Augsb. 1, 290, 7 (schwäb., E. 15. Jh.): da ward in kund tan, si solten ziechen gen Augspurg, da wurden si o marterlich und zugen [...] für groß gehalten, des verstundens da hin und [...] lebten in sünden der unkeusch. Klein, Oswald 10, 9 (oobd., um 1423): Er [der weise] kan sich stellen marterlich 兩 und maint, das im niemand geleich.

martern, marteln, V.; vereinzelt mit Uml. 1. ›(Christus) der Passion zuführen, der in den Evangelien beschriebenen Folge von Hohn, Spott, Schlägen, Qualen, Kreu-

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zigung und Tod unterziehen‹; zu marter (die) 1. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: foltern, kreuzigen, nageln, schlagen, töten. − Synt.: den herren m., (Christum, seine menschheit) zu m. geben; sein kind gemartelt sehen, Christus für die sünder gemartert sein (ähnlich vielfach). Wbg.: marterung 1, martyren (V.; Anlehnung an die Entlehnungsgrundlage). Helm, H. v. Hesler. Apok. 9129 (nrddt., 14. Jh.): [Daz] her [son] die schult uf sich nam 兩 Von der her in die werlt quam 兩 Zu der bitteren marterungen 兩 Vrilich und unbetwungen. Froning, Alsf. Passionssp. 5943 (ohess., 1501 ff.): o we des ganges, des ich ge, 兩 synt ich myn kynt gemartelt se! zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 22 (Nürnb. 1517): Aus gleichmesiger notturft ist auch Christus für die sünder gemartert, gekreuzigt und gestorben. Bihlmeyer, Seuse 541, 1 (alem., 14. Jh.): und wurd wider zuo Pylato geschicket und wurd vor im [...] ze marteren und ze cru´tzgen geben an Barrabas statt geheischet. Rieder, St. Georg. Pred. 311, 30 (Hs. 2alem., M. 14. Jh.9): sine werden menscheit gap er angistliche ze martyrene und ze tËten. Adrian, Saelden Hort 11032 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): Crist ist ain unma´htiger got, 兩 sit daz er selb gemartrot 兩 von armen lu´ten blo´den 兩 wart und lie sich toden. Baumann, Bauernkr. Oberschw. 36, 2 (schwäb., v. 1542): Wan die Juden nit verhanden gewesen weren, so hettend die Bairen unsern herren gemartret. Buijssen, Dur. Rat. 18, 2 (moobd., 1384): Wenn er gemartert ist mit den czungen der schelter, mit den henten der slahunden und mit den nageln der chrewzunden. − Strauch, Par. anime int. 29, 25; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 30.

2., s. marter (die) 3. 3. ›jn., oft: sich selbst, aus religiöser / moralischer Motivation ängstigen, psychisch und physisch quälen, martern‹, teils mit Ansatz einer Abstraktgröße (z. B. der minne glut, sorge) als handelnder Instanz; resultativ: ›sich durch Selbstqual, Askese läutern‹; vgl. marter 4; 7. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv. s. u. Schˆpper, ferner: schrecken; vgl. abenteuern 2, 1armen 3, ausderren, beissen 4, gehärmen, ketzern 1, klemmen. − Wbg.: martilien 1. Schˆpper 21a (Dortm. 1550): Cruciare. Engstigen bemÈhen creutzigen marteren ängsten vexieren peynigen qüelen pressen vnseligen vmbtreiben verkÈmmern ketzern. Luther, WA 10, 1, 1, 259, 13 (1522): das alle, die on glawbenn unnd gnaden sind, keyn gesetz halten, ob sie gleych sich tzu todt mit des gesetzs wercke martereten. Ebd. 10, 1, 330, 9: da leufft der ynß Carthuß, der ynn dießen orden, der wirt eyn pfaff, der

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martern

legt eyn heren hembd an, der geyssellt sich, der martert sich sonst [...] sie sind doch nit heylig, sie dencken nit an den glawben, sturmen nur mit gutten wercken (als sie meynen) unnd sich selbs marteren tzum hymell tzu. Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 4045 (rib., 1444): Dat is as dir tribulatio kompt bij 兩 [...] 兩 Ind oever dich schickt yre serganten dan 兩 De dich so werdent martilien. Ebd. 13595: Mer do ich lach gemartiliet also, 兩 Horte ich des conventz clocke luden. Neumann, Rothe. Keuschh. 1302 (thür., 1. H. 15. Jh.): so wirstu ein gemertet [hier: ›geläutert‹] magit, 兩 di got unnd den luten behaget. Lauchert, Merswin 18, 4 (els., 1352/ i 70): derzuo wart ich svnderliche grËseliche gemartelt vnd gepineget in groser bekorvnge in himelschen bilden. Thiele, Minner. 2, 17, 28 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): Noch me glob ich da by: 兩 das die rain, die zart [jung wipp] 兩 gemartert und gepingt wart 兩 von sorgen da su´ by schlieff. Wiessner, Wittenw. Ring 1326 (ohalem., 1400/08): Do martret in der minne gluot 兩 So ser, daz im die nas pluot. − Luther, Wa 21, 23, 37.

4. ›jn. dem Martyrium zuführen, als Vertreter(in) eines Glaubens, eines moralischen Wertes martern, peinigen; sich selbst das fleisch kasteien‹; vgl. marter 4; 6; 8. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte. − Bdv.: kästigen, peinigen 1; 3; 4; vgl. angreifen 14, mägern, peinen. − Synt.: jn. (z. B. die christen / jungfrauen / mägde, St. Blasius / Laurencius / Peter / Marcus) m., etw. (z. B. das fleisch) m.; j. mit got gemartert werden. Wbg.: martilien 2. Fischer, Brun v. Schoneb. 8087 (md., Hs. um 1400): welcher hande swere not 兩 adir den grimmen bittern tot 兩 der mensche unschuldig lidet, 兩 [...] 兩 der wirt mit gote gemarterot. Chron. Kˆln 2, 316, 18 (Köln 1499): want sent Peter was lange vur der zit gemartiliet ind gedoit van dem keiser Nero. v. Tscharner, Md. Marco Polo 3, 29 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Do ist Sabasten di stat, do gemartirt wart sente Blasius. Schˆnbach, Adt. Pred. 26, 21 (osächs., 1. H. 14. Jh.): do man in briet uf dem roste, dar umme so o und dar zu gene die in da marterten. vorspottete er beide vuer Vetter, Pred. Taulers 465, 30 (els., E. 14. Jh.): daz su´llent die lu´te mercken die das arme fleisch martelent. Strauch, Schürebrand 5, 35 (els., E. 14. Jh.): zornmÈtigen wÈteriche und tyrannen, die [jungfrouwelin] su´ do gar swere pinigetent und marteltent, das su´ alles gar gewillecliche und frËliche littent in vesteme glouben. Chron. Augsb. 6, 28, 13 (schwäb., zu 1524): ist aber der mein [glaub] gerecht, so wirdt er mich mer martern, und zum zaichen will ich den gerechten fueß uber den lincken schlahen. Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio 191, 152 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Dauon spricht sand Pernhart: „Wie vil du dich chestigst vnd marterst, so geyt sich got, [...] dier nymer“. − v. Tscharner, a. a. O. 71, 6; Bihlmeyer, Seuse 240, 5; Chron. Strassb. 356, 22; Williams u. a., Els. Leg. Aurea 615,

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8; 616, 6; Morrall, Mandev. Reiseb. 38, 28. − Vgl. ferner s. v. amächtig 3.

5. ›jm. durch Anwendung physischer Gewalt Schmerzen bereiten, jn. aus politischen / religiösen / strafrechtlichen / medizinischen, auch aus nicht angegebenen Gründen quälen, verfolgen (bis zum Tod hin); jn. schmerzen‹; mit Subj. d. P. oder S. (in letzterem Falle z. B. von Tieren, Befindlichkeiten des Körpers gesagt); vgl. marter 6. − Bdv.: belästigen 2; 3, benötigen 2; 3, dringen, nötigen, peinigen 1, plagen 2, quälen, töten, wehtun, zwingen; vgl. auskreischen. − Synt.: jn. (z. B. zigeuner) m., j. (auch: der antichrist / teufel, die juden) / etw. (z. B. nattern, gewalt / hauptwehtum, das ziehen der bandadern) jn. m. Wbg.: marterbet ›Wochenbett‹, martergerüst ›Martergerüst‹, marterkolben, martersak ›Sack zum Ertränken / zur Qual eines zu Verurteilenden‹. Alberus, Barf. 579, 3 (Wittenb., 1542): das Heubtwehthumb / welchs sie eine lange zeit gemartert hatte. Voc. inc. teut. p viv (Speyer um 1483/4): Martelkolbe˜ La˜tuniu˜ e˜ instrume˜tu˜ v’bera˜di. Altmann, Wind. Denkw. 54, 1 (wmd., um 1440): also wart der selbe Lanclut [...] zu sins selbes venster ußgehangen und vor gar sere gemartelt. Logau. Gott 157, 2 (Breslau 1644): die wir vbrig / sind zurings vmbfangen / 兩 Mit Nattern / die vns ohne Maß vnd Zehlen Martern vnd QuÁlen. Sachs 7, 347, 19 (Nürnb. 1558): Warhafft gewalt, ehr und reichthumb 兩 Den menschen gar zu rhu nicht stellen, 兩 Sonder in stets martern und quelen. Ders. 17, 244, 7 (1562): Sie heitzten ein die bawrenstuben 兩 Und auff das marterbeth ihn huben, 兩 Das war gemachet nur von stro. Bremer, Voc. opt. 30033 (wobd., 1328 f.): Lantumnum [...] martergerÈst [...] marterkolb [...] marterkolk [...] est instrumentum verberandi latum et obtusum. Ebd. 30037: Culleus martersak [...] est saccus, cui dampnandus insuiter; et in eo submergitur. Wiessner, Wittenw. Ring 3154 (ohalem., 1400/08): So martret mich der huost so ser. Schib, H. Stockar 160, 6 (halem., 1520/9): Uff dye zitt komand zyeguner har, und dye fye(n)g man, [...], und fürt uff ratthus, und mardaratt myan ubel. Vˆlker, Antichrist 21 (wschwäb., 15. Jh.): wie er [anticrist] die welt betriegen vnd verlaitend wirt vnd wie lang er die lu´t nötiget vnd martret. Rot 290 (Augsb. 1571): Angsten, zwingen / dringen / martern. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 37, 32 (oobd., 1349/50): soˆ ziehent si [pantaˆdern] sich zesamen, und daz ziehen martert den menschen jæmerleichen. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 47, 12 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): ein wunderzaychen von ainem chindt, das die schalckhafftigen Juden zu Tryennt gemortert und getodt haben. − Luther, WA 45, 44, 32; Th¸r. Chron. 13v, 13; Gille u. a., M. Beheim 99, 182; Voc. inc. teut. p viv; Maaler 284r;

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marterpein − marterwoche

Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille 1483; Rwb 9, 319.

6. ›jn. den Qualen der Hölle aussetzen‹; zu marter 5. − Bdv.: heizigen. − Wbg.: marterlich 2. Helm, H. v. Hesler. Apok. 16516 (nrddt., 14. Jh.): Do (in der tufe der helle) sie so marterlichen leben 兩 Die dar in treit der sunden schimel. Gille u. a., M. Beheim 179, 8 (nobd., 2. H. 15. Jh.): wann der teufel mit feur der hell 兩 die leüt martert und haiczigt. Stammler, Berner Weltger. 654 (ohalem., 1465): Jr sËnd sy [lüte] martren jemer me, 兩 Daz sy fast schryent ach vnd we! − Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 235.

7. ›jn. zur Erzwingung eines Geständnisses foltern‹; in einigen Belegen steht martern im Gegensatz zu jn. ler aufziehen ›ohne Gewicht strecken‹ sowie zu mit guten ausstreichen (dazu bdv.: gütlich besprachen, s. besprachen 4); martern bezieht sich demnach auf schwerere Arten des Folterns; zu marter 8. − Bdv.: gichtigen, peinigen 2, quälen, schrauben, speilen, wehtun; vgl. abfleischen, antasten 13, anziehen 5, ausmartern, heizigen. − Wbg.: marterbank ›Streckbank, Folterbank‹ (a. 1591 f.), marterbaum ›Streckleiter‹, marterkräuel ›Folterhaken‹, marterung 2. Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 310b, 5 (Frankf./M. 1649): sintemahln die einbildung ihro [der Tortur] die gegenwertige Marterung vielmehr vnd lebhaffter vorstelt / alß den kÈnfftigen Todt. Ska´ la, Egerer Urgichtenb. 45, 7 (nwböhm., 1563): Nach dießem Ist er noch harter geschraubet (vnd gemartert) worden. Ebd. 85, 2 (1571): Sager habe diese Thadt Nit lenger dan diesen Tag Inn Sin gehabt Sej Zuuor nit gemertert sonder Zu Kelheim Leer aufgetzogen worden. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 184, 13 (thür., 1474): eynen vorlornen kelch, darumbe eyner gespylet unde gemarttert ist, belangende. Bremer, Voc. opt. 30031 (wobd., 1328 f.): Vngula marterkrewel [...] proprie est cornea excressencia, que annascitur pedibus iumentorum; [...]; et transsumitur pro ferreo instrumento, (quo carnifices et lictores carnes dampnatorum lacerant, vt concedant). Ebd. 30034: v Eculeus marterbom [...] voltergerÈ est instrumentum, in quo tormentandi leuantur in altum, vt propria fateantur. Chron. Augsb. 6, 18, 15 (schwäb., zu 1513): da lag er da und ließ sich martern und peinigen; man kunth nichts von im bringen bis in die fasten vor letare. Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 134, 31 (moobd., 1425): darumb man uns herttiglich und swarleich gegichttigt und gemartert hat. Fischer, Eunuchus d. Terenz 127, 12 (Ulm 1486): ist gleich als so o man ain martert untz das er sagen muß was man wil. − Chron. Augsb. 5, 208, 13, 6, 18, 17; Dict. Germ.Gall.-Lat. 316, 27; Ska´ la, a. a. O. 154, 13; Rwb 9, 317; 319.

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8. ›sich mit etw. (Weltimmanentem, oft: Tagesärgernissen) abquälen, abmühen‹. − Bdv.: vgl. abarbeiten 4, abmatten, arbeiten 1; 6, bekreuzen, peinen 2. Luther, WA 52, 25, 1 (1544): Da gieng es unter den JÈden an ein martern [gemeint sind: fasten, den zehenten geben, nach dem Gesetz leben]. Opitz. Poeterey 35, 13 (Breslau 1624): Welchem die reime nicht besser als so von statten gehen / mag es kÈnlich bleiben lassen: Denn er nur die vnschuldigen wËrter / den Leser vnd sich selbst darzue martert vnnd quelet. Trunz, Meyfart. Rhet. 1, 328, 21 (Coburg 1634): Es ist aber auch nicht der MÈhe werth / daß man sich viel darÈber martere [über eine sprachliche Angelegenheit]. Kohler, Ickelsamer. Gram. 5, 31 (wohl 2Augsb. 1. Dr. 16. Jh.9): Got werd noch ainmal, [...], seine gaben der kunst vnd sprach, so klar herfür geben, das man nicht mit solchem martern vnnd zabeln drin¯ muß lernen.

marterpein, s. marter (die) 1. martersak, s. martern 5. martersäule, s. marter (die) 2. marterschwer, s. marter(-). marterspiegel, s. marter (die) 8. marterspiel, marterstük, martertag, s. marter (die) 1. marterung 1; 2, s. martern 1; 7. marterwoche, die. ›Karwoche, in der des Leidens und Todes Christi gedacht wird; Woche vor Ostern‹; zu marter (die) 1. − Bdv.: karwoche; vgl. antlaswoche, passion 3. v. d. Broek, Suevus. Spieg. 151r, 30 (Leipzig 1588): Jm Jahr 1305. in der Marterwochen ist ein Comet entstanden. Gille u. a., M. Beheim 234, 62 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Ir chainer [der judschen] auch nit solde, 兩 als pald die marter woch ging an, 兩 fur sein haus an die strassen gan. Langmantel, Schiltb. Reiseb. 111, 8 (oobd., n. 1427): all jar an dem mittichen in der marterwochen, so stet der patriarch der Krichen [...] auff ainen hochen stul und flucht den Armenigen. Auer, Stadtr. München 227, 13 (moobd., n. 1347): Sie sind auch ze rat worden, daz man fürbaz nicht mer sol richten in der marterwochen. Dirr, Münchner Stadtr. 382, 19 (moobd., um 1305): Ez sol auch in der marterwochen niemant in chain leithaus gan durch trinchens willen. Mell u. a., Steir. Taid. 229, 40 (m/soobd., 1638): er sol auch und ein ider jäger in der marterwochen [...] an die Fahl schuldig sein wenigist ain par häßlhuen herzugeben. − Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 23885; Ziesemer, Gr. Ämterb. 655, 1; Luther, WA 15, 485, 1, 14; 30, 2, 506, 19; Chron. Magdeb. 2, 143, 21; Luther, WA 47, 693, 20; Stein-

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martfel − martrer

berger u. a., Urk. Hochst. Eichst. 426, 25; Turmair 5, 552, 9; Goertz, Dt. Begriffe der Lit. [...]. 1977, 370. − Vgl. ferner s. v. antlastag.

martfel, marthaupt, s. marder 2. martialich, Adj., Stichwortansatz unsicher, wohl zu marter-. ›leidgeplagt‹. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 2, 12 (schwäb., 1548): verursach anderer martyallichenn menschen, die disse geschicht [...] lessenn werden.

martial, martialisch, s. mars. martilie, s. marter (die) 4. martilien 1; 2, s. martern 3; 4. martini, märtenstag, martinstag, ersteres Kopfform für martini dies. ›Martinstag, Tag des hl. Martin von Tours (11. November)‹; Termin für Abgaben, Rechtsgeschäfte, Geschenke. − Oft Rechts- und Wirtschaftstexte. − Wbg.: martinsgans, martinspfenning, martinsmal ›Martinsversammlung, Versammlung am Martinstag‹ (Gw zu 3mal). Altmann, Wind. Denkw. 329, 26 (wmd., um 1440): umb Martini dez selben jors logent die Venediger mit galeren und kocken [...] uf dem mere. Aubin, Weist. Hülchrath 90, 2 (rib., o. J., Hs. 1. H. 17. Jh.: noch sechs sumber bracii, malts genant, uf st. Andreastag, item uf st. Mertenstag drei huner. Foltz, UB Friedb. 1, 363, 2 (hess., 1387): Mertinsphenninge zu deme jare eyns andirhalben jungen hellir. Mon. Boica, NF. 2, 1, 29, 23 (nobd., 1464): solt man sich allzyt fleyzzen, das all getreydegult einbracht wÈrde vor sant Mertins tag. Dinklage, Frk. Bauernweist. 108, 47 (nobd., um 1540): [Hernach volgt die Mertinsmall] So sprich ich zu recht an stat und von wegen einer gantzen gemein, das ein gemein zu Veitshöchem diese Mertinsmall macht hat, auf sant Mertins tag zu nacht zu beschreien. Sachs 20, 4, 30 (Nürnb. 1550): Das wer ein guter feister reiger, 兩 Wer uns gar vil nützer und weiger, 兩 Denn gar ein feiste Mertinsgans. Merk, Stadtr. Neuenb. 112, 19 (nalem., 1616): Ein ersamer rat soll auch järlichen nach Martini ihren zwen zue salzmeisteren ordnen. M¸ller, Grafsch. Hohenb. 2, 110, 19 (schwäb., 1437/8): Järlich zins uff Martini: 135 lb. 11 ß 8 h. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 339, 13 (smähr. inseldt., 1414): Man rugt, das die buriger das recht habent, das se wein sullen furen von dem lesen vnczt auf s. Merttentag, vnd von s. Merttentag vncz auf s. Jorigentag ist es verpoten. − Ebd. 35, 7; Rwb 9, 326 (hier reichhaltige Belegung der Rolle des Tages im Rechts- und Wirtschaftsleben); Schw‰b. Wb. 4, 1499 ff.

1918

martinsgans, s. martini. martinshun, das; −/-er + Uml. ›Huhn als zu Martini fällige Naturalabgabe‹. Brinkmann, Bad. Weist. 51, 23 (rhfrk., 1665): ingleichen sint etwan 9 gäns, 15 cappen und 4 martinshüner gefallen. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 134, 42 (nobd., 1465): zwey merteinshüner, dye wir haben uf syben acker bawfeldes. − Ebd. 408, 45; Rwb 9, 323; Pf‰lz. Wb. 4, 1198.

martinsmal, s. märtenstag. martinspfenning, martinstag, s. martini. martinszins, der ; statt martins- auch mertin-, mertes-. ›auf Martini fälliger Zins‹. − Rechts- und Wirtschaftstexte. Kollnig, Weist. Schriesh. 184, 20 (rhfrk., 1568): Gefell zu Oberlaudenbach [...]. 17½ gulden martinßzinß. Brinkmann, Bad. Weist. 48, 28 (rhfrk., 16. Jh.): Ein molmüln [...] gibt jerlichen 2 lb. mastung, 6 ß. 6 heller martinszins uf den Dillsperg. Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 111, 44 (nobd., 1448): der genanten bruderschaft zu nutz zwey pfunt wachs ewiger und jerlicher mertinszins von und uf meynen zweyen morgen weinwachs. Ebd. 476, 16 (1482): iiij gülden ewigs mertinzins. Rechn. Kronstadt 1, 186, 42 (siebenb., 1508): han mir gegebenn an sant Mertes czy¨ncz Schy¨cker Caspern von wegen etliger pherdt, [...] flor. 50. − Girgensohn, Berl. Kämmereirechn. 15, 1; Stahleder, Juliussp. Würzb. 129; Rwb 9, 328; Pf‰lz. Wb. 4, 1199.

martirat, die; -π/−; zum Suffix s. Henzen, Dt. Wortbildung 1965, 175. 1. ›Passion, Leidensweg und Tod Christi‹; auch: ›glaubensbedingtes Leiden, Tod der Zeugen Christi, Blutzeugenschaft‹; vgl. marter 1; 4; 6. − Bdv.: vgl. passion 1. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 12137 (preuß., um 1330/40): intpfaˆch sıˆ [cristin] zu den vroudin dıˆn 兩 durch dıˆn heilige martiraˆt! Ebd. 12830: daz dıˆ christinlıˆche schar, 兩 dıˆ daˆ vorgozzin haˆt ir bluˆt 兩 von Cristoˆ dem kunge guˆt 兩 inpfangin hatte schoˆne 兩 der martiraˆte croˆne. Ebd. 21372: dıˆ heiden in vorterbetin 兩 und des lıˆbis sterbetin 兩 mit pıˆnlıˆchir martiraˆt. Helm, H. v. Hesler. Apok. 23219 (nrddt., 14. Jh.): Das wir da mite saiten dank 兩 Cristo siner martirat, 兩 Di her durch uns geliden hat. Ebd. 22949: die mit stetem muete 兩 Bedenken Cristi martirat.

martkele, s. marder 2. martistag, s. mars. martrer, der ; -s/-π ; starke Schreibvarianz durch Umlaut (-a- zu -e-), Anlehnung der

1919

martrer

Schreibung an lat. martyr-, Ausfall des medialen -r, Dissimilation des finalen -r- zu -l-, suffixales -erer neben -rer. 1. ›Jesus Christus als Vollzieher der Passion‹; zu marter 1. Helm, H. v. Hesler. Apok. 18340 (nrddt., 14. Jh.): So sent sie [heilige] dan schinbere 兩 Den herlichen merterere, 兩 Den sie gecruciget haben.

2. ›Märtyrer, Bekenner und Blutzeuge christlicher Glaubenstatsachen‹; im Vordergrund der Belege stehen: die Zeugenschaft, das Leiden, der Tod der Märtyrer (verstanden auch als Aufruf zu einem bekennenden und standhaften Leben), ferner das gesinde der Märtyrer (bestehend aus aposteln 1, zwelfboten, beichtigern 1, heiligen 1−3, patriarchen 1, propheten, jungfrauen 3; 4, mägden 4); dies letztere dient als erbauend inkludierender Aufruf an die Textadressaten bzw. auch als Ausgrenzung vermeintlicher Märtyrer (d. h. derjenigen Blutzeugen, die − wie juden oder Anderskonfessionelle − außerhalb der katholischen Tradition stehen). − Meist Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Zur Sache: LThuK 1986, 7, 127 ff. − Phras.: der marter buch (s. dazu die Bemerkung unter marter, die, 1). − Bdv.: beichter 1, blutzeuge, kundschafter, verjeher, beichtiger 1, zeuge; vgl. confessor. − Synt.: got den m. stärken; j. (kein) m. sein / werden; der m. frölich blühen, sich um gottes willen töten lassen, die m. frölich / willig sterben, unrecht leiden, hingerichtet werden, Christum bekennen, got ire minne zeigen, in das ewige leben gesast sein, mit dem blut bezeugen, das [...]; Maria über die m. sein, zu den martrern zusamen gefüget werden; der m. Hus; der fromme / gute / heilige / reine m.; der genosse / leib / lon / tod, die edelkeit / gedult / krone (mehrfach) / marter / schar, das blut / buch / her / sterben der m., Maria die trösterin der m. Wbg.: märtrerbuch, martrerin, martrermächer (dazu bdv.: heiligenmächer). Luther, WA 30, 2, 175, 2 (1529): das er [TÈrcke] ein heiligen mËrder und merterer mecher ist. Ebd. 54, 281, 2 (1545): der RËmischen Kirchen heilige Bisschove, Fabianus, Cornelius, Sixtus, [...], haben jr Blut drÈber vergossen, und sind Marterer worden. Quint, Eckharts Pred. 1, 135, 3 (E. 13./A. 14. Jh.): ’Sie sint toˆt‘, sprichet diu geschrift von

1920

den marteræren, und sint gesast in ein ˆewic leben. Fischer, Brun v. Schoneb. 7677 (md., Hs. um 1400): wiz bezeichent di unschult 兩 rot der martere gedult. Rosenthal. Bedencken 8, 5 (Köln 1653): Wer auch immer ausserhalb der eynigkeit der Kirchen leydet / der kan zwar die schmertzen leyden / aber er kan kein Martyrer sein. Mathesius, Passionale 49r, 23 (Leipzig 1587): wie denn der gute fromme MÁrtirer Johan Huß / Christum vnd den Bapst gegen einander hat mahlen lassen. Gille u. a., M. Beheim 87, 14 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Du [Maria] trosterin der marterer, 兩 gnadreicher prunn der peichtiger. Sachs 1, 180, 22 (Nürnb. 1545): Doch stercket Got sein martrer billich, 兩 Das sie starben frölich und willich. Bihlmeyer, Seuse 133, 14 (alem., 14. Jh.): die martrer, die mit ire manigvaltigen sterbene libes oder gemÈtes dem lieben got gern zogtin ire minne. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 735 (els., E. 14. Jh.): Reinekeit des libes gelichet men der wisheit der lilien [...], in dem widerstande gelichet men sv´ rËti der rosen vnd der edelkeit der marterer. Steer, Schol. Gnadenl. 1, 668 (noschweiz., 15. Jh.): Juden vnd haiden, die da sterbent vmb jrn geloben, das sint nit martrer, wan si sterbent nit vmb die warheit. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 316, 21 (Genf 1636): MÁrterbuch / Liber martyrum. Ebd. 24: MÁrterer / m. der vmb Gottes / oder seines Worts willen sich tËdten lÁst. Rot 327 (Augsb. 1571): Martrer, von dem Griechischen wort Martyr, [...]. Heyst ein zeugen / kundtschaffter. Also waren die etwo bey den alten genant / welche Christum nit allein mündtlich bekenten / sonder auch mit jrem bluto bezeugten / das er der war Son Gottes [...] were. Primisser, Suchenwirt 41, 1500 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Du o magt] pist Èber aller engel schar 兩 ErhËht pei got in [muter, e himelreich, 兩 Uber all martrer wirdikleich. Gierach, Märterb. 92 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): hie hebt sich an der martrer püch. Turmair 4, 21, 25 (moobd., 1522/33): Wolfsynd, ein martererin und heilige junkfrau, ligt zu Reispach. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 9, 35 (tir., 1464): Johannes ist worden ain martrer durch der gere¨chtikhait willen. Dies., Imitatio Haller 87, 13 (tir., 1466): wie haben die auserwelten heiligen gottes als grosse swere truebsal vnd pein geliten, die heiligen czwelffpoten vnd martrer, die heiligen peichtiger vnd junkchfrauen. − Luther, a. a. O. 21, 141, 21; Helm, H. v. Hesler. Apok. 22671; Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 1862; Rosenthal. a. a. O. 19, 8; Dubizmay, kurß zu Teutze 21, 4; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 238b, 29; H¸bner, Buch Daniel 2195; Bindewald, Texte schles. Kanzl. 51, 52; Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 23a, 7; Bihlmeyer, a. a. O. 252, 21; Rieder, St. Georg. Pred. 247, 6; Chron. Strassb. 115, 29; 516, 5; Sappler, H. Kaufringer 26, 132; Bauer, Geiler. Pred. 80, 2; Spechtler, Mönch v. Salzb. 33, 62. − Vgl. ferner s. v. arbeitselig 3, patriarch 1.

