Frauen in Qumran 316155647X, 9783161556470

Nicole Rupschus berührt in ihrer Studie klassische und aktuelle Themen der Qumranforschung, die sich in der Frage nach d

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German Pages 347 Year 2017

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss
III. Die Damaskus-Texte
IV. Frauen in der Gemeinschaftsregel
V. Die Gemeinderegel und weitere Regeltexte
VI. Die Essener
VII. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Stellenregister
Sach-, Personenund Ortsregister
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Frauen in Qumran
 316155647X, 9783161556470

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) · Tobias Nicklas (Regensburg) J. Ross Wagner (Durham, NC)

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Nicole Rupschus

Frauen in Qumran

Mohr Siebeck

Nicole Rupschus, geboren 1984; 2005–2012 Studium der Ev. Theologie an der Universität Greifswald; 2009–2012 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl Altes Testament; 2013– 2017 Promotionsstudium an den Universitäten in Greifswald und Zürich; 2014–2017 Projektmitarbeiterin im Rahmen eines SNF-Forschungsprojektes bei Prof. Dr. Jörg Frey an der Universität Zürich; 2017 Promotion.

ISBN 978-3-16-155647-0 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

für Andreas

Vorwort „Frauen in Qumran“ begleiten mich seit einigen Jahren. Herr Prof. Dr. Stefan Beyerle hat angeregt, dieses Thema zum Dissertationsprojekt zu machen. Dass auch Herr Prof. Dr. Jörg Frey mich als Promovendin betreut hat und ich im Rahmen einer Doppelpromotion (Cotutelle de thèse) an den Universitäten in Greifswald und Zürich arbeiten durfte, war ein Glücksfall für mich. Beiden kann ich nicht genug danken für ihr schnelles und umfassendes Feedback in allen Phasen der Dissertation, für ihre Motivation, Korrekturen, inhaltliche Schärfungen, Literaturhinweise und stets konstruktive Kritik. Ich denke, dass man in einer Promotion nicht besser begleitet werden kann. Nach der erfolgreichen Verteidigung meiner Dissertation im Juni 2017 in der schönen Hansestadt Greifswald liegt nun die überarbeitete und aktualisierte Promotionsarbeit vor. Mein großer Dank gilt den Herausgebern der Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe II. Das ist eine große Ehre für mich. Ebenso danke ich dem Verlag Mohr Siebeck, namentlich dem Geschäftsführer Herrn Dr. Henning Ziebritzki und Herrn Klaus Hermannstädter (Lektoratsassistenz). Wichtige Hilfe für die Druckfassung erhielt ich von Frau Jana Trispel (Herstellungsleitung) und Frau Clara Vogel (Praktikantin). Ausdrücklich danken möchte ich für den Erhalt des Landesgraduiertenstipendiums Mecklenburg-Vorpommern (Bogislawstipendium), das mir in der Anfangsphase meines Dissertationsprojektes sehr geholfen hat. Die Förderung meines Promotionsthemas als Forschungsprojekt durch den Schweizerischen Nationalfonds hat mir drei Jahre lang Forschungsmöglichkeiten an der Universität Zürich am Lehrstuhl bei Prof. Dr. Jörg Frey eröffnet. Auch für diese Unterstützung bin ich sehr dankbar. Im nicht minder schönen Zürich haben sich für mich viele Möglichkeiten ergeben, über mein Thema in einen regen und für mich fruchtbaren Austausch zu treten. Hier ist einmal das Neutestamentliche Kolloquium der Schweizerischen Theologischen Fakultäten zu nennen und ebenso das Neutestamentliche Forschungsseminar. Allen Teilnehmenden bin ich in Dankbarkeit verbunden, da sie den Teilergebnissen meiner Arbeit mit regem Interesse, Neugier und konstruktiven Kommentaren begegnet sind. Namentlich nennen möchte ich Herrn Prof. Dr. Samuel Vollenweider, der mir wichtige Hinweise für die Schärfung meiner Thesen gegeben hat.

VIII

Vorwort

Außerdem möchte ich mich bei Herrn Michael R. Jost bedanken. Seine herausfordernden Fragen und klaren Analysen in unseren Gesprächen über unsere Dissertationsarbeiten im Speziellen und die Qumranforschung im Allgemeinen haben mir viele wertvolle Impulse für meine Arbeit beschert. Bei der 8. und 9. Schwerter Qumrantagung hatte ich ebenfalls die Möglichkeit, Teile meiner Dissertation vorzustellen und von den Kommentaren und Vorträgen der Teilnehmenden zu profitieren. Auch dass ich einem Seminar in Greifswald meine Thesen mit Studierenden diskutieren konnte, war ein großer Gewinn für mich. An dieser Stelle danke ich besonders Herrn Dr. Andreas Ruwe, nicht nur für präzise Beobachtungen und anregende Diskussionen, sondern auch für seine stets hilfsbereite und freundliche Begleitung während meiner Greifswalder Studienzeit. Aus dieser Zeit möchte ich noch zwei Freundinnen danken, die mich mit unerschütterlichem Glauben an meine Fähigkeiten bis zur Promotion begleitet und mit mir meine ersten Gedanken zum Qumraner Friedhof und den Essenern geteilt haben: Ellen Nemitz und Dorothea Burkhardt. Mit einem scharfen systematischen Blick hat Frau dipl. theol. Johanna Breidenbach die Erstkorrektur meiner Dissertation übernommen und wichtige Verständnisfragen formuliert. Für ihre konstruktive Kritik danke ich ihr sehr herzlich. Zürcher Gespräche mit ihr, aber auch mit Frau Dr. Friederike Rass, mit der ich das Vergnügen hatte, mir ein Büro zu teilen, haben mir sehr geholfen, meine Arbeit aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Meine Eltern, die sich als Verfechter der Bibliotheken- und Asketinnenthese herausgestellt haben, haben stets Anteil an meinem Studium genommen. Dafür danke ich Ihnen. Zuletzt danke ich von Herzen meinem Mann Andreas, der eine wahre Konstante in meinem Leben ist, für seine allumfassende Unterstützung. Er war schon an meiner Seite, als ich mich für das Theologiestudium entschieden habe, und gemeinsam haben wir studiert und mit der Promotion unsere Studienfächer abgeschlossen. In den Jahren meiner Promotion ist er es nie Leid geworden, mit mir über „Frauen in Qumran“ zu reden, meine Überlegungen nachzuvollziehen, aber auch zu hinterfragen, Auszüge zu lesen und mit mir über Unklarheiten zu diskutieren. Ihm sei diese Arbeit gewidmet. Mögliche Fehler sind nicht auf die hier genannten Personen, sondern allein auf mich zurückzuführen. Berlin, den 5. September 2017

Nicole Rupschus

Inhaltsverzeichnis Vorwort ......................................................................................................... VII

I. Einleitung ................................................................................................... 1 1. Intention und Aufbau der Untersuchung ....................................................... 1 2. Zum Vorgehen in dieser Arbeit – Problembeschreibung .............................. 3 2.1 Zur Definition von gruppenspezifischen Texten ..................................... 3 2.2 Die Aussagekräftigkeit quantitativer Vergleiche ..................................... 5 2.3 Zur Forschung nach Frauen in Qumran ................................................... 9

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss ........................ 13 1. Von der Siedlung zu den Höhlen ................................................................ 14 1.1 Die Geschichte der Siedlung .................................................................. 14 1.1.1 Lokalisierung und Datierung ........................................................ 14 1.1.2 Grundlinien einer historischen Einbettung ................................... 17 1.2 Qumran in seinem Kontext .................................................................... 20 1.3 Thesen zur Anlage ................................................................................. 25 1.3.1 Das „Skriptorium“ ....................................................................... 26 1.3.2 Der Festungscharakter Qumrans ................................................... 28 1.3.3 Eine Töpferei ................................................................................ 29 1.3.4 Opferhandlungen? ......................................................................... 29 1.3.5 Kombinationen von Thesen .......................................................... 32 1.3.6 Ergebnis ........................................................................................ 34 1.4 Die Höhlen von Qumran ........................................................................ 35 2. Der Friedhof von Qumran ........................................................................... 37 2.1 Einführung ............................................................................................. 37 2.2 Die Grabungen auf dem Friedhof .......................................................... 39 2.2.1 Problembeschreibung ................................................................... 42 2.2.2 Anthropologische Ergebnisse und de Vauxs Schlussfolgerungen 43 2.2.3 Auswertung der French Collection ............................................... 48 2.2.4 Auswertung der Collectio Kurth / German Collection ................. 52

X

Inhaltsverzeichnis

2.2.5 Steckolls Befund ........................................................................... 57 2.2.6 Die Merrill-Expedition ................................................................. 60 2.2.7 Ausgrabungen unter Magen und Peleg ......................................... 62 2.2.8 Zwischenergebnis ..........................................................................63 2.3 Bestattete und Bestattungsformen in Qumran und Umgebung .............. 63 2.4 Frauenspezifische Funde ....................................................................... 68 2.5 Zias’ Beduinen-Hypothese .................................................................... 72 2.6 Überlegungen zur Einwohnerzahl ......................................................... 78 3. Zusammenschau .......................................................................................... 81 4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung? ............ 84 4.1 Die Höhlen von Qumran als Schnittstelle von Archäologie und Textwissenschaft .................................................................................... 85 4.2 Weitere missing links ............................................................................. 89 4.3 Die Jerusalemer These ........................................................................... 93 4.4 Überleitung ............................................................................................ 94

III. Die Damaskus-Texte ......................................................................... 97 1. Textgenese in der Antike und im Mittelalter ............................................... 97 2. Frauen in den D-Texten ............................................................................. 100 2.1 Die Ermahnung: CD I–VIII und XIXf. ................................................ 101 2.1.1 Identifizierung durch die Geschichtsrückblicke ......................... 101 2.1.2 Reinheit und Heiligung ............................................................... 103 2.1.3 Zwischenergebnis ....................................................................... 110 2.1.4 Organisation der Gemeinschaft: Leben in Lagern ...................... 111 2.2 Die Gesetze: CD XVf. und IX–XIV par. ............................................. 120 2.2.1 Die Bedeutung des Schwurs in der Gemeinschaft ...................... 121 2.2.2 Der Schwur im Alltag ................................................................. 133 2.2.3 Verunreinigung durch die Frau ................................................... 134 2.2.4 Die Rolle des Aufsehers: Frauen in der gemeinschaftlichen Hierarchie ................................................................................... 139 2.2.4.1 Scheidung ....................................................................... 139 2.2.4.2 Ehevoraussetzungen ....................................................... 143 2.2.5 Sota ............................................................................................. 146 2.2.6 Ausschluss aus der Gemeinschaft ............................................... 151 3. Zusammenfassung ..................................................................................... 155

IV. Frauen in der Gemeinschaftsregel ............................................... 159 1. Einführung ................................................................................................ 159

Inhaltsverzeichnis

XI

2. Die Zusammensetzung der Gemeinschaft ................................................. 160 2.1 Frauen in der Versammlung ................................................................ 160 2.2 Die Frau als Zeugin ............................................................................. 162 2.2.1 Exkurs: Die Fragmente 4QSerekh ha-‘Edaha–i (4Q249a–i) .......... 168 2.2.2 Zwischenergebnis ....................................................................... 170 2.3 Frauen im yaḥad? ................................................................................ 171 3. Zusammenfassung ..................................................................................... 175

V. Die Gemeinderegel und weitere Regeltexte .............................. 177 1. Die S- und D-Literatur .............................................................................. 177 1.1 Die S-Texte .......................................................................................... 177 1.2 Der Aufbau der Gemeinderegel im Vergleich mit den D-Texten ........ 180 1.3 Überlegungen zum Textwachstum ...................................................... 183 1.4 Von D zu S? – Überlegungen zum yaḥad ............................................ 184 1.5 Von S zu D: Ein spezieller Vergleich .................................................. 189 1.5.1 Eine Möglichkeit, Frauen in S zu integrieren ............................. 190 1.5.2 Der Penal Code ........................................................................... 191 1.5.3 Gegenseitiges rewriting .............................................................. 196 1.6 Zwischenergebnis ................................................................................ 199 2. Vergleiche mit anderen Regeltexten ......................................................... 200 2.1 Unreinheit ............................................................................................ 200 2.2 Kriterien für den Ausschluss ............................................................... 203 2.2.1 Die Kriegsregel ........................................................................... 204 2.2.2 Ein Vergleich der Ausschlusskriterien ........................................ 206 3. Zusammenfassung ..................................................................................... 209

VI. Die Essener ........................................................................................ 213 1. Einleitung .................................................................................................. 213 2. Qumran und die antike Literatur ............................................................... 215 2.1 Die Essener als vorbildliche jüdische Partei ........................................ 216 2.1.1 Philo von Alexandrien ................................................................ 216 2.1.2 Flavius Josephus ......................................................................... 223 2.2 Plinius der Ältere und Dio Chrysostomus ........................................... 229 2.2.1 Die Notiz des Plinius .................................................................. 229 2.2.2 Die Lokalisierung der Essener am Toten Meer .......................... 231 3. Die Essener und Qumran: Ein Quellenvergleich ....................................... 233 3.1 Zum Quellenwert ................................................................................. 233 3.2 Die Essener und die gruppenspezifischen Qumrantexte ...................... 243

XII

Inhaltsverzeichnis

3.2.1 Ein allgemeiner Vergleich .......................................................... 245 3.2.2 Frauen in den Essener- und den gruppenspezifischen Texten .... 248 3.2.3 Exkurs: Ein Beitrag aus dem liturgischen und weisheitlichen Bereich ........................................................................................ 254 3.3 Die Essener und die Archäologie Qumrans ......................................... 257 4. Zusammenfassung ..................................................................................... 260

VII. Schlussbetrachtung ......................................................................... 263 1. Frauen in Qumran: Areal und Friedhof ..................................................... 263 2. Die Verbindung mit den Texten ................................................................ 265 3. Frauen in den gruppenspezifischen Texten ............................................... 265 3.1 Zur Gruppenstruktur: Frauen und der yaḥad ....................................... 266 3.1.1 Die Gemeinschaft in D, S und Sa ............................................... 267 3.1.2 Das Verhältnis der Frau zum yaḥad ........................................... 268 3.1.3 Das Verhältnis zum Tempel ....................................................... 271 3.2 Aufschlüsse im Vergleich zu anderen Regeltexten .............................. 273 4. Die Essener ............................................................................................... 273 4.1 Folgerungen für Areal und Texte ......................................................... 275 4.2 Historische Folgerungen ...................................................................... 277 5. Ertrag ......................................................................................................... 279

Literaturverzeichnis ....................................................................................... 281 Stellenregister ................................................................................................ 305 Sach-, Personen- und Ortsregister ................................................................. 325

I. Einleitung 1. Intention und Aufbau der Untersuchung Eine Monographie mit dem Namen „Frauen in Qumran“, die grob die letzten zwei Jahrhunderte der Zeit des Zweiten Tempels umfasst, erscheint ambitioniert. Und sie ist es, insofern sie Thesen wie jene, frauenlose Bewohner in Qumran zu vermuten, hinterfragt. Damit folgt vorliegende Arbeit einer sich in den letzten Jahren immer stärker abzeichnenden Forschungstendenz und fügt verschiedene Ansätze zu einem Gesamtbild zusammen. Es geht um die Frage, wo und wie in den Qumrantexten, insbesondere den gruppenspezifischen Texten, Frauen zum Thema werden, in welcher Funktion und Rolle, und was sich daraus für die dahinter stehende(n) Gruppe(n) folgern lässt. Dennoch ist „Frauen in Qumran“ kein Thema, das ausschließlich dem aktuellen Trend von Genderstudies folgt, die historisch und sozialgeschichtlich nach der gesellschaftlichen und religiösen Stellung von Frauen in allen Epochen, auch im antiken Judentum und im Umfeld der Anfänge des Christentums, fragen. Zuvorderst umfasst „Frauen in Qumran“ die drei Schwerpunkte innerhalb der Qumranforschung: die materialen Hinterlassenschaften Chirbet Qumrans, die Textfunde in den elf Höhlen und die „außerqumranischen“ Quellen (Philo, Josephus, Plinius), die u.a. zur Essener-These geführt haben. Die strikte Unterteilung nach diesen drei Punkten, die gleichzeitig den Aufbau dieser Arbeit bilden, ergibt sich aus der Forschungsgeschichte: Die Auswertung der Textfunde stand von Anfang an unter dem Einfluss der antiken Essenerberichte. Waren die Texte aus Höhle 1 noch relativ schnell ediert, so dauerte es doch Jahrzehnte, bis nahezu der ganze Bestand in Buchform vorlag.1 Die bis dahin eher vereinheitlichende Lektüre der zugänglichen Texte hat ihr Übriges getan, um das von der Gemeinderegel her erstellte Bild einer Gemeinschaft unverheirateter („zölibatärer“) Männer zu entwerfen.2 Trotz 1 Zur Editionsgeschichte s. VanderKam, Qumranforschung, 211–227. Neuer: Stökl Ben Ezra, Qumran, 15–25. 2 Zu dieser Problematik s. etwa Hübner, Zölibat, der bereits 1970 schreibt: „Man stelle sich einmal vor, wir hätten alle diese Schriften [gemeint sind D, M, H, Sa; N.R.], nicht aber I QS gefunden! Wie wäre man dann mit den Angaben von Josephus, Philo und Plinius zu Rande gekommen? Oder umgekehrt gefragt: Hätte man die antiken Angaben über die Ehelosigkeit der Essener nicht, wäre man dann überhaupt auf den Gedanken gekommen,

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I. Einleitung

verstärkter Publikationen zu Frauen und Qumran seit den 1990ern (s.u.) ist die Essener-These immer noch zentral. Doch kann man sich ihr nur annähern, wenn man sich zunächst von ihr löst und jenseits jeder Thesenbildung nach Frauen in Qumran fragt. Der Titel „Frauen in Qumran“ verweist zuerst auf die Aufgabe, Frauen physisch in Qumran nachzuweisen. Dies kann zunächst über den an Qumran angrenzenden Friedhof geschehen. Wiederum mit den Essenern verknüpft gibt es auch in der Qumranarchäologie kontroverse Diskussionen zur geschlechtlichen und auch zeitlichen Bestimmung der Skelettreste. Frauenbegräbnisse in Qumran waren und sind keineswegs als selbstverständlich vorausgesetzt, daher ist jede Auswertung dazugehöriger Publikationen eine äußerst heikle Angelegenheit. Um zu einem voraussetzungsfreien Ergebnis zu gelangen, ist man ganz auf archäologische Befunde angewiesen. Sie geben Aufschluss über den Friedhof und die Ruinen des Areals. Daher ist zunächst mit Hilfe der Archäologie zu entscheiden, ob in der Siedlung Qumrans Frauen gelebt haben können (Kap. II). Nun sind zwar die in den elf Höhlen gefundenen Texte auch archäologische Objekte, dennoch fallen die Schriftrollen und Fragmente ebenso in die Sparte der Textwissenschaft. „Frauen in Qumran“ steht demnach auch für das Vorhaben, Frauen in den Texten näher zu bestimmen. Da dies völlig unabhängig vom Fundort der Texte geschehen soll, ist es im strengen Sinne inkorrekt, hier von „Frauen in Qumran“ zu sprechen. Die Texte sind zwar in Qumran und Umgebung gefunden worden, aber selbst wenn sie längere Zeit in der Anlage gesammelt und eventuell auch im Raum des Toten Meeres kopiert wurden, weiß man nicht automatisch mehr über ihren Sitz im Leben oder historischen Ort.3 Daher ist die eigentliche Frage: Wie werden Frauen in den Qumrantexten dargestellt und was zeichnet ihren Status im Vergleich zu anderen Texten, etwa im später kanonisierten Tanach, aus? Hier sind die gruppenspezifischen Texte essentiell, weil nur sie eine eigenständige Gruppierung oder eigenständige Gruppierungen widerspiegeln. Eine zusätzliche Frage lautet zudem, wie sich die Gemeinschaft hinter den Texten selbst definiert und ihre eigene Identität beschreibt.4 Ihre Identifizierungsstrategie ist gleichermaßen auf Frauen anzuwenden. Hier ist der yaḥad einer genauen Untersuchung zu unterziehen und das Verhältnis der Frau zu ihm zu bestimmen. Zudem gilt es, sich auch in der Textarbeit ganz von der Literatur über die Essener zu emanzipieren (Kap. III–V).

daß in I QS Zölibatäre angesprochen sind?“ (154) Vgl. pointiert auch A. Baumgarten, Who cares? S. weiter Kap. VI.1. 3 S. dazu Schuller, Women 2011, 580f. 4 Für diese Selbstidentifizierung ist die Tora des Mose (vgl. etwa CD XV,9b.12a; 1QS V,8b) zentral, vgl. Newsom, The Self, 91. S. dazu auch Beyerle, Kriterien, bes. 115–121.

2. Zum Vorgehen in dieser Arbeit – Problembeschreibung

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Da die Essener-These einflussreich war und ist, sind schon aus diesem Grund „Frauen in Qumran“ mit den antiken literarischen Zeugnissen abzugleichen. Im Gegensatz zu den Ansätzen der älteren Forschung ist dabei jedoch zu trennen zwischen den sogenannten zölibatären Essenern und den Essenern als Vertreter einer jüdischen Gemeinschaft zu der Zeit des Zweiten Tempels. Die Zuschreibung der Essener zu Areal und Texten hängt von den Sekundärquellen ab, weswegen diese eigens zu gewichten und ihr Verhältnis zum archäologischen und textlichen Befund im Bezug auf die Frauenfrage zu bestimmen sind (Kap. VI).

2. Zum Vorgehen in dieser Arbeit – Problembeschreibung Wie man im Falle der Archäologie auf die Ausgrabungsbefunde mitsamt den verschiedenen Deutungen des Areals und des Friedhofes angewiesen ist, so gilt es für die Qumrantexte, jeden einzelnen für sich zu lesen und mit entsprechenden Hilfsmitteln auszuwerten, bevor man weitere zum Vergleich heranzieht. Eine Kategorisierung der Texte ist dafür unumgänglich, um Frauenthemen gewichten und mit anderen in Beziehung setzen zu können. 2.1 Zur Definition von gruppenspezifischen Texten Eine hilfreiche Grundunterscheidung unterteilt die Qumrantexte in sogenannte biblische und parabiblische sowie gruppenspezifische Texte. Letztere, in der englischsprachigen Forschung „sectarian“ genannt, sind am aussagekräftigsten, da sie eine bestimmte Form der Gesellschaft widerspiegeln, die anscheinend im 2. Jh. vor bis ins 1. Jh. n.Chr. eine gesonderte Position innerhalb des Judentums eingenommen hat. Nach Devorah Dimant sind jene Texte als gruppenspezifisch zu bezeichnen, die über eine „Community Terminology“ (CT) verfügen, was sich in der beschriebenen Organisation der Gemeinschaft, ihrer Geschichte im Spiegel aktueller Ereignisse sowie ihrer Lehre und eigenem Umgang mit biblischen Texten zeigt.5 Von „biblischen“ Texten zu sprechen gibt natürlich eine anachronistische Terminologie wieder, da die Quellen erst später kanonisiert wurden und im 1. Jh. v.Chr. noch in verschiedenen Versionen vorlagen, wie

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Dimant, Qumran Manuscripts, 26–29 (s. auch dies., Sectarian and Non-Sectarian Texts). Zum Begriff „sectarian“ s. etwa Grossman, Welt von Qumran, 211–213. Zur Unterteilung in parabiblisch, exegetisch, gesetzlich, kalendarisch, poetisch und liturgisch, weisheitlich, historisch und erzählerisch sowie apokalyptisch und eschatologisch s. schon Lange mit Mittmann-Richert, Annotated List, 117–149. S. weiter VanderKam, DSS Today, 47–95, u. die Ausführungen von Ilan, Women in Qumran and the DSS.

