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German Pages 169 [159] Year 2006
Geschichte kompakt Herausgegeben von Kai Brodersen, Gabriele Haug-Moritz, Martin Kintzinger, Uwe Puschner Herausgeber für den Bereich Neuzeit: Uwe Puschner Berater für den Bereich Neuzeit: Walter Demel, Merith Niehuss, Hagen Schulze
Angelika Schaser
Frauenbewegung in Deutschland 1848–1933 Die Geschichte der römischen Republik von 134 bis 78. v. Chr.
Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim Redaktion: Michelle Kottenmann, Bonn Abbildung: Symbolische Darstellung der Durchbrechung des mittelalterlichen Weltbildes, 1888. Aus: Camille Flammarion: L’atmosphère, et la météorologie populaire, Paris 1888. i akg-images.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Bestellnummer 15498-3 Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2006 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Christine Schatz, Hamburg Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de
ISBN-13: 978-3-534-15210-0 ISBN-10: 3-534-15210-7
Inhaltsverzeichnis Geschichte kompakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung: 1815/1848 bis 1933: Das Jahrhundert der Frauen? . . . .
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I. „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“: Zum Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Was sind Frauen, was sind Männer? . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschlechterordnung im „ganzen Haus“ . . . . . . . . . . . 3. Eheleute als Arbeitspaar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ehe als Lebensziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Frauenemanzipation bis zur Revolution von 1848/49 . . . . . 1. Aufbruch und Stagnation – Das Zeitalter der Revolutionen 1789 – 1848/49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Revolution von 1848/49 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frauen im Vormärz und in der Revolution . . . . . . . . . . 4. Die Hamburger Hochschule für das weibliche Geschlecht .
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III. Frauenbewegung als Frauenbildungsbewegung . . . . . . . 1. Mädchenbildung im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . 2. Die Gelbe Broschüre, die Einrichtung der Realkurse für Frauen und die Gründung des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins (ADLV) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Zugang zur höheren Bildung durch die preußische Mädchenschulreform von 1908 . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Organisationen der Frauenbewegung . . . . . . . 1. Die Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) 1865 . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gründung des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) 1894 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gründung der konfessionellen Frauenverbände, des Verbandes fortschrittlicher Frauenvereine und des Verbandes Deutscher Hausfrauenvereine . . . . V. Der Kampf um die politische Gleichberechtigung . . 1. Erste Forderungen nach dem Frauenwahlrecht . . 2. Die Argumentation der Frauenbewegung für das Frauenwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Politische Aktivitäten von Frauen vor der Nationalversammlung 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. Der Kampf um bessere berufliche Bedingungen und erweiterte Berufschancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frauenarbeit – „Arbeit aus Liebe“? . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitsmarktentwicklung und Strukturmerkmale von Frauenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 3. Die Berufsberatungs- und -vermittlungsstellen der Frauenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kontinuitäten des segregierten Arbeitsmarktes . . . . . . . . VII. Frauenbewegung als Sittlichkeitsbewegung . . . . . . . 1. Frauenbewegung und Sexualität . . . . . . . . . . . . 2. Der Deutsche Kulturbund, der Verein Jugendschutz und die deutschen Zweigvereine der Internationalen Abolitionistischen Föderation . . . . . . . . . . . . . 3. Der Bund für Mutterschutz und Sexualreform (BfMS) . 4. Die Reaktionen des BDF auf die Sexualreformdebatten
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VIII. Nationalisierung der Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg . 1. Die Entwicklung des BDF zu Beginn des 20. Jahrhunderts 2. Die Nationalen Frauenvereine in Deutschland . . . . . . 3. Die Diskussion um das weibliche Dienstjahr . . . . . . . 4. Der Nationale Frauendienst (NFD) . . . . . . . . . . . . . IX. Frauenbewegung im Spannungsfeld zwischen Internationalismus und Nationalismus . . . . . . . . . . . 1. Die internationalen Frauenorganisationen . . . . . . . . 2. Das internationale Engagement der deutschen Frauenbewegung bis 1914 . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Abbruch der internationalen Beziehungen im Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . .
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X. Differenzierungen und zentrifugale Tendenzen innerhalb der Frauenbewegung 1918 bis 1933 . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Frauenorganisationen in der Weimarer Republik . . . 2. Organisationsstruktur und Arbeitsfelder des BDF . . . . . 3. Die Neuorientierung des BDF nach der erfolgten staatsbürgerlichen Gleichstellung der Frauen . . . . . . . 4. Die Erosion des BDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ortskarte der Generalversammlungen des BDF . . . . . . . . . . . .
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Biographische Skizzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XI. Frauenbewegung und Nationalsozialismus . . . . . . . . . 1. Zur Situation der Frauenbewegung am Ende der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annäherungen und Abgrenzungen: Bäumer, der BDF und der Aufstieg des Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . 3. Auflösung, Selbstauflösung und Unterordnung einzelner Frauenorganisationen nach dem Januar 1933 . . . . . . .
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Geschichte kompakt In der Geschichte, wie auch sonst, dürfen Ursachen nicht postuliert werden, man muß sie suchen. (Marc Bloch) Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden. Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen des Mittelalters und der Neuzeit verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte. Die Autorinnen und Autoren sind jüngere, in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden. Kai Brodersen Gabriele Haug-Moritz Martin Kintzinger Uwe Puschner
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Einführung: 1815/1848 bis 1933: Das Jahrhundert der Frauen? Ein komplexes Phänomen wie die Frauenbewegung ist nicht einfach zu definieren. Käthe Schirmacher formulierte 1905 kämpferisch: „Von jeher hat der Mann diejenige, die ihm Genossin, Kameradin sein sollte, zu beherrschen versucht. Auf Grund des Faustrechts ist ihm das meist gelungen. Jeder Protest gegen dieses Faustrecht war – ,Frauenbewegung .“ Ähnlich vage, wenn auch weitaus vornehmer, definierten andere den unübersehbaren Aufbruch der Frauen. Die Geschichte der Frauenbewegung ist zumeist als Ideen- und Organisationsgeschichte konzipiert worden, in der einige herausragende Persönlichkeiten und überregional agierende oder bekannt gewordene Vereine als Initiatoren der Frauenbewegung beschrieben wurden. In Lokalstudien und in Stadtgeschichten wird eine weit facettenreichere und differenziertere Geschichte der Frauenbewegung rekonstruiert, die mit der Geschichte der überregionalen Vereine unübersehbar zusammenhängt, aber doch ganz eigene Seiten hat. Und in den Arbeiten, die zu einzelnen Aktionsfeldern dieser Frauenbewegung verfasst wurden, zur Wohlfahrtspolitik, zur Bildungspolitik, zur Jugendarbeit, zu juristischen Fragen und zu einzelnen Berufszweigen, tauchen wiederum andere Aspekte der Frauenbewegung auf. Auch die biographischen Arbeiten zur Frauenbewegung lassen die Vielfalt und das dichte Netz dieser Bewegung aufscheinen, dessen Erforschung noch am Anfang steht. Die wichtigsten Anstöße erhielt die Frauenbewegung von der Französischen Revolution 1789 und der europäischen Revolution 1848/49. Die Französische Revolution mobilisierte mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte auch die Forderungen nach der rechtlichen und sozialen Gleichstellung der Frau, die zumeist mit einer radikalen Kritik an den bestehenden Verhältnissen verknüpft waren. Die Anfänge der organisierten Frauenbewegung in Deutschland reichen in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Die Aufbruchstimmung, die Deutschland im Vormärz erfasste, beschränkte sich nicht auf den männlichen Teil der Bevölkerung. Aus vereinzelter Kritik an der Situation von Frauen wurde eine Frauenbewegung, die um die Jahrhundertwende in der Öffentlichkeit unübersehbar an Einfluss und Ansehen gewonnen hatte. Es entstand eine vielfältige, publikumswirksame Vereinskultur mit eigenen Publikationsorganen, Beratungsstellen sowie einem umfangreichen Angebot an Informationsveranstaltungen, Treffen und Kongressen, die nicht nur das jeweilige städtische beziehungsweise regionale Milieu prägte, sondern auch der nationalen und internationalen Vernetzung diente. Da die Frauenorganisationen von Frauen aus bürgerlichen Schichten, zum Teil auch aus dem Adel, gegründet und geleitet wurden, stand die Forderung nach Bildungs- und Berufsmöglichkeiten für (bürgerliche) Frauen sowie die Verbesserung der sozialen Lage der Unterschichten im Mittelpunkt der zahlreichen Bildungs-, Berufs- und Wohltätigkeitsvereine. Aus der Bevormundung durch die bürgerlich geprägte Frauenbewegung lösten sich die Arbeiterinnen, die sich mit der Entstehung der ,
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Einführung sozialistischen Parteien und der Arbeitervereine zunehmend in Frauenabteilungen oder separaten Interessenvertretungen organisierten und eine Gleichstellung der Frau in erster Linie durch die radikale Veränderung der Gesellschaft zum Sozialismus erreichen wollten. Die Frauenbewegung, die sich im 19. Jahrhundert in den USA und in Westeuropa entwickelte, setzte sich aus verschiedenen Vereinen und Organisationen zusammen, die von Frauen gegründet, geleitet und dominiert wurden und deren Mitglieder mehrheitlich Frauen waren. Diese Frauenvereine engagierten sich auf unterschiedlichen Feldern für eine Verbesserung der Situation von Frauen, mit der sie auch gesamtgesellschaftliche Reformen durchsetzen wollten. Hinter dieser sehr allgemeinen Definition steht eine Vielzahl von Frauenvereinen mit unterschiedlichsten Zielsetzungen, die eine Beteiligung an nationalen Belangen, ein Mitspracherecht in Kommunen und Kirchen, eine Anerkennung der familiären Leistungen von Frauen, bessere Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten für Frauen und die politische Gleichberechtigung forderten. Andere Vereine bemühten sich um die Milderung der Not armer Bevölkerungsschichten, organisierten die Betreuung und Speisung von Arbeiterkindern, engagierten sich für eine bessere medizinische Betreuung von Frauen und Kindern, kämpften gegen schlechte Wohn- und Arbeitsbedingungen sowie gegen staatlich geregelte Prostitution, Mädchenhandel und Alkoholmissbrauch. Während die einen die Anerkennung der Gleichwertigkeit des weiblichen Geschlechts in einer reformierten Gesellschaft erreichen wollten, forderten die anderen gleiche Rechte und gleiche Pflichten in einer revolutionierten Welt. Wie radikal auch immer die Forderungen aussahen: Sie waren an eine Gesellschaft gerichtet, in der die Vorstellung von einer Gleichberechtigung der Geschlechter wenig Akzeptanz fand und ein deutliches Machtgefälle zwischen Männern und Frauen allgegenwärtig war. Die Vereine und Organisationen der deutschen Frauenbewegung werden in der Forschung meist unter dem Terminus „bürgerliche Frauenbewegung“ rubriziert. Diese Bezeichnung ist, was die Mitgliedsstruktur dieser Frauenvereine betrifft, in der Regel gerechtfertigt. Wenn sich auch Frauen aus anderen Schichten in diesen Organisationen engagierten, so stammte doch die Mehrheit aus bürgerlichen Kreisen: Ute Gerhard schätzt, dass 85 % der Frauen aus bürgerlichen Familien stammten, 10 % aus Arbeiterfamilien und 5 % aus dem Adel. Problematisch und belastet ist der Begriff „bürgerliche Frauenbewegung“ jedoch dadurch, dass er von sozialistischen Zeitgenossinnen pejorativ benutzt wurde: Mit der Bezeichnung „bürgerliche Frauenbewegung“ grenzten sich Politikerinnen wie Clara Zetkin und Lily Braun (die eine war die Tochter eines Lehrers, die andere stammte aus einer adeligen Familie) von den nicht-sozialistischen Vereinen ab, die ihnen die Interessen der Arbeiterklasse zu wenig oder gar nicht zu berücksichtigen schienen. Die innerhalb oder in ideologischer Nähe zur SPD, KPD und den Gewerkschaften angesiedelten Frauenorganisationen werden in der Forschung proletarische oder sozialistische Frauenbewegung genannt, obwohl sich z.B. Clara Zetkin immer davon distanzierte, Arbeiterinnenvereine als Teil der Frauenbewegung zu definieren. Sie postulierte, dass jede Klasse ihre eigene Frauenfrage habe. Da die proletarische Frauenbewegung die Lösung der Frauenfrage in und mit der Entstehung der sozialistischen oder kommu-
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Einführung nistischen Gesellschaft erhoffte, ordnete sie die Fraueninteressen den Parteiinteressen unter. In dieser Hinsicht waren die hier im Mittelpunkt stehenden Frauenorganisationen der (bürgerlichen) Frauenbewegung autonomer, da sie in der Regel den liberalen Parteien nahe standen, sich ihnen aber nicht unterordneten. Neuere biographische, stadt- und regionalgeschichtliche sowie auf die unterschiedlichsten Sachthemen bezogene Arbeiten haben deutlich gemacht, dass die in der Geschichtsschreibung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts übliche Unterteilung der Frauenbewegung in eine „bürgerliche“ und in eine „sozialistische“ oder „proletarische“ Frauenbewegung fragwürdig ist. Nur die „bürgerliche“ Frauenbewegung strebte von Anfang an die Etablierung einer selbständigen feministischen Organisation an, während die „proletarische“ sich in die sozialistische Arbeiterbewegung eingegliederte. Trotzdem verfolgten beide Gruppierungen, in Anerkennung von Geschlechterunterschieden und Hochschätzung von Mutterschaft, entgegen aller politischen Abgrenzungsrhetorik zum Teil gemeinsame Ziele. Eine statische Einteilung der Vereine in diese beiden Rubriken ist auch deshalb wenig sinnvoll, da Frauenvereine Entwicklungsprozessen unterlagen, in denen sich die Vereinstätigkeit, die Kooperationen und die politischen Einstellungen einzelner Mitglieder oder ganzer Vereine ändern konnten. Die Aktivistinnen der Frauenbewegung bildeten, obwohl sie für unterschiedliche Richtungen vereinnahmt werden, trotz vieler Streitigkeiten, Differenzen und Animositäten immer wieder Aktionsbündnisse, um sich auf verschiedenen Gebieten, mit unterschiedlichen Mitteln und in variablen Koalitionen für eine Änderung der männerdominierten Gesellschaft einzusetzen. In dieser Darstellung wird von der deutschen Frauenbewegung gesprochen und der Schwerpunkt auf den Dachverband der deutschen Frauenbewegung, den Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) sowie auf die ihm angeschlossenen Vereine und deren Protagonistinnen gelegt. Diese Perspektive soll dazu anregen, die Vielfalt der Frauenvereine, die sich unter diesem Dach versammelten, näher in den Blick zu nehmen und nach ihren Potenzialen zu fragen. Weder vorher noch nachher ist es einer deutschen Frauenorganisation gelungen, ein so breites Spektrum von Frauenvereinen zu mobilisieren, denen nach Schätzungen zuletzt 500 000 bis 1 Million Mitglieder angehörten. Auch wenn es richtig bleibt, dass der BDF sich trotz programmatisch festgelegter Neutralität gegenüber den sozialistisch und pazifistisch orientierten Frauenvereinen ablehnend verhielt, konnte er in vielen Bereichen über die unterschiedlichen politischen Lager hinaus Konsens oder zumindest strategische Zusammenschlüsse herstellen. In Bereichen wie Frauen- und Mädchenbildung, Sozialfürsorge, Frauenberufstätigkeit und politische Gleichberechtigung von Frauen gelang es dem BDF und den ihm angeschlossenen Vereinen immer wieder, Frauen unterschiedlicher politischer Couleur zum gemeinsamen Einsatz zu bewegen. Nicht die Aus- und Abgrenzungen sondern die integrativen Bemühungen des Dachverbandes der deutschen Frauenbewegung stehen hier im Mittelpunkt. Denn trotz der mitunter sehr polemischen Auseinandersetzungen zwischen der BDF-Spitze und den Gruppierungen innerhalb und außerhalb des BDF gab es bis zum Ende der Weimarer Republik noch in fast allen Frauen-
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Einführung vereinen die Vorstellung, Frauen könnten als organisierte Gruppe eine Verbesserung der Lebenssituation für Frauen und damit die Grundlage für eine gerechtere Welt schaffen. Weitgehender Konsens herrscht in der Forschung darüber, dass die Frauenbewegung eine der sozialen und politischen Bewegungen darstellte, die auf die Veränderungen und Herausforderungen einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Modernisierung der Gesellschaft reagierten. Ihre Entstehung und Entwicklung war eng mit der Geschichte der jeweiligen Nationalbewegung und Nationalstaatsbildung verbunden. Die einzelnen Organisationen, die sich der Frauenbewegung zurechneten, verfolgten jedoch teilweise so unterschiedliche Ziele, dass die moderne Forschung inzwischen zum Teil den Plural vorzieht und von den Frauenbewegungen spricht. Während für einzelne Autoren wie Dirk Reder bereits die patriotischen Frauenvereine vom Anfang des 19. Jahrhunderts den Beginn der deutschen Frauenbewegung markieren, sehen andere wie Sylvia Paletschek erst in den freireligiösen Frauenvereinen und in den politischen Frauenvereinen und Frauenzeitungen der 1840er Jahre die Anfänge der Frauenbewegung. Auch nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 konnten die Frauenbewegungen durch die restriktiven Vereinsgesetze, die Frauen eine Mitwirkung in politischen Vereinen untersagten, zunächst nur behindert, aber nicht vollständig unterdrückt werden. Zwei Jahrzehnte später formierten sich die Frauenvereine erstmals auch auf überregionaler Ebene und verschafften der so genannten Frauenfrage in der Öffentlichkeit wachsende Aufmerksamkeit. Im Streben nach Abbau der Diskriminierung von Frauen wurden in den einzelnen Organisationen ganz unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, was jedoch einer partiellen Zusammenarbeit verschiedener Personen und Vereine – besonders auf lokaler Ebene – nicht zwingend entgegenstand. Gerade die weit verbreitete Wertschätzung von Mütterlichkeit und karitativer Arbeit bot zahlreiche Berührungspunkte auch zwischen Frauenvereinen, die ansonsten keine weltanschaulichen Gemeinsamkeiten hatten. Der organisierten Frauenbewegung gingen viele kurzlebige oder noch wenig erforschte Frauenvereine und Einzelkämpferinnen voraus. Auf diese wird ebenso wie auf die von Männern dominierten Organisationen, die Frauen für bestimmte patriotische, karitative oder bildungspolitische Ziele mobilisierten, nur am Rande eingegangen. Wie die Studien von Elisabeth Meyer-Renschhausen, Christina Klausmann, Kirsten Heinsohn und Nancy R. Reagin zu Frauenvereinen in Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg und Hannover zeigen, macht die lokale Perspektive ganz neue Zusammenhänge zwischen verschiedenen Frauenvereinen auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene deutlich. Obwohl die vier genannten Studien städtische Frauenvereine in verschiedenen Zeiträumen und unter unterschiedlichen Fragestellungen behandeln, thematisieren sie alle innerstädtische, regionale und überregionale Netzwerke sowie eine breite Palette von Schwerpunktsetzungen, Intensität und Dauerhaftigkeit der Aktionen und Unternehmungen der Frauenvereine. Die Vielfalt von Koalitionen wird auch in den biographischen Studien zu bekannten Vertreterinnen der Frauenbewegung wie Anita Augspurg, Gertrud Bäumer, Helene Lange, Henriette Fürth, Bertha Pappenheim, Alice Salomon und Marie Stritt immer wieder deutlich.
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Einführung Der Aufbruch der Frauen, der sich in der Forderung nach Partizipation und Gleichberechtigung niederschlug und zahlreiche Vereinsgründungen nach sich zog, lässt sich grob in vier Phasen unterteilen. Die erste Phase des „Jahrhunderts der Frauen“ begann im Vormärz und mit der Revolution von 1848/49. Nach einem kurzen Stillstand, verursacht durch die rigiden Maßnahmen der Reaktion, wuchs die Frauenbewegung in den 1860er Jahren an und gründete nun überregionale Frauenorganisationen. Abgeschlossen wurde diese zweite Phase durch die 1894 erfolgte Gründung des Bundes deutscher Frauenvereine (BDF), der als Dachverband der deutschen Frauenbewegung fungierte. Dominierten bis dahin noch karitative Themen und die Frage nach den Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten von Frauen die Tätigkeit der Frauenvereine, so war die Frauenbewegung in der dritten Phase bis zum Ersten Weltkrieg von einer zunehmenden Differenzierung und allgemeinen Politisierung geprägt. Diese dritte Phase gilt als Hoch-Zeit der deutschen Frauenbewegung, in der Frauen die Geschlechterhierarchie öffentlichkeitswirksam in Frage stellten und die Medien den Kongressen, Petitionen und Publikationen der Frauenbewegung zunehmend Aufmerksamkeit schenkten. Auf nationaler und noch zahlreicher auf regionaler und städtischer Ebene entwickelten sowohl karitative, bildungspolitisch engagierte, kirchlich und parteilich gebundene Frauenvereine als auch Berufsorganisationen vielfältige Aktivitäten, die bei weitgehender Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Status quo eine Verbesserung der Lage der Frauen erreichen wollten, während radikalere pazifistische und sozialistische Frauenorganisationen auf eine grundlegende Änderung der Gesellschaft zielten. Auch der Höhepunkt der internationalen Vernetzung fällt in die beiden Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg. Einer effektiven Bündelung der Frauenbewegung in nationale (z. B. Allgemeiner Österreichischer Frauenverband 1893, Bund Deutscher Frauenvereine 1894, Union nationaliste des femmes françaises 1901, Consiglio Nazionale delle Donne Italiane 1903) und internationale Dachverbände (International Council of Women 1888, International Woman Suffrage Alliance 1904), die beeindruckend hohe Mitgliederzahlen erreichten, standen jedoch zunehmende Divergenzen entgegen. Soziale, politische, nationale und regionale Differenzierungen stellten dabei die beschworene Frauensolidarität vor immer härtere Proben. Bei Kriegsausbruch 1914 betonten die meisten Frauenorganisationen ihre nationale Loyalität und gaben ihre internationale Orientierung weitgehend auf. Die vierte Phase der ersten Frauenbewegung reichte vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933. Nach Erhalt des Frauenstimmrechts im November 1918 herrschte einerseits in manchen Vereinen große Unsicherheit über die weiteren Ziele der Frauenbewegung, andererseits nutzten Frauen die neuen rechtlichen Möglichkeiten und engagierten sich nun zunehmend außerhalb der Frauenvereine für unterschiedlichste politische, soziale und berufliche Ziele. Die Zäsur 1933 zwang die Frauenvereine zur (Selbst-)Auflösung oder zur Unterordnung unter NS-Organisationen und bedeutete damit das jähe Ende der ersten deutschen Frauenbewegung.
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Einführung Periodisierung der ersten Frauenbewegung: Phase I 1815/1848 – 1865 Anfänge der deutschen Frauenbewegung Phase II 1865 – 1894 Konsolidierung und Anwachsen der organisierten Frauenbewegung, überregionale Vernetzung Phase III 1894 – 1917 Differenzierung und größte Erfolge der Frauenbewegung Die internationale Orientierung wird durch die Nationalisierung der Frauenbewegung 1914 weitgehend aufgegeben Phase IV 1918 – 1933 Differenzierung der Frauenbewegung, Wiederaufnahme der internationalen Kontakte 1933 Auflösung der Frauenvereine, Unterordnung unter NS-Organisationen
Um in die Lebenswelt des 19. Jahrhunderts einzuführen, ist das erste Kapitel dem bürgerlichen Geschlechtermodell gewidmet, das zwar heute noch die Welt prägt, dessen damalige Bedeutung im auf Androgynie hinsteuernden 21. Jahrhundert inzwischen jedoch nicht nur unverständlich, sondern weitgehend unbekannt sein dürfte. Die ältere Forschung, die in der „neuen Frauenbewegung“ nach 1945 ihre Wurzeln hatte, widmete diesen historischen Umständen, in denen die erste Frauenbewegung agierte, nur wenig Aufmerksamkeit. Von dem Zeitgeist der 1968er Jahre inspiriert, wurde damals der Unterschied zwischen einem größeren „gemäßigten“ und einem kleineren „radikalen“ Flügel der ersten deutschen Frauenbewegung betont und gerne ein Sonderweg der deutschen Frauenbewegung hin zum Nationalsozialismus postuliert. Neuere Forschungen haben deutlich gemacht, dass die Forderungen der so genannten Gemäßigten für die damalige Zeit äußerst radikal waren und eine strikte Trennung nach Personen und Vereinen, die entweder die ausschließliche Betonung der Differenz der Geschlechter (Stichwort: „geistige Mütterlichkeit“) oder aber die Egalität der Geschlechter gefordert hätten, nicht aufrecht zu erhalten ist. Die Arbeiten von Ann Taylor Allen, Gisela Bock, Marilyn J. Boxer und Jean H. Quataert, Karen Offen sowie von Sylvia Paletschek und Bianka Pietrow-Ennker haben darüber hinaus gezeigt, dass die deutsche Frauenbewegung bis 1933 durchaus zur Avantgarde der internationalen Frauenbewegungen zählte und bei Weitem mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede zu der amerikanischen und den westeuropäischen Frauenbewegungen aufwies. Die polarisierende Einordnung der verschiedenen deutschen Vereine und Protagonistinnen sowie deren Aktivitäten hat den Blick auf Entwicklungslinien und Berührungspunkte zwischen den Organisationen und Personen weitgehend verstellt. Hier wird dafür plädiert, erst einmal die Aktivitäten und Entwicklungen der Frauenrechtlerinnen und Frauenvereine im historischen Kontext genauer zu untersuchen, bevor sie in verschiedene Rubriken eingeordnet werden. Ältere Darstellungen haben zum Teil Beurteilungen vorgenommen, die sehr statisch ausfielen und wenig Wert auf die Erforschung von Prozessen und Veränderungen legten. Obwohl diese polarisierenden Differenzierungen im Lichte neuerer Forschung längst fragwürdig erscheinen, werden sie dennoch oft weitergeschrieben.
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Einführung Die Forderungen und Aktionen der Frauenbewegung an den gesellschaftlichen Verhältnissen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu messen, kann der ersten Frauenbewegung nicht gerecht werden. Forderungen, die in unseren Augen „zahm“ erscheinen, waren für die damalige Zeit nicht selten unerhört und revolutionär. Als Ende des 18. Jahrhunderts Olympe de Gouges die Ausdehnung der Menschen- und Bürgerrechte auf Frauen forderte, sollte sie das 1793 den Kopf kosten. Seitdem wissen Frauen, dass die Forderung nach gleichen Rechten ihren Preis hat. Dies mag eine Erklärung dafür sein, dass die Emanzipation der Frauen nur langsam vorankommt und bis heute von herben Rückschlägen begleitet wird. Betrachtet man die Frauenemanzipation unter den Gesichtspunkten von Gewinnen und Verlusten, so stellt sie sich weitgehend als ein Nullsummenspiel dar. Der Soziologe Reinhard Kreissl hat 2000 (ironisch) festgestellt: „Wir sind in das Jahrhundert der Frauen eingetreten. Das vermelden die einschlägigen Medien. Frauen sind auf dem Vormarsch. Steigende Frauenanteile allerorten.“ Fünf Jahre später erregte die erfolgreiche Bewerbung einer Frau um das Kanzleramt in den Medien der Bundesrepublik Deutschland großes Aufsehen. Nur selten wurde bei den Erfolgsmeldungen danach gefragt, ob nicht ein Zusammenhang zwischen dem Aufstieg einiger Politikerinnen und dem sinkenden Prestige und Einfluss von Politik besteht. Wird, um mit den Worten von Simone de Beauvoir zu sprechen, das „andere Geschlecht“ auf Grund solcher Dynamiken immer das „zweite Geschlecht“ bleiben? Das ist eine Frage an die Zukunft. Für die Vergangenheit ziehen sich Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen wie ein roter Faden durch die Geschichte. „Die grausamen Zyklen von Wiederholungen“, so hat Gerda Lerner festgestellt, „durch die Frauen sich als einzelne zu einem höheren Bewußtsein haben durchringen müssen, indem sie wiederholten, was Frauen in früheren Jahrhunderten bereits mehrmals versucht hatten, sind nicht nur ein Symbol der Unterdrückung der Frauen, sondern ein realistischer Ausdruck ihrer Situation.“ Besonders deutlich wird das am Beispiel der nach 1968 entstandenen „neuen Frauenbewegung“, die erst mit großer Verspätung die Geschichte der ersten Frauenbewegung entdeckte. Der Nationalsozialismus hatte deren Existenz so gründlich zerstört, dass viele ehemals bekannte Vertreterinnen der ersten Frauenbewegung bis heute nur noch wenigen Expertinnen geläufig sind. Dass die Jahre von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein „Jahrhundert der Frauen“ waren, kann man bejahen und muss gleichzeitig registrieren, dass nur mehr wenig hierüber in der Öffentlichkeit bekannt ist. Dieses Buch soll dazu beitragen, der ersten Frauenbewegung und ihren vielfach in Vergessenheit geratenen Vertreterinnen einen sichtbaren Platz in der Geschichte einzuräumen.
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I. „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“: Zum Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft 1. Was sind Frauen, was sind Männer? Geschlechterzuschreibungen gelten bis heute mehr oder weniger als naturgegeben. Die Forschungsergebnisse der Queer-Studies, die die Norm der Zweigeschlechtlichkeit und der Heterosexualität radikal in Frage stellen, konnten sich bislang in der Öffentlichkeit kaum, und in der Wissenschaft nur ansatzweise durchsetzen. Während Untersuchungen zum kulturell und sozial konstruierten Geschlecht inzwischen den innovativen Bereich der Körpergeschichte eröffnet haben, stößt die These von der Konstruiertheit des biologischen Geschlechts auf große Vorbehalte.
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Queer-Studies In den USA im Rahmen der Aids-Bewegung in den 1990er Jahren entwickelter Forschungsansatz, der die Wissenschaft mit dem Vorwurf konfrontiert, die Heterosexualität nicht nur ungeprüft als Basis gesellschaftlicher Machtverhältnisse zu akzeptieren, sondern Geschlechter- und Sexualitätsfragen systematisch zu ignorieren. Queer-Studies untersuchen die Bedeutung sowie die Veränderbarkeit von biologischem (engl. sex) sowie kulturell und sozial festgelegtem Geschlecht (engl. gender). Geschlechtergrenzen, so die Ausgangsthese, sind veränderbar, unterliegen einem ständigen Aushandlungsprozess und werden von Einzelnen, Gruppen und Institutionen immer wieder neu festgelegt. Momentan werden die Untersuchungen auf Unterdrückungsmechanismen ausgeweitet, bei denen Rasse, Klasse, Nationalität, Religion und zunehmend auch Alter in unterschiedlichen Verbindungen in die Queer-Theorie miteinbezogen werden.
Geschlechterzuschreibungen
Noch heute wird bei Neugeborenen in der Geburtsurkunde die Rubrik „männlich“ oder „weiblich“ angekreuzt, auch wenn aus ärztlicher Sicht eine eindeutige Zuordnung nicht vorzunehmen ist. Eine dritte Rubrik wie androgyn, transsexuell oder einfach „steht nicht fest“, fehlt nicht nur in den Formularen, sondern auch in den Köpfen. Wenn die Betroffenen später weder mit Zwang noch mit gutem Zureden die ihnen zugewiesenen Geschlechterrollen akzeptieren können, dann müssen sie sich entweder damit abfinden, falsch zugeordnet zu sein, oder sie können versuchen, auf operativen und rechtlichen Wegen das Geschlecht zu wechseln. Ein Beharren auf einem dritten Geschlecht wird von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Wenn Gerichte zu prüfen haben, ob zum Beispiel die Umwandlung einer männlichen zu einer weiblichen Person gelungen und damit rechtens sei, dann werden nicht nur biologische und psychische Kennzeichen und Merkmale diskutiert, sondern dann stehen auch Verhaltensweisen, Zuständigkeiten und Fähigkeiten auf dem Prüfstand. Und dabei stellt sich schnell heraus, dass „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ weder naturgegeben noch anthropologische Konstanten sind, sondern dass diese Geschlechterzuschreibungen immer wieder neu definiert werden und durchaus umstritten sein können. Bestens verfolgen kann man die Herstellung, Praktizierung und Infragestellung des gesellschaftlichen Konsenses über die Geschlechterzu-
Geschlechterordnung im „ganzen Haus“
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schreibungen an den beiden Modellen „Hausmann“ und „weibliche Führungskraft“. Der Versuch, eindeutige Geschlechterzuschreibungen vorzunehmen, kennzeichnete schon die Frühe Neuzeit. Als in den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts eine Frau in Männerkleidern über Land zog und ihr Geld als Erntehelfer verdiente, war man in einem Schweizer Dorf mit ihrer Arbeit so zufrieden, dass man ihr eine Dorfschönheit zur Heirat anbot. Wohl um den Schwindel nicht auffliegen zu lassen, übernahm die Frau nun diese Rolle. Obwohl sie sich stilgerecht als trinkender und prügelnder Ehemann inszenierte, wurde sie dennoch als Frau enttarnt. Die Obrigkeit reagierte hart. 1537 wurde diese mutwillige Überschreitung der Geschlechtergrenzen mit dem entehrenden Tod durch Ertränken bestraft. Denn hier ging es nicht nur darum, dass eine Person sich heimlich eine andere Geschlechtsidentität zugelegt hatte und damit die Umwelt täuschte, sondern hier hatte sich eine Frau eine höhere gesellschaftliche Position erschlichen. Dieser Fall macht drastisch deutlich, dass den Geschlechterbeziehungen Machtverhältnisse inhärent sind, die das Grundgerüst der jeweiligen Gesellschaftsordnung bilden, wie Joan Scott in ihrem programmatischen Aufsatz Gender: A Useful Category of Historical Analysis von 1986 aufgezeigt hat. Der den Frauen zugewiesene Platz in der Ehe und in der Familie macht nicht nur die dort herrschende Geschlechterhierarchie deutlich, sondern markiert auch eine wichtige Komponente sozialer Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft, die mit dem Geschlecht in untrennbarem Zusammenhang steht.
2. Geschlechterordnung im „ganzen Haus“ Erst seit dem 18. Jahrhundert bezieht sich der Begriff „Familie“ auf die soziale Kleingruppe von Eltern und Kindern. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit galt als kleinste Organisationseinheit der Gesellschaft der Hof oder das Haus. Nicht nur Eltern und Kinder, sondern auch Gesinde, Dienerschaft und Gäste zählten damals zur Familie. Die Hausgemeinschaft wurde nicht (nur) über verwandtschaftliche Beziehungen definiert, sondern über die Bewirtschaftung eines gemeinsamen Hofes oder Haushaltes. Diese Form der Familie bildete als Produktions-, Reproduktions- und Konsumtionseinheit die Grundeinheit der Gesellschaft. Der Historiker Otto Brunner hat für diese Familienform 1956 den Begriff des „ganzen Hauses“ geprägt, um die vormoderne Einheit von Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft unter einem Dach idealtypisch darzustellen. Wenn auch die moderne Forschung inzwischen deutlich gemacht hat, dass diese Darstellung des „ganzen Hauses“ den komplizierten Familienkonstellationen der Frühen Neuzeit nur ansatzweise gerecht wird und die Konzeption des „ganzen Hauses“ mehr über die konservative Grundhaltung des Autors aussagt als über die Familie in der Frühen Neuzeit, so zeigt sich im Bild vom „ganzen Haus“ doch die Idealvorstellung von Familie, welche damals vorherrschte. Im „ganzen Haus“ trugen die dort zusammenlebenden Menschen noch gemeinsam zu ihrem Lebensunterhalt bei, während sich im Laufe des 18. Jahrhunderts Wohn-
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Zum Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft
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und Arbeitsplatz immer mehr separierten und der Mann zum Ernährer der Familie aufstieg, der außerhalb des privaten Haushalts den Lebensunterhalt für die ganze Familie erwirtschaftete, während seine Ehefrau den Haushalt und die Kinder zu Hause versorgte.
3. Eheleute als Arbeitspaar Mittelpunkt der vormodernen Familienwirtschaft des „ganzen Hauses“ war das Ehepaar. Für die Gründung eines eigenen Haushaltes war die Ehe in der Regel Voraussetzung. Ehemann und Ehefrau waren als Hausherr und Hausfrau aufeinander angewiesen, sie bildeten ein „Arbeitspaar“. Das Verhältnis dieses Arbeitspaares konnte unterschiedlich ausgestaltet sein. Heide Wunder hat gezeigt, dass in der frühneuzeitlichen Gesellschaft zwar prinzipiell Ungleichheit zwischen Männern und Frauen festgeschrieben war, es aber „keine generelle Unterordnung aller Frauen“ gab. Es galt für Eheleute der Grundsatz, dass „Freud und Leid zu teilen“ seien. Dabei wurden Rechte und Pflichten nicht schematisch verteilt. Es ging vielmehr darum, gemeinsam einen angemessenen sozialen Status zu erreichen und zu erhalten, was weder Mann noch Frau als Einzelperson gelingen konnte. Es galt „Gleichheit von Ehefrau und Ehemann im Sinne von Gleichwertigkeit“ herzustellen und dafür waren beide aufeinander angewiesen (Heide Wunder). Diesen Sachverhalt der wechselseitigen Abhängigkeit der Ehepartner symbolisierte der Straßburger Johann Fischart (1546 – 1590) in seinem „Ehezuchtbüchlein“ von 1578 in folgendem Gedicht:
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Ausdifferenzierung des Familien- und Erwerbslebens
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Es soll der Mann sein wie die Sonn Und die Frau soll sein wie der Mon, Die Sonn hat wol ein klärern schein, Doch hat der Mon gleichfalls das sein, Und gleich wie nicht die Sonn zerstöret, dem Mon sein schein, sonder den mehret: Also soll auch ein rechter Man, Seiner Männin jr ehr thun an, Dieweil die ehr ist doch gemein, Und auch das gut keins hat allein: Und wa man nicht solch gmeinschaft behalt, Und jedes Licht sein schein erhalt, So kan es gleich so wenig bestohn Als wann die Sonn verstis den Mon, Oder der Mon verstis die Sonn.
Diese Gleichwertigkeit der Geschlechter, die auf vielen Ebenen im „ganzen Haus“ austariert werden konnte, wurde gegen Ende der Frühen Neuzeit durch einen Prozess in Frage gestellt, den man unter den Schlagworten „Privatisierung und Emotionalisierung“ zusammenfassen kann. Denn mit zunehmender Trennung des Privat- und Erwerbslebens kam die Vorstellung auf, dass der Ehemann seine Frau nach außen zu vertreten habe, der Gattin im Gegenzug dafür die unumschränkte Herrschaft zu Hause zustand. Der
Eheleute als Arbeitspaar
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ursprünglich enge Zusammenhang von Privat- und Arbeitsleben im „ganzen Haus“ wurde dadurch im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts immer weiter in einen Erwerbs- und einen Familienbereich ausdifferenziert. Der Mann arbeitete zunehmend außer Haus und erhielt dafür Lohn oder Gehalt, während die Frau am Erwerb nicht mehr unmittelbar beteiligt war, sondern nun für das Funktionieren des Haushalts, für die Aufsicht über das Gesinde, für die Erziehung der Kinder und die emotionale Geborgenheit aller Familienmitglieder zuständig war. Der öffentliche Bereich wurde zugleich immer mehr aufgewertet, der häusliche abgewertet. Diese Entwicklung führte dazu, dass die in der einen oder anderen Form seit jeher existierende Geschlechtsvormundschaft immer restriktiver ausgelegt wurde. Die klare Unterordnung der Ehefrau in Zedlers Universal Lexicon 1735 aus dem Artikel „Frau“ in: Grosses Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste von Johann Heinrich Zedler, Band 9, Halle und Leipzig 1735, Sp. 1767.
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Frau, oder Weib ist eine verehelichte Person, so ihres Mannes Willen und Befehl unterworfen, die Haushaltung führet, und in selbiger ihrem Gesinde vorgesetzt ist. Sie mag auch noch so geringen Standes und Herkommens seyn, so tritt sie doch zugleich mit in die Würde ihres Mannes, geniesset gleiche Jura mit ihm, und kan vor keinen andern Ort belanget werden, als wo ihr Mann hingehöret.
Mit Geschlechtsvormundschaft ist die rechtliche Unselbstständigkeit der Frau gemeint, die in der Regel dem Vater, dem Ehemann oder einer anderen männlichen Person unterstand und beispielsweise nicht alleine vor Gericht erscheinen konnte, sondern dort einen selbstgewählten oder auch aufgezwungenen Vormund präsentieren musste. Diese Geschlechtsvormundschaft existierte in verschiedenen Abstufungen in den deutschsprachigen Gebieten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, in der Sonderform der ehelichen Vormundschaft existierte sie in Deutschland bis in das 20. Jahrhundert. So wurde noch 1957 in der Bundesrepublik in einem Reformgesetz der Ehefrau nur dann die Erwerbstätigkeit gestattet, wenn „dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist“. Der Zerfall des „ganzen Hauses“ und damit die Infragestellung der Gleichwertigkeit der Ehepaare waren insbesondere im Bürgertum des 18. Jahrhunderts zu beobachten. Hier hing der Lebensunterhalt bald mehr als in anderen Gesellschaftsschichten von der persönlichen Qualifikation und beruflichen Leistung des Mannes ab. Der Mann konnte im Idealfall selbstständig eine Familie ernähren, die Arbeitskraft der Frau spielte in dieser Form der Ehe keine so große Rolle mehr und andere Persönlichkeitsmerkmale von Frauen gewannen nun an Bedeutung. „Was die Frau im Haushalt und Familie an wirtschaftlicher Bedeutung verlor, gewann sie an emotionaler Bedeutung für den Mann“ (Barbara Stollberg-Rilinger). Die Liebe trat nun als ausschlaggebende Basis einer guten Ehe auf den Plan. Während Liebe bis dahin als wünschenswertes Element einer Ehe galt, die sich im günstigen Fall im Laufe einer Ehe entwickeln konnte, so wurde die Liebe nun zur Voraussetzung für eine glückliche Ehe erklärt. Das Bürgertum übernahm damit eine Vorreiterrolle für die Transformation des „ganzen Hauses“ in die moderne Kleinfamilie, die in den unteren Schichten bald Nachahmung finden sollte.
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Zum Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft
I. Querelle des Femmes
Der zweite Prozess, der die Geschlechterordnung entscheidend verändern sollte, war die Infragestellung der ständischen Ordnung, die das 18. und 19. Jahrhundert ebenso kennzeichnete wie die Ausdifferenzierung des Familien- und Erwerbslebens. Die ständische Ordnung, in der jeder Mensch seinen ihm durch Geburt zugewiesenen Platz einzunehmen hatte („Schuster bleib bei deinen Leisten“), wurde von aufgeklärten Geistern zunehmend in Frage gestellt. Die Gleichheit der Menschen, Denk- und Schreibfreiheit wurden gefordert. In diese Debatte floss auch die so genannte Querelle des Femmes ein. Mit „Querelle des Femmes“ ist der in der Literatur vom 15. bis zum 18. Jahrhundert dokumentierte Streit über das Wesen und den Wert der Frauen gemeint, der schon lange vor der Französischen Revolution entbrannt war. Im weiteren Sinne ist diese „Querelle des Femmes“ als Menschenrechtsdebatte anzusehen. Bald sollte sich zeigen, dass die Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nur auf den männlichen Teil der Bevölkerung zielten. Frauen blieben davon ausgenommen, zunehmend wurde nun ihr „natürlicher Geschlechtscharakter“ diskutiert und zementiert. Der „Individualisierungsschub des 18. Jahrhunderts … klammerte Frauen ausdrücklich aus“ (Martina Kessel). Während sich Männer immer mehr mit ihrem Beruf identifizierten, wurden für Frauen die Mutterpflichten zur heiligen Pflicht erklärt und Frauen zunehmend für das emotionale Gleichgewicht ihrer Familien verantwortlich gemacht.
4. Ehe als Lebensziel Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass Heirat für beide Geschlechter ein erstrebenswertes Ziel war, da sie die Lage des männlichen wie des weiblichen Individuums zu verbessern versprach. Im hier behandelten Zeitraum, dem „Jahrhundert der Frauen“, sollte die Ehe weiterhin als Dreh- und Angelpunkt einer gelungenen Lebensführung gelten. Im Normalfall hatte der Mann verheiratet zu sein. Starb seine Frau oder wurde die Ehe geschieden, so trachtete er in der Regel danach, binnen kurzer Zeit wieder zu heiraten. Fühlte er sich für eine weitere Ehe zu alt, übergab er den Hof oder die Werkstatt seinen Erben und zog sich auf das Altenteil zurück. Für die Übergabe des Hofes war in der Regel wiederum die Heirat des Erben Bedingung. Ähnliches galt für die verwitwete Bauers-, Handwerker- oder Handelsfrau. Auch sie stand unter dem Druck, sich wieder zu verehelichen oder den Hof, die Werkstatt oder das Geschäft zu übergeben. Zwar gab es auch Frauen, die als Witwen oder geschiedene Frauen ihre Geschäfte selbstständig betrieben, doch einfacher war es wohl für sie zu heiraten, um der Hausgemeinschaft wieder das gewohnte Ehepaar voranzustellen. Wenn Männer aus gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen auch allen Grund zur Heirat hatten, so gab es doch hier einen entscheidenden Unterschied zwischen den Geschlechtern: bei Männern rüttelte der Ledigen-Status oder Witwenstand weniger an den Festen ihres Selbstverständnisses. Frauen, die auf die Rolle als Ehefrau und Mutter festgelegt waren und deren ganze Sozialisation auf die „erfolgreiche Heirat“ hinauslief, hatten ihr
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Ehe als Lebensziel Lebensziel verpasst, wenn sie ledig (und kinderlos) blieben. Für Männer mag die Ehelosigkeit und/oder das Fehlen von Erben auch schmerzhaft gewesen sein, ihnen bot sich in einem solchen Fall jedoch durch berufliche Optionen ein anerkanntes Lebensmodell, das sie weniger abhängig von privaten Konstellationen machte. Erfolg im Beruf verhalf auch unverheirateten Männern zu dem Nimbus eines gelungenen Lebens, ohne dass sie in einen prinzipiellen Rollenkonflikt gerieten oder in große Identitätskrisen geraten mussten. Frauen dagegen, die ein selbstbestimmtes Leben einer Ehe vorzogen, stießen mit ihrem Wunsch auf einen alternativen weiblichen Lebensentwurf noch bis weit in das 20. Jahrhundert auf wenig Verständnis und mussten sich damit auseinandersetzen, dass ihre Weiblichkeit massiv in Frage gestellt wurde. Wenn auch ehelose Männer ebenso wie unverheiratete Frauen im 19. Jahrhundert kein normgerechtes Leben führten, so waren ledige Frauen doch viel größeren Diskriminierungen ausgesetzt als unverheiratete Männer. Viele Frauen willigten deshalb wohl lieber in eine Ehe mit einem wenig passend scheinenden Mann ein, als dass sie offenen Auges das Schicksal einer „alten Jungfer“ auf sich genommen hätten. Ganz anders Fanny Lewald1 die sich gegen den ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters bewusst gegen die Ehe und für ein Leben als Schriftstellerin entscheiden sollte. Die Heiratsverweigerung der Schriftstellerin Fanny Lewald Fanny Lewald: Meine Lebensgeschichte, 3 Bde., Berlin 1861 – 1862, hier Bd. 2, S. 183 – 185.
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Alternative Lebensentwürfe
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Eines Vormittags … sah ich … den Vater mit zwei andern mir unbekannten Männern bei einem Glase Wein am Fenster sitzen. … Darin lag an und für sich nichts Auffallendes, denn es kam öfter vor, daß der Vater einen seiner Geschäftsfreunde, wenn er längere Auseinandersetzungen mit ihm hatte, in die Wohnung hinauf nötigte … Der Ältere war ein Kaufmann aus einer Provinzialstadt, der andere, ein Mann in der Mitte der dreißiger Jahre, ein zum Landrat erwählter Assessor, der in einer der unwirtbarsten Gegenden der Ostprovinzen seinen Wohnsitz hatte. … an einem Nachmittage kam das Stubenmädchen mit der Meldung zu mir, der Herr lasse mich bitten … zu kommen. Jetzt wußte ich, was mir bevorstand, und mit klopfendem Herzen, aber mit fester Überzeugung von dem, was ich zu tun hätte, stieg ich die drei Treppen hinauf. Ich fand meinen Vater allein und sehr bewegt. Er sagte, ich würde mir denken können, weshalb er mich rufen lasse. Der Assessor habe ihn um meine Hand gebeten, und er wünsche und hoffe, daß ich mich bereit finden lassen würde, sie anzunehmen. … ich erklärte unumwunden, daß es mir leid tue, meinem Vater seinen Wunsch und seine Hoffnung nicht erfüllen zu können. Er schwieg einen Augenblick und bemerkte danach: ,Überlege dir die Verhältnisse, mein Kind! Du bist nicht mehr jung, du bist fünfundzwanzig Jahre. Ich befinde mich leider nicht in der Lage, dir ein Vermögen zur Mitgift zu geben, man weiß, 1 Zu den Personen, deren Namen im Text fett gesetzt sind, finden sich im Anhang biographische Skizzen (S. 125 – S. 142).
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Zum Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft
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daß ich kein reicher Mann bin, und ich habe fünf Töchter außer dir. Zwei davon sind bereits erwachsen, die andern werden es in wenig Jahren sein, und sechs erwachsene Töchter können sich in einem Hause nebeneinander nicht wohl befinden. Der Assessor wählt dich um deiner selbst willen, das wird vielen reichen Mädchen nicht zuteil, und du hast als Frau eines Landrates, der sicher eine gute Karriere machen wird, eine ehrenvolle Stellung und ein gesichertes Auskommen; ganz abgesehen davon, daß eine Frau selbst in einer nicht ganz glücklichen Ehe noch immer besser daran ist als ein altes Mädchen.‘ … Ich erklärte meinem Vater …, daß nichts mich bestimmen könne, eine Heirat ohne Neigung einzugehen, und sagte, wenn er mich zu einer solchen zu überreden gewünscht, wenn er die Absicht gehabt hätte, aus mir nichts zu machen als eine der Frauen, die sich für ein gutes Auskommen einem Manne verkaufen, so hätte er mir die Erziehung nicht geben dürfen, die ich von ihm erhalten, so hätte er mich nicht selbständig werden lassen müssen. Mir sei eine Dirne, die sich für Geld verkaufe, wenn sie nichts gelernt habe und ihre Familie arm sei, nicht halb so verächtlich als ein Mädchen, das genug gelernt habe, um sich zu ernähren, und sich für Haus und Hof verkaufe.
Fanny Lewald hatte sich damit aus einer Vorstellungswelt gelöst, die im 19. Jahrhundert als unumstößliche Norm galt: Das weibliche und das männliche Geschlecht ergänzten einander und damit seien Mann und Frau füreinander unentbehrlich. Gemäß der sich von ca. 1750 bis ca. 1850 entwickelnden bürgerlichen Vorstellung vom Verhältnis der Geschlechter zueinander, war es „einem einzelnen Menschen unmöglich, sich zur harmonischen Persönlichkeit zu entwickeln“ (Karin Hausen). Im bürgerlichen Komplementärmodell benötigt jeder Mensch die sprichwörtliche bessere Hälfte. Der Mann, der für die Welt draußen, und die Frau, die für das häusliche Leben qualifiziert wurde, benötigten einander. Die Vorstellung, dass die Gesellschaft auf einer solchen imaginierten Geschlechterpolarität basierte, wurde zur allgemein anerkannten Grundlage bürgerlichen Selbstverständnisses. Die Bildungspolitik, die unterschiedliche Bildungsinhalte für Mädchen und Jungen vermittelte, zementiert diese Vorstellung von der Polarität der Geschlechter. Im 19. Jahrhundert war die Geschlechterpolarität so weit akzeptiert, dass selbst die Frauenbewegung sie in der Regel nicht in Frage stellte, sondern lediglich darauf drängte, dass das weibliche Geschlecht zwar grundsätzlich anders, aber gleichwertig sei. Die Frauenbewegung stellte damit die Hierarchisierung des Geschlechtermodells in Frage und wollte die Gleichwertigkeit der Frauen in der Gesellschaft akzeptiert sehen. Wieweit die in normativen Quellen nachzulesenden Vorstellungen von der Geschlechterpolarität auch die soziale Realität widerspiegelten, bleibt weiterhin eine offene Frage. Die historische Geschlechter- und Frauenforschung hat inzwischen aufgezeigt, dass man von gesellschaftlichen Vorstellungen nicht einfach auf soziale Realität schließen kann und trotz des hohen Drucks und einer eindeutigen Erwartungshaltung seitens der Gesellschaft die so eindeutigen Rollenzuweisungen im Leben doch immer wieder von beiden Geschlechtern variiert werden konnten.
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II. Frauenemanzipation bis zur Revolution von 1848/49 1791
1792 1793 1813 – 1815 1845 – 1851 1848 1848/1849
1850
veröffentlicht Olympe de Gouges in Paris die Erklärung der Rechte der Frau und der Bürgerin (La Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne) erscheint in Berlin die Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber von Theodor Gottfried von Hippel Hinrichtung Olympe de Gouges’ Gründung von mindestens 700 patriotischen Frauenvereinen in Deutschland Gründung von zahlreichen freisinnigen Frauenvereinen in Deutschland Frauen beteiligen sich an der Revolution Louise Aston gibt Der Freischärler (Berlin), Louise Dittmar Die soziale Reform (Leipzig), Mathilde Franziska Anneke die Frauen-Zeitung in Köln und Louise Otto die Frauen-Zeitung in Meißen heraus Gründung der Hochschule für das weibliche Geschlecht in Hamburg
1. Aufbruch und Stagnation – Das Zeitalter der Revolutionen 1789–1848/49 Die Jahre zwischen der Französischen Revolution von 1789 und der europäischen Revolution 1848/49 waren durch das Wechselspiel von Aufbruch, Stagnation und Restauration geprägt. In Frankreich griff Olympe de Gouges in die Debatte um die Menschenrechte ein. Schreiben galt ihr als politisches Handeln, für die Publizität ihrer Texte investierte sie viel und riskierte manchen Skandal. Zwei Jahre nach der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte formulierte sie die Erklärung der Rechte der Frau und der Bürgerin, wenige Tage bevor Ludwig XVI. (Reg. 1774 – 1792) am 13. September 1791 die Verfassung sanktionierte, deren Definition des aktiven Bürgers Frauen unmissverständlich ausschloss. Olympe de Gouges hatte begriffen, dass im Vokabular der Revolutionäre und in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 „homme“ nicht etwa Mensch, sondern Mann bedeutete. De Gouges’ Erklärung folgte genau den 17 Artikeln der Menschenrechtserklärung: „Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich an Rechten“, lautete der erste Artikel. Da Rechte immer Pflichten mit einschlossen und die Frauen im Strafrecht den Männern ohnehin gleichgestellt waren, formulierte de Gouges im 10. Artikel: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen; sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Rednertribüne zu besteigen.“ Mit dem ersten Teil des Satzes sollte sie fortan am häufigsten zitiert werden. Obwohl die Erklärung der Rechte der Frau ungeachtet aller Bemühungen der Autorin kaum bekannt wurde, sollte Olympe
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Frauenemanzipation bis zur Revolution von 1848/49
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de Gouges wegen dieses Textes und ihres gewaltsamen Todes zum Symbol der Frauen in der Französischen Revolution werden. Theodor Gottlieb von Hippel (1741 – 1796) forderte in seiner Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber (Berlin 1792) bereits Ende des 18. Jahrhunderts in Preußen die Emanzipation der Frauen. Als während der antinapoleonischen Kriege in den deutschen Gebieten die Forderung nach einem einheitlichen deutschen Nationalstaat laut wurde, beteiligten sich daran auch Frauen aller Stände, die für die Krieger Fahnen stickten und Socken strickten, Soldaten pflegten, Charpie zupften und wie ihre Väter, Männer und Söhne von einem einigen Vaterland träumten. Dabei beließen es diese Frauen jedoch nicht: Sie gründeten in den Städten und auf dem Land Vereine zur Unterstützung der Landwehr, verarmter Soldaten, Witwen und Kinder, zur Pflege von verwundeten und kranken Soldaten, zur Sammlung von Material für das Militär und die Lazarette. Sie nannten sich Gesellschaft patriotischer Frauen (1813 in Weimar), Frauenverein zum Wohle des Vaterlandes (1813 in Berlin) oder oft auch einfach schlicht „Mädchenverein“ oder „Frauenverein“. Nach dem Wiener Kongress und mit der einsetzenden Restauration wurde es zunächst still um diese Frauenorganisationen. Doch wie Dirk Reder zeigen konnte, hatten diese Frauenvereine nicht nur in den antinapoleonischen Kriegen ihrem Willen zur Partizipation am gesellschaftlichen Leben und ihrem Anspruch auf selbstständiges Handeln Ausdruck verliehen, sondern setzten zum Teil ihre Tätigkeit nach 1815 fort. Viele der Vereine sicherten sich ihre neu gewonnenen Handlungsspielräume und Einflussmöglichkeiten durch die Änderung des Vereinszwecks, ihre Umorientierung auf die Armenpflege und durch Konzentration auf die Arbeit in der katholischen und in der protestantischen Kirche sowie in den zahlreich entstehenden freien Gemeinden. Oberstes Gebot war dabei der unpolitische Anstrich der Frauenvereine, um deren Existenz nicht zu gefährden. Erst als 1830 die erfolgreiche Julirevolution in Frankreich auch nach Deutschland ausstrahlte, wurden nicht nur die liberalen und demokratischen Bestrebungen wieder gestärkt, sondern auch konkrete Forderungen nach einer verbesserten Mädchenbildung und mehr Erwerbsmöglichkeiten für Frauen laut. Im Umfeld des Deutschkatholizismus wurden damals freireligiöse Frauenvereine auf regionaler und in ersten Ansätzen auch auf überregionaler Ebene gegründet, die religiöse Reformbewegung mit der Frauenemanzipation verbinden wollten.
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Deutschkatholizismus und freie Gemeinden Nach 1845 traten auf dem Gebiet des Deutschen Bundes ca. 100 000 bis 150 000 Gläubige („Deutschkatholiken“) aus der katholischen Kirche beziehungsweise den protestantischen Kirchen („Freireligiöse“) aus. In den Jahren vor der Revolution verknüpfte sich bei diesen Dissidenten die Kirchenkritik eng mit der Kritik an den herrschenden politischen und sozialen Zuständen. Die Deutschkatholiken wandten sich gegen den römischen Zentralismus und versuchten wie die aus Opposition zu den protestantischen Kirchen entstandenen freien Gemeinden religiöse Reform mit Demokratisierung und Frauenemanzipation zu verbinden. In den freireligiösen Gemeinden besaßen Frauen aktives und passives Wahlrecht.
Die Stellung der Frau in der Gesellschaft wurde zu einem vieldiskutierten Thema in der Presse. Hatte zunächst ein preußischer Jurist die Forderung
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Aufbruch und Stagnation
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nach der Emanzipation der Frauen gestellt, schlug nun die Stunde der „Frauen der Feder“. Im Vormärz thematisierten erstmals mehrere Autorinnen die untergeordnete Stellung der Frau in der Gesellschaft. Verantwortlich machten sie für diese Ungleichheit in erster Linie die vernachlässigte Mädchenbildung. „Schickt die Mädchen auf die Universitäten und die Knaben in die Nähschule und Küche: nach drei Generationen werdet ihr wissen, … was es heißt, die Unterdrückten zu sein“, hatte Ida Hahn-Hahn (1805 – 1880) bereits in ihrem Roman Der Rechte 1839 provokativ gefordert. Vereine, die sich für eine bessere Mädchenbildung einsetzten, wurden nun ebenso gegründet wie Kindergärten, die eine liberal-demokratische Erziehung der Kinder und damit eine neue Gesellschaft anstrebten. Innerhalb der religiösen und politischen Oppositionsbewegung, in Bildungsvereinen, in der Kindergartenbewegung und in Wohlfahrtsorganisationen engagierten sich Frauen separat oder zusammen mit Männern für eine verbesserte Stellung von Frauen in der Gesellschaft. Kindergartenbewegung Friedrich Fröbel (1782 – 1852), Pädagoge und Schulbesitzer, sah in der Mutter die erste und beste Lehrerin der Kinder und zielte bei der Förderung der Kinder auf deren individuelle Entwicklung. Seine nicht autoritären, „mütterlichen“ Erziehungsmethoden standen in scharfem Gegensatz zu den üblichen „Bewahranstalten“ für Kinder. Die von ihm eingesetzten Lieder und Bilder sowie das von ihm entworfene Spielmaterial stießen bei Lehrern auf wenig Resonanz, deshalb wandte sich Fröbel an die Frauen. 1848 wurden die Fröbelschen Methoden insbesondere von den religiösen Dissidenten begeistert aufgegriffen. Als der Weg für Reformen 1848 frei schien, gründeten viele freireligiöse Frauenvereine Kindergärten, die ökumenisch ausgerichtet waren und die Klassengegensätze überwinden helfen sollten.
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Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich die sozialen Probleme auch in den oberen Gesellschaftsschichten spürbar verschärft. Durch eine Hungerkrise waren nicht nur ärmere Bevölkerungsteile in eine prekäre wirtschaftliche Situation geraten, sondern auch das Bürgertum, insbesondere die unverheirateten Frauen, denen in immer größerer Zahl eine angemessene Mitgift fehlte und daher das wenig attraktive Schicksal einer „alten Jungfer“ drohte. Fiel die übliche Versorgung durch eine standesgemäße Ehe für junge Frauen aus, hatten sie, von einer guten Schul- und Berufsausbildung ausgeschlossen, nicht nur das Problem, dass Frauenerwerbsarbeit für bürgerliche Frauen als unschicklich galt, sondern es mangelte ihnen auf Grund fehlender Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt auch an Chancen. Ida von Hahn-Hahn, Louise Otto-Peters, Luise Dittmar (1807 – 1884), Mathilde Franziska Anneke, Louise Aston (1814 – 1871) und andere polemisierten beharrlich, bezeichnenderweise anfangs oft unter Pseudonym, gegen diese Rollenzuweisung für Frauen in der Gesellschaft und forderten eine bessere Mädchenbildung und mehr Berufsmöglichkeiten für unverheiratete Frauen.
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Frauenemanzipation bis zur Revolution von 1848/49
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2. Die Revolution von 1848/49 In der neueren Forschung zur Revolution von 1848/49 ist deutlich geworden, dass es sich dabei keineswegs nur um den Kampf des Bürgertums für Einheit und Freiheit im Sinne der Verfassungsgebenden Versammlung der Frankfurter Paulskirche handelte, sondern um verschiedene Revolutionen in verschiedenen Städten und Gemeinden sowie in einzelnen Staaten des Deutschen Bundes. Neben dem Bürgertum waren auch unterbürgerliche und bäuerliche Schichten an den Aufständen beteiligt, mit unterschiedlichen Hoffnungen und Zielsetzungen. Die Abgeordneten der Paulskirche hatten dabei zwar Visionen für ein einiges, demokratisches Deutschland entwickelt, jedoch wenige Vorstellungen darüber, wie weit eine Demokratisierung reichen sollte. Letztlich herrschte auch bei den Liberalen ein großes Misstrauen gegenüber der breiten Masse, die man für zu ungebildet erachtete, um mit dem Wahlrecht verantwortungsbewusst umgehen zu können. Die „Frauenfrage“ hatte die Versammlung in der Paulskirche aus ihren Beratungen gänzlich ausgeblendet, obwohl Frauen die Revolution mit getragen und auf den Emporen der Paulskirche als Zuhörerinnen sichtbar ihr Interesse an den Beratungen kundgetan hatten. Wie unvorstellbar eine politische Beteiligung von Frauen damals den meisten Zeitgenossen erschien, macht eine Reaktion des Berliner demokratischen Publizisten Robert Springer (1816 – 1885) deutlich, die als typisch gelten kann: „Ihr Weiber wollt an Urwahlen teilhaben? Wohl, aber versichert uns erst, daß ihr nicht denjenigen bevorzugt, der Euch bei den Fensterpromenaden am süßesten zulächelt. … Ich würde sagen, Ihr seid noch nicht reif, wenn ich Euch überhaupt für fähig hielte, reif zu werden. Ich würde sagen, ehe Ihr Euch von den Männern emanzipieren wollt, möchtet Ihr Euch zuerst von Euren Schwächen und Gebrechlichkeiten frei machen, wenn diese nicht gerade Eure Wesenheit bildeten. Ihr Weiber seid Kinder, liebenswürdige göttliche Kinder, Ihr greift nach allem, was glänzt. Ihr liebt den Genuß und das Vergnügen, Ihr liebt das Spiel und den Tanz. Ihr liebt mehr als Ihr denkt, und schwärmt mehr als Ihr urteilt.“ Damit drückte Springer im November 1848 in der radikaldemokratischen Zeitschrift Locomotive aus, was anerkannter Konsens unter Politikern aller Lager war: Frauen hatten in der Öffentlichkeit nichts zu suchen und sollten sich auf ihren Wirkungskreis im privaten Heim beschränken.
