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German Pages [257] Year 2019
Beiträge zu Grundfragen des Rechts
Band 31
Herausgegeben von Stephan Meder
Wolfgang Hummes
Freier Beruf oder Gewerbe? Über die Sinnhaftigkeit einer traditionellen Unterscheidung im Recht
V& R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2019, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-5405 ISBN 978-3-7370-0964-5
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einführung – Der Weg in die Dienstleistungsgesellschaft . . . . . . .
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B. Kulturgeschichtlicher Hintergrund der Abgrenzung . . . . . . . I. Die »artes liberales« und die Entstehung der freien Berufe II. Die geistigen Berufe in der Zeit des aufkommenden Territorialstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die französische Revolution und die Einführung der Gewerbefreiheit im Norddeutschen Bund . . . . . . . . . .
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C. Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe . . . . . I. Die Gewerbebegriffe in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . 1. Der Gewerbebegriff der Gewerbeordnung . . . . . . . . . . . 2. Der steuerrechtliche Gewerbebegriff . . . . . . . . . . . . . . 3. Der handelsrechtliche Gewerbebegriff . . . . . . . . . . . . . 4. Der kartellrechtliche Gewerbebegriff . . . . . . . . . . . . . . 5. Der zivil- und verfassungsrechtliche Gewerbebegriff . . . . . II. Die Abgrenzungseignung der positiven Merkmale des Gewerbebegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit . . . . . . . . . . . 1. Freiberufliche Wesensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Wesensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die idealistische Berufskomponente – Besondere Stellung im Sozialgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Besonderheiten in der Ausbildung und Begabung – geistige Leistung – Art und Weise der Berufstätigkeit . . .
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Inhalt
c. Die in fachlicher Unabhängigkeit zu erbringende eigenverantwortliche und eigenpersönliche Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Einsatz der Produktionsmittel Arbeit und Kapital e. Berufsautonome Selbstverwaltung . . . . . . . . f. Die freien Berufe in § 1 Abs. 1 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz . . . . . . . . .
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D. Abgrenzungssignifikante Berufsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strukturen eines Berufsbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die klassischen freien Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Arztberuf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Das allgemeine Berufsbild des Arztes . . . . . . . . . . . . b. Das Kassenarzt- bzw. Vertragsarztsystem . . . . . . . . . . c. Die Bindung des Arztberufs in der Kammerselbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Technischer Fortschritt und neue Behandlungsmethoden und -strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Berufs- und Standespflichten . . . . . . . . . . . . . . . . c. Rationalisierungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten des Rechtsanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zusammenfassung der maßgebenden Kriterien der beiden klassischen freien Berufe . . . . . . . . . . . . . . III. Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Tätigkeit der Seelotsen als »echtes freies Gewerbe« . . . . 5. Journalisten und Bildberichterstatter . . . . . . . . . . . . . 6. Beratende Volks- und Betriebswirte . . . . . . . . . . . . . . 7. Der Heilmasseur als »ähnlicher Beruf« . . . . . . . . . . . . 8. Das Berufsbild des Apothekers »als gewerblicher Freiberufler« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Der freie Beruf – soziologisches Phänomen oder rechtlich relevanter Typus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
F. Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerrechtliche Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Struktur und Anwendungskriterien des § 18 Abs. 1 EStG . . a. Die Bestimmung der den Katalogberufen ähnlichen Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende und erzieherische Tätigkeit als freiberufliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit – § 18 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Die Auswirkungen der Differenzierung im Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtslage im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gewerbesteuerbefreiung der freien Berufe . . . . . . . . a. Die preußischen Steueredikte von 1810 sowie 1820 . . . . b. Die Miquelsche Steuerreform von 1891 . . . . . . . . . . . c. Die Weiterentwicklung der Miquelschen Steuerreform bis zur heutigen Ausgestaltung der Gewerbesteuer . . . . . . d. Die Handelsvertreterentscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE 46, S. 224ff. . . . . . e. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 01. 2008 – BVerfGE 120, S. 1ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Sachverhaltsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Begründung der Vorlage durch das Finanzgericht Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Stellungnahmen der beteiligten Institutionen und Lobbyistenverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Differenzierung durch das Bundesverfassungsgericht . ee. Die Äquivalenztheorie als Steuerzweck der Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff. Das Traditionsargument in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . gg. Der Gedanke einer Steuerbefreiung der freien Berufe als Subvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Die sogenannte Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Das Typusdenken in der gewerbesteuerrechtlichen Verfassungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
4. Die Belastung der Justiz und die »abenteuerliche Kletterwand des Einkommensteuerrechts« . . . . . . . . . . II. Die freien Berufe im Gewerberecht . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Privilegierung der freien Berufe in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der freie Beruf im Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der gesetzgeberische Standort freiberuflicher Tätigkeit im Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Einfluss europäischen Rechts auf Kartellvereinbarungen freier Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Unternehmensbegriff des GWB . . . . . . . . . . . . . . 4. Freiberufliche Wesensmerkmale und der Regelungszweck des GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konkurrenz des GWB mit dem Standesrecht . . . . . . . . . 6. Die Anwendbarkeit des GWB auf Künstler und Wissenschaftler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Berufsverbände und Berufskammern als »Kartellsünder« . . 8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der allgemeine deliktsrechtliche Schutz des § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Entwicklung des Unternehmensschutzes gem. § 823 Abs. 1 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . b. Die vom Bundesgerichtshof geprägte heutige Rechtslage . 2. Die Einbeziehung der freien Berufe in den zivilrechtlichen Unternehmensschutztatbestand »eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb« . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs und die Einbeziehung der freiberuflichen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Das Handelsgesetzbuch als gewerbliches Sonderrecht des Kaufmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Resümee aus den Differenzierungen in den dargestellten Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Die Abgrenzungsfrage im Kontext des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der freie Beruf im EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
II.
Der Einfluss des EU-Rechts auf nationales Sonderrecht für freie Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Bindungswirkung des Gemeinschaftsrechts in der Gestaltung nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deregulierungsbestrebungen in der Europäischen Kommission – die Dienstleistungsrichtlinie der EU . . . . . .
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H. Alternative Lösungsansätze und Reformbestrebungen . . . . . . . . . I. Die Abschaffung oder Umgestaltung der Gewerbesteuer als Reformmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Verzicht auf die Gewerbesteuer und Kompensationsansprüche aus dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis
a. A. a. F. Abs AG Anm. AO ApBetrO ApoG Art. Aufl. BauNVO BayVBl. BB Bd. Begr ber. BeurkG BFH BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHSt BMF BNotO BRAO BSGE bspw. BStBl. BR-Drucks BT-Drucks. BuÄO BVerfG
anderer Ansicht alte Fassung Absatz Aktiengesellschaft Anmerkung Abgabenordnung Apothekenbetriebsordnung Gesetz über das Apothekenwesen Artikel Auflage Baunutzungsverordnung Barisches Verwaltungsblatt Betriebsberater (Zeitschrift) Band Begründer bereinigt Beurkundungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – nicht veröffentlicht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundesministerium für Finanzen Bundesnotarordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts beispielsweise Bundessteuerblatt Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Bundesärzteordnung Bundesverfassungsgericht
12 BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw. DAVm DB DBW ders. Diss. DNotZ DÖV DStR DStRE DStZ DVBl. EFG Einl. EStG. EuGH FAZ FGPrax Fn. FR GewArch GewO GewStDVO GewStG GG GKV GmbH GOÄ GRUR GS GVBl. GWB HGB Hrsg. i. d. F. i. V. m. IT JbFSt Jg. JuS JW JZ KStG
Abkürzungsverzeichnis
Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Der Amtsvormund Der Betrieb (Zeitschrift) Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) derselbe Dissertation Deutsche Notarzeitung Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst Deutsche Steuerzeitung Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidungen der Finanzgerichte Einleitung Einkommensteuergesetz Europäischer Gerichtshof Frankfurter Allgemeine Zeitung Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit/Zeitschrift Fußnote Finanzrundschau Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Gewerbesteuerdurchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz Gesetzliche Krankenversicherung Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gebührenordnung für Ärzte Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gesetzessammlung Gesetz – und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handelsgesetzbuch Herausgeber in der Fassung in Verbindung mit Informationstechnologie Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahrgang Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Körperschaftsteuergesetz
Abkürzungsverzeichnis
LVerfGE MDR Mio. m. w. N. NJW NJW-RR Nr. NVwZ OHG OLG OVG PKV Rdnr.(n) RFHE RGBl. RGZ RStBl. RuPrVerwBl. RVO RzW SeelG SGB Slg StB StBerG StPO StuW u. a. UStG UStR UWG vgl. v. H. WM WPg WPO WuW WuW/E ZGR ZIP ZStW zul. geä.
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Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts (Thüringen) Monatsschrift des Deutschen Rechts Millionen mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtssprechungsreport Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Private Krankenversicherung Randnummer(n) Entscheidungssammlung des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichssteuerblatt Preußisches Verwaltungsblatt Reichsversicherungsordnung Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht Gesetz über das Seelotsenwesen Sozialgesetzbuch Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Der Steuerberater (Zeitschrift) Steuerberatergesetz Strafprozessordnung Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) unter anderem Umsatzsteuergesetz Rundschau für Umsatzsteuer Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vergleiche von Hundert Wertpapiermitteilungen Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Gesetz über die Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer Wissenschaft und Wirtschaft (Zeitschrift) Wissenschaft und Wirtschaft/Entscheidungen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zuletzt geändert
Vorwort1
Freie Berufe genießen in unserer Rechtsordnung eine Sonderstellung, die sowohl der Gesetzgeber als auch Rechtsprechung und Teile der rechtswissenschaftlichen Literatur der besonderen Art und Weise ihrer Berufstätigkeit zuschreiben. Als klassisch freiberuflich gelten Ärzte und Rechtsanwälte mit ihrer traditionell erforderlichen akademischen Ausbildung. Zunehmend haben sich allerdings auch deren Berufsbilder in Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen verändert. Nicht erst heute gibt es erhebliche Zweifel an der Berechtigung dieser so verfestigten Differenzierung in zwei vermeintlich unterschiedliche Erwerbsarten. Bisher haben sich die kritischen Stimmen weitgehend nur auf die Begünstigung freiberuflicher Tätigkeit im Steuerrecht beschränkt. Mit der vorgelegten Abhandlung wird auch die generelle Rechtfertigung der Unterscheidung in der gesamten Rechtsordnung auf den Prüfstand gestellt. Die geltende Rechtslage hat in der Vergangenheit zu einer kaum noch überschaubaren Fülle steuer- und verwaltungsgerichtlicher Urteile nicht nur der Instanzgerichte, sondern auch des Bundesfinanzhofs, des Bundesverwaltungsgerichts und letztlich auch des Bundesverfassungsgerichts geführt. Darin lag auch die Schwierigkeit, das komplexe Thema in einem für den Leser vertretbaren Umfang zu begrenzen. Die Notwendigkeit einer Problemlösung, die auch als genereller Verzicht auf die Unterscheidung in freie Berufe und gewerbliche Tätigkeiten denkbar sein könnte, ist wegen der mit der enormen Belastung der Justiz verbundenen Ressourcenverschwendung zwingend. Deshalb wird auch ein Ausblick auf mögliche Zukunftslösungen gewagt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Stephan Meder sowie dem Verlag V& R unipress GmbH dafür, dass sie die Veröffentlichung in der Reihe »Beiträge 1 Diese Arbeit verwendet im Zusammenhang mit thematisierten Berufsbildern deren Berufsbezeichnungen (bspw. Arzt, Rechtsanwalt oder Apotheker). Zur besseren Lesbarkeit wird jeweils nur das »generische Maskulinum« benutzt, auch wenn dem Verfasser bewusst ist, dass das sprachwissenschaftlich nicht korrekt ist.
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Vorwort
zu Grundfragen des Rechts« ermöglicht haben. Dank schulde ich darüber hinaus meinem langjährigen Berufskollegen Herrn Lothar Küttner für seine wertvollen Anregungen und nicht zuletzt auch meiner Ehefrau für die Textkorrektur. Braunschweig, November 2018
Wolfgang Hummes
A.
Einführung – Der Weg in die Dienstleistungsgesellschaft
Bereits seit mehreren Jahrzehnten gelingt es der Rechtsprechung kaum noch, die den freien Berufen vom Gesetzgeber zugestandenen gesetzlichen Begünstigungen, vor allem im Steuerrecht, durch eine rechtsmethodisch nachvollziehbare Begründung einzelner Abgrenzungssachverhalte zufriedenstellend umzusetzen. Mit der Beschränkung der Gewerbesteuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 S. 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG)2 auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb fühlen sich zahlreiche Gewerbetreibende, deren Tätigkeit nicht als freiberuflich oder als den freien Berufen »ähnlich« anerkannt wird, in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG verletzt. Auch die ständige Erweiterung des Kreises der den freien Berufen ähnlichen Tätigkeiten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EStG)3 durch die Steuerrechtsprechung und die Finanzverwaltung sowie die Veränderung klassischer Strukturen in den Berufsbildern lassen gerichtliche Abgrenzungsverfahren teilweise zum Glücksspiel entarten. Es kann deshalb auch kaum überraschen, dass die Betroffenen dann versuchen, den Rechtsweg auszuschöpfen. Einigen der Betroffenen gelang es so, ihr Anliegen bis zum Bundesverfassungsgericht zu tragen. Das Verfassungsgericht wurde in den Jahren zwischen 1997 und 2008 in drei Vorlageverfahren zu einem einzigen Sachverhalt (!) mit großer Erwartung, aber auch mit großen Befürchtungen der bislang von der bestehenden Rechtslage begünstigten freiberuflich Tätigen veranlasst, sich mit der Rechtfertigung einer Beschränkung der Steuerpflicht auf gewerbliche Tätigkeiten und der daran gekoppelten Frage eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beschäftigen4. In der das Gesamtverfahren abschließenden Entscheidung hat der damit befasste Senat diese Differenzierung zwischen beiden Berufsbereichen für rechtens erklärt, sie vereinbare sich durchaus mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und begünstige so auch sachgerecht die freien 2 I. d. F. vom 15. 10. 2002, BGBl. 2002 I, S. 4167, zul. geä. 18. 07. 2017, BGBl. 2017 I, S. 2074. 3 I. d. F. vom 08. 10. 2009, BGBl. 2009 I, S. 3862, 3866, zul. geä. 18. 07. 2017, BGBl. I, S. 2730. 4 BVerfG vom 15. 01. 2008 1 BvL 2/04 (BVerfGE 120, S. 1ff.).
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Einführung – Der Weg in die Dienstleistungsgesellschaft
Berufe. Daraufhin machte sich zunächst eine gewisse Resignation in der dieser einseitigen Bevorzugung einer ganzen Berufsgruppe kritisch gegenüberstehenden Juristengemeinde breit.5 Die Befürworter der geltenden Rechtslage fühlten sich natürlich in ihrer Meinung bestätigt.6 Es hat in der Vergangenheit keineswegs an Versuchen gemangelt, die in der Steuerrechtswissenschaft als unbefriedigend empfundene und nur auf Gewerbebetriebe beschränkte Gewerbesteuer zu reformieren.7 Steuerkommissionen wurden ebenso gebildet wie die Erarbeitung von Gesetzesinitiativen. Alle Versuche einer durchgreifenden Reform scheiterten bis auf einige Änderungen und Entlastungen. Mit den folgenden Ausführungen wird der Versuch unternommen, die Gründe dieser schon traditionellen Unterscheidung in zwei so unterschiedlich wahrgenommenen Berufsgruppen aufzuspüren und zu prüfen, inwieweit sie die Sonderstellung freier Berufe auch in der Zeit großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umstrukturierungen überhaupt noch rechtfertigen können. Das Bundesverfassungsgericht stützt seine Begründung des Beschlusses vom 15. 01. 2008 auch auf die traditionellen Wurzeln der bestehenden Rechtslage und bildet damit zusätzliche Angriffspunkte für Kritik. Der aus der Sicht der Kritiker negative Ausgang des Verfahrens scheint zunächst die Tür zu einer wie auch immer zu gestaltenden und längst fälligen Reform der Gewerbesteuer durch den Gesetzgeber zugeschlagen zu haben. Einer der vehementesten Kritiker der bestehenden Rechtlage, Joachim Lang, früherer Mitverfasser des schon fast legendären »Tipke/Lang«, bekam in der ihm zu seinem 70. Geburtstag gewidmeten Festschrift aus dem Jahre 2010 von Pezzer8 in dessen Beitrag eine die derzeitige Situation treffend formulierte Unterstützung. Er enthält all das, was die derzeitige Situation charakterisiert, beschreibt das in der Tat leidige Problem allerdings auch in sehr drastischer Weise. Unter dem Titel »Die Besteuerung der freien Berufe gem. § 18 EStG – eine der abenteuerlichsten Kletterwände des Einkommensteuerrechts« schreibt er : »Der Beitrag soll zeigen, wie sehr Joachim Lang mit seiner Kritik Recht hat: In der Tat ist die Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit weitgehend willkürlich, die Belastungsunterschiede verletzen evident den Gleichheitssatz. Die Gerichte verwenden ihre Ressourcen für sinnwidrige Haarspaltereien. Vom Steuergesetzgeber ist insoweit nicht ernsthaft eine Remedur zu erwarten. Das BVerfG hat es ebenfalls nicht vermocht, hier Grenzen zu ziehen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass sich die verfassungsrechtliche Beurteilung dereinst ändert. Aber das werden weder der Jubilar noch die Autoren dieser Festschrift noch erleben dürfen. Insoweit 5 Beispielhaft dafür Pezzer, Festschrift J. Lang, S. 491, 510. 6 Rittner in seiner Urteilsanmerkung zu dieser Entscheidung in JZ 2008, S. 998f. 7 Siehe dazu die Ausführungen unter G: »Alternative Lösungsansätze und Reformbestrebungen«. 8 Pezzer, Festschrift J.Lang, S. 510.
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bleibt nur übrig, auf die nächste Forscher- und Richtergeneration zu setzen und darauf zu hoffen, dass wenigstens dort die Kraft der Argumentation Joachim Langs sich durchsetzen wird.«
Mit diesen eindringlichen, teils resignierenden und dann doch wieder hoffenden Worten beschreibt Pezzer den derzeitigen Stillstand der Diskussion nach der Verfassungsgerichtsentscheidung. Die mit dem Phänomen der »freien Berufe« verbundenen Fragen beschränken sich keinesfalls auf das Steuerrecht, sie strahlen in andere Rechtsgebiete aus und werden auch in der Sozialwissenschaft nicht ignoriert.9 Dabei zwingt die Entscheidung des Verfassungsgerichts auch die Ursprünge der heutigen Rechtslage zu sehen, um zu verstehen, wie diese in der allgemeinen Wahrnehmung als besonders erscheinende Berufsgruppe zu ihrer rechtlichen Privilegierung gekommen ist und welche Ursachen bzw. Gründe diese Entwicklung getragen haben. Die »Differenzierungsgegner« hatten ihre ganze Hoffnung auf eine nach der Entscheidung des Gerichts dann erforderliche Reform der Gewerbesteuer gesetzt. Die Schlussbemerkung Pezzers zeigt, dass ein politischer Befreiungsschlag seitens des Gesetzgebers von der allgemein als problematisch eingeschätzten Rechtslage ohne das erhoffte »Machtwort« des Bundesverfassungsgerichts, jedenfalls mit den derzeitigen politischen Mehrheiten, auch heute noch kaum zu erwarten ist. Im Jahr 2003 hatte die seinerzeit von der SPD geführte Regierungskoalition mit Bündnis 90/Die Grünen schon einmal mit dem Vorhaben der Einführung einer allgemeinen Gemeindewirtschaftssteuer einen Reformversuch auch zur Verbreiterung der Finanzbasis der Gemeinden unternommen. Er scheiterte schließlich an der Ablehnung im Bundesrat.10 Man kann sich mit etwas Fantasie denken, warum diese Initiative dann letztlich doch erfolglos blieb. Wirtschaftliches Handeln hat insbesondere in den letzten Jahrzehnten zu enormen Veränderungen der Unternehmens-, Betriebs- und auch Berufsstrukturen geführt. Galten in der Zeit der Industrialisierung in den Ballungsräumen Europas sowie anderen sog. Wohlstandsstaaten die neu entstehenden Fabriken sowie Produktionsbestriebe als Motoren des wirtschaftlichen Fortschritts mit enormer Sogwirkung auf potentielle Arbeitskräfte und deren Familien, so hat sich diese Entwicklung mittlerweile von den Wohlstandsstaaten in sog. Billiglohnländer verlagert.11 Für sie stehen besonders die bevölkerungs9 Hommerich, Die Freien Berufe und das Vertrauen in der Gesellschaft, S. 35ff. 10 Zuschlag, Die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung nach § 36 EStG, S. 261ff. 11 Heinze/Voelzkow/Hilbert, Strukturwandel und Strukturpolitik in Nordrhein-Westfalen, 1992, S. 97ff. Die Gesellschaft durchläuft drei Phasen: Phase 1, der primäre Sektor mit Landund Forstwirtschaft, Phase 2, die industrielle Revolution u. a. mit Fertigungsbetrieben und Phase drei, der sog. tertiäre Sektor mit der Entwicklung in die Dienstleistungsgesellschaft.
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starken Länder mit niedrigem Lohnniveau wie China, Indien, Bangladesh und zunehmend auch Vietnam. Man liest gelegentlich, China sei heutzutage die »Fabrik der Welt«. Befanden sich früher Planung, Forschung und Entwicklung, Produktion und Lagerhaltung regelmäßig zusammen am »Stammsitz« eines Unternehmens, so geht heute neben der Verlagerung in Länder außerhalb Europas auch der Trend zu mehreren Standorten im eigenen Land mit jeweils unterschiedlicher Aufgabenstellung. Zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung werden ganze Unternehmensbereiche oder sogar die Produktion insgesamt ausgegliedert und an Fremdunternehmen vergeben. Oft verbleiben am Firmensitz nur noch Leitung, Verwaltung sowie Forschung- und Entwicklung. In einer ohnehin stetig komplizierter werdenden Arbeitswelt lagern Unternehmen Aufgaben aus, die spezialisierte Kenntnisse und Erfahrungen verlangen (sog. Outsourcing). Unternehmen, die gerade aufgrund ihrer Spezialisierung sowie der dafür erforderlichen Mitarbeiterstruktur und ihres Know-how für die Lösung zahlreicher Aufgaben effizienter sein können und in der Regel auch sind, entlasten ihre Auftraggeber und bringen ihr »Expertenwissen« ein. Das ausgliedernde Unternehmen kann sich so auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Davon besonders profitiert haben Dienstleister in technischen, wirtschafts- und unternehmensberatenden sowie rechtsberatenden Bereichen und ganz speziell die gesamte ITund Softwareentwicklungsbranche. Dort hat sich als Folge dieser Verlagerung die Organisationsstruktur den steigenden Anforderungen angepasst. So entstehen in der Dienstleistungswirtschaft große mitarbeiterintensive Unternehmen, die dann wiederum selbst veranlasst werden, sich einem Spezialisierungszwang zur Marktanpassung zu unterziehen.12 Früher wurden externe Beratungsleistungen in deutlich geringerem Umfang in sogenannter Freiberuflichkeit in kleinen oder kleinsten Unternehmenseinheiten (Rechtsanwalts- oder Steuerberaterpraxen bzw. Ingenieurbüros) erbracht. Der Gesetzgeber hat in Gestalt des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG diese regelmäßig mit geringer Personalausstattung persönlich und selbstständig tätigen Berufsträger freier Berufe wegen ihrer ursprünglichen Strukturbesonderheiten gegenüber Gewerbebetrieben begünstigt. Ihnen blieb und bleibt bis zum heutigen Tag die Pflicht zur Entrichtung der Gewerbesteuer erspart. Die in § 12 Abs. 2 Nr. 5 u. 6 Umsatzsteuergesetz (UStG) a. F.13 bestimmte Halbierung des Umsatzsteuersatzes für freiberufliche Leistungen, soweit diese die typischen freiberuflichen Merkmale aufwiesen, wurde zwischenzeitlich abgeschafft. Seit Jahrzehnten wird auch darüber diskutiert und gestritten, ob insbeson12 Hartmann, Dienstleistungen im wirtschaftlichen Wandel, S. 1ff. 13 Drüen in Blümich, EStG-KStG-GewStG, Bd. 4 GewStG, § 2 Rdnr. 9.
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dere die noch verbliebene Gewerbesteuerbefreiung der freien Berufe angesichts der gravierenden Verwerfungen alter Wirtschaftsstrukturen und der heutigen, kaum aufzuhaltenden Entwicklung zu einer »Dienstleistungsgesellschaft« mit immer größeren Betriebseinheiten14 sowie Veränderungen in den Berufsbildern zahlreicher freier Berufe, noch sinnvoll oder sogar schon im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist.15 Darüber hinaus drängt sich dann natürlich auch die Frage auf, ob nicht sogar generell in der gesamten Rechtsordnung auf diese vor allem traditionelle Unterscheidung in zwei unterschiedlich behandelte Berufsgruppen verzichtet werden kann oder sogar muss. Denkt man daran, dass Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen wie Ernst & Young, PWC oder KPMG jeweils Jahresumsätze zwischen 1,6 bis 1,9 Mrd. Euro erwirtschaften16, oder dass es Rechtsanwaltsfirmen mit weit mehr als 100 Berufsträgern und Jahresumsätzen von über 200 Mio. Euro17 gibt, dann zeigt das, welchen Stellenwert sich dieser Dienstleistungsmarkt zwischenzeitlich verschafft hat. Die berufliche Ausbildung und Qualifikation der Mitarbeiter sowie ihre Tätigkeitsmerkmale entsprechen weitgehend denen, die auch für die Sonderstellung der freien Berufe im Rahmen der zentralen Regelung des § 18 Abs. Nr. 1 EStG maßgebend sein sollen. Das Gesetz macht aber die Wohltat der Teilhabe an Steuerbefreiungen auch von der Organisationsform des jeweiligen Unternehmens sowie seiner Größe abhängig. Die als Kapitalgesellschaften (GmbH oder AG) strukturierten Unternehmen, auch wenn sie freiberufliche Leistungen erbringen, werden dagegen nicht begünstigt18. Freie Berufe bewahren schon deshalb gerne ihre personale Unternehmensstruktur außerhalb von Kapitalgesellschaften.19 Beratungsberufe wie Notare, Rechtsanwälte und Steuerberater sowie der Beruf des Arztes oder Zahnarztes sind gesetzlichen Strukturen unterworfen, zu 14 Dazu Offe, »Arbeitsgesellschaft«-Strukturprobleme und Zukunftsperspektiven; Beyer in Beyer/Brendel/Micheel, Zukunftsbranche Lebensqualität. Chancen und Herausforderungen beim Ausbau personenbezogener Dienstleistungen, S. 28ff.; Becker/Daniel, Bamberger, Wissensintensive Dienstleistungsbetriebe, S. 3. 15 Finanzgericht Niedersachsen, 3. Vorlagebeschluss vom 21. 04. 2004, 4 K 317/91; 2. Vorlagebeschluss vom 24. 06. 1998, FR 1998, S. 1041ff. sowie 1. Vorlagebeschluss vom 23. 07. 1997, FR 1997, S. 864ff.; Friauf, Die Vereinbarkeit der Einbeziehung der selbstständigen Handelsvertreter in die Gewerbesteuerpflicht mit dem Grundgesetz; Rechtsgutachten (unveröffentlicht), Köln 1975; BVerfGE 46, S 224ff. in »Die Vereinbarkeit der Einbeziehung der selbständigen Handelsvertreter in die Gewerbesteuerpflicht mit dem Grundgesetz«, Rechtsgutachten (unveröffentlicht), 1975. 16 Julia Schmidt, in www.Finance-Magazin.de vom 21. 12. 2016. 17 Statista/Dienstleistungen & Handwerk/Business/Service/Umsatzstaerkste Anwaltskanzleien in Deutschland (2016/2017): Freshfields-Bruckhaus-Deringer 368 Mio., CMS Hasche Sigle 295 Mio. uns Hengeler/Mueller 232 Mio. 18 Siehe § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG. 19 Dazu Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft.
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deren Begründung immer wieder die besonderen, zum Teil aus der Vergangenheit tradierten Wesensmerkmale dieser Tätigkeiten herangezogen werden, die sie bislang vor gesetzlichen Veränderungen ihrer Begünstigungen weitgehend geschützt haben. Gleichwohl sind im Bewusstsein einiger Gerichte20 und eines erheblichen Teils der rechtswissenschaftlichen Fachliteratur21 Zweifel an der Berechtigung ihrer Sonderstellung aufgekommen. Immer häufiger wird die Frage gestellt, ob es sich bei dieser Differenzierung nicht um ein längst von der Wirklichkeit überholtes Relikt handelt.22 Man könnte allerdings meinen, dass die Diskussion über die Bedenken einer gleichheitswidrigen Belastung der Gewerbebetriebe bei der Heranziehung zur Gewerbesteuer nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 08. 2008 mit der Bestätigung der rechtmäßigen Differenzierung zwischen Gewerbe und freien Berufen23 nun definitiv ihr Ende gefunden haben könnte. Das Gericht hat in seinen Entscheidungsgründen die besondere Stellung der freien Berufe in der Gesellschaft hervorgehoben und damit die von Rechtsprechung und Literatur benutzten Abgrenzungskriterien abgesegnet. Der Senat tat sich allerdings sehr schwer, die veränderte Realität in den Arbeits- und Unternehmensstrukturen in seine Argumentation einzubinden.24 Der Beschluss vom 15. 01. 2008 sollte aber nicht die letzte Antwort auf die Frage nach der Berechtigung einer gesonderten Berufsgruppe mit Privilegien sein, zumal sich diese keineswegs an der »Leistungsfähigkeit« orientieren, sondern an Berufsbildern, die von althergebrachten idealistischen Vorstellungen des 19. und bis weit in das 20. Jahrhundert geprägt sind25. Die vom Gesetzgeber vorgegebene Differenzierung verschiedener Erwerbsund damit auch Einkunftsarten taucht auch in § 2 Abs. 1 EStG auf. Unterschieden wird dort unter anderem in Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die die freiberufliche einschließt26, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (ge20 FG Niedersachen in den zitierten Vorlagebeschlüssen in Fn. 15. 21 So schon Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort der »staatlich gebundenen« Berufe, 1968; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 695f.; Güroff in Littmann/Bitz/Pust, EStG, §18 Rdnr. 8. 22 Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 1 Rdnr. 11 sowie § 2 Rdnr.236; ders. In Littmann/ Bitz/Pust, EStG, § 18 Rdnr. 8; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 1150; Pezzer, Festschrift J. Lang, S. 491ff. 23 Statt »freie Berufe« wird auch der Begriff der »freien Professionen« verwendet. 24 So auch die Kritik bei Hartmann, Bestandsschutz für die Gewerbesteuer, BB 2008, S. 2490 und Selder, Verfassungsrechtliche Aspekte der Gewerbesteuer als Objektsteuer, FR 2014, S. 174, 176. 25 Zu diesen historischen Anknüpfungspunkten Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 39; Graml, Das ärztliche Verbot der Zuweisung gegen Entgelt, 2012, S. 90, Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung, S. 66f. 26 § 18 Abs. 1 EStG nimmt auf § 2 Abs. 1 EStG ausdrücklich Bezug: »Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit«.
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regelt in § 13 EStG) sowie die aus Gewerbebetrieb (§15 EStG). Für die unterschiedliche Zuordnung zu den einzelnen Einkunftsarten muss es zuverlässige und nachvollziehbare Kriterien geben, um rechtstaatlich bestehen zu können, sofern daran Rechtsfolgen geknüpft werden und sie nicht nur rein deklaratorische Bedeutung in Anerkennung einer eventuell vorhandenen rein soziologischen Besonderheit haben. Die beiden klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts verfügen über eigene Berufsordnungen, in denen die Zugehörigkeit zu der Gruppe der freien Berufe ausdrücklich statuiert ist. Die Bundesärzteordnung (BuÄO)27 trifft in § 1 Abs. 2 folgende Feststellung: »Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe, er ist seiner Natur nach ein freier Beruf«
In der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)28 heißt es in § 2 Abs. 1 u. 2: »Der Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus. Seine Tätigkeit ist kein Gewerbe.«
Es lassen sich in zahlreichen Rechtsvorschriften die Begriffe »gewerblich« oder »Gewerbe« bzw. »freiberuflich« oder »freie Berufe« und ähnliche Umschreibungen oder Hinweise darauf finden. Es wird zu prüfen sein, in welchem Sinnzusammenhang sie verwendet werden und ob damit ebenfalls eine Abgrenzung zur freiberuflichen Tätigkeit beabsichtigt ist. Zu denken ist an § 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG), § 1 Gewerbeordnung (GewO)29, § 1 ff. Handelsgesetzbuch (HGB)30, § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)31 oder auch § 13 Baunutzungsverordnung32 (BauNVO). Die Begriffe »Gewerbe« und »freier Beruf« sollen nicht in allen Rechtsnormen identische Bedeutung haben.33 Gewerbesteuer wird lediglich Gewerbetreibenden in Abgrenzung zu Freiberuflern abverlangt. Handelsrechtlich ist allein die Kaufmannseigenschaft maßgebend, womit aber schon eine Ausklammerung der freien Berufe gewollt sein könnte.34 Das GWB knüpft anders als in der älteren Fassung des Gesetzes nur noch an das Unternehmen an und macht davon die 27 Bundesärzteordnung i. d. F. vom 16. 04. 1987, BGBl. 1987, S. 1218, zul. geä. 23. 12. 2016, BGBl. 2016 I, S. 3191. 28 Bundesrechtsanwaltsordnung i. d. F. vom 01. 08. 1959, BGBl. 1959, S. 565, zul. geä. 12. 05. 2017, BGBl. 2017 I, S. 1121. 29 Gewerbeordnung i. d. F. vom 17. 10. 2017, BGBl. 2017 I, S. 3562. 30 Handelsgesetzbuch vom 10. 05. 1897, RGBl. 1897 I, S. 219, zul. geä. 10. 07. 2018, BGBl. 2018 I, S. 1102,1108. 31 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 15. 07. 2005, BGBl. 2005 I, S. 2114, ber. 2009 I, 3850 S. zul. geä. 12. 07. 2018, BGBl. 2018 I, S. 1151. 32 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke i. d. F. der Neubekanntmachung vom 21. 11. 2017, BGBl. 2017 I, S. 3786. 33 Für den Gewerbebegriff beispielhaft Buchner, Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz, S. 18. 34 Müller, Die Einbeziehung der freien Berufe in das Handelsrecht unter besonderer Berücksichtigung von Arzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Architekt, S. 4.
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Anwendung der Kartellvorschriften abhängig.35 Sind freie Berufe als »Unternehmen« zu sehen? Wenn nicht, reicht dann ihr Standesrecht aus, soweit vorhanden, um zur Sicherung eines funktionierenden Wettbewerbs Sanktionen bereitzuhalten? § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)36 schützt neben anderen Rechtsgütern Besitz und Eigentum vor unerlaubten Handlungen. Wird damit auch der sog. eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb geschützt, ohne dass es dafür eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt?37. Sind freie Berufe, weil sie keinen »Gewerbebetrieb« vorhalten, damit nicht geschützt? Für den Grundrechtsschutz des Eigentums wird ebenfalls diskutiert, ob der Gewerbebetrieb in seiner Funktions- und Organisationseinheit als »Eigentum« i. S. d. Art. 14 GG behandelt werden kann.38 Deutlich ist, dass die Abgrenzungsproblematik auf Grund der Zuordnungskriterien nur innerhalb des Dienstleistungssektors auftreten kann.39 Die Möglichkeit der Vervielfältigung, also einer fast beliebigen »Produktionssteigerung«, ist dort begrenzt. Der Einsatz sogenannten Humankapitals ist bei Erreichung eines vergleichbaren Wirkungsgrades nicht beliebig reduzierbar40, ein Merkmal, das so auch eigenpersönlich geleisteter Handarbeit anhaftet, wie sie für das Handwerk typisch war und in Kleinbetrieben auch heute noch ist. Neben dem bereits zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts41 ist auf eine weitaus frühere Entscheidung des Gerichts42 aus dem Jahr 1976 zu verweisen. Es hatte damals die Frage zu klären, ob die in § 4 Nr. 14 S. 2 Umsatzsteuergesetz-a F. von 1973 (UStG) auf ärztliche Apparategemeinschaften beschränkte Umsatzsteuerbefreiung auch für nicht ärztliche Laborfirmen galt. Hintergrund des Rechtsstreits war ein möglicher Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG festgeschriebenen allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Ein anderes Mal war das Bundesverfassungsgericht43 damit konfrontiert, dass ein selbstständiger freier Handelsvertreter meinte, ebenfalls als Freiberufler anerkannt und von der seinerzeit auch für kleinere Betriebe durchaus noch belastenden Gewerbesteuer befreit zu werden. Er fühlte sich damit in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Selbstverständlich hatten auch andere Gerichte 35 § 1 Abs. 1 S. 1 GWB a. F.: »Verkehr mit Waren und gewerblichen Leistungen«. 36 In der Fassung vom 02. 01. 2002, BGBl. 2002 I, S. 42, ber. S. 2009, BGBl. 2003 I, S. 738, zul. geä. 12. 07. 2018, BGBl. 2018, S. 1151. 37 Dazu Schiemann in Erman, BGB-Kommentar, § 823 Rdnr. 49; Beater in Soergel, Bürgerliches Recht, Kommentar, § 823 Rdnr. 90, allgemeine Meinung. 38 Schiemann in Erman § 823, Rdnr. 80. 39 Die Abgrenzungsbeispiele erfassen ausschließlich Dienstleistungsberufe. Eine ausführliche Übersicht gibt Wacker in Schmidt, EStG, § 18 Rdnr. 155. 40 Dazu Becker/Daniel, Wissensintensive Dienstleistungsbetriebe, S. 22f. 41 BVerfGE 120, S. 1ff. 42 BVerfGE 43, S. 58, 70ff. 43 BVerfGE 46, S. 224ff.
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die Abgrenzungsproblematik zu klären. Finanzgerichtliche Entscheidungen44 stehen dabei schon wegen unmittelbar finanzieller Folgen im Mittelpunkt. So hatte das Niedersächsische Finanzgericht45 mit seiner Normenkontrollvorlage gem. Art. 100 GG die Verfassungswidrigkeit mehrerer Vorschriften des Gewerbesteuer- sowie des Einkommensteuergesetzes vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. Das Finanzgericht war von einem Gleichheitsverstoß der lediglich Gewerbebetriebe treffenden Gewerbesteuer überzeugt. Dieses Verfahren führte dann letztlich zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 01. 2008. Das Finanzgericht München46 bestätigte im Jahre 2011 einem Casting-Direktor wegen seiner künstlerischen Arbeit dessen Freiberuflichkeit. Der Bundesfinanzhof (BFH) prüfte im Jahre 200647, ob der Abfallwirtschaftsberater dem freien Beruf ähnliche Merkmale aufweist. Das Gericht hatte dies bejaht, wobei anzumerken ist, dass ein Anlageberater ca. 18 Jahre zuvor von ihm als Gewerbetreibender charakterisiert wurde48. In zwei anderen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof49 wurden die Einkünfte eines Rechtsanwalts und die einer Volljuristin als Berufsbetreuer steuerlich ebenso wie die der freien Berufe von der Gewerbesteuer befreit, nachdem dieser Beruf bis dahin vom Gericht als gewerblich eingestuft wurde.50 Auch die Verwaltungsgerichte mussten sich mit der Abgrenzungsfrage befassen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte im Jahre 201351 eine Epithekerin52 zu bescheiden. Sie wollte als Freiberuflerin anerkannt werden, was ihr allerdings misslang. Beim Bundesverwaltungsgericht53 blieb ein Berufsbetreuer mit seiner Klage erfolglos. Es ist auch kaum zu erwarten, dass angesichts der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Verfassungsgerichtsentscheidung vom 15. 01. 2008 der ständige Streit über die so begehrte Freiberuflichkeit und deren unterscheidende Wesensmerkmale ein Ende gefunden hat, zumal auch die häufiger zu Koalitionen benötigten »Bündnis 90/Die Grünen« sowie ggfs. auch »Die Linke« von ihrem Vorhaben kaum ablassen werden. Es entstehen besonders in der IT-Branche ständig neue Berufe mit teilweise eigenen Berufsbildern, deren Berufsträger die Differenzierung und gegebenenfalls ein erforderlicher Rechtstreit um die An44 45 46 47 48 49 50 51 52 53
Übersicht bei Wacker in Schmidt, EStG, § 18 Rdnr. 155. Siehe dazu die Fundstellen in Fn. 15. FG München EFG 2012, S. 159. BFH DStR 2006, S. 658. BFH BStBl. 1989 II S. 24. BFH DStR 2010, S. 1163f. BFH BStBl. 2005 II, S. 288. OVG Niedersachsen vom 17. 04. 2013, 7 LC 10/12. Epithetik: Herstellung von alloplastischem Ersatz nach chirurgischen Eingriffen. NJW 2008, S. 1974 mit zustimmender Anmerkung von Mann, Der Berufsbetreuer als freier Beruf ? NJW 2008, S. 121.
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erkennung als freier Beruf kaum vermittelbar sein dürfte. Man muss sich in diesem Zusammenhang der Aussage Seers54 anschließen, der beklagt, aus den Kriterien der Abgrenzungsrechtsprechung könnten »Legionen weiterer Vergleichspaare« gebildet werden, die deren Absurdität plastisch belegen würden. Selbst wenn tragfähige Gründe einer Differenzierung gefunden werden könnten, wäre darüber nachzudenken, ob sie es rechtfertigen, dass sich Gerichte und die Rechtswissenschaft seit etwa einem Jahrhundert55 mit der daraus erwachsenen Problematik beschäftigen müssen. Unberührt von der rechtlichen Abgrenzung freier Berufe zu Gewerbebetrieben mag eine soziologisch begründete Differenzierung sein, die zwar nicht Gegenstand dieser Arbeit ist, die aber zum Verständnis des Gesamtzusammenhangs ebenfalls dargestellt werden muss. Die Frage nach einer Sinnhaftigkeit und Rechtsmäßigkeit besonderer berufsrechtlicher Regelungen für einige der freien Berufe sowie deren Überwachung im Rahmen berufsautonomer Selbstverwaltung soll hier nicht beantwortet werden, sie könnten allerdings Merkmal einer Besonderheit gerade der klassischen freien Berufe sein56.
54 Seer, Gewerbesteuer im Visier des Verfassungsrechts – Anmerkungen zu dem Vorlagebeschluss des FG Niedersachsen vom 24. 06. 1998, FR 1998, S. 1022, 1023. 55 Kritisch schon damals der Beitrag von Theodor Heuß in Festschrift für Brentano, 1916, S. 237, zitiert bei Taupitz, Die Standesordnungen, S. 17. 56 Dazu die sozialwissenschaftliche Arbeit von Hommerich, Die Freien Berufe und das Vertrauen in der Gesellschaft.
B.
Kulturgeschichtlicher Hintergrund der Abgrenzung
I.
Die »artes liberales« und die Entstehung der freien Berufe
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15. 01. 200857 zur Frage einer Verfassungswidrigkeit der ausschließlichen Belastung des Gewerbes mit der Gewerbesteuer bemerkenswert argumentiert: »An dieser über einen so langen Zeitraum tradierten Differenzierung zwischen Gewerbetreibenden und freien Berufen darf der Gesetzgeber so lange festhalten, bis offen zu Tage tritt, dass im Hinblick auf den Streitgegenstand und die wesentlichen Besteuerungsmerkmale keine tragfähigen Unterschiede mehr zwischen diesen Berufsgruppen bestehen.«
Diese Formulierung lässt vermuten, das Gericht wollte in seiner Begründung die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der bestehenden Besteuerungsunterschiede aus dem übernommenen traditionell ursprünglichen Steuergegenstand und der für ihn maßgeblichen Wesensmerkmale der freien Berufe herleiten. Um diese Feststellung des Gerichts hinterfragen zu können, muss daher zunächst der Blick zurück gerichtet werden. Ausgangsbegriff jeder Erwerbstätigkeit, ob freiberuflich oder gewerblich, ob selbständig oder in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis, ist das Gewerbe. Der Ausdruck »Gewerbe« kommt aus dem Mittelhochdeutschen und ist seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar. Es drückt ein »werben« im Sinne von »tätig sein« bzw. »handeln« aus. Ursprünglich wurde darunter anderen Personen gegenüber angebotene Tätigkeiten verstanden.58 Seit frühhochdeutscher Zeit gilt er als Synonym für die Berufstätigkeit generell.59 Da freiberufliche Arbeit ebenfalls eine Berufstätigkeit ist, muss es eine Entwicklung gegeben haben, bei der man zunächst die Notwendigkeit einer soziologischen und damit auch begrifflichen 57 BVerfGE 120, S. 1, 39. 58 von Turegg, Gewerberecht, 1953, S. 4. 59 Ebenda.
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Kulturgeschichtlicher Hintergrund der Abgrenzung
und in der Folge dann auch zwangsläufig rechtlichen Abspaltung von der gewerblichen Arbeit für notwendig oder mindestens sinnvoll hielt. Die freien Berufe sollen, wenn auch nicht im Sinne des heute verwendeten Begriffs »freie«, ihren Ursprung in den »artes Liberales«, also den sogenannten freien Künsten, haben.60 Die Römer verstanden darunter erlernbare Tätigkeiten edler und hoher Natur.61 Dazu zählten Philosophie, Dichtung, Musik, Rhetorik und Grammatik. All diese Tätigkeiten kamen nur für die Menschen in Betracht, die nicht darauf angewiesen waren, »ihr tägliches Brot« durch manuelle Arbeit zu verdienen. Sie galt als minderwertig, eines freien Bürgers eher unwürdig.62 Im Mittelalter knüpfte die geistige Bildung an diesen aus der Antike überlieferten Künsten an. Unterschieden wurde nach den Formaldisziplinen des sogenannten Triviums mit den davon erfassten Einzelkünsten Grammatik, Rhetorik sowie Dialektik. Daneben existierte das sogenannte Quadrivium mit den naturwissenschaftlichen und mathematischen Disziplinen der Arithmetik, Geometrie, Astronomie sowie die insoweit gruppenfremde Musik. Das Trivium wurde an den Klosterschulen im Rahmen eines Basisstudiums gelehrt. Darauf baute sich dann das Quadrivium mit der Vermittlung spezieller Kenntnisse auf.63 Diese Entwicklung wird auch als Grundlage für die Gründung der ersten Universitäten in Europa gesehen.64 Auf dem Unterbau der »sieben freien Künste« entwickelten sich diverse Fachrichtungen, die auch so heute noch eigenständige Studien- und Wissenschaftssparten sind, zu ihnen gehören die Theologie, Medizin und die Rechtswissenschaft. Ebenso wie in der Zeit der Antike stand zunächst nicht das daraus zu erzielende Einkommen im Vordergrund, man strebte vielmehr nach höherer Bildung als Selbstzweck.65 Die Entwicklung des Gewerbes in der Zeit des Mittelalters war eng verbunden mit dem Aufblühen der Städte, in die immer mehr Menschen drängten, da die Landwirtschaft als sog. Urproduktion allein nicht mehr für alle ein genügendes Auskommen gewährleisten konnte. So wurde der Sprachgebrauch des »Gewerbes« ganz entscheidend vom städtischen Leben mit seinen Erwerbsformen des Handels und des Handwerks geprägt. Sie bildeten zunächst allein die Alternative zur »bäuerlichen Nahrung«66. In Deutschland war das Handwerk noch verbreitet 60 Jastrow, Freie Berufe und Gewerbesteuer, S. 1. 61 Jastrow, ebenda. 62 Berlepsch, Deutsches Städtewesen und Bürgerthumen Beziehung zu den Gewerken und deren Innungen, S. 13; Hermann, Die »freien Berufe«. Herkunft, Wandlung und heutiger Inhalt der Begriffe, 1973, S. 37: Die edlen geistigen Beschäftigungen wurden daher nicht des Gewinns wegen ausgeübt. 63 Hermann, Die freien Berufe, S. 36. 64 Bologna 1088, Paris 1150, Oxford 1167 und Salerno 1173. Die sog. Laienmedizin wurde schon im 10. Jahrhundert in Salerno und Montpellier unterrichtet (Hermann, ebenda, S. 25). 65 Hermann, Die freien Berufe, S. 36. 66 Jastrow, Die freien Berufe und Gewerbesteuer, S. 15ff.
Die »artes liberales« und die Entstehung der freien Berufe
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von »Fronhöfen« geprägt, in denen Handwerker als »Unfreie« unter Aufsicht arbeiteten. Höhere Kunstfertigkeiten blieben weitgehend den Klöstern vorbehalten, die dann aber durch den Zuwachs an Einfluss der Städte zunehmend auf deren Bürgertum verlagert wurden. Dort konnte sich das Gewerbe unter dem Dach des Städtewesens mit den Bürgerprivilegien zur Blüte weiterentwickeln.67 Die gewerbliche Tätigkeit wurde nach außen durch sog. Bannmeilen abgegrenzt, die von den in den Städ-ten gegründeten Zünften und Gilden für Handwerker und für Handeltreibende als Zusammenschlüsse der zugelassenen Mitglieder gesetzt und überwacht wurden. Das städtische Leben hat so ganz entscheidend die Entwicklung des Gewerbes mit Handel und Handwerk bestimmt.68 Diese Zusammenschlüsse hatten sich zum Ziel gesetzt, als eine Art Selbstschutzorganisation69 sowohl für die Qualität handwerklicher Leistungen zu sorgen, als auch unliebsame Konkurrenz von außen zu verhindern. Damit dürfte der erste Schritt in eine verbandsgestützte Einflussnahme auf hoheitliche Entscheidungen begründet worden sein. Um ihre Ziele durchsetzen zu können, ließen sich die Zünfte für ihren Einflussbereich Polizeigewalt sowie die zur Durchsetzung der Regeln benötigte Gerichtsbarkeit übertragen.70 Die darin organisierten Händler und Handwerker mussten gegenüber ihren Meistern einen Eid ablegen, Arme und Reiche gleich gut zu bedienen und die von der Zunft vorgegebenen Maßstäbe über Beschaffenheit und Menge der hergestellten oder gelieferten Waren einzuhalten.71 Diese Gemeinwohlorientierung war so schon ein Merkmal der damaligen städtischen Gesellschaft. Auch wenn das Erwerbsstreben im Mittelalter offenbar noch keinen so hohen Stellenwert hatte, so sorgten die Zünfte und Gilden dennoch dafür, dass ihre Mitglieder über ausreichende Einkünfte verfügten und sich ihre Arbeit auch lohnte.72 Erst in der Folgezeit, nachdem sich immer breiteren Kreisen die Möglichkeit zum Studium eröffnete, rückte auch innerhalb des Kreises der die »freien Künste« ausübenden Menschen nach Abschluss des Studiums die Erwerbsaussicht in den Mittelpunkt ihrer Ausbildung. Gab es bis dahin ganz überwiegend nur Erwerbsquellen, die mit manueller Arbeit oder dem Warenhandel in Verbindung standen, so wurden die Absolventen angesichts ihrer Entwurzelung aus 67 Scheuner, Die freien Berufe im ständischen Aufbau, S. 424ff. 68 Jastrow, Die freien Berufe und Gewerbesteuer, S. 15ff. 69 Im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Jakob und Wilhelm Grimm wurde die »Gilde« als »selbstnütziger Zusammenschluss« erwähnt (Bd. 7, Sp. 7486ff.). 70 Kraft, Die Entwicklung des Zunftwesens und die geistesgeschichtlichen Grundlagen der Gewerbefreiheit, ZStW, Bd. 106, 1950, S. 54, 56f. 71 Jastrow, Freie Berufe, S. 4. 72 Zum Nahrungsprinzip des Mittelalters Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 152f., Kraft, Die Entwicklung des Zunftwesens, S. 57.
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Kulturgeschichtlicher Hintergrund der Abgrenzung
der bürgerlichen oder ländlichen Gesellschaft durch die Aufnahme eines Studiums gezwungen, mit den erworbenen Fähigkeiten nunmehr vor allem in den Städten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die neu gebildeten Berufe mit akademischer Ausbildung nahmen gegenüber den manuellen Erwerbstätigkeiten eine Sonderstellung ein. Sie waren in die bestehende Zunftstruktur nicht einzuordnen. Es kam hinzu, dass die Absolventen angesichts der geringen Zahl von Universitäten, deren Besuch die Abkoppelung von der Heimat zur Folge hatte, die damals ganz wichtige Bodenständigkeit verloren und große Schwierigkeiten bei der Integration in das städtische Leben hatten.73 Das Bürgerrecht erlangte nur der, der es erbte oder erwarb. Es war gebunden an Grundbesitz, Handwerkskunst oder Handel. Die akademische Ausbildung galt nicht als Voraussetzung der Erlangung der Bürgerrechte in der mittelalterlichen Stadt. Die Absolventen lebten so als Außenseiter in der städtischen Gesellschaft. Es blieb daher auch nicht aus, dass Theologen, Mediziner und Rechtskundige sich gerade durch die fehlende örtliche Bindung auch beruflich in der Art ihrer Berufsausübung von den Gewerbetreibenden unterschieden. Die Mediziner wurden trotz ihrer Außenseiterstellung gleichwohl schon frühzeitig durch die Verpflichtung auf das Gemeinwohl in ihrer Freiheit eingeschränkt. In Hildesheim gab es bereits 1440 eine Taxordnung für Barbiere, so nannte man einen Teil der Mediziner, die die kostenlose Behandlung der Armen forderte.74 Im ausgehenden Mittelalter traf es dann auch die Anwälte, von denen ebenfalls der kostenlose Beistand für Arme, aber auch eine Beschränkung ihrer Gebührenansprüche, verlangt wurde.75 Neben der Landwirtschaft (sogenannte Urproduktion) und den vor allem städtischen Erwerbsarten des Handels und Handwerks, hatte sich somit eine neue Berufssparte herausgebildet, die vielfach als eine Art Restrubrik bezeichnet und auch so behandelt wurde.76
II.
Die geistigen Berufe in der Zeit des aufkommenden Territorialstaates
Der Übergang vom Mittelalter in die Zeit des beginnenden Absolutismus hat zu tiefgreifenden Veränderungen der Gesellschaft geführt. Die Bindung an religiöse Prinzipien, die gerade im Mittelalter eine dominante Rolle gespielt hatten, wurde sukzessive gelockert und damit auch die vom Glauben geforderte Selbstbe73 74 75 76
Hermann, Die freien Berufe, S. 18. Hermann, Die freien Berufe, S. 28. Döhring, Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, S. 149. Jastrow, Freie Berufe, S. 13.
Die geistigen Berufe in der Zeit des aufkommenden Territorialstaates
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schränkung aufgegeben. Erhebliche Bedeutung kam in diesem Wandlungsprozess der Reformation mit dem aufkommenden Protestantismus zu. Der wirtschaftliche Erfolg und dessen »zur Schau tragen« bekamen zunehmend einen enormen Stellenwert und führten zu einem weitgehenden Verfall der Berufsmoral sowohl bei Kaufleuten als auch Handwerkern, Medizinern und Anwälten. Das Erwerbsstreben stand nun für viele Zeitgenossen sehr deutlich im Vordergrund ihrer Berufstätigkeit.77 Die Obrigkeit war bestrebt, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, was die ohnehin zunehmenden absolutistischen Tendenzen noch verstärkte. Die im Mittelalter zur Sicherung der Berufsstände und zur Einhaltung von Anstand und Moral gegründeten Selbstschutzorganisationen waren nun nicht mehr in der Lage, ihren eigentlichen Aufgaben gerecht zu werden, so dass ihnen von den absolutistischen Monarchen die Autonomie über ihren Berufsstand sowie das Zulassungsrecht entzogen wurden. Zu einer Verbesserung der Lage führte das jedoch keineswegs, vielmehr gab es im Zuge der sich daran anschließenden Liberalisierung überhaupt keine Zulassungskontrolle mehr. Diese Aufgabe hätte ersatzweise als staatliche Aufgabe übernommen werden müssen, wurde sie aber nicht.78 Im Gegensatz zu Handel und Handwerk wurden für angehende Mediziner und Rechtsgelehrte Zulassungsverfahren als Folge von Problemen in ihrem Geschäftsgebaren und ihren oft zweifelhaften fachlichen Leistungen eingeführt. »Juristen böse Christen« entsprach offenbar auch der Meinung der damaligen Bevölkerung über den Stand der Rechtsgelehrten.79 Deshalb war die Forderung nach Eignungsprüfungen für ihren Berufsstand fast zwangsläufig.80 Gewinnsucht und Unfähigkeit gerade unter Anwälten fanden erst ihr Ende durch das Corpus Juris Fridericianum von 1781 in Preußen, allerdings zunächst zum Preis der Abschaffung des freien Anwaltsstandes.81 An seine Stelle traten sogenannte Assistenzräte in einem staatlichen Dienstverhältnis. Die fehlende Unabhängigkeit der Assistenzräte beeinträchtigte wiederum das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, so dass durch die Allgemeine Preußische Gerichtsordnung von 1793 wieder der gebührenabhängige frei praktizierende Parteivertreter neben den weiterhin tätigen Assistenzräten als Staatsdiener eingeführt wurde.82 Das preußische Medizinaledikt von 1685 und die darauf basierende Medizinalordnung von 1725 etablierte eine oberste Gesundheitsbehörde als Prü-
77 Kraft, Die Entwicklung des Zunftwesens, S. 65ff. 78 Ebenda. 79 Schwinge, Der Jurist und sein Beruf. S. 54ff.: Dieser Ausspruch wird Martin Luther zugeschrieben. 80 Liermann, Richter, Schreiber, Advokaten, S. 1957. 81 Zum Corpus Iuris Fridericianum Gneist, Freie Advokatur, 1867, S. 4ff. 82 Noack, Kommentar zur Reichsrechtsanwaltsordnung, S. 1.
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Kulturgeschichtlicher Hintergrund der Abgrenzung
fungsbehörde für praktizierende Ärzte.83 Gleichwohl war es Ungelernten bis in das 18. Jahrhundert hinein neben studierten Medizinern gestattet, heilkundlich tätig zu sein.84 Erst mit den preußischen Prüfungsordnungen von 1825 bzw. 1852 wurde die Ausübung der Heilkunde auf geprüfte Mediziner beschränkt sowie ein »Kurier- und Taxzwang« eingeführt. Von der ehemals bestehenden Freizügigkeit auch der Mediziner blieb danach nicht mehr viel übrig, denn ihre Zulassung (Approbation) galt nur für den Staat ihres Wohnsitzes.85 Während sich bei Handwerkern und Kaufleuten eine Tendenz zur Liberalisierung mit weniger Regelwerk sowie größerer Freizügigkeit herausbildete, engten die obrigkeitlichen Eingriffe bei Ärzten und Anwälten deren Freiheiten ein. Es entstanden insoweit Bindungen zur Staatsgewalt, die Triepel86 zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu der Feststellung veranlasst haben dürften, es handele sich bei den freien Berufen lediglich um staatlich gebundene Berufe, »frei« seien sie keineswegs. Diese wiederum gegenläufige Bewegung beider Erwerbsarten konservierte letztlich auch die ohnehin schon bestehende soziologische Trennung des Handwerks, des Handels und der aufkommenden Industrie einerseits von den freien Berufen andererseits.
III.
Die französische Revolution und die Einführung der Gewerbefreiheit im Norddeutschen Bund
Die Französische Revolution von 1789 brachte mit ihrer ersten Verfassung von 1791 in Teilen Europas weitere einschneidende Änderungen in der Entwicklung von Gewerbe und intellektuell bzw. geistig geprägter Tätigkeit. Die davon ausgehenden Impulse waren auch Vorbild für die Einführung der Gewerbefreiheit im deutschsprachigen Raum. So bekannte sich die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 26. 07. 186787 zum Grundsatz der gewerblichen Freizügigkeit, die in der späteren Gewerbeordnung vom 21. 06. 186988 auch umgesetzt wurde. Damit löste man endgültig die teilweise noch fortbestehenden Ständeverfassungen des Mittelalters mit ihren Zugangsbehinderungen durch Zünfte bzw. 83 Leibbrand, Kompendium der Medizingeschichte, S. 215; Baas, Die geschichtliche Entwicklung des ärztlichen Standes und der medizinischen Wissenschaften, 1896, S. 349. 84 Baas, Die geschichtliche Entwicklung, S. 254. 85 Ebenda, S. 254. 86 Triepel, Staatsdienst und staatlich gebundener Beruf in Festschrift für Karl Binding, Bd. 2, 1911, S. 1ff. In Hessen-Nassau wurde die Heilbehandlung ganz auf beamtete Heilkundler beschränkt. 87 Braubach, Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress in Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 3, S. 69. 88 BGBl. des Norddeutschen Bundes, S. 1.
Die französische Revolution und die Einführung der Gewerbefreiheit
33
Gilden ab.89 Die Gewerbeordnung bildete einen Kompromiss zwischen den Erfahrungen mit Zulassungsbeschränkungen aus früherer Zeit sowie der vorübergehenden totalen Gewerbefreiheit, wie sie das preußische Edikt vom 02. 11. 1810 eingeführt hatte.90 Für die ehemals der Freizügigkeit unterworfenen geistigen Berufe des Arztes sowie des Rechtsanwalts galten weiterhin die Zulassungsbeschränkungen, für Rechtsanwälte das Corpus Juris Fridericianum mit der Zielrichtung, dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen.91 Tatsächlich jedoch diente die Zugangsbeschränkung auch dieses Mal wieder in erster Linie dem Wohl der Berufsträger selbst, denn ihnen wurde dadurch, ebenso wie in der Zeit der Zunftgesellschaft, unliebsame Konkurrenz ferngehalten. Handel, Handwerk und die aufkommende Industrie standen demgegenüber auf Grund der bestehenden Zulassungsfreiheit im Wettbewerb mit überregional agierenden Konkurrenten. Nur sehr wenige Berufe waren in der Lage, sich Zugangsbeschränkungen zu verschaffen.92 Erst die von Gneist mit initiierte Rechtsanwaltsordnung vom 01. 07. 1878 beseitigte den bis dahin geltenden Numerus Clausus für Rechtsanwälte in Preußen und begründete darüber hinaus eine Kammerselbstverwaltung innerhalb der Anwaltschaft.93 Da man dieser Selbstverwaltung in leidvoller Erfahrung aus der Zeit der Zünfte und Gilden nicht uneingeschränkt vertraute, wurden sie in der Rechtsanwaltsordnung unter Staatsaufsicht gestellt. Die Entwicklung dort fand dann ihre Parallele auch in der Ärzteschaft. In Preußen unterstanden Ärzte 1852 noch der Staatsaufsicht im Rahmen der Preußischen Prüfungsordnung sowie dem Tax- und Kurierzwang. Um sich von staatlichen Zwängen und Bindungen zu befreien, verzichtete man auf das Verbot der sogenannten Kurpfuscherei94, das ohnehin wirkungslos war, und strebte nach Selbstverwaltung und die Schaffung eines unabhängigen Ärztestandes. Seit 1865 wurde mit den Ärztekammergesetzen in mehreren Ländern eine der anwaltlichen Selbstverwaltung vergleichbare Struktur (in Preußen am 25. 05. 1887) geschaffen.95 Für das heutige Verständnis war ungewöhnlich, dass das Erfordernis der Approbation der Ärzte noch in § 29 der Gewerbeordnung geregelt war. Gleichwohl beschleunigten sowohl die Rechtsanwaltsordnung als 89 Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution, S. 586ff. 90 BGBl. des Norddeutschen Bundes, S. 245. Diese Gewerbeordnung stimmte im Allgemeinen mit der preußischen Gewerbeordnung vom 17. 01. 1845 überein. Dazu Rohrscheidt, Die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich, S. XIII f. 91 Grundlegend dazu die Schrift von Gneist, Freie Advokatur. 92 Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung und ergänzende Vorschriften, 11. Aufl., Bd. 1, Einl. C S. 4. 93 RGBl. 1878, S. 177. 94 Jastrow, Freie Berufe, S. 27. 95 Spann, Ärztliche Rechts- und Standeskunde, S. 16ff.
34
Kulturgeschichtlicher Hintergrund der Abgrenzung
auch die spezielle Aufnahme der Approbation in die Gewerbeordnung sowie die neuen Ärztekammergesetze die Sonderstellung und den Sonderweg der beiden später als klassisch freiberuflich angesehenen Tätigkeiten. Im 19. Jahrhundert entwickelten sich unabhängig von der Frage einer Besteuerung die Bildungs- und Gelehrtenberufe zunehmend zu sog. Expertenberufe.96 Man verlor dabei aber keineswegs die Erfahrungen aus der Vergangenheit aus dem Blick und war daher bemüht, zur Stärkung der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Tätigkeiten und zugleich als Schutz vor staatlicher Einmischung das Gewicht ihrer Außendarstellung auf gemeinwohlorientierte Wesensmerkmale und Qualifizierung zu legen.97 Allgemein wird angenommen, dass vor dem kulturhistorischen Hintergrund der Dualität geistiger Arbeit zu Handwerk und Handel die Entwicklung eines eigenen Berufsstandes dieser »Bildungsberufe« das Ergebnis einer gesellschaftspolitischen Umwälzung beginnend Ende des 18. Jahrhunderts und weitergehend im 19. Jahrhundert gewesen ist.98
96 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 112. 97 Taupitz, ebenda, S. 264. 98 Taupitz, ebenda, S. 148.
C.
Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe
Die Bildung eines von der allgemeinen Erwerbstätigkeit auch rechtlich abgegrenzten eigenen Berufsstandes fordert eine begriffliche Unterscheidung, und zwar so, dass eine Definition der jeweiligen Berufsgruppen eine zuverlässige und justitiable Abgrenzung der vom Gesetzgeber in den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgenommenen sowie von der Rechtsprechung und Finanzverwaltung als ähnlich anerkannten Berufen möglich wird. Ziel jeder Definition muss dabei sein, die präzise Abgrenzung zur Andersartigkeit nachvollziehen zu können. Die Hoffnung auf eine eindeutige Differenzierung wird allerdings von der Erkenntnis getrübt, dass der die freien Berufe sowie die anderen begünstigten selbstständigen Tätigkeiten bestimmende § 18 EStG mit seiner heterogenen Auflistung offenbar nicht nur rechtlichen Kriterien zu folgen scheint, sondern die Berufsauswahl dort auch politischen Entscheidungen unter Lobbyisteneinfluss zu verdanken ist.99 Gleichwohl versuchte man in der Vergangenheit trotz einiger Missgriffe bei der Zuordnung neben der gesellschaftlichen Stellung der geistigen Berufe auch deren Bemühungen zu berücksichtigen, den Schutz vor staatlicher Einmischung zu erhalten und das Gewicht ihres Ansehens durch gemeinwohlorientierte Wesensmerkmale sowie Qualifizierung zu stärken.100
I.
Die Gewerbebegriffe in der Rechtsordnung
1.
Der Gewerbebegriff der Gewerbeordnung
Die Gewerbeordnung als zentrales Gesetz zur öffentlich-rechtlichen Erfassung, Regelung und Überwachung gewerblicher Berufstätigkeit definiert den Begriff des Gewerbes nicht. Begründet wird das mit der Vielfalt gewerblicher Tätigkeiten. Der Gesetzgeber scheint darauf vertraut zu haben, dass der Gewerbe99 So Güroff in Littmann/Bitz/Prust, EStG, § 18 Rdnr. 126, 128. 100 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 264.
36
Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe
begriff hinreichend deutlich aus dem Regelungszweck der Gewerbeordnung abzuleiten sei.101 Man ist sich dennoch bei drei Kernelementen, die ein Gewerbe in jedem Fall charakterisieren sollen, weitgehend einig. Es sind dies eine gesetzlich erlaubte, eine auf Erwerb gerichtete sowie eine berufsmäßig ausgeübte Tätigkeit. Ausführlich formuliert findet man den Gewerbebegriff bei Landmann-Rohmer102 : »Der Gewerbebegriff weist demnach die Kriterien der selbständigen und erlaubten Tätigkeit, der Gewinnerzielungsabsicht sowie der auf Dauer angelegten Tätigkeit (Gewerbsmäßigkeit), mit den Ausnahmen der Urproduktion, der Verwaltung eigenen Vermögens und der freien Berufe (Gewerbsunfähigkeit) auf«.
Die Charakteristik des Gewerbeverständnisses in der Gewerbeordnung mit seinen allgemeinen Merkmalen schließt zunächst keine Berufstätigkeit aus, auch Arzt oder Rechtsanwalt erfüllen ihre Voraussetzungen. Beide arbeiten auf Dauer angelegt und in Erwerbs- und Einkommensabsicht. Freiberufliche Tätigkeit setzt ebenfalls eine selbständige und erlaubte Tätigkeit voraus. Grundsätzlich könnte man auch die freien Berufe mit diesen Merkmalen erfassen, wären sie nicht in negativer Abgrenzung ausgeschlossen. Verwirrung schafft der in Klammern gesetzte Zusatz »Gewerbsunfähigkeit«. Die Verwendung der Begriffe »gewerbsmäßig« für eine auf Dauer ausgerichteten Tätigkeit und »Gewerbsunfähigkeit« für ebenfalls in dauerhafter Absicht tätige Freiberufler ist äußerst unglücklich und sollte daher überprüft werden. Auch der Bundesgerichtshof103 sowie ähnlich das Bundesverwaltungsgericht104 verwenden Definitionen, die inhaltlich keine wesentlich anderen Erkenntnisse vermitteln können. Sie verstehen unter einem Gewerbe jede erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit, ausgenommen die Urproduktion, freie Berufe und die bloße Verwaltung eigenen Vermögens.105 In § 6 Abs. 1 GewO werden Tätigkeiten benannt, die aus dem Geltungsbereich der Gewerbeordnung ausdrücklich auszuklammern sind. Dazu zählen unter anderem die Fischerei, die Errichtung und Verlegung von Apotheken, das gesamte privatrechtliche Unterrichtswesen sowie die Tätigkeit von Rechtsanwälten und Notaren. Die Land- und Forstwirtschaft als Urproduktion gehört nicht zu den gewerblichen Tätigkeiten, auch wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt 101 Friauf in Friauf, Gewerbeordnung, Bd. 1, Rdnr. 22. 102 Eisenmenger in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung Bd. 1, § 1 Rdnr. 6. 103 BGH NVwZ 1953, S. 773 sowie BGH DÖV 1993, S. 616. Diese Definition ist jedoch keineswegs festgeschrieben. Variationen finden sich im Zusammenhang mit der Definition des Unternehmens in § 14 BGB (BGH NJW 2006, S. 2250). 104 BVerwG vom 26. 01. 1993–1C 25/91. 105 Frotscher, Wirtschaftsverfassung- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 110.
Die Gewerbebegriffe in der Rechtsordnung
37
wurde.106 Der Berufskatalog in § 6 GewO könnte vermuten lassen, dass wegen seiner Fassung als Ausnahmeregelung von einem weiten Gewerbebegriff einschließlich aller freien Berufe innerhalb der Gewerbeordnung auszugehen sei. Das aber ist unklar, immerhin vermeidet § 6 GewO eventuelle Zweifel in der Gesetzesanwendung.107
2.
Der steuerrechtliche Gewerbebegriff
Die Suche nach einem für alle Bereiche gültigen Gewerbebegriff führt zwangsläufig zum Steuerrecht, wo er für Unternehmen die größte Relevanz zeigt. Die Gewerbedefinition im Steuerrecht geht auf die Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts108 sowie der des Reichsfinanzhofs109 zurück. Auf der Grundlage der Gewerbesteuerdurchführungsverordnung von 1977 (GewStDVO 77) wurde nach Gründung der Bundesrepublik zunächst das Merkmal der wirtschaftlichen Selbstständigkeit des Betreibers einer Erwerbstätigkeit im Gegensatz zum Arbeitnehmerverhältnis vorausgesetzt. Ihre Nachhaltigkeit, die Absicht, Gewinn zu erzielen sowie die allgemeine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr komplettierten die damals gebräuchliche Definition. Der Bundesfinanzhof110 entwickelte eine ausführlichere Version des Gewerbebegriffes: »Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts ist.«
Diese ebenfalls an der Gewerbesteuerdurchführungsverordnung angelehnte Definition erfasst mit seinem Wortlaut praktisch jede Erwerbstätigkeit, allerdings grenzt sie ausdrücklich alle freien Berufe sowie die Land- und Forstwirtschaft aus. Die erste und noch geltende gesetzliche Definition in § 15 Abs. 2 EStG knüpft daran an.111 Jede 106 Eisenmenger in Landmann/Rohmer, 2017, § 1 Rdr. 31 Problematisch wird diese Abgrenzung steuerrechtlich dann, wenn der Zukauf von Fremderzeugnissen die Produktion oder den Absatz erheblich beeinflusst (BFH BStBl. 1960 III, S. 460). 107 Marcks in Landmann/Rohmer, § 6 Rdnr. 2; Friauf in Friauf, GewO, § 1 Rdnr. 22. 108 Preußisches OVG St. 6, S. 385 sowie 10, S. 382. 109 RFHE 28, S. 21, 26. 110 BFH BStBl. 1973 II, S. 260. 111 Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 50.
38
Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe
»selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist«.
Die Abgabenordnung (AO)112 definiert in § 14 den »Geschäftsbetrieb«, der dem Gewerbebegriff entsprechen soll: »Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht.«
§ 14 S. 2 AO ergänzt dann noch: »Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich«.
Das Steuerrecht ist bestrebt, den Gewerbetreibenden und alle Einnahmen erzielenden Berufstätigen möglichst lückenlos zu erfassen. Deshalb ist es konsequent, nicht auf das Kriterium der rechtmäßigen Erwerbstätigkeit abzustellen.113 Man denkt hier unweigerlich an die alte lateinische Phrase »pecunia non olet«, was nichts anderes als »Geld stinkt nicht« heißt. So bestimmt § 40 AO, dass es für die Besteuerung unerheblich ist, ob die Erwerbstätigkeit gesetz- oder sittenwidrig ist. Dieser Widerspruch zum Gewerbeverständnis der Gewerbeordnung leitet sich aus der unterschiedlichen Zweckrichtung ab, die Gewerbeordnung ist dem Sicherheits- und Ordnungsrecht zuzuordnen, das Steuerrecht regelt die Einnahmeerzielung des Staates. Blendet man allerdings die Frage nach der Zulässigkeit der Berufstätigkeit aus, so bestehen keine Unterschiede zum Gewerbebegriff der Gewerbeordnung mehr, zumal auch die Land- und Forstwirtschaft als gesonderte Einkunftsart in § 2 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannt und daher dem Gewerbebegriff entzogen ist.
3.
Der handelsrechtliche Gewerbebegriff
Das Handelsrecht stellt ebenfalls die Gewinnerzielungsabsicht (Streben nach Erwerb), das Merkmal der Nachhaltigkeit sowie eine planmäßige Geschäftstätigkeit als entscheidende Kriterien eines Handelsgewerbes in den Vordergrund.114 Das Handelsgewerbe gilt als spezifische Ausprägung des allgemeineren 112 Abgabenordnung i. d. F.vom 01. 10. 2002 BGBl. I S. 3866 ber. 2003, S. 61, zul. geä. 18. 07. 2017, BGBl. I, S. 2745. 113 BVerfG NJW 1996, S. 2086f. 114 Hopt in Baumbach – Hopt, Handelsgesetzbuch, § 1 Rdnr. 15.
Die Gewerbebegriffe in der Rechtsordnung
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Gewerbes115, Handelsrecht ist daher Sonderrecht des Kaufmanns.116 Ein Gewerbe wird zum Handelsgewerbe, wenn es nach Art und Umfang einen kaufmännischen Betrieb fordert.117 Ganz selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass dieser Gewerbebegriff die freien Berufe ausklammert118 Die Abgrenzungsfrage des Kaufmanns zur freiberuflichen Tätigkeit und/oder anderen Erwerbsbereichen stellt sich deshalb ebenso wie im Verhältnis freier Beruf zum Gewerbebetrieb. Die geltende Rechtslage, die sich auf einer historisch gewachsenen Tradition sowie der Verkehrsanschauung gründet119, wird allerdings rechtspolitisch in ihrer Tragfähigkeit von Teilen der Literatur in Frage gestellt.120
4.
Der kartellrechtliche Gewerbebegriff
Die schon im Gewerberecht, Steuerrecht und Handelsrecht vorausgesetzte Wesensverschiedenheit der freien Berufe gegenüber dem Gewerbe/Handelsgewerbe wird auch in der kartellrechtlichen Diskussion kaum angezweifelt.121 Das GWB kennt aber den Begriff des Gewerbes oder gewerblicher Tätigkeit in Abgrenzung zur Freiberuflichkeit nicht (mehr). Es knüpft immer an die unternehmerische Tätigkeit an und bedient sich statt des Gewerbes des Begriffs des Unternehmens, der Anknüpfungspunkt für alle Regelungen im Gesetz ist.122 Das Gewerbliche an einer Tätigkeit soll hier das unternehmerische, die nachhaltige Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr in Form der Selbstständigkeit sein, soweit diese im Erwerbsleben stattfindet.123 Nach dieser Beschreibung müsste damit auch jede freiberufliche Tätigkeit vom GWB erfasst werden. So hat auch das Kammergerichts Berlin im Jahr 1976124 entschieden und sich für die grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auch auf freie Berufe stark gemacht. 115 Schmidt in Münchener Kommentar, Handelsgesetzbuch, vor § 1 Rdnr. 75: »Sonderprivatrecht für die Außenbeziehungen«. 116 Röhricht in Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB-Kommentar, § 1 Rdnr. 11. 117 Hopt in Baumbach-Hopt, § 1 Rdnr. 22f. 118 Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., 2016, § 1 Rdnr. 21. Hopt in Baumbach-Hopt, § 1 Rdnr. 19, Ruß in Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 7. Aufl., 2007, S. 74 Rdnr. 27ff. 119 Hopt in Baumbach-Hopt, § 1 Rdnr. 19. 120 Schmidt, Bemerkungen und Vorschläge, DB 1994, S. 515f.; Hopt in Baumbach-Hopt, § 1 Rdnr. 19. Roth in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 1 Rdnr. 13 hält die Anwendung einzelner Vorschriften des HGB auf freie Berufe für möglich. 121 Rittner, Unternehmen und freier Beruf, S. 3. 122 Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB-Kommentar, § 1 Rdnr. 85; Bechthold, GWBKommentar, § 1 Rdnr. 8; Rittner, Unternehmen und freier Beruf, S. 3. 123 Gelhausen, Die staatlich gebundenen Berufe und das Kartellrecht, S. 88f. 124 NJW 1976, S. 1798f.
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Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe
Da das Kartellrecht vor allem den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr schützen soll, sei eine Ableitung der gewerblichen Tätigkeit aus den Gewerbebegriffen der Gewerbeordnung, des Steuerrechts oder auch des Handelsrechts nicht möglich.125 Selbst innerhalb des GWB könne man, so Zimmer126, keinen einheitlichen Unternehmensbegriff vorfinden. Für kartellrechtliche Belange dürfte es ohnehin völlig ausreichen, für die Gesetzesanwendung losgelöst von der Frage der »Gewerblichkeit« jede Tätigkeit auf dem »Markt« gelten zu lassen.127 Der so funktional geprägte Unternehmensbegriff128 benötigt ohnehin keine Merkmale, die mit einer Ausstattung an sächlichen oder personellen Produktionselementen verknüpft sind. Einige Berufstätigkeiten, zu denen unter anderem auch die der Rechtsanwälte und Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Seelotsen gehören, werden demzufolge im Kartellrecht, anders als in § 6 der Gewerbeordnung und im Steuerrecht, vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgegrenzt. Betriebswirtschaftlich wird für das »Unternehmen« statt der im Kartellrecht oder im Recht allgemein bevorzugten funktionalen Beschreibung eine tendenziell gegenständliche Definition benutzt und wohl auch benötigt.129 Mit dem rechtswissenschaftlich verstandenen Unternehmensbegriff scheint jedenfalls eine Erfassung der beiden sich angeblich ausschließenden beruflichen Tätigkeiten »freier Beruf« und »Gewerbe« durchaus möglich zu sein.
5.
Der zivil- und verfassungsrechtliche Gewerbebegriff
Verfassungsrecht und Zivilrecht verwenden den Gewerbebegriff zur Beschreibung eines Schutzgutes, dessen Beeinträchtigung bei rechtswidrigen staatlichen Eingriffen bzw. privatrechtlichen unerlaubten Handlungen im Sinne der § 823ff. BGB Entschädigung bzw. Schadenersatz gewährleisten soll. Art. 14 GG gewährt Schutz gegen staatliche Eingriffe in das Eigentum der Bürger. Die Vorschriften der §§ 903ff. BGB beantworten die Frage, was unter Eigentum zu verstehen ist und wem Eigentum an beweglichen Gütern zusteht. Die Rechte an unbeweglichen Sachen (Immobilien) regeln die §§ 873ff. BGB. Gegen rechtswidrige Eingriffe in diese Rechte an »Sachen« gibt es gesetzlichen Schutz. Nicht ausdrücklich geschützt wird jedoch eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Organisations- und Funktionsgefüges eines Betriebes oder Unternehmens, der/das aus zahlreichen zusammenwirkenden Betriebsmitteln be125 So BGHZ 31, S. 105,108 und Rinck, Wirtschaftsrecht, Rdnr. 774. In diesem Sinn auch heute Brosch in Bechthold/Brosch, GWB, § 1 Rdnr. 6. 126 In Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1Rdnr. 27, ähnlich auch Bechthold, GWB, § 1 Rdnr. 6. 127 So Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rdnr. 85. 128 Ebenda. 129 Dazu Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, S. 381.
Die Gewerbebegriffe in der Rechtsordnung
41
steht, zu denen unter anderem Produktionsanlagen, Geschäftsverbindungen, Beschäftigungsverhältnisse und das Know-how gehören. Sie bilden durch ihre Verknüpfung als »Bündel an Rechten« aus einer Betriebsmittelgesamtheit einen zusätzlichen Wert über deren reinen Sachwert hinaus.130 Die Rechtsprechung hatte immer dann Probleme, wenn der Schaden der Entziehung oder Beschädigung einzelner Sachen oder die Störung eines Gewerbebetriebs im Ganzen erst im Kontext einer Sachgesamtheit, also des Gewerbebetriebs zu ermitteln ist.131 Weil man aber auch für derartige Schadensfälle in bestimmten Fallkonstellationen dem Geschädigten Ersatz zusprechen wollte, wurde die Rechtsfigur des Schutzgutes »eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb« entwickelt und weiter präzisiert.132 Heute verwendet man auch den Begriff des Schutzgutes »Unternehmen«.133 Offenbar soll damit von vornherein klargestellt werden, dass darunter jede Erwerbstätigkeit einschließlich der freien Berufe subsumiert werden kann. Ob man dieses Rechtsgut zur Lückenfüllung, als Auffangtatbestand oder gemäß § 823 Abs. 1 BGB unmittelbar als »sonstiges Recht« schützt, spielt für die Praxis keine Rolle. Der Unternehmensbegriff taucht ebenso wie die »gewerbliche oder selbstständige« berufliche Tätigkeit noch in § 14 Abs. 1 BGB auf. Er wird vom Gesetzeszweck des Bürgerlichen Gesetzbuchs allgemein und funktional lediglich als Antipode zum schutzbedürftigen »Verbraucher« (§13 BGB) gesehen.134 Der Gewerbebegriff hat auch im Regelungsgefüge der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern Relevanz. Das Grundgesetz zählt in Art. 74 Nr. 11 das Gewerbe als Teilbereich der Wirtschaft zu den Gegenständen der konkurrierenden Gesetzgebung, so dass sich daraus die Frage ableitet, wem dann die Gesetzgebungskompetenz für freie Berufe zusteht. Unter Gewerbe wird an dieser Stelle eine nachhaltig angelegte und zur Gewinnerzielung betriebene Tätigkeit verstanden.135 Dieser Begriff schließt auch die zur Klarstellung gesondert aufgeführten Bereiche Handel, Handwerk und Industrie mit ein. Art. 74 Nr. 11 GG wiederum knüpft an den Gewerbegriff des Gewerberechts an. Seit der Novellierung des Art. 74 GG136 werden Apotheken in Nr. 19 gesondert erwähnt.
130 BGH NJW RR 2005, S. 1175, 1177. 131 Michael/Morlock Grundrechte, Rdnr. 383; Wendt in Sachs, GG-Kommentar, Rdnr. 67. Gröpl inGröpl/Windthorst/von Coelln, GG- Studienkommentar, Art. 14 Rdnr.28: Es müsse über den Wert der einzelnen Gegenstände hinausgehen. 132 BGHZ 111, S. 349, 356 sowie BVerwGE 8, S. 49, 54; 67, S. 93, 96; Depenheuer/Froese in von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7.Aufl., 2018, Art. 14 Rdnr. 135. 133 Gröpl, in Gröpl/Windthorst/v. Coelln, GG, Art. 14 Rdnr. 26. 134 Ellenberger in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 14 Rdnr. 1f. 135 BVerwGE74, S. 129, 137; BVerfGE 41, S. 344, 352f.; 68, S. 319, 328f.; Windthorst in Gröpl/ Windthorst/von Coelln, GG, Art. 74 Rdnr. 35. 136 Föderalismusreform 2006, BT-Drucks. 16/813 S. 13.
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Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe
Geklärt ist auch, dass freie Berufe, insbesondere auch alle Heilberufe (Art. 74 Nr. 19 GG), von der konkurrierenden Gesetzgebung erfasst werden.137
II.
Die Abgrenzungseignung der positiven Merkmale des Gewerbebegriffs
In den verschiedenen Definitionen des Begriffs »Gewerbe« finden sich weitgehend übereinstimmende Merkmale. Das sind die selbstständige und nachhaltige geschäftliche Tätigkeit und die Gewinnerzielungsabsicht. Zum eigentlichen Kern des Unternehmens- oder Gewerbebegriffs gehört zweifellos die nachhaltige Tätigkeit im Geschäftsverkehr. Eine Besonderheit des Gewerbes gegenüber freien Berufen kann darin jedoch nicht gesehen werden. Wenn aber der Kernbereich eines Begriffs nicht gegenüber Andersartigem hinreichend abgrenzungsfähig ist, muss man im Randbereich nach Differenzierungskriterien suchen.138 Eine Begriffsdefinition macht nur Sinn, wenn sie sich in »pathologischen« Fällen bewähren kann.139 Ist sie dazu nicht in der Lage, kann sie als überflüssig abgetan werden. Der »Randbereich« des Gewerbebegriffs wird aber zur Definition des Gewerbes lediglich durch eine bloße negative Abgrenzung anderer ihm nicht zugeordneter Berufe (freie Berufe sowie Land- und Forstwirtschaft) besetzt. Das könnte dann hilfreich sein, wenn diese Tätigkeiten ihrerseits klar definierbar wären. War man früher insoweit noch der Meinung, vor allem mit der idealistischen Komponente einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht als Ausfluss einer Gemeinwohlverpflichtung sei es möglich, den Gewerbetreibenden eindeutig vom freiberuflich Tätigen zu unterscheiden, so hat die Lebenswirklichkeit diese Vorstellung als Illusion entlarvt.140 Auch die Ausübung eines freien Berufes, selbst wenn er künstlerischer Natur ist, sollte den Berufsträger und seine Familie ernähren können.