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I. Einleitung

gerade die Qumranfunde zeigen.6 Eine ganz eigene Rezeption dieser „biblischen“ Texte zeigen ebenjene gruppenspezifischen, zu denen die DamaskusTexte (D), die Serekh-Texte (S), die Gemeinschafts- (1QSa) und Segensregel (1QSb), die Fragmente zur Kriegsregel (M) und der Hodayot (H) sowie die Pescharim7, 4QMMT8, vielleicht auch MidrEschat9 gezählt werden.10 In Abgrenzung dazu stehen die „No Community Terminology“-Texte (NCT) und die „biblischen“ Texte. In Bezug auf „Frauen in Qumran“ sind besonders die D- und S-Texte mit der Gemeinschaftsregel aussagekräftig und werden in den folgenden Kapiteln besprochen. Gerade im Hinblick auf die Gruppenspezifik wird stets die Frau in Relation zu der Gemeinschaft im Fokus sein. Hierbei sind, wie schon erwähnt, die unterschiedlichen Textpassagen je für sich zu bewerten und das Textwachstum sowie die sich verändernden Gemeinschaftsstrukturen zu berücksichtigen. Stellung und Funktion der Frau ist in den einzelnen Texten zu klären und dann in das Gesamt der textlichen Hinterlassenschaften Qumrans und seines Umfelds einzuordnen, sodass das Bild der Frauen in diesem Kontext besser konturiert werden kann.

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Zu den biblischen Texten: Tov, The Biblical Texts, 165–178, sowie dazu Ulrich, Index of Passages 185–201; vgl. ebenso Tov, Die biblischen Handschriften, passim. Einen Überblick und eine Einordnung bietet García Martínez, Überlegungen, 8–24, mit Verweis auf die Problematik, von einem „biblischen“ Text zu sprechen (s. ebd., 15, auch 25). S. auch Xeravits / Porzig, Qumranliteratur, 7f.; Stökl Ben Ezra, Qumran, 189–211. 7 Hier sind der Habakuk- und Nahum-Pescher sowie der Pescher zu Ps 37 zu nennen. Sie geben Aufschluss über eine Gemeinschaft, die ihre Gegenwart äußerst kritisch betrachtet und sich im Anbruch der Endzeit verortet. Die thematischen Pescharim werden im Folgenden nicht berücksichtigt. Zur Kategorisierung und Unterscheidung zu den kontinuierlichen Pescharim s. Lim, Pesharim, 14–18. Dazu und zu weiteren Pescharim s. Xeravits / Porzig, Qumranliteratur, 102–122. 8 Übersetzt: „Einige Werke der Tora“ (4QMMTa–f: 4Q394–399). Zur Edition: Qimron / Strugnell, Miqҫat Ma‘ase ha-Torah. 9 MidrEschat besteht mindestens aus zwei Fragmenten: 4Q174+177. S. dazu grundsätzlich Steudel, Midrasch zur Eschatologie. 10 Die Bezeichnung dieser Kategorie divergiert in der Forschung. Steudel, Art. QumranHandschriften, etwa nennt S, D, M, MidrEschat, pHab, MMT und H „Echte Qumrantexte“ (s. wibilex.de, letzter Zugriff: 13.11.2016). S. weiter Lange / Lichtenberger, Art. Qumran, 45–65. Leider divergiert in der deutschsprachigen Forschung auch die Bezeichnung von 1QS und 1QSa (s. zuletzt Stökl Ben Ezra, Qumran, 248; ebenso Xeravits / Porzig, Qumranliteratur, 141). Im Lauf dieser Untersuchung wird sich zeigen, dass es sinnvoll ist, bei der Übersetzung Lohses zu bleiben und 1QS als Gemeinde- sowie 1QSa als Gemeinschaftsregel zu bezeichnen (Lohse, Texte, 1f.+45). Durch den anfänglichen Fokus von 1QSa auf die Gesamtgemeinschaft, was „Rule of the Congregation“ durchaus wiedergibt, sollte weiterhin von der Gemeinschaftsregel gesprochen werden. 1QS jedoch spiegelt nur einen Teil, nämlich den yaḥad, wider, weswegen hier die Benennung Gemeinderegel spezifischer ist (s. dazu Kap. IV+V).

2. Zum Vorgehen in dieser Arbeit – Problembeschreibung

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2.2 Die Aussagekräftigkeit quantitativer Vergleiche In dieser Arbeit erscheint es wenig sinnvoll, die nach der elektronischen Konkordanz angegebenen 111 ‫אשה‬-Belege mit den entsprechenden aramäischen Stellen (43-mal ‫ )אנתה‬und andere frauenbezogene Passagen (mit den Schlagworten wie Mutter, Schwester, Tochter, Witwe, Sklavin, Hure, Jungfrau) aus allen gefundenen Qumrantexten auszuwerten, was im Folgenden kurz anhand des Lemmas ‫ אשה‬erläutert werden soll. Dieses ist in den verschiedenen Kontexten, nämlich in halachischen und parabiblischen, weniger in „biblischen“, liturgischen, weisheitlichen und poetischen Texten zu finden.11 Davon sind nicht alle Belege brauchbar bzw. auswertbar. Das Wort ‫ אשה‬beispielsweise steht manchmal ohne weiteren Kontext und ist dann nur über die Zuordnung zu anderen Fragmenten und so Kategorien zu bestimmen.12 Die sogenannten Reworked Pentateuch-Texte stellen eine „Be- bzw. Überarbeitung“ des Pentateuch dar.13 Dort genannte Frauen gehören zu einer „biblischen“ Vorlage, wenngleich, wie schon angedeutet, von einem einzigen allgemein rezipierten, festgelegten Toratext nicht ausgegangen werden kann. Parabiblische Texte (Rewritten Bible) beschreiben vorliegende, später dem Tanach zugeordnete Texte, die sich zwar auf seine Themen oder

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Vgl. dazu Xeravits / Porzig, Qumranliteratur, 12–14. So findet sich in der DSSEL ‫ כול ]א [ש̇ה‬in 4Q159 2–4+8,10, was in García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 310, jedoch nicht gelesen wird. Ebenso ist in 4QMMT nichts Näheres über die Frau zu erfahren (vgl. 4Q398 V,4: ]‫ ;[ה̇אשה ב‬zu 4Q397 IV,4 s.u.). 4Q514 1,I 1 lässt nur noch das Wort ‫ אשה‬erkennen, im weiteren Text ist von der Unreinheit des Mannes und genereller Reinigung, auch für den Gottesdienst, die Rede. Auch in 4Q502 309 ist nur noch ֯‫ ] א [ש̇תו‬in der ersten Zeile zu ersehen. Nur aus dem Folgenden lässt sich der Festkontext erkennen. Ebenso in 4Q506 131–132, wo die Worte Hams zwar als Lobpreis Gottes zu finden sind, nicht aber klar ist, in welchem Verhältnis ]‫ [ אשה‬dazu steht, das einzig in Z. 3 zu lesen ist. Auch in einem weisheitlichen Fragment ist über die Nennung von Frauen hinaus nichts Näheres eruierbar (4Q426 1 I,14: ‫)[ים ונשי֯ ֯ם‬. Ebenso gibt 4Q178 7,1 nichts Aufschlussreiches zu erkennen: ] ‫האשה̇ וש‬. Vgl. ebenso 4Q482 1,4. Hier fehlen noch jene Texte, in denen das Wort Frau zu ergänzen bzw. zu rekonstruieren ist; vgl. Schuller, Women 2009, 54. 13 An dieser Stelle ist das Begehrverbot nach Ex 20,17 in 4Q158 7–8,2b ( ‫לוא תחמוד אשת‬ ‫)ר ]עכה‬ ֯ oder Isaaks Geburt durch Sara, Abrahams Frau (‫אשת ]ו‬ ֯ ‫ )שרה‬in 4Q364 1a–b,3a (s. Gen 25,20) zu nennen. Letzteres Fragment erwähnt drei Zeilen später Noah und seine Frau (Z.6a: ‫[אשת]ו‬ ֯ ]‫ ;לנ֯ ֯כח‬vgl. auch 4Q422 II,4 – ein nicht klassifiziertes Fragment), Z.7 wiederum nur „seine Frau“, womit dann Rebekka gemeint sein kann. 4Q365 6b,6, das Mirjamlied aus Ex 15,20, stellt nach Ilan, Women in Qumran and the DSS, 127, weniger einen exegetischen Zusatz, als vielmehr einen protomasoretischen Text dar. Zudem sei wie im Falle der parabiblischen Texte nicht eindeutig zu bestimmen, ob sie Kommentare zum „biblischen“ Text oder (protomasoretische) Versionen darstellen. S. zum Problem Ilan, Women in Qumran and the DSS, 127+128. Zu weiteren Reworked Pentateuch-Texten s. 4Q364 5a–b I,4; 9a–b,2; 24a–c,9 sowie 4Q367 1a–b,3. Einen kurzen Überblick dazu bieten Xeravits / Porzig, Qumranliteratur, 32–35. 12

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I. Einleitung

Bücher beziehen, aber nicht Teil des späteren Kanons geworden sind.14 Auch hier ist die Erwähnung der Frau der jeweiligen „biblischen“ Vorlage geschuldet, nur dass es keine schwer zuzuordnende Kommentierung, sondern eine Art Nacherzählung ist. Doch zeigt dies die Aktualität und bleibende Wichtigkeit der Texte, die nach ständiger Rezeption verlangen. Aufschluss über Frauen dieser Zeit geben die Passagen mit entsprechenden Lemmata jedoch nicht. Daher können weder parabiblische noch Reworked PentateuchTexte denselben Aussagegehalt wie die gruppenspezifischen Texte haben. Mit 27 Belegen weist die Tempelrolle (11Q19/Ta) die meisten Nennungen von ‫ אשה‬innerhalb eines Qumrandokuments auf, was sich jedoch durch ihre Länge – sie umfasst 66 Kolumnen – wieder relativiert.15 Die Niederschrift ist wohl noch vor jener der D- und STexte anzusetzen.16 Da die Tempelrolle zugleich noch nicht den gruppenspezifischen Charakter der D- oder S-Texte zeigt, sondern wörtlich sehr nah an der Tora orientiert bleibt, ist sie eher ein Zwischenglied. Allerdings spiegelt sie im Vergleich mit anderen Regeltexten ein früheres Stadium der Textauseinandersetzung und -entwicklung, zudem einen von vielen zu dieser Zeit kursierenden Toratexten wider.17 Im Bezug auf Frauenthemen ist T nicht bloßes rewriting von Dtn 12–26, dem sogenannten deuteronomisch-deuteronomistischen Rechtskorpus, sondern setzt durchaus schon eigene Akzente (vgl. 11Q19 LII–LXVI).18 Aussagekräftig sind auch die Pescharim: Grundsätzlich sind diese Deutungen von „biblischen“ Texten eine Evaluation der gegenwärtigen Zeit, auch wenn die genauen Bezüge 14

Hier sei auf das Jubiläenbuch verwiesen: 4Q221 5,6 beschreibt Jakobs Trauer um seine Frau (‫ )אשתו‬Rahel, während Esau ihm entgegenzieht (vgl. Gen 32), 4Q221 7,3 Potifars Frau (s. Gen 39). 4Q223–224 2 II,8 nennen die Unreinheit und Fehltritte der Frauen, worauf die der Männer, also Jakob und seiner Söhne, folgen (‫)טומאת הנ[ ֯שי֯ ם ואחר תעות הנ֯ ]שים‬. Vgl. weiter 4Q223–224 2 V,6 (Josef hört auf seine Frau), 11Q12+XQ5a I,3 (Adam und seine Frau trauern um Abel; vgl. Z.5+8) und 11Q12+XQ5a II,3 (Kain nimmt eine Frau). S. hierzu Tov, Die biblischen Handschriften, 6–8; Xeravits / Porzig, Qumranliteratur, 48f.59– 65. 15 Unter Berücksichtigung dieser Relation (Wortvorkommen gegenüber Länge des Gesamttextes) bleiben die Damaskus-Texte die bedeutendsten. Zur Zahl 27 s. Schuller, Art. ‫שּׁה‬ ָ ‫ ִא‬, 311. S. auch dies., Women 2009, 27. 16 Die Datierung ist umstritten, so geht Stegemann, Die Essener, 137f., von einer Abfassung um 400 v.Chr. und einer Tradierung „traditionsbewusster Priester, wie der Essener“ aus. Yadin, Tempelrolle, 255–257, wiederum sieht nach seinem damaligen, heute nicht mehr tragbaren Wissenstand den Ursprung in der Qumrangemeinschaft selbst und T als gruppenspezifischen Text. Es gibt zumindest gute Gründe (auch anhand von 4Q524) von einer zeitlichen Situierung vor der 2. Hälfte des 2. Jh.s v.Chr. auszugehen, vgl. García Martínez, Art. Temple Scroll, 931f.; Schiffman, Unfinished Scroll. Vgl. noch dens., Sadducean Origins, 44f. 17 Gerade die in Dtn wiedergegebene Gottes- in der Moserede in der dritten Person findet sich in der Tempelrolle zumeist als erste Person. Gott kommt somit direkt zu Wort. Das fügt sich zwar nicht in den Duktus der anderen Regeltexte, zeigt aber den Anspruch der Gemeinschaft hinter T bzw. das Selbstbewusstsein der Tradenten. Vgl. dazu auch Shemesh, Halakha, 22–24. 18 Im Falle der vergewaltigten Jungfrau sind in 11Q19 LXV,7b–15a im Vergleich zu Dtn 22,13–21 Zuspitzungen zu erkennen, die jedoch erst in D und 4Q159 2–4,8 gänzlich von und zugunsten einer bestimmten Gemeinschaft modifiziert wurden. Dennoch lassen sich von Dtn zu T Änderungen im Falle der Frau feststellen, die eine weitere Beschäftigung und Aktualisierung mit ihren Belangen aufzeigen.

2. Zum Vorgehen in dieser Arbeit – Problembeschreibung

7

für heutige Lesende unklar bleiben.19 Wie die Pescharim geben MMT oder auch MidrEschat einen Einblick in den zeitgeschichtlichen Hintergrund und die Verarbeitung zurückliegender Ereignisse. Betrachtet man diese Texte für sich, so erfährt man weniger über die Frau als vielmehr über die jeweilige Gemeinschaft. Frauen in liturgischen und weisheitlichen Texten sind wiederum in ihrem Textgenre zu betrachten. In der Rezeption aus dem weisheitlichen Bereich zeigen beispielsweise die Fragmente 4Q184, dass auch ohne die Erwähnung des Lemmas eine Frau in den dazugehörigen Fragmenten angenommen worden ist. Wiederum im liturgischen Bereich wurde mit 4Q502 vorausgesetzt, dass es aufbauend auf der Schrift Philos von Alexandrien Therapeutinnen in Qumran gegeben hat.20

Entsprechend obengenannter Kategorisierung kommen Frauen explizit 44-mal in halachischen Texten vor, die in den gruppenspezifischen Bereich gehören.21 Unter jene zählen auch Doppelüberlieferungen in D: In 4Q269 9,7b und 270 5,21a werden Frauen genannt, die entsprechend in 4Q271 3,14a zu rekonstruieren sind. So ermöglichen verschiedene Kopien zum Teil eine gute Rekonstruktion, sind bezüglich der Schlagworte aber entsprechend in einer Statistik zu berücksichtigen. Gleiches trifft auf jene Passagen zu, die den mittelalterlichen D-Text belegen (s. z.B. zu 4Q271 5 I,17 CD XII,1). Die einmalige Erwähnung einer Frau in der Gemeinderegel und ihrem 4Q-Pendant ist wiederum für sich zu betrachten (s. 1QS IX,21; par. 4Q264,8). (s. dazu Kap. III+V) Mit 4Q270 2 I,17f. liegt eine Passage vor, die offenbar vom Verkehr des Mannes mit seiner Frau spricht, darüber hinaus aber keine hilfreichen Informationen enthält (s. Kap. III). Gerade solche Fragmente verweisen auf die Problematik, dass, je weniger Text zur Verfügung steht, desto schwieriger seine Rekonstruktion und Interpretation ist. Wenn kaum verwertbarer oder gar kein Kontext erhalten ist, ist es fast unmöglich, ein Wort seiner Aussageintention nach zu rekonstruieren. Zudem ist die Lesung auch jedes Mal möglichst am Original bzw. einem Foto oder einer digitalen Fassung zu überprüfen. Eileen Schuller liest etwa einen laut elektronischer Konkordanz aufgezählten Frauen-Beleg in 4Q397 IV,4 nicht ‫הנשי֯ ]ם‬, sondern ‫נשי֯ ]א‬.22 Darum 19

S. etwa 1QpHab VI,11 als Pescher zu Hab 1,17 oder 4Q169 3–4 IV,4, ein Pescher zu Nah 3,10; s. auch den Kommentar zu Jes 54,4–10: 4Q176 8–11,7f. Näheres zu den Pescharim s.o. Anm. 7. 20 Zu 4Q184 s. zunächst den Erstbearbeiter Allegro, DJD 5, 82–85 (1968). Zu 4Q502 vgl. Baumgarten, 4Q502 (1983), Bennett Elder, Woman Question (1994). Zu weiterer Literatur und einer Betrachtung zu 4Q502 und 4Q184 s. Kap. VI.3.2.3 und Rupschus, Frauen im liturgischen und weisheitlichen Kontext. Generell zum weisheitlichen oder liturgischen Bereich s. Wright, Wisdom and Women at Qumran (2004). Bernstein, Women and Children in Legal and Liturgical Texts from Qumran (2004), wobei auch hier bereits mit Baumgarten anzusetzen ist. 21 Neben D, 1QSa, S und M betrifft dies auch die Regeltexte 4Q265, 4Q159 und 4Q251. 22 S. Schuller, Women 2009, 52. Mit Ilan ist in 1QSa I,27 eine Stelle hinzuzunehmen, in der nicht in ‫ האנשים‬zu korrigieren, sondern ‫ ה נשים‬zu lesen ist – s. dazu Kap. IV.2.3.

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I. Einleitung

kommt es bei den ‫אשה‬-Funden weniger auf die Quantität des Wortes im Qumrankorpus, sondern auf die Qualität des jeweiligen Gesamttextes an. Zu diesem qualitativen Lesen gehört auch das „gender-inklusive“ Lesen und somit die stete Frage, ob Frauen, auch wenn sie im Text nicht explizit erwähnt werden, dennoch berücksichtigt sind. Das heißt, dass auch für jeden Text und Kontext zu überlegen ist, inwiefern maskuline Pluralbildungen Frauen einschließen können. Die D-Texte bieten etwa vier Höraufrufe, die sich an ein Kollektiv wenden – jene, die „Gerechtigkeit erkennen und wandeln auf den Wegen Gottes“, sind als eine heterogene Gemeinschaft anzusehen. Gerade in diesem Regeltext liegt der Fokus auf der Abgrenzung nach außen – und dies auch innerhalb des Judentums –, sodass eine Frauen ausschließende Funktion nebensächlich bzw. nicht existent zu sein scheint. Der tiefe Einblick in die Gemeinschaft macht die D-Texte zu den wichtigsten Qumranfragmenten hinsichtlich der Frauen. Die gruppenspezifischen Texte zeichnen sich durch ihre offensichtliche Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppierung aus.23 Aus diesem Grund ist von Schlüssen aus einer Zählung und der daraus folgenden Gewichtung anhand eines Lemmas abzusehen. Zwar gibt es zur Zeit der Entstehung und Tradierung der Qumrantexte noch keinen Kanon, wohl aber autoritative Texte, zu denen, wie die gruppenspezifischen Texte klar zeigen, die Tora und Prophetentexte zählen. Für die weitere Textbeschreibung und -bearbeitung sind daher derlei Bezeichnungen hilfreich. Demnach erfährt man über Frauen in den Qumrantexten allein über ihr prozentuales Vorkommen nichts. Wichtig ist, sich des Textflusses und der unterschiedlichen parallelen Überlieferungen und steten Überarbeitungen bewusst zu sein, die die Qumrantexte exemplarisch widerspiegeln. Ob es Frauen in Qumran gab, hängt auch nicht von der Frage ab, warum unter allen anderen in den Höhlen gefundenen „biblischen“ Büchern (Esr und Neh zusammengefasst) Ester fehlt. Da es einen Kanon biblischer Bücher zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben hat, müsste man zugleich fragen, warum auch Fragmente zu Judit oder Susanna fehlen.24 Erstens kann dies im lückenhaften Qumrankorpus selbst begründet liegen – vielleicht hat es also ursprüngliche Versionen dieser Bücher gegeben.25 Auch Fragmente zu den Makkabäerbüchern können Teil zerstörten oder entwendeten Materials sein. Unterstellt man den gruppenspezifischen Texten jedoch ausgehend von ihrer 23 24

Zur Definition s.o. und zur weiteren Bearbeitung die folgenden Kapitel. Ilan, Women in Qumran and the DSS, 128, mit Verweis auf Integrating Women,

140f. 25

So zu Ester: Tov, Die biblischen Handschriften, 11, Anm. 40: „Das Fehlen dieses Buches sollte eher auf einen Zufall (Zerstörung der Handschriften) als auf irgendeine andere Ursache zurückgeführt werden.“ S. auch Lange, Qumran Library, 265, Anm. 12: „Several Essene texts from Qumran seem to allude to the book of Esther“ (s. bereits Lange, Handbuch, 498–502).