3. Frauen im Vormärz und in der Revolution In nahezu allen Darstellungen zu den Anfängen der deutschen Frauenbewegung wird eine der mutigen Frauen dieser Zeit genannt, die nicht nur publizistisch Rechte für Frauen einforderte, sondern sich auch durch ihr Engagement für die Arbeiterinnen und die Gründung einer Frauenzeitung hervor tat: Louise Otto(-Peters). 1819 in Sachsen als Tochter eines Gerichtsdirektors geboren, begann sie in den 1830er Jahren schriftstellerisch tätig zu wer-
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Frauen im Vormärz und in der Revolution den. Als 1843 Robert Blum (1807 – 1848) in den Sächsischen Vaterlandsblättern die Frage nach der politischen Stellung der Frau aufwarf, antwortete Louise Otto im gleichen Blatt: „Die Teilnahme der Frau an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht.“ Mit dieser Argumentationslinie lieferte sie die Vorgabe für die Programme der Frauenbewegung bis in das 20. Jahrhundert. Während der Revolution 1848/49 erhob Louise Otto die Forderung nach einer Organisation der Frauenarbeit, um Frauen in die Lage zu versetzen, selbständig für ihren Unterhalt zu sorgen. Nach der gescheiterten Revolution kämpfte sie weiter für ihre Ziele und gab eine Frauen-Zeitung unter dem Motto „Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen!“ heraus. Sie redete darin der Politisierung der Frauen das Wort, forderte eine selbständigere Stellung der Frauen in der Gesellschaft, verbesserte Bildungschancen und Arbeitsmöglichkeiten für Frauen. Frauen sollten sich aktiv am Staatsleben beteiligen, ihr „vaterländischer Sinn“ sollte geweckt und ihre politische Urteilskraft gefördert werden. Standesunterschiede, die unter anderem in der damals gängigen unterschiedlichen Anrede für bürgerliche Frauen („Madame“) und unterbürgerliche Frauen („Frau“) deutlich wurden, sollten ihrer Meinung nach zu Gunsten der deutschen Anrede Frau aufgegeben werden. Ihre idealistische Einstellung kam nicht zuletzt in der Vorstellung zum Tragen, dass die Abschaffung der Fürstenherrschaft auch ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen mit sich bringen würde, da freie Völker nie einander bekämpfen würden. Louise Otto konnte nur kurze Zeit frei publizieren und politisch agieren. Bald folgten Hausdurchsuchungen und Verhöre. 1850 wurde ihre Frauen-Zeitung auf Grund des sächsischen Pressegesetzes verboten und die von ihr mitbegründeten Dienstboten- und Arbeiterinnenvereine auf Grund des preußischen Vereinsgesetzes von 1850 aufgelöst. Louise Otto wich zunächst mit der Redaktion nach Gera aus. Dort wurde ihre Zeitung jedoch endgültig durch ein ähnliches preußisches Gesetz von 1852 verboten. Ebenso konnten unter den harten Zensurmaßnahmen auch die von Louise Aston herausgegebene Zeitung Der Freischärler (Berlin), Die soziale Reform (Leipzig) von Louise Dittmar und die Frauenzeitung (Köln) von Mathilde Franziska Anneke nur für kurze Zeit erscheinen. Das im März 1850 in Preußen erlassene Vereinsgesetz verbot „Frauenspersonen, Schülern und Lehrlingen“ die Mitwirkung in politischen Vereinen und ihre Teilnahme an politischen Versammlungen. Dieses Gesetz, das später die meisten deutschen Länder übernahmen, galt bis 1908 fast überall in Deutschland und erschwerte lange Zeit die politische Betätigung von Frauen. Trotz der harten Reaktionen auf den Aufbruch der Frauen sollten aber gerade die 1848 aktiven Frauen, allen voran Louise Otto-Peters, in den 1860er Jahren der deutschen Frauenbewegung auf überregionaler Ebene zum Durchbruch verhelfen. Louise Otto-Peters gründete 1865 mit anderen Frauen den Leipziger Frauenbildungsverein und veranstaltete noch im selben Jahr die erste deutsche Frauenkonferenz in Leipzig. Aus diesen Aktivitäten erfolgte schließlich im Oktober 1865 die Gründung des Allgemeinen deutschen Frauenvereins (ADF), den Otto-Peters während der folgenden drei Jahrzehnte leiten sollte. Die Forschung zur Revolution von 1848/49 ist durch die 150 Jahrfeier 1998 nochmals um zahlreiche Aspekte und Fragestellungen erweitert wor-
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Preußisches Vereinsgesetz von 1850
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Frauenemanzipation bis zur Revolution von 1848/49
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Politik und Alltag
Vorläuferorganisationen
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den. Die Frauen- und Geschlechtergeschichte untersuchte den Beitrag der Frauen zu der Revolution. Bereits1986 hatte Carola Lipp den Blick von der Paulskirche und den weiblichen Ausnahmeerscheinungen wie Louise Otto auf „Durchschnittsfrauen“ in Württemberg gelenkt. Unter kulturgeschichtlichen Fragestellungen wurde Ende des 20. Jahrhunderts in Mikrostudien der Zusammenhang von Politik und Alltag untersucht. Von der Staatsebene beziehungsweise den Diskussionen in der Paulskirche richteten die Autorinnen das Augenmerk auf die Straßen und Plätze sowie in die Familien, um die Beteiligung an der Revolution unter geschlechtergeschichtlicher Perspektive zu untersuchen. Diese Forschungen konnten zeigen, dass der Vormärz und die Revolution von 1848/49 auch Aufbruchsjahre für die Frauen waren, die sich nicht auf die Unterstützung ihrer politisch aktiven Männer, Väter und Söhne im Hintergrund beschränkten. Manche dieser Frauen, wie etwa Emma Herwegh (1817 – 1904), Mathilde Franziska Anneke und Amalie Struve (1824 – 1862), beteiligten sich aktiv an den Freiheitszügen, andere wählten die Feder als Waffe, wieder andere schlossen sich den Barrikadenkämpfen an oder wurden in Frauenorganisationen aktiv. Die Frauenvereinstätigkeiten kann man in die Kontinuität der politischen Aktivitäten der Frauen seit den antinapoleonischen Kriegen einreihen. Zusammenschlüsse wie etwa der Vaterländische Frauenverein in Preußen, deren Mitglieder sich aus bürgerlichen und adeligen Schichten rekrutierten, wurden in der älteren Forschung zunächst unter das Verdikt gestellt, auf Grund der teils dominierenden männlichen Vorstandsmitglieder keinerlei eigenständiges (Frauen-)Vereinsleben aufzuweisen. Dieses Urteil gilt jedoch nur für einen Teil dieser Vereine und verkennt auch die potentielle Dynamik innerhalb dieser Organisationen, die sich durch partielle Zusammenarbeit und aus häufigen Mehrfachmitgliedschaften von Frauen in Wohltätigkeitsund konfessionellen oder Frauenbildungsvereinen ergab. Die weitgehende Gleichsetzung der Frauenbewegung mit den nach 1865 gegründeten großen überregionalen Frauenvereinen ADF und BDF hatte die Forschung zunächst übersehen lassen, dass bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Frauenbewegung sich aus diesen unpolitisch wirkenden Vereinen entwickelte. Meyers Lexikon listet unter dem Stichwort Frauenvereine noch 1905 detailliert die Frauenvereine vom Roten Kreuz auf und fasst alle übrigen unter „andre Frauenvereine“ zusammen. Helene Lange, bekannte Vertreterin der Frauenbewegung, unterschied 1905 zwei Gruppen von Frauenvereinen: Die eine verfolgte „rein humanitäre Zwecke“, die andere widmete ihre Arbeit „der Förderung der Fraueninteressen“. Typisch für diese Frauenvereine der zweiten Kategorie war eine Vermengung von karitativen, edukativen und religiösen Aufgaben. Welche Forderungen die verschiedenen Frauenvereine in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch immer erhoben: sie alle machten deutlich, dass Frauen an der Nation teilhaben und ihren Teil zu deren Entwicklung beitragen wollten. In der kriegerischen und revolutionären Epoche, die mit der Französischen Revolution von 1789 begann, wurden Bürger zu bewaffneten Verteidigern des Vaterlandes. Ein enger Zusammenhang zwischen Staatsbürgerschaft und Wehrpflicht wurde konstruiert. Nur der zählte zum Vaterland und durfte damit die Errungenschaften der Zeit wie die bürgerlichen Frei-
Frauen im Vormärz und in der Revolution
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heitsrechte genießen, der es mit der Waffe in der Hand verteidigen konnte. Die Militarisierung der Nation schloss die Frauen zunächst aus. Diese gründeten als Antwort auf diesen Ausschluss Frauenvereine, um so ihren nationalen Pflichten nachkommen und an der Nation teilzuhaben zu können. Sie bestickten Fahnen, übergaben diese öffentlich anlässlich der Fahnenweihe, fungierten als „öffentliche Mütter“ und sammelten während der antinapoleonischen Kriege und der Revolution von 1848/49 Gelder, deren Verwaltung damals jedoch meist (noch) Männersache blieb. Durch diese Arbeit im Hintergrund, die von den Frauen geleistet wurde, konnte die Revolution von 1848/49 zunächst als reine Männerangelegenheit in die Geschichte eingehen. So hielt etwa der bekannte badische Revolutionär Friedrich Hecker (1811 – 1881), der in der Paulskirche als radikaler Denker und eloquenter Redner aufgefallen war, seinen als „Heckerzug“ in die Geschichte eingegangenen bewaffneten Marsch gegen die Monarchie im Exil mit folgenden Worten für die Nachwelt fest: Heckerzug zitiert nach Susanne Asche: Frauen ohne Furcht und Nadel? Geschlechterverhältnisse in der Revolution von 1848/49, in: Ariadne (1998), S. 4 – 15, hier S. 4.
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Sonntag … mit Tagesanbruch verabschiedete ich mich von meinem Weibe, welches in Freud und Leid treu und innig bei mir gestanden, bei der ich in ungetrübtem häuslichen Glück so oft Ruhe und Ersatz nach den Kämpfen des öffentlichen Lebens gefunden … und verließ ein glänzendes Loos, getragen und gehoben von der Idee zu kämpfen, zu siegen oder unterzugehen für die Befreiung unseres herrlichen Volkes und mitzuwirken bei seiner Erlösung aus tausendjähriger Knechtschaft.“
Hecker beschreibt den Aufbruch zu seinem gescheiterten Feldzug als große Tat, seiner Frau hingegen wies der Revolutionsheld die Aufgabe zu, für das private Glück ihres Ehemanns zu sorgen. Kein Wunder, dass Clara Zetkin Anfang des 20. Jahrhunderts auf Grund solcher schriftlichen Quellen verächtlich meinte: „Es muß auffallen, daß in dem revolutionären Sturm und Drang von 1848/49 in Deutschland nur wenige einzelne Frauen, noch weniger fordernde Frauenmassen handelnd hervorgetreten sind.“ So diagnostizierte Clara Zetkin, dass wohl mehr „die Liebe zu ihren Gatten die stärkste Triebkraft war“, die einzelne Frauen zur politischen Tätigkeit und in revolutionäre Kämpfe geführt habe. „Darüberhinaus jedoch“, so Zetkin spitz, „war das deutsche Amazonentum von 1848/49 mehr Kostüm als Tat.“ Dieses harte Urteil blendet jedoch aus, dass die Handlungsspielräume für Frauen in dieser Zeit eng begrenzt waren und politische Aktionen von Frauen, die nicht so mutig wie etwa Louise Otto-Peters waren, weitgehend im Verborgenen, als karitative oder edukative Maßnahmen getarnt, stattfinden mussten.
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Frauenemanzipation bis zur Revolution von 1848/49
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4. Die Hamburger Hochschule für das weibliche Geschlecht Wie engagiert und zukunftsorientiert Frauenvereine trotz dieser wenig ermutigenden Lage um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren, zeigt ein Beispiel aus Hamburg, wo damals bereits eine Vielzahl von Frauenorganisationen existierte. Die Kindergartenbewegung und der Deutschkatholizismus hatten in der Stadt viele Anhänger. Den dortigen freisinnigen Frauenvereinen, die religiöse Reformen mit reformpädagogischen und demokratischen Ansätzen verbinden wollten, gelang es 1850, Karl Fröbel (1807 – 1894), den Neffen Friedrich Fröbels, für das Projekt einer Hochschule für das weibliche Geschlecht zu gewinnen. Dieses ambitionierte Unternehmen zielte darauf, jungen Frauen sowohl Kenntnisse in der Kindererziehung als auch eine höhere Bildung zu vermitteln. Fröbel machte deutlich, dass es sich bei der geplanten Institution nicht um ein Pendant zu den bestehenden Universitäten handeln könne, da Frauen seiner Meinung nach immer in der privaten Familie beziehungsweise in den um die Kindergärten vergrößerten Raum des Gesellschaftslebens eingebunden bleiben müssten. Den dort unterrichteten Mädchen sollte im Falle ihrer Nichtverheiratung eine Chance geboten werden, ihre ökonomische Unabhängigkeit zu sichern, indem sie in für Frauen als geeignet angesehenen Berufen im Bereich der Alten- und Krankenpflege sowie für die Kindererziehung ausgebildet wurden. Bei der auf der Hochschule für das weibliche Geschlecht angebotenen Wissensvermittlung handelte es sich vor allem um Einführungen in einzelne Wissensgebiete, die gerne auf ihre Anwendungsmöglichkeiten im Kindergarten und in der Schule zugespitzt wurden. Für die Abhaltung der Vorlesungen in Philosophie, Geschichte, Kunst, Geographie und neueren Sprachen sowie für den Unterricht in Psychologie und Anthropologie konnten zum Teil namhafte Wissenschaftler und engagierte Lehrer gewonnen werden. Gegen ein nach Einkommen gestaffeltes Schulgeld nahmen junge Mädchen, die die höhere Töchterschule absolviert hatten, das allgemeinbildende Lehrangebot in Anspruch und absolvierten Ausbildungen zur Kindergärtnerin oder zur Lehrerin. Da damals noch kein verbindlicher Lehrplan für die höheren Mädchenschulen existierte, kamen die jungen Frauen mit sehr unterschiedlicher Vorbildung an die Hochschule. Wie radikal dieses bildungspolitische Experiment damals erschien, lässt sich daran erkennen, dass 1851 in Preußen die Kindergärten als Hort demokratisch-oppositioneller Ideen verboten wurden. Auch wenn die Hochschule für das weibliche Geschlecht bereits im Frühjahr 1852 an der mangelnden Vorbildung der jungen Frauen und an Finanzierungsproblemen scheiterte, entstanden aus diesem ehrgeizigen Projekt weitere Initiativen für höhere Mädchenschulen, die schließlich den erfolgreichen Grundstein für die höhere Bildung von Frauen in Hamburg legen sollten.
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III. Frauenbewegung als Frauenbildungsbewegung 1887
Forderung nach der Einrichtung von Mädchengymnasien Helene Lange verfasst als Begleitschrift zur Petition die Gelbe Broschüre 1889 Eröffnung der Realkurse in Berlin (1893 Umwandlung in Gymnasialkurse) 1890 Gründung des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins (ADLV) 1896 Die ersten sechs Absolventinnen der Berliner Gymnasialkurse bestehen als Externe das Abitur 1908 Preußische Mädchenschulreform 1899/00 – 1909 Frauen werden in den einzelnen Ländern des Deutschen Reiches zum Universitätsstudium zugelassen Im Kaiserreich hatte sich die Schulpflicht weitgehend durchgesetzt. Jungen wie Mädchen besuchten in den Städten und auf dem Land in der Regel von ihrem sechsten Lebensjahr an für sechs bis acht Jahre eine Elementarschule. Auch wenn gerade die oberen Schichten gerne eine Geschlechtertrennung im niederen Bildungswesen durchgesetzt hätten, wurden aus Kosten- und Raumgründen in vielen Volksschulen Mädchen und Jungen gemeinsam unterrichtet. Nach der Volksschule beziehungsweise dem Besuch einer privaten Schule oder in reichen Familien auch nach dem Privatunterricht zu Hause endete für die meisten Mädchen die Schulbildung mit der Konfirmation beziehungsweise Firmung, in der Regel spätestens mit dem 14. Lebensjahr. Jüdische Mädchen beendeten ihre Schulzeit in der Regel ebenfalls in diesem Alter. Eine weiterführende Bildung war danach für Mädchen nur in den „höheren Töchterschulen“ möglich, die Mädchen aus wohlhabenden Familien vorbehalten blieben. Da es für diese höheren Mädchenschulen weder verbindliche Lehrpläne oder Lehrmittel noch Abschlüsse gab, sind pauschale Aussagen über diesen Schultypus nicht möglich. Erhaltene Unterrichtspläne machen jedoch deutlich, dass dort Religion, Deutsch, französische und englische Konversation, Musizieren, Zeichnen und Handarbeiten im Mittelpunkt standen. Diese eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten für Mädchen wurden vereinzelt schon immer bedauert oder angeprangert, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs nun aber die Zahl derjenigen Männer und Frauen an, die eine Reform der Mädchenbildung forderten. Die Frauenbewegung definierte sich im Kaiserreich überwiegend als eine Frauenbildungsbewegung. Damit setzte sie sich von der „proletarischen“ Frauenbewegung und einem kurz vor der Jahrhundertwende stärker werdenden Flügel innerhalb der eigenen Reihen ab, der mehr Gewicht auf die Erwerbstätigkeit und die politische Gleichberechtigung als auf die Bildungsoffensive für Frauen legte. Die Aktivistinnen der proletarischen Frauenbewegung hatten nicht selten die Ausbildungsstätten der „gemäßigten“ Frauenbewegung durchlaufen und versuchten danach im Rahmen der Arbeiterbewegung Bildungskonzepte für Arbeiterinnen zu entwickeln. Dabei
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Pädagogische Impulse
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setzten sie in der Regel auf Arbeiterinnenbildungsvereine und zielten meist von Anfang an auf die Bewältigung der „Doppelbelastung“ der Frauen in Familie und im Erwerbsleben. Die Rolle, die Arbeiterfrauen in der Familie zugewiesen wurde, orientierte sich unübersehbar an dem bürgerlichen Familienmodell. 1904 forderte Clara Zetkin die „Einheitlichkeit und Unentgeltlichkeit des Schulwesens vom Kindergarten bis zur Hochschule ohne Unterschied der Klasse und des Geschlechts“. Mit dieser Forderung formulierte sie den von der SPD bald übernommenen bildungspolitischen Grundsatz, dass durch ein vom Staat zu verantwortendes umfassendes Bildungsangebot Chancengleichheit für alle gesellschaftlichen Gruppen herzustellen sei. Angeregt durch die pädagogischen Vorstellungen von Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827) und Friedrich Fröbel traten die seit den 1860er Jahren entstehenden Frauenvereine in erster Linie für eine verbesserte Mädchenbildung und die Erschließung von Erwerbsmöglichkeiten für Frauen ein. Dieses allgemein zu beobachtende Phänomen spiegelt sich schon in dem oft gewählten Vereinsnamen „Frauenbildungsverein“ wider, den sich viele Lokalvereine des 1865 in Leipzig gegründeten Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) gaben. Der überregional agierende ADF hatte in seinen Statuten festgelegt: „Der Allgemeine Deutsche Frauenverein hat die Aufgabe, für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken“. Die Forderungen nach einer verbesserten Mädchenbildung zielten in erster Linie auf die höhere Mädchenbildung. Denn die „höheren Töchterschulen“ versprachen, den Weg zu einer akzeptablen Berufsausbildung für Frauen zu ebnen. Nach Beendigung der höheren Mädchenschule war der Besuch eines oftmals den Schulen angeschlossenen Lehrerinnenseminars möglich. Nach zwei- oder dreijährigem Seminarbesuch konnten die erfolgreichen Absolventinnen Volksschullehrerin oder Lehrerin für die unteren Klassen der höheren Mädchenschulen werden. Die Forderung nach politischer Gleichberechtigung wurde zwar immer wieder gestellt, doch blieb dies für die deutsche Frauenbewegung zunächst ein Fernziel. Ihren Mitgliedern ging es um eine evolutionäre, nicht um eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft. Die Erfolge auf dem Gebiet der Frauen- und Mädchenbildung, die zum größten Teil eben dieser „gemäßigten“ Frauenbewegung zu verdanken waren, wurden bereits von den jungen Frauen in der Weimarer Republik als Selbstverständlichkeiten in Anspruch genommen. Dass der Zugang zu höherer Bildung hart erkämpft worden und keineswegs gesichert war, geriet wenige Jahre nach der Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium in Vergessenheit. Nach 1945 schien die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung der Geschlechter jegliches Nachdenken über die Bedingungen und Voraussetzungen für Mädchenund Frauenbildung überflüssig zu machen. In der Pädagogik setzte sich die Koedukation als bevorzugtes Modell durch, und die Bemühungen der bürgerlichen Frauenbewegung um ein separates Mädchenschulwesen wurden pauschal als überholt, ja als reaktionär abqualifiziert und ein direkter Weg von den Positionen des BDF und der ihm angeschlossenen Vereine zu der NS-Frauenschaft konstruiert.
Mädchenbildung im 19. Jahrhundert
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Um beurteilen zu können, was die Frauenbewegung bis zum Ersten Weltkrieg erreicht hat, ist ein Blick auf die Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten der Frauen im 19. Jahrhundert notwendig. Anschließend werden die wichtigsten Stationen des Kampfes um eine bessere Mädchenbildung aufgezeigt, die der 1890 gegründete Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV) und dessen Vorsitzende, Helene Lange, von 1887 bis 1908 geführt haben. Dabei soll nicht nur von beeindruckenden Erfolgen die Rede sein, sondern auch auf die Strukturprobleme der Mädchenbildung in Deutschland eingegangen werden, die in den damaligen Reformen ihren Ursprung haben und die die Bildung und die Berufswahl von Mädchen bis heute entscheidend beeinflussen.
1. Mädchenbildung im 19. Jahrhundert Helene Lange hat in der ihr eigenen Ironie über die von ihr besuchte höhere Mädchenschule in ihren Lebenserinnerungen geurteilt: „Man lernte nicht übermäßig; der Verstand wurde so weit geschont, daß man ihn nachher noch hatte.“ Die Chance, ihren Verstand beim Besuch höherer Schulen zu schonen, hatten in der Regel jedoch nur die Töchter des Mittel- und höheren Standes. Nach der Volksschule war für die Mädchen der unteren Schichten normalerweise das Ende der Schullaufbahn erreicht. Sie durften dann, ohne allzu großes Aufsehen zu erregen, einer außerhäuslichen, schlecht bezahlten und kräftezehrenden Erwerbstätigkeit nachgehen. Anders die „höheren“ Töchter: sie wurden entweder weiter zu Hause unterrichtet oder besuchten bis zu ihrem 14., 15. oder 16. Lebensjahr eine private, seltener eine öffentliche höhere Mädchenschule. Wie wenig sich der Staat um die höhere Bildung der Mädchen kümmerte, wird daraus deutlich, dass zwei bis drei Mal so viele private wie öffentliche höhere Mädchenschulen Ende des 19. Jahrhunderts im Deutschen Reich existierten. 1901 gab es zum Beispiel in Preußen 213 öffentliche und 656 private höhere Mädchenschulen. Stand nach dem Abschluss der Schulzeit kein passabler Ehemann bereit, begann für intelligente und wissensdurstige junge Frauen ein ungewisser „Wartestand“. Wie quälend diese Zeit von manchen empfunden werden konnte, hat Fanny Lewald, eine der bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen um die Mitte des 19. Jahrhunderts, in ihrer 1861 – 1862 erschienenen Lebensgeschichte deutlich gemacht. Fanny Lewald (die vor dem Übertritt ihrer jüdischen Familie zum Christentum den Nachnamen Marcus trug) veröffentlichte einen Stundenplan, den der Vater für seine Tochter entworfen hatte, um deren Tage – seiner Meinung nach – sinnvoll auszufüllen.
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Stundenzettel für Fanny Marcus Fanny Lewald: Meine Lebensgeschichte, 1. Abt. Bd. 2: Im Vaterhause, Berlin 1861, S. 8 – 9. Allgemeine Bestimmung: Des Morgens wird spätestens um 7 Uhr aufgestanden, damit um 7 ½ das Ankleiden völlig beendigt sei. Montag von 8 – 9 Uhr Clavierstunde. Uebung neuer Stücke. von 9 – 12 Uhr Handarbeit, gewöhnliches Nähen und Stricken. von 12 – 1 Uhr Nachlesen der alten Lehrbücher, als: Französisch, Geographie, Geschichte, Deutsch, Grammatik usw. von 1 – 2½ Uhr Erholung und Mittagessen. von 2½ – 5 Uhr Handarbeit gleich oben. von 5 – 6 Uhr Clavierstunde bei Herrn Thomas. von 6 – 7 Uhr Schreibeübung. Dienstag von 8 – 9 Uhr Uebung neuer Clavierstücke. von 9 – 10 Uhr häusliche Handarbeit. von 10 – 12 Uhr Unterricht im Generalbaß. von 12 – 1 Uhr gleich Montag. von 1 – 2 ½ Uhr dito. von 2 [½] – 5 Uhr dito. von 5 – 6 Uhr Uebung alter Clavierstücke. von 6 – 7 Uhr Schreibeübung wie Montag. Mittwoch gleich Montag; von 5 – 6 Uhr Übung der alten Musikstücke am Clavier. Donnerstag, Freitag und Sonnabend gleich den drei ersten Wochentagen. Sonntag wird völlig der Bestimmung von Fanny anheimgestellt, mit Ausnahmen der Clavierübung von 8 – 9 Uhr; jedoch müssen die wöchentlich unnötig versäumten Lektionen nachgeholt und die Stunden, welche am Clavier durch Ausgehen oder Besuche versäumt worden, genau ersetzt werden …
Lehrinhalte
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Mit dem Ausbau der höheren Bildung für Mädchen wurde eine gesellschaftlich entscheidende Weichenstellung verbunden: Während das „starke Geschlecht“ im Hinblick auf eine spätere Berufstätigkeit erzogen wurde, sollte das „schwache Geschlecht“ auf den höheren Schulen für seine zukünftige Rolle als Ehefrau, Mutter und Hausfrau vorbereitet werden. Aus diesem Grund gab es entscheidende Unterschiede in den Lehrplänen für die Knabengymnasien und die höheren Mädchenschulen. Mädchen erhielten mehr Religionsunterricht und doppelt soviel Deutschunterricht wie Knaben. Deutsch war das zentrale Fach an den höheren Mädchenschulen, in dem nicht nur fachspezifische Inhalte, sondern auch ästhetische, moralische und politische Bildung vermittelt wurden. Griechisch und Latein, denen an den Gymnasien hohe Stundenzahlen eingeräumt wurden, fehlten in den Mädchenschulen ganz. Französisch und Englisch wurden dort dagegen in höherer Stundenzahl als an Knabenschulen unterrichtet, allerdings mit unterschiedlicher Zielsetzung. Während Mädchen neben der Kenntnis der wichtigsten literarischen Werke in erster Linie die Konversationsfähigkeit in den
Mädchenbildung im 19. Jahrhundert
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Fremdsprachen vermittelt wurde, sollte Knaben eine „sprachlich-logische Schulung“ in den modernen Fremdsprachen vorwiegend durch schriftliche Übungen erteilt werden. In den Mädchenschulen wurden Rechnen, Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften in geringerer Stundenzahl und mit geschlechtsspezifischer Zielsetzung gelehrt. Das heißt, diese Fächer wurden im Hinblick auf die gewünschte Eheschließung der Mädchen oft auf niedrigem Niveau mit dem Ziel gelehrt, der zukünftigen Hausfrau und Mutter lediglich die nötigen Kenntnisse für die Haushaltsführung und die Kindererziehung zu vermitteln. Obwohl es zunächst keine verbindlichen Lehrpläne gab und der Abschluss der acht- bis zehnklassigen höheren Mädchenschulen zu nichts berechtigte, schickten immer mehr Familien des Bürgertums ihre Töchter in diese Schulen. Diese Entwicklung geriet ab den 1860er Jahren von zwei Seiten unter Druck: Auf der einen Seite beklagten Konservative die zunehmende Entfremdung der Mädchen von dem „stillen Glück einer beschränkten Häuslichkeit“ (Amely Bölte1876), das gesteigerte Selbstbewusstsein und die Emanzipationsgelüste der Absolventinnen sowie die angebliche Gesundheitsgefährdung durch die gefürchtete „Überbürdung“, für die man die Schulen verantwortlich machte. Diese Kritiker plädierten dafür, dass Mädchen wieder mehr zu Hause von ihren Müttern zur Arbeit angehalten werden sollten und die Schulen sich strikt auf die Vermittlung von Grundwissen zu beschränken hätten. Wenn diese Haltung auch die der Mehrheit gewesen sein dürfte, so gab es auf der anderen Seite eine wachsende Zahl von Zeitgenossen, die angesichts der unsicheren Heiratsaussichten ihrer Töchter gleichsam prophylaktisch von den höheren Mädchenschulen erwarteten, die Absolventinnen in geeigneterer Weise für eine Berufstätigkeit auszubilden. Wie eng oder weit man dabei auch immer die angeblich gottgewollten und naturgesetzlichen Tätigkeitsfelder für Frauen definierte: Für die Töchter des Bürgertums und des verarmten Adels galt die Lehrerin im Grunde als einziger akzeptabler, „standesgemäßer“ Beruf. Die Bildung, die in den höheren Mädchenschulen und in den im 19. Jahrhundert entstehenden Lehrerinnenseminaren vermittelt wurde, bot dafür jedoch unzureichende Voraussetzungen. So drohten diese Institutionen die Mädchen in den Augen vieler ihrem „eigentlichen“ Beruf als Ehefrau und Mutter zu entfremden, ohne sie für eine akzeptable Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Die Charakterisierung der ersten Lehrerinnen fiel dementsprechend wenig schmeichelhaft aus. Frauenberufe für „höhere Stände“ Gertrud Bäumer: Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben der Gegenwart, Stuttgart, Berlin 1914, S. 162.
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Am Anfang stehen drei Gestalten, alle mehr oder weniger vom Schicksal mitgenommen: erstens die Gouvernante, die ein armes Fräulein aus guter Familie war, und mit ihren paar Töchterschulkenntnissen den Weg der Entsagung durch fremde Häuser zog; zweitens eine Art Anstandsdame in höheren Mädchenbildungsanstalten, die mit Vorsicht zum Unterrichten herangelassen wurde, deren wesentliche Obliegenheit der Aufsichtsdienst war, und schließlich: eine derbe, harmlose Spieltante, Witwe oder ältere Jungfrau, die den kleinen Kindern den Anfang vom Lesen, Schreiben und Rechnen oft mit urwüchsigen Muttertalenten beibrachte“.
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Lehrerinnen
Lehrerin zu werden, hieß damals noch in erster Linie „Lehrergehilfin“ zu werden. Frauen verdienten weniger als ihre männlichen Kollegen, unterrichteten in den Volksschulen und in den überwiegend privaten Mädchenschulen. In den wenigen staatlichen beziehungsweise städtischen höheren Töchterschulen lehrten sie nahezu ausschließlich in den unteren Klassen und durften nicht so viele Stunden wie die Lehrer übernehmen. In Preußen wurden ihnen erst ab 1863 feste Anstellungen im öffentlichen Dienst angeboten. Heirateten sie, waren sie unter Verlust der Pensionsberechtigung zu entlassen. Auch Helene Lange, die für die Frauenbildung Ende des 19. Jahrhunderts entscheidende Anstöße liefern sollte, bestand in Berlin 1872 die Lehrerinnenprüfung, arbeitete zunächst als Hauslehrerin, um dann ab 1876 in einer Berliner Mädchenschule zu unterrichten, in deren angeschlossenem Lehrerinnenseminar sie bald die Leitung übernehmen sollte. Zu diesem Zeitpunkt etwa zeichnete sich ab, dass Helene Lange die Bahnen des üblichen Lehrerinnendaseins verließ. Sie beschritt neue Wege, die sie zu einer einflussreichen Reformerin der Mädchenschulpädagogik werden lassen sollten. Beim Aufbau des Lehrerinnenseminars, das Lucie Crain im Rahmen ihrer „Crainschen Anstalten“ von Helene Lange leiten ließ, folgte diese mehr ihrem Talent und ihrer Intuition als dem Prinzip der damals vorherrschenden „Herbartschen Formalstufen“. Die Formalstufenlehre, nach der jeder Stoff in fünf Schritten (Vorbereitung, Darbietung, Verknüpfung, Ordnung und Anwendung) zu vermitteln war, ließ kaum Raum für den Dialog zwischen Lehrer(in) und Schülerschaft. Langes große Stärke lag aber offensichtlich darin, Unterrichtsstunden nicht nach starr festgelegtem Schema abzuhalten, sondern spontan auf die Fragen und Antworten der Schülerinnen einzugehen, ohne das Unterrichtsziel aus den Augen zu verlieren. Im Crainschen Lehrerinnenseminar unterrichtete sie die wichtigsten Fächer (Psychologie, Pädagogik, Methodik, deutsche und französische Literatur, Geschichte, Geographie und Rechnen) und legte Wert darauf, dass ihre Schülerinnen das selbstständige Arbeiten lernten. In ihrem Unterricht verband sie klassische Inhalte der höheren Bildung mit zeitgenössischen Konzepten der Reformpädagogik, zu denen sie einen wichtigen Beitrag lieferte. Helene Lange trachtete danach, das Schulsystem für Mädchen grundlegend zu verändern und suchte nach geeigneten Wegen, das ihr vordringlichst erscheinende Ziel durchzusetzen: Mädchen anstatt der ihnen bis dahin vermittelten literarisch-ästhetischen Bildung eine gleichwertige Ausbildung wie Jungen zukommen zu lassen und die Mädchenerziehung in die Hände von Frauen zu legen. Die vom Bildungsbürgertum konstatierte seelische Wesensverschiedenheit der Geschlechter bot ihr dabei Anlass, eine von und für Frauen bestimmte höhere Bildung zu fordern. Dabei konnte Helene Lange auf die gesellschaftlich anerkannte These von der „geistigen Mütterlichkeit“ setzen, die ein besonderes pädagogisches und erzieherisches Talent von Frauen postulierte.
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Geistige Mütterlichkeit Aufbauend auf den Theorien Friedrich Fröbels, der Müttern eine besondere Eignung für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zuschrieb, entwickelten Henriette Schrader-Breymann (1827 – 1899) und Henriette Goldschmidt (1825 – 1920) seit den 1860er Jahren das Konzept der „geistigen Mütterlichkeit“, das bald auch unter dem Begriff „organisierte Mütterlichkeit“ propagiert wurde.
Gelbe Broschüre, Realkurse und der ADLV
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„Weiblichkeit“ wurde mit „Mütterlichkeit“ gleichgesetzt, indem die Mütterlichkeit von der biologischen Mutterschaft entkoppelt und allen Frauen auf Grund ihrer „naturgegebenen“ Gebärfähigkeit eine geistige Mütterlichkeit zugesprochen wurde. Unter Rückgriff auf diese These wurde nicht nur die Öffnung pädagogischer und sozialfürsorgerischer Berufsfelder für Frauen, sondern auch die politische Partizipation von Frauen gefordert, die auf allen Ebenen die einseitig männlich dominierte Welt durch das „weibliche Prinzip“ ergänzen sollte, um so eine grundlegende Reform der Gesellschaft und des Staates einzuleiten.
2. Die Gelbe Broschüre, die Einrichtung der Realkurse für Frauen und die Gründung des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins (ADLV) Im Oktober 1887 verfasste Lange zusammen mit fünf Frauen aus dem liberalen Bürgertum eine an den preußischen Unterrichtsminister und das preußische Abgeordnetenhaus gerichtete Petition, in der ein größerer Einfluss der Lehrerinnen in den öffentlichen höheren Mädchenschulen und eine wissenschaftliche Lehrerinnenausbildung gefordert wurden. Durch eine von ihr erstellte umfangreiche Begleitschrift zu dieser Petition, die so genannte Gelbe Broschüre, wurde Helene Lange damals erstmals über den engeren liberalen Kreis und die pädagogischen Vereine hinaus bekannt. Die knapp Vierzigjährige hatte in dieser Schrift geschickt auf die unübersehbaren Missstände in der Mädchenbildung verwiesen und diese auf die Prämisse der Weimarer Mädchenschulpädagogen zurückgeführt, nach der Frauen nur im Hinblick auf die Ansprüche ihrer zukünftigen Ehemänner zu bilden seien.
Weimarer Mädchenschulpädagogen zitiert nach Helene Lange: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Begleitschrift zu einer Petition an das preußische Unterrichtsministerium und das preußische Abgeordnetenhaus, Berlin 1887 (= Gelbe Broschüre), in: Dies., Kampfzeiten, Bd. 1, Berlin 1928, S. 8 – 58, hier S. 9.
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In der 1872 den deutschen Staatsregierungen gewidmeten Denkschrift hielten die in Weimar versammelten Mädchenschulpädagogen fest: „Es gilt dem Weibe eine der Geistesbildung des Mannes in der Allgemeinheit der Art und der Interessen ebenbürtige Bildung zu ermöglichen, damit der deutsche Mann nicht durch die geistige Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit seiner Frau an dem häuslichen Herde gelangweilt und in seiner Hingabe an höhere Interessen gelähmt werde, daß ihm vielmehr das Weib mit Verständnis dieser Interessen und der Wärme des Gefühles für dieselben zur Seite stehe.“
Diese vielzitierte Stelle mag heute zur Heiterkeit Anlass geben, damals beschrieb sie lediglich die anerkannten Richtlinien, unter denen der Mädchenunterricht stattfand und mit denen Lehrer ihre Positionen an den Mädchenschulen für die weitere Zukunft festigen wollten. Lange löste mit der
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Einrichtung der Realkurse
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Forderung, die „Frau … um ihrer selbst willen, als Mensch und zum Menschen“ zu bilden, eine heftige öffentliche Debatte aus. In der Gelben Broschüre verknüpfte sie die Forderungen nach einer besseren Mädchenbildung eng mit dem Anspruch auf größeren Einfluss der Lehrerinnen in den Mädchenschulen. Die Betonung der Geschlechterdifferenz wurde hier zur Waffe im Kampf um Etablierung eines standesgemäßen Berufes für ledige Frauen des Bürgertums. Langes Schrift stieß bei Lehrerinnen und in der liberalen Tagespresse auf viel Zustimmung, bei den Lehrern jedoch auf heftige Ablehnung, die sich zu großen Teilen weniger auf die konkreten Forderungen, als auf die befürchteten weitreichenden Folgen bezog. So wurde darauf hingewiesen, dass diese Bestrebungen nicht nur eine völlige Umgestaltung des höheren Mädchenschulwesens nach sich ziehen würden, sondern dass eine solche höhere Frauenbildung schließlich auch die soziale Stellung der gebildeten Frau verändern würde. Die prinzipielle und deutlich geäußerte Kritik an der herkömmlichen Mädchenschule und die Unterstützung durch die preußische Kronprinzessin Viktoria (1840 – 1901) und die liberalen Kreise brachten der Gelben Broschüre und ihrer Verfasserin so große Beachtung ein, dass dieses Schriftstück als der entscheidende Anstoß zur Reform des Mädchenschulwesens betrachtet werden kann. Zunächst deutete jedoch noch nichts auf eine Änderung oder gar einen Durchbruch in der Mädchenschulpädagogik hin. Am 15. Juni 1888 starb Friedrich III. (1831 – 1888, Reg. als dt. Kaiser 1888), auf den das liberale Bürgertum große Hoffnungen gesetzt hatte. Seine Witwe, die sich „Kaiserin Friedrich“ nennen ließ und die an Langes Plänen großes Interesse zeigte, hatte nach eigenem Eingeständnis keinen Einfluss mehr. Gerade zu diesem Zeitpunkt zeigte sich die Stärke Helene Langes: Sie wartete nun nicht mehr auf Entscheidungen seitens der Regierung, sondern schlug unter ungünstigen Umständen neue gangbare Wege auf unterer Ebene ein. Neben die prinzipiellen Forderungen für eine neue Mädchenbildung traten nun ihre praktischen Versuche auf diesem Gebiet. Helene Lange konzentrierte sich auf das, was sie mit Unterstützung des liberalen Kreises erreichen konnte. Weiterreichende Ziele, wie die Zulassung der Frauen zur Universität, hielt sie dabei bewusst zurück. Zusammen mit Minna Cauer und Franziska Tibertius gelang es Lange, den Wissenschaftlichen Zentralverein, dessen Vorsitz damals der Reichstagsabgeordnete Heinrich Rickert (1863 – 1936) innehatte, zur Einrichtung von „Realkursen“ für Frauen zu bewegen. In den am 10. Oktober 1889 eröffneten Realkursen sollten Frauen, die die höhere Mädchenschule absolviert hatten, innerhalb von zwei Jahren eine allgemeine Bildungsgrundlage für praktische – gewerbliche und kaufmännische – Berufe und, soweit das möglich war, für die (Schweizer) Universität erwerben können. In Anlehnung an die Knabenschulen standen Mathematik und Naturwissenschaften mit acht Stunden pro Woche im Vordergrund, dazu kamen wöchentlich vier Stunden Latein, vier Stunden Geschichte und Volkswirtschaftslehre sowie sieben Wochenstunden für moderne Sprachen (Deutsch, Französisch und Englisch). Die Realkurse stellten ein Experiment dar, das im Wesentlichen von dem Optimismus der Initiator(inn)en getragen wurden, die davon ausgingen, dass die Absolventinnen der Realkurse durch ihre Leistungen die Rechtmä-
Gelbe Broschüre, Realkurse und der ADLV ßigkeit der Forderungen nach einer neuen Ausbildung für Mädchen überzeugend unter Beweis stellen könnten. Die Finanzierung des Unternehmens forderte ungewöhnliche Maßnahmen. Da man bei der „Unpopularität der Anstalt“ nicht auf die Einnahme hoher Schulgelder hoffen konnte, war die Finanzierung durch private Geldgeber äußerst schwierig. Zum Erfolg der Kurse trug sicherlich die Offenheit und Flexibilität der Leiterin bei. Langes weiterer Weg als Reformerin zeichnete sich durch die Politik der kleinen Schritte, durch Lern- und Improvisationsfähigkeit aus. Mit der Eröffnung der Realkurse für Frauen, die Lange 1893 in Gymnasialkurse umwandelte, als sich eine Öffnung der deutschen Hochschulen für Frauen abzeichnete, setzte Lange ein zweites, weit über Berlin hinaus wirkendes Zeichen. Nur ein Jahr nach der Eröffnung der Realkurse begründete Lange eine der erfolgreichsten überregionalen Frauenberufsorganisationen, den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV), der zu Recht als „Kristallisationspunkt“ der Frauenbewegung bezeichnet wurde. Die Gelbe Broschüre hatte die Diskussionen um einen überregionalen Lehrerinnenverein aufflammen lassen. Im Verein für das höhere Mädchenschulwesen fanden die auf Veränderung drängenden Lehrerinnen keine ausreichende Lobby. Als Reaktion auf die andauernde Geringschätzung der weiblichen Lehrkräfte berief Lange zusammen mit der Vorsitzenden des ADF, Auguste Schmidt, 1890 eine erste allgemeine Lehrerinnenversammlung nach Friedrichsroda in Thüringen ein. Der ältere Verein Deutscher Lehrerinnen und Erzieherinnen, der nach der Intention seiner Gründerinnen Marie Calm (1832 – 1887) und Auguste Schmidt zum zentralen Lehrerinnenverein Deutschlands hätte ausgebaut werden sollen, blieb im Wesentlichen auf Berlin beschränkt. Eine für die Stellenvermittlung von arbeitslosen Lehrerinnen wichtige Rolle spielten die deutschen Lehrerinnenvereine im Ausland, besonders der 1876 in London von Helene Adelmann (1842 – 1915) gegründete. Bis 1890 wurden mehr als 20 Lehrerinnenvereine innerhalb Deutschlands konstituiert. Diese Vereine schlossen sich jedoch nicht zusammen. Als sich Helene Lange 1890 zur Gründung eines Lehrerinnenvereins entschloss, wählte sie die Mitbegründerinnen des ADLV sehr geschickt aus. Auguste Schmidt als anerkannte Führungsfigur der Frauenbewegung und Marie Loeper-Houselle (1837 – 1916) als Herausgeberin der Lehrerinnenzeitung waren bekannt und bürgten für die Seriosität des Unternehmens. Nachdem Lange zur Vorsitzenden gewählt worden war, übernahm Auguste Schmidt als ältestes Gründungsmitglied den Ehrenvorsitz und Marie Loeper-Houselle stellte die zweite Vorsitzende. Allgemeiner Deutscher Lehrerinnenverein (ADLV) Der 1890 von 85 Frauen gegründete Verein wurde schnell zu einem wichtigen Kristallisationspunkt der deutschen Frauenbewegung. Er entwickelte sich von einer Selbsthilfeorganisation mit Stellenvermittlung (auch für das Ausland) und Krankenkasse zur Dachorganisation der Fach- und Landesverbände der Lehrerinnenvereine im Deutschen Reich. Die Mitgliedszahlen wuchsen ständig an. Ein Jahr nach der Gründung zählte der ADLV bereits mehr als 3000 Mitglieder, 1897 mehr als 10 000. 1905 gehörten ihm knapp 20 000 Lehrerinnen an. 1914 sollen mehr als 50 Prozent aller Lehrerinnen in ihm organisiert gewesen sein. 1933 löste sich der ADLV auf.
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Gymnasialkurse
E
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Erste Abiturientinnen
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Das Ziel des ADLV war gemäß seiner Statuten, die „Hebung des Lehrerinnenstandes nach jeder Richtung hin“. Um dies zu erreichen, wurde für die Lehrerinnen Folgendes verlangt: „eine größere Beteiligung an der Volksbildung“, eine bessere Ausbildung, eine höhere Beteiligung am Unterricht in den Oberklassen der Mädchenschulen und die „Förderung ihrer praktischen Interessen“. Mitglied konnte jede Lehrerin werden, auch wenn sie nicht mehr im Beruf stand. Eine außerordentliche Mitgliedschaft stand für „jede Frau (verheiratet wie unverheiratet) [offen], die sich für die Bestrebungen des Vereins interessiert[e]“. Die sorgfältig vorbereitete Gründung eines solchen Vereins, zu der die Kaiserin Friedrich ein Begrüßungstelegramm beisteuerte, und das Engagement Langes führten den ADLV zum überregionalen Erfolg. Lange, für die die Einrichtung der Realkurse nur eine Etappe auf dem Weg zu einer besseren Mädchenbildung darstellte, hatte mit ihrer Politik der kleinen Schritte unübersehbar Erfolg. Frauenvereine appellierten nun in verstärktem Maße an die Parlamente und die Regierungsbehörden. 1889 reichte der ADF bei allen deutschen Unterrichtsministerien eine Petition ein, in der um die Zulassung von Frauen zu höheren Lehramtsprüfungen und zum Arztberuf gebeten wurde. Die Kampagnen für die Verbesserung der Mädchenbildung und Zulassung der Frauen zur akademischen Ausbildung, die nach der Veröffentlichung der Gelben Broschüre verstärkt einsetzten, hatten zwar keinen unmittelbaren Erfolg, verhalfen dem Thema aber in der Öffentlichkeit zu großer Resonanz. In den Kultusministerien setzte ein langsames Umdenken ein, das gerade durch die moderateren Teilforderungen der Frauenbewegung angeregt wurde. Wenn man bedenkt, dass die Petition von 1887 im Preußischen Abgeordnetenhaus nicht einmal behandelt wurde, kann man sich den Triumph vorstellen, den die 1894 erfolgte Zuziehung Langes zu den abschließenden Beratungen des preußischen Kultusministeriums zu der höheren Mädchenschule und der damals eingeführten Oberlehrerinnenprüfung bedeutete. Weit davon entfernt, den Forderungen des ADLV in vollem Umfang Rechnung zu tragen, regelten die ministeriellen Bestimmungen vom 31. Mai 1894 zumindest den Lehrplan der höheren Mädchenschulen und führten eine wissenschaftliche Prüfung für Lehrerinnen ein. Ostern 1896 bestanden dann die ersten sechs Absolventinnen der Gymnasialkurse Langes mit guten Leistungen als Externe das Abitur. Von dem 1889 unter bescheidenen Umständen gestarteten Projekt ging mit diesen ersten Abiturientinnen eine Signalwirkung aus, die weit über Berlin hinaus reichen sollte. Bei aller berechtigten Kritik an den Gymnasialkursen, die der preußischen Regierung unter anderem dazu dienten, die Errichtung regulärer Mädchengymnasien abzulehnen, und den Mädchen eine 14-jährige Schulzeit einbrachten, während die Knaben in zwölf oder auch 13 Jahren zum Abitur geführt wurden, bleibt festzuhalten, dass die Existenz dieser Abiturientinnen eine Schlüsselfunktion für die erleichterte Zulassung von Frauen als Gasthörerinnen an den preußischen Universitäten und beim Zugang von Frauen zu den medizinischen Berufen darstellte. In der älteren Forschung ist gerne das 1893 gegründete sechsjährige Karlsruher Mädchengymnasium im Vergleich zu Langes Gymnasialkursen als „progressiveres Modell“ angesehen worden, da dessen Gründerin Hedwig Kettler, die die
Die preußische Mädchenschulreform von 1908
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Einrichtung der Realkurse Helene Langes heftig angegriffen hatte, von Anfang an gleiche Bildung für Mädchen und Jungen forderte. Abgesehen davon, dass dieses Gymnasium erst drei Jahre später seine ersten Abiturientinnen entließ, ignoriert dieser Vergleich die Dynamik und die Vielfältigkeit der von Helene Lange ins Leben gerufenen Organisationen, in deren Rahmen die Gymnasialkurse nur einen ersten Anfang markieren. Kettler verfolgte in Fragen des Frauenstudiums im Übrigen ähnlich wie Lange und andere Mitstreiterinnen die Taktik, über das Medizinstudium den Frauen die Universität zu öffnen, um damit ihre generelle Studierfähigkeit unter Beweis stellen zu können. Welchen Anfeindungen und Unterstellungen Frauen mit dem Drang nach höherer Bildung allgemein ausgesetzt waren, ist heute kaum mehr vorstellbar. Neben den ernsthaften und ernstgemeinten Diskussionen um die angeblich wissenschaftlich nachgewiesene geistige Minderbegabung von Frauen wurde die Weiblichkeit der Studentinnen und Akademikerinnen tagtäglich in Frage gestellt. Damals wurde nicht nur die Unvereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf unterstrichen, sondern auch die Vermännlichung durch nicht „frauenspezifische“ Berufstätigkeit als drohendes Ergebnis des Abweichens vom Ehe- und Mutterschaftspfad in Aussicht gestellt. Dass diese allgegenwärtigen Einschüchterungen und Verängstigungen nicht ohne Wirkung blieben, ja bleiben konnten, versteht sich von selbst. Teile dieser Befürchtungen wurden bewusst oder unbewusst übernommen. So vertraten selbst viele akademisch gebildete Frauen die Meinung, für die meisten Wissenschaftlerinnen müsse der Verzicht auf die Mutterschaft das Normale bleiben. Helene Lange und mit ihr die deutsche Frauenbewegung konnten am Ende des 19. Jahrhunderts hoffnungsvoll in die Zukunft sehen. Zwar wurde den Abiturientinnen nicht, wie erhofft, mit Ablegung der Prüfung der gleichberechtigte Zugang zu den deutschen Universitäten eröffnet. Mit oder ohne Abitur gelang es aber einzelnen engagierten Frauen trotz erheblichen Widerstands, in Berlin und an anderen deutschen Universitäten als außerordentliche Hörerinnen zugelassen zu werden. Der ADLV, dem Lange eine Schlüsselrolle im Reformprozess zuschrieb, wuchs schnell von 85 (1890) auf 19 581 (1904/05) Mitglieder an und demonstrierte damit eindrucksvoll, dass die Lehrerinnen gewillt waren, unter Betonung der Geschlechterdifferenz die Professionalisierung ihres Berufes und den Kampf um Stellen mit ihren männlichen Kollegen aufzunehmen.
3. Der Zugang zur höheren Bildung durch die preußische Mädchenschulreform von 1908 1906 wurde Helene Lange zusammen mit Gertrud Bäumer und 20 anderen Frauen vom preußischen Kultusministerium in eine 45-köpfige Kommission zur Reform des höheren Mädchenschulwesens berufen. Friedrich Theodor Althoff (1839 – 1908), die graue Eminenz des preußischen Kultusministeriums, wollte auch den Sachverstand der Lehrerinnen nutzen. Die preußische Mädchenschulreform von 1908 markierte zusammen mit den Mäd-
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Vorschläge für den Ausbau der höheren Mädchenbildung
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chenschulreformen in Sachsen (1910), Bayern (1911) und Hessen (1911) eine erste wichtige Etappe auf dem Weg der Mädchenbildungsreform im Kaiserreich. In der preußischen Kommission standen Mitglieder, die am institutionellen Rahmen der zehnjährigen höheren Mädchenbildung möglichst weitgehend festhalten, und lediglich für eine kleine Gruppe von Hochbegabten weiterführende Aufbaukurse einrichten wollten, engagierten Vertreter(inne)n einer radikalen Reform des Mädchenschulwesens gegenüber. Einig war man sich nur darüber, dass die höheren Mädchenschulen vom Staat als höhere Bildungsanstalten anerkannt werden sollten – sie unterstanden bis 1908 der Volksschulverwaltung – und dementsprechend mehr akademisch gebildetes Lehrpersonal eingestellt werden müsste. Weiter sollte der Lehrplan und der Weg zum Abitur für Mädchen festgelegt werden. Umstritten war dabei, wieweit die höhere Mädchenbildung inhaltlich der höheren Knabenbildung angeglichen werden sollte. Lange favorisierte auf dieser Konferenz, nach den Erfahrungen mit den vierjährigen Gymnasialkursen, eine sich dem 7. Schuljahr anschließende sechsklassige Studienanstalt, um eine frühzeitige Trennung der Kandidatinnen für die Reifeprüfung von den anderen Schülerinnen zu erreichen, womit „eine strenge Auslese der Fähigen“ gewährleistet werden sollte. Damit rückte sie von ihrer 1893 vertretenen Position deutlich ab. Als sich 1906 die Möglichkeit abzeichnete, Frauen den institutionalisierten Zugang zum Abitur und zur Immatrikulation an deutschen Hochschulen zu ebnen, zögerte Lange nicht, trotz Kritik an der höheren Knabenschule, gleiche „geistige Kost“ für Mädchen wie für Knaben zu fordern. Dies war für sie oberste Prämisse. Denn die noch mit Sonder- und Ausnahmegenehmigung studierenden Frauen hatten damals schon ausreichend unter Beweis gestellt, dass jede Vorbildung, die von der Gymnasialbildung für Knaben abwich, als Vorwand diente, Frauen den Zugang zu bestimmten Prüfungen und Berufen zu verwehren. Die zweite zentrale Forderung auf dieser Konferenz war die nach der weiblichen Leitung der Mädchenschulen, die unter dem Motto „Gesicherter Einfluß der Frau auf die Mädchenbildung“ platziert wurde. Dieser Vorschlag wurde zunächst von einer breiten Mehrheit der Kommission unterstützt. Die Unterrichtsbehörde versuchte nun, den prinzipiellen Meinungsverschiedenheiten durch eine Paketlösung gerecht zu werden. Lange und ihren Mitstreiter(inne)n sollte die weibliche Leitung der Mädchenschulen zugestanden werden, wenn sie im Gegenzug eine 14-jährige Schulzeit für Mädchen (zehnjährige höhere Mädchenschule und vierjähriger Aufbau) bis zum Abitur akzeptierten. Lange fand eine so lange Schulzeit aus finanziellen wie aus pädagogischen Gründen untragbar. Und da damals die öffentlichen höheren Mädchenschulen überwiegend von Männern geleitet wurden (1893 standen in Preußen 91 – 92 % der öffentlichen höheren Mädchenschulen unter männlicher Leitung, während die privaten Mädchenschulen zu 87 – 88 % unter weiblicher Leitung standen), die Angleichung an die höheren Knabenschulen unmittelbar bevorzustehen schien und damit die Posten in diesen Schulen nun für männliche Lehrkräfte attraktiver wurden, kam kaum nach Bekanntwerden dieser Pläne auch starker Widerstand von Seiten der männlichen Lehrerschaft auf. Die preußische Mädchenschulreform, die
Die preußische Mädchenschulreform von 1908 schließlich im August 1908 verabschiedet wurde, ging in einem unerwarteten Kompromiss sowohl auf die Forderungen des Lehrerinnenkongresses als auch auf die Proteste der Lehrer ein. Aus der Sicht Helene Langes brachte die Reform fragwürdige Teilerfolge und einen bitteren Rückschlag für das Prinzip „weibliche Lehrkräfte für Mädchen“. Die zehnjährige höhere Mädchenschule, später Lyzeum genannt, wurde zur Norm. Nach den Vorstellungen von Helene Lange und Gertrud Bäumer wurden analog zu den Knabenschulen sechsjährige (gymnasiale und realgymnasiale) beziehungsweise fünfjährige (oberreale) Studienanstalten eingerichtet, auf denen Mädchen nach dem siebten beziehungsweise achten Schuljahr zum Abitur geführt wurden. Um die Zahl dieser Studienanstalten von vornherein zu begrenzen, durften sie jedoch nur dort eingerichtet werden, wo so genannte Frauenschulen, eine Art „Fortbildungsschule für die Mädchen der oberen Stände“, gegründet wurden. In den Frauenschulen standen Pädagogik, Haushaltungskunde, Kindergartenunterweisung, Gesundheitslehre und Kinderpflege auf dem Lehrplan. Damit wurden erstmals im höheren Bildungswesen spezifisch weibliche Bildungsinhalte eingeführt, die die nicht studierfähigen oder auch nicht studierwilligen Mädchen adäquat auf das „normale Frauenschicksal“ vorbereiten sollten. Gegen die Besetzung der Leitungsposten an den Mädchenschulen mit Frauen hatte sich inzwischen eine solche Opposition entwickelt, dass die preußische Unterrichtsverwaltung verordnete, an privaten wie an öffentlichen Mädchenschulen sollten annähernd so viele Männer wie Frauen unterrichten, das heißt, in der Regel sollten weder die Lehrerinnen noch die Lehrer weniger als ein Drittel des Kollegiums stellen. Gedacht als Bollwerk gegen eine befürchtete Zunahme der Einstellung von Lehrerinnen, stellte Lange sofort im Umkehrschluss heraus, dass damit „zum ersten Male in der Geschichte des preußischen Mädchenschulwesens die Mitarbeit des Mannes an der höheren Mädchenschule für obligatorisch“ erklärt wurde. Tatsächlich bevorteilte die Reform von 1908 in erheblichem Maße die Männer mit akademischer Ausbildung, denen mit dem reformierten höheren Mädchenschulsystem ein neues, attraktives Berufsfeld eröffnet wurde. Trotz dieses Rückschlages war der Staat nun aber für die höhere Mädchenschule in die Pflicht genommen worden. Die Einbeziehung der anerkannten höheren Mädchenschulen in das höhere Schulsystem eröffnete diesen klare Perspektiven. Lange hatte schon kurz nach der Reform erkannt, was im Rückblick nachdrücklich bestätigt werden kann: Das Jahr 1908 bildet ohne Zweifel einen bedeutsamen Fortschritt auf dem Gebiet der preußischen Mädchenbildung, und die Reform des Mädchenschulwesens kann als einer der großen Erfolge der deutschen Frauenbewegung angesehen werden. Wenn auch aus Sicht der Lehrerinnen manche Mängel bestehen blieben, hatten Mädchen jetzt immerhin die Chance, eine der Knabenbildung weitgehend angeglichene Ausbildung auf direktem Weg zu erlangen. Insgesamt gesehen schlug der ADLV einen Weg ein, der durch die akademische Lehrerbildung und die Lehrervereine vorgegeben war: Der ADLV strebte die Vereinheitlichung und Normierung der Berufsausbildung und des Berufszugangs für Lehrerinnen an und forderte ihre Gleichstellung im deutschen Schulsystem. Dabei konzentrierte man sich zunächst auf die höhere Mädchenschule und übernahm die Methoden der Lehrer- und Philo-
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Frauenanteil in Lehrerkollegien
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Immatrikulationsrecht
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logenvereine, die ihre Forderungen über Broschüren und Petitionen den Schulbehörden und der Öffentlichkeit unterbreiteten. Der ADLV bot den Schulbehörden seine Kompetenz in Sachen Mädchenbildung an und klärte die Öffentlichkeit über die Mängel der Mädchenschulen auf. Diese Strategie erwies sich letztlich auch für den ADLV als erfolgreich, auch wenn er sich nicht in gleichem Maße mit seinen Forderungen durchsetzen konnte wie die Lehrer. Die Professionalisierung der Lehrerinnen setzte durch die verspätete Normierung der Lehrerinnenbildung und der Lehrerinnenprüfungen zeitverzögert ein und stand von Anfang an in scharfer Konkurrenz zu der Professionalisierung der Lehrer. Wie ungleich die Ausgangspositionen waren, macht ein Blick auf die Erfolge der Lehrer an höheren Schulen in dieser Zeit klar. 1907, ein Jahr vor der Verabschiedung der Mädchenschulreform, wurden sie in Preußen den höheren Verwaltungsbeamten und Richtern gleichgestellt. Von einer solchen Konsolidierung des Berufsstandes konnten Lehrerinnen damals nur träumen. Mit der Mädchenschulreform wurden 1908 in Preußen Frauen auch zur Immatrikulation an Universitäten zugelassen. Den jungen Frauen wurden durch die Reform der Mädchenbildung mit dem von der Frauenbewegung lange geforderten Hochschulzugang neue Bildungschancen eröffnet. Frauen, die vor 1908 an Universitäten studierten, hatten ihr Studium meist in höherem Alter, oft nach einer seminaristischen Lehrerinnenausbildung und als Gasthörerinnen mit Einzel- und Sondergenehmigungen aufgenommen. Der Eintritt in die „heiligen Hallen“ einer deutschen Universität galt um diese Zeit noch als gewagtes Unternehmen. Obwohl Frauen in den meisten europäischen Ländern seit den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts studieren konnten, wurden sie in Baden erst 1899/1900 zur Immatrikulation zugelassen, 1903 in Bayern, 1904 in Württemberg, 1906 in Sachsen, 1908 schließlich auch in Preußen. Als letztes deutsches Land sprach Mecklenburg-Schwerin 1909 Frauen das Immatrikulationsrecht zu. Wie fragwürdig auch immer das Konzept der „geistigen Mütterlichkeit“ im Rückblick erscheinen mag: Auf dem Gebiet der Mädchen- und Frauenbildung hat die Frauenbewegung mit Hilfe eben dieser Theorie ihre nachhaltigsten Erfolge errungen. Die „geistige Mütterlichkeit“, entwickelt als „Antithese zum allmächtigen Patriarchat“ (Ute Gerhard), erwies sich bis zur Jahrhundertwende auf diesem Gebiet als durchaus erfolgreiches Modell. Die Forderung der Frauenbewegung nach einer verbesserten Mädchenund Frauenbildung beschränkte sich bald nicht auf mehr auf rein persönlichkeitsbildende oder ökonomische Aspekte. Selbstverständlich sollte Bildung auch immer der Charakterbildung dienen, sie sollte „allgemein“ und „universal“ sein, und damit die Gebildeten auf alle denkbaren (Berufs-)Ansprüche vorbereiten. Doch das individualistische und emanzipatorische Bildungsideal der Aufklärungszeit wurde im Kaiserreich immer mehr dem neuen Nationalismus angepasst. Die Frauenbewegung schloss sich der von führenden Bildungspolitikern und Pädagogen geprägten Vorstellung an, Bildung und Kultur als individuelle und nationale Identitätsgaranten zu betrachten. So trafen sich in Deutschland die Lehrerinnenvereine und die Lehrervereine bald in dem gemeinsamen Bemühen, eine „nationale Schule“ zu etablieren, die dem Individuum und damit dem Staat eine optimale Ent-
Die preußische Mädchenschulreform von 1908
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wicklung garantieren sollte. Das höhere Mädchenschulwesen wurde zum bevorzugten Feld, auf dem sich Lehrerinnenvereine und Lehrervereine gegenseitig unterstellten, aus Konkurrenz um Stellungen und Einfluss die Verbesserung der Mädchenbildung zu gefährden. Forderung nach einem höheren Mädchenschulwesen, das weiter von männlichen Pädagogen dominiert sein sollte, wurden von Frauen ebenso mit Hinweis auf die Konkurrenzsituation abgelehnt wie die Lehrervereine nicht müde wurden, den Lehrerinnenvereinen in erster Linie rein ökonomische Motive zu unterstellen.