137 138 139 140
BVerfGE 106, S. 62, 107f. Schmidt-Liebig, »Gewerbe« im Steuerrecht, S. 215. Buhl, Zur Problematik des Arbeitnehmerbegriffs, S. 3. Sie wird auch vom Bundesverfassungsgericht nicht mehr als Abgrenzungskriterium innerhalb der Wesensmerkmale verwendet, BVerfGE 120, S. 1.
Die Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit
III.
Die Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit
1.
Freiberufliche Wesensmerkmale
43
Die Suche nach einer zur Abgrenzung freier Berufe vom Gewerbe geeigneten Definition des Gewerbes ist erfolglos geblieben. Soweit Schachtschneider gemeint hat141, aus den Merkmalen des Gewerbebegriffs lasse sich keine Definition im Sinne eines eindeutig abgrenzbaren Begriffs herleiten, kann dem allerdings nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Erst durch die Abspaltung der freien Berufe und des begrifflichen Eigenlebens von Land- und Forstwirtschaft innerhalb der Erwerbstätigkeiten sind die Abgrenzungs- und damit auch die Definitionsprobleme entstanden. Der Gewerbebegriff selbst ohne Ausgrenzung der freien Berufe wäre klar und eindeutig. Würde man unter gewerblicher Tätigkeit jede »Erwerbstätigkeit« verstehen, gäbe es keinerlei Definitionsprobleme. Die freien Berufe als »Restrubrik« aller Berufstätigkeiten zu bezeichnen, wie Jastrow142 dies getan hat, kann daher auch nicht richtig sein. Ihnen werden zusätzlich Eigenschaften über die bloße Gewerblichkeit hinaus angeheftet, die sie »spezieller« als das Gewerbe machen. Karl Bräuer143 hatte 1929 die freien Berufe in vergleichbarer Diktion als »großen Topf« bezeichnet, »in dem man alles unterzubringen versucht, was in die bekannten übrigen Gruppen von Berufstätigen nicht hineinpasst«. Das dürfte ebenfalls eine unzutreffende Sicht der Dinge sein. Theodor Heuß hat freie Berufe dagegen »nur eine überlieferte Sprachgewöhnung« genannt, »mit der man in concreto nicht viel anfangen kann«. Offenkundig ist, dass das Gewerbe mit Handwerk und Handel zunächst die alles umfassende »Urform« der früheren städtischen Erwerbstätigkeit war. Die Land- und Forstwirtschaft ist die ländliche Erwerbsquelle und lässt sich wegen der Bindung an Erträge aus und mit der Natur leicht definieren und abgrenzen. Der Rückblick in die Historie hat gezeigt, dass Tätigkeiten, die man heute als freiberuflich bezeichnet, zunächst in einer Art städtischen »Parallelwelt« entstanden sind. Ihnen ist es erst nach Beginn der Qualifizierung durch die Gründung von Universitäten gelungen, eine gewisse gesellschaftliche Anerkennung und damit auch eine »Besonderheit« innerhalb der Erwerbstätigkeiten zu erlangen. Gleichwohl passten sie nicht in die städtische Zunftordnung. So entstand zwangsläufig eine Berufskategorie, die in der Folgezeit auch organisatorisch und in der gesellschaftlichen Anerkennung zunehmend ein Eigenleben führte. 141 Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 27. 142 Freie Berufe und Gewerbesteuer, S. 52. 143 Die Frage einer Heranziehung der Ärzte zur Gewerbesteuer, S. 53.
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Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe
Das Bundesverfassungsgericht bestätigt in der Entscheidung vom 15. 01. 2008 die hier ebenfalls gewonnene Erkenntnis, dass die freien Berufe, die ihnen ähnlichen Tätigkeiten und die Land- und Forstwirte allesamt Merkmale aufweisen, welche auch die Gewerbesteuer entrichtenden Gewerbetreibenden kennzeichnen. Es zählt dazu die Gewinnerzielungsabsicht, die selbstständige und nachhaltige Tätigkeit sowie die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.144 Das liest sich wie eine einschränkungslose Vergleichbarkeit beider Berufsgruppen. Die Rechtfertigung der Entlastung der freien Berufe von der Gewerbesteuer wähnt der entscheidende Erste Senat dann jedoch in zusätzlich bestehenden Besonderheiten. Sie liegen nach Meinung des Gerichts in der »besonderen« Ausbildung, der »staatlichen und berufsautonomen Regelung ihrer Berufsausübung«, ihrer »Stellung im Sozialgefüge«, der »Art und Weise der Erbringung ihrer Dienstleistungen« und letztlich auch in dem Umfang bzw. in der Unterschiedlichkeit des »Einsatzes der Produktionsmittel Arbeit und Kapital«.145 Der Gewerbebetrieb, so das Gericht, werde in erster Linie mit seinen auf Produktionsmittel und Kapital gegründeten Finanzquellen gewerbesteuerlich erfasst, die freien Berufe seien dagegen wegen ihrer Besonderheiten in der beruflichen Qualifikation von der Gewerbesteuer freigestellt. Natürlich hat es die maßgebenden persönlichen Verhältnisse des freiberuflich Tätigen näher konkretisiert.146 Diese sollen im Regelfall ihre akademische Ausbildung sein, ihre schöpferische Begabung jeweils als Voraussetzung für das Erlernen des Berufs, die besondere Bedeutung der persönlichen, eigenverantwortlichen und fachlich unabhängigen Erbringung der Arbeit, verbunden mit einem häufig höchstpersönlichen Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber. An diesen Merkmalen der Beschreibung freiberuflicher Tätigkeit orientiert sich auch die Soziologie. Dort wird allerdings den freien Berufen in Abgrenzung zum Gewerbe noch ein »gemäßigtes« Gewinnstreben zugeschrieben.147 Die dem Träger eines freien Berufs allgemein anhaftenden persönlichen Besonderheiten, die ihn von Gewerbetreibenden unterscheiden sollen, entsprechen den Merkmalen, mit denen die dargestellten Berufsbilder der beiden klassischen Vertreter der Gruppe der freien Berufe beschrieben werden, nämlich Ärzte und Rechtsanwälte. Sie haben demnach auch für das Verfassungsgericht Modellcharakter für alle Tätigkeiten, die bereits als freiberuflich anerkannt sind oder ebenfalls den Status eines ähnlichen Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG für sich in Anspruch nehmen. Damit sind insoweit Merkmale vorgegeben, die 144 145 146 147
BVerfGE 120, S. 1, 31. Ebenda. BVerfG E 120, S. 1, 35. Hommerich, Die Freien Berufe und das Vertrauen, S. 36: »In dieser Mäßigung grenzt sich der Freie Beruf vom Gewerbe ab.«
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auch eine Definition ermöglichen müssten und die sich in den zahlreichen Abgrenzungsentscheidungen der Finanzgerichte, des Bundesfinanzhofs, der Verwaltungsgerichte sowie des Bundesverwaltungsgerichts wiederfinden lassen. Auf eine Kurzformel gebracht, sollte der Berufsträger eines freien Berufs eine Erwerbstätigkeit mit zusätzlichen Merkmalen ausüben, die in ihrer Gesamtheit so bei gewerblichen Berufen nicht vorkommen148. Dies ist eine Beschreibung, die auch in Anlehnung an die negative Ausgrenzung der freien Berufe aus dem Gewerbe bei Jastrow149 zu finden ist. Die vom Bundesverfassungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung genannten Besonderheiten der klassischen Freiberuflichkeit kommen in vergleichbarer Ausprägung auch in verschiedenen anderen Definitionsversuchen mit ganz unterschiedlicher Schwerpunktbildung vor. Ganster hat mehrere Varianten aus der dazu üppigen Literatur zusammengestellt.150 Das Bundesverfassungsgericht selbst geht jedoch schon von Beginn seiner Rechtsprechung an zur Abgrenzung beider Berufsgruppen davon aus, dass es unmöglich sei, einen Rechtsbegriff für das Berufsbild der freien Berufe zu formulieren. So liest man in den Entscheidungen immer wieder151, der freie Beruf sei kein Rechtsbegriff, er sei lediglich ein »soziologischer Begriff«. Man fragt sich dann zu Recht, wie es gelingen soll, nur mit einem soziologischen Begriff, der nichts anderes sein kann, als die Beschreibung eines soziologischen Phänomens, eine rechtsstaatlich einwandfreie und von dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden her brauchbare Abgrenzung zu anderen nicht begünstigten Berufen zu finden.152 Wenn man bestimmte Tätigkeiten in soziologisch geprägte Kategorien einordnet, zeigt das zunächst nur, dieses Phänomen als gesellschaftliche Besonderheit erkannt und in einem Zusammenhang mit anderen Sachverhalten geordnet zu haben. Nicht überraschen kann dabei, dass sich auch die soziologische Forschung an dieser Beschreibung des Begriffs freiberuflicher Arbeit orientiert, ohne allerdings immer das Kriterium der wissenschaftlichen bzw. höherwertigen Tätigkeit in den Vordergrund zu stellen.153 Gleichwohl hat es in der Vergangenheit Versuche gegeben, den »freien Beruf« über einen Rechts- oder Klassenbegriff zu definieren. Bei Fleischmann liest sich das wie folgt154 :
Hartmann/Böttcher/Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, 1969, § 18 Anm. 4 a. Freie Berufe, S. 52. Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 533 dort Fn 7. BVerfGE 10, S. 354, 364. Nachhaltige Zweifel bei Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 696; Caspers, Die Besteuerung freiberuflicher Einkünfte, S. 121, 122f. 153 Adler, Berufsbetreuer als freier Beruf, S. 39 m.w.N. 154 Die freien Berufe, S. 92f.
148 149 150 151 152
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»Einen freien Beruf übt demnach in erster Linie aus, wer als Selbständiger auf geistiger Grundlage unter Einsatz der eigenen Persönlichkeit im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses tätig ist und dabei in geistig-ethischer und sachlicher Unabhängigkeit von privaten und staatlichen Weisungen und Anordnungen unter besonderer Verantwortung für das Gemeinwohl in erster Linie ideellen gemeinschaftswichtigen Zwecken dient.«
Damit werden die Konturen nicht unbedingt schärfer, dennoch meint Fleischmann, sein so definierter Begriff finde sich in den einschlägigen Berufsgesetzen wieder und es handele sich dabei um einen »materialen Rechtsbegriff« mit einem umfassenden Sinngehalt. Er habe damit die Merkmale des Berufs genau umschrieben, sie seien deshalb geeignet, den freien Beruf von ähnlich gestalteten gewerblichen oder amtlichen Berufen abzugrenzen. Die Beschreibung freiberuflicher Arbeit als rechtliches Phänomen orientiert sich ebenso wie bei Fleischmann häufig statt an der aktuellen Lebenswirklichkeit eher an überlieferten und traditionell geformten Eigenschaften und wendet so bedauerlicherweise immer den Blick rückwärts. Die Entwicklung in der Realität, allein schon durch die Zusammensetzung des Berufskatalogs sowie die von der Rechtsprechung oder Finanzverwaltung anerkannten ähnlichen Berufe, läuft dieser Tradition davon. Eine Definition muss, um realen Verhältnissen zu entsprechen, auf einer zeitnahen sozialwissenschaftlich gesteuerten Feststellung der Wesensmerkmale und der sozialen Einbindung der Berufe in der Gesellschaft anknüpfen. Sie darf nicht aus dem »Sollen«, sondern muss aus dem »Sein« hergeleitet werden. Der Rückgriff auf eine geistig-ethische Komponente, wie sie beispielsweise Fleischmann in seiner Definition verwendet hatte, war schon zu seiner Zeit durch den Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG überholt. Eine weitere Schwierigkeit besteht eben darin, dass die einzelnen Begriffselemente immer dem Berufsbild der klassisch freiberuflichen Tätigkeiten des Rechtsanwalts sowie des Arztes bzw. Zahnarztes mit allen ihren Wesensmerkmalen nahekommen sollten.155 Diese gelten für alle Berufsbilder freier Berufe als repräsentativ, sie bilden deren ideale Ausprägung. Apotheker kommen in ihrem Berufsbild diesen Einzelmerkmalen einer Definition und dem Leitbild freier Berufe sehr nahe, werden aber dennoch nur berufsrechtlich, nicht aber steuerrechtlich als freiberuflich anerkannt. Weshalb sie dann doch berufsrechtlich als freiberuflich gelten und Mitglied im Berufsverband der freien Berufe sind, wird zu untersuchen und zu bewerten sein. Die Begründung eines eigenen berufsrechtlich relevanten Begriffs mag dem subjektiven Zusammengehörigkeitsgefühl dienen, darf aber zu keinem mit rechtlichen Konsequenzen verknüpften Automatismus führen und hilft so letztlich auch nicht weiter. Aber welche Merkmale eignen sich zu einer einheitlich rechtlich relevanten 155 So auch Taupitz, Die Standesordnungen, S. 34: Sie »fungieren als Archetyp«.
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und auch praktikablen und rechtsstaatlich akzeptablen Abgrenzung? Die Steuerrechtsprechung hat sich einen Spielraum dadurch geschaffen, dass sie den Auffangtatbestand »ähnlicher Berufe« in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht aus dem Vorhandensein allgemeiner Wesensmerkmale ableitet, sondern mit jeweiligen Vergleichen zu einzelnen Katalogberufen prüft. Sie umgeht damit die Notwendigkeit einer allgemeingültigen Definition. Praktiziert wurde diese Art der Abgrenzung schon vom Reichsfinanzhof156 und in seiner Nachfolge auch vom Bundesfinanzhof157. Danach gewinnt man aus den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Katalogberufen selbst keine allgemeingültigen, als freiberuflich zu charakterisierenden Merkmale, um die Frage nach einer Ähnlichkeit zu beantworten. Beide Gerichte hatten anerkannt, dass die Abgrenzung der freien Berufe von Gewerbebetrieben mit Hilfe der Wesensmerkmale aller Katalogberufe auf Grund ihrer Vielfältigkeit zunehmend schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich geworden ist. Fleischmann158 meinte deshalb auch, die Gerichte wollten mit diesen Hinweisen auf die Unmaßgeblichkeit allgemeiner Berufsmerkmale und der Suche nach einer Ähnlichkeit, die sich lediglich an einem der Katalogberufe zu orientieren habe, nicht nur vor den Definitionsproblemen kapitulieren, sondern auch einer uferlosen Ausdehnung der Begünstigung zuvorkommen. Zweifel sind angebracht, ob allein die Orientierung am Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit dann zwangsläufigen Einzelvergleichen bessere Ergebnisse im Sinne einer Begrenzung der Anerkennung liefern kann. Die Merkmale der beiden historisch als klassisch freiberuflich zu wertenden Tätigkeiten des Arztes und des Rechtsanwalts werden durch diese Art der Rechtsfindung zunehmend als Leitbilder bedeutungslos. Wenn man Wesensmerkmale erkannt hat, dürfte es vielmehr zwingend sein, sich daran auch zu orientieren, um eine bessere Justitiabilität zu erreichen.159 Fleischmanns Bemühungen um eine Definition waren geleitet von der wohl auch richtigen Erkenntnis, dem Gleichbehandlungsgrundsatz könne man nur mit einer Definition und nicht mit Einzelvergleichen von Berufstätigkeiten gerecht werden.160 Das Bundesverfassungsgericht belässt es nicht bei seinem Hinweis auf den soziologischen Begriff, es arbeitet vielmehr noch in der letzten Entscheidung 2008 zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Gewerbebesteuerung Wesensmerkmale der freien Berufe heraus, die aus seiner Sicht maßgeblich die Abgrenzung zum Gewerbe bestimmen sollen.161 Man muss sich deshalb zunächst 156 RStBl. 1939, S. 576. 157 BStBl. 1964 III, S. 136f.; 1974, S. 447, 448;141, S. 505, 506; 180, S. 316, 321. 158 Die freien Berufe, S. 21. Zustimmung erhält diese Rechtsprechung von Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 533. 159 Moeren, Zum Begriff »freie Berufe«, FR 1956, S. 340f. 160 Die freien Berufe, S. 21f. 161 BVerfGE 120, S. 1, 35.
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mit der Sichtung der den freien Berufen zugeschriebenen besonderen Wesensmerkmale in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts befassen, wie sie von ihm als relevant für die Abgrenzung gesehen wurden162 und auch jetzt noch werden.163.
2.
Die einzelnen Wesensmerkmale
a.
Die idealistische Berufskomponente – Besondere Stellung im Sozialgefüge
Früher wurden in fast allen Abgrenzungs- oder Definitionsversuchen die mehr oder minder von Idealismus geprägte Berufseinstellung als ein allgemeines und übergeordnetes Merkmal freiberuflichen Wirkens gesehen.164 Möglicherweise entspricht die idealistische Berufskomponente zumindest teilweise auch dem vom Bundesverfassungsgericht selbst mit der »Stellung im Sozialgefüge« formulierten Abgrenzungsmerkmal, obwohl es an der idealistischen Komponente so nicht mehr festhalten will. Naheliegend ist, dass sich das Bild der freien Berufe vor allem durch die Bemühungen ihrer Berufsverbände, die Besonderheit ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit mit idealistisch geprägten Beschreibungen darzustellen, entwickelt hat.165 Die Confederation internationale des Travailleurs (CITI) hatte bereits 1959 anlässlich eines Treffens deutscher und französischer Angehöriger freier Berufe Freiberuflichkeit als intellektuelle Tätigkeit unter Einsatz des Wissens und der schöpferischen Gabe in völliger Unabhängigkeit um der Leistung willen und ohne jede Unterordnung beschrieben.166 In einer Stellungnahme des deutschen Bundesverbandes freier Berufe wurde seinerzeit diese Einschätzung des Wesens der vom Verband vertretenen freien Berufe begrüßt.167 Ihre Tätigkeit erfolge »um dieser selbst willen unter Hintanstellung des Gewinnstrebens«. Die besondere ethische Verpflichtung in der Berufsausübung und die daraus resultierende Zurückhaltung in der Verfolgung wirtschaftlicher Ziele wurde ihnen auch vom Reichsgericht168 attestiert: 162 BVerfGE 46, S. 224, 240. 163 So zuletzt BVerfGE 120, S. 1, 31. 164 Feuchtwanger, Der Staat und die freien Berufe, S. 10; Fleischmann, Die freien Berufe, S. 53; Hermann, »Die freien Berufe«. Herkunft, Wandlung und heutiger Inhalt des Begriffs, S. 97f. 165 In diesem Sinn auch Taupitz, Die Standesordnungen, S. 112f. 166 Veröffentlicht in: Das geistige Kapital, Heft 1, 1959, S. 14. 167 Gutachten des Bundesverbandes der freien Berufe zur Frage der Gewerbesteuerpflicht von prüfenden und beratenden Berufen bei der Beschäftigung qualifizierter Angestellter v. 23. 06. 1958, abgedruckt in einem Beiheft zu »Das geistige Kapital« 1958. 168 RGZ 66, S. 143, 148.
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»Nach den Sittenanschauungen nicht nur der sonst höhergebildeten Volkskreise, sondern des gesamten deutschen Volkes stehen die allgemeinen Interessen dienenden Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts über dem Niveau einer Gelderwerbstätigkeit und dürfen auf die Stufe eines gewerblichen Unternehmens nicht herab gezogen werden. Dem durchschnittlichen Maßstab, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, ist es anstößig, wenn der Beruf des Arztes und des Rechtsanwalts lediglich zum Zweck des Geldverdienens und nach den Antrieben dieses Zweckes ausgeübt wird. Das eigentümliche und entscheidende Gepräge beider Berufe liegt darin, dass sie fundamentale, allgemeine öffentliche Zwecke, nämlich die der Gesundheitspflege und der Rechtspflege, aufgrund staatsseitig geforderter und gewährleisteter wissenschaftlicher Vorbildung unter besonderer Verantwortung zu erfüllen haben.«
Eine derart überzogene altruistisch orientierte Komponente wird in weiser Erkenntnis vom Berufsverband freier Berufe heute in seiner eigenen Definition nicht mehr verwendet, man hat eingesehen, dass sie nicht der Realität entspricht. Es verbleibt lediglich der Hinweis auf die besonderen »geistig-ideellen« Leistungen. Das nunmehr gebräuchliche Leitbild definiert die freien Berufe folgendermaßen169 : »Angehörige Freier Berufe erbringen aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig geistig-ideelle Leistungen im gemeinsamen Interesse ihrer Auftraggeber und der Allgemeinheit. Ihre Berufsausübung unterliegt in der Regel spezifischen berufsrechtlichen Bindungen nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung oder des von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welches die Professionalität, Qualität und das zum Auftraggeber bestehende Vertrauensverhältnis gewährleistet und fortentwickelt.«
Die Bundesregierung hat diese neue Begriffsbildung des Berufsverbandes in ihrem letzten Bericht zur Lage der freien Berufe170 übernommen. Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Beschluss vom 15. 01. 2008 trotz des Hinweises auf die besondere Stellung im Sozialgefüge nicht mehr von einer so überhobenen idealistischen Berufskomponente aus. Es akzeptiert die gesellschaftliche Realität insoweit, als es keinen Zweifel daran lässt, dass auch Ärzte und Rechtsanwälte Gewinn aus ihrer Tätigkeit generieren wollen und müssen. So stellt es fest, dass freie Berufe sich ebenso wie Gewerbebetriebe mit »Gewinnerzielungsabsicht« am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligen würden.171 Die besondere Stellung im Sozialgefüge, das geforderte höchstpersönliche Vertrauensverhältnis sowie die fachliche Unabhängigkeit und die Gemein169 Presseinformation vom14. 06. 1995, S. 1, sowie wiedergegeben im Bericht der Bundesregierung zur Lage der freien Berufe, 2013, S. 6. An dem »Leitbild« als Definition sollen 79 verschiedene Interessen -und Berufsgruppen mitgewirkt haben. 170 Bericht der Bundesregierung zur Lage der Freien Berufe, herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft, 2013, S. 6. 171 BVerfGE 120, S. 1, 31.
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wohlorientierung würden aber weiterhin von der idealistischen Ausrichtung der freien Berufe zeugen172, was wohl eher eine »abgespeckte« Version ist. Taupitz173 meint zwar, die freien Berufe würden keine »altruistische Insel innerhalb einer im Übrigen egoistischen Berufswelt« bilden, sieht in dieser Berufsgruppe allerdings eine verstärkte Regulierung und Kontrolle durch staatliche Gesetze sowie der selbstverwalteten Kammern. Sie seien daher auch einer gewissen idealistischen Rollenerwartung ausgesetzt und anders als bei Gewerbetreibenden bestände bei ihnen eine Rechtspflicht zu mehr gemeinschaftsbezogenem Handeln. Er sieht bei ihnen einen ständigen Identitätskonflikt zwischen der »noblen Rolle des freien Berufs« und der »Rolle der kommerziellen Dienstleistung«. Nun muss man in Erinnerung an die Erfahrungen mit den Zünften und oft genug eigensüchtigen Berufsmotiven im Verlauf der Geschichte (»Juristen – böse Christen«) schon gewisse Zweifel an einer generell »noblen« Sichtweise des freien Berufs haben. Das oftmals übersteigert gewertete idealistische Wesensmerkmal hat in seiner Bedeutung für eine Abgrenzung entscheidend an Einfluss verloren.174 Es sind sogar Zweifel angezeigt, ob nicht auch die jetzt maßvolle idealistische Bewertung als Differenzierungskriterien überhaupt jemals der Realität entsprach bzw. heute noch gerechtfertigt ist. Gutersohn175 sieht insoweit wohl keine Besonderheit bei freien Berufen, er weist zutreffend darauf hin, dass man Gewerbetreibenden ebenso wenig wie freiberuflich Tätigen eine auch altruistische Berufseinstellung absprechen könne. Es gibt wohl kaum nennenswerte Unterschiede in dem Bestreben aller Erwerbstätigen, ihren Lebensstandard, so gut es geht, zu steigern und für den eigenen Wohlstand zu sorgen, andererseits aber auch mit einer gewissen Hingabe ihrem Beruf nachzugehen. Nicht nur, dass das Erwerbsstreben allen Berufstätigen anhaftet, es macht wohl auch das Wesen eines Berufs überhaupt erst aus176. Auch die heutige Zusammensetzung des Katalogs der freien Berufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (bspw. Ingenieure sowie beratende Volks- und Betriebswirte) lässt die Eignung der idealistischen Berufskomponente einer Zurückhaltung im 172 In diesem Sinne Rittner, Anmerkung zu BVerfG v. 15. 01. 2008, JZ 2008, S. 998. 173 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 61f., mit weiteren Nachweisen dazu. Unterschiedliche Intensität im Gewinnstreben hatte auch das BVerfGE 16, S. 71, 78f. schon einmal gesehen. Besonderes Merkmal der freien Berufe sei ein weniger intensiv ausgeprägtes Erwerbsstreben. 174 Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB-Kommentar, § 1 Rdnr. 85; Gutersohn, Das Gewerbe in der freien Marktwirtschaft, S. 116; Müller, Einbeziehung der freien Berufe in das Handelsrecht, 1967, S. 62f.; Schick, Die freien Berufe im Steuerrecht, S. 4: Inseln der Beschaulichkeit; OLG Hamburg, RzW 1956, S. 88, 89. 175 Das Gewerbe in der freien Marktwirtschaft, S. 223f. 176 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft in Grundriss der Sozialökonomik, I. Halbband., S. 80.
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Gewinnstreben als wesentlicher Impuls der Berufstätigkeit zur Abgrenzung zum Gewerbe als zweifelhaft erscheinen. Schließlich darf man sich neben den Erfahrungen aus der Vergangenheit auch nicht der Tatsache einer Veränderung der Gesellschaft in Richtung einer zunehmenden Materialisierung zur Sicherung eines angenehmen Lebensstandards verschließen.177 Signifikant erscheint dafür die Attraktivität des Arztberufs in den vergangenen Jahrzehnten, wohl nicht vorrangig aus idealistischen Motiven heraus.178 Die gute Verdienstsituation bildet einen hinreichenden Anreiz, zumal Ärzte in unserer Gesellschaft zu den Topverdienern zählen.179 In diesem Sinn ist auch die Feststellung Gramls zu verstehen, eine stärkere gewerbliche Ausrichtung lasse manche berufsrechtlichen Sonderregelungen als fragwürdig erscheinen.180Gemeint hat er damit insbesondere die auf sachliche Informationen zu begrenzende Werbemöglichkeit. Als Grundvoraussetzung und wesentliches Merkmal einer idealistischen Berufsauffassung wird den freien Berufen eine besondere Gemeinwohlverpflichtung als gesellschaftliche Erwartung an ihre Berufsträger zugeschrieben. »Höherwertige« Dienstleistungen sind nicht nur die, für die besondere intellektuelle Fähigkeiten gefordert werden, sondern auch die Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl dienen. Leitbilder geben insoweit die beiden klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts vor. Zu denken ist dabei an das Gelöbnis der Ärzte, dass sie zur Wahrung des Allgemeinwohls verpflichtet werden, was auch für Rechtsanwälte mit ihrem abzulegenden Eid auf die Verfassung und die Rechtsordnung gilt. Rechtsanwälte sind als Organ der Rechtspflege funktionell in das System der rechtsprechenden Gewalt eingebunden. Damit erweisen sich beide Berufe als signifikant für dieses Abgrenzungsmerkmal. Man wird auch sonst alle übrigen Heilberufe mit einbeziehen können. Die Gemeinwohlerwartung dürfte damit auch die Entscheidungen des Gesetzgebers sowie der Gerichte mitbeeinflusst haben, sog. Heilhilfsberufen regelmäßig die Freiberuflichkeit zuzuerkennen (Siehe Kapitel D III 7). Unzweifelhaft dem Gewerbe zugehörige Handwerksberufe wie Bäcker, Fleischer, Metzger und sogar alle Lebensmittelsupermärkte könnten angesichts ihrer Funktion, als Distributoren die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherzustellen, stärker dem Gemeinwohl verhaftet sein, als einige der anerkannten freien Berufe. Hier fällt unweigerlich der Blick auf die unter bestimmten Voraussetzungen als freie Berufe anerkannten Grundstücks- und Hausverwalter181 sowie EDV-Berater, deren Berufsfeld mit bestimmten Betäti177 178 179 180 181
BGHZ 16, S. 71, 78f.; Gutersohn, S. 223. Dazu Scholmer, Patient und Profitmedizin, S. 44ff.; Graml, Das ärztliche Verbot, S. 101. www.arzt-wirtschaft.de/was-niedergelassene-aerzte-verdienen. Graml, Das ärztliche Verbot, S. 149. BFH BStBl. 1971 II, S. 239, allerdings nur soweit sie nicht über einen umfangreichen Geschäftsbetrieb verfügen.
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gungsinhalten ebenfalls als freiberuflich bewertet werden182. Diese Berufe verlangen weder eine besondere idealistische Berufsauffassung noch eine Gemeinwohlbindung. Dass jemand seinen Beruf mit Engagement ausübt, soll dabei gleichwohl unterstellt werden. Aus all diesen Überlegungen wird deutlich, weshalb Gesetzgebung und Rechtsprechung gerade das kaufmännische Handeln in Abgrenzung zu dem allerdings zwischenzeitlich überholten Kriterium einer angeblich nicht im Vordergrund stehenden Gewinnabsicht der freien Berufe immer dem Gewerbe zugeordnet haben. Das Interesse des kaufmännisch tätigen Berufsträgers an seinem Beruf wird auf das reine Gewinnstreben als typische »Kaufmannsart« reduziert. Mittlere und größere freiberufliche Unternehmen gelten am Markt als besonders erfolgreich183 und effizient. Bei Umsätzen von insgesamt 116 Mrd. Euro im ermittelten Jahr 2006 erzielten allein die »verkammerten« freien Berufe mit 275.000 Unternehmen ohne Berücksichtigung der heilberuflichen Leistungen im Durchschnitt einen Umsatz von je 420.000 Euro.184 Das Bundesverfassungsgericht trägt dieser gesellschaftlichen Entwicklung schon jetzt ansatzweise Rechnung, in dem es in seinem Beschluss vom 15. 01. 2008 konzediert, beide Berufsgruppen könnten sich bereits angenähert haben, ihre beiden Berufsbilder hätten »bereits ein durchaus beachtliches Ausmaß« erreicht.185 Der Senat scheint sich allerdings seiner Sache insgesamt nicht sicher gewesen zu sein, Überzeugung sieht angesichts der zurückhaltenden Formulierung gewiss anders aus. An anderer Stelle stimmt er dem vorlegenden Finanzgericht darin zu, diese Konvergenz sei tatsächlich nicht »unerheblich«, aber das sei weder zeitlich noch quantitativ durch rechtsstaatliche Erkenntnisse gesichert.186 Rittner187 vertritt dennoch in seiner der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 01. 2008 sonst zustimmenden Anmerkung die Auffassung, die freien Berufe würden Personen in schwierigen Lagen auf Grund eines besonderen persönlichen Vertrauens beraten und zu helfen versuchen. Das mache die Berufsträger als Gruppe so besonders. Seine Einschätzung unter Bezugnahme auf Schmoll188 gipfelt dann darin, auf das »Lob der Elite« zu ver-
182 EDV-Fachmann, der als Autodidakt Software entwickelt (FG Niedersachsen EFG 2004, S. 206) oder EDV-Fachmann, der Computer-Anwendungssoftware entwickelt (BFH BStBl.2004 II, S. 989). Auch der Techniker im Qualitätsmanagement ist anerkannt, obwohl er über keine ingenieurähnlichen Kenntnisse verfügt ( BFH vom 14. 06. 2007, BFH/NV 2007, S. 2091). 183 Hommerich, Die freien Berufe und das Vertrauen, S. 27. 184 Ebenda. 185 BVerfGE 120, S. 1, 34f. 186 BVerfGE 120, S. 1, 35. 187 JZ 2008, S. 998f. 188 Lob der Elite. Warum wir sie brauchen, S. 146ff.
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weisen. Für Kindler189 scheint die »ausgeprägte Kreativität« freier Berufe maßgebliches Wesensmerkmal zu sein, außerdem sei marktnahes und wettbewerbsorientiertes Verhalten für freie Berufe untypisch. Insoweit kann man diese Aussagen als von der Lebenswirklichkeit überholte Überspitzung freiberuflicher Wesensmerkmale werten.
b.
Besonderheiten in der Ausbildung und Begabung – geistige Leistung – Art und Weise der Berufstätigkeit
Die vom Bundesverfassungsgericht190 immer noch als für freie Berufe signifikant dargestellten Besonderheiten in der Ausbildung knüpfen an die schon im Mittelalter eingeführte Möglichkeit eines wissenschaftlichen Studiums speziell der Heil– und Rechtskundigen an. Für die klassischen freien Berufe hat sich daran bis heute nichts geändert. So findet sich die wissenschaftliche Berufsausübung im Wortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG wieder, wonach sie generell als freiberuflich begünstigt wird. Vielfach weicht man in der Argumentation auch auf das nicht diese hohen Anforderungen eines Studiums stellende Merkmal der höheren geistigen Leistung oder Tätigkeit bzw. einer besonderen beruflichen Qualifikation191 aus. Aber auch damit kann es nicht gelingen, einem Teil der Katalogberufe sowie die ihnen als ähnlich anerkannten Tätigkeiten ihren Status zuzubilligen. Bei allem Respekt gegenüber den erforderlichen Qualifikationen der Krankengymnasten, Heilmasseuren, Seelotsen oder den als ähnlich anerkannten Logopäden, Physiotherapeuten, Bildberichterstattern, Bergführern, Diätassistenten oder Hebammen, höhere geistige Anforderungen oder das Erfordernis einer gerade gegenüber zahlreichen anderen Lehrberufen »besonderen« Qualifikation werden an sie nicht gestellt. Einen langjährigen theoretischen und mit Eignungsprüfungen abzuschließenden Ausbildungsweg hat Fleischmann192 als Voraussetzung und charakteristisch für freie Berufe postuliert. Das aber wird auch von zahlreichen gewerblichen Berufsträgern verlangt, denkt man nur an die Handwerksmeister193, die oft noch über eine Techniker- oder Fachhochschulausbildung verfügen und gerade in der heutigen digitalisierten Welt stetig steigenden hohen Anforderungen an den Umgang mit komplizierter Technik ausgesetzt sind. Soweit auch das Bundesverfassungsgericht die von der Gewichtung her etwas 189 190 191 192 193
Kindler in Ebenroth/Boujong u. a., Handelsgesetzbuch, Kommentar, Bd. 1, Rdnr. 39. BVerfGE 120, S. 1, 35. BFH BStBl. 1953 III, S. 269,270; BStBl. 1964 III, S. 136; so auch BVerfGE 120, S. 1, 35. Die freien Berufe, S. 31. Gesellenprüfung nach i. d. R. 3jähriger Ausbildung, anschließende 3jährige Berufspraxis sowie Meisterprüfung in 4 eigenständigen Prüfungsteilen (www.berufskunde.de/de/ausbil dungsberufe-a-bis-z/handwerksmeister).
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Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe
abgeschwächt formulierte »regelmäßig längere Ausbildung«194 der Freiberufler als geeignetes Abgrenzungskriterium benennt, ist das unter Berücksichtigung zahlreicher als freiberuflich anerkannter Tätigkeiten zur Abgrenzung ebenso ungeeignet. Auch der Versuch, Gewerbe und freien Beruf nach dem äußeren Erscheinungsbild ihrer Arbeit zu unterscheiden, schlägt fehl. Diesen Ansatz wählt Deneke195 indem er das Geistige an der Tätigkeit von mehr handwerklicher Arbeit abgrenzt, ein Differenzierungsgedanke, den auch der Bundesfinanzhof196 in seine Argumentation aufgenommen hat. Zur Anerkennung des Bildberichterstatters als freien Beruf hat er unter anderem darauf abgestellt, das Ergebnis der Arbeit »Bildberichterstattung« beruhe nicht auf einem technischen Vorgang oder einer Handfertigkeit, sondern auf einer besonderen persönlichen Begabung. Besondere Handfertigkeiten könnten allerdings ebenfalls als besondere Begabung gewertet werden. Nicht jede höhergeistige Tätigkeit fordert eine besondere Begabung. Die Fähigkeit dazu kann fast immer erlernt werden. Die Abgrenzung nach den Merkmalen einer wohl geringgeschätzten Handarbeit einerseits und einer als intellektuell verstandenen persönlichen Begabung oder geistigen Tätigkeit andererseits kann sich immerhin auf die Zeit des Entstehens einer gesonderten Berufsgruppe im Mittelalter berufen, als noch die in die Städte drängenden Heil- und Rechtskundigen ein Sonderdasein gegenüber den in Gilden bzw. Zünften organisierten Händlern und Handwerkern pflegen mussten. Aus seinem gedanklichen Ansatz heraus zählte Deneke197 dann auch konsequent den anerkannten Masseur /Heilmasseur als »Handarbeiter« zu den handwerklichen Berufen. Das häufig zur Charakterisierung der Besonderheiten der Berufsträger freier Berufe verwendete Merkmal der schöpferischen Begabung198 greift auch das Bundesverfassungsgericht199 auf. Es orientiert sich an einer ganz individuellen Fähigkeit eines Berufsträgers. Soll sie aber eine generelle oder nur eine berufsbezogene »schöpferische Begabung« sein? Es wäre schon ein glücklicher Zufall, wenn nur diejenigen einen freien Beruf ergreifen würden, die auch über eine ganz spezifisch für diesen Beruf erforderliche oder erwartete besondere Begabung verfügen. Künstlerische Berufe setzen diese besondere Begabung grundsätzlich voraus, weshalb ihnen gerade wegen dieser Anforderung im Vergleich gewerblicher zu freiberuflicher Arbeit eine Sonderstellung zukommt, auch wenn
194 195 196 197 198 199
BVerfGE 120, S. 1, 34. Die freien Berufe, 1956, S. 127. BStBl. 1952 III, S. 170. Freie Berufe, S. 127. Taupitz, Die Standesordnungen, S. 49ff. E 120, S. 1, 35.
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diese Begabung in der Realität nach dem subjektiven Empfinden eines Betrachters manchmal nicht sichtbar werden mag. Wenn eine besondere Begabung tatsächlich für die Abgrenzung beider Berufsgruppen relevant wäre, müsste man konsequenterweise auch den in der Vergangenheit gesehenen Zusammenhang zwischen Prädikatsabitur und besonderer Begabung zum Arztberuf kritisch sehen, es sei denn, das gute Abitur sollte durch die bevorzugte Zulassung zum Medizinstudium eine Belohnung sein, die sich dann später in der ärztlichen Tätigkeit im wahrsten Sinne des Wortes »auszahlt«. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen zum Numerus Clausus den Wert des guten Abiturschnitts als Indiz für ein folgendes erfolgreiches Studium gewertet. Ein »guter« Mediziner weist sich jedoch durch andere Qualitäten und nicht unbedingt durch theoretische Lernfähigkeiten aus, wie sie in der Schule verlangt werden. Man muss wohl doch den Eindruck gewinnen, dass insoweit eher der Belohnungseffekt eines guten Abiturs im Vordergrund stand, statt einer besonderen Begabung gerade für diesen Beruf.200 Den überzeugenden Nachweis einer besonderen Abgrenzungseignung erbringen weder das Merkmal »höhere geistige Tätigkeit« noch das der besonderen Begabung, andernfalls wäre die Anerkennung zahlreicher Berufe als freiberuflich kaum nachvollziehbar. Nicht von der Hand zu weisen ist aber die Tatsache, dass im Gegensatz zu vielen gewerblichen Berufen die überwiegende Zahl der als freiberuflich anerkannten Tätigkeiten, exemplarisch wiederum die klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts, vorwiegend von sogenannter Kopfarbeit geprägt sind.201 Eine gewichtige Gruppe der freien Berufe soll unter den Begriff der »Expertenberufe«202 gefasst werden können, denen auf Grund ihrer qualifizierten Ausbildung die Fähigkeit zugeschrieben wird, komplizierte und für nicht Berufsangehörige schwer durchschaubare Sachverhalte und Vorgänge bewerten oder beurteilen zu können.203 Diese Berufstätigkeiten entziehen sich, so Taupitz204, der Kontrolle der Auftraggeber. Dieser Argumentation zur Rechtfertigung einer Sonderstellung der freien Berufe könnte man entgegenhalten, auch gewerbliche Tätigkeiten würden so als Expertenberufe zu bezeichnen sein, weil auch sie vom Auftraggeber erst am Ergebnis und nicht schon in der Art der Ausführung überprüft werden können.205 Hinzukommt, dass die Ausbildungsanforderungen an gewerbliche Berufe in manchen Bereichen die der zahlreichen 200 201 202 203 204 205
BVerfG 1BvL 3/14 sowie 1 BvL 4/14 in der Entscheidung vom 19. 12. 2017. Dazu Michalski, Der Begriff des freien Berufs, S. 73. Taupitz, Die Standesordnungen, S. 49ff. mit zahlreichen weiteren Verweisen. Jarass, Wirtschaftsvewaltungsrecht, S. 32, 201. Die Standesordnungen, S. 51. Michalski, Der Begriff des freien Berufs, S. 73.
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anerkannten freien Berufen bereits übersteigen. Eine Vielzahl der freien Berufe sowie der ihnen ähnlichen Tätigkeiten erfüllen demgegenüber diese »Expertenvoraussetzungen« nicht. Die Befürworter der These von den Expertenberufen stützen ihre Überlegungen noch mit dem Hinweis, bei freien Berufen käme dieses Phänomen häufiger vor.206 In einer »Kerngruppe« freier Berufe, zu denen nicht nur die klassischen freien Berufe, sondern auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Ingenieurberufe zählen können, untermauert in der Tat schon deren regelmäßig erforderliche wissenschaftliche Ausbildung diese Überlegungen. Fraglich dürfte aber sein, ob man mit dieser möglicherweise in der Tendenz richtigen Einschätzung nicht lediglich eine soziologisch nachvollziehbare Kategorie gebildet hat, die jedoch zur Rechtfertigung rechtsstaatlich haltbarer Differenzierungen ungeeignet ist. In der Volkswirtschaftslehre versucht man ebenfalls, Berufe mit höheren Wissensanforderungen als Gruppe zu definieren. Dort benutzt man allerdings nicht den Begriff der Freiberuflichkeit, sondern ähnlich der in der Soziologie verwendeten Beschreibung der »Expertenberufe«, den der »wissensintensiven Dienstleistungsberufe«207. Interessant ist dabei die Motivation einer derartigen Terminologie, zumal die Volkswirtschaftslehre ebenso wie die Soziologie aus dieser Gruppenbildung keinerlei Schlussfolgerungen ziehen kann.208 Man sieht darin in erster Linie eine »Belebung« der wissenschaftlichen Diskussion.209 Mit der Zugehörigkeit zu dieser Berufsgruppe sei auch ein erheblicher Zuwachs an Prestige verbunden, weshalb derartige Begriffe geradezu inflationär verwendet werden würden.210 Durch diese Begrifflichkeiten provoziert man zwangsläufig ebenfalls Kritik, vergleichbar mit der Schwierigkeit, den Begriff des freien Berufs zu fassen. All diese Beschreibungen haben für eine auf Rechtsstaatlichkeit und Bestimmtheit angewiesenen Rechtsanwendung wegen ihrer Unschärfe nur beschränkten Wert.
c.
Die in fachlicher Unabhängigkeit zu erbringende eigenverantwortliche und eigenpersönliche Arbeitsleistung
Seit dem Mittelalter entwickelten die heute als klassisch bezeichneten freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts aufgrund ihrer damaligen »Freizügigkeit« ein Eigenleben. Die »Entwurzelung« aus ihrem familiären Umfeld durch 206 In diesem Sinn auch Taupitz, Die Standesordnungen S. 50: »daß zumindest eine ganze Reihe der traditionellen freiberuflichen Musterbilder bis heute prononcierter als andere Berufe eine Wissenschaft oder Kunst zur Grundlage haben…« 207 Becker/Daniel, Wissensintensive Dienstleistungsbetriebe, S. 38. 208 Becker/Daniel, ebenda, S. 37. 209 So Kieser, Moden & Mythen des Organisierens, DBW 1996 (Jahrgang 56), Nr. 1 S. 21ff. 210 Becker/Daniel, Wissensintensive Dienstleistungen, S. 37.
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den Besuch der noch in geringer Anzahl bestehenden Universitäten führte zu einer weitgehenden Isolation in der städtischen Gesellschaft. War diese Art der Freizügigkeit noch einer gewissen zwangsweisen Ausgrenzung geschuldet, so konnten sie sich dann sehr viel später, nach der Periode einer stärkeren staatlichen Reglementierung auf Grund der Missstände im 18./19. Jahrhundert, wieder aus dieser Bindung und Kontrolle in Richtung einer Selbstverantwortlichkeit für die eigenen Berufsbelange befreien. Die so entstandene und bis heute bewahrte besondere Freiheit »freier« Berufe hat nichts mehr mit der »Freizügigkeit« im Mittelalter gemein. Darunter versteht man heute die Unabhängigkeit von staatlicher Bevormundung, d. h. frei von staatlichen Weisungen und staatlicher Aufsicht211, so wie sie sich die Ärzteschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts entsprechend dem damals schon verbreiteten Partizipationsgedanken in ihrem eigenen Wirkungskreis verschafft hatte und wie sie für das Entstehen einer gesonderten Berufsgruppe prägend werden sollte.212 Die beiden klassischen Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts sind heute einem dichten Netz gesetzlicher Regelungen mit daraus ableitbaren Standesrichtlinien sowie Gebührenordnungen unterworfen. Für den Beruf des Notars als Amtsträger mit hoheitlichen Aufgaben und Befugnissen, auch staatlich gebundener Beruf genannt213, gilt das umso mehr. Der Notar ist in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG dennoch ausdrücklich als freier Beruf gelistet. Er unterliegt auch fachlich durch das Beurkundungsgesetz gewissen Arbeitsvorgaben und im Rahmen der Bundesnotarordnung zahlreichen Verhaltensvorschriften. Für freiberufliche Berufsträger wird deren fachliche Unabhängigkeit vorausgesetzt214, weshalb die Tätigkeit in einem freien Beruf innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nicht denkbar ist. Die fachliche Unabhängigkeit darf nicht durch den staatlichen Gesetzesrahmen, dem Notare, aber auch andere freie Berufe, unterworfen sind, beeinträchtigt werden. Sie hängt bei zahlreichen freien Berufen mit der ihnen abverlangten beruflichen Qualifikation und den Anforderungen an ihrer Berufstätigkeit zusammen.215 Die mögliche Kontrolle der Arbeitsabläufe durch den Auftraggeber nimmt mit den gestei211 Römer, Notariatsverfassung und Grundgesetz, S. 38 sowie Fleischmann, Die freien Berufe im Rechtsstaat, S. 81. 212 Graml, Das ärztliche Verbot der Zuweisung, S. 90; Hendler in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, A. Rdnrn. 7, 41; zur generellen Freizügigkeit in der Zeit nach der Auflösung des Absolutismus Jastrow, Freie Berufe, S. 41ff. 213 So u. a. auch Gelhausen, Die staatlich gebundenen Berufe, S. 7ff. 214 Deneke, Klassifizierung der freien Berufe S. 27; Höppner, Problematik und Widersprüche der Wirtschaftsprüferordnung, BB 1961, S. 1209f.; Stieglitz, Der soziale Auftrag der freien Berufe. Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie, 1960, S. 259f.; BVerfGE 9, S. 338, 351; BFH BStBl. 1953 III, S. 141, 143. 215 Deneke, Klassifizierung, S, 27; BGHZ 68, S. 62,63; BFH BStBl. 1953 III, S. 141, 142 sowie Herschel Freier Beruf und Arbeitsverhältnis, S. 15, 28ff. (für abhängig Beschäftigte).
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gerten Erwartungen und Anforderungen an die Qualität der zu erbringenden Leistungen ab. Man kann das Postulat der Unabhängigkeit auch so charakterisieren, dass der Auftraggeber zwar bestimmt, was als Leistungsergebnis gewünscht oder gefordert wird, er wird aber in der Regel wegen seines Wissensoder Kenntnisdefizits dem freiberuflich tätigen Berufsträger nicht vorschreiben können, wie dieser dorthin gelangt. Die fachliche Unabhängigkeit lässt sich jedoch nur dann umsetzen, wenn der Berufsträger seine Leistung höchstpersönlich erbringt oder bei Ausführung durch Mitarbeiter die Kontrolle behält. In der Regel legt der Auftraggeber, Patient oder Mandant ohnehin besonderen Wert auf die persönliche Dienstleistung durch den Berufsträger selbst. Insoweit wird die enge Verknüpfung zwischen einer fachlich unabhängigen, eigenpersönlichen Leistung und der damit vom Auftraggeber vorausgesetzten besonderen Vertrauensstellung manifestiert, diese Merkmale sind untrennbar miteinander verbunden.216 Gewisse Fremdleistungen, Hilfsdienste von Mitarbeitern oder Vertretungen bei Hauptleistungspflichten sind dabei selbstverständlich unschädlich und auch regelmäßig erforderlich. Entscheidend muss aber sein, dass diese Leistungen ebenfalls vom Berufsträger persönlich überwacht und verantwortet werden.217 Operiert der vom Patienten ausgewählte Arzt selbst, vertraut der Patient auch auf die Auswahl und Überwachung seines dazu erforderlichen ärztlichen Hilfspersonals oder auf die Qualität des von ihm verwendeten Operationsmaterials. Er vertraut auch auf die Kompetenz der Befähigung der gegebenenfalls vom Arzt empfohlenen218 Krankengymnasten oder Ergotherapeuten in der Nachbehandlung. Der Bundesfinanzhof219 hat die Bedeutung dieser Merkmale so umschrieben, dass die Tätigkeit beim freien Beruf »den Stempel der Eigenpersönlichkeit« tragen müsse. So findet sich in der Begründung zu § 18 Abs. 1 EStG220 der Hinweis darauf, dass »ausschließlich oder fast ausschließlich« die mögliche eigene Arbeitskraft des als freiberuflich anerkannten Berufsträgers das entscheidende Merkmal dafür sei. Der Reichsfinanzhof221 war in Übereinstimmung mit Teilen der Literatur222 der Meinung, eine Leistung könne dann nicht mehr freiberuflich erbracht und 216 Diesen Zusammenhang findet man auch bei Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 549, der ihn in der besonderen Personenbezogenheit der freiberuflichen Leistung sieht. 217 BFH BStBl. 1952 III, S. 99; BStBl. 1958 III, S. 34; später einschränkend BFH BStBl. 1965 III, S. 557; BFH BStBl. 1968 II, S. 820f. 218 »Zuweisungen« gegen Entgelt, nicht aber allgemeine Empfehlungen, unterliegen einem gesetzlichen Verbot gem. § 31 MBO. 219 BFH BStBl. 1968 III, S. 820. 220 Nachweis bei Blümich, Die neue Gewerbesteuer, DStZ 1937, S. 245ff. 221 RStBl. 1939, S. 577. 222 Blümich, Die neue Gewerbesteuer, DStZ 1937, S. 246. Müthling, Gewerbesteuergestz, § 2 Nr. 8 c.
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demzufolge steuerlich nicht begünstigt werden, wenn sich der Berufsträger der Mithilfe von Arbeitskräften bedient. Diese Voraussetzungen prägten bis zum Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes vom 30. 07. 1960 (StÄndG 60) die von der Finanzverwaltung und der Finanzgerichtsbarkeit praktizierte strenge Form der Vervielfältigungstheorie.223 Nach der Intention des damaligen Regierungsentwurfs der Reichsregierung224 in ihrer bis zur Änderung des Gesetzes im Jahre 1960 durch den Bundesfinanzhof geprägten Auslegung sollte die Freiberuflichkeit bereits an der Beschäftigung von mehr als einem ausgebildeten und qualifizierten Mitarbeiter scheitern.225 Nunmehr heißt es in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der Berufsträger sei auch dann freiberuflich tätig, sofern er »sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung dafür ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird«.
Damit wurden zwei Dinge neu geregelt: Zum einen soll die Beschäftigung fachlich vorgebildeter Mitarbeiter grundsätzlich zulässig sein, zum anderen, und das ist wiederum eine Einschränkung, wird deren Beschäftigung nicht unbegrenzt zugelassen, so dass der Berufsträger selbst immer noch die persönliche Kontrolle behalten muss. Aufgrund der eher unscharfen Begriffe wie »leitend« und »eigenverantwortlich« kam es nun zwangsläufig zu gerichtlichen Verfahren, in denen die Sachverhalte unter beiden Gesichtspunkten auf den Prüfstand gestellt wurden. Der Beruf des Steuerbevollmächtigten gehört als Katalogberuf zu den freien Berufen. Beschäftigt er jedoch zahlreiche Mitarbeiter in seinem Büro, in einem vom Bundesfinanzhof226 entschiedenen Sachverhalt waren es 53, wäre er nicht mehr freiberuflich tätig. Ebenso hat das Gericht227 die Arbeit eines beratenden Ingenieurs und amtlich bestellten Prüfingenieurs für Baustatik beurteilt, der insgesamt 75 Angestellte beschäftigt hatte, darunter befanden sich allein 12 Diplomingenieure. Vergleicht man dieses steuerrechtlich relevante Merkmal der leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit freier Berufe mit der Struktur von kleineren Gewerbebetrieben, so wird man zum Merkmal »leitend« wohl keinerlei Besonderheiten erkennen. Unter »Leitung« ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
223 Dazu Ehlers, Triumph der Vervielfältigungstheorie?, StuW 1958, S. 447f. 224 Bundestagsdrucksache III/1811, S. 12. 225 BFH BStBl. 1952 III, S. 99; BStBl.1958 II S. 34; Ehlers, Triumph der Vervielfältigungstheorie?, StuW 1958, S. 447. 226 BStBl. 1965 III, S. 557. 227 BStBl. 1968 II, S. 820f.
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»die Festlegung der Grundzüge für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten, die Entscheidung grundsätzlicher Fragen und die Überwachung des Arbeitsablaufs nach den festgelegten Grundzügen zu verstehen«.
Ganz zu Recht weist Fleischmann228 darauf hin, dass eine leitende Tätigkeit in diesem Sinn auch von Unternehmern ausgeübt wird, die als Gewerbetreibende ihr Betriebskapital sowie die im Betrieb beschäftigten Arbeitskräfte einsetzen und überwachen. Gerade auch der Handwerksbetrieb ist auf die Leitung und Überwachung durch den Meister, der in der Regel auch Betriebsinhaber oder als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH tätig ist, angewiesen. Ebenso wie bei der »leitenden Tätigkeit« verhält es sich mit dem Merkmal der eigenpersönlichen oder höchstpersönlichen Arbeitsleistung des Berufsträgers. Dieses Kriterium verkörpert nicht nur den individuellen Arbeitseinsatz, sondern auch die dabei zur Anwendung kommenden besonderen Fachkenntnisse noch intensiver über die Anforderungen einer bloßen Überwachung und Kontrolle hinaus.229 Dabei genügt nicht, dass der Berufsträger lediglich den Auftrag annimmt, das erledigt auch der Gewerbetreibende in überschaubar großen Betrieben. Sein Mitwirken muss vielmehr nach Ansicht des Bundesfinanzhofs230 der Arbeit sein besonderes Gepräge geben. Er muss in noch ausreichendem Maße an der Arbeit teilnehmen. Nach Auffassung des Gerichts würde der Unternehmer, der vorwiegend sein Kapital, seine Arbeitsmittel und seine Mitarbeiter einsetzt, es daran fehlen lassen. Das Steuerrecht beschränkt die Steuerbegünstigung freier Berufe auf die Art und Weise, wie der Berufsträger an der praktischen Arbeit teilnimmt.231 In der Praxis zeigt sich allerdings, dass diese eher idealisierende Vorstellung vielfach nicht eingehalten wird und aus vertretbaren wirtschaftlichen Gründen wohl auch nicht kann. Das Steuerrecht muss jedoch zur Vermeidung gleichheitswidriger Steuerbegünstigungen um klare und vor allem auch realitätsnahe Abgrenzungen bemüht sein. Der Apothekerberuf ist für diese Zweigleisigkeit typisch: Berufsrechtlich heißt es in § 7 Apothekenordnung: »Die Erlaubnis verpflichtet den Apotheker zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung«. Damit verbunden ist eine Präsenzpflicht des Apothekers oder eines ihn vertretenden approbierten Apothekers während der Öffnungszeiten. Vom Kunden wird aber wohl kaum eine höchstpersönliche Leistungserbringung erwartet. Ihm dürfte es in der Regel gleichgültig sein, ob er vom Apothekenin-
228 Die freien Berufe im Rechtsstaat, S. 39. 229 Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommen– und Körperschaftsteuer, Bd. V, § 18 Anm. 6e. 230 BStBl. 1968 II, S. 820. 231 Stöcker in Lademann, EStG, § 18, Bd. VII, Anm. I 8.
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haber persönlich oder von einem seiner Mitarbeiter bedient wird, und der Apotheker in dieser Zeit in einem hinteren Raum Büroarbeiten erledigt. Eine andere Sicht ergibt sich für das Handwerk. Hier legt der Kunde regelmäßig entscheidenden Wert auf die Person des Betriebsinhabers. Von ihm hängt die Zuverlässigkeit, Qualität der Arbeitsergebnisse und der Mitarbeiter ab. Seine Überwachungs- und Kontrollleistungen sind auch aus der Sicht des Auftraggebers wesentlich, sie formen und prägen den Ruf des Betriebs. Dadurch bekommt das Merkmal der eigenpersönlichen Leistung in Gestalt der abschwächenden Regelung des mit dem Steueränderungsgesetz 1960 neu gefassten § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch bei gewerblichen Berufen einen vergleichbaren Stellenwert. Das Merkmal der Eigenpersönlichkeit wird als für freiberufliche Tätigkeit wesentlich und unverzichtbar angesehen.232 Die davon getragene Erwartung der Auftraggeber/Patienten hat sich bis heute vor allem für die klassischen freien Berufe des Arztes und Rechtsanwalts, aber auch für den Steuerberater, soweit es um die Beratungstätigkeit geht, bewahrt. Freie Berufe leisten in erster Linie »Dienste«. Das klassische Verständnis eines Gewerbebetriebs ist dagegen geprägt von der Vorstellung, dass dieser Waren erzeugt oder damit handelt. Insoweit ist der Maßstab allein die Qualität des Produkts. Dem bloßen Handel mit Waren ist daher auch das Kriterium der eigenpersönlichen Leistung fremd. Der Arbeitserfolg des persönlich agierenden Dienstleisters ist wesentlich komplexer. Die Unterschiede lassen sich anschaulich mit den zivilrechtlichen Instituten des Dienst- und Werkvertrages sowie des Kaufvertrages beschreiben. Gekauft werden heute weit überwiegend besichtigte, bereits hergestellte, fertig verpackte und in ihrer Beschaffenheit exakt beschriebene Waren. Die Leistungen sowohl des Kauf- als auch des Werkvertrages sind auf die Herbeiführung eines Erfolgs gerichtet: Der Verkäufer hat nach Abschluss des Kaufvertrages gem. § 433 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dem Käufer die gekaufte Sache zu übereignen. Entspricht sie nicht der Vereinbarung, stehen dem Kunden Gewährleistungsansprüche zur Seite. Der Verkäufer trägt auch bis zur Übergabe an den Käufer (§ 433 Abs. 1 S. 2) das Untergangs- oder Verschlechterungsrisiko des Kaufgegenstandes. Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Werkunternehmer ein bestimmtes Werk nach Vorgaben oder Wünschen des Bestellers herzustellen. Er schuldet den Erfolg seiner Bemühungen, andernfalls bekommt er keinen Lohn (§ 631 Abs. 1 BGB). Das Bürgerliche Gesetzbuch fasst den Begriff der Dienstleistung wesentlich enger als er im allgemeinen Sprachgebrauch benutzt wird. Der Abschluss eines Dienstvertrages gem. § 611 BGB verpflichtet den Dienstleistenden, für den 232 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 535.
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Auftraggeber bestimmte Leistungen zu erbringen, für deren Erfolg er jedoch nicht immer einstehen kann und das auch nicht muss233. Ob die Operation durch den Arzt gelingt oder das Gerichtsverfahren vom Rechtsanwalt erfolgreich geführt wird, kann vom Berufsträger nicht zugesichert werden. An diesem Dilemma gewinnen das für den Leistungsempfänger so wichtige Vertrauen und die Integrität und Kompetenz der Dienstleistenden ihre Bedeutung. Er wird nur die Berufsträger beauftragen, denen er die Verwirklichung des gewünschten Leistungserfolgs auch zutraut. Besonders evident ist das für komplexe Kenntnisse fordernde Berufe wie die des Arztes, Rechtsanwalts, Ingenieurs oder auch Steuerberaters. Deren Fähigkeiten sind darüber hinaus für die Auftraggeber sehr oft von existentieller Bedeutung. Das gilt nicht in gleicher Weise für alle freiberuflichen Tätigkeiten, so beispielsweise nicht bei einigen Heilhilfsberufen wie der Diätassistentin, des Heilmasseurs, der Logopädin oder auch des Ergotherapeuten sowie den nicht medizinischen Tätigkeiten des Umweltberaters234, des Handelschemikers (Katalogberuf) und diverser EDV-Berater, soweit ihr Tätigkeitsgebiet als freiberuflich anerkannt wurde235. Dem Käufer einer Sache ist die Person des Verkäufers in der Regel gleichgültig. Kann dieser nicht liefern, muss der Käufer auch nicht zahlen, er kauft dann anderswo. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind regelmäßig zu vernachlässigen. Andererseits wird die Auswahl eines gewerblichen Handwerkers, obwohl er immer den Erfolg seiner Arbeit schuldet, auch von dem persönlichen Vertrauensvorschuss eines Auftraggebers bestimmt. Man denke nur daran, dass fast jeder Bürger »seinen Friseur«236 hat, und das nicht nur zum Austausch von Neuigkeiten. Zusammenfassend kann man daher feststellen, dass in der Gruppe der freien Berufe die Merkmale der eigenpersönlichen Leistung, die fachliche Unabhängigkeit der Berufsträger sowie ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber häufiger vorkommen als bei Gewerbetreibenden, aber keineswegs bei allen freien Berufen im Berufsbild verankert sind. Unverzichtbar für die steuerliche Begünstigung als freiberuflich soll aber immer das Merkmal der eigenpersönlichen Leistung sein, wie es vom Bundesfinanzhof nach der gesetzlichen Entschärfung der strengen Vervielfältigungstheorie geprägt wurde. Es gibt, bezogen auf die Merkmale »fachliche Unabhängigkeit und eigenpersönliche Leistungserbringung, in der Gruppe der gewerbetreibenden 233 Medicus, Bürgerliches Recht, 25. Aufl., Rdnr. 14; Weidenkaff in Palandt, BGB, § 611 Rdnr. 24f. 234 Anerkannt durch FG Rheinland-Pfalz EFG 2004, S. 1835. 235 BFH BStBl. 2004 II, S. 989; BFH DStRE. 2010 I, S. 223 sowie 225 und FG Niedersachsen, EFG 2004, S. 1059. 236 Die Tätigkeit des Friseurs ist im Grenzbereich zwischen Dienst- und Werkvertrag anzusiedeln. Im »Haarschnitt« werden auch gestalterische Elemente vom Kunden erwartet, soweit nicht nur eine »Abrasur« verlangt wird.
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Handwerker«237, in der Beratungstätigkeit eines Versicherungsagenten oder Versicherungsmaklers und bei Leistungen eines selbstständig tätigen Finanzberaters durchaus Parallelen. Das sind die fachliche Unabhängigkeit aus »besserer« Kompetenz und das vom Auftraggeber als Auswahlmotiv entgegengebrachte besondere Vertrauensverhältnis. Das im Leistungsverhältnis bestehende Kompetenzvertrauen des Auftraggebers wird häufig noch zusätzlich von einem sogenannten Systemvertrauen in den Berufsstand und seiner Organisation (Organisationsvertrauen)238 überlagert. Einige der freien Berufe, so unter anderem Ärzte , Rechtsanwälte oder auch Steuerberater, sind zusätzlich im Zusammenhang mit dem ihnen vom Leistungsempfänger entgegengebrachten Vertrauensvorschuss auch noch einer besonderen gesetzlich geregelten und mit strafrechtlichen Sanktionen gekoppelten Schweigepflicht unterworfen.
d.
Einsatz der Produktionsmittel Arbeit und Kapital
Freiberufliche Tätigkeit ist ausschließlich im Dienstleistungsbereich möglich. Auch dieser Aspekt ist Folge des Gruppenverständnisses der freien Berufe abgeleitet aus den Berufsbildern der Ärzte und Rechtsanwälte. Konsequent ist, dass eine Beschreibung oder gar Definition des freien Berufs immer auch den Hinweis enthält, der freiberuflich Tätige übe seinen Beruf anders als der Gewerbetreibende ohne nennenswerten Kapitaleinsatz und ohne Produktionsmittel aus.239 Das Bundesverfassungsgericht240 hat aber bereits 1977 in der sog. Handelsvertreterentscheidung erkannt, dass auch freie Berufe nicht mehr ohne einen erheblichen Kapitaleinsatz auskommen. Man denke nur an die insoweit erheblichen Aufwand fordernden medizinischen Geräte für eine nach geltendem Standard (Röntgen, Ultraschall, Echo usw.) eingerichtete Facharzt- oder Zahnarztpraxis sowie an die vom Verfassungsgericht mit der vorgenannten Entscheidung als freiberuflich anerkannten und nicht als Kapitalgesellschaften organisierten ärztlichen Laborgemeinschaften. Dennoch, so meinte das Gericht bereits in einer noch früheren Entscheidung, sei bei freien Berufen sowie im Bereich der Landwirtschaft die Kombination aus »Boden, Arbeit und Kapital« 237 Das Handwerk ist in der soziologischen Zuordnung eher Dienstleistung, zivilrechtlich erbringt der Handwerker seine Leistungen regelmäßig über Werkverträge. 238 Dazu ausführlich bezogen auf freie Berufe Hommerich, Die Freien Berufe und das Vertrauen in der Gesellschaft, S. 69ff. Seine auf den »Kern« der freien Berufe bezogene Argumentation lässt sich allerdings auch auf ausgewählte gewerbliche Dienstleister (bspw. Handwerker) ausdehnen. 239 BVerfGE 26, S. 1, 8; Schick, Die freien Berufe im Steuerrecht, S. 77; Kühn, Die freien Berufe in der Sozialordnung, Heft 45, S. 5: »unfundierte Einkommen«. 240 BVerfGE 46, S. 224, 240.
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anders gestaltet als beim Gewerbe.241 Diese Auffassung bestätigt das Gericht in seinem Beschluss vom 15. 01. 2008. Es rekapituliert im Wesentlichen seine vorherige Rechtsprechung und führt die bisherige Argumentation fort:242 »Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 13. Mai 1969 die Ungleichbehandlung von Gewerbetreibenden auf der einen und freien Berufen sowie Land- und Forstwirtschaft auf der anderen Seite durch den grundlegenden Unterschied in der Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital gerechtfertigt gesehen. Schon deswegen sei der Gesetzgeber nicht gehindert, eine wirtschaftliche Betätigung, bei der der Produktionsfaktor Kapital eindeutig im Vordergrund stehe, mit einer besonderen Steuer zu belegen (vgl. BVerfGE 26, 1, 8f). Im Beschluss vom 25. Oktober 1977 hat das Bundesverfassungsgericht daran angeknüpft, dass das Gericht die auch an anderer Stelle im Steuerrecht vorzufindende Unterscheidung zwischen freien Berufen und Gewerbetreibenden nicht beanstandet habe (vgl. BVerfGE 46,224,240 unter Bezugnahme auf BVerfGE 37,38,49 zum Umsatzsteuerrecht). Die Besonderheiten der freien Berufe ergäben sich danach aus dem »Charakter der Berufstätigkeit« sowie der »Stellung und Bedeutung der freien Berufe im Sozialgefüge« und der regelmäßig längeren Ausbildungszeit, die die freiberuflich Schaffenden insgesamt gesehen zum Erwerb ihrer hohen Qualifikation auf sich nehmen müssten. Daneben hat das Bundesverfassungsgericht erneut auf die Verschiedenheit beim Einsatz der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital hingewiesen (BVerfGE 46, 224,240).«
Zweifelhaft erscheint in dieser wiederholenden Argumentation, dass es keineswegs mehr darum gehen kann, die im letzten und vorletzten Jahrhundert im Vordergrund stehende Dualität zwischen Produktionsbetrieben mit erheblichem Kapitaleinsatz (Gewerbe) einerseits und andererseits höher gebildeten dienstleistenden Berufsträger in kleinen Wirtschaftseinheiten (freie Berufe) zu vergleichen. Das Finanzgericht Niedersachsen243 als gem. Art. 100 Abs. 1 GG vorlegendes Instanzgericht hatte demgegenüber den Standpunkt vertreten, die Berufsbilder der Gewerbetreibenden und freien Berufe hätten sich in den der Entscheidung vorausgehenden Jahren und Jahrzehnten so angenähert, dass eine rechtliche Differenzierung beider Berufsgruppen nicht mehr sachgerecht sei. In der Tat haben sich zahlreiche als gewerblich gesehene Dienstleistungsunternehmen mit hochqualifizierten Ingenieurs- oder Informatikexperten als Mitarbeiter entwickelt, die hauptsächlich die Sparte »Kopfarbeit« repräsentieren und, anders als die offenbar dem Verfassungsgericht als typisch vorschwebenden Gewerbe, nur noch die zu fast jeder Dienstleistung obligatorische EDVohne jegliche Produktionsmittel für ihre Arbeitsleistung benötigen. Von ca. 45 Mio. Beschäftigten Ende 2016 in Deutschland waren Dreiviertel im sogenannten 241 BVerfGE 26, S. 1, 8ff. 242 BVerfGE 120, S. 1, 34. 243 3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 190.
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Dienstleistungssektor tätig244, zu dem statistisch allerdings auch der Handel gehört. Dieser Dienstleistungsbereich ist nur zu einem geringeren Anteil freiberuflich tätig. Wenn dann das Bundesverfassungsgericht245 meint, die Annäherungen beider Berufsbereiche hätten im Jahr 1988, also in dem den Steuerrechtsstreit zugrundeliegenden Veranlagungszeitraum, bereits »ein durchaus beachtliches Ausmaß erreicht«, und die Entwicklung sei seither (bis 2008) »möglicherweise« noch weiter fortgeschritten, dann ist das im Hinblick auf die Häufigkeit, mit der die für freie Berufe geforderten Merkmale auch bei bislang als gewerblich eingestuften Tätigkeiten vorkommen, wohl grundsätzlich richtig. Unstreitig ist, dass Abgrenzungsprobleme ausschließlich im Dienstleistungssektor auftreten. Dann kann aber das Merkmal der Produktionsmittel keine Abgrenzungsrelevanz haben. Das in der Vorstellungswelt des Verfassungsgerichts offenbar vorherrschende, durch Produktionsmittel »gewerblich« prägende eines Unternehmens, gibt es zwar noch, ist aber durch die gewaltigen Strukturveränderungen hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft heute nicht mehr für den gewerblichen Charakter bestimmend. Man kann daher bereits jetzt feststellen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angeführten und für eine Differenzierung auch relevanten »Produktionsmittel Arbeit und Kapital« für eine Unterscheidung nicht mehr tauglich sind. Wie wollte man aus der Sicht dieses Merkmals das Versicherungsbüro, den Handelsvertreter, einen Makler oder den Finanzberater vom Rechtsanwalt oder Steuerberater abgrenzen?
e.
Berufsautonome Selbstverwaltung
In seiner Begründung der Entscheidung vom 15. 01. 2008 führt das Bundesverfassungsgericht zusätzlich noch als Besonderheit freier Berufe deren spezifisch staatlich und berufsautonom geregeltes Standesrecht an.246 In der Tat verfügen nicht nur Ärzte und Rechtsanwälte, sondern auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Architekten und sogar Seelotsen über autonome Rechtsetzungskompetenzen sowie eine staatlich autorisierte Selbstverwaltung in Form von Berufskammern mit Pflichtmitgliedschaft und Berufsgerichtsbarkeit.247 Organisiert sind die Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts, für Seelotsen ist es die Lotsenbruderschaft bzw. die Bundeslotsenkammer. Die Selbstverwaltung wird gern im Zusammenhang mit der den freien Berufen als Besonderheit zugeschriebenen Gemeinwohlverpflichtung und der altruistischen Berufsausübungsgesinnung, aber auch des zur Berufsausübung verlangten Ex244 245 246 247
Statistisches Jahrbuch 2017, herausgegeben vom Statistischen Bundesamt Nr. 13. BVerfGE 120, S. 1, 34f. BVerfGE 120, S. 1, 35. Taupitz, Die Standesordnungen, S. 71.
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pertenwissens gesehen.248 Das hohe Maß an geforderter Qualifizierung in der Berufsausübung verlange zur kompetenten Verwaltung und Überwachung der Berufsträger und der Einhaltung des Standesrechts vergleichbar fachlich ausgebildete Funktionäre249 Das aber lasse sich vorzugsweise im Selbstverwaltungsmodell realisieren. Natürlich verteidigen die Berufsverbände ihre errungene Autonomie mit deren Nutzen für das Gemeinwohl. Sie sichern der Gesellschaft als Gegenleistung dafür in einem wenn auch nicht bewusst geschlossenen Vertrag die kompetente Überwachung und Einhaltung des Qualitätsniveaus ihrer Berufsträger zu.250 Die von den Berufskammern als Recht gesetzten Berufsausübungsregeln müssen sich, weil andernfalls verfassungswidrige Grundrechtseingriffe zu befürchten wären (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG), im Rahmen des Gesetzesvorbehalts bewegen und nach der sog. Schrankentheorie von Gemeinwohlerwägungen gedeckt sein.251 Bei der Darstellung verschiedener Berufsbilder wird sich zeigen, dass auch mit dem Kriterium der autonomen Rechtsetzung und Selbstverwaltung eine hinreichend justitiable Differenzierung beider Berufsgruppen nicht möglich ist. Beratende Volks- und Betriebswirte, Journalisten und Bildberichterstatter sowie der Heilmasseur verfügen nicht über vergleichbare Selbstverwaltungssysteme. Auch die den freien Berufen als ähnlich bestimmte Tätigkeiten und alle allgemein wissenschaftlichen, unterrichtenden oder künstlerischen Berufe (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sind nicht in öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit weitreichenden Befugnissen organisiert. Schließlich ist auch daran zu erinnern, dass die dem vollkaufmännischen Handeln und damit steuerrechtlich der Gewerblichkeit zugeordneten Apotheker ebenfalls über eine eigene Kammerselbstverwaltung in vergleichbarer Ausprägung wie die der klassischen freien Berufe verfügen, obwohl sie nur berufsrechtlich als freiberuflich anerkannt sind. Sie verfügen ebenso wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare über ein sehr dichtes Regelungswerk, woraus sich sogar eine Vergleichbarkeit mit den beiden als klassisch geltenden freien Berufen ableiten lässt. Der Zweck der vom Gesetzgeber eingeführten Versorgungswerke, beispielsweise für Künstler die Künstlersozialkasse, sind ausschließlich auf die Vermeidung von Altersarmut der jeweiligen Berufsträger und damit auch der Entlas-
248 249 250 251
Ebenda. Ebenda. So Rüschemeyer in Festschrift für König, S. 250f. Graml, Das ärztliche Verbot der Zuweisung gegen Entgelt, 2012, S. 71; Mann in Sachs, GGKommentar, Art. 12 Rdnrn. 117ff.
Die Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit
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tung der Sozialkassen begrenzt.252 Ihre Aufgaben sind deshalb mit den hier thematisierten Berufskammern nicht vergleichbar. Hommerich253 hat in einem von ihm erstellten Forschungsbericht im Auftrag des Landesverbandes freier Berufe Nordrhein-Westfalens e.V. zu den Grundlagen einer sozialwissenschaftlichen Legitimierung der freien Berufe eine umfangreiche Analyse der Situation freiberuflicher Berufe vorgelegt. Im Landesund Bundesverband der freien Berufe sind die rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe und die technisch, naturwissenschaftlich, kulturell, künstlerisch, pädagogisch, psychologisch, heilberuflich und publizistisch tätigen Berufsträger erfasst. Gleichwohl begrenzt sein Forschungsbericht die gwonnenen Erkenntnisse im Wesentlichen auf die »verkammerten« freien Berufe. So stehen bezogen auf den 01. 01. 2008 ca. 543.300 »nicht verkammerte« Berufsträger ca. 460.000 »verkammerte« Berufsträger gegenüber.254 Mehr als die Hälfte der Freiberufler werden somit inhaltlich und ergebnisbezogen von dem Bericht quasi »mitgeschleppt«, ohne dass plausibel wird, weshalb sie zwangsläufig dazugehören müssten. Eine längere Tradition in der Selbstverwaltungsautonomie können auch die gewerblich tätigen Handwerksberufe mit ihren früheren Handwerkszünften, den heutigen öffentlich-rechtlich organisierten Handwerkskammern, vorweisen. Auch wenn Taupitz255 in diesem Zusammenhang meint, das Selbstverwaltungssystem der freien Berufe hätte in rechtlicher Hinsicht die am weitesten gehende Entwicklung innerhalb des für die meisten Berufe erstrebten Ordnungsprozesses erreicht, so müssen doch auf Grund der langen Tradition der Handwerkskammern gewisse Bedenken zur Abgrenzungstauglichkeit erlaubt sein. Seine Aussage, die berufsständische Autonomie stelle gerade ein Charakteristikum der freien Berufe dar256, kann vor dem Hintergrund der Fülle an freiberuflich anerkannten Tätigkeiten, die nicht darüber verfügen, kaum überzeugen. Letztlich entwickelte sich die Selbstverwaltung ohnehin in erster Linie aus dem Bestreben heraus, sich der staatlichen Bevormundung zu entziehen und weniger aus ihrer »Expertenstellung«.257 Soweit dennoch die bei freiberuflichen Berufsträgern selbst vorzufindende Fachkompetenz zur Regelung eigener Angelegenheit die Einrichtung der Kam252 Beispiel: Künstlersozialkassen geregelt durch das Gesetz über die Sozialversicherung des selbständigen Künstlers und Publizisten vom 27. 07. 1981 BGBl. I, S. 706. 253 So jedenfalls seine eigene Einschätzung des ihm erteilten Auftrags in: Die freien Berufe und das Vertrauen in der Gesellschaft, S. 7 (Vorwort). 254 Hommerich, ebenda, Tabelle 1 auf S. 32. 255 Die Standesordnungen, S. 100. 256 Ebenda, S. 80. 257 So auch Hendler in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, A. Rdnr. 7, 41. Graml, Das ärztliche Verbot der Zuweisung, S. 90f. mit weiteren Nachweisen. Auch Taupitz, Die Standesordnungen, S. 71, verweist auf diesen Aspekt.
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Die begriffliche Abgrenzung der freien Berufe zum Gewerbe
merselbstverwaltung rechtfertigt258, gilt dies natürlich auch für Berufskammern der gewerblichen Berufe. Das sog. Expertenwissen hat bei zahlreichen Handwerksberufen, so beispielsweise bei Elektrotechnik- oder weiteren speziellen Baubetrieben, bereits ein erhebliches Maß erreicht, das den Anforderungen vieler als freiberuflich anerkannten Tätigkeiten mindestens als ebenbürtig gelten kann. Im Ergebnis muss deshalb auch bezweifelt werden, dass die Selbstverwaltungsautonomie dazu taugt, Gewerbe und freie Berufe sachgerecht voneinander abzugrenzen. Die weit überwiegende Mehrheit der freien Berufe kennt das System der Selbstverwaltung in Berufskammern nicht. Ohnehin scheinen auch die standesrechtlichen Verhaltensvorgaben im strengeren Berufsrecht einiger freier Berufe nicht mehr unangreifbar zu sein, wie das vom Bundesverfassungsgericht259 »gekippte« Werbeverbot beispielhaft gezeigt hat. Hier lauert womöglich die größte Gefahr für die Selbstverwaltungsautonomie in einem sich zunehmend liberalisierenden Dienstleistungsmarkt.260
f.
Die freien Berufe in § 1 Abs. 1 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
Den freiberuflich tätigen Partnerschaften, bei Rechtsanwälten Sozietäten und bei Ärzten Gemeinschaftspraxen261 genannt, war es bis zum Erlass des »Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Freier Berufe« (PartGG)262 nicht möglich, sich in einer eigenen Gesellschaftsform mit einer registerrechtlichen Eintragung unter einer Partnerschaftsbezeichnung zusammenzuschließen. Die neue Gesellschaftsform als Partnerschaftsgesellschaft ist den britischen Limited Liability Partnerships (LLP) nachempfunden und soll der überstaatlichen Konkurrenz in der Gestaltung der Rechtsformen für gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse freier Berufe Rechnung tragen.263 Dahinter steht die Absicht, die freien Berufe ebenso wie Gewerbetreibende in die Lage zu versetzen, unter bestimmten Bedingungen die Haftung wegen Fehler oder Versäumnisse in der Berufsausübung zu beschränken (Einzelheiten in § 8 PartGG). Sie müssen damit nicht ihre steuerliche Freiberuflichkeit aufgeben, was bei Gründung einer haftungsbeschränkenden Kapitalgesellschaft unausweichlich wäre. Das PartGG erfasst in § 1 Abs. 2 Berufe, wie sie auch in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG 258 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 71, 74f. 259 BVerfGE 76, S. 171, 196; 85, S. 248ff. sowie 94, S. 372ff. 260 Als Beispiel sind besonders die Liberalisierungstendenzen innerhalb der Europäischen Union zu nennen (Siehe Kapitel G). 261 Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt 2001, S. A 2595f. 262 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz vom 25. 07. 1994, BGBl. I S. 1744, zul. geä. 22. 12. 2015, BGBl. 2015, S. 2565. 263 Gründungsinformation Nr. 4 des Instituts für freie Berufe 01/13.
Die Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit
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als Katalogberufe gelistet sind, sowie zusätzlich noch die steuerrechtlich als den freien Berufen ähnlich anerkannten Hebammen, Heilmasseuren, Dipl. Psychologen sowie hauptberuflich tätigen Sachverständigen und alle weiteren ähnlichen Tätigkeiten. Ferner werden auch in Anlehnung an die Kriterien des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher ausdrücklich erwähnt. Nicht anwendbar ist das Gesetz auf Notare und Vermessungsingenieure, da sie hoheitliche Aufgaben erfüllen und deshalb für sie eine Haftungsbegrenzung ausgeschlossen ist. Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, § 1 Abs. 2 PartGG enthalte jetzt die Definition, die bislang für freie Berufe gefehlt habe. Wenn dann aber im gleichen Zuge in Anlehnung an die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts der freie Beruf als »soziologische Wortschöpfung« bezeichnet wird, die einer juristischen Begriffsfassung nicht zugänglich sei, so bei Brüggemann264, bleibt man einigermaßen irritiert. § 1 Abs. 2 PartGG ist mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vergleichbar, beide Vorschriften definieren nicht, sie beschreiben lediglich, wer nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz sowie im Einkommens- und Gewerbesteuerrecht als freiberuflich zu gelten hat.
264 In Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 1 Rdnr. 1a.
D.
Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
I.
Strukturen eines Berufsbildes
Von einer nachvollziehbaren konkreten Zuordnung einer Tätigkeit zum Gewerbe oder der freien Berufe kann nur dann ausgegangen werden, wenn bestimmte Wesensmerkmale der Berufe ihre jeweilige Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen rechtfertigen können. Gesichert ist die Erkenntnis, dass nicht alle Abgrenzungen mit Hilfe immer gleicher Wesensmerkmale möglich ist. Um die letztlich doch maßgebenden Kriterien zu finden, müssen zunächst in den Berufsbildern der beiden klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts maßgebende Eigenschaften ermittelt werden. Der weitere Schritt führt dann zu den Vergleichsberufen, um feststellen zu können, ob es insoweit ausreichend Gemeinsamkeiten gibt. Besondere Beachtung verdienen die Strukturen des Arztberufs. Er hat wohl die größte Regelungsdichte unter allen Berufstätigkeiten. Ein Grund dafür ist auch das im SGB V265 normierte Kassenarzt- bzw. Vertragsarztsystem als Bestandteil der staatlichen Sozialversicherung, das im besonderen Maße mit dem Altruismusgedanken verknüpft ist. Wohl jeder Beruf, ob freier Beruf oder Gewerbe, dürfte über ein mehr oder weniger fest umrissenes Berufsbild verfügen. Damit werden die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung, Ausübung des Berufs sowie die finanziellen und rechtlichen Berufsausübungsbedingungen dargestellt. Das Bundesverfassungsgericht misst dem Berufsbild bei der Abgrenzung bzw. Typisierung freiberuflicher Arbeit maßgebliche Bedeutung bei.266 So hat es noch in der Entscheidung aus dem Jahre 2008 die Freistellung der freien Berufe von der Gewerbesteuer basierend auf den überlieferten Berufsbildern mit deren gewach265 Sozialgesetzbuch SGB (fünftes Buch). Das gesamte und aus mehreren »Büchern« zusammengesetzte SGB wurde am 11. 09. 2012 neu gefasst und bekanntgemacht: BGBl. 2012 I, S. 2022. 266 Sog. Berufsbildlehre des Gerichts, BVerfGE 7, S. 377, 406; 13, S. 97, 106; 75, S. 246, 266 sowie 78, S. 179, 193.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
sener Rechtstradition begründet.267 Um das jeweilige Bild zeichnen zu können, bieten sich zwei Ansätze an: Einerseits könnte man auf die gesellschaftlichen Anschauungen abstellen, also eine eher sozialwissenschaftliche Sichtweise, andererseits wäre es möglicherweise sachdienlicher, die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Berufs in den Vordergrund zu stellen. Damit könnten sowohl die gesetzlichen Regelungen als auch etwa bestehende Kammerselbstverwaltungen (Ärztekammer, Rechtsanwaltskammer, Apothekerkammer) sowie berufsautonom gesetztes Recht erfasst und zur Berufsbeschreibung herangezogen werden. Soweit auf die gesellschaftliche Anschauung zurückgriffen wird, hängt das Ergebnis sehr vom Wohlwollen des Urteilenden ab. Die Vorstellungen über die Werte der Dienstleistungen einzelner Berufe, von den an sie zu stellenden Anforderungen und die an ihre Berufsträger gestellten Erwartungen, beruhen auf eher subjektiv gefärbten Einzelfallerfahrungen. Sozialwissenschaftlich brauchbar können sie nur sein, wenn sie statistisch belegt sind. Ihr Wert ist im Vergleich zu objektiv feststellbaren Kriterien als Grundlage einer rechtswissenschaftlich begründbaren Abgrenzung daher eher nachrangig. Die erforderliche Gesamtschau aller Berufsmerkmale verlangt jedoch auch die Berücksichtigung historischer Gesichtspunkte. Ein isolierter Rückgriff auf alte Traditionen würde allerdings regelmäßig dem Blick auf neue Entwicklungen hinderlich sein und somit jede notwendige Anpassung an die aktuelle Lebenswirklichkeit oder besser noch, die Antizipation erwartbarer zukünftiger Entwicklungen, unmöglich machen. Im Ergebnis würde man sich so der Gefahr aussetzen, zu einer Traditionalisierung und Verfestigung überkommener Strukturen beizutragen. Das Bild eines Berufs ist das methodische Fundament der im Einzelfall vorzunehmenden Ähnlichkeitsprüfung gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Rechtsprechung verlangt aufgrund der rechtlichen Vorgaben des Bundesfinanzhofs268, dass das »typische Bild« eines bestimmten Katalogberufs mit allen Einzelheiten oder den wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des Vergleichsberufs entspricht.269 Auch im Rahmen einer Grundrechtsprüfung gem. Art. 3 GG müssen die Katalogberufe, um dieser Prüfung standhalten zu können, gewisse gemeinsame Strukturmerkmale aufweisen, die den jeweiligen Berufsbildern zu entnehmen sind. Welche Berufe sind für die Feststellung der für eine Abgrenzung entscheidenden Wesensmerkmale besser geeignet als die beiden klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts?