3. ›durch aktive Übernahme oder durch Zufügung physischer oder psychischer Zwänge leidende, duldende, gequälte Person (männlichen oder weiblichen Geschlechts)‹. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.

1921

märtrerbuch − märz

Fischer, Brun v. Schoneb. 4835 (md., Hs. um 1400): Maria di hoeste martir was. 兩 [...] 兩 alle ander merterere liden 兩 pine an ires selbes quele: 兩 Maria wart gemarteret in der sele. Buch Weinsb. 2, 354, 5 (rib., 1577): das er [Person mit Leistenbruch] auch sin lebtach ein mertler moist sin und fillicht sich zum geistlichen stande deste balder geben. Feudel, Evangelistar 143, 17 (omd., M. 14. Jh.): Von den mertereren gemeyne schribit sente Lucas [...]: ,wer do mir wil volgen, der vorsache synes selbis unde neme uf syn creuce unde volge mir‘. Bihlmeyer, Seuse 508, 5 (alem., 14. Jh.): su´ wev nent, su´ sint dar umbe grosse su´nder, so sint su´ vor gottes ogen hohe marteler. Sappler, H. Kaufringer 9, 263 (schwäb., Hs. 1464): es wirt [...] 兩 oft und vil der manne diet 兩 von den weiben ser betrogen, 兩 [...] 兩 die mann sind recht martrer. Gilman, Agricola. Sprichw. 2, 241, 19 ([Augsb.] 1548): Ir wisset bayde selber wol 兩 Das ich [Esel] bin Marterer genoß 兩 Dann mein arbait ist so groß 兩 Das ich von layde mËcht ymmer sagen.

4. ›ausgedientes Pferd, alter Klepper, Schindmähre; leidendes, gequältes, duldendes Tier‹; als Ütr. an 3 anschließbar. Welti, Pilgerf. v. Walth. 6, 8 (omd., n. 1474): [wir] mytten dornoch bose arme pferde, merterere genant. Sachs 5, 148, 36 (Nürnb. 1557): Da wurd ich [ein Pferd] erst ein merterer. 兩 Der läre karr war mir zu schwer. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 220, 13 (oobd., 1349/50): dar umb habent si [sperken] den namen ze latein passer, daz ist ain leider, wan welhez tier diu prunst der unkäusch vil rüert, daz haˆt vil leidens, dar umb sprechent die weisen: minner, martrer (auch zu 3 stellbar). − Schweiz. Id. 4, 426.

märtrerbuch, martrerin, martrermächer, s. martrer 2. martsche, die; im Glossar der Ausgabe Primisser (s. u.) hergeleitet aus mlat. marchia ›Gegend, Mark‹, wozu Niermeyer 2, 850 f. kaum paßt (s. v. marca, marchia); eher zum Etymon von markt; vgl. auch Schweiz. Id. 4, 428. ›festliche Veranstaltung‹. Primisser, Suchenwirt 14, 318 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Do man der pesten martschen krey 兩 Schol suchen durch den ritters nam. Chron. Strassb. 122, 6 (els., 1362): Do man o zalt 1332 jor, [...], an der mittewochen so die runtofel oder die o martsche ist zuo Strosburg, noch dem nahtmaße, do erhub sich ein gescholle.

martyren, s. martern 1. martyrologium, das. ›Martyrologium, kalenderartiges Verzeichnis von Märtyrern, ihrer Festtage u. ä.‹. − Zur Sache: LThuK 1986, 7, 138. − Texte aus dem Ordensbereich.

1922

Ziesemer, Gr. Ämterb. 308, 30 (preuß., 1420): 1 de tempore und 1 de sanctis, 2 salter, 2 notularia, 2 collectaria, 1 martirologium, 3 tepte. Ziesemer, Marienb. Ämterb. 129, 19 (preuß., 1437): de sanctis, eyn buch doe die rectores usz syngen, ader regieren, eyn martilogium. Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 94, 27 (preuß., 1437/8): eyn pars biblie deuwtsch, item 1 martirilogium, item eyn privilegiarium. − Vgl. ferner s. v. asinarium.

marunke, die; aus tschech. marun˘ka ›Aprikose‹ (Marzell 3, 1096). ›Eierpflaume‹. − Schles. Wb. 2, 851 (a. 1601). marxtag, s. marcustag. märz, der ; -en, auch -ens/−. ›März‹; die Belege betreffen die Wechselhaftigkeit der Witterung, den Beginn des Frühlings und des Wirtschaftsjahres, die Pflanzenwelt, die hauswirtschaftlichen Produkte, biblische Hintergründe, die Rechtspraxis. − Synt.: den ersten manen marcium nennen; den märzen (Akk. der Zeiterstreckung: ›im Laufe des Märzes‹) das laub ausschnellen; der m. für das erste manat gehalten werden, die türne (eines symbolischen Tempels) m. genant sein; im märzen alten / sterben, fische fangen, getreide mähen, etw. (z. B. wurzen) graben, im märzen nebel sein, die sele im märzen hinnen faren, die gizlein im märzen gesäugt werden, der apfel (des Paradieses) im märzen gegessen sein, got im märzen der gnade kerzen zünden, [eine Wunde] im märzen böser sein dan [...], das jar mit dem märzen anheben, zu märzen das erdreich umkeren; der grausamliche m.; ein tag, die blut / kraft / zeit des märzen, den x. (tag) martii o. ä. (in Datumsangaben). Wbg. (bei den Komposita wechselt genitivisches märzen- oft mit märz-, auch märze-; in der folgenden Liste wurde jeweils die am häufigsten belegte Form angegeben. Die genauen semantischen Konnotationen und der Handlungswert der Komposita sind aus den Belegen wie auch aus den Kommentaren und Ausgabenglossaren teils schwer, teils überhaupt nicht erschließbar; falls dennoch genauere Angaben gemacht werden, scheint mir ihre Verläßlichkeit zum Teil fraglich): märzanke (a. 1658; Gw zu 1anke; bdv.: märzenbutter),

1923

märz

märzenbad, märzenbier ›im März gebrautes dünnes Nachbier‹ oder (so Öst. Wb. 2, 154) ›Lagerbier hoher Qualität‹, märzenblume (zu den Bezugsmöglichkeiten s. Marzell 5, 345), märzenblust ›Baumblüte im März‹ (16. Jh.), märzenbrunnen ›Brunnen, der infolge von Schneeschmelze und Niederschlägen im März fließt‹ (bdv.: winterquelle), märzenbutter ›zur Zeit der ersten Grünfütterung gewonnene Butter‹ (bdv.: märzanke), märzenfeld ›Campus Martius in Rom‹, märzenfeuer ein Frühlingsfeuer (a. 1601), märzenflek ›Sommersprosse‹ (a. 1563), märzenhase, märzenkalb a) ›im März geborenes, als besonders groß geltendes Kalb‹; b) ütr. ›dem Weingenuß Verfallener‹, märzenkeute (zum Gw s. keute), märzenkind ›Bösewicht‹, märzenschmalz, märzenschrunde ›im Frühling auftretender Hautriß‹ (a. 1583), märzenspalt dasselbe (a. 1563), märzenwädel ›Mondphase im März‹; Periode für bestimmte Tätigkeiten (zum Gw s. Lexer 3, 627, s. v. wadel ›Periode‹), märzessen ›ein anläßlich des märzgedinges für die Gerichtspersonen ausgerichtetes Mahl‹, märzgalle (zum Gw s. Galle ›feuchtes Grundstück‹; Dwb 4, 1188), märzgedinge, märzgericht, märzisch a) ›märzlich, unwirtlich‹; b) ›im März gebraut / gezogen‹ (letzteres von Hechten gesagt), märzkonvent ein dünnes Klosterbier (zum Gw s. convent 3), märzling ›im März geborenes Ferkel‹ (a. 1528 f.), märzmet, märzstern eine Pflanze (a. 1574; s. Marzell 2, 527), märzvieh. Ziesemer, Marienb. Ämterb. 20, 36 (preuß., 1440): drey tonnen collacienbir, item 24 tonnen covent, item 1 tonne merczcovent. Ders., Gr. Ämterb. 201, 25 (preuß., 1516): 22 fas bir im mertzschen keller, 16 thonnen mertzbir, 20 fas bir im coventskeller, 5 fas mertztcovent. Ebd. 383, 21 (1415): 2 vas mit merczenbyre das vas von 3 tonnen. Ebd. 589, 3 (1414): 4 vas donnes metes im kellir, 2 vas merczmete. Lohmeyer, K. v. Nostitz 98, 9 (preuß., 1578): die schefferey wer sunderlich gut gegen Konigsperg, das man den winter das beste mertzviehe da hientriebe, wol futerte. Ebd. 100, 19: in den kleinsten [teich] sollen im vorjar mertzisch hecht eingesatzt werden. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 90, 9 (rib., 1494): zomme nuinden plaigen wir alle jaire vor uns ind ons gesinde zwei merzebier zo haven und gelijch anderen burgeren zo verzinsen. Ebd. 42: Zo gedenken der merzekeute zo bruwen ind duerre zo geven. Zo gedenken der gruis. Beckers, Bauernpr.

1924

55, 10 (Köln 1515/18): wie vyll neuell synt in dem Mertzen o soe vil guß synt jm jair. Grimm, Weisth. 6, 300, 33 (alem., 1532): das ain maierher [...] nach der aschrigen mittwuchen sein ehaft merzengericht halten [...] möge. Ebd. 441, 34 (mosfrk., 16. Jh.): so sollen die forsthofer holen vier die beste fare ›vor‹ ausz [...] zu steuer einem vollkommenen merzessen. Ebd. 445, 38: Dieweilen dasz m. gn. h. allhie gewesen ist sein frei richtliche merzgedinge, so [...]. Spanier, Murner. Schelmenz. 26, 25 (Frankf. 1512): Meyne sün, die mertzen kindt, 兩 Wer sy strofft, dem sindt sy findt. Thiele, Chron. Stolle 48, 28 (thür., 3. Dr. 15. Jh.): do starb Octavianus der keyser, [...] unnd wart begraben uff deme merczenfelde. v. Tscharner, Md. Marco Polo 73, 20 (osächs., 2. H. 14. Jh.): In dem aprille unde merczin [...] so veet man do vil vischis. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 172, 11 (osächs., 1570/7): Die hammel für Jacobi nicht vorkauft, das wehr- und merzvieh [im Glossar der Ausgabe als ,überzählig‘ charakterisiert] aber umb Michaelis. Keil, Peter v. Ulm 93 (nobd., 1453/4): Wiltu ein grün wuntsalben machen, so nym mertzen-smaltz vnd apprillen-smaltz vnd nym des meyschen als vil als dißer peyd. Ebd. 99: Aber ein salbe. Nym meng-wurtz vnd sewd die in mertzen-puttern, vnd ochssen-zungen-wurtz. Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 194 (1658): grab im mertzen wedel zwüschen 9 und 10 breitwägerich würtzen. v. Birken. Erzh. Österreich 85, 53 (Nürnb. 1668): Es ist aber zuwissen / daß die Franzosen in ihren Geschichtschrifften / das Jahr mit dem Mertzen anzuheben / vor alters im gebrauch gehabt. Thiele, Minner. 2, 13, 418 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): so sich myn leben krencket 兩 [...] 兩 als andern alten gewonlich in dem merczen, 兩 so brennent [...], 兩 fur mich zudrost, ein pfÈndig wachsen kertzen. Ebd. 14, 27 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): Hie mit an vacht das glentz mit heil, 兩 wenn des mertzen krafft gat in. Ebd. 35: den mertzen und den abrellen 兩 sicht man das lob uß schnellen. Vetter, Pred. Taulers 97, 5 (els., E. v besnidet [...] 14. Jh.): glich eime ackermanne der sine bome o und sin ertrich umbkeret zu mertzen. Spanier, Murner. Narrenb. 18, 65 (Straßb. 1512): Schlaffet dann das mertzen kalb, 兩 Vnd ist der wyn im also gsundt, 兩 Wie das graß ist vnserm hundt, 兩 Vnd brichet im syn leben ab [vgl. den Kommentar zur Textstelle in der Ausgabe]. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 132, 19 (Straßb. 1522): die HÈbsche [Frau] bleibt nit lang, als wenig als MertzenblÈt, WinterschËn, Volmon, Favor populi und Pfaffenstreit bleiben nit lang. Kurz, Murner. Luth. Narr 3887 (Straßb. 1522): Mertzenkinder seins genant: 兩 Das ist der lutherisch stand. Roloff, Brant. Tsp. 1463 (Straßb. 1554): Und o mir ein sieh die [hündlin] lauffen auff dem wasen 兩 Zuo suchen Mertzen hasen. Ebd. 1470: Es ist heüt der grien donderstag 兩 So ist es noch des Mertzen zeit 兩 Heüt sucht man hasen ferr o freunden. Martin, und weit / 兩 die man thuto schencken guten H. v. Sachsenh. Tempel 300 (schwäb., 1453): Mercz , aberell und may 兩 So sind die türn genant. Schlosser, H. v. Sachsenh. 2249 (schwäb., 1453): Ich förcht der küng o Sudhoff, trüg falschen list, 兩 Als Aberell des Merczen blut. Paracelsus 4, 431, 4 (1527): das er schrepfen für raude und krezig erdacht hat. ist gleich als dan die merzenbeder [hier als

1925

märzanke − märzler

Schwindel beschrieben], ist das eine für mucken, das ander für fliegen, das drit für die hornussen. also ist es auch mit disem schrepfen. Ebd. 10, 145, 8 (1536): was nach mitag verwunt wird ist auch böser dan vor mitag, [...], im merzen und aprilen böser dan in allen andern monaten. Adrian, Saelden Hort 547 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): Daz indem mertzen wart der apfel 兩 gessen und wir von dem stapfel 兩 vielen aller sælden kait. Ebd. 561: Got zunt u´s indem mertzen 兩 siner gnaden kertzen [die Erschaffung der Menschen, der Sündenfall sowie die Empfängnis Christi erfolgten nach mittelalterlicher Ansicht im März; vgl. den Kommentar zum Beleg in der Ausgabe]. Ebd. 6721: uf wallende man dringen 兩 da siht ain mertze brunnen. Plant u. a., Main. Naturl. 301vd, 14 (ohalem., Hs. E. 14. Jh.): den ersten manden nante er marciu˜. wande sin vater v mars dc ist ein stritgot mars hiez oder als die heidene globit nach dem mac och dirre mande wol heizin. Maaler 289r (Zürich 1561): Mertz / Der dritt monat im jar. [...]. Der erst tag deß Mertzens / an wËlchem tag der brauch was den weybere˜ schencke oder gaaben zeschicken. Ebd.: Blauw Merto mit einer bËllenze˜blÈmle / Ein hüpsche blauwe glentzblumen wurtzen. Vaticinium. Rennefahrt, Gebiet Bern 98, 37 (halem., 1626): mit werfen und rÈren kein mÈy sparen, insonderheit aber daßelbige [getreydt] von sant Gallen biß in mertzen järlichen ufs wenigest zweymal, namlich im Gallenund mertzenwädel, werfen laßen. M¸ller, Nördl. Stadtr. 241, 30 (schwäb., 1463): das man füro dehain flaisch verkaufen noch hingeben sol, es sei dann vor geschawet, usgenomen in der vasten die mertzenkelber. Rot 327 (Augsb. 1571): Mertz , Ein Monat also genant / vom Latein Martius. Jst bey den alten für das erst Monat gehalten worden / an dem sie das Jar angefangen / soll seinen namen haben vom Vatter Romuli vnd Remi / dem Marte. Henisch 93 (Augsb. 1616): Wen der Mertz nicht will / den nimbt der Aprill. Wer nicht stirbt im Mertzen / der hat zu sorgen im Aprill [und weitere Sprichwörter]. Spechtler, Mönch v. Salzb. 11, 43 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): Hinfür merz, abril die zwen mon 兩 als ain topasion 兩 sich gilben [bezogen auf die ersten Blüten] schon. Klein, Oswald 58, 11 (oobd., 1431/2): das macht der merz , der irs [bül] tüt kund, 兩 als ich von ärzten han gehöret. Ebd. 67, 15: Emphacht her Merz frau Kunigund. 兩 Adrianus, der ward gesund 兩 phinztages in merzischem bad [aut Öst. Wb. 2, 72: ›Bad von besonderer Heilkraft‹]. − Ziesemer, Marienb. Ämterb. 45, 4; 96, 36; ders., Gr. Ämterb. 203, 36; 743, 37; Toeppen, Ständetage Preußen 5, 677, 28; Loose, Tuchers Haushaltb. 9, 25; Chron. N¸rnb. 4, 209, 4; Harsdoerffer. Trichter 3, 343, 8; Gleinser, a. a. O. 1989, 193/ 4; Martin, a. a. O. Tempel, 576; Leisi, Thurg. UB 8, 98, 11; Welti, Stadtr. Bern 375, 33; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 153, 25; Grothausmann, Stadtb. Karpfen 67, 2; Pf‰lz. Wb. 4, 1201 f.; Vorarlb. Wb. 2, 364 ff.; Schweiz. Id. 1, 1189; 4, 431 f.; 5, 177; 9, 1629; 10, 209; 15, 470; Schw‰b. Wb. 4, 1567 f. − Vgl. ferner s. v. abtragen 11, adar, allergottesheiligentag, april, ausfordern 1.

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märzanke, s. märz. marzel, Genus? nach dem Dogen Nicolo Marcello (vgl. Schw‰b. Wb. 4, 1506 sowie Anm. 1 zum Beleg Loose), nach dem Beleg M¸ller Herleitung vom Namen des Heiligen Marcus. eine venezianische Silbermünze mit dem Bild des Dogen Marcello (oder des Hl. Marcus?). Loose, Tuchers Haushaltb. 154, 15 (nürnb., 1517): Dem jorg Spengler [...] iedes jar ein marczell. Schib, H. Stokkar 11, 30 (halem., 1519): zu Jerusalhem [...] hand die Hiaden von uns bilger gern rott nestel und zuckererbs und kes und Venedig gelt, marzelen. Ebd. 47, 11: unser mitbrüder ettlich liesen wier zu Venedig, [...] und furend gegen Miasters zu und gab 3 marzel zu lon. M¸ller, Welthandelsbr. 238, 23 (schwäb., 1514/5): So gilt der rh. fl [90] ß oder 9 marzel. Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 210, 15 (schwäb., 1560): Also beschiesenn jetz alle welt einander, man hett duktatten, cronen, goldgulden, martelen, regal, babst geld zu 3 batzen 6 kreutzer. − Rwb 9, 329.

märzenbad, märzenbier, märzenblume, märzenblust, märzenbrunnen, märzenbutter, märzenfeld, märzenfeuer, märzenflek, märzenhase, märzenkalb, märzenkeute, märzenkind, märzenschmalz, märzenschrunde, märzenspalt, märzenwädel, märzessen, märzgalle, märzgedinge, märzgericht, s. märz. marzipan, Genus? aus ital. marzapane (Kluge/S. 2002, 601). ein Geschirr, eine Schachtel. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1057 (oobd., 1607/11): 2 runde gemodelte scheiben wie marzipan.

märzisch, märzkonvent, s. märz. märzler, der. ›Händler, Krämer‹; zu markt / 1mart 2. − Bdv.: vgl. abenteurer 3, gadenman, gast 2, handelsman, händler 2, krämer, marktfarer, marktsucher, partierer, tändler. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 51, 23 (halem., 1319/20): Man schribet allen reten, daz man die benke ob dem stocke rumen sol, daz die merceler da gestan mugen. Mollwo, Rotes Buch Ulm 64, 6 (schwäb., 1376): Es hant die burger gesetzt, daz kain mertzler hie ze Ulme dez fritags nach mittemtag und dez samstags vor mittemtag nichtz i i in dem zehenden von usluten und gesten durch koufen sullen gewinnes willen.

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märzling − mas

märzling, märzmet, märzstern, märzvieh, s. märz. 1 mas, die; -n/-π, -e, -en; zu mhd. maˆse ›Wundmal‹ (Lexer 1, 2056). 1. ›natürlicher oder durch äußere Einwirkung entstandener Fleck, störendes, unschönes Mal auf einem Untergrund, den man als glatt, einheitlich voraussetzt‹; mit letzterer Nuance offen zu 2. − Bdv.: anmal 1, brest, fel, flek, makel 7, 2mal 1, tupfe, zeichen; vgl. amal 2, befleckung 1, klek 2, liebmal, meil 1. − Synt.: das / ein m. abstreichen / abwaschen / auswaschen / ausziehen / empfangen / hinnemen / vertreiben / behalten, mit etw. (z. B. mit weihwasser) waschen, ein mäslein zwischen den augbrauen haben, eine m. an dem antlutze tragen; die m. (Subj.) hinweggehen, nicht abgehen, die hant verschänden, in den nägeln sein; das lam ane masen sein, öl für ›gegen‹ die masen dienen; die m. von öl, die masen der cörper, an den fingern, im / unter dem angesicht; die angeborene / angewachsene / blaue / breite / schämliche / schwarze / verbrante ›durch Brand entstandene‹ m.

Schˆpper 57b (Dortm. 1550): Næuus. Maaß fleck mal mackel anmal. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 78, 17 (osächs., 1570/7): Es [oel von meienwürmblein] dienet auch vor die maasen und flecken unter dem angesicht. Pyritz, Minneburg 1047 (nobd., Hs. um 1400): Daz daz trag ein schemlich masen 兩 An dem antlutze by der nasen. Keil, Peter v. Ulm 224 (nobd., 1453/4): meng das mit hönig vnd mit nuß-öl, daz vertreibt all verprant massen, wenn man sie domit schmirt. Sachs 20, 486, 17 (Nürnb. 1564): Zwischn augbrahen het sie ein mäßlein, 兩 Ein roten mund, ein kleines näßlein. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 256, 6 Var. (Straßb. 1466): Wann das lamp wirt on flecken [Var. 14752−1518: masen; Froschauer 1530: vnprÁsthafft; Dietenberger 1537: mackel oder brest; Luther 1545, 2. Mose 12, 5: feil]. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 314, 17 (Straßb. 1522): dem Kneblin bliben schwartz Masen an den Fingern, die wolten nit abgon von keinem Weschen. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 18, 18 (Straßb. 1650): Die Liebe, Antwortete der Geist, ist wie ein grosser Flecke oder Maase von Oel, die ein gantzes Kleid verschändet. Maaler 278v (Zürich 1561): Maasen / FlÁcken. [...]. Das angesicht hat die Maasen oder flÁcken behalten. [...]. Ein angeheffte oder angwachßne Maasen oder mackel hinwÁg nemmen. − Schweiz. Id. 4, 436; 462; Schw‰b. Wb. 4, 1511.

2. ›Narbe, Wundmal, Strieme, sichtbares Zeichen einer zugefügten Verletzung‹. − Bdv.: anmal 2, flek, geschwer 1, narbe, grind 1,

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schnate, schlag, schramme, streim, wundmal, zeichen; vgl. amal 1. − Synt.: die masen vertreiben, jm. masen kratzen / machen / schlagen, j. / ein tier masen haben, der aussaz masen hinter sich lassen; die m. (Subj.) schwarz werden, sichtig sein, leibfarbe gewinnen, von den streichen keine masen erscheinen; den masen wieder har bringen; die wunde ane masen heilen, den brand ane masen vertreiben, ein pflaster auf die masen machen, von masen geheilt werden; die m. des fleisches, der wunde, der geschwere, von den wolfzänen; blutfarbe masen. Wbg.: masenschlag ›Wundschlag‹ (bdv.: schlagmas). Helm, H. v. Hesler. Apok. 8718 (nrddt., 14. Jh.): Daz her [Got] mit eime tote 兩 Des angenomenen vleisches 兩 Massen des selben meisches, 兩 Die ligen an uns solde, 兩 Den tot irvolgen wolde. Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb. 126, 9 (Frankf. 1535): der gebrant corall [...] vertreibt auch die masen der geschwere. Schwartzenbach 63v (Frankf. 1564): Masen. Anmal. Wundmal. Schmarren. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 505, 7 (Frankf. 1563): gaben dem bruder das tranck eyn verheileten im sein geetzte wunden, daß allein rote blutfarbe masen überbliben. Thiele, Minner. 2, 13, 294 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): vergifft mit eynem stral, 兩 ein wund gar selten heilt on streymen, masen, fleckenn. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 362, 6 (els., 1362): Do hies in der keiser mit stecken gar sere schlahen, doch erschein an sime libe keine mose von allen den streichen. Rohland, Schäden 476 (nalem./schwäb., 1400/33): wiltu ein wund oder ein geschwer heiln, das dir kein fleck noch kein mäß da wirt. Cirurgia H. Brunschwig 17va, 32 (Straßb. [1497]): eı˜ cleine plut ru˜ß ist do eine˜ die hut biß vff dz fleisch v’wu˜t ist vn˜ on masen oder linck zeichen [Ú lindzeichen?] geheilt mag werde˜. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 400, 13 (Straßb. 1466): an der statt des geschwers ist derschinen ein weyß maß oder ein rot. Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 53, 10 (Straßb. 1522): gebotten, das man Got kein Thierlin opffern solt, das ein Gebresten het noch Mossen. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 138, 16 (oobd., 1349/50): der asch, der geprant wirt von ainem igel und gemischt mit zelaˆzem pech oder harz, [...] pringet den maˆsen ir haˆr wider auf dem haupt. Primisser, Suchenwirt 29, 201 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Jch [Geld, Personifikation] han noch masen, daz ist war; 兩 Si rauften mir swort und har. Schmitt, Ordo rerum 357, 17 (oobd., 3. V. 15. Jh.): Liuor slagkmaß [...] snade [...] slach mäs uel slag [...] grynt [...] masenslag. Drescher, Hartlieb. Caes. 46, 14 (moobd., 1456/67): Er sagt uns auch das die masen noch gar sichtig we´r an der o gesacczt hatt. stat, do unnser fraw die zungen an den stumph Ebd. 132, 16: die gaiselsleg, die im [Christus] an seiner heylio straym gemacht gen hawt swarcz fleck, mo´sen und plutvarb hetten. Winter, Nöst. Weist. 3, 705, 8 (moobd., 1504): so ist derselbig der das than hat nicht mer schuldig von gerechtigkait wegen dann das er drei phening auf dieselben masen oder

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mas

zaichen leg, damit sol er gepuest sein. Reithmeier, B. v. Chiemsee 73, 7 (München 1528): Wie gehailter awssatz hinder sein laest fuoesstaffen vnd masen, also laest die gehailt vnnd begnadt sünd hinder ir etlich mayl. − Keil, Peter v. Ulm 422; Sachs 4, 433, 27; 16, 180, 14; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib. 1989, 194; Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 1974, 4; Pfeiffer, a. a. O. 123, 17; Drescher, a. a. O. 76, 20; Broszinski, Minner. Chir. Parva 73v, 15; Gereke, Seifrits Alex. 5624; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 103, 25; Turmair 1, 392, 8; Schmitt, a. a. O. 358, 20; Voc. inc. teut. p vjv.