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IV. Die Organisationen der Frauenbewegung Gründungsdaten überregionaler Frauenvereine in Deutschland: 1865 1866 1890 1894 1899 1899 1903 1904 1915 Karitativ-patriotische Frauenvereine
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Allgemeiner Deutscher Frauenverein (ADF) Vaterländischer Frauenverein (VFV) Allgemeiner Deutscher Lehrerinnenverein (ADLV) Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) Verband fortschrittlicher Frauenvereine (VfFV) Deutsch-Evangelischer Frauenbund (DEF) Katholischer Frauenbund Deutschlands (KFD) Jüdischer Frauenbund (JFB) Verband Deutscher Hausfrauenvereine (VDHV)
Bis zur Reform des Vereinsgesetzes von 1908, das Frauen reichsweit die Mitgliedschaft in politischen Vereinen zugestand, bildeten die karitativen Vereine die größte Gruppe unter den Frauenorganisationen. Diese offizielle Beschränkung auf humanitäre Ziele bedeutete jedoch nicht, dass die Vereine keine weiterführenden Ambitionen zeigten. Wie das Reichsgericht am 10. November 1887 nochmals bestätigt hatte, galten alle Diskussionen, die sich mit der Verfassung, Verwaltung und der Gesetzgebung des Staates beschäftigten, als politische Angelegenheiten. Jede Frauenorganisation, die in den Verdacht geriet, politische Ziele zu verfolgen, lief Gefahr, aufgelöst zu werden. Dabei waren diese karitativen Vereine, die sich in Kriegszeiten der Pflege der Verwundeten und in Friedenszeiten der Armen- und Krankenpflege widmeten, meist aus aktuellen politischen Anlässen gegründet worden und verfolgten nationale Ziele. Insbesondere die Kriege von 1864 und 1866 hatten in ganz Deutschland zur spontanen Bildung von Frauenvereinen geführt, die sich in der Tradition des Frauenvereines zum Wohl des Vaterlandes von 1814 sahen, der seinerzeit in Reaktion auf die Besatzung Preußens durch Napoleon gegründet worden war. Die Zahl dieser karitativen Frauenvereine stieg auch in den Friedensjahren des Kaiserreiches weiter an: 1877 existierten 400 Vereine, 1891 waren es nahezu 800. Das Leben von Frauen und Männern im 19. Jahrhundert unterschied sich erheblich, denn den Geschlechtern waren verschiedene Aufgaben, Pflichten und Rechte zugewiesen. Gegen diese Zuweisungen haben einzelne Frauen und Männer immer wieder aufbegehrt. Der Protest gegen eingeschränkte Lebenschancen und Handlungsspielräume von Frauen ist in Phasen des gesellschaftlichen Umbruchs lauter geworden und vorübergehend von kleineren oder größeren Gruppen getragen worden. Aufbegehren von Frauen wurde in der Französischen Revolution und in der Revolution von 1848 deutlich. Eine ähnlich lange Tradition wiesen die teils lang-, teils kurzlebigen Organisationen von Frauen im Befreiungskampf gegen äußere Feinde und gegen den inneren Feind der Gesellschaft, die Armut, auf. Frauen schlossen sich zusammen, um der Nation und Hilfsbedürftigen zu dienen. Sowohl für den Dienst am Vaterland als auch für das sozialfürsorgerische Engagement benötigten Frauen jedoch eine bessere Ausbildung und
Die Organisationen der Frauenbewegung Berufschancen. Diese Einsicht wuchs beim reformfreudigen Teil des Bürgertums langsam, aber stetig an. Um das Recht der Frauen auf Bildung und Erwerbstätigkeit durchzusetzen, standen Frauen in Deutschland vor 1918 im Wesentlichen drei Strategien zur Verfügung: Sie konnten versuchen, Einfluss auf Politiker zu nehmen, sie konnten Selbsthilfeorganisationen gründen und sie konnten unter erschwerten Bedingungen im Umfeld von Parteien aktiv werden. Für die letzteren Möglichkeiten hatten sich z.B. Clara Zetkin und Rosa Luxemburg entschieden. Zetkin, die 1878 in Leipzig die staatliche Lehrerinnenprüfung mit Auszeichnung bestand, gehörte ebenso wie die 1897 in Zürich promovierte Rosa Luxemburg zu den Frauen, die sich mehr Bildung aneigneten, als gemeinhin für Frauen als zuträglich galt. Beide verließen bald das Feld des Bildungs- und Erziehungswesens, um sich an der Seite ihrer männlichen Parteigenossen dem Klassenkampf zu widmen. Das Engagement Zetkins und Luxemburgs für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) war politisch konsequent: Diese Partei war bis 1910 die einzige in Deutschland, in deren Erfurter Programm von 1891 die Forderung nach dem Wahlrecht für alle Reichsangehörige „ohne Unterschied des Geschlechts“ verankert war. August Bebels (1840 – 1913) 1879 publizierte Studie Die Frau und der Sozialismus wurde zum Katechismus der in der Arbeiterbewegung organisierten Frauen und legte deren Marschroute fest: Im gemeinsamen Kampf mit den Männern gegen den Kapitalismus sollte die soziale und rechtliche Gleichstellung der Frauen errungen werden. Die Frauen dieser Partei haben trotz mancher Unstimmigkeiten mit der männlichen Führungsriege daran festgehalten, ihren Kampf innerhalb und nicht außerhalb der Partei zu führen. Eine Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Frauenbewegung, um die sich Lily Braun eine Zeitlang bemüht hatte, wurde deshalb abgelehnt. Doch hier soll der Augenmerk nicht auf die Frauen in der Sozialdemokratie gelenkt werden, die für die Frauenemanzipation kämpften, sondern auf die offiziell nicht parteilich gebundenen Selbsthilfeorganisationen der Frauenbewegung, die im Laufe des 19. Jahrhunderts in großer Zahl gegründet wurden. Rein quantitativ wuchs die Zahl der Frauenorganisationen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark an, wie nicht nur das Beispiel der Stadt Kassel zeigt: Frauenvereine in Kassel im 19. Jahrhundert Quelle: Rita Huber-Sperl (Hg.): Organisiert und engagiert. Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert in Westeuropa und den USA, Königstein/Taunus 2002, S. 43.
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Frauenbewegung und Sozialdemokratie
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1810 bis 1840: 3 Frauenvereine bis 1865: 9 Frauenvereine bis 1885: 22 Frauenvereine bis 1910: 62 Frauenvereine
1901 schrieb Gertrud Bäumer im Handbuch der Frauenbewegung, „dass kaum eine bedeutendere Stadt in Deutschland existierte, in der nicht die Frauenbewegung durch irgend einen Verein vertreten war“. Die Statistik der
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Die Organisationen der Frauenbewegung
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Frauenorganisationen im Deutschen Reiche für das Jahr 1908 gab ihr Recht, indem sie 71 Reichsverbände, 510 Landes- und Bezirksverbände sowie 7 281 Ortsvereine aufzählte. Insgesamt wurde die Zahl der Mitglieder in Frauenvereinen auf 859 215 Personen geschätzt, das entsprach nach den Daten der Volkszählung von 1905 5,4 % der weiblichen Bevölkerung (über 18 Jahre). Die Statistiker teilten die mehr als 7000 Ortsvereine der Frauenorganisationen in folgende Rubriken ein, wobei die Angaben auf freiwilligen Meldungen, das heißt auf der Selbsteinschätzung der eigenen Tätigkeitsfelder beruhte: Hauptgebiet
Allgemeine Frauenbewegung Berufliche Organisationen Soziale Organisationen Karitative Organisationen Frauenbildungs-Organisationen Politische Organisationen Vaterländische Frauenvereine
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Anzahl der Ortsvereine (Stand: 1908) 1 287 1 580 310 4 058 167 124
Wegen der problematischen Quellengrundlage solcher Erhebungen sagen sie nichts Genaues über Mitgliederzahlen und Aktivitäten dieser Vereine aus. Die hohe Zahl der hier ausgewiesenen Frauenvereine, die auf karitativem Gebiet arbeitete, erklärt sich aus der großen Anzahl kleiner Ortsgruppen von reichsweiten Verbänden, wie etwa dem Vaterländischen Frauenverein und den Gruppen des Roten Kreuzes. In den Leitungsgremien dieser Zusammenschlüsse gab es eine hohe Anzahl von Männern, so dass hier bereits die Bezeichnung „Frauenverein“ problematisch erscheint. So war die Gründung des Vaterländischen Frauenvereins eine „Gründung von oben“. Die preußische Königin Augusta (1811 – 1890) rief am 11. November 1866 den Vaterländischen Frauenverein ins Leben, um „jene weiblichen Kräfte, die während des Krieges ohne Unterschied der konfessionellen und Standesverhältnisse so wahrhaft aufopfernd und großartig gewirkt haben, auch im Frieden gemeinsam in erfolgreicher Tätigkeit zu erhalten“. Der Verein wurde dem Roten Kreuz unterstellt und sollte „auch im vaterländischen Sinn durch eine augenblickliche Hilfeleistung bei allgemeinen oder örtlichen Landeskalamitäten, wie Krieg, Feuersbrunst, Überschwemmungen und Seuchen, die Not möglichst zu erleichtern … suchen“. Da im Mittelpunkt dieser Darstellung nicht die Organisationen und Parteien stehen, in denen Frauen (unter männlicher Führung) mitarbeiteten, sondern Vereine, deren Gründung und Leitung in der Hand von Frauen lag, werden hier nun die wichtigsten der langlebigen und überregionalen Frauenvereine vorgestellt. Angesichts der lückenhaften Quellen- und Forschungslage und in dem Wissen, dass es viele örtliche Zusammenschlüsse von Frauen gab, die sich zur Lösung konkreter Aufgaben oder zu bestimmten Ereignissen zusammenfanden, ohne sich als Verein zu konstituieren, kann hier nur versucht werden, die Grundlinien der Frauenorganisationen deutlich werden zu lassen.
Der Allgemeine Deutsche Frauenverein 1865
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Die Vertreterinnen dieser Selbsthilfeorganisationen schlugen einen anderen Weg als die Sozialdemokratinnen ein. In den 1860er Jahren fanden zwei für den deutschen Liberalismus entscheidende Weichenstellungen statt: die Spaltung der liberalen Bewegung in Linksliberale und Nationalliberale (1866) und der mit der Formierung der Parteien endgültig vorgenommene Ausschluss der Frauen als offizielles Subjekt liberaler Parteipolitik. Programme und Organisationen der Liberalen basierten zumeist völlig unreflektiert auf dem Ausschluss der Frauen. Die von den Liberalen geforderten Ziele und Rechte bezogen sich implizit nur auf Männer, ohne dass dies ausdrücklich erwähnt werden musste. Zeitlich etwas verzögert wurden deshalb parallel zu den Organisationen der (männlichen) Liberalen nun die der Frauenbewegung aufgebaut. Die Frauenbewegung definierte sich nach den Erfahrungen mit der gescheiterten Revolution von 1848 und dem preußischen Vereinsgesetz von 1850 als streng unpolitisch – auch wenn von Beginn an allein die Existenz solcher Frauenvereine ein Politikum ersten Ranges bildete.
1. Die Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) 1865 Mit der 1865 erfolgten Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) durch Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt konstituierte sich die organisierte Frauenbewegung in Deutschland. Der ADF als überregional agierende Vereinigung der Frauenbewegung hatte in seinen Statuten festgelegt: „Der Allgemeine Deutsche Frauenverein hat die Aufgabe, für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken.“ Das Programm des ADF stieß auf großes Interesse; 1877 schätzte die Vorsitzende Louise Otto-Peters, dass der ADF und seine Zweigvereine bereits „mindestens 11 – 12 000 Frauen“ als Mitglieder zählten. Die Differenzierung und Spezialisierung dieser Bewegung fand seit den 1880er Jahren in einer Reihe von Fachzeitschriften zur Mädchenbildung ihren Niederschlag. Wenn auch viele dieser Zeitschriften sehr kurzlebig waren, erschienen einige doch über lange Zeiträume, so Die Lehrerin in Schule und Haus, Leipzig, Berlin 1 (1885) – 26 (1909/1910), danach unter dem Titel Die Lehrerin. Organ des ADLV 27 (1910/11) – 40 (1923), ab 41 (1924) – 49 (1932) unter dem Titel: Lehrerinnenzeitung. Organ des ADLV; Die Mädchenschule. Zeitschrift für das gesamte Mädchenschulwesen mit besonderer Berücksichtigung der höheren Mädchenschulen (1888 – 1907) und Frauenbildung. Zeitschrift für die gesamten Interessen des weiblichen Unterrichtswesens (1902 – 1923). Obwohl Louise Otto-Peters, die „geistige Mutter“ der deutschen Frauenbewegung, zeitlebens dem vierten Stand im Allgemeinen und den Arbeiterinnen im Besonderen verbunden blieb, erwies sich das Bestreben, die Arbeiterinnen als Subjekte und nicht nur als Objekte von Wohlfahrtsbestrebungen in die Bewegung zu integrieren, als schwierig. Bei der späteren
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Die Organisationen der Frauenbewegung
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Gründung des Dachverbandes der deutschen Frauenbewegung, dem Bund Deutscher Frauenvereine (BDF), wurden die sozialdemokratischen Frauenvereine nicht zum Beitritt aufgefordert. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen für diesen Schritt verdeckten lediglich die Tatsache, dass das Augenmerk der bürgerlichen Frauen im Wesentlichen auf die Probleme der eigenen Schicht konzentriert war, während sich politisch interessierte Arbeiterinnen mehr Unterstützung von der Sozialdemokratie versprachen. Zwei Jahre später begründete Clara Zetkin auf dem Parteitag zu Gotha die Notwendigkeit der Abgrenzung der „proletarischen“ Frauenbewegung von der „bürgerlichen“ und schloss jegliche Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Gruppierungen aus.
2. Die Gründung des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) 1894 1894 gelang mit der Gründung des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) die internationale Einbindung und die organisatorische Einigung der Frauenbewegung. Für Helene Lange war es „das entscheidende Ereignis in der deutschen Frauenbewegung des Jahrhundertendes“. So unbeweglich der Dachverband auch durch den im Programm festgelegten Grundsatz war, sich nur für Ziele einzusetzen, die mehrheitsfähig waren, vermittelte er doch durch seine Bundestagungen, seine Publikationen und seine verschiedenen Kommissionen den Aktivistinnen ein kollektives Selbstbewusstsein und Solidaritätsgefühl. Zur ersten Vorsitzenden des BDF wurde Auguste Schmidt gewählt, die das Amt bis 1899 innehatte. Vorbild für die Gründung des BDF 1894 in Berlin war der National Council of Women in den USA. Von den 34 Gründungsvereinen taten sich besonders der ADF und der ADLV als treibende Kräfte hervor. Anfangs in den Medien kaum beachtet, stießen die Aktionen und Veranstaltungen der Frauenvereine am Ende des Jahrhunderts nun vor allem in der liberalen Presse auf Resonanz. Als der BDF 1904 einen internationalen Frauenkongress in Berlin veranstaltete, berichteten nahezu alle Berliner Zeitungen über dieses Ereignis. Regionale und überregionale Frauenorganisationen verzeichneten in ganz Deutschland einen großen Mitgliederzuwachs. Dem BDF, der im Jahr 1900 70 000 Mitglieder zählte, gehörten 1908 bereits etwa 200 000 Personen an, und für 1918 wurden offiziell 328 000 Mitglieder genannt. Das Anwachsen der Dachorganisation konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei diesem Aufschwung Berufs- und Wohlfahrtsorganisationen dominierten, während der BDF ähnlich wie die „allgemeinen“ Frauenvereine (zum Beispiel der ADF) in die Defensive gegenüber den größeren Berufsverbänden und Fachorganisationen gerieten, die eindeutig definierte Zielsetzungen verfolgten und sich nicht der politischen Neutralität verpflichtet fühlten. Das Wachstum der Frauenorganisationen verstärkte gleichzeitig die Divergenzen. Seit der Jahrhundertwende zeichneten sich innerhalb des BDF ebenso wie in den mitgliedstarken und aktiven Vereinen des ADF und des ADLV immer größere Differenzierungen ab. Die Generalversammlungen
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Der Bund Deutscher Frauenvereine 1894 beschäftigten sich regelmäßig mit Reorganisationsversuchen, um in den immer unbeweglicher werdenden Vereinen den jeweiligen Vorständen mehr Handlungsspielraum und größere Aktionsfreiheit zu verschaffen. Nachdem sich Marie Stritt, die Vorsitzende des BDF von 1899 bis 1910, in Fragen wie dem § 218 und in Fragen der Sexualmoral von der Mehrheitsposition des BDF-Vorstandes entfernt hatte, legte sie 1910 ihr Amt nieder und Gertrud Bäumer wurde auf der Generalversammlung des BDF in Heidelberg 1910 zur Vorsitzenden gewählt. In die Anfangszeit des Bäumerschen BDF-Vorsitzes fiel ein Unternehmen, das in der Erinnerung vieler Aktivistinnen der Frauenbewegung unisono als Durchbruch und Kulminationspunkt für die Frauenbewegung bewertet wurde: Die Ausstellung Die Frau in Haus und Beruf (24. Februar bis 24. März 1912) in den Ausstellungshallen am Zoologischen Garten und der damit in Verbindung stehende Frauenkongress (27. Februar bis 2. März 1912) in Berlin stellten ein herausragendes Ereignis dar, das weit über die der Frauenbewegung nahestehenden Kreise hinaus zur Kenntnis genommen wurde. Dieses Großunternehmen entsprach dem Anliegen von Lange und Bäumer und vieler ihrer Mitstreiterinnen, die Frauenbewegung als eine klassen- und parteiübergreifende Kulturbewegung zu präsentieren. Von Seiten der Frauenvereine wurden alle Kräfte aufgeboten, um eine eindrucksvolle Veranstaltung zu organisieren. Hedwig Heyl zeichnete als Organisatorin für die Ausstellung verantwortlich, Bäumer fungierte in ihrer Eigenschaft als BDF-Vorsitzende als Leiterin des Kongresses. Die Veranstaltung stand unter dem Protektorat der Kaiserin Augusta Victoria (1858 – 1921), der Gattin Wilhelm II. (1859 – 1941, Reg. 1888 – 1918), und wurde in deren Gegenwart feierlich eröffnet. Die deutsche Presse berichtete ausführlich über die Ausstellung und den Kongress. Viele Blätter brachten illustrierte Beilagen, in denen die zahlreichen „Frauen aus allen Teilen des Deutschen Reiches und viele angesehene Gäste aus dem Ausland“ im überfüllten Hauptrestaurant des Zoologischen Gartens zu sehen waren. Eine Schlüsselstellung auf dem Kongress nahm Bäumers einleitender Beitrag zum Thema Die Stellung der interkonfessionellen Frauenbewegung zur Religion ein. Darin trat sie dem „Missverständnis“ entgegen, die Frauenbewegung sei antireligiös und als soziale Bewegung eher auf äußere als auf innere Ziele gerichtet. Sekundiert wurde sie in diesem Bemühen von der Vorsitzenden des 1899 in Kassel gegründeten Deutsch-Evangelischen Frauenbundes (DEF), Paula Mueller-Otfried, die in ihrer Rede den Geist der Nächstenliebe beschwor, der dem Ideal der Frauenbewegung entspräche und der für den engen Zusammenhang zwischen Frauenbewegung und wahrer Religiosität stünde. Bertha Pappenheim, die Vorsitzende des 1904 gegründeten Jüdischen Frauenbundes (JFB), stellte fest, dass die jüdische Frau durch ihre Tradition und Sozialisation geradezu berufen sei, ihre Fähigkeiten nicht nur der eigenen Religionsgemeinschaft, sondern auch der „allgemeinen Frauenbewegung“ zur Verfügung zu stellen. Selbst Hedwig Dransfeld, die Vorsitzende des dem BDF nicht angeschlossenen Katholischen Frauenbundes, der 1903 gegründet worden war, deutete vorsichtig mögliche Gemeinsamkeiten zwischen katholischen und nichtkirchlichen Vereinen an. Stadt und Universität erwiesen durch Grußworte zu Kongressbeginn ihre Reverenz, und am Ende der Veranstaltung wurden die Frauen
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Öffentlichkeitswirksame Aktionen
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Die Organisationen der Frauenbewegung
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im Reichskanzlerpalais von Theobald von Bethmann Hollweg (1856 – 1921) und mehreren Ministern empfangen. Gertrud Bäumer war es durch geschickte Verhandlungen unter dem Motto „Keine Agitation, keine Provokation, keine Parteiungen“ gelungen, auch Kreise für die Mitarbeit zu gewinnen, die dem BDF sonst fern standen. Unter den 87 am Kongress teilnehmenden Verbänden befanden sich auch der Vaterländische Frauenverein, mehrere Vereine des Roten Kreuzes und zahlreiche katholische Verbände. Die „Geschlechtssolidarität der Frauen“ hatte sich – mit Ausnahme der Distanz bewahrenden Sozialdemokratinnen – vor aller Welt erwiesen.
3. Die Gründung der konfessionellen Frauenverbände, des Verbandes fortschrittlicher Frauenvereine und des Verbandes Deutscher Hausfrauenvereine DeutschEvangelischer Frauenbund
Verband Deutscher Hausfrauenvereine
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Bäumer hielt als neue Vorsitzende des BDF auf der einen Seite an der Einheit der Frauenbewegung fest und beschwor das Dogma der Unparteilichkeit des Bundes, um auf der anderen Seite die Öffnung des BDF gegenüber konservativen Kreisen, die der Frauenemanzipation prinzipiell ablehnend gegenüberstanden, voranzutreiben. Damit unterstützte sie einen Trend, der sich mit der Aufnahme des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes (DEF) 1908 durchgesetzt hatte. Der DEF verband die soziale mit der Frauenfrage und hatte sich in seiner Satzung festgelegt, „im Sinne des in Gottes Wort geoffenbarten Evangeliums … für die Lösung der Frauenfrage sowie für die wirtschaftliche und soziale Hebung des Volkslebens“ aktiv zu werden. Die Gründung des DEF kann in gewisser Weise als Reaktion der Konservativen auf die im selben Jahr sich separat organisierenden „Radikalen“ gesehen werden, die sich im Verband fortschrittlicher Frauenvereine (VfFV) zusammenschlossen. Dem DEF, der offen gegen das Frauenstimmrecht agierte, wurden anlässlich seines Beitritts zum BDF Sonderkonditionen, u. a. eine hohe Stimmenzahl in den Generalversammlungen des BDF eingeräumt, was zunächst die Position der „Gemäßigten“ entscheidend stärkte. Die Mitgliederzahlen des DEF stiegen bis zum Ersten Weltkrieg kontinuierlich an: 1914 zählte der DEF 134 Ortsgruppen mit 15600 Mitglieder. Ungefähr 60 % bis 70 % der im DEF organisierten Frauen dürften nach Schätzung von Ursula Baumann verheiratet gewesen sein. Der im Mai 1915 vom BDF ins Leben gerufene Verband Deutscher Hausfrauenvereine (der spätere Reichsverband Deutscher Hausfrauenvereine), dem die Gründung vieler städtischer Hausfrauenvereine auf Grund der angespannten Versorgungslage vorangegangen war, vergrößerte dann das Reservoir von Mitgliedern, denen an der Emanzipation der Frauen gar nichts, an der Zementierung der traditionellen Geschlechterrollen jedoch sehr viel lag. Gerade der Eintritt der Hausfrauenvereine entwickelte eine Eigendynamik, der die BDF-Führung nicht mehr entgegensteuern konnte. Am Beispiel der preußischen landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine konnte Barbara Greven-Aschoff aufzeigen, dass diese Gruppen schon vor dem Ausbruch des Krieges einen Eintritt in den BDF debattierten, um „die ganze Stimm-
Weitere Frauenverbände rechtsbewegung unter den Frauen … aus der Welt [zu] schaffen“. Bäumers Vorstellung, durch die Gründung des Verbandes deutscher Hausfrauen die Hausfrauen für die Frauenemanzipation gewinnen zu können, erwies sich als trügerisch. Bereits 1916 arbeiteten die ländlichen Hausfrauenvereine, die Bäumer „zu rein parteipolitischer agrarisch-konservativer Propaganda“ ausgenutzt sah, eng mit dem Verband Deutscher Hausfrauenvereine zusammen und bildeten von diesem Zeitpunkt an eine einflussreiche, antiemanzipatorische Gruppierung im BDF. Das Lavieren zwischen den eigenen und den konservativen Ansichten der neu aufgenommenen Vereine wurde zum Kennzeichen der BDF-Politik unter Gertrud Bäumer, die den Verband bis 1933 prägen sollte. So wie im BDF antiemanzipatorische Stimmen immer wieder deutlich artikuliert wurden, so sensibilisierte die Politik des BDF-Vorstandes jedoch auch die den ideellen Zielen der Frauenbewegung eher fernstehenden Frauengruppen für Fragen der Frauenemanzipation. Diejenigen Mitglieder im BDF, denen die Rücksichtnahme auf die konservativen Verbände zu weit ging, schlossen sich 1899 in dem Verband fortschrittlicher Frauenvereine (VfFV) zusammen. Viele der dort vertretenen Vereine hielten jedoch weiterhin ihre Mitgliedschaft im BDF aufrecht. 1907 trat dann der VfFV geschlossen dem BDF bei. Dadurch wurde eine klare Spaltung der Frauenbewegung vermieden. Es erfolgte eher eine Atomisierung als eine Polarisierung der Kräfte. Fünf Jahre nach der Gründung des BDF bröckelte die „Einheitsfront“ der Frauenbewegung bereits wieder ab, ohne dass sich neue organisatorische Machtzentren durchsetzen konnten. Den „Radikalen“ erschien die Mischung aus Petitionen und Selbsthilfeprojekten in Verbindung mit der Suche nach Unterstützung durch liberale Kreise zu zaghaft. Ohne Rücksicht auf die männlich dominierte öffentliche Meinung äußerten sie sich dezidiert zum politischen Tagesgeschehen und platzierten weitergehende Forderungen nach Frauenstimmrecht, einer neuen Sexualethik und der rechtlichen Gleichstellung der Frau in der Öffentlichkeit. Damit prägten sie letztlich auch den BDF, der gezwungenermaßen Themen übernahm, um sie gewöhnlich „ausgewogener“ und „objektiver“ zu behandeln. Der BDF verstand sich als „interreligiöser“ Verband, der die Konfessionsangehörigkeit seiner Mitglieder als deren Privatangelegenheit verstanden wissen wollte. Der Gründung separater konfessioneller Frauenverbände stand er äußerst skeptisch gegenüber. Dennoch sollte die 1899 erfolgte Gründung des DEF bald Nachahmer finden. 1903 wurden der Katholische Frauenbund Deutschlands (KFD) und 1904 der Jüdische Frauenbund (JFB) ins Leben gerufen. Diese beiden konfessionellen Frauenverbände suchten ähnlich wie der DEF ihre Vorstellungen von der angemessenen Stellung der Frau in der Gesellschaft und in der Ehe aus der Gemeinde heraus und unter Berücksichtigung religiöser Vorschriften zu entwickeln. Die Katholikinnen sahen sich durch die religiösen Grundsätze über die Stellung der Geschlechter in der katholischen Kirche festgelegt und standen als katholische Organisation dem protestantisch geprägten BDF distanziert gegenüber. Ein Eintritt in den BDF kam für den Katholischen Frauenbund nicht in Frage, obwohl vermutlich viele Katholikinnen gerade im Süden Deutschlands durch die Mitgliedschaft in nichtkonfessionellen Frauenvereinen über diese Ein-
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Verband fortschrittlicher Frauenvereine
Katholischer Frauenbund Deutschlands, Jüdischer Frauenbund
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Die Organisationen der Frauenbewegung
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„Gemäßigte“ und „Radikale“
Neue Berufsfelder für Frauen
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bindung dem BDF angehört haben dürften. Jüdinnen waren bereits in den nicht konfessionell gebundenen Frauenvereinen in hoher Zahl aktiv. Der in Berlin gegründete JFB war äußerst erfolgreich, er soll etwa ein Viertel aller über dreißigjährigen jüdischen Frauen als Mitglieder gewonnen haben. Der JFB setzte sich besonders für das Wahlrecht von Frauen in den jüdischen Gemeinden ein und versuchte, bei der Mitarbeit in der Frauenbewegung die jüdische Identität seiner Mitglieder zu bewahren. Zwei Entwicklungen kennzeichneten die Frauenbewegung in den Jahren zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg: Wichtige Schritte auf dem Weg zur Emanzipation der Frauen wurden im Bereich des Bildungs- und Berufswesens erreicht, während die Bewegung auseinander fiel, sich in „Radikale“ und „Gemäßigte“ spaltete und sich in immer mehr eigene Ziele verfolgende Berufsorganisationen separierte. Mit der Forderung nach Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frau bei Ablehnung aller formalen Gleichmacherei, die den „Wesensunterschied“ zwischen den Geschlechtern zu verwischen drohte, hatten die „Gemäßigten“ einen weniger Aufsehen erregenden, gleichwohl erfolgversprechenden Weg eingeschlagen. Auf Grund ihrer höheren gesellschaftlichen Akzeptanz stellten diese Frauen eine weitaus größere Herausforderung für die Gegner und Gegnerinnen der Frauenemanzipation dar als die „Radikalen“ (Ute Planert). Bürgerliche Frauen eroberten sich immer mehr Berufsfelder. Beachtliche Veränderungen zu Gunsten von Frauen waren auf dem Gebiet der Schulreform, wenn auch von Rückschlägen begleitet, zu verzeichnen. Die Zulassung der Frauen zur Universität erfolgte 1908 schließlich auch in Preußen, und im selben Jahr ebnete der Erlass des Reichsvereinsgesetzes den Frauen den Weg in die politischen (Männer-)Parteien. Wie unter einem Brennglas fokussierte die Rubrik Zur Frauenbewegung in der Zeitschrift Die Frau die euphorische Aufbruchsstimmung jener Jahre. Trotz aller Barrieren und Misserfolge zeigten die kurzen Meldungen summa summarum einen positiven Trend. Im Augustheft des Jahres 1908 wurde unter anderem über die Vorbildung der anwachsenden Zahl von Studentinnen an deutschen Universitäten berichtet. In Greifswald, so konnte man lesen, sollten Oberlehrerinnenkurse eingerichtet werden, und die städtische höhere Handelsschule in Hannover hatte die Zulassung von Frauen beschlossen. In Berlin wurde eine Assistenzärztin bei den städtischen Irrenanstalten beschäftigt, der Verband Deutscher Journalisten und Schriftsteller hatte zum ersten Mal eine Frau in sein Büro gewählt. Preußen hatte die fünfte Gewerbeinspektionsassistentin eingestellt, und die Zahl der Berliner Rechtsanwaltsgehilfinnen hatte sich seit 1895 nahezu verdoppelt. Der sich bei der Lektüre dieser Informationen aufdrängende Eindruck, Frauen würden sich langsam aber sicher in der Gesellschaft immer mehr Terrain erobern, war von den Herausgeberinnen sicherlich intendiert. Die Veranstaltungen und die Publikationen der Frauenorganisationen, um die Jahrhundertwende kaum zur Kenntnis genommen oder bestenfalls belächelt, erfreuten sich nun zunehmender Aufmerksamkeit. Die Anhängerschaft wuchs ebenso wie die Zahl der Gegner, die sich sogar organisieren zu müssen glaubten und 1912 den Deutschen Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation gründeten.
Weitere Frauenverbände Deutscher Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation 1912 wurde der Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation gegründet, der die männliche Dominanz auf allen Ebenen sichern wollte. Er lehnte das Frauenwahlrecht ab, wollte weibliche Erwerbstätigkeit auf typische Frauenberufe festgelegt sehen und lehnte gleiche Bildungschancen für Frauen und Koedukation ab. Der Bund entstand als Reaktion auf die Erfolge der Frauenbewegung. Die Mitglieder des Bundes rekrutierten sich zum größten Teil aus adelig-bürgerlichen Kreisen, dem neuen Mittelstand und Lehrern und waren zumeist in deutschnationalen und völkischen, antisemitischen Organisationen verankert. Circa ein Viertel der Mitglieder waren Frauen.
Helene Lange sah ihre Politik der kleinen Schritte, der Selbsthilfeprojekte, bestätigt. Von ehemaligen Mitkämpferinnen der ersten Stunde wie Minna Cauer und Jeanette Schwerin, rückte Lange immer deutlicher ab. Solange die Frau den ihr in der Gesellschaft zustehenden Platz nicht durch eigene Leistungen für das Gemeinwohl erreicht hatte, gerieten für Lange Frauenorganisationen wie der Berliner Verein Frauenwohl, der die Forderung nach gesetzlicher Gleichstellung der Frau in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellte, in Gefahr, „einem bloßen Formalismus zu verfallen“. Lange sah die Entwicklung zwangsläufig auf die politische Gleichberechtigung der Frau hinauslaufen. Dem Elitegedanken des Bildungsbürgertums verhaftet, hielt sie gar nichts davon, die Frauenbewegung in eine Massenbewegung umzuwandeln. Wenn das Endziel der Frauenbewegung einmal erreicht sei, schrieb sie 1904, „so wird es kein führendes Geschlecht mehr geben, sondern nur noch führende Persönlichkeiten“. Ihre Forderung lautete nicht: Recht auf Bildung für alle Frauen, sondern sie verlangte für jede Frau die (Aus)Bildung, die sie für ihren Lebenskreis benötigte. Das Recht auf Selbstverwirklichung im Sinne der Aufklärung stand nur den Besten zu. Von den Fraktionierungen innerhalb der Frauenbewegung zeigte sich Lange nicht überrascht. Ihr Realitätssinn ließ sie schon 1894 bei der Gründung des BDF darauf hinweisen, dass es keinen Grund gäbe anzunehmen, dass „die Frauen als solche untereinander einiger sein [sollten] als die Männer, nur weil sie Frauen waren“. Bloße Anpassung an die kritisierte Männerwelt hielt sie für den verkehrtesten Weg. In diesem Zusammenhang favorisierte sie die „Mütterlichkeit“ der Frauen, die ihren weltverbessernden Kultureinfluss in der Familie und in der Öffentlichkeit geltend machen sollten. Lange selbst setzte persönlich ihre Hoffnungen dabei nicht auf die Hausfrauen und Mütter, sondern auf die wirtschaftlich unabhängigen, berufstätigen Frauen, die „Frauen der Tat“. Die Tendenz der Differenzierung setzte sich in der Frauenbewegung in der Weimarer Republik weiter fort. Der BDF wurde in seiner Ausrichtung konservativer, die proletarische Frauenbewegung durch die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) weiter zersplittert. In ihrem Buch über die Frauenbewegung hat Agnes von Zahn-Harnack 1928 die überregionale Organisationsstruktur der Frauenbewegung in fünf Säulen dargestellt. Dabei nahm sie nur Reichsverbände auf, die sich einer der von ihr genannten fünf Spitzenorganisationen angeschlossen hatten. Die zentrale Position nahm der BDF (1) ein, die zweite Position sprach sie dem 1926 gegründeten Deutschen Akademikerinnenbund (2) zu. Die dritte Gruppe stellte diesem Schema nach die Arbeitsgemeinschaft deutscher Frauenberufs-Verbände (3) dar, an vierter Stelle stand die Vereinigung evangelischer
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Zunehmende Differenzierung der Frauenbewegung
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Die Organisationen der Frauenbewegung
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Frauenverbände Deutschlands (4). Am Rande, ohne Kontakt zu diesen vier Gruppen, hatte Agnes von Zahn-Harnack auch noch den Katholischen Frauenbund (5) aufgenommen. Ihm waren keine Vereine, sondern nur Einzelmitglieder angeschlossen und somit war der Katholische Frauenbund Deutschlands auch von seiner Organisationsform her etwas Besonderes. So wie diese Darstellung die Sicht der letzten BDF-Vorsitzenden wiedergibt, so macht sie auch deutlich, dass vor allem die Berufsorganisationen gegenüber den allgemeinen Frauenvereinen, die sich mit „Frauenbewegungsfragen und allgemeinen Kulturaufgaben“ beschäftigten, stark zugenommen hatten. Die rein konfessionellen Vereine bildeten demnach eine Minderheit, wenngleich auch eine nicht geringe Zahl von „allgemeinen“ Frauenverbänden und Berufsorganisationen konfessionell gebunden war. Angedeutet wird, dass sich zwischen dem BDF und dem Deutschen Akademikerinnenbund auf der einen Seite und der Arbeitsgemeinschaft deutscher FrauenberufsVerbände und der Vereinigung evangelischer Frauenverbände Deutschlands auf der anderen Seite in der Weimarer Republik eine Trennung anbahnte. Von 60 aufgeführten Verbänden war lediglich der Reichsverband der Beamtinnen und Fachlehrerinnen in Haus, Garten und Landwirtschaft sowohl Mitglied im BDF wie auch in der Arbeitsgemeinschaft deutscher Frauenberufs-Verbände. Die anderen 59 Verbände gehörten entweder dem BDF und/ oder dem Deutschen Akademikerinnenbund an oder hatten sich der Arbeitsgemeinschaft deutscher Frauenberufs-Verbände und/oder der Vereinigung evangelischer Frauenverbände Deutschlands angeschlossen.
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V. Der Kampf um die politische Gleichberechtigung 1869 Einführung des Frauenwahlrechts im Territorium Wyoming, USA 1876 Hedwig Dohm fordert in ihrer Schrift Der Frauen Natur und Recht das Stimmrecht für Frauen 1891 Die SPD nimmt die Forderung nach dem Frauenwahlrecht in ihr Programm auf 1894 Eröffnung der ersten Frauenrechtsschutzstelle in Dresden 1896 Helene Lange fordert in der Zeitschrift Cosmopolis das Frauenwahlrecht 1902 Gründung des Deutschen Vereins für Frauenstimmrecht (seit 1903: Deutscher Verband für Frauenstimmrecht) 1902 Der BDF nimmt die Forderung nach dem Frauenwahlrecht in sein Programm auf 1904 Gründung der International Woman Suffrage Alliance in Berlin 1905 Der ADF nimmt die Forderung nach dem Frauenwahlrecht in sein Programm auf 1906 Einführung des Frauenwahlrechts in Finnland 1913 Einführung des Frauenwahlrechts in Norwegen 1915 Einführung des Frauenwahlrechts in Dänemark, Island 1917 Einführung des Frauenwahlrechts in Kanada, Niederlanden, Sowjetunion 1918 Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland, England 1919 Einführung des Frauenwahlrechts in Österreich 1920 Einführung des Frauenwahlrechts in den USA 1944 Einführung des Frauenwahlrechts in Frankreich 1945 Einführung des Frauenwahlrechts in Italien 1971 Einführung des Frauenwahlrechts in der Schweiz (im letzten Kanton 1990) (Hier ist der Erhalt des vollen, das heißt des aktiven und passiven Wahlrechts gemeint, zum Teil jedoch mit besonderen Altersgrenzen und Einschränkungen für Frauen)
1. Erste Forderungen nach dem Frauenwahlrecht Wenn die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland auch angestoßen wurde von der Frage nach der Stellung der Frau in der Gesellschaft, so galt der Einsatz der Frauenvereine zunächst vornehmlich der Bildungsfrage. Parallel dazu betätigten sich die Frauen in organisierter Form auf sozialreformerischen Gebieten. Als neue Aufgabengebiete nannte Gertrud Bäumer 1901 in ihrer Darstellung der deutschen Frauenbewegung im Einzelnen die Wohlfahrtspflege, die Sittlichkeits- und Mäßigkeitsbewegung, die Rechtsschutzbestrebungen sowie die Gründung weiterer Berufsorganisationen.
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Der Kampf um die politische Gleichberechtigung
V. Erste Forderungen nach dem Frauenwahlrecht
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Die Frage der politischen Gleichberechtigung wurde in dieser Auflistung nicht explizit genannt. Auch wenn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts andere Themen im Zentrum der Aktivitäten der Frauenbewegung standen, wurde die politischrechtliche Diskriminierung von Frauen durch die Arbeit der Vereine jedoch immer wieder deutlich und damit auch indirekt thematisiert. Offen und direkt gefordert wurde das Frauenwahlrecht in Deutschland bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts jedoch nur von einzelnen Persönlichkeiten. Als das Buch des englischen Philosophen John Stuart Mill (1806 – 1873) mit der Forderung nach dem Frauenwahlrecht unter dem Titel Die Hörigkeit der Frau 1869 in der deutschen Übersetzung von Jenny Hirsch (1829 – 1902) auf den Markt kam, wirkte diese Schrift wie ein Fanal. Bereits ein Jahr später erschienen zu diesem Thema die 14 Briefe Für und wider die Frauen von Fanny Lewald zum selben Thema und durch besonders scharfe Polemik sollten sich schließlich die Texte von Hedwig Dohm auszeichnen, die von ihr in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zur Stellung der Frau verfasst wurden. Alle diese Veröffentlichungen riefen heftige Reaktionen hervor. Hedwig Dohm, die radikale Streitschriften formulierte, jedoch nicht öffentlich auftrat, forderte 1876 in ihrem Buch Der Frauen Natur und Recht dezidiert das Frauenwahlrecht. Frauenwahlrecht Hedwig Dohm: Der Frauen Natur und Recht. Zur Frauenfrage. Zwei Abhandlungen über Eigenschaften und Stimmrecht der Frauen, Berlin 1876, S. 162. Aus ihrer Macht über die Frauen leiten die Männer ihre Rechte den Frauen gegenüber her. … Gesetzlich bestimmen sie alle die Maßregeln, Gebräuche und Ordnungen, die zur Unterdrückung des weiblichen Geschlechts dienen, und nennen diese Arrangements dann einen Rechtszustand. Das Unrecht wird nicht geringer, wenn ein Gesetz es sanktioni[e]rt hat, die Unterdrückung … um so furchtbarer, wenn sie einen universellen, einen weltgeschichtlichen Charakter trägt. Es giebt [sic] kein Recht des Unrechtes. … So lange es heißt: der Mann will und die Frau soll, leben wir nicht in einem Rechts-, sondern in einem Gewaltstaat.
Der von Hedwig Dohm in dieser Schrift formulierte Schlusssatz avancierte zum geflügelten Wort, das Bärbel Clemens als Titel ihrer Arbeit über das Frauenstimmrecht wählte: „Die Menschenrechte haben kein Geschlecht“. Solche Behauptungen galten den meisten Zeitgenossen jedoch bis weit hinein in das 20. Jahrhundert als überzogen und unverständlich. In der politischen Arena sah es nicht viel anders aus. Nur eine einzige Partei trat für das Frauenwahlrecht ein: die Sozialdemokratie. Im Erfurter Programm der SPD von 1891 wurde „allgemeines, gleiches, direktes Wahlund Stimmrecht mit geheimer Stimmabgabe aller über 20 Jahre alten Reichsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts“ gefordert. Seit dieser Zeit galten die Sozialdemokraten in Deutschland als unbestrittene Pioniere bei der Forderung nach dem Frauenwahlrecht. Doch sehr ernst war es der Partei mit dem Frauenwahlrecht nicht. Wie Gisela Bock festgestellt hat, lag das Frauenwahlrecht nur dann im Interesse der Arbeiterbewegung,
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Die Argumentation für das Frauenwahlrecht
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wenn man sich davon auch Unterstützung im Kampf um das Männerwahlrecht versprechen konnte. Bei den liberalen Parteien stieß die Forderung nach dem Frauenstimmrecht ebenfalls auf Ablehnung. In deren Umfeld dürfte Helene Lange die erste gewesen sein, die nicht nur auf dem Papier, sondern in öffentlichen Reden in Köln, Wiesbaden und Berlin 1894 das Frauenwahlrecht verlangte. Laut Gisela Bock hat sie damit öffentlich das Frauenwahlrecht gefordert, bevor 1902 Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann in Hamburg den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht gründeten. Zuvor hatte auch schon die damalige BDF-Vorsitzende Marie Stritt auf dem internationalen Frauenkongress in Brüssel 1897 die Mitwirkung der Frauen bei der Gesetzgebung gefordert, und 1902 verabschiedete der BDF folgende Resolution: „Es ist dringend zu wünschen, daß die Bundesvereine das Verständnis für den Gedanken des Frauenstimmrechts nach Kräften fördern, weil alle Bestrebungen des Bundes erst durch das Frauenstimmrecht des dauernden Erfolges sicher sind.“ Die ältere Forschung fand diese Formulierung so vage, dass sie diese Passage gar nicht als Forderung nach dem Frauenwahlrecht gelten lassen mochte. Die Zeitgenossen stellten sich damals dagegen die Frage: Wie kommen Frauen nur auf die Idee, das Frauenwahlrecht zu fordern? Denn in der Diskussion um das Bürgerrecht ging es bis zu dieser Zeit ausschließlich um die Frage, auf welche männlichen Bevölkerungsgruppen das Wahlrecht ausgedehnt werden sollte. Wie Ute Frevert deutlich macht, gab es bis zur Revolution von 1848/49 nicht einmal einen Begründungsbedarf, mit dem das männliche Politikmonopol hätte gerechtfertigt werden müssen. Der Hinweis auf Tradition und Überlieferung in diesem Bereich schien auszureichen, obwohl das Repräsentationssystem im 19. Jahrhundert entscheidenden Änderungen unterlag. Bürgerrechte waren nun nicht mehr ausschließlich an Grund- und Hausbesitz gebunden, sondern an das Individuum. Während Häuser und Besitz gewöhnlich von den männlichen Familienoberhäuptern vertreten wurden, partizipierten nun Männer an bürgerlichen Rechten, die nicht Hausvorstand waren. Männer bestanden dennoch weiter auf das Monopol der politischen Betätigung und schlossen Frauen davon aus. Als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal galt bald der Militärdienst. Dieser Männern vorbehaltenen Pflicht stand das Wahlrecht gegenüber, auf das nur Anspruch hatte, wer seine staatsbürgerliche Pflicht erfüllte. Da Frauen keinen Militärdienst leisten konnten, hatten sie nach dieser Logik auch keinen Anspruch auf das Wahlrecht.
2. Die Argumentation der Frauenbewegung für das Frauenwahlrecht Ziel der Frauenbewegung war es, „den Kultureinfluß der Frau zu voller innerer Entfaltung und freier sozialer Wirksamkeit zu bringen“ (Programm des ADF). Diese und ähnliche Formulierungen waren unterschiedlich auslegbar. Damit konnte die dezidierte Forderung nach der Gleichberechtigung der Frau gemeint sein, aber auch die Herausstellung der „Gleichwertigkeit“ der
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Der Kampf um die politische Gleichberechtigung
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Stellenwert des Frauenwahlrechts
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Frau und die Eröffnung von weiteren Handlungsspielräumen. Lange, die das Frauenwahlrecht früh gefordert hatte, ging davon aus, dass Frauen dieses Wahlrecht erst einmal auf kommunaler und Länderebene, dann erst auf Reichsebene erkämpfen sollten. Das Frauenwahlrecht war Lange dabei „nicht das Endziel“, wie sie der Frauenstimmrechtsbewegung unterstellte, „sondern nur das formale Mittel zu dem Zweck …, eine spezifisch weiblich geartete Kultur als Einschlag und Ergänzung der männlichen Art auf allen Lebensgebieten zu schaffen.“ Gerade der Vergleich mit den Ländern, die das Frauenwahlrecht bereits eingeführt hatten, machte Lange skeptisch, dass durch diesen Schritt allein ein radikaler Wandel erreicht werden könne. Nur die verantwortliche Mitarbeit der Frauen in den Gemeinden und in staatlichen Institutionen ermöglichte ihrer Meinung nach Schritt für Schritt eine grundlegende Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Denn sie sah die Entfaltung des weiblichen Individuums weniger durch das fehlende Frauenwahlrecht, als durch die ökonomische und technische Entwicklung der Gesellschaft gefährdet. Dieser beide Geschlechter bedrohenden Erscheinung maß sie weit mehr Bedeutung als der fehlenden Gleichberechtigung der Frau zu. Für diese Fehlentwicklung machte sie die einseitig männlich geprägte Kultur verantwortlich. Die Berufung auf die Individualrechte der Aufklärung erschien angesichts der sozialen Probleme der Gegenwart fragwürdig. Der „schematische Begriff der Gleichberechtigung der Geschlechter“ bedurfte laut Lange der Ergänzung. Die Folgen der Industrialisierung hatten ihr deutlich gemacht, „daß der Staat eben tatsächlich nicht eine freie Verbindung ganz gleicher Größen ist, sondern ein organisches Gebilde mit einer vielseitigen Arbeitsteilung, dessen Glieder vielfach ineinander greifen, in Abhängigkeitsverhältnisse untereinander treten, die alle Freiheit dem Ganzen gegenüber illusorisch machen können“. Die kritische Beurteilung der Gegenwart gründete sich im Wesentlichen darauf, dass der Staat und die Familie, die innere und die äußere Politik von Männern nach Männerbedürfnissen gestaltet waren. Darin sah Helene Lange die Ursache allen Übels, das nicht nur die Frauen an der Entfaltung ihrer Persönlichkeit hinderte, sondern die Gesellschaft insgesamt empfindlich einschränkte. Das Recht der Frauen auf Beteiligung in Staat und Gesellschaft wurde in der Frauenbewegung um die Jahrhundertwende mit der Hypothese begründet, dass nur ein wirksameres Eingreifen der Frauen die Kulturentwicklung, „die Höhe der geistigen und sittlichen Leistungsfähigkeit“ des deutschen Volkes, entscheidend und positiv beeinflussen könne (Helene Lange). Die Utopie, Frauen könnten eine bessere Welt schaffen, wenn man(n) sie nur wirken ließe, beflügelte die Bewegung. Nicht in der Angleichung an die Normen und Leistungen der Männer, sondern in der selbstverantwortlichen Entfaltung der eigenen, weiblichen Kräfte lag Langes Ansicht nach die große Chance. Auch die Frauenstimmrechtsvereine, die in wachsender Zahl Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet wurden, verfolgten unterschiedliche Formen des Frauenwahlrechts. Etliche forderten für Frauen das gleiche Wahlrecht wie Männer und plädierten z.B. in Preußen für die Ausweitung des Dreiklassenwahlrechts auf Frauen.
Vor der Nationalversammlung 1919 Frauenstimmrechtsvereine 1902 gründeten Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann in Hamburg den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht. 1903 wurde er in Deutscher Verband für Frauenstimmrecht umbenannt. Dem Frauenstimmrechtsverband gehörten laut Schätzung Kinnebrocks 1906 etwa 1500 Mitglieder (darunter auch Männer) an, die sich um die politische Bildung von Frauen bemühten und deren politische Gleichberechtigung forderten. 1904 wurde unter Beteiligung des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht in Berlin der Weltbund für Frauenstimmrecht (International Woman Suffrage Alliance) gegründet, Augspurg zu dessen Vizepräsidentin gewählt. Nach Einführung des Reichsvereinsgesetzes 1908 entstanden zahlreiche Frauenstimmrechtsvereine in Deutschland, die sich jedoch nicht alle für das allgemeine und gleiche Wahlrecht einsetzten. Im Krieg kam es zu einer Annäherung der verschiedenen Frauenstimmrechtsorganisationen, die sich im März 1916 zum Deutschen Reichsverband für Frauenstimmrecht zusammenschlossen, zu dessen Vorsitzenden Marie Stritt gewählt wurde. Als im Zuge der Novemberrevolution 1918 Frauen das Wahlrecht zugesprochen bekamen, löste sich der Verband 1919 auf.
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3. Politische Aktivitäten von Frauen vor der Nationalversammlung 1919 Bei dem Kampf um die politische Gleichberechtigung der Frau hat sich die Forschung bislang auf die Forderung nach dem Frauenwahlrecht konzentriert und dabei alle Persönlichkeiten und Vereine, die andere Schwerpunkte in ihrer Arbeit setzten oder ein eingeschränktes Wahlrecht forderten, als rückständig gekennzeichnet. Als fortschrittlich und wegweisend galt nur, wer das uneingeschränkte demokratische Frauenwahlrecht forderte. Und selbst Helene Lange, die vielleicht als Erste genau diese Forderung in öffentlicher Rede stellte, wurde gerne in die Rubrik „rückständig“ eingeordnet, da diese Forderung nicht im Mittelpunkt ihrer Arbeit stand. Neben der vorschnellen Einordnung auf unzureichender Quellenlage, die hier zu kritisieren ist, bezeichnet die Forderung nach dem Frauenwahlrecht schließlich auch nur einen kleinen Ausschnitt aus den Bemühungen der Frauenbewegung, politische Gleichberechtigung für Frauen zu erreichen. Der Blick der Frauen- und Geschlechterforschung wurde in diesem Fall sehr stark von einer engen Definition von Politik geleitet, der aus der Politikgeschichte übernommen wurde und als politische Aktivitäten gerne nur die Arbeit von Parteien, Parlamenten und Regierungen gelten lässt. Noch nicht beantwortet ist die Frage, wie sich der Erfolg der programmatischen Forderung nach dem uneingeschränkten Frauenwahlrecht zu der Politik der kleinen Schritte verhielt, die Handlungsspielräume von Frauen erweiterte, ohne die Forderung nach dem Frauenwahlrecht zu erheben oder in den Vordergrund zu stellen. Als ein Beispiel sei hier nur der Bereich Rechtsberatung und Rechtsdiskussion genannt, zu dem Ute Gerhard und Beatrix Geisel erste wichtige Arbeitsergebnisse vorgelegt haben. 1894 wurde in Dresden die erste Frauenrechtsschutzstelle eingerichtet, die kostenlosen Rat für Frauen und Mädchen aller Stände anbot und der ab 1896 Marie Stritt vorstand. 1898 eröffnete Sophia Goudstikker (1865 – 1924), die 1908 als erste Frau beim Jugend- und Strafgericht in München als Verteidi-
Frauenrechtsschutzstellen
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Der Kampf um die politische Gleichberechtigung
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Beteiligung an der Diskussion um das neue BGB
Mitarbeit der Frauen in den Parteien
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gerin zugelassen werden sollte, in der bayerischen Hauptstadt eine Rechtsschutzstelle für Frauen. 1900 erfolgte die Gründung der Zentrale deutscher Rechtsschutzstellen für Frauen. Die Zahl dieser Rechtsberatungsstellen, deren Angebote stark in Anspruch genommen wurden, erhöhte sich bis nach dem Ersten Weltkrieg auf 140. Schwerpunkt der Beratung bildeten familienrechtliche Probleme und Nachfragen zum Arbeits- und Sozialrecht der Frauen. Die Einrichtung der Rechtsberatungsstellen stand in engem Zusammenhang mit dem Rechtsvereinheitlichungsprozess im neu geschaffenen Deutschen Kaiserreich, dem die Gesetzgebungskompetenz für das „gesamte Bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren“ übertragen worden war (Reichsgesetz vom 10. Dezember 1873). Die Beratungen über die Kodifikation des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurden in der Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Der ADF reichte 1876 eine Petition beim Reichstag bezüglich der Stellung der Frau im Familienrecht ein, um die Gleichberechtigung der Frauen zu fordern. Auch der BDF beteiligte sich sofort nach seiner Gründung durch die Einsetzung eines Rechtsausschusses, die Publikation zahlreicher Schriften und die Abhaltung öffentlicher Veranstaltungen intensiv an der Diskussion der seit 1874 erarbeiteten Entwürfe für das BGB. In der Debatte um das neue BGB wurden die Rechte von Ehefrauen, ledigen Müttern und unehelichen Kindern sowie das Scheidungsrecht ausführlich thematisiert – Fragen, die in den Ausschüssen für die Eheberatung, das Ehegüterrecht und für den Gesetzesentwurf über uneheliche Kinder den BDF noch bis zu seiner Auflösung im Jahre 1933 intensiv beschäftigen sollten. Auf seiner Generalversammlung in München 1895 verstärkte der BDF die Agitation gegen den zweiten Entwurf des BGB mit Unterschriftensammlungen, der Verteilung von Broschüren, zahlreichen Veranstaltungen und öffentlichen Protestversammlungen. Mit dem 1896 vom Reichstag verabschiedeten BGB wurde trotz einiger im Sinne der Frauenbewegung erreichten Änderungen hinsichtlich der vermögensrechtlichen Stellung der Ehefrau die herkömmliche Auffassung von der Rollenverteilung in Ehe und Familie im Zivilrecht festgeschrieben. „Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu“, heißt es im § 1354 des BGB. Gegen die „dauernde Bevormundung der Ehefrau und Mutter“ durch den Ehemann hatte die Frauenbewegung vergeblich protestiert. Den zeitgenössischen Schriften zum Thema Frauen und Politik sowie den Publikationsorganen der Frauenbewegung kann man entnehmen, dass es eine Mitarbeit von Frauen in politischen Vereinen und Parteien schon vor 1908 gegeben hatte. Nicht nur in der SPD, auch in den liberalen und konservativen Parteien arbeiteten Frauen mit, vor allem in wenig Aufsehen erregenden, dafür aber in für die Vereine und Parteien umso bedeutenderen Bereichen: im Propagandabereich, bei der Mitgliederwerbung und im Wahlkampf. Sie sorgten für die Verbreitung von Flugblättern und Plakaten, erledigten Büro- und redaktionelle Arbeiten aller Art, gingen von Haus zu Haus, organisierten Vorträge und Versammlungen. Als 1908 mit dem neuen Reichsvereinsgesetz Frauen reichsweit die Vereins- und Versammlungsfreiheit zugestanden wurde, traten Frauen mit hochgespannten Erwartungen in die Parteien ein. Die Frauen mussten da-
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mals allerdings erleben, dass sie nicht umworben wurden, sondern sich eher aufdrängen mussten, und dass ihre Vorstellung von Politik mit der Routine der politischen Vereine wenig gemein hatte. Das Reichsvereinsgesetz 1908 zitiert nach: Rüdiger vom Bruch/Björn Hofmeister (Hg.): Kaiserreich und Erster Weltkrieg 1871 – 1918, Stuttgart 2000, S. 313 – 314.
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Mit dem Reichsvereinsgesetz vom 19. April 1908 wurde eine reichseinheitliche Regelung geschaffen, mit der die bis dahin existierenden unterschiedlichen einzelstaatlichen Regelungen aufgehoben wurden und der Zusammenschluss von Parteiorganisationen auf überregionaler Basis ermöglicht wurde. Das Gesetz erlaubte nun auch Frauen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen und die Teilnahme an politischen Versammlungen. § 1. Alle Reichsangehörigen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine zu bilden und sich zu versammeln. Dieses Recht unterliegt polizeilich nur den in diesem Gesetz und anderen Reichsgesetzen enthaltenen Beschränkungen. Die allgemeinen sicherheitspolizeilichen Bestimmungen des Landesrechts finden Anwendung, soweit es sich um die Verhütung unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer an einer Versammlung handelt. § 2. Ein Verein, dessen Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft, kann aufgelöst werden. … § 3. Jeder Verein, der eine Einwirkung auf politische Angelegenheiten bezweckt (politischer Verein), muß einen Vorstand und eine Satzung haben. Der Vorstand ist verpflichtet, binnen einer Frist von zwei Wochen nach Gründung des Vereins die Satzung sowie das Verzeichnis der Mitglieder des Vorstandes der für den Sitz des Vereins zuständigen Polizeibehörde einzureichen. … § 5. Wer eine öffentliche Versammlung zur Erörterung politischer Angelegenheiten (politische Versammlung) veranstalten will, hat hiervon mindestens 24 Stunden vor dem Beginne der Versammlung unter Angabe des Ortes und der Zeit bei der Polizeibehörde Anzeige zu erstatten. … § 6. Einer Anzeige bedarf es nicht für Versammlungen, die öffentlich bekannt gemacht worden sind; die Erfordernisse der Bekanntmachung bestimmt die Landeszentralbehörde. …
Vor 1908 hatten sich – mit Ausnahme der SPD – die Parteien mit der Frage nach der Mitarbeit von Frauen oder gar deren politischen Gleichberechtigung nicht ernsthaft auseinandergesetzt. Studierte man 1907 die Programme der Parteien rechts von der Sozialdemokratie, so musste man zu der Schlussfolgerung kommen: „Eine Frauenbewegung gibt es in Deutschland überhaupt nicht“ (Elisabeth Altmann-Gottheiner). Konservative Parteien blendeten die Frauenfrage in ihren Programmen aus, nationalliberale sahen die Forderung nach politischer Gleichberechtigung der Frauen als eine spezifisch sozialdemokratische Angelegenheit an. In das Programm der Nationalsozialen war 1896 nur auf Druck von Elisabeth Gnauck-Kühne und gegen den Widerstand Friedrich Naumanns (1860 – 1919) immerhin ein Passus zur Existenz der Frauenfrage aufgenommen worden. Diese bloße
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Unterschiedliche Beurteilung der Mitarbeit in den Parteien
Forderung des Frauenwahlrechts 1917
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Wahrnehmung der Frauenfrage vor 1908 trug dazu bei, dass die Mehrzahl der führenden Frauen, die im BDF aktiv waren, der Naumannschen Partei den Vorzug gaben. Trotz dieser frustrierenden Erfahrungen lehnte der BDF allzu provozierende oder gar gewalttätige Aktionen zu Gunsten des Frauenwahlrechts kategorisch ab. Zwar wurde in den Frauenzeitschriften ausführlich von den Aufsehen erregenden militanten Demonstrationen der Women’s Social and Political Union (W.S.P.U.), einer Minderheit der britischen Frauenwahlrechtsbewegung, berichtet. Helene Langes Einschätzung, dass diese Aktionen der Sache mehr schadeten als nützten, wird von der Forschung inzwischen bestätigt. Man setzte im BDF auf Aufklärungsarbeit und die Mitarbeit in den Parteien. Damit kam die Führungsschicht des BDF zu völlig anderen Ergebnissen als etwa Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg, die auf Grund des liberaleren Hamburger Vereinsgesetzes seit 1903 Mitglieder der Freisinnigen Volkspartei waren und sich bereits 1907 enttäuscht von der Parteienpolitik abgewandt hatten. 1918/19 sollten sie in München ihre Mitarbeit Kurt Eisner (1867 – 1919) nur unter der Bedingung anbieten, nicht einer Partei beitreten zu müssen. Helene Lange dagegen setzte auf eine Doppelstrategie: Sie hoffte, dass Frauen auch als aktive Parteimitglieder in einer parteipolitisch weitgehend neutralen Frauenbewegung verankert bleiben würden. Während Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg in der Mitarbeit von Frauen in den Parteien um diese Zeit nur mehr eine Zersplitterung der Kräfte sahen, veranschlagte Helene Lange den Gewinn, den Frauen aus der Mitarbeit in den Parteien ziehen konnten, weit höher als die Verluste, die der Frauenbewegung dadurch drohten. Auf demselben Weg, wie die Frauenbewegung auf dem Gebiet der Mädchenbildung und der weiblichen Erwerbsarbeit vorangeschritten war, sollte nun auch die gleichberechtigte Mitarbeit in der Politik erreicht werden, wo Frauen durch Leistung die Skepsis der Männer aus dem Weg räumen sollten. Nachdem im Herbst 1917 der Kaiser, die Regierung und das Parlament eine politische Neuorientierung in Aussicht gestellt hatten, die unter der „Heranziehung der Kräfte des ganzen Volkes zur freudigen Mitarbeit am Staat“ umgesetzt werden sollte, mahnte die Frauenbewegung die Einbeziehung der Frauen in diese Überlegungen an. Trotz aller Kriegsnöte forderte der BDF im November 1917 in diesem Zusammenhang unmissverständlich das Frauenwahlrecht, das schließlich ein Jahr später vom Rat der Volksbeauftragten im November 1918 eingeführt wurde.
Forderung des Frauenwahlrechts Die Stellung der Frau in der politisch-sozialen Neugestaltung Deutschlands, adressiert an das Königliche Staatsministerium des Innern in München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MInn73626. Am 18. November 1917 verschickte der BDF an Regierung und Parlament im Reich und in den Bundesstaaten eine Denkschrift, die den Titel Die Stellung der Frau in der politisch-sozialen Neugestaltung Deutschlands trug. In der vierseitigen Broschüre wurde eindringlich auf die Leistungen der Frauen im Krieg sowie auf ihre Bedeutung unter volkswirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Gesichts-
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punkten hingewiesen und daraus gefolgert: „Wenn die ,Neuorientierung der inneren Politik ihren Namen verdienen, ihren Sinn auch den Frauen gegenüber betätigen will, so muß sie der gekennzeichneten Lage der Verhältnisse gerecht werden und auch die Frauen an der Arbeit des Staates vollverantwortlich beteiligen. … Die Einbeziehung der Frauen in das aktive Wahlrecht in Gemeinde und Staat ist unerläßlich, um den Einfluß der Frauen im Staat auf der ganzen Breite des tatsächlichen Frauenlebens aufzubauen. … Was sich während des Krieges … von selbst angebahnt hat, bedarf der gesetzlichen Stütze durch eine ,Neuorientierung , die den Frauen zunächst das passive Wahlrecht die Gemeindevertretung … gewährt. … Die Wählbarkeit der Frauen in die Volksvertretung ist nach der Ueberzeugung des Bundes deutscher Frauenvereine die Form, die auf die Dauer die einzige sichere Gewähr dafür bietet, dass den Angelegenheiten der Frau und dem Lebenskreis der Mütter in Gesetzgebung und Verwaltung genügend Beachtung gezollt wird.“ ,
Was letztendlich den Ausschlag für die damalige Einführung des Frauenwahlrechts gab, ist bis heute umstritten. Eine Rolle mag in diesen turbulenten Tagen im Rat der Volksbeauftragten die allgemeine Erwartung gespielt haben, dass das Frauenwahlrecht vor allem die SPD stärken werde. Ute Rosenbusch macht darauf aufmerksam, dass die deutsche Gesellschaft mental auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf das Frauenwahlrecht vorbereitet war. Denn das stellte in den Augen der meisten eine solch große Bedrohung der öffentlichen Ordnung dar, dass man nicht einmal minimale Zugeständnisse auf kommunalen Sektor machen wollte. Selbst der Kriegseinsatz der Frauen und Frauenorganisationen führten nach Rosenbuschs Meinung diesbezüglich zu keinem Meinungsumschwung. Dagegen postulieren Historikerinnen wie Gisela Bock, dass die Aktionen der Frauenbewegung sehr wohl der Gewährung des Frauenwahlrechts durch den Rat der Volksbeauftragten vorbereitet hätten. Nachdem Clara Zetkin, als Kriegsgegnerin auch innerhalb der SPD isoliert, 1917 zur USDP übergetreten war, wurde eine Zusammenarbeit der „feindlichen Schwestern“ aus der SPD und der deutschen Frauenbewegung, die seit Beginn des Ersten Weltkrieges im NFD schon erprobt worden war, weiter erleichtert. Marie Juchacz (1879 – 1956) konnte die Mehrheitssozialdemokratinnen dafür gewinnen, mit dem Deutschen Reichsverband für Frauenstimmrecht und dem BDF in dieser Frage zu kooperieren. Der BDF und sozialistische Frauen unternahmen 1917 und 1918 gemeinsame Aktionen zur staatsbürgerlichen Gleichstellung der Frauen. Dadurch wurde der Forderung nach dem Frauenstimmrecht im liberalen wie im sozialistischen Lager erfolgreich Nachdruck verliehen, so dass es nach Meinung dieser Autorinnen auch ohne die Revolution von 1918/19 früher oder später zur Durchsetzung des Frauenwahlrechts gekommen wäre. Was auch immer den Rat der Volksbeauftragten dazu bewogen haben mag, den Frauen 1918 das Wahlrecht zu verleihen: Sicher ist, dass Deutschland mit der Einführung des Frauenwahlrechts 1918 zur Avantgarde in Europa gehörte: Dänemark, Island, die Niederlande, die Sowjetunion, England und das Deutsche Reich verliehen den Frauen während oder kurz nach dem Ersten Weltkrieg das Wahlrecht. Die Französinnen sollten das Wahl-
Gründe für die Einführung des Frauenwahlrechts
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recht erst 1944 erhalten. In Belgien und Italien wurden Frauen im Wahlrecht erst nach dem Zweiten Weltkrieg gleichgestellt, in Spanien und Portugal erst in den 1970er Jahren. Mit der Einführung des Frauenwahlrechts wurde weder die Gesellschaft noch die Geschlechterordnung grundlegend revolutioniert, wie sich bald zeigen sollte. Es bot aber die Grundlage für die Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft und versprach Frauen nun auf der parlamentarischen Ebene Einflussmöglichkeiten. Es war nicht die vom BDF erwünschte evolutionäre, sondern eine revolutionäre Entwicklung, die den Frauen im Deutschen Reich das Wahlrecht bescherte. Der BDF war auf diese Situation vorbereitet und reagierte schnell. In seinen Richtlinien für die Wahlwerbearbeit vom 20. November 1918 machte er den Frauenvereinen strengste politische Neutralität zur Pflicht. Die Frauen warben für die Teilnahme an den Wahlen, veranstalteten Vortragsreihen und verteilten Flugblätter, Werbebroschüren und Plakate, darunter auch die 10 Gebote zum Frauenwahlrecht.