267 BVerfGE 120, S. 1, insbesondere S. 32; Graml, Das ärztliche Verbot der Zuweisung, S. 102. 268 BFH BStBl. 1984 II, S. 823f.; BStBl. 1981 II, S. 118; Überblick bei Wolff-Diepenbrock, Zur Begriffsbestimmung der »Katalogberufe« und der ihnen ähnlichen Berufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, DStZ 1981, S. 333ff. 269 BFH BStBl. 1981 II, S. 118.
Die klassischen freien Berufe
II.
Die klassischen freien Berufe
1.
Der Arztberuf
a.
Das allgemeine Berufsbild des Arztes
73
Die Darstellung des Berufsbildes der klassischen freien Berufe wird in erheblichem Maße dadurch erleichtert, dass eine Fülle gesetzlicher Regelungen in Berufsordnungen und autonom gesetztem Recht der Selbstverwaltungskammern ihren Berufsbildern ein »Korsett« geben. Für Ärzte maßgeblich ist die Bundesärzteordnung (BuÄO)270. In der Einleitung wurde bereits § 1 Abs. 2 mit dem Postulat zitiert, der Arztberuf sei kein Gewerbe, sondern seiner Natur nach ein freier Beruf. Bemerkenswert ist der Hinweis »seiner Natur nach«. Von Natur aus gibt es die Differenzierung in freiberuflich und gewerblich ganz gewiss nicht. Der Beruf selbst ist aus der Notwendigkeit entstanden, einer Erkrankung nicht tatenlos zuzusehen. Sein Erscheinungsbild hat sich von zunächst verbreiteter fachlicher Unkenntnis der in diesem Bereich mit dem Einsatz althergebrachten Rituale und Heilversuche Tätigen hin zur heutigen modernen Medizin entwickelt. Man wird wohl eher davon ausgehen müssen, dass mit dem Hinweis »seiner Natur nach« auch alle in abhängiger Beschäftigung tätigen Berufsträger erfasst werden sollten, zumal der Beruf des Arztes gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass deutlich mehr als die Hälfte aller Berufsträger in einer abhängigen Beschäftigung ihrem Beruf nachgehen. Die Statistik der Bundesärztekammer weist aus, dass Ende 2016 in Deutschland 337.807 Ärzte approbiert waren. Davon arbeiteten 194 401 in Krankenhäusern und 32.217 bei Behörden oder anderen Organisationen.271 Der Gesetzgeber hatte in der Tat die Absicht, schon eingangs des Gesetzes zum Ausdruck zu bringen, dass der Arzt, ob angestellt oder selbstständig, in der Behandlung seiner Patienten nur seinem Gewissen unterworfen ist.272 Wer als Arzt eigenverantwortlich die Heilkunde ausüben will, muss dazu nach dem erfolgreichen wissenschaftlichen Studium und der sich anschließenden praktischen Ausbildung gem. § 2 BuÄO die Approbation273 erhalten, was nichts anderes als die ärztliche Zulassung ist. Was man unter »Heilkunde« zu verstehen
270 271 272 273
Bundesärzteordnung i. d. F. vom 16. 04. 1987, BGBl.1987 I, S. 1218. Online-Mitteilungen der Bundesärztekammer zum Stichtag 31. 12. 2016. Bundestagsausschuss für Gesundheitswesen BT- Drucks. 3/2810 S. 1. Geregelt in der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. 06. 2002, BGBl. 2002 I, S. 2405. Entsprechende Regelungen bestehen auch für Zahnärzte in der Approbationsordnung für Zahnärzte.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
hat, definiert die Bundesärzteordnung im Gegensatz zum Heilpraktikergesetz (HPG)274 nicht. Das Heilpraktikergesetz definiert sie in § 1 Abs. 2: »Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste anderer ausgeübt wird.«
Ob es einer Definition überhaupt bedurft hätte, ist eher fraglich. Klargestellt wird aber, dass die Heilkunde sowohl in selbstständiger als auch abhängiger Beschäftigung ausgeübt werden kann. Vor dem Hintergrund, dass der Heilpraktiker ein sogenannter Katalogberuf und damit schon gesetzlich als freier Beruf anerkannt ist, kann die Einfügung des Begriffs »gewerbsmäßig« wohl nur als Gedankenlosigkeit gewertet werden, mit der zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass natürlich die Berufsträger ihren und ihrer Familie Lebensunterhalt sicherstellen müssen. Diese Berufsmotivation dürfte aber ohnehin selbstverständlich sein. Die ärztliche Tätigkeit ist außer in der Bundesärzteordnung noch in zahlreichen anderen Rechtsnormen geregelt, so in den in Länderzuständigkeit erlassenen Berufs -und Facharztordnungen275 und natürlich auch innerhalb der Rechtsetzungsbefugnis der Berufskammern. Rechtsgrundlage dieser Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz ist Art. 74 Nr. 19 GG, wonach der Bundesgesetzgeber einheitlich die Zulassungsvoraussetzungen und der Landesgesetzgeber die Berufsausübungsfragen regelt. Die Kammern erhalten ihre Kompetenz durch landesgesetzliche Ermächtigungen, deren Rechtsgrundlagen in den jeweiligen Heilberufs- und Kammergesetzen geregelt sind.276 Den ärztlichen Berufsordnungen vorangestellt ist die Forderung nach der Abgabe des dem hypokratischen Eid nachgebildeten Gelöbnisses.277 Der aktuelle Text wurde erst am 20. 10. 2017 neu formuliert, aber schon in seiner ursprünglichen Fassung seit 1948 weltweit auf Grund der Genfer Deklaration des Weltärztebundes verwendet. Die jetzt gültige Version stärkt Autonomie und Würde des Patienten, was die Fachverbände als längst überfällig betrachtet hatten. Das Gelöbnis beinhaltet die Zusammenfassung ärztlicher Berufspflichten, unabhängig davon, ob der Arztberuf freipraktizierend oder abhängig beschäftigt ausgeübt wird. Dazu gehört zuvorderst der Anspruch, die Wiederherstellung der
274 Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestellung vom 17. 02. 1939 i. d. F. vom 23. 12. 2016, BGBl. 2016 I, S. 191. 275 Zusammenstellung bei Graml, Das ärztliche Verbot der Zuweisung, S. 9 dort Fn. 12. 276 Heberer, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, S. 265 sowie Starck, Grundgesetz und ärztliche Berufsordnungen, S. 7. 277 Hoppe-Schirmer in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts für Medizinrecht, Kap. 9 Rdnr.46.
Die klassischen freien Berufe
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Gesundheit der Patienten zu betreiben.278 Das dürfte dann auch knapp, aber ausreichend eine Beschreibung dessen liefern, was man unter Heilkunde zu verstehen hat. b.
Das Kassenarzt- bzw. Vertragsarztsystem
Die sehr unübersichtliche Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung soll nur insoweit dargestellt werden, als sie für die Abgrenzung des freien Berufs zum Gewerbe überhaupt Relevanz haben kann. In Deutschland wird das ärztliche Berufsbild und der tägliche Praxisbetrieb des selbständigen Arztes in erheblichem Maße von der gesetzlichen Krankenversicherung dominiert.279 Die Grundlagen sind im Sozialgesetzbuch Teil V geregelt.280 Durchschnittlich sind ca. 85 v. H. aller Bürger gesetzlich versichert, der Rest von ihnen hat in der Regel eine private Krankenversicherung abgeschlossen oder ist vollumfänglich als Staatsdiener beihilfeberechtigt.281 Der Kassenarzt, besser Vertragsarzt genannt, erwirbt durch seine Zulassung zur Behandlung gesetzlich Versicherter einen Vergütungsanspruch gegen die für ihn zuständige Kassenärztliche Vereinigung. Die kassenärztliche Vereinigung schließt ihrerseits Honorarvereinbarungen mit den gesetzlichen Krankenkassen (zuständig ist der Gesamtverband). Die Krankenkassen wiederum refinanzieren sich aus den anteiligen Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer. Der Patient ist in diesem System aber nicht rechtlos, er kann von seiner Krankenkasse alle im Rahmen der Versorgung anerkannten Sach- und Dienstleistungen verlangen. Der Vertragsarzt hat, mit Ausnahme der Vergütungsansprüche für sog. IGeL-Leistungen282, keinen Honoraranspruch gegen seine Patienten.283 Das hat für beide zumindest den Vorteil, dass das Verhältnis zwischen Arzt und Patient nicht durch materielle Probleme belastet wird. Die Honorierung der Vertragsärzte erfolgt in einem komplizierten Vergütungssystem, ihre Höhe wird anhand des sog. einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) ermittelt.284 Er umfasst alle Leistungen, die von den niedergelassenen Ärzten abgerechnet werden können. Der weit überwiegende Teil der 278 Deutsche Übersetzung veröffentlicht von der Bundesärztekammer vom 29. 11. 2017 unter www.bundesaerztekammer.de. 279 Hess in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts, Medizinrecht, Rdnrn. 74ff. 280 Übersicht bei Gesellensetter ; Die Annäherung des freien Arztberufs, S. 84ff. 281 statista/Pharma& Gesundheit/Anzahl der Mitglieder und Versicherten 2018 in der GKV: 72,8 Mio. inklusive beitragsfreie Mitglieder. 282 In medizinischen Fachkreisen sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen, für die gesetzliche Krankenkassen nicht eintrittspflichtig sind. 283 Verwirklichung des Solidarprinzips, siehe Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer, S. 124. 284 Gesellensetter, Die Annäherung des freien Arztberufs, S. 87.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
ambulant erbrachten Leistungen wird aus einer Gesamtvergütung (MGV285) bezahlt, unterliegt allerdings einer Mengenbegrenzung. Hat der Vertragsarzt einen bestimmten Umfang an Leistungen in einem Abrechnungsquartal überschritten, werden darüber hinaus gehende Leistungen zu niedrigeren Sätzen vergütet.286 Dieses Vergütungssystem gab Anlass, die Freiberuflichkeit der Ärzte anzuzweifeln. Denecke287 glaubte, die in diesem Versicherungssystem liegende »Kollektivierungstendenz« führe zu einer Abhängigkeit, die mit dem Wesen der Freiberuflichkeit unvereinbar sei. Das Bundessozialgericht288 verglich die Stellung des Vertragsarztes mit einem besonderen Gewaltverhältnis, bei dem der Kassenarzt die Pflicht habe, eine wirtschaftliche Therapie- und Verordnungsweise im Interesse der Kostenersparnis für die Versichertengemeinschaft einzuhalten. Die Vergütungspraxis in der gesetzlichen Krankenversicherung erinnert tatsächlich sehr an eine Art von Gehaltssystem, das besonderen Mehreinsatz des Arztes nicht immer honoriert. Die selbstständig tätigen Ärzte, aber auch Krankenhäuser, trachten deshalb verständlicherweise nach mehr Privatpatienten, bei denen die abzurechnenden Honorare den erbrachten Leistungen entsprechen.289 Gleichwohl akzeptieren Politik und Gesellschaft das System der Sozialversicherung, weil sie für Vertragsärzte eine gute materielle Absicherung gewährleisten und so deren wirtschaftliche Unabhängigkeit auch gegenüber den Patienten stärken.290 Das Vertragsarzt/Kassenarztsystem lässt ihnen dabei auch noch die Möglichkeit, Privatpatienten zu den Bedingungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)291 zu behandeln. Ärzte können sich auch alternativ, ohne sog. Kassenzulassung, ausschließlich Privatpatienten zuwenden. Es gibt mittlerweile starke politische Bestrebungen, diese Zweigleisigkeit der Patientenversicherung in eine einheitliche Bürgerversicherung zu überführen.292 Die Kassen- bzw. Vertragsärzte werden aber trotz der Aufgabe erheblicher Bereiche der vom
285 »Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung«. 286 Zum Abrechnungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung Brüggemann/Kossow/ Mader, Abrechnungstechnik-Praxistechnik-Finanztechnik. 287 Die freien Berufe, S. 93, 119. 288 BSGE 11, S. 1, 5ff. 289 Thomas Exner in Welt-online vom 27. 10. 2013, www.welt.de: Die Bevorzugung von Privatpatienten ist rational nachvollziehbar. 290 Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 368 g, RVO, Anm. 3.3. 291 Gebührenordnung für Ärzte i. d. F. vom 09. 02. 1996, BGBl. 1996 I, S. 210, zul geä. 27. 06. 2017, BGBl. 2017 I, S. 2060. 292 Matusiewicz in focus-online vom 11. 12. 2017, www.focus.de/finanzen/experten/davidma tusiewicz.
Die klassischen freien Berufe
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freien Beruf zu fordernden Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Weisungen oder Bindungen von der Rechtsordnung als freiberuflich tätig anerkannt.293 Für Zahnärzte gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Sie sind als Vertragsärzte in der kassenzahnärztlichen Vereinigung organisiert und rechnen gegenüber Privatpatienten nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)294 ab. c.
Die Bindung des Arztberufs in der Kammerselbstverwaltung
Nicht nur die Ärzteschaft, auch der weitere klassisch freie Beruf des Rechtsanwalts sowie weitere freie Berufe (u. a. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder auch Architekten) verfügen im Rahmen der Kammerselbstverwaltung über Berufsgerichtsbarkeiten, die berechtigt sind, dem Strafverfahren vergleichbare Sanktionen bis hin zu Geldbußen zu verhängen. Dazu zählen auch Verwarnungen, Verweise oder als Ultima Ratio die Feststellung der Berufsunwürdigkeit. Eine Entziehung der Berufsausübungsbefugnis selbst wäre damit aber keinesfalls verbunden, dazu sind ausschließlich die Rechtsaufsichtsbehörden (Länderzuständigkeit) befugt.295 Berufsträger mit einer parallel zur staatlichen Gerichtsbarkeit bestehenden Berufsgerichtsbarkeit laufen ebenso wie Beamte (Disziplinarverfahren) Gefahr, bei strafgesetzlich relevanten Pflichtverletzungen doppelten Sanktionen ausgesetzt zu werden. Die gesetzliche Übertragung einer eigenen Gerichtsbarkeit ist untrennbar verbunden mit einem besonderen Pflichtenkatalog. Die im Rahmen von Standesrichtlinien auferlegten Verhaltenspflichten sind verbindlich, anders als bei einem bloßen Ehrenkodex. Vorrangige Pflicht des Arztes ist selbstverständlich das Bemühen um die Wiederherstellung der Gesundheit seiner Patienten. Seine Vertrauensstellung beim Patienten fordert von ihm zwangsläufig über die gesundheitlichen Beschwerden des Patienten und die im Zusammenhang mit der Behandlung anvertrauten persönlichen Umstände Stillschweigen zu bewahren, er unterliegt insoweit der »Geheimniswahrungspflicht«. In der Vergangenheit regte sich bei Ärzten, Rechtsanwälten und Steuerberatern zunehmend Widerstand gegen das ihnen auferlegte Werbeverbot und Zweifel an dessen generalisierenden Umfang. Man muss sich tatsächlich wundern, dass trotz der in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerten Berufsfreiheit das früher extensive Werbeverbot einiger freier Berufe so lange Bestand 293 BVerfGE 11, S. 30, 40; a. A. die Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD u. FDP: Freiberufliche Elemente seien von dem Charakter als »staatlich gebundener Beruf« überlagert. 294 Gebührenordnung für Zahnärzte i. d. F. vom 05. 12. 2011, BGBl. 2011 I, S. 2661. 295 § 12 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 5 Abs. 2 Bundesärzteordnung (BÄO), dazu Heberer, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, S. 265.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
hatte und dass die Anrufung des Verfassungsgerichts296 erforderlich war, um diesen Zustand zu beenden. Jetzt besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass berufsbezogene, sachliche und angemessene Werbung auch bei Ärzten zulässig ist.297 Die nunmehr die Werbemöglichkeit öffnende Regelung des § 27 MBO-Ä 2004 orientiert sich inhaltlich an dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Nicht erlaubt ist eine das Gewinnstreben in den Vordergrund stellende »reißerische« Werbung. d.
Technischer Fortschritt und neue Behandlungsmethoden und -strukturen
Wie bei fast allen Berufstätigkeiten ist auch das Berufsbild der Ärzte einem stetigen Wandel unterworfen. Schon die Entwicklung neuer Medizintechnik verändert die Methoden in der Behandlung von Patienten. Selbst kompliziertere Operationen können heute mit rechnergesteuerten Geräten ausgeführt werden, denkt man nur an Kathetereingriffe auch zur Rekonstruktion neuer Herzklappen oder computerunterstützte Gelenk- oder Prostataoperationen. Auch für automatisierte einfache Behandlungsmaßnahmen bleibt der Arzt verantwortlich. Dies gilt ganz besonders für Diagnosemaßnahmen und Behandlungsstufen, die in der Vorbereitungsphase ärztlichen Hilfskräften (medizinisch-technische Assistenten, Krankenschwestern und -pflegern oder ärztlichen Fachangestellten) übertragen werden. Auf die Mithilfe des ärztlichen Hilfspersonals für derartige Maßnahmen und zur Überwachung der Patienten kann schon aus Kostenund Kapazitätsgründen nicht verzichtet werden. Die Tätigkeit des Hilfspersonals muss aber immer unter ärztlicher Aufsicht stehen. Der mit dem enormen Fortschritt der Medizin einhergehende Kapitalaufwand beruht besonders auf dem sich weiter entwickelnden hohen Standard der Medizintechnik. Diese Entwicklung fordert auch von frei praktizierenden Ärzten Investitionen in aufwendige Diagnose- und Therapiesysteme sowie teure Labor- und Analysegeräte, die sie allein kaum stemmen können. Um in diesem Gesundheitsmarkt die Existenz erhalten zu können, schließen sich Ärzte zunehmend in Nutzergemeinschaften zusammen. Die Zukunft wird den alleinpraktizierenden Arzt als eine Rarietät führen und die Berufsstruktur der Ärzteschaft überwiegend hin zu echten Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder sog. Partnergesellschaften nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) führen. Alternativ wird man sich mittelfristig auch auf bloße Praxisgemeinschaften beschränken, die zur Kostensenkung Praxisräume, Inventar und medizinische Geräte sowie den Personalbestand gemeinschaftlich nutzen. Die 296 BVerfGE 76, S. 171ff.; 85, S. 248ff. sowie 94, S. 372ff. 297 Kluth in Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts, 2006, S. 265, 274f.
Die klassischen freien Berufe
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Zusammenarbeit der Ärzte soll über die daraus entstehenden materiellen Synergieeffekte auch zu einer besseren Spezialisierung führen, wie sie auch schon in der Möglichkeit der Facharztzulassung besteht. Zwischenzeitlich hat selbst der Deutsche Ärztetag die Auffassung vertreten, allen Ärzten soll die Möglichkeit gegeben werden, Kapitalgesellschaften zu gründen. Voraussetzung müsse aber die mehrheitliche Geschäftsführung durch approbierte Ärzte sein. (festgeschrieben in der MBO- Ä 2004298), wovon allerdings aus ganz unterschiedlichen Gründen kaum Gebrauch gemacht wird.299 Die Bundesländer haben in eigener Gesetzgebungskompetenz zu der Möglichkeit, Kapitalgesellschaften zuzulassen, ganz unterschiedliche Regelungen getroffen, so sei beispielhaft auf § 31 Abs. 2 S. 1 HeilBerG Brandenburg verwiesen.300 Warum diese Gesellschaftsform dem altruistischen Gedanken freiberuflicher Tätigkeit und dem Vertrauensverhältnis zum Patienten entgegenstehen soll, ist nicht plausibel.301 Nicht der Krankenhausträger oder die Kapitalgesellschaft selbst sind approbiert, sondern allein der verantwortlich in fachlicher Unabhängigkeit behandelnde in der Gesellschaft angestellte Arzt.302 Eine darüber hinaus gehende marktwirtschaftlich und kapitalorientierte Entwicklung zeichnet sich bereits seit mehreren Jahren mit der Bildung sog. Medizinischer Versorgungszentren, kurz MVZ genannt, ab. Da viele junge Ärzte den Weg in die Selbstständigkeit wegen der finanziellen Risiken scheuen, den Dienst in Krankenhäusern wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten aber meiden, lassen sie sich als Angestellte in diesen Zentren beschäftigen. Im Team lässt es sich flexibler unter Berücksichtigung der eigenen Bedürfnisse arbeiten. In Deutschland existierten Ende 2016 bereits mehr als 2490 dieser ambulanten Versorgungszentren mit insgesamt über 14560 Ärzten.303 Dieser Trend wäre aus der Sicht der Ärzteschaft und ihrer Verbände noch kein Grund zur Besorgnis. Die Kritiker dieser Entwicklung befürchten vielmehr die bereits begonnene Übernahme dieser lukrativen Unternehmen durch nationale und internationale Finanzinvestoren (Private Equity – Gesellschaften).304 298 In der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997, zuletzt geändert mit den Beschlüssen des 107. Deutschen Ärztetages 2004. 299 Broglie und Hartmann in Münchener Handbuch für Medizinrecht, § 9 Rdnrn. 63ff.: Zu beachten sind dabei allerdings die Besonderheiten im Vertragsarztrecht. 300 Heilberufsgesetz i. d. F. vom 28. 04. 2003, GVBl.2003 I, S. 126. 301 In diesem Sinn auch Gesellensetter, Die Annäherung des Arztberufs an das Gewerbe, S. 235f. 302 BVerfGE 16, S. 286, 294. 303 Korzelius, Heike, Ambulante Versorgung: Investoren auf Einkaufstour, www.aerzteblatt.de/ archiv/201014/Ambulante Versorgung. 304 Stand »2018« waren 50 Private-Equity-Gesellschaften aus verschiedenen Ländern in deutschen MVZ investiert (Bobsin, Finanzinvestoren in der Gesundheitsversorgung in Deutschland, S. 1ff.).
80
Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
Graml hat bereits 2011 diese Entwicklung als »stärkere gewerbliche Ausrichtung« bezeichnet.305 Er berichtet, unter dem Stichwort »Deprofessionalisierung« würden verschiedene Änderungen und Korrekturen diskutiert, die zu einer »Aufweichung« des freiberuflichen Berufsbildes führen würden. Ausgangspunkt dafür sei zum einen das Verhalten der Berufsträger selbst und zum anderen die Europäische Union sowie die Deutsche Monopolkommission. Ferner hätte sich auch das Nachfrageverhalten der Dienstleistungsmärkte geändert. Er konkretisiert das noch insoweit, als er besonders die hier angeführten neuen Formen ärztlicher Zusammenarbeit und die bei freien Berufen festzustellenden Verhaltensänderungen in einer zunehmenden Konkurrenzsituation auch zu gewerblichen Marktteilnehmern betont.306 Neu ist schließlich auch noch die Initiative der in der aktuellen Legislaturperiode vom amtierenden Bundesgesundheitsminister erhobenen Forderung an die Ärzteschaft, Möglichkeiten und Formen von ärztlichen Internetberatungen zu erarbeiten.307
2.
Der Rechtsanwalt
a.
Der Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege
Ebenso wie die Tätigkeit des Arztes ist auch die des Rechtsanwalts in ein öffentlich-rechtliches Normengefüge eingebettet. Sie ist zweifelsfrei klassisch freiberuflich und demzufolge auch in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Katalogberuf aufgeführt. Grundlage des anwaltlichen Berufsrechts ist die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). In § 1 wird der Rechtsanwalt grundsätzlich als unabhängiges Organ der Rechtspflege bezeichnet. Seine Unabhängigkeit muss insbesondere gegenüber Weisungen Dritter gewährleistet sein. Weder der Mandant noch staatliche Stellen wie Gerichte, Behörden oder die Berufskammer dürfen ihm Weisungen erteilen, die seine fachliche Unabhängigkeit beeinträchtigen.308 Er ist nur Recht und Gesetz unterworfen, was das Bundesverfassungsgericht309 veranlasst hat, in diesem Zusammenhang den Begriff der »freien Advokatur« zu prägen. Die Aufgabenstellung des Anwalts ist gesetzlich geregelt, sie besteht in der rechtlichen Beratung sowie Vertretung seiner Mandanten gegenüber Dritten, 305 Graml. Das ärztliche Verbot der Zuweisung, S. 149. 306 Graml Das ärztliche Verbot der Zuweisung, S. 46. Siehe auch Kluth in Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2006, S. 265, 274ff.; Gesellensetter, Annäherung des freien Arztberufs an das Gewerbe, S. 1ff. 307 Bericht in der Tageszeitung »Die Welt« vom 09. 05. 2018. 308 BVerfGE 34, S. 293, 302. 309 BVerfGE 34, S. 293, 302; Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnrn. 2ff.; Busse in Henssler/Prütting, BRAO, § 1 Rdnrn. 18ff.
Die klassischen freien Berufe
81
Behörden oder vor Gerichten (§3 BRAO). Vertritt er seinen Mandanten in einem zivilrechtlichen Verfahren, ist er echter Parteivertreter in einem Dienst- bzw. Auftragsverhältnis.310 Im Strafverfahren ist er als Verteidiger ebenso wie die Staatsanwaltschaft vorrangig unabhängiges und gleichberechtigtes Organ der Rechtspflege.311 Er ist daher in der Funktion als Strafverteidiger im Strafprozess nicht zwangsläufig Vertreter seiner Partei.312 Dort verpflichtet das deutsche Strafprozessrecht auch die Staatsanwaltschaft (aber weisungsgebunden), zur Wahrheitsfindung zugunsten der Beschuldigten bzw. der Angeklagten entlastende Umstände zu ermitteln und in das Verfahren einzubringen.313 Das alte Rechtsberatungsgesetz314, auch Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz genannt, verlangte in § 1 eine Erlaubnis für Rechtsberatungen, die neben den ohnehin dazu berechtigten Rechtsanwälten auch Beratern in Ihren jeweiligen beruflichen Betätigungsfeldern sowie deren Organisationen erteilt wurde (§1 Abs. 1 Nr. 1 ff. RBerG). Dieses Gesetz wurde 2008 durch das Rechtsdienstleistungsgesetz vom 12. 12. 2007315 ersetzt. Für beide Gesetze stand bzw. steht die Qualität der beruflich ausgeübten Rechtsberatung im Vordergrund316, weshalb dem frei praktizierenden Rechtsanwalt auch durch das neue Rechtsdienstleistungsgesetz ein weitgehend geschütztes Beratungs- und Vertretungsmonopol gesichert wird. Es erweitert jedoch Beratungs- und Vertretungsmöglichkeiten für Nichtanwälte außerhalb einer gerichtlichen Tätigkeit. Die gerichtliche Vertretung selbst wird nicht vom Rechtsdienstleistungsgesetz erfasst, insoweit gelten allein die jeweiligen Prozessverfahrensordnungen. Sie regeln die Zulässigkeit von wirksamen Prozesshandlungen. Das noch in der Grundstruktur auf die Ausbildung des sog. Justizjuristen ausgerichtete Studium der Rechtswissenschaft bringt es mit sich, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 4 BRAO) die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz317 erfordert. Ein wissenschaftliches Studium an einer Hochschule oder einer Universität ist deshalb zwingend.
310 311 312 313 314 315
Rosenberg-Schwab, Zivilprozessrecht, S. 159 Rdnrn. 37ff. Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 4. Im Hinblick auf § 1 BRAO BGHSt 12, S. 369. Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, Einl. I, Rdnrn. 52ff. Rechtsberatungsgesetz vom13. 12. 1935 (RGBl. I S. 1395, 1478). Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen vom 12. 12. 2007, BGBl. 2007 I S. 2840. 316 BVerwGE 2, S. 85ff. (so noch für das Rechtsberatungsgesetz a. F.); Weber, Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945, 2010. 317 Deutsches Richtergesetz i. d. F. vom 19. 04. 1972, BGBl. 1972 I, S. 713, zul. geä. 08. 06. 2017, BGBl. 2017 I, S. 1570.
82 b.
Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
Berufs- und Standespflichten
Abgesehen davon, dass das Berufsrecht des Rechtsanwalts einheitlich auf Bundesebene geregelt ist, ist es auch weitaus übersichtlicher als die Rechtsnormenvielfalt für die Ausübung des Arztberufs. Die Pflichten des Rechtsanwalts sind in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) geregelt. Seiner Honorierung wird durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)318 ein fester Rahmen gegeben, in dem allerdings davon abweichende Gebührenvereinbarungen unter Einhaltung strenger Formvorschriften zulässig sind (§ 4 RVG). Das Mandatsverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten erfordert ebenso wie im Arzt-Patienten-Verhältnis ein vergleichbares Maß an Vertrauen. Im gleichen Maße, wie die beiden klassischen freien Berufe der Komplexität ihrer Aufgaben teilweise durch ein hohes Maß an Spezialisierung Rechnung getragen haben, hat sich das Vertrauen in die Person des Berufsträgers zu einem Kompetenzvertrauen entwickelt. Aus dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant folgt auch notwendigerweise die anwaltliche Geheimniswahrungspflicht. Als Organ der Rechtspflege ist er zwangsläufig dem Allgemeinwohl verpflichtet. Aus dieser Stellung heraus folgt die Pflicht, im Rahmen von Prozesskostenhilfeverfahren entsprechende Mandate anzunehmen.319 Der Anwalt bezieht dann seine Vergütung aus der Staatskasse, die jedoch geringer ausfallen kann. Auch für Rechtsanwälte gelten nunmehr die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen erweiterten Grenzen einer angemessenen Werbung. Die Einhaltung der Standesrichtlinien wird durch die Rechtsanwaltskammer sowie der mit der Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte vergleichbaren eigenen »Ehrengerichtsbarkeit« gewährleistet.
c.
Rationalisierungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten des Rechtsanwalts
Im Gegensatz zur Tätigkeit des Arztes ist der Arbeitsalltag der Rechtsanwälte weniger von der Entwicklung der Technik beeinflusst. Erleichterungen gibt es im allgemeinen Bürobetrieb durch Einführung der EDV sowie in der Informationsbeschaffung. Die Abläufe bei mündlichen Verhandlungen vor Gericht mit persönlicher Anwesenheit der Rechtsanwälte haben sich nicht verändert und 318 Gesetz über die Vergütung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten vom 05. 05. 2004, BGBl.2004 I, S. 718, zul. geä. 12. 07. 2018, BGBl. 2018 I, S. 1151. 319 BGHZ 2, S. 227, 229: Öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Abschluss eines Anwaltsvertrages; Hellwig, Berufsrecht und Berufsethik der Anwaltschaft in Deutschland und Europa, 2015, S. 289; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, § 48 Rdnr. 8.
Die klassischen freien Berufe
83
werden das auch mittelfristig nicht tun. Die Anwaltschaft wird aber zukünftig damit konfrontiert werden, dass sich die Rechtsberatung in einfach gelagerten und immer wieder vorkommenden typischen Fallkonstellationen im Internet zu einer voraussichtlich vertretbaren zuverlässigen Informationsquelle für den Rechtssuchenden weiterentwickelt.320 Hier droht der Wegfall eines Teils des rechtsanwaltlichen Beratungsfeldes, auch wenn die Beratungsprogramme anwaltlich gestaltet und abgesichert werden. Diese Entwicklung ist in anderen europäischen Nachbarstaaten mit der Einführung sog. Alternative Business Structures321 bereits deutlich weiter fortgeschritten als in Deutschland. In einem Forschungsprojekt des Deutschen Anwaltsvereins wird in Anlehnung an die Begrifflichkeit der gewerblichen Wirtschaft auf einen »Markt« bzw. auf »Marktsituationen« Bezug genommen.322 Diese neue Offenheit für ein sonst nur Gewerbebetrieben zugeschriebenes Wesensmerkmal tauchte bereits im Zusammenhang mit der Darstellung des ärztlichen Berufsbildes auf. Der Deutsche Anwaltsverein verwendet hier bereits den Begriff eines »Rechtsdienstleistungsmarktes«.323 Vor 50 Jahren hätte sich vermutlich aus dem Kreis der Berufsträger freier Berufe niemand getraut, diese Nähe zu marktwirtschaftlichen Strukturen zu suchen und deren Nomenklatur zu verwenden. Die Studie sieht diese Entwicklung schon in naher Zukunft und beschwört, die Anwaltschaft müsse kompetent unternehmerisch324 werden und über hocheffiziente »Backoffices« verfügen325. Das alles lässt auf eine sehr bemerkenswerte Bewusstseinsänderung innerhalb der Anwaltschaft und damit wohl auch aller anderen freien Berufe schließen. Praktizierte der Rechtsanwalt früher regelmäßig allein, so ist heute die weit überwiegende Zahl aller selbstständig tätigen Berufsträger in mehr oder minder großen Anwaltskanzleien, teilweise sogar in sog. Anwaltsfirmen, tätig. Die beiden größten in Deutschland vertretenen Anwaltsunternehmen arbeiten mit 655 (CMS Sigle, Hasche) bzw. 500 (Freshfields, Bruckhaus, Deringer) Berufsträgern.326 Die Komplexität der Rechtsordnung verlangt zunehmende Spezialisierung, die das Modell des Einzelanwalts noch schneller »vom Markt« verschwinden lassen wird. Der Rechtsuchende, besonders dann, wenn er dauerhafte Beratung für sein Unternehmen verlangt, erwartet in Kenntnis dieser Situation 320 Zukunftsstudie »Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030« des Deutschen Anwaltsvereins. 321 Zukunftsstudie, S. 24. 322 Siehe Graml, Das ärztliche Verbot der Zuweisung, S. 46; sowie Kluth, Jahrbuch 2006, S. 265, 274f. 323 Zukunftsstudie, S. 24. 324 Zukunftsstudie, S. 25. 325 Zukunftsstudie, S. 27. 326 Statista-Das Statistikportal-Die fünfzig größten Kanzleien in Deutschland nach der Anzahl der Anwälte im Jahr 2017.
84
Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
den besonders geschulten und hochspezialisierten Fachanwalt. In Vorausschau auf eine gesteigerte Nachfrage nach fachlich spezialisierten Berufsträgern hatten die Rechtsanwaltskammern auf Grund ihrer Selbstverwaltungskompetenz frühzeitig eigene Fachanwaltsordnungen erlassen, die die Voraussetzungen des Führens einer Fachanwaltsbezeichnung regeln. Man wird wohl unterstellen können, dass sich dadurch das Auswahlkriterium der Rechtsuchenden von der persönlichen Vertrauensbeziehung zur Suche nach der spezialisierten Fachkompetenz verlagern wird und dies wohl auch, bezogen auf gewerblich tätige Rechtsuchende, schon hat. Zusammenschlüsse der Rechtsanwälte erfolgen derzeit in der Regel noch in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, als sog. Partnerschaftsgesellschaften, allerdings vereinzelt auch schon als Kapitalgesellschaft. War dies in früheren Zeiten undenkbar, hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsform auch für Rechtsanwälte und Freiberufler als zulässig erachtet.327 Als Konsequenz dieser Entscheidung wurden dazu neue Regelungen in § 59 c bis m BRAO aufgenommen. So bestimmt § 59 e Abs. 3 S. 1 BRAO, dass die Berufsträger der anwaltlichen Kapitalgesellschaft über eine Stimmenmehrheit verfügen müssen, eine, wie das Bundesverfassungsgericht meint328, nicht mit der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 GG vereinbarte Beschränkung. Die Richter haben allerdings gefordert, jeder einzelne Berufsträger müsse in seiner Berufsausübung unabhängig sein. Als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dürfen, anders als die Beschränkung in der gesetzlichen Regelung (§59 e Abs. 1, S. 1 sowie Abs. 3 BRAO), sogar Ärzte und andere Berufe mit vergleichbaren Wesensmerkmalen (u. a. die Geheimniswahrungspflicht) aufgenommen werden.329 Eine Besonderheit der anwaltlichen Berufsausübung ist der sog. Syndikusanwalt, der auch als Unternehmensjurist bezeichnet wird. Er steht zu seinem Arbeitgeber als abhängig Beschäftigter in einem festen Arbeitsverhältnis, darf aber daneben noch einer Tätigkeit als selbstständiger und unabhängiger Rechtsanwalt nachgehen. § 46 der BRAO330 zwingt ihn, jede gerichtliche Vertretung für seinen Arbeitgeber, bei der vor Gericht Anwaltszwang herrscht, zu unterlassen, da er andernfalls mit dem Erfordernis anwaltlicher Unabhängigkeit in Konflikt käme. In seiner freiberuflichen Arbeit hat er die anwaltlichen Standesregeln einzuhalten.
327 328 329 330
BGH NJW 2005, S. 1966ff. BVerfG NJW 2014, S. 613, 616f. in Abweichung von BGH GRUR 2012, S. 807. BVerfGE 141, S. 82ff.: sog. interprofessionelle Zusammenarbeit. Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung durch das Gesetz zur Neufassung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 21. 12. 2016, BGBl. 2015 I, S. 2517.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
d.
85
Zusammenfassung der maßgebenden Kriterien der beiden klassischen freien Berufe
Die Darstellung der Berufsbilder der als klassisch freiberuflich geltenden Ärzte und Rechtsanwälte hat veranschaulicht, dass sie auch heute noch in besonderer Weise dem Allgemeinwohl verpflichtet sind, der Arzt mit dem abzugebenden Gelöbnis, der Rechtsanwalt in seiner Eidesleistung auf die Einhaltung von Recht und Gesetz als Organ der Rechtspflege. Ihre Gemeinwohlverpflichtung leitet sich nicht nur aus der Erwartungshaltung ihrer Leistungsempfänger ab, sondern schon aus der Forderung des jeweiligen Berufsrechts. Beide Berufe unterliegen wegen des erforderlichen Vertrauensverhältnisses zum Patienten/Mandanten der Geheimniswahrungspflicht und müssen über eine wissenschaftliche Ausbildung an einer Hochschule oder Universität verfügen. Teilweise strenge Verhaltensnormen in den Standesrichtlinien werden durch die eigene Kammerselbstverwaltung überwacht und Verstöße gegebenenfalls durch die Berufsgerichtsbarkeit geahndet. Obwohl beide Berufe ihre Vergütung nach gesetzlichen Gebührenordnungen abrechnen müssen, hat das Bundesverfassungsgericht diesem Merkmal zu Recht keine Abgrenzungsbedeutung beigemessen, da auch insoweit nur wenige Berufe davon betroffen sind.
III.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
Sowohl der Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als auch die von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung im Sinne dieser Vorschrift als freiberuflich anerkannten ähnlichen Berufe belegen, dass schon der Gesetzgeber durch die Auswahl der zur Gruppe freier Berufe gehörenden Tätigkeiten mit all ihrer Unterschiedlichkeit der Meinung gewesen sein muss, dass es auch ausreicht, wenn die freien Berufe nur einige Übereinstimmungen mit den Wesensmerkmalen der beiden klassischen freien Berufen aufweisen. Es wäre insoweit noch zu klären, ob Mindestanforderungen gestellt werden, und wenn ja, welche das sein müssen. Den Maßstab dafür können nur die beiden Berufsbilder der klassischen freien Berufe mit ihren weitgehend identischen Merkmalen liefern, die schon historisch den später als freiberuflich bezeichneten Tätigkeiten das Gepräge der Freiberuflichkeit gegeben haben. Zwar bewertet der Bundesfinanzhof331 in seiner ständigen Rechtsprechung im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Ähnlichkeit von Tätigkeiten mit den dort gelisteten Berufen grundsätzlich nur im Rahmen eines Einzelvergleichs zu einem dieser sog. 331 BFH BStBl. 2015 II, S. 217.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
Katalogberufe, das ändert allerdings nichts daran, dass es mindestens gewisse gemeinsame Kernmerkmale geben sollte, ohne dass damit das Maximum an Eigenschaften eines »idealen« freien Berufs erreicht werden muss.332 Unverzichtbares Merkmal ihrer Berufsbilder ist aber für alle freien Berufe, dass sie Dienstleister sind. Es wird sich zeigen, dass zwischen den zahlreichen freien Berufen doch sehr erhebliche Unterschiede im Hinblick auf typische Merkmale bestehen. Sie weisen keineswegs alle die Eigenschaften auf, die sie einerseits klar gegenüber gewerblichen Tätigkeiten abgrenzen und andererseits mit den beiden klassischen freien Berufen zur Deckung bringen könnten.333. Das Bundeswirtschaftsministerium hat allein die Zahl der selbstständig tätigen Berufsträger der freien Berufe zum 01. 01. 2017 mit 1,382 Mio. angegeben.334 Der Bericht der Bundesregierung zur Lage der freien Berufe dokumentiert, dass die Anzahl der freiberuflich und selbständig tätigen Berufsträger weiter zunimmt.335 Mit Ausnahme der Krankenhäuser wird nahezu der gesamte Bereich der medizinischen Direktversorgung erfasst. Um einen Eindruck von der Vielfalt dieser durch Gesetz geschaffenen eigenständigen Berufsgruppe zu erhalten, werden nachstehend die Katalogberufe sowie von der Finanzverwaltung oder den Finanzgerichten im Einzelfall bei Erfüllung gewisser Bedingungen als ähnlich anerkannten Tätigkeiten aufgelistet, ohne dass damit der Anspruch der Vollständigkeit erhoben wird: Abfallwirtschaftsberater, Architekt, Arzt, Bauingenieur, Baustatiker, beratende Volksund Betriebswirte , Bildberichterstatter, Biologe, vereidigter Buchprüfer, vereidigter Bücherrevisor, Büttenredner336, Casting-Direktor, Designer, Dolmetscher, EDV-Berater bei Entwicklung von Systemsoftware, Fahrschulehrer, Hebamme, Heilmasseur, Heilpraktiker, Handelschemiker, Ingenieur ohne eigenen Produktionsbetrieb oder ohne eigenen Handel, Innenarchitekt, Interviewer, Journalist, Kameramann, Krankengymnast, Krankenpfleger, Künstler, Logopäde, Lotse (Seelotse), Kunstmaler, Notar, Patentanwalt, Psychotherapeut/Psychologe mit medizinischer Ausbildung, Rechtsanwalt, Rechtsbeistand, Restaurator (von Kunstobjekten), Schriftsteller, Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Tierarzt, Tontechniker soweit er bestimmte Klangbilder herstellt,
332 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 34 mit weiteren Nachweisen. 333 Mann, Der Berufsbetreuer – ein Freier Beruf ?, NJW 2008, S. 121, 122. 334 Bundeswirtschaftsministerium »Freie Berufe«, www.bmwi.de/redaktion/DE/Artikel/Bran chenfokus/Wirtschaftfreieberufe. Erfasst sind insoweit nur die selbständig Tätigen. Sie beschäftigen noch einmal 3,299 Mio. Berufsträger in sozialpflichtiger Beschäftigung. 335 Bericht der Bundesregierung zur Lage der freien Berufe, 2013, S. 3. 336 Dieser Beruf hat es über das allgemeine Merkmal des Künstlers geschafft, möglicherweise auch geprägt und befördert durch den lokal traditionellen Karneval in Düsseldorf (FG Düsseldorf, EFG 2004, S. 1628); dagegen BFH BStBl. 1987 II, S. 376.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
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Trainer (aber nicht der Tierausbilder), Übersetzer, Vermessungsingenieur, Versicherungsmathematiker, Wirtschaftsprüfer, Zahnarzt.337
Einige der genannten Berufe werden lediglich in einer speziellen Ausprägung als der freiberuflichen Tätigkeit ähnlich anerkannt. So gilt ein EDV-Berater deshalb als freiberuflich, weil er Computer-Anwendungssoftware entwickelt hat.338 Der EDV-Berater, der auf dem Gebiet der Systemberatung tätig ist, aber keine mit einem Diplominformatiker vergleichbaren Kenntnisse (nicht Ausbildung) aufweisen kann, arbeitet dagegen gewerblich.339 Feuchtwanger340 fasst die Merkmale freiberuflicher Tätigkeit als »Übereinstimmungen in der gesellschaftlichen und juristisch-wirtschaftlichen Eigenart« zusammen. Mit den nachfolgend dargestellten weiteren Berufsbildern soll aufgezeigt werden, wie unterschiedlich die Berufsbilder der freien Berufe sind, und wie gering teilweise die Übereinstimmungen mit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts erscheinen. Die Berufsbilder des Arztes und des Rechtsanwalts gelten auch als Ausgangsmodelle für die Berufe des Wirtschaftsprüfers, des beratenden Ingenieurs oder des Unternehmens- und Steuerberaters. Sie sind erst später als eigenständige Berufe entstanden, gelten aber heute ebenfalls als noch ganz typisch freiberuflich. Journalisten, Bildberichterstatter und Seelotsen sind dafür weniger signifikant, obgleich sie steuerrechtlich (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und die Seelotsen sogar auch berufsrechtlich341 als freiberuflich bezeichnet werden. Schwierigkeiten in der Zuordnung bereiten zweifelsohne die Berufe des Notars und des Apothekers. Der Notar, weil er hoheitliche Aufgaben erfüllt, der Apotheker, weil er Arzneien und Drogerieartikel ebenso wie ein Händler veräußert, aber im Übrigen erhebliche Ähnlichkeit zu freien Berufen aufweisen kann. Der Beruf des Heilmasseurs ist als freier Beruf erst mit einer Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts (vormals FG Hannover) anerkannt worden.342 Besondere Beachtung kommt dem Beruf des Berufsbetreuers zu, der zunächst weder vom Bundesfinanzhof343steuerrechtlich noch vom Bundesverwaltungs337 Ausführlichere Zusammenstellungen freier und ähnlicher Berufe mit den geforderten Einschränkungen sowie im Anerkennungsverfahren gescheiterter Berufe finden sich bei Wacker in Schmidt, EStG, § 18 Rdnr. 155 ebenso wie bei Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 275. 338 BFH BStBl. 2004 II, S. 989. 339 BFH/ NV 2007, S. 2002. 340 Der Staat und die freien Berufe, S. 69. 341 § 25 Abs. 1 des Gesetzes über das Seelotsenwesen i. d. F. vom 13. 09. 1984, BGBl. 1984 I, S. 1213, zul. geä. 18. 07. 2016, BGBl. 2016 I, S. 1666. 342 EFG 1956, S. 315. 343 BFH BStBl. 2005, S. 288.
88
Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
gericht344 gewerberechtlich als freier Beruf anerkannt wurde. Erst mit zwei weiteren Entscheidungen345 hat ihm der Bundesfinanzhof auf Grund der Sonderregelung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 die Gewerbesteuerfreiheit zuerkannt. Darauf wird noch gesondert im Rahmen der Abgrenzungsfrage innerhalb der Gewerbeordnung einzugehen sein. Künstlerisch geprägte Berufsbilder sowie der Beruf des Schriftstellers bleiben bei dem Versuch einer Abgrenzung zunächst außer Betracht. Sie weisen Besonderheiten auf, die von einer speziellen und besonderen schöpferischen Begabung geprägt sind und daher im Gegensatz zu eher erlernbaren Tätigkeiten für eine Gegenüberstellung nicht geeignet sind. Auf ihre Berufsbilder wird an anderer Stelle eingegangen (Kapitel F I 1 b.).
1.
Der Notar
Der Notarberuf verlangt ebenso wie der des Rechtsanwalts ein wissenschaftliches Studium und die Befähigung zur Ausübung des Richteramts (§ 5 der Bundesnotarordnung- BNotO346). In § 1 BNotO wird die Stellung des Notars als »unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes« bezeichnet. Er hat die Aufgabe, in Rechtsvorgängen auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege (§§ 20 bis 24 BNotO) tätig zu werden und zu beurkunden.347 Damit verbunden ist auch die Pflicht zur Beratung, insbesondere im Hinblick auf Risiken und Gefahren einer vorzunehmenden notariellen Tätigkeit (§ 17 Beurkundungsgesetz – BeurkG348).349 Als Träger »öffentlicher Gewalt« erfüllt der Notar mit der Beurkundungsfunktion öffentliche Aufgaben, ohne in einem Dienstverhältnis stehen zu dürfen ( § 3 Abs. 1 Nr. 8 BeurkG). Die in § 1 BNotO vom Notar geforderte Unabhängigkeit bezieht sich auf seine Freiheit in allen rechtlichen Entscheidungen. Er ist insoweit allein dem Gesetz unterworfen. Da der Notar im Rahmen seiner Aufgabenzuweisung auch über hoheitliche Befugnisse350 verfügt, lässt sich seine Gemeinwohlverpflichtung schon allein daraus ableiten. Aber auch am Bestehen eines Vertrauensverhältnisses wird es in der Praxis regelmäßig nicht fehlen. Es dürfte wohl niemand einen Notar auf344 BVerwG NJW 2008, S. 1974ff. 345 BFH BStBl. 2010 II, S. 906; 2010 II, S. 909. 346 Bundesnotarordnung vom 24. 02. 1961, BGBl. 1961 I, S. 97, zul. geä. 30. 10. 2017, BGBl. 2017 I, S. 3618 ber. BGBl. 2017 III, S. 303. 347 Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, § 1 Rdnr. 3. 348 Gesetz vom 28. 08. 1969, BGBl. 1969 I, S. 1513, zul. geä. 18. 07. 2017, BGBl. 2017 I, S. 2745. 349 Winkler, Die Pflicht des Notars zur Belehrung, S. 5ff.; Bracker in Schippel/Bracker, BNotO, 2016, § 1 Rdnrn. 3ff. 350 BVerfGE 11, S. 192, 202f.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
89
suchen wollen, zu dem er kein Vertrauen hat. Da es jedoch auch Beurkundungen unter Beteiligung mehrerer Personen bzw. Personengruppen mit ganz unterschiedlichen oder sogar konträren Interessen gibt (Grundstückskaufverträge, Gesellschaftsverträge, Gesellschafterversammlungen von GmbHs oder Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften), dürfte es kaum vermeidbar sein, dass Beteiligte, ob eher gleichgültig oder sogar widerwillig, einen bestimmten Notar aufsuchen. Im Rahmen seiner Beurkundungsfunktion in Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften bzw. für bereits existierende GmbHs entscheiden nicht alle Gesellschafter bzw. Aktionäre über die personelle Auswahl des Notars, sondern der Aufsichtsrat bzw. die Geschäftsführung. Ein besonderes Vertrauensverhältnis bei allen Beteiligten scheint dann nur teilweise der Realität zu entsprechen. Bei Testamentsbeurkundungen wird aber wieder das persönliche Vertrauen des Testators im Vordergrund stehen. Bundesweit gibt es Unterschiede in der Rechtsform der Berufsausübung des Notars.351 Unter anderem Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen kennen den sogenannten hauptamtlichen Notar, der neben seiner Amtsfunktion nicht als Rechtsanwalt tätig sein darf. Anders ist die Rechtslage beispielsweise in Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein. Besonderheiten gelten für die in diesen Bundesländern tätigen sogenannten »Anwaltsnotare«, auch »nebenberufliche Notare«352 genannt. Ihre Zulassung zum Notaramt fordert eine bereits mehrjährige Anwaltstätigkeit. Sie sind in ihrer gleichzeitig ausgeübten Rechtsanwaltstätigkeit zur anwaltlichen Vertretung der Mandanten befugt, soweit daraus keine Bezüge zu den von ihnen übernommenen notariellen Aufgaben bestehen können.353In Teilen BadenWürttembergs354 standen Notare in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis mit der einem Richter vergleichbaren Unabhängigkeit. Seit dem 01. 01. 2018 gibt es auch dort nur noch das sog. freie Notariat außerhalb von Dienstverhältnissen. Nordrhein-Westfalen unterscheidet aus historischen Gründen die
351 Dazu Bracker in Schippel/Bracker, BNotO, § 3 Rdnr. 26ff. 352 Der Anwaltsnotar wird nur zum Notaramt zugelassen, wenn er zuvor bereits als Rechtsanwalt tätig war und das auch noch ist. Sein Notaramt erlischt deshalb auch für den Fall einer Beendigung seiner anwaltlichen Zulassung. Beide Berufsbereiche sind in der Aufgabenerfüllung dennoch strikt zu trennen. Ihn treffen grundsätzlich alle Ausübungs- und Verhaltensregeln der hauptamtlich tätigen »Nurnotare«. Als Notar ist er unparteiisch und darf aus seinen Beurkundungsvorgängen keine Partei anwaltlich beraten oder vertreten. Andererseits ist es ihm auch untersagt, in von ihm bearbeiteten Anwaltsvorgängen notariell tätig zu werden (§ 3 BeurkG). 353 Andernfalls besteht regelmäßig eine Interessenkollision: Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, § 3 Rdnr. 13 sowie für den Fall, dass die notarielle Tätigkeit der Anwaltstätigkeit folgen soll, § 3 BeurkG. 354 Frühere Sondervorschriften der §§ 114, 116 BNotO galten für den Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe-Baden.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
Zulassung von »Nurnotaren« oder »Anwaltsnotaren« nach »linksrheinischem« oder »rechtsrheinischem« Amtssitz. § 2 BNotO bestimmt, dass der Notar kein Gewerbe ausübt. Die Berechtigung für diese Aussage sieht man nicht nur in der Erfüllung typisch freiberuflicher Merkmale, sondern auch in seiner Amtsstellung mit hoheitlichen Befugnissen.355 Auch wenn die Bundesnotarordnung davon absieht, ihn ausdrücklich als freiberuflich tätig zu bezeichnen, ist er dennoch in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Katalogberuf mit aufgeführt. Seine Freiberuflichkeit wird auch vom Bundesgerichtshof bejaht.356 Das Notaramt wird gelegentlich einschränkend auch als »Amt mit freiberuflichen Zügen« bezeichnet357. Diese Mischbezeichnung findet ihre Rechtfertigung darin, dass ein nicht ganz unerheblicher Teil seines Aufgabenspektrums auch von der in der Gerichtszuständigkeit liegenden sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit erledigt wird.358 Für diejenigen, die den Notar wegen seiner Amtsstellung nicht als freiberuflich anerkennen wollen, müsste begrifflich eine weitere Berufsgruppe gebildet werden, die aber ebenso wenig als gewerblich bezeichnet werden könnte und konsequenterweise auch nicht der Gewerbesteuerpflicht unterworfen werden dürfte. Insoweit wäre auch die Bezeichnung als »staatlich gebundener Beruf«359 nachvollziehbar. Die zur Diskussion gestellte Charakterisierung als »verstaatlichter Beruf«360 ist dagegen missverständlich, sie wird, soweit ersichtlich, nicht mehr verwendet. Die dem Notar obliegenden Standespflichten sind zum Teil wesentlich strenger gefasst als die der Ärzte und Rechtanwälte. Seine Pflichten bezogen auf die Urkundstätigkeit mit ihren formalen Anforderungen sind im Beurkundungsgesetz geregelt. Die materiell-rechtlichen Vorgaben im Rahmen seiner Amtstätigkeit entnimmt der Notar allerdings den allgemeinen für alle geltenden Rechtsvorschriften. Ihm obliegt die Pflicht zur Erforschung des maßgeblichen Willens der Beteiligten, des Sachverhalts sowie die Pflicht zur Belehrung über die rechtliche Tragweite des gewünschten Vorgangs.361Wegen seiner Amtsstellung mit hoheitlichen Befugnissen ist dem Notar, wie einst den klassischen freien 355 So Römer, Notariatsverfassung und Grundgesetz, 1963, S. 42; Bracker in Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rdnr. 13. Seine unparteiliche und unabhängige Amtsführung ist mit einem gewinnorientierten Marktverhalten unvereinbar (BGH DNotZ 2010, S. 75). 356 BGH DNotZ 2010, S. 75 u. BGH MDR 1961, S. 212. 357 Bracker in Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rdnr. 358 So die Argumentation von Frenz in Eylmann/Vassen, Bundesnotarordnung, § 2 Rdnrn. 10f. 359 Dazu die Arbeit von Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort der »staatlich gebundenen« Berufe; Gelhausen, Die staatlich gebundenen Berufe und das Kartellgesetz, insbesondere S. 7ff. 360 Hoffmann, Die Verstaatlichung von Berufen, DVBl. 1964, S. 457. 361 Eine Übersicht über diese Pflichten des Notars (in Abgrenzung zu reinen Dienstpflichten) gibt Winkler, Die Pflicht des Notars zur Belehrung, S. 5ff.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
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Berufen, auch heute noch jede Werbung untersagt (§ 29 BNotO).362 Eine gesellschaftsrechtliche Organisation mit Berufskollegen ist nur dem Anwaltsnotar (nebenberuflichen Notar) beschränkt auf die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Partnerschaftsgesellschaft gestattet (§ 9Abs. 2 BNotO). Der hauptberuflich tätige Notar darf sich dagegen nur am selben Amtssitz mit Berufskollegen zu einer gemeinsamen Berufsausübung zusammenfinden (§ 9 Abs. 1 BNotO). Bürogemeinschaften sind aber unproblematisch (§ 9 Abs. 2 BNotO). Die vom Notar übernommenen hoheitlichen Aufgaben führen dazu, dass er insoweit regelmäßiger Amtsführungs- und Gebührenerhebungsüberprüfungen unterzogen wird.363 Die Gebührenansprüche der Notare sind im Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit364 geregelt, das auch für alle Tätigkeiten im Rahmen der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit der Amtsgerichte gilt.
2.
Der Wirtschaftsprüfer
Wirtschaftsprüfer haben keine so lange Berufstradition wie Ärzte oder Rechtsanwälte vorzuweisen.365 Ihnen wurde am 16. 10. 1934366 gemeinsam mit Steuerberatern und Buchsachverständigen steuerrechtlich die Freiberuflichkeit neben den schon u. a. als Katalogberufe anerkannten Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten und Ingenieuren zugebilligt. Gesetzlich geregelt ist ihre Tätigkeit in dem »Gesetz über eine Berufsordnung für Wirtschaftsprüfer«, kurz »Wirtschaftsprüferordnung« (WPO)367 genannt. Ihre Aufgabe ist in § 2 Abs. 1 WPO beschrieben, sie führen vornehmlich betriebswirtschaftliche Prüfungen der Jahresabschlüsse größerer Unternehmen durch. Nach Abschluss dieser Prüfungen stellen sie Bestätigungsvermerke aus, die gesellschafts- und steuerrechtliche Relevanz haben. Weitere Tätigkeitsbereiche sind ihnen mit der Steuerberatung (§ 2 Abs. 2 WPO), der Gutachtenerstellung (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 WPO), der Wirtschaftsberatung (§ 2 Abs. 3 Nr. 2) sowie umfangreichen Treuhandfunktionen (§ 43 Abs. 4 Nr. 4 WPO) zugewiesen. 362 Einschränkend BVerfG DNotZ 2006, S. 226 gegen BGH NJW 2004, S. 2974. 363 Insoweit handelt es sich lediglich um die nachträgliche durchgeführte Rechtsaufsicht (BGHZ 57, S. 351, 354ff.); Schippel, Aufsicht und Unabhängigkeit des Notars, DNotZ 1965, S. 595ff. 364 Gerichts- und Notarkostengesetz vom 23. 07. 2013 BGBl. 2013 I, S. 2586. 365 Das erste Berufsrecht wurde im Zuge der Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts mit der Verordnung zur Prüfung von Unternehmengeschaffen geschaffen. 366 RGBl. 1934 I, S. 1005. 367 Gesetz über die Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer i. d. F. vom 05. 11. 1975, BGBl. 1975 I, S. 2803, zul. geä. 30. 10. 2017, BGBl. 2017 I, S. 3618.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
Grundsätzlich fordert die Wirtschaftsprüferordnung ein wissenschaftliches Studium als Zulassungsvoraussetzung (§ 8 Abs. 1 WPO). Ausnahmen davon sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 WPO bei langer Berufserfahrung in sachnahen Tätigkeiten möglich. Dazu gehören eine mindestens zehnjährige Berufspraxis bei einem Wirtschaftsprüfer, einer Prüfstelle des Sparkassen- und Giroverbandes oder eine fünfjährige Praxis als vereidigter Buchprüfer (§ 8 Abs. 2 WPO). Immer aber bedarf es einer fachlichen Eignungsprüfung (§ 9 WPO). Die Anforderungen der Freiberuflichkeit in ihrem Berufsbild wie die Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Gemeinwohlorientierung sowie eine überwiegend eigenpersönliche Tätigkeit, werden allgemein als vorhanden akzeptiert.368 Da der Wirtschaftsprüfer unter anderem auch Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat, ist ebenso wie beim Notar das Vorhandensein eines Vertrauensverhältnisses zum Mandanten problematisch. Da die prüfungspflichtigen Unternehmen den Prüfer aber selbst bestimmen, dürften darauf bezogen jedenfalls keine Zweifel bestehen, allerdings noch weniger im Rahmen einer übertragenen Treuhandtätigkeit. Auch die Wirtschaftsprüferordnung stellt in § 1 Abs. 2 klar, dass der Berufsträger kein Gewerbe ausübt. Ihm sind zudem in § 43a Abs. 3 WPO außerhalb seiner Aufgabenstellung gewerbliche Tätigkeiten untersagt. Was er darf, wird unter dieser Norm enumerativ aufgelistet. Wirtschaftsprüfer genießen ebenfalls das Privileg einer eigenen Kammerselbstverwaltung mit entsprechenden disziplinarischen Möglichkeiten (§ 61 a ff. WPO). Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber zwar feststellt, dass der Wirtschaftsprüfer kein Gewerbe ausübt, ihm andererseits aber dem Wortlaut des § 52 WPO nach fast uneingeschränkt werben lässt. Es heißt dort: »Werbung ist zulässig, es sei denn, sie ist unlauter«. Dieses Verbot unlauterer Werbung knüpft an die Generalklausel des § 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG)369 an, der auch für alle Unternehmen. Ob freiberuflich oder gewerblich, als Generalklausel bindend ist. Damit verfügt der Wirtschaftsprüfer im Vergleich zu den klassischen freien Berufen über einen deutlich größeren Spielraum in seinen Werbeaktivitäten.370 Die Freiberuflichkeit blieb den Wirtschaftsprüfern für die Erfüllung von Treuhandaufgaben als Insolvenz- oder Vergleichsverwalter, als Testamentsvollstrecker, in der Wahrnehmung von Gesellschaftsrechten sowie für die Durchführung von Nachlassverwaltungen zunächst verwehrt.371 Begründet wurde das mit der Nähe dieser Tätigkeiten zum Handelsgewerbe. Nach Einfügung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und der Zuordnung der Vermögensverwaltung als selbst368 Lindenberg. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Wirtschaftsprüferordnung, BB 1961, S. 1286ff. 369 Vom 03. 07. 2004, BGBl. 2004 I, S. 1414, zul. geä. 17. 02. 2016, BGBl. 2016 I, S. 233. 370 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 42. 371 BFH BStBl. 1973 II, S. 729, 730; damals schon a. A. Lindenberg, Wirtschaftsprüfergesellschaften, S. 64 sowie Müller, Einbeziehung der freien Berufe in das Handelsrecht, S. 160.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
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ständige Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG mit der Folge der möglichen Gewerbesteuerbefreiung, blieb als Hürde einer Anerkennung als freiberufliche Tätigkeit nur noch die für alle Abgrenzungsentscheidungen in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geforderte eigenverantwortliche, leitende und überwachende Beteiligung an der Erledigung dieser Aufgaben.372 Was Rechtsanwälte erst vor Gericht erstreiten mussten, ist Wirtschaftsprüfern schon länger gestattet. Sie konnten sich gegenüber anderen freien Berufen bereits deutlich früher in Kapitalgesellschaften zusammenschließen (§ 27 WPO). Sie waren Protagonisten der überörtlichen und sogar internationalen Zusammenschlüsse, die das in Deutschland noch weit verbreitete traditionelle Bild von freiberuflicher Tätigkeit ins Wanken gebracht hatten.373 Bereits vor dem 2. Weltkrieg durften sowohl freiberuflich tätige Wirtschaftsprüfer als auch die parallel dazu bestehenden Treuhand-Aktiengesellschaften anerkannte Prüfungen von Unternehmen durchführen. Für die nicht in Kapitalgesellschaften organisierten Wirtschaftsprüfer wurde dadurch die materielle Lage auf Grund der übermächtigen Konkurrenz immer dramatischer.374 Innerhalb der Berufsgruppe selbst gab es zwei Lager, von denen die der Tradition verhafteten Wirtschaftsprüfer an der Ablehnung der Zulassung von eigenen Kaptalgesellschaften um der Wahrung des Status als freier Beruf willen festhielten375. Diese in der Zeit des Dritten Reiches gebildete Oppositionsmeinung hat sich erst nach 1949 in einer Aktionsgemeinschaft von Wirtschaftsprüfern an den Deutschen Bundestag gewandt, um das Verbot der Zulassung von Kapitalgesellschaften mit dem klaren Hinweis auf die Freiberuflichkeit ihrer persönlichen Berufsträgerschaft durchzusetzen.376 Man war der Meinung, dass es lediglich die Möglichkeit geben dürfe, sich abseits von Kapitalgesellschaften zusammenzuschließen.377 Diese Initiative erreichte nicht das erwünschte Ziel. Stattdessen ließ der Bundesgesetzgeber in der von ihm erlassenen Wirtschaftsprüferordnung die Möglichkeit des Zusammenschlusses auch in Kapitalgesellschaften zu, forderte allerdings in § 32 WPO, dass der von der Gesellschaft zu erteilende Bestätigungsvermerk durch einen in der Gesellschaft tätigen Wirtschaftsprüfer als 372 BFH BStBl. 1994 II, S. 936; BStBl. 2002 II, S. 202. 373 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 89. Die Zulassung überörtlicher Sozietäten wurde schon in den 60er Jahren aufgrund des § 3 Abs. 2 der damaligen Fassung der Wirtschaftsprüferordnung nicht bezweifelt (Rittner in StB 1967, S. 2, 7). 374 Markus, Die Wirtschaftsprüfer, S. 33. 375 Weyershaus, Wirtschaftsprüfung in Deutschland, S. 142. Der Reichs- und Preußische Finanzminister befreite am 30. 03. 1935 von der Verpflichtung, sich gewerbepolizeilich anzumelden. Mit dem Gesetz vom 06. 04. 1934 wurden auch Wirtschaftsprüfer zu freien Berufen bestimmt. 376 Koch, Nationale und transnationale Organisationsformen, S. 191. 377 Markus, Die Wirtschaftsprüfer, S. 31ff.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
natürliche Person erteilt werden muss. Die Organisation als Kapitalgesellschaft versetzte die Wirtschaftsprüfer nun in die Lage, ihre Haftung zu begrenzen sowie durch die Zusammenschlüsse effektiver und vor allem auch durch Kostenersparnis wirtschaftlicher zu arbeiten. Die Kapitalgesellschaft hatte damit den Einzug in die sozialwissenschaftlich anerkannte Gruppe freier Berufe geschafft, auch wenn ihnen dadurch die steuerlichen Vorteile wegen § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG verwehrt blieben. Für die grundsätzliche Charakterisierung der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers als freier Beruf war allerdings entscheidend, dass er mit seinen Prüfungsvermerken eine höchstpersönliche Leistung erbringt und dafür dann auch die Verantwortung zu übernehmen hatte.378 Daran hat sich selbst durch die Zulassung der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft nichts geändert.
3.
Der Steuerberater
Die Berufstätigkeit des Steuerberaters weist in ihren Rahmenbedingungen deutliche Parallelen zum Beruf des Rechtsanwalts auf, auch wenn sich seine Aufgabenstellung auf die mit steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen und Problemen im Zusammenhang stehenden Lebenssachverhalte beschränkt.379 Sie erfasst die daraus folgenden Beratungsbedürfnisse, die Vertretung gegenüber den Finanzbehörden und schließlich auch Prozessvertretungen vor den Finanz- und Verwaltungsgerichten. Die Beschreibung seiner Aufgaben kann man auch schlicht als Hilfeleistung in Steuersachen zusammenfassen.380 So wie die Zulässigkeit der Rechtsberatung und Rechtsvertretung vor Gericht nach dem Rechtsberatungsgesetz auf die Rechtsanwaltschaft bzw. Rechtsbeistände und einzelne Fachverbände beschränkt wird, findet man Entsprechendes für die Steuerberatung in § 2 StBerG: »Die Hilfeleistung in Steuersachen darf geschäftsmäßig nur von Personen und Vereinigungen … ausgeübt werden, …«.Das Steuerberatergesetz (StBerG) ist mit der Bundesrechtsanwaltsordnung auch insoweit vergleichbar, als dort die Voraussetzungen der Berufszulassung, Rechte und Pflichten in der Berufsausübung sowie die Organisation der Selbstverwaltung in öffentlich-rechtlichen Kammern mit der Bundessteuerberaterkammer als Dachorganisation geregelt sind. Der Steuerberater gilt in der 378 Lindenberg, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, S. 1286; Lohmann, Zur Befugnis der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Durchführung von Pflichtprüfungen, DB 1962, S. 277, a. A. Höppner, Problematik und Widersprüche der Wirtschaftsprüferordnung, BB 1961, S. 1209f. 379 § 1 Abs. 1 u. 2 Steuerberatergesetz (StBerG) i. d. F. vom 04. 11. 1975, BGBl. 1975 I, S. 2735, zul. geä. 30. 10. 2017, BGBl. 2017 I, S. 3618. 380 BGH StbSt 4/95.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
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Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vergleichbar der Beschreibung der Tätigkeit des Rechtsanwalts, als unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege.381 Fraglich dürfte aber sein, ob allein damit schon die Gemeinwohlverpflichtung des Steuerberaterberufs unterstellt werden kann. Der Rechtsanwalt, als Organ der Rechtspflege und zugleich in seiner Rolle als Parteivertreter, soll den dem Gemeinwohl zuträglichen Gerechtigkeitsgedanken verwirklichen. Das gilt nicht nur im Strafrecht zur Vermeidung der Verurteilung Unschuldiger wegen Steuerhinterziehung, sondern erstrebt werden durch seine Mitwirkung auch »bessere« und »gerechtere« Besteuerungsverfahren. Der Steuerberater hilft den Steuerpflichtigen bei der Abwehr unberechtigter Steueransprüche des Staates. Gleichzeitig unterstützt er den Steuerpflichtigen bei der Vermeidung von Steuerlasten durch Lückenausnutzung und Steuervermeidungsstrategien, eine Aufgabe, die in der öffentlichen Wahrnehmung zwar als besonderes Qualitätsmerkmal zu gelten scheint, dem Gemeinwohl aber zweifellos eher abträglich ist. Das Steuerberatungsgesetz gilt u. a. auch für Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften. Die von allen Berufsträgern zu beachtenden Standesrichtlinien, wie die höchstpersönliche Leistungserbringung, Unabhängigkeit, im Gesetz als »Eigenverantwortlichkeit« bezeichnet (§ 57 Abs. 1, § 60 StBerG), sowie die Pflicht zur Verschwiegenheit, sind im StBerG als Berufspflichten normiert. Werbung ist im Rahmen der §§ 8, 57a StBerG für Steuerberatungsberufe insoweit zulässig, als sie sachlich ist und nicht auf eine steuerliche Hilfeleistung in einem konkreten Einzelfall abzielt (§ 57 a Abs. 2 StBerG). Die Zulassung zur Steuerberaterprüfung verlangt nicht zwingend ein wissenschaftliches Studium an einer Hochschule oder Universität. Gem. § 36 Abs. 2 StBerG genügt auch eine kaufmännische oder gleichwertige Vorbildung mit anschließender mindestens sieben- bzw. zehnjähriger praktischer Tätigkeit im steuerrechtlichen Bereich. Ehemalige Mitarbeiter der Finanzverwaltungen können nach siebenjähriger Praxis zur Prüfung zugelassen werden. Einige Berufe, so beispielsweise die als ehemalige Richter eines Finanzgerichts, bedürfen überhaupt keiner Prüfung (§ 38 StBerG). Sie können unmittelbar als Steuerberater zugelassen werden. Vergleichbar mit der Entwicklung der Bildung von Kapitalgesellschaften bei Wirtschaftsprüfern wurde die Kapitalgesellschaft als zulässige Gesellschaftsform für Steuerberater in das im Jahre 1961 verabschiedete Steuerberatergesetz mit aufgenommen (49ff. StBerG), allerdings ebenfalls mit der Maßgabe, dass die Berufsausübung selbst an die natürliche Person des Steuerberaters geknüpft ist und darüber hinaus die Gesellschaft von Berufsträgern oder berufsnahen Vertretern geführt werden muss (§ 5 Abs. 1 u. 2 StBerG).
381 BGH StbSt 3/10.
96 4.
Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
Die Tätigkeit der Seelotsen als »echtes freies Gewerbe«382
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestimmt die Tätigkeit der Seelotsen ausdrücklich als freiberuflich. Dennoch gilt dieser Beruf nicht als klassisch freiberuflich.383 Der Bundestagsausschuss für Verkehr hatte im Gegensatz zu einem Regierungsentwurf384 empfohlen, ihn in dem Gesetz zur Regelung des Seelotsenwesens als freiberuflich tätig anzuerkennen.385 Den Hintergrund dieser Meinungsverschiedenheit bildete die jeweils unterschiedliche Entwicklung in den deutschen Küstenländern. Seelotsen waren zuvor sowohl beamtet als auch gewerblich tätig.386 Das am 13. 10. 1954 in Kraft getretene Gesetz über das Seelotsenwesen (SeelG)387 gab den Seelotsen dann in § 25 Abs. 1 den Status eines freien Berufs, allerdings mit einer Einschränkung: Die Arbeit der Lotsen außerhalb der Reviere gem. § 5 Abs. 1 Ziff. 4 SeelG a. F. galt als gewerblich (§ 49 SeelG a. F.). Die nach wie vor geltende Verordnung über das Seelotsenwesen außerhalb der Reviere (siehe Fn. 382) verwendet für diesen Tätigkeitsbereich immer noch die Formulierung »gewerbsmäßige Ausübung« Das mag dann auch der Grund gewesen sein, weshalb der Bundestagsausschuss diesen Beruf als »echtes freies Gewerbe« bezeichnetet hatte.388 Damit tauchte ein vom Bundesverfassungsgericht389 für den Beruf des Apothekers in umgekehrter Wortfolge (»gewerblicher Freiberufler«) verwendeter Begriff auf, der sowohl den Seelotsen als auch den Apotheker in eine begriffliche Zwitterstellung versetzt hatte. Es hat sich gezeigt, dass vergleichbare Bezeichnungen gleichwohl mit unterschiedlichen Rechtsfolgen verknüpft waren: Der Seelotse ist ausdrücklich in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als freier Beruf genannt, von der Gewerbesteuer war er aber nur dann befreit, soweit er seine Honorare innerhalb der Reviergrenzen verdient hatte. Der Apotheker ist dagegen immer gewerbesteuerpflichtig, gleichgültig, ob er Einnahmen aus den mit Beratungspflichten gekoppelten Medikamentenabgaben erwirtschaftet oder wie ein Drogist Pflegemittel veräußert. Sicherlich ist die Unterscheidung beim Seelotsen nach der Reviergrenze ein eher kurioser Kompromiss gewesen, der wohl auch die gesamte Misere der Differenzierung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit verdeutlicht. 382 Vgl. auch § 1 Abs. 1 der Verordnung über das Seelotsenwesen außerhalb der Reviere vom 25. 08. 1978 (BGBl. 1978 I, S. 1515): »Bewerber um eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Ausübung der Tätigkeit eines Seelotsen…«. 383 BT-Drucks., 2. Wahlperiode Nr. 762. 384 BT-Drucks., ebenda. 385 BT-Drucks., 1. Wahlperiode Nr. 393. 386 Medicus, Das deutsche Bundesrecht, VI F 51, S. 11. 387 BGBl. 1954 II, S. 1035. 388 BT-Drucks. 1. Wahlperiode, Nr. 393. 389 BVerfGE 5, S. 25, 29f.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
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Mit der Neufassung des Seelotsengesetzes 1984390 bestimmt § 21 Abs. 1 SeelG die generelle Zuordnung seiner Tätigkeit als freiberuflich. Das Berufsbild der Seelotsen ist einfach und klar umrissen, der Lotse geleitet »berufsmäßig« Schiffe auf See oder auf Seeschifffahrtsstraßen außerhalb von Häfen. Von ihm wird verlangt, dass er besonders orts- und schifffahrtskundig ist (§ 1 SeelG). Voraussetzung der Zulassung zum Lotsendienst ist unter anderem der Erwerb des mit nautischen Befugnissen versehenen Kapitänspatents für bestimmte Schiffsgrößen (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SeelG). Diese Qualifikation kann auch an einer Fachhochschule mit dem Abschluss eines »Master of Sience« erworben werden.391 In § 21 Abs. 2 SeelG wird dem Seelotsen Unabhängigkeit in seiner Berufsausübung zugebilligt, was im Hinblick auf seine Aufgabenstellung auch nicht verwundert. Nur er kann aufgrund seiner Ortskenntnis die erforderlichen Schiffsmanöver bewerten und damit auch seiner Aufgabenstellung gerecht werden. Die ihm obliegende Sicherung des Schifffahrtsverkehrs bedingt zwangsläufig die Übernahme einer dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe. Gleichwohl bleibt während des Lotseneinsatzes die Verantwortung für das Schiff beim Kapitän (§ 23 Abs. 2 SeelG).392 Fleischmann393 sieht in dem Verhältnis zwischen der Schiffsführung und dem an Bord kommenden Lotsen ein besonderes Vertrauensverhältnis, das in der Regel zu den grundlegenden Wesensmerkmalen freiberuflicher Tätigkeit gehören soll, auch wenn der Schiffskapitän sich die Person des Lotsen nicht aussuchen kann.394 Das Gesetz hat dennoch diesen Aspekt mit der Beratungsverpflichtung des Lotsen in § 23 Abs. 1 SeelG übernommen. Der bei beiden klassischen freien Berufen unverzichtbare Aspekt einer Geheimniswahrungspflicht fehlt im Berufsbild des Seelotsen. Vergleichbar mit den Berufskammern der klassischen freien Berufen haben auch die Lotsen durch die gesetzlich verankerten Lotsenbruderschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts eine eigene Selbstverwaltung (§§ 27ff. SeelG), deren Aufgaben den übrigen öffentlich-rechtlichen Berufskammern anderer freier Berufe weitgehend entsprechen. Die Lotsenbruderschaften haben sich bundesweit zur Bundeslotsenkammer zusammengeschlossen (§ 34ff. SeelG). 390 Gesetz über das Seelotsenwesen, neugefasst am 13. 09. 1984, BGBl. 1984 I, S. 1213, zul. geä. 18. 07. 2016, S. 1666. 391 Geregelt in der Seeleute-Befähigungsverordnung (SeeBV) vom 08. 05. 2014, BGBl. 2014 I, S. 480. 392 Eine Schadenersatzpflicht des Seelotsen besteht nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit (§ 21 Abs. 3 SeelG). 393 Fleischmann, Die freien Berufe im Rechtsstaat, S. 98f. 394 Fleischmann, ebenda.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
Charakteristisch für viele freie Berufe sind die vorgegebenen und daher meist verbindlichen Gebührenordnungen. So werden die Leistungen der Seelotsen in ihren Revieren nach den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau – und Stadtentwicklung erlassenen sog. »Lotstarifordnungen« gem. § 45 SeelG abgerechnet. Als Besonderheit und für freiberufliche Tätigkeit untypisch ist die Tatsache zu werten, dass die »Lotsabgaben« von den Aufsichtsbehörden oder der Bundeslotsenkammer erhoben werden und mit Hilfe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes beigetrieben werden können (§ 45 Abs. 4 SeelG). Die Differenzierung zwischen der Lotsentätigkeit innerhalb ihrer Reviere (freiberuflich) und außerhalb (gewerblich) im SeelG a. F. von 1954 (§ 49 SeelG a. F.) wurde durch die Übernahme zahlreicher Gebührenregelungen aus den Lotsenordnungen auch außerhalb der Reviere konterkariert. Konsequent war allerdings, dass man ihre außerhalb der Reviere ausgeübte Lotsentätigkeit ausschließlich der Aufsicht der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung als Gewerbeaufsicht unterworfen hatte und nicht der Lotsenbruderschaft, die nur für den freiberuflich ausgeübten Tätigkeitsbereich innerhalb der Reviere zuständig war.395 Die geltende Fassung des SeelG von 1984 unterscheidet zwar noch zwischen der Tätigkeit innerhalb und außerhalb der festgelegten Reviere, aber nicht mehr zwischen freiberuflich und gewerblich. Die Berufsstellung des Seelotsen ähnelt der des vielfach als »staatlich gebunden« bezeichneten Notars. Auch die Seelotsen werden nach Bedarf »bestallt« (§§7, 8 SeelG) und sind in ihrer Berufsausübung in Teilbereichen noch stärkeren Restriktionen unterworfen. Die Dienstordnung, auch »Börteordnung« genannt, enthält Einzelheiten der Zuweisung für die von den Schiffen angeforderten »Lotsungen«. Die Aufträge werden unter den jeweiligen Revierlotsen verteilt, gem. § 8 der Verordnung über die Seelotsenreviere und ihre Grenzen (ALV)396 sind sie zur Übernahme verpflichtet. Man könnte allein auf Grund dieser Bindung Zweifel an Ihrer Unabhängigkeit haben, sofern man diese als wesentliches Merkmal freiberuflicher Tätigkeit nicht auf das Verhältnis zum jeweiligen Auftraggeber beschränkt.
5.
Journalisten und Bildberichterstatter
Journalisten und Bildberichterstatter wurden erst mit Wirkung vom 01. 01. 1960397 in den Berufskatalog freiberuflicher Tätigkeiten aufgenommen. Daraus wird schon deutlich, dass ihre Zugehörigkeit zu dieser besonderen Berufsgruppe 395 BT-Drucks., 2. Wahlperiode, Nr. 762. 396 Vom 21. 04. 1987, BGBl. 1987 I, S. 1290, zul. geä. 02. 06. 2016, BGBl. 2016 I, S. 1257. 397 Steueränderungsgesetz vom 30. 07. 1960, BGBl.1960 I, S. 616.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
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durchaus auch kritisch gesehen werden kann.398 Ihre Aufnahme in den Kreis der freien Berufe beruht wohl auf der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 27. 03. 1952399. Die Arbeit des Bildberichterstatters wurde der journalistischen Arbeit gleichgestellt, weil sie sich »nicht in dem Ergebnis eines technischen Vorgangs und der Handfertigkeit« erschöpfen würde. Der journalistische Charakter der Bildberichterstattung leite sich aus der auf einer erforderlichen »individuellen Beobachtung beruhenden und eine besondere Begabung voraussetzenden Erfassung des Bildmotivs und seines Nachrichtenwertes …« ab.400 Man tut sich allerdings bei beiden Berufen schwer, freiberufliche Merkmale wie die Gemeinwohlverpflichtung, eine wissenschaftliche Ausbildung oder höhergeistige Tätigkeit und die besondere Vertrauensstellung (sie könnte wohl allenfalls gegenüber evtl. Informanten bestehen) zu erkennen. Die Bindung der Presse an den Gemeinwohlgedanken des nationalsozialistischen Gedankenguts in der Zeit nach der Machtübernahme Hitlers hat in der Nachkriegszeit zu einem eher zurückhaltenden Umgang dieser Berufsgruppe mit einer Verpflichtung auf das Allgemeinwohl geführt.401 Die in den in Länderzuständigkeit erlassenen Pressegesetzen enthaltenen Klauseln einer öffentlichen Aufgabenerfüllung werden angesichts dieser Erfahrungen heute kritisch gesehen.402 Es mag sein, dass auch die Berufe des Journalisten und des Bildberichterstatters als Medium der politischen Meinungsbildung unabhängig vom Willen der Berufsträger Gemeinwohlaufgaben erfüllen. Dieser Bezug zum Gemeinwohl kann aber allenfalls dem insoweit tätigen Genre des politischen Journalismus und des gehobenen Kulturjournalismus zugeschrieben werden. Auto-, Sport- und Gesellschaftsjournalismus dürften als Medien der politischen Meinungsbildung und damit dem Allgemeinwohl kaum dienen. Waren Journalisten vormals überwiegend bei Zeitungsverlagen, Rundfunkoder Fernsehanstalten und Nachrichtenagenturen in einem festen Anstellungsverhältnis beschäftigt, so hat sich das heute in Richtung freischaffender Journalisten und Bildberichterstatter verschoben.403 Zahlreiche Berufsangehörige sind nun darauf angewiesen, ihre Beiträge und Kommentare, die Bildbe-
398 Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommens- und Körperschaftssteuer einschließlich Nebengesetze, 18. Aufl., § 18 Anm. 20. 399 BStBl. 1952 III, S. 170. Der Bundesfinanzhof fordert von ihm eine Tätigkeit mit einem politischen, wirtschaftlichen, geschichtlichen oder kulturellen Bezug (BStBl. 1998 II, S. 441). 400 Ebenda. 401 Cornils in Löffler, Presserecht, S. 189 Rdnr. 10. 402 Cornils in Löffler, Presserecht, S. 190 Rdnr. 11. 403 Arbeitsmarktinformation der Bundesanstalt für Arbeit »Journalistinnen und Journalisten«, Stand 10/2013 S. 5.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
richterstatter ihre Fotoarbeiten, der Medienbranche zum Kauf anzudienen.404 Ein Großteil dieser journalistischen Arbeitsergebnisse wird nicht mehr über Funk, Fernsehen oder Zeitungen als die klassischen Mediendienstleister verbreitet. Das schnellere und zu jeder Zeit verfügbare World Wide Web als Informationsquelle hat sich besonders in der jüngeren Generation als beliebtere Alternative etabliert. Dies geschieht nicht nur durch professionelle Anbieter von Nachrichten und Kommentaren, sondern durch jedermann in sozialen Medien/ Netzwerken, wie beispielsweise Twitter oder Facebook. Von der Charakteristik der Katalogberufe her lassen sich bei Journalisten und Bildberichterstatter allenfalls in der eigenpersönlichen Leistungserbringung sowie der gegenüber Informanten bestehenden Geheimniswahrungspflicht405 Parallelen zu den Wesensmerkmalen freiberuflicher Arbeit finden. Eine Honorarordnung besteht nicht, dafür gäbe es auch kaum verifizierbare Anknüpfungspunkte. Es gilt wohl eher das Prinzip von »Angebot und Nachfrage«. Die vom Deutschen Presserat406 beschlossenen 16 Richtlinien des Pressekodex sollen zu einer seriösen journalistischen Arbeit führen.407 Sie werden in unregelmäßigen Abständen vom Presserat überarbeitet An dessen ethische Grundsätze sind weder Journalist, Bildberichterstatter noch Verleger oder andere Medien gebunden. In der Regel unterwerfen sich die Berufsträger freiwillig dem Ehrenkodex, riskieren bei Verstößen aber allenfalls, gerügt zu werden. Zu den Inhalten des Pressekodex gehören unter anderem die Wahrhaftigkeit der Berichterstattung sowie die Achtung der Menschenwürde (Nr. 1), die Sorgfalt der Recherche (Nr. 2) und für Verleger sowie Medien die Pflicht zur Richtigstellung unzutreffender Behauptungen (Nr. 3). Weil aber der Ehrenkodex nur auf freiwilliger Basis gegründet ist und die Rüge keine weiteren rechtlichen Konsequenzen hat, wird dem Deutschen Presserat und seinem Pressekodex nicht ganz zu Unrecht vorgeworfen, ein »zahnloser Tiger« zu sein.408 Unberührt davon bleibt den von Falschmeldungen oder ehrverletzenden Berichten Betroffenen die Möglichkeit der Verfolgung ihrer Rechte und Ansprüche vor Ziviloder sogar Strafgerichten.