3. ›als Schandfleck, Makel, Zeichen gedachte Sündhaftigkeit, Schuld, Verfehlung des Menschen schlechthin wie des einzelnen Menschen‹; bildlich oder ütr. an 1 und 2 anschließbar. − Obd.; meist Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: 4ber, flek, makel 2, wunde; vgl. anlaster 2, klek 2, 2 lak, lastermeil, tadel 1. − Synt.: masen gewinnen, die / eine m. sehen / abwaschen / auswischen / heilen / reinen, an sich ziehen, eine m. in der sele finden, die sünde masen lassen, das blühen keine masen haben; bilde mase sein; das herz der masen blos sein; das gewissen ane mase sein, j. ane masen aus dem tauf kommen, in der m. bleiben, jn. von der m. heilen, j. von den masen geläutert sein; die m. der missetat / sünde / unlauterkeit; die böse / ewige / sündliche / unabtroknende m. Wbg.: masereich (a. 1488), 1masig 2. zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl 90 (Nürnb. 1517): Domit aber in der erwelten selen weder mackel noch masen noch ichts sölichs mög erfunden werden, strafet got die erwelten. Bihlmeyer, Seuse 134, 33 (alem., 14. Jh.): in dem hizzio gen blÈte [Cristi] so wusch er sich und sine masen abe. Ebd. 321, 28: Reine die grozen masen miner missetat! Williams u. a., Els. Leg. Aurea 344, 8 (els., 1362): [Nereus] ist one schulde, wenne sine gewissen one mose was. Strauch, Schürebrand 19, 10 (els., E. 14. Jh.): waz swermÈtikeit u´ch dar us entspringet, daz ist eine sunderliche heilsame salbe, do mitte uwer geminneter u´ch ertzenen und heilen wil von allen süntlichen mosen. Barack, Teufels Netz 6819 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Denn wil si dik der welt næhen, 兩 So mocht si wol ain masen gesæhen, 兩 Die si niemer möcht usweschen. Rieder, St. Georg. Pred. 299, 10 (Hs. 2önalem., 13879): der vierde [Schaden] ist daz du´ sel masig und entrainnet wirt. Schmidt, Rud. v. Biberach 8, 20 (whalem., 1345/60): von der sache so zien wir an vns masen der vnluterkeit an vnser begirde. Ebd. 9, 5: mit bilden zergenglicher dingen, [...] die nvti in got tragent, die sint mase in der v e vberverstantlikon vbung. Lindqvist, K. v. Helmsd. 76 (halem., Hs. um 1435): Das Got ir [Maria] mÁgtlich hertz v besloss, 兩 Das es was aller masen bloss. Ebd. 3856: Der glori o v blun kain versmÁcht enphat, 兩 Der jugent blÈn kain masv en

hat (im Himmelreich; Beleg als Ütr. auch zu 1 stellbar). Vetter, Schw. zu Töß 58, 6 (Hs. 15. Jh.): das ich als rain und als lutter wer und als gar un all masen als sy was do ich uss dem toff kam. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 214, 18 (moobd., 1478/81): ob sich kainer beflecket hat mit ainicherlay masen der laster. Reithmeier, B. v. Chiemsee 58, 10 (München 1528): nach der tawf beleibt dannoch imm fleisch ain masen vnd naygung zuo sünden. − Oorschot, Spee. Trvtz-N. 148, 4; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 794, 14; Strauch, a. a. O. 22, 10; Fuchs, Murner. 4 Ketzer 214; P‰pke, Marienl. Wernher 6464; Reithmeier, a. a. O. 81, 6; Steer, K. v. Megenberg. Sel 42, 10; Bremer, Voc. opt. 47006; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 235; Schweiz. Id. 6, 164. 2

mas, die/das, s. 1masse (die).

mas, das, vereinzelt die; masses (für das)/ −; zu mhd. maz ›Speise‹ (Lexer 1, 2063; Dwb 6, 1721). − Obd.; älteres und mittleres Frnhd.; meist Texte gebundener Form. 1. ›Speise (als Eßsubstanz)‹; vereinzelt metonymisch: ›Essen, Eßtätigkeit‹. − Bdv.: essen; vgl. anbis 2, banket, begere 2, (-)brei, collation 4, gericht II, 1, geschlepper, 2gewerde 2, labnis, 1mal (das) 4, malzeit 1, (-)mus, (-)speise. − Synt.: das m. fügen / nemen (mehrfach) / niessen, ein m. machen, die m. geschmecken, jm. (got) das m. abbrechen ›stehlen‹; das m. (Subj.) jn. (nicht) gereuen; des masses nicht enbeissen; des apfels m., des hellewolfes m. Wbg.: masbaum ›Apfelbaum des Paradieses‹ (hierher?), maslos ›ohne Speise‹, masmesser ›Tischmesser‹ (16. Jh.). Gille u. a., M. Beheim 188, 107 (nobd., 2. H. 15. Jh.): das sy gotz mund, sein trank und mass 兩 abprechen und enterben 兩 Und legen es dem teufel als 兩 in seinen posen giel und hals. Lemmer, Brant. Narrensch. 110a, 211 (Basel 1494): So man genomen hat das maß 兩 So sag man deo gratias. Koppitz, Trojanerkr. 8124 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Die hatten gersten, habern vil, 兩 Daz in vil besser waz daz spill 兩 Denn der tugenden eydgenoss, 兩 Dü baide sassend mass loss. Ebd. 10266: Liege ich, so sy daz erste masz 兩 Daz ich nüsse, min ende. Ebd. 24214: Der edel kaysser tugend san 兩 Das mass mitt mangem sünftze nam. Adrian, Saelden Hort 1394 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): da von ez [vih] werd nit zelaz 兩 und hell wolfes maz! Wiessner, Wittenw. Ring 4296 (2ohalem., 1400/089): Wilt, daz dichs mas nicht werde gereuwen, 兩 so scholt dus wol und endleich keuwen. Niewˆhner, Teichner 566, 117 (Hs. 2onalem., um 14339): daz er [fuchz] jach: ,die struchen ich hon‘, 兩 das er die mas nit mËcht gesmecken. Schmitt, Ordo rerum 370, 26 (oobd., 2. H. 15. Jh.): Pomus malus appelbom Malus maspavm vel apfolter. − B¸hrer, Kl. Renner 121; Gille u. a., a. a. O.

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mas − maschen

139, 85; Wiessner, a. a. O. 3221; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 150; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 235; Schw‰b. Wb. 4, 1521.

2. ›Leib Christi (als Brot des Abendmahls)‹. − Bdv.: nachtmal, sacrament; vgl. abendbrot 2, abendessen 2, abendmal 2, 1mal (das) 5, hostie, leib 9. − Wbg.: masgeselle für Christus gebraucht (1. V. 16. Jh.). Euling, Kl. mhd. Erz. 738, 138 (nobd., E. 15. Jh.): [das] sein leib, das heilig mas, 兩 uns trenck mit seinem heyligen plüt. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 9, 3 (Basel 1497): o saß, An dem tisch des leste˜ nachtmals, 兩 da er by den brudern 兩 die gesetzt er begieng des grals, 兩 [...] 兩 sich selbs gab er in zu mas. Martin, H. v. Sachsenh. Tempel, 1082 (schwäb., 1453): So nüssen wir die spis 兩 Mit gnauden dester bas. 兩 Ich mein das edel maß, 兩 Das heilig sacrament. − Schweiz. Id. 7, 725. 3

mas, Genus und Etymologie unklar; vgl. den Kommentar zum Beleg Lemmer! ›Schmutzlache‹. − Wbg.: 2masig ›sumpfig‹. Voc. inc. teut. q viv (Speyer um 1483/4): masig paludinosus. Lemmer, Brant. Narrensch. 21, 2 (Basel 1494): o stroß 兩 Vnd blibt er jn dem pfütz Wer zeygen duto eyn gute vnd moß 兩 Der ist der synn vnd wißheit bloß (möglicherweise Ütr. zu 1mas (die) 3; dann etymologisch mit diesem identisch; man beachte aber die Bedeutung des Adj. 2masig).

mas, Konj.; zu 1masse (die). ›denn‹ (kausal). Diehl, Dreytw. Essl. Chron. 113, 32 (schwäb., 1552): Es war ebenn des tyffells lid, mass es was sich zu der wer gericht wie ein aussetzell im herbst.

masbaum, s. mas (das) 1. masche, die/das. 1. ›Masche eines Gewebes, Loch zwischen den Gewebefasern; Maschenweite; Netz, Schlinge, Fessel, Falle, mit denen Fische, Wild gefangen werden oder (ütr.) in die Menschen verstrickt sind‹; speziell: ›Jäger-, Fischergarn‹. − Wobd. / oobd. − Bdv.: garn 1; 2, läuwe, loch 1, nez, reusche, strik, wate; vgl. 1angel 2, auge 5, 1geschlinge, häberitze, härre, harschüpfel, knode 4, laz 3. − Synt.: die m. erfordern / füren / messen / richten; jn. ane maschen fangen, in den maschen gehen, in maschen verwandt (›verstrickt‹) sein, in ma-

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schen vögel fangen; die maschen der tasche, des garnes / netzes; die kleine / grosse / weite m.; ungelückes (poetischer gen. explicativus) m.; die wate mit x maschen. Wbg.: maschel, maschen ›etw. einfassen‹, mäscher (a. 1510/48). Kurrelmeyer, Dt. Bibel 7, 184, 14 (Straßb. 1466): Wann er ließ sein fu´sse in das netze: vnd er geet in seinen maschen [Dietenberger 1534: masen vnnd vnreinigkeiten; Luther 1545, Hiob 18, 8: netze]. Barack, Teufels Netz 6020 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): An mattschan und an strikken 兩 Vach ich [Teufel] si [nunnan] unmassen dicke. Rennefahrt, Gebiet Bern 445, 26 (halem., 1488): Es ervordern die rechten weydlüth den meschell, vermeinen, das derselbig ufgericht werd. Ders., Wirtsch. Bern 18, 12 (halem., 1621): Die Oberländer Fischer klagen ferner, daß der meschel, der ihnen vor wenig jahren uferlegt worden −, nit der alte [...] sye. Maaler 281v (Zürich 1561): MÁsch (das) Ein loch / eines fischergarns oder netze. Macula. Ein garn oder netze mit grossen vnd weyten MÁschen. Retegradi macula. Ebd.: Ein subtyl garn mit kleinen MÁschlinen / als die rÁbhÈner garn / vn˜ wachtl garn. Reticulum minutis maculis. Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen 455, 20 (halem., 1569): das ir aller und ieder fischeren garn besichtigen, die mäschel mit dem alten mäß erfäggen und mässen. Rot 327 (Augsb. 1571): Mass oder Mesch / heist auch o daran man ein knopff mit eim klang / oder ein lange schnur etwa fasset. Ebd. 328: Maschen oder anmeschen, das ist anfassen / anhengen / wie man die schnelfingerl / Pater noster ringel / vnd was dergleichen anfasset. Klein, Oswald 12, 65 (oobd., 1416): wo ich in trauren tunckel 兩 durch tausent maschen bin verwant. Ebd. 82, 19 (1418?): ich hulf dem knaben hübsch gemait 兩 auss ungelückes masche. Ebd. 86, 32 (1428): Neckerau, 兩 Dein scheren ungenetzt 兩 der taschen maschen setzt. Turmair 4, 81, 2 (moobd., 1522/33): mit wildpret und vögln, so mit jagen hetzen paissen, in netzen maschen kloben trauchen häberitzen hanfschmaissen springheusern und leim gefangen worden. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 98, 35 (m/soobd., 17.−18. Jh.): underthon der ohne erlaubnuß strupfen, zaan, maschen oder fallen richt der ist p 5 reichßthaler gestrafft. − Dasypodius 379r; Schweiz. Id. 4, 501; Vorarlb. Wb. 2, 366; Dalby, Lex. MHG Hunt. 1965, 149 f.

2. ›Kolik, Bauchgrimmen‹; mit 1 metaphorisch über das Vergleichsmoment ,Ziehen des Schmerzes‘ assoziierbar; Etymologie unsicher. − Bdv.: grimmen (V.) 4, rotschade. − Wbg.: mäschelweh (a. 1658). − Schweiz. Id. 4, 503 (a. 1520 f.). maschel, s. masche 1. mäschelweh, s. masche 2. maschen, s. masche 1.

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mascher − maser

mascher, Genus und etymologische Zuordnung unsicher. ›Augenbutter, Augenschleim‹. Voc. Teut.-Lat. m vijv (Nürnb. 1482): Greck als in de˜ auge˜ od‘ mascher. pituita. [...]. zypff.

mäscher, s. masche 1. masdarm, vereinzelt: mastdarm; der ; -s/−. ›Mastdarm, Enddarm‹; als Metonymie auch: ›Stuhlgang‹; Bw. mas zu mas (das) 1, mast zu mast (die), letzteres schwer motivierbar, möglicherweise ist das -t von mast als epithetisch zu mas zu verstehen. − Bdv.: arsdarm, bakdarm; vgl. bauchgrimmen, darmgicht, 2 gegicht, kaltmutter, masgang. − Synt.: der m. jm. ausgehen; an dem m. zwo adern sein, jn. durch den m. schiessen / stechen, ein al in den m. kommen, nach dem m. fragen; sucht des masdarms. Peil, Rollenhagen. Froschm. 298, 1166 (Magdeb. 1608): [Die Ertzt] Fragten nach dem Schlaff / vnd Maßdarm [hier: ›Stuhlgang‹] / 兩 Ob er viel hitz hett oder kelt. Ebd. 662, 4895: Stachen als auff ein wildes Schwein / 兩 Einer durch seinen lincken Arm / 兩 Der ander in Bauch zum Mastdarm. Keil, Peter v. Ulm 214 (nobd., 1453/4): Wem der maß-darm außget, Der nem apon vnd stoß die. Engel, Rats-Chron. Würzb. 99, 19 (nobd., Hs. M. 17. Jh.): en reysiger namhafter knecht, [...], satz bocke undt wart mit einer hockhenbuchsen durch beede arschbackhen und durch den mastdarm geschossen. Schmitt, Ordo rerum 360, 16 (wschwäb., 1. H. 15. Jh.): Colica [...] hebenmuter [...] des masdarms sucht [...] hebmuter vel permuter sucht. Barack, Zim. Chron. 3, 423, 16 (schwäb., M. 16. Jh.): Wie er nun den al also bei ainer halben stund widerstanden, do hat doch unser Hergot glück geben, das er [al ›Aal‹] in massdarm kommen und durch denselbigen darvon in die hosen gefaren. Strauss, A. v. Villanova dt. 170r, 20 (obd., Hs. 1421): zwo adern sint hynden an dem maßdarm, dye leßet man den, dye blut schrewant vnd dy, die hart wynte haben. − Schmitt, a. a. O. 343, 25; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 317, 2.

masecht(ig), s. 1masig 1. masel, wohl die; zu mhd. masel (Lexer 1, 2057; Dwb 6, 1699). ›Pustel, Blutgeschwulst‹. − Bdv.: vgl. blase 3, blatter 2, pustel. Adrian, Saelden Hort 4138 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): den lu´ten schut er [riffian] an die kol. 兩 sin bain die wurdent maselan vol.

1934

maselsiech, Adj.; masel- Umdeutung von misel- (Dwb 6, 1699). ›aussätzig‹. − Bdv.: vgl. aussetzig. − Wbg.: maselsucht, maselsüchtig. Helm, H. v. Hesler. Apok. 7674 (nrddt., 14. Jh.): Das Crist den blintgebornen 兩 [...] 兩 [...] die maselsucht ab 兩 Und alle suche gar vortreib. Ebd. 14273: Als da man uz den dorfen 兩 Setzet die maselsiechen 兩 Dar um daz sie nicht riechen 兩 Ane die wol gesunden. Ders., H. v. Hesler. Nicod. 5035 (nrddt., 14. Jh.): Swer die maselsiechen, 兩 [...] 兩 wil zu den anderen wert 兩 siheine wile stallen, 兩 iz beclibet albetallen. Pfaff, Tristrant 83, 22 (Augsb. 1498): klaget er, das ein so unreiner masselsüchtiger man mit seiner hand den reinen leib berÈren solte.

maselsucht, maselsüchtig, s. maselsiech. masen, V. ›jn. / etw. beflecken, beschmutzen‹; auch ütr.; zu 1mas (die) 1. − Bdv.: vgl. bedrekken, beeitern, beflecken 1, behammeln, beklänen, bemäligen, berussen, bescheissen 1, beschmeissen 2, beschmitzen 1, makeln. Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 2535 (rhfrk., um 1405): Als von einem swartzen sacke mit kolen 兩 [...] 兩 Wurden sij [pilgeryn] swartz und gemaset. Adrian, Saelden Hort 7355 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): Sin hertz bald us spie 兩 swas masen mag die rainikait 兩 gar der edel ku´schen mait.

masenschlag, s. 1mas (die) 2. maser, der ; zu mhd. maser (Lexer 1, 2057). 1. ›knorriger, wegen der Härte des Holzes z. B. für die Herstellung von Drechselwerk genutzter, auch schwammartiger Auswuchs an Bäumen‹. − Bdv.: vgl. galapfel, beingewächs, beinwachs, cambucca, geschwulst 5, gewächs 5. − Wbg.: 2masern (Adj.) 1, masert9 (dazu bdv.: knorrecht). Volkmar 67 (Danzig 1596): Bruscum, Maser od‘ flader von Ahorn. Kurz, Waldis. Esopus 4, 69, 156 (Frankf. 1557): Jst herter denn ein Maßren Schlegel. Thiele, Minner. 2, 12, 47 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): man seh dyn heymut grobe heistern dragen 兩 vonn erst masart, strub unnd unbehawen. Sudhoff, Paracelsus 3, 463, 7 (1526/A. 1527): nichts wird ganz, es wird etwas gleichförmig brüchig neben im. als der maser gegem baum. Maaler 284r (Zürich o tisch zemachen. Magnitu1561): Der Maser ist nit groß gnug dinem mensarum no˜ capit bruscum. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 338, 17 (oobd., 1349/50): auz des holzes maser macht man guot köpf. − Ebd. 317, 2; Dasypodius 360r; 377v; Schweiz. Id. 4, 444.

1935

maserächtig − masgenosse

2. ›gemasertes Holz‹. − Wbg.: maserächtig, masern (V.), masern (Adj.) 2. Eis, Gottfr. Pelzb. 130, 10 (nobd./thür., 3. V. 14. Jh.): do von wirt eyn groz stok vnd wirt czu masir. Maaler 284v (Zürich 1561): Ein Maserächtige Weyßtannen / die allenthalben vollen Áderlinen ist vnnd gewülck gleych wie schamlot. Crispa abies. Steinberger u. a., Urk. Hochst. Eichst. 401, 41 (noobd., 1352): Ich schaff in auch allen dreien geswestern unverscheidenlichen zehen beslagenen mÁsereinen nephlach. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 787 (oobd., 1607/ 11): 2 vasi oder näpff, der eine ist wie von maserholtz. Zingerle, Inventare 46a, 5 (tir., 1471): i swarcz parchaten, gemosirt meßgewant. − Bastian u. a., Regensb. UB 305, 31; Bauer u. a., a. a. O. 809; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz. 1989, 202.

3. ›Baumstamm‹; auch metonymisch (dann: eine Baumart) und ütr. gebraucht; möglicherweise handelt es sich bei diesen Belegen um eine Kurzform von masholder ; dafür spricht auch der Beleg Dasypodius. Sudhoff, Paracelsus 3, 465, 9 (1526): verordnet zu einem grunt und boden, aus welchem grunt und boden der maser selber wachst. Dasypodius 377v (Straßb. 1536): Massholder maser. Acernum Bruscum. Klein, Oswald 66, 22 (oobd., v. 1408?): Ain zwisel waidelich, 兩 darob ain maser hert, 兩 die tragt zwo bieren reich [hier obszön ütr.]. Turmair 5, 279, 8 (moobd., 1522/33): Also zaigen auch die näm an, das wälschnus kersen mandel pfersich buxpaum maseren (hier eine bestimmte Baumart gemeint) und dergleichen vil aus andern frembden landen zu uns sei pracht worden.

maserächtig, s. maser 2. maseran, Genus? aus mlat. majorana, s. majoran. ›Majoran‹. Keil, Peter v. Ulm 183 (nobd., 1453/4): Daz ist die edel salbe: Item nym ein ganßen vnd bereit in als man in essen sol, vnd ditz creuter: salbey, lafendel, maseran, rauten, lorper. Sachs 14, 268, 32 (Nürnb. 1553): Ich wil den nechsten gehn marck lauffen 兩 Und gut krefftige würtzel kauffen: 兩 Als wermut, fenchel, bethonien, 兩 [...] 兩 Garthaffen, salven, maseran. Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch. 922, 11 (halem., u 1496): j lËttlin ymberbulver. j settin mase(ran).

masereich, s. 1mas (die) 3. masern, pl. t. ›Masern, fieberhafter Hautausschlag‹; vgl. 1mas (die) 1; 2. − Bdv.: vgl. äres, ausschlacht 2, betecken, betetsche, kindsblatter, kindsflechte, grind 1. Volkmar 691 (Danzig 1596): Vari, Varuli, Masern / Boggen / Ohrschlechten.

1936

masern (V.), s. maser 2. masern (Adj.) 1; 2, s. maser 1; 2. masert, s. maser 1. masgang, der ; -s/−; Bw zu mas (das). 1. ›Hintern; Mastdarm‹. − Bdv.: arsbacke, arsballe; vgl. arskerbe, bache 2, gesässe 5, 1 lende 1, masdarm. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 5, 27, 16 Var. (Straßb. 1466): die mann die do nit sturben die wurden geschlagen an der heimlichen stat der lenden [Var. 14752−1480 / Eck 1537: des massgangs o. ä.; 1483−1490: der arßballen, 1507−1518: arßbacken; Luther 1545, 1. Sam. 5, 12: an heimlichen örten]. Chron. Augsb. 5, 56, 18 (schwäb., 1523/7): es [gewex] hett 2 schenckel und 2 fies und hett 2 arschbacken, es hett aber kein masgang. − Schw‰b. Wb. 4, 1518.

2. ›Müßiggang‹, gedacht als ,Pflege des Hinterns‘. − Bdv.: rast, wolleben. v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe 204, 4 (thür., 1421): Seyne tochter musten nehin spynnen wircken unde hefften uf das sie massgangk vormeden, der die laster nicht meidet.

masgebung, s. 1masse (die) 12. masgeld, s. 1masse (die) 1. 1

masgen, V.; zu 1mas (die). ›jn. verleumden; etw. (einen hohen Wert) in den Schmutz ziehen‹; vgl. 1mas (die) 3. − Bdv.: bescheissen 3, meiligen 3; vgl. abbrechen 14, austragen 9, 1ausschweren 3, balmunden 1, befehen, beklaffen, bemasigen, berüchten 1, berüsseln. − Wbg.: masgung. Bihlmeyer, Seuse 122, 28 (alem., 14. Jh.): und als si o [wip] den bruder u´bel hat gemasget, daz tet si noh fu´rderlicher. Barack, Teufels Netz 899 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Wenn du ietz diu sel tuost masgen und beschissen, 兩 So duostu sin mornent wider wissen. Ebd. 4093: Es sol nieman sin so vermessen 兩 Der das almuosen tuot essen 兩 Das er der welt uppikait mit trib. 兩 Es masgot im sel, er und lib. Rieder, St. Georg. Pred. 86, 6 (Hs. 2önalem., 13879): denn der mentsch [...] mit weltlichen dingen umb gat, so masget es den hymel. 2

masgen, s. mässigen.

masgenosse, der ; −/-n. ›Tischgenosse, Person, mit der man das Essen teilt‹; zu mas (das) 1, vgl. genosse 1; 2. − Bdv.: vgl. commensale, gemasse, masgeselle. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 647, 8 (els., 1362): Ein teil diener des ku´niges dienent ime allein zuo sime libe, also die rotgeben, die kammerer vnd die masgenossen. Lemmer, Brant.

1937

masgeselle − maskette

Narrensch. 110a, 71 (Basel 1494): Die selben heiß ich / rum den hag 兩 LÁrß kÁrly / schmirwanst / füll den mag 兩 Das ist eyn bËser masß genoß 兩 Vnd würt geheissen wol eyn frosß. Koppitz, Trojanerkr. 4911 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Ie ain ritter und ain magtt 兩 Wurden ain ander mass genoss. − Koppitz, a. a. O. 12850; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 236.

masgeselle, s. mas (das) 2. masgezeug, s. 1masse (die) 1. masgung, s. 1masgen. mashalten, s. 1masse (die) 12. masholder, der ; starke Varianz der Schreibungen, die auf etymologische Undurchsichtigkeit schließen läßt; zu mhd. mazal兩ter ›Maßholder‹ (Lexer 1, 2064; s. auch Kluge/S. 2002, 602). eine Baumart, wohl ›Ahorn‹. − Wbg.: masholderbaum, masholderbäumen, masholdergeschlecht, masholderholz, masholdern ›aus masholder‹, masholdertisch, masholderwald. Grimm, Weisth. 5, 616, 48 (pfälz., 1390): Diese vorgeschriben friheit get ane an dem stein der do steht [...] bi dem massolderbaum. Schnelbˆgl, Salb. Karls IV. 131, 22 (nobd., 1366/8): Si sullen auch hawen pirken, espein, erlein, heslein, hagenpuchein, masholtrein. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 470, 14 Var. (Straßb. 1466): er nam die cypreß [Var. W, 15. Jh.: maßelter, Luther 1545, Jes. 44, 14: Buchen] vnd die aiche die do stÈnd zwischen den hËltzern. Leisi, Thurg. UB 7, 1020, 23 (halm., 4. V. 14. Jh.): und sol ain keller ain masseltu´rrin stang han, ob ain herr ainen habch brÁcht, das er in dar uff stell. Maaler 284v (Zürich 1561): Maßholderbaum oder ahorn. Acer, aceris, Maßholter gschlÁcht. Carpinus. Maßholter bËumin. Carpinius. Maßholter / Ein baum. Opulus, Rumpotinum. Ein Maßholtertisch oder von maßholter gemacht. Acerna mensa. Maßholterwald. Rumpotinetum. Winter, Nöst. Weist. 1, 708, 6 (moobd., 1511): schedlich holz, das ist hainpuechen osspaum mashaltren windfelholz. Turmair 1, 401, 33 (Azgsb. 1517): nota haec: acer aceris, arbor 1massfalter1, iter itineris. − Bremer, Voc. opt. 48066; 48204; Voc. inc. teut. p vijr; Hulsius M ir.

masholderbaum, masholderbäumen, masholdergeschlecht, masholderholz, masholdern, masholdertisch, masholderwald, s. masholder. 1

masig, masecht(ig), Adj. 1. ›befleckt, schmutzig; gefleckt, gescheckt‹; vgl. 1mas (die) 1. − Bdv.: vgl. gemeilt, germig, handmalig, makel (Adj.).

1938

Dasypodius 375v (Straßb. 1536): Maasechtig machen. Suggillare. Maaler 278v (Zürich 1561): Maaßachtig / Voll maasen vnd flÁcken. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 59, 13 (schwäb., 1491): er [esel] sy ains witten libs, starcken hals, [...], getrungnen bainen, schwarzten oder masoten farb. Ebd. 67, 11: so die tail des libs [des bockes] schwartz v oder masochtt sin, so wirt och das schwartz oder mengerlay farb geschlecht geboren. Vock, Urk. Hochst. Augsb. 340, 8 (schwäb., 1408): WÁr och, daz diser brief iendert gebresthaft oder schadhaft wurde ald wÁre an bermit, [...], an timpten (Tinte), nass, ma˘scht (fleckig) oder lËchrot. − Vock, a. a. O. 269, 35; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 312, 1; Schw‰b. Wb. 4, 1513.

2., s. 1mas (die) 3. 2 masig, s. 3mas. maskanne, Gw mit anorganischem -dsowie Diminutivsuffix: -kandel, maskante, die; −/-n; zum Verhältnis von -kanne und -kante s. Kluge/S. 2002, 466. ›Kanne, die 1 Maß (Wein) faßt‹; vgl. 1 masse (die) 5. Struck, Joh. Pfannstiel 55, 27 (mosfrk., 1526): An zynnwergk: itme 14 grosser plattenn, 8 cleyner, noch ein maßkann und eyn halb maß. Chron. N¸rnb. 5, 596, 16 (nobd., E. 15. A. 16. Jh.): da schuß der von Amberg das feur [...] zwaier turn hoh ubern galgen als groß als ein moßkandel dik ümb ains in die naht. Chron. Augsb. 8, 54, 8 (schwäb., zu 1560): welcher ine zuvor mit ainer maßkanten an hals geschlagen. Zingerle, Inventare 50, 2, 9 (tir. / vorarlb., 1479): i masskantten. − Kollnig, Weist. Schriesh. 288, 10; Zingerle, a. a. O. 68, 2, 10.

maskante, s. maskanne. maske, die; über franz. masque und ital. maschera letztlich aus dem Arab. (schulz/ Basler 2, 1942, 83; Kluge/S. 2002, 602). ›Maske, verkleidende Gesichtslarve‹; auch ütr. − Bdv.: vgl. butzenwerk, person 1. − Wbg.: maskerade. Mieder, Lehmann. Flor. 874, 15 (Lübeck 1639): die Bawern dÈrffen dem Adel die warheit nicht bloß vnd grad / wie sie ist / fÈrbringen / der Adel den FÈrsten nicht / [...] / sondern gehen alle in Mascard. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. 32, 26 (Straßb. 1650): da doch, wann wir ihr [Welt] die Maske, den Fürhang nur ein wenig abziehn vnd den Kern beschauen wollen, vns allein die blosse schölffen in den Händen bleiben. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 1331 (oobd., 1607/11): Ein zimblich groß geschirr ablang von topazio mit einem mascheron von langen harn. Ebd. 2767: Arcimboldi allerley uffzüg und mascherate in penna. − Jones, French Borrowings 427 f.

maskerade, s. maske. maskette, s. 1masse (die) 1.