2. Zum Vorgehen in dieser Arbeit – Problembeschreibung

9

zeitkritischen Haltung auch ein distanziertes Verhältnis zu den Hasmonäern und bezieht dies wiederum auf eine Sammlerintention, die sich im Qumranbestand spiegelt, so sind Kopien der Makkabäerbücher nicht zu erwarten.26 Speziell für Ester wurden weitere Erklärungsversuche mit dem kriegerischen Aspekt des Buches oder der Nichterwähnung des Gottesnamens formuliert.27 Eine Überlegung ist auch, ob das Purimfest und so der Gesamttext für die potentiellen Sammler keine Rolle gespielt hat. Doch muss man sich wohl damit abfinden, dass wir keinen Zugang zum einstigen Gesamtbestand haben und auch nie haben werden. Nicht sinnvoll ist es, aus dem Fehlen der genannten Bücher einen frauenfeindlichen oder Frauen ausgrenzenden Schluss zu ziehen. 2.3 Zur Forschung nach Frauen in Qumran Trotz des im Vergleich zur alt- und neutestamentlichen Forschung recht jungen Alters der Qumranforschung gibt es nach rund 70 Jahren eine nahezu unüberblickbare Menge an Literatur. Neben den notwendigen Quelleneditionen, wie den DJD und PTSDSSP, sind es besonders Periodika und Sammelbände, die zur Strukturierung des Bestandes beigetragen haben und den jeweiligen Stand des Wissens über Qumran und die Umgebung bündeln und erweitern.28 Hier ist es interessant, dass zwar von Beginn an das Interesse an den gruppenspezifischen Texten sehr groß war, es aber Jahrzehnte dauern sollte, bis sie kritisch hinterfragt und Forschungsbeiträge über Frauen anerkannter Bestandteil der Qumranforschung wurden. Zwar gab es immer wieder Kritik an der Essener-These und dem mit ihr zum Teil der Qumrangemeinschaft unterstellten Zölibat,29 doch führte die Kritik vor allem dazu, dass man die Autorschaft der Schriftrollen anderen Trägerkreisen als den Essenern zuschrieb.30 Frauen sind wegen des von Roland de Vaux gedeuteten archäologischen Befundes und der Interpretation der Gemeinderegel durch Eleazar Sukenik in Kombination mit den antiken Essenerberichten nicht berücksichtigt und höchstens marginal betrachtet wurden.31 Im Bereich der Qumranarchäologie ist erst 1999/2000 die Neuauswertung der Collectio Kurth publiziert: Die anthropologischen Untersuchungsergebnisse belegen einen Frauenanteil auf dem Friedhof Qumrans32 und sind maß26

Dazu Stökl Ben Ezra, Qumran, 188. S. Talmon, Esther, 250. 28 Xeravits / Porzig, Qumranliteratur, 14–17, Stökl Ben Ezra, Qumran, 17–25.61–63. 29 Vgl. Hübner, Zölibat (1970); s. auch Anm. 2. S. auch Rengstorf, Ḫirbet Qumrân (1960). 30 Vgl. dazu etwa Roth, Qumran Sectaries (1959) oder Pryke, Identity of the Qumran Sect (1968). 31 Literatur und Diskussion ausführlich in Kap. II–VI. 32 Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage (1999+2000). 27

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I. Einleitung

gebend für Thesen zu Frauen in Qumran. Einen wichtigen Beitrag zu Frauen auf dem Friedhof hat Joan E. Taylor vorgelegt.33 Zu Recht beklagt Katharina Galor die männliche Dominanz innerhalb der Qumranforschung bis in die 1990er Jahre, die sich entsprechend auf die Interpretation von Areal und Texten ausgewirkt hat, und plädiert für die Berücksichtigung der Frau.34 Daher steht am Beginn die Textforschung, die Frauen und Genderfragen in die Diskussion eingebracht hat. Unter den gruppenspezifischen Texten sind dabei jene bedeutend, die zum einen offensichtlich Frauenthemen verhandeln und zum anderen einen essentiellen Teil der Essener-These bilden. Zur Halacha der D-Texte hat Joseph Baumgarten grundlegende Arbeit sowohl in der Erstedition als auch bezüglich der Frauenthemen in kleineren Publikationen geleistet.35 Entscheidende Impulse wurden von ihm auch hinsichtlich eines differenzierten „zölibatären“ Verständnisses gegeben.36 Doch konnten sich weitere Differenzierungen erst allmählich in den 1990ern verbreiten, wo drei Wegbereiter zu nennen sind: Lawrence Schiffman hat sich mit Frauen in der Tempelrolle beschäftigt und ist der prominenteste und ausdauerndste Vertreter einer Sadduzäerthese, in die er selbstverständlich Frauen integriert. Parallelen zieht er dabei auch zu rabbinischen Texten.37 Hartmut Stegemann wiederum hat im deutschsprachigen Bereich einen ernsthaften Versuch unternommen, Frauen in die Essener-These einzubinden und von einer grundsätzlich familiären Struktur zu sprechen.38 Pionierarbeit hat dann vor allem Eileen Schuller geleistet, die erstmals den Blick auf alle vorliegenden Qumrantexte ausweitete und Impulse für weitere Frauen- und Genderforschung setzte. Zwar blieb auch sie nicht unbeeinflusst von der Essener-These, doch stellte sie erstmals die Frau in den Mittelpunkt der Textforschung und suchte nach Verbindungen zum archäologischen Befund.39 Ihre Arbeit war es, die weiteren Forscherinnen und Forschern das Feld eröffnet hat, um Lücken in diesem Bereich zu schließen. Tal Ilan ist hier an nächster Stelle zu nen-

33

Taylor, Cemeteries (1999). Galor, Gender and Qumran (2010), dies., Des femmes (2014). 35 Baumgarten, DJD 18 (1996), The Cave 4 Versions (1992), 4Q Zadokite Fragments (1990). 36 Baumgarten, Restraints (1990) – vgl. hingegen Qimron, Celibacy (1990). S. weiter Baumgarten, 4Q502 (1983), Art. Celibacy (2000). Unter unzähligen Beiträgen sei noch auf den derzeit jüngsten hingewiesen: Wassen, Women, Worship, Wilderness, and War (2016). 37 Schiffman, Laws Pertaining to Women in the Temple Scroll (1992), Women in the Scrolls (1994) und Laws Pertaining to Women and Sexuality (2011). 38 Stegemann, Qumran Essenes (1992), Die Essener (1993). 39 S. ihre Aufsätze: Women 1994, Evidence for Women (1996), Women 1999, Women 2009, und zuletzt Women 2011. Zudem ist auf ihre Artikel zum Lemma ‫שּׁה‬ ָ ‫( ִא‬2011) und mit Wassen: Women: Daily Life (2000) zu verweisen. Ihrem Ansatz folgt Bengtsson, Kvinnor (2003). 34

2. Zum Vorgehen in dieser Arbeit – Problembeschreibung

11

nen,40 die den Traditionsprozess zwischen Qumran und dem rabbinischen Schrifttum weiter untersuchte und Schnittpunkte hervorhob, die die Lebenswelt von Frauen zur Zeit der Qumranbesiedlung bis in die mischnische Zeit betreffen.41 Bislang ist zu Frauen in einem Qumrantext nur eine Monographie, nämlich „Women in the Damascus Document“ von Cecilia Wassen verfasst worden.42 Jüngst haben in zwei Aufsätzen Maxine Grossman und Tal Ilan den Blick auf Frauen in der Gemeinschaftsregel gelenkt.43 Sidnie White Crawford und Maxine Grossman weiteten den Fokus auf den Platz der Frau innerhalb der Gemeinschaft und die damit einhergehenden Genderfragen.44 Hierzu bleiben Bezüge zur Halacha wesentlich für das Bild und den Status der Frau in ihrem Umfeld.45 Fragen der Genderforschung werden in der gesamten Untersuchung berücksichtigt und die Frau wird als Teil der Gesellschaft betrachtet, sofern es anhand des untersuchten Materials möglich ist.46 Die hier genannten Autorinnen und Autoren sind grundlegend für die Arbeit, da sie ein mittlerweile wichtiges Spektrum der Qumranforschung spiegeln. Unter Berücksichtigung dieser frauenrelevanten Literatur und der problematischen Verquickung von Texten und Areal liegt hier nun die erste monographische Aufarbeitung zu „Frauen in Qumran“ vor. Vorliegende Arbeit möchte keinen feministischen Diskurs führen. Dass Frauen in der Antike und bis ins 20. Jh. hinein benachteiligt waren, es oft heute noch sind und weltweit immer noch Debatten über Sexismus, Genderoder Verteilungsgerechtigkeit geführt werden und zu führen sind, wird hier nicht in Abrede gestellt oder gar in irgendeiner Form bagatellisiert. Auch 40 S. ihren Schuller ergänzenden und erweiternden Überblick: Ilan, Women in Qumran and in the DSS (2010). 41 Ilan, Integrating Women (1999), Jewish Women (1995), The Attraction of Aristocratic Women (1995), Learned Jewish Women (2005) u.a. 42 Wassen, Women in the DD (2005). 43 Ilan, Reading for Women in 1QSa (2011) sowie Grossman, Women and Men in the Rule of the Congregation (2010). Baumgarten, On the Testimony (1957). Davies / Taylor, Testimony of Women (1996). 44 White Crawford, Mothers, Sisters, and Elders (2001), Not according to rule (2003). Grossman, Reading for Gender (2004), Rethinking Gender in the Community Rule (2011) und Welt von Qumran (2017). 45 Dazu z.B. Shemesh, 4Q271.3: A Key to Sectarian Matrimonial Law (1998); Expulsion and Exclusion (2002); Marriage and Marital Life in the Dead Sea Scrolls (2011). Wassen / Jokiranta, Groups in Tension (2007); sodann Wassen, Marriage Laws in the DSS (2012); Education of Children (2012); Purity Laws for Men and Women (2017). 46 Schüssler Fiorenza, Gender, 21: „Das Konzept von Gender geht auf die soziologische Rede von Geschlechterrollen zurück, die zwischen Sex/Geschlecht als biologischem Unterschied und Gender/Geschlecht als soziale Klassifikation, die sich auf individuelle und psychologische Differenzen, soziale Rollen und kulturelle Repräsentationen bezieht.“

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I. Einleitung

bleiben die Errungenschaften feministischer Bewegungen, die Frauen überhaupt erst den Weg in die Forschung ermöglicht haben, unbestritten. Doch ist es nicht Gegenstand dieser Untersuchung, über aus heutiger Perspektive ungerechte Situationen zu urteilen, die zwar auch dem Kontext der Zeit und Gesellschaft geschuldet sind, dadurch aber nicht gänzlich entschuldigt werden können. Gerade in den vorgenommenen Textbetrachtungen wird an vielen Stellen deutlich, dass Frauen marginalisiert sind. Doch besteht die Aufgabe hier in der Beschreibung, nicht Bewertung. Es wird den Leserinnen und Lesern überlassen, wie sie sich zu den Erkenntnissen verhalten. Vorrangig geht es um die Bildung neuer Thesen, die jene der alten Qumranforschung infrage stellen. Wie dazu der spezifische Fokus auf die Frau in der Qumranarchäologie und Textwissenschaft beitragen kann, wird auf den folgenden Seiten gezeigt. Auf diese Weise rückt die Frau der Antike in den Vordergrund.47

47 Auf geschlechtergerechte Sprache wird um der Lesbarkeit willen verzichtet. Die pauschale Bezeichnung „die Frau“ und „der Mann“ ist keineswegs abwertend gemeint, sondern spricht beide in ihrer Geschlechtlichkeit jeweils als Individuum, gleichzeitig aber auch als Repräsentantin bzw. Repräsentanten ihres jeweiligen Geschlechts, an.

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss Archäologie in Qumran ist unumgänglich, seit 1949, ca. zwei Jahre nach dem Schriftrollenfund in Höhle 1, daselbst eine erste archäologische Ausgrabung vorgenommen wurde. Während dieser sind Roland de Vaux und Lankester Harding auf Chirbet Qumran aufmerksam geworden, haben die Gebäude kurz inspiziert und auf dem angrenzenden Friedhof zwei Gräber geöffnet. Noch bevor also die weiteren Höhlen – und auch jene in unmittelbarer Nähe des Areals – gefunden wurden, vermuteten beide eine Verbindung zwischen den Texten und der Ruine. Seither beschäftigt sich die Forschung mehr oder minder intensiv mit beiden Polen und im Laufe der Jahrzehnte ist es zu beachtlichen Thesenbildungen gekommen, die zum Teil auch das Thema „Frauen in Qumran“ betreffen. Archäologie in Qumran kann ohne eine intensive Beschäftigung mit den Texten gar nicht auskommen, insofern die Textfragmente selbst ein archäologisches Objekt darstellen. Sie werden in dem folgenden Abschnitt also (primär) als solche behandelt. Die Texte gehören dazu, weil sie neben anderen Fundgegenständen der Höhlen ein materiales Zeugnis in der Nähe der Mergelterrasse Chirbet Qumran sind, zumal einige Höhlen sogar nur über die Siedlung zu erreichen sind. Zudem datiert die Paläographie, unterstützt durch C14-Untersuchungen, einen großen Teil der gefundenen Texte in die Zeit der Besiedlung der Anlage von Qumran. Dies zunächst zusammen und auf einen möglichen Zusammenhang hin zu untersuchen, betrifft die Bewohner oder Nutzer des Areals unmittelbar und somit auch mögliche Frauen unter ihnen. Archäologie zu Frauen in Qumran kann überflüssig sein, wenn man zu dem Schluss kommt, die heutige Ruine als eine klosterähnliche Anlage der Essener zu verstehen, die jene in den Höhlen gefundenen Texte geschrieben und kopiert haben. Doch wenn sich diese These nicht bestätigt, ist sie aufzugeben oder zu modifizieren. Archäologie beschäftigt sich mit den materialen Hinterlassenschaften einer Kultur. Im Falle potentieller Frauen in Qumran ist man also auf Funde angewiesen, die mit Frauen verbunden werden können und sich in die fragliche Zeit ein- und dem speziellen Ort zuordnen lassen. Um bei aller Vielfalt und Vielfältigkeit der Quellen und Sekundärliteratur ein Gesamtbild zu erhalten, ist zunächst Qumran selbst und seine unmittelbare Umgebung im Kontext der Zeitgeschichte in den Blick zu nehmen (1.1). Inwieweit Qumran regional vernetzt war, ist eine häufig gestellte Frage in der

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Forschung und soll im Fokus auf Frauen auch hier aufgenommen werden (1.2). Falls Frauen in den Gebäuden Qumrans gelebt haben, müssen sie dort eine Funktion wahrgenommen haben, die sich nur in der Beschäftigung mit den unterschiedlichen Thesen zur Anlage eruieren lässt (1.3). Die Höhlen selbst stehen nachweislich mit dem Areal in engem Zusammenhang – besonders im Hinblick auf die Schriftrollen sind auch sie zu berücksichtigen (1.4). Dreh- und Angelpunkt der Frauenfrage und somit Herzstück dieses Kapitels sind die Skelettfunde auf dem östlich zur Siedlung angrenzenden Friedhof. Dabei spielen Spezifika der Bestattungen für das Gesamtbild des Friedhofes (2.1), die Geschichte der Grabungen selbst, alte und neue Funde sowie die anthropologischen Analysen der jeweils entdeckten Skelette (2.2) eine große Rolle. Auch hier ist ein regionaler Vergleich mit anderen Friedhöfen dieses Zeitraums unumgänglich (2.3). Insgesamt offenbart sich in diesem Kapitel ein zum Teil unklarer Umgang mit den menschlichen Überresten. Es verwundert daher nicht, dass man zu zwei sich ausschließenden und ganz und gar kontroversen Ergebnissen kommen kann (2.4). Zuletzt werden zu den frauenspezifischen Funden auf dem Friedhof auch jene auf dem Areal hinzugezogen und in das Gesamtbild integriert (2.5), sodann die bisherigen Überlegungen auf die möglichen Einwohner bezogen (2.6). Die Teilergebnisse sollen eine weitestgehend aus archäologischer Perspektive geformte These ergeben (3.). Schlussendlich und im Hinblick auf die Qumrantexte, die in den anschließenden Kapiteln behandelt werden, wird nach der Verbindung von Archäologie und Schriftrollen gefragt (4.). Hier werden die verschiedenen in der Forschung bereits vorgenommenen Möglichkeiten der Vernetzung diskutiert und wiederum die Höhlen in den Blick genommen (4.1), die allerdings nicht den einzigen missing link darstellen müssen (4.2). Auch der negative Befund wird in Betracht gezogen (4.3).

1. Von der Siedlung zu den Höhlen 1. Von der Siedlung zu den Höhlen 1.1 Die Geschichte der Siedlung 1.1.1 Lokalisierung und Datierung Nordwestlich des Toten Meeres, etwa 60–70 m über dem Wadi Qumran befindet sich der Ruinenhügel Chirbet Qumran. Die Siedlung ist so gelegen, dass sie vor möglichem Steinschlag oder plötzlichen Wasserfluten geschützt ist.1 Der Erstausgräber Qumrans Roland de Vaux hat anhand der Architektur, Grabungsbefunde, v.a. aber Münzfunde zunächst eine erste (israelitische) Be-

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Taylor / Gibson, Qumran Connected, 175; Magen / Peleg, Back to Qumran, 84f.

1. Von der Siedlung zu den Höhlen

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siedlung in der späten Eisenzeit, im 8./7. Jh.,2 und drei Besiedlungsphasen späteren Datums bestimmt:3 Demnach verweisen die reichen Münzfunde auf eine Neubesiedlung unter Johannes Hyrkan und zur Zeit seines Nachfolgers, Alexander Jannai, die sogenannte Periode 1a (etwa 130–100)4 und Periode 1b (100–31). In Periode 1b sei die Gemeinschaft gewachsen und die Siedlung erweitert worden, bis sie dann durch ein Feuer und Erdbeben zerstört wurde.5 Die wenigen Münzen Herodes’ des Großen ließen darauf schließen, dass das Areal für längere Zeit unbewohnt war,6 bis zur sogenannten Periode 2 (etwa 4 v. – 68 n.Chr.) unter den gleichen Siedlern.7 Die spätesten Münzfunde dieser Schicht sind Revolutionsmünzen aus dem Jahr 67–68 n.Chr. Somit seien die eingestürzten Mauern, Verbrennungsspuren und die Pfeilspitzen der Zerstörung der Siedlung durch die Römer 68 n.Chr. zuzuschreiben.8 Bis zum Ende des 1. Jh.s vermutet de Vaux eine römische Besetzung und geht von einer letzten jüdischen Niederlassung während des Bar Kochba-Aufstandes aus.9 Obwohl de Vaux bewusst ist, dass es archäologisch nicht beweisbar ist, schließt er, verbunden mit den Funden aus Höhle 1, speziell der Gemeindere-

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S. de Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 535. Ders., Archaeology and the DSS, 1–3. Weiteres bei Magen / Peleg, Back to Qumran, 72.74–79.101f. 3 Der Vergleich mit der Datierung von Magness ist übersichtlich dargestellt bei Davies / Brooke / Callaway, Schriftrollen, 189. 4 S. de Vaux, Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 231+235; ders., Archaeology and the DSS, 3–5. 5 Vgl. de Vaux, Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 231f.+235, mit dems., Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 544, u. Archaeology and the DSS, 20– 23. Periode 1a u. b unterscheidet de Vaux erst in Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 537–545. In diese Phase falle neben Gebäudeerweiterungen auch der Bau des Aquädukts (s.u.). S. ausführlich de Vaux, Archaeology and the DSS, 5–24. 6 Zunächst ist es nur eine Münze, die ihn zu dem Schluss führt, s. de Vaux, Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 230+232. Nach dems., Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 565, sind bereits vier weitere Münzen gefunden und in den Grabungstagebüchern, 119f.123, zuletzt 16 (vier mit Fragezeichen versehen) aufgezählt. Die wenigen Münzen bleiben für de Vaux ein Indiz (zehn sind es in: Archaeology of the DSS, 24 mit Anm. 2). Doch erklärt sich die unbesiedelte Phase für ihn auch am Zustand der Kanalisation, des Aquäduktes und des Beckens, die auf fehlende Instandhaltungsmaßnahmen und so Unbewohntheit hinwiesen (ders., Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 545). 7 De Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 545–547, ders., Archaeology of the DSS, 24. 8 S. de Vaux, Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 213+232, und ders., Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 547. 9 De Vaux, Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 234, mit Zusammenfassung. Ausführlicher in Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 535–548. S. weiter Magness, Archaeology of Qumran, 47–62+62–69.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

gel, und dem kurzen Plinius-Bericht (NatHist V,73), dass Essener in Periode 1 und 2 die Gebäude genutzt sowie dort und in der Umgebung gelebt haben.10 Erst ein knappes halbes Jahrhundert später werden die Besiedlungsphasen von der Archäologin Jodi Magness modifiziert, die Bewohnerschaft als solche jedoch nicht infrage gestellt:11 Nach der Erstbesiedlung in der späten Eisenzeit sei von einer erneuten Besiedlung Chirbet Qumrans erst in der ersten Hälfte des 1. Jh.s v.Chr. auszugehen, sie sei also mindestens 30 Jahre später anzusetzen, als de Vaux angenommen hat, und Periode 1a somit zu streichen. Das Fehlen jeglicher Keramik aus dem 2. Jh. dient Magness ebenso als Argument wie die Münzfunde:12 Von keinem Herrscher wurden so viele Münzen in Qumran gefunden wie von Alexander Jannai – 139 von 145 gelten als gesichert. Nur wenige Münzen früheren Datums wurden ausgegraben und nicht alle sind eindeutig den Regenten zuzuordnen. In Jannais langer Regentschaft wurden außerdem verstärkt Münzen geprägt, wodurch sie auch nach seinem Tod noch einige Zeit kursieren, zumal seine Frau und Thronnachfolgerin, Alexandra Salome, keine eigenen anfertigen ließ. Dies spricht laut Magness für eine Neubesiedlung nach der späten Eisenzeit im beginnenden ersten vorchristlichen Jahrhundert.13 Das Erdbeben 31 v.Chr. habe nicht zur Aufgabe der Wohnstatt geführt, sondern vielmehr der zeitlich davon zu trennende Brand 9/8 v.Chr. Magness nennt die Pfeilspitzenfunde als deutliches Indiz für eine gewaltsame Zerstörung. Als Grund schließt sie auch Tumulte nach dem Tod Herodes’ des Großen nicht aus, womit die Siedlung erst 4 v.Chr. verlassen worden sei. Genau

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De Vaux, Rapport préliminaire, 103–105, u. Exploration de la région de Qumran,

561. 11

Magness, Archaeology of Qumran, 15f. Magness, Archaeology of Qumran, 63–66. Zur Keramik s. auch Bar-Nathan, Winter Palaces, 277, sowie Magen / Peleg, Back to Qumran, 80.106–109. 13 S. Magness, Archaeology of Qumran, 10+65. Jedoch sind Münzen, deren Prägung vor der Regierung Jannais erfolgten, z.T. „[z]weifelhafte[r] Zuordnung“ und nicht gerade häufig: eine Münze von Antiochos III., eine von sechs Münzen Antiochos’ VII., fünf von acht Johannes Hyrkans, zudem zwei seleukidische und fünf hasmonäische Münzen „ohne Zuordnung“ (vgl. de Vaux, Grabungstagebücher, 119–123). Die Auflistung bei de Vaux, Grabungstagebücher, 37–84.119–131.159–181.179–181 zeigt allerdings auch Münzen aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert. Zu den Münzen s. neben den Grabungstagebüchern auch Rapport préliminaire, 93f. Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 229f. Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 565–569; Archaeology and the DSS, 18f. Neuer ist die Untersuchung von Lönnqvist, Numismatic Chronology, 123.127+132f., der zwei Bronzemünzen Johannes Hyrkans (zwölf unsicher) und neun seleukidische Bronze- und Silbermünzen zählt und so de Vauxs Datierung verteidigt. Dem ist noch eine weitere Münze Demetrios’ II., gefunden während der Grabungen unter der Leitung von Randell Price, 2002–2008, hinzuzufügen (Farhi / Price, Numismatic Finds, 212+217, mit Abb.: 223, No. 1). 12

1. Von der Siedlung zu den Höhlen

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lässt sich dies jedoch nicht mehr bestimmen.14 Periode 2 sei relativ bald darauf anzusetzen und entspreche wieder der de Vaux’schen Annahme um 4 v.Chr. (nach dem Amtsantritt von Herodes Archelaos, dessen Regentschaft bereits 6 n.Chr. endet, s.u.) bis zur Zerstörung durch die Römer 68 n.Chr.15, von denen das Areal dann für kurze Zeit bis zum Fall Masadas 73/74 n.Chr. bewohnt worden sei (Periode 3).16 Dass die Höhlen auch als Versteck für Flüchtende genutzt wurden, ist durchaus möglich.17 Joan E. Taylor erwägt für die Zeit nach diesem kurzen römischen Intermezzo jedoch eine erneute essenische Besiedlung des Areals bis zum Erdbeben 115 n.Chr., während Yizhar Hirschfeld eine längere römische Besetzung und zuletzt jüdische Aufständische in Qumran bis zum Ende des Bar KochbaAufstands 135 n.Chr. voraussetzt.18 1.1.2 Grundlinien einer historischen Einbettung Nicht erst de Vaux bringt die Gründung der Siedlung mit den Folgen des Makkabäeraufstands und so mit der Übernahme der Hohepriesterwürde entweder durch Jonathan (153–142) oder durch Simon (142–134) in Verbindung.19 Genau darin sei die Abspaltung einer jüdischen Gruppierung vom Jerusalemer Tempelkult als Protest gegen das Ineinander der Kompetenzen eines weltlichen und religiösen Anführers, v.a. aber gegen den Bruch mit der zadokidischen Sukzession20 begründet. Das habe zur Niederlassung in Qumran zu der Zeit des Johannes Hyrkan (135/34–104 v.Chr.) geführt (Periode 1a). 14

S. Magness, Archaeology of Qumran, 61+67f., u. ausführlicher dies., The Chronology of the Settlement, 62–65. Steckoll, Marginal Notes, 34, notiert sogar, dass es keine Spuren für eine unterbrochene Besiedlung gebe. 15 Restlos geklärt ist allerdings nicht, ob die Römer 68 oder erst 73 n.Chr. Qumran zerstören, s. dazu Popović, Roman Book Destruction, 262–274 u. passim. 16 Magness, Archaeology of Qumran, 62f. 17 S. dazu Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 220. 18 Taylor, Khirbet Qumran in Period III; s. auch dies., The Essenes, 261f.264f. 268.270f.+342. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 222f.; vgl. Magness, Archaeology of Qumran, 63. Lönnqvist, Numismatic Chronology, 144f., schließt eine kontinuierliche Besiedlung in diesem Zeitraum aus. 19 S. dazu de Vaux, Archaeology and the DSS, 115–117; sowie Kap. VI, Anm. 1. Generell zu den Hintergründen: Schäfer, Geschichte der Juden, 56–76; Sasse, Geschichte Israels, 198–202. 20 Was das erste Mal bereits mit der Einsetzung des Tobiaden Menelaos (171–162) unter Antiochos IV. eingetreten ist. Auch sein Nachfolger Alkimos (163/162–160/159) soll laut Jos.Ant 12,387 nicht aus hohepriesterlichem Geschlecht gewesen sein (so auch Stegemann, Die Essener, 204, anders Schäfer, Geschichte der Juden, 68). Diese Informationen speisen sich aus literarischen Quellen, wie den Makkabäerbüchern und den Berichten des Flavius Josephus (Bellum und Antiquitates – dazu Näheres in Kap. V), in Kombination mit den Qumrantexten (vgl. Anm. 23).