404 Deutschlandfunk – Online vom 03. 08. 2013: »Von wegen Frauenberuf« www.deutschland funk.de/von-wegen-frauenberuf. 405 Nr. 5 des Pressekodex des Deutschen Presserats. 406 www.presserat.de/pressekodex. 407 Kritisch dazu Linke, Presse- und Radiokodex (www.bpb.de/themen/Presse_und_Radioko dex, Bundeszentrale für politische Bildung). 408 Ebenda.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
6.
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Beratende Volks- und Betriebswirte
Der Gesetzgeber hat auch beratende Volks- und Betriebswirte in den Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgenommen. Deren Berufsausübung setzt in der Regel ein wissenschaftliches Studium bzw. eine vergleichbare Hochschulausbildung voraus. Beratende Volks- und Betriebswirte sind anders als die klassischen freien Berufe nicht in einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskammer organisiert und unterliegen daher auch nicht zwingenden Standesregeln. Gleichwohl hat man sich 1947 in einem Berufsverband »Vereinigung beratender Betriebs- und Volkswirte« (VBV) zusammengefunden, ohne dass dafür eine Zwangsmitgliedschaft besteht. Demzufolge sind die innerhalb des Verbandes beschlossenen Verhaltens- und Abrechnungsregeln, zu denen wie bei vielen anderen freien Berufen auch die Geheimniswahrungspflicht gehört, nur für Mitglieder der VBV verbindlich. Unberührt davon bleiben eventuelle zivilrechtliche Ansprüche aus einer vom Berufsträger eingegangenen vertraglichen Schweigpflichtsvereinbarung. Anknüpfungskriterien für ihre Freiberuflichkeit dürften wohl am ehesten die eigenpersönliche Leistungserbringung sowie eine wissenschaftliche Ausbildung an einer Hochschule oder Universität sein. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass schon im Jahre 1862 anlässlich des 5. Kongresses deutscher Volkswirte in Weimar ihr Berufsverband in Anlehnung an die Gewerbefreiheit sich für eine Übertragung dieses Freiheitsgedankens auch auf die »gelehrten Berufe«, und damit auch auf den eigenen, eingesetzt hatte.409
7.
Der Heilmasseur als »ähnlicher Beruf«
Zu den von der Rechtsprechung als freiberuflich anerkannten Tätigkeiten gehört unter anderem der Beruf des Heilmasseurs als einer der sog. ärztlichen Heilhilfsberufe.410 Von den Merkmalen typisch freiberuflicher Tätigkeiten wird man in ihrem Berufsbild allenfalls das eigenpersönliche Element der Dienstleistung finden können und, wenn man alle Heilberufe als vom Wesen her dem Gemeinwohl verpflichtet sieht, auch dieses Kriterium. Die Finanzgerichte sowie der Bundesminister der Finanzen (BMF) haben im Anschluss an die im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gelisteten medizinischen Berufe des Heilpraktikers, Dentisten und Krankengymnasten neben dem Heilmasseur noch zahlreiche andere arztähnliche Tätigkeiten bzw. ärztliche Hilfs409 Nachweis und Zitat bei Taupitz, Die Standesordnungen, S. 112f. 410 BFH BStBl. 1971 II, S. 249 ff; Finanzgericht Hannover (jetzt Niedersachsen) EFG 1956, S. 315.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
berufe als freiberuflich anerkannt. Zu nennen sind der medizinische Bademeister411, der Diätassistent412, der Entbindungspfleger413, der Fachkrankenpfleger414, der Heileurythmist415, der Ernährungsberater im Rahmen einer medizinischen Behandlung416 oder der Psychotherapeut.417
8.
Das Berufsbild des Apothekers »als gewerblicher Freiberufler«418
Die Tätigkeit des Apothekers sucht man im Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vergebens. Überraschend mutet das deshalb an, weil sie ein wissenschaftliches Studium erfordert, der Apotheker mit der Arzneimittelversorgung Gemeinwohlinteressen im Rahmen der medizinischen Versorgung verfolgt und gem. § 7 des Gesetzes über das Apothekenwesen (ApoG)419 die Apotheke höchstpersönlich zu leiten und gemäß der Apothekenbetriebsordnung420 die ständige Anwesenheit eines approbierten Apothekers während der Öffnungszeiten der Apotheke sicherzustellen hat. Das Apothekenwesen in Deutschland ist zweigleisig geregelt. Die Anforderungen an die persönlichen Voraussetzungen der Berufszulassung sind der Bundesapothekerordnung (BapO)421 zu entnehmen. Die Vorschrift des § 1 bindet den Beruf über die Aufgabenerfüllung der Arzneimittelversorgung an die Gemeinwohlverpflichtung. Die Eröffnung und den Betrieb einer Apotheke regelt neben der Apothekenbetriebsordnung422 (ApBetrO) das ApoG. Dort heißt es in § 1 Abs. 1 wörtlich, dass den Apotheken die im »öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung« obliegt, was nichts anderes als eine Bekräftigung der Verpflichtung auf das Gemeinwohl bedeutet. Einen Hinweis zur Freiberuflichkeit der Ausübung des Berufs des Apothekers findet man weder in der Bundesapothekerordnung noch im Apothekengesetz. Allerdings gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422
BMF-Schreiben vom. 22. 10. 2004, BStBl. 2004 I, S. 1030. Ebenda. Ebenda. BFH v. 06. 09. 2006, BFH/NV 2007, S. 321. BFH BStBl. 2005 II, S. 316. BFH BStBl. II, S. 669. Nicht aber der Psychotherapeut, der die Diagnosen und Patientenbehandlungen regelmäßig seinen Mitarbeitern überlässt (BFH-Beschluss v. 31.08.200d, BFH/ NV 2006, S. 48). BVerfGE 5, S. 25, 29f. I. d. F. vom 15. 08. 1980, BGBl.1980 I, S. 1993, zul. geä. 29. 03. 2017, BGBl. 2017 I, S. 1993. Ermächtigungsgrundlage ist § 21 des Gesetzes über das Apothekenwesens. Bundesapothekerordnung i. d. F. vom 19. 07. 1989, S. 1478, zul. geä. 04. 04. 2017, BGBl. 2017 I, S. 778, 789. I. d. F. vom 26. 09. 1995, BGBl. 1995 I, S. 1195, zul. geä. 02. 07. 2018, BGBl. 2018 I, S. 1080.
Freie Berufe mit unvollständigen freiberuflichen Wesensmerkmalen
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Apotheker von vornherein als Gewerbetreibende klassifizieren wollte. Das Bundesverfassungsgericht hat das Problem jedenfalls in der Begrifflichkeit auch nicht gelöst, eher noch Verwirrung gestiftet. Es hat möglicherweise aus einer gewissen Ratlosigkeit heraus den Begriff des »gewerblichen Freiberuflers« geprägt.423 Damit sollen freiberufliche Merkmale, unter anderem eine besondere Bindung zum Kunden (Vertrauensverhältnis) und die Gemeinwohlverpflichtung, dokumentiert, andererseits aber auch gewichtige Züge einer rein kaufmännischen Tätigkeit deutlich gemacht werden. Es handele sich, so das Gericht, zwar nicht um eine gewerbliche, wirtschaftlich geprägte Tätigkeit im »üblichen Sinne«, aber die Gewerblichkeit leite sich letztlich doch aus der Teilnahme der Apotheken am wirtschaftlichen Verkehr und speziell dem Warenhandel ab. Hintergrund der Probleme in der Charakterisierung der Berufstätigkeit ist der in den letzten beiden Jahrhunderten ständig zunehmende Handel mit industriell gefertigten Arzneimitteln. Die eigene Herstellung von Medikamenten und Salben ist weitgehend dem bloßen Vertrieb der von der Pharmaindustrie entwickelten Medikamente gewichen.424 Das sogenannte Nebensortiment, überwiegend Pflegeprodukte, wie sie auch in jeder vollkaufmännischen Drogerie verkauft werden, gewinnt zunehmend an Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg einer Apotheke.425 Rechtsprechung426 und Kommentarliteratur427 behandeln den Apotheker daher als Vollkaufmann. Dass das Steuerrecht den Apotheker zur Zahlung der Gewerbesteuer verpflichtet, wird mit dieser Charakterisierung seiner Tätigkeit als vollkaufmännisch und seiner dadurch bedingten Nähe zum gewerblichen Handel gerechtfertigt.428 Allerdings scheint die Meinung Hoffmanns überzogen zu sein, der die Apotheke als reinen Abgabebetrieb bezeichnet hat.429 Es bleiben aber immer noch genügend Berufsmerkmale, die Parallelen zur freiberuflichen Tätigkeit haben. Es sind dies die vom Apothekengesetz geforderten persönlichen Voraussetzungen des betriebsführenden Apothekers und seiner in der Bundesapothekenordnung vorausgesetzten wissenschaftlichen Ausbildung. Jeder Apotheker hat vor seiner Approbation ein Studium im Fachbereich Pharmazie zu absolvieren. Da er die Leitung und Überwachung des Apothekenbetriebs höchstpersönlich wahrzunehmen hat, kann er sich auch nur von einem ebenfalls approbierten Berufskollegen vertreten lassen. Jeder Ver423 BVerfGE 5, S. 25, 29f. 424 So schon Fleischmann, Die freien Berufe im Rechtsstaat, S. 93ff.; Hoffmann, Gesetz über das Apothekenwesen, § 1 Rdnr. 118ff. 425 Taupitz, Die Standesorganisation, S. 32 sowie 89. 426 BGH NJW 1983, S. 2085, 2086; BVerwG PZ 1985, S. 2837, 2839. 427 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, § 1 Anm. 8a (weitere Nachweise). 428 So auch BVerfGE 5, S. 25, 29f. 429 Hoffmann, Gesetz über das Apothekenwesen, § 1 Rdnr. 118.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
kaufsvorgang eines Arzneimittels ist von ihm persönlich zu »beherrschen«, auch wenn dieser von seinem pharmazeutisch ausgebildeten Personal abgewickelt wird.430 Das OLG Hamm431 hatte mit einer gemessen an der Praxis überzogenen Forderung verlangt, die Verkaufstätigkeit der ausgebildeten Helferin müsse auf bloße Handreichungen beschränkt bleiben. Es reiche nicht aus, dass der Apotheker die Arbeit der Helferin nur »insgesamt verfolgt und wahrgenommen« hat. Das Gericht konnte zum Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht vorhersehen, dass heute in größeren Apotheken das vom Arzt auf dem Rezept verschriebene Medikament im Rahmen eines mit geringen fachlichen Anforderungen verbundenen Arbeitsschritts in den Rechner eingegeben wird und dann das Medikament automatisch aus dem gesonderten Lager in den Verkaufsraum befördert wird. Allerdings darf die Abgabe von Arzneimitteln nur durch Personen erfolgen, die über eine pharmazeutische Ausbildung verfügen (§ 17 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung). Anders als Vollkaufleute darf der Apotheker keine Kapitalgesellschaft gründen, was wenig konsequent erscheint, Der Betrieb der Apotheke ist nur in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft oder einer OHG zulässig (§ 8 ApoG). Deren Gesellschafter müssen allesamt approbierte Apotheker sein. Alle approbierten Apotheker, ob selbstständig oder angestellt, sind darüber hinaus in der Apothekerkammer zwangsorganisiert. Die Anzahl der von einem Apotheker betriebenen Apotheken ist limitiert, um sicherzustellen, dass der Inhaber tatsächlich noch die persönliche Kontrolle und Leitung wahrnehmen kann. Die Möglichkeit des Betriebs einer Versandapotheke passt zwar in das Muster eines vollkaufmännischen Betriebes, die gesetzlichen Einschränkungen dagegen nicht (§11 a ApoG). Derzeit gibt es sogar politische Bestrebungen, diese Vertriebsart abzuschaffen. Dafür könnte das Argument fehlender Beratungsmöglichkeit sprechen. Sie ist ein Wesenselement für die berufsrechtliche Zugehörigkeit der Apotheker zu den freien Berufen. Weitere Reglementierungen gibt es in den §§ 21ff. für den laufenden Betrieb einschließlich eines von allen selbstständigen Apothekern sicherzustellenden Notdienstes. Die Rechtsprechung hat den Apotheker zusätzlich bei der Überprüfung ärztlicher Verordnungen in die Pflicht genommen. Das OLG Köln432 hat einen Apotheker zu Schadenersatz verurteilt, weil er ein vom behandelnden Arzt versehentlich falsch ausgestelltes Rezept nicht als fehlerhaft erkannt hat. Diese eigenständige Überprüfungsanforderung belegt, dass sich seine Tätigkeit an-
430 Sehr restriktiv die Entscheidung des OLG Hamm v. 01. 02. 1985, 6 OWi 935/84. 431 OLG Hamm vom 01. 02. 1985–6 Ss Owi 935/84, zitiert nach Taupitz, Die Standesordnungen, S. 92 Fn. 29. 432 OLG Köln, Urt. V. 07. 08. 2013–5 U 92/12.
Zusammenfassung
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gesichts der von ihm geforderten verantwortlichen eigenpersönliche Leistung von der eines reinen Händlers sehr deutlich unterscheidet. Einen interessanten Gesichtspunkt bezieht Taupitz433 gerade auf den Beruf des Apothekers. Er meint, dessen Tätigkeit sei prädestiniert dafür, wie sich ehemals freie Berufe weg zu einer sog. Deprofessionalisierung (Loslösung von freiberuflichen Wesensmerkmalen) bewegen, so wie dies bei vielen anderen Berufe ebenfalls feststellbar sei. Geschuldet ist dieser Prozess natürlich den Veränderungen und auch gewandelten Ansprüchen der Gesellschaft. Es hat auch berufsinterne Appelle gegeben, Apotheken sollten sich nicht zu reinen »Drugstores« entwickeln.434 Die dazu verschiedentlich vorgeschlagenen Reformen sind kaum vermittelbar und zeigen nur, dass es diesen Initiativen nur darum ging, die Wertigkeit des eigenen Berufs zu steigern. So soll der Apotheker als Pharmaexperte eine größere Entscheidungsbefugnis zum Abbau eines bestehenden Händlerimage bekommen.435 Die Anerkennung als freier Beruf scheint dabei doch eine gewisse Anziehungskraft zu haben. Vergleichbar mit den klassischen Katalogberufen des Arztes und Rechtsanwalts ist auch der Apotheker innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Kammersystems an ein strenges Berufsrecht gebunden und verfügt auch mit seiner zu den klassischen freien Berufen gleichartigen und gleichwertigen Berufsgerichtsbarkeit in der Abgrenzungsfrage über ernstzunehmende Parallelen.
IV.
Zusammenfassung
Die in dieser Arbeit vorgenommene Auswahl verschiedener Berufsbilder zeigt schon, dass eine Systematik in der Bestimmung der Ähnlichkeit und damit auch der Freiberuflichkeit schwierig ist. Nicht als freie Berufe anerkannt wurden außer dem Apotheker unter vielen anderen Berufen auch der Handelsvertreter436, der Anlageberater437, der Bauingenieur438, der nicht jedem Auftrag den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrückt, der EDV-Berater, der lediglich bei der Einführung von Standardsoftware unterstützt439, der Grafiker, der Werbegrafiken anfertigt440, der beratende Betriebswirt, der Managementaufgaben erfüllt441 433 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 32 dort Fn. 67. 434 Nachweise bei Taupitz, ebenda. 435 So bspw. die Idee, Apotheker zu »Pharmaberatern der Ärzte«. aufzuwerten oder ihnen bei der Medikation des Patienten eigene Entscheidungsbefugnis zu gewähren (Taupitz, Die Standesordnungen, S., 90 dort Fn. 21). Eine Übersicht gibt Taupitz, S. 33. 436 BVerfGE 46, S. 224ff.; BFH vom 06. 09. 1995 BFH/NV 1996, S. 135. 437 BFH BStBl. 1989 II, S. 24. 438 BFH BStBl. 1968 II, S. 820. 439 FG Niedersachsen EFG 2004, S. 1059. 440 BFH BStBl. 2006 II, S. 709; FG Düsseldorf, EFG 2007, S. 197.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
und der Krankenpfleger, der Gutachten für die Pflegeversicherung erstellt.442 Darüber hinaus differenzierte das zwischenzeitlich novellierte Seelotsengesetz in seiner Fassung aus dem Jahre 1954 ausdrücklich in freiberuflich innerhalb des ihnen zugewiesenen Reviers tätige Berufsträger und gewerbliche Berufsträger, soweit sie außerhalb der Reviergrenzen beauftragt waren. Die unglaubliche Vielzahl an Urteilen und Beschlüssen des Bundesfinanzhofs sowie verschiedener Finanzgerichte, die Verfügungen des Bundesministers der Finanzen sowie der Länderfinanzministerien443bestätigen, ebenso wie die Liste der anerkannten freien Berufe, die große Skepsis gegenüber den immer wieder verwendeten Abgrenzungsmerkmalen besonders im Gewerbesteuerrecht. Das gilt in gleicher Weise aber auch gegenüber der generellen Differenzierung zwischen Gewerbe und freiem Beruf. Man kann nachvollziehen, weshalb Taupitz444 meint, die bisherigen Versuche der Erfassung des »amorphen Phänomens freier Berufe« sei von »hochgradiger Resignation« gekennzeichnet. Es soll keineswegs verschwiegen werden, dass sich dennoch in zahlreichen Berufsbildern anerkannter freier Berufe gewisse Gemeinsamkeiten finden lassen, nicht nur in den alle Merkmale erfüllenden Berufsbildern der beiden klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts. Sie gelten nicht zu Unrecht als »Leitbilder« oder »Ausgangstypen« aller freien Berufe. Leitbildcharakter hat auch ihre berufsständische Selbstverwaltung, in der die Einhaltung der Standesrichtlinien überwacht und Sanktionen bei Pflichtverstößen verhängt werden können. Mit der daraus abgeleiteten eigenen Gerichtsbarkeit heben sie sich deutlich von einer Vielzahl der anerkannten freien sowie selbstständigen Berufe ab. Sie teilen dieses besondere Wesensmerkmal einer Selbstverwaltungskörperschaft mit Notaren, Steuerberatern, Architekten, Wirtschaftsprüfern, Seelotsen, allerdings auch mit den steuerlich nicht als freiberuflich geltenden Apothekern. Arzt und Rechtsanwalt praktizieren fachlich unabhängig, sind dem Gemeinwohl verpflichtet, verfügen über eine wissenschaftliche Ausbildung an Hochschulen oder Universitäten, nehmen eine Vertrauensstellung gegenüber ihren Patienten bzw. Mandanten ein und erbringen ihre Leistungen regelmäßig auch höchstpersönlich. Das vormals bestehende Werbeverbot konnte allerdings den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundrechts der Berufsfreiheit nicht standhalten. Trotz der Verpflichtung zur eigenpersönlichen Leistung ist es neben dem Rechtsanwalt auch Ärzten nicht mehr verwehrt, sich mit Berufskollegen in einer Kapitalgesellschaft zu organisieren. 441 BFH BFH/NV 2008 S. 1824. 442 BFH BStBl. 2000 II, S. 554. 443 Übersichten bei Wacker in Schmidt, EStG, § 18 Rdnr. 155 sowie Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 275. 444 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 17.
Zusammenfassung
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Der Beruf des Apothekers ist durch detaillierte Berufsausübungsvorschriften reglementiert. Ebenso wie bei den beiden klassischen freien Berufen besteht im Interesse der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung die selbstverständliche Pflicht, insoweit dem Allgemeinwohl zu dienen. Auch wenn der Apotheker heute überwiegend industriell gefertigte Arzneimittel veräußert, ist er zur Prüfung der ärztlichen Verordnung und zur persönlichen Überwachung seiner pharmazeutisch ausgebildeten Mitarbeiter verpflichtet. Allerdings hat ihn das nicht davor bewahrt, steuerrechtlich wegen seiner Nähe zum Handelsgewerbe auch als Gewerbetreibender behandelt zu werden. Das Bundesverfassungsgericht445 hat ihm gerade deshalb einschränkend den Stempel des »gewerblichen Freiberuflers« aufgedrückt. Berufsrechtlich gehört der Apotheker zu den freien Berufen. Wenig sortiert und reflektiert erscheint deshalb auch die Formulierung des Gerichts, wonach der Apothekerberuf zwar zu den »höheren freien Berufen« gehöre, das aber schließe die »gleichzeitige« Bejahung seines gewerblichen Charakters nicht aus. Eigentlich hätte das Gericht schon an diesem Punkt darüber nachdenken können, die Abgrenzungsproblematik zwischen beiden Berufsgruppen deutlich kritischer zu sehen. Die Bundesnotarordnung bestimmt, der Notar übe kein Gewerbe aus. Diese Aussage könnte auch ohne Bestimmung im Gesetz wohl kaum zweifelhaft sein. Fraglich ist aber dennoch, ob der Notar trotz seiner Aufnahme als Katalogberuf ein freier Beruf ist. Die als freiberuflich relevanten Merkmale erfüllt er ebenso wie die beiden klassischen Katalogberufe. Die Besonderheit des Notars besteht aber darin, dass er als frei praktizierender Berufsträger ein öffentliches Amt bekleidet. Die für ihn gefundene Bezeichnung eines »staatlich gebundenen Berufs« charakterisiert die Einschränkung seiner beruflichen Unabhängigkeit durch staatliche Aufsicht. Da seine fachliche Unabhängigkeit aber nicht tangiert wird, er unterliegt lediglich eine Rechtsaufsicht, gehört er dennoch zu den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und genießt demzufolge die Gewerbesteuerbefreiung. Journalisten und Bildberichterstatter benötigen kein wissenschaftliches Studium als Berufszugangsvoraussetzung. Beide Berufe fallen gänzlich aus dem Raster der allgemein definierten Freiberuflichkeit heraus. Weder eine Gemeinwohlorientierung noch eine besondere Vertrauensstellung oder gar eine staatlich vorgegebene Selbstverwaltung charakterisieren ihre Tätigkeit. Die Arbeit des Seelotsen orientiert sich am Gemeinwohl, seine Aufgabe ist es, die Sicherheit des Schiffsverkehrs zu gewährleisten. Darüber hinaus ist er vergleichbar mit den beiden klassischen freien Berufen in einer mit autonomer Selbstverwaltung ausgestatteten und als Körperschaft des Öffentlichen Rechts organisierten Lotsenbruderschaft zwangsorganisiert. Als blanker Unsinn muss 445 BVerfGE 5, S. 25, 39f.
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Abgrenzungssignifikante Berufsbilder
selbst dem Befürworter der Differenzierung in beide Berufsgruppen der Umstand vorkommen, dass seine Tätigkeit nach früherer Rechtslage, je nach räumlicher Ausübung, mal freiberuflich und bei Tätigkeit außerhalb seines Reviers dann wieder gewerblich sein sollte. Die Berufe, die nicht im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als freiberuflich bezeichnet sind, müssen, wollen sie Erfolgsaussicht für ihre Klage haben, einen den freien Berufen »ähnlichen« Beruf ausüben. »Ähnlich« kann und muss dann aber auch nicht bedeuten, dass alle Merkmale klassischer freier Berufe vorliegen, zumal auch andere Katalogberufe und ihnen ähnliche Tätigkeiten nicht über alle freiberuflichen Kriterien verfügen, man denke nur an Journalisten oder Bildberichterstatter, bestimmte Formen der Ingenieurberufe oder auch die der EDV – Berater. Der Bundesfinanzhof versteht die »Ähnlichkeit« in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht als das Vorhandensein möglichst vieler der den freien Berufen allgemein zugeschriebenen Wesensmerkmale, sondern nur die Ähnlichkeit zu einem der dort gelisteten Katalogberufe.446 Er hat es auch zugelassen, dass die zu beurteilende Tätigkeit mit unterschiedlichen Katalogberufen vergleichbar ist.447 Der sozialwissenschaftlichen Forschung geht es bei ihrer Suche nach Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit und der grundsätzlichen Rechtfertigung ihrer Sonderstellung nicht besser als der Rechtswissenschaft. So weist Hommerich448 darauf hin, dass die in der Professionssoziologie behandelten Fragen und Probleme nicht in gleicher Weise für alle freie Berufe gelten könnten. Die »Kammerberufe« würden »gewissermaßen an der Spitze der freien Berufe als eine Gruppe von Berufen mit abgestufter Regelungsdichte« stehen.
446 BFH BStBl. 1984 II, S. 823; 1990 II, S. 64; 1991 II, S. 878 und 1996 II, S. 518; 2003, S. 919. Dazu Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnrn. 247ff., ders. In Littmann/Pust/Bitz, EStG, § 18 Rdnr. 129 a. 447 BFH BStBl. 2003 II, S. 919, 2007, S. 116. 448 Die freien Berufe und das Vertrauen, S. 31.
E.
Der freie Beruf – soziologisches Phänomen oder rechtlich relevanter Typus?
In der bisherigen Darstellung der Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit wurden die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. 01. 2008449dazu herangezogenen Wesensmerkmale in den Fokus gerückt. Diese Kriterien fassen einige der in anderen Untersuchungen gesondert dargestellten und erörterten Gesichtspunkte450 zusammen. Sowohl Steuerrechtsprechung (mit Einschränkung), Verwaltungsrechtsprechung451 als auch Teile der Literatur452 verwenden immer wieder diese tradierten Merkmale oder einen Teil davon453 zur Abgrenzung, obgleich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen sowie beruflichen Verhältnisse der Berufsbilder einem steten Wandel unterworfen sind. So muss die Steuerrechtsprechung weiterhin die Last tragen, ohne erkennbare Systematik plausible Entscheidungen zu kreieren, was besonders bei neu entstehenden Berufen schwierig ist. Wesensmerkmale, die in der Lage sind, jeden Abgrenzungssachverhalt unter gleichen Prüfungsmaßstäben so zu entscheiden, dass man immer bedenkenlos von einer auch im Einzelfall nachvollziehbaren und überzeugenden Abgrenzungsentscheidung ausgehen könnte, scheint es nicht zu geben.454 Der Bundesfinanzhof benötigt für seine regelmäßig praktizierte Einzelver449 BVerfGE 10, S. 354, 364. Diesem Gedanken folgten Kühn, Die freien Berufe in der Sozialordnung, Heft 45, S. 97; Schmude, Der Unternehmensbegriff im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 118f. 450 Ausführlich bei Taupitz, Die Standesordnungen, S. 38ff. 451 Anders als die Steuerrechtsprechung prüfen Verwaltungsgerichte alle erörterten Merkmale. Dazu BVerwG NJW 2008, S. 1974ff. 452 Mann, Der Berufsbetreuer-ein Freier Beruf ? NJW 2008, S. 121, 123; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer, S. 66ff.; Taupitz, Die Standesordnungen, S. 38ff. 453 Der Bundesfinanzhof verwendet das Merkmal der eigenpersönlichen Leistung mit seinem in der Praxis immer wieder zu prüfenden Schwerpunkten der Leitung und der Eigenverantwortlichkeit. So BFH BStBl. 1976 II, S. 155; BFH BStBl. 1990 II, S. 507; BFH BStBl. 1995 II, S. 732. 454 Ablehnend insoweit Caspers, Die Besteuerung freiberuflicher Einkünfte, S. 121ff. Ebenso Popitz, Zur Frage der Gewerbesteuerpflicht der freien Berufe, S. 160ff.
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Der freie Beruf – soziologisches Phänomen oder rechtlich relevanter Typus?
gleichsprüfung455im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG keine Begrifflichkeiten oder allgemeinen Merkmale. Ihm scheint sein Bemühen zu genügen, Ähnlichkeiten in den Berufsbildern der Vergleichsberufe zu den einzelnen Katalogberufen aufzuspüren und, im Zusammenhang mit der im Rahmen seiner eingeschränkten Vervielfältigungstheorie geforderten eigenpersönlichen Leistungserbringung, Auswüchse in der konkreten Berufsausübung (leitend und überwachend tätig zu sein) zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht bedient sich dagegen mit seiner Orientierung an den allgemeinen Wesensmerkmalen freier Berufe der »soziologischen Wortschöpfung« bzw. eines »soziologischen Begriffs«. Es folgt der eigenen Prämisse, dass es allgemeine Wesensmerkmale gibt, die aber in ihrer Gesamtheit weder bei allen Katalogberufen noch bei den als ähnlich anerkannten Tätigkeiten vorliegen müssen. Damit sind auch die Schwierigkeiten einer Definition des Gewerbes vorgegeben, das selbst wiederum nur durch den nicht definierbaren soziologischen Begriff des freien Berufs unterscheidbar ist. Die Suche nach einer begrifflichen Abgrenzung beider Berufsgruppen hat Wesensmerkmale in den Fokus gerückt, deren rechtliche Relevanz in den verschiedenen Rechtsgebieten noch zu überprüfen sind. Der Gesetzgeber hat durch den Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Unschärfe des wie auch immer zu beschreibenden freien Berufs befördert. Es kommt hinzu, dass in der realen Wirtschaft eine fortschreitende Auflösung dieses Dualismus der zwei in der allgemeinen Wahrnehmung so unterschiedlich erscheinenden Berufsgruppen feststellbar ist. Im Zuge einer sich ständig weiter entwickelnden und intensiv wachsenden Dienstleistungsgesellschaft mit der Verlagerung der »schmutzigen Industrien« aus den Wohlstandsstaaten in sog. Billiglohnländer, verschwimmen die Strukturen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit zunehmend. Freiberufler schließen sich zu großen Unternehmenseinheiten zusammen und übernehmen, wie bereits bei den beiden klassischen freien Berufen des Arztes und des Rechtsanwalts, marktpolitische Strategien. Als Gewerbebetriebe geltende Unternehmen sind ebenfalls zunehmend auf reine Dienstleistungsfunktionen mit hohem Expertenstandard ausgerichtet. Das macht es noch schwieriger, mit der rechtlichen Handhabung des soziologischen Phänomens »freier Beruf« etwas anzufangen. Man könnte sogar noch über diese Entwicklung hinaus auf die Landwirtschaft als Teil der sogenannten Urproduktion sehen und dort ebenfalls gravierende Veränderungen sogar in Richtung einer Industrialisierung erkennen. Ihre idealistische Wahrnehmung löst sich unter anderem auch auf Grund der Massentierhaltung sowie der industriellen Arbeitsabläufen vergleichbaren Bodenbewirtschaftung zunehmend auf. Die von der Attraktivität einer Steuerbegünstigung geleiteten Bemühungen 455 BFH BStBl. 1984 II, S: 820, 823.
Der freie Beruf – soziologisches Phänomen oder rechtlich relevanter Typus?
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um eine Anerkennung als freier Beruf hat zur Ausweitung vor allem der ihnen als jeweils ähnlich anerkannten Berufe geführt. Deshalb lassen sich freie Berufe, auch wegen der Einzelvergleichsrechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nicht mehr uneingeschränkt durch das Vorhandensein der ihnen zugeschriebenen Wesensmerkmale charakterisieren, wie sie von den beiden klassischen freien Berufen vorgegeben wurden. Neue Berufe entstanden und entstehen, bereits anerkannte Tätigkeiten ändern ihr Gepräge, so dass sie nicht (mehr) in ein traditionell überliefertes Raster passen. Der Gesetzgeber war selbst nicht gewillt, Konsequenzen aus dieser als verworren geltenden Rechtslage zu ziehen. So oblag es der Rechtsprechung sowie der juristischen Methodenlehre, die fortbestehende Differenzierung irgendwie zu rechtfertigen. Mit dem sog. Rechtsbegriff konnte man die in ihrem Wesen sehr unterschiedlichen Berufe nicht mehr präzise voneinander abgrenzen. Larenz456 definiert ihn, der auch Klassenbegriff genannt wird, als »abstrakt-allgemeinen Begriff«, als ein Gegenstand des Denkens, der sich aus abstrahierten Merkmalen zusammensetzt. Dessen Merkmale müssen zuvor aus dem zu beschreibenden Gegenstand einzeln herausgelöst werden, um dann mit Hilfe dieser Einzelmerkmale Sachverhalte darunter subsumieren zu können. Der Rechts- oder Klassenbegriff verlangt so die lückenlose Erfüllung seiner Merkmale, er kennt nur ein »entweder… oder«, kein »mehr oder weniger«. Weder innerhalb der Gruppe der gewerblichen Tätigkeiten noch der der freien Berufe lassen sich die ihnen jeweils zugeordneten Berufe immer vollständig mit identischen Merkmalen bestimmen. Als Rechts- oder Klassenbegriff führt Leenen457 den Wechsel an, dessen Wesensmerkmale in Art. 1 Wechselgesetz458 vollständig vorliegen müssen, weil andernfalls kein gültiger Wechsel vorliegt. Mit diesem Anforderungsprofil dürfte es heute, wenn überhaupt noch, wohl nur Ärzten und Rechtsanwälten gelingen, den Standard eines Rechts- oder Klassenbegriffs eines freien Berufs zu erfüllen. Es gibt sonst weder aus der Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG heraus noch über die ähnlichen Berufe oder ihre Wesensmerkmale eine Zuordnung im Sinne eines »entweder…oder«. Möglich ist nur, mit dem Auffinden einiger Wesensmerkmale zu einer Wertung im Sinne eines »mehr…oder weniger« zu gelangen. Mit einem Rechts- oder Klassenbegriff muss man dagegen zur Abgrenzung beider Berufsgruppen zwangsläufig scheitern. Taupitz459 erörtert unter Berufung auch auf Deneke460 und Herschel461 die 456 457 458 459 460 461
Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 443. Typus- und Rechtsfindung, S. 41. Wechselgesetz i. d. F. vom 31. 08. 2015, BGBl. 2015 I, S. 1474. Taupitz, Die Standesoednungen, S. 22f. Die Freien Berufe S. 116f. Freier Beruf und Arbeitsverhältnis, S. 16.
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Möglichkeit der Erfassung der freien Berufe durch eine »gegliederte Begriffsbildung« mit mehreren Definitionen, die sich so an das jeweilige Rechtsgebiet, in dem sie für die Rechtsanwendung Relevanz haben, anpassen können.462 In der Tat werden für das Steuerrecht sowie das Berufsrecht jeweils unterschiedliche Merkmale für entscheidungserheblich gehalten. Methodisch dürfte das allerdings eine mehr als zweifelhafte Vorgehensweise sein.463 Der freie Beruf als Rechtsphänomen mit seinen traditionell begründeten und daher statischen Merkmalen würde in eine gewisse Beliebigkeit zerfallen. Aber auch der Umstand, dass Gewerbetreibende Wesensmerkmale erfüllen, die dem Typus des freien Berufs anhaften sollen und nur ihm Vorteile bescheren, ist mit einer eindeutigen und nachvollziehbaren Rechtsanwendung kaum kompatibel. Weil eingesehen wird, dass mit dem Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EstG und dessen Heterogenität eine Subsumtion unter einen Begriff nicht möglich ist, wurde von der Suche nach einem eindeutigen Rechtsbegriff konsequenterweise Abstand genommen und so Zuflucht in den »Typus«464 bzw. der »typischen Betrachtungsweise«465 gefunden, die ihr Gesicht aufgrund der ihnen anhaftenden Variationsbreite verändern können. Die Idee der Lehre vom Typus oder des Typusbegriffs scheint sich so eher aus der Not entwickelt zu haben, erkannte soziale Phänomene in eine gewisse Ordnung bringen zu können, weil man sie nicht mit einem Klassen- oder Rechtsbegriff definieren kann.466 Der Typus stellt an die Zuordnung eines Gegenstands oder eines Vorgangs geringere Anforderungen als der Rechts- oder Klassenbegriff.467 Er ist eine bloße Beschreibung468, bei dem nicht alle Einzelmerkmale vorkommen müssen469, mit dem man sich aber dem »Ideal«470 oder 462 Hoffmann, Die Verstaatlichung von Berufen, DVBl. 1964, S. 457, 459. 463 Kritisch dazu Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht, S. 17. 464 So auch BVerfGE 120, S. 1 S. Zum Typus allgemein Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 443ff. und Engisch, Die Idee der Konkretisierung, S. 237ff. 465 Die Begrifflichkeit des Typus und seine Beschreibung sind sehr unübersichtlich. So formuliert Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise im Steuerrecht, 1996, S. 312f., die Rechtswissenschaft verfüge über zwei Typen, den normativen Realtypus und den rechtlichen Strukturtypus. Es wird darüber hinaus noch bei Taupitz, Die Standesordnungen, S. 34ff. der empirische Gestalttypus, der logische Idealtypus, der axiologische Typus und der normative Idealtypus und von Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 317ff. der rechtswissenschaftliche Typus, diskutiert. Diese Abhandlung kann sich auf die Verwendung des Begriffs »Typus« sowie bezogen auf die klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts auf den »Idealtypus« beschränken. 466 Schenke, Die Rechtsfindung, S. 160. 467 Schenke, ebenda. 468 Larenz, Methodenlehre, S 437, 444ff. 469 Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 68ff.; Radbruch, Klassenbegriffe und Ordnungsbegriffe im Rechtsdenken, S 46ff.; Leenen, Typus- und Rechtsfindung, 1971, S. 17ff.: Schmidt-Liebig, Gewerbe im Steuerrecht, 1977, S. 9; S. 17ff.; Taupitz, Die Standesordnungen, S. 26.
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auch »Ausgangstypus«471 so weit wie möglich annähern kann, wobei offen bleibt, wie weit das mindestens sein muss.472 Umstritten ist auch, ob und wann die den Typus beschreibenden Einzelmerkmale selbst in sog. Reinform (dann als eigene Rechts- oder Klassenbegriffe) vorkommen müssen oder ob auch insoweit ein »mehr oder weniger«473 ausreicht. Deshalb dürfte wohl entscheidend sein, wie nah man bei der Prüfung mit dem zu vergleichenden Sachverhalt an alle die Merkmale des Ideal- oder Ausgangstypus und damit an ihn selbst herankommt und wo die Grenze gesetzt wird, an der man die Hürde der Zuordnung übersprungen oder aber dies nicht erreicht hat.474 Der freie Beruf ist ein aus traditionellem Verständnis erklärbares Phänomen, mit dem im allgemeinen Bewusstsein auf Anhieb die Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts verknüpft werden. Sie verkörpern in der sozialen Anschauung sämtliche Komponenten, die für eine Definition der freien Berufe diskutiert werden und die andere Berufe nicht aufweisen. Sie sind historisch gesehen deren »Urformen«475. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht476 als auch das Bundesverfassungsgericht477 orientieren sich an den charakterisierenden Wesensmerkmalen dieser Ausgangs- oder Idealtypen. Die Nutzung dieser Differenzierungsmethode verhindert eine Aufweichung der Typik des freien Berufs, weil man sich immer »am Original« orientiert. Aber auch der Bundesfinanzhof muss in seiner Vergleichsprüfung mit einem Typus arbeiten, nämlich mit dem Typus des einzelnen Katalogberufs. Der zu vergleichende Beruf kann ja nicht mit dem Katalogberuf
470 Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise, S. 248, meint, den Idealtypus gäbe es in der Realität nicht, er würde lediglich einen gedachten Zustand ausdrücken. Hier übersieht er, dass bezogen auf freie Berufe es zwei Tätigkeiten (Arzt und Rechtsanwalt) gibt, die den Typus »freier Berufe« mit allen Merkmalen »ideal« verkörpern, weil der Begriff aus ihren Berufsbildern entwickelt wurde. 471 Diesen Begriff verwendet Taupitz, Die Standesordnungen, S. 25, für den hier verwendeten Begriff des Idealtypus. 472 Schenke, Die Rechtsfindung, S. 313, meint, mit der Grenzziehung würde man dann zwangsläufig wieder einen Rechtsbegriff mit klaren Konturen haben, der dann auch definierbar wäre. 473 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 22f. 474 Larenz hat mit der Theorie der Typenreihe gezeigt, wie man sich dem Ausgangs- oder Idealtypus nähern kann. Die Wesensmerkmale eines Typus werden in einer Reihenordnung nach ihrer Intensität (mehr oder weniger) gebracht, mit der dann die Zuordnung erleichtert werden kann (Larenz, Methodenlehre, S. 454). 475 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 34, nennt sie auch »Archetypen«. 476 BVerwG NJW 2008, S. 1974, 1975. 477 Für das Bundesverfassungsgericht ist die Fragestellung dabei anders. Es prüft, ob die Nichtberücksichtigung eines Berufs im Verhältnis zu allen anerkannten freien Berufen oder deren Sonderbegünstigung generell gleichheitswidrig ist (BVerfGE 46, 224ff. sowie 120. S. 1ff.).
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exakt in seinen Merkmalen übereinstimmen, er wäre sonst selbst wieder der Ausgangstypus oder das Ideal. Entgegen der Ansicht der Befürworter dieser Prüfungssystematik des Bundesfinanzhofs führt die Einzelvergleichsmethode nicht zur Begrenzung der Gruppe ähnlicher Berufe, sie führt eher zu einer gewissen Beliebigkeit in der Vergleichsprüfung. Der besonders auch vom Bundesverfassungsgericht478 betonte Traditionsgedanke in der Rechtfertigung der Sonderheit freier Berufe im Vergleich zum Gewerbe verliert so an Tragfähigkeit. Der Typus gibt sicherlich die Möglichkeit, den oft »fließenden Übergängen« der Lebenswirklichkeit479 besser zu entsprechen als ein Rechtsbegriff.480 Ob der Typus auf Grund seiner Offenheit, Abstufbarkeit, Sinnhaftigkeit, Ganzheitlichkeit und Anschaulichkeit aber überhaupt subsumtionsfähig sein kann, ist strittig.481 Offenheit bedeutet unter anderem »die Möglichkeit variabler Ausprägungskombinationen bis hin zum Fehlen eines typischen Zuges«.482 Der Typus kennt daher auch keine geschlossene Anzahl ihn konstituierender Kriterien, wie dies vom Rechtsbegriff gefordert wird, sondern lediglich eine Vielfalt ihn prägender typischer Merkmale .483 Entscheidend für das Ergebnis der »Abgleichung« mit den Merkmalen des Ausgangstypus ist nicht die volle Übereinstimmung, im Vordergrund steht vielmehr eine Gesamtbetrachtung des zu vergleichenden Sachverhalts. Man kann die typische Betrachtungsweise deshalb auch etwas vereinfachend als »Vergleichsmethode« charakterisieren.484 Um zu grobe Übereinstimmungen zu vermeiden, darf bei der Zuordnung keinesfalls auf einen vorhandenen Kern oder eine »substantielle Mitte«485 verzichtet werden486. Ohne dieses »Muster« oder den Kern des Typus »freier Beruf« in den Berufsbildern des Arztes und des Rechtsanwalts würde der Vergleichsmaßstab unzuverlässig sein. Unter seiner Abstufbarkeit versteht man die beliebige Ausprägungsmöglichkeit des Typus487, besonders dann, wenn schon die Begriffsmerkmale in unterschiedlicher Intensität (mehr oder weniger) vorliegen. Isensee488 bezeichnet den Typus sogar eher nebulös als »stilisiertes Bild der
478 So aber ein Begründungsschwerpunkt in BVerfGE 120, S. 1ff. 479 Schenke, Die Rechtsfindung, S. 313. 480 Schenke, ebenda: »Das Interesse am Typus dürfte auf der Unzulänglichkeit der Begriffslehre bei der Beobachtung von Naturphänomenen gründen.« 481 Leenen, Typus und Rechtsfindung S. 48; Schmidt-Liebig, »Gewerbe« im Steuerrecht, S. 9. 482 Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 34. 483 Buhl, Zur Problematik des Arbeitnehmerbegriffs, S. 188. 484 Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme, S. 27. 485 Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 71. 486 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 34. 487 Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 34. 488 Die typisierende Verwaltung, S. 10.
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Phänomene«, was im Hinblick auf Kriterien wie Bestimmbarkeit und somit auch Rechtsstaatlichkeit irritieren muss. Der freie Beruf erfüllt zweifelsohne das Muster eines »Typus«. Seine aus den beiden klassischen Berufen abgeleiteten Wesenselemente finden sich in der Gruppe der freien Berufe teilweise nur rudimentär wieder. An dieser Tatsache knüpft deshalb auch berechtigte Kritik an. Dem Rechtsanwender bleiben auch allgemein im Rahmen eines Rückgriffs auf die typische Betrachtungsweise oft nur Kriterien wie die »Umstände des Einzelfalls«, die »Plausibilität« oder auch das »Evidenzprinzip«.489 Der Typus steuert so vielfach nur auf eine subjektive Lösung hin, die im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot und die Rechtsstaatlichkeit bedenklich sein kann. Das Dilemma eines Typus »freier Beruf« besteht tatsächlich darin, dass bei der Abgrenzungsprüfung zu gewerblichen Tätigkeiten sowohl die den freien Berufen zugeschriebenen einzelnen Wesensmerkmale als auch die Merkmale der einzelnen Katalogberufe selten eindeutig im Sinne eines »entweder…oder« mit den Merkmalen der Vergleichsberufe zur Deckung gebracht werden können. Eine besonders qualifizierte oder höhere Ausbildung ist abstufbar. Gleiches gilt für die Verfolgung von Gemeinwohlinteressen oder das besondere Vertrauensverhältnis. Es gibt bei jeder Einzelkomponente die Möglichkeit, dass davon in dem zu prüfenden Berufsbild ein »mehr oder weniger« statt ein »entweder … oder« zu finden ist490. So verwischen auch die gängigen Merkmale freiberuflicher Tätigkeit wie eigenpersönlich, eine wissenschaftliche oder auch besonders qualifizierte Ausbildung, die geistige eigenschöpferische Leistung, die Allgemeinwohlverpflichtung, das Vertrauensverhältnis oder eine besondere Begabung. Wenn aber auch die Einzelmerkmale des freien Berufs ebenfalls keine Klassenbegriffe sind, sondern wieder nur »Typen«, dann können Entscheidungen der Finanzverwaltung und der Gerichte für den Rechtssuchenden zum Lotteriespiel werden. Es eröffnet sich so für den Entscheidungsträger ein erheblicher Beurteilungsspielraum in allen Ebenen und Merkmalen. Auch das Kriterium der eigenpersönlichen Arbeitsleistung in der Ausprägung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, das bei allen jedenfalls steuerrechtlich anerkannten freien Berufen vorkommen muss, ist offen und abstufbar, was sich mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs491 nach der Entschärfung der sog. Vervielfältigungstheorie belegen lässt. Das Gericht hat Grenzen für die Beschäftigung fachlich vorgebildeter Mitarbeiter gesetzt. Entscheidend sollte dabei die Möglichkeit des Berufsträgers sein, noch ausreichend Einfluss auf seine 489 Buhl, Zur Problematik des Arbeitnehmerbegriffs, S. 189. Deshalb hält Radbruch, Klassenbegriffe und Ordnungsbegriffe im Rechtsdenken, S. 49, den Klassenbegriff für geeigneter, diesen Geboten in der Rechtsanwendung zu entsprechen. 490 Taupitz, Die Standesordnungen, S. 22f. 491 BStBl. 1965 III, S. 557; BStBl. 1968 II, S. 820ff.
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Mitarbeiter nehmen zu können. Ab wie vielen Mitarbeitern soll das dann aber nicht mehr möglich sein? Zudem dürfte dies für verschiedene Branchen auch ganz unterschiedlich zu beurteilen sein. Selbstverständlich kann es bei der Wertung »eigenpersönliche Leistung« keine starren Grenzen geben. So begründet der Bundesfinanzhof492 in seiner »Kehrtwende« zur Beurteilung der vermögensverwaltenden Tätigkeit von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern die Unschädlichkeit des Einsatzes auch einer größeren Zahl von Mitarbeitern mit dem in der Vermögensverwaltung bestehenden Erfordernis einer »kaufmännisch-praktischen Tätigkeit«. Damit dürfte wohl eher die untergeordnete Zuarbeit gemeint sein, die dann im Einzelfall einen erhöhten Spielraum bei der Anzahl beschäftigter Mitarbeit erlaubt. Eindeutig erfüllt wäre dieses Merkmal nur bei alleiniger Tätigkeit des Berufsträgers. Er entspricht bei diesem Merkmal dem Leitbild des Typus »eigenpersönliche Leistung«, also geradezu dem »Idealtypus«. Noch größere Probleme bereitet die Gemeinwohlverpflichtung. Wer dient dem Gemeinwohl mehr, der Arzt, der Rechtsanwalt, der Umweltberater oder sogar der Kulturwissenschaftler? Die Verwendung der typischen Betrachtungsweise493 im Recht wirft über die Wahrung des Gleichheitsgrundrechts, des Rechtsstaatsprinzips sowie des Bestimmtheitsgrundsatz verfassungsrechtliche Fragen auf.494 Es muss daher eine plausible Begründung geliefert werden, die zur Differenzierung zwischen beiden Berufsgruppen bei der Heranziehung zur Gewerbesteuer mit Hilfe der typischen Betrachtungsweise diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ausreichend Rechnung trägt. Die »Lehre vom Typus« wird dennoch grundsätzlich für geeignet erachtet, im Steuerrecht der Durchsetzung vor allem des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots zu verhelfen.495 Schenke496 sieht in der typisierenden Betrachtungsweise eine Möglichkeit, die unvermittelte Verwirklichung der Steuergerechtigkeit zu realisieren, indem »die Interpretation der einzelnen Tatbestandsmerkmale vom Ziel steuerrechtlicher Belastungsgleichheit geleitet« werden könne. Man könnte sich daher durchaus vorstellen, sie im Zusammenhang mit der Frage der Abgrenzung freier Berufe von gewerblicher Tätigkeit in der bloßen Zuordnung eines Berufs zu einer der beiden Berufsarten zu nutzen. Das gilt auch für die weitere Frage, ob die Gruppe der freien Berufe insgesamt 492 BStBl. 1994 II, S. 936. 493 Als »typische Betrachtungsweise« versteht man die Zuordnung eines Lebenssachverhalts zum Typus (so Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise, S. 312). 494 Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme, S. 27f. 495 Schenke, Die Rechtsfindung, S. 392; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 52. Kritisch dazu Florstedt, Typusbegriff im Steuerrecht, StuW 2007, S. 314ff., weil unter anderem »das Konkrete nicht klar benannt werden« könne. 496 Schenke, Die Rechtsfindung, S. 392.
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ausreichende Kriterien aufweist, die es rechtfertigen, dass nur sie von der Gewerbesteuerbefreiung profitieren. Die mit der Typisierung verbundenen Ungenauigkeiten eines Vergleichs zum Idealtypus dürften dann, wenn sie zu einer Vereinfachung der Steuererhebung führen und die Nichtberücksichtigung einzelner »Randberufe« dabei nicht ins Gewicht fallen würde, unter Umständen hinzunehmen sein. Den Maßstab für eine derartige Prüfung gibt dabei aber immer der jeweilige Zweck der die Abgrenzung vermeintlich fordernden Rechtsnorm vor. Dann wäre aber immer noch zu prüfen, ob die tradierte Unterscheidung in Gewerbe und freie Berufe überhaupt (noch) Sinn macht, ob sie praktikabel ist und daraus ableitbare einseitige Begünstigungen als gerecht empfunden werden können.497
497 Wenig Sinn hat Brohm der Unterscheidung schon 1969 in Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 54 Fn. 19 sowie S. 99 Fn. 33 beigemessen. Ablehnend auch heute noch jedenfalls im Steuerrecht unter anderem Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 8 Rdnr. 427; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnrn. 236ff.; Hartmann, Bestandsschutz für die Gewerbesteuer, BB 2008, S. 2490f. und FG Niedersachsen, 3. Vorlagebeschluss v. 21. 04. 2004, Jachmann, Ansätze zu einer gleichheitsgerechten Gewerbesteuer, BB 2000, S. 1432ff.; Habscheidt, Einkünfte des Rechtsanwalts als Betreuer, NJW 2005, S. 1257ff.
F.
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
I.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
1.
Struktur und Anwendungskriterien des § 18 Abs. 1 EStG
a.
Die Bestimmung der den Katalogberufen ähnlichen Tätigkeiten
Nach der Aufzählung der als freiberuflich geltenden Tätigkeiten der sogenannten Katalogberufe heißt es im Gesetzestext ganz lapidar : »und ähnlicher Berufe«. Der Bundesfinanzhof und die Finanzgerichte legen zur Bestimmung dieser Ähnlichkeit für die Zubilligung steuerlicher Vorteile das Berufsbild grundsätzlich eines der Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 zu Grunde. Diese Beurteilung erfolgt abgekoppelt von den herausgearbeiteten allgemeinen Wesensmerkmalen, mit denen sich die generelle Typik der freien Berufe im Sinne eines soziologischen Begriffs beschreiben lassen soll. Da die Gesamtschau der Katalogberufe uneinheitliche Strukturmerkmale aufweisen, kann nach Meinung des Bundesfinanzhofs darunter nicht die Ähnlichkeit zu der gesamten Gruppe oder einer Teilgruppe freier Berufe verstanden werden, sondern immer nur die zu einem einzelnen oder auch mit den Berufsbildmerkmalen zu verschiedenen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten freien Berufen.498 Wie schwierig das zu verstehen ist, zeigt die weitere Präzisierung dieser Aussage. Der Bundesfinanzhof499 umschreibt das so: »Ein ähnlicher Beruf i. S. des §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist nach der Rechtsprechung ein Beruf, der in wesentlichen Punkten mit einem oder mehreren der ausdrücklich im Gesetz genannten Berufe verglichen werden kann. Das ist bei einem Beruf, der einzelne Tätigkeitsmerkmale der in § 18 Abs. 2 Nr. 1 EStG aufgezählten Berufe aufweist, dann
498 BFH BStBl. 2003 II, S. 21,27; BStBl. 1997 II, S. 687; BStBl. 2015 II, S. 128 sowie BStBl. 2015 II, S. 217 sowie Brandt, Ähnliche Berufe nach § 18 Abs. 1 EStG, DStZ 2002, S. 867. 499 BFH BStBl. 1985 II, S. 293, 295.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
möglich, wenn diese Tätigkeitsmerkmale nach ihrem Gesamtbild dem typischen Berufsbild zumindest eines dieser Berufe entsprechen«.500
Für die praktische Sachverhaltsprüfung heißt das wiederum, es muss eine Vergleichbarkeit in der Ausbildung, den geforderten Kenntnissen und Qualifikationen sowie der Art der Berufstätigkeit zu dem jeweiligen Katalogberuf bestehen501. Prüft das Gericht die Übereinstimmung oder Ähnlichkeit in den einzelnen Merkmalen, kann es diese Übereinstimmung selbst beurteilen, sofern es die entsprechende Sachkunde besitzt.502 Verfügt es nicht darüber, muss es einen Sachverständiger einschalten. In einem Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg, zweitinstanzlich vor dem Bundesfinanzhof503, hat sich ein gelernter Modellbauer und technischer Zeichner in seiner Einkommensteuererklärung für 1981 als »Produktdesigner« und seinen Betrieb als »Studio für Produktentwicklung« bezeichnet. Er konnte nach seinem Prozessvortrag zu diesem Zeitpunkt auf eine Erfahrung als eigenverantwortlicher Leiter der Modellentwicklungsabteilung für Sitzmöbel, Tische sowie Konferenzanlagen zurückblicken. Dabei entwickelte er auch gemeinsam mit externen freiberuflich tätigen Designern neue Produkte für seinen Arbeitgeber. Sein Aufgabengebiet erstreckte sich von der Ausarbeitung von Anschauungs- und Funktionsmodellen bis hin zu Detailkonstruktionen sowie der Erstellung von Prototypen. Er meinte, auf Grund zahlreicher Fortbildungsmaßnahmen habe er sich vergleichbare Kenntnisse eines Ingenieurs verschafft, so besitze er auch verschiedene Patente und Gebrauchsmuster. Im Kern habe er als selbständiger Designer diese Arbeit in der Entwicklung neuer Produkte fortgesetzt und verlangte deshalb die Anerkennung seiner Tätigkeit als freiberuflich. Das zuständige Finanzamt erkannte seine Tätigkeit gleichwohl nicht als einem der Katalogberufe ähnlich an, auch nicht der eines Ingenieurs. Mit seiner Klage begehrte er die Zubilligung eines damals noch gewährten Freibetrages gem. § 18 Abs. 4 EStG a. F. für freie Berufe sowie die Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung von Gewerbesteuer. Da das Finanzgericht sich nicht selbst in der Lage sah, die Vergleichbarkeit seiner Berufstätigkeit mit der eines Ingenieurs zu beurteilen, hat es ein Sachverständigengutachten eingeholt. Interessant war dabei die Schlussfolgerung im Gutachten: Die Tätigkeit des Klägers setze zwar die Vorkenntnisse eines klassisch ausgebildeten Ingenieurs 500 BFHE 146, S. 32, 35f.; 160, S. 21, 27; 180, S. 160, 316, 321; 1984, S. 823; BStBl. 1981 II, S. 118; Wolff-Diepenbrock, Zur Begriffsbestimmung der »Katalogberufe«, DStZ 1981, S. 333; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 238. 501 BFH BStBl. 2000 II, S. 21; BStBl. 2003 II, S. 721; BFH BStBl. 2004 II, S. 509 sowie aktuell BFH /NV 2016, S. 1275. Zustimmend Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 533. 502 Zu welchen Kuriositäten das führt, zeigt Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 695f. 503 BFH BStBl. 1991 II, S. 878f.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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voraus, der Kläger würde jedoch nicht über derartige Kenntnisse verfügen. Der Kläger greife in seiner Arbeit eher auf seinen Erfahrungsschatz aus 18jähriger Tätigkeit zurück. Die Ergebnisse, so der Gutachter, seien dann aber wiederum »ingenieurgerechte Entwürfe« in einem relativ breiten Arbeitsspektrum. Dennoch wurde die Klage auf Grund dieser Stellungnahme des Gutachters abgewiesen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der an den Sachverhalt geknüpften Rechtsfrage ließ das Finanzgericht die Revision zu, so dass der Kläger den Bundesfinanzhof in der Revisionsinstanz bemühte. Der Bundesfinanzhof hielt die Klage ebenfalls für unbegründet und verwies auf seine ständige Rechtsprechung, nach der »Ingenieur« im Sinne des Berufskatalogs nur derjenige sein könne, der eine Hochschul- oder vergleichbare Ausbildung absolviert habe.504 Es hat nicht vom Ergebnis der Arbeiten des Klägers her argumentiert, sondern von den einem Ingenieur vergleichbaren Kenntnissen und letztlich auch vergleichbaren Ausbildung505. Dass der Kläger nach Meinung des Sachverständigen Leistungen erbringe, die gewöhnlich von ausgebildeten Ingenieuren erbracht werden, sei deshalb irrelevant, weil ausgebildete Ingenieure häufig Arbeiten verrichten würden, die auch nicht vergleichbar ausgebildete Praktiker bewältigen könnten. Eine Anerkennung als freier Beruf käme nur dann in Frage, wenn der Steuerpflichtige sich auch ohne Studium die mit einem Ingenieur vergleichbaren Kenntnisse beschafft hätte.506 An dieser Entscheidung wird deutlich, wie sich die am einzelnen Katalogberuf des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG orientierende Vergleichsprüfung auswirken kann. Es sind so auch Sachverhalte vorstellbar, in der ein praktisch erfahrener und nicht als Ingenieur ausgebildeter Gewerbetreibender mit einem als studierten Ingenieur ausgebildeten Berufsträger, der vergleichbare Tätigkeiten erbringt, im Wettbewerb steht. Dann hätte das Gericht auch die Aufgabe einer verfassungsrechtlichen Überprüfung der steuerlichen Ungleichbehandlung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG vorzunehmen. Ob in dieser Konstellation die Art der Ausbildung entscheidend sein darf, erscheint wohl eher fraglich zu sein.507 Die Aufnahme in den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt keinesfalls bei jedem Beruf eine wissenschaftliche oder akademische Ausbildung voraus. Weder Bildberichterstatter noch Heilpraktiker oder Übersetzer oder auch EDV – Berater benötigen sie. 504 Der BFH zitierte insoweit seine Entscheidung in BStBl. 1990 II, S. 73, dort m. w. N. 505 So schon BFH BStBl. 1981 II, S. 118, 120; BStBl. 1989 II, S. 198. 506 Diese Auffassung schreibt die Tendenz aus BFH BStBl. II 1990, S. 64 (Bauleiter) fort. Vgl. auch BFH /NV 2000, S. 705. 507 Bereits im Jahr 1932 hat Popitz in seinem Beitrag »Zur Frage der Gewerbesteuerpflicht der freien Berufe« in: Festgabe für Hermann Grossmann, S. 160ff., gerügt, dass die Berücksichtigung auch der »ähnlichen Berufe« gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Der Bundesfinanzhof geht in seiner Spruchpraxis sogar so weit, dass auch ein Beruf, der von seinem Berufsbild her mehrere Katalogberufe berührt, ohne aber einem einzigen in seinen Merkmalen ähnlich zu sein, kein freier Beruf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sei.508 Daran zeigt sich, dass der Gesetzgeber außer der »Ähnlichkeit« keinerlei weitere Kriterien für eine konkrete Sachverhaltslösung mitgegeben hat. Wenn es dann Sache des Gerichts ist, die Ähnlichkeitsmaßstäbe selbst festzulegen, könnte das im Hinblick auf das Prinzip der Gewaltenteilung, des Rechtsstaatsgebots und des Bestimmtheitsgrundsatzes bedenklich sein. Auffällig ist, dass zahlreiche Heilberufe als den freien Berufen ähnlich anerkannt wurden, obwohl ihre Ausbildungsanforderungen zum Teil deutlich hinter dem Anforderungsniveau der Arztausbildung zurückbleiben. Sie verfügen außer der durch die heilberufliche Tätigkeit indizierten Gemeinwohlausrichtung und der eigenpersönlichen Leistung über keine weiteren Merkmale der klassischen freien Berufe. So stellt sich die Frage, was dann die Bestimmung einer so großen und heterogenen Gruppe von Heilberufen als »freiberuflich« veranlasst haben kann?509 Im Zusammenhang mit der Einordnung einer selbstständigen ärztlichen Gutachtertätigkeit hat der Bundesfinanzhof510 gemeint, der im Katalog aufgeführte Beruf des Arztes repräsentiere eine Berufsgruppe, die sich vorwiegend der Heilbehandlung widmen würde und dass Einkünfte daraus schon deshalb freiberuflich seien. Als Grund dafür dürfte die Relevanz ihrer Tätigkeit für die dem Gemeinwohl dienende Volksgesundheit sein.511 Abweichend vom Prinzip der Einzelähnlichkeit stellt man insoweit wohl eher auf eine Gruppenähnlichkeit zu allen Heilberufen ab, die darüber hinaus auch nicht in die Abgrenzungssystematik des Bundesfinanzhofs passt.512 Der Bundesfinanzhof513 hat diese Begründung allein jedoch auch noch nicht für ausreichend erachtet. Freiberuflichkeit unter Heilberufen könne nur dann bejaht werden, wenn ihre Arbeit von einer staatlichen Anerkennung getragen 508 BFH BStBl. 2003 II, S. 27f. So auch im Fall einer Datenschutzbeauftragten, die weder dem Berufsbild eines Betriebswirts, eines Ingenieurs noch der eines Systemanalytikers entsprach. Ihr half auch nicht, dass sie einen Studienabschluss im Fach Fernmelde- und Informationstechnologie an einer Hochschule für Verkehrswesen erlangt hatte. 509 So Güroff in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 18 Rdnr. 133. 510 BFH BStBl. 1982 II, S. 254. Allerdings dienten die angefertigten Gutachten keineswegs der Heilbehandlung, sondern der Beurteilung einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. 511 Tipke, Zur Einkommenssteuer, StuW 1975, S. 327, 328 und auch FG Bremen EFG S. 504. In diesem Sinn unterstellt das auch Stöcker in Lademann, EStG, Kommentar, § 18 Rdnr. 511. 512 BFH BStBl. 1971 II, S. 319; 1973 II, S. 730; 1984 II, S. 823 und auch noch 2003 II, S. 919. Kritisch zum Ausschluss einer Gruppenähnlichkeit Tipke, Zur Einkommenssteuer, StuW 1975, Zur Einkommenssteuer, S. 152; Erdweg, Zur Abgrenzung der freiberuflichen von der gewerblichen Tätigkeit, FR 1978, S. 417, 421 sowie Grube, Zum Unternehmensberater als Freiberufler, StuW 1981, S. 35, 39f. 513 BFH BStBl. 1975 II, S. 522, 523 sowie BStBl. 1976 II, S. 621.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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sei. Das Zulassungskriterium wurde offenbar allein zur Begrenzung der Anerkennung als »ähnlich« kreiert, es sei denn, man wollte damit eine Ähnlichkeit zum »Hauptheilberuf« des Arztes herstellen, der eine Approbation benötigt. Diese Voraussetzung wurde in den Jahren 2003/2004 dann wieder eingeschränkt. Es sollte fortan auch eine nur berufsständische Erlaubnis oder eine sog. Kassenzulassung ausreichen.514 Anhand der Heilhilfsberufe wird ein gewisses methodisches Chaos deutlich. Einem medizinischen Fußpfleger wurde die Freiberuflichkeit versagt, weil er weder eine staatliche Anerkennung noch eine berufsrechtliche Erlaubnis vorweisen konnte.515 Die staatliche Anerkennung wäre ein Wesensmerkmal, das zahlreiche andere freiberuflich anerkannte Tätigkeiten nicht kennen, denkt man allein an verschiedene als freiberuflich anerkannte Ausformungen der Berufsbilder von EDV-Beratern. Wie die vom Gesetzgeber ausdrücklich in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als freiberuflich begünstigten Berufe der Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller belegen, dürfte das eigentlich auch kein grundsätzliches Charakteristikum freier Berufe sein. Man könnte es auch als bloßes Traditionsrelikt der beiden klassischen freien Berufe sehen. Gerade an einem von Kempfermann516 angeführten, allerdings von ihm auch im Ergebnis befürworteten Beispiel, wird deutlich, dass mit diesem Erfordernis sachfremde Ziele verfolgt werden. So könne ein ehemaliger Steuerberater, der seine Zulassung zurückgegeben hat, danach nicht mehr freiberuflich tätig sein, weil er sich ohne Zulassung der Kontrolle entziehe und seine Tätigkeit deshalb nicht mehr mit dem Steuerberaterberuf vergleichbar sei517. Die Berufskontrolle ist allerdings ebenso wenig wie die Zulässigkeit einer Berufstätigkeit ein allgemeines steuerlich relevantes Kriterium. Für die Steuerpflicht gilt der Grundsatz »pecunia non olet«518, weshalb soll dann eine ausdrückliche staatlich oder gleichwertige Zulassung bei der Inanspruchnahme von Befreiungstatbeständen relevant sein? Schwierig kann es auch mit der vom Bundesfinanzhof praktizierten Rechtsprechung zu neu entstehenden Berufen werden. Geradezu beispielhaft sind
514 Die Änderung der Rechtsprechung ist auf BFH BStBl. 2003 III, S. 480 bzw. 2004 III, S. 954 gegeben und umgesetzt in die Steuerrichtlinien des BMF BStBl. 2004 I, S. 1030. Übersicht bei Pfirrmann in Kirchhof, EStG, Kommentar, § 18 Rdnr. 84. 515 Tipke kommentiert das mit der rein rhetorischen Frage, ob eine Berufsausübung mit einer Erlaubnis oder unter Aufsicht steuerlich prämiert werden soll und was das mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Steuerrecht zu tun habe (StuW 1975, Zur Einkommenssteuer, S. 327, 328.). 516 »Ähnliche Berufe« im Sinne des § 18 Abs. 1 EStG – zur Problematik der Autodidakten, FR 1990, S. 535, 538. 517 BFH vom 12. 10. 1989, IV R 141/89, nachgewiesen in FR 1990, S. 535, 538 Fn. 54. 518 »Geld stinkt nicht«.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
dafür die Berufe des Softwareentwicklers und des EDV-Fachmannes519. Beide Tätigkeiten finden im Berufskatalog kein Pendant.520 Die Praxis behilft sich damit, beide Berufe als »ingenieurähnlich«521 zu definieren, sofern bestimmte Anforderungsprofile erfüllt werden. So hat das Finanzgericht München 2006522 einen EDV-Berater, der in den Bereichen Organisationsberatung und Vermittlung von EDV-Produkten tätig ist, als gewerblich eingestuft, was angesichts fehlender Nähe zu einer ingenieurähnlichen Arbeit nachvollziehbar wäre. Ein EDV-Berater, der Projektleitungs- und Organisationsaufgaben wahrnimmt, soll nach Meinung des Finanzgerichts Hessen523 ebenfalls kein freier Beruf sein. Wer allerdings als EDV-Berater Computeranwendungssoftware entwickelt, darf sich nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs darüber freuen, steuerlich als dem Ingenieur ähnlich anerkannt werden zu werden. Beim Finanzgericht Niedersachsen gilt das auch für einen EDV-Fachmann, der als Autodidakt ohne entsprechende Ausbildung Software entwickelt524. Dasselbe Gericht verweigert jedoch einem EDV-Fachmann, der bei der Einführung von Standardsoftware lediglich unterstützend tätig ist525, die Anerkennung als freier Beruf. Der gefühlt unbegrenzte Fundus an Entscheidungen zur Frage einer Ähnlichkeit von Softwareentwicklern und EDV-Fachleuten durch die Finanzgerichte ist noch vom Bundesfinanzhof erweitert worden. Ein EDV-Berater, der auf dem Gebiet der Systemberatung tätig ist, aber über keine mit einem Diplominformatiker vergleichbaren Kenntnisse verfügt, ist gewerblich unterwegs.526 Der als IT-Projektmanager arbeitende Fachmann mit theoretischen Kenntnissen eines Ingenieurs ist freiberuflich tätig527, ebenso wie der Systemsoftware installierende und betreuende Experte528. Der Bundesfinanzhof hat auch zugunsten eines EDVBeraters in seiner Funktion als Systemadministrator entschieden, der allerdings als Ingenieur für technische Informatik ausgebildet war. Vergegenwärtigt man sich die in verschiedenen Kommentaren529 aufgelistete Fülle an Entscheidungen, ministerielle Verfügungen sowie vertretene Ansichten zur jeweiligen Zuordnung der Berufe, kann man erahnen, was der Gesetzgeber 519 Übersicht bei Wacker in Schmidt, EStG, § 18 Rdnr.155 »EDV- Entwickler«. Speziell zu den IT-Berufen Pfirrmann, Einkünftequalifikation bei IT-Berufen, FR 2014, S. 162ff. 520 Wacker in Schmidt, EStG, Rdnr. 155. 521 Übersicht bei Pfirrmann, Einkünftequalifikation, FR 2014, S. 162. 522 FG München, EFG 2006, S. 1346. 523 FG Hessen, EFG 1988, S. 73. 524 FG Niedersachsen, EFG 2004, S. 1059. 525 FG Niedersachsen, EFG 2004, S. 208. 526 BFH /NV 2007, S. 2002. 527 BFH DStRE 2010, S. 223. 528 BFH DStRE 2010, S. 222. 529 Wacker in Schmidt, EStG, Rdnr. 155; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 275; ders. in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 18 Rdnr. 236 »ABC zur Abgrenzung unternehmerischer Tätigkeiten…«; Pfirrmann in Kirchhof, EStG, § 18 Rdnrn. 86ff.
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nicht nur den Rechtsprechungsorganen, sondern auch den Betroffenen insoweit angetan hat. Umso unverständlicher scheint es dann, dass diesem Relikt aus früherer Zeit noch kein Ende bereitet wurde.530 b.
Die wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende und erzieherische Tätigkeit als freiberufliche Tätigkeit
Einfach mutet in dieser sonst so unübersichtlichen »bunten Mischung«531 an Berufen die doch sehr pauschale Einbeziehung der nur allgemein beschriebenen selbständig betriebenen wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden und erzieherischen Berufe an. Normalerweise dürfte es den Gerichten nicht schwerfallen, zu beurteilen, was unter schriftstellerischer oder unterrichtender Tätigkeit zu verstehen ist. Leider ist aber auch insoweit die Realität komplizierter, als es sich zunächst in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt. Auch für die Abgrenzung und Zuordnung dieser Tätigkeiten liegen zahlreiche Entscheidungen vor. Bezogen auf die unterrichtende Tätigkeit ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs532 besonders signifikant. Einem Fitnessstudio, das seine Mitglieder fortlaufend persönlich betreuen und unterrichten lässt, wurde die Freiberuflichkeit attestiert. Bei näherem Hinsehen wird jedoch schnell klar, dass es dabei nicht um Gleichwertigkeit mit den einzelnen Katalogberufen oder den allgemeinen freiberuflichen Wesensmerkmalen wie beispielsweise eine höherwertige Ausbildung geht oder dass eine besondere Nähe zu den anderen allgemeinen Kriterien, wie die »wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische oder auch erzieherische« Tätigkeiten besteht. Vielmehr reicht jede Unterrichtstätigkeit aus, auch die eines Fahrlehrers533, der noch eigenpersönlich arbeitet. Die fünf allgemein gehaltenen und dem Berufskatalog vorangestellten freiberuflichen Kriterien stehen demzufolge unabhängig neben den speziell In § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gelisteten Berufen und sind in ihrer Charakteristik teilweise »meilenweit« von den Merkmalen der Ausgangstypen freiberuflicher Tätigkeit, des Arztes und des Rechtsanwalts, entfernt. Natürlich hätte man erwarten können, dass für die unterrichtende Tätigkeit ein staatlicher Abschluss, eine besonders qualifizierte Ausbildung oder auch eine Gemeinwohlausrichtung vorausgesetzt wird, aber das lässt sich aus dem Text des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht ableiten.534. Außer einer auch für die Un530 In diesem Sinn auch Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., Rdnr. 426 sowie ironisch und sarkastisch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 695, 696. 531 Güroff in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 18 Rdnr. 8. 532 BFH BStBl. 1994 II, S. 362. 533 BFH BStBl. 2003 II, S. 838. 534 BFH BStBl. 1956 III, S. 334, 335.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
terrichtstätigkeit erforderlichen eigenpersönlichen und eigenverantwortlichen Lehrtätigkeit wird nur vorausgesetzt, dass der Unterrichtende Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln sucht und seine Tätigkeit mit einem Lehrprogramm für einen systematischen Unterricht und eine persönliche Beziehung zum Schüler verbindet535. Ein weiteres Zuordnungsmerkmal zur Freiberuflichkeit ist die wissenschaftliche Tätigkeit. Sie verlangt anspruchsvolle Voraussetzungen, nicht aber zwangsläufig eine Hochschul- oder Universitätsausbildung.536 Hier ist daran zu erinnern, dass dem Modellbauer die Ähnlichkeit zu einem Katalogberuf (Ingenieur) abgesprochen wurde, weil er nicht über eine vergleichbare Hochschulausbildung verfügte. Vorausgesetzt wird bei dem Merkmal einer wissenschaftlichen Betätigung, dass Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang gebracht werden.537 Der steuerrechtliche Wissenschaftsbegriff findet allerdings da seine Grenze, wo die wissenschaftliche Arbeitsweise vorrangig praxisorientiert ist.538 So wurde die Wissenschaftlichkeit und damit auch die Freiberuflichkeit einem Unternehmen versagt, das berufsmäßig Kunstwerke restauriert539. Um die Komplexität der Einzelfallregelung einschätzen zu können, empfiehlt sich auch hier ein weiterer Blick in die Rechtsprechung. Der Bundesfinanzhof differenziert vielfältig. So muss bei einer Vermischung der Tätigkeit mit handwerklicher Erfahrung und handwerklichen Fähigkeiten gewichtet werden. Je nach Intensitätsgrad kann es sich um freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit handeln.540 Gestritten wurde beispielsweise über verschiedene Berufsausprägungen, so über Sachverständigentätigkeiten541, Berufe wie die des Probennehmers für verschiedene Hüttenerzeugnisse542, eines Havariesachverständigen543, eines Dispacheurs544, der sogar als Folge seiner vom Bundesfinanzhof bewerteten Gewerblichkeit erfolglos Verfassungsbeschwerde erhoben hatte, und dann auch noch der eines Promotionsvermittlers545. Schon dieser doch eher kleine Ausschnitt aus der Rechtsprechung des Bun535 Der Unterricht muss sich auf Menschen beziehen (BFH BStBl. 2017 II, S. 911 Rdnr. 12: Die Ausbildung von Blindenführhunden ist daher gewerblich. 536 BFH BStBl. 1965 III, S. 263, 264; BFH BStBl. 2009 II, S. 238, 241. 537 BFH BStBl. 1976 II, S. 658. 538 BFH BStBl. 1994 II, S. 864, 866. 539 Hilfe kann allerdings das Befreiungskriterium der »künstlerischen« Tätigkeit leisten. 540 Pfirrmann in Kirchhof, EStG, § 18 Rdnr. 42 m.w.Nachweisen. 541 BFH BStBl. 1981 II, S. 118, 120. 542 BFH BStBl. 1973 II, S. 183,184. 543 BFH BStBl. 1965 III, S. 593,594. 544 BFH BStBl. 1993 II, S. 235, 236. 545 BFH BStBl. 2009 II, S. 238.
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desfinanzhofs bestätigt die mit der Gesetzeslage verbundenen Schwierigkeiten, mit denen die Steuerrechtsprechung konfrontiert wird. Man benötigt keine große Fantasie, um sich vorzustellen, dass für die Merkmale »erzieherische, schriftstellerische und künstlerische« Tätigkeiten die Probleme in der Abgrenzung nicht kleiner sind. Die zahlreichen Prozessverfahren werden so zur Spielwiese der Sachverständigen, die den mit der jeweiligen Entscheidung befassten Gerichten in den Schnittstellen beispielsweise zwischen Kunst und »Nichtkunst« die Entscheidung ermöglichen sollen. Schon die Definition, mit der das Steuerrecht Kunst erklärt, zeigt, wie es um die Herstellung einer Einzelfallgerechtigkeit steht. Hätte man Joseph Beuys gefragt, wäre von ihm praktisch jede Arbeit eines Menschen als Kunst bewertet worden.546 Jeder Künstler wird ohnehin seine Arbeiten als Kunst definieren. Für die Klärung rechtlicher Fragestellungen dürfte das aber kaum hilfreich sein.547 Eine künstlerische Tätigkeit im steuerrechtlichen Verständnis soll erbringen, wer eigenschöpferisch in seiner individuellen Anschauungsweise und Gestaltungskraft etwas schafft, aus der eine hinreichende Beherrschung der Technik und ein gewisses Maß an Gestaltungshöhe erkennbar wird.548 Wenig erstaunlich ist, dass an dieser Definition der Kunst auch Kritik geübt wird. Zum einen ist diese Definition von den Einzelmerkmalen her viel zu unbestimmt, zum anderen könnte es wegen dieser dennoch sehr eng gefassten Kunstbeschreibung auch verfassungsrechtliche Probleme mit der in Art. 5 Abs. 3 GG geregelten Kunstfreiheit geben.549 Jede steuerliche Regelung benötigt aber auch im Interesse der Gleichmäßigkeit und Bestimmbarkeit der Besteuerung eine klare Begrenzung.550 Der Restaurator, dem beim Kriterium »wissenschaftlich« die Freiberuflichkeit nicht zuerkannt wurde, hatte eine weitere Chance, ihm wurde nämlich seine Arbeit als »künstlerisch« und damit freiberuflich anerkannt. Der Bundesfinanzhof setzt hier voraus, dass zur Wiederherstellung eines Kunstwerks eine eigenschöpferische Leistung erbracht wird.551 Eine große Bandbreite an Einstufungsdetails bieten auch die Berufe des Grafik-552 und Industriedesigners553. Auch hier entscheidet wieder die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit mit ihren individuellen Schwerpunkten. 546 FAZ vom 28. 03. 1980, S. 7/8, zitiert nach Kirchhof, Die Garantie der Kunstfreiheit im Steuerstaat des Grundgesetzes, NJW 1985, S. 225, 227 Fn 22. 547 Kirchhof, Die Garantie der Kunstfreiheit, S. 225, 227. 548 BFH BStBl. 1983 II, S. 7, 8. 549 Maaßen, Kunst und Gewerbe?, S. 39 und 114ff. 550 Kirchhof, Die Garantie der Kunstfreiheit, S. 225, 227. Dazu auch Pfirrmann, in Kirchhof, § 18, 20 Rdnr. 45. 551 BFH BStBl. 1994 II, S. 864, 865. 552 BFH BStBl. 1968 II, S. 543, 544. 553 FG Münster EFG 2008, S. 1975.
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Mit dem weiteren Begünstigungsmerkmal einer schriftstellerischen Tätigkeit verlangt die Rechtsprechung das Herstellen von Schriften, in denen eigene Gedanken auch schriftlich ausgedrückt und einer Öffentlichkeit (zahlenmäßig unbestimmter Personenkreis) zur Kenntnis gebracht werden.554 Auch insoweit ist man sich keineswegs einig, ob diese Definition der Sache und dem Zweck der gesetzlichen Regelung gerecht wird.555 Wie bei allen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten allgemein gehaltenen Berufsmerkmalen gibt es auch zur erzieherischen Tätigkeit erhebliche Abgrenzungsprobleme. Dieses Kriterium setzt voraus, junge Menschen in körperlicher, geistiger und charakterlicher Hinsicht zu prägen, um ihnen eine eigenverantwortliche Lebensführung, also neben der Wissensvermittlung (Kriterium »unterrichtende Tätigkeit«) die Willens- und Charakterbildung zu ermöglichen.556 So soll das Betreiben eines Internats wegen der gleichzeitigen Unterbringung der Schüler weder die unterrichtende noch erzieherische Komponente erfüllen und deshalb nicht zu einer Anerkennung als freiberuflich führen können557. Davon gibt es dann wieder eine Ausnahme, wenn das Internat lediglich Hilfsmittel zur Förderung der im Vordergrund stehende Erziehungsaufgabe sein soll, ohne dass besonderer Gewinn für die Unterbringung erstrebt wird.558 Die Gewinnerzielungsabsicht in die Abgrenzungsprüfung mit einfließen zu lassen, würde dazu führen, dass im Rahmen jeder Einzelfallprüfung die Kalkulation offenzulegen wäre. Als ob das deutsche Steuerrecht nicht ohnehin schon zu kompliziert und unübersichtlich wäre und die Gerichte mit Verfahren überfordert wären. Welche Kuriositäten zustande kommen können, zeigt ein anderer Rechtstreit, der ebenfalls vom Bundesfinanzhof entschieden werden musste.559 Dem Betreiber eines Säuglingsheims wurde die Freiberuflichkeit versagt, weil es nur um das körperliche Wohl von Säuglingen ging, nicht aber um Erziehung. Weshalb aber nur erzieherische Einrichtungen begünstigungswürdig sein sollen, nicht aber die, die sich um das körperliche Wohl von Säuglingen kümmern, muss man angesichts der chaotischen Rechtslage mit der sich daraus abbildenden Rechtsprechung nicht nachzuvollziehen versuchen. Gelegentlich wird die Begünstigung der Künstler, Schriftsteller und auch der Wissenschaftler gerne mit der bei ihnen häufiger vorzufindenden Abneigung gegenüber Formalien bei wirtschaftlichen Notwendigkeiten im Zusammenhang mit Aufzeichnungspflichten, Buchführungserfordernissen oder der Pflicht zur 554 555 556 557 558 559
BFH BStBl. 1958 III, S. 316, 317. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18 Rdnr. B 68. BFH BStBl. 1997 II, S. 687, 688f. BFH BStBl. 1957 III, S. 323, 324. BFH BStBl. 1964 III, S. 630, 631. BFH BStBl. 1966 III, S. 182, 183.
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Abgabe von Steuererklärungen begründet.560 Möglicherweise ist dieses Argument aber auch nicht ganz ernst gemeint.
c.
Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit – § 18 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 EStG
Neben den vorstehend erörterten Befreiungstatbeständen gelten gem. § 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG die selbstständig erzielten Einkünfte aus einer staatlichen Lotterie als begünstigt, »wenn sie nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind«. Die juristische Scharfsinnigkeit wird hier aufs äußerste strapaziert. Es gilt das eine, wenn es nicht das andere ist. Diese Regelung führt wieder zu den allgemeinen Wesensmerkmalen, die vorgeben sollen, was gewerblich oder freiberuflich ist. Dort muss man jedoch eingestehen, dass schon der zur negativen Abgrenzung des Gewerbebegriffs erforderliche Begriff des freien Berufs gerade keine »trennscharfe Distinktionswirkung«561 besitzt. In § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG werden verschiedene Einkunftsarten aus dem Bereich der Vermögensverwaltung den begünstigten Einkünften aus selbstständiger Arbeit zugeordnet. Es sind dies Vergütungen aus Testamentsvollstreckungen, aus der Vermögensverwaltung und die aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Die in § 18 EStG geregelte und ohnehin wirre Struktur der freiberuflichen und selbstständigen Einkünfte wird hier noch unsystematischer. Es kommt hinzu, dass diese Aufzählung keineswegs abschließend ist, auch Einkünfte aus Tätigkeiten, die eine »Gruppenähnlichkeit« zum Vermögensverwalter aufweisen, genauer formuliert, den genannten Berufen »berufsbildtypisch« ähnlich sind, entsprechen den Anforderungen dieser Regelung.562 Davon profitiert haben die Berufsbetreuer nach Übernahme der Zuständigkeit durch einen anderen Senat beim Bundesfinanzhof. Der nebenberuflich als Berufsbetreuer oder Vermögensverwalter tätige Rechtsanwalt, der grundsätzlich berufstypische Einkünfte als freier Beruf gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG verbucht, erzielt dann auch Einkünfte aus § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die ebenfalls zu einer steuerlichen Begünstigung durch Freistellung von der Gewerbesteuerpflicht führen. Übt der Rechtsanwalt seinen anwaltstypischen Beruf in Personengesellschaft mit Berufskollegen aus und setzt er für die Bearbeitung der Vermögensverwaltung qualifizierte Mitarbeiter ein, bekommt er jedoch Probleme, wenn diese Mitarbeiter von ihm nicht mehr hinreichend persönlich überwacht werden. Ihm und seinen Kollegen drohendann nach der sog. Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 EStG eine Versteuerung ihrer Gesamteinkünfte als gewerblich, 560 So ähnlich, aber wohl eher ironisch Güroff in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 18 Rdnr. 25 d. 561 Mann, Der Berufsbetreuer – ein Freier Beruf ? NJW 2008, S, 121, 122. 562 BFH BStBl. 2010 II, S. 909f. (DStRE 2010, S. 1136) sowie BFH BStBl. 2002, S. 338.