1939

masladen − mäslich

masladen, s. 1masse (die) 2. masleide, die. 1. ›Appetitlosigkeit, Unlust, Ekel, Abneigung gegen die Einnahme von Speisen, auch von Getränken‹ (von Menschen und Haustieren gesagt); zu mas (das) 1, vgl. 1leide 3. − Wobd. / auch oobd. − Bdv.: unlust; vgl. abscheuen (das), verdrus. − Wbg.: masleidig 1 (vom Magen, mit mixtura verborum von der Speise gesagt; bdv. zu ersterem: meisterlos; Ggs. zu letzterem: däuig), masleidigkeit 1 (dazu bdv.: ersättigung). Bremer, Voc. opt. 43066 (wobd./oobd., 15. Jh.): Fastidium masslaidin [...] masselaide [...] vnlust in essen vnd trincken [...] est ablacio appetitus in cibo et potu. Vetter, Schw. zu Töß 81, 24/27 (Hs. 15. Jh.): darnach sprach er zuo ir: 1Schwester Ita, essen?1 do sprach sy: ,O her, ich han die masslaide, das ich nit gern iss.‘ Und do wolt ir u´nser her erzaigen das im danknem was [...], und lait ir ain wisses brot fu´r, und o do sy des brotes erst versucht, do vergieng ir alle ir masslaide, die sy vor dik hat gehebt. Maaler 284v (Zürich 1561): Maßleidig / Denen der magen entrichtet ist. Dissoluti stomachi. [...]. Maßleidigkeit (die) oder entrichtung deß magens. Dissolutio stomachi. Fastidium stomachi, Diuidia, Fastidium in cibis. Ebd. 287v: Ein maßleidigen oder meisterlosen magen haben / dem nichts schmËckt. Ebd. 379r: Maßleidige Speiß die man hasset. Lˆffler, Columella/Österreicher 2, 23, 6 (schwäb., 1491): so ist nu´tzs gebachnen knobloch mit Ëll in die nasen zuo giessen [...]. Aber daz ist allain dienen die masß laidig sind. Ebd. 55, 4: Ertznyen fu´r die masslaidi der spiß und den schelmigen tod. [...]. UNdertwilen schwachott das vich uss masslaidi der spis; des artzny ist das geschlÁcht des sa˘mens das ratten gehaissen wirtt. Ebd. 73, 18: der hiertt kum dann zuo hilff der masslaidi des vichs mit gegebnem saltz. Ebd. 124, 3: Von den spisen sËllend die fogel nit essen; dann sy macht sy masslaidig. Strauss, A. v. Villanova dt. 164v, 25 (obd., Hs. 1421): Keyn mensche sol lazzen dyweyl er dye maßleyde hat. − Maaler 117r; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 236.

2. ›allgemeine körperliche und psychische Unlust des Menschen, Überdruß, Interesselosigkeit‹; Generalisierung / Ütr. zu 1. − Bdv.: s. u. Schˆpper und Schwartzenbach, vgl. ferner helligheit. − Wbg.: masleiden (V.), masleidig 2, masleidigkeit 2, masleidigung. Schˆpper 29b (Dortm. 1550): Piger. Träg faul läw schlefferig aßmerlich maßleidig vnfrutig. Ebd. 29b: PITRITIA: Tragkeit Faulkeit mÈssigkeit sorglose läwigkeit maßleidigkeit vnfrutigkeit. Schwartzenbach 5v (Frankf. 1564): Abscheuung. Grauw. Grauwel. Vnlust. Vnwille. Verdruß. [...] Maßleidigkeit. Ebd. 92v: Vnwille. [...]. Vngefallen. Ab-

1940

schauwung. Grauw. Maßleidigung. Ebd. 98v: Wunderlich. VerdrÈssig. Vnwirsch. Vnlustig. Seltzam. Gremsig. Maßleidig. Sudhoff, Paracelsus 6, 479, 18 (1528): welcher auch von den alten ist, den wird bald masleiden. Maaler 284v (Zürich 1561): Maßleidig vnnd eins dings verdrossen. Pertæsus, Fastidiosus. Maßleidig seyn. Fastidire. Er ist zekriegen Maßleidig worden. Cepit eum tædium belli. Ebd.: Schwangere frauwen Maßleidigkeit. Malacia. Maßleidigkeit vertreyben. Fastidium purgare. Barack, Zim. Chron. 1, 459, 5 (schwäb., M. 16. Jh.): die hat studenten und andere, die ir gefallen, einzogen und nach der haut gebraucht. So sie dann eins massledig worden, [...], so hat sie [...]. Fischer, Eunuchus d. Terenz 73, 8 (Ulm 1486): wann er maßlaidy der leüt empfieng, oder has des gescheffts, oder wa er ruwen wolt, so berüeffet er mich ainigen. Ebd. 10: Maßlaidy. Das ist der herren und amptleüt von im gesetzt das ist wann in verdroß deß gemainen nutz zebedencken mit seinen rÁten von übriger mü. und er o o wolt ergetzlichait suchen und ruwen. − Dasypodius 378r; Maaler 220v; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 236.

masleiden (V.), s. masleide 2. masleidig, masleidigkeit 1; 2, s. masleide 1; 2. masleidigung, s. masleide 2. mäslich, Adj. (vereinzelt) / Adv., in letzterem Gebrauch auch -lichen. 1., s. 1masse (die) 11. 2. ›in Haltung und Verhalten kontrolliert, angemessen, abgewogen, wohl überlegt, verantwortlich, das Extreme meidend; sparsam (mit Bezug auf den Gebrauch von Speise)‹; vgl. 1masse (die) 13; 14. − Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): geduldig, gehorsam (Adj.), gerecht 7; 8, keusch, weislich, ziemlich; vgl. befugsam, behörlich 1, bequem 2, bescheiden (Adj.) 3, betlich 3, billich, gätlich, gebäre, gefug, gemäs, 1gezäme, gleichmässig 5, mässig 2, taugenlich, tauglich 1. − Synt.: j. m. sein; m. essen / leben / zeren, sich m. halten, die kost m. nützen, die tugenden mäslichen niessen, die speise mäslichen nemen, mit jm. m. zu schaffen haben, m. zwischen etw. (z. B. zwischen irrungen) ausgehen; die mäsliche speise; mäslich (Gradadv.) wol. Wbg.: mäslichkeit ›gebotene Sparsamkeit‹ (hinsichtlich der speise); ›Gebührlichkeit (des Verhaltens gegenüber Gott)‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2045 (nrddt., 14. Jh.): Als da man labet siechen 兩 Mit meselicher spize. Sievers, Oxf.

1941

mäslichkeit − masse

Benedictinerr. 27, 16 (hess., 14. Jh.): Durch daz sollen wir in dissen dagen [...] etwaz irmeren an sunderlichem gebede, an mezlichkeide der spisen, daz ein ieclich suster ubir die mazze die ir gesatzit ist etwaz unseme herren opfere. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 6071 (omd., 1338): Alsust Elyphas ouch achtet 兩 Daz Job alle mezlichkeit 兩 Ken Gote hette hin geleit 兩 Und sich zu aller bosheit gab 兩 Sunder der rechten maze stab. Neumann, Rothe. Keuschh. 3467 (thür., 1. H. 15. Jh.): wanne unser licham ist der sele knecht, 兩 in messlicher spise ist her gerecht. Ebd. 3521: dinstu ym [god] wislich unnd kuschlich, 兩 du bist geduldig unnd messlich, 兩 gerecht unnd auch gehorsam. Scholz, Lanfrank. Chir. Parva 239v, 10 (md./oobd., 1446/8): Und heist / meßlich sich haldenn vnd verpeüt / inn alle grobe speyßen. Barack, Teufels Netz 792 (Bodenseegeb., 1. H. 15. Jh.): Hat ain frow ain eman, 兩 Mit dem mag si mæslich ze schaffen han 兩 Bis das si ain kind tuot uffhaben. Morgan u. a., MHG. Transl. Summa 381, 29 (schwäb., 14. Jh.): daz wir zwo gegengesast irrunge behüeten sülen, mezziclichen zwischen iewederm der usgande. Klein, Oswald 4, 44 (oobd., 1421): Fleisch, weines tunst 兩 teglichen meid, mässlichen nim die speise, 兩 das er den hunger zimlich büss. Siegel u. a., Salzb. Taid. 30, 20 (smoobd., 1625): Es soll auch ain ieder vorster wissen, was ainer bedarf, es sei schindl, zaunholz, zimerpämb [...], nach derselben seiner notdurft soll er ime mäßlich zaigen ze schlagen. − Gille u. a., M. Beheim 188, 68; Morgan u. a., a. a. O. 192, 13; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 366, 14; Primisser, Suchenwirt 38, 253; Niewˆhner, Teichner 592, 129; Drescher, Hartlieb. Caes. 191, 1; Winter, Nöst. Weist. 4, 170, 30.

3. ›leicht ausführbar, mäßig, geringfügig‹; eng an 2 anschließbar. Helm, H. v. Hesler. Apok. 3215 (nrddt., 14. Jh.): Daz wol an deme schechere schein, 兩 Dem her liez allen sinen mein 兩 Durch eine mezeliche bicht. Ebd. 5399: Wen du mezelichen tugent has 兩 Und mines wortes nicht enlas 兩 [...] 兩 Dar umme gab ich vor dich 兩 Eine tur wit uf getan. Ebd. 5790: Durch diz cleine gebot 兩 Liez marteren sich Got 兩 Und gienc mit noten vorladen 兩 Durch also mezelichen schaden 兩 Als an einem obze lac! − Ebd. 4084.

mäslichkeit, s. mäslich 2. masliebe, die; oft diminuiert; wohl eher entsprechend mnl. matelieve (wörtlich: ›Eßlust‹, von daher ütr. auf die als appetitanregend betrachtete Pflanze) als entsprechend mnl. magdelief (vgl. Marzell 1, 345; Kluge/S. 2002, 603; Verwijs/Verdam 4, 1228). ›Gänseblümchen‹. − Bdv.: vgl. gänsblume, Maria Magdalena blume. Alberus CC ijv (Frankf. 1540): Solidago, heißt auch Maßlieben / vnd Braunell. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 78, 15 (osächs., 1570/7): darnach ein pulsterlein in warmen

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wein genetzt, darein gesotten ist meußörlein, maaßlieben, camillen und rothen beifus, und werde des tages zwey mahl darein gebunden. Cirurgia H. Brunschwig 31vb, 22 (Straßb. [1497]): ist aber einer geschossenn [...] so nim dann das krut genant eren paris / Vnd das krut genant maß liebelin glich vil vnnder ein ander wol gestoße˜ vn˜ binde dz des abentz dar vff. Rauwolf. Raiß 3, 15 ([Lauingen] 1582): ersahe ich etliche schËne Kreüter / alß Saxifragam auream, Cariophyllatam Alpinam, ein schËn geschlecht der grËssern Maßlieben. − Rohland, Schäden 476; Vorarlb. Wb. 2, 371.

maslos, masmesser, s. mas (das) 1. masmeister, s. 1masse (die) 1. masmetze, s. 1masse (die) 6. maspfenning, s. 1masse (die) 4. masrute, s. 1masse (die) 2. massacrieren, s. massaker. massaker, das; aus franz. massacre (Schulz/Basler 2, 1942, 85; Kluge/S. 2002, 602). ›Massaker, Blutbad‹. − Bdv.: blutbad, gewurge. − Wbg.: massacrieren (a. 1616 f.). − Jones, French Borrowings 429. masschaft, s. 1masse (die) 6. masschauer, masmeiel, s. 1masse (die) 5. 1 masse (die), 2mas (die, auch das); -π (für die masse und die mas) / massen, mässe. 1. ›Maß allgemein, nach Länge, Fläche, Volumen, Gewicht bemessene und je nach zu messender Bezugsgegebenheit gebrauchtsadäquat festgelegte Einheit innerhalb eines Systems größerer oder kleinerer solcher Einheiten‹; als Metonymie: ›das Messen, die Messung (als Handlung)‹; ›Maßinhalt‹; ›Meßgerät‹; dazu speziell: ›Senkblei‹; jeweils selten belegt. − Phras.: die nasse mas ›Maß für Flüssigkeiten‹; die trockene mas ›Getreidemaß‹; die mas vol machen; jm. (z. B. dem haufen (›Heerhaufen‹) seine mas geben ›[...] die gebührende Abreibung geben‹ (hierher?; vgl. Beleg Chron. Augsb. 9). − Bdv.: abmessung 1, abpfächtung, eichung, grösse 1; 2. − Synt.: die m. gebrauchen / misbrauchen / erneuern / (ab)fächten / abzimenten / besichtigen / füren / haben / halten, jm. eine m. geben; die mas (Pl.) gleich sein; in m.

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austeilen, etw. mit der m. abmessen, sich mit massen vergleichen; nach der m. zutreffen; die kunst der masse; die böse / falsche / unrechte / quade / (ge)rechte / gute / kleine / grosse / gebrante ›mit Eichstrich versehene‹ / gedrükte / gerüttelte / überfliessende m.; ungleichheit in den massen. Wbg.: masgeld ›Abgabe für das Messen von z. B. Getreide‹ (a. 1460), mas(ge)zeug, maskette ›Kette zum Schnüren und Messen (von Holzladungen)‹, masmeister ›Aufseher über öffentliche Maße; Marktaufseher‹, massung ›Vermessung von Grundstücken‹ (a. 1537 f.), maswerk ›Geometrie‹ (a. 1500). Toeppen, Ständetage Preußen 5, 418, 25 (preuß., 1494): das menn sich mochte vorgleichenn mit tonnenn, mossze, scheffelenn, pfunnden etc., das szy allesamptt gleiche werenn. Ziesemer, Gr. Ämterb. 60, 28 (preuß., 1508): Hawsgerete: [...], 2 messings becken, 2 kuppern mosz. Luther, WA 41, 126, 21 (1535): so nur die heuptmaur nach dem mas und bley zutrifft und jnn der richtung bleibt. Aubin, Weist. Hülchrath 104, 25 (rib., 1539): sie sulten in nassen und drugen massen Dicker mass haven und usteilen. Ebd. 214, 19 (1547): Ich verpiete alle unrechte wege, ungepurliche stege, ungewonliche waßerfluß, falsch gewicht unf boese maß. Rudolph, Qu. Trier 133, 17 (mosfrk., 1593−9): Sollen dabei [...] fleißig acht nehmen, daß alle karcher ihre vollkommene und rechte maßketten wie auch die closter gespann hätten. Schmitt, Ordo rerum 241, 2 (omd., 1466 ff.): Mensurale [...] moßgeczug [...] zewg. v. Groote, Muskatblut 96, 77 (nobd., 1. H. 15. Jh.): Si [geometria] heist eyn konst der masze, si weis die zal der straisse 兩 bis an den hemel (ho) bla. 兩 si ist der maisse keren, si (weis) wie wit ein sterren 兩 ye von dem anderen lieffe. Vetter, Pred. Taulers 336, 22 (els., 1359): Er rÈret vier leige mosse die den menschen su´llent gegeo ben werden: ein gute mosse, ein zuo gegeben mosse, ein getrukte [Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 6, 38: ˆın gedruckite und zuo samen gejagite; Luther 1545: getrückt / gerüttelt] mosse und ein u´berfliessende mosse. Chron. Augsb. 9, 58, 25 (schwäb., 1544/5): und sollte alsdann dem fordristen kaiserischen hauffen auch sein maß gegeben werden. Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu. 3, 286, 6 (schwäb., 1592): kain wüert noch jemandts anderer, so meß, maß, gewicht oder ellen zue kaufmanschaz [...] ein- oder außzuemessen [...] gebraucht. Rot 328 (Augsb. 1571): Mensur, Maß / abmessung / abpfechtung / Eychung. Bischoff, Steir. Landr. 143 (m/ soobd., Hs. v. 1425): Wen man begreift an vnrechter mazz, an wag, an ellen, daz sind alles valscher. Siegel u. a., Salzb. Taid. 88, 19 (smoobd., 1426, Hs. 15. Jh.): so sol es dann mit dem umbgeär, abgemessen werden mit der mass [hier: ›Meßgerät‹], die darzu gehort. Winter, Nöst. Weist. 2, 514, 19 (moobd., 1495, Hs. 16. Jh.): Sollen die fleischacker so si ain kue schlachen den maßmaistern ansagen ehe wen si die kue ab der haut pringen. Kummer, Erlauer Sp. 3, 793 (m/soobd., 1400/40): ich han in meinen handen 兩 drei

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gulden pesanden, 兩 dar umb gib du uns di maß [bezogen auf salben], 兩 das dich got leben laß! Qu. Brasso´ 5, 430, 21 (siebenb., 1613): wie er [Gott] denn allen Tyrannen ein irten (!) zuo borgt, bis er die Mass vollmacht. − Lau, Qu. Neuß 301, 31; Aubin, a. a. O. 144, 22; 173, 24; Brinkmann, Bad. Weist. 6, 34 f.; Gille u. a., M. Beheim 81, 141; Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 218, 10; Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. 2, 314, 11; 669, 9; Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein 184, 25; Mell u. a., Steir. Taid. 28, 29; Maaler 193v; Rwb 9, 331 f.; Pf‰lz. Wb. 4, 1206; 1212; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß 236; Schweiz. Id. 2, 255; Schw‰b. Wb. 4, 1513. − Vgl. ferner s. v. abstechen 7, abzimenten, behandeln.

2. ›Längenmaß, Maßeinheit, die nach ihrer Länge bemessen ist‹; als Metonymie: ›gemessene Strecke‹; die Handhabbarkeit der Längenmessung erfolgt relativ, man vgl. folgende Reihen bzw. Vergleichseinheiten in den Belegen: seil, rute, elle, use, handbreit (zur Grundstücksvermessung) oder fus, schuh, schrit, trit, gliedeslang, meile, rast. − Phras.: das an der masse (des guten) wäre ein fus ›daß ich einen Fußbreit Gutes getan hätte‹. − Bdv.: vgl. archin, armbrustschus, bergklafter, bergstabel, gerte 3, handgemünd, klafter 1, landmas, 1man (der) 13, mansdaume, 1meile 1, 1pas 6, stabel(mas). − Wbg.: masladen ›Maßinstrument, Maßstab (des Schuhmachers)‹ (zum Gw s. laden, der, 1), masrute ›Meßrute, Stab, mit dem gemessen wird‹ (a. 1635), masseil ›ein zur Feldmessung verwendetes Seil von 103 Fuß Länge‹, mässigung 1. Helm, H. v. Hesler. Apok. 21189 (nrddt., 14. Jh.): Die stat eins mazes uz geleit, 兩 Daz drithalb hundert passe treit 兩 Dises mazes lanc zwelftusent. Mendthal, Geom. Culm. 21, 9 (Hs. 2preuß., Anf. 15. Jh.9): Man sal ouch merken, das dy gemeyne offenbaren mosen, der wir gebruchen yn Prusenlande czu der mose des ackers, synt seyl, ruten, elen, wse vnd hantbreit. Reissenberger, Väterb. 30048 (md., Hs. 14. Jh.): Daz ich nie gutes also vil 兩 Getet, ob ich war sprechen wil, 兩 Daz an der maze were ein vuz. Helbig, Qu. Wirtsch. 4, 346 (md., 1555): wil ich euch nit bergen das man die massen dis orthes gedeylt hat. Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. 343, 19 (mosfrk., 1456): wan man ein maisseil machen sol, so sol man 103 fueße messen in die lenge, gemeine fueße. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 188, 8 (thür., 1474): eyner wunden halbin, dy eyme uff deme kophe gehouwen ist unde darvon dy schepphin [...] eyn maeß genommen habin nayls tiff unde geledeß lang. Bell, G. Hager 586, 1, 4 (nobd., 1603): Der schuster die mas laden nam. 兩 mas jms. Morrall, Mandev. Reiseb. 27, 7 (schwäb., E. 14. Jh.): wil ich u´ch sagen wie lang ain welsche mil sin sol. Sie sol haben tusent mässe. Lˆffler, Columella/Österrei-

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cher 1, 292, 15 (schwäb., 1491): die maß der juchartt, o [...], in der messigung hett in die lengin ccxxxx schuch. M¸ller, Nördl. Stadtr. 143, 32 (schwäb., 1472): deß [messer, tegen] lenger si denn die maß, als die an dem rathaws [...] gemalet ist. Rot 336 (Augsb. 1571): passus, Ein schritt / o ein maß die fÈnff schuch oder pedes begreifft / oder zwen gressus / das ist für tritt. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 19, 3 (noobd., 1347/50): so waiz ich niht, ob man daz moz [im Kontext: fus, meile, rast, schrit] uberal in Romischem reich heldet. − Helbig, a. a. O. 5, 13, 1; Pf‰lz. Wb. 4, 1212.

3. ›Maßstab, mit dem etw. / j. (hier im ütr. Sinne) gemessen wird‹; an 2 anschließbar. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: grad 4, masstab. − Synt.: die m. weit machen / nemen / einschlagen, jm. eine m. geben; das gemüte eine m. sein; ein engel / got js. m. sein; mit der m. etw. messen, jn. ausmessen / bezalen; die m. gottes, der gerechtigkeit / minne / verständigkeit / notdurft; die gute / unfelende m.; die setzung der masse. Mieder, Lehmann. Flor. 949, 8 (Lübeck 1639): Hat man das Maß zu weit genommen / so muß mans einschlagen [...]. Herrn machen das Maß jhrer Gerechtigkeit jmmer weiter / vnd den schwechern desto enger. Helm, H. v. Hesler. Apok. 21104 (nrddt., 14. Jh.): Wen die schrift daz maß treit 兩 Mit dem Got die nuwen stat, 兩 [...] 兩 Mezzen liez mit sulchen witzen. Quint, Eckharts Pred. 2, 188, 12 (E. 13./A. 14. Jh.): ieglıˆcher engel, der eines tröpfelıˆnes meˆ von gote haˆt enpfangen dan der ander, der ist stat und setzunge der andern, und der oberste engel ist stat und setzunge und maˆze aller der andern, und er ist sunder maˆze [›unmeßbar‹]. Aber swie er ist sunder maˆze, soˆ ist doch got sıˆn maˆze. Feudel, Evangelistar 108, 15 (omd., M. 14. Jh.): mit der maze do ir mich mete uz mezzet do sal man uch mete wedir mezzen. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 26, 13 (Hs. 2omd., 14659): Geometrica, der erden brüferin, schetzerin und messerin, hilfet da nicht mit irer unfelender maße, mit iren rechten abgewichten. Vetter, Pred. Taulers 151, 15 (els., 1359): o so sprach das ewangelium von einer guten mosse. Dise mosse das ist des menschen gemÈte: do mit wirt gemessen. Ebd. 318, 8: Wan Got der misset dise wirtschaft mit der mosse der minne. − Peil, Rollenhagen. Froschm. 406, 4531; Sachs 21, 76, 15; Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 117, 7.

4. ›Flächenmaß (im Bergbau), und zwar diejenige Maßeinheit, in der Grubenfelder vermessen und in einem damit einhergehenden Verfahren zugeteilt werden‹; als Metonymie: ›Grubenfeld‹; die ungefähre Länge und Breite wird in einzelnen Quellen mit 28 oder 42 Lachtern (s. 1lachter 1) angegeben. − Omd.; bergbaubezügliche

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Texte. − Bdv.: vgl. anzing, bergmas, mad 4, mangrab, manwerk 1. − Synt.: die m. aufnemen / (aus)messen / bestätigen / einbringen / bauhaftig halten / erbauen / gestatten / verlehen / verlassen / zustellen; die massen im lehenzettel ausgedrükt sein; der masse begeren / bitten / gebrechen; der gang einer m. fern sein, entgegen fallen; ein stollen in einer m. sein, jm. in den massen erz bescheren, den schacht / stollen mit massen fertigen, die verleihung mit [einer Anzahl] massen geschehen, das ort durch die massen treiben, die verliehene m.; der zwiespalt der massen ›um die massen‹. Wbg.: maspfenning ›Honorar für die Vermessung eines Grubenfeldes‹. Ermisch, Sächs. Bergr. 8, 18 (osächs., Hs. 15. Jh.): Der vinder sal ym [bergmeister] geben syne mazpfennige, das synt vier schillinge. Ebd. 10, 20: is ensy denne also vil, das dy maße trete czu deme vorgemessinen berge; do mus der maße gebrechen. Ebd. 127, 6 (1499/1500): Alzo das die entplosten genge oben am tage dem hawptgange ader vorlyhen masen fern gnugk wern unnd doch in der tewffe, [...], denselbigen vorlyhen gengen und maßen entkegen zu nahent sein und fallen wurden. Ebd. 146, 16 (1500): auff waser gengen und cluften und in welcher art, mit wieviel massen [...] dye verleyhung geschiedt, soll der bergkmeister dem aufnemer eyn bekentnuszedel geben. Lˆscher, Erzgeb. Bergr. 58, 1 (omd., 1450?): Wurde man begern snÈre und maße zcu messen, daran hat der bergkmeistere seyne gewonliche gerechtikeith. Ebd. 74, 11 (1563): man soll von einem lehen, es sey fundtgrub allein oder aber beyde negste maßen 2 gr geben. Ebd. 84, 37 (1559): ob auch derjenige seine maßen die er bestetigen will, einbringen magk. Ebd. 96, 14 (um 1559): hierinnen sol sich der berckmeister, wo die maßen im lehenzettel nicht außgedruckt, nachn berckbuch richten. Ebd. 133, 13 (1616): Alle fundgruben, massen und stollen, so in der klage begriffen und namhaftig gemacht werden, helt die klage bauhaftig biß zur zeit der hülfe. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 105, 11 (schles., 1480): alde vorfallen schechte und stolle zu fertigen, [...], wo wy und wenn sie das [...] erkennen werden, [...], mit erbstollen lehnschafften und mossen. Ebd. 240, 28 (1528): welche funf mass er im nach berckordnung ausmessen und [...], zu irem besten nutz erbauen mag. Ebd. 21, 59, 16 (1538): Dozu hot er aufgenuhmen dem stollen zugut 12 lehen oder mossen in hangendes liegendes im frey feld. Ebd. 107, 9 (1548): Dorgegen sollen die ehegedochten gewercken [...] dasselbige lenngordt treiben helfen durch ire mossen dieselben fierunge bis an die schnure der herrn Fugger, idoch mit diesem [...] vorbehalt, wo gott [...] den herrn Fuggern erzt bescherte in iren mossen, [...] soll [...]. − Lˆscher, a. a. O. 105, 27; 117, 26; Helbig, Qu. Wirtsch. 5, 47, 36; Wutke, a. a. O. 21, 11, 10; Piirainen, Igl. Bergr. 30, 2, 16; Veith, Bwb. 331. − Vgl. ferner s. v. anbieten 2.

5. ›Hohlmaß für Flüssigkeiten, Flüssigkeitsmaß (von allem für Wein, auch für an-

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dere Flüssigkeiten sowie Öle, Fette)‹; als Metonymie: ›konkretes Exemplar eines solchen Maßes‹; darunter: ›amtlich gültiges Normalmaß‹. − Bdv.: vgl. amper, anlege 4, biermas, gomor, handmez, kalte, lagel 2, (-)seidel, ster. − Synt.: eine m. aussaufen, die (alte) m. schenken, die m. besehen / angiessen / eichen, jm. eine (rechte) m. geben, x m. ausschreiben, [wohin] tragen; 15 m. an den eimer geben, 100 m. einen saum tun, aus [etwas Kleinem] x m. werden; wein mit (falscher) m. schenken; x m. saft / kindsharn, die m. öles / wassers, des schmalzes / weines; die falsche / geschworene / grosse / rechte / volle / ziemliche m. Wbg.: masmeiel (Gw über mhd. mıˆol ›Pokal‹ aus mlat. miolium, ital.-lomb. miola), masschauer (16. Jh.). Wyss, Limb. Chron. 71, 18 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh.): Unde galt di maß des besten wines zu Limpurg echte alde haller. J¸rges u. a., Waldecker Chron. 344, 17 (wmd., 1546): 2 große schenkebierkannen zimlicher masse, 1 clein bierkanne. Rueff, Rhein. Ostersp. 444 (rhfrk., M. 15. Jh.): Ich han dick ane underlaiß 兩 win geschanckt mit falscher maß. Dedekind/Scheidt. Grob. 186, 33 (Worms 1551): Daß sie [geste] gemeinklich tragen mit / 兩 [...] 兩 Jeder des besten weins ein maß. Feudel, Evangelistar 114, 9 (omd., M. 14. Jh.): „wy vil bistu myme heren schuldik?“ Do sprach her: „hundirt maß oliz.“ Berthold u. a., Zwick. Stadtrref. 52, 7 (osächs., 1542/70): Ein ider wein- und birschenke sal einem iden, der wein und bir bei ihm holen lest, recht volle mas geben. Keil, Peter v. Ulm 51 (nobd., 1453/4): Nym wegreich-saft vnd nachtschatten-saft ein wenig mynner wenn j moß. v. Keller, Ayrer. Dramen 2444, 20 (Nürnb. 1610/8): Wenn ich schon auff ein seidlein gehe, 兩 So wern darnach vil maß darauß. Ebd. 2445, 12: so offt du rauff tregst zwo maß Wein, 兩 So schreib drey an für den vnlust! Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 709, 44 (Nürnb. 1631): die lign im Sauß, 兩 [...] 兩 Sauffen gantz Maß in eim Zug auß. Koller, Ref. Siegmunds 319, 45 (Hs. 2Basel, um 14409 ): umb den win: ein mosß sol han vier pfunt swer, o v hundert mosß süllent tun einen som. Sudhoff, Paracelsus 10, 195, 25 (1536): so schüt darüber zwu maß kintsharn oder von einem roten menschen. M¸ller, Alte Landsch. St. Gallen 8, 34 Var. (halem., 1473): Und sol man menglich uf dem land die alten maß schenken. Bastian u. a., Regensb. UB 26, 11 (oobd., 1352): das wir ain maz hie o o haben sullen und wellen, das man allen leuten geben sol bei o nacht und bei tag, [...]. Und der sullen gen 15 an den emer. − Foltz, UB Friedb. 1, 330, 11; Dinklage, Frk. Bauernweist. 18, 13; 72, 1; 104, 34; Kurrelmeyer, Dt. Bibel 4, 58, 12; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 82, 28; Schweiz. Id. 4, 137; 8, 1628.