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Geht man mit Magness von einer Besiedlung Qumrans zwischen 100 und 50 v.Chr. aus, fällt der Beginn des Lebens und Wirkens der Einwohner entweder in die zweite Hälfte der Hasmonäer-Dynastie oder aber steht schon an deren Ende. Grundlagen für eine Ansiedlung sind sicher schon unter Johannes Hyrkan geschaffen worden, der durch außenpolitisch günstige Umstände einen selbstständigen hasmonäischen Staat konstituieren und durch taktische Eroberungszüge erweitern kann. Die Einnahme Idumäas sichert bis auf die südliche Spitze die gesamte Westküste des Toten Meeres ab, bis durch Alexander Jannai (103–76 v.Chr.) die ganze Region um das Tote Meer unter hasmonäischer Kontrolle steht. Strategische Stützpunkte an der Küste zur Sicherung des Reiches werden wohl erst in dieser Zeit etabliert.21 Das hasmonäische Königtum wird unter Aristobul (104–103 v.Chr.)22 oder Alexander Jannai23 etabliert. Letzterer zeichnet sich durch eine aggressive Expansionspolitik und auch hartes innenpolitische Vorgehen gegen das eigene Volk, speziell die Pharisäer24, aus, was sicherlich nicht von allen Untertanen geteilt worden ist. Ob sich dieser Protest in einem Rückzug nach Qumran zeigt, ist archäologisch zu untersuchen (s.u.).25 Eine kurze Phase der Entspannung erreicht die Regentin und Witwe Alexander Jannais, Alexandra Salome (76–67 v.Chr.). Ihr Name ist auf einem Qumranfragment belegt – jedoch ohne weiteren Kontext.26 21 S. Schäfer, Geschichte der Juden, 81f.90f., mit Magen / Peleg, Back to Qumran, 80– 82. S. auch Zangenberg, Desert, 106. Migrationen „im Zuge der hasmonäischen Expansion“ in den Osten des Jordans und Toten Meeres gehen damit einher (vgl. Zangenberg, Die hellenistisch-römische Zeit, 42f.). 22 Jos.Ant 13,301–319; Bell 1,70–84, wobei Münzfunde lediglich den Hohepriestertitel bestätigen, s. dazu Keel, Geschichte Jerusalems, 1252. Schäfer, Geschichte der Juden, 89f.; Sasse, Geschichte Israels, 213–216. 23 Strabo, Geographica XVI 2,40, folgend ist er der Erste, der sich König nennt, was durch Münzfunde bezeugt werden kann, s. z.B. Keel, Geschichte Jerusalems, 1253+1256– 1259. Möglicherweise ist der mit dem Zorneslöwen Identifizierte in 4QpNah/169 3–4 I,5f., einer Deutung zu Nah 2,12f., Alexander Jannai. Das liegt deshalb nahe, weil zuvor Demetrios (III. Eukaeros) in Z.2 genannt wird, der nach Jos.Bell 1,92 von den Juden (möglicherweise die Pharisäer, in Z.2+5 als jene bezeichnet, „die glatte Anweisungen geben“) zu Hilfe gegen Alexander Jannai gerufen wurde. Dieser schlägt jedoch 88 v.Chr. das Heer des Seleukiden und lässt wohl daraufhin 800 Pharisäer hinrichten (Jos.Bell 1,97, Reflex vielleicht in Z.5–7). Möglicherweise bezieht sich auch 4Q448 auf den Sieg des Herrschers über ebenjenen Demetrios III. – s. dazu zunächst Stegemann, Die Essener, 187f. 24 Vgl. Jos.Bell 1,85–106; Ant 13,320–406. Schäfer, Geschichte der Juden, 90–92; Sasse, Geschichte Israels, 216–220. 25 Ein anderes Szenario entwirft Taylor, The Essenes, 251f., nach der Alexander Jannai Händler in Qumran angesiedelt hat und die Herodianer dann später die Essener, die somit nicht vor 37 v.Chr. nachweisbar sein können. 26 Verewigt als „Schlomzion“ in 4Q331 1 II,7 (‫ )שלמציו ]ן‬und 4Q332 2,4 (‫)ש̇ל ֯̇מצ̇יון‬, die jedoch bis auf den Namen der Königin keinen weiteren Aufschluss geben. Über Alexandra Salome liegt lediglich der Bericht aus Jos.Bell 1,107–119 und Ant 13,405–433 vor. Ilan,

1. Von der Siedlung zu den Höhlen

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Inwieweit der Bruderstreit zwischen Aristobul II. (67–63 v.Chr.) und Hyrkan II. (63–40 v.Chr.), überhaupt die Entmachtung der Hasmonäer durch die Römer 63 v.Chr., namentlich durch Pompeius, der erfolglose Gegenschlag durch Aristobuls Sohn Alexander und die daraus resultierende Zerstörung der hasmonäischen Festungen unter Gabinus (57–55 v.Chr.) Reaktionen in Qumran hervorgerufen haben, ist nicht belegt. Das Gleiche gilt für Cäsars Sieg über Pompeius (48 v.Chr.), der durch die Unterstützung des Hyrkan und des Idumäers Antipater (Vater Herodes’ des Großen) dem einen wieder das Hohepriesteramt sichert und den anderen zum Verwalter Judäas erklärt. Die Ermordung Cäsars 44 v.Chr. verursacht Nachfolgekonflikte in Rom, die sich auch auf die Provinzen auswirken: In dieser undurchsichtigen Gemengelage wird Antipater 43 v.Chr. ermordet und drei Jahre später Hyrkan von Antigonos (Sohn Aristobuls II.), der mithilfe der Parther das hasmonäische Königtum für kurze Zeit wiederzuerlangen vermag (40–37 v.Chr.), abgesetzt.27 Obwohl Herodes in Rom offiziell zum König von Judäa ernannt wird, muss er drei Jahre lang um sein Herrschaftsgebiet kämpfen. Nach der Hinrichtung des Antigonos und weiterhin durch Rom gestärkt, regiert er Judäa und erweitert das Reich kontinuierlich (37–4 v.Chr.). Wie unter seinen unzähligen Regierungsmaßnahmen seine Familienpolitik, die sich besonders gegen die Hasmonäer richtet, oder die Ernennung ihm genehmer Hohepriester in Qumran wahr- und aufgenommen wurde, lässt sich nicht sagen. Unterstellt man eine königskritische und „religiös-konservative“ Haltung, werden die Hasmonäer vielleicht nicht betrauert, die Einsetzung nicht legitimierter Hohepriester aber sicherlich verworfen worden sein.28 Herodes’ rege Bautätigkeit hat die Region des Toten Meeres geprägt. Dazu zählen Neugründungen wie Archelais, Livias und Phasaelis im Norden des Toten Meeres. Die Siedlung En el Ghuweir südlich von Qumran und die Villa in Kallirhoe am gegenüberliegenden Ostufer werden unter ihm errichtet. Nicht zu vergessen ist der Ausbau von Masada und Machärus.29 Münzen lassen sich von Herodes dem Großen und seinen Nachfolgern in Qumran nachweisen, ebenso von den römischen Prokuratoren, die nach der Absetzung des Archelaos für dessen Herrschaftsgebiet Judäa, Samaria und Idumäa die Verwaltung zwischen 6 und 41 n.Chr. innehaben, bis zum kurzen Intermezzo AgWomen in Qumran and the DSS, 141f., vermutet im Pescher zu Nahum (4QpNah/169 3–4 III) einen negativ konnotierten Verweis auf Alexandra Salome. 27 Schäfer, Geschichte der Juden, 93–103; Sasse, Geschichte Israels, 233–244. 28 Nicht nur aufgrund seiner internen und externen politischen Bestrebungen sowie unerschütterlicher Romtreue, sondern auch seiner idumäischen Herkunft wegen ist Herodes in Judäa und in seinem später wachsenden Reich weder als Herrscher noch als Jude anerkannt worden (dazu Schalit, König Herodes, 1–33; Schäfer, Geschichte der Juden, 97–120; Sasse, Geschichte Israels, 245–259. Beyerle, Kriterien, 100–105). 29 S. dazu Sasse, Geschichte Israels, 259–279. Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 150. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 274.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

rippas I. (Enkel des Herodes, 39–44 n.Chr.).30 Nach dessen Tod bestimmen wieder römische Prokuratoren die Geschicke Judäas. Der wirtschaftliche Ertrag des Toten Meeres kommt den Römern zugute, was auch bedeutet, dass ihnen an der Stabilität der Region gelegen ist.31 Doch führt eine Anhäufung von Provokationen, die mit der Tempelschändung des Pompeius 63 v.Chr. begonnen haben und über die Ernennung des Herodes zum König, die Politik des Pontius Pilatus oder die Caligulakrise bis hin zur Tempelplünderung durch Gessius Florus 66. n.Chr. reichen, zum Ausbruch des Jüdischen Krieges.32 Es ist wahrscheinlich, dass die von Vespasian angeführten römischen Truppen um 68 n.Chr. die Siedlung in Qumran zerstört haben (s.o.). 1.2 Qumran in seinem Kontext33 Die stetigen Expansionen unter den Hasmonäern, v.a. unter Alexander Jannai, der die gesamte Region des Toten Meeres kontrolliert, haben eine rege Bautätigkeit, die Herodes der Große fortsetzt, sowie einen regionalen Aufschwung zur Folge, an dem auch die Römer interessiert sind.34 Von Handelsbeziehungen in hellenistisch-römischer Zeit ist auszugehen.35 Agrarische Funde, nachweisliche Kultivierungen, architektonische Reste und nicht zuletzt antike schriftliche Quellen36 bezeugen Landwirtschaft und Kontakte der einzelnen Städte. Nachweislich ist der Salzgehalt des Bodens in Qumran und Umgebung damals noch moderat, das Wasser demnach trink- und nutzbar. Neben dem ausgeklügelten Wasserversorgungssystem, einem Aquädukt, das sich bis heute nachweisen lässt, ist sicherlich auch die Nähe zu En Feschcha Vorausset-

30 De Vaux, Grabungstagebücher, 122–126; Lönnqvist, Numismatic Chronology, 123f. Weiter Schäfer, Geschichte der Juden, 132+137f. 31 S. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 277 (mit Verweis auf die Dokumente aus dem Nachal Chever und Wadi Murabba’at), der diese Übernahme allerdings nur für größere Liegenschaften, wie Jericho und En Gedi, vermutet. S. weiterhin Zangenberg, Qumran und Archäologie, 278f. 32 Schäfer, Geschichte der Juden, 121–144. Sasse, Geschichte Israels, 280–305. Mit Popović, Roman Book Destruction, 240f. mit Anm. 6 und passim, könnte man fragen, ob die Geschehnisse um 68 n.Chr. nicht doch stärkere Auswirkungen auf die Qumrangemeinschaft hatten. 33 Zu antiken Berichten bis hin zu frühchristlichen Autoren über geographische, geologische oder botanische Beobachtungen zum Toten Meer: Taylor, The Essenes, 210–243. 34 S.o. sowie Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 271–293. 35 Für das 6. Jh. n.Chr. lässt die Madeba-Karte am Jordan, aber auch an den Ufern des Toten Meeres Handel erahnen. S. dazu Hepper / Taylor, Madaba Mosaic Map, 35+41. 36 S. etwa Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 133–135. Für Kallirhoe: Jos.Bell 1,657 oder Ant 17,171f.

1. Von der Siedlung zu den Höhlen

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zung für eine Niederlassung gewesen.37 Die Wasserversorgung der Siedlung in Qumran ist gewährleistet mit verschieden großen Becken, die durch eine Wasserleitung verbunden sind und auch von dem Aquädukt gespeist werden. Gerade jene, in die Stufen führen, können als Mikwen, also Tauchbecken für rituelle Reinigungen, verstanden werden.38 Ebenso sind für die Trinkwasserversorgung und auch für die lokale Produktion (s.u.) Zisternen vorauszusetzen.39 En Feschcha garantiert dabei ein sicheres Wasservorkommen. Da die verstärkte Nutzung der Oase in die herodianische Besiedlungsperiode fällt, in der auch ein Ausbau der Anlage von Qumran zu verzeichnen ist, ist von einem gemeinsamen Konzept auszugehen. Eine 2.500 m lange Mauer lässt sich womöglich südöstlich von Chirbet Qumran nach En Feschcha rekonstruieren und ist ein offensichtliches Zeichen für die Zusammengehörigkeit beider Orte. Auch diese wird in das Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts datiert.40 Anders als das Wasser der Oasen in Jericho und En Gedi41 ist es in En Feschcha brackig, aber trinkbar und durchaus geeignet für die Kultivierung von Dattelpalmen, die in der Lage sind Salz zu filtern.42 Durch den ansteigenden Meeresspiegel ist eine humide Periode in der hellenistischen und römischen Zeit am Toten Meer zu verzeichnen. Pollenanalysen deuten auf eine vegetationsreiche Zeit, nach der speziell in En Feschcha neben wenigen Eichen, Tamarisken und Kiefern v.a. auch Olivenbäume, Süßgräser, Beifuß und

37 Dazu Zangenberg, Desert, 102f. Da Wadis gewöhnlich trocken sind, ist eine Wasserversorgung dort notwendig, wo es keine Quellen gibt, wie z.B. in Qumran (s. Magness, Archaeology of Qumran, 21). Zu den Ursprüngen des Aquäduktes aus der EZ II s. Magen / Peleg, Back to Qumran, 84–86.109. 38 Magness, Archaeology of Qumran, 147: möglicherweise ist bei 16 Becken von 10 Mikwen in der ersten Besiedlungszeit auszugehen (nach Reich, Miqwa’ot at Khirbet Qumran). Eine stete Zirkulation des Wassers, unabdingbar für rituelle Reinheit, war in jedem Fall gewährleistet (s. z.B. Humbert, L’espace, 190). 39 S. de Vaux, Grabungstagebücher, 5–7+15f., Abb. 3–6+14f.; Archaeology, 123. Dazu mit Abbildungen: Galor, Plastered Pools, 291–317, bes. 316f. Stacey, Reassessment, 34; 38–40.52f.+72 (zu Entstehung und Ausbau des Aquädukts: 11–23 – s. bereits dens., Archaeological Observations, passim, angegriffen von Magness, A Response, darauf verteidigt von Stacey, In Response, und erneut kommentiert von Magness, Final Response). 40 Dazu de Vaux, Archaeology and the DSS, 59f.+64f.; ders., Grabungstagebücher, 109f. u. Abb. 32+36 auf S. 32+36. S. Humbert, das „essenische Qumran“, 72; s. Abb. 1.3 bei dems., Some Remarks, 28. Weiterhin: de Vaux, Archaeology and the DSS, 59f.; Humbert, Some Remarks, 24–27. Zangenberg, Region oder Religion?, 52. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 241–243+247. Zweifel hingegen äußert Eshel, Review Hirschfeld, 393. 41 S. genauer Hadas / Zangenberg, En-Gedi, 94. 42 Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 238f. Von der Trinkbarkeit des Wassers in En Feschcha hat sich Taylor, The Essenes, 265 mit Anm. 73, persönlich überzeugt.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Gänsefußgewächse nachgewiesen sind.43 Für den Dattelanbau, der gleichfalls in Qumran vorauszusetzen ist, könnten dort gefundene Geräte wie Hacken, Sicheln und Laubmesser (für das Unterholz) genutzt worden sein.44 Dies passt zu einer von Yizhak Magen und Yuval Peleg in L75 interpretierten Dattelpresse45 und zu einem neben dem Hauptgebäude En Feschchas liegenden Becken, das der Herstellung von Dattelwein zugeordnet werden kann.46 Auch dass Ressourcen des Toten Meeres gewonnen, verarbeitet oder verkauft worden sind, kann überlegt werden. Demnach sind Asphalt- und Salzgewinnung ebenfalls mit En Feschcha und Qumran zu verbinden.47 Ein Überschuss an Datteln oder Salz kann verkauft und dafür Fehlendes wie Öl und z.T. Glasund Töpferwaren, oder Metallgeräte erworben worden sein.48 Auch wenn das „Verkehrsnetz“ zum Teil mehr aus Trampelpfaden denn aus Straßen bestanden hat, so ist es doch Hinweis genug auf eine Verbindung der Orte am Toten Meer untereinander. Dabei ist auch der Seeweg nicht auszuschließen – wenngleich nicht davon auszugehen ist, dass in Qumran ein Hafen zu vermuten ist wie an anderen Orten des Toten Meeres.49 Die Infra-

43 S. Neumann / Kagan / Stein, Region der Extreme, 16+18.23–25. Das auf dem Areal gefundene sogenannte yaḥad-Ostrakon (s.u.) nennt Feigen- und Olivenbäumen und gibt womöglich Auskunft über jene Kultivierung; s. Zangenberg, Desert, 104. Ders., Wildnis unter Palmen, 141, geht auch von „lockerer Getreideeinstreuung“ aus (s. auch ebd., 139). Literatur zu paläobotanischen Auswertungen bei Zangenberg, Region oder Religion?, 38f., Anm. 32. Auch Taylor, The Essenes, 266 mit Abb. 35, verweist auf eine fruchtbare Zone, gewährleistet durch zwei Quellen zwischen Qumran und En Feschcha (dazu auch Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 242f.). 44 S. Auflistung bei de Vaux, Grabungstagebücher, 150–152. Zangenberg, Qumran und Archäologie, 278, u. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 192, mit Abb. 78, u. Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 137–142. 45 Magen / Peleg, Back to Qumran, 59. 46 Allerdings wird auch Parfümproduktion oder gar Indigogewinnung in En Feschcha nicht ausgeschlossen, s. dazu Zangenberg, Die hellenistisch-römische Zeit, 49. 47 Nach Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 135–137, ist Asphalt reichlich im Toten Meer vorhanden, relativ leicht einzusammeln und auch nicht auf einen bestimmten Teil des Toten Meeres begrenzt, was heißt, dass auch die Einwohner Qumrans theoretisch am Asphalthandel teilhaben konnten. Laut Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 276, dienen Häfen vielleicht auch als Sammelbecken für Asphalt. So auch Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 146 mit Anm. 58, zu Rujm el-Bahr. Zu Salzgewinnung und -handel in En Feschcha und am Toten Meer: Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 39f.243+274f. 48 S. Zangenberg, Die hellenistisch-römische Zeit, 43. 49 Schon von de Vaux, Archaeology and the DSS, 5f., erwogen. S. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 274–276, vgl. Abb. ebd., 285. Donceel / Donceel-Voûte, Archaeology of Khirbet Qumran, 32f. Nach Taylor / Gibson, Qumran Connected, 182, ist dies nicht mehr zu bestimmen. Äußerst kritisch ist Fabry, Archäologie und Text, 84, hinsichtlich aller Behauptungen von Häfen: Höchstens in Rujm el-Bahr sei eine Bootsanlegestelle anzunehmen (ebd., Anm. 44).