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10 Gebote zum Frauenwahlrecht Agnes von Zahn-Harnack: Die Frauenbewegung. Geschichte, Probleme, Ziele, Berlin 1928, S. 318 – 319. I.
Du sollst aus dem unerwarteten und schweren Recht, als Bürgerin zu wählen, eine gewissenhaft erfüllte Pflicht machen. II. Du sollst nicht aus falscher Vornehmheit oder aus einer engen Vorstellung von ,Weiblichkeit glauben, dass dich die ganze Sache nichts anginge. III. Du sollst nicht der guten alten Zeit nachtrauern, in der die Frauen es ,soviel leichter hatten, sondern du sollst dich fest und freudig auf den Boden der Gegenwart stellen. IV. Du sollst dich erprobten geistigen Führern unterordnen; auch das gleiche Wahlrecht schließt die Achtung vor Autorität nicht aus. V. Du sollst die hohen Ideale von Frauenanmut und Frauenwürde nicht töten und zu Grabe tragen, sondern sie in der neuen Zeit neu gestalten. VI. Du sollst dich für eine Partei entscheiden und sie nicht ohne Not verlassen; über ihre Schwächen sollst du hinwegsehen, wenn du mit ihrer Grundrichtung übereinstimmst. VII. Du sollst mit der Politik weder dir noch anderen die Zeit stehlen, aber sie auskaufen, damit du zu einer selbständigen Überzeugung kommst. VIII. Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen gegen die Männer und Frauen, die zu einer anderen Partei als du selber gehören, aber auch jede Verleumdung der eigenen Partei kräftig abwehren. IX. Du sollst den Mut der Überzeugung, aber nicht den Eigensinn des Fanatismus haben. X. Du sollst in der Politik nicht begehren deines Nächsten Recht, Besitz oder Ehre, auch nicht deine eigene Ehre suchen, sondern du sollst deinen Willen und deine ganze Kraft nur auf das Wohl deines Vaterlandes richten. ,
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VI. Der Kampf um bessere berufliche Bedingungen und erweiterte Berufschancen 1898 1903 1906 1907
Der BDF richtet eine Kommission für Arbeiterinnenschutz ein Gründung des Kaufmännischen Verbandes für weibliche Angestellte Gründung des Verbandes der Studentinnenvereine Deutschlands Der ADF richtet in Frankfurt am Main die Auskunftsstelle für die Gemeindeämter der Frau ein 1916 Gründung des Frauenberufsamtes im BDF 1926 Gründung des Deutschen Akademikerinnenbundes (DAB)
1. Frauenarbeit – „Arbeit aus Liebe“? Als Robert Wilbrandt (1875 – 1945) 1902 im von Helene Lange und Gertrud Bäumer herausgegebenen Handbuch der Frauenbewegung die „gegenwärtige Lage der Frauenarbeit in Deutschland“ beleuchtete, stand er einerseits unter dem Eindruck der rasanten Zunahme der Frauenerwerbsarbeit in absoluten Zahlen, andererseits waren nach der Berufszählung von 1895 neben 15,5 Millionen Männern nur 6,5 Millionen Frauen berufstätig. Diesen großen Unterschied im Verhältnis von männlicher zu weiblicher Erwerbstätigkeit erklärte der Autor damit, dass der Frau der Beruf im Allgemeinen nicht so viel bedeute wie dem Mann, da doch der eigentliche „Lebensberuf“ einer Frau die Rolle als „Gattin, Mutter und Hausfrau“ bliebe, auf den Frauen ihr Streben ausrichteten, gleichgültig, ob sie diese Rollen jemals einnehmen könnten oder nicht. In seiner Darstellung, die eine systematische Übersicht über die Frauenerwerbsarbeit gibt und dabei der Frage nachgeht, welche Berufe für Frauen mehr und welche weniger geeignet seien, zeigte Wilbrandt auch auf, dass die Berufsstatistiken, die die Grundlage seiner Darstellung lieferten, eine Form der Arbeit unsichtbar machen: die Familien- und Hausarbeit. Berücksichtige man den volkswirtschaftlichen Wert dieser Arbeit, so erbrächten Frauen trotz ihrer geringeren Erwerbstätigkeit eine ebenso große volkswirtschaftliche Leistung wie die Männer. Wilbrandt stellte das einfach fest, ohne weitere Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Die Lebenswirklichkeit nahezu aller Frauen gleich welchen Alters war wesentlich von Arbeit bestimmt. Doch wer kein Geld verdiente, galt als nicht arbeitend. Aus diesem Grund zählte die Arbeit des Dienstmädchens, der Köchin, der Wäscherin und der Erzieherin in dem Augenblick nicht mehr als Arbeit, in dem sie von der unbezahlten Ehefrau, Tochter, Schwester oder anderen (in der Regel weiblichen) Familienangehörigen verrichtet wurde. Diese Geringschätzung der Haus- und Familienarbeit sowie die gesamtgesellschaftliche Organisation von Arbeit sind maßgeblich verantwort-
Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit
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Der Kampf um bessere berufliche Bedingungen
VI. „Erfindung“ der Hausarbeit
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lich für die Stellung der Frau in der Gesellschaft, aber auch für die Stellung der Frau innerhalb der Familie und in der Ehe. Mit der „ Erfindung“ und der anschließenden Abwertung der Hausarbeit, deren Bezahlung selten gefordert wird, da sie ja volkswirtschaftlich gesehen unbezahlbar sei, wurde die Inferiorität von Frauen auf dem ökonomischen Gebiet festgeschrieben. Der Wandel der Arbeitsorganisation und der Arbeitsverhältnisse spiegelt die Veränderungen der Geschlechterordnungen im 19. und 20. Jahrhundert wider und ist somit ein wichtiger Indikator für die Entwicklung der sozialen Ungleichheit der Geschlechter. Beschrieben haben diesen Prozess mit spitzer Feder Gisela Bock und Barbara Duden. Sie haben gezeigt, wie sich Hausarbeit mit der Entstehung des Kapitalismus entwickelte und unsichtbar gemacht wurde. Hausarbeit im modernen Sinne gab es in der Frühen Neuzeit noch nicht. Aus Kostengründen war die Küche unaufwändig und das Aufräumen, Waschen und Putzen war in den meisten Familien wegen der wenigen Besitztümer und der üblichen Enge der Wohnstätten auch schnell erledigt. Erst zunehmender Wohlstand, die Trennung der Wohnbereiche von den Arbeitsplätzen und neu aufkommende Reinlichkeitsvorstellungen brachten aufwändige Hausarbeiten mit sich. Für diese Arbeiten bekamen Frauen keinen Lohn, da sie ja nichts Verkaufbares produzierten. Stattdessen gewährten ihnen Ehemänner Kost und Logis. Dieser Tausch Arbeit gegen Unterhalt wurde „fortan als Erscheinungsform von Liebe definiert, gegenüber der außerhäuslichen, Gehalt einbringenden Arbeit des Mannes“ (Gisela Bock/Barbara Duden). Die Industrialisierung, so die These von Bock und Duden, beruhte in hohem Maße auf der „Schaffung, Verallgemeinerung und Institutionalisierung der Hausarbeit“. Kapital und männliche Arbeiter hatten hier gemeinsame Interessen und schufen mit der Erfindung der Hausarbeit eine entscheidende Voraussetzung für das Modell der Ernährerfamilie, das sich im 19. Jahrhundert vom Bürgertum aus auch in die unteren Schichten durchsetzen sollte. Hausarbeit John Kenneth Galbraith: Wirtschaft für Staat und Gesellschaft, München, Zürich 1974, S. 51. Die Verwandlung der Frauen in eine heimliche Dienerklasse war eine ökonomische Leistung ersten Ranges. Diener für niedere Arbeiten konnte sich nur eine Minderheit der vorindustriellen Gesellschaft leisten; im Zuge der Demokratisierung steht heute fast dem gesamten männlichen Bevölkerungsanteil eine Ehefrau als Dienerin zur Verfügung.
Um die Jahrhundertwende war die Erledigung von unbezahlter Hausarbeit durch Frauen bereits so etabliert und akzeptiert, dass sich selbst die Frauenbewegung weitgehend darauf konzentrierte, die Vereinbarung beider Arbeitswelten für Frauen möglich zu machen. Fragen nach Beschleunigung, Rationalisierung und Erleichterung der Hausarbeit beherrschten das Feld, die Aufteilung der Haus- und Erziehungsarbeit zwischen den Geschlechtern war dagegen kein Thema.
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Arbeitsmarktentwicklung und Strukturmerkmale
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2. Arbeitsmarktentwicklung und Strukturmerkmale von Frauenarbeit Die in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts einsetzende Industrialisierung veränderte die Arbeitswelt von Frauen und Männern entscheidend. Diese Veränderungen sollten bis in die jüngste Gegenwart Maßstäbe setzen. Ute Frevert stellt heraus, dass die weibliche Erwerbsquote zwischen 1882 und 1980 im Deutschen Reich beziehungsweise im Gebietsstand der Bundesrepublik Deutschland lediglich zwischen 30,2 % (1970) und 36,1 % (1939) schwankte. In den Jahren von 1882 bis 1933 lag die niedrigste weibliche Erwerbsquote 1895 bei 31,2 %, die höchste 1925 bei 35,6 %. Die überwiegende Mehrheit der Frauen arbeitete noch bis kurz nach 1900 in der Landwirtschaft. Den dortigen harten Arbeitsbedingungen wie den ungesicherten Arbeitsverhältnissen als Dienstboten in Privathaushalten entronnen bis 1933 immer mehr Frauen in die Fabriken oder in den anwachsenden Dienstleistungssektor. Im Zuge der Urbanisierung boten Fabriken, Büros und Banken, Warenhäuser und Kontore in den Städten attraktive berufliche Alternativen, die körperlich weniger anstrengende Tätigkeiten, geregelte Arbeitszeiten und höhere Verdienste versprachen. Aus diesem Grund sank der Anteil der in der Landwirtschaft beschäftigten Frauen von 61,4 % (1882) auf 40,5 % (1933), der Anteil der in der Hauswirtschaft erwerbstätigen Frauen von 18 % (1882) auf 10,5 % (1933). Der Anteil der weiblichen Erwerbspersonen in Industrie und Handwerk stieg dagegen von 12,8 % (1882) auf 23,6 % (1933) an, im Bereich der Dienstleistungen von 7,7 % (1882) auf 25,4 % (1933). Frauenerwerbsarbeit Lily Braun: Die Frauenfrage. Ihre geschichtliche Entwicklung und ihre wirtschaftliche Seite, Leipzig 1901 (Nachdruck Berlin, Bonn 1979), S. 555.
Strukturelle Veränderungen der Frauenerwerbsarbeit
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Wir wissen, dass die Lohnarbeit der Frau … in ihrer gegenwärtigen Form ein Produkt der großindustriellen Entwicklung ist. Ihre Tendenz geht mit unverrückbarer Sicherheit dahin, das weibliche Geschlecht mehr und mehr dem Bannkreis des Hauses zu entziehen, und den Erwerbszwang in steigendem Maße auf alle Frauen, auch auf die verheirateten, auszudehnen. Als die traurigen Resultate dieses Zustandes haben wir die Degeneration der Frauen, wie sie sich in der Abnahme ihrer mütterlichen Kräfte, der Fähigkeit, gesunde Kinder zur Welt zu bringen und sie zu nähren … kennen gelernt. Und als unausbleibliches Korrelat der Lohnarbeit der Frauen ist uns die Prostitution entgegengetreten. So wenig sie an sich eine neue Erscheinung ist, in dieser Form und Ausdehnung, als Mittel des Erwerbes eines supplementären Lohnes für ganze Schichten der Arbeiterinnenklasse ist sie, wie die moderne Frauenarbeit selbst, das Ergebnis der kapitalistischen Produktionsweise.
Die Zeitgenossen sahen in der Zunahme der Frauenerwerbsarbeit also nicht nur das bürgerliche Familienmodell der Ernährerfamilie in Gefahr und sorgten sich um die Gesundheit der Frauen, sondern debattierten am Bespiel der „Frauenfrage“ bald die demographische Entwicklung und Fragen der
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Der Kampf um bessere berufliche Bedingungen
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Forderungen des BDF zum Arbeiterinnenschutz
Sexualmoral. Generell bedenklich schien vielen die Zusammenarbeit von Frauen und Männern in den Fabriken und Büros. Tatsächlich arbeiteten dort nun Frauen neben Männern, doch keineswegs führte dieses Nebeneinander zu einer Angleichung von Frauen- und Männerarbeit oder dem gleichberechtigten Zugang zu diesen Arbeitsplätzen. Denn Frauen wurden nicht nur als Lohndrücker und damit als eine von den Arbeitgebern bevorzugte Konkurrenz gefürchtet, sondern den männlichen Arbeitnehmern war es auch wichtig, neben dem Lohngefälle durch die Hierarchisierung der Arbeitsplätze auch eine klare Trennung von Männerund Frauenarbeit deutlich werden zu lassen. Frauen, die zunächst vor allem in der Textilbranche arbeiteten und erst nach der Jahrhundertwende auch in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, der Papierindustrie, der chemischen und Lederindustrie und in elektrotechnischen Betrieben Arbeit fanden, wurden immer schlechter bezahlt, bekamen monotonere Arbeit unter schlechteren Arbeitsbedingungen zugewiesen und standen gewöhnlich unter männlicher Aufsicht. Der BDF hatte bereits auf seiner ersten Generalversammlung eine Kommission zur Förderung der weiblichen Gewerbeinspektion eingesetzt, die sich mit den Arbeitsbedingungen von Heim- und Fabrikarbeiterinnen auseinander setzte, den Ausbau der Sozialversicherungen für Frauen forderte und die Organisation einzelner Berufsgruppen, z.B. der Kellnerinnen, initiierte. In der BDF-Führung engagierten sich vor allem Jeanette Schwerin und Alice Salomon für die Einführung von Fabrikinspektorinnen und den Arbeiterinnenschutz. Von Anfang an achtete man darauf, die Fürsorge für die Arbeiterinnen mit der Forderung nach mehr Einfluss und besseren Berufschancen für die eigene Klientel zu verbinden. 1897 und 1898 wurden in Berlin und München auf Anregung von Jeanette Schwerin Kurse zur Ausbildung von Gewerbeinspektorinnen eingerichtet, um diese Positionen mit ausgebildeten Personen besetzen zu können. Der Einsatz des BDF für die Arbeiterinnen stimmte in vielen Punkten mit den Forderungen der Sozialdemokratinnen überein, zum Teil arbeitete man auch zusammen. Die BDF-Kommission zur Förderung der weiblichen Gewerbeinspektion, die 1898 in Kommission für Arbeiterinnenschutz umbenannt wurde, forderte die Ausdehnung des aktiven und passiven Wahlrechts zu den Gewerbegerichten auf weibliche Arbeitgeber und Arbeiterinnen, sie setzte sich für die Verlängerung der Pausen und den achtstündigen Arbeitstag, die Ausdehnung der Arbeiterinnenschutzbestimmungen auf die Heimindustrie und die Einführung obligatorischer Fortbildungsschulen für Mädchen ein.
3. Die Berufsberatungs- und -vermittlungsstellen der Frauenbewegung Nachdem der ADLV bereits erfolgreich Stellen im In- und Ausland für Lehrerinnen vermittelte, richtete der ADF 1907 die Auskunftsstelle für die Gemeindeämter der Frau in Frankfurt am Main ein, die sich durch ihre kommunalpolitische Orientierung als besonders erfolgreich erweisen sollte. Sie
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Die Berufsberatungsstellen der Frauenbewegung wurde bis zu ihrer Auflösung 1925 von Jenny Apolant geleitet, die nach dem Ersten Weltkrieg Stadtverordnete wurde. Die Auskunftsstelle arbeitete eng mit den Behörden zusammen und versuchte den Einfluss von Frauen insbesondere auf die Wohlfahrtspolitik zu vergrößern. Frauen arbeiteten in ehrenamtlicher und zunehmend in besoldeter Stellung in der Armen- und Säuglingspflege, Wohnungspflege, als Polizeiassistentinnen, als Schulschwestern und Schulärztinnen und setzten sich für das Gemeindewahlrecht ein, um in den städtischen Kommissionen nicht nur beratend, sondern stimmberechtigt mitarbeiten zu können. 1898 wurde im BDF eine Kommission zur Förderung der praktischen Erwerbstätigkeit und wirtschaftlichen Selbständigkeit der Frau gegründet, die zunächst von Jeanette Schwerin, später von Josephine Levy-Rathenau (1877 – 1921) geleitet wurde. Schon damals wurde in Berlin eine Auskunftsstelle für Fraueninteressen eröffnet, in der berufskundliches Material gesammelt und Berufsberatung geleistet wurde. Dieses Berliner Modell fand bald Nachahmung in anderen Städten. Die Beratungsstellen schlossen sich schließlich unter der Leitung der Berliner Stelle in ein Kartell der Auskunftsstellen für Frauenberufe zusammen. Die Arbeit wurde professionalisiert, indem nun ein Frauenberufsamt des BDF gründet wurde, das die Tätigkeit der Berufsberatungsstellen durch wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Frau und Beruf und den Aufbau einer wissenschaftlichen Bibliothek begleitete. Einen Eindruck von der Tätigkeit des Frauenberufsamtes, die Gertrud Bäumer 1921 als den mit am wertvollsten Teil der Arbeit des BDF bezeichnete, vermittelt das als Band 5 des Handbuchs der Frauenbewegung unter dem Titel Die deutsche Frau im Beruf von Josephine Levy-Rathenau herausgegebene Material. Hier wurden nicht nur Hinweise auf Ausbildungsmöglichkeiten gegeben, sondern auch Frauenberufe vorgestellt und die beruflichen Aussichten für Frauen diskutiert. In den Tätigkeitsberichten des BDF nahm der Bericht des Frauenberufsamtes immer breiteren Raum ein. 1929 wurde deutlich, dass sich in der Landwirtschaft und in der Industrie nicht viel am Status der Frau als ungelernte oder als angelernte Arbeitskraft geändert hatte, lediglich die Bekleidungsindustrie und der Handel boten Frauen bescheidene Aufstiegmöglichkeiten. Auch im öffentlichen Dienst, ob in der Post, bei der Eisenbahn oder den Behörden, stiegen Frauen nur ausnahmsweise in den mittleren Dienst und nur ganz vereinzelt in den höheren Dienst auf. Zumindest waren aber Ausbildungswege festgelegt und neue berufliche Chancen eröffnet worden; so etwa durch die Regelungen der Anstellungsverhältnisse für Theologinnen in Preußen und für Krankengymnastinnen in Sachsen. Zum attraktiven Berufsfeld für Frauen sollte sich bald der Angestelltenbereich entwickeln. Auch auf diesem boomenden Sektor setzte sich die Trennung von Männer- und Frauenarbeitsplätzen fort. In den Büros und im Telegrafen- und Telefondienst wurden immer häufiger Frauen eingestellt, um die neuen Maschinen zu bedienen, während sich die männlichen Angestellten Leitungspositionen im kaufmännischen Bereich und Aufsichtsposten sicherten. Bildlich sichtbar wird das in den bekannten Fotografien aus dem Berliner Fernsprechamt, auf denen man im Vordergrund die jungen Frauen mit Kopfhörern an den Vermittlungsapparaten sitzen sieht, während im Hintergrund Männer stehen, die diese Arbeiten beaufsichtigen und sich Noti-
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Berufsberatung für Frauen
Angestelltensektor
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Der Kampf um bessere berufliche Bedingungen
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Sozialberufe
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zen machen. Vormals angesehene Tätigkeiten an der Kasse oder an den Rechenmaschinen wurden, sobald sie Frauen übernahmen, als „mechanische Arbeiten“ abgewertet. Hatte der männliche Sekretär noch Schönschrift beim Führen der Bücher als wichtigen Ausweis seiner Persönlichkeit gewertet wissen wollen, galten Schreibarbeiten, sobald sie von Frauen übernommen wurden, als „kleine Büroarbeiten“, die, wie der Leipziger Verband der Deutschen Handlungsgehilfen (VDH) 1907 feststellte, „an sich keine größeren Anforderungen an die körperlichen und geistigen Kräfte“ stellten. Auch hier galten Frauen als unerwünschte „Schmutzkonkurrenz“, denen der Berufseinstieg von männlichen Kollegen so schwer wie möglich gemacht wurde. Obwohl viele der weiblichen Angestellten aus ökonomischen Gründen zur Aufnahme einer Berufstätigkeit gezwungen waren, unterstellten ihnen die männlichen Kollegen gerne, lediglich dem häuslichen Müßiggang entfliehen zu wollen. 1889 erschien ein Aufruf an „alle Damen, welche als Kontoristinnen, Kassiererinnen, Verkäuferinnen, Direktricen, Expedientinnen usw. mit festem monatlichen Gehalt angestellt sind“, einen Hilfsverein für weibliche Angestellte zu gründen. Zunächst als (gemischtgeschlechtlicher) kaufmännischer und gewerblicher Hilfsverein für weibliche Angestellte in Berlin gegründet, wurde der Verein 1903 in Kaufmännischer Verband für weibliche Angestellte umbenannt, der Vorsitz des Verbandes wurde nach dem Tod des Gründers Julius Meyer von Minna Cauer übernommen. 1892 gründete der Verband eine eigene Krankenkasse. Vereine für weibliche Angestellte entstanden bald darauf auch in anderen Städten, die zum großen Teil von Frauen gegründet und geleitet wurden. Diese Selbsthilfeorganisationen weiblicher Angestellter boten unentgeltlichen Rechtsschutz, finanzielle Unterstützung für in Not geratene Kolleginnen, forderten bessere Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten und unkündbare Anstellungsverträge. Das Reichsarbeitsblatt für 1907 registrierte im Deutschen Reich insgesamt 312 924 weibliche Angestellte, von denen 17 % in einer Vielzahl von Vereinen organisiert waren. So hatten sich auch die staatlichen Angestellten zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit ähnlichen Zielsetzungen wie der Kaufmännische Verband für weibliche Angestellte zusammengeschlossen und forderten zusätzlich noch die Aufhebung des üblichen Eheverbots für weibliche Staatsangestellte. Die von Ursula Nienhaus untersuchten Post- und Telegraphengehilfinnen gründeten Vereine in Halle an der Saale, Leipzig, Magdeburg, Breslau und Plauen. Bereits 1908 waren 32 % der insgesamt 17 000 weiblichen Angestellten bei der Reichspost organisiert. 1912 schlossen sich diese Vereine zum Verband der deutschen Post- und Telegraphenbeamtinnen zusammen Von den vielen neuen beruflichen Optionen, die als spezifische Frauenberufe galten, sei hier stellvertretend für andere auf den Beruf der Sozialfürsorgerin und Sozialpädagogin hingewiesen. In unmittelbarer Nähe zu der traditionellen karitativen ehrenamtlichen Tätigkeit stehend, entwickelte sich dieser Berufszweig zunächst zu einer unangefochtenen Domäne der Frauen. In Deutschland war es Alice Salomon, die die sozialen Frauenschulen aufbaute. Aus der ehrenamtlichen Arbeit in den Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit kommend, die sie in Berlin seit 1899 leitete,
Die Berufsberatungsstellen der Frauenbewegung gründete Alice Salomon 1908 die Soziale Frauenschule in Berlin, die 1918 in eine staatlich anerkannte und international vorbildgebende Fachschule für Sozialpädagogik und Sozialfürsorge ausgebaut wurde. In diesen Schulen sollten Frauen für die ehrenamtliche Arbeit professionell geschult werden, was ihnen wiederum gleichzeitig den Zugang zur öffentlichen Armenpflege ermöglichen sollte. Gertrud Bäumer eröffnete mit Marie Baum 1916 das Sozialpädagogische Institut in Hamburg, an dem seit 1930 auch Männer offiziell als Schüler aufgenommen werden konnten. Noch 1931 unterstrich Alice Salomon, dass dieser Beruf von ihr und ihren Mitstreiterinnen aus dem Glauben an die besonderen Fähigkeiten der Frau zur sozialen Arbeit heraus geschaffen worden sei. Wie Iris Schröder zeigen konnte, nahmen in der Auskunftsstelle für die Gemeindeämter der Frau Stellenangebote in der besoldeten Wohlfahrtspflege bald breiten Raum ein, während die ehrenamtlichen Tätigkeitsfelder in den Hintergrund traten. Gerade im öffentlichen Dienst eröffneten sich neue und trotz aller diskriminierenden Bestimmungen attraktive Arbeitsfelder für Frauen: Diese Frauenberufe sowie der Anstieg der Erwerbstätigkeit von Frauen rückten nun in das Blickfeld der Öffentlichkeit. 1925 waren 1,7 Millionen mehr Frauen in Vollzeit erwerbstätig als 1907. Das reichte aus, dass sich in der Gesellschaft der Eindruck festsetzte, Frauen hätten die Berufswelt erobert und begännen Männer dort zu verdrängen. Auch wenn 1925 die weibliche Erwerbsquote auf 35,6 % angestiegen war, zeigte sich damals bereits die weit wirksamere Veränderung in der Struktur der Frauerwerbsarbeit. Waren 1907 noch zwei Drittel aller erwerbstätigen Frauen in der Haus- und Landwirtschaft tätig, so stellten sie dort 1931 nur mehr 51 %. Diese traditionell erwerbstätigen Frauen standen in der Weimarer Republik genauso wenig im Rampenlicht der Öffentlichkeit wie die Industriearbeiterinnen, die 1935 18,4 % aller weiblichen Erwerbspersonen stellten. Das Augenmerk richtete sich auf die weiblichen Angestellten, von denen es 1925 ca. 1,5 Millionen gab. Ihr Anteil hatte sich seit 1907 verdreifacht; der Anteil der weiblichen Angestellten bei den erwerbstätigen Frauen war damit von 5 % auf 12,6 % gestiegen. Eine Berufstätigkeit als Angestellte, die körperlich wenig anstrengend war, feste Arbeitszeiten anbot und Freizeit in Aussicht stellte, schien vielen jungen Mädchen ein erstrebenswertes Ziel. Diese Gruppe stellte das Gros der jungen Frauen, die als so genannte Neue Frauen mit moderner Kleidung, Kurzhaarschnitt, einem selbstbewussten Auftreten und einem neuen Lebensstil nach dem Ersten Weltkrieg offen mit der alten Frauenrolle brachen und dadurch viel Aufsehen erregten. Die von der Frauenbewegung besonders beachtete und viel diskutierte Gruppe von Arbeitnehmerinnen bildeten die Akademikerinnen. Nicht wenige der Aktivistinnen der Frauenbewegung zählten zu den Wegbereiterinnen des Frauenstudiums. Sie hatten ihr Studium vor 1908 im Ausland, vornehmlich in Zürich, oder als Gasthörerinnen an deutschen Universitäten aufgenommen. Unter schwierigen Umständen entwickelte sich aus diesen kleinsten Anfängen das Frauenstudium langsam, aber stetig. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte unter den Immatrikulierten bereits ein Anstieg auf 6,6 % Frauen (Sommersemester 1914) verzeichnet werden. Diese steigende Tendenz hielt, nur kurz durch die Inflation unterbrochen,
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Öffentlicher Dienst
Akademikerinnen
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Der Kampf um bessere berufliche Bedingungen
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durchgehend bis 1932 an: Im Wintersemester 1931/32 stieg der Frauenanteil unter den Studierenden auf 18,8 %. Untersucht man deren soziale Herkunft, fällt ins Auge, dass studierende Frauen durchweg aus höheren sozialen Schichten stammten als ihre männlichen Kommilitonen; Arbeitertöchter fanden noch weniger als Arbeitersöhne den Weg an deutsche Universitäten. Auffallend hoch ist der Anteil der Studentinnen, die aus jüdischen Familien kamen. Ihre Zahl nahm seit der Zulassung von Frauen an den Universitäten kontinuierlich zu, ging aber 1933 wegen vielfältiger Diskriminierungen und Schikanen schlagartig zurück. Waren im Sommersemester 1932 im Reich noch 1205 jüdische Studentinnen immatrikuliert, halbierte sich ihre Zahl bis zum Sommersemester 1933 auf 606 (Claudia Huerkamp). Die größere Bildungsnähe der Studentinnen, die sich 1930 noch zu 20 % aus bildungsbürgerlichen Schichten rekrutierten, während die Studenten nur mehr zu 12,5 % aus Familien höherer Beamter und akademisch gebildeter Lehrer stammten, mag zum Teil auch die von der Frauenbewegung immer wieder angeführten besseren Schulund Studienleistungen von Frauen erklären. Trotz massiver Vorbehalte gegenüber dem Frauenstudium, die in zahlreichen Karikaturen und Untersuchungen zur Studienfähigkeit der Frau Niederschlag und Verbreitung fanden, eroberten Frauen die Universitäten. Im Rahmen der allgemeinen Bildungsexpansion hatte sich von 1925/26 bis 1931 die Zahl der Abiturienten fast verdoppelt, wobei der Anteil der männlichen Abiturienten um etwa 66 % gestiegen war, der der weiblichen sich jedoch vervierfacht hatte. Das bedeutete, dass die Mädchen 1931 nahezu ein Viertel der Abiturienten stellten, während sie 1925/26 erst ein Zehntel ausgemacht hatten. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass bei steigender Arbeitslosigkeit Ende der zwanziger Jahre die Diskussion über die „Akademikerschwemme“ und die „Überfüllung der höheren Berufe“ geradezu hysterische Formen annahm. Altbekannte Bedenken gegenüber dem Frauenstudium, wie sie seit der Diskussion über die Zulassung der Frauen zu den Universitäten formuliert worden waren, wurden nun wieder verstärkt angeführt. Die Argumente gegen die Öffnung der Universitäten für Frauen blieben im Wesentlichen dieselben, die am 12. März 1891 im Reichstag zur Ablehnung des Frauenstudiums geführt hatten: die Frau sei für Haus und Ehe bestimmt und die höhere Bildung mache sie zur Erfüllung häuslicher Pflichten untauglich; Frauen hätten nicht die intellektuellen Fähigkeiten für ein Studium; Studieren mache unweiblich und nicht zuletzt machten Akademikerinnen Männern Arbeitsstellen streitig, auf die diese als Ernährer von Familien mehr Anspruch als Frauen hätten. Während die Argumente, die im 19. Jahrhundert gegen die akademische Bildung von Frauen vorgebracht wurden, nahezu stereotyp erhalten blieben, hatte sich das Selbstverständnis der studierenden Frauen kurz nach der offiziellen Zulassung zu den Universitäten, durch die Kriegserfahrung und durch die Pluralisierung der Gesellschaft entschieden geändert. Deutlich empfanden sich Studentinnen in der Weimarer Republik als zweite Generation studierender Frauen, die ihren eigenen Weg erst noch finden musste. Diese Frauen sprachen viel weniger von ungeahnten Möglichkeiten, Dankbarkeit, Berufung und Erfüllung, sondern kritisierten die Verhältnisse an den
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Kontinuitäten des segregierten Arbeitsmarktes Universitäten und thematisierten die nächsten Hürden. Die von Männern geschaffene und dominierte Institution, der schwierige Einstieg in das Berufsleben und die Frage nach der adäquaten Lebensform für Frauen rückten in den Mittelpunkt der Diskussion. Waren die Pionierinnen des Frauenstudiums in der Regel unverheiratet und blieben das oft scheinbar selbstverständlich auch nach dem Eintritt in das Berufsleben, beschäftigten sich ihre Nachfolgerinnen nun mit der Frage nach Heirat und der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf. Der Universitätsbesuch wurde kaum mehr als Privileg betrachtet, gleichzeitig aber sein Nutzen für das Frauenleben zum Teil von den Studentinnen selbst in Frage gestellt. Denn so wie das Abitur nicht automatisch die Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium nach sich gezogen hatte, so wurden mit dem Immatrikulationsrecht keineswegs Frauen zu allen berufsbefähigenden Prüfungen zugelassen. Vor dem Ersten Weltkrieg konnten Frauen ihr Jurastudium nur mit der Promotion abschließen. Sie wurden zwar 1912 in Bayern zum ersten juristischen Staatsexamen zugelassen; das Referendariat und das zweite Examen blieben ihnen jedoch auch dort weiterhin verschlossen. Erst 1922 wurden Frauen nach erbitterten Kämpfen reichsweit als Richterinnen, Staatsanwältinnen und Rechtsanwältinnen zugelassen. Um die Chancen von studierten Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, wurde am 11. Mai 1926 in Berlin der Deutsche Akademikerinnenbund (DAB) gegründet. Der Plan zu dieser Vereinigung war von Marie-Elisabeth Lüders entworfen worden, zur ersten Vorsitzenden des DAB wurde Agnes von Zahn-Harnack gewählt. Der DAB verfolgte das Ziel, „die deutschen Akademikerinnen zur Sicherung des Einflusses und der Geltung der akademisch gebildeten Frauen im deutschen Kulturleben, zur geistigen und wirtschaftlichen Förderung und zur Vertretung ihrer beruflichen Interessen zusammenzuschließen“. Ihm trat unter anderen auch der bereits 1906 ins Leben gerufene Verband der Studentinnenvereine Deutschlands bei. 1927 zählte der DAB 3815 Mitglieder, ein Jahr später bestanden 16 Ortsgruppen, vorwiegend in Universitätsstädten. Der DAB konzentrierte sich in den sieben Jahren seines Bestehens auf die berufliche Unterstützung von Akademikerinnen, knüpfte internationale Kontakte und förderte den weiblichen wissenschaftlichen akademischen Nachwuchs durch Stipendien und die Einrichtung von Tagesheimen für Studentinnen.
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Deutscher Akademikerinnenbund
4. Kontinuitäten des segregierten Arbeitsmarktes Trotz aller Barrieren und Misserfolge und trotz der immer wieder abgelehnten Petitionen, zeigte sich bezüglich der Berufschancen von Frauen zu Beginn des 20. Jahrhundert ein positiver Trend. Die für die Einforderung von höherer Bildung für Frauen erfolgreich angewandte Strategie, die Geschlechterdifferenz zu betonen, schrieb im Arbeitsleben gleichzeitig die Diskriminierung von Frauen fest. Die neuere Forschung hat herausgearbeitet, dass es im Bereich der Fabrikarbeit gerade die von der Frauenbewegung
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Der Kampf um bessere berufliche Bedingungen
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geforderten so genannten Arbeiterinnenschutzgesetze waren, die Frauen massiv benachteiligten. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verfestigte sich das Bild vom Mann als Ernährer seiner schutzbedürftigen und abhängigen Frau und Kinder, und das Modell Ernährer/Hausfrau löste das ArbeitspaarModell der Frühen Neuzeit endgültig ab, in dem es für alle Schichten der Gesellschaft das Grundmodell der sozialen Ordnung lieferte (Karin Hausen). Die Arbeiterin wurde von bestimmten Arbeitsplätzen ferngehalten und durfte am Ende der Schwangerschaft und nachts nicht arbeiten. Alle diese Einschränkungen brachten erhebliche finanzielle Nachteile für die Frauen mit sich und machten aus Frauen Sonderfälle, die zudem staatlich überwacht wurden. Ähnlich wurden im Angestelltensektor und im öffentlichen Dienst besondere Frauenarbeitsplätze festgeschrieben, die – wie auch immer definiert – mit einer schlechteren Bezahlung und einer Unterordnung der Frauen unter männliche Leitung einhergingen. So wurde mit der Ausweitung der Berufsfelder und der Durchsetzung einer Reihe vorgeblich sozialer Errungenschaften für Arbeitnehmerinnen letztlich eine gesetzlich festgeschriebene Diskriminierung in Kauf genommen. Die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes, die heute als ein entscheidender Faktor für ungleiche Berufschancen und die geringere Bezahlung von Frauen gilt, wurde dabei von den meisten Frauenrechtlerinnen noch nicht negativ beurteilt. Sie erhofften sich von der Etablierung „weiblicher Berufe“ im Bildungs- und Sozialbereich eine Aufwertung der Frauenberufstätigkeit und die Festschreibung exklusiver Berufsfelder für Frauen. Die neuen beruflichen Möglichkeiten wurden von der Frauenbewegung begrüßt und gefeiert. Die Schattenseite der anwachsenden Frauenerwerbstätigkeit, die Entstehung eines eigenen Tätigkeitsfeldes „Hausarbeit“, für das die Frau allein zuständig war und das trotz allen technischen Fortschritts durch erhöhte Ansprüche an den gepflegten Haushalt immer mehr Arbeitszeit in Anspruch nahm, wurde von der zum großen Teil noch mit Dienstboten verwöhnten älteren Generation der Frauenbewegung nicht als Problem wahrgenommen. Dass die Mutter die bei Weitem geeignetste Erzieherin ihrer Kinder sei und Kinderhorte nur ein Notbehelf für sozial benachteiligte Familien bleiben sollten, galt ebenso weitgehend unbestritten wie die Einschätzung, dass es nur wenigen Ausnahmefrauen gelingen dürfte, eine anspruchsvolle Berufstätigkeit mit der Mutterschaft zu verbinden. Mädchen und Frauen wurden in der Regel dafür ausgebildet, eine Berufstätigkeit vor der Ehe auszuüben. Im Falle von Ehelosigkeit, früher Witwenschaft oder nach dem Scheitern einer Ehe sollte die Berufsausbildung den Rettungsanker bieten, auf den die Frauen im Notfall zurückgreifen konnten. Das Festhalten an der Geschlechterpolarität und das Beharren auf einem Familiemodell, das schon damals für viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen nicht lebbar war und im Übrigen auch für das Leben einiger führender Vertreterinnen der Frauenbewegung nicht taugte, sollte sich langfristig von einer Erfolgsstrategie zu einer Sackgasse für die berufliche Gleichberechtigung von Frauen entwickeln.
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VII. Frauenbewegung als Sittlichkeitsbewegung 1880 Gründung des Deutschen Kulturbundes 1889 Gründung des Vereins Jugendschutz 1902 Der BDF fordert die Straffreiheit der Prostitution und die Schließung der Bordelle 1905 Gründung des Bundes für Mutterschutz und Sexualreform (BfMS) 1927 Die Prostitution wird an sich straffrei, die Sittenpolizei abgeschafft
1. Frauenbewegung und Sexualität Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte eine Auseinandersetzung über die gesellschaftliche Bedeutung von Sexualität ein, aus der die Sexualreformbewegung entstand. In dieser Diskussion wurden verschiedene gesellschaftliche und ethische Fragen miteinander verknüpft: die demographische Entwicklung, Funktion und Bedeutung von Familie und Ehe, die Prostitution, Abtreibung und Gesundheitsgefährdung, Fragen der Degeneration und der Eugenik. Ausgangspunkt für diese Debatte war das polarisierte Geschlechtermodell, das von diametralen psychischen, körperlichen und intellektuellen Unterschieden von Frauen und Männern ausging. Unterschiede von Frauen und Männern Auszug aus dem Artikel „Geschlechtseigentümlichkeiten“, in: Meyers Großes Konversationslexikon, 6. Aufl. Leipzig, Wien 1905, S. 684.
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Beim Menschen ist der Mann durchschnittlich größer, sein Körper erscheint wegen stärkerer Ausbildung des Skeletts und der Muskulatur gröber, eckiger, während beim Weib … die Formen runder sind. … Das weibliche Becken ist weiter, aber niedriger, woraus eine größere Entfernung der Hüftpfannen und die eigentümliche Stellung der Oberschenkel nach innen, der Unterschenkel nach außen hin folgt. … Daher ist der Gang des Weibes schwankender und der Stand, besonders wegen der Kleinheit der Füße, unsicherer. … Das Nervensystem ist im allgemeinen beim weiblichen Geschlecht reizbarer … Auch psychische Geschlechtseigentümlichkeiten finden sich vor; beim Weibe behaupten Gefühl und Gemüt, beim Manne Intelligenz und Denken die Oberhand; die Phantasie des Weibes ist lebhafter als die des Mannes, erreicht aber selten die Höhe und Kühnheit wie bei letzterem.
Frauen schalteten sich in größerer Zahl unter dem Stichwort Sittlichkeit in die Debatte um Sexualität ein, als mit der Hochindustrialisierung die Prostitution und der damit einhergehende Mädchenhandel unübersehbar zunahmen. Besonders das Aufleben der russischen Pogrome nach 1881 führte zu einem rasanten Anstieg der Prostitution in den westlichen Metropolen. In
Prostitution
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Frauenbewegung als Sittlichkeitsbewegung
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Berlin wurden in den 1890er Jahren 30 000 professionell arbeitende Dirnen gezählt. Insgesamt sollen es in Deutschland 100 000 bis 200 000 gewesen sein, deren Zahl sich vor dem Ersten Weltkrieg auf 330 000 erhöht haben soll. Bordelle waren nach § 180 RStGB (Bestrafung der Kuppelei, wenn sie „gewohnheitsmäßig“ oder „aus Eigennutz“ betrieben wurde) de jure verboten, de facto allerdings toleriert. „Grundsätzlich“ war die Strafbarkeit der Prostitution 1876 auch in § 361,6 RStGB festgelegt worden, allerdings nur, um gleichzeitig die Bedingungen aufzuzeigen, unter welchen „gewerbliche Unzucht“ staatlicherseits reglementiert dann doch tolerierbar war. Der Staat reagierte mit einer Reihe von Reglementierungen, die Prostitution unter eine umfassende Kontrolle stellen sollten, um so die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten verhindern zu können. Dabei ging es nicht um die Beendigung unwürdiger Arbeitsverhältnisse von Frauen, sondern um die Erhaltung der Gesundheit der Freier und deren Ehefrauen. Prostitution galt als unerwünschte, aber nicht abzuschaffende Institution, die von Männern selbstverständlich in Anspruch genommen wurde. Gerade unter jüngeren unverheirateten Männern des Bürgertums gehörte der Bordellbesuch zum üblichen Ritual, mit dem die Männlichkeit unter Beweis gestellt wurde. Der Staat versuchte, die Prostitution auf bestimmte Bezirke zu beschränken, die Prostituierten unter polizeiliche Aufsicht zu stellen und regelmäßigen ärztlichen Kontrollen zu unterziehen. Die Überwachung der Vorschriften wurde von der Sittenpolizei übernommen, die ihre Informationen nicht selten durch Denunziationen erhielt. Die Polizei war dazu befugt, Frauen, die sie der Prostitution verdächtigte, festzunehmen und einer Zwangsuntersuchung zuzuführen. Jede Frau, die ohne Begleitung auf öffentlichen Plätzen und Straßen unterwegs war, lief daher Gefahr, von der Polizei zur Prostituierten erklärt zu werden. Einmal festgenommen und untersucht, wurden sie auch bei offensichtlich falschem Prostitutionsverdacht ohne Entschädigung entlassen. Ihr Ruf war nach einem solchen Vorfall nicht selten ruiniert. Die Gefahr, als Frau jederzeit unter Prostitutionsverdacht geraten zu können sowie die Beobachtung, dass Arbeitsmangel, zu geringe Löhne und Hunger immer mehr Einwanderinnen, Dienstmädchen und Arbeiterinnen in die Prostitution trieben, führten schließlich dazu, dass das Thema Prostitution unter dem Stichwort „Sittlichkeitsbewegung“ zu einem wichtigen Anliegen der Frauenbewegung um die Jahrhundertwende werden sollte. Neben der ökonomischen Not machte man die engen Wohnverhältnisse, die mangelnde Bildung von Frauen, falsche oder fehlende Erziehung und den Zerfall des Familienlebens für das Abgleiten der Frauen in die Prostitution verantwortlich.
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Der Deutsche Kulturbund, der Verein Jugendschutz
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2. Der Deutsche Kulturbund, der Verein Jugendschutz und die deutschen Zweigvereine der Internationalen Abolitionistischen Föderation Eine der ersten Frauen, die in Deutschland das Thema Prostitution aufgriff, war Gertrud Guillaume-Schack (1845 – 1903). Die Tochter des Grafen Alexander Schack von Wittenau lernte in Paris die abolitionistische Bewegung von Josephine Butler (1828 – 1906) kennen. Nach einer gescheiterten Ehe kehrte sie 1879 nach Deutschland zurück und gründete 1880 in Beuthen (Schlesien) den Deutschen Kulturbund, der sich als deutsche Zweigstelle der Internationalen Abolitionistischen Föderation (International Abolitionistic Federation) verstand und sich für die Abschaffung der staatlich reglementierten Prostitution einsetzte. Guillaume-Schack reiste durch das Deutsche Reich, um in öffentlichen Versammlungen für ihr Anliegen zu werben. Als sie 1882 in Darmstadt referierte und dabei die Sittlichkeitspolizei kritisierte, wurde sie zusammen mit der Veranstalterin wegen „groben Unfugs“ angeklagt. Obwohl beide Frauen frei gesprochen wurden, entmutigte dieser Vorfall zunächst viele Frauen, sich mit dem Thema Prostitution zu beschäftigen. Trotzdem wurde 1883 auch ein Berliner Zweigverein des Deutschen Kulturbundes gegründet. Dieser Berliner Zweigverein reichte bereits im Jahr seiner Gründung eine Petition beim Reichstag ein, in der die Doppelmoral der staatlich reglementierten Prostitution, die Frauen kriminalisierte und Freier unbehelligt ließ, angeprangert und die Auflösung der Sittenpolizei gefordert wurde. Die Frauen hielten es für ihre Pflicht, die Abschaffung der reglementierten Prostitution zu fordern, „die jedem göttlichen Gebote und menschlichen Gesetz widerstreitet, Tausende von Frauenleben opfert, … eine Einrichtung, die das Volk irre leitet, die Sittenbegriffe verwirrt, die Frau zur Sklavin des Lasters macht, und die Grundlage aller Ordnung und Sittlichkeit, die Achtung vor dem Gesetz und vor der Frau untergräbt“. Trotz persönlicher Vorsprachen von Gertrud Guillaume-Schack und anderer Frauen aus dem Verein beim Kultus- und Justizminister wurde die Petition abgelehnt. Wegen ihrer zahlreichen politischen Aktivitäten zu Gunsten von Arbeiterinnen wurde Guillaume-Schack 1886 aus Deutschland ausgewiesen und zog nach England. Der Deutsche Kulturbund löste sich daraufhin auf. 1889 gründete Hanna Bieber-Böhm in Berlin den Verein Jugendschutz, um die Sittlichkeitsbewegung wieder voranzubringen. Als Zweck des Vereins nannte § 1 der Satzung: „der Jugend den Schutz zu gewähren, dessen sie dem Leichtsinn, dem Laster und der Grausamkeit gegenüber dringend bedarf, die Unsittlichkeit, welche die Grundlage des Staates, die Familie, an der Wurzel untergräbt, auf das energischste durch Wort und Schrift und durch praktische Maßnahmen zu bekämpfen und das sittliche Pflichtbewusstsein zu wecken und zu fördern“. Um dieses Ziel zu erreichen, errichtete der Verein Heime für alleinstehende Mädchen, bot einen Stellenvermittlung und Rechtsschutz für unbemittelte Mädchen und Frauen an und engagierte sich für den Kinderschutz. 1892 beantragte der Verein beim Berliner Polizeipräsidenten die Anstellung von „Polizeimatronen und Schutz-
Deutscher Kulturbund
Verein Jugendschutz
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Frauenbewegung als Sittlichkeitsbewegung
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Abolitionistische Vereine
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damen“, die den unschuldig oder schuldig eingelieferten Frauen und Mädchen beim Verhör und der Untersuchung beistehen sollten. Auch wenn dieser Antrag nicht genehmigt wurde, verfasste Bieber-Böhm weitere Petitionen an den Kaiser und den Reichstag, denen sich immer mehr Frauenvereine anschließen sollten. In diesen Petitionen forderte sie einerseits weiterhin die Abschaffung der reglementierten Prostitution, machte aber auch Verbesserungsvorschläge, die innerhalb des bestehenden gesetzlichen Rahmens umgesetzt werden konnten. So wurde um die strikte Trennung der erstmals festgenommenen Frauen von denen, die schon registriert waren, gebeten und die Anstellung von weiblichen Ärzten gefordert. Weiter verlangte BieberBöhm in einer Petition 1893 an den Kaiser die Einrichtung von Zwangserziehungsanstalten für alle „sittlich gefährdeten erwachsenen Personen“ und „für gefährdete Kinder unsittlicher Eltern“. Bieber-Böhm protestierte energisch gegen die Meinung, dass Prostitution als ein notwendiges Übel zu akzeptieren sei, weil der „Fortpflanzungstrieb unbedingt befriedigt werden müsse“. Sie forderte Keuschheit für Jungen und Mädchen bis zur Ehe. Dieses Ziel glaubte sie durch eine „gesunde Erziehung zur Selbstbeherrschung“, Einführung eines hygienischen Unterrichts an allen Schulen und beim Militär, verstärkte Zensur, einer strengeren Überwachung von Lokalen und Freizeitveranstaltungen sowie durch ein Verbot des Verkaufs von Alkohol an Jugendliche erreichen zu können. Der Verein Jugendschutz forderte nicht nur das Verbot der reglementierten Prostitution, sondern auch die strenge Bestrafung der „gewerbsmäßigen Unzucht“ sowie die Anzeigepflicht der Ärzte bei der Feststellung von Geschlechtskrankheiten. Insgesamt erwecken die Forderungen des Vereins den Eindruck, dass dort an die Möglichkeit geglaubt wurde, die Prostitution durch die „Hebung der Sittlichkeit“ vollständig eliminieren zu können. Die Vorschläge des Vereins Jugendschutz wurden 1895 auch vom BDF auf seiner Generalversammlung in München angenommen. Ein Jahr später wurde die „Kommission zur Hebung der Sittlichkeit“ innerhalb des BDF eingerichtet, die sieben Jahre lang von Bieber-Böhm – die auch Mitglied im BDF-Vorstand war – geleitet wurde. Durch die Einbettung in die Sittlichkeitsbewegung wurde das Prostitutionsthema allmählich salonfähig und drei Jahre nach der Emigration von Guillaume-Schack wurden in Hamburg (Vorsitzende Lida Gustava Heymann) und Berlin (Vorsitzende Anna Pappritz) deutsche Zweigvereine der Internationalen Abolitionistischen Föderation gegründet. 1900 kamen weitere Zweigstellen in Colmar, Dresden und München hinzu. Alle Zweigvereine schlossen sich unter der Leitung von Katharina Scheven (1861 – 1922), der Leiterin der Dresdner Zweigstelle, zusammen und gaben seit 1902 die Zeitschrift Der Abolitionist heraus. Diese Vereine traten dem BDF bei und vertraten gegenüber der Position von Bieber-Böhm ein etwas moderateres Programm. Man ging davon aus, dass der Tatbestand „gewerbsmäßige Unzucht“ kaum festzustellen sei. Deshalb lehnten die abolitionistischen Vereine die Bestrafung der „gewerbsmäßigen Unzucht“ ebenso ab wie die Anzeigepflicht der Ärzte. Der Schwerpunkt galt der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, die man durch die Bereitstellung einer möglichst einfach zugänglichen und kostenlosen ärztlichen Behandlung erreichen wollte. Insgesamt zielten die Aufklärungsarbeit und die Einrichtungen aller
Bund für Mutterschutz und Sexualreform
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dieser Vereine auf die Hebung der Sitten und die Stärkung der Ehe und wollten keineswegs der Prostitution zu humaneren Rahmenbedingungen verhelfen. Abolitionismus Abolitionismus bezeichnet den Kampf der Frauenbewegung für die Abschaffung der staatlich reglementierten Prostitution. Mit diesem Begriff (engl. to abolish = abschaffen) lehnte sich Judith Butler 1875 bei der Gründung der „International Abolitionistic Federation“ bewusst an den Namen der US-amerikanischen Antisklaverei-Bewegung an, um die Parallelen zwischen der Versklavung von Schwarzen und Frauen deutlich zu machen. So wird der Mädchenhandel im Englischen auch „white slavery“ genannt.
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3. Der Bund für Mutterschutz und Sexualreform (BfMS) Erst nach der Jahrhundertwende nahm die Frauenbewegung weibliche Sexualität jenseits des Prostitutionsproblems in den Blick. Wurde außereheliche Sexualität im 19. Jahrhundert im Wesentlichen als Sittlichkeitsproblem der Unterschichten betrachtet, machte man sich nun auch in kleinen Kreisen über die Sexualität von Frauen im Allgemeinen Gedanken. Ausgangspunkt der so genannten Neuen Ethik bildete die Frage, ob Frauen nicht ein Recht zustünde, sexuelle Beziehungen unabhängig von materiellen Überlegungen eingehen zu können. Helene Stöcker, Vertreterin des Abolitionismus, war an der Prägung und inhaltlichen Ausgestaltung der „Neuen Ethik“ maßgeblich beteiligt. Sie übernahm 1907 den Vorsitz des 1905 gegründeten Bundes für Mutterschutz, der 1908 in Bund für Mutterschutz und Sexualreform (BfMS) umbenannt wurde und der sich zum Kristallisationspunkt der Neuen Ethik entwickeln sollte. Stöcker forderte nicht nur die politische Partizipation und die ökonomische Unabhängigkeit, sondern auch das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper und ihre Sexualität. Angeregt von den Arbeiten Friedrich Nietzsches (1844 – 1900) war sie der Ansicht, dass nicht die Ehe, sondern nur die Liebe die einzig legitime Basis jeder sexuellen Beziehung sein könne. Grundlage jeder Beziehung zwischen Mann und Frau sollten ein gleichberechtigter Umgang, die gegenseitige Achtung sowie die gemeinsame Verantwortung für die Partnerschaft und die Familie bilden. Der BfMS, der bis 1933 existierte, zählte zuletzt 26 Ortsgruppen. Die Mitgliederzahl soll bei etwa 4000 gelegen haben, etwa ein Drittel der Mitglieder stellten Männer. Dem BfMS gehörten unter anderem August Bebel (1840 – 1913), Sigmund Freud (1856 – 1939), Max Weber (1864 – 1920), Ernst Haeckel (1834 – 1919), Werner Sombart (1863 – 1941) und Frank Wedekind (1864 – 1918) an. Die Leitung und Prägung des Vereins erfolgte jedoch durch Helene Stöcker. Der BfMS setzte sich zum Ziel, die Vorurteile gegenüber ledigen Müttern und deren Kindern abzubauen und eine Verbesserung ihrer rechtlichen und sozialen Lage zu erreichen. Deshalb forderte er eine Reform des Familien- und Eherechts, die Gleichstellung von unehe-
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Frauenbewegung als Sittlichkeitsbewegung
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lichen mit ehelichen Kindern und setzte sich für Sexualaufklärung und Sexualreform ein. Weiter forderte er die Erleichterung der Ehescheidung und Gleichstellung von Mann und Frau im Scheidungsrecht. Der BfMS vermittelte Arbeitsstellen und bot eine kostenlose Rechtsberatung an. 1908 wurden die ersten beiden Mütterheime in Berlin und Frankfurt am Main eröffnet, in denen in Not geratene Schwangere, Mütter und ihre Kinder untergebracht und betreut wurden. Man plädierte für das Recht auf Empfängnisverhütung, für die Freigabe der Abtreibung und die Abschaffung des § 218 RStGB, der Schwangere im Falle einer Abtreibung mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bedrohte. Wie die Abolitionisten forderte auch der BfMS die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und der Prostitution. In den 1920er Jahren eröffnete der Bund für Mutterschutz Ehe- und Sexualberatungsstellen, in denen auch Jugendliche beraten wurden.
4. Die Reaktionen des BDF auf die Sexualreformdebatten Neue Ethik
Positionen des BDF
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Die Ideen des BfMS stießen in den ersten Jahren in fast allen dem BDF angeschlossenen Frauenvereinen auf Ablehnung, ja Empörung. Besonders die konfessionellen Frauenvereine verurteilten die „Neue Ethik“, da sie durch die Rechtfertigung von außerehelichen sexuellen Beziehungen die Unsittlichkeit fördern würde. Der BDF verweigerte dem BfMS 1910 die beantragte Aufnahme in den Dachverband. Führende Vertreterinnen des BDF wie Helene Lange, Paula Müller-Otfried und Marianne Weber setzten sich intensiv mit den Ideen der Neuen Ethik auseinander und machten ihre ablehnende Haltung gegenüber deren Prämissen in Publikationen deutlich. Die monogame Ehe wurde als Norm und einzig akzeptable Form für sexuelle Beziehungen propagiert, ledige Mütter und uneheliche Kinder galten als tragische Fälle, die man allerdings aus Nächstenliebe und bevölkerungspolitischen Überlegungen zu unterstützen habe. In den ersten Jahren des BDF waren die Vorstellungen Bieber-Böhms zur Regelung der Sittlichkeitsfrage noch mehrheitsfähig. Erst um die Jahrhundertwende begannen sich die Anhängerinnen der abolitionistischen Vereine innerhalb des BDF zu positionieren. Anita Augspurg, Minna Cauer, Lida Gustava Heymann und Marie Stritt versuchten die abolitionistische Position gegen die Bieber-Böhmsche Sichtweise durchzusetzen. Als Marie Stritt 1898 das Amt der Vorsitzenden des BDF übernahm, ebnete sie den Weg für die Wende des BDF in dieser Frage. Auf der Generalversammlung des Jahres 1902 sprach sich die Mehrheit der Versammlung für eine ersatzlose Streichung des § 361,6 RStGB aus und ließ die Forderung nach gesetzlicher Bestrafung der „gewerbsmäßigen Unzucht“ bei beiden Geschlechtern fallen. Die Prostitution sollte nicht bestraft, sondern durch wirtschaftliche und Erziehungsmaßnahmen beseitigt werden. Die Mehrheit der BDF-Generalversammlung war zu der Überzeugung gekommen, dass die Strafverfolgung der Prostituierten nicht ihre „Besserung“ herbeiführen konnte, sondern dass die Sittenpolizei durch die Registratur einmal auffällig gewordener Frauen diesen die Rückkehr in eine „ehrbare“ Erwerbstätigkeit unmöglich machte.
Die Reaktionen auf die Sexualreformdebatten
VII.
Bieber-Böhm wurde als Leiterin der Sittlichkeitskommission abgewählt und Anna Pappritz trat als Vorsitzende des Berliner Zweigvereins der Internationalen Abolitionistischen Föderation an ihre Stelle. 1908 stellte die Rechtskommission des BDF auf der Generalversammlung in Breslau den Antrag, der BDF möge die Forderung nach Abschaffung des § 218 RStGB und damit die Straffreiheit für Abtreibung unter bestimmten Bedingungen in sein Programm aufnehmen. Mit der Übernahme dieser Forderung rückte die Rechtskommission in die Nähe der Neuen Ethik. Der Antrag wurde nicht zuletzt mit Hilfe des neu eingetretenen mitgliederstarken DEF abgelehnt. Die Mehrheit des BDF plädierte 1908 für die Beibehaltung des § 218 bei Herabsetzung des Strafmaßes. Diese Haltung sollte der BDF bis zu seiner Auflösung 1933 vertreten. Als das Thema auf der Generalversammlung 1925 in Dresden breiteren Raum einnahm, wurde nochmals deutlich, dass am Abschreckungscharakter des § 218 festgehalten werden sollte, um einem Verfall der Sitten nicht Vorschub zu leisten. Nur im Falle einer streng überprüften medizinischen Indikation schien der BDF-Führung eine Schwangerschaftsunterbrechung akzeptabel zu sein. Insgesamt wollte man das Problem jedoch durch einen verbesserten Schutz von Mutter und Kind, und nicht durch die Erleichterung der Abtreibung gelöst wissen. Damit trat die Wohlfahrtspolitik in den Vordergrund, die den BDF in den weiteren Jahren in viel höherem Maße beschäftigen sollte als die Frage nach der Reform des § 218. Als Marie Stritt 1910 als Vorsitzende des BDF zurücktrat und Gertrud Bäumer zur ersten Vorsitzenden gewählt wurde, trat die Abschaffung der Prostitution wieder in den Vordergrund der Sittlichkeitsdebatten und der Abolitionismus wurde zur Richtschnur der BDF-Politik erhoben. Obwohl sich die Frauenbewegung seit der Jahrhundertwende vehement für die Abschaffung der reglementierten Prostitution einsetzte und ihre diesbezüglichen Aktionen viel Aufsehen erregten, blieb ihr Engagement in dieser Sache bis weit in die Weimarer Republik hinein erfolglos. Erst nachdem Frauen in die Parlamente eingezogen waren, versuchten sie zusammen mit Ärztinnen und Ärzten ein neues Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten verabschieden zu lassen. 1923 versagte der Reichstag einem solchen Gesetz die Zustimmung. Im zweiten Anlauf wurde das Gesetz schließlich im Oktober 1927 verabschiedet. Seitdem war die Prostitution an sich straffrei, wenn sie auch weiterhin nach § 361, 6a RStGB aus Wohngebieten ferngehalten werden musste. Das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten war jetzt geschlechtsneutral formuliert, die Sittenpolizei wurde abgeschafft. Da im Gegenzug den Gesundheitsbehörden jedoch große Befugnisse eingeräumt wurden und diese durch die Polizei bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt werden sollten, wurde in der Praxis die polizeiliche Reglementierung nun durch die ärztliche Aufsicht abgelöst. In der Zeitschrift Die Frau, dem Organ des BDF, wurde dieses Gesetz dennoch bereits als „Sieg des Abolitionismus in Deutschland“ gefeiert. Die ältere Forschung hat die Positionen der verschiedenen Frauenorganisationen in der Sexualreformdebatte gerne in die Rubriken „konservativ, rückständig“ beziehungsweise „fortschrittlich, progressiv“ eingeordnet. Eine solche Zuordnung, die aus der Perspektive der Diskussionen in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren vorgenommen wurde, wird weder dem Thema
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Frauenbewegung als Sittlichkeitsbewegung
VII.
gerecht, noch den einzelnen Organisationen und schon gar nicht der Dynamik, die dieser Debatte eigen war. Wie Irene Stoehr deutlich gemacht hat, ist dieses Thema weitgehend ahistorisch und auf unzureichender Quellengrundlage behandelt worden. So trat etwa der BfMS zwar für eine neue Sexualmoral ein, hielt jedoch an der Institution Ehe fest, die er lediglich auf eine neue Basis gestellt sehen wollte. Der BDF blieb von diesen Diskussionen nicht unbeeindruckt und veränderte im Laufe der Zeit einige seiner Positionen. So setzte sich der BDF für eine Reform des Ehe- und Familienrechts und die Gleichstellung unehelicher Kinder ein. Gertrud Bäumer, die in der Weimarer Republik den BDF-Ausschuss zur Bearbeitung des Gesetzentwurfes über die unehelichen Kinder leitete, brachte im Parlament zusammen mit Antonie Pfülf (1877 – 1933) (SPD) und Ernestine Lutze (1873 – 1948) (SPD) eine Entschließung ein, die Nationalversammlung möge die rechtliche und soziale Benachteiligung des unehelichen Kindes beseitigen, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass auch der BDF die Position vertrete, uneheliche Kinder müssten dieselben Entwicklungschancen wie eheliche haben. Wie in nahezu allen Organisationen, die sich mit Fragen der Prostitution, der Gesundheitspolitik und der Bevölkerungsentwicklung auseinander setzten, überlagerten sich auch beim BfMS und beim BDF in den Diskussionen Reform- und Emanzipationsziele mit (rassen)hygienischen und sozialdarwinistischen Überlegungen. Gegen Ende der Weimarer Republik wurde individuellen Rechten von Müttern gegenüber nationalen Belangen in nahezu allen gesellschaftlichen Kreisen immer weniger Bedeutung zugemessen.