6. ›Hohlmaß mittlerer Größe für schüttbare Bezugsgegenstände wie Ge-

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treide‹; seltener für: ›Mehl, Viehfutter‹; vereinzelt auf den Menschen ütr. (s. u. Mayer). − Phras.: 2die gehäufte / geebnete / gestrichene / überstreichende ›mit einem Stab abgestrichene‹ m.9, jeweils bezogen auf die Füllung eines konkreten Maßbehälters; die harte mas(se). − Bdv.: malter 3, metze, scheffel, vierteil; vgl. burgscheffel, gerichtsscheffel, kornfuder, kornsimmer. − Synt.: die m. haufen / streichen; 1 malter 1 m. gelten, 4 mässel 1 vierteil bringen; das treide in einer m. abschütten, futter in einer m. [wohin] bringen, etw. unter eine m. setzen, zu einer m. messen; eine m. gersten / weisses / weizen, die m. voller heiligkeit, x m. vol gülden ring, die m. gomor, die culmische / heidelberger / limburger / würzburger / steirer m., die gefachte m. ›in Holzlatten eingefaßter Behälter‹, die gerechte / grosse m. Wbg.: masmetze, masschaft. Luther. Hl. Schrifft. Offenb. 6, 6 (Wittenb. 1545): Ein mass Weitzen vmb einen grosschen / vnd drey mass Gersten vmb einen grosschen. Wyss, Limb. Chron. 55, 25 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh.): dure jar, also daz ein malder korns Limpurger maßes galt funf punt haller unde zwene tornose. Loersch, Weist. Boppard 51, 15 (mosfrk., v. 1563, Hs. 1589): Da weysen wyr vor recht 44 malter habern alde Boecher maß, 6 somber vor das malter, geheuft maß. Th¸r. Chron. 8r, 10 (Mühlh. 1599): Er sandte auch drey Maß (welche man Sester heist) voll gÈlden Ringk / gen Carthago. Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. 5, 15 (osächs., 1343): Noch nıˆmant intzundet eine lucerne und setzit si undir eine maˆz [Froschauer 1530: vierteil; Eck 1537: metzen; Luther 1545: Scheffel]. Mon. Boica, NF. 2, 1, (nobd., 1464): die eegeschriben guter alle geben auch mawszmeczen gen Onolczspach 8½ meczen korns. Ebd. 291, 7: das die obgeschrieben bawern [...] haufen ein masz und streichen das ander. Voc. Teut.-Lat. ff vji (Nürnb. 1482): Sumerin scheffel mutt maschaft. modius. Ebd. x viijv: Mut. modius oder mastschafft od’ mastpaum. Mayer, Folz. Meisterl. 74, 80 (nobd., v. 1496): O höste 兩 Der tröste, 兩 Gnaden reichs vas, 兩 Gehaüfte maß 兩 Vol aller heilikeit [Bezug auf Maria]. Vetter, Pred. Taulers 150, 26 (els., 1359): Wilt du nu o ein inwendig mensche werden, so must du vor haben ein u´berstrichende mosse. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 275, 9 (Straßb. 1466): alsust lest es ein maß durch alle die haubt. [...] vnd die su´ne israhel [...] lasen. einer mer der ander minder: vnd massten zuo der maß gomor [Var. 14752ff.: drey metzen]. UB ob der Enns 9, 351, 34 (moobd., 1377): das man vns dovon raichen [...] schol [...] Zwaintzk metzen habern geebenter mazz. Hˆr, Urk. St. Veit 180, 22 (moobd., 1414): Dez sind czehen metczen haberns hertcz mazz. Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte 1, 194, 2 (moobd., 1524): Sollen die wierdt aim yeden Gast / [...] / das Fueter

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nach ainem gleichen gefachten maß [...]. Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 270, 14 (m/soobd., 15. Jh.): auch pringent viii mässel ain görtz, item vi mässel i viertail, item vi gortz i mut, item viii viertail auch ain mut allerlei traid. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 213, 38; Kollnig, Weist. Schriesh. 83, 21; Bechstein, a. a. O. Lk. 12, 42; Wendehorst, UB Marienkap. Würzb. 36, 39; Barack, Zim. Chron. 2, 105, 26; Fuchs, Kart. Aggsbach 288, 44; Bischoff u. a., a. a. O. 57, 21. − Vgl. ferner s. v. abschütten 6, 2amen 1, ausrichten 9.

7. ›Silben-, Versmaß, Zeit- und Akzentgliederung poetischer Sprache‹; ütr. auch auf einen Bauchwind. − Bdv.: vgl. 1pes. Opitz. Poeterey 8, 25 (Breslau 1624): inn dem sie so viel herrliche SprÈche erzehleten / vnd die worte in gewisse reimen vnd maß verbunden. Ebd. 17, 13: wollen wir [...] vom maße der sylben / Verse / reimen / [...] reden. Gille u. a., M. Beheim 63, 13 (nobd., 2. H. 15. Jh.): Kan er die chunst 兩 aus herczen prunst 兩 recht masse geben, 兩 Nach singens vall, 兩 silmen und czall. Klein, Oswald 26, 76 (oobd., 1427): der ander hielt 兩 den bomhart niden mit der langen mässe. Nyholm, Füetrer. Gralepen 2414, 2 (moobd., 1473/ 8): Istt das werck nicht aus pündig 兩 mit silben zal und mass. − D¸nnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj. 18, 4; Opitz. a. a. O. 22, 35.

8. ›genau abgemessener Lauf der Himmelskörper; Lage, Welt; Tageslauf‹. − Bdv.: bewegung 1, lauf 6, trieb. M. Cunitia. Ur. Prop. 150, 32 (Öls 1650): Jenes [Mond] seine Maaß ist mehrentheils gleichfËrmig. Niewˆhner, Teichner 448, 17 (Hs. 2amoobd., 1360/709): dw werlt hiet ye also geswebt 兩 und belib auch in der mazz. Klein, Oswald 16, 19 (oobd., v. 1407): das freulin schalt in sere: 兩 „her tag, ir künnt nicht ere 兩 bewaren inn der mass“.

9. Maßeinheit für weitere Bezugsgegenstände, z. B. für Färberwaid, Gold, Salz, Erz, Fische, Mist; vereinzelt belegt. − Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte. Helbig, Qu. Wirtsch. 3, 138, 37 (md., 1491): czu sulcher Schaczunge [...] in sunderheith szo der weithgast eyn mosz weith eyngibet muss der tuchmacher [...] eynn werck bestellen. Ebd. 143, 27 (1575): daß das Maß [beim keüffen von Waidt] geschott, und der Borte mit einem Ballen hoch besatzt und darnach gleich ausgeebnet werde. Loesch, Kölner Zunfturk. 2, 234, 6 (rib., 1455): so die massen [des goltslegeramptes] niet bij gelijchem gewijchte, slage ind siegelonge gehalden ind regiert werden. Lippert, UB Lübben 2, 193b, 2 (osächs., 1523): 12 ar. g. Peter Herman gegeben vor sein burgerecht, tenetur ein maß saltz. Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. 20, 204, 9 (schles., 1518): sal er uns dieselb ertzt kyess ader metall, [...], die czehendt moss in unser kamer ze geben [...] vorpflicht sein. Mon. Boica, NF. 2, 1, 266, 26 (nobd., 1464): Und gibt davon alle jar 8 masz grÈndeln und 4 schock krebs. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 5, 374, 3

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(Straßb. 1466): das vierteile des maß [Luther 1545, 2. Kön. 6, 25: Kab] des mistes des kropffs der tauben vmb .v. silbrin. − Loesch, a. a. O. 2, 235, 6 f.; Lippert, UB Lübben 2, 233a, 1. − Vgl. ferner s. v. ausredern.

10. ›Maß, Ausmaß, Umfang von etw., das zwar als bemeßbar gedacht / geglaubt / gewünscht wird, sich aber der physikalischen Messung entzieht und tendentiell unsagbar ist (vgl. die Fülle von Verbalabstracta unter Synt.); Gestaltungs-, Entfaltungs-, Möglichkeitsraum e. S. / P.; unermeßliches volles Ausmaß e. S.‹; mit Tendenz zu ›Grenze, Ausdehnung‹ (vgl. 12) sowie zu ›Art, Weise‹ (vgl. 16). − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Synt.: got die m. vortichten; jm. m. gesezt sein; etw. (z. B. das alter, die vernunft) m. haben sollen; etw. (einen Grubenanteil) in der m. aufgeben, als [...], sich nach seiner m. abziehen; die m. der bosheit / klage / liebe / volkommenheit, des leibes, der kräfte / werke, nach massen des begreifens; das rechte m. Wbg.: massehäftig ›einem Maß unterworfen‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2818 (nrddt., 14. Jh.): Sin swert muz sie sniden 兩 [...] 兩 Durch die ganzen mazzen 兩 Des libes in der sele mark. Ebd. 4088: Got hat die maze vor geticht 兩 In sinen hosten graden 兩 Der gotlichen genaden. Quint, Eckharts Pred. 2, 618, 27 (E. 13./A. 14. Jh.): in welher mazz man got dienen sol. von dem spricht sand Augenstin. Fischer, Brun v. Schoneb. 47 (md., Hs. um 1400): nu gib mir wislich gemute, 兩 du dristrenge endelose reif, 兩 den noch nie maze obirgreif 兩 an der breite noch an der lenge. Helbig, Qu. Wirtsch. 5, 15, 19 (md., 1476): Mathes Jür [...] hat alda [...] auffgegeben ein sechczehenteil in der gruben, [...], in aller der masse vnd gerechtikeit, als der selbige sechczehenteil an in komen. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 17, 20 (hess., 14. Jh.): Aller hande alder und aller hande vernunft sollen ir rechte masze haben. Ebd. 27, 17: daz ein ieclich suster ubir die mazze die ir gesatzit ist etwaz unseme herren opfere von irme eigenen willen. Stackmann u. a., Frauenlob 1, 16, 3 (Hs. 2omd./schles., 14. Jh.9): ich binz ein understant, in der gewelchet sint 兩 die dri und doch mazheftic kunden werden nie. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 2, 7 (nürnb., 1. H. 15. Jh.): Das erste ist, das er sich noch seiner maße abczihe von allen andern dingen. Ebd. 16, 74: wann sie werden alle czusamen kümen in einen volkomen mann in die maße der volkumenheit des alders christi. Gierach, Märterb. 4529 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): sam weibes dy chindes genist. 兩 niemand mag gehaben dy mazze 兩 ir laid, ¨ır chlag. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 2, 1953 (els., E. 14. Jh.): her vmbe stu´rtzet er [got] in v´ns sin gaben, nach maßen vnsers begriffens. Matthaei, Minner. 1, 5, 111 (Hs. 15. Jh.): die liebe ir groz gewalt do maz, 兩 in der mazz er sus belag. Bauer,

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Geiler. Pred. 94, 16 (Augsb. 1508): Lieber herr ich las mich dir gantz. wann ye me ich mich steüre. auff das maß meiner werck ye mer es mir weicht. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 269, 16 (oobd., 1349/50): in der weis sam diu fledermaus flügel haˆt in irr maˆze. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 119, 45 (moobd., 1. H. 15. Jh.): vnd [dew lieb gots] furt sew ain sulchew lieb, daz sy halt nicht merchent dew mass irr chreft. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 21, 12 (tir., 1464): In welcher mass die menschen zu ¨eren sein. − Ebd. 25, 13.

11. ›Perspektive, in der eine Bezugsgröße zu einer anderen, den Maßstab bildenden, steht; Verhältnis des Einen zum Anderen‹. − Bdv.: auge 10, perspektive. − Wbg.: mäslich 1 ›klimatisch relativ warm, gemäßigt‹. Quint, Eckharts Trakt. 302, 2 (E. 13./A. 14. Jh.): Sol man einem einen roc snıˆden, man muoz in machen naˆch sıˆner maˆze. Voc. inc. teut. r viijr (Speyer um 1483/4): Ordeliche mass Anologia. Kollnig, Weist. Schriesh. 133, 46 (rhfrk., o. J.): und ist daß ungeld die zehent moß, waß der wein gilt. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 30, 4 (hess., 14. Jh.): Iedoch getruwen wir des daz den susteren in meslichen steden gnugen sollen einir ieclicher sunderliche eine cogele und eynen rog. M. Cunitia. Ur. Prop. 153, 35 (Öls 1650): auß der innwendigen feldung 47. gr. 57. m. alß die maaß deß winckels / den der Vertical mit der Ecliptica schleußt. Rupprich, Dürer 2, 48, 150 (nobd., um 1500): Dornoch sichstu jnn der figur prawn fertzeichnett, jn waß firung vnd mosß daz kin soll sein. Ebd. 127, 30 (v. 1513): dy kunst der malerey, dy nit alain begert der geometrei vnd arithmetica, vrsprung aller mass, sunder vil mer der ander kunst anhengig kunst der mass, als perspectiua, [..], catoptrica, geodesia, chorographia. Bihlmeyer, Seuse 249, 3 (alem., 14. Jh.): Herr, du [...] hast ellu´ ding in zal und in masse geschaffen. Bartsch, Reinfrid 12887 (halem., Hs. 14. Jh.): ez treit ein klein ameizelıˆn 兩 naˆch sıˆner maˆze, ist mir bekant, 兩 swærer denn ein helfant. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 295, 27 (oobd., 1349/50): si [krot] lebt der erden, iedoch mit rehter maˆz und wag, wan soˆ vil und si besliezen mag mit dem vordern füezel. Klein, Oswald 63, 35 (oobd., 1416): bis auf den füss stat mein gedanck, 兩 wie si wol hab die rechten mass. Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 35, 6 (tir., 1464): Die v¨berflüssig vnd törät lieb die wais vnd erke¨nt nicht die gere¨chtikhait [...], si mangelt der vernuft, si wais der mass nicht. − Rupprich, a. a. O. 2, 201, 264.

12. ›vorgegebene oder gesetzte Beschränkung, Grenze der Existenz, Wirkungsmacht e. P., Grenze des Denkens und Handelns e. S. / P.; Zurückhaltung, Hemmung‹. − Phras.: m. noch ende, ziel und mas, zal und mas o. ä.; die mas wird vol ›das Maß ist voll, die Grenze ist erreicht‹. − Synt.: eine m. haben / halten / setzen / übergehen,

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keine m. bedenken, die sele m. haben; keine m. e. S. (z. B. des goldes) sein; ane m. fressen, jm. (z. B. got) etw. ane m. geben ›anheimstellen‹, die klarheit ane m. ausscheinen, die abgescheidenheit (nicht) ane m. bleiben, aus der m. bedenken, sunder m. auf jn. schiessen; der masse ziel. Wbg.: masgebung ›Einschränkung‹, mashalten. Peil, Rollenhagen. Froschm. 632, 3945 (Magdeb. 1608): Sie mËgens jhrs gefallens treiben / 兩 Biß Gott jhn setzet ziel vnd maß. Oorschot, Spee/Seifert. Proc. 491, 2 (Bremen 1647): O du aller armeste Gaia, waß hastu gehoffet? warumb hastu den ersten Fußtritt zum GefÁngnuß nicht alsobald gesagt: du seyest eine Hexe? Mieder, Lehmann. Flor. 211, 20 (Lübeck 1639): Ob der Pacificator vnmittelbare macht hab friedes Privilegia vnd vnd Co˜firmationes zu geben / vnnd ohne Maßgebung jemand anders dieselbe halten vnd handhaben kËnne vnd wolle. Quint, Eckharts Trakt. 409, 1 (E. 13./A. 14. Jh.): Soˆ enmac kein uˆzganc soˆ kleine gesıˆn, in dem diu abegescheidenheit müge aˆne maˆsen blıˆben (Sinn: ›So lange es einen Ausgang gibt, kann die abegescheidenheit nicht ohne Beschränkung bleiben‹). Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 196 (Köln 1476): Jnd schussen dar 兩 Vp dye vyand sunder mayt. Strauch, Par. anime int. 33, 34 (thür., 14. Jh.): daz Got noch geschepphin mochte, des inkante di sele nicht, wan si ein creature ist di maze hait. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 3, 166 (els., E. 14. Jh.): do die clarheit sunder maße vs schinet in gËttelicher wisen. Roloff, Brant. Tsp. 1998 (Straßb. 1554): O Herr Gott dein barmung ist so groß 兩 Das sie hett weder end noch moß. Qu. Schweiz. Gesch. 1, 119, 24 (halem., 1470): so denn die maß voll wirt, so kumpt denn der schlegel, das ist die unhuld Gottes. Niewˆhner, Teichner 564, 472 (Hs. 2moobd., n. 14009): daz si gent durch gantzew glas 兩 und durch mawren, daz chain maz 兩 von ir durchfart wirt bechant. Klein, Oswald 10, 43 (oobd., 1423): was hilft ain man, der vil bedenckt neur auss der mass? (›die Beschränkungen des Denkens außer acht läßt‹). − Peil, a. a. O. 592, 2720; Sch¸tzeichel, Mrhein. Passionssp. 279; v. Keller, Amadis 8, 29; v. Tscharner, Md. Marco Polo 50, 10; Sermon Thauleri V rb, 18; Sachs 18, 392, 17; Rieder, St. Georg. Pred. 334, 6; Lindqvist, K. v. Helmsd. 3840; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 519, 19; Maaler 278v; − Vgl. ferner s. v. aufen, ausflus 3.

13. ›Maßhalten als Kardinaltugend, dem Menschen eigene Kraft zur Beherrschung der Triebe, moralisch geleitete Selbstzucht gegen übersteigerte Sinnlichkeit, zur Askese hin offener Vollzug eines beständigen, wohlgeordneten, selbstlosen, bejahenden, bewahrenden, erhebenden Lebens‹, damit zugleich ›Pflicht, das eigene Sein und Handeln nach den Geboten der masse auszu-

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richten‹. − Zur Sache: Lex. d. Mal. 6, 371 ff. − Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): bescheidenheit 1, ere, keusche, keuschheit, lindigkeit, mässigkeit 1, milte, recht, rechtigkeit, sänfte, sänftmütigkeit, scham, sittigkeit, stäte 1−3, stätigkeit 2; 3, treue, tugend, zucht, mit Nähe zu abbruch 4, abstinenz, enthaltung; vgl. angeltugend, haupttugend. − Synt.: m. haben / halten / leren / walten, in [sich] tragen, m. in den werken / worten, im schweigen / sprechen halten, in den begerungen behalten, die minne m. minnen; die m. (Subj.) sprechen (personifiziert), m. aus dem ernst kommen, minne minnen; der m. bedenken; frau masse. Helm, H. v. Hesler. Apok. 8618 (nrddt., 14. Jh.): Die ander tugent waz die maze: 兩 So waz der naturen gezeme, 兩 Daz man daz in der maze neme. Grosse, Schwabensp. 91a, 15 (Hs. 2nd./md., um 14109): Eyn ielich richtere de o sal vier tugende an im han, [...] § de dritte Steticheyt, § de vierde maze. Schˆpper 14b (Dortm. 1550): TEMPERANTIA. Messigkeit abbruch enthaltung maß abstinentz. Stackmann u. a., Frauenlob 4, 11, 10 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): Ich Minne minne maze, maze minnet mich, 兩 bescheidenheit ist unser frucht. 兩 wir dri sint niur ein einig wesen, 兩 sie sint in mir und ich in in mit ganzer tat. Ebd. 5, 25, 12 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): schrib an die stirne: ,hie heldes mut, der maze sol bedenken‘. Fischer, Brun v. Schoneb. 1708 (md., Hs. um 1400): sint vrouwe Maze ziret alle ding, 兩 also di erde hemelischen ring. Schˆnbach, Adt. Pred. 26, 6 (osächs., 1. H. 14. Jh.): uf daz drite horn machtu setzen temperancia, daz ist: maze soltu haben. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 11, 13 (Hs. 2omd., 14659): Ere, zucht, keusche, milte, treue, maße, sorge und bescheidenheit wonten stete an irem [mein ewig selige] hof. Pyritz, Minneburg 2798 (nobd., Hs. um 1400): Dez wart auch in der burg gewar 兩 Waz gesindez waz dar inne: 兩 Daz waz Moß und Rechte Synne 兩 Und Menlich Sterk und Wisheit. Ebd. 2875: Wann welhe fraw in ir treit 兩 Moß, sitikeit und witze, 兩 Die ahtet niht uff ditze 兩 Gesinde daz ich han genant. Matthaei, Minner. 1, 12, 431 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): Mit dem kamen die frowen rain, 兩 frow Lieb und frow Tru´w, 兩 frow Zucht und Er, die gehewr. 兩 frow Maß und frow Scham, 兩 der frowen aller hËchster nam: 兩 die tett frow Mynn lieplich enpfahen. Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 1, 690 (els., E. 14. Jh.): Der mensche sol wise halten vnd moße in worten, in werken, in swigende, in sprechende. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 130, 11 (Straßb. 1466): ich bit euch durch die senft vnd durch die maß [Var. 14752−1518: senfftmÈtigkeit vnd mÁssigkeit; Froschauer 1530: früntlikeit; Luther 1545, 2. Kor. 10, 1: lindigkeit] cristi. Rieder, St. Georg. Pred. 137, 27 (Hs. um 1300): sant Bernhart: ,wilt du maze behaltin, so stande in der mitli, wan du´ mitli ist ain stulo der tugindon. Adrian, Saelden

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Hort 1493 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): du solt die siben junkfrowen 兩 in disen tugenden schowen: 兩 geloben, minne, zuo versiht, 兩 die drie von gotlicher pfliht 兩 sint sunderlich gefriget; 兩 dis vier sint gezwiget: 兩 mas stœrki, beschaidenhait 兩 in der natur und rehtikait. 兩 die siben tugent riche 兩 soltu Èben ordenlich! Primisser, Suchenwirt 11, 95 (oobd., 2. H. 14. Jh.): Di erste [von sechs vrawen]: Tzucht, Mazz unde Scham, 兩 Der herre war mit trewen nam; 兩 Warhait, Stæt, mit rainer Tugent, 兩 Di hat er von chindes iugent 兩 Geladen in seinz hertzen schrein. Chron. Augsb. 7, 79, 22 (schwäb., zu 1548): daß ir verstand vil zÈ gering, den hochwichtigen handlungen, [...], maß und ordnung zÈ geben. − Reissenberger, Väterb. 2645; Matthaei, a. a. O. 1, 8, 155; Eichler, a. a. O. 1, 665; Rieder, St. Georg. Pred. 21, 16; Bauer, Geiler. Pred. 465, 11; Weber, Füetrer. Poyt. 69, 6; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 69, 4. − Vgl. ferner s. v. begierig 1.

14. ›der Bewältigung von Alltagssituationen jeweils angemessenes Maß, zurückhaltende Verhältnismäßigkeit, Mittelmaß (zwischen Extremen), kluge Bedachtsamkeit, Augenmaß, abwägendes Urteil, Angemessenheit des Handelns‹; eng an 13 anschließbar, im Unterschied zu diesem aber eher auf die Angemessenheit des Alltagshandelns bezogen. − Phras.: mas und wege ›Mittel und Wege‹. − Bdv.: bescheidenheit 3, gerechtigkeit 6, grif 3; 4, hute, klugkeit 2; 3, mitte(l), rat, weisheit; vgl. angedenken, bedachtsamkeit, besorgung 2. − Synt: m. halten / üben, in etw. (z. B. im bedenken des leidens gottes) m. halten, m. haben (z. B. im gehen / stehen / schlafen / wachen / beten / fasten / almosen geben / kirchengehen), etw. (z. B. die gesundheit) m. haben, jm. m. zeigen, zu [...], m. e. S. (Gen., z. B. der worte) haben, walten; m. (Subj.) (z. B. dem ingesinde) jm. gut, das beste sein, js. m. unfrei sein, zu viel m. ungesund sein, die m. in dreien dingen stehen; der masse bedenken; etw. ane m. tun, es geht mit m. zu, jm. mit m. hute setzen, mit m. etw. trinken (z. B. wein) / einnemen, jn. mit m. züchtigen, der keuschheit etw. mit m. zueignen, nach der m. leben / metzen, die speise nach der m. nemen; die gute / mittele / ordliche / rechte / ziemliche m. Luther, WA 35, 453, 15 (1524): Herr deyn heylig geyst uns nymer las, 兩 der uns geb zu halten rechte mas. Ders. Hl. Schrifft. Hebr. Vorr. 2434, 4 (Wittenb. 1545): an der Lere / die er [...] geleich einen rechten feinen griff vnd mas zeiget / die Schrifft zu lesen vnd handeln. Peil, Rollenhagen. Froschm. 557, 1608 (Magdeb. 1608): Das wird selten odr

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masse

nimmer gut 兩 Was man ohn Raht vnd masse thut. Mieder, Lehmann. Flor. 502 (Lübeck 1639): Wer maß hÁlt der armet nicht [...] Halt maß so stehets desto baß. Chron. Kˆln 1, 3745 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Sus wilt maisse aller dinge walden. 兩 Het ir weuere maisse gehalden 兩 [...] 兩 so weirt ir noch in vren eren. Fischer, Brun v. Schoneb. 3730 (md., Hs. um 1400): di maze an dren dingen steit: 兩 an aze an slafe an kleiden. Sievers, Oxf. Benedictinerr. 38, 17 (hess., 14. Jh.): Aber den kinden den sollen sie alle zuchteliche hude zu sezzen [...] und daz mit mazzen. Kurz, Waldis. Esopus 1, 30, 45 (Frankf. 1557): Wer nicht hat masse seiner wort, 兩 Der hËrt offt, das er nicht gern hort. Ulner 307 (Frankf. 1577): Maß halten MÁssiglich leben / nÈchtern sein [...] / die Begierde zÁumen / ein gebissz ins Maul legen. Gille u. a., M. Beheim 133, 55 (nobd., 2. H. 15. Jh.): wir mussen ordlich mass han 兩 in slaffen, wachen, gan und stan, 兩 in getrank und der speise, 兩 In vasten und ach peten, 兩 almusen geben, kirchen gan. Franck, Decl. 338, 17 (Nürnb. 1531): Ich mËcht vnzallich vill hie herzihen / aber es ist die maß vnd mittel in allen dingen das best. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 125, 17 (halem., n. 1529): so o wÁre not, weg und mauss zesuchen. Wiessner, Wittenw. Ring 4223 (ohalem., 1400/08): Die gsundhait masse haben wil. Klein, Oswald 4, 42 (oobd., 1421): bedenck gots leiden tieff 兩 auf baren knien, ouch halt darinn ain mass. Ebd. 18, 77 (1416): Won ich ir bei, so ist unfrei mein mitt und mass. Ebd. 32, 23 (1423): ain jeder metz nach seinem lehen mit der mass. − Lappenberg, Fleming. Ged. 518, Nr. 61, 8; Rosenthal. Bedencken 43, 2; Jahr, H. v. Mügeln 1665; Franck, a. a. O. 347, 28; Gilman, Agricola. Sprichw. 1, 6, 17; Kˆbler, Stattr. Fryburg 94, 16; Roloff, Brant. Tsp. 2090; Wiessner, a. a. O. 2932; 4889; Leisi, Thurg. UB 8, 2636; Bauer, Geiler. Pred. 104, 2; Tpma 8, 135 (223). − Vgl. ferner s. v. aufreiben 2, ingesinde 2.