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denn zwangsläufig werden damit die sonst freiberuflichen Einkünfte aus der Anwaltstätigkeit gewerbesteuerpflichtig. Auch in Bezug auf die Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus einer Aufsichtsratstätigkeit) bleibt unklar, welcher tiefere Sinn steuer- und gesellschaftspolitisch damit verbunden sein soll. Führt man sich vor Augen, dass in Deutschland eine erhebliche Zahl der Aufsichtsräte in den Aktiengesellschaften ihre Tätigkeit als Nebenbeschäftigung ausüben und ohnehin nicht unter die Armutsgrenze zu fallen drohen, lässt sich diese steuerliche Entlastung als Unfug entlarven. Bedenkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die von ihnen beaufsichtigten Unternehmen zwangläufig als Kapitalgesellschaft organisiert und gewerbesteuerpflichtig sind, sie aber selbst diese gewerbliche Tätigkeit des Unternehmens unterstützen. Man muss schon ein gewisses Wohlwollen aufbringen, um eine Rechtfertigung ihrer Begünstigung in der unterstützenden Funktion für die Vermögensverwaltung der Aktionäre zu sehen. Schließlich ist zur Vollständigkeit auch noch auf § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG hinzuweisen. Mit dieser Vorschrift werden Einkünfte aus der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft oder Gemeinschaft unter bestimmten Bedingungen begünstigt. Auch insoweit ist der Hintergrund weder steuer- noch gesellschaftspolitisch nachvollziehbar, geschweige denn überzeugend. d.
Die Auswirkungen der Differenzierung im Einkommensteuerrecht
Die beschriebene Heterogenität und fehlende Systematik der sog. Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sowie die weiteren in den Nr. 2 bis 4 erwähnten Einkunftsarten führen dazu, dass für jede gesetzliche Regelung, mit der die Rechtsordnung an ein Gewerbe oder ein Unternehmen bzw. eine gewerbliche oder unternehmerische Tätigkeit anknüpft, die Frage aufgeworfen werden muss, inwieweit damit auch freie Berufe oder selbstständig erzielte Einkünfte erfasst werden. Die Abgrenzungsproblematik hat nirgendwo sonst ein derartiges Gewicht erfahren, wie dies im Steuerrecht der Fall ist. Freie Berufe wurden gem. § 18 Abs. 4 EStG alter Fassung mit einem pauschalen Freibetrag in Höhe von 1200 DM begünstigt. Die gesetzgeberischen Motive dazu haben einen Einblick in die Gedankenwelt der traditionellen Besserstellung freiberuflicher Arbeit gegenüber gewerblicher Tätigkeit geboten. Man hatte die Begünstigung damit begründet, dass die Ausbildung ihrer Berufsträger länger als bei Gewerbetreibenden dauere, in der Regel entstünden ihnen auch höhere Ausbildungskosten für ihre Kinder und sie müssten Rück-
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lagen für ihre Altersvorsorge bilden. Auch könnten sie Betriebsausgaben nicht immer leicht nachweisen.563 Wenn die Ausübung freiberuflicher Tätigkeit selbst immer ein langwieriges Studium gefordert hätte oder fordern würde, wäre dieses Argument durchaus nachvollziehbar. Dass Kinder der Berufsträger freiberuflicher Tätigkeit zwangsläufig höhere Ausbildungskosten als andere Kinder verursachen, setzt aber voraus, dass nur deren Kinder ein Studium oder eine längere Ausbildung absolvieren. Dieses Motiv hätte dann dazu beigetragen, die Chancenungleichheit im Bildungswesen zu zementieren. Die den freien Berufen darüber hinaus zugedachte Vergünstigung in der Altersversorgung gegenüber selbständigen Gewerbetreibenden könnte dann nachvollziehbar gewesen sein, wenn sie auch kleineren Gewerbetreibenden, die ebenfalls in keinem Sozialversicherungssystem standen, zugutegekommen wäre.564 Wegen dieser allzu offensichtlichen Ungereimtheiten hatte die EStG-Reformkommission565 die Abschaffung dieses Freibetrages empfohlen, was dann auch vom Gesetzgeber so vollzogen wurde. Dieser Rückblick auf die frühere Rechtslage hilft aber zu verstehen, wie wenig durchdacht die Differenzierung in zwei vermeintlich unterschiedliche Berufsgruppen auch schon in der Vergangenheit war. Freie Berufe sind noch heute gegenüber Gewerbetreibenden im Zusammenhang mit Buchführungspflichten bessergestellt. §§ 140, 141 Abgabenordnung (AO)566 gewährt ihnen ebenso wie kleineren Gewerbebetrieben unterhalb jährlich angepasster Umsatz- und Gewinngrößen erhebliche Erleichterungen. Sie dürfen ihre Gewinnermittlung als Grundlage der Einkommensteuerveranlagung unabhängig von der Höhe ihres Umsatzes /Gewinns/Überschusses nach der Einnahmen-Überschuss-Methode gem. § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, sie errechnen demzufolge ihren Gewinn aus der Differenz zwischen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Die buchführungspflichtigen Gewerbebetriebe berechnen dagegen ihre zu versteuernden Einkünfte gem. § 5 EstG anhand der aufwändigeren und demzufolge auch regelmäßig zu Mehrkosten führenden Buchführungsregeln und des am Ende des Geschäftsjahres zu ermittelnden Zuwachses ihres Betriebsvermögens. Der Hintergrund dieser vom Umsatz und Gewinn unabhängigen Vergünsti563 Barth, Belastungsvergleich zwischen unselbständig Tätigen und Angehörigen freier Berufe, verbunden mit einer Randbemerkung zu § 18 Abs. 4 EStG, FR 1959, S. 561ff. 564 Ablehnend schon damals Tipke/Kruse, Steuerrecht, 5.Aufl., 1978, S. 189. 565 Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht, Heft 7, S. 191ff. Die Kommission ist der Auffassung gewesen, dass im Interesse einer Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen Freibeträge für besondere Berufsgruppen grundsätzlich vermieden werden sollten. Die Berücksichtigung soziologischer Besonderheiten einzelner freier Berufe sollte auf anderem Wege als durch eine Typisierung erfolgen (S. 193). 566 Abgabenordnung i. d. F. vom 01. 10. 2002, BGBl. 2002 I, S. 3866, ber. 2003, S. 61.
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gung spiegelt die Vorstellung wider, die die Rechtsordnung von einem Berufsträger eines freien Berufs gegenüber Wirtschaftsunternehmen bzw. einem kaufmännischen Gewerbebetrieb567 hat. Die Gleichstellung mit kleineren Gewerbetreibenden zeigt, dass der freie Beruf in seiner typischen Erscheinungsform als regelmäßig kleinere Organisationseinheit mit geringerer Wirtschaftskraft gesehen wird. Ihnen wird als Unterscheidungsmerkmal eine eigen- bzw. höchstpersönliche Leistungserbringung zugeschrieben, weshalb sie bei einer Praxisaufgabe den Praxiswert sofort abschreiben dürfen.568 Über die für den Berufsträger spürbare Sonderstellung hinaus hat die in § 2 Abs. 1 EStG normierte Unterscheidung zwischen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§2 Abs. 1 Nr. 2) und selbstständiger Arbeit (§2 Abs. 1 Nr. 3), mit der freiberufliche und ihnen ähnliche Tätigkeiten gemeint sind, lediglich systematische und letztlich auch nur deklaratorische Bedeutung. Es soll klargestellt werden, dass im fest verankerten Bewusstsein der Gesellschaft Gewerbe und freie Berufe grundsätzlich wesensverschieden seien und das Steuerrecht diesen Unterschieden auch Rechnung trägt.
2.
Die Rechtslage im Umsatzsteuerrecht
Ebenso wie der vormals gewährte steuerliche Freibetrag gem. § 18 Abs. 4 EStG ist auch die »Verbraucherwohltat« des § 12 Abs. 2 Nr. 5 u. 6 Umsatzsteuergesetz a. F. (UStG) abgeschafft worden. Mit dieser Vorschrift wurden Leistungen der freien Berufe (Nr. 5) und die Umsätze der ihnen ähnlichen Tätigkeiten (Nr. 6) mit dem halben Umsatzsteuersatz belegt. Das Bundesverfassungsgericht569 hatte die unterschiedliche Belastung der Umsätze, beispielsweise der von Reinigungsbetrieben, Wäschereien und Friseurgeschäften, also klassische aber eher kleine Gewerbebetriebe aus der Dienstleistungsbranche (ungekürzte Umsatzsteuer) gegenüber denen der freien Berufe (halber Steuersatz) für verfassungskonform gehalten. Die Richter begründeten ihre damalige Entscheidung unter anderem mit dem Hinweis, die freien Berufe hätten so viele Ungleichheiten tatsächlicher Art im Vergleich zu gewerblichen Tätigkeiten aufzuweisen, dass eine unterschiedliche Besteuerung der jeweiligen Leistungen vertretbar sei. Gleiches galt für Leistungen einiger Berufe aus der Musikbranche als künstlerische Betätigung im Vergleich zu der der Schallplattenindustrie.570 567 Zur Abgrenzung des freien Berufs vom Kaufmann vgl. die Arbeit von Müller, Einbeziehung der freien Berufe in das Handelsrecht unter besonderer Berücksichtigung von Arzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Architekt, Kiel 1967. 568 BFH BStBl. 1975 II, S381; BStBl. 1982, II, S. 820. 569 BVerfGE 37, S. 38, 49. 570 BVerfGE 37, S. 38ff. Die unterschiedliche Belastung einiger privilegierter Lieferungen und
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In den Begründungen tauchen Formulierungen auf, die sich später in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 01. 2008571 wiederfinden. Der Charakter der freien Berufe sowie ihre »Stellung im Sozialgefüge« seien wesentliche Unterscheidungsmerkmale zu nicht privilegierten gewerblichen Tätigkeiten. Schließlich, so meinte das Gericht, sei generell auch noch die Höhe der Honorare freiberuflicher Leistungen relevant. Diese lägen auf Grund der langen Ausbildungszeit der Berufsträger freier Berufe im Allgemeinen über denen der gewerblichen Dienstleistungen. Da die Umsatzsteuer andernfalls auf die Verbraucher »abgewälzt« werden würde572, müssten die Verbraucher durch eine Halbierung des Umsatzsteuersatzes entlastet werden. Zutreffend war der weitere Hinweis des Gerichts, dass die einseitige Begünstigung freiberuflicher Leistungen auch nicht wettbewerbsverzerrend sei, insoweit bestände zwischen freien Berufen und gewerblichen Dienstleistern kein Wettbewerb.573 Aus diesen Verfahren blieb aber ebenso wie im Zusammenhang mit dem abgeschafften Freibetrag des § 18 Abs. 4 EStG noch das Argument, die Vergünstigungen für freie Berufe bzw. deren Leistungen seien auch wegen der meist langen Ausbildungszeit ihrer Berufsträger aufgrund der dadurch erlangten höherwertigen Qualifikation gerechtfertigt. Aber nicht alle freien Berufe setzen eine lange Ausbildungszeit voraus. Andererseits gibt es auch gewerbliche Tätigkeiten, deren Berufsträger längere Ausbildungszeiten benötigen, denkt man nur an die »meisterpflichtigen« Handwerksbetriebe.574 Offensichtlich hatte das Gericht auch hier wieder die klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts mit dem Erfordernis eines längeren wissenschaftlichen Studiums sowie der sich daran anschließenden Ausbildung im Praktikum bzw. in der Referendarzeit vor Augen. Weil es wegen des Charakters der Umsatzsteuer als vom Verbraucher zu tragender Steuerlast und der fehlenden Wettbewerbssituation keine verfassungsrechtlichen Probleme mit Art. 3 Abs. 1 GG geben kann, darf der Gesetzgeber alle heilberuflichen Leistungen inklusive aller Arzneimittel in § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuerpflicht freistellen. Entlastet werden soll dadurch die Versichertengemeinschaft in Gestalt der Sozialversicherungsträger, die nicht die
571 572 573 574
Leistungen des kulturellen Bereichs (§§ 4 und 12 Abs. 2 UStG) gegenüber der Schallplattenindustrie beruhte nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auf sachgerechten Erwägungen (BVerfGE 36, S. 321ff.). BVerfGE 120, S. 1, 31. Zum System der Umsatzsteuer Englisch in Tipke-Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 17 Rdnrn. 10ff. BVerfGE 37, S. 38, 49f. Schick, Freie Berufe im Steuerrecht, S. 9.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Möglichkeit haben, Umsatzsteuerbelastungen auf den Verbraucher (die Versichertengemeinschaft) abzuwälzen.575 Die Umsatzsteuerbefreiung ärztlicher Leistungen hatte im Jahre 1976 zu einer vielbeachteten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geführt.576 In Konkurrenz zu ärztlichen Labor- und Analyseunternehmen traten gewerblich und teilweise sogar als Kapitalgesellschaften organisierte Labor- und Analyseinstitute in den Gesundheitsmarkt ein. Deren Leistungen waren seinerzeit trotz der Gleichartigkeit ihrer Leistungsangebote nicht steuerbefreit, dafür hätten sie ärztlich geleitet sein müssen.577 Die Leistungen der im Rahmen ärztlicher Zusammenschlüsse betriebenen Labor- und Analyseunternehmen, meist als Gesellschaften bürgerlichen Rechts organisiert, waren dagegen nach einer sie begünstigenden Ergänzung der damaligen Fassung des § 4 Nr. 14 UStG (Ausweitung auf ärztlich geleitete »Gemeinschaften«) ab 1973 steuerbefreit. Vor dieser Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes lehnte der Bundesfinanzhof578 sogar die Umsatzsteuerbefreiung der aus ärztlichen Berufsträgern gebildeten BGB-Gesellschaften allein wegen dieser Gesellschaftsform mit der Begründung ab, sie würden in dieser Gesellschaftsform keine ärztlichen Leistungen erbringen. Für die gesetzliche Krankenversicherung stellte der Gesetzgeber dann allerdings klar (§ 368 a Abs. 1 Reichsversicherungsordnung), dass alle ärztlich geleiteten, aber auf Grund ihrer rechtlichen Organisationsform gewerblichen Laborunternehmen, die Leistungen ebenfalls umsatzsteuerfrei erbringen dürfen.579 Die damalige Fassung des § 4 Nr. 14 S. 1 u. 2 UStG 1973 nahm die Leistungen gewerblich organisierter Laborfirmen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung noch von dieser Umsatzsteuerbefreiung aus, was sich dann zwangsläufig auf den privatrechtlich abgerechneten Honoraraufwand ausgewirkt hat. Das Bundesverfassungsgericht580 hielt diese Regelung wegen ihrer wettbewerbsverzerrenden Wirkung zu Lasten der ärztlich geleiteten gewerblich tätigen Laborfirmen für verfassungswidrig. Bemerkenswert war an dieser Entscheidung aber die Einschränkung des Gerichts, wonach nur in dem Wettbewerb der größeren Gemeinschaften zueinander ein Verfassungsverstoß bestehen würde. 575 BT-Drucks., 5. Wahlperiode, Nr. 1581, S. 5, Plückebaum/Matlitzky, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 14, Rdnr. 449/2 sowie Wolff, Heilberufe und Mehrwertsteuer, UStR 1968, S. 23. 576 BVerfGE 43, S. 52ff. Vgl. dazu Hartmann/Metzenmacher, EStG, § 4 Nr. 14, Rdnr. 1 sowie die Urteilsanmerkung von Weiss zu BVerfGE 43, S. 52ff. in UStR 1977, S. 35ff. 577 Henke, Rechtsprobleme ärztlicher Zusammenarbeit im ambulanten Bereich, NJW 1974, S. 2035ff. 578 BStBl. 1972 II, S. 656, 657f. Denkt man daran, dass einige freiberufliche Tätigkeiten schon zum damaligen Zeitpunkt auch in der Personengesellschaft steuerlich begünstigt waren (bspw. Rechtsanwaltsgesellschaften), ist das kein sehr überzeugendes Argument. 579 So auch die vom Bundesverfassungsgericht eingeholte Stellungnahme der Bundesärztekammer in der Entscheidung BVerfGE 43, S. 58ff. 580 BVerfGE 43, S. 58, 70ff.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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In Bezug auf kleinere Laborgemeinschaften sah es keine Ungleichbehandlung. Ein Gleichheitsverstoß sei nur dann zu bejahen, wenn größere ärztliche Gemeinschaften in Konkurrenz zu gewerblichen Unternehmen treten würden. Auch die größeren ärztlich geleiteten Apparategemeinschaften würden den Rahmen freiberuflicher Tätigkeit verlassen und sich nur noch »formell« von gewerblichen Unternehmen unterscheiden.581 Die eigentliche Absicht des Gesetzgebers, mit dieser Regelung die Versicherten zu entlasten, wurde so vom Gericht durch das Begünstigungskriterium »freiberufliche Leistungen« konterkariert. Der sachliche Differenzierungsgrund, so das Verfassungsgericht, läge in der eigenpersönlichen Leistung der in der Gemeinschaft tätigen Berufsträger, die ab einer gewissen Größe nicht mehr gewährleistet wäre.582 Art. 3 Abs. 1 GG fordere deshalb eine Gleichbehandlung nur der großen ärztlich geleiteten Laborgemeinschaften. Diese Entscheidung konnte aber aus Praktikabilitätsgesichtspunkten weder in ihrer Begründung noch in ihrem einschränkenden Ergebnis überzeugen583, auch wenn sie mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Merkmal der leitenden und eigenpersönlichen Leistungserbringung584 korrespondierte. Eine neue Richtung bekam die Problematik der Umsatzbesteuerung von Labor- und Analyseleistungen durch einen vom Bundesfinanzhof 2005 dem zuständigen Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalt.585 In diesem Rechtsstreit stand die Frage im Vordergrund, ob medizinische Analysen, die eine »Labor-GmbH« in den Jahren 1990 bis 1993 im Auftrag verschiedener ärztlicher Laborgemeinschaften erbracht hatte, umsatzsteuerfrei waren. Alleiniger Gesellschafter der »Labor-GmbH« war ein Facharzt für Laboratoriumsmedizin. Die Laborgemeinschaften waren ihrerseits als ärztliche Gesellschaften bürgerlichen Rechts organisiert. Sie hatten die Laboruntersuchungen und -analysen jeweils angeordnet. Jeder Gesellschafter dieser Laborgemeinschaft hat die ihm zuzuordnende Leistung der »Labor-GmbH« als eigene Leistung gegenüber dem Patienten abgerechnet. Finanzamt und Finanzgericht waren der Ansicht, die Leistungen seien deshalb nicht steuerfrei, weil sie nicht in dem erforderlichen Maße unter ärztlicher Aufsicht vorgenommen worden seien.
581 BVerfGE 43, S. 58, 73f. 582 BVerfGE 43, S. 58, 78. 583 Zustimmend hinsichtlich des Grundtenors der Entscheidung die Anmerkung von Weiss, Urteilsanmerkung zu BVerfGE 43, S. 58ff., UStR 1977 S. 35f., Weiss befürchtete allerdings aus der Beschränkung der Verfassungswidrigkeit, wie sie vom Bundesverfassungsgericht vorgenommen wurde, erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis. 584 BStBl. 1968 II, S. 820f.; BStBl. 1965 III, S. 557. 585 BStBl. 2005 II, S. 445.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Der mit der Entscheidung befasste Senat des EuGH586 entschied, dass bei medizinischen Analysen die Befreiung von der Umsatzsteuer auch in einer »Labor-GmbH«, also einem gewerblich organisierten Unternehmen, außerhalb einer Heilbehandlungseinrichtung (Krankenhaus) geboten sei. Die Befreiung dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Leistung unter ärztlicher Aufsicht, also im Ergebnis freiberuflich, erbracht sei. Der Bundesfinanzhof587 hat sodann unter Hinweis auf die EuGH-Entscheidung, an die er ohnehin gebunden war, die Befreiung der Umsätze der »Labor-GmbH« von der Umsatzsteuer bejaht, die Vorschrift der Fassung des § 4 Nr. 14 UStG sei rechtsformneutral auch zugunsten juristischer Personen auszulegen, sofern ein geschäftsführender Arzt auch Gesellschafter sei. Rechtsgrundlage der Zuständigkeit des EuGH war die Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b bzw. c »ärztliche Heilbehandlungen« und »Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin«. Die sich über Jahre hinziehenden Berührungsängste des Gesetzgebers sowie der Berufsangehörigen und ihrer Verbände vor Organisationsstrukturen für freie Berufe in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft sind natürlich auf Befürchtungen im Zusammenhang mit dem Verlust von Sonderstellungsmerkmalen zurückzuführen.588 Mit dem Übergang zur Kapitalgesellschaft verlieren freie Berufe ihre Gewerbesteuerfreiheit (§ 15 Abs. 2 EStG). Bereits die Tatsache, dass sie nunmehr die rechtliche Möglichkeit haben, sich als Kapitalgesellschaft zu organisieren, führt zu einer deutlichen generellen Annäherung an gewerbliche Unternehmen und erhöht das politische Verlustpotential bezogen auf die Freiberuflichkeit als gesonderte Berufsgruppe in der gesamten Rechtsordnung.589 Die Kapitalgesellschaft scheint tatsächlich nicht zu dem ganz wesentlichen Merkmal freiberuflicher Tätigkeit, nämlich der eigenpersönlichen Leistung, zu passen. Ganster590 hält ein Verbot kapitalgesellschaftlicher Organisationsformen für freie Berufe als zulässige Abgrenzung zum Gewerbe für möglich und sogar geboten. Verfassungsrechtlich sei dies lediglich eine unbedenkliche Beschränkung auf der Berufsausübungsstufe. Die Zunahme derartiger Gesellschaftsformen bei freien Berufen führe dagegen, so Ganster, zu einem bedenklichen Konzentrationsprozess in größeren Organisationsformen. Er bezweifelt dann auch, dass sich die Differenzierung beider Berufsgruppen angesichts der rechtstatsächlich zu erwartenden, sich weiter intensivierenden Nutzung ge586 Vom 08. 06. 2006, C-106/05 zu BFH NV Beilage 4 2006, S. 442, UR 2006, S. 464 mit Anm. Klenk. 587 Urt. Vom 15.03. 2007, VR 55/03. 588 Das gewerbesteuerliche Ausschlusskriterium des § 2 Abs. 2 GewStG sichert die Anforderung an eine eigenpersönliche Leistung der freien Berufe. 589 So der Tenor der Arbeit von Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 610. 590 Ebenda, S. 601f.; a. A. Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes, S. 242 Nr. 30.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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werblicher Rechtsformen der Kapitalgesellschaften zur Erbringung freiberuflicher Dienstleistungen, weiterhin aufrechterhalten lasse.591 Ergänzend zur Sonderstellung freier Berufe im Umsatzsteuerrecht ist noch anzumerken, dass freie Berufe, auch weil sie nicht buchführungspflichtig sind, die Möglichkeit der sogenannten Ist-Versteuerung (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 u.3 UStG) haben. Die berechnete Umsatzsteuer muss erst an den Fiskus abgeführt werden, wenn die Rechnungssumme vereinnahmt wurde. Davon profitieren aber auch kleinere Gewerbebetriebe mit Jahresumsätzen von maximal 500.000 E (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG)592. Die mitgeteilte Rechtslage und die angestellten Überlegungen zeigen, welchen schweren Weg die sich fortentwickelnde und ständig verändernde »Lebenswirklichkeit« in einer teilweise auf überlieferten Berufsstrukturen und Traditionen gegründeten Rechtsordnung gehen muss. Zur Vollständigkeit gehört aber auch noch der Hinweis, dass bei allen Erwerbstätigen, ob gewerblich oder freiberuflich (mit Ausnahme der sog. Kleinunternehmerregelung in § 19 UStG), eine Aufzeichnungspflicht zur Umsatzsteuerermittlung (§ 22 UStG) besteht.
3.
Die Gewerbesteuerbefreiung der freien Berufe
Die Umsatzsteuer knüpft an den Verbrauch an und belastet infolge der Vorsteuerabzugsberechtigung den Endverbraucher. Die Gewerbesteuer belastet dagegen unmittelbar den besteuerten Gewerbebetrieb. Der Gewerbetreibende kann den finanziellen Aufwand der Gewerbesteuer nicht direkt auf den Verbraucher abwälzen593, allenfalls über die Preisbildung, sofern der Markt das hergibt. Gerade deshalb stand und steht die Gewerbebesteuerung bei der Abgrenzungsfrage so im Fokus rechtlicher Fragestellungen und auch heftiger wissenschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen.594 So hat sie bereits in der Vergangenheit die Gemüter nicht nur der Betroffenen, sondern auch die der Politiker und Juristen bewegt.
591 592 593 594
Ebenda, S. 625. Der Betrag wurde festgelegt durch Gesetz vom 06. 12. 2011, BGBl. 2011 I, S. 2562. Friauf, Rechtsgutachten, 1975, S. 81. Beispielhaft dafür Hey in Tipke/Lang, 23. Aufl., 2018, 426f.; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 1 Rdnr. 255f.; Hartmann, Bestandsschutz, BB 2008, S. 2490ff.; Habscheidt, Einkünfte des Rechtsanwalts, NJW 2005, S. 1257; andererseits aber Rittner, Anm. zu BVerfGE 120, S. 1ff., JZ 2008, S. 996f.
138 a.
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Die preußischen Steueredikte von 1810 sowie 1820595
Vorbild für die Gewerbesteuer in Deutschland war die in Frankreich als Folge einer finanzielle Notlage in der Zeit der französischen Revolution eingeführte »contribution des patentes«.596 Die seit dem Edikt von 1810 in Preußen bestehende Gewerbefreiheit wurde mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Gewerbesteuer verknüpft. Wer die Freiheit zur Ausübung eines Gewerbes nutzen wollte, hatte einen Gewerbeschein zu »lösen« und dann auch die damit verbundene Steuer zu zahlen. § 1 des Steueredikts hatte folgenden Wortlaut: »Ein jeder, welcher in unseren Staaten, es sei in den Städten oder auf dem platten Lande, sein bisheriges Gewerbe, es bestehe in Handel, Fabriken, Handwerken, es gründe sich auf eine Wissenschaft oder Kunst, fortsetzen oder ein neues unternehmen will, ist verpflichtet, einen Gewerbeschein darüber zu lösen und die in den beigefügten Tarif A angesetzte Steuer zu zahlen…«
§ 6 bestimmte dann weiter : »Die in dem beigefügten Tarif nicht aufgeführten oder angedeuteten Gewerbe sind deshalb nicht von der Lösung eines Gewerbescheins ausgenommen.«
Die Regelungen erfassten somit alle Erwerbstätigkeiten, also auch die, die auf einer wissenschaftlichen Ausbildung beruhten, die »gelehrte Berufe« waren oder als Kunst bewertet wurden. Den Begriff der »freie Berufe« kannte man so zwar noch nicht, diese Erwerbstätigkeiten bemühten sich schon darum, durch Unterscheidung zum Gewerbe (Handel und Handwerk) nunmehr als eigenständige Berufsgruppe wahrgenommen zu werden. Andernfalls wäre auch die Differenzierung in § 1 nicht verständlich gewesen.597 Doch schon in der Folgezeit bestand Uneinigkeit darüber, ob die Einbeziehung der Ärzte und Rechtsanwälte in die Gewerbesteuerpflicht sachgerecht war.598 Mit Gesetz vom 30. 05. 1810 wurde deshalb wieder auf deren Besteuerung verzichtet.599 Die Neufassung des Gewerbesteuergesetzes von 1820 zählte die von der Steuerpflicht erfassten Erwerbstätigkeiten einzeln auf. Zu ihnen gehörten der Handel, der Betrieb von
595 Beide abgedruckt bei Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 42ff. 596 Von Eheberg, Artikel »Gewerbesteuer« in Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4.Bd., S. 1068ff.; Jastrow, Freie Berufe, S. 40. 597 Jäger, Die Abgrenzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, S. 44. 598 Kommissionsbericht zum Gewerbesteuergesetz in den Anlagen zu den stenogafischen Berichten des preußischen Landtages 1890/91 II Nr. 70, S. 1184 r., zitiert nach Jastrow, Freie Berufe, S. 51 Fn. 45. 599 Dazu Bräuer, Die Frage einer Heranziehung der Ärzte zur Gewerbesteuer, 1927, S. 82.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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Gast- und Schank- sowie Speisewirtschaften, zahlreiche Handwerke und Schiffer, Fracht- sowie Lohnfuhrleute600, nicht aber Ärzte und Rechtsanwälte. Die Einführung einer Gewerbebesteuerung hatte mehrere Gründe. Damals bereitete es erhebliche Schwierigkeiten, im Rahmen der erhobenen Einkommensteuer das tatsächliche Einkommen der Gewerbetreibenden zu ermitteln, was allerdings für alle Selbstständigen galt.601 Der aufkommende Liberalismus in der Wirtschaft verbot dem Staat, sich zu sehr in die Angelegenheiten seiner Bürger einzumischen. Die Anknüpfung an äußerliche Merkmale war wesentlich einfacher und barg nicht die Gefahr einer zu intensiven Einmischung. Vorteilhaft war auch, dass man nicht nur das Einkommen, sondern auch das Kapital miterfassen konnte. Wie bei jeder Steuererhebung steht heute und stand natürlich auch seinerzeit die Einnahmeerzielung im Vordergrund. Die napoleonische Besatzung führte zu immensen Schuldenlasten, so dass schon deshalb die Staatskassen aufgefüllt werden mussten.602
b.
Die Miquelsche Steuerreform von 1891
Als Meilenstein auf dem Weg zum heutigen Steuersystem wird völlig zu Recht die Miquelsche Steuerreform von 1891 in Preußen bezeichnet.603 Das im Rahmen dieser Reform erlassene Gewerbesteuergesetz vom 24. 06. 1891604 sowie die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer bildeten ihr Herzstück605. Eine Definition des Steuergegenstandes, also des Gewerbes, sucht man dort aber vergeblich. In § 3 des Gesetzes wurden verschiedene eindeutig als gewerblich geltende Betriebe (u. a. Kanalisations- und Wasserwerke, Schlachthäuser und Viehhöfe sowie Markthallen und andere Betriebe) aus öffentlichem Interesse von der Besteuerung ausgenommen. Zusätzlich stellte § 4 andere Erwerbstätigkeiten, wie die Landwirtschaft sowie die geistigen und wissenschaftlichen Tätigkeiten, von der Steuer ausdrücklich frei. Sie erbrachten nach Auffassung des Gesetzgebers keine gewerblichen Leistungen. Die Vorschrift des § 4 Nr. 5 schloss zusätzlich noch preußische Gewerbebetriebe von der Besteuerung aus. Ebenso wie diese wurden gem. § 4. Nr. 7 noch einige weitere Berufe von der Steuerpflicht freigestellt. Die Regelung des § 4 Gewerbesteuergesetz ähnelte dabei in seiner Struktur schon sehr dem heutigen § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG: 600 Übersicht bei Schettler, Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit im Einkommens- und Gewerbesteuerrecht, S. 59f. 601 Jastrow, Freie Berufe, S. 44. 602 Jastrow, ebenda. 603 Dazu Jäger, Die Abgrenzung, S. 45ff. 604 Preußische Gesetzessammlung (GS) S. 205. 605 Jäger, Die Abgrenzung, S. 175.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
»Die Ausübung eines amtlichen Berufes, der Kunst, einer wissenschaftlichen unterrichtenden oder erziehenden Tätigkeit, insbesondere auch des Berufes als Arzt, als Rechtsanwalt, als vereidigter Land- und Feldvermesser, sowie als Marktscheider…«606
Das Einkommensteuergesetz ging ebenfalls von dieser Gewerbevorstellung aus. Es ordnete Ärzte und Rechtsanwälte in die Einkommensteuerart »Gewinn bringende Beschäftigung« ein (statt heute in § 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG »selbstständige Arbeit«).607 Den Begriff »freie Berufe« kannten weder das Gewerbesteuergesetz der Miquelschen Steuerreform noch deren Einkommensteuergesetz. Beide Gesetze unterschieden allerdings bereits zwischen dem Gewerbe und den heute als freiberuflich geltenden Tätigkeiten. Sie orientierten sich dabei an dem überlieferten Sprachgebrauch608, der in Urproduktion (sie war in § 4 Nr. 1 bis 4 von der Entrichtung der Gewerbesteuer befreit), in Gewerbe und in sonstige Berufe als gewinnbringende Beschäftigung differenzierte. Die zum Gewerbesteuergesetz von 1891 erlassenen Ausführungsbestimmungen609 enthielten detailliertere Berufsangaben als das Gesetz selbst. Dort mit aufgeführt wurde unter anderem der Beruf der Hebamme, die heute zwar nicht mehr als freiberuflich im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auftaucht, aber immerhin als ähnlicher Beruf anerkannt ist610. Das Gewerbesteuergesetz von 1891 war mit der Zuweisung der Gewerbesteuer an die Kommunen unmittelbare Vorläuferin unserer heutigen Gewerbesteuer. Den Gemeinden wurde ein Lastenausgleich dafür geschaffen, dass Sie erhebliche Infrastrukturkosten durch die Ansiedlung von größeren Gewerbebetrieben gerade auch als Folge der begonnenen Industrialisierung hatten.611 Dieser Vorgang kann schon als Geburtsstunde der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 15. 01. 2008 zur Rechtfertigung der steuerlichen Begünstigung der freien Berufe wiederbelebten sogenannten Äquivalenztheorie612 gesehen werden. Fuisting613 hat in seinem Kommentar von 1906 zu den Ge-
606 Preußische Gesetzessammlung (GS), S. 205. 607 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, Einkommensteuer, Bd. I, 2. Aufl. 1900, Anm. 8 zu § 15. 608 Jastrow, Freie Berufe, S. 52. 609 Jäger, Die Abgrenzung, S. 49; Einzelheiten dazu bei Schick, Freie Berufe im Steuerrecht, S. 12f. 610 BMF-Schreiben vom 22. 10. 2004, BStBl. 2004 I, S. 1030. 611 Dieser Steuerzweck hat der Äquivalenztheorie ihren Namen gegeben. Die Steuer war als »Äquivalent« für Gemeindelasten gedacht, die durch die Ansiedlung von Gewerbebetrieben sowie den Zuzug von Beschäftigten den Gemeinden entstehen. (BVerfGE 13, S. 331, 348; 19, S. 101, 112; 46, S. 224ff. (schon zurückhaltender) und sogar wieder deutlicher in 120, S. 1, 39. 612 BVerfGE 120, S. 1, 37ff. 613 Gewerbesteuerteil Bd.III, Anm. 5 zu § 1.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
141
werbesteuergesetzen eine Definition des Begriffs »Gewerbe« geliefert. Seiner Auffassung nach sollte darunter »eine mit der Absicht der Gewinnerzielung unternommene, selbständige, berufsmäßige und erlaubte Arbeitstätigkeit, welche sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellte«
verstanden werden. Aus dieser doch sehr weitgehenden und ziemlich allumfassenden Definition wurde geschlussfolgert, dass die Gewerbesteuer den Charakter einer allgemeinen Erwerbssteuer erhalten hätte, die die freien Berufe mit den Gewerbebetrieben im Sinne der überlieferten Sprachregelung gleichstelle.614 Da allerdings der Wortlaut des Gewerbesteuergesetzes keinen Zweifel daran ließ, dass eindeutig die heute als freie Berufe bezeichneten Tätigkeiten aus der Steuerpflicht ausgenommen werden sollten, muss man Fuisting zu Gute halten, dass er seine Definition restriktiver verstanden haben wollte615. Er selbst benutzte in seinem Kommentar schon den Begriff der freien Berufe und stellte ihn dem Begriff des Gewerbebetriebs gegenüber. So heißt es bei ihm: »Überhaupt sind die freien Berufe (artes liberales) der Ärzte …in Preußen sowie in den meisten deutschen Staaten niemals für Gewerbebetriebe erachtet worden und hieran hat auch die Aufnahme des Erfordernisses der Approbation in die GO616 nichts geändert.«617
Offensichtlich hatte Fuisting dabei übersehen, dass er auch in seinem Kommentar zur Gewerbeordnung eine konträre Meinung dazu vertreten hatte. Dort liest sich das insofern ganz anders, als er in seiner Anmerkung zu § 42 der Allgemeinen Preußischen Gewerbeordnung vom 17. 02. 1845618 die Ärzte als Gewerbetreibende bezeichnet hatte. Da im Norddeutschen Bund die Gewerbesteuergesetzgebung zu den Länderangelegenheiten gehörte, war eine gewisse Regelungsvielfalt kaum vermeidbar. Bayern und Württemberg ließen die freien Berufe ebenso wie Preußen steuerfrei, während Baden, Braunschweig und Sachsen keinen Unterschied zwischen ihnen und dem Gewerbe machten.619 Der Reichsfinanzhof war aber dennoch der Auffassung, diese Länder hätten die sonst freiberuflichen Tätigkeiten damit nicht als Gewerbe eingeordnet.620
614 615 616 617 618
Jastrow, Freie Berufe, S. 54. Fuisting, Gewerbesteuerteil Bd. III, Anm. 4 zu § 1. Gemeint war die Gewerbeordnung. Ebenda. Preußische Gesetzessammlung Gewerbeordnung, S. 41: »Gewerbetreibende, welche einer besonderen polizeilichen Genehmigung bedürfen«. 619 Nachweise bei Jäger, Die Abgrenzung, S. 53 Fn. 119 bis 123. 620 RFE 14, S. 19f.
142 c.
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Die Weiterentwicklung der Miquelschen Steuerreform bis zur heutigen Ausgestaltung der Gewerbesteuer
Erst die Legaldefinition des Gewerbebegriffs in der Gewerbesteuerverordnung vom 23. 11. 1923621, die das alte Gewerbesteuergesetz vom 24. 06. 1891 ablöste, deckte sich im Wesentlichen mit der Definition Fuistings. Sie bildete die Einleitung in den Gesetzestext, was Jäger622 zu der Schlussfolgerung veranlasste, diese systematische Voranstellung sei als Aufhebung der vormals in Preußen623 selbstverständlichen Differenzierung beider Berufsgruppen zu sehen. Die in § 3 Nr. 3 des neuen Gesetzes geregelte Befreiung der Ärzte und Rechtsanwälte von der Gewerbesteuer wertete er als schlichte Ausnahmeregelung, die aber an ihrer Gewerblichkeit nichts ändere. Jäger meinte daraus folgern zu müssen, dass der Gesetzgeber die Zugehörigkeit der geistig-kulturellen Berufe zum Gewerbe damit eindeutig bejaht hätte. Für zahlreiche Berufe, die sich als freie Berufe verstanden, galt es nun, ebenfalls in den Katalog des § 3 Nr. 2 Gewerbesteuerverordnung von 1923 neben Ärzten und Rechtsanwälten aufgenommen zu werden. Allerdings war es mit dem bloßen Hinweis auf die Zugehörigkeit zu dieser Berufsgruppe allein nicht getan, zumal der Gesetzgeber den Begriff »freier Beruf« bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht verwendet hatte. Das preußische Oberverwaltungsgericht ging in seiner Rechtsprechung zum Wortlaut des § 3 Nr. 2 Gewerbesteuerverordnung ebenfalls von einem weiten Gewerbebegriff aus.624 Es legte zudem Wert auf die Feststellung, die Gewerbebegriffe anderer Gesetze, gemeint war die Gewerbeordnung, seien für das Steuerrecht belanglos. Die Einbeziehung der freien Berufe in den umfassenden Gewerbebegriff des Steuerrechts wurde in den nachfolgenden Änderungsgesetzen im Grundsatz beibehalten. Länderübergreifend brachte schließlich das Gewerbesteuerrahmengesetz von 1930625 in der Zeit der Weimarer Verfassung eine weitgehende Vereinheitlichung der Gewerbebesteuerung. Im Vorfeld der Gesetzesberatungen gab es sehr unterschiedliche Auffassungen zu der Behandlung der freien Berufe. 621 Preußische Gesetzessammlung S. 519. 622 Die Abgrenzung, S. 55, unter Berufung auf Boyens, Die Gewerbesteuerpflicht der freien Berufe in Preußen nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, RuPrVerwBl. Bd. 51, S. 271; Bd. 52, S. 548 sowie Bd. 57, S. 174. 623 Zum damaligen absoluten »Steuerwirrwarr« in den Ländern Feuchtwanger, Die freien Berufe, 1929, JW 1928, S. 988f. 624 Preußisches Oberverwaltungsgericht vom 09. 10. 1928, RuPrVwBl., Bd. 50, S. 131 und v. 05. 11. 1929, Bd. 51, S. 166; Schettler, Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht, S. 62ff.; Fuhr, Kommentar zur Gewerbeordnung, Einl. A I; Rittner, Unternehmen und freier Beruf als Rechtsbegriffe in Recht und Staat, Heft 261/262, S. 4. 625 Gesetz über die Regelung der Gewerbesteuer für das Rechnungsjahr 1930 vom 17. 04. 1930, Preußische GS S. 93.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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Das Spektrum reichte dabei von einer gänzlichen Abschaffung der schon damals für »überlebt« gehaltenen Unterscheidung bis zu einer noch umfangreicheren Entlastung freier Berufe.626 Anders als die Entwürfe der Reichsregierung und des Reichstages plädierte der Reichswirtschaftsrat627 für eine Einbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuerpflicht. Reichsregierung und Reichstag waren dagegen geneigt, Rücksicht auf »bedeutsame Kulturinteressen« zu nehmen und freie Berufe zu begünstigen. Der Reichswirtschaftsrat beabsichtigte jedoch, die Steuerlast auf ein breiteres Fundament zu legen. Dies entsprach auch den Vorstellungen des Reichsfinanzhofes, der schon damals in der Lebenswirklichkeit eine zwischenzeitliche Konvergenz beider Berufsbereiche sah.628 Von der Besteuerung ausgenommen werden sollten lediglich die der reinen Kunst oder Wissenschaft gewidmeten Berufe. Das hätte zu einer engen Ausnahmeregelung geführt, von der nur noch die schöpferische oder forschende Tätigkeit, die Lehr-, Vortrags- und Prüfungstätigkeiten sowie die schriftstellerische Arbeit erfasst gewesen wären (§ 3 Abs. 2 GewStRG). Jastrow629 nannte diese Absicht einer Heranziehung der freien Berufe zur Gewerbesteuer als etwas »Unerhörtes« in der deutschen Staatsverfassung. Die Krisenjahre 1930/31 führten dann auch tatsächlich dazu, dass in den meisten deutschen Ländern die freien Berufe der Gewerbesteuer unterworfen wurden. Reichskanzler Heinrich Brüning (1930 bis 1932) nutzte die zunehmend katastrophale Finanzlage der Länder, um deren Eigenständigkeit einzuschränken.630 Den öffentlichen Kassen waren die zusätzlichen Steuereinnahmen höchst willkommen. Meumann631 glaubte im Zusammenhang mit der schon im Vorgriff auf das reichseinheitliche Gesetz von Preußen eingeführten Gewerbesteuerpflicht für freie Berufe im Jahre 1930, dass der Kampf gegen das »Wesen dieser Berufe verkennenden Steuer« noch nicht endgültig verloren sei. Mit dem unter der Herrschaft des Nationalsozialismus erlassenen reichseinheitlichen Gewerbesteuergesetz vom 01.12. 1936632 wurden die freien Berufe dann mit Geltung bis heute wieder von der Gewerbebesteuerung befreit.633 626 627 628 629 630 631 632 633
Blümich/Boyens/Steinbring u. a., GewStG, Anm. 54 zu § 2 GewStG 1936, (4.Aufl.) S. 51. Jäger, Die Abgrenzung, S. 70. RFHE 14, S. 19, 21. Freie Berufe, S. 41. Seine Stellungnahme bezog sich allerdings bereits auf die Einbeziehung der freien Berufe im Jahre 1820 (Preußisches Steueredikt v. 1920 – abgedruckt bei Huber, Dokumente, S. 42ff. Funk, Föderalismus in Deutschland, S. 177. Meumann, Die freien Berufe, insbesondere die Steuerberater und Bücherrevisoren im preußischen Gewerbesteuerrecht, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, 1930, 4.Jg., S. 616f. RGBl. 1936, S. 978. Blümich/Boyens/Steinbring, GewStG, 8.Aufl., Einl. I 1.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Das neue Gewerbesteuergesetz 1936 galt aufgrund des zentralistisch herrschenden Nationalsozialismus im gesamten Deutschen Reich. Zur Begründung der Steuerbefreiung für freie Berufe wurde angeführt, ihre Einbeziehung in die Gewerbebesteuerung sei eine der anfechtbarsten finanzpolitischen Entscheidungen gewesen.634 In den Gesetzesberatungen kam allerdings auch der Vorschlag, mit der Ausklammerung der Landwirtschaft und der freien Berufe sowie auch den unselbstständig ausgeübten Tätigkeiten sollte insoweit ausgleichend neben der Gewerbesteuer dafür eine gesonderte »Berufssteuer« eingeführt werden.635 Dieser Gedanke konnte sich am Ende jedoch nicht durchsetzen. Leitender Gesichtspunkt war der den freien Berufen zugeschriebene besondere persönliche Einsatz ihrer Berufsträger, wohingegen man mit dem Gewerbe den überwiegenden Einsatz eines gewerblichen Betriebsvermögens, bestehend aus Produktionsmitteln und Personal, verband.636 Für das Gewerbe sei die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr im Gegensatz zum freien Beruf signifikant. Welcher von den so vielen in Betracht kommenden Berufen dann als freier Beruf von der Gewerbesteuer befreit werden sollte, war nicht unbedingt klar. Die heutige Fassung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die statt ihrer Verankerung im Einkommensteuergesetz wegen ihrer Regelungsrelevanz besser in das Gewerbesteuergesetz oder sogar in die Abgabenordnung passen würde, ist von zahlreichen Zufälligkeiten geprägt.637 Der Katalog der freien Berufe wurde ständig erweitert, eine klare Systematik wurde weder eingehalten noch gefunden. Das Steueränderungsgesetz von 1960638 nahm Tätigkeiten wie die der Übersetzer und Seelotsen auf, obwohl die Rechtsprechung zuvor trotz Kenntnis der Rechtsänderung für einen früheren Veranlagungszeitraum deren Ähnlichkeit zu freien Berufen verneint hatte639. Der geschichtliche Rückblick auf die Entwicklung der Gewerbesteuer hat gezeigt, dass es erst seit 1936 durchgehend eine Besteuerung gewerblicher Tätigkeiten parallel zu einer reinen Ertragsbesteuerung durch die Einkommenbzw. Körperschaftsteuer gab und noch immer gibt. Zuvor hatte es eine eher uneinheitliche Rechtslage gegeben. Erst die Krisenjahre 1930/31 hatten aus rein fiskalischen Gründen zu einer weitgehenden Vereinheitlichung geführt. Fast alle deutschen Länder besteuerten nun sämtliche Erwerbsarten. Begründung zum Gewerbesteuergesetz 1936, RGBl. 1937, S. 693, 694. Ebenda, S. 694. Blümich, Die neue Gewerbesteuer, DStZ 1937, S. 245, 246. Friauf, Gutachten, S. 66f., Schick, Die freien Berufe im Steuerrecht, S. 15. Hier finden sich weitere Hinweise zur geschichtlichen Entwicklung der heutigen Fassung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. 638 Vom 30. 07. 1960 BStBl. 1960 I, S. 616. 639 BFH BStBl. 1960 III, S. 209 (Seelotsen); BFH, BStBl. 1963 III, S. 458 (Übersetzer). Trotz Kenntnis des BFH von der Gesetzesänderung des neuen § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG galt dessen Regelung erstmals im Veranlagungszeitraum 1960.
634 635 636 637
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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Die Gewerbesteuer sah sich immer wieder scharfer Kritik ausgesetzt, die nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland besonders gegen die Lohnsummensteuer wegen ihres beschäftigungshemmenden Bezugs zum Lohnaufwand eines Gewerbebetriebes gerichtet wurde.640 War das in der unmittelbaren Nachkriegszeit im Zuge des »Wirtschaftswunders« und der jahrelangen Vollbeschäftigung noch kein so gravierendes Problem, änderte sich das in den siebziger Jahren mit der ersten ernsthafteren Rezession.641 Eine für damalige Verhältnisse vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit führte zu Diskussionen über den Sinn der gesonderten Gewerbesteuer, insbesondere deren konkrete Ausgestaltung. Im Vordergrund stand dabei natürlich die ungeliebte Lohnsummensteuer. Mit dem Steueränderungsgesetz 1979 vom 30. 11. 1978642 wurden die Gewerbesteuerpflichtigen von dieser Steuer befreit und hatten nur noch Steuern auf den Gewerbeertrag sowie das Gewerbekapital zu entrichten. Dafür wurde den Gemeinden als finanzieller Ausgleich ihr Anteil an der Einkommensteuer erhöht sowie die zu leistende Gewerbesteuerumlage gesenkt. Einen weiteren Schritt zur Reform der Gewerbesteuer unternahm der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. 10. 1997.643 Die Gemeinden, denen die Gewerbesteuer zufloss, wurden zur Kompensation am Umsatzsteueraufkommen beteiligt. Nunmehr blieb von dem einstigen »DreiSäulen-Modell« aus Ertrags-, Kapital- und Lohnsummensteuer nur noch der Ertragssteuerteil übrig. Damit, so die allgemeine Meinung, hatte sich die ehemalige Objektsteuer/Realsteuer zu einer echten Ertragssteuer644, also einer zweiten Einkommen- bzw. Körperschaftssteuer entwickelt.
d.
Die Handelsvertreterentscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE 46, S. 224ff.
Es kann nicht verwundern, dass die Entwicklung der Gewerbesteuer die Kritik an ihrer Daseinsberechtigung weiter verstärkt hatte. Der Widerstand gegen die Benachteiligung von Gewerbebetrieben gegenüber freien Berufen wurde bereits 640 Tipke/Steuerrecht, 5. Aufl., S. 334. Der Bundesfinanzhof hatte insoweit sogar einen Billigkeitserlass angeregt (BFH BStBl. 1977, S. 512). 641 Die erste Rezession nach den Wirtschaftswunderjahren mit jährlichen Wachstumsraten von bis zu 12 v. H. gab es 1974/75 im Zuge einer allgemeinen Verlangsamung der weltwirtschaftlichen Entwicklung im Zusammenhang mit der Ölkrise (Handelsblatt-Archiv vom 15. 05. 2003 www.handelsblatt.com/archiv/hintergrund-deutschland-erlebte-bishervier-rezessionen). 642 BGBl. 1978 lI, S. 3479. 643 BGBl. 1997 I, S. 2590, 2592. Gleichzeitig erhielten die Kommunen als Kompensation einen Anteil an der Umsatzsteuer. 644 Hartmann, Bestandsschutz, BB 2008, S. 2499, 2492f.; Habscheidt, Einkünfte des Rechtsanwalts, NJW 2005, S. 1257, 1258.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Anfang der dreißiger Jahre vom Reichsfinanzhof645 mit seinen geäußerten Bedenken gegen eine Differenzierung beider Berufsbereiche sichtbar. Das Gericht erkannte schon damals Strukturveränderungen in der Wirtschaft durch Annäherung von Gewerbe und freien Berufen. Auch der Bundesfinanzhof erneuerte 1960 diese Bedenken des Reichsfinanzhofs an der vom Gesetzgeber aufrechterhaltenen Differenzierung, nun vor allem im Hinblick auf die in Frage gestellte Verfassungskonformität.646 Viel Aufmerksamkeit bekam im Jahr 1977 schon vor der Beseitigung des Lohnsummen- und Kapitalbesteuerungsanteils ein Beschwerdeverfahren eines selbstständigen freien Handelsvertreters vor dem Bundesverfassungsgericht. In diesem Rechtsstreit legte der Beschwerdeführer ein ausführlich begründetes und zur geltenden Rechtslage grundsätzlich kritisches Sachverständigengutachten Friaufs647 vor. Im Vordergrund stand dort zunächst die Frage, ob die unterschiedliche steuerliche Behandlung der selbstständigen Handelsvertreter mit nicht selbstständig tätigen Berufskollegen, die keine Gewerbesteuer entrichten mussten, verfassungswidrig sei. Diesem Fragenkomplex muss wegen der Themenbegrenzung in dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen werden, zumal es zwischen selbstständig ausgeübter Berufstätigkeit und der in abhängiger Beschäftigung keine Abgrenzungsprobleme im Zusammenhang mit der rechtlichen Bewertung der Freiberuflichkeit gibt. Den Kern der hier behandelten Thematik trifft jedoch seine These, es ließen sich keine Argumente finden, die bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung geeignet sein könnten, einseitig nur freie Berufe von der Gewerbesteuer auszunehmen. Zum Berufsbild des Handelsvertreters wurde im Verfahren vorgetragen, es umfasse die Vermittlung und den Abschluss von Handelsgeschäften und erfülle dabei eine Reihe von selbstständigen Funktionen »immaterieller« und »geistiger« Art. Was zunächst etwas eigentümlich klingt, wurde mit dem Hinweis auf die Beratungsfunktion zur Sortimentspolitik, der Markterschließung, Marktbeobachtung sowie Markt- und Kundenberatung näher erläutert. So arbeite der selbständige freie Handelsvertreter als Marktkoordinator und »Marktanwalt«. Diese Aufgaben müsse er auch höchstpersönlich erfüllen. Der Beschwerdeführer beanstandete, es stehe keinesfalls im Belieben des Gesetzgebers, welche Berufe er als freiberuflich anerkennt.648 Maßstab könnten
645 RFHE 14, S. 19, 21. 646 BFH BStBl.1960 III, S. 464. 647 Die Vereinbarkeit der Einbeziehung der selbständigen Handelsvertreter in die Gewerbesteuerpflicht mit dem Grundgesetz, Rechtsgutachten, 1975. 648 Nun muss man einräumen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine derartige Beliebigkeit nicht zugebilligt hat. Das Gericht verweist in BVerfGE 37, S. 38, 49f. auf die bei freien Berufen vorhandenen Besonderheiten, die die Entscheidung des Ge-
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nur gruppenspezifische Eigenschaften sein, die eine Befreiung oder Belastung mit der Gewerbesteuer rechtfertigten. Die Schlüsselrolle bilde dabei die persönliche Arbeitsleistung ohne nennenswerten Kapitaleinsatz. Die Weigerung der Finanzgerichte, aus Art. 18 Abs. 1 GG allgemeingültige Wesensmerkmale der freien Berufe abzuleiten, führten zu reinen Zufallsergebnissen mit kaum zu überbietender Kasuistik und verletzten damit Art. 3 Abs. 1 GG. Außerdem könne die Belastung der Handelsvertreter nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass sie den gewerblichen Handel fördern würden. Das, so Friauf, würden auch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Handelschemiker sowie beratende Volks- und Betriebswirte tun. Schließlich nimmt das Gutachten auch die anderen, den freien Berufen unterstellten Alleinstellungsmerkmale wie die einer höheren geistigen Tätigkeit, den Altruismusgedanken und die Gemeinwohlausrichtung ins Visier. Nachdem der Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine erhebliche Ausweitung erfahren habe, könnten diese Kriterien keine Abgrenzung mehr rechtfertigen. Das Bundesverfassungsgericht649 sah das anders. Die Bestimmung des Kreises der freien Berufe, die als Gruppe von der Verpflichtung zur Zahlung der Gewerbesteuer ausgenommen werden, sei von der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gedeckt. Dieser könne grundsätzlich selbst die Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen und die er damit gleich behandeln wolle, solange sachgerechte Erwägungen dahinter stünden .650 Rittner651, der sich immer vehement für die Besonderheit freier Berufe in der Rechtsordnung eingesetzt hatte, warf dem Verfassungsgericht in seiner späteren Anmerkung zu der Entscheidung vom 15. 01. 2008652 vor, auch in dem Handelsvertreterbeschluss aus dem Jahre 1977 ebenso wie zuvor in anderen Entscheidungen zu sehr auf das Argument der Rechtstradition gesetzt zu haben.653 Das hätte das Gericht nun besser gemacht, weshalb er der Entscheidung zugestimmt und deren Argumentation ausdrücklich gelobt hat. Bedenklich ist in der Tat gewesen, dass das Gericht einen Eingriff in die Rechte der gewerbetreibenden Bürger in Abgrenzung zu freien Berufen immer auch mit dem Rückgriff auf Tradition und eine wie auch immer geartete »Verkehrsanschauung«654 begründet hatte. Es wurde und wird ohnehin beklagt, dass
649 650 651 652 653 654
setzgebers, sie besserzustellen, rechtfertigen können. Das Problem besteht eher im Bezug dieser Gruppe zum Befreiungszweck. Über diesen entscheidet zunächst der Gesetzgeber. E 46, S. 224ff. BVerfGE 46, S. 224, 233. Rittner, Urteilsanmerkung zu BVerfGE 120, S. 1, JZ 2008, S. 998f. BVerfGE 120, S. 1ff. So tatsächlich BVerfGE 26, S. 1, 8; 46, S. 224, 233. Eine Argumentation, die das Bundesverfassungsgericht, anders als dies von Rittner gesehen wurde, sogar noch in BVerfGE 120, S. 1, 33. durchgängig fortführt. BVerfGE 46, S. 224, 242.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
das Steuerrecht trotz seiner den Bürger belastenden Wirkung viel zu oft zur Rechtfertigung von Besteuerungszwecken und Abgrenzungen auf diese Verkehrsanschauung zurückgreifen würde.655 In der Tat ist die Verwendung bloß nebulöser und nicht rational begründeter Begriffe, ohne dass sachgerechte Gründe gefunden werden können, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.656 Das Gericht belässt es aber nicht bei diesem doch sehr wenig konkreten Teil der Begründung seiner Beschwerdezurückweisung. Die freien Berufe würden sich auch durch ihre auf Grund längerer Ausbildungszeiten erworbenen hohen Qualifikation von den gewerbetreibenden Berufsträgern unterscheiden. Zusätzlich sei auch die besondere Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital bei den drei Erwerbsarten des freien Berufs, des Gewerbes und der Landwirtschaft grundlegend verschieden. Mit dieser Feststellung beendet der Senat seine Verfassungsprüfung und schlussfolgert eher kurz und bündig, »somit (sei) die Befreiung der freien Berufe von der Gewerbesteuer mit der Verfassung vereinbar«657. Das Gericht hatte damit aber nur die grundsätzliche Freistellung der freien Berufe gegenüber gewerblicher Tätigkeit als verfassungskonform gesehen, aber noch keineswegs die Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung gerade auch gegenüber den selbstständigen freien Handelsvertretern bestätigt. Dazu greift es auf die einzelnen Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zurück und prüft die den freien Berufen als Besonderheit zugeschriebenen Wesensmerkmale. Zuvor dämpft es die Erwartungen auf einen einzigen tragenden Gesichtspunkt, der geeignet sein könnte, eine hinreichend klare Abgrenzung gegenüber der gewerblichen Tätigkeit zu ermöglichen. Auch die Katalogberufe hätten insoweit keinen einheitlichen, bei allen Tätigkeiten vorkommenden, tragenden Gesichtspunkt aufzuweisen. Das Merkmal »geistige Leistung, die auf einer fachlichen Vorbildung oder einem schöpferischen Vermögen beruht« sei dafür sicherlich bedeutsam. Der geistige Gehalt einer Tätigkeit sei jedoch von Beruf zu Beruf unterschiedlich. Er sei auch nicht ohne weiteres bestimmbar und könne daher auch nicht der ausschlaggebende Grund einer Privilegierung bei der Gewerbesteuerpflicht sein. Immerhin schien das Gericht trotz dieser Schwierigkeiten in der Bestimmbarkeit der geistigen Leistung dieses Merkmal dann offensichtlich
655 Kritisch zur Verkehrsanschauung in der juristischen Argumentation auch Schettler, Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit im Einkommens- und Gewerbesteuerrecht, S. 53f.; Littmann, Zur Gewerbesteuerpflicht der Wirtschaftsprüfer, WPg 1953, S. 357ff. Friauf, Gutachten, S. 83. 656 Hartmann, Bestandsschutz, BB 2008, S. 2490. 657 BVerfGE 46, S. 224, 240.
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doch als eines von mehreren Merkmalen zur Rechtfertigung der Unterscheidung und vor allem zur Charakterisierung der freien Berufe zu akzeptieren658. Nicht durchweg typisch sei, so der Senat dann doch wieder abschwächend, das Kriterium der Berufsausübung ohne Kapitaleinsatz. Das Gericht konzediert, dass auch freiberufliche Tätigkeit nicht ohne teilweise hoher Kapitalausstattung auskommen könnte. Als Beispiele benennt es Facharztpraxen sowie freiberuflich betriebene Laboratorien. Umgekehrt würden Gewerbebetriebe auch ohne nennenswerten Kapitalaufwand auskommen.659 Insgesamt aber, so das Bundesverfassungsgericht, dominiere dort der erhebliche Kapitaleinsatz im Vergleich zur Gruppe der freien Berufe. Dass das Gericht selbst unsicher ist und spürt, dass es sich auf »dünnem Eis« bewegt, wird an der Aussage deutlich, die »Kapitalintensität ist von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig verschieden«. Entsprechendes gelte auch für das Maß an Personaleinsatz. Diese richtigen Feststellungen hätten schon zu der Erkenntnis führen können und wohl auch müssen, dass die Trennlinie nicht zwischen freien Berufen und Gewerbebetrieben verlaufen kann und darf, sondern sich allein nach dem für die jeweiligen Rechtsgebiete vorgegebenen Gesetzeszweck zu richten hat, ohne dass man sich weiterhin an der Freiberuflichkeit als zu schonenden Wirtschaftszweig klammert. Man hätte sich auch erhoffen können, dass das Gericht in der sich stellenden Abgrenzungsproblematik ein stärkeres Gewicht auf das begrenzende Merkmal der Dienstleistung setzt. Aus diesen Erkenntnissen zieht der Senat sodann das Fazit, dass es keinen einheitlichen Oberbegriff des freien Berufs gebe. Vielmehr käme es darauf an, ob eine Tätigkeit ausgeübt werde, die der Gesetzgeber »aus sachlichen Gründen als freiberuflich anerkennen konnte«.660 Hatte man noch geglaubt, die sachlichen Gründe wären die Merkmale der geistigen Leistung oder das Maß des Personalund Kapitaleinsatzes, so wird man als Leser der Beschlussgründe nun zum Teil wieder weg von einzelnen Abgrenzungskriterien hin zu nebulösen Formulierungen einer sehr subjektiven Wahrnehmung geführt. Das Gericht fand die sachlichen Gründe, die freien Berufe besser zu stellen, in deren »persönlichen Einsatz bei der Berufsausübung, … (und dem) Charakter des jeweiligen Berufes, wie er sich in der allgemeinrechtlichen und berufsrechtlichen Ausgestaltung und in der Verkehrsanschauung darstellt«661
Auch deren »Stellung im Sozialgefüge, die Qualität und Länge der Berufsausbildung« seien, so das Gericht, in diesem Zusammenhang maßgeblich.662 658 659 660 661 662
BVerfGE 46, S. 224, 240. BVerfGE 46, S. 224, 241. BVerfGE 46, S. 224, 242. E 46, S. 224, 242. Ebenda, S. 224, 240.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Offensichtlich scheint, dass sich die Richter in ihrer Argumentation auch insoweit nicht recht sicher fühlten. Möglicherweise in dem Gefühl, keine unschlüssige Begründung des von ihnen angesteuerten Ergebnisses zu geben, schob man dem Gesetzgeber die Verantwortung zu. Ihm sei es bei der Aufstellung des Berufskatalogs (gemeint ist § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gestattet, von seiner Gestaltungsfreiheit Gebrauch zu machen und Berufe zu begünstigen, solange keine Wettbewerbsverzerrung damit verbunden sei.663 Wenn der Gesetzgeber der Ansicht ist, bestimmte Berufe nicht als freiberuflich anerkennen zu wollen, stehe ihm das frei, sofern andere Berufe diesen Tätigkeiten nicht so nahestehen, dass deren Nichtanerkennung sachlich nicht mehr zu rechtfertigen wäre. Das Gericht hat sodann nach einer Aufzählung einiger zum Vergleich anstehender Katalogberufe auf die Ähnlichkeitsprüfung des Bundesfinanzhofs (Einzelvergleiche zu den Katalogberufen) zurückgegriffen und geklärt, ob der Beruf des Handelsvertreters einem dieser Berufe vergleichbare Merkmale aufweisen würde. Das Ergebnis ist negativ. »Sachlich« kann aber kaum ein Grund sein, der sich lediglich an einer soziologischen Gruppenbildung »freier Beruf«, also an den vom Gericht selbst geprägten »soziologischen Begriff« orientiert664, statt am Steuerzweck der Gewerbesteuer. Bis zu dieser Handelsvertreterentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit der Literatur665 als einen wesentlichen Zweck der Gewerbesteuer den Äquivalenzgedanken gesehen.666 Nun kamen ihm erstmals angesichts des sog. Finanzreformgesetzes667 vom 12. 05. 1968 Zweifel, da Bund und Länder über eine Umlage am Steueraufkommen der Gewerbesteuer beteiligt wurden. Weil sich dadurch der Charakter der Gewerbesteuer als ausschließliche Gemeindesteuer verändert habe, so der Senat, lasse dies auch Zweifel aufkommen, ob der durch die Steuer bezweckte Ausgleich für gemeindliche Infrastrukturaufwendungen noch als Steuerzweck gerechtfertigt sein kann. Der Beschwerdeführer leitete unter Verweis auf die bis zur Handelsvertreterentscheidung weitgehend unstrittige Begründung der Gewerbesteuer aus dem Äquivalenzgedanken eine an diesem Steuerzweck gemessene willkürliche Ungleichbehandlung gegenüber den freien Berufen ab. Freie Berufe würden, ebenso wie sein Beruf, eigenpersönliche Leistungen erbringen, so dass nicht erkennbar sei, inwieweit der Gemeinde unterschiedliche Belastungen entstehen könnten. Beanstandet wurde an der bis dahin vom Verfassungsgericht akzeptierten Differenzierung, dass in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts die Lebens663 Rückgriff auf BVerfGE 37, S. 38, 50. 664 BVerfGE 10, S. 354, 364. 665 Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 37ff.; kritisch schon damals Will, Das Äquivalenzprinzip und die Gewerbesteuer, Münster, S. 90ff. 666 BVerfGE 13, S. 331, 348. 667 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. 05. 1969, BGBl. 1968 I, S. 359.
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und Berufsverhältnisse einem Veränderungsprozess ausgesetzt waren und sich zunehmend ebenfalls eigenpersönlich ausgeübte Dienstleistungsberufe zunächst in kleinen Betriebseinheiten entwickelten. Einen Unterschied im Hinblick auf die Verursachung von Infrastrukturkosten zu freiberuflichen Berufsträgern könnten im Vergleich zu eigenpersönlich ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten so auch nicht mehr ausgemacht werden. Im Rahmen der Einbringung des Entwurfs eines »Zweiten Steuerreformgesetzes«668, das auch die Gewerbesteuer tangierte, hatte die Bundesregierung den allgemein anerkannten Zweck der Gewerbesteuer formuliert: »Die Gewerbesteuer findet ihre innere Rechtfertigung nicht zuletzt in dem Äquivalenzprinzip, also in der Überlegung, daß der Gewerbebetrieb über einen pauschalierten Beitrag zur Deckung der durch ihn verursachten Lasten heranzuziehen ist.«
Behält man das Äquivalenzprinzip als Gesetzeszwecks der Gewerbesteuer bei, müsste die Steuerpflicht allein an dem möglichen Umfang gemeindlicher Folgekosten anknüpfen. Von den überlieferten freiberuflichen Charakteristika kann man sich vor dem Hintergrund des Äquivalenzprinzips als steuerrechtlich relevanten Befreiungsgrund dann tatsächlich nur die eigenpersönliche oder höchstpersönliche Leistungserbringung sowie die Berufsausübung ohne das Vorhalten von Produktions- oder Betriebsanlagen mit erheblichem Kapitaleinsatz vorstellen. Für eigenpersönlich ausgeübte gewerbliche Tätigkeiten, die insoweit dem Typus des freien Berufs vergleichbar sind, passt der Steuerzweck der Äquivalenz für gemeindliche Aufwendungen nicht. Der fast ausschließlich mit seiner Arbeitskraft mit »eigener Fachkenntnis leitend« und »eigenverantwortlich« (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG) tätige freie Handelsvertreter und mit ihm eine Vielzahl von anderen in kleinen Betriebseinheiten arbeitende Gewerbetreibende verursachen ebenso wenig, wie die im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten oder die ihnen als ähnlich anerkannten freien Berufe, höhere Gemeindeaufwendungen als jeder Bürger oder jede Familie auch.669 Allein mit der »Freiberuflichkeit« in Gestalt des willkürlichen und, wie von Güroff670 vermutet, von lobbyistischen671 Interessen geprägten unsystematischen Sammelsuriums von Katalogberufen kann deshalb kein Differenzierungskriterium hergeleitet werden. Ebenfalls als ein tragender Grund, der die Gewerbesteuer rechtfertigen sollte, wurde in der Vergangenheit der Gedanke einer höheren Steuerkraft des »Fun668 BT-Drucks. 6/3418 (Reform der einheitswertabhängigen Steuern und der Gewerbesteuer). S. 51. 669 Friauf, Gutachten, S. 47ff. 670 Güroff in Littmann/Bitz/Pust, EStG § 18, RdNr. 126. 671 In der 2. Aufl. des Glanegger/Güroff, GewStG, 1991, Rdnr. 19, unterstellt er dem Gesetzgeber eine »Schonung von freien Berufen und Landwirten«.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
dus« gesehen, auf den das Gericht auch in der Handelsvertreterentscheidung672 zur Stützung seiner Argumentation zurückgreift. Sie stellt das durch Kapitaleinsatz erlangte sog. fundierte Einkommen in den Mittelpunkt zur Rechtfertigung der Gewerbebesteuerung nur gewerblicher Tätigkeiten.673 Mit der Gewerbesteuer wäre der eigentliche Gewerbebetrieb, genauer das aus seinem Bestand an Kapital, also aus dem »Fundus«, erzielte Einkommen zu erfassen.674 Der Betrieb wird so für die gewerbesteuerliche Betrachtung vom Individuum »Inhaber«, also auch der Gesamtheit der Gesellschafter oder der Aktionäre, losgelöst. Es bleibt dann die Besteuerung des als besonders sicher und üppig geltenden Einkommens aus dem Objekt »Unternehmen«. Die Ungeeignetheit der Fundustheorie zur Rechtfertigung der bestehenden Rechtslage verdeutlicht allein schon die Tatsache, dass schon das Fotomodell675 oder auch der Berufssportler676 als Gewerbetreibende gelten. Sie schöpfen ebensowenig wie viele andere kleine Gewerbebetriebe aus einem derartigen »Fundus«. Der Gedanke der Fundustheorie wird heute schon deshalb allgemein verworfen677, sie erklärt auch nicht, weshalb nur »gewerblich« fundiertes Einkommen herangezogen werden soll. Das gewerbesteuerlich relevante Charakteristikum eines von der Person losgelösten Objekts »Betrieb« als Ertragsquelle würde es rechtfertigen, jeden eigenpersönlich oder höchstpersönlich ohne umfangreiche Betriebsorganisation tätigen gewerblichen Berufsträger unabhängig von seiner Freiberuflichkeit von dieser Steuer zu befreien. Das aber hat weder der Gesetzgeber als alleiniges Abgrenzungskriterium vorgegeben, noch haben es die mit dem Problem befassten Gerichte bei ihren Abgrenzungsbemühungen zum ausschließlichen Maßstab bestimmt. Im Verfahren nahm das beteiligte Bundesministerium der Finanzen (BMF)678 zu der Beschwerde Stellung. Es meinte, die Gewerbesteuer sei eine Objektsteuer und besteuere den Betrieb als solchen. Dieser werde aber nicht nur durch bilanzierungsfähige Vermögenswerte geprägt, sondern auch durch Umstände, die in der Regel keinen besonderen Wertansatz beanspruchen können. Dazu zähle, so das Ministerium, die betriebliche Organisation, der Mitarbeiterstab, der Kundenkreis, die Lieferquellen, das technische Know-how und nicht zuletzt der 672 673 674 675 676 677
BVerfGE 46, S. 224, 236. BVerfGE 13, S. 331, 345; 21, S. 54, 64, 40, S. 109f.; Friauf, Gutachten, S. 56. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 1 Rdnr. 11. BFH BStBl. 1967 II, S. 618f. BFH BStBl. 1956 III, S. 69; BStBl. 1971 II, S. 233. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 1 Rdnr. 11. Seiner Auffassung nach knüpft die Gewerbesteuer weder am Ertrag noch am Kapital an, sie berühre den Einkommensentstehungsprozess. Aber auch insoweit wäre nicht erklärt, weshalb dienstleistende Gewerbebetriebe steuerpflichtig sind, freie Berufe aber nicht besteuert werden. 678 Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen als Verfahrensbeteiligte BVerfGE 46, S. 224, 231f.
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persönliche Einsatz des Unternehmers. Man muss dieser Argumentation entgegenhalten, dass mit diesen Merkmalen Unterschiede zu freien Berufen aber keineswegs evident sind. Darüber hinaus, so das Ministerium, gebe es eine »feststehende Verkehrsanschauung«, die den Handelsvertreter als gewerblich einstufe, weil er ein Handelsgewerbe betreibe. Dieser Argumentation konnte auch das Bundesverfassungsgericht folgen, die Zugehörigkeit des Warenhandels zum Gewerbe entspreche der »Verkehrsauffassung«.679 Die Richter hielten das Kriterium der Nähe zum gewerblichen Warenhandel für entscheidend.680 Der freie Handelsvertreter in einer Hilfsfunktion des Kaufmanns sei schon deshalb gewerblich tätig. Er übernehme für den Kaufmann einen unselbstständigen Teil aus dessen kaufmännischem Geschäft, nämlich die Anschaffung sowie Weiterveräußerung von Waren.681 Der Warenhandel gehöre aber typischerweise zum Gewerbe. Auf das Merkmal der eigenpersönlichen Leistung kam es dem Senat dagegen nicht an. Hatte das Gericht in Anknüpfung an den in der Vorinstanz vom Bundesfinanzhof versuchten Vergleich mit Einzelberufen aus dem Katalog mit gleicher Prüfungsmethode die Entscheidung des Bundesfinanzhofs überprüft und für richtig befunden, griff es mit dem Kriterium des Handelsgewerbes i. S. d. § 1 Abs. 1 HGB auf ein der den allgemeinen Wesensmerkmalen der freien Berufe vorgeschalteten und nicht in der Wesensbeschreibung enthaltenen Ausschlusskriterium als Prüfungsmaßstab zurück. Negatives Abgrenzungsmerkmal für freie Berufe sei immer die Beteiligung am gewerblichen Warenhandel gewesen. Diese Zugehörigkeit zum kaufmännischen Warenhandel ist bei Apothekern zwar für ihre Gewerbesteuerpflicht, nicht aber für ihre berufsrechtliche Einordnung als freiberuflich tätige Berufsträger, schädlich. Diese Argumentation des Bundesverfassungsgerichts entspricht der noch gängigen Meinung682. Eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass bezogen auf den Zweck der Gewerbesteuer, zwischen freien Berufen einerseits und Handelsvertretern sowie allen in kleinen Unternehmenseinheiten tätigen gewerblichen Berufsträgern andererseits differenziert werden darf, wäre das allerdings nicht. Die bemühte »Verkehrsanschauung« bzw. »Verkehrsauffassung« für die Zuordnung des Warenhandels zum Gewerbe entsprach tatsächlich der allgemeinen Meinung, überzeugt aber nicht im Hinblick auf einen in der Grundrechtsprüfung erforderlichen »sachlichen« Grund der Ungleichbehandlung. Aus der Nähe zum Warenhandel ist kein Begünstigungszweck abzuleiten, es sei denn, man stellt ihn in den Kontext des Erfordernisses einer eigenper679 680 681 682
BVerfGE 46, S. 224, 24. BVerfGE 46, S. 224, 245. BVerfGE 46, S. 224, 236. Roth in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 1 Rdnr. 13 a.
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sönlichen Leistung mit dem zwangsläufig dann wieder maßgeblichen Äquivalenzgedanken. Der Warenhandel ist beliebig vermehrbar und kann höhere Infrastrukturaufwendungen verursachen. Die vom Gesetzgeber geforderte gewerbesteuerliche Begünstigung nur der freien Berufe sowie der ihnen ähnlichen Tätigkeiten wurde so durch die zurückgenommene Bedeutung des Äquivalenzgedankens von jeglichem denkbar relevanten Steuerzweck gelöst. Sie orientiert sich so nur noch an der rechtlichen Zuordnung eines Berufs zu einer Berufsgruppe »freie Berufe«, deren Zusammensetzung allein § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit seinem Berufskatalog bestimmt und deren Ähnlichkeiten an überlieferten Wesensmerkmalen festgemacht wird. Anhaltspunkte dieser Rechtfertigung ließen sich möglicherweise aus der Historie herleiten. Handel und Handwerk bildeten schon im Mittelalter die beiden Kernelemente des Gewerbes. Dieser gedankliche Ansatz ist aber deshalb zu verwerfen, weil der eigentliche Zweck der Gewerbebesteuerung und auch jeder andere Steuerzweck zu einem Traditionsargument keinen erkennbaren Bezug zulässt. In früheren Entscheidungen hat das Verfassungsgericht den Äquivalenzgedanken zusammen mit der sog. Fundustheorie als gemeinsamen Steuerzweck gesehen.683 Wenn die Äquivalenztheorie wegfällt, bliebe davon letztlich nur noch die erhöhte Steuerkraft kapitalintensiver Unternehmen. Es ist allerdings deutlich geworden, dass sie nicht begründen kann, weshalb eine Berufsgruppe mit einer Steuer belastet werden muss, die andere aber nicht. Einen ganz anderen Gesichtspunkt hat Rittner zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Besteuerung formuliert, offensichtlich aus seiner Vorstellung eines in kleiner Praxis freiberuflich tätigen Berufsträgers heraus.684 Er räumte ein, dass der Handelsvertreter zwar ebenso wie ein freier Beruf mit einem eher bescheidenden Betriebsvermögen arbeiten würde und aus dieser Sicht heraus in der Tat beide Berufe vergleichbar seien, dennoch unterscheide sich die Tätigkeit des Handelsvertreters durch ihre Möglichkeit, aus einem kleinen Unternehmen zu einem erheblich größeren Gefüge herauszuwachsen. Die Entwicklung der Organisationsstrukturen zumindest der Berufe des Wirtschaftsprüfers, des Steuerberaters sowie des Rechtsanwalts, also sogar einer der beiden klassischen freien Berufe, widerlegen jedoch diese These. Man denkt hier unweigerlich an die mittlerweile zu großen Anwaltsfirmen gewachsenen Kanzleien, vielfach auch als »Anwaltsfabriken« tituliert, in denen der persönliche Kontakt verbunden mit besonderem Vertrauen zum Berufsträger hinter der Akzeptanz einer immer detaillierteren Spezialisierung zurücktritt,. Allerdings versagt der Bundesfinanzhof auch Katalogberufen wegen ihrer Größe dann die 683 BVerfGE 13, S. 331, 348; 26, S. 1, 11. 684 Rittner, Unternehmen und freier Beruf, S. 18.
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Freiberuflichkeit, wenn keine eigenpersönliche Leitung und Eigenverantwortung der Berufsträger mehr möglich ist. Dies könnte insbesondere an der Zahl weisungsunterworfener qualifizierter Mitarbeiter festgemacht werden.685 Bei der Steuerfestsetzung, gegebenenfalls auch bei einer Steuerprüfung, ließe sich die Ausweitung eines zunächst kleinen und nicht gewerbesteuerpflichtigen Gewerbebetriebs ebenso wie bei einer kleinen freiberuflichen Betriebsstätte vom Finanzamt feststellen. Das geschieht auch für die als freiberuflich anerkannten Unternehmen über die eingeschränkte Vervielfältigungstheorie. So könnte sichergestellt werden, dass nur die Unternehmen begünstigt werden, die die Grenzen der »eigenpersönlichen Leitung« und »eigenverantwortlichen Tätigkeit« einhalten. Bezogen auf den Beruf des Handelsvertreters kann dessen Tätigkeit ohnehin nicht beliebig durch eine Vielzahl von Mitarbeitern »vervielfältigt« werden, womit im Verfahren vor dem Verfassungsgericht seitens des Beschwerdeführers auch besonders argumentiert wurde. Ähnlich dem Anspruch der klassischen freien Berufe beruhe der Erfolg des Handelsvertreters auf seinen persönlichen Kontakten und Beziehungen in Verbindung mit einem daraus entstandenen besonderen Vertrauensverhältnis. Dass der Handelsvertreter ebenfalls eine eigenpersönliche Leistung erbrachte, wurde vom Bundesfinanzhof auch nicht bezweifelt.686 Die Handelsvertreterentscheidung und die damit im Zusammenhang stehenden Fragen haben schon Bedenken genährt, ob die Freiberuflichkeit als generelles rechtliches Begünstigungs- oder Sonderstellungskriterium überhaupt geeignet ist. Befreit werden müssten dann aber alle aus eigen- oder höchstpersönlichen Leistungen erwirtschafteten Erträge. Aus diesen Überlegungen beantwortet sich daher zwangsläufig die Frage, ob vom Bundesverfassungsgericht eine zutreffende Begründung geliefert wurde. Die bloße Nähe des Handelsvertreters zu einer wegen ihrer Vervielfältigungsmöglichkeit typisch gewerblichen Tätigkeit, der des Handels mit Waren, ändert nichts an der eigenpersönlich erbrachten Dienstleistung für den Vertragspartner. Das Argument der »Nähe zum Warenhandel« verlagert darüber hinaus das Abgrenzungsproblem auf die Frage, wie weit sich ein Dienstleistung dem gewerblichen Warenhandel annähern darf, ohne dass dadurch eine eventuelle Freiberuflichkeit verloren geht. Die den handeltreibenden Unternehmer beratenden Rechtsanwälte oder Steuerberater weisen ebenfalls durch ihre Leistungen eine gewisse Nähe zu dessen Gewerblichkeit auf, nehmen allerdings keinen 685 BFH BStBl. 1965 III, S. 557; BStBl. 1968 II, S. 820f. (im Zusammenhang mit der Vervielfältigungstheorie). 686 BFH BStBl. 1977 II, S. 201, 202f. Friauf, Gutachten, S. 76, hat in diesem Zusammenhang die These von der »Maßarbeit« im Rahmen individueller Dauerbeziehungen aufgestellt. So auch Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 542, 545 sowie 550.
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unmittelbaren Einfluss auf das Warengeschäft selbst. Das von der Gewerbesteuerpflicht befreite Aufsichtsratsmitglied eines Handelsunternehmens ist in seiner Aufsichts- und Kontrollfunktion sogar Organ und so auch Bestandteil des gewerblichen Warenhandels. Das Finanzgericht Köln687 hat den Werbegrafiker/ Werbedesigner als freien Beruf anerkannt, obwohl auch er den Warenhandel fördert und damit eine Nähe zum gewerblichen Warenhandel aufweist. Gleiches gilt selbstverständlich auch für den im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausdrücklich als Freiberufler erwähnten Handelschemiker, dessen Berufsbezeichnung schon auf eine gewisse Nähe zum gewerblichen Warenhandel hinweist. Im Ergebnis bleibt die Erkenntnis, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG insoweit zweifach tangiert: Der Handelsvertreter wird mit den den Steuerzweck nicht erfüllenden und ihm gegenüber andersartigen Unternehmen, also großen Gewerbebetrieben mit Produktionsanlagen und einer Vielzahl von Mitarbeitern, gleich, und mit den ebenso wie er eigenpersönlich und ohne diese Infrastrukturkosten verursachenden Merkmale arbeitenden Unternehmen ungleich behandelt.
e.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 01. 2008 – BVerfGE 120, S. 1ff.
In einem weiteren und in seinen Nachwirkungen immer noch aktuellen Verfahren wurde dem Bundesverfassungsgericht im Jahre 1997 die Frage der Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Begünstigung nur freiberuflicher Tätigkeit zur Entscheidung vorgelegt.688 Erstinstanzlich begann der Rechtsstreit bereits im Jahre 1991.689 Ungewöhnlich war die Verfahrensgeschichte mit insgesamt drei Vorlagen des Finanzgerichts Niedersachsen gem. Art. 100 Abs. 1 GG. Das Verfahren endete mit dem abschließenden Beschluss vom 15. 01. 2008 und dem Tenor, die Entlastung nur der freien Berufe (einschließlich der Landund Forstwirte) sei mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.690 Ebenfalls für verfassungskonform hielt das Gericht die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG mit der sog. Abfärberegelung. aa. Sachverhaltsdarstellung Die Klägerin betrieb als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Gold- und Schmuckgalerie. Im Rahmen dieser Erwerbstätigkeit wurde von den Gesellschaftern selbst hergestellter sowie zugekaufter Schmuck veräußert. Der von 687 688 689 690
DStRE 2007, S. 1312. BVerfGE 120, S. 1ff. Finanzgerichts Niedersachsen – 4 K 317/91. BVerfGE 120, S. 1, 41.
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dem Verfahren erfasste Veranlagungszeitraum betraf Einkünfte aus dem Jahr 1988. Die Oberfinanzdirektion hatte im Rahmen des Besteuerungsverfahrens ein Sachverständigengutachten eingeholt, um zunächst festzustellen, ob der Gesellschaft im Zusammenhang mit der eigenen Schmuckherstellung die Künstlereigenschaft zugestanden werden könne, was bejaht wurde. Damit wäre diese Tätigkeit der Klägerin, bezogen auf die Schmuckherstellung gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, als freiberuflich zu bewerten gewesen. Für die Veräußerung der Zukäufe reichte sie eine getrennte Gewinnermittlung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG ein. Das zuständige Finanzamt hatte die Gewinne aus beiden Bereichen sodann als gewerbliche Einkünfte behandelt. Dagegen wehrte sich die Klägerin mit erfolglosem Einspruch und anschließender Klage. bb. Begründung der Vorlage durch das Finanzgericht Niedersachsen Das Niedersächsische Finanzgericht hätte die Klage auf Grund der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG geregelten sogenannten Abfärberegelung abweisen müssen. Danach sind auch freiberufliche Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln, wenn die Gesellschaft zugleich gewerbliche Einkünfte erzielt. Alle Einkünfte unterliegen somit der Gewerbesteuer, die gewerblichen Einkünfte aus der Veräußerung der Zukäufe »färben« auf die freiberuflich erzielten Einkünfte ab. Das Gericht691 hielt jedoch schon den Grundtatbestand der Gewerbesteuerpflicht nur für freiberufliche Einkünfte (hier aus dem Veräußerungsgeschäft) für verfassungswidrig und sah sich so zur Vorlage gem. Art. 100 Abs. 1 GG zum Bundesverfassungsgericht veranlasst. Es meinte, die willkürlich ungleiche und daher verfassungswidrige Gewerbesteuer, die nur Gewerbebetriebe trifft, bewirke eine ungleiche Besteuerung der Unternehmenserträge. Die Argumentation des Finanzgerichts Niedersachsen in den drei Vorlagen kann verkürzt so zusammengefasst werden, dass die Besteuerung nur der Gewerbebetriebe eine ungleiche Behandlung von Personengruppen bewirke, indem sie nur die Gewerbetreibenden als Steuerschuldner belaste, die übrigen Berufe einschließlich der Land- und Forstwirtschaft dagegen nicht. Nach der Abschaffung sowohl der Gewerbelohnsummen- als auch der Gewerbekapitalsteuer sei die Gewerbesteuer in der Ausgestaltung nur noch als Ertragssteuer verblieben, so dass ein besonderer Steuerzweck außer der Einnahmeerzielung nicht mehr ersichtlich sei. Sie diene dann, wie alle Ertragssteuern, der finanziellen Ausstattung des staatlichen Haushalts. Wenn es aber allein auf den Ertrag der Steuer ankäme, wäre Voraussetzung einer Entlastung freier Berufe, dass die Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit grundsätzlich ertragreicher seien als die Einkünfte aus freiberuflicher Arbeit. Dazu lagen dem Gericht aber keinerlei 691 3. Vorlagebeschluss, Rdnrn. 117 bzw. 146ff. (bzgl. § 15 Abs. 3 EStG).