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VIII. Nationalisierung der Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg 1914 Gründung des Nationalen Frauendienstes (NFD) 1915 Der Internationale Frauenfriedenskongress in Den Haag wird vom BDF boykottiert 1916 Das Hindenburgprogramm sieht keine Dienstpflicht für Frauen vor 1917 Der BDF fordert unter Hinweis auf die Kriegsleistungen der Frauen nachdrücklich das Frauenwahlrecht Die Kategorie Geschlecht wurde in der deutschen Nationalismusforschung in den 1980er Jahren entdeckt. Bis dahin thematisierte die Nationalismusforschung weder die diskursive Verbindung von Geschlecht und Nation noch Frauen als Individuen in Zusammenhang mit dem Nationalismus. Zunächst fiel auf, dass in Zeiten der äußeren und/oder inneren Bedrohung die „zweite Hälfte der Nation“ in Aktion trat. In historischen Momenten, in denen sich die Nation ihrer selbst versichern musste, beteiligten sich auch Frauen an kriegerischen Auseinandersetzungen, an Revolutionen und gewalttätigen Aufständen. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass es sich bei diesen Ereignissen nur um deutlich sichtbare Eruptionen eines „weiblichen Nationalismus“ handelte, der sich auch in Friedenszeiten manifestierte und seinen Teil zur nationalen Selbstfindung der deutschen Gesellschaft beitrug. Jenseits der Frage nach der Beteiligung und dem spezifischen Beitrag von Frauen an nationalen Erhebungen steckt die Untersuchung der unübersehbaren Geschlechtermetaphorik, die im Bild der Nation als „erweiterte Familie“ tradiert wird, und der Frage nach deren Bedeutung für die Konstituierung der deutschen Nation erst in den Anfängen. International vergleichende Untersuchungen zum Thema Geschlecht und Nation fehlen noch weitgehend. Eine große Zahl von Frauenvereinen, die bislang wenig erforscht sind, sahen sich in erster Linie nationalen Aufgaben verpflichtet und standen der Frauenemanzipation ablehnend bis indifferent gegenüber. Dennoch standen sie in engerem oder loserem Kontakt zu den Mitgliedsvereinen des BDF. Durch die Maxime des BDF, dass einerseits alle öffentlichen Forderungen des Dachverbandes von möglichst vielen Mitgliedsvereinen unterstützt werden sollten, andererseits kontroverse Themen in Kommissionen, Arbeitsgruppen oder einzelne Vereine ausgelagert werden konnten, machte die Arbeitsteilung innerhalb des BDF jederzeit eine Annäherung zwischen den außerhalb und innerhalb des BDF stehenden Frauenorganisationen möglich. Obwohl gerade völkische Kreise die Frauenbewegung zunehmend als „antideutsch“ zu stigmatisieren versuchten, ließ die Binnendifferenzierung innerhalb des BDF bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch ein Austarieren zwischen nationaler und internationaler Orientierung zu. Erst bei Kriegsausbruch 1914 distanzierte sich der BDF dann sehr schnell von seinen internationalen Wurzeln und Verbindungen und stilisierte sämtliche Tätigkeitsbereiche von Frauen zur nationalen Aufgabe. Die weitgehend er-
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Nationalisierung der Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg
VIII.
folgreiche „Einhegungs-Politik“ des BDF führte dazu, dass bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Führungsrolle des BDF von der Mehrzahl der Frauenvereine akzeptiert wurde und der BDF diese breite Unterstützung zu nutzen verstand, um unter der Betonung der Geschlechterdifferenz die Gleichstellung der Frauen und ihre Integration in die Nation voranzutreiben.
1. Die Entwicklung des BDF zu Beginn des 20. Jahrhunderts Parallel zu dem Bemühen, über den Eintritt in die politischen Parteien den Einfluss von Frauen auf die Gesellschaft zu verstärken, arbeitete der BDF daran, den Frauenverbänden mehr Geltung zu verschaffen. „So wird letzten Endes nur die Frauenbewegung selbst, keine Partei, die das Frauenproblem nur als eine Teilfrage ihrem Programm unterordnet, die Wege suchen können, auf denen die Frau das ihr ewig Eigentümliche mit neuen äußeren Daseinsbedingungen verschmilzt“, stellte Gertrud Bäumer 1914 als Resümee ihrer Gesellschaftsanalyse heraus. Das Anwachsen der Frauenorganisationen verstärkte jedoch gleichzeitig die Divergenzen. Seit der Jahrhundertwende zeichneten sich innerhalb des BDF immer größere Differenzierungen ab. Das Lavieren zwischen den liberalen Emanzipationsvorstellungen, die Frauen einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft verschaffen wollten, und den konservativen Ansichten der neu aufgenommenen Vereine wurde zum Kennzeichen der BDF-Politik. Bäumer akzentuierte auch die Presse- und Publikationsarbeit des BDF neu. Das Organ des BDF, das bis 1913 unter dem Titel Centralblatt des Bundes Deutscher Frauenvereine erschien (seit 1910 von Marie Stritt herausgegeben), wurde in Die Frauenfrage umbenannt (und bis 1920 weiter von Marie Stritt herausgegeben). 1912 wurde eine Pressezentrale eingerichtet, die Nachrichten über die Frauenbewegung sammelte, Propaganda machte und Angriffe zurückwies. Im selben Jahr wurden auch die Jahrbücher des Bundes Deutscher Frauenvereine ins Leben gerufen, die bis 1932 erscheinen sollten. Die Jahrbücher legten nicht nur Rechenschaft über die Tätigkeit des BDF ab, sondern brachten auch Aufsätze zu jeweils einem ausgewählten Thema, das mit der Frauenbewegung in Zusammenhang stand. Während des Krieges blieb Bäumer Vorsitzende des BDF. Auf der Kriegstagung des BDF 1916 in Weimar sah man offensichtlich keinen Anlass, eine neue Vorsitzende zu wählen.
2. Die Nationalen Frauenvereine in Deutschland Karitativ-patriotische Vereine
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Die Suche nach der Rolle von Frauen in der Nationalbewegung weitete den Blick der historischen Frauenforschung, die sich bislang schwerpunktmäßig mit den bürgerlich-liberalen, protestantisch geprägten Frauenvereinen befasst hatte und dabei von einer starken Polarisierung zwischen der bürgerli-
Die nationalen Frauenvereine in Deutschland chen und der proletarischen Frauenbewegung ausging. Neuere Arbeiten zeigen inzwischen, dass zahlreiche personelle Beziehungen zwischen den sozialistischen Frauenvereinen und denen, die dem 1894 gegründeten Dachverband BDF angehörten, bestanden. Die weitgehende Gleichsetzung der Frauenbewegung mit den großen überregionalen Frauenvereinen BDF und ADF hatte die Forschung zunächst aus den Augen verlieren lassen, dass in der zeitgenössischen Wahrnehmung die Frauenbewegung weit über den Kreis des Dachverbandes des BDF hinausreichte. Zwei Gruppen von Frauenvereinen unterschied Helene Lange 1905: die eine verfolgte „rein humanitäre Zwecke“, die andere widmete ihre Arbeit „der Förderung der Fraueninteressen“. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts bildeten die karitativen Vereine, insbesondere die Frauenvereine vom Roten Kreuz, eine einflussreiche Gruppe. Die Zahl der karitativ-patriotischen Frauenvereine war bereits in den ersten Jahren des Kaiserreiches stark angewachsen: 1877 existierten 400 Vereine, 1891 waren es nahezu 800. Die Kriege von 1864 und 1866 hatten in ganz Deutschland zur spontanen Bildung von Frauenvereinen geführt, die sich in der Tradition des Frauenvereines zum Wohl des Vaterlandes von 1814 sahen, der seinerzeit in Reaktion auf die Besetzung Preußens durch Napoleon (1769 – 1821) gegründet worden war. Als 1869 die Vorläuferorganisation des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die „Gesamtorganisation der Deutschen Vereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger“, gegründet wurde, von Wilhelm I. (1797 – 1888, Reg. als dt. Kaiser 1871 – 1888) als Vollzug der „deutschen Einheit auf dem Gebiet der Humanität“ gewürdigt, waren darin nur die Männervereine zusammengeschlossen. Die Frage nach dem Verhältnis zu den Frauenvereinen wurde nicht thematisiert. Offenbar ließen diese sich jedoch nicht einfach unterordnen. Am 12. August 1871 gründeten die (männlichen) Vertreter der Frauenverbände den Verband Deutscher Frauenvereine. Der größte unter ihnen, der Vaterländische Frauenverein, zählte 1902 1050 Zweig- und Hilfsvereine und insgesamt 274 741 Mitglieder. Die zweite Gruppe der Frauenvereine diente in der einen oder anderen Weise der „Förderung der Fraueninteressen“, wobei sich die meisten Vereine als Berufsorganisationen oder Bildungsverbände verstanden, und nur die wenigsten, allen voran der 1865 gegründete ADF, sich vorrangig dem Anliegen der Frauenemanzipation widmeten. Diese Vereine waren zum größten Teil in den BDF eingetreten und konnten damit beanspruchen, den Teil der Frauenbewegung in Deutschland zu vertreten, der über Einzelanliegen hinaus für die Frauenemanzipation eintrat. Der BDF und die ihm angeschlossenen Vereine unterstützten um die Jahrhundertwende das wilhelminische Flottenbauprogramm und propagierten den Kolonienerwerb. Militärische und wirtschaftliche Stärke galten auch dem BDF als unabdingbare Grundlage für die Verstärkung des deutschen Einflusses im Ausland. Dieser sollte jedoch in erster Linie durch die „Ausbreitung des deutschen Gedankens“, in Form von Wirtschafts- und Kulturexporten vergrößert werden. Der BDF, der immer wieder betonte, dass die Frauenbewegung in erster Linie eine Frauenbildungsbewegung sei, betätigte sich in diesem Sinne direkt und indirekt als „kulturimperialistische“ Institution. Die seit 1870 vorgenommenen zahlreichen Neugründungen deutscher Schulen im Ausland, vom Allgemeinen Deutschen Schulverein zur Erhal-
VIII.
Unterschiedliche „Fraueninteressen“
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Nationalisierung der Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg
VIII.
Nationale Zielsetzungen
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tung des Deutschtums im Auslande kräftig unterstützt, wurden auch vom BDF sorgsam registriert und begrüßt. Frauen engagierten sich wohl in hohem Maße auf diesem Gebiet, wenn ihre Aktivitäten auch nur selten explizit erwähnt werden. Eine erste Zentralisation dieser Arbeit fand dann im 1915 gegründeten Auslandbund Deutscher Frauen statt, der sich als Zentralstelle für die deutschen Frauen im Ausland und ihre Anliegen verstand. Parallel- und Suborganisationen von Frauen, die sich Männervereinen anschlossen, wie der 1895 gegründete Deutsche Frauenverein für die Ostmarken, der 1905 gegründete Flottenbund Deutscher Frauen und der 1907 gegründete Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft (FBDKG) engagierten sich für die imperialistischen Ziele des Deutschen Reiches. Die dort aktiven Frauen unterstützten den nationalistischen Kurs der Männervereine, denen sie sich angegliedert hatten, und wollten dazu ihren spezifisch weiblichen Beitrag leisten. Zum Teil waren sie, wie der Frauenbund des Deutschen Flottenvereins und der FBDKG, dem BDF angeschlossen. Die Forschung hat sich für diese Frauenvereine bislang kaum interessiert, vermutete sie in ihnen doch lediglich unbedeutende Anhängsel der Männerorganisationen. Doch selbst in diesen Organisationen verfolgten Frauen offensichtlich eigene Ziele, die von den Rollenvorgaben des von Männern gegründeten „Mutterverbandes“ durchaus abweichen konnten. So gab es z.B. kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine erregte Debatte in der Kommission der deutschen Kolonialgesellschaft, die über die Zusammenarbeit mit dem FBDKG beriet. Das „Frauenrechtlerinnentum“ des Letzteren sei Ursache für die fehlende Zusammenarbeit, wurde übereinstimmend festgestellt. Als schlagender Beweis für die emanzipatorischen Bestrebungen des FBDKG wurde angeführt, dass versucht worden sei, „ein Fräulein Gertrud Bäumer in den Ausschuß des Frauenbundes zu wählen“. Diese Episode zeigt, wie tief das Misstrauen zwischen Männern und Frauen der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) saß und wie weit die Annäherung zwischen dessen Frauenbund und der Vorsitzenden des BDF vorangeschritten war. Alle diese Vereine verfolgten nationale Ziele. Die den nationalen Männervereinen angeschlossenen Frauenorganisationen, die karitativ-patriotischen Frauenvereine und die im BDF vertretenen allgemeinen Frauenvereine, selbst die Bildungs- und Berufsorganisationen der Frauenbewegung dienten der Nation, der „nationalen Erziehung“. Der nationale Selbstfindungsprozess mochte die Emanzipationsbestrebungen bei den einen blockieren, bei den anderen beflügeln. Welches Verständnis von der Rolle der Frau, der Geschlechterpolarität, von „weiblichen“ und „männlichen“ Aufgaben in der Gesellschaft diese Frauen auch immer hatten: ihre Handlungsräume wurden durch die Vereinstätigkeit vergrößert. Die Tatsache, dass die bedeutendendsten der „rein karitativen“ Verbände sich während der napoleonischen Besatzungszeit, der Revolution von 1848/49 und bei Ausbruch der Kriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus konkreten Anlässen zusammengefunden hatten, sich nachträglich jedoch nicht auflösten, zeigt, dass Frauen in kriegerischen Zeiten Handlungsspielräume und Kompetenzen erwerben konnten, die sie nach Beilegung der Konflikte nicht aufgeben wollten. Die Vorstellung führender Bildungspolitiker und Pädagogen, Bildung und Kultur nicht nur als individuelle, sondern auch als nationale Identitätsgaran-
Die Diskussion um das weibliche Dienstjahr
VIII.
ten zu betrachten, prägte auch den BDF. Seit der Jahrhundertwende wurde die nationale Bedeutung der „Kulturarbeit“ der Frau deutlich in den Vordergrund gestellt. Die Berufung auf die Nation erwies sich dabei als ideale Formel, erweiterte Handlungsräume festzuschreiben, ohne dabei in den Ruch des Umsturzversuches zu kommen. Die Bedrohung der Nation erforderte die Anspannung aller Kräfte – die Berufung auf diese Feststellung konnte als unbestrittener Mimimalkonsens gelten. Die Faszination nationaler Denkmuster lag für Frauen wie für Männer in ihrer Offenheit für unterschiedliche Zukunftsoptionen. Die den Frauen zugewiesenen und zugebilligten „rein karitativen Tätigkeiten“ wie Krankenpflege und Lazarettdienst wurden als Pendant zum männlichen Kriegsdienst gesehen und waren seit den Befreiungskriegen zu einem Massenphänomen geworden, das Frauen vom monarchischen bis zum radikaldemokratischen Spektrum einte. Während die einen mit ihrer „echt weiblichen Tätigkeit“ die herkömmliche Arbeitsteilung der Geschlechter festschreiben beziehungsweise festigen wollten, nutzten andere Gruppen den Nationalismus als Emanzipationsideologie, und erhofften sich von ihm für Frauen mehr Bildung, Zugang zu neuen Berufen oder mehr politischen Einfluss bis hin zur vollen politischen Gleichberechtigung.
3. Die Diskussion um das weibliche Dienstjahr Der weithin sichtbare Erfolg der Frauenbewegung machte auf der einen Seite im BDF den Weg zu weitergehenden Forderungen frei, auf der anderen Seite rief er auch die Gegner auf den Plan. 1912 wurde vom BDF nicht nur die Mitarbeit der Frauen in den politischen Parteien gefordert, sondern gleichzeitig das „weibliche Dienstjahr“. Konzepte für ein weibliches Dienstjahr wurden schon seit Längerem in Kreisen der Frauenbewegung diskutiert, und auf dem Berliner Frauenkongress 1912 warb Elisabeth GnauckKühne noch einmal nachdrücklich für das weibliche Pendant zum Militärdienst. Gnauck-Kühne bemühte sich, den Gedanken des weiblichen Dienstjahres nicht als Neuerung, sondern als „organischen Ausbau“ des Haushaltungsunterrichts in den Schulen darzustellen. Mädchen sollten in die häuslichen Pflichten ebenso eingeführt werden wie Männer in die Verteidigungspflicht. Gnauck-Kühne wollte das Abgangszeugnis für ein solches weibliches Dienstjahr sogar zum obligatorischen „Befähigungsnachweis“ für die standesamtliche Eheschließung machen. Der Beschluss des BDF auf der Generalversammlung in Gotha (1912) akzentuierte das weibliche Dienstjahr anders. Die Pflicht sollte auf dem Gebiet der öffentlichen Wohlfahrtspflege und nicht im häuslichen Bereich abgeleistet werden. Zwar sollten Mädchen mit Volksschulabschluss eine obligatorische hauswirtschaftliche Ausbildung erhalten, die dem weiblichen Dienstjahr gleichzustellen sei. Das eigentliche weibliche Dienstjahr für die (nicht explizit so genannten) besser gebildeten Mädchen sollte in Sozialen Frauenschulen absolviert werden, „die unter weiblicher Leitung stehen. Die Errichtung solcher Frauenschulen und die Verbreitung des sozialen Dienstes der Frau als einer Sitte ist von der Frauenbewegung zu erstreben. Die obligatorische Ein-
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Nationalisierung der Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg
VIII.
führung eines weiblichen Dienstjahrs jedoch wäre erst unter der Bedingung der vollen bürgerlichen Gleichberechtigung der Frau wünschenswert“, hieß es zusammenfassend in dem BDF-Beschluss. Damit folgte der BDF Helene Lange, die betonte, die Unterschichten könnten nicht auch noch zur sozialen Hilfeleistung herangezogen werden. Der 1912 gegründete Deutsche Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation ist in mancherlei Hinsicht als Reaktion auf die gelungene Sympathiewerbung der Frauenbewegung zu betrachten. Die Koppelung des obligatorischen weiblichen Dienstjahres an die Gleichberechtigung bestätigte in diesem Verein die Vermutung, der Frauenbewegung ginge es um eben gar nichts anderes als um die Gleichberechtigung und damit den Umsturz der bestehenden Ordnung. Die Diffamierungskampagne knüpfte an die Argumentation gegen die Sozialisten, den „inneren Feind“ an, und stellte immer wieder die internationalen Traditionen und Verbindungen der Frauenbewegung heraus. Gerade dieser Vorwurf war es, der den BDF schon vor Ausbruch des Krieges immer deutlicher den Nationalismus der deutschen Frauenbewegung betonen ließ. Das „Jubiläumsjahr 1913“, in dem der 25-jährigen Herrschaft Wilhelms II. in Verbindung mit der Hundertjahrfeier der Völkerschlacht zu Leipzig gedacht wurde, präsentierte sich mit männlich-militärisch geprägtem nationalen Pathos. Helene Lange reagierte darauf zurückhaltend-kritisch. Angesichts der Jubiläumstage konstatierte sie nüchtern: „Wir werden uns … ruhig und ehrlich sagen müssen, daß die deutsche Frauenbewegung noch immer im wesentlichen auf die eigene Kraft gestellt ist und ihre Erfolge genau so weit reichen, als man ohne die Stütze von Gesetzgebung und Verwaltung kommen kann.“ Als wenig später der Krieg ausbrach, betrachtete der BDF den Krieg als die große Bewährungsprobe für das deutsche Volk im Allgemeinen und für die Frauen im Besonderen. Ebenso wie die männlichen kulturellen Eliten erhofften die Frauen sich vom Krieg die Freisetzung neuer Kräfte und die Revitalisierung der deutschen Kultur. Die anfängliche Euphorie scheint unter den Frauen nicht weniger groß gewesen zu sein als unter den Männern. Der Einschnitt wurde als dramatische Zeitenwende empfunden: In das nationale Zusammenwachsen waren in Langes Sicht die Frauen nun aufgenommen, und ihre Pflichterfüllung an der „Heimatfront“ stand dem Heeresdienst der Männer gleichwertig gegenüber. Gleichwohl mahnte Lange an, dass die Frauen weit mehr leisten könnten, wenn das soziale Frauendienstjahr schon eingeführt worden wäre.
4. Der Nationale Frauendienst (NFD) Um alle Frauenkräfte an der Heimatfront zu konzentrieren und zu organisieren, reichte der BDF schon vor der Mobilmachung dem preußischen Innenministerium das Konzept für den NFD ein. Die Pläne waren unter der Federführung von Gertrud Bäumer und Hedwig Heyl, den erfolgreichen Leiterinnen der großen Ausstellung und des Kongresses von 1912, ausgearbeitet worden. In Abgrenzung zum Roten Kreuz, das für die Kriegskranken-
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Der Nationale Frauendienst (NFD) pflege zuständig war, versuchte der NFD alle zur Verfügung stehenden Frauen für die Aufklärungsarbeit, die Lebensmittelversorgung, die Kriegsfürsorge und die Arbeitsvermittlung zu gewinnen. Wenn der NFD auch nicht überall nach dem Berliner Vorbild organisiert wurde, regionale Differenzierungen und zum Teil auch Reibereien zwischen den Ortsgruppen des BDF und anderen Vereinen auftraten, so war die Initiative doch reichsweit vom BDF ausgegangen. 1917 schlossen sich etwa 60 lokale Initiativen in der Deutschen Zentrale des Nationalen Frauendienstes zusammen. Ein über ganz Deutschland gezogenes Netz von Hilfsstellen, die unter der Regie einzelner Frauen oder Frauenvereine standen, ergänzte nicht nur die öffentliche Fürsorge, sondern wurde ebenso wie einzelne ausgebildete Frauen in den Behördenapparat miteingebunden. Geldspenden wurden organisiert, Beratungsstellen, Strick- und Nähstuben für arbeitslose Proletarierinnen und Kleidersammelstellen eingerichtet. Frauen aller Schichten erlebten „den Ruf der Zeit an ihre Kraft, ihre Mitarbeit teils wie eine lang ersehnte Berufung, teils wie eine neue, hinreißende Forderung“ (Helene Lange) und zeigten einen immensen Einsatz. Die Kriegsjahrbücher des BDF verdeutlichen die ganze Palette der Arbeit des NDF: Lebensmittelversorgung, Ernährungsberatung, Kochkurse, Familien-, Wöchnerinnen- und Säuglingsfürsorge, Fürsorge für Kriegerwitwen und -waisen, Ausbildungskurse für Frauen und Jugendliche, Arbeitsvermittlung, Rechtsberatung, Auskunftserteilung aller Art. Ganz im Sinne der vom BDF betriebenen „Burgfriedenpolitik“ arbeiteten im NFD auch dem BDF nicht angeschlossene Frauenvereine wie die Vaterländischen Frauenvereine vom Roten Kreuz und der Katholische Frauenbund Deutschlands mit. Der Anteil der beteiligten Sozialdemokratinnen im NFD ist nicht genau festzustellen. Die Mitarbeit im NFD war in der Partei umstritten. In Baden scheint die Zahl der sozialdemokratischen Mitarbeiterinnen im NFD im Laufe des Krieges rückläufig gewesen zu sein. Die Beiträge in der Zeitschrift Die Frau machen deutlich, dass man wie 1813 und 1870/71 von einem kurzen und siegreichen Krieg ausging. In ihrer regelmäßig publizierten Heimatchronik berichtete Bäumer über die große Politik ebenso wie über die Lebensmittelversorgung, Versicherungsleistungen, Versammlungen, ihre Reisen, Organisationsprobleme beim NFD, die Situation am Arbeitsmarkt, über das Wetter in Zusammenhang mit den Kriegsereignissen oder der Landwirtschaft. In das Gesetz vom 6. Dezember 1916 über den Vaterländischen Hilfsdienst, mit dem die Oberste Heeresleitung im Rahmen des Hindenburgprogrammes alle Kräfte für den Krieg zu mobilisieren und zu bündeln suchte, wurden die Frauen trotz ihres hohen Einsatzes nicht miteinbezogen. Nach Kriegsausbruch wurden die Forderungen nach einer Frauendienstpflicht mit den Plänen für ein Frauendienstjahr in der Diskussion verbunden und zum Teil auch miteinander verwechselt. Angesichts der breiten Zustimmung zu einer Dienstpflicht der Frauen und den unterschiedlichsten Vorstellungen über die konkrete Ausgestaltung der Ausbildung und des Einsatzes von Frauen empfahl Bäumer noch im November 1916 die freiwillige Rekrutierung. Wenig später stellte sie verärgert fest, dass die meisten Autoren, die sich über die Dienstpflicht der Frauen Gedanken machten, die von der Frauenbewegung geforderte soziale Friedensdienstpflicht vollkommen dilettan-
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HindenburgProgramm
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Nationalisierung der Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg
VIII.
tisch behandelten. Unter der Dienstpflicht der Frau stellte man sich in weiten Kreisen eine Lückenbüßertätigkeit für die Zeit des Krieges vor, während man für die Friedenszeiten die Frauen auf ehrenamtliche, rein karitative Tätigkeiten beschränkt wissen wollte. Bäumer warnte ausdrücklich davor, das obligatorische Dienstjahr auf der Grundlage eines „so unentwickelten Bewusstseins“ überstürzt einzuführen, da es sich so nur als „Danaergeschenk schlimmster Art“ erweisen könnte. Eine Dienstverpflichtung der Frauen blieb 1916 zwar aus, die Frauenarbeit des NFD wurde im Rahmen des Hindenburgprogramms jedoch aufgewertet. Im Dezember 1916 wurde dem zur Durchführung des Hilfsdienstgesetzes geschaffenen Kriegsamt eine Frauenarbeitszentrale angegliedert. Erste Aufgabe dieser neuen Einrichtung war es, „mit dem Ziele höchster Produktionssteigerung alle die Maßnahmen in die Wege zu leiten, die die Arbeitsfähigkeit und die Arbeitswilligkeit der weiblichen Arbeitskräfte jeder Art fördern“. Marie-Elisabeth Lüders wurde zur Leiterin dieser Frauenarbeitszentrale ernannt. Ende 1917 wurden innerhalb der Frauenarbeitszentrale etwa 50 Unterabteilungen und ca. 450 Fürsorgevermittlungsstellen eingerichtet, in denen rund 1000 Frauen arbeiteten. Dorothee von Velsen übernahm die Kriegsamtstelle in Breslau, Alice Salomon leitete die Stelle beim Oberkommando in den Marken, Agnes von Zahn-Harnack wurde zunächst zur Vertreterin und ab Dezember 1917 zur Nachfolgerin von Marie-Elisabeth Lüders ernannt, als diese wegen interner Auseinandersetzungen mit führenden Militärs den Posten räumen musste. In Lüders’ Berichten über ihre Tätigkeit als Leiterin der Frauenarbeitszentrale klingt an, dass mit den Kompetenzen einer militärischen Exekutivbehörde einerseits ganz neue Einflussmöglichkeiten geboten waren, auf der anderen Seite gerade durch die häufigen organisatorischen Änderungen nach 1917 eigene Vorstellungen der Frauen gegen die militärische Leitung der Kriegsämter immer weniger durchgesetzt werden konnten. Die Leistungen der Frauenarbeitszentrale und des NFD, von Lüders in ihren Erinnerungen unter dem Stichwort „Soziale Arbeit im Ersten Weltkrieg“ behandelt, mögen manche Not gemildert haben. Ihre wichtigste Funktion bestand jedoch nicht in der Fürsorge für Hilfsbedürftige, sondern in der Mobilisierung der letzten Kräfte für den Krieg. „Arbeitswilligkeit“, „Arbeitsfähigkeit“ und „Arbeitsstetigkeit“ der Frauen sollten gefördert und gesichert werden. Das Ziel der gemeinsamen, gewaltigen Anstrengungen war dabei vollkommen klar: „Durch den … aufgezwungenen Weltkrieg“ galt es, „die Macht und Größe unserer Nation zu erhalten“ (Gertrud Bäumer). Euphorisch stimmte die BDF-Leitung, dass auch sozialdemokratische Frauen im nationalen Frauendienst mitarbeiteten. So viele Opfer der Krieg auch gerade den Frauen abforderte, er schien die lang erhoffte Klassenversöhnung endlich voranzubringen, und er bot den Frauen nun endlich die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Im Krieg noch wies Bäumer darauf hin, dass nach diesen Erfahrungen nichts mehr wie vorher sein konnte. Die Mitarbeit der Frauen an der Heimatfront wollte sie nur als ersten Schritt verstanden wissen, dem die politische Gleichberechtigung und das Hineinwachsen der Frauen in politische Aufgaben folgen mussten.
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Der Nationale Frauendienst (NFD) Die Frauen, die nach 1914 am Krieg und dessen Rechtfertigung auch nur leise Zweifel äußerten, machten sich in den Augen der BDF-Führung verdächtig. Jeder Zweifel am Sinn des Krieges wurde als Landesverrat gewertet. Den Pazifismus hielt man für eine utopische Bewegung, der lediglich einen Gradmesser für die Schwäche eines Volkes darstellte. Folgerichtig boykottierte der BDF den 1915 nach Den Haag einberufenen Internationalen Frauenfriedenskongress. Der Gesamtvorstand erklärte „die Propaganda für diesen Kongreß, sowie die Beteiligung daran, für unvereinbar mit der vaterländischen Gesinnung und der nationalen Verpflichtung der deutschen Frauenbewegung“. Die Frauen, die trotz dieser Resolution den Kongress besuchten (so Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann), sollten, so ließ Bäumer in einem vertraulichen Schreiben wissen, aus den Vorständen der Frauenvereine entfernt werden. In der Heimatchronik war zum Kongressbeginn in Den Haag zu lesen: „Nur die Neutralen können sich auf der Forderung sofortigen Friedens um jeden Preis einigen. Und sollen die Frauen der kriegführenden Nationen den Männern, die ihre nationale Pflicht tun, in den Rücken fallen mit pathetischen Erklärungen über den ,Wahnsinn , in dem sie befangen sind? Nur eine unbegreifliche Gefühlsverwirrung kann eine solche innere Loslösung der Frauen von der Aufgabe ihres Vaterlandes vollziehen!“ Als der BDF zusammen mit dem Deutschen Lyceum-Club kurz danach in Berlin einen Empfang zu Ehren der bekannten amerikanischen Sozialreformerin Jane Addams (1860 – 1935) veranstaltete, die als eine von zwei Vorsitzenden den Kongress in Den Haag geleitet hatte, beeilte sich Bäumer, im Namen des BDF falschen Interpretationen entgegenzutreten. Jane Addams sei selbstverständlich lediglich als „Führerin der Wohlfahrtsbestrebungen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika“ und nicht als Gründerin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit geehrt worden, ließ der BDF verbreiten. Wenn die nationale Bindung des BDF auch vor frauenrechtlerischen Positionen und dem Internationalismus der Frauenbewegung rangierte, so verlor der BDF bei allen nationalchauvinistischen Tönen weder die Rechte der Frau noch die „internationale Interessengemeinschaft der Völker“ aus den Augen. Trotz aller Kriegsnöte forderte der BDF und mit ihm seine Vorsitzende Gertrud Bäumer im November 1917 das Frauenwahlrecht. Und immer wieder klang in Bäumers Texten leise die Hoffnung an, dass gerade die organisierte Frauenbewegung im Frieden die Beziehungen zwischen den Nationen wiederaufbauen helfen könnte. Sowohl die rechtliche Gleichstellung der Frauen wie die Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen sollten in ihren Augen vor allem eines: der Größe der Nation dienen. Alice Salomon, die trotz wiederholter Beteuerung ihrer nationalistischen Haltung und intensiver Mitarbeit im NDF ihre internationalen Kontakte nicht aufgeben wollte und deshalb 1920 aus dem engeren Vorstand des BDF austrat, unterstrich im Exil noch einmal die damalige Kriegsbegeisterung und nationalchauvinistische Haltung der führenden Frauen im BDF, von denen jeder, der diese Stimmung nicht teilen mochte, als Defätist angesehen wurde. Der deutsche Nationalismus war im Wilhelminischen Reich eine ebenso weitgehende Leerformel wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts und konnte deshalb von den verschiedenen Bevölkerungsgruppen als Legitimationsstrategie für die unterschiedlichsten Zielsetzungen nutzbar gemacht werden.
VIII. Ablehnung des Frauenfriedenskongresses in Den Haag
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Nationalismus als Emanzipationsstrategie
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Nationalisierung der Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg
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Befürworter wie Gegner der Frauenemanzipation beriefen sich in ihren Forderungen und Aktionen auf die Nation und auf nationale Pflichten. BDF und ADF setzten dabei den Nationalismus als Emanzipationsstrategie noch vor dem Ersten Weltkrieg so erfolgreich ein, dass die gegnerischen Antifeministen in diesem scheinbar „gemäßigten“ Zweig der Frauenbewegung den Hauptkontrahenten sahen. Keineswegs verlief bei diesen Usurpierungsversuchen des deutschen Nationalismus eine klare Trennungslinie zwischen liberal und konservativ geprägten Frauenvereinen und völkischen, antisemitischen und antifeministischen Organisationen. Wie es nicht nur enge personelle und organisatorische Verbindungen zwischen der so genannten bürgerlichen und der so genannten proletarischen Frauenbewegung gab, so existierten auch rührige Frauenvereine am Rande des völkischen Lagers wie etwa der Deutsche Frauenverein für die Ostmarken und der Flottenbund Deutscher Frauen, die der politischen Gleichberechtigung von Frauen ebenso ablehnend gegenüberstanden wie die Frauen, die in von Männern gegründeten und geführten antifeministischen Organisationen wie dem Deutschen Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation mitarbeiteten. Wie auch immer die Tätigkeiten der Frauenvereine akzentuiert wurden und welche Ausmaße sie auch annahmen: die Tätigkeitsfelder und die Handlungsspielräume vergrößerten sich deutlich über die häusliche Domäne hinaus. Zugespitzt formuliert: auch die Emanzipationsgegnerinnen emanzipierten sich zwangsläufig mit ihrer Tätigkeit, was nach 1918 dazu führen sollte, dass Emanzipationsgegnerinnen als Vertreterinnen der DNVP in die Nationalversammlung einzogen. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges zeigte sich, dass sich weite Kreise in dieser Extremsituation mit der Übernahme „nationaler Aufgaben“ durch Frauen in dieser nicht festgeschriebenen – und zum großen Teil unentgeltlichen – Form durchaus anfreunden konnten. Sobald Frauen jedoch über den Dunstkreis des nationalen Gemeinschaftsgefühls weiterweisende Forderungen nach konkreter Teilhabe am Staat stellten, wurden „weibliche nationale Aufgaben“ gern auf ehrenamtliche und karitative Tätigkeiten beschränkt. Dieser Befund bestätigt die These Ute Planerts, „dass die restriktive, auf Ergänzung des Männlichen hin angelegte nationale Konzeption von Weiblichkeit den Stachel der Veränderung gleichsam systemimmanent schon in sich trug, ohne die ihr innewohnenden Begrenzungen je wirklich zu Gunsten von geschlechterpolitischer Egalität überwinden zu können“. Wie Frauen unterschiedlicher Konfessionen und Schichten ihre nationalen Aufgaben jeweils definierten, zu welchen Zwecken sie sich auf die Nation beriefen und in welchen Fällen sie zusammenarbeiteten, kann ebenso wie die Frage nach dem Einfluss von Frauen auf nationale Denkmuster momentan nur unzureichend beantwortet werden. Der von der Forschung zunächst bevorzugte Blick auf die überregionalen großen Frauenverbände, die Frage nach den Klassengegensätzen und die Überbetonung der Polarisierung innerhalb der Frauenbewegung hat den Blick auf eine zumindest partiell existierende Zusammenarbeit über regionale, Konfessions- und Berufsgrenzen, zum Teil sogar über Standesgrenzen hinaus, verstellt. Die weitere Entwicklung zeigt aber auch deutlich, dass die im bürgerlichen Spektrum übliche Betonung der Geschlechterdifferenz innerhalb des Konzeptes von Nation zwar zu einer Ausweitung der Handlungsspielräume von Frauen
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Der Nationale Frauendienst (NFD)
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führen konnte, dass dieser Strategie jedoch deutliche Grenzen gesetzt waren. Seit 1908 war die Frauenbewegung in Deutschland nicht nur mehr mit einer wachsenden Differenzierung, sondern mit dem Wechsel von Frauen in gemischtgeschlechtliche Verbände und Parteien konfrontiert. Viele der aktivsten Frauen verlagerten den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit aus den Frauenvereinen in die politischen Parteien und die gemischtgeschlechtlichen Berufsverbände. Jüngere Frauen traten in die Frauenvereine oft gar nicht mehr ein. Die freiwillige Aufkündigung der „Schwesternschaft“ in einem Augenblick, in dem noch nicht einmal die politische Gleichberechtigung erreicht war, ließ das Endziel der Frauenbewegung, wo „es kein führendes Geschlecht mehr geben, sondern nur noch führende Persönlichkeiten“ (Helene Lange) geben sollte, in weite Ferne rücken.
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IX. Frauenbewegung im Spannungsfeld zwischen Internationalismus und Nationalismus 1888 Gründung des International Council of Women (ICW) in Chicago 1897 Der BDF tritt dem ICW als dritter nationaler Frauenverband nach den USA und Kanada bei 1904 Gründung der International Woman Suffrage Alliance (später: International Alliance of Women, IAW) 1907 Gründung des International Socialist Women’s Committee 1915 Gründung des International Committee of Women for Permanent Peace (IWPF), seit 1919: Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF)
1. Die internationalen Frauenorganisationen Zwischen 1888 und 1915 wurden mehrere langlebige internationale Frauenorganisationen gegründet. Die drei wichtigsten Vebände waren der Internationale Frauenrat (International Council of Women, ICW), der Frauenweltbund (International Alliance of Women, IAW; ursprünglich: Weltbund für Frauenstimmrecht) und die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, ursprünglich: Internationaler Frauenausschuss für dauernden Frieden (Women’s International League for Peace and Freedom, engl. WILPF, dt. IFFF). Alle drei Verbände nahmen Frauen unabhängig von ihrer nationalen, religiösen und politischen Zugehörigkeit auf. Die erste internationale Frauenorganisation bildete der ICW, der 1888 während einer Tagung des U.S. National Woman Suffrage Association gegründet wurde. Da in diesem Verband möglichst viele Frauen zusammengefasst werden sollten, wurde in der Satzung festgelegt: „Wir Frauen aller Nationen schließen uns in der Überzeugung, dass das Wohl der Menschheit nur durch eine größere Einheitlichkeit in Gedanken, Gefühlen und Bestrebungen gefördert werden kann und dass eine organisierte Frauenbewegung dem Wohl der Familie und des Staates am besten dienen wird, hiermit zu einem Bunde zusammen.“ Damit scheint bereits in der Satzung des ältesten internationalen Frauenvereins das Spannungsverhältnis zwischen Nationalismus und Internationalismus auf. Die Frauen schlossen sich über nationale Grenzen hinweg zusammen, um dem Wohl der Menschheit im Allgemeinen und dem Wohl der Familie und dem (eigenen) Staat im Besonderen zu dienen. Um dieses Ziel zu erreichen, bot der ICW den unterschiedlichsten Frauenorganisationen ein gemeinsames Dach. Diese Harmonisierungspolitik konnte jedoch nicht verhindern, dass bereits 1904 während des Kongresses des ICW in Berlin ein neuer internationaler Frauenverband gegründet wurde, der sich eindeutig und ohne Abstriche zum Frauenwahlrecht bekannte. Die International Women Suffrage Al-
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Die internationalen Frauenorganisationen
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liance wurde aus der Taufe gehoben. Zur Vorsitzenden der IAW wurde Carrie Chapman Catt (1859 – 1947), die Präsidentin der U.S. National American Woman Suffrage Association, gewählt, die bis 1923 im Amt blieb. Mit dieser Gründung wurde die internationale Bewegung gespalten. Denn der IAW, der sich aus nationalen Stimmrechtsverbänden zusammensetzte, beschränkte sich in seiner Arbeit nicht auf das Thema Frauenwahlrecht. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als die Anzahl der Staaten, in denen Frauen wählen konnten, zugenommen hatte, kam es zu einer Identitätskrise im IAW. Zwei getrennte internationale Organisationen schienen keinen Sinn mehr zu machen, so dass sich in den 1920er und 1930er Jahren viele, unter anderen auch die BDF-Führung, um einen Zusammenschluss von IAW und ICW bemühten. Die dritte Organisation, die Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF), entstand wiederum als eine Abspaltung von der IAW. Nachdem es innerhalb der IAW über den Vorschlag, nach dem Kriegsausbruch 1914 noch im selben Jahr eine Friedenskonferenz einzuberufen, zu Kontroversen gekommen war, wurde auf dem Frauenfriedenskongress in Den Haag 1915 der Internationale Frauenausschuss für dauernden Frieden gegründet, der 1919 in Women’s International League for Peace and Freedom umbenannt wurde (deutsch: Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, IFFF). Die WILPF hatte ihren Sitz wie der Völkerbund in Genf und versuchte, den bürokratischen und den organisatorischen Aufwand zu begrenzen. Man arbeitete in kleinen Gruppen, Treffen auf internationaler oder nationaler Ebene wurden nicht nach einem festgelegten Rhythmus, sondern jeweils nach Bedarf anberaumt. Die WILPF setzte sich in erster Linie für friedliche Lösungen bei weltweiten Konflikten ein, erst an zweiter Stelle stand das Engagement für die Gleichberechtigung der Frau. Im deutschen Zweig der WILPF waren an führender Stelle Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann engagiert. Obgleich jede Frau Mitglied in diesen internationalen Organisationen werden konnte, gehörten ihnen, wie Leila J. Rupp gezeigt hat, in der Mehrzahl weiße, gebildete und protestantische Frauen an, die zum größten Teil aus Europa stammten. Um an den internationalen Tagungen teilnehmen zu können, mussten die Frauen über Vermögen und Sprachkenntnisse verfügen oder so bekannt sein, dass ihre Reisen von den Vereinen oder anderen Sponsoren finanziert wurden. Da in den internationalen Organisationen Englisch, Französisch und Deutsch gesprochen und geschrieben wurde, kamen die führenden Frauen überwiegend aus West- und Nordeuropa sowie Nordamerika. Von vielen internationalen Frauengruppen, die vor dem Ersten Weltkrieg entstanden, arbeiteten diejenigen mit den drei genannten Organisationen gut zusammen, deren Mitgliederstruktur ähnlich war. So engagierten sich Berufsverbände wie der Internationale Verband der Akademikerinnen und der Internationale Verband der Berufs- und Geschäftsfrauen nicht nur für ihre eigenen Interessen, sondern engagierten sich auch für übergeordnete Ziele im ICW, IAW oder im WILPF. Wie auf nationaler Ebene blieben auch im internationalen Rahmen die Sozialistinnen separat organisiert. Clara Zetkin achtete darauf, dass die von ihr 1907 mitgegründete Sozialistische Fraueninternationale (International
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Internationalismus und Nationalismus
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Socialist Women’s Committee) nicht über die politischen Grenzen hinweg mit anderen Frauenvereinen zusammenarbeitete. Trotz der offiziellen Abwehr kam es aber auch auf internationaler Ebene zur Zusammenarbeit zwischen Sozialistinnen und Frauen anderer politischer Lager. Auf deutscher Seite arbeitete beispielsweise die sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Adele Schreiber-Krieger (1872 – 1957) im ICW mit. Die konfessionellen Frauenverbände, die sich auch international vernetzten, arbeiteten mit dem ICW, IAW und WILPF zusammen, lediglich die International Union of Catholic Women’s League ging offiziell zu den anderen internationalen Frauenverbänden auf Distanz. Dennoch bestanden auch hier Kontakte zwischen der Internationalen Vereinigung der Katholischen Frauenligen und den anderen internationalen Verbänden. Die jüdischen Frauenvereine gründeten 1912 in Rom den International Council of Jewish Women.
2. Das internationale Engagement der deutschen Frauenbewegung bis 1914 Die internationalen Kontakte der deutschen Frauenbewegung sind bislang nur bruchstückhaft erforscht. Um sie genauer darstellen zu können, fehlen noch Arbeiten, die Kontakte und Korrespondenzen zwischen den einzelnen Organisationen und Vertreterinnen der Frauenbewegungen untersuchen, wie das jüngst Anja Schüler am Beispiel des transatlantischen Dialogs zwischen Jane Addams und Alice Salomons getan hat. Auf Grund der Forschungslage sind auch die vorschnell getroffenen Beurteilungen über nationale und internationale Orientierungen der einzelnen Verbände und Personen innerhalb der Frauenbewegung nur mit Vorsicht zu genießen. Deshalb können die internationalen Beziehungen der deutschen Frauenbewegung hier nur grob skizziert werden und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Nicht nur die Gründung des Dachverbandes der deutschen Frauenbewegung wurde in den USA angeregt. Die deutsche Frauenbewegung stand von Beginn an im Zeichen eines internationalen Austausches. Zunächst wurden Texte aus dem Ausland, die sich mit der Stellung der Frau befassten, ins Deutsche übersetzt und diskutiert. Man korrespondierte mit den Autorinnen, veröffentlichte und kommentierte diese Schriften. Bald folgten Reisen ins Ausland, wo beispielsweise Helene Lange in England die Colleges für Frauen besuchte, um Anregungen für die Reform der deutschen Mädchenbildung zu gewinnen. Der BDF bemühte sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs intensiv, die internationalen Kontakte auszubauen. Daneben knüpften auch viele Frauen private Kontakte, die bei gegenseitigen Besuchen und durch häufiges Korrespondieren vertieft wurden. Mit der langjährigen Präsidentin des ICW, der Sozialreformerin und schottischen Aristokratin Ishbel Maria Aberdeen (1857 – 1939), die den Vorsitz des ICW von 1893 bis 1936, mit zwei kurzen Pausen zwischen 1899 und 1904 und zwischen 1920 und 1922 inne hatte, war Helene Lange zum Beispiel bereits seit 1888 bekannt.
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Der Abbruch der internationalen Beziehungen Drei große internationale Frauenkongresse fanden 1896, 1904 und 1912 nicht zuletzt deshalb in Berlin statt, weil die deutsche Frauenbewegung aus internationaler Sicht zur Avantgarde zählte. Spätestens seit den 1880er Jahren bestanden auch Kontakte auf institutioneller Ebene. Bereits 1888 war der ADF nach Washington zum Gründungskongress des ICW eingeladen worden. Lange hatte damals noch unter Hinweis auf die schwierigen Bedingungen der deutschen Frauenbewegung die Einladung abgelehnt und um Verständnis dafür gebeten, da im Kaiserreich „international“ gern als „antinational“ denunziert wurde. Schon seit der Gründung ihrer überregionalen Vereine stand also die deutsche Frauenbewegung im Spannungsverhältnis zwischen Nationalismus und Internationalismus. Dennoch intensivierten die Deutschen bis zum Ersten Weltkrieg ihre internationalen Kontakte, führten ausgedehnte Korrespondenzen und nahmen an internationalen Kongressen teil. Lange war seit 1897 Mitglied im engeren Vorstand des ICW. 1904 nahmen alle führenden Vertreterinnen der deutschen Frauenbewegung am Kongress des ICW in Berlin teil. Bis 1904 war die deutsche Frauenbewegung durch den BDF weitgehend geschlossen im ICW vertreten. Nach der Gründung der IAW 1904 schlossen sich verschiedene deutsche Frauenstimmrechtsvereine direkt der IAW an.
IX. Internationale Frauenkongresse in Berlin
3. Der Abbruch der internationalen Beziehungen im Ersten Weltkrieg Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte in der deutschen Frauenbewegung zur Bildung neuer Allianzen mit vorwiegend nationaler Ausrichtung. Die nationale Solidarität hatte für die führenden Vertreterinnen des BDF absolute Priorität, aber auch bei den übrigen Mitgliedern wog die nationale Gesinnung meist schwerer als die internationale Loyalität. Die Spaltung der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung in eine national orientierte Mehrheit und eine international gesinnte Minderheit wurde 1915 mit der Gründung der WILPF offenbar. Marie Stritt, die Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht, lehnte im September 1914 die Abhaltung der geplanten Tagung des IAW in Berlin wegen des Kriegsausbruchs ab. Auch die Präsidentin des IAW, Carry Chapman Catt, wollte den internationalen Kongress nicht während des Krieges ausrichten. Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann halfen daraufhin 1915 der Vorsitzenden des holländischen Stimmrechtsverbands, Aletta Jacobs (1854 – 1929), bei der Vorbereitung einer internationalen Frauen-Friedenskonferenz in den neutralen Niederlanden. Dieser Kongress, der von etwa 1200 Delegierten besucht wurde, kam ohne die offizielle Beteiligung des IAW und seiner Präsidentin in Den Haag zustande. Er wollte ein Bekenntnis gegen den Krieg und praktische Vorschläge zur friedlichen Verständigung vorlegen. Eine Teilnahme an diesem Friedenskongress lehnte der BDF aus nationalen Erwägungen strikt ab. Diese Haltung der deutschen Frauenbewegung stieß auch im Ausland durchaus auf Verständnis, da dort die Prioritätensetzung bei der Abwägung zwischen nationalen Interessen und internationalen Aktivitäten weitgehend nachvollzogen werden konnte. So äußerte Lady
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Internationalismus und Nationalismus
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Ishbel Aberdeen, die Vorsitzende des ICW, gegenüber Gertrud Bäumer 1915, dass sie die Unterbrechung der gemeinsamen Arbeit zwar bedauere, aber angesichts der Lage akzeptiere. In der aufgeheizten Stimmung des Ersten Weltkrieges, in dem jeder Staat den Krieg vor der eigenen Bevölkerung Tag für Tag propagandistisch rechtfertigte, während die Kriegsschuld ausschließlich den Gegnern zugewiesen wurde, entschloss sich der internationale Frauenkongress 1915 in Den Haag zu einem Friedensaufruf.
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Friedensaufruf Internationales Frauenkomitee für dauernden Frieden (Hg.): Internationaler Frauenkongreß im Haag, Kongreßbericht 1915, Amsterdam 1915, S. 46 f. Wir erklären feierlich jeder Neigung zu Feindschaft und Rache zu widerstehen, dagegen alles Mögliche zu tun, um gegenseitiges Verständnis und guten Willen zwischen den Völkern herzustellen und für die Wiederversöhnung der Völker zu wirken. Wir erklären: der Lehrsatz, Kriege seien nicht zu vermeiden, ist sowohl eine Verneinung der Souveränität des Verstandes, als ein Verrat der tiefsten Triebe des menschlichen Herzens. … Der Internationale Frauenkongreß protestiert gegen die Auffassung, daß Frauen unter einer modernen Kriegsführung geschützt werden können. Er protestiert aufs Entschiedenste gegen das furchtbare Unrecht, dem Frauen in Kriegszeiten ausgesetzt sind, und besonders gegen die entsetzlichen Vergewaltigungen von Frauen, welche die Begleiterscheinung jedes Krieges sind. Dieser Internationale Frauenkongreß fordert, daß im Interesse dauernden Friedens und der Civilisation die Konferenz zur Feststellung der Friedensbedingungen nach dem Kriege eine Resolution annehmen soll, welche die Notwendigkeit der politischen Gleichberechtigung der Frauen für alle Länder betont.
Dieser Friedensaufruf sollte die Frauen europaweit mobilisieren. Er verhallte in Deutschland jedoch weitgehend ungehört. Der Pazifismus wurde im Deutschen Reich marginalisiert und diffamiert, der Mehrheit der Frauen standen die nationalen Belange näher als internationale Friedensaufrufe. Die Teilnehmerinnen des Haager Friedenskongresses gerieten in das Visier der deutschen Staatsgewalt und wurden ebenso wie die Sozialistinnen überwacht.
4. Die Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg Der Erste Weltkrieg endete nicht nur mit der Niederlage der Deutschen und veränderte die Landkarte Europas entscheidend, sondern brachte mit der Erlangung des Frauenwahlrechtes in vielen der in der Stimmrechtsfrage führenden Ländern auch eine Umorientierung der drei großen internationalen Frauenorganisationen. Das Hauptziel des IAW schien weitgehend erreicht. Auf einem in Genf 1920 veranstalteten Kongress wurde beschlossen, dass sich der Verband nun auf die Weltregionen außerhalb Nordamerikas und Europas konzentrieren sollte, um dort das Frauenstimmrecht durchzusetzen.
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Die Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen
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1926 wurde der IAW in International Alliance of Women for Suffrage and Equal Citizenship umbenannt, da man erkannte, dass der Erhalt des Frauenstimmrechts noch lange nicht die Chancengleichheit für Frauen in der Gesellschaft garantierte. Da sich der Deutsche Reichsverband für Frauenstimmrecht nach Einführung des Frauenwahlrechts 1919 aufgelöst hatte, übernahm 1923 der ADF die deutsche Vertretung im IAW. Zwischen IAW und dem ICW kam es wegen der zunehmenden Themenüberschneidung zu einer Annäherung, es fanden häufig gemeinsame Treffen statt. Zur besseren Vertretung im Völkerbund wurde schließlich ein gemeinsamer Ausschuss für internationale Frauenorganisationen gegründet. Obwohl in der Zwischenkriegszeit immer wieder die Fusion von ICW und IAW diskutiert wurde, kam es nicht dazu. Die Frauenbewegung in Deutschland stand wie die Mehrheit der Bevölkerung zunächst unter dem Schock der Niederlage. Man ahnte, dass die Friedensbedingungen hart ausfallen könnten und hoffte auf Wilsons 14Punkte-Programm und den Völkerbund. Zu Beginn der Pariser Friedenskonferenz wurde in Die Frau auf den neu eingerichteten und von Alice Salomon geleiteten Frauenausschuss der Liga für Völkerbund hingewiesen, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, „in weiteste Frauenkreise Verständnis für den Völkerbundgedanken zu tragen“. Selma Stern (1890 – 1980) schrieb für das Märzheft 1919 dieser Zeitschrift einen Beitrag über den Völkerbund, in dem die Hoffnung anklang, der Völkerbund könne die „Erlösung aus den Leiden dieses Krieges“ bringen und die nationalen Egoismen überwinden helfen. Der Versailler Vertrag wurde von der deutschen Frauenbewegung als demütigend und ungerecht empfunden, eine Wiederaufnahme der internationalen Arbeit schien unter diesen Bedingungen der Führung des BDF zunächst unmöglich. Schon im Mai 1919 mahnte ein in Zürich abgehaltener internationaler Frauenkongress an, dass der Versailler Vertrag den Grundsätzen der Völkerversöhnung widerspräche.
Kritik am Versailler Vertrag aus: Die Frauenbewegung 25 (1919), S. 75 f.
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Der Internationale Frauenkongreß spricht sein tiefes Bedauern darüber aus, daß die in Versailles vorgeschlagenen Friedensbedingungen so schwer die Grundsätze vergewaltigen, durch welche allein ein gerechter und dauernder Friede gesichert werden kann, und welche von den Demokratien der Welt angenommen worden waren. Indem die Friedensbedingungen dem Sieger die Ernte aus ihren Geheimverträgen garantieren, erkennen sie stillschweigend die Geheimdiplomatie an, verleugnen das Prinzip der Selbstbestimmung, erkennen sie das Recht des Siegers auf die Kriegsbeute an und schaffen für ganz Europa Mißstimmung und Feindseligkeit, die nur zu weiteren Kriegen führen können. Das Verlangen der Abrüstung nur für einen Teil der Kriegführenden, bedeutet eine Vergewaltigung des Rechtes und die Fortsetzung der Gewaltherrschaft. Die finanziellen und wirtschaftlichen Friedensbedingungen verdammen eine Generation von hundert Millionen Menschen im Herzen Europas zur Verzweiflung, Verseuchung und Verelendung, die in Haß und Anarchie in jedem Volk ausarten müssen.
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Internationalismus und Nationalismus
IX.
ICW-Kongress 1920 in Kristiana
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Die Frauenvereine in Deutschland, die in Übereinstimmung mit der deutschen Regierung die Revision des Versailler Vertrages forderten, begrüßten diese Resolution, bot sie doch die Möglichkeit einer Wiederannäherung an die internationalen Frauenorganisationen. Der BDF, dessen graue Eminenz auch nach 1919 weiterhin Gertrud Bäumer blieb, betrieb eine regierungsnahe Politik. Der „Geist von Locarno“, der die europäische Politik für ein paar Jahre bestimmen sollte, wurde auch vom BDF unterstützt. 1928 wurde Bäumer vom Reichsministerium des Innern als Delegierte für die Kommission für soziale und humanitäre Fragen des Völkerbundes benannt. Durch ihr Engagement im Völkerbund versuchte sie eine Revision der Friedensschlüsse voranzutreiben. Gertrud Bäumer und mit ihr der BDF wurden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die Existenz der Friedensschlüsse von Versailles dem ideellen Sinn des Völkerbundes entgegenstünde. In Bäumers pro-europäischen Schriften und Völkerbundberichten mangelte es nicht an Aufrufen zur Völkerverständigung, doch immer steckte eine gehörige Portion Distanz und Skepsis in ihnen. Nie fehlte bei ihr der Hinweis auf die „Einseitigkeiten“, die sich aus dem verspäteten Eintritt Deutschlands in den Völkerbund und der dadurch bedingten Dominanz Frankreichs ergaben. Seit 1922 war der BDF wieder auf internationaler Ebene vertreten und nahm an den Kongressen des ICW und IAW teil. Alice Salomon war seit 1920 Vizepräsidentin des ICW, Gertrud Bäumer gehörte von 1921 bis 1928 dem Gesamtvorstand des ICW an und war im BDF-Ausschuss für die internationalen Beziehungen bis 1932 aktiv. Als 1929 eine neue Vorsitzende für den ICW gesucht wurde, war das Ansehen Deutschlands und der deutschen Frauenvereine in den internationalen Organisationen wieder soweit hergestellt, dass Bäumer als potentielle Vorsitzende ins Gespräch gebracht wurde. Trotz gegenseitiger Bezeugungen des guten Willens hatte der BDF 1920 noch die Teilnahme an der ersten internationalen Konferenz des ICW nach dem Krieg in Kristiania (Oslo) verweigert. Mit seinem Fernbleiben protestierte der BDF gegen die Friedensbedingungen des Vertrags von Versailles und knüpfte seine künftige Mitarbeit an eine Verurteilung der Versailler Verträge von Seiten des ICW. Der engere Vorstand des BDF hatte sogar kurzzeitig erwogen, bis zum Beitritt Deutschlands in den Völkerbund aus dem ICW auszuscheiden. Doch da der BDF beanspruchte, die deutschen Frauen zu vertreten, wollte er das Feld nicht anderen Organisationen wie den Sozialdemokratinnen und dem WILPF überlassen. Alice Salomon, die Schriftführerin im ICW war, trat wegen der Nichtteilnahme des BDF an der Tagung in Kristiana aus dem engeren Vorstand des BDF zurück. In Abwesenheit wurde sie in Kristiana zur Vizepräsidentin des ICW gewählt. Der ICW nahm auf der Konferenz auch eine Resolution an, in der die Erweiterung des Völkerbundes gefordert wurde. Nach diesem außenpolitischen Erfolg ersuchte die BDF-Vorsitzende Marianne Weber den Gesamtvorstand des BDF um Zustimmung zur Wahl Alice Salomons zur Vizepräsidentin des ICW, da Alice Salomon den Posten nicht ohne Billigung des BDF annehmen wollte. Während die geplante Reise Salomons nach Kristiana vom BDF noch scharf verurteilt worden war, wurde Salomon nun zur Annahme der Wahl aufgefordert. Salomons Rückkehr in den ICW-Vorstand ebnete dem BDF den Weg zurück auf die internationale Bühne.
Die Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen 1922 sandte der BDF eine Delegation zur ICW-Tagung in Den Haag. Auf dieser Konferenz wies Gertrud Bäumer darauf hin, dass die deutsche Frauenbewegung trotz ihres Fernbleibens 1920 immer an der internationalen Zusammenarbeit festhalten wollte. Dies sei ihr ohne eine Verurteilung des Versailler Vertrags durch den ICW jedoch nicht möglich gewesen. Auch in der IAW erfolgte die Annäherung verzögert. Denn seit dem Ende des Weltkriegs fehlte der IAW eine deutsche Nationalvertretung, da sich der Reichsverband für Frauenstimmrecht 1919 aufgelöst hatte. Erst anlässlich des Kongresses in Rom 1923 bemühte sich die IAW um die Neugründung eines deutschen Zweiges, für die schließlich der ADF gewonnen werden konnte. Auf der Generalversammlung des ICW in Washington 1925 waren die Deutschen trotz Inflation mit einer großen Delegation vertreten. Emma Ender, die damalige Vorsitzende des BDF, hob in ihrem Bericht über die Tagung das internationale Interesse an der deutschen Delegation hervor. 1926 sollte schließlich Bäumer symbolisch die Versöhnung mit Frankreich besiegeln, als sie auf der zehnten Generalversammlung der IAW in Paris zur Völkerfreundschaft und Versöhnung aufrief und eine Französin spontan mit einer Umarmung und einem Kuss für die Rednerin reagierte. Diese deutschfranzösische Annäherung wurde in der französischen Presse ausführlich gewürdigt und auch von der deutschen Gesandtschaft mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Drei Jahre später feierte die IAW ihr 25-jähriges Bestehen mit einer Tagung an ihrem Gründungsort Berlin. An dieser elften Generalversammlung der IAW nahm Gertrud Bäumer als offizielle Vertreterin des Reichsministeriums des Innern teil. Die Tagung der IAW war der erste große internationale Kongress in Deutschland seit dem Krieg und wurde dementsprechend von der Stadt Berlin und der Regierung kräftig unterstützt. Auf der Generalversammlung der ICW 1930 in Wien war der BDF wiederum prominent vertreten. Gertrud Bäumer hielt eine viel beachtete Rede zum Thema Frauen und Völkerverständigung, Alice Salomon warb in der extra anberaumten Jugendversammlung unter den jüngeren Teilnehmerinnen für ein Engagement in der Frauenbewegung. 1932 weist das letzte Jahrbuch des BDF nach, dass im ICW neben Alice Salomon als Vizepräsidentin und Agnes von Zahn-Harnack, die als BDF-Vorsitzende qua Amt einen Sitz im Gesamtvorstand des ICW inne hatte, 14 weitere Deutsche als Vertreterinnen des BDF in den ständigen Ausschüssen des ICW mitarbeiteten. Auch an der von der WILPF 1932 initiierten Abrüstungskonferenz in Genf nahm der BDF teil. Selbst mit diesem, vom BDF wegen seiner Gründungsgeschichte wenig geschätzten Verband, arbeitete man angesichts der bedrohlichen innenpolitischen Lage zusammen, nachdem der WILPF nach 1919 ebenfalls für eine Revision des Versailler Vertrags eingetreten war. Bäumer spielte während der Weimarer Republik in ihrer Mehrfachfunktion als Vertreterin der Frauenbewegung, als Reichsministerialrätin, als Reichstagsabgeordnete und stellvertretende DDP-Vorsitzende eine entscheidende Rolle für die nationale Orientierung des BDF und die Ablehnung pazifistischer Positionen. Ihre Strategie, nationale Politik durch internationale Arbeit zu betreiben, trug sie auch in den Völkerbund hinein. Als Ministerialrätin im Reichsministerium des Innern stand sie voll hinter der Außenpolitik Gustav Stresemanns und betonte in den 1920er Jahren den internationalen Charakter der Frauenbewegung. Stresemann (1878 – 1929)
IX. ICW-Kongress 1922 in Den Haag
ICW-Kongress 1925 in Washington und ICW-Kongress 1926 in Paris
ICW-Kongress 1930 in Wien
WILPF-Abrüstungskonferenz in Genf 1932
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Internationalismus und Nationalismus
IX.
brachte für die Frauenbewegung jedoch keine große Wertschätzung auf. Die geringe Beteiligung der deutschen Frauen im Völkerbund lag nicht an einem Desinteresse des BDF oder an einem Mangel an geeigneten Kräften, sondern an der ablehnenden Haltung der deutschen Regierung gegenüber Frauen. Die deutsche Frauenbewegung entwickelte sich in enger Beziehung zur internationalen, mit Ausnahme der Kriegsjahre, die für die internationale Bewegung insgesamt einen Rückschlag mit sich brachte. Mit dem Abbruch der offiziellen internationalen Beziehungen während des Weltkrieges nahm die deutsche Frauenbewegung keine Außenseiterposition ein, sondern unterstrich damit, wie die Frauenorganisationen der anderen am Krieg beteiligten Staaten auch, ihre nationale Loyalität.
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X. Differenzierungen und zentrifugale Tendenzen innerhalb der Frauenbewegung 1918 bis 1933 1918, März 1918, Nov. 1919 1920 1920 1922
1923 1932
Austritt des DEF aus dem BDF Frauen erhalten das Wahlrecht Auflösung des Deutschen Reichsverbandes für Frauenstimmrecht Eintritt des RLHV in den BDF Gründung des Rings Nationaler Frauen Austritt des Verbandes der weiblichen Handlungs- und Büroangestellten (bis 1918 Kaufmännischer Verband für weibliche Angestellte) aus dem BDF Anschluss des ADF an den Weltbund für Frauenstimmrecht Austritt des Reichsverbandes Deutscher Hausfrauenvereine (RDHV) und des Reichsverbandes Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine (RLHV) aus dem BDF
1. Die Frauenorganisationen in der Weimarer Republik Die Pluralisierung der Gesellschaft in der Weimarer Republik fand ihren Ausdruck auch in den zunehmenden Differenzierungs- und Polarisierungstendenzen innerhalb der Frauenbewegung. Besonders davon betroffen war der BDF als Dachverband. Aber auch in den ihm angeschlossenen Vereinen, so zum Beispiel im ADF und im ADLV, kam es zu Änderungen, Spezialisierungen und zum Teil scharfen Auseinandersetzungen über Ziele und Tätigkeitsfelder. Beim ADF wurden die programmatischen Umbrüche in Namensänderungen deutlich. Der Verein nannte sich seit 1910 im Untertitel „zugleich Verband für Frauenarbeit und Frauenrechte in der Gemeinde“. Ab 1923 führte er den Untertitel „Deutscher Staatsbürgerinnenverband“, 1928 wurde aus dem Untertitel der Obertitel und der Verein hieß seitdem Deutscher Staatsbürgerinnenverband e.V. Allgemeiner Deutscher Frauen-Verein 1865. Diese Entwicklung schuf nicht nur Probleme, sie bot auch neue Chancen. Wenngleich die Vorstände der Frauenorganisationen die zeitaufwändigen Entscheidungsprozesse in den Gremien der Frauenbewegung beklagten und versuchten, den Dachverband als einigendes Band zu erhalten, so sahen sie in bestimmten Fällen doch ganz deutlich auch die Vorteile der heterogenen Struktur des BDF. Aktionen, für die im BDF nach Eintritt des DEF und der konservativen Hausfrauenverbände keine Mehrheit gefunden werden konnte, wurden angeschlossenen Vereinen und den immer häufiger eingerichteten ständigen und temporären Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften zur Bearbeitung übergeben. Dem BDF gelang es nach 1918 auch, durch einige seiner führenden Mitglieder Verbindung zu den Regierungskreisen der Weimarer Republik zu
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Differenzierungen innerhalb der Frauenbewegung 1918 bis 1933
X.