15. ›gegliederte, gleichsam abgemessene Ordnung der Welt, der Natur, des sozialen Zusammenlebens‹, damit zugleich: ›Gebot zur Beachtung der Ordnung durch regelkonformes Verhalten sowie dieses selbst‹; auch: ›angemessene Strafe‹. − Bdv.: ordnung (mehrfach). Kˆbler, Ref. Nürnberg 155, 2 (Nürnb. 1484): Es wurde dan˜ scheinperlich fÈrpracht. das die maß vnd ordnu˜g der execucion nit gehalten. Baumann, Bauernkr. Rotenb. 535, 22 (nobd., 1525): daselbst die gesandten mit dem fursten uff ain maß (komen), welicher gestalt man sein furstlich gnaden mit ainer anzal einlassen wöllt. Goldammer, Paracelsus 7, 178, 22 (1530): dieweil nun Christus die ehe gebotten, darin hat er der natur ir maß geben. V. Anshelm. Berner Chron. 4, 343, 9 (halem., n. 1529): er wÁre [...] obrister richter, si hÁttid im sines inritens kein wis und mauss zegeben. Chron. Augsb. 7, 303, 18 (schwäb., zu 1555): solchs stet uns nit zÈ verantworten, haben auch der kay. mt. nit maß oder ordnung zÈ geben. Ebd. 9, 72, Anm. 1 (1555/61): die [gnad]

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inen mit solcher straf, maß und ordnung [...] widerfaren. Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. 1001 (moobd., A. 15. Jh.): Also nach der mazze ist ain got der aller creatur ausrichter vnd schikcher ist. Turmair 4, 89, 2 (moobd., 1522/33): Dieweil maß und ordnung geben einem regirenden herren, wie er regirn sol, ist wol ein schöns groß ding. Eis u. a., G. v. Lebenstein 42, 8 (oobd., 1. V. 15. Jh.): Welch junkfraw ir cranckait zu vil hab, [...], die nem lilgen wasser [...]: so gewint sie die cranckait zu rechter maß. − Karsten, Md. Paraphr. Hiob 10401; Mone, Adt. Schausp. 1, 2668.

16. ›Art, Weise, wie eine Bezugsgröße gestaltet, ein Sachverhalt beschaffen ist, ein Vorgang verläuft, e. P. handelt‹; hohe Phrasemaffinität, offen zu 17. − Phras.: was mas ›in welcher Weise‹; angeregter ›angedeuteter‹ / obgesezter ›obiger‹ / vorgeschriebener masse; in vorgemeldeter mas; auf nachfolgende mas; auf einig mas ›auf irgendeine Weise‹; auf (die) mas, wie [...] ›so, wie [...]‹; (in) gleicher masse ›ebenso‹; in anderer masse ›auf andere Weise‹; in keiner masse; (in) etlicher mas ›in mancher Hinsicht; einigermaßen‹; in der masse, das [...] ›so, daß [...]‹ oder als / sam [...] ›als ob [...]‹; in solcher masse, das [...] ›solchermaßen‹. − Bdv.: art 12, form, gattung 1, gestalt 3, manier 1, weise, weg. − Synt.: die m. e. S. (z. B. der warheit) wissen; etw. in dreierlei m. geschehen, jn. in seiner m. ›so wie er ist‹ leiden; die m. der tugend / versuchung. Schˆpper 98a (Dortm. 1550): juxta formam. Nach form gestalt maß weiß weg manier. Quint, Eckharts Pred. 1, 13, 4 (E. 13./A. 14. Jh.): Daz sie [engel] der seˆle glıˆchent etlıˆcher maˆze, daz ist an bekantnisse und an minne. Goedeke u. a., Liederb. 274, 37 (1521): daß uf einig maß 兩 ich anders sei gegangen. Foltz, UB Friedb. 1, 252, 14 (Frankf. 1367): das der [lantfride] blibe stende in der mazse alse der alde lantfride vore stÈnd. Wyss, Limb. Chron. 51, 9 (mfrk., 3. Dr. 14. Jh., Hs. 2. H. 16. Jh.): He [...] hatte [...] einen bescheiden mont mit glefsen etzlicher maße dicke. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 83, 38 (Mainz 1605): Nach der Priesterlichen Benediction mag man auch mit einem Gesang obgesetzter massen beschliessen. Leman, Kulm. Recht 1, 4, 32 (omd., 1. H. 13. Jh.): Eyn man gebit syme wibe alle syn gut noch syme tode tzu tune vnd tzu lossene in sulchir mosse. Ab sy ane man blibe. so [...]. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 3, 13 (Hs. 2omd., 14659): kurz und lustsam was mir alle weil, tag und nacht, in geleicher maße freudenreich. v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell 72, 10 (omd., 1487): dy¨e gröpliche [...] gewanheitt da mitt ley¨der [...] vnser landt [...] Jn etzlicher masse gepflagett. Sachs 5, 263, 11 (Nürnb. 1533): Sie eylet dich in keyner moß. Koller, Ref. o Siegmunds 237, 20 (Hs. 2Basel, um 14409): die schuler

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masse

soltent [...] priesterliche ordenunge verkünden mit schËnen gedihten, der priester unordenunge stroffen und offenen in der mosß, das ein yegelicher bekante sin unreht. Cirurgia H. Brunschwig 22rb, 33 (Straßb. [1497]): die verwundung geschicht in drierley weg oder maß. Ebd. 26va, 15: vnd ein puluer dar vß gemacht vnd in vorgemelter massen gebrucht. Rennefahrt, Staat/Kirche Bern 106, 21 (halem., o u 1487): ir becleidung solicher maß zuzerichten, das die zuo vollkommem bedack ir scham [...] dienet. Argovia 4, 336, 11 (halem., 1568): soll doch der mann nützit dester weniger sin erbrecht haben [...], glicher moˆsz als ob sy mit einanderen hushäblichen gewonet. Morrall, Mandev. Reiseb. 139, 1 (schwäb., E. 14. Jh.): die gewand sind in sËlicher mäß gewu´rcket, wer [...]. Sappler, H. Kaufringer 14, 522 (schwäb., Hs. 1464): si legt sich zuo dem küng vil leis 兩 in der maß und in der weis, 兩 sam si die recht küngin sei. Brandstetter, Wigoleis 195, 9 (Augsb. 1493): Wigoleis wolt nicht vnd hielte jr sein fürnemen solicher maße für daz sy doch zuoletst darein verwilliget. Chron. Augsb. 7, 35, 17 (schwäb., zu 1548): was ratschlag und maß sich die röm. kay. mt. [...] umb erhaltung fridens, ruhe und ainigkait willen [...] entschlossen. Ebd. 84, 19: Darauf ist [...] ain kurtze vermanung, ungeverlich auf nachvolgende maß geschehen. Ebd. 8, 159, Anm. 5 (zu 1563): hat ain e. rat [...] erkant, daß [...] die straff und execution aller gmachten ordnungen, [...] bevolchen werden soll auf maß, form und weiß, wie nachvolgt. Ebd. 9, 330, 14 (1536): sie [frau] wollt (sich) auch, [...], ainer zunft brauch und ordnung (gemeß) halten in aller maß, als ob ir mann seligen noch im leben were. Niewˆhner, Teichner 439, 45 (Hs. 2moobd., 1360/709): da von sol ein maister leiden 兩 yeden man in seiner masz. Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch. 75, 83 (moobd., 1. H. 15. Jh.): Etleich [...] sint pesunderleich sich mÈent vntÈgentleichen zu gotleichen offenparung vnd zaichen, das da ist ain mass der versüchung gots. Ebd. Quästio 193, 190 (moobd., 1. H. 15. Jh.): wye gar nucz es ist, das man wiss [...] dy recht weys, mazz vnd gestalt der warhait der rechten tugent. Siegel u. a., Salzb. Taid. 287, 19 (smoobd., 1494): wer aber ainen solhen lantschadhaften menschen in vor geschribner maß nicht beschrir noch anviel. − Ingen, Zesen. Ros. 116, 11; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 244b, 21; v. d. Lee, a. a. O. 14, 28; 17, 1; K¸ther, UB Frauensee 155, 1; Stackmann u. a., Frauenlob 9, 8, 16; Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl 13, 40; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 31, 32; Moscouia B ivr, 15; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 61, 29; Dict. Germ.Gall.-Lat. 316, 43.

17. phras. in festgewordener Kasuskonstruktion oder mit Präp.; frequenter, teils polysemer Gebrauch; die Reihenfolge der Belege richtet sich nach der Reihenfolge der einzelnen Konstruktionen: der mas / massen ›so‹; ›durchaus‹; ›als solche‹; ane (alle) masse (vereinzelt: massen) ›überaus, übermäßig, außerordentlich; maßlos; uner-

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meßlich‹; im einzelnen z. B.: ane masse edler ›viel edler‹; ane masse gerner ›viel lieber‹; ane masse wund ›schwer verwundet‹; ane alle masse mer ›unendlich mehr‹ (dazu bdv.: unmässig); aus der massen / aus masse a) ›überaus, außerordentlich‹; b) ›entsprechend, gemäß‹; bei der masse / um die masse ›ungefähr; etwa‹; in (der) mas, in massen ›so wie; solcher Art; in einem Zustand, in der Weise‹; nach der mas / massen ›dermaßen; je nachdem, nach Lage (der Dinge)‹; sonder mas / massen ›übermäßig; über Gebühr‹; über die mas / massen, über alle mas ›übermäßig, überaus, außerordentlich‹; um die masse ›um die Zeit‹; zu massen ›kaum‹ sowie ›durchaus, recht, richtig‹; zu mitler mas; zu mas / massen kommen ›erst richtig zum Zuge kommen, eingreifen‹. Zu der mas / massen: Knape, Messerschmidt. Bris. 3, 19 (Frankf./M. 1559): nit den frechen jungen Junckherren / (die nit der massen [›so‹] als er / aufferzogen [...]). Wyss, Luz. Ostersp. 9772 (halem., 1545): bym grab wend wir o der mas [›durchaus‹] sorg han, 兩 er muss gschwinnd sin, wil er erstan! Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 212, 29 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): sind drey stet zu den fursten in das velld komen, sich der massen [›als solche‹] auch erkannd. − Vgl. ferner s. v. bank 3. Zu ane masse(n): Quint, Eckharts Trakt. 229, 6 (E. 13./A. 14. Jh.): ez [lıˆden] enrüere got aˆne alle maˆze meˆr [›weit mehr‹] dan den menschen. Steer, Schol. Gnadenl. 1, 304 (noschweiz., 15. Jh.): v Sichest du nit, daz gnad in jm ist on masse [›unermeßlich‹]. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 45, 1 (moobd., 1473/ 8): Des erschrack gar ser an massen 兩 Priamus und sein her. − Strauch, Par. anime int. 27, 27; Rieder, St. Georg. Pred. 57, 10; Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 33, 19. − Vgl. ferner s. v. aufquellen 1, bald 1. Zu aus der massen / aus masse a): Schˆpper 116b (Dortm. 1550): Valde. Vast hefftig mechtig [...] seer vberauß [...] auß der massen. Karnein, Salm. u. Morolf 96, 5 (srhfrk., Hs. um 1470): dem richen kunig Foren 兩 dem wart sie [kunigin] ußer massen holt. − Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 21, 5; Pyritz, Minneburg 1941; 2358; Chron. Augsb. 9, 335, 25. Zu aus der massen b): Stackmann u. a., Frauenlob 8, 2, 10 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): Treit er der reinen vrouwen pris 兩 mit manheit wis, 兩 blüt im uz maze ganzer milte ein ris. Zu bei der masse / um die masse: Dat nuwe Boych 425, 39 (rib., 1396): nyet lange ouer eyn virdel Jars of vmb de maisse So sante der rait [...]. Wyss, Limb. Chron. 105, 5 (mfrk., 2. H. 15. Jh.): In dem jar 1372 oder um die maße da [...]. Opel, Spittendorf 147, 33 (osächs., um 1480): das lieff in einem kothe, [...], wol uff 200 und 45 alde schock bey der masse. Zu in (der) mas / in massen: Luther, WA 32, 8, 25

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masse

(1530): Jn der mas [›solcher Art, in sofern‹] ist alle welt vol glaubens. Wyss, Limb. Chron. 31, 7 (mfrk., 3. Dr. 16. Jh., Hs. 2. H. 16. Jh.): storben si an den drusen, unde wen daz aneging, der starp an dem dretten dage in der maße [›ungefähr, etwa‹]. Ries, Rechenb. A 4v, 4 (Erfurt 1522): Wiltu probirn Ob du recht gemacht hast / so nym eyne zal nach der andern von d‘ heubtsum / in masen [›so wie‹] du si auffgelegt hast. Welti, Stadtr. Bern 248, 22 (halem., n. 1437): ein frow, die wile si in der maß [›in einem Zustand‹] ist, das si furi die turi vß gan mag vnd einen i fursprechen uordren, dero sol man ein gericht furi die thuri machen, vnd die sol vnd mag denn ir guto geben vnd ordnen in der a maß [›so‹], als si ouch das uor gemeinen zweihunderten tete. Spiller, Füetrer. Bay. Chron. 101, 29 (moobd., 1478/ 81): ich sprich in mass [›so‹] wie vor, doch so hört. − Luther, a. a. O. 41, 508, 2; K¸ther, UB Frauensee 266, 17; Lemmer, Brant. Narrensch. Vorr. 5. Zu nach der mas / massen: Sievers, Oxf. Benedictinerr. 19, 23 (hess., 14. Jh.): Den cranken sustern sal man helf geben [...] und ir ielich habe helfe na der mazen der samenungen. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 100, 27 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): do lannaten [›lonen 4‹] dy Laybacher nach der mas, das man sich erschlueg. Zu sonder mas / massen: Meisen, Wierstr. Hist. Nuys 847 (Köln 1476): Der brandt wart groyssz sonder mayssz. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 28, 4 (Hs. 2omd., 14659): Du lobest sunder maßen eeliches leben. Zu über die mas / massen / über alle mas: Ingen, Zesen. Ros. 85, 27 (Hamb. 1646): die Roselinde ist Èber alle massen halsÚstarrig. Rupprich, Dürer 1, 158, 106 (nobd., 1520): Dis pein oberhalben knie ist lang fünffthalben werckschuh und über die maß schwer und fast dick. − Ebd. 1, 151, 11; Dreckmann, H. Mair. Troja 14, 13. − Vgl. ferner s. v. ängstlich 3. Zu zu mas / massen: Luther, WA 32, 122, 4 (1530): So man nu zum grabe komen ist, [...], da kompt allerest zu mas der heyland Christus, [...] und macht yhr yhren Son widder lebendig. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 13666 (omd., 1338): Sine [Got] wunderwerk zu phlege 兩 Sint sam wege unde strazen 兩 Di uns leitem wol zumazen 兩 Gar lutzel inGotes kunde. Stackmann u. a., Frauenlob 7, 25, 13 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): Daz clage ich got zu mazen, 兩 daz ich durch der Untriuwen flut 兩 muz gen uf kummerstrazen. Chron. Augsb. 2, 311, 25 (schwäb., Hs. 16. Jh.): man soll wißen, daß der winter kalt was ze mitler maß.

18. steht mit Adjektivattribut oder mit gen. explicativus für die Bezugsqualität bzw. die Bezugsgröße des Adjektivs bzw. des Genitivausdrucks; z. B. erlicher masse(n) ›ehrlich, ehrlicher Weise‹, mit guter masse ›gut‹, schreklicher massen, in zweifels mas ›im Zweifel‹. − Synt.: ebener / erlicher / ewiger / feindlicher / gewönlicher / künstlicher / verborgener m., ins Nhd. jeweils mit -weise übersetzbar; in böser / gebürender / offenbarer / übeltätiger m., mit guter m., nach adelicher m., zu rechter

m.; friedes m. ›Friede‹, leidigung m. ›Brechung (des Brotes)‹, in zweifels m., in eines fisches m. Luther, WA 32, 482, 30 ( 1532): so kompstu mit guter masse dazu, das du auch einen kleinen schalck from machest. Kehrein, Kath. Gesangb. 3, 128, 10 (Köln 1582): Wenn er sein˜ zorn schrecklicher massen 兩 In kurtzem wirt o anbrennen lassen, 兩 Wie eine schwere fewerglut. Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb. 92, 3 (Frankf./M. 1568): Die Eysern Rohr kan ich eynfaßn / 兩 Jn HÈltzen SchÁfft / kÈnstlicher maßn. Jahr, H. v. Mügeln 106, 368 (omd., Hs. 1463): [Geometria] leret das den keiser gut: 兩 darnach er frides maße tut. Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 236, 1 (Bautzen 1567): Die baumkreÈter auch Laub vnd Gras, 兩 Das im Winter vertorben was, 兩 Vernewt sich herlicher maß. v. Keller, Ayrer. Dramen 983, 29 (Nürnb. 1610/8): so will ich noch heut reden drauß 兩 Mit dem König verborgner massen. Bernoulli, Basler Chron. 5, 262, 10 (alem., 1445): das er oder sin sun in sollicher bËser u´beltÁtiger mosz in dise land solte sin komen. Chron. Augsb. 8, 159, Anm. 5 (schwäb., zu 1563): etliche ratspersonen [...], die ob denselben [ordnungen] halten und die übertretter gepürender und gesetzter maßen straffen solten. Niewˆhner, Teichner 8, 36 (Hs. 2moobd., 1360/709): etleich lebten in zweifels mazz 兩 und die dritten gelaubig waren. Ebd. 377, 27: er lebt in eins viechs maz. Spechtler, Mönch v. Salzb. 41, 61 (oobd., 3. Dr. 14. Jh.): laidigung maß nicht mer quellet, 兩 das zaichen bleibet unverzwakt. Klein, Oswald 111, 42 (oobd., 1436): so ist des fürsten [Christus] wesen ain ewig mass [›die Ewigkeit‹]. Grothausmann, Stadtb. Karpfen 79, 10 (mslow. inseldt., 1605): Das hauß [...] ´soll ihr haußwirt ebner maßen, wie die weingärten, [...], genießen. − Luther, a. a. O. 30, 2, 33, 17; Chron. Augsb. 7, 138, 10; Dirr, Münchner Stadtr. 261, 3; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. 212, 1. − Vgl. ferner s. v. 1bärlich 2. 2

masse, die; über mhd. masse ›ungestalteter Stoff‹ aus lat. ma¯ssa (Lexer 1, 2057; Georges 2, 823). 1. ›Erzklumpen; handelsübliche Einheit von Roheisen‹. − Bdv.: erz, kloz 4. − Wbg.: masserei ›Schmelzwerk‹, massieren ›sich ballen (ütr.)‹, massizo ›Goldbarren‹ (hierher?). Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. 32, 10 (Hs. 2pfälz., M. 16. Jh.9): es hatt die heit 兩 ir winder kleit 兩 gezogn ab, 兩 ir reiche hab 兩 hatt sich darein massieret. Schnelbˆgl, Salb. Karls IV. 67, 11 (nobd., 1366/8): ein wagen mit maschen 36 hl. Schib, Urk. Laufenb. 171, 45 (halem., 1494): wo aber mehr hemer oder ißenschmitten gebauwen wurden, denen soll der ernzberg beschlossen vnnd weder ernz noch massen gegeben werden. M¸ller, Welthandelsbr. 322, 6 (schwäb., 1535/40): so man dann aus dem masizo gold brecht oder schied 96 krat silber aus der mk. Rot 327 (Augsb. 1571): Mass, Ein grosser klotz eysen / der also auß einem pacofen / wenn man das ertzt zerlest zamfleust / vnnd herauß gezogen /

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masse − massen

vnnd darnach erst von einander geschrot / vnd vnder den HÁmern zu allerley eißnen stangen / stucken vnnd plechen geschmidet wirt. Man bracht diß wort zu allen dingen / so der massen gossen werden / als Gold Silber / vnd ander metall / das man sonst zelten nent. Es brauchens auch die Medici vnd Apotecker / wenn sie villerley gattung oder species zusam o thun / machen ein corpus darauß / das nennen sie ein Mass oder Massam / darauß machen sie dann pillulen ider kügelein. Jtem morsellet / zeltel / strützel. M¸ller, Handel Paumgartner 111, 42 (tir., 1552): Wenn ich zu ende des jahres alle massereien [später: geschmeltzer zeug] beschrib, wäg, mäß und zelet, so [...]. − Vorarlb. Wb. 2, 369.

2. ›Substanz, Masse, Stofflichkeit einer Bezugsgröße (teils unter dem Aspekt ihrer Unbeherrschbarkeit)‹; auch: ›als Stoff gedachte Substanz, Wesenheit Gottes‹. − Bdv.: vgl. balsam 3, grund 15, grundsuppe, ides, körper 3, 1leib 10, materie 1. − Wbg.: massig ›beträchtlich, erheblich‹. Helm, H. v. Hesler. Apok. 2818 (nrddt., 14. Jh.): Sin swert muz sie sniden 兩 Mit sins wortes wazzen 兩 Durch die ganzen mazzen 兩 Des libes in der sele mark. Ebd. 3037: Diz manna nicht in vleischet 兩 Sich zu unsers vleisches massen. Ebd. 20476: Die masse des ersten 兩 Himles der di werlt bevienc. Ebd. 22728: Als Got zur erden queme, 兩 Daz vleisch an sich da neme 兩 Mit aller der brodikeit 兩 Die dem menschen ist an geleit, 兩 Den sunden alters eine 兩 (Wen die masse waz reine). Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 75, 23 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): Der edel furst nam auch ain massigen schaden als auf funffhundert man. 3

masse, die; aus franz. masse; vgl. auch matze. ›Streitkolben‹. − Schweiz. Id. 4, 444 (a. 1406). masse, Adv., s. massen, Adv./Adj. massehäftig, s. 1masse (die) 10. mas兩seil, s. 1masse (die) 2. masselose, die. ›jedes Maß sprengendes Bemühen um einen sittlichen / religiösen Wert‹; zu 1 masse (die) 13. 1

Stackmann u. a., Frauenlob 4, 11, 10 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): Der schöne gert 兩 mit mazelose, schöne der ist ungewert 兩 an maniger hande arebeit. Bihlmeyer, Seuse 45, 22 (alem., 14. Jh.): er lip waz Ëde von masslosi, der mund tu´rr von turstiger not.

massen, V. 1. ›glauben, sicher meinen‹; vgl. am ehesten 1masse (die) 1.

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Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 21, 1 (Straßb. 1466): Wann wir massen [Var. 14752−1518: maynen; Luther 1545, 1. Röm. 3, 28: halten ... es] zegerechthaftigen den menschen durch den gelauben.

2. ›sich mäßigen, zügeln, in Zucht nehmen, sich beherrschen; etw. nach vernünftigem Augenmaß gestalten, tun; etw. mäßigen, zügeln (z. B. den zorn)‹; offen zu 3; zu 1masse (die) 14. − Bdv.: mindern, ringern, tempern; vgl. abbrechen 14, bezämen 1, geziehen 8, gubernieren 2. − Synt.: etw. (z. B. den schmerz / zorn, die rede / sünde / trübnis, das leben / verlangen) m.; an den sünden m.; refl.: sich (auch: mir) m.; sich seins selber m.; sich e. S. (z. B. des zänsteurens ›Zähnestocherns‹) m.; sich in allen dingen m. Grosse, Schwabensp. 92a, 19 (Hs. 2nd./md., um 14109): alsuso sol her sin lebent mezent, daz her an deme gerichte zuo thrahe noch so zuo gahe si. Lappenberg, Fleming. Ged. 523, Nr. 73, 4 (1631/9): Ich will mein Trübnüß massen, 兩 tun wie ein Weiser tut, ein großes Herze fassen. Kurz, Waldis. Esopus 4, 71, 13 (Frankf. 1557): ich war ewr sehr begerig, 兩 Das ich mich selb nit massen kundt. Sachs 17, 418, 28 (Nürnb. 1563): Magst auch umbzausen in der nasen, 兩 Des zänstürens darffst dich nit massen. Bihlmeyer, v Seuse 481, 11 (alem., 14. Jh.): du solt din red also massen, das du wenig redest und nit zuo lut brechtest. Williams u. a., Els. Leg. Aurea 410, 24 (els., 1362): daz die romer [...] sprochent: „Keyser mese dinen zorn“. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 3, 120, 14 Var. (Straßb. 1466): das er tempert [Var. 14751 : ringeret, 14752−1518: masset] den schmerczen. Goedeke, Fischart Flöh Haz, 2017 (Straßb. 1594): Derhalben kont ich mir nicht masen, 兩 Jch must ainmal stellen nach hasen. − Helm, H. v. Hesler. Apok. 2360; 13933; Kurz, a. a. O. 4, 43, 27; Lappenberg, a. a. O. 158, 14; Neumann, Rothe. Keuschh. 4744; Williams u. a., a. a. O. 548, 10; Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst 1, 198.

3. ›sich e. S. enthalten; e. P. entsagen‹; im einzelnen je nach Obj. z. B.: ›etw. (z. B. worte) unterlassen, etw. (z. B. eine Tätigkeit) sein lassen, etw. (z. B. den glauben) aufgeben‹; vgl. am ehesten 1masse (die) 14. − Vielfach Texte gebundener Form. − Bdv.: abstellen 5, ablassen 1, lassen 19, unterlassen, enthalten, hüten, versagen; vgl. ausgehen 6, auskommen 1, begeben 2, entschlagen. Ggs.: gönnen 1; 2, würken, tun. − Synt.: etw. (Akk.obj., z. B. die sache, das weinzapfen) m.; e. S. (Gen.obj., z. B. der worte) m.; refl.: sich etw. (Akk.obj., z. B. das, bosheit, wein, der fürsten brot) / e. S.

1963

massen

(Gen.obj., z. B. des geizes / übels / weines, der freude / klage / rede / schmachworte / überflüssigkeit / schelmenzunft / unzucht, des ausleihens / leugens / schreibens / streites) m.; sich js. (Gen.obj., z. B. mein, einer frauen) m.; sich von e. S. (z. B. von kriegen, von einem namen) m. Helm, H. v. Hesler. Nicod. 2094 (nrddt., 14. Jh.): Diser worte muz ich mazen; 兩 sie sint der menscheit zu groz. Chron. Mainz 1, 326, 19 (rhfrk., 15. Jh.): das er uch der armen stad zu trost ein jarzale winezappen massen und der selben winzappen den burgern zu Mentze gunen wolte. Neumann, Rothe. Keuschh. 2568 (thür., 1. H. 15. Jh.): das alle lipliche lÈst 兩 der kusche mensche sal lassen 兩 unnd sich der uberflussickeid massen. Turmair 1, 358, 1 (Nürnb. 1541): welche [die Teutschen] sich von den frembden und unbekanten namen [...] aufs höchst enthalten und gemasst haben. Spanier, Murner. Narrenb. 11, 61 (Straßb. 1512): Wen ir die sachen werdent massen, 兩 So wil ich von mym bschweren lassen. Ders., Murner. Schelmenz. 48, 219 (Straßb. 1512/3): darumb wir yetzundt, vatter, wendt 兩 Der schelmen zunfft vff erden massen. Haltaus, Liederb. Hätzlerin 1, 114, 3 (schwäb., 1471): Ich hett mir ain o pulen vsserkoren, 兩 An der sind al mein dienst verloren, 兩 Sy wolt sich mein ye massen. Goedeke u. a., Liederb. 68, 6 (Augsb. um 1540): Far hin, far hin, du hast die wal, 兩 ich kan mich din wol maßen! Gierach, Märterb. 2873 (Hs. 2moobd., A. 15. Jh.9): und mit gerten slahen also vil, 兩 so lange auf daz zil 兩 daz sy sich mazze 兩 des glauben und den lazze. Klein, Oswald 11, 116 (oobd., um 1423): Mich wundert mer, 兩 das ich mich nie kund mässen meiner frauen, 兩 die mich so lang betrogen hat. Ebd. 115, 27 (n. 1438): Wer mit dem fride welle sein 兩 und trachten nach der sele hail, Mass sich der fürsten brot und wein. − Kurz, Waldis. Esopus 1, 4, 25; Pyritz, Minneburg 2872; Goedeke u. a., a. a. O. 16, 1; Tittmann, Schausp. 16. Jh. Ayrer. Franc. 312, 343; Menge, Laufenb. Reg. 1242; Thiele, Minner. 2, 11, 80; Zarncke, Brant. Narrensch. 110a, 73; Fuchs, Murner. Geuchmat 4746; P‰pke, Marienl. Wernher 4522; Wiessner, Wittenw. Ring 2541; 4620; 7506; Jˆrg, Salat. Reformationschr. 309, 17; 704, 3; B‰chtold, N. Manuel. Zugabe H. R. Manuel 330, 720; Haltaus, a. a. O. 2, 6, 215; Chron. Augsb. 1, 159, 11; 7, 367, 15; Turmair 4, 16, 20; Mell u. a., Steir. Taid. 72, 16; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb. 1991, 259.