1. Von der Siedlung zu den Höhlen

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struktur zumindest ist ein Indiz für Handelswege, die auch durch Qumran führen.50 Qumran selbst liegt an keinem Knotenpunkt, aber seine Bewohner konnten durchaus die Wege und Pfade aus der EZ II nutzen, um umliegende Orte oder größere Straßen zu erreichen:51 Über den westlich über das Buquei‘a-Plateau führenden Qumran-Pfad ist den Qumraniten, wenn auch nicht auf leichtem und direkten Wege, die Festung Hyrkania erreichbar gewesen.52 Schwieriger wird es, von dort aus einen Pfad nach Jerusalem auszumachen: die Erreichbarkeit scheint möglich gewesen zu sein, ein Handelsweg hingegen nicht.53 Ein weiterer Weg führt von En Gedi über Qumran nach Jericho.54 Dass 6 n.Chr. die Römer direkte Kontrolle über Jericho und En Gedi ausüben, ist archäologisch und durch Schriftfunde belegt – inwieweit dieser Umstand Qumran beeinflusst hat, lässt sich nicht feststellen.55 Ein Ostrakon aus Qumran (KhQ 1; s.u.) erwähnt Jericho, auf einem weiteren ist En Gedi (KhQ 2) nur zu erahnen.56 Zumindest ersteres, das zwar bestenfalls als Entwurf für eine Urkunde gelten kann, ist vielleicht ein Hinweis auf eine Verwaltungsfunktion in Qumran, sicher aber doch auf eine Form von Austausch.57 Weiteren Aufschluss darüber können ähnliche Funde geben. Jedoch gibt es unter den vielen mittlerweile gefundenen beschrifteten Ostraka und Krügen nichts (außer der Keramik selbst), was auf Handel hindeuten würde.58 Da zumindest in der hasmonäischen Zeit in Judäa bislang keine Importware nachgewiesen worden ist und sich dies erst unter Herodes dem Großen ändert, sind in Qumran gefundene bemalte Schüsseln und cremefarbene Krüge 50

S. Zangenberg, Desert, 104f. Taylor / Gibson, Qumran Connected, 174. Ebd., 165–171, wird unterschieden in Hauptverkehrsstraßen („‚highway‘“, „‚main road‘“), Landstraßen („‚small‘ or ‚regional road‘“) und Wege („rough ‚path‘“) sowie Pfade („Beaten Tracks/Trails“). Zu den verschiedenen Handelswegen s. ebd., 171–191. S. ebenso Humbert, Some Remarks, 23, und Magen / Peleg, Back to Qumran, 109.112. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit in the Second Temple Period, bes. 224. 52 Der zum Buqei‘a-Plateau führende „Qumran Pass“ soll nach Taylor / Gibson, Qumran Connected, 182–191.195, zur Zeit der hier diskutierten Qumranbesiedlung nicht von großer Wichtigkeit gewesen sein. 53 Taylor / Gibson, Qumran Connected, 191–194. 54 Hirschfeld, Early Roman Manor Houses, 172f. Taylor / Gibson, Qumran Connected, 179–181. Alle seien aus der späten Eisenzeit, können aber von den Bewohnern Qumrans genutzt worden sein. 55 S. zunächst Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 277. Zu nennen ist hier v.a. eine Urkunde aus dem Nachal Chever, die En Gedi als „Dorf unseres Herrn Kaisers“ bezeichnet. 56 S. Cross / Eshel, Ostraca, 18f.+27. 57 S. Zangenberg, Desert, 105f. Ders., Wildnis unter Palmen, 154f., ders., Region oder Religion?, 45–48. 58 S. dazu Lemaire, Inscriptions du khirbe, 341–372. 51

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

nabatäischen Ursprungs somit der zweiten Phase, bzw., in Magness’ Datierung, der Periode 1, zuzuordnen. Für die Gesamtbesiedlung zeigt aber ein Vergleich der Keramik, dass Handel mit Jericho, Jerusalem und in der Region überhaupt stattgefunden hat.59 Der für die Weiterverarbeitung notwendige Ton kann aus der Umgebung Qumrans sein. Tatsächlich herrscht auch an diesem Punkt der Qumranforschung keine Einigkeit: Analysen belegen, dass ein Teil der sogenannten Schriftrollenkrüge aus der Nähe Jerichos stammt, aber auch direkt mit dem Wadi Qumran in Verbindung gebracht werden kann. Wiederum kann untersuchtes Rohmaterial der Krüge (der Höhlen und dem Areal) nicht direkt der Siedlung oder der Nähe der Siedlung und der Ton Moza (nordwestlich von Jerusalem) zugeordnet werden. Letztlich kann das auch ein Beweis für beides sein: lokale Produktion und lokaler Handel.60 Südlich von Qumran befindet sich Chirbet Mazin – eine Festung, zu der möglicherweise auch ein Hafen gehört hat.61 30 km weiter folgt En Gedi, wo dank Süßwasserquellen und kluger Landwirtschaft neben Dattelpalmen und Balsambäumen auch Getreide, Gemüse und weiteres Obst angebaut werden konnte.62 Weiter nach Süden schließt sich Masada an, das unter Alexander Jannai als Fort, dann durch Herodes den Großen zu einer Palastanlage ausgebaut worden ist.63 En Boqeq, wiederum eine Oase und daher reich an Balsambäumen, weist wie Qumran einen Turm auf.64 An der Südspitze des Toten

59 Bar-Nathan, Winter Palaces, 272–277. Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 30, führen die Spezifika der Keramik auf den Erfindungsgeist der Essener und Nabatäer, nicht unbedingt auf einen Austausch zurück. 60 Zum Ton aus Qumran: Magen / Peleg, Back to Qumran, 68; Gunneweg / Balla, Pottery Production; aus Jericho: Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 24; aus Moza: Michniewicz / Krzysko, Provenance of Scroll Jars, bes. 76. S. auch Magness, Archaeology of Qumran, 74. Zangenberg, Qumran und Archäologie, 281–288. Eine enge Verbindung mit Jericho hebt Stacey, Reassessment, 58+64, hervor. S. auch Bar-Nathan, Winter Palaces, 266. Zur weitergehenden Diskussion über ausschließlich in Qumran hergestellte Töpferware s. Magness, The Connection, bes. 194, und vorsichtiger Zangenberg, The Functions, 200f. 61 So nach Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 276. Nach Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 146, steht die Deutung der Anlage noch aus. 62 Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 138f. Hadas / Zangenberg, En-Gedi, 96f. Auch hier vermutet Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 276, einen Hafen, wenngleich er archäologisch nicht bestätigt ist. Für den Hafen sprechen drei gefundene Anker. 63 S. dazu Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 283. S. weiterhin Galor, Masada, 103–110. 64 Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 282f., schließt darauf, dass es wie Qumran, En Feschcha und En Ghuweir ein befestigtes Landgut in herodianischer Zeit gewesen ist.

1. Von der Siedlung zu den Höhlen

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Meeres befindet sich Zoara, wieder eine Oase und so auch mit Dattelpalmen.65 An der Nordspitze des Toten Meeres liegt Rujm el Bahr, eine Festung mit Bootsanlegestelle. Da dieser Hafen etwa zwei Wegstunden entfernt von Qumran liegt, könnte dieser durchaus von den Einwohnern oder Händlern genutzt worden sein.66 Südlich davon entlang der Westküste findet sich Kallirhoe, aufgrund des Thermalbades als „Kurort“ zu bezeichnen, mit einem kleinen Hafen oder Ankerplatz in En ez-Zara.67 Es ist verbunden mit Machärus, wie Masada ursprünglich als Fort, dann als Palastanlage konzipiert, wobei der Festungscharakter nicht aufgegeben wurde.68 Es kann angenommen werden, dass im Zuge des Baubooms unter Herodes dem Großen Kallirhoe und Machärus mit En Gedi und Masada sowie mit Qumran und Jericho bzw. Jerusalem ein wichtiges Dreieck bilden.69 Voraussetzungen für dieses Dreieck bieten außerdem Rujm el-Bahr oder Chirbet Mazin, da beide Orte sowohl über den dafür notwendigen Hafen verfügen als auch eine entsprechend ausgestattete Anlage haben.70 All diese Orte lassen sich von Qumran aus entlang des Toten Meeres zu Lande und zu Wasser erreichen, wobei Jericho und Zoara, vielleicht auch En Gedi, wohl Knotenpunkte sind.71 1.3 Thesen zur Anlage72 Die einzelnen Räume und vielen Gebrauchsgegenstände, wie die Mengen an Essgeschirr, sowie Öfen, Tierknochen, Dattelkerne, das Wassersystem mit den zahlreichen Becken, unter ihnen womöglich zehn Mikwen (s.o.), die Lage in der Mergelterrasse überhaupt und nicht zuletzt der Friedhof sind einzeln und zusammen sinnvoll zu bedenken und einer Bewohnerschaft zuzuordnen.

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Der dazugehörige Hafen Mahoza ist bislang nur aus Papyri bekannt, s. dazu Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 139. S. auch Hadas / Zangenberg, En-Gedi, 97. Zu Ausgrabungen um Zoara s. Politis, Zoara, 127–134. 66 Zangenberg, Qumran und Archäologie, 280. 67 S. dazu Clamer, Paradies am Meeresrand, 115–124. 68 Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 283. S. Galor, Masada, 110–112. 69 Clamer, Paradies am Meeresrand, 124. 70 Mit Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 276f., u. Zangenberg, Region oder Religion?, 35f. 71 S. Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 147. S. ebf. Hadas / Zangenberg, En-Gedi, 94. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 282. 72 S. Magness, Archaeology of Qumran, 69–71, Meyers, Khirbet Qumran, 24–29, Frey, Qumran und die Archäologie, 16–27.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

1.3.1 Das „Skriptorium“ Da die Schriftrollenfunde de Vaux veranlassen, auch in der Siedlung Grabungen durchzuführen, ist es nicht verwunderlich, dass er Locus 30 (L30) mit der Schriftrollenherstellung in Verbindung bringt und als Skriptorium bezeichnet. Demnach sei das Obergeschoss als Schreibraum genutzt worden, in dem auf Tischen mit Sitzbänken Leder- und Papyrusrollen ausgerollt, geölt, beschrieben, repariert und anschließend in Nischen verwahrt worden seien.73 Die Aufbewahrung kann weder bewiesen noch widerlegt werden. Für diese Zeit ist es jedoch noch nicht belegt, dass Schreiber an einem Tisch gesessen und Texte kopiert hätten, was von de Vaux zwar diskutiert, für ihn aber letztlich doch erst durch zwei Abbildungen aus späterer Zeit bestätigt wird.74 In L30 selbst sind zwei Tintenfässer gefunden worden, dazu eines in unmittelbarer Nähe (L31), das allerdings auch Periode 3 zugeordnet werden kann. Fünf weitere stammen aus späteren Grabungen in Qumran, deren Fundstrata allerdings nicht angegeben sind.75 Die Tintenfässer verweisen mit 73

De Vaux, Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 212, u. Archaeology and the DSS, 30f. Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 30. 74 De Vaux, Archaeology and the DSS, 32. Ebd., 30, verweist er selbst (mit Literatur) darauf, dass es in der Antike nur Belege für Schreiber gebe, die auf dem Boden oder auf einer Bank gesessen, aber stets auf dem Schoß geschrieben haben. Weiterhin diskutiert er die Überlegung, dass man auf dem Tisch gesessen und die Bank als Fußbank benutzt habe (Theorie Metzgers). Er bezweifelt, dass der Tisch im Falle Qumrans das Gewicht des Schreibers hätte tragen können, und hält es daher für wahrscheinlicher – da auch der Tisch zum Boden hin schmaler würde –, dass der Schreiber in typischer Haltung bequem auf der Bank sitzen und die Knie an den Tisch lehnen konnte. Das Schreiben an Tischen sei zwar erst für das 8./9. Jh. n.Chr. archäologisch nachweisbar. Dennoch nennt er ein Mosaik auf einem Sarkophag aus Nordafrika aus dem 4./5. Jh. n.Chr. und ein Relief aus dem 3./4. Jh. n.Chr. aus Ostia, auf denen ein bzw. zwei Schreiber an einem Tisch schreibend (Papyrus u. Wachstafeln) abgebildet sind. Manning Metzger macht darauf aufmerksam, wie schmal der Befund von an Tischen sitzenden Schreibern bis ins Mittelalter hinein ist. Demnach wären Notizen und kürzere Dinge im Stehen erledigt, Kopien sitzend auf dem Boden oder einer Bank, mit einer Tafel oder Papyrus auf den Knien oder mit einer Hand darunter erledigt worden (s. Material und Illustrationen dazu bei Metzger, Writing Desks, bes. 123, sodann ders., Lexicon, 13). Für ihn reicht de Vauxs Nachweis nicht aus, zumal dieser 200 Jahre später als die Qumranbesiedlung anzusetzen ist. Clark, Ancient Scribe, 173–182, nun wieder zweifelt an Metzgers Interpretation und diskutiert auch de Vaux. Demnach wären sowohl Körperhaltung als auch ein Vergleich mit ähnlichen Funden aus Jerusalem und Amman ein deutliches Indiz für die althergebrachte Schreiberhaltung (173+182). Für ihn ist der Tisch eine Ablage für das Schreibmaterial (181f.). Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 30f., folgen de Vaux (s. jedoch Abb. 1–11, S. 31). Stökl Ben Ezra, Qumran, 114, spricht sich für die Vorbereitung der Schriftrollen auf dem Tisch aus. 75 De Vaux, Grabungstagebücher, 146 u. 7f.; Archaeology and the DSS, 29f. Stegemann, Die Essener, 59. Zu den neueren Tintenfässerfunden: Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 32. Eines der fünf wird in die EZ II datiert; ein weiteres Tintenfass wurde in En Feschcha geborgen.

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Sicherheit auf Schreibertätigkeit – allerdings nicht in dem von de Vaux beschriebenen Szenario: Die in ihrer Zeit völlig singuläre Schreiberhaltung kann nicht plausibel erklärt werden, und in dem Rahmen von einer Erfindung der Essener auszugehen, entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Fundierung.76 Sie als Teil eines Produktionsprozesses und die vermeintlichen Tische und Bänke als Arbeitsunterlage oder zu Zwecken der Lagerung zu sehen, erscheint plausibler.77 Robert Donceel und seine Frau Pauline Donceel-Voute haben anhand der Münzfunde, der Lampen, Glas- und Töpferwaren, Stein- und Metallobjekte auf eine nicht-religiöse Nutzung der Gebäude geschlossen.78 L30 interpretieren sie als Speisesaal, einen Tisch demnach als kliné, auf der gegessen wurde. Zusammen mit den reichen Funden an Koch- und Vorratsgeschirr in L53 verstehen sie Qumran als ein Landhaus aus hasmonäischer und herodianischer Zeit.79 Nach dieser Theorie einer Villa rustica aufgrund von wertvollen Töpferei- und Glasprodukten, die auf einen gewissen Luxus schließen ließen, sei von Frauen und Kindern auszugehen. Diese Villentheorie scheitert nach Magness an einem Vergleich mit der zeitgenössischen Architektur: Qumran lasse entsprechende Ausstattung, Dekoration und ebenso äußerliche Charakteristika eines Landhauses vermissen (auch zu Humbert – s.u.).80 Hartmut Stegemann hat die Idee vom Skriptorium wieder aufgenommen. Seiner These einer fast autarken Wirtschaftseinheit ist viel abzugewinnen, wenn auch die Zuteilung und Nutzung der einzelnen Räume für eine Rohlederproduktion in En Feschcha und eine Weiterbearbeitung und -beschriftung von Schriftrollen in Qumran archäologisch nicht nachweisbar ist, wie u.a. Ferdinand Rohrhirsch gezeigt hat.81 Eine enge Verzahnung mit En Feschcha bleibt wahrscheinlich (s.o.). Wenngleich wohl weniger von einer Rohlederproduktion auszugehen ist, ist die Nutzung von Schilfrohr sowie einiger Gebäudeteile als Wohnräume und Stallungen durchaus plausibel. Ebenso ist die wirtschaftliche Nutzung nicht von der Hand zu weisen.82 Auch der religiöse 76

So Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 30. Vgl. Stacey, Reassessment, 66. Vgl. hingegen Stökl Ben Ezra, Qumran, 114. 78 Donceel, Les Ruines, 28–33. Ders. / Donceel-Voûte, Archaeology of Khirbet Qumran, 3–13. S. auch Zangenberg, Einzigartigkeit, 139–141. 79 Donceel, Les Ruines, 34f. Donceel / Donceel-Voûte, Archaeology of Khirbet Qumran, 22–32. Die Deutung des Tisches unterstützt Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 139+142. Magness, Archaeology of Qumran, 2.18.90–100. 80 S. nur Magness, Archaeology of Qumran, 93–97. 81 Rohrhirsch, Geltungsbegründungen, passim. Die Idee der Lederherstellung nimmt Stacey, Reassessment, 53–55, wieder auf, ohne die Problematik um Stegemanns These zu berücksichtigen. Er geht nur von einer Produktionsstufe in Qumran aus – verbindet diesen Zwischenschritt aber dezidiert nicht mit der Beschriftung der Rollen; für ihn sind die Höhlen aus Jerusalem bestückt worden (ebd., 72 u. unten). 82 Stegemann, Die Essener, 53–69. 77

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Charakter muss dabei nicht aufgegeben werden, bedenkt man allein die Mikwen, selbst wenn sich die Versammlungshalle für das dreimal tägliche Gebet nicht nachweisen lässt. Frauen sieht Stegemann zuständig für die Weiterverarbeitung von Schilfrohr zu Flechtmatten, Körben und Tragetaschen, wie sie in Qumran gefunden worden sind.83 Eine solche Wirtschaftseinheit kann in einem weiteren Schritt mit Handel kombiniert und so eine regionale Vernetzung mit anderen Orten des Toten Meeres vorausgesetzt werden.84 In diese für ihn essenische Gemeinschaft ließen sich Frauen und auch Kinder einbeziehen. Qumran sei nach Stegemann allerdings nicht „das ‚Hauptquartier‘ der Essener gewesen […], sondern lediglich der Hauptort ihrer HandschriftenHerstellung ab etwa 100 v.Chr.“85 1.3.2 Der Festungscharakter Qumrans Welche Funktion Frauen in Norman Golbs Festungsthese einnehmen, wird nicht ganz klar. Er ist zu sehr darauf bedacht, die Essener-These zu widerlegen, indem er die Skelettfunde von Frauen und Kindern gegen die behauptete Ehelosigkeit der Essener stellt, vom Inhalt der Schriften her eine essenische Nutzung der Anlage sowie eine Verbindung von Schriften und Anlage überhaupt bestreitet und den Festungscharakter der Anlage hervorhebt.86 Der angebliche Wehrturm, die Verteidigungsmauer und die Chirbe überhaupt als „integraler Bestandteil des ringförmig angelegten Verteidigungssystems“ lassen sich allerdings eher wider- als belegen.87 Von der Historizität des josephischen Berichtes über die Zerstörung der Festungen der Hasmonäer unter Gabinius um das Jahr 57 v.Chr. (s.o.) ausge-

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Stegemann, Die Essener, 75, s. auch 55f. (Ähnliches wird auch in der gesamten Region des Toten Meeres gefunden, s. dazu Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 140.) Es ist allerdings nicht vollständig geklärt, ob dies als reine „Frauenarbeit“ zu bezeichnen ist. Im Codex Hamurapi (§ 274) wird sicher, in dem altbabylonischen Atramchasis-Mythos möglicherweise (Tafel 3 II,10) ein Rohrmattenflechter genannt (die Rekonstruktion des Korbflechters im akkadischen Gilgamesch-Epos ist als solche nicht gesichert, s. Tafel 11, Z.50); s. dazu: TUAT I/1, 74; TUAT III/4, 638+730. Trotz des großen zeitlichen Abstands lässt sich aus diesen Beispielen ersehen, dass derlei Arbeit nicht notwendig mit Frauen verbunden werden muss. 84 Zangenberg, Desert, 104. 85 Stegemann, Die Essener, 265–275 (Zitat: 193). 86 Vgl. Golb, Qumran, 19–64. Wobei er Vorgänger hat: Vor der Entdeckung der Schriftrollen ist Chirbet Qumran von einigen Palästinaforschern besucht worden, auffallend häufig wurde sie als Festung interpretiert. Vgl. hierzu Claußen, Identifizierung, 62.65.69f. 87 S. zunächst Golb, Qumran, 54f.59–62. Schon Steckoll, Marginal Notes, 39, bestimmt die Verweildauer auf dem Areal bis kurz nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels. Dann Claußen, Identifizierung, 71f., Rohrhirsch, Wissenschaftstheorie, 318–328; RöhrerErtl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 259f. mit Anm. 48; Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 301, Anm. 34, u. Zias, Confusion, 241.

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hend, hätte eine Festung in Qumran schon vor 68 n.Chr. zerstört werden müssen. Dies und mehr noch der archäologische Befund von Magen und Peleg lassen eher auf eine Festung zum Zwecke der Überwachung des westlichen Küstengebietes des Toten Meeres, nicht aber zu dessen Verteidigung schließen.88 Auch auf diese Weise kann eine strategisch gute Lage genutzt werden. Hirschfeld geht ebenfalls davon aus, dass Qumran in hasmonäischer Zeit zunächst eine Befestigungsanlage gewesen sei, in der „lediglich etwas mehr als 20 Menschen“ gewohnt haben. Die Ähnlichkeit mit einem befestigten Palast Johannes Hyrkans (134–104 v.Chr.) in Jericho spreche dafür, womit die Entstehung in dessen Regierungszeit falle.89 1.3.3 Eine Töpferei Für Magen und Peleg ist die erste Phase der strategischen Nutzung der Siedlung unter den Hasmonäern zu Beginn des 1. Jh.s v.Chr. durch eine Keramikmanufaktur ab Mitte des 1. Jh.s v.Chr. abgelöst worden, was sie auch anhand des Bewässerungssystems vermuten.90 Schon de Vaux hat aufgrund der unzähligen Tonkrüge, -schüsseln und -teller eine Töpferei in Qumran angenommen, was die zwei Archäologen durch weitere Ausgrabungen bestätigen und auf die gesamte Anlage ausweiten.91 Geht man bei der Menge an Töpfereiprodukten weiterhin davon aus, dass nicht nur für den Eigenbedarf produziert, sondern auch gehandelt wurde, wäre wieder eine gewisse lokale Vernetzung vorauszusetzen (s.o.) – ein System, in das Frauen möglicherweise eingebunden waren.92 1.3.4 Opferhandlungen? Ebenfalls von zwei verschiedenen Nutzungen geht Jean Baptiste Humbert aus: Um 100 v.Chr. (ab Periode 1b) habe in Qumran ein hasmonäisches Landhaus, vielleicht sogar eine Winterresidenz, verbunden mit En Feschcha als „Vergnügungspavillon“, gestanden bis zu seiner Zerstörung 57 v.Chr. 88

Dies gilt für Golb nur in Friedenszeiten: Qumran, 62f. Zumal sich das Areal sowohl für die Römer als auch für jene aus dem Bar Kochba-Aufstand doch wohl als Schutz und günstiger Aussichtspunkt im Falle der Gefahr ideal zeige und darum als kurzzeitiger Aufenthaltsort diene. 89 Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 102–132, bes. 108.112+130. Ders., Qumran in the Second Temple Period, 226–233. 90 Magen / Peleg, Back to Qumran, 72–84+84–94.101–106. 91 S. dazu de Vaux, Archaeology and the DSS, 16f. Zum Bestand s. dens., Rapport préliminaire, 94; Exploration de la région de Qumran, 543.552f.; Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 214–228; Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 551– 563, sowie Grabungstagebücher, 132–146. Magen / Peleg, Back to Qumran, 86–94+110f. Zur Herkunft des Tons s.o. Anm. 60. 92 Magen / Peleg, Back to Qumran, 99–101.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

oder 31 v.Chr.93 Darauf sei der Ort unter essenischer Nutzung gewesen.94 Von der plinischen Notiz ausgehend (s. dazu Kap. VI) bezieht Humbert auch die Region um Qumran mit En Feschcha und En Gedi ein. Die Gebäude in Qumran seien ein Ersatz für den Jerusalemer Tempel und von Essenern, die sich vom restlichen Judentum aufgrund von Kalenderfragen abgespalten hatten, zu Festzeiten genutzt worden. Hier nennt er auch die Darbringung von Opfern, die ab 31 v.Chr. in L135 (mit L138) stattfanden und dann nach L77 und 86 verlegt wurden, was Altarreste belegen würden.95 Die Essener versammelten sich seiner Ansicht nach ausschließlich zu kultischen Zwecken in Qumran, ständig in den Gebäuden lebten höchstens 15 Personen, die sich um die Instandhaltung, aber auch um den Kultbetrieb gekümmert haben sollen.96 De Vaux hat L77 aufgrund der großen Menge Essgeschirrs als Speiseraum (Refektorium) verstanden.97 Wie auch schon oben angedeutet, ist für die Produktion von verschiedener Töpferware sowohl für den Handel als auch für den Eigenbedarf eine Art Stauraum vorauszusetzen. Für die Tierknochen in mehreren Loci Qumrans (besonders L130), die mal in einem Gefäß und mit einem Deckel verschlossen, mal zwischen Scherben, aber nie sonderlich tief und zumeist knapp unter der Oberfläche vergraben worden sind, hat er allerdings Opfermahle in Erwägung gezogen – einräumend, dass er dies nicht beweisen kann. Diese Mahle datiert er zwischen Periode 1b und 2, also wie später Humbert um 31 v.Chr.98 Magen und Peleg führen für das Vergraben der Knochen hygienische Gründe an: Das Wegwerfen der Knochen außerhalb der Siedlung hätte andere Tiere angezogen, weswegen sie innerhalb des Areals vergraben werden muss-

93 Humbert, un site énigmatique, 14–16; ders., das „essenische Qumran“, 67.69. Ausführlich bei dems., L’espace, 163.165–175+210f. Dazu Magness, Archaeology of Qumran, 90. 94 Humbert, Some Remarks, 31–39; un site énigmatique, 21. Rohrhirsch, Wissenschaftstheorie, 307–317. Als Indiz für eine jüdische Sekte, die sich abschotten wolle, nennt Humbert, das „essenische Qumran“, 70, den Einschluss des Gebäudes durch Mauern, die nur durch zwei „schmale Türöffnungen“ Einlass gewähren. 95 Humbert, un site énigmatique, 15+21. Ders., L’espace, 175–203+211. Humbert geht von Getreide-, Wein-, Wasser-, Erstlings- und Ernteopfern aus (201), bleibt bei reinen Priesteropfern aber unsicher. Ders., das „essenische Qumran“, 72. Dazu Frey, Qumran und die Archäologie, 21f. 96 Humbert, L’espace, 162+175. 97 De Vaux, Archaeology and the DSS, 11. 98 De Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 549f.; ders., Archaeology and the DSS, 12–14. Fortgeführt durch Magness, Archaeology of Qumran, 119f., s.u. Vgl. auch Humbert, L’espace, 187–189.205+210f. Zu einem Nebeneinander von rein und unrein: Branham, Hedging the Holy, 129f. Zangenberg, Einzigartigkeit, 131–138, bezweifelt, dass hinter der Vergrabung der Knochen ein System stehe.