Tätigkeitsbereiche des ADF und des BDF
knüpfen. Nicht zuletzt auf Grund der Verbindung Gertrud Bäumers und anderer Mitglieder des BDF zur politischen Führungselite der Weimarer Republik wuchsen die Möglichkeiten des BDF, politisch Einfluss zu nehmen, in diesen Jahren deutlich an. Von der Forschung wurden diese Einflussmöglichkeiten bislang nicht näher in den Blick genommen. Wenn Klaus Hönig in der bislang einzigen Monographie zum BDF, die sich auf den Zeitraum der Weimarer Republik konzentriert, zwar den zunehmenden politischen Einfluss des BDF betont, aber zugleich behauptet, „die Gewährung von Frauenrechten wurde kaum noch eingeklagt“, so reicht allein ein Blick auf die Tätigkeitsberichte des BDF und die Auflistung seiner Erklärungen und seiner Eingaben an die Reichs- und Landesbehörden in seinen Jahrbüchern, um die Fragwürdigkeit dieser Aussage zu erkennen. Die Geschichte des BDF und des ADF in der Weimarer Republik ist erst in Ansätzen untersucht worden, deshalb kann die Arbeit und die Bedeutung der Frauenbewegung in dieser Zeit nicht umfassend und abschließend gewürdigt werden. Die Einrichtungen und Aktivitäten des BDF und der ihm angeschlossenen Organisationen in diesen Jahren boten Einfluss-, Informations-, Vernetzungs- und Hilfsmöglichkeiten für Frauen, deren Ausmaß und Effizienz beeindruckend war. Allein die 1907 eröffnete Auskunftsstelle für Gemeindeämter der Frau des ADF, das 1916 gegründete Frauenberufsamt des BDF, der 1926 ins Leben gerufene Deutsche Akademikerinnenbund sowie der 1906 gegründete und dem BDF angeschlossene Verband der Studentinnenvereine Deutschlands entfalteten umfangreiche Aktivitäten, die nur in Ansätzen erforscht sind und deren Existenz und Bedeutung nach 1933 in Vergessenheit gerieten. Gertrud Bäumer und Helene Lange betrachteten das differenzierte und von zunehmenden Konflikten geprägte Vereinsleben der Frauenbewegung mit abwartender Skepsis. Auf der einen Seite forderten sie bereits seit der Jahrhundertwende, dass sich die Frauenbewegung mehr auf die konkrete Arbeit in Fachkommissionen konzentrieren sollte. Die Arbeit in den Kommissionen des BDF hatte darüber hinaus in den Augen von Bäumer und Lange den Vorteil, dass der Vorstand die Kommissionsmitglieder kooptierte und die Kommissionsarbeiten kontrollieren konnte. Auf der anderen Seite war die Durchsetzung der eigenen Positionen durch die Differenzierung der Frauenorganisationen immer langwieriger und schwieriger geworden. Nur die Nachfolgerinnen im Vorsitz des BDF und des ADLV, Emma Ender und Emmy Beckmann, stimmten ihre Aktionen ganz und gar mit Bäumer beziehungsweise Lange ab. Dazu kam, dass der Nachwuchs in den Frauenorganisationen fehlte.
2. Organisationsstruktur und Arbeitsfelder des BDF Zu Beginn der Weimarer Republik konnte der BDF auf sein 25-jähriges Bestehen und eine dynamische Entwicklung zurückblicken. Die Dachorganisation der deutschen Frauenvereine gehörte durch ihren bereits 1897 erfolgten Anschluss an das International Council of Women (ICW) zu den Pionier-
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Organisationsstruktur und Arbeitsfelder des BDF
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organisationen der internationalen Frauenbewegung. Dem 1888 gegründeten ICW, dem bis dahin nur die nationalen Frauenverbände der USA und Kanada angehörten, trat der BDF als dritter Nationalverband bei. Der BDF entwickelte sich schnell. 1912 umfasste er 38 Verbände mit 2200 Vereinen und geschätzten 500 000 Mitgliedern. Bis zum Ersten Weltkrieg stieg die Zahl der dem Bund angeschlossenen Verbände ständig an. Diese Entwicklung setzte sich in den Jahren der Weimarer Republik fort. 1921 gehörten dem BDF in ca. 57 Verbänden, die ungefähr 3778 Vereine umfassten, ca. 920 000 Mitglieder an, wobei darauf aufmerksam gemacht wurde, „daß Doppelzählungen bei der Art der Organisation des Bundes unvermeidlich sind“ (Jahrbuch des BDF von 1921). 1925 zählte der BDF 63, zwei Jahre später 77 und 1930 bereits 83 Verbände. 1928 ging der BDF von über einer Million Mitgliedern aus. Klaus Hönig dagegen schätzt, dass der BDF selbst 1930/31 kaum mehr als 500 000 Mitglieder gezählt haben dürfte. Eine genaue Mitgliederzahl konnte der BDF auf Grund von Mehrfachmitgliedschaften einiger Vereine und der Tatsache, dass viele aktive Frauen in mehreren Vereinen engagiert waren, nie ermitteln. Laut Satzung konnten die Mitgliedschaft im BDF folgende Frauenorganisationen erwerben: Aus der Satzung des BDF
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Die Mitgliedschaft erwerben konnten: „alle solche Frauenorganisationen (nationale Verbände mit verschiedenen Arbeitsgebieten, Verbände für einzelne bestimmte Arbeitsgebiete, Berufsverbände, Landes- oder Provinzialverbände) sowie alle Verbände, denen Frauen als gleichberechtigte Mitglieder angehören und die eine Frau mit ihrer Vertretung im Bunde betrauen. Der Beitritt erfolgt durch Beitrittserklärung und Zahlung des ersten Jahresbeitrags. Der Jahresbeitrag beträgt für jeden Verband 50 Mark. Einzelvereinen oder selbständig organisierten Ortsgruppen, die außer der Vertretung durch ihren Verband auch Stimmrecht bei den Generalversammlungen des Bundes zu haben wünschen, steht es frei, dies Recht durch Zahlung eines direkten Jahresbeitrages an die Bundeskasse zu erwerben. … Einzelvereine oder Ortsgruppen, die zwei oder mehreren Verbänden angehören, können nur durch einen derselben Zugehörigkeit zum Bunde erlangen; sie sollen selbst zu bestimmen haben, durch welchen dieser Verbände sie im Bunde vertreten zu sein wünschen.“
Diese Bestimmungen verhinderten nicht nur eine Feststellung der genauen Mitgliederzahl, sondern machten auch die Vorbereitung von Generalversammlungen zu einem komplizierten und aufwändigen Unternehmen. Seit der Generalversammlung in Danzig 1905 wurde unter anderem deshalb über eine neue Organisationsstruktur diskutiert und die Problematik der Mehrfachanschlüsse von Vereinen an den BDF sowie das Verhältnis zwischen Fach- und Regionalverbänden immer wieder thematisiert. Satzungsänderungen, die eine Mitgliedschaft im BDF nur mehr über die Verbände zulassen sollten, wurden auf den Generalversammlungen immer wieder vorgeschlagen, scheiterten zunächst aber regelmäßig. Helene Lange, die davon überzeugt war, dass der BDF von der Arbeit und den Initiativen der Einzelvereine lebte, trat einer solchen Neuorganisation des BDF entschie-
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Generalversammlungen des BDF
Vorstand des BDF
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den entgegen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg konnte neben einer grundlegenden Änderung des Programms auch durchgesetzt werden, dass nur noch Verbände zur Mitgliedschaft im BDF zugelassen wurden (§ 3 und 4 der Satzung des BDF vom September 1919). Bereits in der ersten Satzung des BDF wurde festgelegt, dass der Bund alle zwei Jahre an wechselnden Orten eine Versammlung (vgl. die Karte im Anhang: Generalversammlungen des BDF 1894 – 1931, S. 124) einzuberufen hatte und „zum Zweck allseitiger und umfassender Information eine Vertreterin (in der Regel ein Mitglied des Vorstandes) zu dem alle fünf Jahre stattfinden internationalen Frauenkongreß“ entsenden sollte (§ 5 der am 28. März 1894 angenommenen Satzung). Auf den sogenannten Generalversammlungen des BDF wurden die Wahl des Vorstandes (seit 1906: engerer Vorstand), Satzungsänderungen und gegebenenfalls die Auflösung des BDF beschlossen. Zunächst aus zehn, dann aus elf Mitgliedern bestehend, war der Vorstand von 1906 bis zur Wahl von 1921 auf sieben Personen verkleinert worden. Am 1. März 1919 wurde in Berlin eine Geschäftsstelle des BDF eingerichtet, die von 1919 bis 1925 von Dorothee von Velsen geführt wurde. Diese neue Einrichtung sollte die Vorsitzendende von Organisationsarbeiten entlasten und die Arbeit des BDF professionalisieren. Die Geschäftsführerin des BDF gehörte dem engeren Vorstand ohne Stimme an. Ausführendes Organ der Generalversammlung war der Gesamtvorstand, der einmal jährlich tagte. Dieser setzte sich aus den gewählten Mitgliedern des engeren Vorstandes und aus je einer Vertreterin der angeschlossenen Verbände zusammen. Die Leiterin des 1916 geschaffenen Frauenberufsamtes gehörte dem Gesamtvorstand mit Stimmrecht, die Herausgeberin des Bundesorgans und die Geschäftsführerin des Bundes ohne Stimmrecht an. Die eigentliche Machtzentrale des BDF stellte jedoch seit seiner Einführung der engere Vorstand dar (s. weiter unten die Tabelle Vorstand/engerer Vorstand des BDF 1894 – 1933, S. 107). In der Forschung herrscht Konsens darüber, dass Gertrud Bäumer während der Weimarer Republik als stellvertretende Vorsitzende den BDF weiter entscheidend beeinflusste, obwohl sie den Vorsitz 1919 abgegeben hatte. Ebenfalls großen Einfluss hatte Alice Bensheimer, die von 1905 bis 1931 Schriftführerin des BDF war. Die jeweiligen BDF-Vorsitzenden Marianne Weber (1919 – 1921, nominell bis 1924), Emma Ender (seit 1921 geschäftsführende Vorsitzende, 1924 – 1931) und Agnes von Zahn-Harnack (1931 – 1933) waren bei der Ausübung ihres Amtes auf die Erfahrungen dieser langjährigen Vorstandsmitglieder angewiesen. Neben Bäumer und Bensheimer konnten auch noch andere Mitglieder des engeren Vorstands auf eine mindestens zehnjährige Vorstandstätigkeit zurückblicken: Alice Salomon (im Vorstand beziehungsweise engeren Vorstand 1910 – 1920), Elisabeth Altmann-Gottheiner (1910 – 1924), Marie Baum (1919 – 1931), Margarete Gräfin Keyserlingk (1921 – 1932), Luise Kiesselbach (1919 – 1929) und Else Kolshorn (1922 – 1933). Alle diese Frauen kannten bestens die Satzungen und deren jeweilige Änderungen aus langjähriger Erfahrung in führenden Positionen und setzten diese Kenntnisse als strategische Waffe zur Durchsetzung ihrer Interessen ein. Insgesamt handelte es sich also um eine kleine Gruppe, die als Machtzentrale den BDF steuerte. Obwohl in der Satzung von 1910 die Wiederwahl der Vorsitzenden für „die
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ihrer Amtsperiode unmittelbar folgenden 4 Jahre ausgeschlossen“ wurde, bekleideten sowohl Gertrud Bäumer (Vorsitzende 1910 – 1919) als auch Emma Ender (Vorsitzende 1924 – 1931) dieses Amt über längere Zeiträume. Auch die Regelung, dass von den neu zu wählenden Vorstandsmitgliedern jeweils nur sieben wiedergewählt werden durften, führte nicht zu einer wesentlichen Rotation des Vorstands. Wer neu hinzugewählt wurde, blieb oft nur kurze Zeit im engeren Vorstand, so wie Marie-Elisabeth Lüders (1919 – 1922), Paula Kurgaß (1921 – 1923) und Lina Mayer-Kulenkampff (1927 – 1931). Da die Vorsitzende zusammen mit dem engeren Vorstand die Generalversammlungen vorbereitete und durchführte, unter anderem auch die Tagesordnung festlegte, waren Anträge und Änderungen ohne Unterstützung des engeren Vorstandes auf den Generalversammlungen nicht möglich. Der Gesamtvorstand wurde wie die Mitglieder auf den Generalversammlungen in der Regel mit lange vorher im engeren Vorstand diskutierten und abgestimmten Anträgen konfrontiert. Im § 1 des Programms des BDF war festgelegt, dass der BDF „weder parteipolitischen noch konfessionellen Charakter“ haben sollte. Die überparteiliche und überkonfessionelle Orientierung gehörte zu den Grundwerten der Frauenbewegung. Wohl die meisten ihrer Vertreterinnen strebten eine klassen- und parteienübergreifende Tätigkeit an. In der Praxis spielten aber parteipolitische Differenzen und weltanschauliche Auseinandersetzungen eine wachsende Rolle. In der Forschung wird betont, dass der traditionell liberal geprägte Vorstand des BDF in seiner politischen Zusammensetzung von 1919 bis 1933 einen deutlichen Wandel nach rechts vollzog. Soweit eine parteipolitische Zugehörigkeit der Vorstandsmitglieder festzustellen ist, differenzierte sich jedoch zunächst das Bild. Neben den einst dominierenden DDP-Mitgliedern (Marie Baum, Gertrud Bäumer, Marie-Elisabeth Lüders, Luise Kiesselbach, Dorothee von Velsen, Else Kolshorn, Emmy Beckmann, Else Ulich-Beil (1886 – 1965), Marianne Weber) zogen nun DVP-Mitglieder (Emma Ender, Frances Magnus-von Hausen) und DNVP-Mitglieder (Margarete Gräfin Keyserlingk, Käthe von Herwarth, Anna von Gierke) in den Vorstand ein. Vor 1931 hatte sich der Vorstand jedoch auch gegenüber SPDMitgliedern oder -Sympathisantinnen wie Paula Kurgaß und Erna Corte (1924 – 1931) geöffnet. 1931 kandidierte Erna Corte wieder für den Vorstand, gab jedoch im Vorfeld bekannt, seit „längerer Zeit“ Mitglied der SPD zu sein. Die Wiederwahl Cortes schlug fehl. Im letzten, 1931 gewählten Vorstand standen fünf DDP/ DStP-Mitgliedern (Bäumer, Beckmann, Kolshorn, Ulich-Beil, Zahn-Harnack) drei DNVP-Mitglieder (Herwarth, Marie Jecker, Keyserlingk) gegenüber. Da Magnus-von Hausen zwar 1931 noch DVP-Mitglied war, aber 1932 in die DNVP eintrat und von Gierke, die 1920 aus der DNVP ausgetreten war, weiterhin mit dieser Partei sympathisierte, betrug der Anteil der DDP/DStP-Anhängerinnen gegenüber den DNVP-Sympathisantinnen nur mehr 50 Prozent. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die traditionell linksliberal orientierte Führungsriege des BDF die dominierende Gruppe blieb, zu Beginn der Weimarer Republik sich sowohl nach links als auch nach rechts öffnete und gegen Ende der Weimarer Republik nur mehr die Hälfte der Vorstandsmitglieder stellte. Damit spiegelt die Entwicklung des BDF-Vorstandes die Entwicklung der DDP, die in der Weimarer Koali-
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tion mit der SPD zusammenarbeitete und mit der Neugründung der DStP im Jahre 1930 eine verstärkte Hinwendung zu nationalistischen Positionen vollzog, die vermehrt Schnittmengen zur DNVP erkennen ließen.
3. Die Neuorientierung des BDF nach der erfolgten staatsbürgerlichen Gleichstellung der Frauen
Probleme der ersten Berufspolitikerinnen
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Das lange vergeblich geforderte Wahlrecht wurde mit der Revolution von 1918/1919 den Frauen gewährt und stellte den BDF vor neue Herausforderungen. Innen- und außenpolitische Aktionen in großer Zahl wurden vom BDF initiiert. Als Antwort auf den Versailler Vertrag hieß es nun: „Der BDF vereinigt die deutschen Frauen jeder Partei und Weltanschauung, um ihre nationale Zusammengehörigkeit zum Ausdruck zu bringen und die allen gemeinsame Idee von der Kulturaufgabe der Frau zu verwirklichen.“ Gefordert wurde „eine lebendige Mitwirkung der Frauen bei der Gestaltung der politischen Lebensformen“. Konkret sah der BDF die besonderen staatsbürgerlichen Aufgaben der Frauen nicht nur in der „Pflege des Menschtums“, sondern ebenso „in der Erhaltung der deutschen Einheit, in der Förderung des inneren Friedens“ und in der „Vertretung der besonderen Interessen und Bedürfnisse der Frauen und Kinder“. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, erstrebte der BDF „den Eintritt möglichst vieler sachverständiger Frauen in die gesetzgebenden und verwaltenden Körperschaften von Gemeinde, Kirche und Staat, … die Einstellung von Frauen in die Regierung … [und] die staatsbürgerliche Schulung aller Frauen“ (aus der Satzung des BDF vom September 1919). Der Erhalt des politischen Frauenwahlrechts, die immens hohe Wahlbeteiligung der Frauen (für die Nationalversammlung gaben 82 % der wahlberechtigten Frauen ihre Stimme ab) und der Einzug von 41 weiblichen Abgeordneten in die Nationalversammlung erweckten bei vielen politisch engagierten Frauen den Eindruck, es sei nun eine völlig neue politische Ära eröffnet worden. Der engere Vorstand des BDF wollte die Interessenvertretung der Frauen im BDF bündeln und hoffte, möglichst viele weibliche Abgeordnete des Reichstages und der Landesparlamente zur Mitarbeit in Arbeitsgruppen und Sektionen gewinnen zu können. Die wechselnden Regierungen, die angespannte außen- und innenpolitische Situation und die Folgen der Inflation führten dazu, dass sich die angestrebte überparteiliche Zusammenarbeit der Frauen angesichts der immensen Probleme äußerst schwierig gestaltete. Aus Bäumers Referat auf der 15. Generalversammlung des BDF 1927 in Eisenach, wo sie über Umfang und Grenzen überparteilicher Frauenpolitik sprach, klang Ungeduld und Enttäuschung. „Zum Teil haben sich die ehemals Entschiedenen an Kompromisse gewöhnt, zum Teil haben die Parteien gelernt, bequeme Frauen in ihre Arbeit hineinzuziehen.“ Der erhoffte Wandel in der Politik war nicht eingetreten, Frauen hatten sich im Arbeitsstil und in der Prioritätensetzung der „Männerpolitik“ angepasst. Was es bedeuten würde, wenn in der frauenpolitischen „Arbeit wirklich die Angelegenheiten des Menschen und des
Die Neuorientierung des BDF
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Lebens gegenüber denen der Technik, der Sachgüter und der materiellen Macht in den Vordergrund rücken würden“, darüber machte sich, so monierte Bäumer, angesichts des zermürbenden Arbeitsalltags kaum eine Politikerin mehr Gedanken. Gertrud Bäumer sprach sich auch noch einmal deutlich für die Beibehaltung des BDF als zweites Standbein für politisch aktive Frauen aus und wandte sich gegen eine stärkere Zentralisierung der BDF-Arbeit. Sie plädierte wie Helene Lange angesichts der Umstrukturierungspläne von 1905/ 1906 für die Beibehaltung der BDF-Struktur, bei der die Initiativen von unten aus den Landesverbänden kommen sollten. Noch vor Kriegsende war der DEF im März 1918 aus dem BDF ausgetreten. Neben vielen prinzipiellen Auseinandersetzungen bot die Forderung nach dem Frauenwahlrecht, die der BDF 1917 noch einmal eindringlich erhoben hatte, dem DEF den Anlass zum Austritt. Der Vorstand des BDF versuchte vergeblich, diesen offenen Bruch zu verhindern und bemühte sich in den Jahren der Weimarer Republik intensiv, die evangelischen Frauenvereine wieder zum Eintritt zu bewegen. Um den Einfluss der evangelischen Frauenorganisationen auf die Gesellschaft zu vergrößern, schlossen sich diese in Konkurrenz zum BDF im Juni 1918 zur Vereinigung Evangelischer Frauenverbände Deutschlands (VEFD) zusammen. Dieser Dachverband sollte auf breiterer Basis als der DEF den „evangelischen Frauenwillen in der Öffentlichkeit zur Geltung bringen“. Während der BDF den DEF beziehungsweise die VEFD nicht mehr integrieren konnte, entschied sich 1920 der Reichsverband landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine (RLHV) für den Eintritt in den BDF. Der RLHV war politisch konservativ geprägt. Führende Mitglieder dieser Hausfrauenvereine vertraten die Ansicht, dass angesichts der neuen politischen Lage der Stimme der Landfrauen in der Politik größeres Gewicht verliehen werden müsse. In bewusster Abgrenzung zu der städtischen Frauenbewegung brachten die Landes- und Provinzialverbände des RLHV zu Beginn der zwanziger Jahre neue Themen, konservative sowie deutlich antiemanzipatorische Zielvorstellungen in die Arbeit des BDF ein. Sie trugen in den folgenden Jahren einen entscheidenden Teil bei, die Reibungspunkte zwischen den drei großen, in ihren Arbeitsgebieten voneinander abgegrenzten Organisationstypen des BDF zu erhöhen. Überblick Organisationstypen im BDF: 1. „Allgemeine Frauenvereine“ oder Fachverbände Dies waren per definitionem des BDF Verbände, die durch ein „sachliches oder weltanschauliches Programm, ein bestimmtes Arbeitsgebiet oder eine Aufgabe der Frauenpolitik in weitesten Sinne verbunden sind“ (Satzung des BDF). Dazu zählten zum Beispiel der Allgemeine Deutsche Frauenverein (Deutscher Staatsbürgerinnenverband), der Deutsche Frauenbund für alkoholfreie Kultur, der Jüdische Frauenbund, der Verband deutscher Frauenkultur. 2. Berufsorganisationen Dazu gehörten unter anderen der Allgemeine Deutsche Lehrerinnenverein, der Verband der deutschen Reichs-Post- und Telegraphenbeamtin-
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nen, der Kaufmännische Verband für weibliche Angestellte und Verbündete Kaufmännische Vereine für weibliche Angestellte (ab Mitte der zwanziger Jahre im BDF vertreten durch die Frauengruppen des Gewerkschaftsbundes der Angestellten), der Reichsverband Deutscher Hausfrauen und der Reichsverband Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine. 3. Regionale Verbände Dazu zählten einflussreiche Verbände wie der Rheinisch-Westfälische Frauenverband, der Provinzialverband Berlin, der Hauptverband Bayerischer Frauenvereine und der Verband Norddeutscher Frauenvereine.
Finanzielle Situation des BDF
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Die Berufsorganisationen waren im Zuge der Zunahme der weiblichen Angestelltenberufe immer bedeutender geworden – ein Trend, der in der Weimarer Republik anhielt. Sie waren nach gewerkschaftlichem Vorbild straff organisiert und verfügten im Vergleich zu den „allgemeinen Frauenvereinen“ und den regionalen Verbänden über wesentlich bessere finanzielle Möglichkeiten. Die in den so genannten Fachverbänden organisierten traditionellen Vereine der Frauenbewegung dominierten die Frauenorganisationen nicht mehr in dem Maße wie im 19. Jahrhundert. Auf welchen Gebieten sie an Einfluss verloren und auf welchen Feldern die traditionsreichen Vereine wie der BDF und der ADF weiterhin Impulse gaben, müsste noch untersucht werden. Die regionalen Verbände führten in der Regel ein vom BDF und vom ADF relativ unabhängiges Dasein. Ihre Pflichten und Rechte gegenüber dem Dachverband waren in den ersten Jahren der Weimarer Republik nicht genau festgeschrieben. Dem veränderten Kräfteverhältnis zwischen Berufsund Fachverbänden trug jedoch die Zusammensetzung des engeren Vorstandes des BDF nur in Ansätzen Rechnung. Aus Unmut über diese Ignoranz des BDF gegenüber den Berufsorganisationen trat der Kaufmännische Verband für weibliche Angestellte 1922 aus dem BDF aus. Der Austritt dieses mitglieds- und damit beitragsstarken Verbandes sowie andere bereits vollzogene und drohende Austritte führten zu einer kritischen finanziellen Situation des BDF, die sich durch die Inflation dramatisch verschlechtern sollte. 1919 verfügte der BDF nach Hönig noch über ein Gesamtvermögen von etwa 70 000 Mark, zu dem die jährlichen Mitgliedsbeiträge sowie der Erlös aus dem Verkauf von Broschüren, Postkarten und Zeitschriften hinzukamen. Versuche, die Mitgliedsbeiträge der angeschlossenen Verbände und Vereine zu erhöhen, wurden ebenso regelmäßig unternommen wie sie nicht durchgesetzt werden konnten. Die Vereine führten in der Regel ihre eigene prekäre finanzielle Situation und die ihrer Mitglieder an, um Beitragserhöhungen abzulehnen. Trotz dieser Schwierigkeiten konnte der BDF mit Hilfe einer großzügigen Spende des Bundes Schweizer Frauenvereine auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 die Gertrud-Bäumer-Stiftung, eine Altershilfe der deutschen Frauenbewegung, ins Leben rufen. 1927/1928 wurden von ihr 42 ehemalige Aktivistinnen der Frauenbewegung regelmäßig unterstützt, und in vielen Notfällen konnten einmalige Zuschüsse gewährt werden. Für das Geschäftsjahr 1928/29 erwartete der BDF schließlich ein Defizit von 12 500 Mark, wodurch die Arbeit der Geschäftsstellen in Berlin (gegr.
Die Erosion des BDF 1919), Mannheim (gegr. 1925?) und Hamburg (gegr. 1925?) gefährdet war. Trotz immer wieder drohender Defizite konnten die wichtigsten Aktivitäten des BDF jedoch weiterhin durch ehrenamtliche Mitarbeit, dem Verkaufserlös aus Informationsmaterial, durch große und kleine Spenden sowie mit Hilfe zusätzlich eingeworbener Mittel gesichert werden. Für seine internationalen Aufgaben erhielt der BDF in erheblichem Umfang regelmäßig Zuschüsse des Auswärtigen Amtes und anderer Regierungsstellen. Das Auswärtige Amt unterstützte besonders die Arbeit des BDF für und mit dem „Auslanddeutschtum“ in den Gebieten, die Deutschland und die Habsburger Monarchie nach der Kriegsniederlage abtreten mussten. Insgesamt, so stellt Gilla Dölle fest, schrieb der BDF im Laufe seiner Geschichte niemals rote Zahlen und konnte bei seiner Auflösung immerhin noch ein Restguthaben von 2272, 84 Mark an die Gertrud-Bäumer-Stiftung überweisen. Das schon von einem Teil der Frauenrechtlerinnen entworfene und von der Forschung fortgeschriebene Modell der Spaltung der Frauenbewegung in einen gemäßigten und einen radikalen Flügel ist bei genauerer Betrachtung auch und gerade für die Zeit der Weimarer Republik fragwürdig. Auf lokaler und regionaler Ebene lassen sich zahlreiche punktuelle und partielle Kooperationen feststellen. Gemeinsame Tätigkeiten und Zielsetzungen verbanden nicht nur politische Kontrahentinnen innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung, sondern schlugen auch Brücken zwischen der sozialistischen und der bürgerlichen Frauenbewegung. In der Nationalversammlung und im Reichstag kam es in der Sozialpolitik öfter über die Fraktionsgrenzen hinaus zur parlamentarischen Zusammenarbeit der weiblichen Abgeordneten, die bereits am 1. März 1919 gegen die „Hungerblockade“ der Alliierten eine gemeinsame Interpellation eingereicht hatten und wenig später zu den Anordnungen der Demobilmachungskommission bezüglich der Berufstätigkeit der Frauen Stellung nahmen. Auch in den Landesparlamenten und auf kommunaler Ebene kam es zu Kooperationen über die Parteigrenzen hinweg. Für Henriette Fürth traten laut Angelika Epple ideologische Gründe in den Hintergrund, wenn es um konkrete kommunalpolitische Angelegenheiten ging. Auf lokaler Ebene arbeitete die Sozialdemokratin in Frankfurt am Main unter dem Motto „Ich nehme das Gute, wo ich es finde“ mit den bürgerlichen Frauenvereinen zusammen, wenn es galt, Rechtsschutzstellen und Mutterschutzkassen zu etablieren.
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Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg
4. Die Erosion des BDF Die im Weltkrieg entstandene gemeinsame Front im Lager der Frauenbewegung, die interne Differenzen noch einmal weitgehend überbrücken konnte, zeigte nach 1918 weitere Erosionserscheinungen. Den Beginn markiert der Austritt des DEF. 1920 war der Ring nationaler Frauen als nationalkonservative Alternative und in bewusster Konkurrenz zum BDF gegründet worden. 1922 verließ der mitgliedsstarke Verband der weiblichen Handlungs- und Büroangestellten (bis 1918: Kaufmännischer Verband für weibliche Angestellte) den BDF. 1932 kündigten der RDHV und der RLHV ihre
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Mitgliedschaft im BDF auf. Diese Austritte zeigten die immer größer werdenden Probleme des BDF an, die zentrifugalen Kräfte innerhalb des Bundes zu bändigen. Der Austritt des DEF machte deutlich, dass Bäumer als Vorsitzende des BDF mit der unmissverständlichen Forderung nach dem Frauenwahlrecht in den Augen des DEF zu der Sorte von „Radikalen“ wurde, die die Frauenbewegung in nationalkonservativen Kreisen seit jeher in Misskredit brachte. Als der Verband der weiblichen Handlungs- und Büroangestellten den BDF verließ, sah die BDF-Führung Befürchtungen bestätigt, dass die Berufsverbände der Frauen sich immer mehr als rein berufliche Interessenvertretungen verstanden und dadurch die umfassende Idee der Frauenbewegung als „Kulturbewegung“ unterminierten. Der Austritt des erst 1920 dem BDF beigetretenen RLHV signalisierte, dass der Zusammenschluss von national-liberalen und völkisch-konservativen Frauengruppen angesichts der politischen Radikalisierung nicht mehr zu halten war. Darüber hinaus war die Verbindung der organisierten Frauenbewegung zu der Gruppe der Hausfrauen und Mütter auf dem Land besonders schwach geblieben. Zwischen den (meist städtischen) berufstätigen Frauen und den Hausfrauen schien der Funke nicht übergesprungen zu sein, zu verschieden waren die liberalen sozial-reformerischen und die traditionalistisch-agrarischen Interessen. Frauen wurden zunehmend zu Vertreterinnen der politischen und sozialen Gruppierungen, aus denen sie kamen. Konsensfähige „Frauenbelange“ in der Öffentlichkeit zu debattieren, wurde immer schwieriger. Zu dem Rückzug der Hausfrauenverbände aus dem BDF, der mit der notwendigen Konzentration auf die eigenen Aufgaben begründet wurde, gab die Stellungnahme des BDF zu den 1932 aktuellen Abrüstungsfragen offenbar nur den willkommenen Anlass. Bäumer hielt den Austritt der Hausfrauenverbände für kurzsichtig und erinnerte daran, dass der BDF im Krieg die „Hausfrauenbewegung begründet und entwickelt hatte … Insofern bildete die Hausfrauenbewegung einen Teil der Frauenbewegung, denn Frauenbewegung war niemals und sollte niemals sein eine Angelegenheit der erwerbstätigen Frau im engeren Sinne.“ Trotz des Widerstands vom rechten Flügel arbeitete der BDF seit dem Ende der zwanziger Jahre partiell mit der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit zusammen, unterstützte deren Friedensaufrufe und beteiligte sich auch an der Vorbereitung der internationalen Abrüstungskonferenz 1932 in Genf. Wenn der BDF auch hier in erster Linie nationale Ziele im Rahmen der internationalen Politik verfolgte, wird man die vom BDF mitgetragene Forderung nach Ächtung des Krieges nicht nur unter der Frage untersuchen können, in welchem Umfang sich der BDF vom Auswärtigen Amt instrumentalisieren ließ. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem BDF mit dem Ministerium des Innern und dem Auswärtigen Amt ist auf diesem Gebiet dokumentiert. Doch auch die Ernsthaftigkeit, mit der die Frauenverbände einen weiteren Krieg verhindern wollten, ist dabei nicht zu übersehen. So wie die Differenzierungen innerhalb des BDF zunahmen, verschärfte sich ein schon um die Jahrhundertwende beklagtes Strukturproblem der Frauenorganisationen: Das Generationenproblem wurde immer offensichtlicher. Jüngere Frauen sahen in den Vereinen der Frauenbewegung zumeist überholte Institutionen. Beflügelt von den erweiterten Handlungsspielräu-
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men, die ihnen die Weimarer Republik bot, zog sie wenig in die von älteren Frauen dominierten separaten Frauenorganisationen. Wenn sich diese jungen Frauen überhaupt organisierten, traten sie lieber Vereinen bei, die sowohl Männern wie Frauen offen standen. Ob und wie der BDF diese Probleme hätte lösen können, darüber kann man nur spekulieren. Der Aufstieg des Nationalsozialismus ließ die inneren Probleme gegenüber dem äußeren Druck verblassen. Keineswegs hat sich der BDF, wie in älteren Darstellungen oft kolportiert, in vorauseilendem Gehorsam dem Nationalsozialismus angedient. Wohl gab es im heterogen zusammengesetzten BDF Personen und Vereine, die mit dem Nationalsozialismus sympathisierten und antisemitische Tendenzen erkennen ließen. Vor 1933 hatten jedoch führende Vertreterinnen des BDF, unter ihnen Gertrud Bäumer, noch dezidiert Stellung gegen den Nationalsozialismus und gegen den Antisemitismus bezogen. In einer Zeit, in der Antisemitismus in weiten Kreisen salonfähig war, unterzeichnete Bäumer 1930 als einzige Frau einen Aufruf gegen die „Kulturschande des Antisemitismus“, den die Deutsche Liga für Menschenrechte in 300 Städten plakatieren ließ. Vor den Wahlen am 5. März 1933 verbreitete der BDF eine Erklärung, in der die Frauen aufgerufen wurden, Parteien zu wählen, die nicht versuchten, die „Frauen … zu Bürgern zweiter Klasse herabzudrücken“. Dieser Aufruf macht deutlich, dass der BDF die Zeichen der Zeit zu deuten wusste. Noch präziser hieß es in einem zweiten Flugblatt zu der Wahl: „Mit unserem Stimmzettel wenden wir uns: gegen die Verdrängung der Frau im Staatsleben, … gegen Abbau fachkundiger Frauen in der Verwaltung.“ Der BDF sollte wie andere Frauenvereine bald die befürchteten Folgen des Machtwechsels zu spüren bekommen.
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Tabelle Vorstand / engerer Vorstand des BDF 1894 – 1933 Bis 1898
Wahl 1900
Frl. Auguste Schmidt, Leipzig (1. Vorsitzende) Frau Anna Simson, Breslau (2. Vorsitzende) Frau Hanna Bieber-Böhm, Berlin Frau Auguste Förster, Kassel Frau Dr. Naue, München Frau Helene von Forster, Nürnberg Frl. Ottilie Hoffmann, Bremen Frl. Helene Lange, Berlin Frau Jeanette Schwerin, Berlin Frau Marie Stritt, Dresden
Marie Stritt, Dresden (1. Vorsitzende) Anna Simson, Breslau (2. Vorsitzende) Hanna Bieber-Böhm, Berlin Ika Freudenberg, München Elisabeth Kaselowsky, Berlin Auguste Förster, Kassel Helene von Forster, Nürnberg Ottilie Hoffmann, Bremen Helene Lange, Berlin Betty Naue, München _____ Alice Salomon wurde zur Beisitzerin, Auguste Schmidt zur Ehrenvorsitzenden gewählt.
Wahl 1902
Wahl 1906 (nun: engerer Vorstand)
Marie Stritt, Dresden (Vorsitzende) Frau v. Forster, Nürnberg (stellv. Vorsitzende) Frl. Pappritz, Berlin Frl. Salomon, Berlin Freiin v. Beschwitz, Dresden Frau Simson, Breslau Frl. Freudenberg, München Frl. Lange, Berlin Frau Edinger, Frankfurt a.M. Frau Weber, Heidelberg Frau Bieber-Böhm, Berlin _____
Frau Marie Stritt (Vorsitzende) Frau Helene v. Forster (erste stellv. Vorsitzende) Frau Marianne Weber (zweite stellv. Vorsitzende) Frl. Anna Pappritz Frl. Alice Salomon Frau Alice Bensheimer Frau Anna Edinger
1905 scheiden Helene Lange und Hanna Bieber-Böhm aus dem Vorstand aus; Margarete Poehlmann, Tilsit, und Alice Bensheimer, Mannheim, rücken nach.
Wahl 1910
Wahl 1919
Gertrud Bäumer (Vorsitzende) Helene v. Forster (stellv. Vorsitzende) Alice Salomon (stellv. Vorsitzende) Alice Bensheimer, Schriftführerin Anna Pappritz Martha Zietz, protokoll. Schriftführerin Elisabeth Altmann-Gottheiner, Schatzmeisterin
Marianne Weber (Vorsitzende) Alice Salomon (stellv. Vorsitzende) Gertrud Bäumer (stellv. Vorsitzende) Alice Bensheimer, korresp. Schriftführerin Marie Baum, protokoll. Schriftführerin Emma Ender Elisabeth Altmann-Gottheiner, Schatzmeisterin _____
_____ 1916 nimmt Paula Müller die Wahl in den engeren Vorstand an.
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Luise Kiesselbach und Marie Elisabeth Lüders werden zu Beisitzerinnen gewählt. 1920 scheidet Alice Salomon aus dem engeren Vorstand aus.
Die Erosion des BDF
Wahl 1921 Marianne Weber (Vorsitzende) Emma Ender (geschäftsf. Vorsitzende) Gertrud Bäumer (stellv. Vorsitzende) Alice Bensheimer Elisabeth Altmann-Gottheiner Marie Baum Gräfin Margarete Keyserlingk Luise Kiesselbach Paula Kurgaß Marie Elisabeth Lüders _____
Wahl 1924 Emma Ender (Vorsitzende) Gertrud Bäumer (stellv. Vorsitzende) Else Kolshorn (stellv. Vorsitzende) Alice Bensheimer, Schriftführerin Marie Baum Luise Kiesselbach Erna Corte, Kassenführerin Gräfin Margarete Keyserlingk Dorothee von Velsen Lina Mayer-Kulenkampff ___
1922 Rücktritt von Marie Elisabeth Lüders; Else Kolshorn wird kooptiert. Januar 1923: Rücktritt v. Paula Kurgaß; Kooption von Dorothee von Velsen.
Juni 1926: Dorothee von Velsen tritt aus dem engeren Vorstand zurück.
Wahl 1927 Emma Ender (Vorsitzende) Gertrud Bäumer (stellv. Vorsitzende) Else Kolshorn (stellv. Vorsitzende) Alice Bensheimer, Schriftführerin Marie Baum Käthe von Herwarth, Schatzmeisterin Gräfin Margarete Keyserlingk Emmy Beckmann Luise Kiesselbach Erna Corte ____
Wahl 1931 Agnes v. Zahn-Harnack (Vorsitzende) Gertrud Bäumer (stellv. Vorsitzende) Emmy Beckmann Marie Jecker Else Kolshorn Käthe v. Herwarth Gräfin Margarethe Keyserlingk Frances Magnus v. Hausen Else Ulich-Beil Anna v. Gierke
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Nach dem Tod von Luise Kiesselbach (1929) wird Marie Jecker kooptiert.
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XI. Frauenbewegung und Nationalsozialismus 7. Mai 1933 15. Mai 1933 16. Mai 1933
24. Sept. 1933 1937 1938
Selbstauflösung des ADLV Selbstauflösung des BDF Überführung des Verbandes der deutschen Post- und Telegraphenbeamtinnen in den gleichgeschalteten Deutschen Postbund Selbstauflösung des ADF Alice Salomon wird in die Emigration gezwungen (USA) Auflösung des JFB
Eine vielseitige, differenzierte und zum Teil auch polarisierte Frauenbewegung entwickelte sich gegen Ende der Weimarer Republik parallel zum Aufstieg des Nationalsozialismus. Der Heterogenität der Frauenbewegung entsprechend nahmen einzelne Organisationen und Persönlichkeiten unterschiedliche Stellungen gegenüber dem Nationalsozialismus ein. Die Spanne reichte von strikter Ablehnung und Bekämpfung über weitgehende Nichtbeachtung beziehungsweise vorsichtigem Interesse bis hin zu enthusiastischer Begeisterung für die Nationalsozialisten. In dem Bemühen, das Verhältnis „der“ Frauenbewegung gegenüber dem Nationalsozialismus auf einen Nenner zu bekommen, ist die ältere Forschung generell von einer hohen Affinität der (bürgerlichen) Frauenbewegung zum Nationalsozialismus ausgegangen. Neuere Forschungen konnten hier ein differenzierteres Bild zeichnen, auch wenn auf diesem Gebiet noch viele Fragen offen sind.
1. Zur Situation der Frauenbewegung am Ende der Weimarer Republik Der BDF hatte während der Weimarer Republik mit Austritten von Einzelpersonen und Vereinen zu kämpfen, die mit dem Erhalt des Frauenstimmrechts die Existenz der Frauenbewegung als erledigt betrachteten. Die 1910 unter Helene Lange vorgenommene Neuorientierung der Arbeit des ADF auf Kommunalpolitik hatte unter den neuen verfassungsrechtlichen Bedingungen der Weimarer Republik dazu geführt, dass eine klare Unterscheidung zwischen der 1909 noch von Gertrud Bäumer geforderten „spezifischen Parteipolitik der Frauen“ und der Parteipolitik der Männer im politischen Alltag nur schwer herzustellen war. Das Aktionsfeld und der Personalbestand der „überparteilichen“ Frauenvereine verengten sich angesichts der allgemein zunehmenden Differenzierung und Spezialisierung interessenpolitischer Gruppierungen zusehends. Einerseits gehörten politisch aktive Frauen in der Regel einer Partei an, andererseits nahmen Gewerkschaften und Berufsorganisationen zunehmend Frauen in ihre Reihen auf. Wenn der ADF unter dem 1910 erweiterten Namen Allgemeiner Deutscher Frauenverein (zugleich Verband für Frauenarbeit und Frauenrechte in der Gemeinde) auch einen großen Aufschwung genommen und Entscheidendes
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Am Ende der Weimarer Republik zur Professionalisierung und Politisierung von Frauen beigetragen hatte, so wurden nun die Grenzen seiner Arbeit deutlich. Das Ziel, die breite Masse der Frauen zur Mitarbeit zu bewegen, sie vom „politischen Charakter … ihrer einfachsten alltäglichen Angelegenheiten“ (Helene Lange) zu überzeugen, war nicht erreicht worden. Die öffentliche Aufwertung der Hausarbeit im Ersten Weltkrieg, mit der die Mütter und Hausfrauen für die Frauenbewegung gewonnen werden sollten, hatte bei diesen keine durchgreifende Politisierung erwirken können. Die Mitglieder des 1915 ins Leben gerufenen Reichsverbandes Deutscher Hausfrauenvereine bemühten sich in der Regel weder um einen Bezug zur Idee der Frauenbewegung noch entwickelten sie Solidarität mit berufstätigen Frauen, sondern betonten „in bewußter Einseitigkeit das Hausfrauentum statt des Frauentums“ (Gertrud Bäumer). Helene Lange sah dies als ein besonderes Problem an und betonte, es wäre „eine ganz falsche Vorstellung, daß die besonderen Fraueninteressen sich innerhalb der Parteien durchsetzen lassen“. Folgerichtig schloss sie 1921, die Frauenbewegung stünde nach Erhalt des Frauenwahlrechts nicht am Ziel, sondern erst an ihrem Anfang. Im Vorfeld der Reichstags- und preußischen Landtagswahlen des Jahres 1928 startete der BDF noch einmal eine groß angelegte, überparteiliche Offensive. Mittels einer Fragebogenaktion wurde in den angeschlossenen Verbänden nach geeigneten Kandidatinnen „aus allen Kreisen und Parteien“ für die Wahlen gesucht. Auf diese Art und Weise kamen 82 Namen zusammen. Daraufhin wurde mit der Bitte um Berücksichtigung der DDP eine Liste mit 29 Namen, der DVP eine Liste mit 32 und der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) eine Liste mit 21 Namen von Frauen zugestellt, „die über Erfahrungen auf Gebieten des öffentlichen Lebens verfügen“. Letztlich waren also nur Frauen vorgeschlagen worden, die diesen drei Parteien angehörten oder nahestanden. Mithin spiegelt sich in dieser Aktion auch die Nähe beziehungsweise die Ferne des BDF zu den einzelnen Parteien dieser Zeit. Festzuhalten bleibt, dass die linksliberale Grundhaltung des BDF-Vorstandes, die seit Gründung des BDF 1894 zu konstatieren ist, zwar noch vorhanden war, aber nicht mehr dominierte. Während die Affinität zur DDP im Schwinden begriffen war, wuchs die Zahl der im BDF engagierten Frauen an, die der Partei Stresemanns und der DNVP den Vorzug gaben. Frauen, die den Parteien am linken Rand des Parteienspektrums angehörten, also SPD- und KPD-Mitglieder, fanden sich nicht auf den Vorschlagslisten. Nach der Reichstagswahl vom 14. September 1930 gab Bäumer in einer vertraulichen Aussprache im Kreise des BDF-Gesamtvorstandes ihrer Meinung Ausdruck, dass die Dinge in der Politik „in Fluß gekommen [sind] … und die Anschauungen … sich wandeln“ müssten. Die deutschen Wählerinnen und Wähler hatten allen Parteien, die im mühsamen Alltagsgeschäft nach Kompromissen suchten, eine Abfuhr erteilt und den Nationalsozialisten einen großen und überraschenden Wahlerfolg beschert. Bäumer sprach sich angesichts dieser deprimierenden Lage weiter gegen die Gründung einer Frauenpartei aus, betonte aber, dass Frauen sich politisch noch stärker engagieren und auf allen Gebieten der Politik tätig werden müssten. Den kleinen Parteien der Mitte, und damit ihrer eigenen, gab sie keine Zukunft mehr. „Man sagt heute: Voraussetzung für die Kultur ist die Macht.
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Grenzen der überparteilichen Zusammenarbeit
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Stellungnahme der Parteien zur Gleichberechtigung der Frau 1933
Mit mehr Recht kann man, glaube ich, sagen: Voraussetzung für die Macht ist Kultur. Man sollte, ja muß für die Frauen die Beherrschung dieses wirtschaftlichen und politischen Machtapparates verlangen. Man muß aber darüber hinaus verlangen, daß die Frauen lernen, diesen Apparat nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck zu sehen und zu gebrauchen … Was Frauen gemeinsam zu tun haben, das ist: Gegen das Klassenkämpferische und gegen das Zerstörerische zu wirken. Es gilt, den Boden dafür neu zu suchen, in Verbindung mit vielen Männern, mit weiten Kreisen der Jugend.“ Die Antworten, die der BDF im Februar 1933 von verschiedenen Parteien auf die Frage erhielt, ob die jeweilige Partei für die volle Gleichberechtigung der Frau eintrete, und falls ja, ob sie bereit sei, diesem „Grundsatz der Gleichberechtigung praktisch Ausdruck … durch die Aufstellung von Frauenkandidaturen“ zu geben, zeigen deutlich das Dilemma auf, in dem sich Frauen aller Parteien befanden. Die SPD erlaubte sich, daran zu erinnern, dass sie bereits vor dem Krieg die Gleichberechtigung der Frau gefordert hatte und dass sie „ihre Kandidaten für die öffentlichen Wahlen lediglich nach der Befähigung auf[stellt] und … [dabei] nicht nach Geschlecht und Herkunft“ fragt. Die meisten Parteien dokumentierten hinsichtlich dieser Frage ihren prinzipiellen Willen, der allerdings nur wenig praktische Folgen zeitigte (Zentrum, DStP, DVP, DNVP, Christlich-sozialer Volksdienst, Deutsch-hannoversche Partei). Die NSDAP machte kurz und prägnant deutlich, unter welchen Prämissen das Verhältnis Frauen – Politik bald ausschließlich betrachtet werden sollte: „Auf unseren Listen kandidieren … auch diesmal ausschließlich Männer, weil die vielen Tausenden von Frauen, die in unseren Reihen in vollster staatsbürgerlicher Gleichberechtigung aktiv mitarbeiten, von jeher und entschieden für die etwas zweifelhafte Ehre dankten, sich in ,die Drecklinie des politischen Kampfes in den Parlamenten zu begeben.“ Versucht man, das Verhältnis der Frauenbewegung zum Nationalsozialismus am Ende der Weimarer Republik zu bestimmen, so kann man die jeweiligen Organisationen und einzelne Vertreterinnen dieser Vereine untersuchen. Beides ist bislang nur in Ansätzen geschehen. Am Beispiel Gertrud Bäumers kann man erkennen, dass ihre Haltung zum Nationalsozialismus keine statische, sondern eine äußerst dynamische war. Sie entwickelte sich von einer klaren Gegnerin des Nationalsozialismus zu einer an den politischen Verhältnissen der Weimarer Republik allmählich resignierenden Person, die – wie viele Zeitgenossen – der Machtergreifung der Nationalsozialisten durchaus nicht mehr nur ablehnend, sondern ambivalent gegenüberstand. Im Frühjahr 1933 war für sie die Situation weitgehend offen und die Entwicklung Deutschlands unter nationalsozialistischer Herrschaft noch nicht abzusehen. ,
Frauenbewegungen und Nationalsozialismus am Beispiel Gertrud Bäumers
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Annäherungen und Abgrenzungen
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2. Annäherungen und Abgrenzungen: Bäumer, der BDF und der Aufstieg des Nationalsozialismus Als graue Eminenz des BDF regierte Gertrud Bäumer in die Amtsführung Emma Enders bis in die Details hinein und blieb als reichsweit bekannte Persönlichkeit weiter eine gefragte Ratgeberin und Rednerin bei den Frauenorganisationen. Sie bemühte sich um einen Zusammenhalt der Frauenbewegung und versuchte zum Beispiel immer wieder, den DEF zum Wiedereintritt in den BDF zu bewegen. Für Bäumer, nach den Wahlen im September 1930 die einzige Frau in der Reichstagsfraktion der DStP, wurde es nahezu unmöglich, Forderungen des BDF in der DDP/DStP Gehör zu verschaffen. Sie neigte nach all diesen Erfahrungen immer mehr zu autoritären Lösungsvorschlägen. Ohne von pluralistischen und liberal-individuellen Positionen ganz abzurücken, forderte sie eine charismatische politische Führung und glorifizierte die Reichsidee sowie die Kollektivpersönlichkeit der Nation. Inhalt und Form der Schriften Gertrud Bäumers sind seit dem Ende der zwanziger Jahre von politischer Romantik durchtränkt. Viele Passagen machen dabei den Eindruck, als ob die tägliche Erfahrung politischer Ohnmacht sie zu omnipotenten Machtträumen verleitete. Politische Führung definierte sie als „schöpferische Fortbildung bestehender Verhältnisse zu einem Zustand, in dem die Kräfte von Volk und Staat fruchtbarer und wirksamer zusammengefaßt, das Leben der Nation mit den Mitteln des Staates reicher entfaltet werden“. Diese Art von politischer Führung, „nicht die hysterische Sehnsucht nach dem Diktator“, vermisste Bäumer im politischen Alltag. Sie beklagte, „die Politik bewegt sich fort auf den äußeren Druck von Situationen und Ereignissen, die Entscheidungen unentrinnbar fordern“. In der Tat war der Druck immens, unter dem Politiker am Ende der Weimarer Republik standen. Bei Vorträgen von Liberalen waren Störungen inzwischen an der Tagesordnung. Selbst in traditionellen Hochburgen der Liberalen machten „SA-Gruppen, verteilt oder geschlossen, den Versuch …, durch Liedersingen das ganze Unternehmen zu stören“ (Theodor Heuss). Die DDP/DStP litt in der Endphase der Republik ganz besonders unter dem Stigma der „Judenpartei“. Die Nationalsozialisten diffamierten auch Bäumer, die ihnen offensichtlich durch ihr Engagement gegen den Antisemitismus ein Dorn im Auge war. Bäumers Ermüdungserscheinungen im Kampf um die Demokratie, den sie auf der politischen Bühne bis zum Ende der Weimarer Republik nicht aufgab, schlugen sich zunehmend in ihren von den tagespolitischen Themen wegführenden schriftlichen Arbeiten nieder. In ihren Schriften nahm die Hinwendung zum Mystischen, zum Irrationalen, das Auflehnen gegen die Kälte der Moderne immer mehr Raum ein. Die mitreißende Rednerin und Werberin für die Weimarer Republik war zunehmend enttäuscht, wünschte sich einen „Neubeginn“. „Es ist beinahe tragisch“, schrieb sie 1932, „daß diejenige Partei, die, man mag stehen zu ihr wie man will, gerade in der undeutlichen Breite ihrer Ziele den Charakter der Volksbewegung aus Instinkt und Gefühl heraus trägt, der Nationalsozialismus, sich so
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einseitig unter reaktionär männlichen Vorzeichen entwickelt hat.“ Wie so viele sollte sie wenig später mit der von ihr bis 1933 bekämpften NSDAP die trügerische Hoffnung auf einen Ausweg aus der Krise verbinden. Bei der Metamorphose ihres schriftlichen Werkes kam ihr entgegen, dass sie auch konkrete liberale Reformen immer im Kontext nationalen Denkens und Fühlens gefordert hatte. Der Nationalstaat bot ihrer Meinung nach den Rahmen, in dem sich der moderne Mensch am besten entwickeln konnte, getreu Goethes Motto: Jeder gebe sein Bestes – je nachdem Gott es ihm gegeben. Die geistigen Grundlagen der Kultur, das Christentum, die Aufklärung, der Liberalismus, die Frauenbewegung waren jedoch nicht an nationale Grenzen gebunden. Sie gingen darüber hinaus, „sich verbrüdernd oder verschwesternd“, blieben aber laut Bäumer in dieser internationalen Dimension hohlem Pathos verhaftet, wenn sie nicht auf „Blut und Leben des eigenen Volkes“ gegründet waren. Bäumers Rückzug aus der Politik bahnte sich bereits vor dem Januar 1933 an. Die im Sommer in ihrer Partei diskutierte Listenverbindung mit der SPD lehnte sie entschieden ab und zog für sich die Konsequenz, für die Wahlen zum 6. Reichstag im Juli 1932 nicht mehr anzutreten. Sie begründete diesen Schritt damit, „sich von der Tagespolitik zurückziehen und in dieser Zeit schwerwiegender Umgestaltungen in einer anderen Form“ mitarbeiten zu wollen. Die Novemberwahlen von 1932 wurden für die DStP zu einem Debakel: Nur noch zwei DStP-Abgeordnete zogen in den Reichstag ein. Durch die schließlich doch noch zu Stande gekommene Listenverbindung mit der SPD gelang es der Partei im März 1933 dann immerhin, fünf Abgeordnete in den 8. Reichstag zu entsenden. Am 23. März 1933, als Bäumer bereits seit vier Wochen von ihrem Amt als Ministerialrat beurlaubt war, stimmten diese trotz starker Bedenken und „unter leidenschaftlichem Widerspruch … von Gertrud Bäumer“ (Theodor Heuss) dem Ermächtigungsgesetz zu. Am 21. April 1933 wurde Gertrud Bäumer auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus ihrer Stellung als Ministerialrätin im Reichsministerium des Inneren entlassen. Parteifreunde, die liberale Presse und Mitglieder der Frauenbewegung protestierten dagegen ebenso heftig wie gegen ihre bereits im Februar erfolgte Beurlaubung. Der Tenor all dieser Briefe, Telegramme und Artikel zeigt, dass Bäumer als prominentes Opfer des Nationalsozialismus galt. Ein halbes Jahrhundert später avancierte das Opfer zur Täterin: Renate Wiggershaus stellt die „Nationalsozialistin Bäumer“ unter der Überschrift „Aktive Nationalsozialistinnen“ vor. Das Thema Frauen im Nationalsozialismus hat vor einiger Zeit heftige Kontroversen ausgelöst, am sichtbarsten in dem zwischen Gisela Bock und Claudia Koonz ausgetragenen „Historikerinnenstreit“.
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Historikerstreit Als „Historikerinnenstreit“ wird die Kontroverse um die Rolle, Funktion und die Verantwortung von (nicht-jüdischen) Frauen im Nationalsozialismus bezeichnet, in der auf Grund unterschiedlicher Ausgangspositionen und Untersuchungsgegenstände Historikerinnen zu gegensätzlichen Ergebnissen gekommen waren. Grundsätzlich kontroverse Positionen um die Rolle von Frauen im Nationalsozialismus bahnten sich bereits in der Opfer-Täterinnen-Debatte der 1980er Jahre an, fanden ihre Zuspitzung in den Thesen von Claudia Koonz, die den deutschen
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Frauen maßgebliche Verantwortung für die Diktatur und den Genozid zuschrieb. Gisela Bock, die in ihrer Habilitationsschrift die frauenverachtende rassistische Familienpolitik der Nationalsozialisten untersucht hatte, widersprach dieser pauschalen Einschätzung vehement. (Vgl. dazu: Claudia Koonz: Mütter im Vaterland, 1991, und Gisela Bock: Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien zur Rassenpolitik und Frauenpolitik, Opladen 1986. Weiter: Gisela Bock: Die Frauen und der Nationalsozialismus. Bemerkungen zu einem Buch von Claudia Koonz, in: Geschichte und Gesellschaft 15 (1989), S. 563 – 579; Claudia Koonz: Erwiderung auf Gisela Bocks Rezension von „Mothers in the Fatherland“, in: Geschichte und Gesellschaft 18 (1992), S. 394 – 399; Gisela Bock: Ein Historikerinnenstreit?, in: Geschichte und Gesellschaft 18 (1992), S. 400 – 404).
Wurden Frauen, so wie Rita Thalmann annimmt, im NS-System generell unterdrückt? Spielten Frauen auf Grund ihrer untergeordneten Stellung und ihrer eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten insgesamt gesehen eine weitaus geringere Rolle als Männer bei der Durchführung nationalsozialistischer Verbrechen, wie Jill Stephenson meint, oder bildeten sie die maßgebliche Hälfte der Bevölkerung, die Diktatur, Krieg und Genozid erst möglich machte, wie Claudia Koonz herausstellt? Die zum Teil sehr emotional und sehr polarisierend geführte „Opfer-Täterinnen“-Debatte verstellt jedoch den Blick darauf, dass es zwischen diesen beiden Extremen eine breite Grauzone gibt, in der viele anzusiedeln sind, die sich weder eindeutig der einen, noch der anderen Gruppe zuordnen lassen. Gertrud Bäumer stand und steht für die Mehrheit der bürgerlichen Frauenbewegung in der Weimarer Republik. In dieser Funktion wurde sie von der neuen Frauenbewegung wiederentdeckt. Vor allem im Vergleich zum radikaleren Flügel der Frauenbewegung wurde Bäumer als antidemokratisch, nationalistisch, antisemitisch und antifeministisch charakterisiert. Dieses negative Image löste die zahlreichen überschwenglichen, hagiographischen Darstellungen ab, die ihr von ehemaligen Mitarbeiterinnen, Schülerinnen und Parteifreunden gewidmet wurden. Wie lassen sich die stark divergierenden Bewertungen von Bäumer im Nationalsozialismus erklären? Die einen Autor(inn)en sehen in Bäumer eine Identifikationsfigur, die anderen machen sie für die patriachalische Gesellschaft persönlich verantwortlich. Die unterschiedlichen Bewertungen erklären sich zum Teil auch daraus, dass das Wirken und das Werk Bäumers in vielen Veröffentlichungen nur partiell zur Kenntnis genommen werden. So wird sie zum Teil nur als DDP-Politikerin, als Lehrerin, als führendes Mitglied der Frauenbewegung oder als Schriftstellerin gesehen. Brechen die Darstellungen 1933 ab oder blenden sie die Jahre 1933 – 1945 weitgehend aus, so kann man zu dem Schluss kommen, dass sich Bäumer „schon früh … gegen den Nationalsozialismus“ wandte (Heinz Boberach). Wird die Zeit des Nationalsozialismus in den Mittelpunkt gestellt oder wenigstens miteinbezogen, zeichneten Nahestehende Bäumer wahlweise als Opfer, als mutige Opponentin oder als in bester Absicht falsch Taktierende. Auch wenn kritische Untertöne nicht gänzlich fehlen, so wird doch das Positive, Vorbildhafte an Bäumer in den Vordergrund gerückt. Der Respekt vor den Leistungen dieser Frau im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zwang wohl viele der Autor(inn)en, die Zeit des „tausendjährigen Reiches“, in die-
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sem langen Leben, das durch vier politische Systeme führte, nicht zu stark zu gewichten. Nach dem Tod Bäumers, in der Auseinandersetzung einer jüngeren Generation in- und ausländischer Historiker(innen) mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands, war man unbefangener. Richard J. Evans stellte in seiner Arbeit zur Frauenbewegung in Deutschland nicht mehr nur die überragende Bedeutung Bäumers heraus, sondern wies auch deutlich auf den Wandel ihrer Einstellungen und auf ihre ambivalente Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus hin. Barbara Greven-Aschoff und Angelika Schaser zeigen, dass Bäumers Haltungen und Wandlungen im Nationalsozialismus sich einer simplifizierenden Zuordnung entziehen. Diese Arbeiten differenzieren das Bild der aufrechten Demokratin Bäumer, ohne sie zur Opportunistin zu stempeln. Auch die Parteiengeschichtsschreibung trug ihren Teil zu einem facettenreicheren Bild Bäumers bei. In den Arbeiten zur historischen Frauenforschung wurden dagegen vornehmlich die zu Tage getretenen „dunklen Seiten“ Bäumers rezipiert. Besonders deutlich wird diese Tendenz an zwei hartnäckig tradierten Fehlern: Zum einen wird behauptet, Bäumer hätte 1933 für den Anschluss des BDF an die Deutsche Frauenfront plädiert (Richard J. Evans), zum anderen darauf hingewiesen, Bäumer wäre von Hitler während des Krieges zur Regierungsrätin ernannt worden (Erika Said). Beide Behauptungen sind nachweislich falsch. Das Protokoll über die Auflösung des BDF vom 15. Mai 1933, auf das sich Richard J. Evans bezieht, berichtet nichts über ein derartiges Plädoyer seitens Bäumers. Es gab zwar eine Gegenstimme bei der Abstimmung über die Auflösung des BDF. Aber die kam nicht von Bäumer. Zwar wurde tatsächlich eine „Dr. Gertrud Bäumer“ 1942 zur Regierungsrätin ernannt. Doch handelt es sich hier um die Namensgleichheit mit einer Frau, die damals beim Landesarbeitsamt Rheinland angestellt war und anlässlich ihrer Verbeamtung zur Regierungsrätin ernannt wurde (Gabriele Starke). Evans und Saids „Entdeckungen“ trugen in den 1980er Jahren in der Frauenforschung dazu bei, vor allem nach den Affinitäten Bäumers und des BDF zum Nationalsozialismus zu suchen. Eine Verkoppelung des Modells der „organisierten Mütterlichkeit“ mit der Frauenpolitik der Nationalsozialisten ließ es unter dieser einseitigen Perspektive dann mehr als logisch erscheinen, dass „Bäumer … den Nationalsozialismus als Erfüllung der weiblichen Idee“ begrüßt haben soll (Thomas Sandkühler/Hans-Günter Schmidt).