4. ›sich einer Haltung (z. B. der tugend) anbequemen, diese einnehmen‹; vgl. 1masse (die) 12; 13. Jellinek, Friedr. v. Schwaben 194 (schwäb., Hs. 1478): Sie wolt sËllich unerlich sach lassen 兩 Unnd sich zuo tugent fÈgen unnd massen. − Ebd. 3334.

5. ›etw. sachgemäß, seiner Funktion entsprechend bemessen, gestalten, einrichten‹; vgl. 1masse (die) 15. − Bdv.: vgl. anrichten 6,

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ausdrucken 3, ausgestalten, begreifen 14, gezaffen, personieren, stalten. Thiele, Minner. 2, 12, 87 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/ 909): wie du dich sassen 兩 solt mit dinen lynien snüren 兩 unnd kundest den pfiler massen, 兩 das es stee fry vor fulen unnd vor dorren. Rieder, St. Georg. Pred. 329, 4 (Hs. 2önalem., 13879): so die [wissagen ...] zuo u´ns ainvaltigen lu´ten retdent, do flissent su´ sich der beschaidenhait daz si ir rede also maˆssent daz wir si verstÈndint.

6. ›jm. etw. zumessen, adäquat zuteilen‹; als part. Adj.: ›angemessen‹; vgl. 1masse (die) 15. − Bdv.: vgl. anteilen, assignieren, aufteilen, ausscheiden 4, bescharen, bescheiden (V.) 5, bescheren 1, heimteilen. Rieder, St. Georg. Pred. 207, 1 (Hs. 2önalem., 13879): wie u´nser herre aim ieglichen engel, ieglicher sele gemasset und beschaiden hat sunderlichen lon. Niewˆhner, Teichner 693, 40 (Hs. 2moobd., 3. V. 15. Jh.9): das ain dinck des andern wallt, 兩 [...] 兩 das ist der natur gemasset.

massen, masse, Adv./Adj. ›angemessen, hinreichend‹; oft als Litotes gebraucht; vgl. die Übersetzungsvorschläge; vgl. 1masse (die) 11; 14. − Bdv.: bärig, begänglich, begnüglich. Helm, H. v. Hesler. Apok. 14587 (nrddt., 14. Jh.): Swa die rede selb vundic 兩 Ist und der sin mazen scharf, 兩 Daz her nicht glosen bedarf. Ebd. 21719: als ein reine 兩 Nagel, des man maze vliz 兩 Hat, der ist am ende wiz 兩 Und an dem anderen ende swarz. Chron. Kˆln 1, 3132 (rib., Hs. 1. H. 15. Jh.): Do men dit volck slois vp dem sale 兩 id beueil eme maissen wale [›gar nicht‹] 兩 Da wart gedain sulch katzen sprunck 兩 van luden beide alt ind iunck 兩 zo den vinsteren vs ind sprungen neder, 兩 maisse sere [›über aus schnell‹] ilden sy weder. Ebd. 248, 190: des dreven si me dan maissen [›allzu unbeherrscht‹] 兩 ir gewalt mit guden luden. Froning, Alsf. Passionssp. 5609 (ohess., 1501 ff.): Ich wel uns eyn gutten raid geben, 兩 der da kummet maiß eben. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 36, 6 (moobd., 1473/8): Recht alls die sunne überscheint 兩 alls annders gestyrn, so sy durch rött her glentzet, 兩 dem gleich und eben masse [›gleichberechtigt‹] 兩 ist Venus, der minne küngin, lob gechrentzet.

massen, Konj., nebensatzeinleitend. ›wie, insofern, in der Weise, daß [...]‹; am ehesten an 1masse (die) 16 anschließbar. Schorer, Sprachposaun 10, 16 (o. O. 1648): die WËrter seyn jhnen tewr gnug angestrichen / massen sie das SchulÚ vnd Lehrgeld mehr als doppelt bezahlet. Allg. Schau-B˚hne 47, 56 (Frankf. 1699): Massen sie [Tartarn] sich dann nach und nach also verstÁrcket / daß sie endlich mit Vertilgung des KËniglichen Geschlechts / Herren im Lande worden. Logau. Abdank. 169, 16 (Liegnitz 1651): die Boten deß FRJEDENS [...] worden geliebt geehrt und befËdert; Massen solches

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massenei − mässig

in der StandÚPredigt mit Lebendigem und Redendem ZeugnÈß gerÈhmet worden. Siegel u. a., Salzb. Taid. 10, 19 (smoobd., 1637, Hs. E. 17. Jh.): daß dieselben [...] können [...] daß lands- und nachrecht besüzen, massen es diß ohrts von alter herkommen ist.

massenei, die; zu mhd. massenıˆe ›Hausgesinde‹, dies über mfranz. masnie aus lat. mansio (Lexer 1, 2058; Dwb 6, 1710). 1. ›Personenkreis, der sich als Gesinde, Dienerschaft, Hofstaat, Gefolge um einen Herren, einen als Herr Gedachten, (ütr.:) um einen hohen Wert herum zusammenschart‹. − Bdv.: hof; vgl. gediegene, geschleif 1, geschleppe, gesinde 3, ingesinde 2, pilgerschaft. − Synt.: die m. (Subj.) [wo] sitzen, sich scharen, jn. bestehen wollen, jn. e. S. (Gen.obj.) ergetzen; der m. kurzweil machen; mit der m. kommen, zu tische gehen, zu ›von‹ der m. urlaub nemen; die m. der liebe / minne; die himlische / reiche m. Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann 13, 25 (Hs. 2omd., 14659): Fürste himelischer massenie, ergetze mich ungeheurer verlust. Koppitz, Trojanerkr. 21784 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Der küng Minoss ze tische gie 兩 Mitt richer massinne hie. Karnein, de amore dt. 106, 15 (moobd., v. 1440): ich pin ain pot gesant von dem werden hoff vnd masseney der sussen lieb vnd mynn. Fichtner, Füetrer. Trojanerkr. 163, 6 (moobd., 1473/8): zum küng und der messemey 兩 sy urlaub nam und thet da von in schaiden. − Matthaei, Minner. 1, 10, 498; Holtzmann, Gr. Wolfdietrich 1040, 3; 1455, 4; Koppitz, a. a. O. 4241; 22828; Karnein, a. a. O. 119, 213; Rwb 9, 343.

2. ›gesellschaftliches Treiben, Festlichkeit‹; Metonymie zu 1. − Bdv.: vgl. antlas 4, ballet, gastung 2, gefest, geselschaft 2, löblichkeit. Karsten, Md. Paraphr. Hiob 8448 (omd., 1338): Sy han puken und seyten spil 兩 Und ander massenie vil. Matthaei, Minner. 1, 6, 423 (Hs. 15. Jh.): von Dietsch her Otte, 兩 der nye wart zu spotte 兩 zu keiner massenie. Adrian, Saelden Hort 4256 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): im [elter sun] kam ain michel grus, 兩 der vragentz betwangen 兩 wie es da wa´r ergangen 兩 do er die symphonie 兩 hort in der massenie. Gereke, Seifrits Alex. 8004 (oobd., Hs. 1466): die frewd sy triben nachant gar 兩 volliklich das gancz jar 兩 das sy in der stat lagen 兩 und ir masney phlagen. − Ebd. 6863.

massepan, Genus? Herkunft wie marzipan. wohl ›Marzipan‹. Buch Weinsb. 2, 222, 15 (rib., 1571): 10 schuttel mit kripzen, snoichen, karpen, [...], massepanen, pricken, galetin.

1966

Ebd. 4, 83, 32 (1589): setzt man mit(ten) ein grois sternen geback oder groisse pastei mit wilbrat oder massepan mit guldem rosmarin.

masserei, massieren, s. 2masse (die) 1. massig, s. 2masse (die) 2. mässig, Adj., in adv. Gebrauch vereinzelt mit -lich. 1. ›eine mittlere Größe, Stärke, einen mittleren Zustand zwischen zwei Extremen habend, aufweisend‹; von physikalischen Bezugsgrößen gesagt; vgl. am ehesten 1 masse (die) 1; 13. − Wbg.: mässigen 1, nur belegt im Part. II: gemässigt ›gemäßigt, temperiert (vom Wetter)‹ (bdv.: getempert). Chron. Kˆln 2, 470, 27 (Köln 1499): Coellen [...] liget under einre suesser ind goider constellacien [...], niet zo heisse noch zo kalt, in gueder gemessichder lucht. v. Tscharner, Md. Marco Polo 20, 24 (osächs., 2. H. 14. Jh.): Dy drittin [von v leyge krenyche] sint mesik sam unse krenyche. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 72, 24 (oobd., 1349/50): daz feur erlischt oft von übrigem plaˆsen und wirt wider enzunt von mæzigem plaˆsen. Ebd. 318, 11: daz auzer tail [des apfels] hitzet, daz mitter tail ist mæzig warm daz dritt, daz inwendig ist sam des apfels herz, daz küelt. − Pf‰lz. Wb. 4, 1210.

2. ›das gültige Maß enthaltend (von Behältnissen‹); zu 1masse (die) 6. − Schweiz. Id. 4, 1440 (a. 1559 f.). 3. ›in Haltung und Verhalten kontrolliert, beherrscht, diszipliniert, ein vernünftiges Maß beachtend, jedes Extrem meidend, jede Leidenschaft bändigend, selbst in Tugenden besonnen, abwägend, das Augenmaß wahrend‹; auch gradadverbial gebraucht; vgl. 1masse (die) 14, auch 13. − Oft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv.: abbrüchig 2, behende 2; 6, billich, demütig 2, geschikt 3, nüchtern, sittig, vernügt, verständig, weise, ziemlich, züchtig; vgl. geschiklich 3, mügelich. Ggs.: vgl. gähe 3, taubsüchtig. − Synt.: m. (an der rede, an essen / trinken, in wort / werk) sein, m. (Gradadv.) weise sein, der leib m. werden; m. trinken, bäder üben, (in trank / speise) leben, sich m. halten, etw. m. geschehen; jn. m. ›als maßvoll‹ (präd. Attr.) achten; die mässige senung / traurigkeit / trunkenheit, das mässige volk / wolgefallen.

1967

mässigen

Schˆpper 14b (Dortm. 1550): Temperans. Mässig abbrÈchig ¶ nÈchtern. Luther, WA 10, 1, 1, 32, 5 (1522): das [mensch] sich ynn allen solchen stucken weyß feyn messig, tzuchtig und tapffer tzu hallten. Ebd. 22, 38, 10 (1544): wo die Seele wacker und nÈchtern ist, da wird auch der Leib messig und geschickt Gottes Wort zu hËren. Grosse, Schwabensp. 92a, 21 (Hs. 2nd./md., um 14109): her sol ouch mezic sin an trinkende vnde ouch an ezzene vnd an allen dingen. Opitz. Poeterey 26, 10 (Breslau 1624): Newe wËrter / [...] macht auch den getichten / wenn es mÁssig geschiehet / eine sonderliche anmutigkeit. zu Dohna u. a., Staupitz/ Scheurl 223 (Nürnb. 1517): Wöllest nit mer weis sein, dann not ist! Bis mesig weis! Sachs 1, 208, 4 (Nürnb. 1530): ein weyb an allen ort 兩 Sey messig inn werck unde wort, 兩 In kleydung, speyß und tranck noch mehr! Franck, Decl. 345, 7 (Nürnb. 1531): wer messig lebe / verlengere vnd werffe jm selbs zu das leben. Menge, Laufenb. Reg. 3078 (Hs. 2nalem., um 14709): Das man me muso sloffen ye 兩 Nach grosser frässerye 兩 Denne obe man messig sye. Schmidt, Rud. v. Biberach 17, 19 (whalem., 1345/60): i sin svn [...] ze einem tranke Der vatter, [...], hat gvgeben i kvscher vnd messiger trvnkenheit. Ebd. 23, 17: Das ander i e vnd frËde des gemvtes, das ist, das zeichen ist messigvi trurikeit v tu dich enheines zitlichen dinges ze vil frowest noch lidigest. Maaler 281v (Zürich 1561): MÁssig / Der in allem maaß halt. [...]. HÁfftig MÁssig vnd standthafft syn. Pollere moderatione & constantia. [...]. MÁssiger zimlicher mensch / Mit kleinem wol vernÈgt. Heydn. maister 17v, 4 (Augsb. 1490): So du gelückhaftig bist bis mÁssig. Bauer, Geiler. Pred. 96, 7 (Augsb. 1508): So geet in des menschen gemÈt ettwann auf ain bewegung gaistlicher freüd / und ain mÁssigs wolgefallen. Drescher, Hartlieb. Caes. 133, 15 (moobd., 1456/67): Er [heylig geist] ist heylig, manigvaltig, aynig, behend, mÁssig, erkennig, pewegig, unvermailigt, gewis und su´sz. − Feudel, Evangelistar 149, 5; Stambaugh, Friederich. Saufft. 43, 5; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 8, 8; 2, 482, 14; Mˆnch v. Heilsbronn. Fronl. 9b, 28; Franck, a. a. O. 350, 14; Sachs 3, 529, 14; Bell, G. Hager 522, 1, 11; Plant u. a., Main. Naturl. 296v, 6; Chron. Augsb. 4, 352, 3; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 214, 13; Ulner 306.

mässigen, V., teils Schreibungen ohne Umlaut(zeichen), bei hinzukommender Apokope des -i- kann 2masgen (= Homographie mit 1masgen) entstehen. 1., s. 1masse (die) 1. 2., s. mässig 1. 3. ›etw. mindern, schmälern, abwerten (z. B. die Seinsweise Gottes); etw. herabsetzen (z. B. Zölle)‹; vgl. 1masse (die) 10. − Bdv.: vgl. anbrechen 4, antasten 8, beklauben, bekleinen, geschänden 1, lästern 2, 1leiden (V.) 2, lützen, taxieren 2.

1968

Strauch, Par. anime int. 34, 37 (thür., 14. Jh.): mochte sin [Got] einvaldikeit geteilit oder gemezigit werdin von sime uzfluzze, so [...]. Maaler 284v (Zürich 1561): ZËll Maßgen / das ist minderen / leichtere˜ / ringeren. Vectigalia temperare. − Rwb 9, 346 f.

4. ›etw. (ein starkes Gefühl jedweder Art, eine Leidenschaft, eine Vorliebe) mäßigen; sich zügeln, zurücknehmen, mäßigen, mildern; sich zurückhalten‹, bis hin zu: ›sich e. S. enthalten‹; vgl. 1masse (die) 14; mässig 2. − Bdv.: enthalten, massen 2, steuern 10, temperieren, zämen. − Wbg.: mässigung 2. Luther, WA 2, 169, 6 (1518/9): das man sich mit ernste messige und nit eyne mist und ßaw pful drauß [aus der ehe] o mache. Ebd. 10, 3, 255, 11 (1522): das ein Richtter klug und weyß soll sein und sehen, wa er die gestrengkait des rechtens o messygen und temperieren muß. Ebd. 16, 71, 30 (1524): Wer die Propheten handlen wil, der [...] messige sich der Allegorien. Lemmer, Schernb. Frau Jutte 861 (Eisleben 1565): Nu hat mein Mutter fÈr sie gebeten 兩 [...] 兩 Das ich meinen zorn messigen wËl. Dienes, E. Gros. Witwenb. 11, 5 (Nürnb., 1446): so wil ich mich messigen; doch also, das deyner erparkeit gnug gesche. V. Anshelm. Berner Chron. 1, 233, 21 o (halem., n. 1529): Es mustend, im die schlÁferkeit zuo massgen, etlich schÁfer vor sinem sal tag und nacht sackpfifen. Maaler 1v (Zürich 1561): Abbruch / MÁssigung [...] Abbruch des weyns [...] Abbruch des wollusts. Ebd. 284v: Maßgen / Ein Maß setzen. Moderare, Te˜perare, Moderari, Cohibere se. Die anfÁchtungen zÁmmen vnd Maßgen. [...]. Sein frËud Maßgen / Nit in frËud außbrÁchen. Dict. Germ.-Gall.-Lat. 317, 10 (Genf 1636): Sich (mÁssigen) maß halten / jhm in einem vnnd andern stewren. Ebd. 15: Du solt dich im Trunck (mÁssigen). Ebd. 24: MÁssigung / stewrung seiner selbsten vor einem und anderm. Brandstetter, Wigoleis 230, 37 (Augsb. 1493): vnd bat sy freüntlichen jr grosse klag zuo maessigen vnd [...] ein froelichs gemuete an sich zuonemen. − Luther, WA 24, 267, 30; 28, 661, 18; Voc. inc. teut. p vijr.

5. ›etw. abwägen, mit Augenmaß abschätzen, taxieren‹; vgl. 1masse (die) 14; 15, mässig 2. − Bdv.: taxieren; vgl. abwägen 4, beschauen 6, bewichtigen, gemessen 1, perpendieren, taxieren 1. Laufs, Reichskammergo. 269, 37 (Mainz 1555): wo uber gebürlich volnstreckung des urtheils, endtrichtung aufgewendts und gemessigten gerichtßkostens und erlangter peen ichts von des ächters güter ubrig sein würde. Chron. Augsb. 2, 120, Anm. 1 (schwäb., Hs. 16. Jh.): das von den herren auch von yeder czunft ainer verordnott werden süllen über der statt sachen ze sitzzen, ussgeben und einnemen gegen ainander ze mässigen. Mell u. a., Steir. Taid. 6, 17 (m/soobd., 1523): sollen die verweser dieselb sachen, so si des bericht werden, zu verhorn, zu mässigen und zu taxiern macht und gewalt haben.

1969

mässigkeit

6. ›jn. (Gott) mit etw. (der sele) in Übereinstimmung bringen‹ (s. u. den Belegkommentar); vgl. am ehesten 1masse (die) 15. Strauch, Par. anime int. 106, 13 (thür., 14. Jh.): daz vierde ist maze, daz Got der sele gemezigit wirt. aber Got inmac noch geminnerit noch gemerit werdin (folglich ist die sele zu erheben, zu weiten).

mässigkeit, die; -π/−. 1. ›dem Menschen als eigen zugesprochene Fähigkeit und Pflicht, in allen Lebenslagen und gegenüber allen Anfechtungen der Sinnlichkeit die moralisch und theologisch gebotene Selbstzucht bis zur Askese hin zu halten und ihr entsprechend zu leben‹; zu 1masse (die) 13, vgl. mässig 2. − Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘. − Bdv. (bzw. Orientierungsfeld): abbruch 4, abstinenz, barmherzigkeit 2, demütigkeit, enthaltung, geduld, gedultigkeit, gerechtigkeit 3; 4, güte 2, gütigkeit 1, keusche, klugheit 3, kunst, liebe 1; 2; 4, lindigkeit 2, miltigkeit, minne, nüchterheit, reinigkeit, sänfte, sanftmütigkeit, scham, soberheit, starkmütigkeit, stillekeit, tugend, vernunft, weisheit, zucht. Ggs.: anfechtung 2, begierde 1−3, fresserei, leckerei 2, schwelgerei, unkeuschheit. − Synt.: m. halten (z. B. in speise / trank) / suchen (z. B. in allen dingen), jn. die m. leren; die m. (Subj.) die schwelgerei erwürgen; der m. walten; jn. durch js. (Christi) m. bitten, die tugend mit m. üben, den leib mit m. kleinfüge machen; die m. Christi; die m. an worten / werken, die auswendige / grosse m.; frau mässigkeit; die gnade / tugend der m. Schˆpper 14b (Dortm. 1550): TEMPERANTIA. Messigkeit abbruch enthaltung maß abstinentz. Strauch, Par. anime int. 70, 9 (thür., 14. Jh.): di anderen [tuginde] gehorin zu den willin und zu den anderen creften; der heubit sint genant gerechtikeit, sterke und mezikeit. Neumann, Rothe. Keuschh. 2038 (thür., 1. H. 15. Jh.): di wibes namen sin zuchte vol 兩 unnd ir sinne also schon walden 兩 das si messigkeit in allen dingen halden. Asmussen, Buch d. 7 Grade 2158 (nobd., Hs. A. 15. Jh.): Er spricht: ,Des heiligen geistes fruht 兩 ist minne, freude, fride, zuht, 兩 gedult, gute, dimutikait, 兩 hofnung, kusch, messikait.‘ Trunz, Meyfart. Rhet. 1, 89, 12 (Coburg 1634): [wie die] die Messigkeit von der Schwelgerey erwÈrget worden. Vetter, Pred. Taulers 93, 7 (els., E. 14. Jh.): Ouch sol dis lieht lu´chten in die sittelichen tugende, also ist wisheit, gerechtikeit und stercke und messikeit; dis heissent ordenunge. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 2, 130, 11 Var. (Straßb. 1466): bit euch durch

1970

die senft vnd durch die maß [Var. 14752−1518: mÁssikeit; Luther 1545, 2. Kor. 10, 1: lindigkeit] cristi. Warnock, Pred. Paulis 4, 104 (önalem., 1490/4): sy [Kathrina] hatt ain luters färwli [...], und die u´berkomen durch die tugent der mässikait. Ebd. 12, 133: also daz du usswendig me´ssikait haltist in spys und in trank, och inwendig rain, ku´sch und mässig sigist in dinen gedenken und begirden. Roloff, Brant. Tsp. 2429 (Straßb. 1554): Ich bin genant DemÈtigkeit 兩 So ist diß mein Schwester Reinigkeit 兩 Messigkeit heißt die / so heißt die Schamm 兩 Lieb / Hoffnung / Miltigkeit ist deren namm. Rieder, St. Georg. Pred. 21, 4 (Hs. 2önalem., 13879): ain capittel hus. daz bezaichent ain demÈtig hertz. da ist ain priolin inne, du´ haisset frow MÁssekait. Maaler 281v (Zürich 1561): MÁssigkeit (die) der herrlichen tugende˜ eine / die meister ist über die vnordenliche˜ wollüst / abbruch vnzimlicher begirden vnd bËser anfÁchtungen. hail. altvÂter 103v, 18 (schwäb., E. 14. Jh.): da von bedÈrfen wir wol das wir disen lip mit mÁssikait klain fÈg machen. Heydn. maister 20v, 10 (Augsb. 1490): Anatharsis ein straffer der vnkeüscheit des bauchs vnd d‘ freßserey / dann er mit genad der mÁssikeit vn˜ enthaltung von bËsem begabt ist gewesen. − Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 4181; Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 4026; Strauch, a. a. O. 71, 31; Jahr, H. v. Mügeln 121, 1456; Illing, Albert. Sup. miss. 953; Warnock, a. a. O. 27, 338; Rieder, a. a. O. 269, 34; P‰pke, Marienl. Wernher 8488; Heydn. maister 42v, 8; Bauer, Haller. Hieronymus-Br. 34, 36. − Vgl. ferner s. v. barmherzigkeit 2.

2. ›der Bewältigung von Alltagssituationen angessenes Augenmaß, Bedachtsamkeit, Abgewogenheit und die entsprechende Handlungsmaxime‹; eng an 1 anschließbar: zu 1masse (die) 14, vgl. mässig 2. − Bdv.: abbruch 4, arbeit 6, behutsame (die), erbarkeit, gerechtigkeit 3, nüchterheit, reinigkeit, tugend, zucht; vgl. augenmas, augenmes, augenschein 3. Ggs. (bzw. Orientierungsfeld): banket 1, bulerei, hochmütigkeit, laster 1, tanz 1; 2, wollust. − Synt.: den helm m. nennen, eine m. ›einen angemessenen Betrag‹ geben, jm. m. (in essen / trinken) geben; mit doppeltem Akk.: j. etw. (modestiam) m. (›mit / als m.‹) verdolmetschen; (die) m. (Subj.) die wage tragen, geschikt machen, den mut zieren, jn. gedeien ›gedeihen lassen‹, mas und ziel halten, die begierden zurük halten, auf der mittelstrasse bleiben, eine freude / tugend, eine närerin der gesundheit sein; der m. bedürfen; in m. bestehen, wanne ›wenn‹ [...], die m. des gemütes, des hauptmannes; die m. in essen / trinken, schlafen; die edle / rechte m.; das lob der m.

1971

mässigung − mast

Luther, WA 1, 255, 7 (1518): auch messikeit in essen, trincken, schlaffen, und alles was der keuscheit forderlich ist. Ebd. 10, 1, 2, 174, 21 (1522): Der latinische dolmetscher hatts modestiam, messickeyt vordolmetscht, und were wol feyn, wenn messickeyt nit wurde gemeynicklich von essen, trincken und kleyden vorstanden, diß aber soll eyn messickeytt seyn des lebens. Peil, Rollenhagen. Froschm. 97, 1691 (Magdeb. 1608): Vnser Messigkeit vns gedeyet / 兩 Erbeit vns von Kranckheit erfreyet. Ulner 308 (Frankf. 1577): MÁssigkeit. Maß / zucht / richtschnur. Neumann, Rothe. Keuschh. 2941 (thür., 1. H. 15. Jh.): in rechter messikeid her [der arme] bested 兩 wanne ess ym wol ged. Opitz. Poeterey 23, 6 (Breslau 1624): das sie alles was in ein kurtz getichte kan gebracht werden beschreiben kËnnen; buhlerey / tÁntze / banckete / schËne Menscher / GÁrte / Weinberge / lob der mÁssigkeit / nichtigkeit des todes. Menge, Laufenb. Reg. 3117 (Hs. 2nalem., um 14709): Wonn die edel mässigkeit 兩 Aller dingenwoge treit. Warnock, Pred. Paulis 5, 192 (önalem., 1490/4): der messikait bedarft du wol in dem zyt des geluks. Schmidt, Rud. v. Biberach 108, 6 (whalem., 1345/60): dvi minne lat die minner nut sin ir selbes mit messikeit des gemÈtes. Maaler 142v (Zürich o vnd mÁssigkeit ein tugendt ist / 1561): Wenn nur behutsamme so ist es Freylich auch der abbruch. Henisch 117 (Augsb. 1616): mÁssigkeit aber macht vns zu aller vbung der tugent geschickter. Turmair 4, 437, 22 (moobd., 1522/33): von zucht ˆerberkait meˆsikait und gerechikait des hauptmans. Winter, Nöst. Weist. 4, 12, 15 (moobd., 1524): so sei wir auch schuldig stewr zu geben, doch ain mässigkait, was das arm volk erschwingen mag. − Bˆmer, Pilgerf. träum. Mönch 2139; 3986; 10610; Kehrein, Kath. Gesangb. 1, 1, 3; Harsdoerffer. Trichter 3, 338, 5.

mässigung, die; -π/−. 1., s. 1masse (die) 2. 2., s. mässigen 4. 3. ›Ermessen, abwägendes Urteil, prüfende Einschätzung eines Sachverhaltes, dem allem entsprechendes Ermessen; Festlegung von etw. (z. B. eines Zinsmaßes) nach abgewogener Taxierung‹; vgl. 1masse (die) 14. − Sozial bindende Texte. − Bdv.: erkantnis, messung, urteil; vgl. ordnung, satzung, taxation, taxe 1, taxierung; vgl. befindung, bedenken (das) 5, bescheid 9, bescheidenheit 4, gefallen (der), gedunk, gutbedünken, 2meinung 1. − Synt.: die m. bestäten; etw. auf eine m. ausrichten, nach einer / js. m. ablegen / bezalen / strafen, jn. nach einer / js. m. condemnieren / erkennen; die m. 2des gerichtes / rechten, der räte / urteiler9 (gen. subjectivus), der freiheit / ware (gen. objectivus); die billige / gemeine / redliche m.