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ten.99 Auch dass die Knochen der Weiterverwendung, wie der Herstellung von Balsam, gedient haben können, sollte nicht ausgeschlossen werden.100 Grundsätzlich von einem rituellen Hintergrund ausgehend vermutet auch Magness aufgrund der Menge an Asche- und Knochenresten sowie Tonscherben einen Altar in L130 bis zum Ende von Periode 1. In Periode 2 sei an anderer Stelle mit ähnlichem Fundkontext die Opferpraxis fortgeführt worden.101 Neben dem Jerusalemer Tempelkult könne demnach ein paralleler Kult in Qumran stattgefunden haben. Je stärker Qumran als heilige Stätte gesehen und mit dem Tempel in Jerusalem verglichen wird, desto weniger werden Frauen in die These eingebunden. Rituelle Opferhandlungen, deren Reste in den Tierknochenfunden vorliegen mögen, bestimmen die Einwohner Qumrans und die Stätte selbst noch nicht noch nicht zu einem Ersatzort für den Tempel und seinen Opferdienst.102 Dieser Gegenthese stellt sich Dennis Mizzi, indem er einwendet, dass das Opferfleisch aus Jerusalem stammen und in Qumran verzehrt worden sein könne. Auch rituelle Mahle – ähnlich, aber nicht gleich Opfermahlen – schließt er nicht aus.103 99 Magen / Peleg, Back to Qumran, 94–96+110. Dies kann mit Pfann, A Table prepared, 172, jedoch auch auf heilige Mahle und Opfer zu beziehen sein. Gegen Magens und Pelegs These ist auch eingewandt worden, dass das Vergraben der Knochen zu dicht unter der Oberfläche erfolgt sei, um Tiere abhalten zu können (s. Magness, Archaeology of Qumran, 120; vgl. dazu auch Stökl Ben Ezra, Qumran, 115+297, mit ebendieser Argumentation). Auch Ekroth, Greek side, 42, unterstützt die rituelle Bedeutung, von der die Verwahrung der Knochen in Gefäßen zeuge. 100 S. Taylor, The Essenes, 338. Stacey, Reassessment, 55, nimmt dies auf, verweist auch darauf, dass aus Knochen gewonnener Klebstoff oder Gelatine zu einer Verbesserung der Schreiboberfläche von Pergament verwendet werden – wobei er zugibt, dass dies für die Zeit des Zweiten Tempels nicht belegt ist. 101 Ihre ursprüngliche These, dass die Knochen Reste für den Opferersatz im Heiligen Mahl darstellen (Magness, Dogs and Chicken, 349–353+361f.; dies., Communal Meals), ist somit modifiziert. Sie nimmt die Beobachtung de Vauxs (Archaeology and the DSS, 12– 14) auf, nach dem die gefundenen Tierknochen kaum Brat-, sondern mehr Kochspuren aufweisen, was für Tempelopfer spreche (s. zu 4Q397 6–8,2f.: Magness, Archaeology of Qumran, 119f.+127–129). Zur Lokalisierung und Begründung eines Altars in Qumran s. nun ausführlich dies., Were Sacrifices Offered at Qumran?, 10–13+21–30. S. außerdem ihren gleichnamigen Aufsatz bei Hellholm / Sänger (Hg.), The Eucharist: 131–155. 102 Ekroth, Greek side, 43–50, folgend sei ein Altar an der von Magness vermuteten Stelle nicht auszuschließen, wofür er die kalzinierten unter unverbrannten Knochen in L130 anführt: „If the bones described as calcined really are so, we should assume the presence of an altar installation that could support burning of the required intensity.“ (46) Damit stärkt Ekroth die These ritueller Mahle in Qumran, nicht jedoch der Etablierung eines parallelen Kultes. S. noch Wassen, (Im)purity Levels, 120. 103 Mizzi, Animal Bone Deposits, 65–70. Zu kritischen Rückfragen an Magness s. Schiffman, Qumran Temple?, 83–85. Für den Befund in den gruppenspezifischen Texten s. Kap. V.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

1.3.5 Kombinationen von Thesen Alan Crown und Lena Cansdale vermuten Reste eines Kais und sehen den Hinweis auf einen Hafen, der zu Qumran gehört haben soll und durch den Qumran An- und Abfahrtort für weiteren Handel und ein Umschlagsplatz für Waren wie Salz, Balsam, Parfum und Asphalt gewesen sei, in enger Beziehung zu Jerusalem und Jericho. Die Möglichkeit der Salzverarbeitung in Qumran sei mit Gebühren und Steuereintreibung für den Salzhandel verbunden gewesen, der ebenfalls vor Ort koordiniert worden sei. Als ständige Bewohner scheinen sie eine Garnison zu vermuten, die, worauf auch der Turm verweise, für die Sicherheit des Handels und der Handelnden in Qumran stationiert gewesen sei, aber auch Wegzoll kassiert habe. Die wohl v.a. aus diesem Grunde Durchreisenden seien in einer Art Gasthaus bewirtet und im Todesfall auf dem Friedhof begraben worden.104 In der etwas später erschienenen Monographie Cansdales wird die Anlage Qumrans um ein Hospiz erweitert, dessen Verstorbene ebenfalls auf dem Friedhof bestattet worden seien.105 Demnach sind alle Begrabenen auf dem Friedhof Reisende verschiedener Orte, Frauen und Kindern somit Mitreisende. Dem Friedhofsbefund entspricht dies nicht (s.u.). Der Fokus liegt, wie schon bei Golb, darauf, die Essener als Bewohner und Urheber der Texte sowie eine Verbindung der Texte mit dem Areal zu bestreiten.106 Ein komplexes Zollsystem hätte allerdings eindeutigere Spuren und vielleicht auch entsprechende schriftliche Quellen, wenn nicht in Qumran, dann außerhalb, hinterlassen. Die Anlage selbst wird als Waren- und Handelsplatz, Salzproduktions- und Raststätte mit Hafen sowie Hospiz überinterpretiert und die These Crowns und Cansdales deutlich überstrapaziert. Anders als für Magen und Peleg führt für Hirschfeld der Ausbau der Anlage zu einem Landgut (Herrenhaus) in herodianischer Zeit107 wieder zu der These der Donceels zurück, nimmt aber auch andere bereits genannte auf. Demnach befanden sich im Hauptgebäude Wohntrakte und die Nebengebäude dienten der unterschiedlichen landwirtschaftlich-industriellen Nutzung.108 Hier lässt sich ebenso die Töpfereithese (s.o.) einbinden, das Essgeschirr erklären, Stallungen, ebenso die Mikwen, die, wenn von einer jüdischen Be-

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Crown / Cansdale, Essene Settlement?, 26+73f. Insgesamt gehen sie relativ unreflektiert mit den essenischen Berichten bei Plinius, Philo und Josephus um (s. auch ebd., 30–33); aus ihnen allein zu schließen, dass Essener nicht das Areal benutzt haben können, ist nicht überzeugend. 105 Cansdale, Qumran and the Essenes, 185. 106 Cansdale, Qumran and the Essenes, passim. 107 Hirschfeld, Early Roman Manor Houses, 162–171, im Vergleich mit anderen Landhäusern in Judäa. Ebd., 164+171, wonach auch für ein Landgut die strategisch gute Lage, die Größe der Anlage sowie ein befestigter Turm und Wohntrakte charakteristisch seien. S. ebf. dens., Qumran in the Second Temple Period, 233–237. 108 Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 132–218, bes. 133.139–159.

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wohnerschaft auszugehen ist, Reinheit vor und nach der Arbeit garantierten.109 Somit ist Qumran ein Ort, an dem eventuell eine Metallschmiede gewesen, Balsam und Keramik produziert, auch Wein gepresst und Viehzucht betrieben worden sei.110 In En Feschcha sei Dattelwein und -honig hergestellt und Balsamparfümessenz gewonnen worden. Allerdings ist umstritten, ob Qumran für eine Kultivierung von Balsampflanzen geeignet war.111 Dass der Besitzer dieser Produktionsstätte nicht vor Ort wohnte, lässt sich nur vermuten, Diener und Sklaven sind für diese Belange allerdings vorauszusetzen, ebenso wie die jeweiligen Familien dazu.112 Magness vermisst die angeblichen Zeichen von Wohlstand (s.o.), wobei Hirschfeld zugibt, dass er zwar einen Vergleich mit einer römischen Villa vornimmt, aber durchaus auf bescheidenere judäische Verhältnisse anwendet.113 Fokussiert man seine These auf die Wirtschaftskomponenten, ließe sich Qumran als „staatliche[r] Wirtschaftsbetrieb[]“ verstehen.114 Mit Taylor lässt sich Qumran als Ort der Weiterverarbeitung sehen, worauf die Tierknochen und Schurgeräte verwiesen – Tiere, die womöglich aus dem Gehege in En Feschcha stammten. Gleichfalls deuten, so Taylor, Funde von 109 S. dazu nur den Abschnitt bei Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 159–178, bes. 175. Die größte Mikwe in L71 im Südosten der Siedlung ist nach Magness, Archaeology of Qumran, 154, vermutlich nicht nur im Zusammenhang mit der Töpferei zu sehen, sondern auch mit der rituellen Reinigung, da jeder Eintretende an dieser Stelle den Weg über den Friedhof genommen haben wird. 110 S. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 178–191. Nach Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 152, habe sich „ein höchst profitable[s] Balsam- und Dattelanbaugebiet […] im Jordangraben von etwas nördlich der Stadt Jericho nach Süden erstreckt[]“, das zu Chirbet Qumran gehöre. Scheren zur Schafschur sind eventuell in der Auflistung bei de Vaux, Grabungstagebücher, 150–152, zu finden und erwähnt bei Lacoudre, L’amas métallique, 405. S. auch Zangenberg, Qumran und Archäologie, 278 (im Verweis auf Donceel / Donceel-Voûte, Archaeology of Khirbet Qumran, 13), u. Abb. 78 bei: Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 192, u. Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 137–142. Nach RöhrerErtl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 246–248.260f., ist von einer ackerbaulichen Nutzung des Areals aufgrund der Geomorphologie abzusehen, eine kleine Viehzucht hingegen möglich, angepasst an die Ressourcen vor Ort sogar denkbar und schlüssig („Viehzucht auf quasi halbnomadischem Status“). 111 Bejaht von Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 270. Infrage gestellt von Patrich, Agricultural Development, 247f. Ebenso von Zangenberg, Desert, 104, und Broshi, Essenes at Qumran?, 27f., der sogar meint, dass Klima und brackiges Wasser, aber auch die Monopolisierung durch die Hasmonäer und (angenommen) auch durch die Herodianer den Anbau nicht ermöglicht hätten. 112 Mit Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 270+293. Zur Auseinandersetzung mit den Essenern: ebd., 293–310. 113 Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 191–205.288f., nach Donceel und Donceel-Voûte. Dazu kritisch Magness, Archaeology of Qumran, 97–100. Ebenso: Magen / Peleg, Back to Qumran, 83f. S. auch Faßbeck, Archäologie Qumrans, 118–125. 114 Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 152–154 (Zitat: 153, Kursivierung im Original).

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Fischnetzen und Gewichten in Qumran auf deren Anwendung in En Feschcha. Sie meint außerdem, dass das Wasser in der Oase eher zum Trinken, in Qumran eher zur Töpferei genutzt wurde.115 Eine ausschließlich saisonale Nutzung Qumrans betont David Stacey in der hasmonäischen Zeit Qumrans, da die Temperaturen nur im Winter erträglich sind. Die dort verrichtete Arbeit sei schwer und so nur von Männern leistbar gewesen. Unter diesen Bedingungen vermutet er nur wenige begleitende Frauen, die Hausarbeiten übernommen haben.116 1.3.6 Ergebnis Der wirtschaftliche und jüdische Charakter der Siedlung kann vorausgesetzt werden. Eine Befestigung für Verteidigungszwecke ist nicht ausschließen.117 Die Interpretation der Keramik muss dabei weder exzeptionell auf Qumran bezogen werden, um seine besondere („sektiererische“) Bewohnerschaft zu unterstreichen, noch ist sie gänzlich von Qumran zu trennen (s.o.).118 Auf bestimmte Vertreter des Judentums zu schließen, ist anhand der Architektur der Siedlung nachgerade unmöglich – insofern kann eine essenische Bewohnerschaft nicht ohne Weiteres erwogen werden.119 Letztlich lässt sich die strategische Lage mit auf kultische Reinheit bedachten Bewohnern und einer wirtschaftlichen Nutzung verbinden, womit Segmente verschiedener Theorien greifen. Die Kontinuität der Siedlung nach der kurzen Aufgabe spricht dafür, dass in beiden Perioden dieselbe Gemein-

115

S. Taylor, The Essenes, 266–268. Dabei bezieht sie sowohl die Umgebung als auch die Qumran- und Essenertexte mit ein, s. ebd., 251–256; 306.310–336. Auf dem Plateau selbst vermutet sie Werkstätten, die mit den gefundenen Objekten zumindest eine Art pharmazeutische Produktion in Erwägung ziehen lassen (ebd., 336f.). 116 S. Stacey, Reassessment, 52–62. Ähnlich bereits Stegemann, Die Essener, 170; Schiffman, Women in the Scrolls, 135. 117 Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 155. 118 Zum ersten s. de Vaux, Archaeology and the DSS, 17, und Magness, Archaeology of Qumran, 76; zum letzten Zangenberg, Qumran und Archäologie, 282–284: Die u.a. von Broshi und Eshel getätigte Untersuchung sei wertlos, Magness’ Datenbasis zu dürftig und letztlich in der Interpretation einer Einzigartigkeit nicht haltbar (Zangenberg, Region oder Religion?, 43f.). S. weiterhin Bar-Natan, Winter Palaces, 262ff. Magen / Peleg, Back to Qumran, 68–71. Donceel / Donceel-Voûte, Archaeology of Khirbet Qumran, 6f.9f. 119 Auch Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 253, Anm. 35, u. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 289–291, halten rituelle Praktiken für möglich (die Sicherung des Lebensunterhaltes liege in der Dattelpalmenkultivierung begründet, s.u.), meinen aber (Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 278f.), dass anhand der vorhandenen Daten keine Aussage über den „geistigen Hintergrund“ der Einwohner gemacht werden könne. Die Sonderstellung, die Qumran durch seine Größe einnehme, ist durch das Wasservorkommen begründet (280); jüdische Einwohner die logische Konsequenz (285). S. weiter: 287–291.

1. Von der Siedlung zu den Höhlen

35

schaft, vielleicht nur temporär, dort gelebt hat.120 Speziell für Frauen in Qumran ist natürlich der Befund des angrenzenden Friedhofes hinzuzuziehen, was noch ausführlicher geschehen soll. 1.4 Die Höhlen von Qumran121 Im Kalksteinplateau des Judäischen Berglandes befinden sich von der Natur geformte oder durch Menschenhand gehauene Höhlen; in elf von ihnen wurden Schriftrollen und Textfragmente gefunden.122 Die künstlichen Höhlen liegen in unmittelbarer Nähe der Siedlung: 4+5.7–10Q. Höhle 4 ist gen Westen, gegenüber der Schlucht, vom Areal aus heute nicht zu übersehen (Luftlinie ca. 50 m). 5+10Q schließen sich direkt an. 7.8+9Q sind nur über den Felsvorsprung, auf dem sich die Siedlung befindet, zugänglich. Von den weiter entfernten sind alle natürlich (1–3.6+11), wobei Höhle 6 nicht einmal 500 m entfernt von der Siedlung westlich des Wadi liegt. Etwas weiter als einen Kilometer von ihr befindet sich Höhle 2, von der unweit Höhle 1 zu finden ist. Weiter nördlich liegt Höhle 11, mit zwei Kilometern in größter Entfernung zur Siedlung ist Höhle 3.123 Die z.T. unmittelbare Nähe zu den Höhlen und Texten wirft die Frage auf, in welchem Zusammenhang Chirbet Qumran mit ihnen steht. Unter den unzähligen Höhlen der Mergelterrasse befinden sich 40, die Keramik und andere Objekte enthalten, in 26 ist identische Keramik wie in Höhle 1 nachgewiesen worden.124 Eine identische chemische Zusammensetzung 120

De Vaux, Archaeology and the DSS, 24. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit,

165. 121 De Vaux, Rapport préliminaire, 83–88; Exploration de la région de Qumran, 542f. 553–558; Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 572f.; Archaeology and the DSS, 31.85–88, u. Grabungstagebücher, 85–89. 122 Zur erst kürzlich gefundenen, offenbar zuvor geplünderten, Höhle 12 liegt noch kein publiziertes Material vor, daher sei auf einen zusammenfassenden Artikel der Hebrew University vom 8. Februar 2017 verwiesen: „Hebrew University Archaeologists Find 12th Dead Sea Scrolls Cave“ (http://new.huji.ac.il/en/article/33424). Da nur ein unbeschriebener Pergamentrest gefunden wurde, wird die Textforschung nicht revolutioniert, die Qumranforschung insgesamt aber um einen wichtigen Fund erweitert. Dazu ein kurzer Kommentar vom 21. Februar 2017: Robert R. Cargill, „Did Archaeologists Really Discover a New Dead Sea Scroll Cave? Dead Sea Scroll cave under the microscope“ (unter: http:// www.biblicalarchaeology.org/daily/biblical-artifacts/dead-sea-scrolls/new-dead-sea-scrollcave/). Zugriffsdatum: 19. Juli 2017. 123 Vgl. Abb. bei de Vaux, Grabungstagebücher, 31; Davies / Brooke / Callaway, Schriftrollen, 11.82.108.115.152f.154, oder de Vaux, Archaeology and the DSS, Tfl. XL, für alle 40 gefundenen Höhlen. Dazu auch Magness, Archaeology of Qumran, 1.20. S. auch den fundierten Überblick bei Taylor, The Qumran Caves, passim. 124 S. die Karte bei de Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, nach S. 560; besser bei Taylor / Gibson, Qumran Connected, 201. De Vaux, Archaeology and the DSS, 50–53.56f. Kurz Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 51. Ein Vergleich

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

wie die Keramik auf dem Areal ist neben Höhle 1 auch für die Höhlen 3, 7, 8 und 11 bestätigt. In Höhle 1 wurden neben den mit den auf dem Areal übereinstimmenden sogenannten Schriftrollenkrügen auch Leinenreste gefunden, datiert 33 n.Chr., d.h. innerhalb der C14-Zeitmarge.125 Zwei Eisenhacken sind in Höhle 11 und im Nebengebäude in Qumran (L114) gefunden worden.126 In elf Höhlen wurden ca. 850 zumeist auf Leder, aber auch auf Papyrus beschriebene Dokumente unterschiedlich guter Erhaltung entdeckt. Nur etwa 200 biblische Texte befinden sich darunter.127 Paläographische Bestimmungen zeigen, dass einige Texte bis zu 250 v.Chr. datieren und somit deutlich älter sind als die Siedlung in Qumran. In anderen Fällen ist wiederum auch eine Datierung nach 68 n.Chr. nicht auszuschließen.128 Die Texte zusammen mit der Anlage Qumrans zu verstehen, bestimmt die Interpretation der Anlage, weswegen auch hier die Theorien weit auseinanderdriften. Eine nämlich besagt, dass die Höhlen nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt als Aufbewahrungsort der Schriftrollen, sondern schon zuvor als Bibliothek oder gar Geniza dienten (s.u.). In diesem Falle sind die Tonscherben auch als Reste von Schriftrollenkrügen zu sehen. Keramikfunde in den künstlichen Höhlen bei der Siedlung scheinen allerdings eher auf eine Nutzung als temporäre Unterkunft und auch für Vorräte zu verweisen. Dies legen auch Dattelkerne und andere Stoffreste nahe. Setzt man in Qumran Viehwirtschaft voraus, ist auch ein Unterschlupf für Ziegenund Schafhirten denkbar. Neben diesen Wohn- oder Vorratshöhlen deuten nördlich in dem Gebiet zwischen der Siedlung und den natürlichen Höhlen gefundene Keramikgefäße aus dem 1. Jh. n.Chr., zudem Nägel von Schuhen, Zeltstricke und -pflöcke, die in die gleiche Zeit zu datieren sind, darauf hin, dass auch in Zelten oder ähnlichen Provisorien („Hütten“) auf der Mergelter-

ergibt außerdem, dass die in den Höhlen gefundenen Öllampen der gleichen Werkstatt entstammen wie jene der Siedlung – die Fertigung somit in Qumran, Jericho oder Jerusalem zu vermuten ist (dazu ausführlich: Młynarczyk, Terracotta Oil Lamps, bes. 107). 125 Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 24: Ein Drittel der Keramikfunde in den 40 Höhlen zeige eine Verbindung mit Qumran. Vgl. de Vaux, Archaeology and the DSS, 49f. 126 De Vaux, Grabungstagebücher, 151f. Zur angeblichen Essener-Hacke s.u. 127 Vgl. VanderKam, Qumranforschung, 27–32; Webster, DJD 39, 370. Vermutlich sind diese, aber auch andere Höhlen im Laufe der Zeit, vielleicht auch im Zuge des Wettlaufs mit den Beduinen, schon geleert worden. Hinweise auf die Entnahme von Schriften im 3. Jh. und um 800 gibt es von Euseb, Epiphanius von Salamis und dem Patriarchen Timotheus I. (s. Stegemann, Die Essener, 111–113+101). Taylor, Buried Manuscripts, 277f., sieht in Höhle 12 und 29 potentielle Aufbewahrungsorte für Schriftrollen, in 29Q möglicherweise sogar die von Timotheus erwähnte. 128 C14-Analysen verweisen in wenigen Fällen sogar auf das vierte vorchristliche Jahrhundert. S. Webster, DJD 39, 364–367.371–375.