3. Auflösung, Selbstauflösung und Unterordnung einzelner Frauenorganisationen nach dem Januar 1933 Vor den Wahlen am 5. März 1933 verbreitete der BDF noch eine „Erklärung“, in der die Frauen aufgerufen wurden, Parteien zu wählen, die nicht versuchten, die „Frauen … zu Bürgern zweiter Klasse herabzudrücken“. Noch präziser hieß es in einem zweiten Flugblatt zu der Wahl: „Mit unserem Stimmzettel wenden wir uns: gegen die Verdrängung der Frau im Staatsleben, … gegen Abbau fachkundiger Frauen in der Verwaltung“. Ger-
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Frauenorganisationen nach dem Januar 1933 trud Bäumer bekam die dort prophezeiten Folgen des Machtwechsels bald zu spüren. Im März 1933 teilte sie Dorothee von Velsen mit, dass Proteste gegen ihre Beurlaubung von den Frauenverbänden, „aber natürlich auch aus Fachkreisen und vielfach auch aus Rechtskreisen – selbst aus Nazikreisen“ eingegangen wären. Angesichts der innenpolitischen Entwicklung hatte Gertrud Bäumer dann schnell begriffen, dass ein Verbleiben im Amt wenig wahrscheinlich war. Nachdem Länder, Beamte und Gewerkschaften „gleichgeschaltet“ worden waren, rückten nun auch die Frauenorganisationen ins Visier der Nationalsozialisten. Um die „Gleichschaltung“ der Frauenvereine vorzunehmen, wurde am 10. Mai 1933 die nationalsozialistische Deutsche Frauenfront gegründet, die als Dachorganisation der Frauenbewegung im nationalsozialistischen Deutschland dienen, mithin den BDF ersetzen sollte. Bereits im Vorfeld hatte Dorothee von Velsen beobachtet, dass in verschiedenen Ortsgruppen des Deutschen Staatsbürgerinnenverbandes der Wunsch nach rechtsgerichteten Rednerinnen laut wurde. Denn wenn die Nationalsozialisten Frauen auch nicht als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen betrachteten, so hinderte das einige profilierte Rednerinnen und Publizistinnen nicht, sich als Verfechterinnen einer Frauenrolle zu präsentieren, die sie mit der NS-Ideologie begründeten. Lydia Gottschewski (1906 – ?) gehörte zu diesen ambitionierten Frauen, die den Nationalsozialismus zu ihrer Sache erklärt hatten. Als Reichsleiterin der NS-Frauenschaft wurde sie nun im Mai 1933 zur Führerin der deutschen Frauenfront ernannt. Sofort nach Amtsübernahme machte sie sich an die Zerschlagung der Frauenbewegung: „Wie die nationale Revolution aufräumt mit den Träumen des Liberalismus, so wird die deutsche Frauenfront die alte Frauenbewegung liquidieren“, ließ sie vernehmen, um hinzuzufügen, dies sei notwendig, da „große Teile der deutschen Frauen weiterhin international und pazifistisch beeinflußt würden und volksfremde Frauen unter den geistigen Führerinnen wären“. Damit sprach sie nicht nur das Engagement von jüdischen Frauen in führenden Stellungen innerhalb der Frauenbewegung an, sondern thematisierte indirekt auch die zunehmende Zusammenarbeit zwischen der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit und dem BDF und dem Deutschen Staatsbürgerinnenverband. Diese Annäherung war ja gerade auf dem in Berlin abgehaltenen internationalen Frauenkongress von 1929 und den Abrüstungsbemühungen seit Anfang der dreißiger Jahre deutlich geworden. In harschem Ton forderte Gottschewski die Vorsitzende des BDF, Agnes von Zahn-Harnack, am 12. Mai 1933 auf, bis spätestens 16. Mai den Eintritt des BDF in die deutsche Frauenfront zu erklären, anderenfalls würde der BDF sofort aufgelöst werden. Als Bedingungen für den Eintritt wurden die Unterstellung des BDF unter Adolf Hitler (1889 – 1945), die Entfernung „nichtarischer“ Frauen aus den Vorständen und die gleichzeitige Wahl von nationalsozialistischen Frauen in die Führungsgremien gefordert sowie die „Anerkennung der Aufgaben, die der nationalsozialistische Staat den Frauen stellt“. Fünf Tage später berichtete Agnes von Zahn-Harnack dem Gesamtvorstand von diesem Gespräch.
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Deutsche Frauenfront
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Auflösung des BDF (Quelle: Landesarchiv Berlin, B Rep 235 – 01 BDF, MF Nr. 2051). Vertraulich! Gesamtvorstandssitzung des Bundes Deutscher Frauenvereinen am Montag, den 15. Mai 1933 vormittags 10 Uhr Die Vorsitzende eröffnet die Sitzung und begrüßt die zum ersten Mal in diesem Kreise Erschienenen, die sich durch Namensnennung der Versammlung vorstellten. Sie stellt fest, daß diese Gesamtvorstandssitzung die Befugnisse einer Mitgliederversammlung hat. Sie berichtet hierauf über ihre Besprechung mit Frl. Lydia Gottschewski, in der dieselbe die Aufforderung an den Bund Deutscher Frauenvereine gerichtet hat, der Deutschen Frauenfront beizutreten. Als Aufnahmebedingungen wurden genannt: 1) Bedingungslose Unterstellung unter den Führer der NSDAP. 2) Anerkennung der Aufgaben, die der nationalsozialistische Staat den Frauen stellt. 3) Entfernung nichtarischer Mitglieder aus den Vorständen. 4) Wahl von nationalsozialistischen Frauen in die prominenten Stellen. Als Arbeitsmethode sei in Aussicht genommen: Zusammenkünfte eines sog. Frauenkapitels in regelmäßigen Zeitabständen zur Entgegennahme der Weisungen über Aufgaben und Arbeitsmethoden. Frl. Gottschewski betonte ausdrücklich, daß, da die NSDAP das parlamentarische System ablehne, eine Abweichung von den gegebenen Anweisungen nicht zulässig sein würde, sondern daß sie als die Führerin die alleinige Entscheidung habe. Sie teilte ferner mit, daß die konfessionellen Verbände keine Aufforderung zum Eintritt in die Frauenfront erhalten würden. Über die Organisationen der berufstätigen Frauen wurde ausgesagt, daß dieselben nach zwei Seiten, nämlich in ihrer Berufstätigkeit durch die berufsständische Gliederung und in ihrem Frauendasein durch die Frauenfront erfaßt werden sollten. Auf die Bitte um Erläuterung von Punkt 2: Die Aufgaben, die der nationalsozialistische Staat den Frauen stellt, erwiderte sie, daß dies wohlfahrtspflegerische und fürsorgerische Aufgaben seien. Es wurde ihr entgegnet, daß der Bund Deutscher Frauenvereine keine Wohlfahrtsorganisation sei, sondern ein bestimmtes Gedankengut zu verwalten habe, nämlich die Überzeugung von der gemeinsamen Verantwortung von Mann und Frau auf allen Lebensgebieten einschließlich des politischen Lebens, also in Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung. Frl. G. schob diese Frage beiseite, da sie bei der derzeitigen Lage Deutschlands nicht von wesentlicher Bedeutung sei … Frl. G. sprach ferner aus, daß die Entscheidung des Bundes bis Dienstag den 16. Mai mittags zu treffen sei. Ein Nichteintritt in die Frauenfront würde die sofortige Auflösung des Bundes zur Folge haben. Ehe in die Besprechung dieser Aufforderung eingetreten wurde, bat die Vorsitzende, eine Vorfrage zu klären: Bei der organisatorischen Umgestaltung, in der sich fast alle Bundesverbände befinden, und bei den bereits sehr zahlreich erfolgten Auflösungen sei festzustellen, ob nicht § 726 des BGB in kraft treten müsse, nach dem eine Gesellschaft endigt, wenn der vereinbarte Zweck erreicht oder dessen Er-
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reichung unmöglich geworden ist. An der Aussprache über diese Frage beteiligten sich: Frau von Velsen, Frau Fischer-Bremen, Frau Schott, Frau von Praun, Frau Glaue, Frau Dr. Lüders, Frau Mattheus [Matthis?], Frau Dönhoff, Frau Kolshorn, Frau Dr. Ulich-Beil. Hierbei ergab sich, daß einzelne Landesverbände bereits aufgelöst sind. (Frl. Gottschewski hatte in ihrer Unterredung am 12. Mai ausdrücklich gesagt, daß der Badische Verband für Fraueninteressen auf Grund des Rechts der Revolution aufgelöst worden sei.) Aufgelöst sei der ADLV, die meisten Ortsgruppen des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium; der Deutsche Staatsbürgerinnenverband beabsichtige, seine Auflösung in den nächsten Tagen zu vollziehen, der Jüdische Frauenbund habe seinen Austritt angemeldet, ebenso der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft – vor allem aber seien sämtliche Beamtinnenorganisationen aufgefordert worden, sich bis zum 22. Mai aufzulösen. Unter diesen Umständen beschlossen die Vertreterinnen der dem Bund angeschlossenen Verbände, den Bund Deutscher Frauenvereine mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Der Beschluß wurde mit allen gegen eine Stimme, und zwar die von Frau Fischer-Bremen, gefaßt, die auf Grund örtlicher Erfahrungen auch für den Bund noch Möglichkeiten der Weiterarbeit ersah. … Schluß der Sitzung 10 Uhr 55.
Die Ambitionen der Deutschen Frauenfront verbreiteten sich in Windeseile im Reich. Im vorauseilenden Gehorsam hatten sich bereits neben den im Protokoll genannten Vereinen die stark unter dem Einfluss der DNVP und der NSDAP stehenden Organisationen wie der Bund Königin Luise, die Vaterländischen Frauenvereine vom Roten Kreuz, der Reichsverband deutscher Hausfrauenvereine und das Frauenhilfswerk des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes der deutschen Frauenfront angeschlossen. Der ADLV dagegen hatte bereits am 7. Mai 1933 seine Selbstauflösung beschlossen. Diesem Beispiel folgten auch andere Vereine, unter anderem einige Ortsgruppen des Deutschen Staatsbürgerinnenverbandes, die sich zum Teil aber auch der deutschen Frauenfront anschlossen und darauf hofften, unter den neuen Gegebenheiten weiterarbeiten zu können. Der Katholische Frauenbund gab seine Autonomie weitgehend auf und unterstellte sich der Katholischen Kirche, um unter deren Leitung darauf zu hoffen, dass das im Juli 1933 abgeschlossene Reichskonkordat dem Katholizismus die weitere Existenz in Deutschland ermöglichen würde. Von dem politisch engagierten Programm des Katholischen Frauenbundes war zumindest im Zweigverein Freiburg bereits vorher nicht mehr viel zu spüren – auf Druck der Kirchenleitung hatte sich der Katholische Frauenbund zu einer deutschen, katholischen Frauengemeinschaft entwickelt, die immer mehr Abstand zur Frauenbewegung gewonnen hatte (Dorothea Rohr). Die Selbstbeschränkung auf die Religion als zentraler Inhalt alles Lebens und Schaffens scheint nach 1933 typisch für die im Katholischen Frauenbund engagierten Frauen gewesen zu sein. Da die katholische Frauenbewegung in der Weimarer Republik stark fragmentiert war und auch Demokratinnen und Feministinnen umfasste (Birgit Sack), sagen diese Entscheidungen im Jahre 1933 noch nicht alles über die weitere Entwicklung der katholischen Frauenbewegung aus.
ADLV und KFB
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XI. DEF
JFB
Post- und Telegraphenbeamtinnen
Der DEF erklärte im Juni 1933, dass er sich „freudig hinter die nationale Regierung“ stelle und rief seine Mitglieder auf, mitzubauen „am neuen Reich“. Ein Jahr später legte Paula Mueller-Otfried ihr Amt als Vorsitzende des DEF nieder und zog sich ins Privatleben zurück. Magdalene von Tiling (1877 – 1974), die Vorsitzende der Vereinigung Evangelischer Frauenverbände Deutschlands (VEFD), versuchte ihre Organisation zu erhalten und die Kompetenzen des VEFD zu erweitern. Im Juni 1933 wurde sie in diesem Bemühen noch vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss unterstützt, doch bereits ein Monat später wurde ihr der Vorsitz des neugeschaffenen zentralen Evangelischen Frauenwerks verweigert (Doris Kaufmann). Die „Führerinnen der Verbände im Evangelischen Frauenwerk“ versicherten im September 1933 Reichsinnenminister Wilhelm Frick (1877 – 1946), „mütterliche unpolitische Frauenarbeit“ leisten zu wollen. Die Entscheidungen dieser Organisationen ermöglichen kein pauschales Urteil über die Haltung der einzelnen Mitglieder des DEF und des Katholischen Frauenbundes während der Zeit des Nationalsozialismus. Analysen individueller Entwicklungen, subjektiver Motive, der Ziele und Vorstellungen sowie der konkreten Tätigkeiten der in den konfessionellen Frauenvereinen tätigen Mitglieder stehen noch weitgehend aus. Der JFB konzentrierte sich nach 1933 neben Hilfsaktionen für Juden auf den hauswirtschaftlichen Bereich. Er bildete Frauen in diesem Bereich aus und versuchte, ihnen Stellen zu vermitteln. Denn im Beruf der Hausangestellten sah man eine der wenigen Erwerbsmöglichkeiten für Jüdinnen. Als 1936 alle privaten Stellenvermittlungsagenturen verboten wurden, versuchte der JFB, Frauen gezielt auf die Emigration vorzubereiten. Unter widrigen Umständen versuchten die Frauen, die Not jüdischer Menschen zu lindern und ihnen zur Emigration zu verhelfen. Nach der ReichspogromNacht erhielt der JFB im November 1938 den Befehl zur Auflösung. Seinen Besitz und seine Einrichtungen wurden der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland übergeben. Wie in der letzten Sitzung des Vorstandes des BDF bekannt geworden, waren die Beamtinnenverbände aufgerufen worden, sich noch im Mai aufzulösen, so auch der von Ursula Nienhaus untersuchte Verband der deutschen Post- und Telegraphenbeamtinnen. Die Leiterin des Beamtinnenverbandes Else Kolshorn, die Vorstandsmitglied im BDF war, wurde wie Bäumer bereits im April 1933 entlassen. Insgesamt sollen etwa 2 000 Postbeamtinnen nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 entlassen worden sein. „Der nur um Anpassung bemühte Beamtinnenverband protestierte nicht gegen die Entlassung von jüdischen und/oder ,national unzuverlässigen Mitgliedern, sondern beteiligte möglicherweise sogar eine Beamtin daran. Der Beamtinnenverband, in dessen Ortsgruppen vielerorts Nationalsozialistinnen oder Opportunistinnen schnell die Oberhand gewannen, nahm seine Überführung in den gleichgeschalteten ,Deutschen Postbund am 16. Mai, seine Auflösung am 28. Mai und schließlich die Ersetzung der Verbandsvorsitzenden Else Kolshorn durch die Nationalsozialistin Helene Hartmann im Hauptbeamtenausschuß am 16.6. 1933 kritiklos zur Kenntnis“ (Ursula Nienhaus). Die Selbstauflösung des BDF kommentierte Gertrud Bäumer unter dem Titel „Das Haus ist zerfallen“ mit scheinbarer Gelassenheit. In der Vor,
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BDF, ADF
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Frauenorganisationen nach dem Januar 1933
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standssitzung am 15. Mai hatte sie erklärt: „Was die im Bund zusammengeschlossenen Frauen betrifft, so werden sie sich gerade durch die Tatsache, daß der Rahmen für ihre Arbeit nicht mehr vorhanden ist, in um so stärkerer persönlicher Verbundenheit zusammenfinden und ihre lebendigen Kräfte überall da einsetzen, wo sie irgend wirksam werden können.“ Den im BDF zusammengefassten Vereinen und Verbänden stellte sie dabei frei, „in welcher Form sie fortbestehen und sich dem Neubau des Verbandswesens einordnen wollen“. Die Helene-Lange-Stiftung, die 1924 wegen Vermögensverlust ihre Tätigkeit eingestellt hatte, aber niemals aufgelöst worden war, diente nun als organisatorischer Rahmen für die Verwaltung des Erbes des BDF und seiner Mitgliedsverbände. Die wichtigsten dem BDF angeschlossenen Vereine überwiesen ihre Restvermögen an die von den Nationalsozialisten zunächst nicht behelligte gemeinnützige Stiftung. Angesichts der Selbstauflösung des BDF und des ADLV beschloss der Vorstand des Deutschen Staatsbürgerinnenverbandes (bis 1928: ADF) auf einer außerordentlichen Generalversammlung am 29. Mai die Selbstauflösung des Verbandes vorzuschlagen, die dann am 24. September 1933 vorgenommen wurde. Die Zeitschrift Die Frau wollte Gertrud Bäumer als Informationsorgan für die Mitglieder der Frauenbewegung nach dem Zerfall der alten Vereinsstrukturen beibehalten. Das Lavieren scheint typisch für das Verhalten von Bäumer in diesen Monaten gewesen zu sein. Sie wartete ab, hielt sich zur Verfügung, fragte nach der Rechtmäßigkeit der nationalsozialistischen Maßnahmen und versuchte, sich Einflussmöglichkeiten so weit wie möglich zu erhalten. In einem Aufsatz vom August 1933 stellte sie zu Affinitäten zwischen Nationalsozialismus und Frauenbewegung fest: „Diese Gemeinsamkeit liegt darin, daß der Nationalsozialismus in seinen Gedanken über Staatsaufbau und Wirtschaft wieder einsetzt bei dem Volk und dem Leben, statt bei den Waren, der Zirkulation, den Systemen … Und hier, wer von uns fühlte das nicht? liegt eine große neue Möglichkeit für die Frauen.“ Die Frauenorganisationen, die sich dem Nationalsozialismus unterordneten, verloren jegliche Autonomie. Lydia Gottschewski, die eine gleichwertige Stellung der Frau im Nationalsozialismus anstrebte, wurde bald durch Gertrud Scholtz-Klink (1902 – 1999) abgelöst, die von 1934 – 1945 als „Reichsfrauenführerin“ fungieren sollte. Die mehrfache Mutter entsprach dank ihrer fehlenden politischen Ambitionen weit mehr als Gottschewski dem Frauenbild der Nationalsozialisten. Die Organisationen der Frauenbewegung hatten sich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ebensowenig wie die liberalen Parteien für den gefährlichen Weg in die Opposition entschieden. Vertreterinnen der Frauenbewegung, die jüdischer Herkunft waren, sich international engagierten, pazifistische Ziele verfolgten oder anderweitig als „national unzuverlässig“ galten, waren Diskriminierungen, Erniedrigungen und Verfolgungen ausgesetzt. Öffentliche Stellungnahmen gegen die Ausgrenzung und die Verfolgung der „jüdischen Schwestern“, die sich der Solidarität ihrer „christlichen Schwestern“ nie ganz sicher sein konnten (Marion Kaplan), blieben von Seiten des BDF aus. Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann kehrten von ihrer Auslandsreise, die sie im Januar 1933 angetreten hatten, nicht mehr nach Deutschland zurück. Helene Stöcker verließ Deutschland nach dem Reichstagsbrand, da sie für sich keine Zukunft im
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Frauenbewegung und Nationalsozialismus
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nationalsozialistischen Deutschland sah. Bertha Pappenheim, die sich zunächst noch im JFB gegen Auswanderung und Kinderverschickung ausgesprochen hatte, musste noch kurz vor ihrem Tod (28. Mai 1936) im Jahre 1935 erleben, dass ihre Publikationen zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom „Stürmer“ als Beleg für die Sittenlosigkeit des Judentums zitiert wurden. Emmy Wolff (1890 – 1969), die ehemalige Leiterin der Geschäftsstelle des BDF in Berlin und langjährige Sekretärin Bäumers, ging 1935 nach England ins Exil. Marie Baum, der als „Vierteljüdin“ 1933 ihr Lehrauftrag entzogen worden war, überlebte unter prekären Umständen in Heidelberg. Alice Salomon, die in Die Frau 1932 anlässlich ihres 60. Geburtstags noch ausführlich gewürdigt worden war, musste 1933 die Schließung der von ihr 1925 gegründeten Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit hinnehmen und wurde 1937 auf Grund ihrer jüdischen Herkunft gezwungen, das Land zu verlassen. Anna Pappritz starb am 8. Juli 1939 in dem Bewusstsein, dass ihr Lebenswerk durch die Nationalsozialisten zerstört worden war. Auch manche der in den Augen der NSDAP als „national unzuverlässig“ geltenden „arischen“ Mitglieder des BDF blieben nicht unbehelligt. Marie-Elisabeth Lüders wurde 1933 das erste Mal verhört, hatte 1937 Hausdurchsuchungen zu überstehen, wurde verhaftet und versteckte sich die letzten zwei Kriegsjahre an verschiedenen Orten in Süddeutschland. Durch Agnes von Zahn-Harnack, die Lüders in der Haft besuchte, und durch Dorothee von Velsen, die mit Lüders eng befreundet war und sie später auch in ihrem Haus in Oberbayern aufnahm, war ein größerer Kreis genauestens über ihr Schicksal informiert. Die Politik der versteckten Abgrenzung bei partieller Annäherung an den Nationalsozialismus blieb Privileg derjenigen, die keiner lebensbedrohenden Verfolgung ausgesetzt waren. Die Verbindungen, die aus der Zeit vor 1933 bestanden, sicherten Bäumer weitgehend Schutz vor Terror. In dieser Grauzone zwischen Anpassung und Resistenz bot sich ein gewisser Spielraum, der von den Vertreterinnen der Frauenbewegung unterschiedlich genutzt wurde. Viele von ihnen zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück. Nur von wenigen weiß man, unter welchen Umständen sie in der Zeit des Nationalsozialismus lebten. Eine autonome Frauenbewegung, von der vielfältige Anregungen auf die deutsche Gesellschaft ausgegangen waren, fand 1933 ihr jähes Ende.
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Abkürzungsverzeichnis ADF ADLV BDF BfMS BGB DAB DDP DEF DKG DNVP DStP DVP FBDKG IAW ICW IFFF IWPF JFB KFD KPD NFD NSDAP RDHV RLHV RStGB SPD USPD VDH VDHV VEFD VfFV VFV WILPF WSPU
Allgemeiner Deutscher Frauenverein Allgemeiner Deutscher Lehrerinnenverein Bund Deutscher Frauenvereine Bund für Mutterschutz und Sexualreform Bürgerliches Gesetzbuch Deutscher Akademikerinnenbund Deutsche Demokratische Partei Deutsch-Evangelischer Frauenbund Deutsche Kolonialgesellschaft Deutschnationale Volkspartei Deutsche Staatspartei Deutsche Volkspartei Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft International Alliance of Women International Council of Women Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit International Committee of Women for Permanent Peace Jüdischer Frauenbund Katholischer Frauenbund Deutschlands Kommunistische Partei Deutschlands Nationaler Frauendienst Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Reichsverband Deutscher Hausfrauenvereine Reichsverband Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine Reichs-Strafgesetzbuch Sozialdemokratische Partei Deutschlands Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Verband der Deutschen Handlungsgehilfen Verband Deutscher Hausfrauenvereine Vereinigung Evangelischer Frauenverbände Deutschlands Verband fortschrittlicher Frauenvereine Vaterländischer Frauenverein Women’s International League for Peace and Freedom Women’s Social and Political Union
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Generalversammlungen des BDF 1894 – 1931 Karte: Peter Palm, Berlin
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1895, 1. GV
München
1906, 7. GV
1910, 9. GV
Do
Nürnberg
Heidelberg
1902, 5. GV
150 km
1924, 13. GV
Mannheim
1931, 17. GV
Leipzig
Weimar
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Elb
1916, Kriegstagung 1912, 10. GV
Gotha
1927, 15. GV
1896, 2. GV
Wiesbaden
1921, 12. GV
Köln
Eisenach
Kassel
1898, 3. GV 1919, 11. GV
Hamburg
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1900, 4. GV 1925, 14. GV
Dresden
1894, Gründung des BDF
Berlin
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1908, 8. GV
Breslau
1905, 6. GV
Danzig
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1929, 16. GV
Königsberg
Biographische Skizzen Diese biographischen Skizzen beziehen nicht alle im Text genannten Personen ein und erheben hinsichtlich der hier angeführten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie konzentrieren sich auf die Bildung, die wichtigsten Arbeitsgebiete und Ämter, die die Frauen innerhalb der Frauenbewegung innehatten. Ihr parteipolitisches Engagement und die Religionszugehörigkeit sind nur aufgenommen worden, soweit ein Engagement in konfessionellen Verbänden oder Parteizugehörigkeiten sicher dokumentiert sind. Da bei Jüdinnen bzw. Frauen jüdischer Herkunft die Religionszugehörigkeit bzw. die Religion der Herkunftsfamilie spätestens 1933 relevant wurde, wird sie hier erwähnt, auch wenn die Frauen selbst nicht (mehr) Jüdinnen waren. Die unterschiedliche Ausführlichkeit der Einträge bedeutet keine Wertung, sondern spiegelt die zum Teil sehr ungünstige Quellenlage sowie den unterschiedlichen Forschungsstand zu den einzelnen Personen wider. Elisabeth Altmann-Gottheiner, geb. Altmann (26. März 1874 – 21. Oktober 1930) Elisabeth Altmann promovierte 1903 in Zürich mit einer Arbeit über die Wuppertaler Textilindustrie. Seit 1908 unterrichtete sie an der Mannheimer Handelshochschule und galt damit als erste weibliche Lehrbeauftragte an einer deutschen Hochschule. 1924 wurde ihr von der Mannheimer Handelshochschule der Professorentitel verliehen. Seit 1906 kinderlos verheiratet, war Altmann-Gottheiner von 1906 bis 1910 im Vorstand der ADF-Ortsgruppe in Frankfurt am Main tätig. 1907 wurde sie in die BDF-Kommission für Arbeiterinnen-Schutz gewählt. Von 1910 bis 1924 war sie im BDF Mitglied des engeren Vorstands und gleichzeitig Schatzmeisterin des BDF, für den sie die Jahrbücher des BDF (1912 – 1924) sowie seit 1924 das Nachrichtenblatt herausgab. 1912 übernahm sie auch die Schriftleitung der Neuen Bahnen des ADF. Sie engagierte sich auch im Vorstand des Frankfurter Zweigvereins Frauenbildung-Frauenstudium und im Deutschen Verein für Frauenstimmrecht. Bis 1930 war sie Vorsitzende des ICW-Ausschusses für Frauenberufsfragen. Mathilde Franziska Anneke, geb. Giesler (3. April 1817 – 25. November 1884) Nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe 1843 verdiente sie ihren Lebensunterhalt für sich und die ihr zugesprochene Tochter als Journalistin. 1847 gab sie die Schrift Das Weib im Conflict mit den socialen Verhältnissen heraus, in der sie sich kritisch mit der Funktion von Religion auseinandersetzte. In zweiter Ehe mit Fritz Anneke verheiratet, schloss sie sich 1849 der Revolutionsarmee an und musste nach deren Niederlage in die USA emigrieren, wo sie seit 1852 die Deutsche Frauen-Zeitung herausgab und sich in der amerikanischen Frauenrechtsbewegung engagierte. Anneke setzte sich auch für die Abschaffung der Sklaverei und das Wahlrecht der Schwarzen ein.
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Biographische Skizzen Jenny Apolant, geb. Rathenau (5. April 1874 – 5. Juni 1925) Jenny Apolant lebte mit ihrem Mann Prof. Dr. Hugo Apolant (1866 – 1915) seit 1905 in Frankfurt am Main. 1907 bis 1925 leitete sie die dortige Auskunftsstelle für Gemeindeämter der Frau (die spätere Zentrale für Gemeindeämter), von 1910 bis 1925 war sie im Vorstand der Frankfurter ADF-Ortsgruppe vertreten. Als DDP-Stadtverordnete (1919 – 1924) engagierte sie sich insbesondere für die Gemeindearbeit der Frau. Sie veröffentlichte dazu unter anderem 1910 die Schrift Stellung und Mitarbeit der Frau in der Gemeinde, in der die kommunale Mitarbeit von Frauen im Deutschen Reich dokumentiert wurde. 1913 bis 1925 war sie Vorstandsmitglied des Frauenseminars für soziale Berufsarbeit in Frankfurt, einer Ausbildungsstätte für Wohlfahrtspflegerinnen. Sie engagierte sich in der Krankenhausfürsorge, gründete alkoholfreie Speisegaststätten und 1922 die Politische Arbeitsgemeinschaft, die sich für die politische Schulung von Frauen einsetzte. Apolant war Mitglied im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Anita Augspurg (22. September 1857 – 20. Dezember 1943) Durch eine Erbschaft ökonomisch unabhängig, eröffnete Augspurg nach einer Lehrerinnen- und einer Schauspielerinnenausbildung 1887 in München mit Sophia Goudstikker (1865 – 1924) das Fotoatelier Elvira. Spätestens seit 1891 leitete sie den Münchner Frauenverein Reform. Um sich effektiver für die Gleichberechtigung der Frau einsetzen zu können, nahm Augspurg 1893 in Zürich ein Jurastudium auf, das sie 1897 mit der Promotion abschloss. 1895 war sie Mitbegründerin der Rechtskommission des BDF, in dessen Auftrag sie Reden gegen die geplante Neufassung des BGB hielt. Seit der Jahrhundertwende arbeitete sie eng mit Lida Gustava Heymann zusammen, mit der sie seit 1908 auch in Oberbayern zusammen lebte. Während sie mit vielen Vereinen und Frauenrechtlerinnen nach einer intensiven Phase der Zusammenarbeit brach, sollte die Freundschaft mit Heymann bis zu deren Tod Bestand haben. Augspurg redigierte 1899 bis1906 die Parlamentarischen Angelegenheiten und Gesetzgebung, die als Beilage zu Minna Cauers Zeitschrift Die Frauenbewegung erschien.1899 beteiligt sie sich an der Gründung des Verbands fortschrittlicher Frauenvereine, zu dessen 2. Vorsitzenden sie gewählt wurde. 1902 wurde sie Präsidentin des von ihr und Lida Gustava Heymann gegründeten Deutschen Vereins für Stimmrecht (ab 1903: Deutscher Verband für Frauenstimmrecht). 1903 trat sie in Hamburg in die Freisinnige Volkspartei ein. Von 1907 bis 1912 gab sie die Zeitschrift für Frauenstimmrecht, von 1912 bis 1913 die Monatshefte des deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht heraus. 1915 war sie Mitinitiatorin des internationalen Frauenfriedenskongresses in Den Haag und gab von 1919 bis 1933 zusammen mit Heymann die Zeitschrift Die Frau im Staat heraus. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und dem im September 1933 erfolgten Einzug des Augspurgschen Vermögens lebten beide Frauen in der Schweiz, wo sie 1943 kurz hintereinander in Zürich starben. Gertrud Bäumer (12. September 1873 – 25. März 1954) Nach dem Ablegen des Lehrerinnenexamens 1892 bestand Bäumer 1900 Oberlehrerinnenprüfung in Berlin. 1898 nahm sie ein Studium an der Fried-
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Biographische Skizzen rich-Wilhelms-Universität auf und promovierte 1905 im Fach Germanistik mit einer Arbeit über Goethes Satyros oder der vergötterte Waldteufel. Von der Jahrhundertwende bis 1930 arbeitete und lebte sie zusammen mit Helene Lange. 1901 wurde sie in den Vorstand des ADLV gewählt. Sie gab mit Helene Lange das Handbuch der Frauenbewegung und seit 1916 die Zeitschrift Die Frau heraus. 1909 wurde sie in den Vorstand der Berliner Ortsgruppe der Freisinnigen Vereinigung gewählt. Von 1907 bis 1912 hatte sie die Schriftleitung für die Neuen Bahnen des ADF inne, seit 1912 arbeitete sie in der Redaktion der von Friedrich Naumann herausgegebenen Zeitschrift Die Hilfe mit. Von 1910 bis 1919 war sie Vorsitzende des BDF, danach bis 1933 dessen zweite Vorsitzende und graue Eminenz. 1917 gründete sie die Soziale Frauenschule und das Sozialpädagogische Institut in Hamburg, deren wissenschaftliche Leitung sie bis 1920 übernahm (Marie Baum leitete bis 1919 die praktische Ausbildung der Einrichtung). Von 1919 bis 1932 war Bäumer für die DDP (seit 1930: DStP) Mitglied der Nationalversammlung und des Reichstags. Von der Gründung der DDP bis 1930 war sie eine der stellvertretenden Vorsitzenden dieser Partei, von 1930 bis 1932 Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der DStP. 1919 wurde sie mit Bertha Pappenheim in den Ausschuss des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus gewählt. 1920 bis 1933 arbeitete sie als Ministerialrätin im Reichsministerium des Innern. Von 1920 bis 1923 leitete sie an der Deutschen Hochschule für Politik die Abteilung Soziologie und Sozialpolitik. Im April 1933 wurde sie auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums aus dem Staatsdienst entlassen. Nach 1933 konzentrierte sie sich auf ihre schriftstellerische Tätigkeit und lebte mit Gertrud Hamer-von Sanden (Pseudonym: Mervyn Brian Kennicott) (1882 – 1940) in Gießmannsdorf (Niederschlesien) und Berlin. Im Februar 1945 flüchtete sie westwärts und ließ sich schließlich 1948 in Bad Godesberg nieder, wohin ihr ihre Schwester Else Bäumer folgte. Gertrud Bäumer engagierte sich für die Wiedervereinigung Deutschlands, den Wiederaufbau der Frauenvereine und der politischen Parteien, trat jedoch keiner Organisation mehr bei. Ihre gewohnte Vortrags- und Publikationstätigkeit musste sie aus gesundheitlichen Gründen 1952 einstellen. Marie Baum (23. März 1874 – 8. August 1964) Baum besuchte die von ihrer Mutter mitbegründeten Danziger Gymnasialkurse für Mädchen und legte als Externe das Abitur ab. Sie studierte am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich Chemie und schloss das Studium 1899 mit der Promotion ab. 1899 bis 1902 arbeitete sie als Chemikerin in der Patentabteilung der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation (A.G.f.A) in Berlin. 1902 wurde sie Fabrikinspektorin im Dienste des großherzoglich-badischen Innenministeriums, von 1907 bis 1916 fungierte sie in Düsseldorf als Geschäftsführerin des Vereins für Säuglingsfürsorge. Von 1917 bis 1919 leitete sie die praktische Ausbildung an der Sozialen Frauenschule und dem Sozialpädagogischen Institut in Hamburg. 1919 bis 1931 war sie Mitglied des engeren Vorstands des BDF. Baum war für die DDP Mitglied in der Nationalversammlung und im Reichstag (bis 1921). 1919 bis 1926 leitete sie als Oberregierungsrätin im Badischen Arbeitsministerium in Karlsruhe das Referat für Wohlfahrtspflege. Seit 1928 war sie Lehrbeauftragte für soziale
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Biographische Skizzen Fragen an der Universität Heidelberg. 1933 wurde Baum, die eine enge Freundschaft mit Ricarda Huch (1864 – 1947) verband, als so genannte Vierteljüdin der Lehrauftrag an der Universität Heidelberg entzogen. Seit 1935 beteiligte sie sich an der Hilfsarbeit für bedrohte „Nichtarier“. Sie hielt zahlreiche Kontakte zu ihren früheren Mitstreiterinnen in der Frauenbewegung aufrecht. Nach dem Krieg trat sie kurzfristig der CDU bei, lehrte wieder an der Universität Heidelberg und war 1946 an der Wiedergründung der dortigen Elisabeth-von-Thadden-Schule beteiligt. Emmy Beckmann (12. April 1880 – 24. Dezember 1967) Seit 1911 arbeitete Beckmann als Lehrerin an verschiedenen Schulen Hamburgs. 1927 wurde sie als erster weiblicher Oberschulrat Hamburgs mit dem allgemeinbildenden Mädchenschulwesen in der Stadt betraut. 1915 bis 1933 war Beckmann stellvertretende Vorsitzende des Stadtbundes Hamburgischer Frauenvereine, als Nachfolgerin Helene Langes hatte sie von 1921 bis 1933 den Vorsitz des ADLV inne. 1927 bis 1933 gehörte sie dem engeren Vorstand des BDF an. 1921 bis 1933 vertrat sie die DDP (ab 1930 DStP) in der Hamburgischen Bürgerschaft. 1933 wurde sie auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums aus dem Staatsdienst entlassen. Von 1945 bis 1949 wirkte Beckmann als Oberschulrätin am Wiederaufbau des Hamburger Schulwesens mit. 1949 bis 1957 war sie erneut, nun für die FDP, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Nach dem Krieg initiierte sie die Wiederbegründung verschiedener Frauenorganisationen (Hamburger Frauenring, Arbeitsgemeinschaft für Mädchen- und Frauenbildung, Deutscher Akademikerinnenbund). Für ihre Leistungen wurde sie 1953 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz geehrt. 1955 verlieh ihr der Hamburger Senat den Titel Professor. An ihrem 80. Geburtstag erhielt sie die Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes und 1961 wurde sie vom Hamburger Senat mit der Bürgermeister-Stolten-Medaille ausgezeichnet. Alice Bensheimer, geb. Coblenz (6. Mai 1864 – 20. März 1935) 1896 gründete Alice Bensheimer den Frauenbund Caritas in Mannheim und ein Jahr später zählte sie zu den Gründerinnen der Mannheimer Ortsgruppe des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium. 1899 wurde sie Armenpflegerin und Mitglied der städtischen Armen- und Jugendamtskommission. Bensheimer war Mitglied im engeren Vorstand und Schriftführerin des BDF von 1905 bis 1931. Sie hatte die karitativen Frauenvereine in dem Mannheimer Stadtverband zusammengeführt, der im Ersten Weltkrieg als Nationaler Frauendienst wirkte. Bensheimer war mit dem jüdischen Verleger Julius Bensheimer (1850 – 1917) verheiratet. Hanna Bieber-Böhm, geb. Böhm (6. Februar 1851 – 15. April 1910) Hanna Böhm studierte in Berlin, Paris und München Malerei und war auch schriftstellerisch tätig. Nach ihrer Heirat mit dem Rechtsanwalt Dr. Bieber gründete sie in Berlin 1889 den Verein Jugendschutz und kämpfte gegen Doppelmoral und Prostitution. Sie gehörte als Vertreterin des ADF 1893 neben Auguste Förster (1848 – 1926), Elisabeth Kaselowsky (1836 – 1918), Agnes Burchard, Annette Hamminck Schepel (1844 – 1931), Marie Fischer-
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Biographische Skizzen Lette und Käthe Schirmacher der deutschen Delegation an, die die erste Generalversammlung des ICW und die Weltausstellung in Chicago besuchte. Bieber-Böhm gehörte zum engsten Gründungskreis des BDF: Von 1894 bis 1905 war sie Vorstandsmitglied des BDF. Lily (Amalie) Braun, geb. von Kretschmann, verw. von Gizycki (2. Juli 1865 – 8. August 1916) 1893 heiratete die adelige Generalstochter gegen den Willen ihrer Eltern den Nationalökonom Georg von Gizycki, der sie mit sozialistischen Ideen bekannt machte und sie der Frauenbewegung näher brachte. In dieser Zeit lerne Lily v. Gizycki Helene Lange und Minna Cauer kennen, in deren Verein Frauenwohl sie mitarbeitete. Zusammen mit Cauer gab sie eine Zeitlang die Zeitschrift des Vereins Frauenwohl, Die Frauenbewegung (1895 – 1919), heraus. Nach Gizyckis Tod 1895 trat sie in die SPD ein. Als Adelige sollte sie jedoch eine Außenseiterin bleiben, die sich Clara Zetkin zur Feindin machte, als sie versuchte, zwischen der Frauenbewegung und der Sozialdemokratie zu vermitteln. 1896 heiratete sie den Sozialisten Heinrich Braun (1854 – 1927), mit dem sie die Zeitschrift Die Neue Gesellschaft gründete. 1901 veröffentlichte sie die viel diskutierte Schrift Die Frauenfrage. Ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite, in der sie die Mehrfachbelastung der berufstätigen Frau thematisierte. In erster Linie als Schriftstellerin tätig, zeigte sie sich im Ersten Weltkrieg als überzeugte Nationalistin. Noch bevor ihr einziger 1897 geborener Sohn Otto an der Front fiel, starb Lily Braun im August 1916. Minna (Wilhelmine) Cauer, geb. Schelle, verw. Latzel (1. November 1841 – 3. August 1922) Cauer besuchte die höhere Töchterschule. Nach dem Tod ihres ersten Mannes (1866) legte sie 1867 in Berlin das Lehrerinnenexamen ab. Das nächste Jahr verbrachte sie als Hauslehrerin bei einem Pariser Bankier. 1869 heiratete sie den späteren Berliner Stadtschulrat Eduard Cauer (1823 – 1881). Sie gründete 1888 in Berlin den Verein Frauenwohl, für den sie von 1893 bis 1894 die Vereins-Zeitschrift Frauenwohl, von 1895 bis 1919 Die Frauenbewegung herausgab. Seit 1889 engagierte sie sich zusammen mit Helene Lange für eine bessere Mädchenbildung und die Einrichtung der Realkurse. 1889 rief sie zusammen mit Julius Meyer den Kaufmännischen Hilfsverein für weibliche Angestellte ins Leben. 1892 wurde sie Mitglied in der von Bertha von Suttner (1843 – 1914) initiierten Deutschen Friedensgesellschaft. Im September 1896 trat sie mit Jeanette Schwerin, Hanna Bieber-Böhm, Agnes Bluhm (1862 – 1943) und Hedwig Dohm als Organisatorin des Internationalen Kongresses für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Erscheinung. 1899 war sie gemeinsam mit Anita Augspurg Mitbegründerin des Verbandes Fortschrittlicher Frauenvereine, dessen Vorsitz sie bis zu dessen Eintritt in den BDF (1907) übernahm. 1902 beteiligte sie sich an der Gründung des Vereins für Frauenstimmrecht, dem sie bis 1909 als Vorstandsmitglied verbunden blieb. 1908 trat sie in die Demokratische Vereinigung ein. Cauer begrüßte zunächst im Ersten Weltkrieg die Zusammenarbeit der Frauen über Parteigrenzen hinweg im NFD, wandelte sich jedoch zur Pazifistin und trat 1916 dem verbotenen Bund Neues Vaterland bei. Sie protestierte 1915
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Biographische Skizzen gegen den Boykott des Internationalen Haager Frauenfriedenskongresses durch den BDF. 1918 trat sie der DDP bei. Erna Corte (24. Dezember 1892 – 8. November 1975) Ihre Ausbildung absolvierte Erna Corte am Leipziger Kindergärtnerinnenseminar, das von Henriette Goldschmidt (1825 – 1920) gegründet worden war. Neben ihrer Berufstätigkeit an verschiedenen Kindergärten Leipzigs bereitete sie sich auf das Abitur vor, das sie 1914 ablegte. Ihr anschließendes Studium der Volkswirtschaft schloss sie 1919 mit einer Promotion zum Thema Liberalismus und Sozialpolitik an der Universität in Heidelberg ab. Nach Anstellungen in Stuttgart im Arbeitsministerium und im Württembergischen Landesarbeitsamt, war sie von 1924 bis 1933 im Archiv für Jugendwohlfahrt des Reichsministeriums des Innern tätig, wo sie mit Gertrud Bäumer zusammengearbeitet hatte. Corte gehörte von 1924 bis 1931 dem Vorstand des BDF an und leitete 1925 bis 1927 die Berliner Geschäftsstelle des BDF. 1933 – 1945 war Corte Abteilungsleiterin beim Deutschen Institut für Jugendhilfe. 1944 übernahm sie die Vormundschaft für die sechs Kinder von Hermann Maass (1897 – 1944), der im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 zum Tode verurteilt worden war und deren Mutter kurz darauf starb. Nach 1945 lehrte Corte am Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus, arbeitete in der Zentralverwaltung des Berliner Gesundheitswesens und leitete schließlich bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1958 das Bezirksjugendamt in Berlin-Steglitz. (Anna) Martha Dönhoff (21. Januar 1875 – 5. Mai 1955) 1902 beteiligte sich Dönhoff an der Gründung des Vereins Frauenwohl in ihrer Geburtsstadt Witten, dessen Vorsitz sie übernahm. Von 1911 bis 1933 war sie Vorsitzende des Rheinisch-Westfälischen Frauenverbands und von 1919 bis 1932 saß sie als Abgeordnete der DDP/DStP im Preußischen Landtag. Von 1922 bis 1932 war sie Vorsitzende des Reichsfrauenausschusses der DDP/DStP. Hedwig Dohm, geb. Jülich (später Schlesinger bzw. Schleh) (20. September 1833 – 4. Juni 1919) Die Tochter eines jüdischen Tabakhändlers, der 1817 zum Protestantismus übergetreten war, die Mutter seiner Kinder erst 1838 heiratete und 1851 seinen ursprünglichen Nachnamen Schlesinger in Schleh umwandeln ließ, erkämpfte sich gegen großen familiären Widerstand den Besuch des Lehrerinnenseminars. 1853 heiratete sie den Redakteur Ernst Dohm (1819 – 1883), mit dem sie fünf Kinder hatte. Erst mit 50 Jahren begann sie ihre schriftstellerische Karriere. Sie veröffentlichte eine Abhandlung zur spanischen Literatur (1867), Romane, Novellen, Theaterstücke und feministische Essays. Mit spitzer Feder nahm sie die Geschlechterhierarchie aufs Korn und forderte für Frauen das Recht auf Bildung und das Wahlrecht. 1888 beteiligte sich die als öffentlichkeitsscheu beschriebene Dohm an der Gründung des Deutschen Frauenvereins Reform. 1917 bezog sie in ihrer Schrift Der Missbrauch des Todes eindeutig gegen den Krieg Stellung. Kurz vor ihrem Tod erlebte sie noch, dass in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt wurde.
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Biographische Skizzen Hedwig Dransfeld (24. Februar 1871 – 31. März 1925) Früh verwaist absolvierte Dransfeld das Volksschullehrerinnenseminar in Paderborn. 1890 bis 1912 arbeitete sie als weltliche Lehrerin an der höheren Mädchenschule der Ursulinen in Werl. Berufsbegleitend absolvierte sie das Lehrerinnenexamen für höhere Schulen und das Schulvorsteherinnenexamen. 1902 übernahm sie den Vorsitz des Literaturausschusses im Verein katholischer Lehrerinnen. Von 1905 bis 1914 war sie Schriftleiterin der Zeitschrift Die christliche Frau. 1912 wurde sie zur Vorsitzenden des Katholischen Frauenbundes gewählt. Als Zentrums-Mitglied zog sie in die Weimarer Nationalversammlung ein und vertrat ihre Partei bis 1924 im Reichstag. Dransfeld war schriftstellerisch tätig und veröffentlichte Bücher zur Frauenfrage, Gedichte und Erzählungen. Emma Ender, geb. Behle (2. August 1875 – 25. Februar 1954) Emma Ender stammte aus einer Darmstädter Kaufmannsfamilie und besuchte die staatliche höhere Töchterschule in ihrer Heimatstadt. Danach verbrachte sie einige Jahre „im Wartestand“, bevor sie einen Geschäftspartner ihres Vaters, den Hamburger Exportkaufmann Max Ender, heiratete und 1907 nach Hamburg zog. Sie wurde noch in selben Jahr Mitglied der Hamburger Ortsgruppe des ADF, von 1907 bis 1916 war sie deren stellvertretende Vorsitzende. Sie engagierte sich vor allem im Bereich der Jugendpflege. 1910 – 1919 war sie Vorsitzende des Verbandes Hamburger Mädchenhorte. 1915 wurde sie zur Vorsitzenden des neugegründeten Stadtbundes Hamburgischer Frauenvereine gewählt, dessen Vorsitzende sie bis 1933 blieb. Von 1919 bis 1924 vertrat sie die DVP in der Hamburger Bürgerschaft. Einen der größten Verbände des BDF, den Verband Norddeutscher Frauenvereine, leitete sie von 1920 bis 1928. 1919 wurde sie in den engeren Vorstand des BDF gewählt. Nachdem sie 1921 zur Entlastung von Marianne Weber bereits die Geschäftsleitung des BDF übernommen hatte, fungierte sie von 1924 bis 1931 als erste Vorsitzende des BDF. Ika (Friederike) Freudenberg (24. März 1858 – 9. Januar 1912) Die aus Wiesbaden stammende und mit Gertrud Bäumer befreundete Freudenberg kam 1894 nach München. Dort gründete sie im selben Jahr die Gesellschaft zur Förderung der geistigen Interessen der Frau, die 1899 in Verein für Fraueninteressen umbenannt wurde. Freudenberg leitete diesen Verein bis zu ihrem Tod. Seit 1899 lebte sie mit Sophia Goudstikker (1865 – 1924) zusammen, die die 1896 eingerichtete Rechtsschutzstelle des Vereins für Fraueninteressen leitete. Von 1900 bis 1906 war Freudenberg Mitglied des engeren Vorstands des BDF. 1909 gründete sie den Hauptverband Bayerischer Frauenvereine, zu dessen erster Vorsitzenden sie gewählt wurde. Henriette Fürth, geb. Katzenstein (Pseudonym: G. Stein) (15. August 1861 – 1. Juni 1938) Nach der Heirat mit dem Kaufmann Wilhelm Fürth (1880), mit dem sie bis 1899 acht Kinder hatte, engagierte sich Henriette Fürth seit etwa 1890 in jüdischen Organisationen und in der Frauenbewegung, wo sie – wie Lily Braun – für eine Zusammenarbeit der „bürgerlichen“ und der „proletarischen“ Frauenbewegung eintrat. Fürth arbeitete in der im Mai 1897 in
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Biographische Skizzen Frankfurt a. M. gegründeten Rechtsschutzstelle für Frauen mit. 1902 gründete sie dort zusammen mit Bertha Pappenheim den Verein Weibliche Fürsorge. Von 1905 bis 1911 gehörte sie dem Bund für Mutterschutz an. Im Ersten Weltkrieg richtete sie in der Stadt eine Armenküche ein. 1916 trat sie der SPD bei. Von 1919 bis 1924 war sie SPD-Abgeordnete in Frankfurt a.M. Die Stadt verlieh ihr für ihre Verdienste 1932 die Ehrenplakette. Anna von Gierke (14. März 1874 – 3. April 1943) Nach dem Besuch der höheren Töchterschule half die Tochter des Jura-Professors Otto Friedrich von Gierke ihrer Mutter Lilli von Gierke, geb. Loening, die jüdischer Abstammung war, zunächst im Haushalt. Sie engagierte sich ehrenamtlich in der Kleinkinderschule einer evangelischen Gemeinde, bevor sie 1891 begann, in dem von Hedwig Heyl gegründeten Verein Jugendheim in Berlin-Charlottenburg mitzuarbeiten. 1908 bis 1933 war sie Vorsitzende des Vereins Jugendheim. Als DNVP-Mitglied wurde sie in die Nationalversammlung gewählt und war dort im Verfassungsausschuss tätig. Gierke war in zahlreichen Vereinen der Frauenbewegung und der Jugendwohlfahrt engagiert. 1925 bis 1933 war sie Vorstandsmitglied in der von Alice Salomon gegründeten Deutschen Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit und im Vorstand des Reichsverbands Deutscher Hausfrauenvereine. Von 1925 bis 1938 gab sie die Zeitschrift Soziale Arbeit heraus. 1931 bis 1933 war sie Mitglied im engeren Vorstand des BDF. Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde sie im Oktober 1933 gezwungen, die Leitung des Jugendheims niederzulegen. Nach 1933 engagierte sich die mit Marie Baum befreundete von Gierke in der Bekennenden Kirche in Dahlem und unterstützte illegal in Berlin lebende Juden. Ihr Elternhaus in Berlin-Charlottenburg wurde während der NS-Zeit zu einem wichtigen Begegnungsort für Verfolgte. Elisabeth Gnauck-Kühne, geb. Kühne (2. Januar 1850 – 12. April 1917) Elisabeth Kühne absolvierte 1867 das Lehrerinnenexamen und arbeitete als Erzieherin in Paris und London, bevor sie 1875 mit ihrer älteren Schwester ein Erziehungsinstitut für höhere Töchter in Blankenburg (Harz) leitete. Nach der gescheiterten Ehe (1888 – 1890) mit Rudolf Gnauck studierte sie in Berlin Nationalökonomie und Statistik. 1893 erhielt sie für ihre Studie Ursachen und Ziele der Frauenbewegung auf der Weltausstellung in Chicago die Bronzemedaille. Seit 1894 leitete sie die von ihr gegründete Frauengruppe im Evangelisch-Sozialen Kongress. Dieses Engagement beendete sie kurz vor ihrer Konversion zum Katholizismus (25. März 1900). 1903 war sie eine der Gründerinnen des Katholischen Frauenbundes Deutschland. Sie schrieb unter anderem eine Einführung in die Arbeiterinnenfrage (1905) und Das soziale Gemeinschaftsleben im Deutschen Reich. Frauenfrage und Frauenbewegung (1909). Olympe de Gouges, geb. Marie Gouze, verw. Aubry (7. Mai 1748 – 3. November 1793) Olympe de Gouges lernte als Kind in Montauban bei den Ursulinen Schreiben und Lesen. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie nach Paris. Dort legte sie sich für ihre schriftstellerische Tätigkeit das vom Mädchennamen ihrer Mutter abgeleitete Pseudonym Olympe de Gouges zu. Während der Fran-
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Biographische Skizzen zösischen Revolution setzte sie sich für die Rechte der Frau ein und veröffentlichte 1791 das Manifest Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne. Mit ihrer Kritik am Todesurteil für Ludwig XVI. begann ihre kritische Auseinandersetzung mit den Revolutionsführern. Sie konnte noch ihr politisches Testament verfassen, bevor sie am 3. November 1793 hingerichtet wurde. Hedwig Heyl, geb. Crüsemann (5. Mai 1850 – 23. Januar 1934) Die Bremer Reederstochter besuchte die von Henriette Schrader-Breymann (1827 – 1899) gegründete Mädchenbildungsanstalt in Neu-Watztum und heiratete 1869 den Fabrikanten Georg Heyl. Für die Kinder der Arbeiter richtete sie in Charlottenburg einen Kindergarten und 1883 das Jugendheim für die Kinder der Heylschen Arbeiter ein. Die Arbeiterinnen unterwies sie in Säuglingspflege und in der Hauswirtschaft. Nach dem Tod ihres Mannes 1889 übernahm sie die Leitung der Fabrik. Hedwig Heyl nutzte ihre guten Beziehungen zu liberalen Kreisen und dem Hof, um für mehr Verständnis für die berufstätige Frau zu werben. Heyl war Mitglied in zahlreichen Frauenvereinen, so auch im Verein Frauenwohl und im Vaterländischen Frauenverein. 1905 war sie Mitbegründerin des Deutschen Lyzeums-Clubs, der viele von ihr initiierte Ausstellungen mitfinanzierte, wie zum Beispiel die Ausstellung Haus und Beruf im Jahr 1912. 1914 gründete sie mit Gertrud Bäumer den NFD und organisierte die Kriegs-Volksspeisung in Berlin. Nach dem Krieg war sie kurzfristig Stadtverordnete in Charlottenburg (DNVP). 1920 verlieh ihr die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin eine Ehrenpromotion. Lida Gustava Heymann (15. August 1868 – 31. Juli 1943) Nach dem Besuch der höheren Töchterschule in Hamburg und einem fünfjährigen Pensionsaufenthalt in Dresden engagierte sich Heymann in der Hamburger Armenpflege. Durch eine große Erbschaft war die Hamburger Kaufmannstochter seit dem Tod ihres Vaters 1896 wirtschaftlich unabhängig. Heymann finanzierte in Hamburg mehrere soziale Projekte, darunter auch eine Art von Frauenzentrum. Sie gründete den Hamburger Verein Frauenwohl und einen abolitionistischen Zweigverein. 1896 lernte sie auf dem internationalen Kongress in Berlin Anita Augspurg kennen, mit der sie um die Jahrhundertwende eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft eingehen sollte. 1902 gründete sie mit Augspurg in Hamburg den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht. 1903 trat sie in ihrer Heimatstadt in die Freisinnige Volkspartei ein. Bis 1907 war sie im Vorstand des Verbands fortschrittlicher Frauenvereine. Im Krieg vertrat sie wie Augspurg pazifistische Positionen und nahm wie ihre Freundin 1915 am Internationalen Frauenfriedenskongress in Den Haag teil. Beide engagierten sich für die Räterepublik in München. Von 1919 bis 1933 gaben sie die Zeitschrift Die Frau im Staat heraus. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten lebten beide Frauen in der Schweiz, wo Heymann ein halbes Jahr vor Augspurg in Zürich starb. Hedwig (Johanna) Kettler, geb. Reder (Pseudonym Gotthard Kurland) (19. September 1851 – 5. Januar 1937) Kettler engagierte sich für eine Verbesserung der Mädchenbildung und das Frauenstudium. Sie gründete 1888 in Weimar den Deutschen Frauenverein
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Biographische Skizzen Reform (seit 1891: Verein Frauenbildung-Frauenstudium), den sie bis 1902 leitete und der sich für die Einrichtung von Mädchengymnasien und das Frauenstudium einsetzte. Der Verein Frauenbildungs-Reform gründete 1893 ein Mädchengymnasium in Karlsruhe. Nach ihrem Umzug nach Hannover baute Kettler 1899 ein weiteres Mädchengymnasium dort auf. Diese Gymnasien ließen sich nicht, wie von Kettler angestrebt, in Knabengymnasien entsprechende „Vollgymnasien“ umwandeln. Als der Verein Frauenbildungs-Reform der Einrichtung von Gymnasialkursen für Mädchen zustimmte, gab sie dessen Vorsitz auf und gründete 1902 das Komitee für selbständige Mädchengymnasien. Ähnlich wie Lange hatte sie mit vielen Widerständen zu kämpfen, konnte aber liberale Kreise für die Unterstützung ihrer Pläne gewinnen. Kettler publizierte zu Themen der Mädchen- und Frauenbildung und war auch belletristisch tätig. Margarete von Keyserlingk, geb. Hirt (1879 – 1958) Die Gräfin engagierte sich für die Belange der Landfrauen. Sie war Vorstandsmitglied des Reichsverbandes landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine, DNVP-Mitglied und engagierte sich im Vaterländischen Frauenverein. Seit 1924 war sie Mitglied im engeren Vorstand des BDF. Luise Kiesselbach (28. Dezember 1863 – 27. Januar 1929) Die Tochter eines Realschuldirektors heiratete mit 20 Jahren den Erlanger Privatdozenten für Ohrenheilkunde, Wilhelm Kiesselbach, mit dem sie eine Tochter und einen Sohn hatte. Nach 18 Jahren Ehe starb ihr 24 Jahre älterer Mann. Helene von Forster (1859 – 1923) führte Luise Kiesselbach in die Frauenbewegung ein. 1909 wurde Kiesselbach in Erlangen zur ersten Armenpflegerin berufen. Ika Freudenberg holte Kiesselbach 1912 nach München, wo sie 1913 als Freudenbergs Nachfolgerin zur Vorsitzenden des Vereins für Fraueninteressen gewählt wurde. Im selben Jahr gründete sie den Stadtbund Münchner Frauenverbände, den sie auch leitete. Im Juli 1919 wurde sie, die seit Dezember 1918 stellvertretende Parteivorsitzende der Münchner DDP war, in den Münchner Stadtrat gewählt. Von 1919 bis zu ihrem Tod war Kiesselbach Mitglied im engeren Vorstand des BDF. 1924 beteiligte sie sich an der Gründung des Bayerischen Landesverbandes des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Mit der 1928 erfolgten Gründung des heute noch existierenden und nach ihr benannten Altenheims in München setzte sie neue Maßstäbe in der Altenfürsorge. Else Kolshorn (10. Oktober 1873 – 11. Juni 1962) Kolshorn war bis 1933 die erste Vorsitzende des 1912 gegründeten Verbandes der deutschen Reichs-Post- und Telegraphinnenbeamtinnen. Von 1924 bis 1933 war sie Mitglied des engeren Vorstands im BDF. Helene Lange (9. April 1848 – 13. Mai 1930) Nach dem Besuch der höheren Töchterschule in Oldenburg zog Lange 1871 nach Berlin, wo sie ein Jahr später das Lehrerinnenexamen bestand und danach zwanzig Jahre als Lehrerin in der Stadt arbeitete. 1888 lieferte sie mit ihrer Schrift Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung einen entscheidenden Anstoß für die Debatte um die höhere Mädchenbildung. 1889
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Biographische Skizzen eröffnete sie „Realkurse“, später als „Gymnasialkurse“ bezeichnet, die junge Frauen auf das Abitur vorbereiteten. 1890 gründete Lange zusammen mit Auguste Schmidt und Marie Loeper-Housselle (1837 – 1916) den ALDV, dessen Vorsitzende sie bis 1921 blieb. 1893 gründete sie die Zeitschrift Die Frau (1893 – 1944), die sie seit 1916 zusammen mit Gertrud Bäumer herausgab. Von 1893 bis 1902 war sie Vorstandsmitglied des ADF, in den Jahren 1902 bis 1921 Vorsitzende des ADF. Als Mitbegründerin des BDF war Lange von 1894 bis1905 auch Mitglied in dessen Vorstand. 1908 trat sie in Hamburg in die Freisinnige Vereinigung ein und wurde noch im selben Jahr in den Vorstand dieser Ortsgruppe gewählt. Gemeinsam mit Gertrud Bäumer, mit der sie seit 1900 zusammenlebte, gab sie 1901 bis1906 das fünfbändige Handbuch der Frauenbewegung heraus. 1916 zog sie mit Bäumer nach Hamburg, wo sie an der sozialen Frauenschule unterrichtete und im NFD noch als Siebzigjährige mitarbeitete. 1919 wurde sie als DDP-Mitglied in die Hamburger Bürgerschaft gewählt und fungierte dort als Alterspräsidentin. 1920 kehrte sie mit Bäumer nach Berlin zurück, übergab ein Jahr später den Vorsitz des ADF und des ADLV, blieb aber weiterhin bis kurz vor ihrem Tod publizistisch tätig. Noch zu Lebzeiten wurden ihr zahlreiche Ehrungen zuteil: Mädchenschulen wurden nach ihr benannt, die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen verlieh ihr 1923 die Ehrenpromotion, 1925 wurde sie Ehrenvorsitzende der DDP. Ihre Geburtsstadt Oldenburg ernannte sie 1928 zur Ehrenbürgerin, im selben Jahr erhielt sie von der Preußischen Regierung die Silberne Staatsmedaille für Verdienste um den Staat. Fanny Lewald, verh. Stahr (24. März 1811 – 5. August 1889) Die Tochter eines jüdischen Kaufmanns beschrieb eindringlich in ihren mehrbändigen Lebenserinnerungen Meine Lebensgeschichte (1861/62) ihren „Wartestand“ als junges Mädchen. Sie verweigerte die Konvenienzehe und begann sich nach dem Tod ihrer Mutter 1842 ein Leben als Schriftstellerin aufzubauen. Erst 1845 konnte Lewald mit Einwilligung ihres Vaters eine eigene Wohnung in Berlin beziehen. Ihre ersten Arbeiten erschienen anonym. Bald hatte sie als Schriftstellerin Erfolg. Sie schrieb vielgelesene Romane und setzte sich für die Emanzipation der Frauen und der Juden ein. 1853 heiratete sie den Kunsthistoriker Adolf Stahr (1805 – 1876). Marie-Elisabeth Lüders (25. Juni 1878 – 23. März 1966) Die aus einer Beamtenfamilie stammende Lüders absolvierte nach der höheren Töchterschule in Berlin eine Ausbildung als Fotografin. 1901 nahm sie an der Generalversammlung des BDF in Wiesbaden teil, seit 1902 arbeitete sie in den Berliner Mädchen- und Frauengruppen mit. Lüders holte das Abitur nach und nahm das Studium der Staatswissenschaften in Berlin auf, das sie 1912 mit der Promotion abschloss (Thema der Arbeit: Die Fortbildung und Ausbildung der im Gewerbe tätigen weiblichen Personen und deren rechtlichen Grundlagen). Anschließend arbeitete sie als erste Wohnungspflegerin in Charlottenburg. Im Ersten Weltkrieg war sie in führenden Stellungen tätig: seit 1914 Leiterin der Abteilung Kriegsfürsorge der Stadt Charlottenburg, 1915 bis 1916 in der Zivilverwaltung der deutschen Besatzungsmacht in Brüssel, 1916 bis 1918 als Leiterin des Frauenreferats