1972

Laufs, Reichskammergo. 194, 31 (Mainz 1555): So auch derjenig, [...] in die acht kommen, [...] und darauf umb absolution ansuchen würde, soll alßdann zu der keyerlichen maiestat und unserem alß römischen königs oder des cammergerichts, an welchem ort die acht ergangen, erkantnuß und messigung stehen, ob und wie derselbig der acht zu erledigen. Franz u. a., Qu. hess. Ref. 4, 223, 31 (hess., 1538): Nu sei aber die gemein mässigung funfe vom hundert der gestalt das solchen zins gemeinlich die, so frembt gelt gebrauchen, mit irem nutzen wol geben konnen. Kohler u. a., Bamb. Halsger. 178, 11 (Bamb. 1507): Das dann des beclagten freunde die atzung des beclagten, auch dem cleger Cost vnd scheden nach messigung (Var. 1510: messung) vnser Rete ausrichten wËllen. Kˆbler, Ref. Nürnberg 66, 1 (Nürnb. 1484): nit alleı˜ d’ gewo˜liche˜ gerichtzschede˜. su˜der auch der notturfftige˜ zeru˜g [...] mit souil messigu˜g als Recht ist. Ebd. 110, 14: so soll der Clager dem verantwurter nit allein sein erlitten gerichtscost vnd scheden auf erkantnÈss vnnd messigung des Rechten bezalen. − Laufs, a. a. O. 101, 4; Brinkmann, Bad. Weist. 22, 6; Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. 107, 11; ders. u. a., Bamb. Halsger. 268b, 7; 268, 12; Kˆbler, a. a. O. 102, 5; Rwb 9, 348.

massizo, s. 2masse (die) 1. masstab, der. ›stabförmiges Instrument zum Messen von Längen oder zum Ausrichten von Linien‹; vgl. 1masse (die) 2, stab 1; 2. Maaler 284v (Zürich 1561): Maßstab (der) Das eysin richtschittle so die zimberleüt bey den messeren an der seyten trage˜d / Zalstab. Linea, Canon. Bauer u. a., Kunstk. Rud. 2198 (oobd., 1607/11): Ein vergulter messiner maßstab, den man offmal zusammenlegen kan. − Ebd. 1857; Schweiz. Id. 10, 1036.

massung, s. 1masse (die) 1. mast, der. ›starker, tragfähiger Baumstamm‹; meist speziell: ›Schiffsmast‹. − Bdv.: vgl. bauholz 2, bloch 1, maser 3, stam 1, stok 1. Lappenberg, Fleming. Ged. 480, 43, 7 (1636): Der Grimm des Wetters rast und pfeifet um die Maste. Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden 205, 21/22 (preuß., 1402/ 4): das wir haben uff der lastarye 20 meste unde 4 meste unde 2 schog minus 14 grosser eychyner hËlczer. v. Tscharner, Md. Marco Polo 2, 23 (osächs., 2. H. 14. Jh.): do liz der keysir yn bereytin xiiij schif, eyn iclichis mit iiij mestin. Jahr, H. v. Mügeln 1588 (omd., Hs. 1463): ich [Sterk] bin recht sam ein warer mast, 兩 der uß des wilden meres gil 兩 den kocken füret und den kil. Thiele, Minner. 2, 12, 51 (Hs. 2ndalem./sfrk., 1470/909): Solt solcher dron nun resten 兩 uff umbehawen masten 兩 mit grobenn, struben esten. Koppitz, Trojanerkr. 15333 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Gegen dem lande sy do 兩 Mitt willigen mütte fro 兩

1973

mast − masten

Kertten segel unde mast. Klein, Oswald 17, 23 (oobd., 1410): Des segels last zeuch an dem mast 兩 hoch auf dem giphel.

mast, die. − Gewisse Beleghäufung für Rechts- und Wirtschaftstexte. 1. ›Mästung, Fütterung‹ (in den Belegen meist auf Schweine bezogen); auch ütr., dann: ›Geldquelle, Broterwerb, Nahrung‹. − Bdv.: vgl. ässe, mastung. − Wbg.: mastfeiste. Ziesemer, Marienb. Ämterb. 68, 7 (preuß., 1427): 8 schog swyn mit dem schog, das czu Marienburg lieth in der mast. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 86, 11 (osächs., 1570/7): Welcher hauswirth schweine mit nutz auf die mast legen will, der hab erstlich achtung das er erwaxen dreijährig vieh auflege. Stackmann u. a., Frauenlob 5, 19, 19 (Hs. 2md. auf nd. Grundl., v. M. 14. Jh.9): wirt aber die erde ein dach dir stegen, 兩 so wint din mast (im Kommentar zur Ausgabe als Metonymie im Sinne von ›Gewicht / Ergebnis von mast‹ interpretiert), in hoher last ein bilch (sie) übertrüge. V. Anshelm. Berner Chron. 2, 333, 29 (halem., n. 1529): dan spÁn und zwitracht der gelt-dÁdinger und richtern mast sind. Maaler 284v (Zürich 1561): Mastfeißte / Vberige feißte die einer von wollÁben / vnd nit von natur hat. Sagina. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 156, 20. − Vgl. ferner s. v. becker.

2. ›Mast, Weidung (von Schweinen) in eichel- und bucheckernbesäten Wäldern, Eichel-, Eckernmast‹; als Metonymien: ›eicheln-, bucheckernbesätes Waldstück‹ sowie ›Eicheln, Bucheckern (als Waldfutter für Schweine)‹; auch (hier anschließbar?): ›Fruchtfleisch (des Apfels)‹. − Bdv.: vgl. akkeram 1; 2, atzung 2, geäcker, geries, gottesberat 3, käs. − Wbg.: mastfrei ›gebührenfrei‹ (von der Waldmast gesagt; a. 1556 f.), mastgerechtigkeit ›Berechtigung zur Waldmast‹ (a. 1618 f.). Ziesemer, Marienb. Konventsb. 60, 17 (preuß., 1401): Dy swyne lis wir triben in dy mast. Peil, Rollenhagen. Froschm. 366, 3333 (Magdeb. 1608): Es waren in der Ecker Mast / 兩 Der SÁw in die zwey hundert fast. Hilliger, Urb. St. Pantaleon 512, 28 (rib., 1624): wie viel an schwein oder verken zu mast in alles uffgetrieben werden mugen. K¸ther, UB Frauensee 415, 25 (thür., 1540): ob Gott der Herr in denn gehultzenn mast geben wurde, so mugen die menner gein Sehe gehorig, [...], mit iren aigen schweynen in berurtte gehulze unnd mast [...] treiben. Stackmann u. a., Frauenlob 2, 6, 2 (Hs. 2omd./schles., 14. Jh.9): der apfel rot, sin mast wiz ob dem kerne. − Rwb 9, 353; 356.

mast, Adj. ›fett, feist (von Menschen); faulig, mürbe (von Holz)‹; vgl. mast (die) 1. − Ggs.: dürre.

1974

Menge, Laufenb. Reg. 2201 (Hs. 2nalem., um 14709): ein mast sloffen man [Überschrift] [...] Von lybe ist er veisse. Sudhoff, Paracelsus 2, 104, 26 (1525/6): die gesunt langwirig natur stet [...] nicht im masten, feuchten und matertelligen cörpern. − Pf‰lz. Wb. 1213; Schw‰b. Wb. 4, 1522.

mastbauch, s. masten. mastbaum, der ; -es/−. ›Mastbaum, Schiffsmast‹; verdeutlichend zu mast (der). − Synt.: am m. gegen den wind blasen, das fänlein am m. umher fliegen, auf den m. ein fänlein ausstecken, das panier auf den m. stecken; die wälde durch mastbäume erfält ›abgeholzt‹ sein, das mer getwang von den mastbäumen haben; das schif ane m. Peil, Rollenhagen. Froschm. 643, 4294 (Magdeb. 1608): Mit einem Fehnlein / das sehr hoch / 兩 Oben am Mastbaum vmbher floch. Welti, Pilgerf. v. Walth. 33, 30 (omd., n. 1474): fandt Susannan vnd die andern liebin heyligin yn eyn schiff ane maßboüm vnd ane segel. Kurrelmeyer, Dt. Bibel 8, 439, 12 (Straßb. 1466): Alsust wirt dein masstbaum [Var. 14752−1477: mastbaum oder sedelbaum, 1483−1518 / Froschauer 1530: segelbaum o. ä.; Jes. 33, 23] das du nit magst geweitern das zaichen. Koppitz, Trojanerkr. 14016 (Hs. 2noschweiz., 15. Jh.9): Do duchte des den ritter gar 兩 Wie alle welde ungezaltt 兩 Durch mast böme weren ervalt. Bre´ vart, K. v. Megenberg. Sphaera 15, 17 (noobd., 1347/50): Daz schif mag als verre in daz mere treten, daz aines menschen auge unden pei dem mastpaum daz zil an dem ufer oder an dem gestat niht gesehen mag, und die augen oben in der hËhen des mastpaumes sehen daz selb zil wol. − Peil, a. a. O. 75, 1005; Koppitz, a. a. O. 13993; Rauwolf. Raiß 17, 31; Voc. inc. teut. 332; Dasypodius 123v; 378r. − Vgl. ferner s. v. ausstekken 1.

mastdarm s. masdarm. masten, V. ›feist, fett werden (von Menschen und Tieren gesagt)‹. − Wbg.: mastbauch ›Fettwanst‹, mastfleisch, mastgeld (eine Abgabe), masthabe ›Mastvieh‹ (a. 1585), mastkobe, mastkuh, mastochse, mastschenkel ›fetter Schenkel‹, maststal, maststat ›Futterplatz‹. Ziesemer, Gr. Ämterb. 672, 30 (preuß., 1386): 6 swyne im maststalle, item 9 ochsen im salcze. Ebd. 759, 24 (1446): 2 mastkÈe, item 6 mastsweyne. Luther, WA 15, 77, 1 (2524): Was solten die elende meyntzische hurnknecht und mastbeuch anders thun? Ebd. 30, 1, 155, 18 (1529): und konnen itzt nicht einen rechtschaffenen prediger nehren, da wir zuvor zehen mastbeuche gefullet haben. Kollnig, Weist. Schriesh. 254, 3 (rhfrk., 1496): 6 g. von den dryen unsers

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mästen − mastig

gnedigsten hern mulen zu mastgelt. Österley, Kirchhof. Wendunmuth 1, 449, 27 (Frankf. 1563): in diser statt, die sich rümet ein mutter der gottsforcht, ja deß teuffels mastkoben, zu seyn. H¸bner, Buch Daniel 2748 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Min lieb daz ist worden vet, 兩 Gemast, irwitet. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 93, 19 (osächs., 1570/ 7): Ebischbeere gedörret und im winter den hünnern gegeben, darvon masten sie sehr. Ebd. 210, 25: backe kleine kugelein von allerlei mehl als eicheln gros, [...], lege es an der maststadt. Fastnachtsp. 747, 26 (nürnb., 15. Jh.): Soln di jungen wachsen und masten, 兩 So künnen sie nit als lang gevasten. Sachs 20, 151, 27 Var. (Nürnb. 1563): Vnd lebten nach dem aller pasten, 兩 Mit Weib vnd Kind die theten masten. Sudhoff, Paracelsus 2, 29, 10 (1525/6): von welchen [...], geschwollen schenkel, mastschenkel und plutterbeuch und leib werden, die sollent in diser sulz baden. Merk, Stadtr. Neuenb. 98, 30 (nalem., 1588): sollen si von verheilten rindern, so [...] für gute, feiste mastochsen erkant, fürhin allweg jedes pfund desselben mast fleischs umb feünf rappen [...] geben. Adrian, Saelden Hort 4651 (alem., Hss. E. 14./ 15. Jh.): dez du nit mu´sig sitzen 兩 solt und den lip lan masten. Barack, Zim. Chron. 3, 606, 14 (schwäb., M. 16. Jh.): er het noch ain faisten mastochsen uf der waidt geen, der megte im noch vil fette geben. − Ziesemer, a. a. O. 519, 33; Luther, WA 10, 3, 379, 7; Sachs 17, 408, 10; Schweiz. Id. 2, 869.

mästen, V.; teils ohne Umlaut(schreibung). 1. ›(ein Schlachttier), (vereinzelt:) jn. / sich mästen‹; speziell von Vögeln: ›(Schlachtgeflügel) stopfen‹; mehrfach ütr. − Phras.: fremde tauben mästen ›Schmarotzer durchfüttern‹. − Bdv.: nären, zufüllen. − Synt.: einen barg, marder, kühe / säue / schweine / schöpse (feist) m., den (schmer)bauch m., got die gotlosen zur schlachtbank m.; sich wie eine sau m., jn. mit gitzenfleisch, got zur schlachtbank m., der teufel sich in hoffart m.; die abgötterei gemästet sein; der gemästete kapaun / ochse / stier / vogel, das gemästete kalb / schwein / vieh, die gemästete taube. Wbg.: mastspeise, mästtiergarte. Ziesemer, Proph. Cranc Jer. 46, 21 (preuß., M. 14. Jh.): ire kouflute, dy do wonetin mittin in ym als dy gemestin kelbir, habin sich ummegekart. Ders., Marienb. Konventsb. 248, 19 (preuß., 1411): 34 borge, dy worden dem kochmeyster off den coven czu legen czu mesten. Luther, WA 10, 3, 182, 5 (1522): so weydet und mastet er [mensch] sich drynnen wie eyn saw ym dreck. Ebd. 19, 383, 11 (1526): wissen aber nicht, das sie [Chaldeer] Gott damit zur schlachtbang mestet. Ebd. 19, 385, 7 (1526): wol gemest sein macht abgoetterey. Peil, Rollenhagen. Froschm. 288, 876 (Magdeb. 1608): Wenn er nicht wÈst worumb? Wozu / 兩 Er das oder ein anders thue? 兩 Obs sein sey / oders gemeine best? 兩

1976

Odr ob er frembde Tauben mest? Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. 15, 27 (osächs., 1343): Dıˆn bruˆder ist o kumen, und dıˆn vater haˆt nider geslagen ein gemestit [Mentel 1466: faistes] kalp. Sachs 7, 33, 21 (Nürnb. 1552): Das fasten lag mir an genaw, 兩 Ich mest mich wie ein becken-saw. Ders. 16, 485, 11 (1562): [Der guckug] [...] Ist eingschleicht worden in sein nest, 兩 Und sich von ir weydent und mest 兩 Und wird ansehlich, feist und groß. Dasypodius 254v (Straßb. 1536): Vivarium, Ein ort da man thier zuo speiß züchtet / ein weyer / teych / mest thiergart. Adrian, Saelden Hort 6630 (alem., Hss. E. 14./15. Jh.): ve marder, swin, weld und zam 兩 die mestet wol der akerman. Maaler 284v (Zürich 1561): Mastspeyß die wol mestet / mestung oder feißte allerlei speysen die einen menschen feißt machend. Ebd. 289r: Mesten / Feißtmachen / Jn die mestung legen. [...]. Die seüw eynlegen zuo Mesten / Die seüw Mesten. Henisch 211 (Augsb. 1616): Dem Bawrsaman ist sein garten so nutzlich / als sein gemestes Schwein. Dirr, Münchner Stadtr. 234, 21 (moobd., 1310/2): von zwain sweinen, die man her wider aus dem ase treibet gemesten, einen pfenninch. − Luther, WA 10, 3, 359, 28; 16, 449, 19; 17, 2, 35, 4; 28, 650, 24; 49, 550, 5; Perez, Dietzin 1 129, 23; Ermisch u. a., Haush. Vorw. 84, 28; Hauber, UB Heiligkr. 2, 477, 21; Fastnachtsp. 353, 19; Wyss, Luz. Ostersp. 3, 94, 281; Henisch 1487.

2. in verschiedenen, nur je einmal belegten Übertragungen: ›(der sele) Nahrung geben‹; ›(die warheit) gedeihen lassen‹; ›jn. mit Unwesentlichem anfüllen‹. Luther, WA 9, 146, 6 (1518): darumb bleibet dye sele hungerigk und werdt nicht gemestet. H¸bner, Buch Daniel 4032 (omd., Hs. 14./A. 15. Jh.): Lerende wart er mesten 兩 Ire sele offenbar. Stackmann u. a., Frauenlob 11, 5, 9 (Hs. 2nobd., 3. V. 15. Jh.9): wil man die warheit mesten, 兩 als uns wil liegen sich mit kundem werren? Mayer, Folz. Meisterl. 68, 67 (nobd., um 1480): Manch ley durch die ding wirt gemest 兩 Mit puncktlin der er vor nit west.

3. ›etw. (die frucht) zum Reifen bringen‹.

Thiele, Minner. 2, 14, 67 (Hs. 2wobd., 15. Jh.9): wenn der ögst gät in 兩 und des klaren sünnen schin 兩 die fruht (Akk.obj.) begint denn masten.

mastfeiste, s. mast (die) 1. mastfleisch, s. masten. mastfrei, s. mast (die) 2. mastgeld, s. masten. mastgerechtigkeit, s. mast (die) 2. masthabe, s. masten. mastig, Adj. ›fett, dick, aufgeschwollen (vom Menschen); fett, schwer, feucht (vom Ackerboden)‹; vgl. mast (Adj.). − Wbg.: mästigkeit. Dasypodius 207r (Straßb. 1536): Sagina [...], Mestspeiß / oder mestigkeit / feißte. Sudhoff, Paracelsus 2, 8, 9

1977

mästigkeit − mastschwein

(1525/6): die [personen] gar flüssig, rozig, mastig und plutertellig gewesen sind. Ebd. 104, 26: was nun von diser art nicht ist, sonder ist einer andern art, als matertellig, mastig und feuchts cörpers. Maaler 284v (Zürich 1561): Mastig / Schwinfeißt. [...]. Feißt vnd Mastig vÁld. Agricrassi. − Schwartzenbach 37v. Schweiz. Id. 4, 510.

mästigkeit, s. mästig. mastix, der ; über mhd. mastic (o. ä.) und (m.)lat. mastix aus dem Griech. (Lexer 1, 2059; Dwb 6, 1718). ›Harz des Mastixbaumes (pistacia lentiscus)‹. − Gewisse Beleghäufung für Fachtexte. − Bdv.: pech 2, zaher. − Synt.: m. nemen (zur Herstellung von Ködern, Wundpflastern), m. unter etw. mischen, jm. m. geben; eine zaher m. heissen; der m. [wo] wachsen; etw. mit m. braten, von m. pillen machen; x lot / pfund m. Wbg.: mastixöl ›aus dem Harz der Pistazie gewonnenes ätherisches Öl‹, mastixpulver, mastixwurz. J. W. von Cube. Hortus 134, 13 (Mainz 1485): Welcher do wil [...] die hare vnder de˜ antzlitz verdryben der neme [...] .ii. loit mastiv vnd eynwenig armoniacu˜ vnd mische die zuo samen. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 186, 24 (osächs., 1570/7): Nim unslet von einem zigenbocke und gestoßene bohnen, baldrian und mastix, [...], mach kuchlein daraus und thue sie in die reusen (als Fischköder). Keil, Peter v. Ulm 33 (nobd., 1453/4): schütt es denn auff ein tuch, vnd get es durch, so rür das vnter mastig-puluer vnd dorein hartz-puluer. Ebd. 35: Nym dor zu [für ein Bruchpflaster] wachs vnd hartz, [...], vnd mastigk vnd weyrauch [...] vnd camillen j lot vnd mastig-öl iij lot. Morrall, Mandev. Reiseb. 15, 1 (schwäb., E. 14. Jh.): In der selben ynsel wachset der mastrix uff clainen bËmlun in der grËssy als die schlehen. Rot 328 (Augsb. 1571): Mastix, vom Griechischen wort Mastiche, Ein gummi oder pech / von dem paum Lentisco. Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. 371, 13 (oobd., 1349/50): Macis ist ain paˆm, [...], von dem vleuzt ain zaher, der haizt mastix und smeckt gar wol. Deinhardt, Ross Artzney 55 (oobd., 1598): Ein gemaine purgazion für die pferdt Item esula 2 lot puluers, calog 2 lot, enzian 3 lot, mastichs wurz 1 lot. − Joachim, Marienb. Tresslerb. 39, 12; Follan, Ortolf. Arzneib. 25, 18; J. W. von Cube. a. a. O. 4, 64; 123, 25; Ermisch u. a., a. a. O. 35, 27; Haage, Hesel. Arzneib. 16, 13; Fischer, Folz. Reimp. 44, 163; 188; Sudhoff, Paracelsus 3, 169, 15; Weitz, Albich v. Prag 162, 9; 168, 21.

mastixöl, mastixpulver, mastixwurz, s. mastix. mastizieren, V.; aus lat. mastica¯re ›kauen‹ (Georges 2, 824).

1978

›etw. (Eßbares) kauen‹; ütr.: ›etw. Abstraktes (die kunst) durchkauend lernen, verinnerlichen‹. − Bdv.: vgl. bekäuen, käuen, 2 matzen. Sudhoff, Paracelsus 6, 311, 4 (1528): einer war ein doctor, der legt inen semen plantaginis zu masticiren in iren mund. Ebd. 10, 225, 2 (1536): man muß sie [kunst] ruminiren und masticiren nit also schleflichen, wie die biren umbzukeren sein, lernen. Rot 328 (Augsb. 1571): Masticirn, Essen / kewen / die speiß im mundt wol zermallen.

mastkobe, mastkuh, mastochse, s. masten. mastrange, der ; Gw zu mhd. range ›böser Bube‹ (Lexer 2, 341). abwertend für eine kräftige männliche Person, im Beleg etwa ›fette Sau‹. Chron. Magdeb. 2, 168, 6 (nrddt., Hs. 1601): Ey welcher ein grosser fetter Mastrange ist das, es wehre schier Zeit, das man den ein mahl abschlachtete.

mastsau, die; −/auch -π + Uml. ›Mastschwein‹; mehrfach ütr. mit Bezug auf Personen. − Bdv.: mastschwein. Luther, WA 8, 342, 35 (1521): auff das der selb tzinsz nitt abegehe, darauff szo viel beuche unnd mast sew ynn den klosternn gestifft sind. Ebd. 10, 1, 1, 15 (1522): das des Bapsts, der Bischoffe, [...] eyttell welltlich und teuffllisch ding ist; [...], und sind unßers herrgots recht mastsew auff seynem koben. Ebd. 21, 302, 16 (1544): der [Bapst] darin mËcht greiffen als einen reichen Gelt kasten und solche ubermass oder uberig verdienst der Heiligen austeilen durch sein Ablas, [...] (aber also, das er dadurch fur sich und seine beschorne Mastsew der Welt gelt und gut ausschepffete). Sachs 15, 82, 5 (Nürnb. 1553): er saufft tag und nacht 兩 Und mestet sich gleich den mastsewen. Ders. 20, 215, 8 (1563): Auch sind zwo mastsew mir gestorben 兩 Und ein kalb im brunnen verdorben. − Luther, WA 15, 183, 30; Merz, Urk. Lenzb. 107, 3; Maaler 284v.

mastschenkel, s. masten. mastschwein, wobd. / oobd. auch -mäst-, das; −/-e, auch -π. ›Mastschwein‹; mehrfach abwertend auf Personen bezogen bis hin zu ›Fettwanst‹ (s. u. Barack); vgl. mast (die) 1; 2, masten, mästen 1 (letzteres für mäst- als Bw). − Phras.: seinen bauch zum mastschwein machen. − Bdv.: mastsau, närschwein. − Synt.: ein m. mästen, aufhenken, mastschweine nemen ›erbeuten, stehlen‹, auf die müle legen; j. ein m., vol als ein m. sein, sich als / wie die mastschwein(e) füllen; j. (der wucherer) dem m. gleich sein; das m. auf dem koben.

1979

mastspeise − maszeug

Ziesemer, Marienb. Ämterb. 58, 22 (preuß., 1422): 24 seyten fleisch, item 18 mastswyne, item 4 tonnen pekilfleisch. Luther, WA 9, 459, 1 (1520): Wir mussen unßerm herngoth diße mastschwein mesten, biß so lang ehr kumbt. Ebd. 19, 307, 21 (1526): sie [volck] thun nichts denn plerren ynn der kirchen, essen, trincken, schlaffen, und sind wie die mast schwein. Peil, Rollenhagen. Froschm. 373, 3544 (Magdeb. 1608): Wie ein alte Brack hinterm Ofen / 兩 Ja wie ein Mastschwein auff dem Kofen. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 258, 16 (osächs., 1570/7): Pflegt man die oxen von der weide in die mast zu binden. Item mastschweine uff die muhlen zu legen. Barack, Zim. Chron. 1, 391, 23 (schwäb., M. 16. Jh.): aber wann die zeit gewest, den weier [...] zu fischen, so sein dise mestschwein auch komen, die dann sampt irer gesellschaft bei dem fischen gewest. Henisch 207 (Augsb. 1616): Sein bauch zum mastschwein machen [...]. Dem bauch dienen / dem bauchlust nachfolge˜ / vmbs brot singen. Niewˆhner, Teichner 621, 4 (2slmoobd., 14699): wem ein grosser wÈchrÁr 兩 aller geleichist mocht gesein. 兩 da sprach ich: dem mest swein. Grossmann, Unrest. Öst. Chron. 163, 20 (oobd., 3. Dr. 15. Jh.): sunder, die (sich) nannten Sweytzer, die namen inn den hawsern, was sy funden, an vil ennden ochsen, khwe, mestswein, pachen. Bretholz, Liechtenst. Herrsch. 338, 24 (smähr. inseldt., 1414): ein nerswein, ein schoff, ein gais, yecz 1 helbling. Ein mestschwein vnd ein pokch, yecz 1 den. − Ziesemer, Gr. Ämterb. 286, 4; 460, 7; Sachs 17, 153, 21; Barack, Teufels Netz 1024; 1567; Lauater. GespÁnste 140, 30; Maaler 284v.

mastspeise, s. mästen 1. maststal, maststat, s. masten. mästtiergarte, s. mästen 1. mastung, vereinzelt Schreibungen mit Umlut(zeichen), die; −/-e. ›Mästung, auf die Schlachtung von Haustieren hin ausgerichtete reichhaltige Fütterung‹; speziell: ›Waldmast‹; als Metonymie: ›steuerliche Einheit als Naturalabgabe der Tiermästung (an den Grundherren zu entrichten)‹; ütr.: ›Vorteil‹; vgl. mästen 1. − Rechts- und Wirtschaftstexte. − Phras.: des einen unfal des anderen mastung sein. − Synt.: x schweine auf die m. legen, zur m. tun, [einen Betrag] zu m. geben, die müle um [einen Betrag] für die m. verleihen; x schweine in der m.; x mastunge zur fronfasten.

1980

Ziesemer, Marienb. Ämterb. 78, 23 (preuß., 1420): 1 schog [swyne] czur mastunge gethan. Ders., Gr. Ämterb. 726, 8 (preuß., 1422): 8 sweyne in der mastunge czur Nuwenburg. Luther, WA 17, 2, 225, 18 (1525): Also ist alle heylickeyt der eusserlichen Judischen heylickeyt nichts anders denn eyne mastunge der viehischen, fleyschlichen hertzen. Grimm, Weisth. 5, 596, 9 (mosfrk., 1448): was da ligt [...] von diren, [...], das sol nit gen [...] in die mastung des waldes. Kollnig, Weist. Schriesh. 128, 34 (rhfrk., 1369): zu ieder fronfasten sehs malter korns und zwo mastunge oder sehs pfunt heller für die mastunge. Brinkmann, Bad. Weist. 46, 27 (rhfrk., 16. Jh.): Ein molmüln [...] gibt jerlichen 1 lb. zu mastung, 6 ß. 6 heller martinszins. Maaler 289r (Zürich 1561): Mestung / Fülle, Fartura, Pinguefactio. Mestung deß vychs. Ebd. 460v: Eines anderen Vnfal lassen unser mastu˜g sein. − Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord. 61, 11; Dasypodius 69r; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 317, 28.

mastvieh, das. ›Mastvieh, zur Schlachtung vorgesehenes Vieh‹. Ermisch u. a., Haush. Vorw. 258, 32 (osächs., 1570/ 7): In disem monat schlachtet man seu und ander mastvieh. Sachs 15, 73, 28 (Nürnb. 1553): Habt ir das mastvieh abgestochen 兩 Zu braten, sieden und zu kochen. Hauber, UB Heiligkr. 2, 355, 15 (schwäb., 1480): an rindern und mestu fich vii hopt iiii stÈr xxiiii kÈgen. − Luther, WA 10, 3, 410, 25; Kehrein, Kath. Gesangb. 2, 647, 12; Dict. Germ.-Gall.-Lat. 317, 38; Pf‰lz. Wb. 1214.

maswerk, s. 1masse (die) 1. maswert, maswirdig (auch: -wird), Adj. ›so beschaffen, daß es vermessen werden kann‹ (von Zechen, Gruben, verschoben auch von Erz gesagt); zu 1masse (die) 4. Ermisch, Sächs. Bergr. 3, 20 (osächs., Hs. 15. Jh.): Ist das der (lyher) lyhet yn demeselbigin czele eyn lehen adir czwei uf eynen tag, der vinde ercz, das mazwirt sie, so mist man czu rechte, deme der gang gelygen ist. Ebd. 118, 7 (1499/1500): so die grube masswirdig wurde, so sall solich gelt dem bergmeister an seinem vollen mass- und lochsteingelt abgezcogen werden. Ebd. 171, 26 (Leipzig 1509): so dy tzeche maßwirdig wirdt, sall der bergkmeister rechte mas gebenn.

maswirdig, s. maswert. maszeug, s. 1masse (die) 1.