2. Der Friedhof von Qumran

37

rasse gelebt wurde.129 Dies können allerdings sowohl Hinweise auf die Bewohner Qumrans als auch auf die später dort ansässigen Römer sein.130 Von derlei Deutungen hängt natürlich die mögliche Bewohnerzahl und die Funktion der Siedlung selbst ab: Vorausgesetzt, die Gebäude dienen der Arbeit, dem Kult und dem gemeinschaftlichen Mahl, nicht aber als Schlafstätte, muss die umliegende Umgebung dazu genutzt worden sein. Das ist auch dann notwendig gewesen, wenn die Siedlung nicht mehr ausreichend Platz bietet.131 Allerdings sind nach Humbert keine Spuren nachweisbar, die auf eine längere Bewohnung hindeuten würden.132 Gebrauchskeramik selbst kann auf einen temporären Aufenthalt, aber besonders auf die Lagerung von Vorräten verweisen – geht man von Wohneinheiten in den Gebäuden aus, lässt sich alles kombinieren.133 Wenn jedoch auch einige Schriftrollenhöhlen Wohnhöhlen waren, ist nicht davon auszugehen, dass ihr primärer Zweck darin bestand, auch Texte zu beherbergen. Somit könnten sie, auch wenn andere Höhlen schon vor 68 n.Chr. als Aufbewahrungsorte für Texte gedient haben, als Versteck vor den römischen Invasoren gesehen werden – eine Funktion, die den anderen Höhlen dann automatisch auch zukäme.134

2. Der Friedhof von Qumran 2. Der Friedhof von Qumran 2.1 Einführung Der Friedhof von Qumran ist ein Phänomen, das bis heute nicht restlos ergründet ist. Die Vielzahl der Gräber auf der Mergelterrasse allein und im Zu129 De Vaux, Rapport préliminaire, 104; ders., Archaeology and the DSS, 56f. Zu den Wohnhöhlen s. Broshi / Eshel, Residental Caves at Qumran, 329–335.336.338f.343. Mit Patrich, New Explorations, 77f.90–93, für Höhle 4, 7, 8 und 10 bestätigt. Für Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 29, wiederum waren nur die natürlichen Höhlen Wohnhöhlen, im Falle von 3 oder 11Q jedoch eher in dem Sinne, dass sich Wächter für die Vorräte in ihnen aufhielten. Zur Nutzung als Unterschlupf für Hirten s. auch Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 154. 130 Taylor, Period III, 140f. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 220. 131 Schon de Vaux, Archaeology and the DSS, 10, vermerkt, dass die Anlage weniger als Wohnort, sondern eher als Stätte für „certain communal activities“ gedient habe. So auch Magness, Archaeology of Qumran, 70f., die, wenn überhaupt, nur von wenigen Bewohnern der Anlage ausgeht. 132 Humbert, L’espace, 176, und un site énigmatique, 15. S. auch ders., das essenische Qumran, 71f. 133 Mit Hirschfeld, Early Roman Manor Houses, 185+187; ders., Qumran in the Second Temple Period, 234f., und Stegemann, Die Essener, 74–76 134 Vgl. de Vaux, Rapport préliminaire, 104f. S. dazu Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 220.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

sammenhang mit der Siedlung, den potentiellen Bewohnern und den Höhlen kann nicht ohne Weiteres erklärt werden. Von daher ist es sinnvoll, sich dem Gräberfeld in unterschiedlichen Aspekten zu nähern, bevor es in die Thesenbildung aufgenommen wird. Welche Gräber die ältesten sind und wie der Friedhof gewachsen ist, können wir heute nicht mehr mit Gewissheit bestimmen. Jedoch ist seine Anlage durchdacht: Er ist geschützt vor starkem Wassereinfall und auch vor wilden Tieren.135 Archäologisch nachweisbar und auch heute noch sichtbar ist eine Mauer, die die Siedlung gen Osten vom Friedhof getrennt hat – vermutlich in der Intention, Reines von Unreinem zu separieren.136 Nach de Vaux ist der Friedhof zur gleichen Zeit in Benutzung wie das Hauptgebäude. Ein (rekonstruierter) Vorratskrug in Grab 4, der jenen auf dem Areal gleicht, stützt diese Vermutung. Weitere Übereinstimmungen sind durch Tonscherben in T13.14. 23.27+30 zu verzeichnen, die als Füllmaterial in den Gräbern Verwendung finden. Ebenso werden in T26 eine, in verschiedenen Loci des Gebäudekomplexes sogar mehrere herodianische Lampen entdeckt.137 Zeit und Anlage selbst sprechen für de Vauxs Annahme eines Versammlungsorts für die Lebenden und eines Ruheorts für die Toten in einer Gemeinschaft „dispersée aux environs“ mit einer „discipline stricte“. Dafür dienen ihm nicht zuletzt die Ordnung des Friedhofs und Einzelbestattungen als Beweis.138 Einzelbestattungen sind, neben Höhlen- oder Kammergräbern, in Senkbzw. Schachtgräbern zur Zeit des Zweiten Tempels nicht ungewöhnlich. Letztere bestehen wie im Falle Qumrans zumeist aus einem 1 bis 2,50 m tiefen rechteckigen Schacht, in dessen Grund (oft) zur östlichen Seite hinaus ein sogenannter Loculus (bzw. koch, dt. Schiebestollen oder Seitennische) gegraben wird. In diesen wird der Leichnam, manchmal in einem Sarg, gelegt; der Loculus wird mit Steinplatten oder Lehmziegeln verschlossen, der Schacht zuletzt mit Erde befüllt und mit ovalen Steinhaufen bedeckt. Üblich ist die Nord-Süd-Ausrichtung des Grabes.139

135

S. Magen / Peleg, Back to Qumran, 97. S. Humbert, Some Remarks, 21f.36, u. Branham, Hedging the Holy, bes. 128f.+ 130f. S. weiterhin Steckoll, Preliminary Excavation Report, 327f. 137 S. de Vaux, Grabungstagebücher, 89–93.134f.144f., u. Rohrhirsch, Wissenschaftstheorie, 241. S. auch Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 61. 138 De Vaux, Rapport préliminaire, 103f., u. ders., Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 231. 139 S. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 205f.207, Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 294f., u. Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 53–55.57+ 61. Zangenberg, Trockene Knochen, 666–668. Oft liegt auch ein größerer Stein am Ende der ovalen Steinbedeckung – so schon vermerkt bei Clermont-Ganneau, Archaeological Researches, 15f. 136

2. Der Friedhof von Qumran

39

2.2 Die Grabungen auf dem Friedhof Der Erste, von dem man laut seinen Aufzeichnungen weiß, dass er ein Grab geöffnet hat, ist Henry Poole am 15. November 1855. Er notiert allerdings, dass es keine Knochenreste enthalten habe.140 Achtzehn Jahre später bereist Charles S. Clermont-Ganneau Qumran, fertigt dort Skizzen vom Friedhof und einem Grab an, das er von seinen Begleitern heben lässt. Interessanterweise hält er es aufgrund seiner äußeren Beschaffenheit für ein muslimisches Grab, wobei die Nord-Süd-Ausrichtung untypisch sei. Von den halb zerfallenen Knochen entnimmt er den Kiefer mit einigen Zähnen zur späteren Bestimmung. Wann diese stattgefunden hat und v.a. was sie ergeben hat, ist nicht bekannt.141 Der nächste Ausgräber auf dem Friedhof ist Roland de Vaux. Nach Entdeckung und Untersuchung von Höhle 1 (1949) leitet er zwischen 1951 und 1956 fünf Ausgrabungskampagnen in der Siedlung. Die sechste und letzte Ausgrabung wird in En Feschcha 1958 durchgeführt.142 Auf de Vaux geht die Dreiteilung des Friedhofes zurück: Direkt von der Siedlung zu erreichen ist der westliche Teil des Hauptfriedhofs, der durch zwei Durchgänge in drei Reihen aufgeteilt ist. Ostwärts schließen sich jeweils eine nördliche, mittlere und südliche Erweiterung, drei Gebirgsausläufer, an. Ebenso zum Hauptfriedhof gehörig ist der „cimitière nord“, der nördlich zu den drei Erweiterungen und somit ebenfalls auf einem Gebirgsausläufer und in unmittelbarer Nähe zur Siedlung liegt.143 De Vaux hebt die klare Ordnung des Hauptfriedhofes ohne die Erweiterungen hervor, trennt sie aber topogra-

140

S. dazu Schultz, Cemetery, 194f., und Claußen, Identifizierung, 63f. Das Grab ist ca. 1,8 m (6 Fuß) lang, etwa 90 cm (3 Fuß) breit und ca. 1,45 m (4 Fuß + 10 Zoll) tief, aus „rough stones and square corners“. Dem französischen Forscher M.E. Guillaume Rey wird von seinen beduinischen Begleitern mitgeteilt, dass die vor ihm liegenden Gräber wegen ihrer Ausrichtung weder muslimisch noch christlich sein können; s. ebd., 65f. 141 S. den kurzen Bericht über den Besuch in Qumran bei Clermont-Ganneau, Archaeological Researches, 15f. „Judging merely by their outward appearance, you would take them to be ordinary Arab tombs, composed of a small oblong tumulus, with its sides straight and its ends rounded off, surrounded by a row of unhewn stones, with one of larger size standing upright at either end.“ (15) 142 Ein kurzer Überblick bei VanderKam, Qumranforschung, 28–32. Dazu grundsätzlich: Rapport préliminaire, 83–106; Exploration de la région de Qumran, 540–561; Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 206–236; Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 533–577; sodann: Archaeology and the DSS und Grabungstagebücher. 143 Zum Hauptfriedhof: de Vaux, Rapport préliminaire, 102, u. die Karte in: Grabungstagebücher, 30, Abb. 30, sowie 89. Zum nördlichen Friedhof s. de Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 534.569.571f.; Sheridan, French Collection, 215. Heutigentags führt die Straße hinauf zum Chirbe mitten durch dieses kleine Gräberfeld. S. dazu de Vaux, Grabungstagebücher, 90, und Eshel u.a., Data, 135, Anm. 1. T9 liegt demnach nördlich dieser Straße, T10 südlich (vgl. auch Abb. 1 bei Steckoll, Marginal Notes, 38+44, Tfl. 3).

40

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

phisch nicht voneinander.144 Weiter benennt de Vaux zwei Friedhöfe weiter ab von der Siedlung: Der Nordfriedhof ist offenbar nicht mehr auszumachen und eventuell in ca. 150 m Entfernung nördlich der Siedlung zu lokalisieren.145 Der Südfriedhof befindet sich (südlich) in Sichtweite des Plateaus, allerdings kommt man nicht umhin, östlich um das Bergende herumzulaufen, was zwar nicht viel Zeit beansprucht haben wird, aber doch umständlicher ist, besonders wenn das Wadi Wasser geführt hat.146 Auf allen drei Friedhöfen schätzt de Vaux 1.200 Gräber, davon allein auf dem Hauptfriedhof 1.100, und schließt mehr nicht aus.147 Während der ersten Grabung überhaupt, 1949 in Höhle 1, besuchen de Vaux und Harding Chirbet Qumran und öffnen infolgedessen zwei Gräber (T1+2). Grabungsnotizen dazu sind nicht erhalten, aber die Gräber finden sich auf de Vauxs Friedhofskarte.148 Weitere 41 werden zwischen 1951 und 1956 näher untersucht: 35 auf dem Hauptfriedhof (T3–37), darunter zwei auf dem nördlichen Friedhof (T9+10), eines auf der mittleren (T11) und sechs auf der südlichen Erweiterung (T32–37), zwei auf dem Nord- (TA+B) und vier auf dem Südfriedhof (TS1–4). Insgesamt werden 43 Individuen ermittelt (37, 2 und 4).149 Zehn Jahre nach de Vaux legt Solomon H. Steckoll 1966/67 weitere elf Gräber auf dem Friedhof frei (G2–11). 2000/01 nehmen Magen Broshi und Hanan Eshel einen ausführlichen Survey vor, welcher eine Gräberanzahl von 1177/1178 erbringt (ohne Nord- und Südfriedhof).150 Ausgehend von 48 do144

Vgl. Norton, Reassessment, 117. In Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 534+569, berichtet de Vaux von der Entdeckung des Nordfriedhofes 1955. S. auch Abb. 2 bei Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 225. Taylor, Cemeteries, 287; Eshel u.a., New Data, 135, Anm. 1; 140f., Anm. 20; Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 213. Weiteres dazu unten. 146 Zum nicht wasserlosen Wadi s., Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 168, u. Röhrer-Ertl, Facts, 183. S. auch die Karte ebd., 184, Abb. 8.2. 147 Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 571. 148 De Vaux, Rapport préliminaire, 89. Ders., Grabungstagebücher, 89 u. 30, Abb. 30. S. VanderKam, Qumranforschung, 28. S. die kurze Notiz bei de Vaux, Rapport préliminaire, 95. Die Fotos von T1+2 sind nicht weiterführend (Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 130, Abb. 2, u. Donceel, Synthèse, 36f.). 149 Vgl. de Vaux, Grabungsnotizen, 89–95, und die Übersicht bei Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 210–215; ebd., 172, Anm. 7; Norton, Reassessment, 108, Abb. 1. Die Funde von de Vaux aus T1.2.9.14+17 gelten heute als vermisst, vgl. Sheridan, French Collection, 208+245. Ebf. dies. / Ullinger, Reconsideration, 196f.200. 150 Vgl. Eshel u.a., New Data, 137–143 mit Index Map. Ihr Vorgehen erfolgte in zwei Schritten: Zählung am Boden, also visuell, dann mit Bodenradar (Ground Penetrating Radar: GPR; s. ebd., 137; Zias, Qumran Archaeology, Skeletons, 84, bezweifelt die Zahl der Gräber, da durch GPR ebenso Anomalien unter der Oberfläche entdeckt worden sein kön145

2. Der Friedhof von Qumran

41

kumentierten Gräbern (41+7) unter de Vaux und Steckoll notieren sie, dass sich heutigentags nur noch 37 (36+1) ausfindig machen lassen. Zudem erschweren illegale Plünderungen die Arbeit zukünftiger Ausgräber, so dies überhaupt noch einmal möglich sein wird.151 Yizhar Hirschfeld hat zwar nicht in Qumran gegraben, aber einen Survey durchgeführt: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hält er nicht an der de Vaux’schen Unterteilung des Friedhofes fest, sondern sieht ihn als einen einzigen, der im Laufe der Zeit gewachsen ist, angepasst an die Topographie des Geländes. So sei auch die verschiedene Ausrichtung der Gräber von Nord nach Süd bzw. von Ost nach West zu erklären.152 Im Zuge der Grabungskampagne durch Yizhar Magen und Yuval Peleg 1993 und 2004 wird auch der Friedhof einbezogen, jedoch ohne Gewinn bringende Ergebnisse für den Gegenstand vorliegender Arbeit.153 Ausgräber

Grab

Grabung

Roland de Vaux

T 1+2 T 3–11

1949 1951

T 12–19

1953

T 20–37 T A+B

1956 1955

TS1–4 G2–11

1956 1966–67

Solomon H. Steckoll

Anthropologische Untersuchung der Knochenfunde Grabungsnotizen nicht erhalten Henri-Victor Susan Guise Vallois154 Sheridan Gottfried Kurth Susan Guise Sheridan Gottfried Kurth Olav Röhrer-Ertl Gottfried Kurth Susan Guise Sheridan Gottfried Kurth Olav Röhrer-Ertl Nicu Haas / Hilel Nathan

nen). Von den 1178 sind 124 nicht sichtbar (Eshel u.a., New Data, 141 mit Anm. 22) und bei 37 Gräbern ist man nicht sicher, ob es sich überhaupt um solche handelt (ebd., 142 mit Anm. 27). Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 212, zählt nur 823 Gräber. Zangenberg, Bones, 66, Anm. 16, äußert die Vermutung, dass sich mehr als 2.000 Gräber in Qumran befinden können. Nach Donceel, Synthèse, 11, sind es sogar 3.500. 151 Ebenfalls zu bedauern ist, dass einige Gräber des nördlichen Teil des Hauptfriedhofes im Zuge der Erweiterung des Besuchercenters überbaut (darunter T7+8) und über andere bis zur Unkenntlichkeit mit Fahrzeugen gefahren worden ist (Eshel u.a., New Data, 140, mit Anm. 19, 141f. mit genaueren Angaben). T14 ist vermutlich aufgrund steigender Besucherzahlen nicht mehr zu erkennen – s. Sheridan, French Collection, 213f., bzw. dies. / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 135. 152 Vgl. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 210. Schon Steckoll, Marginal Notes, 37, vermerkt rund vierzig Jahre vor Hirschfeld, dass der Hauptfriedhof durch die Gebirgsausläufer auf natürliche Weise unterbrochen werde, aber dennoch ein „single unified cemetery“ sei (s. auch ebd., 38, Abb. 1, u. 43). S. auch Magness, Archaeology of Qumran, 168. Donceel, Synthèse, 20–22.32–34. 153 Für einen kurzen Überblick s. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 53f., und aktueller Frey, Qumran und die Archäologie, 13f. 154 Zur tabellarischen Auswertung der French und German Collection s. Sheridan, French Collection, 232.

42 Magen Broshi / Hanan Eshel Yizhak Magen / Yuval Peleg

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss BE1+2a.b

2000/2001

Yossi Nagar

1–9 (k.A.)

1993–2004

k.A.

2.2.1 Problembeschreibung Schon de Vaux hat darauf hingewiesen, dass man von den wenigen gehobenen Gräbern schwerlich Folgerungen für den ganzen Friedhof ziehen kann.155 Wenngleich bei einer geschätzten Zahl von 1.200 Gräbern nur in etwa fünf Prozent des gesamten Gräberfeldes freigelegt sind, ist dies das Einzige, was wir vorliegen haben und womit wir arbeiten müssen. Im Folgenden wird sich herauskristallisieren, dass die Analyse der Knochen nicht zu einem homogenen Ergebnis führen kann. Das liegt sowohl an ihrem Zustand als auch ihren unterschiedlichen Aufbewahrungsorten und schließlich an der teilweise unsachgemäßen Behandlung. Seit ihrer Bergung zeigt sich zudem die Schwierigkeit, Geschlecht und Alter der Knochen eindeutig zu bestimmen: Zum einen sind die Skelette von Anfang an nicht mehr vollständig erhalten (klimabedingt bzw. durch den salzhaltigen Boden). Zudem lässt de Vaux laut seinen Notizen oftmals nur Becken und Schädel entfernen, was eine genauere Untersuchung von T3–19+B – mit Ausnahme von T18 und auch TA – erschwert.156 Zum anderen erweist es sich durch ein Minimum an Grabbeigaben und fehlende Collagenrückstände in den Knochen, die durch wasserlösliche Salze zerstört wurden, als unmöglich, anhand von Grabbeigaben oder durch Radiocarbonanalyse157 der Knochen das Datum eines Begräbnisses zu ermitteln.158 Daher ist auf zukünftige, verfeinerte Methoden zu hoffen.159 155 De Vaux, Rapport préliminaire, 103f., u. Archaeology and the DSS, 47. Für Magness, Archaeology of Qumran, 171f., sind die Zufallsgrabungen ausreichend, um minore ad maius auf alle Gräber zu schließen: „[T]here is a good chance that this sample is demographically representative of the whole.“ Gegen den Aussagegehalt der zufälligen Grabungen wenden sich hingegen auch Röhrer-Ertl, Facts, 182 (vgl. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 167). S. ebf. Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 196. Zias, Confusion, 233f. 156 S. seine Grabungsnotizen, 89ff. Vgl. den Bestand der French Collection: Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 138f., Abb. 9, der zeigt, dass man zwar auf Fotos des Skeletts, nicht aber auf die meisten Teile des Skeletts selbst für weitere Bestimmungen zurückgreifen kann. Anders bei der German Collection, s. dazu Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 165f. Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 196, bemängeln auch die schlechte Aufbewahrung der Knochen. Das Becken ist allerdings ein guter Indikator zur Geschlechtsbestimmung. S. dazu z.B. Magness, Archaeology of Qumran, 171f.; zum Schädel s. Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 193–207, mit Ausführungen. 157 Zur C14-Analyse s. Vieweger, Archäologie der biblischen Welt, 203–206. S. auch van der Pflicht / Rasmussen, Radiocarbon Dating and Qumran, passim.

2. Der Friedhof von Qumran

43

Eine weitere Schwierigkeit stellt die Grabungserlaubnis dar. Auf dem Friedhof zu graben, verstößt gegen Reinheitsvorschriften und stört die Totenruhe. In der Folge des Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967160 konnte Steckoll seine Nachforschungen in Qumran zwar nicht fortsetzen, doch wie oben gesehen fanden jüngst wieder Grabungen statt. Daher ist auf weitere Kampagnen zu hoffen. 2.2.2 Anthropologische Ergebnisse und de Vauxs Schlussfolgerungen De Vaux hat zwar keinen Abschlussbericht verfasst, dennoch bleibt seine Arbeit grundlegend bis heute.161 In seiner ins Englische übersetzten zusammenfassenden Monographie zur Archäologie Qumrans und den Schriftrollen vermerkt er zum Friedhof die Auffälligkeit, dass männliche Skelettreste auf dem durchdacht angelegten Teil des Hauptfriedhofes und unter einer ovalen Steinbedeckung, oft mit einem größeren Stein an jedem Ende, auf dem westlichen Gräberfeld gefunden wurden, wohingegen nur eine Frau in einem rechteckigen Grab („rectangular grave“, „abnormal in type“) entfernt von den Reihen („situated apart from the rows“) bestattet worden sei.162 Zu diesem Grab, T7, notiert de Vaux schon 1951 während der ersten Kampagne in sein Grabungstagebuch,163 dass es „am weitesten im Westen“ gelegen und von größeren 158 Dazu Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 168; mehr im ausführlichen Bericht: dies. / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 169, Anm. 5. Eine Analyse von Knochensplittern aus einigen Gräbern des Haupt- und Südfriedhofes bleibt dementsprechend ergebnislos, s. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 229; s. auch ebd., 250 mit Anm. 32. S. weiter Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 137; Sheridan, French Collection, 217.225f.; dies. / Ullinger, Reconsideration, 200. Gunneweg, Qumran vis-à-vis, 160. S. die Notiz zu T6 in de Vaux, Grabungstagebücher, 90. Donceel, Synthèse, 39f., Anm. 94. Bei T10 kann z.B. durch Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 208f., Anm. 54, nicht festgestellt werden, ob zwei Individuen in dem Grab gelegen haben, weil ein Knochen so stark mit Paraffinen und Schmutz verkrustet ist, dass eine Säuberung nicht möglich ist, ohne seine Zerstörung zu riskieren (s.u.). 159 Hoffnung geben van der Pflicht / Rasmussen, Radiocarbon Dating and Qumran, 114f. Zur Problematik s. weiter Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 207 mit Anm. 37; ebenso Röhrer-Ertl, Facts, 182f. Zu der fruchtbaren Zusammenarbeit mit transdisziplinären Wissenschaften s. Gunneweg, Qumran vis-à-vis. 160 Zu den Auswirkungen kurz: Steckoll, Preliminary Excavation Report, 335f. S. auch VanderKam, Qumranforschung, 215; Frey, Qumran und die Archäologie, 12f. 161 S. Zangenberg, Region oder Religion?, 26–28; ders., Einführung, 11f., u. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 54f. Auch die veröffentlichten Grabungstagebücher in Frz., Dt. u. Engl. bereiten nicht alle Ergebnisse auf, s. Magness, Archaeology of Qumran, 3f. 162 De Vaux, Archaeology and the DSS, 46f. So, nur ohne Geschlechtsbestimmung, bereits in Rapport préliminaire, 102f. Dazu Fabry, Friedhöfe, 178. Taylor, Cemeteries, 285+ 289. 163 Eshel u.a., New Data, 161f., mit Anm. 131+133, verweisen auf die Unsicherheiten hinsichtlich einer Identifizierung der Funde in T1–11.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Kieselsteinen bedeckt ist. Als Auffälligkeit des 1,60 m großen Skelettes nennt er ein „sehr breite[s] (!) Becken“.164 Nach der Sondierung unter Broshi und Eshel ist es zwar nicht mehr am weitesten entfernt, aber immer noch eher separiert.165 Unter insgesamt neun Gräbern sind alle bis auf T4 nord-südlich orientiert, wobei der Kopf zumeist Richtung Süden zeigt (T5.6.7.9.10); der Schädel liegt, soweit heute eruierbar, gerade.166 Der für die Identifizierung von T3–11 beauftragte Anthropologe HenryVictor Vallois vom Musée de l’Homme in Paris kommt nach der Untersuchung von 7 Becken und 9 Schädeln zu dem Schluss, 13 Individuen vor sich zu haben, und zwar 7 Männer und 6 Frauen. T7+9 bestimmt er als weiblich, in T4–6+10 sieht er Doppelbegräbnisse jeweils beiden Geschlechts.167 Unabhängig davon, dass dieses Ergebnis nicht bestätigt wird (s.u.), ist es doch erstaunlich, wie de Vaux darauf reagiert. In ebenjenem Untersuchungsbericht, einem Brief von Vallois an de Vaux vom 14. November 1952, notiert er neben die Beobachtungen Vallois’ zu T3–6+8+10 „mâle“, zu T7 „femme“, versieht „femme“ bei T9 und „mâle“ bei T11 mit einem Fragezeichen und streicht in den Schlussfolgerungen bei allen vier Doppelbestattungen „Une femme“ durch.168 In der Revue Biblique von 1953 gibt er Vallois’ Einschätzung noch wieder mit: „plusieurs femmes“,169 fasst aber drei Jahre später zusammen: „La partie bien ordonnée du cimetière, sur la terrasse, paraît ne contenir que des tombes masculines.“170 In der dazugehörigen Fußnote verweist er auf „cas douteux“, wobei eben T7 „la seule tombe féminine certaine“ sei und sowieso außerhalb des geordneten Friedhofabschnittes liege.171 Die vermeintliche Frau aus T7 schätzt Vallois zwischen 40 und 50 – ähnlich die Männer in T6.8.10+11, jene in T3+5 zwischen 20 und 30. Für die 164