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tatsächliche Feststellungen vor. Ein entsprechendes statistisch untermauertes Ergebnis erscheint insoweit auch eher unwahrscheinlich, denkt man an die im öffentlichen Bewusstsein deutlich überdurchschnittlich profitablen Berufe der Ärzte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notare und Rechtsanwälte im Vergleich zu Ladenbesitzern, vielen Handwerksbetrieben und auch dem Beruf eines freien Handelsvertreters oder wie in diesem Sachverhalt, einer kleinen Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Orientiert man sich am verfassungsrechtlichen Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, so würde das zu einer Ungleichbehandlung zwischen Gewerbetreibenden und freien Berufen führen. Die einseitige Belastung nur der Gewerbebetriebe sei, so das Finanzgericht, im Ergebnis eine »berufsspezifische Besteuerung« und am Maßstab der sog. neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts als Verstoß gegen den Grundsatz der Berufsausübungsfreiheit gleichheitswidrig.692 Die Forderung auch des Bundesverfassungsgerichts nach einer gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen entsprechend ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit, sei unteilbar, sie könne nicht auf Teilbereiche der Besteuerung beschränkt bleiben und schon gar nicht an dem Beruf des Steuerpflichtigen ausgerichtet werden. Dies gelte auch für die »Auswahl bzw. Ausschöpfung der Steuerquelle«.693 Die vom Finanzgericht dem Verfassungsgericht schon im 2. Vorlagebeschluss694 aufgezeigte Problematik der 1936 eingeführten Steuerbefreiung der freien Berufe und ihre Rechtfertigung auch mit dem nationalsozialistischen Gedankengut in einer Zeit des fehlenden Rechtsstaatsbewusstseins695, wurde im dritten Vorlagebeschluss vom 21. 04. 2004696 nochmals mit dem Hinweis auf diesen historischen Zusammenhang vertieft. Beanstandet hat es auch, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen bisherigen Entscheidungen die Gewichtung der Gründe einer steuerlichen Sonderstellung der freien Berufe variiert habe.697 Der ebenfalls in früheren Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht698 verwendete Gesichtspunkt, beide Berufsgruppen würden sich durch die Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital unterscheiden, sollte nach Meinung des Finanzgerichts ebenfalls kein Rechtfertigungsgrund zur
692 693 694 695 696
3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 117. 3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 107. 2. Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Niedersachsen vom 24. 06. 1998. 3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 207. 3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 207. Dazu Reinhardt in RStBl. 1936, S. 1041ff. (zitiert nach FG Niedersachsen, 3. Vorlagebeschluss, Rdnr.207). Selbst die Steuergesetze sollten im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung ausgelegt werden (§ 1 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. 10. 1934 RGBl. 1934 I, S. 925). 697 3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 106. 698 BVerfGE 46, S. 224, 240.
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Befreiung der freien Berufe von der Gewerbesteuer sein.699 In der Gruppe der freien Berufe gebe es selbst nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Unternehmen, die unter Berücksichtigung dieser Produktionsfaktoren den typischen Gewerbebetrieben näherstünden als manche der ihnen zugeordneten Unternehmen. Dies gelte auch für die Art und Weise der Leistungserbringung als eigenpersönlich. Gedacht haben wird es insoweit an die vom Verfassungsgericht in der Handelsvertreterentscheidung bereits eingeräumte »hohe Kapitalausstattung«700 der Facharzt- und Zahnarztpraxiseinrichtungen und freiberuflich betriebenen Laboratorien. cc. Stellungnahmen der beteiligten Institutionen und Lobbyistenverbände Zum Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hatten verschiedene Institutionen und Verbände die Gelegenheit zur Stellungnahme genutzt. Nicht weiter verwunderlich war, dass das Bundesfinanzministerium, der Bundesfinanzhof und ebenso der Bundesverband der freien Berufe die Vorlage für unzulässig bzw. unbegründet bewerteten.701 Beim Deutschen Städtetag sowie dem Deutschen Städte- und Gemeindebund ist dies nicht ganz so nachvollziehbar. Die Konsequenz wäre ja nicht der Wegfall der Steuererträge gewesen, da im Vorfeld der Entscheidung bereits die Gemeindewirtschaftssteuer als Ersatz mit breiterem Adressatenkreis im Gespräch war und die Politik die Gemeinden schon aus verfassungsrechtlichen Gründen702 nicht hätte »leer ausgehen« lassen dürfen (dazu die Ausführungen in Kapitel G). Verständlich ist dagegen, dass der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der Bund der Steuerzahler sowie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung die Vorlage des Finanzgerichts unterstützten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wies zu Recht darauf hin, eine Verbreiterung des Kreises der Steuerpflichtigen durch die Einbeziehung der freien Berufe sowie der Land- und Forstwirtschaft in einer dann erforderlichen Reform der Gewerbesteuer könne so auch zu niedrigeren Steuersätzen führen.703 dd.
Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Differenzierung durch das Bundesverfassungsgericht In der Begründung seiner Entscheidung hebt das Verfassungsgericht zunächst die grundsätzliche Rechtfertigung der Gewerbesteuer durch Art. 106 Abs. 6 GG
699 700 701 702 703
3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 126. BVerfGE 46, S. 224, 241. BVerfGE 120, S. 1, 16ff. Mehlhaf, Kommunen im Finanzausgleich, S. 47ff. BVerfGE 120, S. 1, 21f.
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hervor, was nicht unumstritten704, aber für die sich stellende Ausgangsfrage irrelevant ist. An der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Gewerbesteuer gibt es keine ernsten Zweifel, allenfalls an ihrem Sinn. Die im Zusammenhang mit Art. 106 Abs. 6 GG vom Gericht vorgenommenen Erwägungen zur Berechtigung der Steuer an sich sowie deren verfassungskonforme Verankerung im Grundgesetz können jedoch, was vom Gericht so auch gesehen wurde, nicht die Ausklammerung der freien Berufe rechtfertigen.705 Das lasse sich nach Meinung des Senats nur in der konkreten Einbindung in ein Gesamtsystem aller einkunftsbezogenen Steuern feststellen und hänge auch von der Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse bei den unterschiedlich behandelten Berufsgruppen ab.706 Die Gewerbesteuer sei vornehmlich eine »auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer«707, neben der auch die die generelle Einkünfteerzielung erfassende Einkommensteuer mit unterschiedlicher Ausrichtung verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei708. Die Einschränkung der »Objektsteuer« als auf den »Ertrag« aus dem Objekt ausgerichtet, lässt allerdings keinen Unterschied zu einer Ertragssteuer erkennen.709 Vergleicht man kleinere personengeführte Unternehmen wie das des Handelsvertreters, des Versicherungsagenten, des Finanzmaklers oder -beraters und auch der Handwerker mit Ärzten, Steuerberatern, Architekten oder Handelschemikern (die ebenfalls als Katalogberuf in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EstG genannt sind), so erkennt man ohnehin keine »Objekt«-Unterschiede. Damit hat das Bundesverfassungsgericht schon selbst Zweifel daran genährt, dass das soziologische Phänomen der Freiberuflichkeit im Gewerbesteuerrecht allein mit dieser Begrifflichkeit eine Differenzierung rechtfertigen kann. Soweit vom Finanzgericht die Veränderung der Strukturen beider Berufsgruppen mit ihrer Annäherung in den Berufsbildern angeführt wurde, meinte der Senat, die Veränderung einiger Berufe reiche nicht, um eine Verfassungswidrigkeit zu begründen, vielmehr müsse sich der »Typus« des freien Berufs den gewerblichen Tätigkeiten generell angenähert haben. Die Richter gehen davon aus, dass sich weder aus dem Wortlaut der Grundgesetznorm (Art. 106 Abs. 6 GG), noch aus deren systematischen Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte Anhaltspunkte ableiten ließen, dass die 704 Dazu die eingehende Begründung in FG Niedersachsen, 2. Vorlagebeschluss, FR 1998, S. 1041, 1047. 705 BVerfGE 120, S. 1, 26f. 706 BVerfGE 120, S. 1, 33. 707 Diese Formulierung erinnert an die Begründung des Steuergegenstandes der sog. Fundustheorie, die ihn in dem Einkommen aus dem »Fundus« (Betriebskapital) gesehen hat. 708 BVerfGE 120, S. 1, 27. 709 Habscheidt, Einkünfte des Rechtsanwalts, NJW 2005, S. 1257, 1258; Hartmann, Bestandsschutz, BB 2008, S. 2490, 2492f, sowie 2496.
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Gewerbesteuer auch insoweit verfassungsunmittelbar gerechtfertigt sei, als sie ausschließlich Gewerbebetriebe, nicht aber auch freie Berufe, sonstige Selbstständige und Land- und Forstwirte erfasse.710 Diese Erkenntnis des Gerichts ist verfassungsrechtlich wohl eher eine Selbstverständlichkeit. Willkür und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz könnten niemals gerechtfertigt sein, auch nicht aus einer in der Verfassung enthaltenen Rechtsnorm711. Jede Regelung, und sei sie auch »verfassungsunmittelbar«, die die Differenzierung als solche ohne einen tragfähigen Grund rechtfertigen wollte, wäre selbst willkürlich. Das wäre auch nach der vom Bundesverfassungsgericht noch bis 1980 angewendeten sog. einfachen Willkürformel nicht anders712. Denkbar wäre aber, eine die Ungleichbehandlung/Gleichbehandlung rechtfertigende, aus dem Steuerzweck abgeleitete Regelung. Sie würde Willkür schon deshalb ausschließen, weil sie dann einen sachlichen Grund in sich tragen würde. In der eigentlichen Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG geht das Gericht davon aus, dass der allgemeine Gleichheitssatz gebiete, »Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln«.713 Aus dieser schlagwortartigen Beschreibung des Gleichheitsgebots relativiert es sodann im Rückgriff auf die eigene ständige Rechtsprechung714 die dafür anzulegenden Maßstäbe. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen gebe es unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom fortgeltenden Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen würden.715 Daraus folgert das Gericht ebenso wie in der Handelsvertreterentscheidung für den Bereich des Steuerrechts einen weitreichenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl des Steuergegenstandes, was ebenso für die Bestimmung des Steuersatzes gelte.716 Ob es damit rechtfertigen wollte, zur Begründung der Rechtmäßigkeit einer Differenzierung zwischen beiden Berufsgruppen lediglich die die geringsten Anforderungen an eine Prüfung stellende bloße Willkürformel zu verwenden, kann vermutet werden. Zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wäre es nach der vom Verfassungsgericht selbst zitierten neueren und mittlerweile ständigen Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG (»Neue Formel«)717 zunächst erforderlich gewesen, einen legitimen Zweck der Ungleichbehandlung zu suchen. Dieser Zweck muss 710 BVerfGE 120, S. 1, 28. A. A. noch BFHE 203, S. 263, 269. 711 Das Finanzgericht Niedersachsen hatte hierzu in seinem 3. Vorlagebeschluss eine Fülle von Literaturnachweisen angeführt (Rdnr. 197). 712 BVerfGE 1, S. 14, 52; ab 1980 greift die vom Gericht nunmehr praktizierte verschärfte »Neue Formel« BVerfGE 55, S. 72, 88. 713 BVerfGE 120, S. 1, 29. 714 BVerfGE 110, S. 274, 291 sowie 117, S. 1, 30. 715 BVerfGE 120, S. 1, 29. 716 BVerfGE 129, S. 1, 29. 80, 82. 717 BVerfGE 11, S. 160; 169f. 129, S. 49, 69f.
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zur Erreichung des mit der Ungleichbehandlung verfolgten Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Zu prüfen wäre sodann die Art und das Gewicht des Differenzierungsgrundes und die Intensität der Ungleichbehandlung.718 Dieser die Differenzierung rechtfertigende Grund muss umso gewichtiger sein, sofern Personengruppen betroffen sind und je weniger die Betroffenen dem Differenzierungsgrund selbst durch Anpassung ihres Verhaltens gerecht werden können.719 Davon macht das Gericht in dem Vorlageverfahren des Finanzgerichts allerdings keinen Gebrauch. Es bestätigt in dieser Entscheidung zwar auch das Gebot einer »gleichmäßigen Besteuerung aller Steuerpflichtigen«720, da Steuergesetze aber regelmäßig Massenvorgänge seien, müsse die Besteuerung aus der Sicht des Gesetzgebers praktikabel sein und dürfe Sachverhalte typisieren. So müssten die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der dadurch möglicherweise in Kauf zu nehmenden Ungleichbehandlung stehen.721 Der erkennende Senat formuliert insoweit auch seine Vorstellungen zu den Anforderungen an den Gleichheitsgrundsatz (Willkürverbot)722 : »Die Entscheidung darüber, ob die Einbeziehung einer Personengruppe oder eines Sachverhalts in den Anwendungsbereich eines Steuergesetzes zur Auswahl und damit zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstandes zählt, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zusteht, oder ob dies eine Frage der Differenzierung innerhalb des Steuergegenstandes ist mit der Folge einer engeren Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit, kann nicht nach abstrakten Kriterien getroffen werden, sondern muss jeweils in Ansehung der konkreten Umstände des in Rede stehenden Steuergegenstandes und der betreffenden Vergleichsgruppen erfolgen. Dabei kommt es regelmäßig wesentlich darauf an, inwieweit die Gruppe oder der Sachverhalt, um deren oder dessen Einbeziehung es geht, durch Merkmale geprägt ist, die gerade den Steuergegenstand, dessen Ausgestaltung in Frage steht, unter dem Gesichtspunkt des steuerbaren Vorteils kennzeichnen.«
Diese Vorgabe ist ein Anforderungspaket, mit dem sich der Senat in seiner weiteren Argumentation hätte auseinandersetzen müssen. Sie beschreibt in der Sache nichts anderes, als eine am Steuergegenstand und damit auch am Steuerzweck zu messende Verfassungsprüfung. Zu erinnern ist, dass der Steuergegenstand nach Meinung des Senats der Ertrag aus dem Objekt »Gewerbebetrieb« sein soll.723. Seine daraus gefolgerte Feststellung, das Gericht sehe keinerlei Veranlassung, hinsichtlich eines Gleichheitsverstoßes von seiner bisherigen 718 719 720 721 722 723
Zusammenfassend Gröpl in Studienkommentar GG, Art. 3 Rdnr.54. BVerfGE 88, 87, 96f.; BVerfGE 132, S. 188f. Rdnr. 30f. BVerfGE 120, S. 1, 29. BVerfGE 120, S. 1, 30. BVerfGE 120, S. 1, 30. BVerfGE 120, S. 1, 31.
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Rechtsprechung (gemeint war damit auch die in dieser Entscheidung vom Senat zitierte Handelsvertreterentscheidung724) abzuweichen725, muss deshalb überraschen, weil sich die Gewerbesteuer zwischenzeitlich durch die Abschaffung der Kapital– sowie Lohnsummensteuer nach der Handelsvertreterentscheidung zu einer von der Größe eines Betriebs losgelösten Ertragssteuer entwickelt hat726 und daher ihren Charakter als Objektsteuer verloren haben dürfte.727 Ein einfacher Rückgriff auf alte Argumente verbietet sich schon deshalb. Das Gericht sieht dennoch in der konkreten Ausgestaltung der Gewerbesteuer mit der Begünstigung freier Berufe seine formulierten Prämissen als erfüllt an, das soll gerade auch hinsichtlich des sachlichen Grundes einer »so erheblichen«728 Unterscheidung in zwei Berufsgruppen gelten. Das Gericht weicht an anderer Stelle729 auf die schon seit Jahrzehnten (»über 50 Jahre«) akzeptierten besonderen Merkmale freiberuflicher Arbeit aus, was nichts anderes bedeutet, als dass es sich weniger mit dem konkreten Steuergegenstand und Steuerzweck als mit der generellen begrifflichen Unterscheidung beider Berufsgruppen und ihren traditionell überlieferten Wesensmerkmalen befasst. Zu ihnen gehören nach Meinung des Senats »eine Reihe von Besonderheiten in der Ausbildung, der staatlichen und berufsautonomen Regelung ihrer Berufsausübung, ihrer Stellung im Sozialgefüge, der Art und Weise der Erbringung ihrer Dienstleistungen und auch des unterschiedlichen Einsatzes der Produktionsmittel Arbeit und Kapital«,
die sie, so das Gericht, in ihrem »Typus« als Berufsgruppe von den sonstigen Gewerbetreibenden unterscheiden würden: »Besonderheiten der persönlichen Qualifikation, der Boden- und Klimabezogenheit prägen bei den freien Berufen, sonstigen Selbständigen und den Land- und Forstwirten die Erwerbsquelle, während die Gewerbesteuer von den persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers weitgehend unabhängige (vgl. § 7 bis 9 GewStG), in erster Linie auch sächliche Produktionsmittel und Finanzquellen erfasst.«730
Weiter heißt es dann in der Begründung731: 724 725 726 727
728 729 730 731
BVerfGE 46, S. 224ff. BVerfGE 120, S. 1, 30f. Selder, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 174, 177. So die h. M.: Dazu Habscheidt, Einkünfte des Rechtsanwalts als Betreuer-Die marode Gewerbesteuer als Kostenfaktor, NJW 2005, S. 1257ff.; Jachmann, Ansätze zu einer gleichheitsgerechten Ersetzung der Gewerbesteuer, BB 2000, S. 1432, 1433ff.; Gosch, Einige aktuelle und grundsätzliche Bemerkungen, DStZ 1998, S. 328, kritisch auch Hartmann, Bestandsschutz, BB 2008, S. 2490, 2492; Birk, Steuerrecht, Rdnr. 1352. BVerfGE 120, S. 1, 31. BVerfGE 120, S. 1, 32. BVerfGE 120, S. 1, 31. BVerfGE 120, S. 1, 31f.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
»Damit bestehen zwischen freien Berufen, sonstigen Selbständigen und der Land- und Forstwirtschaft auf der einen und Gewerbebetrieben nach § 15 Abs. 2 EStG auf der anderen Seite Unterschiede in der Typik. An diese knüpft der gewerbesteuerliche Zugriff an. So lässt sich insbesondere die Produktion von Waren und Dienstleistungen des freiberuflich Tätigen, weil sie in besonderem Maße von seinen beruflichen Qualifikationen und der persönlich erbrachten Dienstleistung …abhängt, nicht in gleicher Weise durch zusätzlichen Einsatz von Kapital und Arbeitnehmern steigern ,…«
Der Senat unterstellt offenbar, dass Gewerbetreibende sich grundsätzlich nicht in dem Maße wie freie Berufe auf ihre berufliche Qualifikation und persönlich erbrachte Dienstleistungen stützen, stattdessen auf Mitarbeiter, Produktionsmittel und einen größeren Kapitaleinsatz. Ihre Einkünfte würden sie aus einem Objekt, nämlich dem Betrieb, generieren. Übergangen wird wiederum die Tatsache, dass Finanzberater, Makler, Handelsvertreter, Wertgutachter732, Fotografen für Kunstwerke733, Ingenieure als Generalunternehmer für Altbausanierungen734 und auch zahlreiche Handwerker, allesamt Gewerbetreibende und regelmäßig in Klein- oder sogar Kleinstbetrieben ohne größere Betriebsorganisation tätig, ebenfalls keine Erträge aus einem »Objekt« erwirtschaften. Weshalb dann auch noch das Vorhandensein oder Fehlen eines Objekts, aus dem Erträge erzielt werden, Besonderheiten der Qualifikation oder einer Gemeinwohlbindung als Anknüpfungspunkte für eine Gewerbebesteuerung maßgeblich sein sollen oder gar die persönlichen Verhältnisse des Betriebsinhabers (welche?) dafür entscheidend wären, erschließt sich nicht. Die Verknüpfung der Steuerbefreiung mit den »persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers« überrascht auch deshalb, weil dieses Kriterium die Anforderungen an die Intensität der Verfassungsprüfung nach der eigenen sog. Neuen Formel noch steigern würde.735 Das Gericht hat selbst eine Verschiedenbehandlung von Personengruppen dann nicht für zulässig gehalten, »wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen«, dass die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre.736 Damit können aber nur Unterschiede gemeint sein, die auch einen Bezug zum Steuerzweck haben. Schon deshalb ist zweifelhaft, ob ein Rückgriff auf die benannten angeblichen Sonderheiten der freien Berufe diese vom Gericht selbst formulierten Differenzierungsvoraussetzungen erfüllen können. Ausgangspunkt einer steuerlichen Gleichheitsprüfung muss zunächst der Grundsatz der Lastengleichheit sein. So hat schon die Weimarer Verfassung in 732 733 734 735 736
BFH BStBl. 1971 II S. 749. BFH BStBl. 1972 II S. 335. BFH vom 21. 07. 2009 NV 2009, S. 1979. Kempny/Reimer, Die Gleichheitssätze, S. 139f. So wegweisend in BVerfGE 55, S. 72, 88.
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Art. 134 die Besteuerung der Steuerpflichtigen als »im Verhältnis ihrer Mittel« gefordert. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, dass sich die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu orientieren hat.737 Beschränkt wird diese Forderung richtigerweise auf Einkommenssteuern738, die den Ertrag eines Steuersubjekts erfassen. So besteht allerdings auch kein Zweifel, dass der Mietertrag aus dem Mietobjekt als Ertrag aus einem »Objekt« der gewöhnlichen Einkommensbesteuerung unterworfen ist und auch dafür das Leistungsfähigkeitsprinzip gilt, das sich an der Höhe der Mieteinnahmen, bereinigt um sog. Werbungskosten, zu orientieren hat. Die Charakterisierung der Gewerbesteuer als Steuer »auf den Ertrag« eines Gewerbebetriebs (Objekt) wäre als allgemeine Ertragssteuer deshalb ebenfalls am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen.739 Qualifiziert man die Gewerbesteuer dagegen auf der Grundlage der Äquivalenztheorie als sog. Finanzzwecksteuer740, müsste die verfassungsrechtliche Prüfung an der »äquivalenzorientierten« Steuerrechtfertigung741 anknüpfen und nicht an einer als allgemeine Ertragssteuer verbliebenen Einnahmequelle zur Deckung aller staatlichen Ausgaben. Dieser Steuerzweck der Gewerbesteuer besteht dann nicht in der Besteuerung einer bestimmten Berufsgruppe (hier Gewerbetreibende) in Abgrenzung zur Gruppe der freien Berufe, nur weil letztere über traditionelle Wesensmerkmale in ihrer Berufstätigkeit verfügen, sondern an dem Ausgleichsgedanken für erforderliche Infrastrukturmaßnahmen. Zur Frage eines Verstoßes der sog. Luftverkehrssteuer gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls ausgeführt, dass die Belastung mit Finanzzwecksteuern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ausgerichtet werden müsse.742 Damit werde der Grundsatz der rechtlichen und gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen743 gewährleistet. Der Gesetzgeber dürfe allerdings seine Steuerkompetenz grundsätzlich ausüben und Differenzierungen verfolgen, um damit Lenkungswirkungen zu erzielen oder Förderungswirkungen zu erreichen.744 Damit könne der 737 BVerfGE 82, S. 60, 86 sowie 105, S. 17, 46. Im Kontext der Äquivalenztheorie auch Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004, S. 103f. 738 Dazu Heun in H. Dreier, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, Art. 3 Rdnr. 66. 739 So auch Gosch, Einige aktuelle und grundsätzliche Bemerkungen, DStZ 1998, S. 327, 329. 740 Kirchhof, Der Weg zur verfassungsgerechten Besteuerung, StuW 2002, S. 185, 187; Schmehl, Das Äquivalenzprinzip, S. 104; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 71, 262 sowie 264. 741 Schmehl, Das Äquivalenzprinzip, S. 105. 742 BVerfGE 137, S. 350, 367 Rdnr. 43 unter Hinweis auf BVerfGE 61, S. 319, 343f.; 82, S. 60, 86; 89, S. 346, 352 und 126, S. 400, 417. 743 Dazu BVerfGE 117, S. 1, 30; 121, S. 108, 120; 126, S. 400, 417. 744 BVerfGE 17, S. 210, 216; 93, S. 121, 147; 93, S. 319, 350 und BVerfG vom 05. 11. 2004–1 BvF 3/ 11 Rdnr. 60.
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Bürger sich nach diesen Lenkungszielen des Gesetzgebers richten und sein Verhalten daran anpassen. Sind diese Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen, dürfen sie für steuerliche Belastungen oder auch Entlastungen herangezogen werden.745 Stuft man die Gewerbesteuer ebenso wie die Luftverkehrssteuer als eine Finanzzwecksteuer (Äquivalenzgedanke) ein, stellt sich dann die Frage, ob der Gesetzgeber Wirkungen erreichen wollte, die man beispielsweise in der Förderung der besonderen Ausbildung oder der Belohnung oder Ausgleich für die Erfüllung von Gemeinwohlverpflichtungen sehen könnte.746 Erkennbar sind derartige Absichten des Bundesgesetzgebers aus den Gesetzesmaterialien jedoch nicht. Auch eine »Gesamtschau der jeweils vom Gesetzgeber normierten Steuervorschriften«747 gibt dafür nichts her. Bei der Verfolgung von Förderungsabsichten müssten bei einem berufs- und personenbezogenen Kriterium, wie beispielsweise der höherwertigen Ausbildung als Berufsvoraussetzung nach der vom Bundesverfassungsgericht seit 1980 geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung (sog. Neue Formel)748 besondere Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine Ungleichbehandlung gemessen am Leistungsfähigkeitsprinzip gegenüber Berufstätigkeiten mit minderer Ausbildungsqualität gerechtfertigt wäre. Dies gilt schon deshalb, weil andernfalls, wie das Finanzgericht Niedersachsen zutreffend bemerkt749, durch die einseitige Belastung eines Teils der Berufstätigkeiten die Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 S. 2 tangiert wird und auf diese Weise persönliche Merkmale und Umstände in die Besteuerungsverpflichtung einfließen.750 Eine erhöhte Prüfungsintensität fordert das Bundesverfassungsgericht, wenn der Betroffene sein Verhalten nicht ändern kann, um beispielsweise ebenfalls in den Genuss von Vergünstigungen, hier die Gewerbesteuerbefreiung, zu gelangen.751 Weder freie Handelsvertreter noch der Versicherungsagent oder der kleine Handwerker können ihr Verhalten so ändern, dass sie sich durch Veränderung der ihnen anhaftenden persönlichen Berufsmerkmale zu freien Berufen entwickeln könnten. Ein weiteres Argument des Bundesverfassungsgerichts, wenn es denn überhaupt eines sein sollte, erinnert doch sehr an einen circulus vitiosus. Der Ge745 So auch in BVerfGE 110, S. 274, 293; 116, S. 164, 182 sowie 117, S. 1, 32. 746 Das Bundesfinanzministerium erörtert in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme zur »Handelsvertreterbeschwerde« die »soziale Schutzbedürftigkeit« als möglichen, aber zu verwerfenden Differenzierungsgrund (BVerfGE 46, S. 224, 232). 747 BVerfG vom 05. 11. 2004, BvF 3/11 Rdnr. 43. 748 BVerfGE 55, S. 72, 88. 749 2. Vorlagebeschluss, FR 1998, S. 141, 1048. 750 So auch das FG Baden-Württemberg, EFG 1999, S. 133ff. 751 BVerfGE 111, S. 160. 169f.; BVerfGE 122, S. 210; BVerfGE 129, S. 49, 69f. Dazu Gröpl in Gröpl/Windhorst/von Coelln Studienkommentar GG, 3. Aufl. 2017, Art. 3 Rdnr. 53.
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setzgeber habe in anderen Gesetzen, so beispielsweise im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz752 (PartGG), in der Baunutzungsverordnung (BauNVO)753 und im Handelsgesetzbuch, den freien Berufen ebenfalls eine Sonderstellung verschafft und damit deren eigenen Status bestätigt. Auch der Hinweis auf die Charakterisierung des Rechtsanwalts in der Bundesrechtsanwaltsordnung sowie die des Arztes in der Bundesärzteordnung als freie Berufe hilft da nicht weiter. Deutlich wird, dass das Gericht eher darum bemüht war, sich an der begrifflichen traditionellen Besonderheit der beiden Berufsgruppen abzuarbeiten, als vielmehr den Steuergegenstand zu erfassen und einen Steuerzweck in den Mittelpunkt seiner Argumentation zu stellen. Nicht nachvollziehbar ist auch die These, freiberuflich tätige Berufsträger könnten anders als Gewerbetreibende »die Produktion von Waren und Dienstleistungen« nicht in gleicher Weise steigern. Die Diskussion einer unsachgemäßen Differenzierung wird nicht im Bereich der Warenproduktion, sondern ausschließlich im Dienstleistungsbereich geführt. Die Möglichkeit der beliebigen Steigerung der Produktivität, mit dem auch Rittner in ähnlicher Weise zur Rechtfertigung der Handelsvertreterentscheidung des Bundesverfassungsgerichts argumentiert hatte754, fordert den Einsatz von Produktionsanlagen oder charakterisiert als Merkmal den Handel mit seiner Vervielfältigungsmöglichkeit. Allen anderen Dienstleistungsunternehmen, ob freiberuflich oder gewerblich, haftet regelmäßig eine durch den erforderlichen Personaleinsatz beschränkte Vervielfältigung ihrer Leistungen an. Wenn steuerrechtlich an dem Merkmal der »eigenpersönlichen Leistung« im Dienstleistungsbereich festgehalten wird, könnte man ohne eine formale Differenzierung zwischen den tradierten Berufsgruppen die Unternehmen begünstigen, die ein bestimmtes Maß an Vervielfältigung nicht überschreiten, so wie das von der Finanzrechtsprechung bereits zur Begrenzung der Steuerbefreiung innerhalb der freien Berufe praktiziert wird. Von der Typizität her weisen außerdem zahlreiche Dienstleistungsberufe schon seit längerer Zeit, und nicht erst nach dem im Streit befindlichen Veranlagungsjahr (1988) der Klägerin, den freien Berufen vergleichbare Wesensmerkmale auf. Selbst das Bundesverfassungsgericht sieht eine Konvergenz zahlreicher Berufstätigkeiten. Es meint dazu755 : »Auch wenn eine solche Konvergenz der Berufsbilder von freien Berufen und Gewerbebetrieben zur maßgeblichen Zeit des Veranlagungsjahres 1988 in einzelnen Berufsfeldern ein bereits durchaus beachtliches Ausmaß erreicht haben und die Ent752 753 754 755
Vom 25. 07. 1994, BGBl. I S. 1944. Vom 23. 01. 1990, BGBl. I S. 132. Unternehmen und freier Beruf, S. 18. BVerfGE 120. S. 1, 35.
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wicklung seither noch weiter fortgeschritten sein mag, ist doch nicht erkennbar, dass der Typus des freien Berufs insgesamt seine Struktur prägenden … Merkmale verloren hat«
Schon in der Handelsvertreterentscheidung hat sich das Bundesverfassungsgericht bei den Merkmalen »geistige Leistung, die auf einer bestimmten fachlichen Vorbildung oder einem schöpferischen Vermögen beruht« sowie den für Gewerbebetriebe »typischen Kapitaleinsatz« nicht mehr auf eine Abgrenzungseignung zu kleineren Gewerbebetrieben festlegen wollen.756 Es wurden nun, mehr als 30 Jahre nach dieser Entscheidung, immer noch diese Kriterien angeführt, um die Besonderheit der freien Berufe zu charakterisieren. ee. Die Äquivalenztheorie als Steuerzweck der Gewerbesteuer Als weiterer Beleg dafür, dass dem Senat offenbar daran gelegen war, an dem Regelungszustand nicht zu rütteln, kann der auch in diesem Rechtsstreit doch wieder vorgenommene Rückgriff auf die Äquivalenztheorie als Zweck der Gewerbesteuer gesehen werden. In der Handelsvertreterentscheidung kam es aus der Sicht des Verfassungsgerichts auf diesen Gesichtspunkt wegen der Nähe der Tätigkeit des Handelsvertreters zum gewerblichen Warenhandel nicht an. Ohnehin hatte das Gericht dieser Theorie nur noch geringe Bedeutung beigemessen und ihr so als wesentlichen Rechtfertigungsgrund der Gewerbesteuer bereits abgeschworen.757 Hatte es zwar in der Handelsvertreterentscheidung noch die Äquivalenz für verursachte Infrastrukturkosten der Gemeinden als ursprüngliche finanzpolitische Begründung anerkannt, schätzte es auf Grund der Verteilung der Gewerbesteuer auch auf Bund und Länder deren Wert zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer gleichwohl als eher gering ein758. In der Begründung der Entscheidung aus dem Jahre 2008 meinte der Senat dann aber wieder, die vorhandenen Unterschiede zwischen beiden Berufsgruppen würden auch in einem sachlichen Bezug zu dem traditionell zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer herangezogenen Äquivalenzprinzip stehen.759 Mit Blick auf die traditionelle, pauschale Rechtfertigung der Gewerbesteuer meint der Senat, erweise sich die Herausnahme der freien Berufe aus der Gewerbesteuerpflicht, gemessen an ihren »allgemeinen Unterschieden«, als nicht willkürlich. Um diesen möglichen Widerspruch zur sog. Handelsvertreterentscheidung aufzulösen, führt er aus, die Äquivalenztheorie habe keineswegs ihre finanzrechtliche Bedeutung verloren. Als allgemeiner Ausgangspunkt für die innere Rechtfertigung der Gewerbesteuer habe der Gedanke, dass die Gewer756 757 758 759
BVerfGE 46, S. 224, 240ff. BVerfGE 46, 224, 236. BVerfGE 46, S. 224, 236. BVerfGE 120, S. 1, 37.
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besteuer einen pauschalen Ausgleich für die besonderen Infrastrukturlasten schaffen soll, wie sie durch die Ansiedlung von Gewerbebetrieben verursacht würden, nach wie vor Bestand. Weiter heißt es dann, dass freie Berufe derartige Lasten »typischerweise« in geringerem Umfang verursachen würden:760 »Große Gewerbebetriebe mit einer hohen Zahl von Beschäftigten und einem erheblichen Einsatz von Produktionsmitteln verursachen einen höheren Bedarf an Infrastrukturleistungen, etwa in Form der Ausweisung und Erschließung von Gewerbegebieten oder der Bereitstellung von Wasser, Abwasser, Energie, Straßen und öffentlichen Nahverkehr«.
Das Finanzgericht Niedersachsen761 hatte schon in seinem Vorlagebeschluss zur Äquivalenztheorie angemerkt, »unbestreitbar dürfte allerdings sein, dass jedenfalls die von den Gemeindeeinwohnern (mit-)verursachten gemeindlichen Lasten (Straßen, Kanalisation, Versorgungsleitungen, gemeindliche soziale und kulturelle Infrastruktur) einen bedeutenden Anteil an den gesamten gemeindlichen Lasten ausmachen«.
Jeder Einwohner, gleichgültig ob in einem freien Beruf oder Gewerbe tätig, verursacht gemeindliche Lasten wie Schulbau, Sozialeinrichtungen, Straßenbau, Elektrizitätsbedarf im öffentlichen Raum, Entwässerung und allgemeine Verwaltungsaufwendungen.762 Wie aber soll begründet werden, dass Beschäftigte von Gewerbebetrieben oder deren Familienangehörige insoweit höhere gemeindliche Lasten verursachen? Hängt das von einer besonderen Stellung im Sozialgefüge ab, von einer Gemeinwohlverpflichtung bzw. einer besonderen Vertrauensstellung des jeweiligen Berufsträgers oder nicht weniger fernliegend von einer akademischen Ausbildung? Schließlich hat sich auch die Mobilität der Beschäftigten auf Grund der Zahl des heute vorhandenen privaten Kraftfahrzeugbestandes sowie der gerade in Ballungsgebieten bestehenden öffentlichen Nahverkehrsnetze erheblich gesteigert und so die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte ermöglicht. Auch dieser Gesichtspunkt hat die Berechtigung der Äquivalenztheorie verflüchtigt. Mitarbeiter von Gewerbebetrieben, die nicht in der Gemeinde wohnen, in der ihre Betriebsstätte liegt, verursachen gemeinsam mit ihren Familien ausschließlich Kosten an ihrem Wohnort. Dort wird »das Äquivalent« benötigt, weniger am Betriebssitz des Arbeitgebers. Es kommt noch hinzu, dass kommunale oder privat organisierte kommunale Unternehmen mit Versorgungs- und Entsorgungsanlagen sowie Energieerzeugung oft kostendeckend oder sogar mit Überschüssen wirtschaften. 760 BVerfGE 120, S. 1, 39. 761 3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 122. 762 So auch das FG Niedersachsen, 2. Vorlagebeschluss, FR 1998, S. 1041, 1048.
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Soweit spezifische Ansiedlungskosten der Gewerbebetriebe anfallen, wäre zunächst zu klären, inwieweit dadurch überhaupt ein Kostenüberhang zu Lasten der Gemeinden entsteht. Diese haben die Option, städtebauliche Verträge gem. § 11 BauGB763 für die Erschließung von Baugebieten abzuschließen, um Kosten auf private Erschließungsträger abzuwälzen. Dieser Argumentation hält das Verfassungsgericht entgegen, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die kommunalen Aufwendungen durch Beiträge und Gebühren abgedeckt würden.764 Fraglich bleibt dabei aber, ob der Überhang an Kosten gerade auf die Ansiedlung von Gewerbebetrieben zurückzuführen ist oder doch unabhängig davon durch alle Einwohner einer Gemeinde verursacht werden, so auch von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes und alle nicht Erwerbstätigen. Auch sie benötigen Straßen, Schulen, öffentliche Kultureinrichtungen, Gas, Wasser, Strom und ein Rathaus. Gewichtig sind jedoch weitere generelle Bedenken gegen die Äquivalenztheorie. Die konkrete Ausgestaltung der Gewerbesteuer wird dem Gedanken des Ausgleichs für entstandene Gemeindelasten nicht mehr gerecht. Mit der nach den Gewerbesteuerreformen zur reinen Ertragssteuer mutierten Gewerbesteuer wird letztlich die Leistungsfähigkeit des Betriebes765 besteuert, gleichgültig ob er groß oder klein ist, eine Vielzahl von Mitarbeitern hat bzw. über ein großes oder kleines Betriebsgelände verfügt.766 Die Äquivalenztheorie ist schon deshalb als überzeugende Rechtfertigung der Erhebung einer Gewerbesteuer nicht mehr geeignet.767 Ihrer Berechtigung als Steuerzweck steht auch die komplizierte Struktur der Gemeindeausgleichsfinanzierung im Wege. Nicht nur die Zuweisung erheblicher Gewerbesteueranteile an Bund und Länder768, auch der weitere Finanzausgleich zwischen den Ländern und ihren Kommunen zur Sicherung der Finanzkraft der Kommunen769 und sogenannte Sonderzuweisungen (allgemeine und investive Schlüsselzuweisungen)770 führen zwangsläufig dazu, dass eine Äquivalenz irgendeiner Finanzquelle zu den Ausgaben einer Gemeinde nicht mehr sichtbar ist. Die ungleichen Strukturverhältnisse der Gemeinden führen ebenfalls dazu, 763 764 765 766 767
Bundesbaugesetzbuch vom 23. 09. 2004, BGBl. 2004 I, S. 2414. BVerfG E 120, S. 1, 39. So auch der BFH NJW 1964, S. 693, 695. Will, Das Äquivalenzprinzip und die Gewerbesteuer, S. 92ff. Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 37ff.; Hamann, Gewerbelohnsummen und Grundgesetz, FR 1962, S. 261, 262 sowie Will, Das Äquivalenzprinzip und die Gewerbesteuer, S. 92ff. 768 Die an Bund und Länder abzuführende Umlage an der Gewerbesteuer betrug 2017 beispielsweise in den neuen Bundesländern 35 v. H. des Gewerbesteueraufkommens. 769 Art. 87 Abs. 3 Sächsische Verfassung. 770 Die Gemeinden und ihre Finanzen 2017, herausgegeben vom Sächsischen Staatsministerium der Finanzen.
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dass letztlich über den komplizierten Finanzausgleich zu Lasten von Gemeinden mit einer Vielzahl insoweit lukrativer Gewerbebetriebe aus den insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmitteln »armen« Gemeinden Ausgleichszahlungen geleistet werden771, womit dann auch die zum Ausgleich für Ansiedlungskosten gedachte Steuer auf Umwegen teilweise an Kommunen fließen, die über weniger lukrative oder auch keine Gewerbebetriebe verfügen und die so erhaltenen Mittel für äquivalenzfremde Sozialleistungen an nicht Erwerbstätige verwenden können. Derartige Ausgleichszuweisungen dienen der Herstellung einer angemessenen und ausreichenden Finanzausstattung der Gemeinden, schaffen möglichst gleiche Lebensverhältnisse und dienen so der Korrektur unterschiedlicher Finanzzuflüsse.772 So wird deutlich, dass die Gewerbesteuer ebenso wie die reinen Ertragssteuern, auch Teil der gemeindlichen Einnahmen zur Bestreitung der gesamten Kostenpalette des Staates sowie der Gemeinden ist und deshalb nicht mehr als Äquivalent zur Kostenverursachung ansiedelnder Gewerbebetriebe zu sehen ist. Es handelt sich heute bei der Gewerbesteuer um eine reine Ertragssteuer. Das Bundesverfassungsgericht stellt schon in der Handelsvertreterentscheidung773 im Hinblick auf die im Äquivalenzprinzip erfassten offensichtlichen Ungereimtheiten fest, das Ausmaß der Lastenverursachung durch den einzelnen Betrieb sei ohnehin einer näheren Feststellung nicht zugänglich. Dieses könne daher, so der Senat, bei der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlagen auch nicht berücksichtigt werden. Der zweifelhafte Steuerzweck der Äquivalenztheorie hätte aber immerhin noch einen Bezug zu dem wohl wesentlichsten steuerlich relevanten Merkmal der freien Berufe, nämlich die unterstellte Art der Leistungserbringung als eigenpersönlich oder höchstpersönlich ohne Einsatz von Produktionsmitteln und erheblichen Kapital- sowie Mitarbeiteraufwand. Freie Berufe und Gewerbebetriebe unterscheiden sich in diesem am Steuerzweck orientierten relevanten Wesensmerkmal allerdings nicht grundsätzlich. ff. Das Traditionsargument in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts In seiner Entscheidungsbegründung verwendet das Bundesverfassungsgericht immer wieder Begriffe wie »Rechtstradition«, »tradierte Differenzierung« »traditionell für die Rechtfertigung« sowie »traditionelle, pauschale Rechtfertigung«. Können aber in einer Grundrechtsprüfung Traditionsgesichtspunkte etwas 771 So beispielhaft der sog. horizontale Gleichmäßigkeitsgrundsatz im Rahmen des sog. interkommunalen Finanzausgleichs. 772 Zur komplizierten Finanzierungsstruktur der Kommunen: Mehlhaf, Kommunen im Finanzausgleich, mit einer ausführlichen Darstellung des Finanzausgleichssystems aller Ebenen. 773 BVerfGE 46, S. 224, 236.
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rechtfertigen, was als historisch gewachsenes Phänomen gilt und auch deshalb zu einer rechtlichen Sonderstellung und sogar zu unterschiedlichen Belastungsfolgen geführt hat? Das Niedersächsische Finanzgericht zitiert in seinem 3. Vorlagebeschluss eine insoweit treffende und dazu auch passende Aussage von Trzaskalik aus dessen Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag, 2000774, wonach »Traditionelle Steuern … nicht unbedingt gerechte Steuern« seien. Immerhin konzediert das Verfassungsgericht, dass »in jüngerer Zeit« eine verstärkte Annäherung jedenfalls einzelner Organisationsformen freier Berufe an das Berufsbild der Gewerbebetreibenden stattgefunden habe, aus denen jedoch für eine nunmehr willkürliche Ungleichbehandlung nichts hergeleitet werden könne. Das Verfassungsgericht weist auf die traditionelle Differenzierung seit der länderübergreifend eingeführten einheitlichen Gewerbesteuerregelung von 1936 hin. Die damals gesetzlich fixierte Freistellung der freien Berufe sei vom Bundesgesetzgeber im Jahre 1951 durch die Neufassung des Gewerbesteuergesetzes775 übernommen worden und spiegele bereits im Veranlagungsjahr 1988 eine über 50jährige Rechtstradition wieder.776 Neben einem aus der Sicht nationalsozialistischen und idealistischen Gedankengut abgeleiteten Gesetzeszweck spielte damals selbstverständlich auch der Äquivalenzgedanke als sachliche Begründung der Begünstigung nur der freien Berufe eine tragende Rolle.777 Das ihnen zugeschriebene Merkmal eigenpersönlicher Leistungen in Abgrenzung zu Produktionsbetrieben mit erheblichem Kapitaleinsatz und entsprechender Mitarbeiterstruktur dürfte 1936 und auch noch bei Übernahme als Bundesrecht 1951 im festen Bewusstsein der Gesellschaft verankert gewesen sein. Die zuvor in der Zeit der demokratisch legitimierten Weimarer Verfassung vorgenommene Ausdehnung der Besteuerung auf alle Berufe wird zwar im Anschluss vom Verfassungsgericht erwähnt, bleibt aber in der Begründung des Gerichts ohne Einfluss auf den Traditionsgesichtspunkt. Das Verfassungsgericht begnügt sich mit der Feststellung, der Verfassungsgeber hätte die im Jahre 1936 geschaffene Rechtslage im Jahre 1951 bei der Neufassung des Gewerbesteuergesetzes übernommen und seither beibehalten.778 Es gibt allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Väter des Grundgesetzes irgendeinen Gedanken daran hatten, ob die Differenzierung in zwei Berufsgruppen bei der Ausgestaltung der Gewerbesteuer, wie sie in die neue Rechtsordnung überführt wurde, mit
774 775 776 777 778
3. Vorlagebeschluss zu Rdnr. 222, dort Verweis auf das Gutachten E S. 45, 57. BGBl. 1951 I, S. 996. BVerfGE 120, S. 1, 32. Begründung des Gesetzes in RStBl. 1937, S. 693f. BVerfGE 120, S. 1, 32.
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dem Grundgesetz und speziell mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar war und ist.779 Nicht ohne Bedeutung ist auch die Tatsache, dass das Gesetz ohne inhaltliche Veränderung in das neue Recht der Bundesrepublik übernommen wurde.780 Ob die historischen Bedingungen und Zusammenhänge für eine Verfassungsprüfung eine ausschlaggebende oder wenigstens mitwirkende Bedeutung haben dürfen, kann dahingestellt bleiben. Die historischen Zusammenhänge der Entstehung einer Rechtsnorm dürfen aber keinesfalls unberücksichtigt bleiben, sofern Traditionsgesichtspunkte das Ergebnis einer Verfassungsprüfung stützen sollen. Schneider hat dieses Gebot als »Bekenntnis zur Rechenschaftspflicht«781 bezeichnet, und zwar im Sinne einer Lehre daraus und nicht einer kritiklosen Übernahme, wie man sie seinerzeit dem Gesetzgeber bei der Übernahme der Differenzierung möglicherweise unterstellen könnte. An einer derartigen kritischen Würdigung des Zustandekommens des Gewerbesteuergesetzes 1936 fehlt es in der Beschlussbegründung des Verfassungsgerichts. Der Senat meint stattdessen, an der über einen derart langen Zeitraum tradierten Differenzierung zwischen Gewerbetreibenden und freien Berufen dürfe der Gesetzgeber so lange festhalten, bis offen zu Tage trete, dass im Hinblick auf den Steuergegenstand und die wesentlichen Besteuerungsmerkmale keine tragfähigen Unterschiede mehr zwischen diesen Berufsgruppen bestehen würden.782 Damit übernimmt das Gericht mit seiner These das aus dem Zivilprozessrecht bekannte Prinzip einer Beweislastumkehr, die hier in einer verfassungsrechtlichen Version genutzt wird. Die Kernaussage geht sogar noch über diese rein verfahrensrechtliche Bedeutung der Beweislastumkehr hinaus, sie wird vom Verfassungsgericht weitergehend sogar zur materiell-rechtlichen Bestätigung der überlieferten Differenzierung verwendet. Man kann die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts vielleicht etwas vereinfacht auf die Formel bringen: Verfassungswidrig kann eine auf Tradition und Verkehrsanschauung beruhende Rechtslage erst dann sein bzw. werden, wenn es gelingt, nachzuweisen, dass diese beiden Kriterien von der Lebenswirklichkeit eingeholt wurden. Wenn ersichtlich ist, wie auch das Gericht einräumt, dass sich die Berufsgruppen angenähert haben, ohne aber sicher beurteilen zu können, ob die Realität diese oder sogar eine darüberhinausgehende Annahme stützt, ist jedoch eine originäre Verfassungsprüfung abseits von Tradition oder Verkehrsanschauung unverzichtbar. Es wäre interessant zu wissen, was das Gericht bei einer »offen zu Tage tretenden« Veränderung dann noch mit den typischen Merkmalen des freien Berufs, insbesondere der Stellung der 779 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 301f.; FG Niedersachsen, 3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 208. 780 Dazu FG Niedersachsen, 2. Vorlagebeschluss, FR 1998, S. 1041, 1048. 781 Schneider in Festschrift für Klaus Stern, S. 922. 782 BVerfGE 120, S. 1, 33.
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freien Berufe im Sozialgefüge, die höherwertige Ausbildung mit der regelhaften wissenschaftlichen Qualifikation, der Gemeinwohlbindung oder des besonderen Vertrauensverhältnis machen wird. Wie sollte es hinsichtlich dieser Kriterien überhaupt zu einer völligen Überschneidung beider Berufsgruppen kommen? Wenn aber doch, auf welche Merkmale käme es dann an? Weil es außer dem Äquivalenzgedanken keinen anderen nachvollziehbaren Steuerzweck der Gewerbesteuer benennt, konnte es auch nicht herausarbeiten, auf welches Kriterium der von ihm erörterten Wesensmerkmale es für die Feststellung einer weiteren Annäherung beider Berufsgruppen ankommen soll. Das Bundesverfassungsgericht hält aber der Begründung783 der damaligen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Gesetzesinitiative zur Einführung einer Gemeindewirtschaftssteuer vor, weder die Art noch den Umfang der Konvergenz belegt zu haben. Von keinem Handwerker, Einzelhändler, Versicherungsagent oder EDV-Berater wird auch in Zukunft eine wissenschaftliche Ausbildung oder Gemeinwohlbindung erwartet werden können. Wenn allerdings die vom Gericht erwähnten »tragfähigen Gründe« entscheidend sein sollen, dürfte es dann ohnehin nicht auf Kriterien wie beispielweise die Gemeinwohlbindung oder eine wissenschaftliche bzw. höherwertige Ausbildung ankommen. Tragfähig für die Gewerbesteuerbefreiung kann allein der festzustellende Steuerzweck sein. Nach derzeitiger ertragsorientierter Ausgestaltung der Gewerbesteuer könnte das nur die Leistungsfähigkeit, unabhängig von allen anderen Kriterien, sein. Der Senat untermauert seine Entscheidung noch mit dem Hinweis auf mehrere gesetzgeberische Änderungen, die die Belastung durch Anrechnungsmöglichkeiten sowie Freibeträgen effektiv vermindert habe und somit auch das »Gewicht der durch die Vorlage des Finanzgerichts beanstandeten Ungleichbehandlung« beträchtlich reduziere. Weil die Auswirkungen einer Ungleichbehandlung damit geringer geworden seien, müsse man »damit erst recht die Annahme einer willkürlichen Entscheidung des Gesetzgebers« ausschließen. Bei der Entscheidung des Gesetzgebers, die Berufsgruppen unterschiedlich zu besteuern, stand 1936 nur die geforderte Differenzierung zur Entscheidung, ohne irgendwelche Entlastungswirkungen für andere Berufe. Zum Zeitpunkt der Übernahme der Freistellung freier Berufe von der Gewerbesteuerpflicht durch den Bundesgesetzgeber sah man ebenfalls noch kein Bedürfnis für vergleichbare gesetzgeberische Initiativen zur Abmilderung der Belastungswirkung. Die Prüfung des verfassungsrechtlichen Willkürverbots wird mit diesem Argument auf die Ebene des Umfangs der durch die eventuelle Willkür entstandenen Belastung verschoben, die man, statt sie zu beseitigen, lediglich in ihren Folgen reduziert. Diese Argumentation des Gerichts kann jedoch keine 783 BT-Drucks., 15/1517, S. 121.
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Rechtfertigung dafür sein, an der mit Rechtsfolgen verbundenen Differenzierung zwischen beiden Berufsgruppen festzuhalten, weil dafür zunächst ein sachlicher Grund für die Begünstigung einer Berufsgruppe vorausgesetzt werden müsste. Erst dann wäre darüber nachzudenken, welche materielle Auswirkung die Ungleichbehandlung auf den Steuerpflichtigen hat. gg. Der Gedanke einer Steuerbefreiung der freien Berufe als Subvention Man könnte noch darüber nachdenken, ob die Begünstigung aller freien Berufe sowie die diesen ähnlichen Tätigkeiten aus dem Subventionsgedanken einer Steuerbefreiung begründet werden könnte. Dafür, dass der damalige Gesetzgeber im Jahre 1936 ebenso wie der Bundesgesetzgeber bei Übernahme der Befreiungsregelung einen derartigen Gesetzeszweck verfolgt haben könnte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Unabhängig von der auch insoweit bestehenden Problematik einer möglicherweise nicht sachgerechten Begünstigung, würde dieser Begünstigungszweck auch daran scheitern, dass Subventionen voraussetzen, dass der gewährte Vorteil gerade in der »Verschonung von einer eigentlich zu tragenden Abgabenlast«784 als Ausnahme von der Regel der Gewerbesteuerpflicht gewährt werden müsste. Der Gesetzgeber hat aber schon mit der grundsätzlichen Differenzierung beider Erwerbsbereiche und der Bezeichnung der Steuer als »Gewerbesteuer« gezeigt, dass er nicht von diesem »Regel-Ausnahme-Verhältnis« ausgegangen ist.
f.
Die sogenannte Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
Sofern der Gesetzgeber bei der Erhebung der Gewerbesteuer nicht mehr zwischen Gewerbe und freien Berufen differenzieren würde, gäbe es keinen Streit mehr um Sinn oder Unsinn der sog. Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Sie wurde geschaffen, um das Problem einer Mischung freiberuflicher und gewerblicher Einkunftsarten beim selben Steuerpflichtigen zu lösen. Trennt man beide Einkunftsarten und belastet lediglich die gewerblich erwirtschafteten Gewinne mit der Gewerbesteuer oder versagt man dem Freiberufler die Steuervergünstigung dann gänzlich, weil die gewerblichen Einkünfte auf freiberufliche Erträge »abfärben«? Der Gesetzgeber hat sich in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG dafür entschieden, dem Einzelunternehmer eine Trennung der Einkunftsarten zu ermöglichen, so dass bei ihm die gewerblich erzielten nicht die freiberuflichen Einkünfte »infizieren« können. Bei der Personengesellschaft gilt das nicht. Erzielt sie neben den freiberuflichen Einkünften auch gewerbliche, werden alle 784 Lang bezeichnet diese Art von Subventionen deshalb auch als »Verschonungssubvention« (siehe Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 19 Rdnr. 74). Jochum, Die Steuervergünstigung, S. 54.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Einkünfte zur Bemessung der Gewerbesteuer herangezogen. Die dafür gelieferten Begründungen785, an die auch das Gericht anknüpft, haben in der Literatur ein geteiltes Echo gefunden.786 § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verfolgt das Ziel, die Ermittlung der Einkünfte gemischt tätiger Personengesellschaften zu vereinfachen. Nicht ganz zu Unrecht fragen aber die Kritiker, weshalb nur Einzelunternehmer ihre Einkünfte splitten dürfen, nicht aber Personengesellschaften. Diese Frage hat auch das Niedersächsische Finanzgericht mit seinem Vorlagebeschluss dem Bundesverfassungsgericht gestellt. Das Bundesverfassungsgericht787 begründet seine die Rechtslage bestätigende Entscheidung mit vom Gesetzgeber eingeführten Vereinfachungen im Besteuerungsverfahren. So gebe es bei Personengesellschaften verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten durch zulässige Ausweichkonstruktionen (gemeint sind vor allem getrennte Gesellschaften), die Trennung der Einkunftsarten zu erreichen. Eine Abgrenzung der Einkunftsarten innerhalb einer Gesellschaft sei dagegen »streitanfällig«. Bei Einzelunternehmern sei die getrennte Besteuerung dagegen praktikabel. Auch an der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG wird deutlich, dass die traditionell unterschiedliche Besteuerung beider Einkunftsarten eigentlich nur Probleme schafft, zumal sich auch insoweit immer wieder zwischen den Gesellschaften dann die Abgrenzungsfrage stellen muss, wie die jeweiligen Einkünfte zu charakterisieren sind und wer damit welche Einkünfte zu versteuern hat. Im Ergebnis fällt so auch das Fazit von Habscheidt788aus, der im Anschluss an den Vorlagebeschluss die Verfassungswidrigkeit der Abfärberegelung trotz der vom Verfassungsgericht erwähnten Umgehungsoptionen für Freiberufler durch Gründung einer gesonderten, dann ausschließlich gewerblich tätigen Gesellschaft, bejaht.789 Dass eine Ausweichalternative zur Heilung einer sonst verfassungswidrigen Norm führen kann, ist ohnehin strittig. Anders als das Bundesverfassungsgericht dies tut, wird in Teilen der Literatur790 und auch vom vorlegenden Finanzgericht Niedersachsen die praktizierte Ausweichlösung ab785 BFHE 140, S. 44, 47f.; E 196, S. 511, 514; E 207, S. 466, 496, E 214, S. 302, 312; ferner Groh, DB 2005, S. 2430f. und Seer/Drüen, Ausgliederung gewerblicher Tätigkeiten zur Vermeidung der Gewerbesteuerpflicht freiberuflicher Sozietäten, BB 2000, S. 2176, 2178f. 786 Dazu Güroff in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 18 Rdnr.275c; Seer/Drüen, Ausgliederung, BB 2000, S. 2176; Neu, Einkünfteinfektion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG-genügt der Obstkarren?, DStR 1995, S 1893 sowie Schild, Die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, DStR 2000, S. 576. 787 BVerfGE 120, S. 1, 41f. 788 Habscheidt, Einkünfte des Rechtsanwalts, NJW 2005, S. 1257, 1258. 789 Habscheidt, ebenda, S. 1259. 790 Grune, Im Brennpunkt: Gemischte Tätigkeiten zur Vermeidung der Gewerbesteuerpflicht freiberuflicher Sozietäten, BB 1998, S. 1081, Habscheidt, Der IV. Senat, BB 1998, S. 1184.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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gelehnt, weshalb man auch insoweit zur Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs. 3 GewStG gelangen will.791
g.
Das Typusdenken in der gewerbesteuerrechtlichen Verfassungsprüfung
Die Darstellung verschiedener freier Berufe sowie die als ähnlich anerkannten Tätigkeiten (sonstige selbstständige Berufe) haben gezeigt, dass ihnen als Gruppe keine einheitlichen Wesensmerkmale anhaften, weshalb auch eine Begriffsbildung im Sinne eines klaren Rechtsbegriffs oder auch Klassenbegriffs unmöglich ist. Da auf diese Weise keine Systematik für den Rechtssuchenden und die das Recht anwendenden Gerichte erarbeitet werden konnte, blieb auch dem Bundesverfassungsgericht kein anderer Ausweg, als sich auf ein soziologisches Phänomen oder einen soziologischen Begriff zurückzuziehen. Es schlussfolgert aus seiner Prämisse, der Gesetzgeber habe im Steuerrecht einen weitreichenden Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstandes, dass er deshalb auch typisieren dürfe.792 Um gleichwohl den freien Berufen ihre in der Rechtsordnung akzeptierte Sonderstellung zu bewahren, hat sich das Bundesverfassungsgericht auch schon in früheren Entscheidungen der »Lehre vom Typus« bzw. der typischen Betrachtungsweise bedient. Es schreibt den großen Gewerbebetrieben mit einer Vielzahl von Mitarbeitern im Rahmen der Äquivalenztheorie typischerweise die Verursachung höherer Infrastrukturkosten zu.793 Dass steuerliche Abgrenzungsprobleme wegen der Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nur im Bereich der kleineren Unternehmen vorkommen können, übersieht auch das Verfassungsgericht nicht. Es meint, dass die kleineren Gewerbebetriebe »am ehesten mit den freien Berufen vergleichbar« seien und deshalb auch regelmäßig geringere Infrastrukturmaßnahmen verursachen würden. Anders sei dies bei den mittleren und größeren Gewerbebetrieben mit einer »typischerweise« höheren Verursachung von Infrastrukturlasten.794 Das genügt dem Gericht bereits, um auch die kleinen Gewerbebetriebe dennoch ebenfalls dem »Typus« des Gewerbes zuzuordnen. Laut Statistik der Finanzämter in Deutschland795 gab es Ende 2016 1.191.438 Kleinbetriebe sowie 5.646.198 Kleinstbetriebe (Gewerbe und freie Berufe). Der geringere Teil davon sind freie Berufe. Eine besondere Typik nur der freien 791 3. Vorlagebeschluss des FG Niedersachsen, ergänzende Begründung vom 14. 04. 2005, Rdnrn. 20ff. 792 BVerfGE 120, S. 1, 29f. 793 BVerfGE 96, S. 1, 6; 99, S. 280, 290; 110, S. 274, 292 und 116, S. 164, 182f. 794 Ebenda. 795 Veröffentlicht bei statista.com/statistik/daten/Betriebe in Deutschland-Anzahl nach Größenklassen bis 2016.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Berufe kann daher aus der Unternehmensgröße und ihrer beschränkten Verursachung gemeindlicher Infrastrukturaufwendungen nicht abgeleitet werden. Nicht nachvollziehbar ist dann auch, dass gleichwohl alle Gewerbebetriebe grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig sind und nicht erst ab einer bestimmten Größe. Bereits in Kapitel D zu Ziff. V wurden grundsätzliche Bedenken geäußert, zu glauben, mit dem Typus eine nachvollziehbare und deshalb dann auch für alle Berufe zufriedenstellende Abgrenzung beider Berufsgruppen zu erreichen. Soziologisch mag er zur Unterscheidung sozialer Phänomene durchaus eine Hilfe sein. Der Versuch, mit dem Typus eines historischen Erbes aus der Zeit des frühen Liberalismus, genannt »freier Beruf«, heute noch rechtsstaatliche Kriterien für eine Abgrenzung im Rahmen gesetzlicher Begünstigungen für eine Vielzahl hinzugekommener Berufe gewinnen zu können, dürfte illusorisch sein. Wie leichtfertig mit derart »griffigen« Formeln wie den Typus oder die typische Betrachtungsweise umgegangen werden kann, beweist Gesellensetter. Sie meint unter Berufung auf Sodan796, die Typologik könne zur Erfassung der freie Berufe deshalb fruchtbar gemacht werden, weil sie den Blick dafür schärfe, diese Gruppe von Berufstätigen mit Hilfe einer Reihe von deskriptiven und starren Eigenschaften exakt und formallogisch definieren zu können. Das ermögliche auch, mit bestimmten Wertungen darüber zu entscheiden, ob die »mehr oder minder« vorhandenen Merkmale zugeordnet werden können.797 Die Aussage Gesellensetters ist schon in sich nicht schlüssig, weil sich »mehr oder minder« vorhandene Merkmale sowie die erforderliche Wertung mit einer exakten Definition keinesfalls vertragen. Man muss sich dann noch neben der grundsätzlichen Kritik an der typischen Betrachtungsweise zur Rechtfertigung zweifelhafter Abgrenzungen vergegenwärtigen, dass sich die Typologie in der Zeit des Nationalsozialismus entwickeln konnte, dem Rechtsstaatlichkeit bekanntlich fremd war. Einer ihrer Vordenker in dieser Zeit war Karl Larenz798. Nach dem 2. Weltkrieg bedurfte es der Unterstützung unverdächtiger Autoren, um das Typusdenken gesellschaftsfähig und rechtsstaatlich diskutabel zu machen. Zu diesen Autoren gehörten unter anderem Karl Engisch799 sowie Hans Julius Wolff800. Steuerrechtliche Tatbestände sind nicht immer gleich und es lassen sich auch nicht immer für jeden Sachverhalt spezielle Regelungen treffen. So war und ist der Typus bzw. die typische Betrachtungsweise in einem »Mas-
796 Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer, S. 66. 797 Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes, S. 37. 798 Über Gegenstand und Methoden des völkischen Rechtsdenkens, 1938; ders. in Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 443ff. 799 Die Idee der Konkretisierung, S. 264. 800 Wolff, Typen im Recht und in der Rechtswissenschaft, S. 195ff.
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senverfahren« wie der Steuergesetzgebung801 ein willkommenes Werkzeug der juristischen Methodenlehre802, um mindestens einer plausiblen Argumentation nahe kommen zu können. Das nicht unproblematische Verhältnis der Typenlehre zu den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit hat zwangsläufig auch namhafte Kritiker auf den Plan gerufen. Eine vom Gesetzgeber vorgegebene abstrakt-generelle Regelung mit Wertungsspielraum hinterlässt grundsätzlich Zweifel an der Schaffung rechtsstaatlicher Paradigmen, die zu überzeugenden und in der Summe nachvollziehbaren Ergebnissen führen können. So titulierte Rüthers, einer ihrer leidenschaftlichsten und in der Sache auch deutlichsten Kritiker, die Typuslehre als »Anleitung zum fortgesetzten methodischen Blindflug«.803 Florstedt804 weist nicht ganz zu Unrecht darauf hin, dass der Typus Rechtsstreitigkeiten provoziere und er verantwortlich dafür sei, dass Richter sowie Hochschullehrer ihre Zeit mit derart sinnlosen Methodenfragen verbringen würden (gemeint hat er damit wohl »vergeuden«). Auch Gustav Radbruch gehörte zu ihren Kritikern.805 Das Bundesverfassungsgericht vermeidet in seiner Entscheidung mit der Verwendung der Lehre vom Typus die sich eigentlich aufdrängende Frage nach den Anforderungen, die im Rahmen einer Grundrechtsprüfung an die Typenlehre zu stellen sind. In der Luftverkehrssteuerentscheidung806 begrenzt es die Zulässigkeit eines Rückgriffs auf Typisierungen zur Verwaltungsvereinfachung auf Fallgestaltungen, in denen sich die Regelung »realitätsgerecht am typischen Fall« orientieren müsse und ein vernünftiger sowie einleuchtender Grund einer so vorgenommenen Differenzierung vorhanden sei.807 Die Differenzierung in Freiberuflichkeit einerseits und Gewerblichkeit andererseits ist in der Praxis nicht als »realitätsgerecht« zu bewerten, zumal schon die Begrifflichkeit keine klaren Konturen aufweist. Ein soziologischer Typus808 muss nicht in gleicher Weise über die abgrenzungsfähigen Wesensmerkmale verfügen, die ein rechtlicher Typus vorweisen muss. Schon das Ausweichen auf einen »soziologischen Begriff« verführt zu unreflektiertem Missbrauch des Typus im Recht. Der Gesetzgeber hat einen Berufskatalog vorgegeben, dessen 801 Ausführlich dargestellt bei Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise im Steuerrecht. 802 Strahl, ebenda, S. 298, insbes. 306 zum einkommenssteuerlichen Gewerbebegriff. 803 Rüthers, Anleitung zum fortgesetzten methodischen Blindflug, NJW 1996, S. 1249, 1251; kritisch auch Puppe, Der Umgang mit Definitionen in der Jurisprudenz, S. 79ff. 804 Typusbegriffe, StuW 2007, S. 314, 323. 805 Radbruch, Klassenbegriffe und Ordnungsbegriffe im Rechtsdenken, in: Revue internationale de la Theorie du droit, XII (1938), neu gedruckt 1966, S. 46ff. 806 BVerfG vom 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11 Rdnr. 66. 807 In diesem Sinne auch BVerfGE 123, S. 1, 19. 808 So müsste man ihn bezeichnen, wenn er, wie das Verfassungsgericht feststellt, aus einer bestimmten gesellschaftlichen Situation heraus entstanden ist. Daraus kann keinesfalls zwangsläufig eine rechtliche Kategorie gebildet werden.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Schlüssigkeit und Stimmigkeit sich am sog. Idealtypus809 oder Ausgangstypus der freien Berufe auszurichten hat. Dieser Prüfung hält der Katalog nicht durchgängig stand. Es ist auch kaum nachvollziehbar, dass sich allein aus einem Rückgriff auf »diffus anmutende, bloß soziologische Aspekte oder einen sachlich unbestimmten Typusbegriff des Freien Berufs«810 konkrete Rechtsfolgen ableiten lassen sollen. Ebensowenig konnte ein »vernünftiger« oder »einleuchtender« Grund für die gesetzgeberische Differenzierung gefunden werden. In einer früheren Entscheidung hat das Verfassungsgericht811 eine Gleichbehandlung von typischen Sachverhalten auch dann für hinnehmbar gehalten, wenn in Einzelfällen aus der Typik herausfallende Betroffene dadurch zweckwidrig belastet sein könnten. Voraussetzung dafür soll aber sein, dass eine »Härte« nur unter Schwierigkeiten vermeidbar ist, sie nur eine kleine Anzahl von Adressaten betreffe und der Gleichheitsverstoß nicht sehr intensiv sei.812 Dabei zieht das Gericht die Grenze dort, wo Typisierungen im Missverhältnis zu den mit der Vereinfachung verbundenen Vorteilen stehen. Dem Äquivalenzgedanken als möglicher Steuerzweck könnte wesentlich besser und dann auch für die Praxis vereinfachend durch das Kriterium der eigenpersönlichen Leistung, statt mit der Unterscheidung nach bloßer Begrifflichkeit, entsprochen werden. Allein schon die Vielzahl von Abgrenzungsstreitigkeiten ist Beleg dafür, dass man diesen Voraussetzungen mit der pauschalen Unterscheidung in Gewerbe und freier Beruf im Sinne einer Vereinfachung auch in einem Massenverfahren nicht gerecht wird. Hinzukommt, dass angesichts der Vielzahl gewerblicher und freiberuflicher Klein- oder sogar Kleinstbetriebe nicht nur wenige Steuersubjekte benachteiligt werden und es sich insofern keineswegs nur um eine kleine Anzahl von Unternehmen handelt, die von der Typisierung benachteiligt werden. Es ist auch nicht zwingend, aus traditionell überlieferten Gründen eine Berufsgruppe generell besserzustellen, statt eine alle Unternehmen in gleicher Weise treffende Gewerbesteuer/Unternehmenssteuer einzuführen, ob sie nun freiberuflich oder gewerblich sind. Deshalb wäre die »Härte« nur für gewerbliche Berufe nicht zwingend gewesen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts belegt, dass sich die Problematik der Anwendung sowie die Auseinandersetzung um die Stellung des Typus in der Rechtsordnung und der daraus ableitbaren »typischen Betrachtungsweise« zunehmend in die Prüfung und Lösung verfassungsrechtlicher Fragen im Steu809 Max Weber sieht den Idealtypus als Utopie, der, wenn alle Merkmale erfüllt sind, ein Rechtsbegriff wäre (Die »Objektivität« sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis in Winkelmann (Hrsg.), Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre ,1951, S. 146, 191 bzw. 193). 810 So zutreffend Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 533. 811 BVerfGE 100, S. 59, 90. 812 BVerfGE 100, S. 59, 90.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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errecht verlagert hat.813 Diese Erkenntnis gebietet aber, dass die typische Betrachtungsweise, wenn man sie für die Fruchtbarmachung im Rahmen einer Willkürprüfung nutzt, restriktiv angewendet werden muss und sich strenger als es die Praxis oft genug tut, an dem Zweck einer gesetzlichen Regelung, für deren Anwendung sie benötigt wird, orientiert. Typisierung dürfe, so der Bundesfinanzhof, »nur mit einer gewissen Vorsicht angewandt« werden und »nicht dazu führen, über die Besonderheiten im Einzelfall hinwegzugehen und ungleiche Fälle gleich zu behandeln«. Dieser Aussage kann einschränkungslos zugestimmt werden. Ohne Restriktionen bietet man dem Gesetzgeber, aber auch den die Gesetze auslegenden Gerichten, zu großen Spielraum bei der Bewältigung der so streitanfälligen Abgrenzung und hält beide unter Umständen von einer stringenten überzeugenden Gesetzesfassung bzw. Gesetzesanwendung ab.814 Die Rechtslage der Abgrenzung der beiden Erwerbsgruppen »freier Beruf« und »Gewerbe« ist für eine derartige Entwicklung signifikant. »Keinesfalls darf der tatsächliche Sachverhalt durch einen üblichen Sachverhalt ersetzt werden« mahnt in diesem Zusammenhang Paul Kirchhof.815 Eine interessante Auffassung wird vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg816 vertreten. Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht in der Luftverkehrssteuerentscheidung fordert es, bei einer Gebührenbemessung durch Satzung dürfe der Satzungsgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit Sachverhalte typisieren, solange für die Differenzierung ein sachlich einleuchtender Grund bestehe.817 Dem Normgeber sei es gestattet, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in gewisser Weise so zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei Besonderheiten des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben. Das Abweichen der Einzelfälle stelle dann die Entscheidung des Satzungsgebers/Normgebers nicht in Frage, solange nicht mehr als 10 v. H. der Sachverhalte davon betroffen seien. Man müsse demnach in bis zu 10 v. H. aller Sachverhalte mit einer Ungerechtigkeit im Einzelfall leben.818 Mit dieser Auffassung wollte das Gericht die vom Bundesverwaltungsgericht819 813 Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 320f. und Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise, S. 280f. 814 Dennoch hält das Bundesverfassungsgericht die Typisierung auf der Ebene der Normsetzung für akzeptabel (BVerfGE 101, S. 297, 301f.). 815 In JbFSt 1979, S. 254, 260. 816 OVG Lüneburg, Urteil vom 27. 06. 2011, 9 LB 168/09, Rdnr. 32. 817 BVerwG Urteil vom 19. 12. 2007, BN 06/07. 818 In diesem Sinne, ohne aber eine konkrete Quote zu nennen, auch BVerfGE 100, S 59, 90. Unzulässig sei die Typisierung, wenn deren Folgen in einem Missverhältnis zu den damit verbundenen Vorteilen steht und sich dies für den Betroffenen im Zusammenhang mit einem Grundrecht als nachteilig erweist. 819 BVerwG NVwZ 2009, S. 255.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
geforderte »Typengerechtigkeit« sichern. Es muss aber wohl bezweifelt werden, dass diese »Prozentlösung« für sich den Anspruch einer verfassungskonformen Lösung erheben kann. Der sorglose Umgang mit der Lehre vom Typus bzw. mit der typischen Betrachtungsweise, wie dies leider in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zur Rechtfertigung der Differenzierung freier Berufe zum Gewerbe im Rahmen der Gewerbesteuerpflicht zu erkennen ist, führt zwangsläufig auch zu Zweifeln an der Wahrung der Prinzipien der Rechtssicherheit und damit auch Bestimmbarkeit.820 So ist nachvollziehbar, dass die Offenheit bzw. auch Flexibilität des Typus dazu verführt, dass statt des »Gleichen« nur das »Ähnliche« getroffen wird.821. Deshalb wird auch immer wieder bestritten, dass die typische Betrachtungsweise im Rahmen einer in die Rechte des Bürgers eingreifenden Verwaltung zur Differenzierung von Sachverhalten genutzt werden darf822. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat diese Problematik, möglicherweise auch unbewusst, offenherzig benannt: »Ausschlaggebend für eine Zuordnung unter den Typus »freier Beruf« ist nur, dass in einer Gesamtbewertung eine deutlich überwiegende Vielzahl der ausschlaggebenden Aspekte im Einzelfall erfüllt ist. …Nur so wird es möglich, bestimmte Zweifelsfälle, etwa Seelotsen oder Hebammen, die allgemein als Freiberufler anerkannt sind, …rechtlich als Freiberufler einzustufen.«
»Bestimmte Zweifelsfälle« scheint es angesichts der hohen Zahl von Entscheidungen vor allem der Finanzgerichtsbarkeit sehr viele zu geben. Dieser Zustand darf dann aber nicht mit Kriterien wie »eine deutliche überwiegende Vielzahl der ausschlaggebenden Aspekte« zum Lotteriespiel verkommen. Felix823 hat in seinem Vorwort für die Untersuchung von Strahl zur typisierenden Betrachtungsweise im Steuerrecht gemahnt, eine Typisierung müsse erforderlich und realitätsgerecht sein und unterliege dem Mäßigungsgebot. Auch die Steuervereinfachung habe Grenzen. So heißt es bei ihm wörtlich: »Ein Kollaborateur des Rufers nach Steuervereinfachung, der diese wohl beschwört, aber nicht beherzigt, ist der typisierende Betrachter, denn dieser schwingt ein grobes Messer, welches von ihm eher willkürlich gebraucht wird, insbesondere wenn es ihm 820 Das Problem der Rechtssicherheit sieht Heun in H.Dreier, Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 77. Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise, S. 280f., meint dagegen, nur ein flexibler und offener Typus könne dem Rechtsstaatsgebot gerecht werden. 821 So Jerusalem, Die Zersetzung im Rechtsdenken, S. 77ff. 822 Hahn, Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung, S. 25 unter Berufung auf Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort, 1968, S. 32. Kritisch besonders Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1997, S. 307ff.; Radbruch, Klassenbegriffe und Ordnungsbegriffe im Rechtsdenken in Revue Internationale de la theorie du droit XII, 1938, Neudruck 1966, S. 49, der den Klassenbegriff für geeigneter hält, diese Gebote zu erfüllen. 823 Felix in Strahl, Die typisierende Betrachtung im Steuerrecht.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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zweckmäßig erscheint. Das Nachsehen haben die Bürger, die den Typisierungsschaden einzeln oder gruppenweise zu tragen haben.«
Die typische Betrachtungsweise führt, wenn von ihr undifferenziert und leichtfertig Gebrauch gemacht wird, immer zu Einzelfallentscheidungen ohne methodisch nachprüfbar zu sein und so auch häufig genug zu unbefriedigenden und ungerechten Ergebnissen.824 Die von ihren Befürwortern ins Feld geführte Möglichkeit einer besseren Einzelfallgerechtigkeit durch die Offenheit des Typus kann dann nicht realisiert werden, wenn über die typische Betrachtungsweise, wie bei der Abgrenzung des freien Berufs zum Gewerbe, lediglich abstrakt die Gruppenzugehörigkeit festgestellt und damit schon die Entscheidung über eine Gewerbesteuerbefreiung oder andere gesetzliche Vergünstigungen determiniert wird. Die Gruppenzugehörigkeit ist zu grob und schließt eine nicht unerhebliche Zahl dienstleistender, kleiner und eigenpersönlich tätiger gewerblicher Unternehmer aus der Begünstigung aus. Sie bildet dann nur eine Argumentationsfassade zur Bewahrung der freiberuflichen Sonderstellung ohne Berücksichtigung des eigentlichen Steuerzwecks. Die Bildung eines Typus »Freier Beruf« wäre auch dann, wenn er hinreichend abgrenzbar wäre, für die Beantwortung der Frage nach einer Sonderstellung seiner ihm zugeordneten Berufe wertlos. Er hat keinerlei Affinität zum Gesetzeszweck der Gewerbesteuer. Eine Missachtung des steuerlichen Bestimmtheitsgebots als Anforderung der Rechtsstaatlichkeit dürfte so evident sein.825
4.
Die Belastung der Justiz und die »abenteuerliche Kletterwand des Einkommensteuerrechts«826
Mit der abschließenden Erledigung des wegen des prozessualen Ablaufs insgesamt für die deutsche Justiz unrühmlichen Verfahrens ist die Diskussion um die Gewerbesteuer und deren Sinn aber noch keineswegs beendet. Vielleicht, so kann man mutmaßen, war der »Brocken Gewerbesteuer«827 dann doch für das Gericht zu groß, so dass das Problem nur von der Politik gerichtet werden kann. 824 Dazu Schenke, Die Rechtsfindung, S. 332f. A. A. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, 2005, S. 40: »Typusbegriffe ermöglichen eine erhöhte Anpassungsfähigkeit des abstrakten Gesetzes an konkrete Lebenssituationen und können so größere Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen, …«. 825 Lang, Rechtsstaatliche Ordnung des Steuerrechts in Tipke/Lang, Steuerrecht 2003, 18. Aufl., § 4 Rdnr. 150f. 826 So wörtlich ein Teil der Überschrift von Pezzer in seinem Beitrag in der Festschrift für J.Lang, S. 491. 827 Das vermutet Selder, Verfassungsrechtliche Aspekte der Gewerbesteuer als Objektsteuer, FR 2014, S. 174, 178. Dieser Vermutung schließt sich Drüen in Blümich, EStG-Kommentar, § 2 Rdnr. 10 an.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
So wurde im Jahre 2010 seitens der Fraktion »Die Linke« im nordrheinwestfälischen Landtag (siehe Kapitel G Ziff. II) sowohl mit politischer als auch mit fiskalischer Begründung der Versuch einer Überwindung der sich immer noch stellenden Gesamtproblematik der Sinnhaftigkeit dieser Abgrenzung besonders im Steuerrecht unternommen.828 Über den Bundesrat sollte die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen die Diskussion über die Einführung der im Jahre 2003 schon einmal von der damaligen Bundesregierung vorgeschlagenen Gemeindewirtschaftssteuer829 wiederbeleben. Diese Bemühungen scheiterten jedoch bereits im dortigen Landtag. Hartmann830 hat nach der Entscheidung des BVerfG vom 15. 01. 2008 festgestellt »Totgesagte leben länger«. Gemeint war damit selbstverständlich die Gewerbesteuer, deren Ende in der steuerrechtlichen Literatur schon beschworen wurde831, und das bereits vor den beiden substantiellen Reformen, die die Gewerbesteuer in ihrem Charakter hin zu einer reinen Ertragssteuer verändert haben. Die Kritik an der geltenden Rechtslage wird teilweise sarkastisch und ironisch geführt. Man kann wohl davon ausgehen, dass Tipke832 sich mit der Wiedergabe des Verlaufs einer mündlichen Verhandlung des Finanzgerichts Münster833 über die bestehende Rechtslage eher lustig gemacht hat. Um als freiberuflich tätige Berufsträgerin anerkannt zu werden, wurde eine Klägerin vom Gericht zur Feststellung des Vorhandenseins einer höheren Ausbildung bzw. Qualifikation geprüft. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass die Klägerin sich in der mündlichen Verhandlung außerstande sah, die vom Gericht gestellten Aufgaben zu lösen. Trotz Fachabitur in Mathematik und Sozialwissenschaften konnte sie aus einer vorgegebenen Kostenfunktion zweiten Grades bei konstantem Preis des produzierten Gutes weder den Umsatz, die Grenz- und Durchschnittskosten noch Gewinnfunktionen ableiten. Ebenso wenig war sie in der Lage, die Gewinnschwelle, die Ausbringungsmenge mit dem maximalen Stückgewinn und die gewinnmaximale Ausbringungsmenge zu bestimmen. Sie war auch nicht in der Lage, ein aus drei linearen Gleichungen bestehendes Gleichungssystem aufzustellen und aufzulösen. Das Gericht meinte, daraus ableiten zu können, dass die Klägerin keine aus einem betriebswirtschaftlichen Studium erworbenen vergleichbaren Kenntnisse hätte. Ebenfalls amüsant ist die 828 Entscheidungsantrag vom 29. 10. 2010 Drucks. Landtag Nordrhein-Westfalen, 15. Wahlperiode., Nr. 15/458. 829 Einzelheiten dazu in Kapitel 8. 830 Hartmann, Bestandsschutz, BB 2008, S. 2490. 831 Übersicht über die denkbaren Alternativen (Gemeindewirtschaftssteuer, Unternehmenssteuer, Integration in Einkommenssteuer) bei Müller-Gatermann, Gewerbesteuer – quo vadis?, in Festschrift Raupach 2006, S. 81ff.; Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 625f., wenn auch widerwillig; Hey in Tipke-Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., 2018, Rdnr. 427. 832 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., S. 696. 833 FG Münster, EFG 1995, S. 26.