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Biographische Skizzen im Kriegsministerium in Berlin. Nach dem Krieg arbeitete Lüders bis 1923 als Studiendirektorin der Niederrheinischen Frauenakademie in Düsseldorf. Lüders war von 1919 bis 1922 Vorstandsmitglied des BDF, 1926 zählte sie zu den Gründerinnen des Deutschen Akademikerinnenbundes, dessen Vorsitz sie 1930 übernahm. Als Mitglied der DDP gehörte die Mutter eines 1922 geborenen Sohnes von 1919 bis 1930 der Nationalversammlung und dem Reichstag an. Seit Beginn der 1930er Jahre bis 1934 nahm sie an internationalen Veranstaltungen als offizielle Vertreterin der deutschen Frauenbewegung und als informelle Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes teil. 1936 machte sie in dem Buch Das unbekannte Heer. Frauen kämpfen für Deutschland 1914 – 1918 auf die historische Bedeutung der Frauenarbeit im Ersten Weltkrieg aufmerksam. 1937 geriet Lüders bei Recherchen in Betrieben, die ihr für Frauenarbeit geeignet schienen, wegen angeblicher Werkspionage in Haft. Nach ihrer Entlassung im selben Jahr verbrachte sie die nächsten Jahre an unterschiedlichen Orten. Nach dem Krieg wurde ihr 1946 die Leitung der Amerikanischen Verwaltungsschule in Oberammergau angeboten. 1947 kehrte sie nach Berlin zurück, wo sie von 1949 bis 1951 als FDP-Mitglied und Stadtverordnete die Leitung der Abteilung Sozialwesen beim Magistrat in Westberlin übernahm. Sie erhielt 1952 das Große Verdienstkreuz. 1953 bis 1961 war sie Abgeordnete der FDP (seit 1957 Alterspräsidentin) im Bundestag. 1953 verlieh ihr die Freie Universität Berlin den Ehrendoktor (Dr. med. h. c.). 1958 wurde sie zur Ehrenbürgerin der Stadt Berlin ernannt. 1961 zeichnete man Lüders mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband aus. Rosa Luxemburg (5. März 1871 – 15. Januar 1919) Luxemburg besuchte von 1884 bis 1887 das Zweite Warschauer Mädchengymnasium, machte dort Abitur und musste wegen verbotener politischer Betätigung nach Zürich fliehen, wo sie Mathematik, Philosophie, Volkswirtschaft und Recht studierte und 1897 ihr Studium mit einer Dissertation zum Thema Die industrielle Entwicklung Polens abschloss. Während des Studiums blieb sie politisch aktiv, wobei ihr sowohl die polnischen wie die deutschen Sozialisten zu wenig radikal waren. 1898 zog sie nach Berlin, erlangte durch eine Scheinehe die deutsche Staatsangehörigkeit und trat in die SPD ein. 1904 wurde Luxemburg wegen Majestätsbeleidigung, 1906 wegen „Anreizung zum Klassenhass“ in Haft genommen. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs war sie Dozentin an der Zentralen Parteischule der SPD in Berlin. Als Theoretikerin der Partei schrieb sie mehrere Werke, darunter 1913 Die Akkumulation des Kapitals, posthum erschien 1925 die Einführung in die Nationalökonomie. Sie nahm gegen den Ersten Weltkrieg öffentlich Stellung und rief zur Kriegsdienstverweigerung auf, was ihr eine einjährige Haftstrafe einbrachte. Nach dem Krieg beteiligte sie sich am 30. Dezember 1918 an der Gründung der KPD. Am 15. Januar 1919 wurde sie von Soldaten der Reichswehr ermordet. Paula Mueller(-Otfried) (7. Juni 1865 – 8. Januar 1946) Mueller-Otfried hatte ein Schweizer Pensionat und eine höhere Töchterschule besucht. Durch ererbtes Vermögen finanziell unabhängig, leitete sie zunächst einen Frauenbildungsverein in Hannover, bevor sie 1899 den Vor-
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Biographische Skizzen sitz der Hannoveraner Ortsgruppe des DEF übernahm. 1901 wurde sie zur Vorsitzenden des DEF gewählt, der auf ihr Betreiben 1908 dem BDF beitrat. Seit 1904 gab sie die Evangelische Frauenzeitung heraus. 1908 veröffentlichte sie das Handbuch der Frauenfrage. 1911 war sie Mitbegründerin der Vereinigung konservativer Frauen. Im Ersten Weltkrieg leitete sie den NFD in Hannover; 1916 wurde sie in den engeren Vorstand des BDF gewählt, dem sie bis zum Austritt des DEF aus dem BDF 1917 angehörte. Von 1919 bis 1932 vertrat sie die DNVP in der Nationalversammlung und im Reichstag. Sie blieb bis zur Auflösung des DEF 1934 dessen Vorsitzende. Louise Otto-Peters, geb. Otto (Pseudonym: Otto Stern) (26. März 1819 – 13. März 1895) Die aus Meißen stammende Louise Otto begann schon als junges Mädchen zu schreiben, engagierte sich als Autorin sozialkritischer Prosa sowie als Journalistin für die demokratische Bewegung des Vormärz und forderte in diesem Zusammenhang die politische Gleichberechtigung der Frauen. Seit April 1849 gab sie die wöchentlich erscheinende Frauen-Zeitung heraus. Nachdem in Sachsen eine Herausgebertätigkeit für Frauen durch eine eigens initiierte „Lex Otto“ verboten worden war, konnte die Zeitschrift in den Jahren 1851/52 noch in Thüringen verlegt werden, bevor ihr Erscheinen ganz eingestellt werden musste. In der Reaktionszeit schrieb Otto vor allem belletristische Texte. Nach der Heirat mit dem bis dahin inhaftierten Revolutionär August Peters im Jahr 1858 führte sie den Doppelnamen Otto-Peters. Otto-Peters setzte sich vor allem für das Recht der Frauen auf Bildung und auf Erwerbsarbeit ein. 1865 gründete sie mit Auguste Schmidt, Ottilie von Steyber (1804 – 1870) und Henriette Goldschmidt (1825 – 1920) den Leipziger Frauenbildungsverein, aus dem im selben Jahr der ADF hervorging. Sie blieb bis zu ihrem Tod die erste Vorsitzende des ADF. Seit 1866 gab sie zusammen mit Schmidt das Vereinsorgan des ADF, Neue Bahnen, heraus. Bertha Pappenheim (Pseudonym: Paul Berthold) (27. Februar 1859 – 28. Mai 1936) Pappenheim wuchs in einer jüdischen Familie in Wien auf und musste mit 16 Jahren die Schule verlassen. In der Monotonie ihres „Wartestands“ erkrankte sie 1880 schwer. Der behandelnde Arzt Josef Breuer diagnostizierte Hysterie und Sigmund Freud sollte Pappenheims Krankheitsgeschichte als Fall des „Frl. Anna O.“ zur zweifelhaften Berühmtheit verhelfen, da die Identität der „Anna O.“ in Wien nicht lange geheim blieb. Pappenheim brauchte Jahre, um zu gesunden. Im November 1889 zog sie mit ihrer Mutter nach Frankfurt a.M., wo sie literarisch tätig wurde und sich mit dem Mädchenhandel auseinandersetzte. Nach einem Vortrag zu diesem Thema 1902 gründete sie mit Henriette Fürth den Verein Weibliche Fürsorge, der sich zur Keimzelle des 1904 von Pappenheim gegründeten Jüdischen Frauenbundes entwickeln sollte, dessen erste Vorsitzende sie 20 Jahre lang war. 1914 wurde sie in Rom zur Präsidentin des von ihr initiierten Weltbundes Jüdischer Frauen gewählt. Im Ersten Weltkrieg arbeitete sie im NFD mit. Seitdem war Pappenheim Mitglied des erweiterten Vorstandes des BDF (bis 1924). Neben ihrer umfangreichen publizistischen Tätigkeit baute Pappenheim ein Heim für junge schwangere und „gefährdete“ Mädchen in Neu-
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Biographische Skizzen Isenburg auf, das in der Pogrom-Nacht 1938 angezündet und verwüstet werden sollte. Anna Pappritz (9. Mai 1861 – 8. Juli 1939). Pappritz zog 1884 mit ihrer Mutter nach Berlin und versuchte sich als Romanschriftstellerin zu etablieren. Mit 34 Jahren lernte sie bei einem Englandbesuch Josephine Butler kennen. Wieder zurück in Berlin nahm sie Kontakt zur dortigen Frauenbewegung auf. Sie engagierte sich in der entstehenden deutschen Sittlichkeitsbewegung. 1899 gründete sie zusammen mit Lida G. Heymann den ersten deutschen Zweigverein der Internationalen Abolitionistischen Föderation. 1906 bis 1919 war sie Mitglied im engeren Vorstand des BDF, von 1907 bis 1914 eine seiner Schriftführerinnen. Pappritz veröffentlichte unter anderem 1902 Die wirtschaftlichen Ursachen der Prostitution und 1924 Der Mädchenhandel und seine Bekämpfung. Alice Salomon (19. April 1872 – 30. August 1948) Aus dem Berliner jüdischen Bürgertum stammend, erlebte Alice Salomon zunächst die Leere des Daseins einer höheren Tochter, bevor sie 1893 in die von Jeanette Schwerin geleiteten Berliner Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit eintrat. Unter der Mentorenschaft Schwerins gründete sie einen Kinderhort und war an der Einrichtung der ersten Berliner Arbeiterinnenheime und Arbeiterinnenclubs beteiligt. Nach dem Tod Schwerins 1899 machte Alice Salomon schnell in der Frauenbewegung Karriere: 1900 wurde sie jüngstes Vorstandsmitglied des BDF. Bis 1910 war sie Schriftführerin, von 1910 bis 1920 stellvertretende Vorsitzende des BDF. Auch im ICW nahm Salomon an Stelle Schwerins seit 1899 als Vertreterin des BDF an den ICW-Treffen teil. Ohne Abitur studierte sie an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin Nationalökonomie und promovierte 1906 mit einer Arbeit über Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männerund Frauenarbeit. 1908 gründete sie die Soziale Frauenschule, die zum Vorbild für die Ausbildung von Fürsorgerinnen und die Etablierung des Berufsfeldes Sozialarbeit für ganz Deutschland wurde. 1914 konvertierte Salomon zum Protestantismus. Während des Krieges leitete sie zunächst die NFDKriegsamtsstelle in Berlin und ab 1916 das Frauenreferat beim Oberkommando in den Marken. Am 24. Januar 1917 rief Salomon die Konferenz der sozialen Frauenschulen ins Leben, die sie als Vorsitzende leitete. 1920 trat Alice Salomon aus dem engeren Vorstand des BDF wegen Meinungsverschiedenheiten in der Frage von Auslandskontakten aus. Wenig später wurde sie als Vertreterin des BDF zur Vizepräsidentin des ICW gewählt. Nach dem Rücktritt aus dem engeren Vorstand des BDF intensivierte sie ihre internationalen Kontakte auf dem Gebiet der Sozialarbeit. 1933 wegen ihrer jüdischen Herkunft entrechtet, wurde sie 1937 zur Emigration in die USA gezwungen, wo sie mit 65 Jahren nicht mehr beruflich Fuß fassen konnte. Käthe Schirmacher (6. August 1865 – 18. November 1930) Schirmacher bestand 1883 das Lehrerinnenexamen und arbeitete danach als Erzieherin in Thüringen. 1885 bis 1887 studierte sie in Paris. Anschließend ging sie nach Liverpool an die Blackbournhouse Highschool. 1891
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Biographische Skizzen kehrte sie nach Deutschland zurück, engagierte sich in der Frauenbewegung und war schriftstellerisch tätig. 1893 nahm sie als deutsche Delegierte an der ersten ICW-Generalversammlung in Chicago teil. 1895 promovierte sie in Zürich. Sie schloss sich dem Verein Frauenwohl an und beteiligte sich 1899 an der Gründung des Verbandes Fortschrittlicher Frauenvereine. Schirmacher publizierte unter anderem in der Zeitschrift Die Frauenbewegung und war 1902 in Hamburg an der Gründung des Deutschen Vereins für Frauenstimmrecht beteiligt. Im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg gab sie ihre Ämter in der internationalen und deutschen Frauenbewegung auf und engagierte sich zunehmend in konservativen und völkischen Organisationen. Seit 1910 lebte sie mit Klara Schleker (1852 – ?) zusammen. 1917 trat Schirmacher in die Vaterlandspartei ein. 1919 vertrat sie die DNVP in der Nationalversammlung. Auguste Schmidt (3. August 1833 – 10. Juni 1902) Schmidt besuchte in Posen das Lehrerinnenseminar und legte das Schulvorsteherinnenexamen ab. Bekannt wurde sie als Direktorin des Leipziger Steyberschen Erziehungsinstituts, dessen Leitung sie 1861 übernahm. 1865 gründete Schmidt mit Louise Otto-Peters, Ottilie von Steyber (1804 – 1870) und Henriette Goldschmidt (1825 – 1920) den Leipziger Frauenbildungsverein, aus dem im selben Jahr der ADF hervorging. Schmidt war bis 1895 stellvertretende Vorsitzende, von 1895 bis zu ihrem Tod erste Vorsitzende des ADF. Zusammen mit Otto-Peters gab sie seit 1866 die Neuen Bahnen heraus, für die sie nach dem Tod Otto-Peters 1895 die alleinige Verantwortung übernahm. 1869 gründete sie mit Marie Calm (1832 – 1887) in Berlin den Verein Deutsche Lehrerinnen und Erzieherinnen, 1890 zusammen mit Helene Lange und Marie Loeper-Housselle (1837 – 1916) den ADLV. Als ältestes Gründungsmitglied wurde Schmidt zur Ehrenvorsitzenden des ADLV ernannt. Von 1894 bis 1899 war sie erste Vorsitzende des BDF. Anschließend wurde sie auf Vorschlag Helene Langes zur Ehrenvorsitzenden des BDF gewählt. Jeanette Schwerin, geb. Abarbanell (21. November 1852 – 14. Juli 1899) Seit 1872 verheiratet, engagierte sich Schwerin in der von ihrem Ehemann 1892 mitbegründeten Deutsche Gesellschaft für Ethische Kultur. Innerhalb dieser Gesellschaft gründete sie eine Auskunftsstelle, die Hilfsbedürftige unterstützte. Schwerin strebte eine Reform der Armenpflege an und setzte sich für Selbsthilfeorganisationen der Arbeiterinnen ein. Seit 1888 war sie Vorstandsmitglied des Vereins Frauenwohl in Berlin und seit 1893 arbeitete sie in den Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfstätigkeit mit. Im BDF war sie ab 1896 im Vorstand vertreten und leitete zusammen mit Marie Stritt seit 1898 die Kommission für Arbeiterinnenschutz. Nach ihrem Tod 1899 übernahm Alice Salomon einige wichtige Funktionen Schwerins. Helene Stöcker (13. November 1869 – 24. Februar 1943) Die Tochter eines Textilfabrikanten absolvierte in Elberfeld die höhere Mädchenschule, legte das Lehrerinnenexamen ab und besuchte anschließend in Berlin einen Gymnasialkurs bei Helene Lange. Schon während ihres Studiums der Philosophie, Literaturgeschichte und Nationalökonomie in Ber-
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Biographische Skizzen lin, Glasgow und Bern, das sie 1901 mit der Promotion (Thema: Zur Kunstanschauung des 18. Jahrhunderts. Von Winckelmann bis Wackenroder) abschloss, engagierte sie sich in verschiedenen Frauenvereinen. 1905 war sie Mitbegründerin des Bundes für Mutterschutz, dessen Organ Mutterschutz (seit 1908: Die neue Generation) sie bis 1932 herausgab. Im Ersten Weltkrieg entwickelte sie sich zur radikalen Pazifistin. 1931 starb ihr Lebensgefährte Bruno Springer (1873 – 1931), den sie 1905 kennen gelernt hatte und mit dem sie ihre Prinzipien der „freien Liebe“ zu verwirklichen gesucht hatte. 1933 emigrierte sie in die Schweiz. Über London und Schweden wanderte sie in die USA aus, wo sie 1943 vereinsamt in New York starb. Marie Stritt, geb. Bacon (18. Februar 1855 – 16. September 1928) Die aus Siebenbürgen stammende Stritt gab ihre Tätigkeit als Schauspielerin nach ihrer Heirat und ihrem Umzug mit Ehemann und Kindern nach Dresden auf und widmete sich dort seit den 1890er Jahren intensiv der Verbesserung der rechtlichen Stellung von Frauen. 1894 gründete sie den ersten deutschen Rechtsschutzverein für Frauen und gab damit den Auftakt für ein sich landesweit rasch ausweitendes Netz von Rechtsberatungsstellen. Stritt war seit der Gründung des BDF Vorstandsmitglied und von 1899 bis 1910 Vorsitzende des BDF. Sie gab das BDF-Publikationsorgan Centralblatt (seit 1913: Die Frauenfrage) von 1900 bis 1920 heraus. Ihr engagierter Einsatz für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts erwies sich im BDF-Vorstand nicht als mehrheitsfähig. 1910 trat Stritt aus dem engeren Vorstand des BDF zurück, blieb jedoch bis 1921 im erweiterten Vorstand des BDF. 1911 wurde Marie Stritt zur Vorsitzenden des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gewählt. Im Oktober 1917 forderte sie als Vorsitzende des nun mehr Deutschen Reichsverbandes für Frauenstimmrecht zusammen mit der Sozialdemokratin Marie Juchacz (1879 – 1956) und einer breiten Koalition von Frauenvereinen nochmals nachdrücklich das Frauenstimmrecht. Nach dem Krieg trat Stritt in die DDP ein und kandidierte erfolglos für die Nationalversammlung. 1920 bis 1922 war sie auf kommunalpolitischer Ebene als Stadträtin in Dresden politisch aktiv. Von 1922 bis 1927 hatte sie den Vorsitz des Stadtbundes Dresdner Frauenvereine inne. Franziska Tiburtius (24. Januar 1843 – 5. Mai 1927) Die Tochter eines Gutsbesitzers auf Rügen besuchte ein Mädchenpensionat in Stralsund und legte dort auch ihr Lehrerinnenexamen ab. Anschließend arbeitete sie als Deutschlehrerin in England. Im Sommer 1871 bereitete sich Tiburtius unter Anleitung ihres Bruders auf das Medizinstudium vor, das sie im Herbst desselben Jahres in Zürich aufnahm. 1876 schloss sie ihr Studium erfolgreich ab und arbeitete zunächst an der Frauenklinik in Dresden. Da die Reichsgewerbeordnung nicht in Deutschland approbierten Ärzte die Anerkennung verweigerte, eröffneten sie und ihre ehemalige Züricher Studienkollegin Emilie Lehmus (1841 – 1932) 1876 gegen starken behördlichen Widerstand Privatpraxen in Berlin, die trotz einiger Anzeigen nicht verboten wurden. Am 18. Juni 1877 gründete Tiburtius mit Hilfe von Spenden die Poliklinik weiblicher Ärzte für Frauen und Kinder im Scheunenviertel, die 1881 durch eine Pflegeanstalt erweitert wurde. Das Krankenhaus wurde von vielen Frauenrechtlerinnen unterstützt, so zum Beipiel von Hedwig
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Biographische Skizzen Heyl und Henriette Schrader-Breymann (1827 – 1899). Als erste praktizierende Frauenärztin in Berlin war Tiburtius mit Helene Lange und Lina Morgenstern (1831 – 1909) befreundet. 1907 beendete Tiburtius ihre Praxistätigkeit und warb als Vorstandsmitglied der Vereinigung weiblicher Ärzte zur Gründung eines Frauenkrankenhauses in Groß-Berlin für ihre weitergehenden Pläne. Dorothee von Velsen (29. November 1883 – 16. Mai 1970) Von Velsen besuchte die städtischen Mädchenschulen von Saarbrücken und Halle a. d. Saale, danach verbrachte sie ein Pensionsjahr in England. Von 1910 bis 1912 absolvierte sie die Soziale Frauenschule in Berlin, wo sie zur staatlich anerkannten Wohlfahrtspflegerin ausgebildet wurde. 1912 trat sie in die Nationalliberale Partei ein. Von Velsen engagierte sich im ADF und in der Internationalen Stimmrechtsbewegung. Im Ersten Weltkrieg arbeitete sie mit Marie-Elisabeth Lüders in der Zivilverwaltung der deutschen Besatzungsmacht in Brüssel, übernahm dann kurzfristig Lüders Stelle, bevor sie auf deren Vorschlag 1916 die Leitung des Frauenreferats bei der Kriegsamtsstelle Breslau übernahm, um später dann nach Kiew zu wechseln. Nach dem Krieg kehrte sie nach Berlin zurück, wo sie der DDP beitrat. Seit 1921 war von Velsen Vorsitzende des ADF, 1919 bis 1925 leitete sie die Geschäftsstelle des BDF in Berlin, von 1924 bis 1926 war sie Mitglied im engeren Vorstand des BDF, den sie bis 1924 im Deutschen Frauenausschuß zur Bekämpfung der Schuldlüge vertreten hatte. Sie engagierte sich für das Auslandsdeutschtum und war für mehrere Jahre im Vorstand des Deutschen Schutzbundes. 1928 zog sie nach Heidelberg, wo sie nach Ablegung der Begabtenprüfung Geschichte, Philosophie und Theologie studierte. 1931 promovierte sie mit einer geschichtswissenschaftlichen Arbeit zum Thema Die Gegenreformation in den Fürstentümern Liegnitz-Brieg-Wohlau. Ihre Vorgeschichte und ihre staatsrechtlichen Grundlagen in Heidelberg. 1933 zog sie sich nach Ried bei Benediktbeuren (Oberbayern) zurück, wo sie weiter schriftstellerisch tätig war. Nach dem Krieg bemühte sie sich unter anderem zusammen mit Gertrud Bäumer um den Wiederaufbau der Frauenorganisationen. Marianne Weber, geb. Schmitger (2. August 1870 – 14. März 1954) Marianne Schmitger wuchs in Lemgo bei ihrer Großmutter auf. Nach dem Besuch der höheren Töchterschule in Hannover ging sie zu Verwandten nach Berlin, wo sie ihren späteren Mann Max Weber kennenlernte (Heirat 1893). 1897 zog das kinderlose Paar nach Heidelberg. Das Haus der Webers sollte sich bald zu einem wichtigen Treffpunkt der Frauenbewegung entwickeln, nachdem Marianne Weber 1897 den Ortsverein Frauenbildung – Frauenstudium gegründet hatte und leitete. 1902 bis 1910 war Weber Mitglied im engeren Vorstand des BDF. 1919 wurde sie zur Vorsitzenden des BDF gewählt, nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1920 zog sie sich jedoch von diesem Posten zurück. Nominell blieb Weber Vorsitzende bis 1924, seit 1921 führte jedoch Emma Ender die Geschäfte. 1919 trat Weber als DDP-Abgeordnete in den Badischen Landtag ein. Für ihr 1907 erschienenes Werk Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung erhielt Marianne Weber 1924 den Ehrendoktor der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg. Sie blieb bis zu ihrem Tod schriftstellerisch tätig.
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Biographische Skizzen Agnes von Zahn-Harnack, geb. von Harnack (19. Juni 1884 – 22. Mai 1950) Agnes von Harnack legte 1903 das Lehrerinnenexamen ab, bereitete sich privat auf das Abitur vor und studierte Theologie, Anglistik und Germanistik in Berlin. 1912 promovierte sie an der Universität Greifswald mit einer Arbeit über Clemens Bretanos Aloys und Imelde. Zunächst arbeitete sie als Lehrerin. Nach Ausbruch des Krieges engagierte sie sich im NFD und wurde von Marie-Elisabeth Lüders als Mitarbeiterin im Frauenreferat des Kriegsministeriums gewonnen. 1919 heiratete sie den Juristen Karl von Zahn und bekam einen Sohn (geb. 1921) und eine Tochter (geb. 1923). Zahn-Harnack war schriftstellerisch tätig, sie verfasste neben anderen Arbeiten 1928 Die Frauenbewegung. Geschichte, Probleme, Ziele. 1926 war sie an der Gründung des Deutschen Akademikerinnenbundes beteiligt, dessen erste Vorsitzende sie von 1926 bis 1930 war. Von 1931 bis 1933 stellte Zahn-Harnack die (letzte) Vorsitzende des BDF. Nach dem Krieg gründete sie 1945 den Wilmersdorfer Frauenbund, der später in Berliner Frauenbund e.V. umbenannt wurde. Für die von ihr 1936 publizierte Biographie ihres Vaters Adolf von Harnack erhielt sie 1949 die Ehrendoktorwürde der theologischen Fakultät der Universität Marburg. Clara Zetkin, geb. Eißner (5. Juli 1857 – 20. Juni 1933) Die Tochter eines Dorfschullehrers nahm 1874 eine Ausbildung am Lehrerinnenseminar des Steyberschen Instituts von Auguste Schmidt auf. 1878 legte sie das Lehrerinnenexamen ab und arbeitete als Hauslehrerin. Ossip Zetkin (1853 – 1889) führte sie in dieser Zeit in die Leipziger SPD ein. 1882 gab Clara Eißner den Lehrerinnenberuf auf und ging zunächst nach Zürich, wo sie für das Parteiorgan Der Sozialdemokrat arbeitete. Noch im selben Jahr zog sie nach Paris zu Ossip Zetkin, mit dem sie zwei Söhne (geb. 1883 und 1885) hatte. Auf dem von ihr mit vorbereiteten Gründungskongress der Zweiten Internationalen in Paris forderte sie 1889 die Gleichberechtigung der Frau sowie die Teilnahme der Frau am Klassenkampf. Nach dem Tod Ossip Zetkins 1889 und der Aufhebung der Sozialistengesetze kehrte Zetkin, wie sie sich nannte, nach Deutschland zurück. 1891 übernahm sie die Redaktion der Zeitschrift Gleichheit, 1896 wurde sie in den Vorstand der SPD gewählt. 1907 wählte man sie auf der ersten Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen in Stuttgart zur Vorsitzenden des Internationalen Frauensekretariats. Eine Zusammenarbeit mit der „bürgerlichen“ Frauenbewegung lehnte Zetkin strikt ab. 1910 schlug sie die Einrichtung eines Internationalen Frauentags vor. 1915 war sie an der Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen in Bern beteiligt, auf der die Beendigung des Krieges gefordert wurde. Für diese Aktivität wurde Zetkin mit vier Monaten Haft bestraft. 1917 trat Zetkin in die USPD ein und musste deshalb die Redaktion der Gleichheit aufgeben. 1919 war sie Gründungsmitglied der KPD und übernahm die Redaktion der Zeitschrift Die Kommunistin. Die KPD vertrat sie im Reichstag von 1920 bis 1933. Ab 1920 lebte Zetkin abwechselnd in Deutschland und in der Sowjetunion, wo sie 1933 in Moskau starb.
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Quellen- und Literaturverzeichnis Archive Helene-Lange-Archiv im Landesarchiv Berlin Enthält Akten zum BDF, ADLV und ADF, eine Broschüren- und eine Sammlung von Zeitungsausschnitten zur alten Frauenbewegung sowie (Teil-) Nachlässe einiger Frauenrechtlerinnen. (Näheres unter http://www.landesarchiv-berlin.de/lab-neu/ 03_06.htm) Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel Unterhält ein Archiv und eine Spezialbibliothek und gibt seit 1985 die Zeitschrift Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte (vormals: Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung) heraus sowie eine Schriftenreihe mit Projektergebnissen und Bestandsverzeichnissen (Näheres unter http://www.uni-kassel.de/frau-bib/ welcome.html). Quellen und Quellensammlungen Fanny Lewald: Meine Lebensgeschichte, 3 Bde., Berlin 1861 – 1862. Fanny Lewald: Für und wider die Frauen, in: Dies., Politische Schriften für und wider die Frauen, hg. v. Ulrike Helmer, Frankfurt a. M. 1989, S. 99 – 204. Anne Conrad/Kerstin Michalik (Hg.): Quellen zur Geschichte der Frauen, Bd. 3, Neuzeit, Stuttgart 1999. Elke Frederiksen (Hg.): Die Frauenfrage in Deutschland 1865 – 1915. Texte und Dokumente, Stuttgart 1981. Renate Möhrmann (Hg.): Frauenemanzipation im deutschen Vormärz. Texte und Dokumente, Stuttgart 1978. Gisela Losseff-Tillmann (Hg.): Frau und Gewerkschaft, Frankfurt a. M. 1982. Darstellungen der Frauenbewegung aus der Sicht ihrer Protagonistinnen Elisabeth Altmann-Gottheiner: Die politischen Parteiprogramme in Deutschland und ihre Stellung zur Frauenfrage, in: Die Frau 14 (1906/07), S. 641 – 648. Gertrud Bäumer: Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben der Gegenwart, Stuttgart/Berlin 1914. Gertrud Bäumer: Geschichte und Stand der Frauenbildung in Deutschland, in: Helene Lange/Ger-
trud Bäumer (Hg.), Handbuch der Frauenbewegung, Bd. 3: Der Stand der Frauenbildung in den Kulturländern, Berlin 1902, S. 1 – 128. Lily Braun: Die Frauenfrage. Ihre geschichtliche Entwicklung und ihre wirtschaftliche Seite, Leipzig 1901. Hedwig Dohm: Der Frauen Natur und Recht. Zur Frauenfrage. Zwei Abhandlungen über Eigenschaften und Stimmrecht der Frauen, Berlin 1876. Helene Lange/Gertrud Bäumer (Hg.): Handbuch der Frauenbewegung, 5 Bde., Berlin 1901 – 1906 (Nachdruck: Weinheim, Basel 1980). Helene Lange: Frauenvereine, in: Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik, hg. v. Wilhelm Rein, Bd. 3, 2. Aufl., Langensalza 1905, S. 109 – 115. Helene Lange: Die Frauenbewegung in ihren modernen Problemen, Leipzig 1908. Helene Lange: Die Dienstpflicht der deutschen Frau, in: Die Frau 19 (1911/12), S. 214 – 217. Helene Lange: Die „gelbe Broschüre“. Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Begleitschrift zu einer Petition an das preußische Unterrichtsministerium und das preußische Abgeordnetenhaus, in: Helene Lange, Kampfzeiten. Aufsätze und Reden aus vier Jahrzehnten, Bd. 1, Berlin 1928, S. 1 – 58. Marie-Elisabeth Lüders: Das unbekannte Heer. Frauen kämpfen für Deutschland, Berlin 1936. Alice Salomon: Der soziale Frauenberuf, in: Ada Schmidt-Beil (Hg.), Die Kultur der Frau. Eine Lebenssymphonie der Frau des XX. Jahrhunderts, Berlin 1931, S. 309 – 316. Käthe Schirmacher: Die moderne Frauenbewegung. Ein geschichtlicher Überblick, Leipzig, Berlin 1905. Marie Stritt: Rechtsschutz für Frauen, in: Helene Lange/Gertrud Bäumer (Hg.), Handbuch der Frauenbewegung, Bd. 2, Berlin 1901, S. 123 – 133. Marie Stritt: Rechtskämpfe, in: Helene Lange/Gertrud Bäumer (Hg.), Handbuch der Frauenbewegung, Bd. 2, Berlin 1901, S. 134 – 153. Agnes von Zahn-Harnack: Die Frauenbewegung. Geschichte, Probleme, Ziele, Berlin 1928. Agnes von Zahn-Harnack: Die internationalen Beziehungen der deutschen Frauenbewegung, in: Dies., Die Frauenbewegung. Geschichte, Probleme, Ziele, Berlin 1928, S. 360 – 374. Agnes von Zahn-Harnack: Geschichte des Deutschen Akademikerinnenbundes 1926 – 1933, in: Agnes von Zahn-Harnack, Schriften und Reden
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Quellen- und Literaturverzeichnis 1914 bis 1950, hg. im Auftrag des Deutschen Akademikerinnenbundes von Marga Anders und Ilse Reicke, Tübingen 1964, S. 1 – 8.
Überblicksdarstellungen, Lexika Hans-Jürgen Arndt/Siegfried Scholze (Hg.): Zur Rolle der Frau in der Geschichte des deutschen Volkes (1830 – 1945). Eine Chronik, Frankfurt a.M. 1983. Richard J. Evans: The Feminist Movement in Germany, 1894 – 1933, London, Beverly Hills 1976. Ute Frevert: Frauen-Geschichte zwischen bürgerlicher Verbesserung und Neuer Weiblichkeit, Frankfurt a. M. 1986. Ute Gerhard: Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Reinbek 1990. Barbara Greven-Aschoff: Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894 – 1933, Göttingen 1981. Rosemarie Nave-Herz: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, Bonn 1988. Heinz Niggemann: Emanzipation zwischen Sozialismus und Feminismus. Die sozialdemokratische Frauenbewegung im Kaiserreich, Wuppertal 1981. Margrit Twellmann: Die deutsche Frauenbewegung im Spiegel repräsentativer Frauenzeitschriften. Ihre Anfänge und erste Entwicklung. Quellen 1843 – 1889, 2 Bde., Meisenheim am Glan 1972. Daniela Weiland: Geschichte der Frauenemanzipation in Deutschland und Österreich. Biographien, Programme, Organisationen, Düsseldorf 1983. Ulla Wischermann: Frauenbewegungen und Öffentlichkeiten um 1900. Netzwerke, Gegenöffentlichkeiten, Protestinszenierungen, Königstein/Taunus 2003.
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Einführung: 1815/1848 bis 1933: Das Jahrhundert der Frauen?
1. „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“: Zum Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft
Ann Taylor Allen: Feminist Movements in the United States and Germany. A Comparative Perspective, 1848 – 1933, in: Manfred Berg/Martin H. Geyer (Hg.), Two Cultures of Rights. The Quest for Inclusion and Participation in Modern America and Germany, Cambridge 2002, S. 231 – 247. Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, Reinbek 2000 (franz. Erstausgabe Paris 1949). Gisela Bock: Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2000.
Christiane Eifert u. a. (Hg.): Was sind Frauen? Was sind Männer? Geschlechterkonstruktionen im historischen Wandel, Frankfurt a. M. 1996. Otto Brunner: Das ,ganze Haus und die alteuropäische Ökonomik, in: Ders. (Hg.), Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen 2. Auflage 1968, S. 103 – 127. Claudia Honegger: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib 1750 – 1850, Frankfurt a. M., New York 1991. Karin Hausen: Die Polarisierung der Geschlechtscharaktere. Eine Spiegelung der Dissoziation von Er,
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Quellen- und Literaturverzeichnis werbs- und Familienleben, in: Werner Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1976, S. 363 – 393. Karin Hausen: Die Nicht-Einheit der Geschichte als historiographische Herausforderung. Zur historischen Relevanz und Anstößigkeit der Geschlechtergeschichte, in: Hans Medick/Anne-Charlott Trepp (Hg.), Geschlechtergeschichte und Allgemeine Geschichte: Herausforderungen und Perspektiven, Göttingen 1998, S. 17 – 55. Ernst Holthöfer: Die Geschlechtsvormundschaft. Ein Überblick von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, in: Ute Gerhard (Hg.), Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 390 – 451. Olwen Hufton: Frauenleben. Eine europäische Geschichte 1500 – 1800, Frankfurt a.M. 1998. Martina Kessel: Individuum/Familie/Gesellschaft in der Neuzeit, in: Peter Dinzelbacher (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1993, S. 38 – 53. Bärbel Kuhn: Familienstand ledig. Ehelose Frauen und Männer im Bürgertum (1850 – 1914), Köln, Weimar, Wien 2000. Claudia Opitz: Neue Wege in der Sozialgeschichte? Ein kritischer Blick auf Otto Brunners Konzept des „Ganzen Hauses“, in: Geschichte und Gesellschaft 19 (1994), S. 88 – 98. Joan Scott: Gender: A Useful Category of Historical Analysis, in: American Historical Review 91 (1986), S. 1053 – 1068. Barbara Stollberg-Rilinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung, Stuttgart 2000. Heide Wunder: „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992. Heide Wunder: Geschlechtsidentitäten. Frauen und Männer im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit, in: Karin Hausen, Heide Wunder (Hg.), Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, Frankfurt a. M., New York 1992, S. 131 – 136.
von 1848, in: Werkstatt Geschichte 20 (1998), S. 5 – 30. Karen Hagemann: „Deutsche Heldinnen“. Patriotisch-nationales Frauenhandeln in der Zeit der antinapoleonischen Kriege, in: Ute Planert (Hg.), Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne, Frankfurt a.M., New York 2000, S. 86 – 112. Gabriella Hauch: Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution von 1848, Wien 1990. Sabine Kienitz: Frauen, in: Christof Dipper/Ulrich Speck (Hg.), 1848. Revolution in Deutschland, Frankfurt a.M., Leipzig 1998, S. 272 – 285, 446 – 447. Carola Lipp: Frauen und Öffentlichkeit. Möglichkeiten und Grenzen politischer Partizipation im Vormärz und in der Revolution von 1848/49, in: Dies. (Hg.), Schimpfende Weiber und patriotische Jungfrauen. Frauen im Vormärz und in der Revolution 1848/49, Baden-Baden 1986, S. 270 – 307. Sylvia Paletschek: Frauen und Dissens. Frauen im Deutschkatholizismus und in den freien Gemeinden 1841 – 1852, Göttingen 1990. Ute Planert: Die Nation als „Reich der Freiheit“ für Staatsbürgerinnen: Louise Otto zwischen Vormärz und Reichsgründung, in: Dies. (Hg.), Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne. Frankfurt a.M., New York 2000, S. 113 – 130. Dirk Alexander Reder: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813 – 1830), Köln 1998. Ulrike Weckel: Gleichheit auf dem Prüfstand. Zur zeitgenössischen Rezeption der Streitschriften von Theodor Gottlieb von Hippel und Mary Wollstonecraft in Deutschland, in: Claudia Opitz/Ulrike Weckel/Elke Kleinau (Hg.), Tugend, Vernunft und Gefühl. Geschlechterdiskurse der Aufklärung und weibliche Lebenswelten, Münster u.a. 2000, S. 209 – 247.
2. Frauenemanzipation bis zur Revolution von 1848/49
3. Frauenbewegung als Frauenbildungsbewegung
Ruth Ellen Boetcher Joeres (Hg.): Die Anfänge der deutschen Frauenbewegung: Louise Otto-Peters, Frankfurt a.M. 1981. Ute Gerhard/Elisabeth Hannover-Drück/Romina Schmitter (Hg.): „Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen“. Die Frauen-Zeitung von Louise Otto-Peters, Frankfurt a.M. 1979. Rüdiger Hachtmann: „… nicht die Volksherrschaft auch noch durch Weiberherrschaft trüben“. – Der männliche Blick auf die Frauen in der Revolution
James C. Albisetti: Schooling German Girls and Women. Secondary and Higher Education in the Nineteenth Century, Princeton, New Jersey 1988. Ann Taylor Allen: Feminism and Motherhood in Germany, 1800 – 1914. New Brunswick, New Jersey 1991 (dt. Ann Taylor Allen: Feminismus und Mütterlichkeit in Deutschland 1800 – 1914, Weinheim 2000). Maria W. Blochmann: „Laß dich gelüsten nach der Männer Weisheit und Bildung.“ Frauenbildung als
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Quellen- und Literaturverzeichnis Emanzipationsgelüste 1800 – 1918, Pfaffenweiler 1990. Edith Glaser: Hindernisse – Umwege – Sackgassen. Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland, Pfaffenweiler 1992. Günter Häntzschel (Hg.): Bildung und Kultur bürgerlicher Frauen 1850 – 1918. Eine Quellendokumentation aus Anstandsbüchern und Lebenshilfen für Mädchen und Frauen als Beitrag zur weiblichen literarischen Sozialisation, Tübingen 1986. Juliane Jacobi: „Geistige Mütterlichkeit“. Bildungstheorie oder strategischer Kampfbegriff gegen Männerdominanz im Mädchenschulwesen?, in: Marianne Horstkemper/Luise Wagner-Winterhager (Hg.), Mädchen und Jungen – Männer und Frauen in der Schule (= Die deutsche Schule, 1. Beiheft 1990), S. 208 – 222. Elke Kleinau/Claudia Opitz (Hg.): Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2: Vom Vormärz bis zur Gegenwart, Frankfurt a.M., New York 1996. Marion Klewitz: Lehrerinnen in Berlin. Zur Geschichte eines segregierten Arbeitsmarktes, in: Benno Schmoldt (Hg.), Schule in Berlin. Gestern und Heute, Berlin 1989, S. 141 – 162. Margret Kraul: Höhere Mädchenschulen, in: Christa Berg (Hg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 4: Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, München 1991, S. 279 – 303. Angela Schwalb: Mädchenbildung und Deutschunterricht. Die Lehrpläne und Aufsatzthemen der höheren Mädchenschulen Preußens im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Frankfurt a.M. u.a. 2000. Bernd Zymek: Ursachen und Konsequenzen der Verkoppelung des Mädchenschulwesens mit dem höheren Schulsystem in Preußen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Karl-Ernst Jeismann (Hg.), Bildung, Staat, Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Mobilisierung und Disziplinierung, Wiesbaden 1989, S. 232 – 244.
4. Die Organisationen der Frauenbewegung Ursula Baumann: Protestantismus und Frauenemanzipation in Deutschland 1850 bis 1920, Frankfurt a.M., New York 1992. Gisela Breuer: Frauenbewegung im Katholizismus. Der Katholische Frauenbund 1903 – 1918, Frankfurt a.M., New York 1998. Renate Bridenthal: „Professional“ Housewives: Stepsisters of the Women’s Movement, in: Renate Bri-
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denthal/Atina Grossmann/Marion Kaplan (Hg.), When Biology Became Destiny: Women in Weimar and Nazi Germany, New York 1984, S. 153 – 173. Herrad-Ulrike Bussemer: Frauenemanzipation und Bildungsbürgertum. Sozialgeschichte der Frauenbewegung in der Reichsgründungszeit, Weinheim, Basel 1985. Angelika Epple: Henriette Fürth und die Frauenbewegung im deutschen Kaiserreich. Eine Sozialbiographie, Pfaffenweiler 1996. Barbara Greven-Aschoff: Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894 – 1933, Göttingen 1981. Rita Huber-Sperl (Hg.): Organisiert und engagiert. Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert in Westeuropa und den USA, Königstein/Taunus 2002. Jüdisch-sein, Frau-sein, Bund-sein. Der Jüdische Frauenbund 1904 – 2004. Ariadne Heft 45/46, Juni 2004. Redaktion Gudrun Maierhof, Cornelia Wenzel. Marion A. Kaplan: Die jüdische Frauenbewegung in Deutschland. Organisation und Ziele des Jüdischen Frauenbundes 1904 – 1938, Hamburg 1981. Doris Kaufmann: Frauen zwischen Aufbruch und Reaktion. Protestantische Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, München 1988. Britta Konz: Bertha Pappenheim (1859 – 1936). Ein Leben für jüdische Tradition und weibliche Emanzipation, Frankfurt a.M., New York 2005. Elisabeth Meyer-Renschhausen: Weibliche Kultur und soziale Arbeit: eine Geschichte der Frauenbewegung am Beispiel Bremens 1810 – 1927, Köln, Weimar 1989. Ute Planert: Antifeminismus im Kaiserreich. Diskurs, soziale Formation und politische Mentalität, Göttingen 1998. Dorothea Rohr: Frauenbewegung und religiöse Gebundenheit. Der Katholische Frauenbund, Zweigverein Freiburg, 1909 – 1934, Freiburg im Breisgau 1999. Birgit Sack: Zwischen religiöser Bindung und moderner Gesellschaft. Katholische Frauenbewegung und politische Kultur in der Weimarer Republik (1918/19 – 1933), Münster u.a. 1998. Elke Schüller: Marie Stritt: Eine „kampffrohe Streiterin“ in der Frauenbewegung (1855 – 1928), Königstein 2005. Irene Stoehr: Emanzipation zum Staat? Der Allgemeine Deutsche Frauenverein – Deutscher Staatsbürgerinnenverband (1893 – 1933), Pfaffenweiler 1990.
Quellen- und Literaturverzeichnis 5. Der Kampf um die politische Gleichberechtigung Brigitta Bader-Zaar: Zur Geschichte des Frauenwahlrechts im 19. Jahrhundert. Eine international vergleichende Perspektive, in: Ariadne 40 (2001), S. 6 – 13. Gisela Bock: Frauenwahlrecht – Deutschland um 1900 in vergleichender Perspektive, in: Geschichte und Emanzipation. Festschrift für Reinhard Rürup, hg. v. Michael Grüttner/Rüdiger Hachtmann/ Heinz-Gerhard Haupt, Frankfurt a.M., New York 1999, S. 95 – 136. Bärbel Clemens: Der Kampf um das Frauenstimmrecht in Deutschland, in: Christl Wickert (Hg.), „Heraus mit dem Frauenwahlrecht“. Die Kämpfe der Frauen in Deutschland und England um die politische Gleichberechtigung, Pfaffenweiler 1990, S. 51 – 123. Christiane Eifert: Der zählebige Topos der „feindlichen Schwestern“. Bürgerliche und proletarische Frauenbewegung von der Jahrhundertwende bis zur Revolution von 1918/19, in: Bernd Mütter/ Uwe Uffelmann (Hg.), Emotionen und historisches Lernen. Forschung – Vermittlung – Rezeption, Frankfurt a.M. 1992, S. 311 – 324. Ute Frevert: „Unser Staat ist männlichen Geschlechts“. Zur politischen Topographie der Geschlechter vom 18. bis frühen 20. Jahrhundert, in: Dies., „Mann und Weib, und Weib und Mann“. Geschlechter-Differenzen in der Moderne, München 1995, S. 61 – 132. Beatrix Geisel: Klasse, Geschlecht und Recht. Vergleichende sozialhistorische Untersuchung der Rechtsberatungspraxis von Frauen und Arbeiterbewegung (1894 – 1933), Baden-Baden 1998. Karin Hagemann: Feindliche Schwestern? Bürgerliche und proletarische Frauenbewegung im Kaiserreich, in: Inge Stephan/Hans-Gerd Winter (Hg.), „Heil über dir, Hammonia“. Hamburg im 19. Jahrhundert. Kultur, Geschichte, Politik, Hamburg 1992, S. 345 – 368. Susanne Kinnebrock: Anita Augspurg (1857 – 1943). Feministin und Pazifistin zwischen Journalismus und Politik. Eine kommunikationshistorische Biographie, Herbholzheim 2005. Ute Rosenbusch: Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland, Baden-Baden 1998. Angelika Schaser: Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft, Köln, Weimar 2000. Irene Stoehr: „Organisierte Mütterlichkeit“. Zur Politik der deutschen Frauenbewegung um 1900, in: Karin Hausen (Hg.), Frauen suchen ihre Geschichte. Historische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, München 1983, S. 221 – 249.
6. Der Kampf um bessere berufliche Bedingungen und erweiterte Berufschancen Gisela Bock/Barbara Duden: Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus, in: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen, Juli 1976. Hg. v. der Gruppe Berliner Dozentinnen, Berlin 1977, S. 118 – 199. Gunilla-F. Budde ( Hg.): In Träumen war ich immer wach. Das Leben des Dienstmädchens Sophia von ihr selbst erzählt, Bonn 1989. Ute Frevert: Frauen-Geschichte zwischen bürgerlicher Verbesserung und Neuer Weiblichkeit, Frankfurt a.M. 1986. Harriet Pass Freidenreich: Female, Jewish, Educated: the Lives of Central European University Women, Bloomington 2002. Karin Hausen (Hg.): Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung. Zur Geschichte ungleicher Erwerbschancen von Männern und Frauen, Göttingen 1993. Karin Hausen: Arbeiterinnenschutz, Mutterschutz und gesetzliche Krankenversicherung im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Zur Funktion von Arbeits- und Sozialrecht für die Normierung und Stabilisierung der Geschlechterverhältnisse, in: Ute Gerhard (Hg.), Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 713 – 743. Claudia Huerkamp: Bildungsbürgerinnen. Frauen im Studium und in akademischen Berufen 1900 – 1945, Göttingen 1996. Gudrun Kling: Frauen im öffentlichen Dienst des Großherzogtums Baden. Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg, Stuttgart 2000. Marion Klewitz/Ulrike Schildmann/Theresa Wobbe (Hg.): Frauenberufe – hausarbeitsnah? Zur Erziehungs-, Bildungs- und Versorgungsarbeit von Frauen, Pfaffenweiler 1990. Ursula Nienhaus: Vater Staat und seine Gehilfinnen: die Politik mit der Frauenarbeit bei der deutschen Post (1864 – 1945), Frankfurt a.M., New York 1995. Dietlinde Peters: Mütterlichkeit im Kaiserreich. Die bürgerliche Frauenbewegung und der soziale Beruf der Frau, Bielefeld 1984. Angelika Schaser: Die „undankbaren Studentinnen“. Studierende Frauen in der Weimarer Republik, in: Günther Schulz (Hg.), Frauen auf dem Weg zur Elite, München 2000, S. 97 – 116. Sabine Schmitt: Der Arbeiterinnenschutz im deutschen Kaiserreich. Zur Konstruktion der schutzbedürftigen Arbeiterin, Stuttgart 1995.
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Quellen- und Literaturverzeichnis Iris Schröder: Arbeiten für eine bessere Welt. Frauenbewegung und Sozialreform 1890 – 1914, Frankfurt a.M., New York 2001. Dorothee Wierling: Mädchen für alles. Arbeitsalltag und Lebensgeschichte städtischer Dienstmädchen um die Jahrhundertwende, Berlin, Bonn 1987. Theresa Wobbe: Wahlverwandtschaften: Die Soziologie und die Frauen auf dem Weg zur Wissenschaft, Frankfurt a. M., New York 1997.
7. Frauenbewegung als Sittlichkeitsbewegung Margit Göttert: Macht und Eros. Frauenbeziehungen und weibliche Kultur um 1900 – eine neue Perspektive auf Helene Lange und Gertrud Bäumer, Königstein 2000. Gudrun Hamelmann: Helene Stöcker, der „Bund für Mutterschutz“ und „Die Neue Generation“, Frankfurt a. M. 1992. Bärbel Kuhn: Familienstand: ledig. Ehelose Frauen und Männer im Bürgertum 1850 – 1914, Köln, Weimar, Wien 2000. Bärbel Kuhn/Christiane Kohser-Spohn: Befreite Liebe, in: Richard van Dülmen (Hg.), Entdeckung des Ich, Köln, Weimar, Wien 2001, S. 489 – 516. Ulrich Linse: Sexualreform und Sexualberatung, in: Diethart Krebs/Jürgen Reulecke (Hg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880 – 1933, Wuppertal 1998, S. 211 – 225. Elisabeth Meyer-Renschhausen: Zur Rechtsgeschichte der Prostitution. Die gesellschaftliche Doppelmoral vor Gericht, in: Ute Gerhard (Hg.), Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 772 – 789. Kirsten Reinert: Frauen und Sexualreform 1897 – 1933, Herbolzheim 2000. Petra Schmackpfeffer: Frauenbewegung und Prostitution: über das Verhältnis der alten und neuen deutschen Frauenbewegung zur Prostitution, Oldenburg 1989. Irene Stoehr: Fraueneinfluß oder Geschlechterversöhnung? Zur „Sexualitätsdebatte“ in der deutschen Frauenbewegung um 1900, in: Johanna Meyer-Nordesch/Annette Kuhn (Hg.), Frauenkörper, Medizin, Sexualität. Auf dem Wege zu einer neuen Sexualmoral, Düsseldorf 1986, S. 159 – 190. Christl Wickert: Helene Stöcker 1869 – 1943. Frauenrechtlerin, Sexualreformerin und Pazifistin. Eine Biographie, Bonn 1991.
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8. Nationalisierung der Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg Ida Blom/Karen Hagemann/ Catherine Hall (Hg.): Gendered Nations. Nationalism and Gender Order in the Long Nineteenth Century, Oxford, New York 2000. Roger Chickering: „Casting Their Gaze more Broadly“. Women’s Patriotic Activism in Germany, in: Past and Present 118 (1988), S. 156 – 185. Susanna Dammer: Mütterlichkeit und Frauendienstpflicht. Versuche der Vergesellschaftung „weiblicher Fähigkeiten“ durch eine Dienstverpflichtung (Deutschland 1890 – 1918), Weinheim 1988. Ute Daniel: Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft. Beruf, Familie und Politik im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1989. Frauen & Geschichte Baden-Württemberg (Hg.): Frauen und Nation, Tübingen 1996. Felix von Grüneisen: Das Deutsche Rote Kreuz in Vergangenheit und Gegenwart, Potsdam-Babelsberg 1939. Barbara Guttmann: Weibliche Heimarmee. Frauen in Deutschland 1914 – 1918, Weinheim 1989. Sabine Hering: Die Kriegsgewinnlerinnen. Praxis und Ideologie der deutschen Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg, Pfaffenweiler 1990. Jürgen Kloosterhuis: „Friedliche Imperialisten“. Deutsche Auslandsvereine und auswärtige Kulturpolitik, 1906 – 1918, 2 Bde., Frankfurt a.M. u.a. 1994. Ute Planert (Hg.): Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne, Frankfurt a.M., New York 2000. Uwe Puschner: Bausteine zum Völkischen Frauendiskurs, in: Ute Planert (Hg.), Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne, Frankfurt a.M., New York 2000, S. 165 – 181. Christoph Sachße: Mütterlichkeit als Beruf. Sozialarbeit, Sozialreform und Frauenbewegung, 1871 – 1929, Frankfurt a.M. 1986. Angelika Schaser: Women in a Nation of Men: the Politics of the League of German Women’s Associations (BDF) in Imperial Germany, 1894 – 1914, in: Ida Blom/Karen Hagemann/Catherine Hall (Hg.), Gendered Nations. Nationalism and Gender Order in the Long Nineteenth Century, Oxford, New York 2000, S. 249 – 268. Andrea Süchting-Hänger: Das „Gewissen der Nation“. Nationales Engagement und politisches Handeln konservativer Frauenorganisationen 1900 bis 1937, Düsseldorf 2002. Lora Wildenthal: German Women for Empire, 1884 – 1945, Durham, London 2001.
Quellen- und Literaturverzeichnis 9. Frauenbewegung im Spannungsfeld zwischen Internationalismus und Nationalismus Marilyn J. Boxer/Jean H. Quataert (Hg.): Connecting Spheres. European Women in a Globalizing World, 1500 to the Present, 2. Aufl., Oxford 2000. Ute Gerhard: National oder International? Die internationalen Beziehungen der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung, in: Feministische Studien 12 (1994) , S. 34 – 52. Ute Gerhard/Christina Klausmann/Ulla Wischermann: Neue Staatsbürgerinnen – die deutsche Frauenbewegung in der Weimarer Republik, in: Ute Gerhard (Hg.), Feminismus und Demokratie. Europäische Frauenbewegungen der 1920er Jahre, Königstein/Taunus 2002, S. 176 – 209. Internationales Frauenkomitee für dauernden Frieden (Hg.): Internationaler Frauenkongreß im Haag, Kongreßbericht 1915, Amsterdam 1915. Karen Offen: European Feminism, 1700 – 1950. A Political History, Stanford 2000. Sylvia Paletschek/Bianka Pietrow-Ennker (Hg.): Women’s Emancipation Movements in the 19th Century. A European Perspective, Stanford 2004. Irmgard Remme: Die internationalen Beziehungen der deutschen Frauenbewegung vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis 1933, Berlin 1955 (Diss. masch.). Leila J. Rupp: Worlds of Women. The Making of an International Women’s Movement, Princeton, N. J. 1997. Leila J. Rupp: Zur Organisationsgeschichte der internationalen Frauenbewegung vor dem Weltkrieg, in: Feministische Studien 12 (1994), S. 53 – 65. Anja Schüler: Frauenbewegung und soziale Reform. Jane Addams und Alice Salomon im transatlantischen Dialog, 1889 – 1933, Stuttgart 2004.
10. Differenzierungen und zentrifugale Tendenzen innerhalb der Frauenbewegung 1918 bis 1933 Helen Boak: Women in Weimar Politics, in: European History Quarterly 20 (1990), S. 369 – 399. Gabriele Bremme: Die politische Rolle der Frau in Deutschland. Eine Untersuchung über den Einfluß der Frauen bei Wahlen und ihre Teilnahme in Partei und Parlament, Göttingen 1956. Regine Deutsch: Die politische Tat der Frau. Aus der Nationalversammlung, Gotha 1920. Gilla Dölle: Die (unheimliche) Macht des Geldes. Finanzierungsstrategien der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland zwischen 1865 und 1933, Frankfurt a.M. 1997. Angelika Epple: Henriette Fürth und die Frauenbewe-
gung im deutschen Kaiserreich. Eine Sozialbiographie, Pfaffenweiler 1996. Klaus Hönig: Der Bund Deutscher Frauenvereine in der Weimarer Republik 1919 – 1933, Egelsbach, Frankfurt a.M., Washington 1995. Heide-Marie Lauterer: Parlamentarierinnen in Deutschland 1918/19 – 1949, Königstein 2002. Raffael Scheck: Mothers of the nation: Right-wing women in Weimar Germany, Oxford 2004. Raffael Scheck: Women Against Versailles: Maternalism and Nationalism of Female Bourgeois Politicians in the Early Weimar Republic, in: German Studies Review 22 (1999), S. 21 – 42. Julia Sneeringer: Winning women’s votes: Propaganda and politics in Weimar Germany, Chapel Hill u.a. 2002.
11. Frauenbewegung und Nationalsozialismus Heinz, Boberach: Bäumer, Gertrud, in: Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, hg. v. Wolfgang Benz/Hermann Graml, München 1988, S. 18 – 19. Richard J. Evans: The Feminist Movement in Germany, 1894 – 1933, London, Beverly Hills 1976. Barbara Greven-Aschoff: Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894 – 1933, Göttingen 1981. Kirsten Heinsohn/Barbara Vogel/Ulrike Weckel (Hg.): Zwischen Karriere und Verfolgung. Handlungsspielräume von Frauen im nationalsozialistischen Deutschland, Frankfurt a.M., New York 1997. Marion Kaplan: Sisterhood under Siege: Feminism and Anti-Semitism in Germany, 1904 – 1938, in: Renate Bridenthal/Atina Grossmann/Marion Kaplan (Hg.), When Biology Became Destiny. Women in Weimar and Nazi Germany, New York 1984, S. 174 – 196. Doris Kaufmann: Frauen zwischen Aufbruch und Reaktion. Protestantische Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, München 1988. Claudia Koonz: Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich, Freiburg 1991. Ursula Nienhaus: Vater Staat und seine Gehilfinnen: die Politik mit der Frauenarbeit bei der deutschen Post (1864 – 1945), Frankfurt a.M., New York 1995. Dorothea Rohr: Frauenbewegung und religiöse Gebundenheit. Der Katholische Frauenbund, Zweigverein Freiburg, 1909 – 1934, Freiburg 1999. Birgit Sack: Zwischen religiöser Bindung und moderner Gesellschaft: Katholische Frauenbewegung
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Quellen- und Literaturverzeichnis und politische Kultur in der Weimarer Republik 1918/19 – 1933, Münster 1998. Erika Said: Zur Situation der Lehrerinnen in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Frauengruppe Faschismusforschung (Hg.), Mutterkreuz und Arbeitsbuch. Zur Geschichte der Frauen in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1981, S. 105 – 130. Thomas Sandkühler/Hans-Günter Schmidt: „Geistige Mütterlichkeit“ als nationaler Mythos im Deutschen Kaiserreich, in: Nationale Mythen und Symbole in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Strukturen und Funktionen von Konzepten nationaler Identität (= Sprache und Geschichte, Bd. 16),
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hg. v. Jürgen Link/Wulf Wülfing, Stuttgart 1991, S. 237 – 255. Angelika Schaser: Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft, Köln, Wien 2000. Gabriele Starke: Das frauenpolitische Wirken Gertrud Bäumers 1910 bis 1933, Leipzig 1993 (Diss. masch.). Jill Stephenson: Women in Nazi Germany, Harlow 2001. Rita Thalmann: Frausein im Dritten Reich, München, Wien 1984. Renate Wiggershaus: Frauen unter dem Nationalsozialismus, Wuppertal 1984.
Personenregister Aberdeen, Ishbel Maria 90, 92 Addams, Jane 85, 90 Adelmann, Helene 31 Althoff, Friedrich Theodor 33 Altmann-Gottheimer, Elisabeth 55, 100, 108, 125 Anneke, Fritz 125 Anneke, Mathilde Franziska 17, 19, 20, 125 Apolant, Hugo 126 Apolant, Jenny 63, 126 Aston, Louise 17, 19 Augspurg, Anita 4, 51, 53, 56, 74, 85, 89, 91, 121, 126, 129, 133 Augusta, Gattin Wilhelm I. 40 Augusta Viktoria, Gattin Wilhelm II. 43
Cauer, Eduard 129 Cauer, Minna 30, 47, 64, 74, 126, 129 f. Chapman Catt, Carrie 89, 91 Corte, Erna 101, 109, 130 Crain, Lucie 28
Baum, Marie 65, 100 f., 108 f., 122, 127 f., 132 Bäumer, Else 127 Bäumer, Gertrud 4, 27, 33, 35, 39, 43 – 45, 49, 59, 63, 65, 75 f., 78, 80, 82 – 85, 92, 94 f., 98, 100 – 103, 106 – 116, 120 – 122, 126 f., 130 f., 133, 135, 141 Bebel, August 39, 73 Beckmann, Emmy 98, 101, 109, 128 Bensheimer, Alice 100, 108 f., 128 Bensheimer, Julius 128 Beschwitz, Olga Freiin von 108 Bethmann Hollweg, Theobald von 44 Bieber-Böhm, Hanna 71 f., 74 f., 107 f., 128 f. Bluhm, Agnes 129 Blum, Robert 19 Braun, Heinrich 129 Braun, Otto 129 Braun, Lily 2, 39, 61, 129, 131 Breuer, Josef 137 Burchard, Agnes 128 Butler, Elizabeth Josephine 71 f., 138
Fischart, Johann 10 Fischer-Lette, Marie 128 Förster, Auguste 107, 128 Forster, Helene von 107 f., 134 Freud, Sigmund 73, 137 Freudenberg, Ika 107 f., 131, 134 Frick, Wilhelm 120 Friedrich III., preuß. König, dt. Kaiser 30 Fröbel, Friedrich 17, 22, 24, 28 Fröbel, Karl 22 Fürth, Henriette 4, 105, 131 f., 137 Fürth, Wilhelm 131
Calm, Marie 31, 139
Dittmar, Luise 17, 19 Dohm, Ernst 130 Dohm, Hedwig 50, 129 f. Dönhoff, Martha 119, 130 Dransfeld, Hedwig 43, 131 Edinger, Anna 108 Eisner, Kurt 56 Ender, Emma 95, 98, 100 f., 108 f., 113, 131, 141 Ender, Max 131
Gierke, Anna von 101, 109, 132 Gierke, Lilli von (geb. Loening) 132 Gierke, Otto Friedrich von 132 Gizycki, Georg von 129 Gnauck, Rudolf 132 Gnauck-Kühne, Elisabeth 55, 81, 132 Goethe, Johann Wolfgang von 114 Goldschmidt, Henriette 28, 130, 137, 139 Gottschewski, Lydia 117 – 119, 121
Goudstikker, Sophia 53, 126, 131 Gouges, Olympe de 7, 15 f., 132 f. Guillaume-Schack, Gertrud 71 f. Haeckel, Ernst 73 Hahn-Hahn, Ida 17 Hamer-von Sanden, Gertrud 127 Hamminck-Schepel, Annette 128 Harnack, Adolf von 142 Hartmann, Helene 120 Hecker, Friedrich 21 Herwarth, Käthe 101, 109 Herwegh, Emma 20 Heyl, Georg 133 Heyl, Hedwig 43, 82, 132 f., 140 Heymann, Lida Gustava 51, 53, 56, 72, 74, 85, 89, 91, 121, 126, 133, 138 Hippel, Theodor von 16 Hirsch, Jenny 50 Hitler, Adolf 117 Hoffmann, Ottilie 107 Huch, Ricarda 128 Jacobs, Aletta 91 Jecker, Marie 101, 109 Juchacz, Marie 57, 140 Kaselowsky, Elisabeth 107, 128 Kettler, Hedwig 32 f., 133 Keyserlingk, Margarete Gräfin 100 f., 108 f., 134 Kiesselbach, Luise 100 f., 108 f., 134 Kiesselbach, Wilhelm 134 Kolshorn, Else 100 f., 108 f., 119 f., 134 Kurgaß, Paula 101, 108 Lange, Helene 4, 20, 23, 25, 28 – 35, 42 f., 47, 51 – 53, 56, 59, 74, 79, 82 f., 90 f., 98 f., 103, 107 f., 110 f., 127 – 129, 134 f., 139, 141 Lehmus, Emilie 140 Levy-Rathenau, Josephine 63 Lewald, Fanny 13 f., 25, 50, 135
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Personenregister Loeper-Houselle, Marie 31, 135, 139 Ludwig XVI. 15, 133 Lüders, Marie-Elisabeth 67, 84, 101, 108, 119, 122, 135 f., 141 f. Lutze, Ernestine 76 Luxemburg, Rosa 39, 136 Maass, Hermann 130 Magnus-von Hausen, Frances 101, 109 Mayer-Kulenkampff, Lina 101, 108 Meyer, Julius 64, 129 Mill, John Stuart 50 Morgenstern, Lina 141 Mueller(-Otfried), Paula 43, 74, 108, 120, 136 Napoleon 79 Naue, Betty 107 Naumann, Friedrich 55, 127 Nietzsche, Friedrich 73 Otto-Peters, Louise 17 – 21, 41, 137, 139 Pappenheim, Bertha 4, 43, 122, 127, 132, 137 f. Pappritz, Anna 72, 75, 108, 122, 138 Pestalozzi, Johann Heinrich 24
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Peters, Otto 137 Pfülf, Antonie 76 Poehlmann, Margarete 108 Rickert, Heinrich 30 Salomon, Alice 4, 62, 64 f., 84 f., 90, 93 – 95, 100, 107 f., 122, 132, 138 f. Schack von Wittenau, Alexander 71 Scheven, Katharina 72 Schirmacher, Käthe 1, 129, 138 Schleker, Klara 139 Schmidt, Auguste 31, 41 f., 107, 135, 137, 139, 142 Scholtz-Klink, Gertrud 121 Schrader-Breymann, Henriette 28, 133, 140 Schreiber-Krieger Adele 90 Schwerin, Jeanette 47, 62 f., 107, 129, 138 f. Simson, Anna 107 f. Sombart, Werner 73 Springer, Bruno 140 Springer, Robert 18 Stahr, Adolf 135 Stern, Selma 93 Steyber, Ottilie von 137, 139 Stöcker, Helene 73, 121, 139 Stresemann, Gustav 95 f., 111 Stritt, Marie 4, 43, 51, 53, 74 f., 78, 91, 107 f., 139 f.
Struve, Amalie 20 Suttner, Bertha von 129 Tiburtius, Franziska 30, 140 f. Tiling, Magdalene von 120 Ulich-Beil, Else 101, 109, 119 Velsen, Dorothee von 84, 100 f., 108, 116 f., 119, 122, 141 Viktoria, preuß. Kronprinzessin 30 Voß-Zietz, Martha 108 Weber, Marianne 74, 94, 100 f., 108, 131, 141 Weber, Max 73, 141 Wedekind, Frank 73 Wilbrandt, Robert 59 Wilhelm I., dt. Kaiser 79 Wilhelm II., dt. Kaiser 43, 82 Wilson, Thomas Woodrow 93 Wolff, Emmy 122 Zahn, Karl von 142 Zahn-Harnack, Agnes von 47 f., 67, 84, 95, 100 f., 109, 117, 122, 142 Zetkin, Clara 2, 21, 24, 39, 42, 57, 89, 129, 142 Zetkin, Ossip 142