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von Tipke in den Raum gestellte Frage, ob Tanzlehrerinnen in einer mündlichen Verhandlung zur Überprüfung ihrer Freiberuflichkeit eventuell sogar dem Gericht als Voraussetzung ihrer Anerkennung vortanzen müssten.834 Die Kritik Tipkes835 an der bestehenden Rechtslage und wie die Rechtsprechung damit umzugehen pflegt, wird dann aber wieder ernst, indem er sich die Meinung von Caspers836zu eigen gemacht hat, es sei zwar noch nie ein Steuergesetz wegen Unbestimmtheit für verfassungswidrig erklärt worden, davon müsse aber im Zusammenhang mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und der Abgrenzung beider Berufsbereiche mit dem Merkmal »ähnlicher Beruf« eine Ausnahme gemacht werden.837 Lang838, der sich immer sehr deutlich gegen die Zumutung gewehrt hat, die die Gesetzeslage besonders der Justiz bereitet habe, wies in einem Beitrag in der Schriftenreihe des Bundesfinanzministeriums darauf hin, die enumerative Aneinanderreihung von verschiedenen Berufstätigkeiten in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sei nicht nur kompliziert und provoziere eine Fülle von Abgrenzungsfragen, sie löse auch eine berufs- und klassenabhängige Besteuerung aus. In dem von ihm noch in der 18. Aufl. des »Tipke/Lang«839 verantworteten Kapitel über die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit hat er gemutmaßt, das Bundesverfassungsgericht wollte sich nach dem Weggang des ausgewiesenen Steuerexperten Paul Kirchhof nicht weiter mit diesem heiklen Thema befassen. In der Tat ist diese Spekulation nicht ganz abwegig gewesen, denn die begrenzte Bereitschaft des zuständigen Senats zur Revision seiner bisherigen Rechtsprechungslinie indizierten auch zwei ablehnende Entscheidungen in Verfassungsbeschwerdeverfahren. Dort ging es um die Beschwerde eines Insolvenzanwalts gegen ein Urteil des Bundesfinanzhofs840sowie einer gar nicht erst angenommenen Beschwerde eines »Fußreflexzonenmasseurs«841. Auch der Umgang des zuständigen 1. Senats mit den bereits erörterten Vorlagebeschlüssen des Finanzgerichts Niedersachsen in dem Verfahren, das zur Entscheidung vom 15. 01. 2008 geführt hatte, könnte auf eine gewisse »Unlust« schließen lassen. Güroff842 drückt seine Einschätzung der derzeitigen Gesamtsituation nicht minder deutlich aus. Man müsse an all den Ungereimtheiten der einseitigen Privilegierung der freien Berufe in der gegenwärtig praktizierten Form schon 834 835 836 837 838 839 840 841 842
Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 696. Ebenda. Die Besteuerung freiberuflicher Einkünfte, S. 121, 122f. In diesem Sinne auch Freier, Der Tatbestand der freien Berufe als Anknüpfungspunkt für Steuerrechtsdifferenzierungen, 1996. BMF-Schriftenreihe Heft 49, 1993, Rdnr. 557. Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 9 Rdnr. 427. Kammerbeschluss 1 BvR 437/02 vom 05. 03. 2003, BFH BStBl. 2002 III, S. 202. Kammerbeschluss 1 BvR 2317/02, vom 09. 07. 2003, BFH BStBl. 2003 III, S. 21. Güroff in Güroff/Glanegger, GewStG, § 2, Rdnr. 236.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
»vorbeisehen«, um sie für unbedenklich zu halten. So konnte man vor der Entscheidung die Hoffnung haben, dass das Verfassungsgericht sich angesichts der sehr fundierten und gründlich erarbeiteten Vorlage des Finanzgerichts Niedersachsen843 seinerseits ebenso intensiv mit dessen Argumenten auseinandersetzen und kritisch die bisherige eigene Rechtsprechung hinterfragen würde. Die Kritik aus der Wissenschaft an der bestehenden Rechtslage verstärkte zudem den Druck auf das Gericht.844 Die Erwartungen an einen Richtungswechsel seiner bisherigen Auffassung zu einem Gleichheitsverstoß, wie Pezzer ihn wohl auch erhofft hatte und in seinem Beitrag für J. Lang845 und für die Zukunft weiterhin fordert, wurde vom Gericht jedoch enttäuscht.846 Bei all dieser Kritik an der Rechtslage sowie der unangemessenen Belastung deutscher Finanzjustiz mit teilweise absurd erscheinenden Prozessverfahren und angesichts schier endloser Aneinanderreihung von Berufsbeispielen in den Kommentaren zu § 18 EStG847, die schon Gegenstand gerichtlicher Verfahren waren, fragt man sich, weshalb der Gesetzgeber diesem Zustand nicht längst ein Ende bereitet hat. Hier werden Ressourcen vergeudet, die unter dem Strich besser, vor allem auch wirtschaftlicher, genutzt werden könnten. Als symptomatisch für das Teilversagen auch der Rechtsprechung ist, dass beispielsweise die Freiberuflichkeit eines sog. Heilhilfsberufs nach früherer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs848 noch von einer staatlichen Anerkennung seiner Ausbildung abhängig gemacht wurde. Lang849 hat dazu das Beispiel eines nach niedersächsischem Landesrecht staatlich anerkannten medizinischen Fußpflegers vorgestellt, der in Nordrhein-Westfalen als Gewerbetreibender steuerlich veranlagt wurde, weil es dort keine staatliche Anerkennung gab. Das Finanzgericht Niedersachsen850 hat in seinem Vorlagebeschluss den Finger 843 EFG 1997, S. 1456ff., FR 1998, S. 1041ff. sowie EFG 2004, S. 1065ff. Dazu die lobenden Stellungnahmen u.A. von Seer, Gewerbesteuer im Visier des Verfassungsrechts, FR 1998, S. 1022; Gosch, Einige aktuelle und zugleich grundsätzliche Anmerkungen zur Gewerbesteuer, DStZ 1998, S. 327ff. 844 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Bd., S. 696; Caspers, Die Besteuerung freiberuflicher Einkünfte, S. 121, 122f.; Güroff in Littmann/Bitz/Prust,EStG, § 18 Rdnr. 8; Hey in Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 8 Rdnr. 426; Habscheidt, Einkünfte des Rechtsanwalts als Betreuer -Die marode Gewerbesteuer als Kostenfaktor NJW 2005, S. 1257ff.; Seer, Gewerbesteuer im Visier des Verfassungsrechts, FR 1998, S. 1022ff. 845 In Festschrift für J. Lang, S. 510. 846 Diese enttäuschte Hoffnung beklagen auch Hartmann, Bestandsschutz für die Gewerbesteuer, BB 2008, S. 2490ff. und Selder, Verfassungsrechtliche Aspekte der Gewerbesteuer als Objektsteuer, FR 2014, S. 174ff. 847 Wacker in Schmidt, EStG, § 18 Rdnr. 155; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 275. 848 BStBl. 2003 III, S. 21; BStBl. 2003 III, S. 721. 849 BStBl. 2002 III, S. 149. 850 3. Vorlagebeschluss, Rdnr. 226.
Steuerrechtliche Abgrenzungen
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an die Wunde der geltenden Rechtslage gelegt, indem es auf die Streitigkeiten in einem Grenzbereich zwischen freiem Beruf und Gewerbebetrieb verweist, in dem jeder Berufsträger versucht, dieser »Sondersteuer« auszuweichen. Die seit Jahrzehnten daraus folgende hohe Belastung mit Rechtsstreitigkeiten sei gerichtsbekannt. Pezzer hat die Mühsal des Umgangs mit der Unterscheidung in freiberuflich und gewerblich als »Kletterwand des geltenden Einkommensteuerrechts« beschrieben. Der Titel ließ heftige Kritik an der Rechtsprechung nicht nur der Finanzgerichte, sondern besonders auch des Bundesverfassungsgerichts, erwarten. Der insoweit erwartungsvolle Leser wird leider etwas enttäuscht. Die in Pezzers Schlussbemerkung851 dokumentierte Zustimmung zu Langs Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, besonders aber am Gesetzgeber, die unterschiedliche Behandlung sei evident gleichheitswidrig, wird in seiner eher milden und von gewissen Hoffnungen auf zukünftige Entscheidungen getragenen Bewertung geschwächt. Er meinte, die vom Gericht herausgestellten Merkmale für eine typisierende Unterscheidung, wie die besondere Qualifikation, die schöpferische Begabung, die unabhängige Erbringung der Arbeit sowie das besondere Vertrauensverhältnis, seien neben der eigenpersönlichen Leistung ohne den Einsatz wesentlicher Produktionsmittel und personalintensiver Tätigkeit in Grenzfällen durchaus zur Abgrenzung freier Berufe zu Gewerbebetrieben nützlich.852 Wenn er damit glaubt, dass eine soziologische Unterscheidung mit diesen Kriterien gelingen könne, mag man ihm zustimmen können. Für eine gewerbesteuerlich relevante Differenzierung sind diese Merkmale mit Ausnahme der eigenpersönlichen Leistung ohne erheblichen Kapital- und Personaleinsatz jedoch unbrauchbar. Mit dem Merkmal der eigenpersönlichen Leistung des Berufsträgers ließe sich immerhin begründen, weshalb der Erbe eines freiberuflichen Unternehmers, sofern er nicht selbst ebenfalls Berufsträger ist, bei Fortführung des Unternehmens (dann wohl durch fachlich qualifizierte Mitarbeiter) gewerbesteuerpflichtig werden muss.853 Schwieriger dagegen wäre es, nachzuvollziehen, dass bei einem sofortigen Verkauf dieser Vorgang als freiberuflich und daher gewerbesteuerfrei854 beurteilt werden kann. Allerdings müsste das auch für den freiberuflichen Berufsträger gelten, weil er mit dem Verkauf keine eigenpersönlichen Leistungen mehr erbringt.
851 Pezzer in Festschrift für J. Lang, S. 491, 510. 852 Pezzer, ebenda. 853 BFH BStBl. 1994 II, S. 922; Stuhrmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, Kommentar, Loseblatt, § 18 Rdnr. A16. 854 Ebenda.
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II.
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Die freien Berufe im Gewerberecht
Jeder Gewerbetreibende hat gem. § 14 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) die Aufnahme seiner Tätigkeit bei dem für den Standort seines Gewerbes zuständigen Gewerbeamt anzumelden. Allein der Umstand, dass mit der Anmeldung eine geringfügige Verwaltungsgebühr ausgelöst wird, könnte vermutlich niemanden veranlassen, sich auf einen Rechtsstreit über die Frage der Freiberuflichkeit seiner Berufstätigkeit einzulassen. Anders würde der Betroffene wohl reagieren, wenn er befürchten müsste, dass das Finanzamt die Gewerbeanmeldung zum Anlass nimmt, die Tätigkeit des Steuerpflichtigen von vornherein als gewerblich zu bewerten mit der Konsequenz der grundsätzlichen Gewerbesteuerpflicht. Tatsächlich ist das Gewerbeamt bei jeder Anmeldung eines Gewerbebetriebes zur informellen Weitergabe dieses Vorgangs an das zuständige Finanzamt verpflichtet.855 Die vom Gesetzgeber zur steuerlichen Entlastung der Gewerbetreibenden eingeführten und auch nicht unerheblichen gewerbesteuerlichen Freibeträge dürften vor dem Hintergrund anfänglich begrenzter Einkommenserwartungen wohl nicht dazu führen, dass sich viele Gewerbetreibende Gedanken darüber machen, die Gewerbeanmeldung zu verweigern und gegen einen entsprechenden Zwangsbescheid vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Das Klageverfahren eines Berufsbetreuers bis zum Bundesverwaltungsgericht856 dürfte vermutlich eher der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass bei einer Einstufung als Gewerbetreibender das zuständige Gewerbeamt die gesamte Betreuungstätigkeit des Klägers zusätzlich neben der ohnehin geregelten Aufsicht durch das Amtsgericht überwachen kann.857 Der Kläger in dem Verfahren scheiterte zunächst vor dem Verwaltungsgericht und dann auch vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg858 mit seiner Klage gegen die Anmeldeverpflichtung seiner Berufsbetreuertätigkeit nach der Gewerbeordnung und damit zugleich auch der gewerberechtlichen Einstufung seiner Tätigkeit als freier Beruf. Anders als in steuerrechtlichen Verfahren musste er keinen einzelnen Beruf aus dem Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als seiner Tätigkeit ähnlich benennen. In beiden Instanzen (Finanzgericht und Bundesfinanzhof) standen allein die allgemeinen, die freiberufliche Arbeit charakterisierenden Wesensmerkmale 855 § 138 Abs. 1 Abgabenordnung. 856 BVerwG NJW 2008, S. 1974f. 857 Das deutet das Berufungsgericht (OVG Lüneburg, Urteil v. 29. 08. 2007, 7 LC 125/06 Rdnr.3) in diesem Verfahren an. Die Überwachungsmöglichkeit und eine evtl. Zuverlässigkeitsprüfung durch die Ordnungsbehörden gibt der Verpflichtung, ein Gewerbe anzumelden, ihren tieferen Sinn (BVerwG NJW 1977, S. 772). 858 OVG Lüneburg vom 29. 08. 2007, 7 LC 124/06.
Die freien Berufe im Gewerberecht
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im Vordergrund. Das sind zunächst die auch bei gewerblicher Berufsausübung relevanten Kriterien einer selbstständigen Tätigkeit auf eigene Rechnung, eine zulässige Betätigungsform, die auf Dauer angelegt sein muss und die Gewinnerzielungsabsicht859 zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.860 Alles Kriterien, die so auch die freiberufliche Tätigkeit und selbstverständlich auch die des Berufsbetreuers kennzeichnen. Einigermaßen verblüffend ist dann aber doch die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts zu den erforderlichen weiteren Merkmalen, die die Abgrenzung beider Berufsgruppen überhaupt erst ermöglichen sollen. In seiner das Verfahren abschließenden Entscheidung meinte es dazu, der Begriff des freien Berufs sei als negatives Element des Gewerbebegriffs hinreichend geklärt.861 Widersprüchlich dazu ist dann aber seine weitere Aussage, dass der freie Beruf nicht definierbar sei und man insoweit zunächst von einem soziologischen Begriff ausgehen müsse, der aus der gesellschaftlichen Situation des frühen Liberalismus zur Kennzeichnung eines Sachverhalts hervorgegangen sei. Eine hinreichende Klärung ist daraus keinesfalls erkennbar. Dennoch weist das Gericht darauf hin, es habe schon in anderen Entscheidungen dem Begriff des freien Berufs für den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung »hinreichende Konturen« gegeben. Diese Konturen sieht der Senat in der wissenschaftlichen, künstlerischen oder schriftstellerischen Tätigkeit oder in einer Dienstleistung »höherer« Art, das heißt, dass es grundsätzlich eines abgeschlossenen Hochschul- oder Fachhochschulstudiums bedürfe, um einen freien Beruf auszuüben. In Ermangelung einer für das Gewerberecht verbindlichen Begriffsbestimmung, sei zur »Ausgrenzung aus dem Gewerbebegriff jedenfalls eine Betätigung zu fordern, die, wenn auch nicht in allen Elementen, so doch im Typus der Umschreibung des Begriffs des Freien Berufes in der seit Langem gefestigten Rechtsprechung des BVerwG entspricht«.
Am Ende der Begründung wird dann vom Gericht aber doch nicht ganz so viel »Höheres« verlangt, denn es richtet dieses Merkmal an § 1 Abs. 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz aus, der seinen Anwendungsbereich nicht an der wissenschaftlichen Ausbildung, also einer Hochschulausbildung festmacht, sondern lediglich an einer »besonderen beruflichen Qualifikation«. Dem Bundesverwaltungsgericht muss wohl klar gewesen sein, dass die seit langem gefestigte Tradition der Existenz freier Berufe dann doch keine so »hinreichenden Konturen« kennt. Wie sonst wäre zu erklären, dass ein Teil der Katalogberufe 859 Geregelt im Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern vom 21. 04. 2005, BGBl. 2005 I, S. 1073, 1076. 860 BVerwG NJW 2008, S. 1974. 861 BVerwG ebenda.
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und auch die als ähnlich anerkannten Tätigkeiten weder eine Hochschul- noch eine Fachhochschulausbildung verlangen. Schließlich stellt es auch die traditionellen Wurzeln der Freiberuflichkeit in den Vordergrund seiner Überlegungen. Was das Gericht früher in der »seit Langem gefestigten Rechtsprechung« als richtig erkannt habe, soll auch heute noch gelten. Die Erinnerung an die Bildung des soziologischen Begriffs der freien Berufe in der Zeit des frühen Liberalismus muss aber zugleich bewusst machen, dass damals vor allem Heilkundige und Rechtsgelehrte davon erfasst waren. Heute ist von dieser damals klaren Kontur nichts übriggeblieben. Wenn das Phänomen »freier Beruf« lediglich zum »Typus der Umschreibung«, bei dem nicht alle Elemente vorliegen müssen862, fähig ist, können Zweifel gehegt werden, ob die Behauptung, der Begriff des freien Berufs sei »hinreichend geklärt« und verfüge über »klare Konturen«, richtig ist. So weist Mann863 in seiner Urteilsanmerkung zu Recht darauf hin, dass die im Gewerberecht den freien Beruf kennzeichnenden Merkmale auch über keine »trennscharfe Distinktionswirkung« verfügen würden, vielmehr beinhalte auch dieser Typus ein »elastisches Merkmalsgefüge«, dessen Elemente nicht alle erfüllt sein müssten. Eine besondere Ausbildung oder auch nur Berufstätigkeit »höherer Art« wird als Berufsvoraussetzung eines Berufsbetreuers nicht verlangt, das fordern auch andere als freiberuflich anerkannte Berufsbilder nicht. Der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts auf die Gebührenregelung in § 4 Abs. 1 des Vormünderund Betreuervergütungsgesetzes864 bestätigt diese Einschätzung, weil andernfalls nicht nachvollziehbar wäre, weshalb die Gebührensätze nach dem Grad der Ausbildungswertigkeit gestaffelt sind. Weitere Voraussetzung einer Anerkennung als freier Beruf soll die eigen- oder höchstpersönliche Leistung des Berufsträgers sein. Der Berufsbetreuer erfüllt diese Voraussetzung, er muss seine Leistung ganz persönlich erbringen (§1897 Abs. 1 BGB), eine Delegation an Mitarbeiter ist regelmäßig ausgeschlossen.865 Fraglich ist, ob zwischen dem Betreuten und dem Betreuer ein weiteres, mit der eigenpersönlichen Leistung zusammenhängendes Wesensmerkmal freiberuflicher Arbeit, nämlich das eines besonderen Vertrauensverhältnisses zum Kunden/Mandanten/Patienten, hier zum Betreuten, bestehen muss bzw. überhaupt bestehen kann. Die Vorschrift des § 1897 Abs. 6 BGB fordert, dass statt eines Berufsbetreuers zunächst eine andere geeignete Person ausgewählt werden soll. Der Berufsbetreuer wird nur dann berufen, wenn sich keine dieser Personen als dafür ge862 863 864 865
BVerwG NJW 2008, S. 1974, 1975. Mann, Der Berufsbetreuer – ein freier Beruf ?, NJW 2008, S. 121, 122. Vom 21. 04. 2005 BGBl. 2005 I, S. 1073. Mann, Der Berufsbetreuer – ein freier Beruf ?, NJW 2008, S. 121,123.
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eignet finden lässt. Im Idealfall schlägt die zu betreuende Person seinen Betreuer selbst vor866, wobei auch die Wünsche eines Geschäftsunfähigen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.867 Kann er das nicht mehr, ist dem Sinn der Regelung des § 1897 Abs. G BGB wohl zu entnehmen, dass das Betreuungsgericht eine Person auswählt, von der man annehmen könnte, dass der Betreute, wäre er dazu noch in der Lage, diese Person selbst bestimmt hätte. Deshalb sollen in erster Linie nahe Angehörige, Verwandte oder Personen mit persönlicher Bindung bevorzugt werden.868 Unverzichtbar ist die Wahrung des über jeder Auswahl stehenden Wohls des zu Betreuenden (§ 1901 Abs. 2 BGB).869 Erst wenn diese Suche scheitert, greift das Gericht auf die Alternative der amtlichen Bestimmung eines Berufsbetreuers zurück. Dessen Bestimmung erfolgt somit subsidiär, so dass diese Auswahl dann nur die »Ultima Ratio« ist. Das abgestufte Bestimmungsverfahren weist aus, dass das Gesetz grundsätzlich von einem Treueverhältnis zwischen dem Berufsbetreuer und dem Betreuten ausgeht und die gesetzliche Auswahlregelung dieser Tatsache auch Rechnung trägt. Das Vertrauen des Betreuten zu seinem Betreuer, wenn er ihn denn nicht selbst bestimmen kann, wird im Verhältnis zum Berufsbetreuer dadurch ersetzt, dass nun das Gericht im Vertrauen auf die korrekte Verwaltung des Vermögens des Betreuten bzw. dessen persönlicher Belange den Berufsbetreuer auswählt. Im Übrigen weist schon der vom Gesetzgeber gewählte Begriff der »Betreuung« auf das Erfordernis eines jedenfalls zu fordernden objektiven Treueverhältnisses zu dem Betreuten hin870, auch wenn dieser das möglicherweise wegen seines Krankheitszustandes nicht mehr selbst bewerten und empfinden kann. Ob aber überhaupt »zwingend« als Voraussetzung der Freiberuflichkeit ein derartiges Vertrauensverhältnis zu fordern ist871, scheint ohnehin mehr als fraglich zu sein. Bei einer Vielzahl der Katalogberufe (Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher oder Übersetzer sowie Handelschemiker) aber auch der ihnen als ähnlich zugeordneten Tätigkeiten (verschiedene Tätigkeitsbereiche eines EDV-Beraters oder EDV-Fachmanns), wird ein besonderes Vertrauensverhältnis schon objektiv nicht gefordert und auch von ihren Vertragspartnern regelmäßig nicht erwartet. Das Bundesverwaltungsgericht lässt den Berufsbetreuer mit seiner Klage schon allein wegen des Fehlens einer Betätigung auf wissenschaftlicher 866 Dieser Vorschlag ist, wenn keine gewichtigen Gründe dagegensprechen, vorrangig zu berücksichtigen (so BayObLG FGPrax 2002, S. 117). 867 BayObLG FamRZ 97, S. 1360. 868 Kammergericht Berlin FamRZ 2006, S. 889; OLG Köln FamRZ 2000, S. 116; Götz in Palandt, BGB, § Rdnr. 18. 869 BayObLG FamRZ 1999, S. 51; Adler, Berufsbetreuer als freier Beruf, 1998, S. 102. 870 In diesem Sinn auch Adler, Berufsbetreuer, S. 207. 871 So Mann, Der Berufsbetreuer – ein freier Beruf ? NJW 2008, S. 121, 123.
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Grundlage scheitern.872 Der Berufsbetreuer erfülle mit seiner Tätigkeit nicht den Typus »freier Beruf«, sie könne so auch von jedermann geleistet werden, weil dafür keine entsprechenden, persönlich einsetzbaren Kenntnisse gefordert würden. Das der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorausgegangene Urteil in der Berufungsinstanz hatte sich zusätzlich noch mit den weiteren Kriterien des soziologischen Begriffs »freier Beruf« befasst. Das Oberverwaltungsgericht873 hat die für freie Berufe geforderte fachliche Unabhängigkeit der Berufsbetreuer verneint, weil seine Entscheidungen nicht kraft eines überlegenen Expertenwissens getroffen würden, sondern nur, weil der Betreute selbst nicht mehr handeln bzw. entscheiden könne.874 Richtig ist, dass der Berufsbetreuer für bestimmte Entscheidungen die Zustimmung des Betreuungsgerichtsgerichts benötigt.875 Gleichwohl sind in der Sache bindende Anweisungen durch das Gericht grundsätzlich ausgeschlossen, Die Regelung des § 1837 BGB legitimiert das Betreuungsgericht (über die Verweisungsnorm des § 1908 i BGB) lediglich zur Beratung des Betreuers sowie zur Aufsicht über dessen Handeln.876 Aus der Tatsache, dass der Berufsbetreuer keiner ausdrücklichen Gemeinwohlverpflichtung unterworfen ist, will das OVG die Freiberuflichkeit auch daran scheitern lassen. Es stellt dieser fehlenden Bindung des Berufsbetreuers die für Journalisten in den Landespressegesetzen festgeschriebene Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gegenüber. Dabei übersieht es, dass die Regelung dort zunächst nur deklaratorischen Charakter hat. Im Rahmen der Darstellung des Berufsbildes des Journalisten bzw. Bildberichterstatters wurden auf die berechtigten Zweifel an einer echten Gemeinwohlbindung und dem entsprechenden Willen der Berufsträger, dieser auch nachzukommen, hingewiesen. Auch wenn sich ein Gemeinwohlaspekt bei Berufsbetreuern in der allgemeinen Wahrnehmung nicht sogleich aufdrängt, erfüllen Berufsbetreuer mit ihrer Berufstätigkeit dennoch eine gewichtige Gemeinwohlaufgabe.877 Sie schließen die Lücke, die sich durch den Stillstand der Handlungsfähigkeit eines Betroffenen auch zu Lasten der Allgemeinheit ergeben könnte. Es kann der Allgemeinheit nicht gleichgültig sein, wenn die Belange kranker Menschen nicht mehr geregelt werden können, nur weil sich in ihrem Umfeld keine zur Übernahme der Betreuung geeignete Person finden lässt. So könnten beispielsweise Mietverträge über Häuser oder Wohnungen der in Heimen untergebrachten, 872 873 874 875
BVerwG NJW 2008, S. 1974, 1975. OVG Lüneburg vom 29. 08. 2007, 7 LC 124/06. OVG Lüneburg, ebenda, Rdnr. 36. § 1904 BGB (ärztliche Maßnahmen), § 1905 BGB (Sterilisation), § 1906 BGB (Unterbringung), § 1907 (Mietwohnung). 876 Götz in Palandt, BGB, § 1837 Rdnr. 1; LG Kempten DAVm 1995, S. 1064 sowie OLG Schleswig, FamRZ 1996, S. 1368. 877 Adler, Berufsbetreuer, S. 102.
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betreuungsbedürftigen Personen nicht geschlossen werden, finanzielle und persönliche Notwendigkeiten müssten ungeregelt bleiben. Eine Vielzahl von Verträgen könnte so nicht mehr abgewickelt werden, was nicht nur volkswirtschaftlich unerwünscht wäre. Nicht ohne Grund wird der »ehrenamtliche« Betreuer als Idealtypus878 des Gesetzgebers im Betreuungsrecht bezeichnet. Ehrenamtliche Tätigkeiten setzten aber in der Regel auch die Erfüllung von Gemeinwohlinteressen voraus. Der von Mann879 auf die Vertreterfunktion für den Betreuten reduzierte Sinngehalt der Betreuertätigkeit ist deshalb zu kurz gegriffen. Ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht hatte auch der Bundesfinanzhof 2004880 einem Berufsbetreuer die Anerkennung als freier Beruf versagt. Im Kern scheiterte dessen Klage daran, dass kein ähnlicher Beruf im Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu finden war und die zusätzlich in Betracht kommende Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (u. a. Vermögensverwaltungen) nicht gegriffen hatte, weil die Tätigkeit des Berufsbetreuers nicht nur vermögensverwaltend sei, sondern sich auch auf die Gesundheitspflege, die Wohnungssituation sowie ggfs. auch auf Aufenthalts- und Umgangsbestimmungen erstreckt. Von dieser Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof im Jahre 2010 in zwei Entscheidungen881 ausdrücklich wieder Abstand genommen und Berufsbetreuer als freiberuflich gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anerkannt. Eine Vergleichsprüfung zu den Katalogberufen war angesichts dieser Zuordnung nicht mehr erforderlich. Beide finanzgerichtlichen Entscheidungen stehen allerdings zu der Sonderstellung freier Berufe im Gewerberecht in keinen rechtlichen Zusammenhang. Der Grund für die Gewerbesteuerbefreiung der Berufsbetreuer und dieser Kehrtwende des Bundesfinanzhofs war und ist auch heute noch die steuerliche Sonderregelung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, der Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit, Vergütungen aus der Vollstreckung von Testamenten, aus Vermögensverwaltungen sowie die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied von der Gewerbesteuer befreit, wie sie auch schon zugunsten der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer im Rahmen vermögensverwaltender Aufgaben relevant wurde. Beide Urteile können wegen dieser steuerrechtlichen Besonderheit keinerlei Einfluss auf die Entscheidung zu der Frage einer Verpflichtung zur Gewerbeanmeldung gem. § 14 GewO haben. Dafür soll ausschließlich die Ab878 Jurgeleit in Jurgeleit, Betreuungsrecht, Einl. Rdnr. 16. 879 Der Berufsbetreuer – ein freier Beruf ?, NJW 2008, S. 121, 124. Zutreffend OVG Lüneburg vom 29. 08. 2007. Rdnr. 37: »…nimmt der Berufsbetreuer damit aber auch Aufgaben wahr, denen über den Nutzen für den Betroffenen hinaus gesteigerte dienende Funktion für die Allgemeinheit in dem bezeichneten Sinn zukommt.« 880 BFH BStBl. 2005 II, S. 288. 881 BFH BStBl. 2010 II, S. 906; 2010 II, S. 909.
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grenzung der freien Berufe zum Gewerbe mit ihren besonderen Wesensmerkmalen entscheidend sein. Auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit legt ihrem Begriff von Freiberuflichkeit Merkmale zu Grunde, die allgemein den freien Berufen zugeschrieben werden. Ebenso wenig wie im Steuerrecht gibt es im Gewerberecht eine spezielle Ausprägung des Begriffs »freier Beruf«. Wenn diese Berufsgruppe, wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend meint882, aus der Situation des frühen Liberalismus erwachsen ist und der freie Beruf dieser Tradition verhaftet ist, gibt es keine plausible Erklärung, den damit erfassten Sachverhalt jeweils an das relevante Rechtsgebiet anzupassen. Es kann nur eine einzige Vorstellung von Freiberuflichkeit883geben, die Begünstigungen nur aus dieser gewachsenen Eigenart ihres Berufsbildes, gemessen am Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung erwarten kann. Diesen richtigen Ansatz nutzt auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg wenigstens als Hilfsargument und erkennt den eigentlichen Zweck einer gewerberechtlichen Anmeldung in der mit der Gewerbeanmeldung möglichen Zulassungsüberprüfung und Gewerbeüberwachung. Es sieht, trotz teilweiser Überschneidungen der Kontroll- und Aufsichtsregelungen zwischen dem Betreuungsgericht nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Gewerbeordnung, jeweils eigenständigen Kontrollbedarf auf Grund unterschiedlicher Aufgabenstellungen.884 Das Betreuungsgericht überwacht den Betreuer im Interesse der Betreuten, das BGB regelt in den §§ 1896ff. das konkrete Betreuungsverhältnis umfassend, einschließlich der Bestellung des Betreuers und hält auch bei Pflichtwidrigkeiten Sanktionsmöglichkeiten bereit (§1908 b BGB). Die Ordnungsbehörden prüfen gem. § 14 GewO gerade auch bei der Gewerbeanmeldung die grundsätzliche finanzielle Zuverlässigkeit des Berufsbetreuers. Sie haben die Möglichkeit, die Betreuertätigkeit von vornherein und generell zu untersagen oder später bei Änderung des bei der Zulassung noch unproblematischen Sachverhalts gegebenenfalls einzugreifen und die Gewerbeerlaubnis zu widerrufen. Allein aus der Zugehörigkeit zu einer der beiden Berufsgruppen dürften auch im Gewerberecht keine relevanten Schlussfolgerungen gezogen werden.885 Insoweit kann wiederum auf den zunehmend wichtiger werdenden und stark expandierenden Beruf des EDV-Beraters oder EDV-Fachmanns sowie auf alle nicht in einer öffentlich-rechtlich organisierten Selbstverwaltungskörperschaft organisierten freien Berufe verwiesen werden. Dieser Situation wird § 6 GewO teilweise gerecht. Die Vorschrift nimmt 882 883 884 885
BVerwG NJW 2008, S. 1974. Im Ergebnis auch Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht, S. 17. OVG Lüneburg vom 29. 08. 2007, Rdnr. 40. Korte in Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht (Kapitel § 9 Gewerberecht), S. 395ff.
Die Privilegierung der freien Berufe in der Baunutzungsverordnung (BauNVO)
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verschiedene Berufstätigkeiten von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Dazu gehören die Berufe, die über anderweitige Zulassungsund Überwachungsmechanismen verfügen oder die, für die spezialgesetzliche Regelungen vorbehalten bleiben sollten886, soweit sie mindestens der Gewerbeaufsicht gleichwertig sind. Die Bedeutung der Rücksichtnahme auf Gesetzgebungskompetenzen der Länder ist wegen des Verlustes von Teilen dieser Kompetenzen geringer geworden.887 Zu den in § 6 GewO ausdrücklich genannten Tätigkeiten gehören Versicherungsunternehmen, der Verkauf von Arzneimitteln, der Vertrieb von Lotterielosen sowie alle Formen der Viehzucht. Repkewitz formuliert den Geltungsbereich des § 6 so, dass er unanwendbar für Berufe sei, die »unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung« ein freier Beruf sein könnten. Ausgenommen wären danach alle Tätigkeiten, die auch als freiberuflich gelten und somit nicht der Gewerbeordnung unterworfen sind. Es stellt sich so die Frage, ob die nicht dem Gewerbebegriff unterfallenden Berufe ohne eigene Aufsichtsinstanz dann in einem Kontrollvakuum tätig sind. Alle anderen gewerblichen Tätigkeiten ohne gleichwertige Aufsichts- oder Kontrollinstanz sind ausnahmslos im Rahmen der Gewerbeordnung beaufsichtigt.888
III.
Die Privilegierung der freien Berufe in der Baunutzungsverordnung (BauNVO)889
Der Gesetzgeber hat mit der Baunutzungsverordnung ein Instrumentarium geschaffen, um das Maß und die möglichen Festsetzungen der baulichen Nutzung von Grundstücken, der Bauweise und der überbaubaren Grundstückflächen in sogenannten Bauleitplänen nach Art und Umfang zu regeln.890 Rechtsgrundlage ist dafür § 9a Baugesetzbuch (BauGB), danach haben sich die Gemeinden bei ihrer Bauleitplanung an ihr auszurichten. § 13 BauNVO begünstigt die freien Berufe, deren Berufsausübung auch in sog. Kleinsiedlungsgebieten (§ 2 BauNVO), in allgemeinen Wohngebieten (§ 3 BauNVO) sowie in reinen Wohngebieten (§4 BauNVO) zulässig ist. Während 886 Repkewitz in Friauf, GewO, § 6 Rdnr. 2 unter Hinweis auf Stenographische Berichte übere die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes von 1869. 887 Ebenda. 888 Zur Systematik des § 6 GewO Repkewitz in Friauf, GewO, Bd. 1, § 6 Rdnr. 29. Zu beachten wäre dann allerdings auch die im Zusammenhang mit § 6 GewO relevanten landesgesetzlichen Zuständigkeiten (Landmann/Rohmer, GewO, § 6 Rdnr. 2). 889 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke in der Neubekanntmachung vom 21. 11. 2017, BGBl. 2017 I, S. 3786. 890 Bönker in Bönker/Bischopnik, Baunutzungsverordnung, § 1 Rdnr. 1.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
sich diese Ausnahmeregelungen lediglich auf Räume in Gebäuden bezieht, dürfen in Baugebieten gem. § 4a bis 9 BauNVO sogar ganz Gebäude für ihre Berufstätigkeit genutzt werden. Das sind in § 4a BauNVO Gebiete zur Erhaltung und Entwicklung der Wohnnutzung (besondere Wohngebiete), in § 5 Dorfgebiete, in § 6 Mischgebiete, in § 7 Kerngebiete sowie in § 8 Gewerbe- und in § 9 Industriegebiete. Aus der Eingrenzung zulässiger Nutzungen für Gewerbe- und Industriebetriebe in den zuletzt genannten Vorschriften wird zugleich deutlich, dass den freien Berufen eine erhebliche Begünstigung beschert wird. Auch hier stellt sich deshalb die Frage, ob es für die freien Berufe als heterogene Berufsgruppe plausible Gründe gibt, dass allein die bloße Zugehörigkeit vom Begünstigungszweck gedeckt ist. Eine Besonderheit zu anderen Rechtsgebieten besteht insoweit, als § 13 mit seiner Ausnahmeregelung auch die den freien Berufen ähnlichen »gewerblichen« Tätigkeiten begünstigt. Die Differenzierungen in bestimmte Bau- und Nutzungsbereiche dienen der Sicherstellung ausreichender Wohnkapazitäten bei Wahrung der Wohnruhe891 der Bürger. Gewerbe- und Industriegebiete müssen ausreichende Distanz zu allen Wohngebieten halten, insoweit gilt eine abgestufte Schutzintensität. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass freie Berufe in ihrer Berufsausübung für das Wohnen wenig störanfällig sind, was dazu führt, dass sie gem. § 13 BauNVO sogar in reinen Wohngebieten gem. § 4 BauNVO geduldet werden.892 Mit der Baunutzungsverordnung eröffnet sich somit ein weiterer konfliktträchtiger Rechtsbereich, in dem ebenfalls die Wesensmerkmale, die von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur den freien Berufen zugeschrieben werden, die Abgrenzung zum Gewerbe bestimmen.893 Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass dafür auf die Merkmale zurückzugreifen ist, die auch steuerrechtlich relevant sind und von § 1 Abs. 2 PartGG erfasst werden.894 Unschwer auszugrenzen sind für eine Begünstigung alle beruflichen Tätigkeiten, die mit der Verursachung von Lärm-, Schmutz- und Schadstoff- bzw. Geruchsimmissionen verbunden sind.895 Für die Privilegierung freiberuflicher Praxisbetriebe sprach immer das Argument der in geschlossenen Räumen stattfindenden Beratungs- oder Behandlungssituation ohne erhebliche, die 891 Arnold in Bönker/Bischopnik, ebenda, § 1 Rdnr. 1. 892 BVerwG vom 09. 10. 1990, BRS 50 Nr. 58. 893 Kritisch Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 13 Rdnr. 4, der bemerkt, dass die Rechtswirklichkeit freiberuflicher Nutzungen in Kleinbetrieben die dynamische Entwicklung der freien Berufe zu größeren Betriebseinheiten nicht berücksichtigt werde. 894 Hornmann in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BauNVO, Kommentar, §13 Rdnr. 16; Arnold in Bönker/Bischopnik, § 13 Rdnr. 7. 895 Arnold in Bönker/Bischopnik, § 13 Rdnrn. 13 u. 25. Aufschlussreich ist der Beitrag von Scholtissek, Die gewerbliche Wirtschaft im Spannungsfeld der BauNVO, GewArch 1989, S. 322, insbesondere zur Abgrenzung bei der bloßen Raumnutzung, S. 327.
Die Privilegierung der freien Berufe in der Baunutzungsverordnung (BauNVO)
197
Wohnverhältnisse beeinträchtigende, Immissionen.896 Soweit argumentiert wird, mit der Einschränkung einer Ansiedlung bestimmter gewerblicher Tätigkeiten soll auch die Verdrängung des Wohnens verhindert werden897, kann eine Rechtfertigung der Begünstigung allein aus der Gruppenzugehörigkeit zu den freien Berufen nicht erklärt werden. Auch ihre vermehrte Ansiedlung würde Wohnkapazitäten vermindern. Die Begründung des Bundesrats898 zur Gesetzesvorlage der Baunutzungsverordnung versteht unter Tätigkeiten von Gewerbebetrieben, die »in ähnlicher Art« ausgeübt werden, nicht die Ähnlichkeit i. S. der freiberuflichen Wesensmerkmale einer akademischen Ausbildung oder der besonderen Gemeinwohlverpflichtung bzw. Vertrauensstellung. Andernfalls wären diese Berufe auch freie Berufe, für die es dann keiner Ausnahmeregelungen bedurft hätte. Von dieser Ausnahmeregelung profitieren vielmehr gewerbliche Tätigkeiten, die als Dienstleistungen eigenpersönlich erbracht werden.899 Unsinnige Abgrenzungen wie beispielsweise die Rechtsform der Berufstätigkeit (BGB-Gesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft oder auch Kapitalgesellschaft) sollen städtebaulich keine Rolle spielen.900 Auch wenn nach verbreiteter Auffassung der Störgrad der Berufstätigkeit nicht das wesentliche Kriterium sein soll901, will § 13 BauNVO nur die den freien Berufen zugeschriebene eigenpersönliche Berufstätigkeit von dem Nutzungsverbot in bestimmten Baugebieten freistellen.902 Damit gewinnt das Maß einer möglichen Störung doch entscheidenden Einfluss auf die Nutzungsgestattung.903 Freie Handelsvertreter ohne Auslieferungslager, Handelsmakler oder Versicherungsvertreter und Finanzberater werden damit trotz ihrer Gewerblichkeit den freien Berufen als ihnen »ähnliche« gewerbliche Tätigkeiten gleichgestellt.904 Die eigenpersönlich ausgeübte Dienstleistung ist somit zur Abgrenzung der von § 13 BauNVO beabsichtigten Ausnahmeregelung grundsätzlich geeignet, weil sie Indikator einer eventuellen Störanfälligkeit ist und sogar verhindert, dass im Übermaß Wohnraum zweckentfremdet werden kann. Unverständlich ist
896 897 898 899 900 901 902 903 904
Hornmann in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BauNVO, § 13 Rdnr. 6. Ebenda, Rdnr. 8. BR – Drucks. 53 vom 25. 05. 1962, Anh. S. 8. OVG Schleswig vom 29. 04. 2009, 1 LB 5/2008; Arnold in Bönker/Bischopnik, § 13 Rdnr. 17; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautberger, BauGB, § 13 Rdnr. 1. VGH Baden-Württemberg, Urt. V. 06. 07. 2005, 4 S 141/2005; HessVGH BRS 52, Nr. 60; so auch Ziegler/Finger in Brügelmann, Baugesetzbuch, Bd. 6 mit BauNVO, § 13 Rdnr. 23; a. A. OVG Hamburg BauR 1997, S. 613, 615. Arnold in Bönker/Bischopnik, § 13 Rdnr. 18. Arnold in Bönker/Bischopnik, § 13 Rdnr. 18. BVerwG BRS 50, Nr. 58. BR – Drucks. 53 vom 25. 05. 1962, Anh S. 8.
198
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
deshalb auch die Auffassung des OVG Münster905, wonach § 13 statt der Begrenzung des Störpotenzials lediglich die Berufsträger privilegieren wolle, die ihren Beruf ähnlich dem der freien Berufe ausüben. Eine Grundstücks- und Vermögensverwaltung soll nicht begünstigt werden906, Tanz-, Ballett-, Turnoder Gymnastikunterricht sollen dagegen möglich sein907, sie gelten angesichts der pauschalen Zuordnung der unterrichtenden Tätigkeit in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als freiberuflich. Auch wenn § 13 BauNVO noch den Schwerpunkt auf die Begünstigung der historisch geprägten Gruppe freier Berufe legt, öffnet das anerkannte maßgebliche Kriterium der eigenpersönlichen Dienstleistung auch gewerblichen Berufstätigkeiten die Ansiedlung in nur begrenzt nutzbaren Siedlungsgebieten. Dennoch stellt sich auch hier die Frage nach einer am Bestimmtheitsgrundsatz und Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG auszurichtenden Auslegung der im Gesetz ausdrücklich zugelassenen »ähnlichen gewerblichen Tätigkeiten«. Das Bundesverfassungsgericht908 meint zur Untermauerung der Freistellung nur freier Berufe von der Gewerbesteuer, der Gesetzgeber trage den besonderen Berufsbedingungen der freien Berufe durch zahlreiche Sonderregelungen Rechnung. Dazu würde auch das Recht der baulichen Bodennutzung gehören. So sei den freien Berufen in einzelnen Räumen ihre Berufsausübung gestattet, den Gewerbebetrieben jedoch nicht. Selbst »nicht störende« Gewerbebetriebe seien von dieser Privilegierung ausgeschlossen. Es übersieht dabei allerdings die Ausnahmeregelung auch für ähnliche gewerbliche Tätigkeiten wie den freien Handelsvertreter, den es selbst gewerbesteuerlich wegen seiner Nähe zum gewerblichen Handel nicht befreien wollte.
IV.
Der freie Beruf im Kartellrecht
1.
Der gesetzgeberische Standort freiberuflicher Tätigkeit im Kartellrecht
Das Kartellrecht hat die Aufgabe, die Freiheit des Wettbewerbs sicherzustellen und wirtschaftliche Macht dort zu beseitigen, wo sie die Wirksamkeit des Wettbewerbs und die ihm innewohnende Tendenz zur Leistungssteigerung beeinträchtigen kann. Mit seinen Regelungen kann darüber hinaus auch die bestmögliche Versorgung der Verbraucher sichergestellt werden.909 Im Zusammenhang mit der Beschreibung des Begriffsverständnisses des Gewerbes im 905 906 907 908 909
OVG Münster vom 24. 01. 2008, 7 A 270/07 in juris Rdnr. 42. So auch OVG Hamburg BRS 46 Nr. 98. BayVGH BRS 52, Nr. 172. BVerfGE 120, S. 1, 36. BT-Drucks. 2/1158, dort S. 21.
Der freie Beruf im Kartellrecht
199
Kartellrecht als Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr wurde aufgezeigt, dass der Schutz der Wirtschaftsfreiheit eine daran ausgerichtete Definition fordert (Kapitel C I 4). Deshalb spielt die in § 1 Abs. 1 S. 1 der früheren Gesetzesfassung910 verwendete Formulierung »Verkehr mit Waren und gewerblichen Leistungen« keine Rolle mehr. Mit der früheren Fassung des § 1 Abs. 1 S. 1 wurde vielfach argumentiert, »gewerbliche Leistungen« würden die freien Berufe nicht erbringen, so dass auch das GWB auf ihre Tätigkeit nicht anwendbar sei. Die Bundesregierung hatte ihren ersten Entwurf zu diesem Gesetz am 16. 06. 1952 in den Bundestag eingebracht911. In seiner Stellungnahme zu diesem Entwurf beantragte der Bundesrat912, dem § 1 noch einen dritten Absatz hinzuzufügen, wonach auch die Ausübung eines freien Berufs als Unternehmen im Sinne des Gesetzes gelten sollte. Diese Initiative wurde seinerzeit von der damaligen Bundesregierung unterstützt, der zuständige Bundestagsausschuss für Wirtschaftspolitik wollte sich jedoch diesem Vorschlag nicht anschließen.913 Obwohl der Bundesrat weiterhin an seinem Ergänzungsvorschlag festhielt, fand der Passus in der endgültigen Gesetzesfassung keine Berücksichtigung. Unter dem Aspekt der Entstehungsgeschichte des Kartellgesetzes entwickelte sich in der Folgezeit ein Streit darüber, ob nun freie Berufe dem Kartellrecht unterworfen werden müssen oder, so die Gegenmeinung unter Berufung auf den Wortlaut des Gesetzes, die freien Berufe nicht erfasst werden dürften. Den Kern haben wohl diejenigen getroffen, die davon ausgegangen waren, dass der Streit letztlich offengeblieben sei.914 Verfrüht gewesen war die Unterstellung, dass allein die Formulierung »gewerbliche Leistungen« das Problem hätte lösen können.915 In der Regierungsbegründung hieß es dazu: »Unter gewerbliche Leistungen fallen im Wesentlichen alle entgeltlichen Austauschgeschäfte von der Art eines Kauf-, Miet-, Werk- oder Lizenzvertrages«. Damit waren alle Dienst- oder Arbeitsverträge aus dem Anwendungsbereich des Kartellgesetzes ausgenommen. Es sollte klargestellt werden, dass Vereinbarungen von Arbeitgeber – und Arbeitnehmerkooperationen, also vornehmlich Arbeitgeberverbände sowie Gewerkschaften, nicht vom Gesetz erfasst werden.916 Die Anwendbarkeit auf andere Dienstverträge wurde nicht geregelt. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 04. 04. 1974, BGBl. 1974 I, S. 869. BT-Drucks., 1. Wahlperiode, Nr. 3462. Anlage zur BT-Drucks., ebenda, S. 53. Bache, Wettbewerbsvereinbarungen, NJW 1971, S. 126. So KG Berlin, NJW 1976, S. 1798f. So aber Bache, Wettbewerbsvereinbarungen, Zur Entstehungsgeschichte ausführlich Schmidt, Freie Berufe und Kartellgesetz, S. 31ff. 916 So die damalige Kommentierung bei Langen/Niederleithinger/Schmidt, Kommentar zum Kartellgesetz, § 1 Rdnr. 24; Gelhausen, Die staatlich gebundenen Berufe, S. 88f. 910 911 912 913 914 915
200 2.
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Der Einfluss europäischen Rechts auf Kartellvereinbarungen freier Berufe
Das zwischenzeitlich wiederholt neugefasste Gesetz vom 26. 08. 1998917 hat sich den europäischen Bedürfnissen eines grenzüberschreitenden freien Wettbewerbs angepasst. Das Recht zum Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen ist aufgrund des in Europa angestrebten vollständigen grenzüberschreitenden Binnenmarktes ganz wesentlich vom Vertrag zur Gründung der EG (EGV)918 geprägt worden. Konsequenterweise wurde hier das deutsche Recht vom europäischen Recht überlagert. Zentrale Bestimmung ist Art. 81 EGV, der wettbewerbswidrige Absprachen zur Herstellung eines unverfälschten Wettbewerbs919 verhindern soll, aber auch vertragswidriges Verhalten der Mitgliedstaaten sanktionieren kann.920 Was lag da näher, als zu vermuten, dass nun auch freiberufliche Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst werden sollten. Das so konzipierte europäische Recht kollidiert zunächst mit innerstaatlichen deutschen Rechtsnormen im Bereich freiberuflicher Honorarregelungen, insbesondere mit den Honorarordnungen der beiden klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts.921 Vordergründig könnte daraus vermutet werden, dass die entsprechenden Honorarordnungen damit unwirksam werden müssten. Tatsächlich gilt aber grenzüberschreitend in der EU der Grundsatz der »effet-utile-Doktrin«922, nach der nationale Beschränkungen des freien grenzüberschreitenden Wettbewerbs nur dann unzulässig sind, sofern sie zielgerichtet und gerade diesen freien Wettbewerb beschränken sollen. Staatliche Honorarordnungen, die per Gesetz oder aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage erlassen wurden, sollen gerade nicht zielgerichtet den grenzüberschreitenden freien Wettbewerb beeinträchtigen und bleiben demnach von diesem Verbot unberührt.
3.
Der Unternehmensbegriff des GWB
Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen stand und steht nicht der Gewerbebegriff im Mittelpunkt, auch wenn die damalige Fassung des § 1 Abs. 1 S. 1 mit der Verwendung der Formulierung »gewerbliche Leistungen« darauf hätte 917 BGBl. 2005 I, S. 1954. 918 Dieser Gründungsvertrag wurde durch den Vertrag von Maastricht bzw. den Vertrag von Lissabon (2009) als europäisches Recht fortgeschrieben. 919 Grünberger, Grundstrukturen des Kartellrechts, S. 7. 920 Grünberger, ebenda, S. 1f. 921 Rechtsanwälte mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder Ärzte bzw. Zahnärzte mit der GOÄ bzw. GOZ. 922 Emmerich, Kartellrecht, S. 21, Rdnr. 10ff.
Der freie Beruf im Kartellrecht
201
hindeuten können. Zentraler Begriff war damals (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F.) wie heute (§ 1 GWB n. F.) das Unternehmen.923 Ist man früher noch gelegentlich davon ausgegangen, dass Gewerbe und Unternehmen in ihrem Kern deckungsgleich seien924, misst man nun dem Unternehmen eine stärker funktional ausgerichtete Bedeutung zu, d. h. die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben.925 Entscheidend soll nicht die Ausstattung des Unternehmens mit sächlichen und personellen Produktionsmitteln sein (so der betriebswirtschaftliche Unternehmensbegriff926), im Vordergrund stehe vielmehr eine generelle Tätigkeit auf dem Markt für Dienstleistungen, Warenproduktion sowie Handel927, was einer umfassenderen Definition entspricht.
4.
Freiberufliche Wesensmerkmale und der Regelungszweck des GWB
Schon die frühere Gesetzesfassung ließ kaum Zweifel daran, dass auch sog. Einmannbetriebe Unternehmen im Sinne des Gesetzes sind und somit dem Kartellverbot unterworfen waren.928 Die Größe des Unternehmens sollte keine Rolle spielen. Als Unternehmen galt und gilt auch heute noch »jede selbständige, nachhaltige Tätigkeit in der Erzeugung oder im Geschäftsverkehr«929. Gleichwohl wurde unter Hinweis auf die besonderen Wesensmerkmale der freien Berufe verbreitet die Auffassung vertreten, freie Berufe müssten aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeklammert werden.930 Bedenken bestanden besonders im Hinblick auf die mangelnden Rationalisierungs- und Vervielfältigungsmöglichkeiten angesichts des Erfordernisses weitgehender eigenpersön923 Einzubeziehen sind auch freie Berufe (Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht, S. 431). 924 Harms, Gebührenwettbewerb unter Architekten und Rechtsanwälten, NJW 1976, S. 1289, 1291; Rittner, Unternehmen und freie Berufe als Rechtsbegriffe, in Recht und Staat, Heft 261/262, 1962. Schmude, Der Unternehmensbegriff im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 71. wählt eine andere Sicht, er meint, der Gewerbetreibende sei eher der Prototyp eines Unternehmers. 925 Lober in Schulte/Just, Kartellrecht, § 1 Rdnr. 10, unter Hinweis auf EuGH Rnr. 118/85, Slg. 1987, S. 2596; Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB§ 1 Rdnr. 85; Bechthold, GWB, § 1 Rdnr. 8; OLG München WuW/E OLG 3395. 926 Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, S. 381. 927 Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, ebenda; Harms, Gebührenwettbewerb, NJW 1976, S. 1289. 1291. 928 OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 1968, S. 888, 889; Langen/Niederleithinger/Schmidt, § 1 Rdnrn. 6, 24. 929 So die Begründung zum Regierungsentwurf Bundestags-Drucks. 2. Wahlperiode, Nr. 1158 Anl. 1. 930 Rittner, Unternehmen und freier Beruf, S. 36; Deneke, Die freien Berufe, 1956, S. 36; Schmidt, Freie Berufe und Kartellgesetz, S. 60.
202
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
licher Leistungen der Unternehmensträger.931 Das freiberufliche Honorar erfülle darüber hinaus nicht die für eine leistungsfähige Wirtschaft förderliche Funktion des Preises.932 Auch wenn das Leistungs- und Gegenleistungsprinzip bei Dienstleistungen funktionieren würde, bestehe aber die Aufgabe des Preises darin, das Interesse der potentiellen Vertragspartner an Ware und Dienstleistung zu quantifizieren.933 Die Steigerung der Nachfrage durch Preissenkungen ließe sich gerade bei Heilberufen schwerlich realisieren. Harms934 brachte insoweit das Beispiel, dass ein Kranker wohl kaum danach fragen würde, ob ein Arzt »billig« sei. All diese Argumente hatten keine besondere Überzeugungskraft. Entscheidend dafür, dass sich die Befürworter einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der Kartellrechtsnormen auch auf freie Berufe durchgesetzt haben, war die bleibende Möglichkeit der freiberuflich Tätigen untereinander, unerwünschte Folgen für die Leistungsempfänger zu eröffnen. Dies gilt selbst für eigenpersönlich zu erbringende Leistungen, auch insoweit sind Wettbewerbsbeeinträchtigungen über Gebühren- oder Leistungsvereinbarungen möglich. Genau das zu verhindern, ist der Sinn und Zweck des GWB.935 Der Preiswettbewerb im Markt soll nicht um seiner selbst willen durchgesetzt werden, vielmehr ist es die Aufgabe des GWB, den Wettbewerb als Ausdruck und Mittel der Wirtschaftsfreiheit zu sichern. Dieser Wettbewerb entsteht gerade durch die private und individuelle Wirtschaftsfreiheit, die das Gesetz neben dem Individualschutz sichern will.936 Die Pflicht einiger freier Berufe zur Befolgung der für sie geltenden gesetzlichen Gebührenregelungen ändert nichts daran, dass auch den Wettbewerb beschränkende Leistungsabsprachen denkbar sind. Auch davor sollen die allgemeinen Kartellverbote des GWB Schutz bieten. Jede Kartellvereinbarung ist darauf ausgerichtet, Verbraucher und Leistungsempfänger zu höheren Aufwendungen und zur Akzeptanz minderer Leistungen zu veranlassen. Diese Gefahr besteht auch im Leistungsverhältnis der freien Berufe zu ihren Vertragspartnern. Sie bieten ihre Leistungen ebenso wie Gewerbetreibende auf dem Markt gegen Honorar oder Vergütung an. Auch wenn bei persönlich zu erbringenden Leistungen als grundlegendes Wesensmerkmal eines freiberuflichen Berufsträgers nicht in erster Linie der Preis, sondern die Fachkompetenz und das Vertrauen im Vordergrund stehen mag, bleibt es ein
931 Harms, Gebührenwettbewerb, NJW 1976, S. 1292f. 932 Gelhausen, Die staatlich gebundenen Berufe, S. 79; Schmude, Der Unternehmensbegriff, S. 124. 933 Harms, Gebührenwettbewerb, NJW 1976. S. 1289, 1292. 934 Ebenda. 935 Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 25. 936 Bache, Wettbewerbsvereinbarungen, NJW 1971, S. 126.
Der freie Beruf im Kartellrecht
203
Wettbewerb, in dem nicht nur mit dem Argument der besonderen Fähigkeit um Aufträge gerungen wird. Neben dem Argument, das Merkmal der eigenpersönlichen Leistungserbringung hindere die Anwendbarkeit des GWB auf freie Berufe, wurde auch mit der Sozialbezogenheit freiberuflicher Leistung argumentiert937. Freie Berufe würden staatliche Aufgaben erfüllen, die eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschließen938. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die idealistischen Vorstellungen von freiberuflicher Arbeit kaum noch der gesellschaftlichen Realität entsprechen. Die von ihnen im Berufsrecht abverlangte altruistische Berufseinstellung gehört jedenfalls in der heutigen Lebenswirklichkeit weitgehend der Vergangenheit an, sie ist eingestandenermaßen einem Erwerbsdenken gewichen, das selbst in der Ärzteschaft mit einer zunehmenden Marktorientierung wesentliches Motiv ihrer Berufsausübung geworden ist.939 Noch ein weiterer Aspekt spricht für eine grundsätzliche Anwendbarkeit des GWB auch auf freie Berufe. Es ist die Möglichkeit der Behinderungen Dritter zur Beschränkung eines freien Wettbewerbs mit Außenstehenden940. Man findet ihn in Leistungen, die außerhalb der freiberuflichen Aufgabenerfüllung im normalen Warenverkehr, beispielsweise in der Beschaffung von benötigten Arbeitsmitteln, zum Tragen kommen.941
5.
Konkurrenz des GWB mit dem Standesrecht
Mit der Gemeinwohlorientierung einiger freier Berufe wurde und wird auch die Notwendigkeit eines funktionierenden Standesrechts verknüpft, das die Anwendbarkeit kartellrechtlicher Normen mindestens teilweise als überflüssig erscheinen lässt.942 Einige der freien Berufe sind staatlichen Gebührenordnungen unterworfen, die auf den ersten Blick kartellartige Gebührenabsprachen »ins Leere laufen« lassen könnten.943 Die Berufe, die über eine staatlich legitimierte Selbstverwaltung verfügen, wie beispielsweise die klassischen freien Berufe des Arztes oder des Rechtsanwalts, werden darauf verweisen, dass sie an strenge Standesregeln gebunden seien. Schon daher sei eine kartellrechtsrele937 So RGZ 68, S. 186, 190. 938 Dagegen Michalski, Der Begriff des freien Berufs, S. 460. 939 Graml, Das ärztliche Verbot der Zuweisung, S. 101; Gesellensetter, Die Annäherung des Freien Arztberufes, S. 238. 940 KG Berlin, NJW 1976, S. 1798; BGH WuW/E 442 und auch BVerfG WuW/E VG 99. 941 BGH WuW/E 443. 942 Dazu Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht, S. 423ff. 943 Dazu Harms, Gebührenwettbewerb, NJW 1976, S. 1989, 1994; allgemein zur Sicherung berufsrechtlicher Regelungen durch Standesrecht und Standesorgane Taupitz, Die Standesordnungen sowie Fleischmann, Die freien Berufe im Rechtsstaat.
204
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
vante Vereinbarung untereinander eher unwahrscheinlich. Dieses Argument verfängt deshalb nicht, weil der kartellrechtliche Schutzzweck nicht nur Preisoder Honorarabsprachen, sondern auch Leistungsinhalte erfasst und in diesem Zusammenhang Standesregeln auch nur intern überwacht und sanktioniert werden. Somit stehen sich zwei miteinander konkurrierende Normenkomplexe gegenüber, einerseits das GWB, dass den freien Wettbewerb gewährleisten soll und andererseits die Standesnormen mit ihrer auf das Verhältnis der Berufsträger untereinander beschränkten Regelungsreichweite. Dennoch soll auch das Standesrecht wegen seiner Verknüpfung mit dem Gemeinwohl über die Grenzen des »Standes« ausstrahlen und ebenfalls den Leistungsempfängern zugute kommen. Es gibt angesichts dieser Normenkonkurrenz zwischen dem GWB und dem Standesrecht drei mögliche Lösungsoptionen. Der einfachste Weg wäre die, eventuelles Fehlverhalten von Berufsträgern freier Berufe generell von einer Sanktion des GWB auszunehmen und ausschließlich dem Standesrecht zu unterwerfen. Dann würde die zuständige Berufskammer darüber entscheiden, ob ein maßnahmewürdiges Verhalten vorliegt und gegebenenfalls die Sanktionen bestimmen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Zuständigkeit sowohl der Kartellbehörden als auch der Berufskammern. Denkbar ist auch, nur dann kartellrechtliche Sanktionen zu verhängen, sofern das Standesrecht keine relevanten Regelungen vorhält, also lückenhaft wäre944. Diese Lösung beruht auf dem Grundsatz »lex specialis derogat lex generalis«. Das Berufsrecht würde das allgemeinere GWB verdrängen, soweit es selbst für einen Sachverhalt ausreichende Regelungen vorhält. Dass dabei nur rechtmäßige Standesnormen Rechtsgeltung haben könnten, versteht sich von selbst.945 Die Komplexität des Berufsrechts dokumentiert sich auch in der Gesetzgebungszuständigkeit. Beim Arztberuf hat der Bundesgesetzgeber zwar von dem Gesetzgebungsvorrang für das Zulassungswesens Gebrauch gem. Art. 74 Nr. 19 GG gemacht, die Berufsausübung haben dagegen die jeweiligen Landesgesetzgeber geregelt. Daraus folgerten sowohl das OLG Stuttgart946 als auch die Landeskartellbehörde Niedersachsen947 nach dem Grundsatz »Bundesrecht bricht Landesrecht« (Art. 31 GG), dass ausschließlich das GWB anwendbar sei, sofern konkurrierende Regelungen existieren. Dieser Ansatz wäre nur dann zutreffend gewesen, wenn beide Gesetzgeber in gleicher 944 So Benkendorff, Freie Berufe und Kartellgesetz, WuW 1956, S. 20ff.; Harms, Gebührenwettbewerb, NJW 1976, S. 1289, 1295; Emmerich, Kartellgesetz, Rdnr. 11f. 945 Starck, Grundgesetz und ärztliche Berufsordnungen sowie Fleischmann, Die freien Berufe, S. 142ff. 946 WuW/E OLG 545, 555. 947 Nachweis bei Harms, Gebührenwettbewerb, NJW 1976, S. 1289 Fn. 8.
Der freie Beruf im Kartellrecht
205
Zielrichtung gleiche Sachverhalte regeln wollten.948 Das GWB richtet sich jedoch gegen private Wettbewerbsbeschränkungen unter Mitbewerbern, das Standesrecht regelt dagegen hoheitliche, teilweise auch legislative Beschränkungen, denen nur Berufsangehörige unterworfen sind949. Konkurrenzprobleme in der Gesetzgebungskompetenz sind deshalb aus dieser Überlegung heraus nicht denkbar.
6.
Die Anwendbarkeit des GWB auf Künstler und Wissenschaftler
Künstler und Wissenschaftler können durchaus innerhalb eines wirtschaftlichen Verkehrs zum Unternehmer werden.950 Wer seine geistig-schöpferische Arbeit auf dem Markt anbietet, muss sich den Wettbewerbsregeln unterwerfen. Außer Zweifel steht ja, dass auch Einzelpersonen als Unternehmen gegen kartellrechtliche Verbote verstoßen können.951
7.
Berufsverbände und Berufskammern als »Kartellsünder«
In der Vergangenheit hat es eine Vielzahl an Kartellverfahren gegen Berufsverbände und öffentlich-rechtlich organisierte Berufskammern gegeben. Begonnen hat diese Entwicklung unter anderem mit einem Verfahren gegen den Bundesverband der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als freiberuflich anerkannten vereidigten Buchprüfer wegen einer Preisempfehlung an seine Mitglieder.952 Die Zahnärztekammer blieb nicht von Problemen verschont. Sie versuchte, die den Zahnärzten im Rahmen der bestehenden Gebührenordnung bei der Honorarbemessung eingeräumten Spielräume einzuengen.953 Ihr folgte die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg mit einem Verbot der Rabattgewährung.954 Die Apothekerkammer Bremen untersagte ihren Mitgliedern die Abgabe von bestimmten Proben als Zugabe.955 Es hat ferner Verstöße von Berufsvereinigungen gegeben, die versucht hatten, Unternehmen, die sich ihnen nicht angeschlossen hatten, zu boykottieren oder 948 März in v. Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl., Art. 31 Rdnr. 43 m.w.N. 949 Harms, Gebührenwettbewerb, NJW 1976, S. 1289 1294. 950 BGH WuW/E 127, 131; OLG München WuW/OLG 2504, 2505; OLG Düsseldorf WuW/OLG 2071, 2072. 951 OLG Düsseldorf, WuW/OLG, 2071, 2072. 952 BKartA BB 59, S. 540 (Vereidigte Buchprüfer I) und BKartA BB 60, S. 385 (Vereidigte Buchprüfer II). 953 Immenga in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rdnr. 86. 954 OLG Stuttgart WuW/E OLG 545, 551f. 955 OLG Bremen WuW/E OLG 4367, 4368.
206
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
ihnen die Aufnahme in den Verband zu verweigern. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Fall einer Laborgemeinschaft, die im Wettbewerb zu ärztlichen Apparategemeinschaften stand und von Vertretern der Bundesärztekammer aufgefordert wurden, ihre Tätigkeit einzustellen bzw. auf einen absprachegemäßen Umfang zu reduzieren.956 Angedroht wurde ihr unter anderem der Boykott von Medikamenten und Arzneimitteln, die deren Muttergesellschaft herstellte.957 Kurios ist auch der Fall eines Berufsboxers, dem nur unter diskriminierenden Bedingungen die Aufnahme in den Bund Deutscher Berufsboxer gestattet werden sollte.958
8.
Zusammenfassung
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen dient der Freiheit des Wettbewerbs und schützt somit die Verbraucher vor Marktmanipulationen. Diesem Zweck soll auch das Standesrecht einiger freier Berufe dienen, ohne dass Verbraucher daraus unmittelbar begünstigt werden. Es scheint zwar in der Lage zu sein, wenigstens in Teilbereichen des Wettbewerbs den Verbraucher zu schützen. Wo das in der Praxis aber nicht gelingt, weil das Standesrecht keine zur Herstellung eines freien Wettbewerbs erforderlichen Regelungen vorhält, muss uneingeschränkt das allgemeine Recht des GWB gelten. Eine Sicherstellung des freien Wettbewerbs kann ohnehin dann nicht allein über das Standesrecht erreicht werden, wenn sich die Berufskammern selbst wettbewerbswidrig verhalten. Die Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe (freie Berufe oder Gewerbetreibende) abhängig zu machen, wird heute wohl kaum mehr ernsthaft vertreten.959 Die den freien Berufen zugeordneten Wesensmerkmale haben keine Affinität zu marktmanipulierenden Vereinbarungen zwischen den Berufsträgern. Die rein begrifflich motivierte Differenzierung zwischen freien Berufen und Gewerbebetrieben muss somit auch im Bereich des Kartellrechts einer zweckorientierten Rechtsanwendung weichen.
956 KG NJW 1976, S. 1798. 957 Nachweis bei Emmerich, Freier Beruf und Kartellrecht, Festschrift für Johannes Bärmann, S. 286. 958 BKartA BB 1961, S. 657. 959 Dokumentiert wird das u. a. mit der Tatsache, dass in einigen GWB- Kommentaren die freien Berufe nicht mehr im Sachverzeichnis auftauchen (So beispielhaft Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Kartellrecht, Band 2 – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen).
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
V.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB
1.
Der allgemeine deliktsrechtliche Schutz des § 823 Abs. 1 BGB
207
§ 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch billigt dem Geschädigten nach unerlaubten Handlungen Schadenersatz zu. Wer vorsätzlich oder auch fahrlässig rechtswidrig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen verletzt, muss Ersatz des erlittenen Vermögensnachteils leisten, bei Körperverletzungen auch Schmerzensgeld zahlen. Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet zwischen der Beeinträchtigung der dort konkret bezeichneten Einzelrechte und sonstigen Rechten. Insoweit hat der Gesetzgeber der rechtsprechenden Gewalt noch ein Betätigungsfeld für die Umsetzung dieses offen gehaltenen Schutzguts aufgebürdet. Vorweg sei aber schon Entwarnung signalisiert. Die Gerichte haben weitgehend gute Arbeit geleistet und die möglicherweise bei der Gesetzesfassung fehlende Gestaltungsbereitschaft durch eine zutreffende Auslegung ersetzt. Weitgehende Einigkeit besteht insoweit, als von dem Schutzgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nur zurückhaltend im Rahmen einer sog. Lückenausfüllung als Auffangtatbestand Gebrauch gemacht werden darf.960 Der Bundesgerichtshof961 hat diesem Tatbestand lediglich »subsidiäre« Bedeutung beigemessen. Mit ihm sollte dem Bedürfnis nach einer Ergänzung der in § 823 Abs. 1 BGB enthaltenen Aufzählung einzelner sog. absolut geschützter Rechte entsprochen werden. Der Schutz einer besonderen Organisationseinheit »Gewerbebetrieb« wurde für erforderlich gehalten, weil das Vermögen mit seinen möglichen funktionellen Ausstrahlungen als Gesamtheit durch das Tatbestandsmerkmal »Eigentum« nicht ausreichend geschützt sein soll.962 Da Gewerbebetriebe oder Unternehmen mehr sind als Ansammlungen von Sachgütern und Vermögensrechten, sondern ihren Wert erst in ihrem Funktionszusammenhang gewinnen, dürfen sie bei rechtswidrig verursachten Störungen nicht schutzlos sein. Zwangsläufig stellt sich dann auch die Frage, ob mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch die freiberuflich Tätigen im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB (sonstiges Recht) für Schäden aus einer rechts-
960 Beater in Soergel, § 823 Anh. V Rdnr. 1; Schiemann in Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 823 Rdnr. 51. 961 BGHZ 8, S. 387, 394f.; 36, S. 77, 80; NJW 1991, S. 1532f.; NJW 1996, S. 2422. 962 Zweifel an dem dadurch bewirkten systemwidrigen Schutz des betrieblichen Vermögens gegenüber dem nicht geschützten privaten Vermögen hat Beater in Soergel, § 823 Anh. V Rdnr. 6.
208
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
widrigen Verletzung ihres Unternehmensgefüges geschützt werden963, und ob dann nicht auch zur Klarstellung die Bezeichnung des Schutzguts zu einem »Recht am Unternehmen« verallgemeinert werden sollte964. Eine Antwort lässt sich nur über die Gründe finden, die schon zur Einbeziehung der Gewerbebetriebe in den Schutztatbestand des § 823 Abs. 1 BGB als »sonstiges Recht« geführt haben.
a.
Die Entwicklung des Unternehmensschutzes gem. § 823 Abs. 1 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts
Das Reichsgericht ging in seiner Rechtsprechung von einem sehr engen Begriff des Gewerbes aus.965 Er erfasste nur die Betriebe, die als Verkörperung des auf eigene selbstständige Erwerbstätigkeit gerichteten Willens im Sinne des Handelsrechts angesehen wurden.966 Dabei spielte das Bestreben des Reichsgerichts eine Rolle, den Begriff des »sonstigen Rechts« nicht allzu weit auszudehnen.967 Diesen Schutz gewährte das Gericht den Gewerbebetrieben allerdings auch schon vor Einführung des BGB im Rahmen von Unterlassungsklagen.968 Dazu gehörten Schutzrechtsverwarnungen und Boykottaufrufe, die zwangsläufig einschneidende Folgen für Unternehmen hatten.969 Die Entwicklung nach Inkrafttreten des BGB hielt sich weitgehend am Wortlaut des § 823 Abs. 1 BGB, und zwar ganz speziell an der Formulierung des Gesetzgebers, der den ausdrücklich geschützten Rechtsgütern noch ein »sonstiges Recht« an die Seite stellte. Die von der Rechtsprechung der Textfassung zugeschriebene Funktion eines Tatbestandes zur Lückenfüllung verallgemeinerte zunächst im Sinne des Wortes »sonstiges« eine sehr fallbezogene und wenig systematische Rechtsprechung.970 Das Reichsgericht hat dann in einer im 58. Band971 veröffentlichten Entscheidung darauf Wert gelegt, dass nicht generell die freie Willensbetätigung, sondern allein die im Objekt »Gewerbebetrieb« gegenständlich verkörperte Willensbetätigung zu schützen sei. Später hat es 963 Ablehnend RGZ 64, S. 155, 229f., wonach der Arztberuf wegen seines hohen wissenschaftlichen und sittlichen Interesses außerhalb des materiellen Gewerbebegriffs stehe, sowie RGZ 73, S. 107, 111; 94, S. 109. 964 Gröpl in Gröpl/Windhorst/von Coelln, Studienkommentar GG, 3. Aufl., 2017, Art. 14 Rdnr. 26 im Zusammenhang mit dem Eigentumsschutz. 965 Dazu Puttfarcken, Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes bei freien Berufen, GRUR 1962, S. 500ff. 966 RGZ 64, S. 156; 73, S. 107 sowie 94, S. 109. 967 Schäfer in Staudinger, BGB, Bd. II, §§ 823.853, 10./11. Aufl., 1975, Rdnr. 167. 968 RGZ 45, S. 49. 969 Beater in Soergel, § 823 Anh. V, Rdnr. 3. 970 Schäfer in Staudinger, §§ 823, 853, Rdnr. 123. 971 RGZ 58, S. 29f.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
209
dann noch diesen Ansatz ergänzt, ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb als »verkörperter Wille« im Gegensatz zur bloßen Freiheit der Willensbetätigung falle unter den Begriff des sonstigen Rechts.972 In den Gründen wird das Schutzgut des Gewerbebetriebes mit anderen Rechtspositionen, die bereits als »sonstige« (sog. absolute) Rechte anerkannt waren, verglichen. Es entwickelte sich die Auffassung, dass sich die Auswahl der »sonstigen Rechte« an den ausdrücklich in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgütern orientieren sollte, womit man um eine Eingrenzung bemüht gewesen zu sein schien. Diese Auffassung erinnert an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Zusammenhang mit der Bestimmung »ähnlicher Berufe« im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Schutz verdiente nach Meinung des Reichsgerichts der Gewerbebetrieb, der in äußeren Veranstaltungen seine gegenständliche Verkörperung gefunden habe.973 Maßgeblich sollte die »Rechtsähnlichkeit mit dem Eigentum oder einem anderen absoluten, dinglichen oder doch für Jedermann erkennbaren und von Jedermann zu beachtenden selbständigen Rechte, wie es unter dem ›sonstigen Recht‹ des § 823 Abs. 1 BGB zu verstehen ist«, sein. Das Reichsgericht hat in einer weiteren Entscheidung einem Rabattsparverein den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB mit der Begründung verweigert, er erzeuge weder wirtschaftliche Güter noch sorge er für den Umsatz anderweitig erzeugter Güter. Würde man einem derartigen Gebilde den Schutz des »eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs« zusprechen, wäre im Ergebnis jede »menschliche Zwecktätigkeit« erfasst, was dem begrenzenden Gesetzeszweck des § 823 Abs. 1 BGB widersprechen würde. Der Anwendungsrahmen wurde noch weiter dadurch eingeengt, dass nur unmittelbar betriebsbezogene Eingriffe eine Schadenersatzpflicht auslösen sollten. Der Betrieb müsse behindert worden sein974 , entweder durch eine tatsächliche Handlung oder eine rechtliche Einwirkung darauf.975 Die Anwendung als Schutzrecht bei Eingriffen in freiberufliche Berufstätigkeit verweigerte das Reichsgericht.976 Der Senat hatte auf die Eigentumsähnlichkeit des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb abgestellt. Der Vergleich mit dem Eigentum fordere, dass die Betriebsorganisation als solche in den Vordergrund gestellt werde. Da aber die freien Berufe in der damaligen Vorstellung ohne größeren Kapitaleinsatz tätig waren, was wohl auch weitgehend der Realität entsprach, schlossen die Richter freie Berufe grundsätzlich aus. Nicht verwunderlich ist deshalb, dass demgegenüber der Betrieb einer Privatklinik, weil
972 973 974 975 976
RGZ 73, S. 107, 111. RGZ 73, S. 107, 111f. RGZ 73, S. 107, 112. RG GRUR 1940, S. 376, 378. RGZ 64, S. 155, 156.
210
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
dahinter doch ein erheblicher Kapitaleinsatz stand und steht, vom Schutz des § 823 Abs. 1 BGB profitieren konnte.977 Die Rechtsprechung ist im Zusammenhang mit der Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes ganz entscheidend auf dem Gebiet des Wettbewerbs- und Warenzeichenrechts zunächst im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen geprägt worden. Der dafür zuständige 5. Senat des Reichsgerichts war weniger bestrebt, das Anwendungsspektrum in Grenzen zu halten, was dann auch den mit derartigen Ansprüchen ebenfalls befassten 1. Senat inspirierte, in seinen Eingrenzungsbemühungen nachzulassen. b.
Die vom Bundesgerichtshof geprägte heutige Rechtslage
Der Bundesgerichtshof hat nach Gründung der Bundesrepublik diese Rechtsprechung des Reichsgerichts zunächst wieder aufgegriffen und inhaltlich weitgehend fortgeführt. In der bekannten »Constanze I – Entscheidung«978 hat er den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs dann über den reinen Bestandsschutz eines Unternehmens hinaus ausgedehnt. Damit löste sich die Rechtsprechung von der rein gegenständlichen Betrachtungsweise hin zu einem auch das Organisationsgefüge eines Betriebes beachtenden Schutz. Das Gericht war gleichwohl immer darum bemüht, diese doch sehr weite Ausuferung des Schutzbereichs des Tatbestandsmerkmals »sonstiges Recht« dann wieder über andere Kriterien einzuschränken. Dazu forderte es, ein Schadenersatz auslösender Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb müsse »unmittelbar in den Bestand« des Unternehmens erfolgen.979 Dieser Gedanke fand sich aber auch schon in der reichsgerichtlichen Judikatur wieder.980 Einig ist man sich heute, dass der Unternehmensschutz keineswegs nur auf die in einem Unternehmen oder Betrieb zusammengefassten Sachmittel wie Produktionsanlagen oder das gegenständliche Betriebsvermögen zu beschränken ist, sondern auch auf die sonstige Unternehmensstruktur mit Personaleinsatz, Kundenverbindungen oder technischem Know-how erstreckt werden muss, also auf alles, was den Wert eines Unternehmens ausmachen kann.981 977 RGZ 155, S. 234, 239. Das Gericht schien im Begriff gewesen zu sein, generell die Ausklammerung der freien Berufe aufgeben zu wollen. 978 BGHZ 3, S. 270ff. 979 BGHZ 3, S. 277; 8, S. 142, 144 sowie 29, S. 65, 67 u. 74. 980 RGZ 73, S. 107, 112; 77, S. 217, 219; 102, S. 223, 225. 981 So schon Buchner, Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz, 1971, S. 7; Puttfarcken, Der Schutz, S. 501. Ablehnend Canaris, Grundstrukturen des deutschen Deliktsrechts, VersR
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
211
Begründet wurde diese inhaltliche Erweiterung des Schutzguts damit, dass auch das Vergleichsgut »Eigentum« nicht nur gegenständlich, also in seinem Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Ausstrahlungen geschützt wird. Beispielhaft wird dafür der Schutz der »unbeschränkten Verfügungsmacht« über das Eigentum genannt, die schon bei nur vorübergehender Entziehung als beeinträchtigt gilt (Rechtsgut des Besitzes). Der Bundesgerichtshof hat in seiner Judikatur einem Unternehmen, dessen Mitarbeiter bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde, für den dem Unternehmen entstandenen Schaden keinen Ersatz zugesprochen.982 Diese Entscheidung ist im Zusammenhang mit dem einschränkenden Erfordernis eines betriebsbezogenen Eingriffs983 durchaus konsequent. Das Unfallereignis selbst kann auch kaum als betriebsbezogen gewertet werden, es hat sich für den Schadenersatzpflichtigen und das Unternehmen selbst nur zufällig als betriebsbezogen ausgewirkt.
2.
Die Einbeziehung der freien Berufe in den zivilrechtlichen Unternehmensschutztatbestand »eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb«
Vor dem Hintergrund der Wandlung des Schutzbereichs des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb war die Entscheidung zur Einbeziehung auch der freien Berufe absehbar. Dabei ist selbstverständlich, dass nur der schutzwürdig sein kann, wer auch unternehmerisch tätig ist.984 Wenn man den über die Gegenständlichkeit hinausgehenden Schutzbereich eines Betriebs auch in seinem funktionalen Gefüge ernst nimmt, muss man sich konsequenterweise auch von dem Gedanken lösen, dass nur die im allgemeinen Verständnis als gewerblich geltenden Unternehmen Ansprüche erheben können985. Die herrschende Meinung plädierte deshalb für die Ausdehnung auch auf freie Berufe.986 Das Gesetz zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb (UWG), für dessen Geltungsbereich die Einbeziehung der freien Berufe unstrittig ist987, stellt allein auf
982 983 984 985 986 987
2005, S. 577, 582; Zöllner, Besprechung Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrecht, Bd. 2, Besonderer Teil, 2. Halbband, 13. Aufl. in JZ 1997, S. 235. BGHZ 7, S. 30, 35. BGHZ 29, S. 65, 70ff. Schmidt, Integritätsschutz von Unternehmen nach § 823 BGB, JuS 1993, S. 985, 988. So u. a. Hager in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 823 Rdnr. D 7; Teichmann in Jauernig, BGB, § 823 Rdnr. 97. Schiemann in Erman, BGB, § 823 Rdnr. 60. Eine Erwägung, die sich in BGHZ 81, S. 21 zu Art. 14 GG wiederfindet sowie Schiemann in Erman, Rdnr. 60. Schiemann in Erman, BGB, § 823 Rdnr. 60. Es stellt sich auch die Frage, ob sogar das Standesrecht zur Erweiterung der Beurteilungskriterien unlauterer Wettbewerbshandlungen innerhalb der Berufsgruppe herangezogen werden kann.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
eine Betätigung im »geschäftlichen Verkehr« ab.988 Wenn man sich dann auch noch bewusst macht, dass das UWG eine Art »Sonderwettbewerbsrecht« in Ergänzung zu den allgemeinen Schutznormen des bürgerlichen Rechts, speziell des BGB ist989, dürfte es zwingend sein, auch die freien Berufe der Geltung des BGB zu unterwerfen. Es wäre schon mehr als befremdlich, wenn freie Berufe bei wettbewerbswidrigem Handeln ebenso wie Gewerbebetriebe durch das UWG schadenersatzpflichtig oder geschützt wären, bei Eingriffen zur Verfolgung anderer Ziele aber besser bzw. schlechter als ein Gewerbebetrieb dastehen würden.990 Wie der Bundesgerichtshof darüber denkt, lässt sich zunächst einer Entscheidung entnehmen, in der es um die Frage ging, ob Landwirtschaft Gewerbe i. S. d. alten Fassung des § 196 Abs. 1 2. Halbsatz BGB ist. Die Richter vertraten die Ansicht, die Gleichstellung mit Gewerbebetrieben hänge davon ab, ob die landwirtschaftliche Tätigkeit »nach der jeweiligen Verkehrsauffassung maßgeblich von dem Erwerbsstreben, von der Erwerbsabsicht oder von anderen Erwägungen geformt und bestimmt wird.«991 Dabei wird im Wesentlichen an den Tatbestand angeknüpft, der zur Kennzeichnung des Gewerbebegriffs charakteristisch und heute selbst aus der Sicht der Angehörigen freiberuflicher Arbeit für ihre Tätigkeit maßgebend ist. Für den landwirtschaftlichen Betrieb bejahte der BGH die Gewerbeeigenschaft i. S. d. § 196 Abs. 1 2. Halbsatz BGB a.F, allerdings differenzierte er damals noch zwischen Landwirten, die wirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen hätten, und den klassisch freiberuflich tätigen Ärzten und Rechtsanwälten sowie Künstlern.992 Behält man im Blick, dass diese Entscheidung vom 07. 07. 1960 stammt, also nunmehr fast 60 Jahre zurückliegt, wird man auf Grund der gewandelten Ansichten zum Altruismusgebot der freien Berufe im Berufsbild ihrer Tätigkeit eine vergleichbare Auffassung wohl nicht mehr erwarten müssen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte im Jahre 1963993 Anlass, die Frage zu entscheiden, ob freie Berufe, hier eine Arztpraxis, in den Schutzbereich des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs einbezogen werden kann. Das zuständige Landgericht hatte als Vorinstanz der Klage eines Arztes stattgegeben und diesen Schutz zugebilligt. Das Berufungsgericht vertrat demgegenüber die Auffassung, der Arzt übe kein Gewerbe aus, das ergäbe sich schon allein aus § 1 Abs. 2 BuÄO, wonach der Arztberuf kein Gewerbe sei. Es scheint nun müßig zu
988 989 990 991 992 993
Beater in Soergel, § 823, S. 386 Fn. 81. Schiemann in Erman, BGB, § 823 Rdnr. 60. Ebenda. BGHZ 33, S. 321, 333f. BGHZ 33, S. 321, 334f. OLG Karlsruhe NJW 1963, S. 2374f.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
213
sein, darüber nachzudenken, wie der Bundesgerichtshof entschieden hätte, wenn eine Revision zulässig gewesen wäre und der Kläger diese gewollt hätte. Unstreitig hat die Bezeichnung einer Tätigkeit als freiberuflich in einem Berufsgesetz keinerlei Präjudiz auf andere Rechtsgebiete994, wie überhaupt der bloße Streit über die Zugehörigkeit einer bestimmten Erwerbstätigkeit zum Gewerbe oder freien Beruf keinerlei Aussagekraft für konkrete Rechtsproblemlösungen haben darf995. Deutlich wurde der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung996, die eine Forderung auf Schadenersatz nach dem Entschädigungsgesetz eines Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts aus einer Amtspflichtverletzung zum Gegenstand hatte. Er hat der Arztpraxis Ersatzansprüche auf Einnahmeverlusten zugebilligt, da auch eine Arztpraxis den Schutz als »eingerichtete und ausgeübte Arztpraxis« beanspruchen könne. Auch an dieser Stelle ist wiederum die schon im Zusammenhang mit der Gewerbebesteuerung sowie der Anwendbarkeit des Kartellrechts erörterte Suche nach einer Verknüpfung zwischen einem besonderen Wesensmerkmal einer Berufstätigkeit, gleichgültig ob freier Beruf oder Gewerbebetrieb, und dem Zweck der auf diesen Sachverhalt anzuwendenden Norm gefordert. Geht man von der Formulierung »sonstiges Recht« aus, lässt der Gesetzgeber viele Möglichkeiten offen. Als richtiger Ansatz kann aber nicht nur die Ähnlichkeit zum Rechtsgut bzw. absolut geschützten Recht »Eigentum« allein entscheidend sein. Der »Rechtsgüterkatalog« des § 823 Abs. 1 BGB enthält nicht nur »Gegenständliches«, sondern auch immaterielle Rechte wie »Gesundheit« oder »Freiheit«. Die Rechtsprechung997 hat in diesem Zusammenhang auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht als schutzwürdig und daher ebenfalls als absolut geschütztes Recht anerkannt. Das OLG Karlsruhe hätte mit diesem Ansatz zu einer anderen Beurteilung kommen müssen. Nun soll hier keineswegs der Unternehmensschutz für freie Berufe generell und unmittelbar allein über das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründet werden, obwohl auch das zumindest weitere Gedanken wert wäre998. Die wie auch immer vorgenommene berufsbezogene Einwirkung auf die berufliche Tätigkeit der freien Berufe, die nach herkömmlicher, aber überholter 994 Schon Deneke, Die freien Berufe, 1956, S. 116, verweist auf den Unterschied eines ständischen Berufsbegriffs im Vergleich zu einer auch rechtlichen Definition. 995 Das räumt selbst das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 10, S. 354, 364 ein, hält sich allerdings nicht daran. 996 BGHZ 81, S. 21, 33. 997 Übersicht bei Sprau in Palandt, BGB, § 823 Rdnr. 83ff.; BGHZ 24, S. 72,78; 106, 229 (die bekannte Entscheidung zur Briefkastenwerbung) und OLG Karlsruhe, NJW 2006, S. 617. 998 Beater in Soergel, BGB, § 823 Anh. IV Rdnr. 13; Schiermann in Erman, BGB, § 823 Rdnr. 61, begrenzt diesen Schutz auf Rufschädigungen.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Auffassung eine idealistische Komponente aufweist und somit auch ein Teil der Persönlichkeitsverwirklichung darstellen würde, wäre dann immer auch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Dies gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen und sonstige Gemeinschaften.999 Bei ihnen wird als Persönlichkeitsrecht die allgemeine Handlungsfreiheit in Form der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit geschützt.1000 Fruchtbar gemacht werden kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht so für die Frage, was unter einem »sonstigen« Recht zu verstehen ist. Es sollte wohl ein Recht sein, das den anderen in der Wertigkeit ähnelt. Aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als ideelles Rechtsgut kann zwar in vielen Fällen kein konkret berechenbarer Schadenersatzanspruch ermittelt werden, anerkannt ist aber neben der Materialisierung des immateriellen Schadens durch eine Geldentschädigung/Schmerzensgeld auch ein echter Schadenersatzanspruch in Höhe des durch die Handlung beeinträchtigten wirtschaftlichen Interesses. Der Bundesgerichtshof prüft in passenden Fallkonstellationen im Rahmen von Unternehmenseingriffen das Schutzgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs parallel zum Persönlichkeitsrecht.1001 Die Rechtskonstruktion des »eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs« als eine der Gerechtigkeitsidee verschriebene Lückenfüllung für einen Schadensausgleich wird mit der herrschenden Meinung1002 als notwendig erachtet. Weshalb dann aber zwischen einem Gewerbetreibenden und einem freiberuflich Tätigen ein Unterschied bestehen sollte, erschließt sich nicht. Unter den Wesensmerkmalen der freien Berufe ist keines ersichtlich, das dafür eine Erklärung oder gar Begründung liefern könnte. Weder die Merkmale wie die Gewinnerzielungsabsicht noch die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterscheiden beide Berufsgruppen. Eine wissenschaftliche oder sonstige höhere Ausbildung knüpft ebenso wenig an den Zweck des Schutzes eines »sonstigen Rechts« an, wie eine eventuell vorhandene Gemeinwohlverpflichtung, eines Vertrauenstatbestandes oder gar die »besondere Stellung im Sozialgefüge«1003. Auch hier wäre allenfalls an die immer noch hintergründig mitschwingende »Objektbezogenheit« der Gewerbebetriebe in Abgrenzung zu einer eigenpersönlichen Leistung des klassischen Freiberuflers als Unterscheidungskriterium zu denken. Damit könnte man aber nicht erklären, weshalb dann alle Gewerbetreibende, die über keine derartige objektbezogene Berufs999 1000 1001 1002
Sprau in Palandt,BGB, § 823 Rdnr. 91ff. OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 1486. BGHZ 36, S. 77, 80; BGH NJW 1991, S. 1532f. BGHZ 36, S. 252, 256f. unter Berufung auf RGZ 132, S. 311, 316, Schmidt Integritätsschutz von Unternehmen nach § 823 BGB, JuS 1993, S. 985ff. m. w. N. 1003 BVerfGE 120. S. 1, 31.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
215
struktur verfügen, sondern in ihrer Betriebsstruktur den freien Berufen ähneln, gleichwohl als schutzwürdig behandelt werden. Das würde zweifellos Probleme im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG zur Folge haben. Der Begriff des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist nicht etwa vom Gesetzgeber vorgegeben, sondern von der Rechtsprechung zur Lösung eines ganz konkreten Schadenssachverhalts entwickelt worden. Man kann davon ausgehen, dass insoweit die Formulierung »Gewerbebetrieb« zunächst einmal unreflektiert bedeutungsneutral im Verhältnis zu freien Berufen gewählt wurde. Nach dem Abrücken von der Objektbezogenheit und Erweiterung auch über den gegenständlichen Bestandsschutz hinaus, würde das ohnehin keine Rolle mehr spielen, so dass auch die Lücke eines Anspruchs des »freien Berufs« durch eine entsprechende Anwendung geschlossen werden muss. Indem die Rechtsprechung freiberuflichen Praxen deren Veräußerungsfähigkeit im Ganzen zuerkannt hat1004, dürfte es auch nicht zweifelhaft sein, dass die Praxen des Arztes, des Rechtsanwalts oder auch des Steuerberaters Vermögenswert besitzen und in ihrer Organisations- und Wirkungsstruktur durch rechtswidrige Eingriffe Schaden erleiden können. So wurde die freiberufliche Praxis auch schon als »Berufsbetrieb«1005 bezeichnet. Dieser Betrieb umfasst ebenso wie der Gewerbebetrieb eine Summe von Gütern, Rechten und Interessen.1006 Es hätte aber nicht die gegenständliche Betriebsausstattung als solche geschützt werden müssen. Sie ist ohnehin über die ausdrücklich erwähnten Schutzgüter Eigentum und Besitz in § 823 Abs. 1 BGB erfasst. Der Bundesgerichtshof schützt aber darüber hinaus gerade auch Geschäfts- und Kundenverbindungen, also fast alles, was mit dem Funktionsablauf den wirtschaftlichen Wert eines Betriebes ausmacht.1007 Sogar der gute Ruf eines Unternehmens verfügt über einen anerkannten Vermögenswert.1008 Ursprünglich wurde dagegen eingewandt, wegen der höchstpersönlichen Leistungserbringung durch den Berufsträger sei das freiberufliche Unternehmen losgelöst vom Berufsträger nicht werthaltig. Die Praxis der Vergangenheit und auch der Gegenwart widerlegen derart kühne Behauptungen. Selbst das Steuerrecht hat der Werthaltigkeit durch Berücksichtigung der Lage, des Kunden-, Patienten- und Mandantenstamms sowie dem guten Ruf Rechnung ge1004 RGZ 153, S. 294; BGHZ NJW 1974, S. 602; BGHZ 16, S. 71, 79. 1005 Callmann, Der Goodwill und die freien Berufe unter dem Bundesentschädigungsgesetz, NJW 1956, S. 1909ff. 1006 Puttfarcken Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, S. 502. 1007 BGHZ 16, S. 172; 29, S. 65, 70; 45, S. 83, 87. 1008 Der BGH hat den »good will« einer Anwaltspraxis für schutzwürdig gehalten (BGH BB 1967, S. 96). Dazu Buchner, Die Bedeutung des Rechts, S. 127. Ferner BGH NJW/RzW 1957, S. 83; OLG Hamburg, NJW/RzW 1956, S. 88.
216
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
tragen.1009 Freie Berufe waren darüber hinaus unter der Geltung des Entschädigungsrechts1010 mit breiter Zustimmung der Literatur1011 entschädigungsberechtigt. Demgegenüber sind die Gründe, freie Berufe nicht dem Schutzgut zu unterstellen, aufgrund der Strukturveränderungen in der wirtschaftlichen Realität fragwürdig, wenn nicht sogar überholt.1012 Der Bundesgerichtshof hat sogar den »Gewerbebetrieb« eines einzelnen Athleten geschützt.1013 Bereits in anderem Zusammenhang wurde erwähnt, dass freie Berufe wie beispielsweise Laboratoriumsärzte, Röntgenfachärzte, Nuklearmediziner oder Zahnärzte heute ihren Beruf nur mit erheblichem Kapitaleinsatz ausüben können. Es kann deshalb auch nicht zweifelhaft sein, dass diese Praxisbetriebe auch unter dem Kriterium einer Objektbezogenheit schutzwürdig sind. Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass im Anwendungsbereich des Unternehmensschutzes als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB kein Argument ersichtlich ist, das eine rechtliche Differenzierung allein nach der Zuordnung als freier Beruf oder als Gewerbebetrieb nachvollziehbar begründen könnte.
VI.
Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs und die Einbeziehung der freiberuflichen Praxis
Art. 14 GG gewährleistet und schützt neben dem Erbrecht auch das Eigentum. Dieser Schutzanspruch ist kein unmittelbares Freiheitsrecht1014 zur Erlangung von Eigentum, das wird über das Grundrecht auf Berufsfreiheit sowie über Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet. Art. 14 GG schützt das Eigentum in seinem Bestand, nicht aber dessen Erwerb.1015 Anders als § 823 Abs. 1 BGB können die Grundrechte allerdings nicht unmittelbar vor Eingriffen privater Dritter schützen, sondern nur Schutz vor Rechtsbeeinträchtigungen durch hoheitliche Gewalt bieten.1016 Reichsgericht und Bundesgerichtshof haben dem Bundesverfassungsgericht praktisch das Schutzgut des Gewerbebetriebs vorgegeben. Da immer strittig 1009 Schick, Freie Berufe im Steuerrecht, S. 150. 1010 Gesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung i. d. F. vom 14. 09. 1965 (BGBl. 1965 I, S. 1315). 1011 Callmann, Der Goodwill, NJW 1956, S. 1909f.; Werner, Zur Frage der Ersatzpflicht für Schädigung in der Ausübung freier Berufe, NJW 1957, S. 618ff.; a. A. Bielschowsky, Urteilsanmerkung zu OLG Hamburg, NJW/RzW 1956, S. 184. 1012 Hager in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 823 A-D, Rdnr.D 6. 1013 BGHZ 193, S. 227, 232 zu Rdnrn. 19ff. 1014 Gröpl. Studienkommentar GG, 3. Aufl., 2017, Art. 14 Rdnr. 6. 1015 Michael/Morlock, Grundrechte, § 9 Rdnr. 373. 1016 BVerfGE 7, S. 198, 204f.
Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Einbeziehung freiberuflicher Praxis
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war, ob das Vermögen als solches den Eigentumsschutz des Art. 14 GG genießt, ging das Verfassungsgericht mit Zurückhaltung an dieses Problem heran. Dennoch hatte es wiederholt eine »erdrosselnde« Geldleistungsverpflichtung der Bürger für grundrechtswidrig gehalten und damit in Erweiterung des Eigentumsbegriffs auch das Vermögen und sogar »Geld« geschützt.1017 Uneinheitlich verlaufen ist die grundsätzliche Anerkennung eines dem Schutzbereich des Art. 14 GG zuzuordnenden Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Anerkennung dieses Schutzguts als sonstiges Recht durch den Bundesgerichtshof konnte auf Dauer nicht ohne Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Sichtweise bleiben. Das Verfassungsgericht erkannte zunächst die »innerliche« Berechtigung einer Gleichstellung der Sachund Rechtsgesamtheit, als die sich ein Gewerbebetrieb darstellt, an.1018 Allerdings fanden die beiden Senate keine einheitliche Linie untereinander, zwischen ihnen war umstritten, ob der Schutzbereich des Art. 14 GG überhaupt so weit ausgedehnt werden dürfe.1019 Später beschränkte es dann den Schutz des Art. 14 GG auf bloße Eingriffe in die Substanz des Unternehmens.1020 Mittlerweile werden jedoch vom Gericht wieder erhebliche Zweifel an der ursprünglichen Sichtweise einer grundsätzlichen Anerkennung geäußert.1021 Wenn das Gericht den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb über Art. 14 GG für schützenswert halten würde1022, müsste es diesen Schutz aber konsequenterweise, ebenso wie dies der Bundesgerichtshof1023 sowie das Bundesverwaltungsgericht1024 tun, auch auf freiberufliche Unternehmen ausdehnen. Die Begründung kann insoweit nicht anders ausfallen. Die Einbeziehung von Gewerbebetrieben in den Eigentumsbegriff wird mit der Lückenfüllung einer sonst schutzlosen Sach- und Rechtsgesamtheit begründet1025, die sich so auch in freiberuflichen Praxen und Unternehmen findet.
1017 BVerfGE 97, S. 350, 370f.; Michael/Morlock, Grundrechte, Rdnr. 386. 1018 So noch BVerfGE 1, S. 264, 277. 1019 Der Erste Senat (BVerfGE 4, S. 7, 14 zur Investitionshilfe) hat die Ausweitung des Schutzbereichs auf Vermögenswerte abgelehnt, der Zweite Senat neigt einer Erweiterung des Schutzbereichs zu (BVerfGE 115, S. 97, 112f. zum Halbteilungsgrundsatz). 1020 BVerfGE 45, S. 142, 173 mit ausdrücklichem Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung in BGHZ 45, S. 83, 87. 1021 BVerfGE 51, S. 193, 221f.; 105, S. 252, 278; 123, S. 186, 258. 1022 Bejaht u. a. von Ossenbühl, Die beruflichen und wirtschaftlichen Grundrechte im deutschen Grundgesetz in Kirchhof/Kommers, Deutschland und sein Grundgesetz, S. 283, 304; Depenheuer/Froese in v.Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetzkommentar, 7. Aufl., 2018, Art. 14 Rdnr. 134; ablehnend dagegen u. a. Wieland in Dreier, GG, Bd. 1, Art. 14 Rdnr. 62. 1023 BGHZ 81, S. 21, 23. 1024 BVerwGE 40, S. 157, 165. 1025 Ebenda.
218
VII.
Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Das Handelsgesetzbuch als gewerbliches Sonderrecht des Kaufmanns
Im allgemeinen Verständnis von kaufmännischer Tätigkeit werden ihren Berufsträgern besondere Kenntnisse und Erfahrungen beim Abschluss sowie in der Abwicklung von Rechtsgeschäften unterstellt. Dem nicht kaufmännisch tätigen Bürger hält man zugute, dass er insoweit unbedarft und unerfahren sei. Dieser Erkenntnis wird noch heute durch das Sonderrecht des Kaufmanns im Handelsgesetzbuch Rechnung getragen.1026 Für andere Teilnehmer am Rechts- und Geschäftsverkehr, eingeschlossen sind freie Berufe, gilt allein das Bürgerliche Gesetzbuch mit deutlich geringeren Anforderungen an die Beachtung formaler Rechtsprinzipien. Die Veränderungen in der Berufswirklichkeit hat allerdings zu einem Umdenken geführt. Dass freie Berufe generell aus dem Geltungsbereich des Handelsgesetzbuches ausgenommen sind, wird von Teilen der Literatur historisch begründet, aber auch als Ergebnis der Berücksichtigung sachfremder Gruppeninteressen als gesetzgeberisches Motiv gesehen.1027 Ansatzweise hat der Bundesgerichtshof Neuland beschritten. Er hat die mit einer am Zweck der strengeren handelsrechtlichen Vertrags- und Verhaltensnormen entwickelten Grundsätze zum sog. kaufmännischen Bestätigungsschreiben auf freie Berufe ausgeweitet. Für kaufmännisch versierte und rechtserfahrene Wirtschaftsprüfer1028und sogar für einen Architekten1029 hat er die von der Rechtsprechung für Kaufleute entwickelten Grund-sätze für einschlägig gehalten. Auch bestimmte freiberufliche Unternehmen, so das Gericht, würden ebenso wie Kaufleute in erheblichem Umfang am Geschäftsleben teilnehmen. Von ihnen könne demzufolge auch erwartet werden, dass sie in gleicher Weise von der Bedeutung dieser unter Kaufleuten bestehenden Verkehrssitte Kenntnis hätten. Eine »de lege lata« wohl fragliche Entscheidung, aber ein deutlicher Fingerzeig, wie mit der vor allem auf »Tradition« gegründeten Differenzierung zwischen freien Berufen und Gewerbebetrieben umgegangen werden müsste. Für das Handelsrecht gilt allerdings, dass die Trennlinie seiner Anwendbarkeit nicht zwischen Gewerbebetrieben einerseits und freien Berufen andererseits verläuft, sondern zwischen Handelsgewerbe und allen übrigen Gewerbetreibenden einschließlich freier Berufe. Unterscheidungsmerkmal für gewerbliche
1026 Dazu ausführlich Müller, Einbeziehung der freien Berufe in das Handelsrecht, Kiel 1967. 1027 Hopt in ZGR 1987, S 145, 150f. sowie 176; Krebs, Reform oder Revolution? – Zum Referentenentwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, in DB 1996, S. 2013, 2016 u. 2019; Schmidt in Bemerkungen und Vorschläge zur Überarbeitung des Handelsgesetzbuches, DB 1994, S. 515ff. 1028 BGH DB 1967, S. 1362. 1029 BGH WM 1973, S. 1376.
Resümee aus den Differenzierungen in den dargestellten Rechtsgebieten
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Tätigkeiten ist deshalb immer die Notwendigkeit eines nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs1030.
VIII. Resümee aus den Differenzierungen in den dargestellten Rechtsgebieten Bereits an anderer Stelle wurde auf die immer wieder vertretene These eingegangen, die Begriffe »freier Beruf« und »Gewerbe« seien in den verschiedenen Rechtsgebieten auch unterschiedlich zu definieren.1031 Taupitz1032 scheint das ebenso zu sehen, kritisiert allerdings die Tatsache, dass es dazu überhaupt gekommen ist. Die anhand der betroffenen gesetzlichen Regelungen vorgenommene Überprüfung der Wesensmerkmale der beiden klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts hätten, so Taupitz, zu der Erkenntnis geführt, dass nicht alle diesen Berufen zugeschriebenen Merkmale mit dem Zweck der jeweiligen Regelungen verknüpft werden könnten und sie daher auch für eine Abgrenzung zu gewerblicher Tätigkeit ungeeignet seien. Das ist eine zutreffende Schlussfolgerung, aus der er aber nicht die richtige Konsequenz zieht. Die Lösung des Abgrenzungsproblems kann nämlich nicht in einer variablen Anwendung eines unterschiedlichen Begriffsverständnisses der freien Berufe gesucht werden, sondern allein in einer generellen Aufgabe dieser Begriffsdualität »freier Beruf« oder »Gewerbe«. Dem jeweiligen Gesetzeszweck kann so durch eine konkrete Berufs- und Unternehmenszuordnung außerhalb dieses »Begriffskorsetts« Rechnung getragen werden. Eine vom Verfassungsgericht möglicherweise schon in einer früheren Entscheidung1033 nicht bis in die letzte Konsequenz bedachte Feststellung zu dieser Thematik weist auf das eigentliche Problem hin. Im Zusammenhang mit der Formulierung, der freie Beruf sei kein Rechtsbegriff, sondern lediglich ein »soziologischer Begriff«, hat es daraus gefolgert, dass auch bei unstreitiger Zugehörigkeit eines Berufs zu der Gruppe der freien Berufe daraus keine präzisen normativen Wirkungen für seine Behandlung im Recht hergeleitet werden könnten. Diese Aussage bringt die Notwendigkeit einer Auflösung des starren Festhaltens an der Ableitung von Sonderrechten allein aus der Zuordnung zur Freiberuflichkeit auf den Punkt. Allerdings hält sich das Gericht selbst nicht an 1030 Hopt in Baumbach-Hopt, § 1, Rdnr. 22. 1031 Römer, Notariatsverfassung und Grundgesetz, S. 40; Hoffmann, Die Verstaatlichung von Berufen, DVBl. 1964, S. 457, 459; kritisch dazu Michalski, Der Begriff des freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 13; dagegen Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht, S. 17. 1032 Die Standesordnungen, S. 21. 1033 BVerfGE 10, S. 354, 364.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
diese Prämisse. Stattdessen greift es zur Rechtfertigung einer Sonderstellung auf irrelevante und angeblich die freien Berufe charakterisierende Merkmale zurück, wie die wissenschaftliche oder höherwertige Ausbildung, eine besondere Vertrauensstellung (deren Relevanz sich nur als Annex zur eigen- oder höchstpersönlichen Leistung zeigt) sowie die Gemeinwohlbindung1034, ohne dass diese Kriterien von einem Gesetzeszweck gefordert werden. Diese Merkmale können allenfalls begründen, weshalb Berufstätigkeiten den freien Berufen als soziologisch zusammengehörige Gruppe angehören, zur Rechtfertigung steuerlicher oder anderer Vergünstigungen dagegen nicht. Das Steuerrecht verlangt die eigenpersönliche Leistung in wirtschaftlicher Selbstständigkeit zur Anerkennung als freier Beruf (Vervielfältigungstheorie). Dieses Wesensmerkmal erfüllen alle freiberuflichen Tätigkeiten, aber auch die kleineren Gewerbebetriebe, soweit sie ebenfalls Dienstleistungen erbringen. Das gilt in gleicher Weise auch für die Erfüllung der Voraussetzungen einer erweiterten Baunutzung in Wohnbereichen nach der Baunutzungsverordnung. Ganster, der den Untergang der Sonderstellung freier Berufe vor allem in der Hinwendung zur Kapitalgesellschaft sieht, hat wiederholt die eigenpersönliche oder höchstpersönliche Leistung, die nicht durch den Einsatz fremder Arbeitskräfte über ein vertretbares Maß hinaus geprägt wird, als das einzig maßgebliche und steuerrechtlich relevante Wesensmerkmal der freien Berufe in Abgrenzung zum Gewerbe betont.1035 Aus diesen selbstverständlich zutreffenden Gedanken zieht er nicht die zwingende Konsequenz, dass dann auch die rechtliche Differenzierung in beide Berufsgruppen als solche obsolet ist und unabhängig von den Deprofessionalisierungstendenzen durch die Zuwendung zur Kapitalgesellschaft die rechtliche Sonderstellung der freien Berufe als Berufsgruppe hinfällig ist. Die Trennlinie des Wesensmerkmals der eigen- oder höchstpersönlichen Leistung verläuft nicht zwischen beiden traditionell überlieferten angeblich so wesensverschiedenen Berufsgruppen, sondern sie verläuft einerseits zwischen Berufen, die eigen- oder höchstpersönlich tätig sind und andererseits allen übrigen Erwerbstätigkeiten. Die Abgrenzungsfrage hat schwerpunktmäßig im Steuerrecht Relevanz. Nachdem diverse Steuervergünstigungen sowohl im Einkommen- als auch im Umsatzsteuerrecht weggefallen sind, ist den freien Berufen als ganz wesentliche Wohltat noch die Gewerbesteuerfreiheit verblieben. Das Bundesverfassungsgericht hat sie in seiner Entscheidung vom 15. 01. 2008 mit einer aus der Typologie abgeleiteten rein begrifflichen Betrachtungsweise, ihren traditionellen Wesensunterschieden und dem Steuerzweck der Äquivalenztheorie, also dem 1034 Beispielhaft die in dieser Arbeit ausführlich behandelten Entscheidungen BVerfGE 46, 224ff. sowie 120, S. 1ff. 1035 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 542f., 545, sowie 550.
Resümee aus den Differenzierungen in den dargestellten Rechtsgebieten
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Ausgleich zugunsten der Gemeinden für Folgekosten durch Ansiedlung der Gewerbebetriebe, begründet.1036 Freie Berufe würden, so das Gericht, typischerweise keine derartigen Infrastrukturkosten verursachen. Weshalb dann aber nur freie Berufe davon profitieren sollen, konnte der Senat so nicht plausibel darlegen. Nur mit den Argumenten der Rechtstradition, der besonderen Stellung dieser Berufe im »Sozialgefüge« oder den Merkmalen einer wissenschaftlichen oder höherwertigen Ausbildung, einer besonderen Vertrauensstellung oder der Gemeinwohlverpflichtung, lässt sich keine Affinität zum Steuerzweck eines finanziellen Ausgleichs für die den Gemeinden entstehenden Folgekosten einer Unternehmensansiedlung feststellen. Geradezu exemplarisch für diese rational kaum noch verständliche Unterscheidung beider Berufsgruppen war der Fall eines Modellbauers, wie er unter F I 1a geschildert wurde. Obwohl dieser einem Ingenieur vergleichbare Arbeitsergebnisse nachweisen konnte, wurde ihm keine Gewerbesteuerbefreiung zugebilligt, ihm fehlte allein die für den Ingenieur geforderte Hochschulausbildung bzw. vergleichbare Kenntnisse. Welche Affinität dieser Umstand zu einer steuerlichen Begünstigung haben soll, ist nicht nur unverständlich, diese Verknüpfung ist geradezu abwegig. Das Steuerrecht ignoriert bei der Frage der Steuerpflicht vollkommen zu Recht Zulassungs- oder Erlaubnisgesichtspunkte. Bei einer Akzeptanz der Äquivalenztheorie als vom Bundesverfassungsgericht »wiederbelebtem« Steuerzweck der Gewerbesteuer wäre das Wesensmerkmal der eigenpersönlichen Leistung »das« allein relevante Unterscheidungskriterium für eine gesetzliche Privilegierung. Der eigenpersönlich tätige Berufsträger benötigt keine oder nur eine geringe Personalausstattung und auch keine Produktionsanlagen, die zu Versorgungs- oder Entsorgungskosten führen können. Er kommt in der Regel auch mit einem begrenzten Kapitaleinsatz aus. Geht man den Berufskatalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch, so findet man tatsächlich keine Tätigkeit, die nicht eigenpersönlich von einem Berufsträger ausgeübt werden kann. Die den freien Berufen zugeschriebenen weiteren Wesensmerkmale haben dagegen zu diesem Finanzzweck der Gewerbesteuer keinerlei Bezug. Schmehl1037 hat im Zusammenhang mit dem Äquivalenzgedanken die zu stellenden Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung formuliert: »Die Beziehung zu einer öffentlichen Leistung kommt gegenüber dem Gleichheitssatz nur dann als ausreichender Differenzierungsgrund für die Heranziehung zu einer Abgabe (das wäre hier die Gewerbesteuer) in Betracht, wenn der Abgabepflichtige der öffentlichen Leistung sachlich näher ist als diejenigen, die zu der Abgabe nicht herangezogen werden.« 1036 BVerfGE 120, S. 1ff. 1037 Das Äquivalenzprinzip, S. 102.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
»Sachlich« könnte die Befreiung von der Gewerbesteuerpflicht allenfalls durch die eigenpersönliche Leistung gerechtfertigt werden. Sie müsste dann aber auch einer Vielzahl bisher als gewerblich eingestufter, ebenfalls eigenpersönlich ausgeübter Berufe wie Handwerker, Inhaber kleinerer, personengeprägter Gewerbebetriebe, Versicherungsagenturen und auch alle in kleiner Betriebseinheit tätigen EDV–Berater gewährt werden. Die erforderliche Kontrolle der Einhaltung der Größenbeschränkung sowie der daraus abzuleitenden eigenpersönlichen Leistung könnten die Finanzämter vornehmen, ebenso wie das bereits jetzt bei freien Berufen im Rahmen der abgemilderten »Vervielfältigungstheorie« praktiziert wird. Entscheidungshilfe zur Herstellung einer möglichst einheitlichen Anwendung der Vorschriften ermöglichen die Steuerrichtlinien, die insoweit auch Besonderheiten einzelner Berufe in der Ausgestaltung der konkreten Anforderungen an eine noch als eigenpersönlich geltende Leistung formulieren könnten. Wenn man der typisierenden Betrachtungsweise etwas abgewinnen wollte, gäbe es an dieser Stelle dafür einen akzeptablen Spielraum zur Regelung typischer Sachverhalte, die die Berufs- und Unternehmensbesonderheiten der Branchen berücksichtigen. Das Ergebnis und die Begründung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 08. 2008 kann man getrost als »Kotau« vor der Tradition einer sich in den diskutierten Wesensmerkmalen als völlig heterogen präsentierenden Berufsgruppe empfinden. Selbst die vom Gericht beschworene »Gestaltungsfreiheit« des Steuergesetzgebers hilft da nicht weiter. Sie endet dort, wo zweckfremde Erwägungen und Zuordnungen zu willkürlichen Differenzierungen führen. Zweckfremd ist zweifelsohne die steuerliche Begünstigung allein nach einer Typisierung, die sich an einem historisch gewachsenen Berufsbegriff und nicht am zutreffend ermittelten Steuerzweck orientiert. Der Gesetzgeber hat der Rechtsprechung nicht nur im Steuerrecht die Aufgabe überlassen, dem von ihm selbst oft unreflektiert oder sogar völlig unsystematisch1038 verwendeten Begriff des Gewerbes einen Sinn zu geben. So sichert die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Planungsphase eines neuen Baugebiets und bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Neuansiedlungen auch die Wohnruhe und schützt vor der Verringerung von Wohnkapazitäten durch Gewerbeansiedlungen in den Wohngebieten. § 13 BauNVO gestattet die freiberufliche Berufsausübung in diesen geschützten Gebieten und erweitert seine Ausnahmeregelung auch auf »solche Gewerbetreibenden, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben«. Hier hat der Gesetzgeber aber schon gezeigt, in welcher Richtung er zukünftig Gesetzgebung sinnvoll gestalten könnte, auch wenn er die freien Berufe als »Typus« einer wenig störanfälligen Berufsgruppe noch pauschal begünstigt hat. Er hat die Befreiung vom Nutzungsverbot nicht allein nach 1038 So »gewerbsmäßig« in § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz.
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der Gruppenzugehörigkeit »freier Beruf« festgelegt, sondern teilweise am Gesetzeszweck ausgerichtet. So ist es gelungen, die Begünstigung auch zum Gewerbe hin zu öffnen. Eine derartige »Öffnungsklausel« für Gewerbetreibende, die ihren Beruf in »ähnlicher Art« wie freie Berufe ausüben, ermöglicht immerhin eine Gleichstellung aller im wesentlichen eigenpersönlich tätigen Berufsträger, auch wenn damit verständlicherweise nicht alle Abgrenzungsprobleme vermieden werden können. Als Beispiel einer misslungenen Gesetzgebung kann die Gewerbeordnung gelten. Auch insoweit hätte man statt einer Differenzierung nach Berufsgruppen (so aber § 6 GewO) eine dem Gesetzeszweck entsprechende abstrakte Anwendungsregelung finden müssen. Dabei dürfen weder das Merkmal »eigenpersönliche Leistung« noch die anderen idealistisch ausgerichteten Wesensmerkmale als negative Abgrenzungskriterien der Begriffe »Gewerbe« oder auch »Gewerbetreibender« stehen, sondern allein die Möglichkeit einer anderweitigen spezielleren Zulassungsüberprüfung und Berufsausübungskontrolle. Das OVG Lüneburg hat in seiner »Berufsbetreuerentscheidung«1039 aufgezeigt, allerdings dort nur als Hilfsargument, wie ein derartiger Prüfungsansatz zur Beantwortung der Frage nach einer Anwendbarkeit der Gewerbeordnung auf die als freiberuflich gewerteten Tätigkeiten aussehen könnte. Der Zweck einer gewerberechtlichen Anmeldung beruht auf der damit einhergehenden Prüfung der Zuverlässigkeit für die angemeldete Tätigkeit und der sich anschließenden Überwachungsmöglichkeit.1040 Hier könnte gelten, wenn funktionierende und unter staatlicher Aufsicht stehende Selbstverwaltungskörperschaften diese Aufgaben übernehmen, gäbe es für eine Anwendung der Gewerbeordnung kein Bedürfnis mehr. Ausreichend wäre somit eine Regelung, bei der sichergestellt ist, dass nur die Berufe aus dem Anwendungsbereich ausgeklammert werden, die einer anderweitigen zuverlässigen und rechtlich überprüfbaren Aufsicht als der des Gewerbeamtes unterworfen sind.1041 Dieser Prämisse trägt die Ausnahmeregelung des § 6 GewO nur teilweise Rechnung. Die Abschaffung der rechtlichen Differenzierung in freie Berufe einerseits und Gewerbebetriebe andererseits würde so auch nicht zu einer Auflösung der gehüteten Selbstverwaltungsautonomie zahlreicher freier Berufe führen müssen. Es hat sich herausgestellt, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Rahmen einer funktionierenden öffentlich-rechtlich organi1039 OVG Lüneburg, Urteil vom 29. 08. 2007, 7 LC 125/06, Rdnr. 40. Auch das Bundesverwaltungsgericht stellt dieses Hilfsargument der allerdings im Vordergrund stehenden Argumentation einer Abgrenzung über Wesensmerkmale an die Seite (BVerwG NJW 2008, S. 1974, 1975). 1040 BVerwG NJW 1977, S. 772, BVerwG NJW 2008, S. 1974, 1975. 1041 Dazu würden die Berufe mit einer öffentlich-rechtlich organisierten Selbstverwaltung gehören.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
sierten Selbstverwaltung bei Wettbewerbsbeeinträchtigungen innerhalb einer Berufsgruppe dann nicht benötigt wird, wenn Standesordnungen über Regelungen verfügen, die dem Zweck des GWB entsprechen. Dann verdrängt das speziellere Berufsrecht das allgemeinere Kartellrecht nach dem Grundsatz »lex specilis derogat lex generalis«. Für Wettbewerbsbeeinträchtigungen gegenüber Außenstehenden oder bei Teilnahme der Berufsträger am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist Raum für die Anwendung des allgemeinen Kartellrechts. Das Standesrecht hat für diese Sachverhalte keine unmittelbare Außenwirkung. Eine Relevanz der Freiberuflichkeit als solche mit all den ihr zugeschriebenen Wesensmerkmalen ist daher nicht ersichtlich. Die weit überwiegende Zahl freier Berufe und der ihnen ähnlichen Tätigkeiten verfügen über kein eigenes Berufsrecht, das in der Lage wäre, das GWB oder auch die Gewerbeordnung zu ersetzen. Zivil- und verfassungsrechtlich gibt es keine unterschiedlichen Rechtsfolgen für freie Berufe und für das Gewerbe. Das gilt sowohl im Hinblick auf das in beiden Rechtsgebieten diskutierte Schutzgut des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als auch für die in Art. 74 Nr. 11 bzw. Nr. 19 GG geregelte konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Im Zivilrecht hat der Gesetzgeber in der jüngeren Vergangenheit bereits im Sinne einer zweckorientierten Gleichstellung beider Berufsgruppen reagiert. Im Zusammenhang mit den allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB wurde die begriffliche Differenzierung im Gesetz überarbeitet. Der im Rahmen der sogenannten Schuldrechtsreform (Schuldrechtsreformgesetz) im Jahre 20011042 neu gefasste § 196 BGB differenziert nicht mehr zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen. Zuvor mussten die Gerichte immer wieder mit dann wechselnden Formulierungen entscheiden, ob die vertraglichen Leistungspflichten, deren Verjährung geltend gemacht wurden, für den Gewerbebetrieb (§ 196 Abs. 1 Nr. 1) bzw. für den gewerblichen Dienstleistungsbereich (§ 196 Abs. 1 Nr. 7) des Schuldners erbracht wurden oder einer freiberuflichen Tätigkeit(§ 196 Abs. 1 Nr. 14 u. 15) zuzuordnen waren.1043 Im Zuge der Handelsrechtsreform wurde in § 24 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG)1044 die wenig nachvollziehbare Beschränkung einer Ausnahmeregelung nur für Gewerbebetreibende auf Personen erweitert, die »in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbststän1042 BGBl. 2001 I, S. 3138. 1043 Eine Übersicht findet man bei Baumbach/Hopt, Kommentar zum HGB, § 1 Fn. 19. 1044 Vom 29. 06. 2000, BGBl. 2000 I, S. 946. Mit der Schuldrechtsreform wurde diese Vorschrift in die §§ 305 bis 310 BGB integriert, wobei nunmehr § 13 BGB generell Unternehmer von Verbrauchern abgrenzt. Der Schutz vor unlauteren bzw. unzulässigen Geschäftsbedingungen erfasst nunmehr alle Rechtsgeschäfte natürlicher Personen, die »weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet« werden können.
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digen beruflichen Tätigkeit… (Unternehmer)« handeln. Damit wurde der Einsicht Rechnung getragen, dass es in beiden Rechtsbereichen keinen sachgerechten Grund für eine Unterscheidung gab und gibt.1045 Die amtliche Begründung zu diesem Sinneswandel zieht in § 13 BGB die Parallele zu der Definition des »Verbrauchers« und der sich daran anschließenden Verbraucherschutzregelungen, des Widerrufs von Haustürgeschäften sowie der Formerfordernisse im Schiedsverfahrensrecht.1046 Die Koordination relevanter Wesensmerkmale aller Berufe, einschließlich aller gewerblichen Tätigkeiten mit den jeweils zu regelnden Rechtsmaterien (Gewerberecht, Steuerrecht, Berufsrecht, Baunutzungsrecht, Handelsrecht oder Kartellrecht), würde die Rechtsprechung von der derzeitigen Überlastung mit unsinnigen gerichtlichen Auseinandersetzungen1047 und teilweise geradezu grotesk erscheinenden Verfahrensabläufen der Vergangenheit befreien. Das Recht könnte für den Bürger wieder verständlicher und vorhersehbar werden. Voraussetzung dafür wäre aber, dass man sich generell von einem rechtlich relevanten Phänomen »freier Beruf« verabschiedet. Es müsste dann nur noch danach gefragt werden, welchen Zweck die gesetzliche Regelung verfolgt und welche Stellung der jeweilige Beruf bzw. die Art eines Unternehmens und deren konkrete Art der Berufsausübung in dem Regelungsgefüge des Gesetzes einzunehmen hat oder aus der Sicht des Gesetzgebers einnehmen soll. Der Beruf des Apothekers hat dieses Dilemma sehr deutlich offengelegt. Er verlangt eine wissenschaftliche Ausbildung, befriedigt Gemeinwohlinteressen, fordert in erheblichem Maße eine eigenpersönliche Tätigkeit und unterliegt einem strengen Berufsrecht mit eigener Kammerselbstverwaltung. Er hat aber das Problem, mit der Veräußerung industriell hergestellter Arzneien auch einem vollkaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb zu ähneln, der traditionsgemäß klassisch gewerblich ist. Er teilt dieses »Schicksal« mit dem freien Handelsvertreter. Der Verfasser ist zu der Erkenntnis gelangt, dass der Gruppe »freier Berufe«, jedenfalls rechtlich, keine Wesensmerkmale anhaften, die ihre generelle rechtliche Sonderstellung im Vergleich zu gewerblichen Unternehmen rechtfertigen können.1048 Man kann Ganster zustimmen, der beklagt, der Gesetzgeber habe die rechtliche Differenzierung zwischen freien Berufen und Gewerbe inhaltlich nicht erläutert, stattdessen setze er aber Wesensunterschiede als selbstverständlich voraus.1049 1045 1046 1047 1048
Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 534. Abdruck des Regierungsentwurfs in ZIP 1997, S. 942, 948. Seer, Gewerbesteuer im Visier des Verfassungsrechts, FR 1998, S. 1041. So schon Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969; S. 54, Fn. 9, 33, 39, 51,64, sowie Fn. 99, der seine These auf die gesamte Rechtsordnung erstreckt hatte. 1049 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 535f.
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Die Relevanz der Abgrenzung des freien Berufs in den einzelnen Normbereichen
Diese Arbeit hat sich auf die Überprüfung der Sinnhaftigkeit einer Unterscheidung zwischen der Gruppe freier Berufe zu Gewerbetreibenden in unserer Rechtsordnung beschränkt. Es kann dabei offenbleiben, ob eine derartige Differenzierung soziologisch vertretbar oder sogar naheliegend ist. Auch in der sozialwissenschaftlichen Diskussion hat man mit vergleichbaren Abgrenzungsproblemen zu tun. Sie werden von Hommerich in seinem Forschungsbericht1050 über die Legitimation der Sonderstellung freier Berufe auch keinesfalls unterschlagen. So hat er dort keine Gründe benennen können, rechtliche Begünstigungen allen als freiberuflich organisierten Mitgliedern im Bundesverband der freien Berufe zuzugestehen. Schon aus der Begrenzung seiner Arbeit auf die »verkammerten« freien Berufe lässt sich eher die Vermutung ableiten, dass in der Soziologie der Begriff des freien Berufs mehr noch als in der Rechtswissenschaft inflationär verwendet wird und zu einer Abgrenzung zum Gewerbe kaum noch geeignet ist. Die Soziologie ist im Wesentlichen an statistischen und wissenschaftsmethodischen Phänomenen interessiert, so dass sie die Frage nach dem Zweck der Abgrenzung dahingestellt lassen kann. Die Volkswirtschaft erfasst generell die Berufe, die über eine besonders qualifizierte Ausbildung verfügen, als Teil der sog. wissensintensiven Dienstleistungsberufe. Auch daraus sind keinerlei rechtliche Konsequenzen ableitbar. Die Regelungs- und Selbstverwaltungsautonomie zahlreicher freier Berufe bildet eine durchaus vernünftige Ergänzung zum allgemein gültigen Recht.1051 Die beiden klassischen freien Berufe des Arztes und des Rechtsanwalts als Ausgangstypen geben darüber hinaus Merkmale der akademischen Ausbildung, des besonderen Vertrauensverhältnisses und einer Gemeinwohlorientierung vor, die nicht mehr leisten können als eine sozialwissenschaftliche Gruppenzuordnung zu ermöglichen. Mit der »Nominaldefinition«, wie sie Hommerich nennt, verbinden sich zwar in der Praxis auch Berufsrechte und Berufspflichten, was ihn veranlasst, davon auszugehen, »dass es bei der Abgrenzungsfrage um weit mehr geht, als um einen bloßen Streit um Worte«1052. Die verfassungsgerichtliche Beseitigung des früheren strikten Werbeverbots hat jedoch deutlich gemacht, dass Berufsrechte, mehr aber noch Berufspflichten, ständigen verfassungsgerichtlichen Überprüfungen ausgesetzt sind. Dadurch dürfte auch gesichert sein, dass das interne Berufsrecht mit dem weiter fortschreitenden Strukturwandel in der gesamten Erwerbswirtschaft Schritt halten wird, wenn auch immer mit einem gewissen »time-leg«. Es kann wohl unterstellt werden, dass die Aufrechterhaltung einer rechtlichen 1050 Die freien Berufe und das Vertrauen in der Gesellschaft, S. 31ff. 1051 Dazu gibt die Arbeit von Taupitz, »Die Standesordnungen der freien Berufe« den bislang umfassendsten Überblick. 1052 Ebenda.
Resümee aus den Differenzierungen in den dargestellten Rechtsgebieten
227
Sonderstellung der freien Berufe vor allem auf eine gute Lobbyarbeit zurückzuführen ist. Die große Bedeutung einiger freier Berufe für die Gesellschaft (Gesundheitswesen, Rechts- und Steuerordnung) dürfte eine erhebliche Einflussnahme auf gesetzgeberische Entscheidungen ermöglicht haben und dies voraussichtlich auch zukünftig ermöglichen. Taupitz1053 hat den Abgrenzungsprozess beider Berufsbereiche insoweit zutreffend gewürdigt, indem er die Auffassung vertritt, die Eigenständigkeit der freien Berufe sei weniger das Ergebnis eines zwangsläufigen rechtlichen Auseinanderdriftens als vielmehr das Ergebnis einer gesellschaftspolitischen Umwälzung Ende des 18. und fortgesetzt im 19. Jahrhundert. Gerade die Entwicklung der Gewerbesteuer sei dafür ein Beleg. Die rechtliche Sonderstellung der freien Berufe sei keinesfalls zwangsläufig. Man habe sich über die Berufsorganisationen um eine klare Abgrenzung gegenüber dem Gewerbe bemüht, um damit Einmischungen des Staates zu vermeiden.
1053 Die Standesordnungen, S. 112f.
G.
Die Abgrenzungsfrage im Kontext des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union
I.
Der freie Beruf im EU-Recht
Veränderungsbedürfnisse im Gefüge der freien Berufe und des Gewerbes in Deutschland lassen sich selbstverständlich nicht mehr isoliert nur aus deutscher Sicht bewerten. Zwischen nationalem und europäischem Recht gibt es im Bereich des Wirtschafts- und des Sozialrechts vielfältige Verflechtungen. So hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss am 14. Februar 2013 beschlossen, eine sog. Initiativstellungnahme zur »Rolle und Zukunft der Freien Berufe in der europäischen Zivilgesellschaft 2020« zu erarbeiten.1054 Dieser Beschluss macht deutlich, dass auch in der Europäischen Union bestimmte Tätigkeiten eine besondere Rolle spielen, die in Deutschland als freiberuflich definiert werden. Die Thesen des Beschlusses vom 14. Februar 2013 charakterisieren die freien Berufe lediglich als »soziale Beschreibung«1055. Ihr werden vergleichbare Merkmale der auch in Deutschland diskutierten Besonderheiten gegenüber dem Gewerbe zugeschrieben: »Merkmale eines Freien Berufs sind die Erbringung einer hochwertigen ideellen Dienstleistung mit ausgesprochen intellektuellem Charakter auf der Grundlage einer höherwertigen (akademischen) Ausbildung, eine Gemeinwohlbindung der Dienstleistung, eine fachlich und wirtschaftlich unabhängige Aufgabenwahrnehmung, die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Leistungserbringung, das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ; die Zurückstellung des Interesses maximaler Gewinnerzielung gegenüber dem Interesse des Auftragnehmers an einer optimalen Betreuung sowie die Bindung an genaue und strenge berufsethische Regelungen.«1056
1054 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss INT/687 Freie Berufe vom 25. 03. 2014Berichterstatter Arno Metzler. 1055 ebenda S. 3 zu Ziff. 2.6. 1056 ebenda S. 3 zu Ziff. 2.7.
230
Die Abgrenzungsfrage im Kontext des Gemeinschaftsrechts der EU
Wenig überraschend ist, dass man sich einig war, dass nicht alle genannten Merkmale erfüllt werden müssten, um einem Beruf die Freiberuflichkeit zuzugestehen. Diese Aussage erinnert an den Umgang in Deutschland mit dem Problem eines heterogenen Berufsbildes der freien Berufe. Es wird in dem Thesenpapier des Ausschusses mit der hier zu Lande ebenfalls vertretenen Ansicht argumentiert, dass eine Tätigkeit auch dann freiberuflich sein könne, wenn wenigstens gewisse »Kerneigenschaften« erfüllt seien. Auch das deckt sich mit der im deutschen Rechtssystem genutzten typischen Betrachtungsweise. Das Thesenpapier stellt klar, dass in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Einordnungen der Berufe bestehen und hält sogar nicht selbstständig ausgeübte Berufstätigkeit für freiberuflich, sofern die fachliche Unabhängigkeit gewahrt bleibe.1057 Der Ausschuss nennt »neue« freie Berufe, zu denen Psychologen, Sozialarbeiter, Steuerberater, Schuldnerberater, Landvermesser und Vermittler gehören sollen. Berechtigt dürfte in diesem Zusammenhang die Frage sein, wie einige dieser Berufe angesichts der im Thesenpapier vorgenommenen Beschreibung mit dem geforderten »ausgesprochen intellektuelle(n)m Charakter auf der Grundlage einer höherwertigen (akademischen) Ausbildung« in diese Systematik hineinpassen. Solange die Öffnung für weitere Berufe eher als grobe soziologische Einordnung verstanden wird, handelt es sich um nicht mehr als eine Solidarisierung innerhalb von Dienstleistungstätigkeiten mit Berufsbildern, die einige vergleichbare Charakterzüge aufweisen. Die dahinterstehende Motivation ist leicht durchschaubar, sie scheint auf eine stärkere Einwirkung bezogen auf die Lösung von Interessenkonflikten und auf eine abgestimmte und damit auch wirkungsvollere Lobbyarbeit innerhalb Europas gerichtet zu sein. Rechtliche Relevanz innerhalb des Unionsrechts hat der Begriff des »freien Berufs« als solcher noch nicht erfahren. In seiner Beschreibung des Phänomens »freier Beruf« knüpft der Europäische Gerichtshof (EuGH) an bekannte Kriterien an. So sollen nach einer Entscheidung vom 11. 10. 20011058 Tätigkeiten dazugehören, »die u. a. ausgesprochen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Hinzu kommt, dass bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit das persönliche Element besondere Bedeutung hat und diese Ausübung auf jeden Fall eine große Selbständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlungen voraussetzt.«
Zu berücksichtigen ist bei der Bewertung dieser Textstelle, dass sie in einer EuGH – Entscheidung enthalten ist, die keine grundsätzliche Abgrenzungs1057 ebenda S. 3 zu Ziff. 2.8. 1058 EuGH C 267/99 Sammlung 2001, I-7467(Adam), Rdnr. 19.
Der Einfluss des EU-Rechts auf nationales Sonderrecht für freie Berufe
231
problematik zu bewerten hatte. Vielmehr befasste sich das Gericht ausschließlich mit der Frage, welche Gruppe von Umsätzen aus unternehmerischer Tätigkeit mit einem reduzierten Umsatzsteuersatz von mindestens 12 v. H. belegt werden durfte. Hinter dieser Frage stand das besondere Begriffsverständnis gem. Anhang F Nr. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/ EWG vom 17. 05. 1977 zur Harmonisierung von Rechtsvorschriften innerhalb der Gemeinschaft (gemeinsames Mehrwertsteuersystem). Eine Definition der freien Berufe sollte und wurde damit vom EuGH nicht verbunden.1059
II.
Der Einfluss des EU-Rechts auf nationales Sonderrecht für freie Berufe
1.
Fehlende Bindungswirkung des Gemeinschaftsrechts in der Gestaltung nationalen Rechts
Weder die Kommission noch der EuGH haben bislang Anlass gehabt, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, ob und wie sie freie Berufe zu definieren haben oder ihnen eine rechtliche Sonderstellung gewähren müssen. Nach geltendem Recht wären sie dazu auch nicht befugt. In der Berufsqualifikationsrichtlinie 2005/36/EG in der Fassung vom 20. 11. 20131060 sind als freiberuflich die Tätigkeiten erfasst, die ihre Grundlage in einschlägigen Berufsqualifikationen haben und persönlich und in verantwortungsbewusster Weise fachlich unabhängig als geistige oder planerische Leistungen erbacht werden. Die Richtlinie stellt klar, dass die Regelungen nationalen Beschränkungen unterworfen werden können. Spezifische europarechtliche Beschränkungen für die Ausgestaltung einer rechtlichen Sonderstellung freier Berufe zu Gewerbebetrieben bzw. deren Abschaffung gibt es aus dem Blickwinkel des EU-Rechts daher nicht.
2.
Deregulierungsbestrebungen in der Europäischen Kommission – die Dienstleistungsrichtlinie der EU
Aufgabe der Kommission ist es, ordnungspolitische Konzeptionen für den Dienstleistungsmarkt zur Harmonisierung des grenzüberschreitenden Dienst1059 Die Lage der freien Berufe in ihrer Funktion und Bedeutung für die europäische Zivilgesellschaft, 2014, S. 8 (eine Studie des Europäischen Zentrums für Freie Berufe der Universität Köln im Auftrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses). 1060 Informationssystem (»IMI-Verordnung«) ABl. Nr. 1.354, S. 132–170.
232
Die Abgrenzungsfrage im Kontext des Gemeinschaftsrechts der EU
leistungsmarktes innerhalb der Europäischen Union zu schaffen.1061 Dazu gehört auch die Überprüfung des nationalen Standesrechts nicht nur am Maßstab des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts, sondern auch am Gemeinschaftsrecht. Im Fokus der Kommission stehen dabei unter anderem die im europäischen Kontext zu bewertenden und von der Kommission als teilweise überkommen gewerteten Standesordnungen einzelner freier Berufe. Der von der Europäischen Kommission mit der Dienstleistungsrichtliniendebatte initiierte Deregulierungsprozess hatte die Absicht verfolgt, zu einer grundsätzlichen Umgestaltung des Rechts der freien Berufe zu gelangen.1062 Die in mehreren Mitgliedstaaten vorzufindenden Sonderregelungen für freie Berufe (Standesrecht) waren nach Ansicht der Kommission weder durch Gemeinwohlinteressen noch durch Verbraucherbedürfnisse zu rechtfertigen. So hat sich der Europäische Gerichtshof auf entsprechende Klageerhebung durch die Kommission mit italienischen Gebührenordnungen1063, mit dem sog. Fremdbesitzverbot bei deutschen Apotheken1064 und mit objektiven Zulassungsschranken bei spanischen Apotheken1065 befasst. Diese möglichen Einflüsse des Europäischen Gemeinschaftsrechts und der europäischen Institutionen berühren weder die in Deutschland bestehende rechtliche Abgrenzung zum Gewerbe, noch behindern sie deren Beseitigung. Eine davon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12. Dezember 2006 (sog. Dienstleistungsrichtlinie)1066. Mit dieser Richtlinie wurde die Aufgabe der Kommission zur Harmonisierung des grenzüberschreitenden Verkehrs und der Herstellung eines gemeinsamen Marktes gem. Art. 14 und 49ff. EG-Vertrag gefördert. Trotz erheblichen Widerstandes gerade auch der freiberuflich organisierten Dienstleister im Vorfeld des Rechtsetzungsverfahrens hat sich die EU – Kommission mit ihrem Vorhaben durchgesetzt, um eine Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes zu erreichen. Allerdings hat das Europäische Parlament bestimmte gesellschaftlich sensible Bereiche des Dienstleistungssektors ausgeklammert (Gesundheit, Verkehr und bestimmte Sicherheitsdienste). Ferner wurden zur Vermeidung möglicher unerwünschter Folgen für Arbeitnehmer der Bereich des Arbeits- und Sozialrechts, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und einige Teilbereiche des öffentlichen
1061 1062 1063 1064 1065 1066
Dazu Kluth, Recht und Ethos der Freien Berufe, JZ 2010, S. 844, 847f. und 850. So Kluth, Recht und Ethos, JZ 2010, S. 844, 848. EuGH NJW 2007, S. 281ff. EuGH NJW 2009, S. 2112. Zitiert nach Kluth, Recht und Ethos, JZ 2010, S. 844, 847. Richtlinie 2006/123/EG, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 27. 12. 2006, L 376/57.
Der Einfluss des EU-Rechts auf nationales Sonderrecht für freie Berufe
233
Dienstes aus dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie herausgenommen.1067 Es lässt sich zusammenfassend feststellen, dass auch die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union für eine Beseitigung der rechtlichen Differenzierung zwischen freien Berufen und Gewerbebetrieben nicht hinderlich ist, im Gegenteil, sie trägt den Geist der Abschaffung dieser aus der Tradition in die heutige Zeit transportierten Eigenständigkeit und Sonderheit. Dennoch will die Kommission derzeit die Sonderstellung der freien Berufe wohl nicht in Frage stellen.1068 Die Dienstleistungsrichtlinie erfasst weitgehend den gesamten Dienstleistungsmarkt, sei er, wie in Deutschland, teilweise freiberuflich oder anderswo gewerblich strukturiert1069. Ohnehin kennen nicht alle Mitgliedstaaten diese rechtliche Differenzierung außerhalb einer Akzeptanz als soziologisches Phänomen.
1067 Europäische Dienstleistungsrichtlinie, Einführungsteil Rdnr. (14). 1068 Hommerich, Die freien Berufe und das Vertrauen, S. 55f. 1069 Europäische Dienstleistungsrichtlinie, Einführungsteil Rdnr. (7).
H.
Alternative Lösungsansätze und Reformbestrebungen
I.
Die Abschaffung oder Umgestaltung der Gewerbesteuer als Reformmodell
Das Rechtsstaatsgebot, der Bestimmtheitsgrundsatz und das Verbot willkürlicher Differenzierungen fordern ebenso wie die weiter zunehmende Veränderung der Lebens- und Wirtschaftsordnung andere Lösungen als das Verharren der Gesetzgebung und der Rechtsprechung im traditionellen Denkmuster einer Differenzierung zwischen freien Berufen und gewerblicher Tätigkeit. Versuche, aus dieser festgefahrenen Begrifflichkeit herauszukommen, hat es in der Vergangenheit gerade dort zur Genüge gegeben, wo diese Unterscheidung auch die größten Probleme bereitet hat, nämlich bei den steuerlichen Reformbemühungen. Das Erfordernis der Kostendeckung staatlichen Handelns sowie andererseits die Ablehnung höherer finanzieller Belastungen für die davon betroffenen Steuersubjekte stehen selbstverständlich bei all den gesetzgeberischen und, bezogen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auch verfassungsrechtlichen Fragestellungen im Vordergrund. Hinzu kommt der gerade im deutschen Steuerrecht berechtigterweise angeprangerte immense Verwaltungs- und Prozessaufwand. Das Niedersächsische Finanzgericht hat am Ende der dritten Vorlage zum Bundesverfassungsgericht vom 21. 04. 2004 in doch sehr ungewöhnlicher Weise folgendes beklagt: »Der vorliegende Rechtsstreit ist bereits seit rund 13 Jahren beim Niedersächsischen Finanzgericht anhängig. Angesichts permanenter Überlastung des Senats – wie auch aller anderen Senate des Niedersächsischen Finanzgerichts – mit einer großen Zahl von Verfahren1070…, können Vorlagen an das Bundesverfassungsgericht wegen der besonderen Begründungserfordernisse und des damit verbundenen enormen Zeitaufwands …. nur dann vorbereitet werden, wenn die Erledigung zahlreicher anderer Verfahren zurückgestellt wird. Angesichts der unter »normalen« Umständen schon 1070 Fn. wurde vom Verfasser eingefügt. Dazu der unveröffentlichte Jahresbericht des Niedersächsischen Finanzgerichts, zitiert bei Vultejus in NJW -aktuell, 2003, S. XII.
236
Alternative Lösungsansätze und Reformbestrebungen
kaum noch vertretbaren durchschnittlichen Verfahrensdauer hat es der Senat für erforderlich gehalten, vor Erstellung dieses 3. Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses die wegen der zwei vorangegangenen Vorlagebeschlüsse zurückgestellten Verfahren zunächst zu erledigen. So ist es zu erklären, dass seit dem letzten Vorlagebeschluss knapp 6 Jahre verstrichen sind.«1071
Abgesehen davon, dass dem Bürger eine derartige Verfahrensdauer nicht zuzumuten sei, so das Gericht, verstießen das Land Niedersachsen und so vermutlich auch andere Bundesländer in vergleichbarer Weise gegen das Grundrecht auf den aus Art. 19 Abs. 4 GG hergeleiteten Anspruch des Bürgers1072 auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes, der zwangsläufig voraussetzt, dass jeder Sachverhalt in angemessener Zeit gerichtlich überprüft wird. Entfällt die auf Gewerbebetriebe beschränkte Gewerbesteuerpflicht oder wird die Steuer auf freie Berufe als Unternehmenssteuer erweitert, dürfte der nächste Schritt, die Beseitigung der Unterscheidung auch in anderen Rechtsbereichen, nicht mehr auf großen Widerstand stoßen. Dort ist das Streitpotential über die Zuordnung zu einer der Berufsgruppen zwar geringer, dennoch ist die Differenzierung auch insoweit überflüssig. Den einzelnen Berufen bliebe es selbstverständlich auch weiterhin überlassen, sich in Berufsverbänden wie beispielsweise den Bundesverband der freien Berufe als eine von verschiedenen Berufsinteressengruppen zusammenzuschließen. Insoweit gilt die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Wegfall der Gewerbesteuer überhaupt nicht und ihre grundlegende Reform politisch eher schwierig durchsetzbar ist und in der Vergangenheit nur in einzelnen Elementen realisiert werden konnte. Reformwilligkeit endet in der Politik spätestens mit der Bildung einer Regierung nach vollmundigen Ankündigungen in Wahlprogrammen und Koalitionsverträgen. Finanzminister profilieren sich dann meist nur noch als »klassische Haushaltsminister«1073, die den Fiskalzweck weit über die Struktur eines vereinfachten und gerechten Steuersystems stellen. Die Gewerbesteuerdiskussion kann so getrost als »Dauerbrenner«1074 bezeichnet werden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Nicht nur die hier behandelte Abgrenzungsproblematik zu freien Berufen, auch die ständige Finanznot einer Vielzahl von Gemeinden1075 sowie das zwischen ihnen bestehende permanente Ungleichgewicht nach Länderzugehörigkeit1076 in der finanziellen Leistungsfähigkeit sind zu nennen. Es kann nicht Aufgabe dieser Untersuchung sein, die zahlreichen Reform1071 1072 1073 1074 1075 1076
3. Vorlagebeschluss; Rdnr. 267 (als Schlusswort). BVerfGE 93, S. 1, 13. Lang, Editoral, StuW 2007, S. 1. Feld/ Döring, Reform der Gewerbesteuer : Wie es euch gefällt?, S 1. Inhester, Kommunaler Finanzausgleich, S. 20f. Mehlhaf, Kommunen im Finanzausgleich, S. 61.
Die Abschaffung oder Umgestaltung der Gewerbesteuer als Reformmodell
237
bemühungen oder sogar alle Reformvorschläge1077 darzustellen und zu bewerten. Kern der hier angestellten Überlegungen muss allein die festgestellte willkürliche Begünstigung einer ganzen Berufsgruppe allein nach Kriterien wie traditionelle Überlieferung, Verkehrsanschauung und einer behaupteten besonderen Stellung im Sozialgefüge mit den diesen Begrifflichkeiten anhaftenden Wesensmerkmalen sein. Der Reformschritt kann in der gänzlichen Abschaffung der Gewerbesteuer oder in ihrer Ausweitung auf freie Berufe bestehen. Ein komplett neu strukturiertes Steuersystem dürfte da wohl eher im Bereich der Träumerei angesiedelt sein. Die Vergangenheit lehrt uns, dass bei Veränderungen einzelner Elemente der kommunalen Finanzierungsstruktur Kompensationen durch andere Finanzausgleichssysteme geschaffen werden. So gibt es neben den eigenen Steuern, die den Kommunen zufließen (dazu gehören als ertragsintensivste Steuern die Grundsteuer sowie die Gewerbesteuer) noch weitere Finanzquellen. Da die eigenen bzw. anteiligen eigenen Steuern nicht auskömmlich sind, um die Aufgabenerfüllung sicherzustellen, erhalten die Gemeinden sog. ausgerichtete Finanzzuweisungen1078. Sie bestehen aus nicht zweckgebundenen Zuweisungen, Zuweisungen mit Verwendungsaufgaben, laufende Zuweisungen, investive Zuweisungen und verschiedene Einzelzuweisungen.1079 Im Verfahren über die Beschlussvorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts gem. Art. 100 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht diverse Verbände und Organisationen zur Stellungnahme aufgefordert.1080 Der Deutsche Städtetag sowie der Städte- und Gemeindebund haben die Erhebung der Gewerbesteuer für verfassungskonform erachtet. Sie wiesen auf den hohen Stellenwert der kommunalen Selbstverwaltung in der Verfassung hin, aus der eine wichtige Wertentscheidung für die Gewerbesteuer ableitbar sei.1081 Eine ersatzlose Abschaffung der Steuer wird daher am Widerstand der Gemeinden scheitern und braucht deshalb auch nicht weiter erörtert zu werden. Sie wäre wohl auch im Hinblick auf die Verpflichtung zur Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung verfassungswidrig. 1077 Beispielsweise des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium oder der eingesetzten Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen und der Überblick bei Jachmann, Ansätze zu einer gleichheitsgerechtere Ersetzung, BB 2000, S. 1432ff., und in: Eine neuer Qualität der kommunalen Steuerfinanzierung, StuW 2006, S. 115ff. 1078 »Die Gemeinden und ihre Finanzen 2017«, herausgegeben vom Staatsministerium der Finanzen des Freistaats Sachsen, S. 34. Eine umfassende Darstellung der Entwicklung der Gemeindefinanzen gibt Inhester, Kommunaler Finanzausgleich im Rahmen der Staatsverfassung. 1079 Die Gemeinden und ihre Finanzen 2017, hrsg. Vom Staatsministerium der Finanzen des Freistaates Sachsen, S. 34ff. Die dort erläuterten Finanzierungsvarianten der sächsischen Gemeinden ähneln mit gewissen Abweichungen auf Grund unterschiedlichen Länderrechts denen anderer Bundesländer. 1080 Die Stellungnahmen sind in BVerfGE 120, S. 1, 16ff. mitgeteilt. 1081 BVerfGE 120, S. 1, S. 18.
238
II.
Alternative Lösungsansätze und Reformbestrebungen
Der Verzicht auf die Gewerbesteuer und Kompensationsansprüche aus dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung
Die Kommunen sind nicht zwangsläufig auf eine Gewerbesteuer angewiesen. Sie würden bei Abschaffung der Gewerbesteuer mit Kompensationen rechnen können, wie sie schon in der Vergangenheit gewährt wurden. Beispiel dafür sind die Abschaffung der Lohnsummensteuer1082 und zeitlich danach auch die Kapitalsteuer1083als Teile der ursprünglich aus Lohnsummen-, Kapital- und Ertragssteueranteil bestehenden Gewerbesteuer. In beiden Fällen mussten und wurden die Gemeinden mit Kompensationen bedacht.1084 Art. 28 Abs. 2 GG garantiert den Gemeinden und Landkreisen die kommunale Selbstverwaltung. In Satz 3 wird ihnen das Recht auf eine eigene wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit eigenem Hebesatzrecht zugestanden. Die Hebesatzgarantie bezieht sich derzeit auf die Grund- und Gewerbesteuer (ausdrücklich in Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG geregelt). Gem. Art. 106 Abs. 7. 1 GG steht ihnen auch noch ein von der jeweiligen Landesgesetzgebung bestimmter Anteil an den sog. Gemeinschaftssteuern zu. Das sind die Einkommen- Körperschaft- und Umsatzsteuer, die ertragreichsten Steuern im gesamten staatlichen Steueraufkommen. Die ausreichende Ausstattung mit Finanzmitteln wird durch die in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich abgesicherte kommunale Selbstverwaltungskompetenz gewährleistet. Sie darf keinesfalls durch eine Verweigerung ausreichender Finanzmittel ausgehöhlt werden.1085 Auch wenn zahlreiche Kommunen unter der Last ihrer Aufgaben in finanzieller Hinsicht »stöhnen« und der ständigen Gefahr ausgesetzt sind, dass sich die Länder, aber auch der Bund, auf ihre Kosten zu sanieren versuchen, genießen sie gleichwohl Schutz über die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung.1086 Mehrere Landesverfassungsgerichte1087 haben sich in ihrer Rechtsprechung einer sog. Kernbe-
1082 Steueränderungsgesetz 1979 vom 30. 11. 1978 (BStBl. 1978 I, S. 1894). Die Gemeinden wurden nunmehr an der im Übrigen Bund und Ländern zustehenden Umsatzsteuer beteiligt. 1083 Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. 10. 1997 (BStBl. 1997 I, S. 2590). 1084 Die Abschaffung der sog. Lohnsummensteuer durch das Steueränderungsgesetz 1979 hat den Gemeinden einen höheren Anteil an der Einkommenssteuer verschafft. Außerdem wurde die on den Gemeinden zu leistende Gewerbesteuerumlage gesenkt (BGBl. 1978 I, S. 1894). Als Ausgleich für die später entfallene Gewerbekapitalsteuer erhielten die Gemeinden einen Anteil an der Umsatzsteuer (BGBl. 1995 I, S. 189). 1085 BVerwGE 145, S. 378ff.; Nierhaus in Sachs, Grundgesetz, Art. 28 Rdnr. 84, 89ff. 1086 Inhester, Kommunaler Finanzausgleich, S. 23ff. 1087 Thüringischer Verfassungsgerichtshof, LVerfGE 16, S. 593, 623; Bayerischer Verfas-
Der Verzicht auf die Gewerbesteuer und Kompensationsansprüche
239
reichslehre angeschlossen, die zwischen einem Kern- und einem Randbereich differenziert. Der Anspruch auf finanzielle »Mindestausstattung« ist dem sog. Kernbereich zuzuordnen, der Anspruch auf »angemessene« finanzielle Ausstattung dem Randbereich mit dann geringeren Anforderungen.1088 Unstreitig ist allerdings, dass Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG den Gemeinden weder einen Anspruch auf Beibehaltung der Gewerbe- noch der Grundsteuer gewährleistet.1089 Auch europarechtlich steht den Gemeinden insoweit kein Bestandsschutz zu. Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 15. 10. 19851090 hat das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden festgeschrieben. Mit dieser Charta und der Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung auch im Vertrag von Lissabon (Art. 4 Abs. 2 EUV) wird die nationale Identität der kommunalen Organisationsstruktur in ihren regionalen und lokalen Ausprägungen geachtet.1091 Die nach nationalem Recht gewährte Finanzhoheit gibt den Gemeinden jedoch keine »eigenständige« Abgabenhoheit, kein eigenes Steuerfindungsrecht und auch keine Ertragshoheit über Steuern.1092 Hier sind die Art. 105 Abs. 2 a sowie Art. 106 Abs. 5 bis 7 GG vorgreiflich, sie regeln die Steuerarten abschließend. Die Gesamterträge einer Gemeinde müssen aber in jedem Fall ausreichen, um ihre Aufgabenerfüllung sicherzustellen.1093 Auf europäischer Ebene gibt es für eine steuerliche Gleichstellung freier Berufe und Gewerbetreibende keine Hindernisse. Die generelle Abschaffung der Gewerbesteuer hätte europarechtlich sogar den Vorteil, den Harmonisierungsbestrebungen im Bereich der direkten Steuern zu entsprechen.1094 Es kann somit auch nicht grundsätzlich problematisch sein, den Status-quo der Gewerbesteuer zu ändern. Der Bundesgesetzgeber ist demnach berechtigt, im Rahmen einer Beseitigung der rechtlichen Unterscheidung des freien Berufs zum Gewerbe die Gewerbesteuer abzuschaffen und stattdessen einen bereits diskutierten Ersatz über die allgemeinen Ertragssteuern zu schaffen.1095 Dadurch würden jedoch alle
1088 1089
1090 1091 1092 1093 1094 1095
sungsgerichtshof, BayVBl. 1997, S. 303, 305; Niedersächsischer Staaatsgerichtshof, DVBl. 1998, S. 185, 186f. Dazu Schwarz in von Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl.,2018, Art. 28 GG, Rdnr. 248. Schwarz in von Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl., Art. 28 GG, Rdnr. 255ff.: »Garantiert wird nur eine wirtschaftskraftbezogenen mit Hebesatzrecht ausgestattete Steuerquelle.« Ferner Heun, Der bundesgesetzliche Mindeststeuerhebesatz für die Gewerbesteuer in Festschrift für Christian Starck »Die Ordnung der Freiheit«, S. 245, 257, 207. Diese Charta ist in nationales deutsches Recht transferiert worden und bindet deshalb auch als einfaches Bundesgesetz (Gesetz v. 22. 01. 1988, BGBl. 1988 II, S. 65). Lange, Kommunalrecht, Kapitel 1 Rdnr. 164. Schwarz in von Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl., Art. 28, Rdnr. 257 m.w. Nachweisen. Dazu Mehlhaf, Kommunen im Finanzausgleich des Grundgesetzes, 2017, S. 225. Mehlhaf, ebenda, S. 227. Feld/Döring, Reform der Gewerbesteuer, S. 2. So auch einVorschlag des BDI/VCI – Nachweis bei Hey, Gewerbesteuer, FR 2004, S. 676, 679f.
240
Alternative Lösungsansätze und Reformbestrebungen
Bürger an Stelle der Gewerbebetriebe zusätzlich belastet, so dass auch insoweit eine Lösung unrealistisch zu sein scheint. Der sich anbietende und in der Vergangenheit schon auf einer gesetzgeberischen Teilstrecke beschrittene Königsweg wäre die Erweiterung der Steuerlast auf andere Unternehmen als nur auf Gewerbebetriebe. Da Art. 105 Abs. 2 GG in einem Gesetzgebungsverfahren über Steuern, an deren Aufkommen Länder oder Gemeinden beteiligt sind, die Zustimmung des Bundesrates erforderlich macht, ist die Hürde einer Rechtsänderung hoch. Das hat die in der 15. Legislaturperiode der Bundesrepublik Deutschland amtierende Bundesregierung, gebildet aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen, unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder mit einem am 08. September 2003 dem Deutschen Bundestag vorgelegten Entwurf zur Einführung einer sog. Gemeindewirtschaftssteuer erfahren müssen.1096 Sie wählte diese Reformvariante, um das von ihr zu Beginn der Legislaturperiode abgegebene Versprechen1097 einer Reform der Gewerbesteuer zumindest teilweise und vielleicht auch nur »irgendwie« einlösen zu können. Mit der Überschrift des Gesetzentwurfs als »Gemeindewirtschaftssteuergesetz« wurde der erweiterte Adressatenkreis dieser Steuer schon begrifflich vorgegeben. Als neue Fassung des § 2 GewStG hatte die Regierung in der Beschlussvorlage folgenden Text gewählt:1098 »(1) der Gemeindewirtschaftssteuer unterliegt jeder stehende Betrieb, in dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 des Einkommensteuergesetzes oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 des Einkommensteuergesetzes erzielt werden, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Betrieb ist jede selbständige nachhaltige Betätigung zu verstehen, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung nicht als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft anzusehen ist. …«
Die Land- und Forstwirtschaft wäre danach weiterhin von der Gewerbesteuer befreit geblieben, der in § 2 GewStG verwendete Begriff des Gewerbebetriebs sollte durch den Begriff »Betrieb« ersetzt werden, so dass alle selbstständig Tätigen, also auch die freien Berufe, miterfasst worden wären. In der Begründung zum Gesetzentwurf hatte die damalige Bundesregierung ergänzend zur Rechtfertigung einer Gleichstellung freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit durch den Hinweis auf die zwischenzeitlich erfolgte Überschneidung ihrer Wesensmerkmale auch betont, die Einführung einer alle Berufstätigkeiten gleichermaßen belastende Gemeindewirtschaftssteuer vermeide 1096 BT-Drucks. 15/1517 vom 08. 09. 2003. 1097 Dieses Versprechen war Bestandteil der Reformagenda 2010 in der Regierungserklärung vom 14. 03. 2003 mit einem verbindlichen Termin zum 01. Januar 2004. 1098 BT – Drucks. 15/1517, S. 6 Ziff.4 a.
Der Verzicht auf die Gewerbesteuer und Kompensationsansprüche
241
unnötige Abgrenzungsprobleme und vereinfache das Steuerrecht. Eine zutreffende Feststellung! Der Gesetzentwurf scheiterte dann aber im Bundesrat.1099 Die Empörung der freiberuflichen Organisationen sowie ihr in die Öffentlichkeit getragener Widerstand war immens und deshalb wohl auch erfolgreich. Dieser Reformansatz bekam im Jahre 2010 neue Nahrung durch eine Initiative der Fraktion »Die Linke« im Landtag Nordrhein – Westfalens. Sie legte einen Entschließungsantrag zur »nachhaltigen Sicherung der Handlungs- und Zukunftsfähigkeit der Kommunen« vor.1100 Der Landtag sollte die Landesregierung auffordern, sich im Bundesrat und in der Gemeindefinanzkommission für die Beibehaltung der Gewerbesteuer einzusetzen und eine Initiative zur »Verstetigung« der Gewerbesteuer mit einer Ausweitung der Steueradressaten im Sinne der Gemeindewirtschaftssteuer zu starten. Damit beabsichtigte die Fraktion die Einführung der schon von der Bundesregierung 2003 gewünschten Gemeindewirtschaftssteuer erneut auf die Agenda setzen zu lassen, die alle Berufe mit Ausnahme der Landwirtschaft einbeziehen sollte. Die Begründung greift auch die Kritik auf, die sich gegen eine unterschiedliche Besteuerung aus dem Äquivalenzgedanken als unterstellten Zweck der Gewerbesteuer ausgesprochen hatte. Auch freie Berufe bzw. deren Berufsträger und alle Angehörigen wären, so der Antrag, auf die Bereitstellung öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung eines reibungslosen und prosperierenden Gemeinwesens angewiesen. Ein in dieser Abhandlung bestätigter Aspekt. Auch dieser Versuch blieb so zunächst stecken, bis am 05. Februar 2015 in einer Bundestagsdebatte über die Gemeindesteuerreformbemühungen sowie der seit Jahren tätigen Reformkommission gestritten wurde. Anlass der Debatte war ein Antrag der Fraktion »Die Linke« vom 08. 04. 20141101 bzw. ergänzend vom 28. 01. 20151102 zur Einführung der Gemeindewirtschaftssteuer.1103 Die Abgeordnete Britta Hasselmann von der Partei Bündnis 90/Die Grünen unterstützte ihn ebenso wie ihre Fraktion. Der Beschlussantrag der Fraktion »Die Linke« verband damit die Forderung, kleineren Gewerbebetrieben ausreichende Freibeträge zu sichern und deren soziale Belange bei der Ausgestaltung der Steuer zu berücksichtigen. Schließlich hätte es dann auch nicht mehr einer Ausweichlösung durch Bildung gesonderter Gesellschaften zur Abwendung einer gleichheitswidrigen Belastung von Personengesellschaften durch die problematische Abfärberegelung bedurft. Über diesen und den weiteren ergänzenden Antrag1104 1099 Einzelheiten bei Zuschlag, Die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG, 2009, S. 261ff. 1100 Vorlage vom 29. 10. 2010, 15. Wahlperiode BT-Drucks. 15/458. 1101 BT-Drucks. 18/6396. 1102 BT-Drucks. 18/3838. 1103 www.gruene-bundestag.de/parlament/bundestagsreden/2015/brittahasselmann. 1104 BT-Drucks. 18/6396.
242
Alternative Lösungsansätze und Reformbestrebungen
wurde am 13. November 2015 im Bundestag abgestimmt. Der Antrag wurde von den Regierungsparteien CDU und SPD abgelehnt, was im Hinblick auf die SPD eigentlich nur im Interesse der Koalitionsdisziplin sowie der Regelung im Koalitionsvertrag, keine Änderungen an der Gewerbesteuer vorzunehmen1105, nachvollziehbar war. Tatsächlich scheint sich trotz des mehrmaligen Scheiterns dieser Bemühungen zur Einführung einer Gemeindewirtschaftssteuer mit der Erweiterung der Zahl der besteuerten Betriebe eine Chance auf die Beendigung der Vergeudung von Justiz- und Finanzverwaltungskapazitäten zu bieten. Positiver Nebeneffekt könnte außerdem die Senkung der Steuerlast der einzelnen Betriebe auf Grund der Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen sein. Im Ergebnis muss diese Reform auch nicht zu einer Erhöhung des Gesamtaufkommens aus der Gewerbesteuer führen, also einer zusätzlichen Steuerbelastung der Wirtschaft. Sie würde lediglich gleichmäßiger und damit auch gerechter verteilt werden. Eine erneute gesetzgeberische Initiative zur Verallgemeinerung der Gewerbesteuerpflicht müsste voraussichtlich wiederum mit dem Widerstand der Berufsträger freier bzw. selbstständiger Berufe bzw. deren Interessenverbände rechnen. Für eine Ausweitung der Steuerpflicht auch auf freie Berufe hatten im Sinne einer neuen Gemeindewirtschaftssteuer neben anderen Organisationen, Instituten und Wissenschaftlern der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen1106, das Gutachten zur Reform der Unternehmensbesteuerung 1990 sowie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung1107 plädiert.1108 Einer Verfassungsänderung zur Einführung einer derartigen allgemeinen Unternehmenssteuer bedarf es nicht. Art. 106 Abs. 6 GG garantiert nicht die Existenz der geltenden Gewerbesteuer1109, ohnehin nicht in Gestalt ihrer verfassungswidrigen Unterscheidung in freiberufliche und gewerbliche Berufe. Wollte man noch ein steuerliches Reformvorhaben als wirklich großen Wurf zur Gewerbesteuer wagen, könnte man sich auch das von der »Stiftung Marktwirtschaft« erdachte sog. Vier-Säulen-Modell als Alternative vorstellen. Mit diesem Modell sollen die Kommunalfinanzen durch eine reformierte Grundsteuer, eine Bürgersteuer mit einem Hebesatzrecht verbundenen Anteil der 1105 1106 1107 1108
www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw46-de-gewerbesteuer/394916. BMF-Schriftenreihe, Heft 31, 1982. Jahresgutachten 1989/1990, Ziff. 342ff. Eine Übersicht der diskutierten Reformmodelle findet sich bei Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, §1 Rdnrn. 10ff. Schwarz in von Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl., Art. 28 GG, Rdnrn. 255ff. 1109 In diesem Sinn auch Kirchhof, StuW 1996, S. 3, 7; auch das Bundesverfassungsgericht sieht insoweit nur eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Gewerbesteuer, BVerfGE 120, S. 26.
Der Verzicht auf die Gewerbesteuer und Kompensationsansprüche
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Gemeinden, eine kommunale Unternehmenssteuer (ähnlich dem Gemeindewirtschaftssteuergedanken) sowie einen Anteil an der Einkommensteuer gesichert werden.1110 Drüen hält dieses Reformmodell für »theoretisch zukunftsweisend«.1111 Als weitere Lösung wurde auch die Einführung eines dann ebenfalls hebesatzabhängigen kommunalen Zuschlags zur Einkommens- und Körperschaftssteuer ins Gespräch gebracht, eine allerdings wegen der zusätzlichen Belastung der Gesamtbevölkerung chancenlose Alternative. Sofern sich keine dieser Reformen durchsetzen ließe, könnte noch eine andere Möglichkeit der Beseitigung der als geradezu unsinnig erscheinenden Differenzierung zwischen freien Berufen einerseits und Gewerbebetrieben andererseits bedacht werden. Der eigenpersönlich tätige Berufsträger wird, unabhängig von seiner sozialen Zuordnung zu irgendeiner Berufsgruppe, generell von der Entrichtung der Gewerbesteuer freigestellt. Alle anderen bleiben weiterhin steuerpflichtig. Das wäre allerdings nur die zaghafteste aller denkbaren Reformoptionen.1112 Diese Arbeit hat aufgezeigt, dass von den Berufsträgern der selbstständigen bzw. freien Berufe keine ernstzunehmenden Gründe gegen ihre Einbeziehung in die Steuerpflicht der Gewerbesteuer vorgebracht werden könnten. Ein zu erwartender Widerstand ließe sich allein an der Absicht festmachen, »Besitzstände« wahren zu wollen. Für die politischen Entscheidungsträger darf dies jedoch kein Motiv einer Beibehaltung der geltenden rechtlichen Differenzierung sein. Die als realistische Option eingeschätzte Erweiterung der Gewerbesteuerpflicht auch auf freie Berufe, die wohl eher als »Reförmchen« zu werten wäre, würde immerhin zu einer Vereinfachung des deutschen Steuerrechts und auch anderer Rechtsbereiche führen und damit Ressourcen freimachen, die in der Vergangenheit durch eine nicht nachvollziehbare und auch verfassungswidrige Rechtslage gebunden waren. Die in einer Pressemitteilung des Bundesverbandes der freien Berufe (BFB) vom 19. 09. 20031113 befürchtete Flut an zu bearbeitenden »rund 1.200.000 ExtraSteuererklärungen« im Zusammenhang mit der Einführung einer alle selbstständigen Erwerbstätigen treffende Gemeindewirtschaftssteuer kann dagegen kein Argument sein. Dafür stehen ebenso wie bei der Bearbeitung anderer Steuererklärungen EDV-Programme zur Verfügung, die den weit überwiegenden Teil aller zusätzlichen Steuererklärungen einschließlich der zu erwartenden 1110 Einzelheiten bei Homburg, Die Steuerreformvorschläge der Stiftung Marktwirtschaft, BB 2005, S. 2382ff. sowie Jachmann, Eine neue Qualität der kommunalen Steuerfinanzierung: Das Vier-Säulen-Modell der Kommission Steuergesetzbuch, StuW 2006, S. 115ff. 1111 Drüen in Blümich, EStG-KStG-GewStG, § 2 Rdnr. 11. 1112 Eine Übersicht über verschiedene Reformmodelle gibt Inhester, Kommunaler Finanzausgleich, S. 113ff. 1113 www.verbaende.com/news.php/Riesenaufwand-durch-Gemeindewirtschaftssteuer.
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Alternative Lösungsansätze und Reformbestrebungen
großen Zahl an »Nullmeldungen« auf einfache Weise abarbeiten lassen. Eine grundlegende Reform, auch der ohnehin kritisch beurteilten Gewerbesteuer bzw. deren Ausgestaltung, wäre damit allerdings noch nicht verbunden. Bisher gelangten weitergehende Reformbemühungen und Diskussionen auch innerhalb der Gemeindefinanzreformkommission noch nicht einmal in die Nähe des Versuchs einer gesetzlichen Reforminitiative, wie dies immerhin bei der Gemeindewirtschaftssteuer der Fall war.1114 Die Resignation über mangelnde Reformbereitschaft und Reformfähigkeit ist groß1115, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Jachmann1116 bringt die steuerliche Realität in Deutschland in drastischer Weise auf den Punkt: »Die Steuerrechtsordnung von Utopia wäre auf rechtliche und wirtschaftliche Vernunft gegründet, von Gerechtigkeit, Einfachheit und verwaltungstechnischer Durchführbarkeit gekennzeichnet. … Unsere Steuerpolitik ist von Fiskalgier des Staates, Streit um Steueranteile und Allmacht von Gruppeninteressen bestimmt.«
1114 Zur Schwierigkeit steuerrechtlicher Reformen in Deutschland allgemein Lang, Über die Unfähigkeit deutscher Politik zur Steuervereinfachung, in Festschrift für Wolfgang Spindler, 2011, S. 139ff. 1115 Dazu ausführlich Lang, ebenda. 1116 Wider das Steuerchaos, S. 9.
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Beiträge zu Grundfragen des Rechts Herausgegeben von Stephan Meder Die drei Grundfragen des Rechts, die vor gut zweihundert Jahren der Rechtsgelehrte Gustav Hugo formulierte – »Was ist Rechtens?«, »Wie ist es Rechtens geworden?« und »Ist es vernünftig, daß es so sey?« – stellen sich bis heute. Die Frage nach dem geltenden Recht zielt heute nicht nur auf dessen Prinzipien und Regeln, sondern auch auf das Verhältnis von Gesetz und Recht, juristischer Geltung und sozialer Wirklichkeit. Die Frage nach der Geschichte des Rechts betrifft auch das sich wandelnde Verhältnis zwischen den Rechtsquellen sowie das Verhältnis von Tradition und Gegenwartsbezug der Rechtsinhalte. Die Frage nach den richtigen Inhalten des Rechts bezieht sich heute vor allem auf das rechtliche Verhältnis zwischen der größtmöglichen Freiheit des Einzelnen und dem notwendigen Mindestmaß sozialer Gleichheit und Gemeinwohlbindung des Rechts. So sind die Grundfragen des Rechts niemals von lediglich theoretischer Bedeutung, sondern haben einen unmittelbar praktischen Bezug zur Rechtsentstehung, Rechtsauslegung und Rechtsanwendung. Antworten auf diese Fragen versuchen aus unterschiedlichen Perspektiven die Beiträge dieser Reihe zu geben.
Weitere Bände dieser Reihe: Band 30: Albert Janssen Der Staat als Garant der Menschenwürde Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Artikels 79 Abs. 3 GG für die Identität des Grundgesetzes 2018, 85 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0961-7 Band 29: Marko Oldenburger Kindeswohl im Recht Begründung, Ausgestaltung und Verlust der elterlichen Sorge 2018, 223 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0922-8 Band 28: Dimitrios Devetzis Die dingliche Surrogation als Rechtsprinzip Extra legem – intra ius 2018, 270 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0902-0 Band 27: Stephan Meder / Vincenzo Omaggio / Gaetano Carlizzi / Christoph Sorge (Hg.) Juristische Hermeneutik im 20. Jahrhundert Moral und Recht als Regelsysteme für Frieden zwischen Menschen und zwischen Staaten 2018, 340 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0871-9 Band 26: Stephan Meder Geschichte und Zukunft des Urheberrechts 2018, 222 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0872-6 Band 25: Christoph-Eric Mecke Begriff des Rechts und Methode der Rechtswissenschaft bei Rudolf von Jhering 2018, 747 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0853-5
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