De Vaux, Grabungstagebücher, 90. Eshel u.a., New Data, Index Map. 166 Vgl. den Gräberindex: de Vaux, Grabungstagebücher, 116. Für T8 liegen keine Angaben zur Skelettausrichtung vor. 167 S. Donceel, Synthèse, 36f., mit Abb. 2. 168 Donceel, Synthèse, Abb. 2, dazu S. 36–40. Doch muss auch er, ebd., 38f., Anm. 91, zugeben, dass nach den Fotos der geöffneten Gräber in situ nur für T6 eine Doppelbelegung „éventuellement“ infrage kommen kann. S. weiter Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 209. Am 11. März 1953, während der zweiten Grabungskampagne notiert de Vaux zu T16, dass es das erste ist, „das zwei Leichname enthält; bis heute wurde kein weiteres gefunden.“ (s. de Vaux, Grabungstagebücher, 91) Freilich wird Letzteres drei Jahre später mit T24 widerlegt (s. nur ebd., 93), doch von den angeblichen vier Doppelbestattungen aus dem Jahr 1951 ist keine Rede. 169 Rapport préliminaire, 103. (Jedoch datiert auf den 30. September 1952.) 170 De Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 571. Nach Donceel, Synthèse, 40, Anm. 40, teilt de Vaux Vallois am 25.11.1952 mit, dass er dessen Befund nicht veröffentlichen wird. 171 De Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 571, Anm. 3 (Kursivierung im Original). S. auch Taylor, Cemeteries, 298f.305.309. 165

2. Der Friedhof von Qumran

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vermuteten Frauen in den vier Doppelbegräbnissen nimmt er keine Einschätzung des Alters vor.172 In der zweiten Kampagne von 1953 wurden T12–19 ausgegraben, die offenbar nur aus männlichen Skelettresten bestehen. T14 enthält ein Doppelbegräbnis, T17 nur Holz-, möglicherweise Sargreste,173 T18+19 sind Sargbestattungen. Ein Mann wird 16-jährig, zwei weitere 30-jährig, zwei zwischen 30 und 40 geschätzt, für zwei weitere liegen keine Angaben vor. Die gefundenen Skelette sind nord-südlich ausgerichtet; jenes aus T19 ist bei dieser Grabung das einzige, dessen Schädel nach Norden liegt.174 Der konsultierte Anthropologe dieser und der folgenden drei Kampagnen auf dem Friedhof ist Gottfried Kurth. Im Zuge von Sondierungen auf dem Nordfriedhof 1955 ordnet Kurth die Überreste in TA einer Frau, 30–35 Jahre, und in TB einem Mann, älter als 50 Jahre, zu.175 Später spricht de Vaux von einer Ähnlichkeit der dortigen Gräber zu denen auf dem Hauptfriedhof.176 Allerdings ist, wie schon erwähnt, der Nordfriedhof nicht eindeutig lokalisierbar (s.o.), was offenbar schon in der laufenden Ausgrabung für Verwirrung sorgt: Laut den Grabungstagebüchern erfolgt, vermutlich rückwirkend, eine Identifizierung von TA+B mit T9+10 auf dem nördlichen Friedhof, die allerdings nicht korrekt ist. Demnach wird das in TA ausgegrabene Frauenskelett noch zu diskutieren sein.177 Während der Grabungskampagne von 1956 identifiziert Kurth auf dem Hauptfriedhof in situ178 zunächst in T20–31 Männer zwischen 18 und 50 Jahren, wobei die meisten älter als 30 seien. Alle hier aufgeführten Skelette sind diesmal mit dem Kopf gen Süden bestattet, wobei T24, ein weiteres Doppel172

S. Abb. 2 bei Donceel, Synthèse. Allerdings gibt es die Aufnahme eines Skelettes aus T17, die Überreste stehen nur nicht mehr zur Verfügung – s. Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 138f. 174 De Vaux, Grabungstagebücher, 116f. 175 De Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 569. Ebd., 572, notiert de Vaux jedoch dazu: „les sexes sont mélangés“. Nach Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 166, befinden sich die Skelettfunde aus der Grabung von 1955 und eventuell auch die von 1953 noch in Qumran, als Kurth zur Kampagne 1956 dazustößt. 176 De Vaux, Archaeology and the DSS, 57f. 177 S. u. sowie de Vaux, Rapport préliminaire, 95+102; ders. Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 534+569; ders., Grabungstagebücher, 90. Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 198, Anm. 8+10–12, Sheridan, French Collection, 208 mit Anm. 33. S. auch Norton, Reassessment, 108f.+114 mit Tfl. 8. 178 S. Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 165f. Auch scheint die Bereitstellung des zu untersuchenden Materials nicht vollständig erfolgt zu sein, da es sich „um theologisch hochbedeutsame Personenreste“ handele (ebd., 166). Zur Zusammenarbeit von Kurth und de Vaux und dem Zustand des Materials der Collectio Kurth s. die Zusammenfassung bei Röhrer-Ertl, Facts, 181f., u. ders. / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 165–167.169–175.181f. 173

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

begräbnis, einen Sonderfall darstellt: Hier ist eine Zweitbestattung anzunehmen, da die langen Knochen separiert, ein Schädel im Norden, der andere im Süden und die kleinen Knochen verstreut liegen.179 Zusammengefasst lässt sich zur Begräbnisart noch hinzufügen, dass die Gräber auf dem Hauptfriedhof, soweit diese Informationen vermerkt worden sind, bis auf T7 über Loculi verfügen, welche im östlichen Teil des Grabes sind, T4+23 (beide im Westen) ausgenommen, und alle Skelette mit Ausnahme von T22 („Oberkörper nach rechts“) und 24 (Zweitbegräbnis) auf dem Rücken (supin) liegen, wobei der Schädel entweder gerade liegt oder gen Osten geneigt ist. Die Abdeckung der Loculi ist unterschiedlich, zumeist sind es (ungebrannte) Ziegelsteine.180 Interessanter ist nun der Befund auf der südlichen Erweiterung, wo sich laut Kurth in T32–35 (34: „[p]robablement“) je eine Frau zwischen 25–40 Jahren und in T36 ein sechs Jahre altes Kind befinden. T34 wird als tief bezeichnet, T35 (40 cm) nicht, T37 liegt 1 m unter der Erdoberfläche. Bis auf eines sind alle Skelette ost-westlich ausgerichtet, der Kopf (jeweils im Westen) in T32–34 nach Norden, in T35a+36 nach Süden geneigt. T37 wiederum enthält ein nord-südlich gelegenes Skelett, das Geschlecht jedoch bleibt vorerst unbestimmt. Der Kopf wird zwischen den Oberschenkelknochen gefunden, weswegen de Vaux eine Zweitinhumierung nicht ausschließt.181 Als Grabbeigaben finden sich in T32 ein bronzener Ring an einem Finger und neunzehn Perlen am rechten Fuß sowie in T33 zwei Ohrringe.182 Auf dem Südfriedhof bestimmt Kurth eine Frau als 30–40-jährig (TS1), die wiederum in West-Ost-Richtung liegt und deren Kopf nach Norden gewendet ist; in den Grabungsnotizen heißt es, das Grab sei „schmal und tief“. Zwei 6und 10-jährige Kinder in TS3+4 sind ebenso gebettet, wobei die Köpfe nach Süden geneigt sind. TS2, ebenfalls ein Kind, liegt nord-südlich, der Kopf gen Osten. Eine geringe Tiefe wird für TS2+4 festgestellt. Wiederum 30 Perlen (27 bunte Steine und drei aus Glasmasse) – „vom gleichen Typ“ wie jene in T32 – und zwei Ohrringe werden in dem Grab der Frau entdeckt.183 179

S. de Vaux, Grabungstagebücher, 92–94.117. Vgl. de Vaux, Grabungstagebücher, 116f., mit 89–94. 181 Vgl. de Vaux, Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 570f., mit leichten Abweichungen zu dems., Grabungstagebücher, 94+117f. Größere Diskrepanzen zu Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 212 – s.u. 182 De Vaux, Grabungstagebücher, 94+117f. Clamer, Jewellery Finds, 172, Abb. 1. S. weiterhin Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 55. 183 So weit mit Rapport preliminaire sur les 3e, 4e et 5e campagnes, 571 (allerdings für TS1+4 nicht ganz sicher in der Ausrichtung: „Vaguement“), und de Vaux, Grabungstagebücher, 95+118, wobei die Angaben nicht ganz mit der Tabelle bei Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 214 (und somit den Ergebnissen von Kurth), übereinstimmen: für das Kind in TS3, eigentlich TS3a, ist das Alter 10 bei de Vaux, hingegen 7–8 bei Röhrer-Ertl angegeben; für jenes in TS4 notiert de Vaux nur „Jun180

2. Der Friedhof von Qumran

47

T32+33 wie auch TS1–4 sind ohne Loculus und Abdeckung, was auf der südlichen Erweiterung aber keine Regelmäßigkeit bedeutet: T34–36 verfügen über einen Loculus, bedeckt mit Steinen (T34+36) bzw. Fels- und Kieselsteinen (T35), wobei dieser einmal im Norden und zweimal im Süden angelegt ist, was wiederum eine Ausnahme darstellt. Die Skelette auf der südlichen Erweiterung liegen nach links (T32+33) bzw. nach rechts gekrümmt (T35a+36), dann nach links wie T22 (TS1) oder rechts (TS2+3) auf dem Südfriedhof. Dennoch werden auch Skelette auf dem Rücken liegend ausgegraben (T34+ 37.TS4).184 Hier wie bei allen anderen Qumrangräbern fehlen Inschriften jeglicher Art. Bei der ausschließlich in En Feschcha stattfindenden Grabung 1958 wird ein nicht weiter bestimmbares Skelett gehoben, das westlich ausgerichtet, den Kopf nach Süden gewendet und so nicht „wie die Gräber auf dem großen Friedhof“ (!) ist. Trotz der auffälligen Tiefe wird es mit Beduinenbegräbnissen in Verbindung gebracht, das Ergebnis aber nicht analog zum Friedhof von Qumran gewertet.185 Für die frühe Thesenbildung spielt de Vaux eine nicht unbedeutende Rolle. Dennoch argumentiert er in seiner Monographie außerhalb der Archäologie sehr bedacht und Inkonsequenzen integrierend. Essener auf dem Areal und der unmittelbaren Umgebung bedeuten zwar auch Essener auf dem Friedhof, aber er gibt zu, dass diese Schlussfolgerung textbasiert ist: Frauen am Rande des Friedhofes können ein Hinweis darauf sein, dass sie keine Mitglieder der Gemeinschaft sind. Weiterhin diskutiert de Vaux aber auch im Kontrast zur Gemeinderegel die Verweise auf verheiratete Mitglieder im Damaskusdokument und der Gemeinschaftsregel, die durchaus eine Erklärung für Frauen und Kinder auf den „secondary cemeteries“ seien. Er schließt nicht aus, dass die in dem Damaskusdokument angesprochenen zwei Wege mit den Essenerberichten des Philo, Plinius und hier besonders Josephus erklärt werden und somit im Laufe der Gemeindeentwicklung Heirat in einer einstigen zölibatären Gemeinschaft möglich geworden sei, wobei immer noch beide Lebensweisen gelebt würden (dazu Kap. III.2.1+VI.3.2).186

ger Mensch“, wohingegen bei Röhrer-Ertl 8–10 festgehalten ist. Bemerkenswerter ist, dass de Vaux, ebd., 571, kein Doppelbegräbnis für TS3 angibt (s.u.). Zum Schmuck s. Abb. 1+2 bei Clamer, Jewellery finds, 172f.182f. 184 De Vaux, Grabungstagebücher, 117f., mit 94f. 185 S. de Vaux, Grabungstagebücher, 109+118. Die Untersuchung eines weiteren Grabes bleibt bis auf ein „Halskettenelement“ ergebnislos. Laut Clamer, Jewellery finds, 172f. mit Abb. 3, sind noch zwei weitere Gräber gehoben worden: T2 habe eine Frau sowie Glasund geschmolzene Perlen und T3 ein Kind mit einer gelöcherten Münze enthalten. 186 S. de Vaux, Archaeology and the DSS, 111–115.128–136 (Zitat: 115). Vgl. ders., Rapport préliminaire, 105.

48

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

2.2.3 Auswertung der French Collection Grab (T) 4

Erstbestimmung Vallois –

Sheridan

Zias





Größe –

5

Vallois – w. Vallois – m., 20–25 Jahre Vallois – w., 40–50 Jahre

5g: erw., m.? 5r: m., 40– 50 Jahre









m.?, 40– 45 Jahre

m.

1,60

9

Vallois – w.







10

Vallois – m., 40 Jahre + w.

?, 40–45 Jahre + m.?,?





11

Vallois – m.?, 50 Jahre

m., erwachsen

m.



A

Kurth – w., 30–35 Jahre

w., 45–50 Jahre



1,54

7

Notizen

Lage

O-W, auf dem Rücken, Kopf nach O; mit Becken entnommen eventuell zwei Individuen, eines: N-S, auf dem Rücken, Kopf nach S, zusammen mit Becken entnommen N-S, auf dem Rücken, Kopf nach S, sehr breites Becken – mit Schädel entnommen (Grab mit großen Kieselsteinen bedeckt) N-S, auf dem Rücken, Kopf nach S, mit Becken entnommen (L. abgedeckt mit großen ungebrannten Ziegelsteinen) N-S, auf dem Rücken, Kopf nach S, mit Becken entnommen (L. mit großen Ziegelsteinen verschlossen) N-S, Knochen im Haufen, Kopf nach S, Gesicht zu Boden; Zweitinhumierung; kein Becken, Schädel entnommen Grabung 1955 unter Kurth

HF – S

HF – M HF – M

HF – N

HF – N

HF – N

HF – ME

NF

* Legende: w. = weiblich, m. = männlich, N-S = Nord-Süd-Ausrichtung, O-W = Ost-WestAusrichtung, N = Norden, S = Süden, O = Osten, L. = Loculus, HF = Hauptfriedhof, M = Mitte, ME = Mittlere Erweitung, NF = Nordfriedhof

Die zu der French Collection gehörenden Skelette von achtzehn Personen werden in Jerusalem (T12.13.15.16a.b.17–19.A+B) und Paris aufbewahrt

2. Der Friedhof von Qumran

49

(T3–8.10+11), wobei Knochen aus T1.2.9.14+17 fehlen.187 Wie schon angedeutet, ist es bei dieser Sammlung schwierig, aus dem relativ kleinen Bestand Schlussfolgerungen zu ziehen.188 Aus diesem Grunde können Sheridan und ihr Team nur für T18 und TA die Größe des Skeletts bzw. des einstigen Menschen bestimmen.189 Die nach de Vaux einzigen weiblichen Knochenreste auf dem westlichen Teil des Hauptfriedhofes, in T7, sind nach neuerer Analyse charakteristisch für die männliche Anatomie. Dennoch bleibt eine letzte Unsicherheit: „rather definitively male“. Ein Oberschenkelkopf kann nicht bestimmt werden; Sheridan geht außerdem davon aus, dass Vallois mehr Material zur Verfügung gehabt hat und sie auch deswegen nicht mehr auf eine Frau schließen kann.190 Auch die vier Doppelbegräbnisse (T4–6+10) werden nicht bestätigt.191 Sowohl T4 als auch T6 haben je einen Mann enthalten. Für T5 machen dies die Überreste ebenfalls deutlich, wobei der Fund zweier Unterkieferknochen für die Präsenz eines weiteren Individuums spricht. Da nun der eine „robust“ (T5r) und der andere „gracile“ (T5g) sei, verweise der zweite möglicherweise auf eine Frau. Allerdings wird zugegeben, dass dies nicht der beste Indikator ist, daher: „probably female“.192 Ein Schädel aus T10 sei eindeutig männlich. Auch hier gibt es keine Hinweise auf ein weiteres Skelett – ein Knochen kann aufgrund von Paraffinen und Schmutz nicht mehr gesäubert und so nicht näher untersucht und zugeordnet werden – aus diesem Grunde lautet das Ergebnis: „M[ale]?“.193 Sheridan schließt nicht aus, dass dieses Durcheinander auf Fehler in der Bergung oder im Musée de l’Homme zurückzuführen ist. Auf diese Weise ist vielleicht ein Frauenskelett auf mehrere Kisten verteilt worden. Eine weitere Möglichkeit ist, dass je zwei Skelette pro Grab gefunden, aber aufgrund mangelnder anthropologischer Kenntnisse nicht nur von einem, sondern auch von den Frauenskeletten Teile entfernt worden sind. Verteilung der Knochen durch Tiere scheint sie aufgrund fehlender Spuren selbst für unwahrscheinlich zu halten.194 Da nun von der Anwesenheit de Vauxs bei den Ausgrabun187

Zuerst bei Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 132–134.138f. Sheridan, French Collection, 206f. Zum Zustand ebd., 208–211. Zum Verbleib weiterer Knochen: Taylor, Cemeteries, 303, Anm. 64. Zur obigen Tabelle s. 2.2.2+3. 188 Vgl. Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 137–162. 189 Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 154+138, Abb. 9. 190 Sheridan, French Collection, 228f.+233 (Abb. 9). 191 Problematisch ist auch, dass es von diesen Gräbern keine Fotos in situ gibt, s. Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 211. 192 Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 202.206–209. Es wird auch gemutmaßt, dass die Überreste aus T3 mit jenen aus T4.5+8 vermischt worden sind (Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 163). 193 Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 208f. 194 S. die verschiedenen Szenarien bei Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 211.

50

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

gen auszugehen ist, müsste er sich an vier Gräber mit je zwei Personen erinnern – was bei Knochenresten in T5 oder 10 (ein Unterkieferknochen und ein weiterer Knochen) für einen Laien allerdings schwierig zu erkennen ist. Streicht er deswegen die als Frauen identifizierten Überreste in Vallois’ Bericht durch (s.o.)? Zu behaupten, dass er sich absichtlich gegen den Befund des Anthropologen stellt, um auf eine Gemeinschaft seiner Vorstellung zu kommen,195 bleibt spekulativ – ebenso, dass Vallois unfähig für diese Aufgabe gewesen sei.196 Für eine absichtliche Ergebnisverfälschung fehlt jedes Motiv. Da nun für T5 – für T10 ist es zu vage – bei aller Unsicherheit ein Doppelbegräbnis möglich ist, kommt man über folgende Annahmen nicht hinaus: Entweder ist der Zustand der Knochen derart desolat gewesen, dass sie ad hoc schwer einzuschätzen waren, oder es ist inkompetente Arbeit irgendwo zwischen dem Fundort in Qumran und dem Forschungsinstitut in Paris geleistet worden. An dieser Stelle könnte man weiterfragen, ob die Knochen aus TB nicht doch T10 zuzuordnen sind. Sheridan verneint dies jedoch: Die in Paris liegenden zu T10 gehörenden Knochenreste bestätigen de Vauxs Notizen: einen 40–45-jährigen Mann. TB wird in Jerusalem aufbewahrt und deutet auf einen älteren, zahnlosen Mann, was wiederum mit Kurths Ergebnis übereinstimmt. Ähnlich T9 und TA: Das Skelett aus T9 ist seinerzeit von Vallois nach Paris geschickt und dort untersucht worden, steht aber zum Zeitpunkt von Sheridans Untersuchung nicht mehr zur Verfügung; es existieren nur noch Aufnahmen in situ. TA in Jerusalem kann jedoch noch überprüft und so eine 1,54 m große Frau von ca. 45–50 Jahren festgestellt werden, was zwar zehn Jahre über Kurths Einschätzung geht, sie aber auch nicht wesentlich modifiziert.197 Das Problem ist hier also weniger der Nachweis von vier Grabinhalten als vielmehr die Lokalisierung von TA+B, die zumindest von de Vaux und seinem Team nie vorgenommen worden ist. Zu dem nördlichen Friedhof können sie nicht gehören, weil dort nach einem Oberflächensurvey nur zwei Grabungen, eben an T9+10, nachgewiesen worden sind.198 Nach diesem Bestand steht doch die Frage im Raum, ob die in TA entdeckte Frau überhaupt in einer seriösen Zählung berücksichtigt werden sollte. Es existiert zwar eine Aufnahme des Nordfriedhofes, jedoch zeigt diese noch 195

S. Donceel, Synthèse, 38, Anm. 90. Dies nimmt jedoch Broshi, Essenes at Qumran?, 30, an. Hierbei ist interessant, dass er diese Unfähigkeit und den Befund Sheridans für seine Argumentation gegen den Befund der Frauenskelette anführt. Hier müsste Broshi Röhrer-Ertl diskutieren, gegen den er jedoch weder Unfähigkeit noch dessen Befund vorbringen kann (s.u.). 197 Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 154+157, Abb. 13. S. weiterhin Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 208f. 198 S. Eshel u.a., New Data: Index Map. Vgl. mit de Vaux, Grabungstagebücher, 30, Abb. 30. S. dazu Sheridan, French Collection, 214f. Taylor, Cemeteries, 287, sieht T9+10 im nördlichen Abschnitt des westlichen Hauptfriedhofes. 196

2. Der Friedhof von Qumran

51

nicht den Grabungszustand. Bei aller Schwierigkeit einer näheren Lokalisierung beweist sie doch, dass auch der Nordfriedhof erhöht liegt, und zeigt, dass weiter östlich auch die moderne Straße entlangführt – was allerdings nicht erklärt, warum dieser Friedhof heute als verschollen gilt.199 Fotos der Skelette aus TA+B existieren in situ, zeigen aber nicht die weitere Umgebung.200 Zwar fehlt für TA der genaue Fundkontext, aber die Dokumentation der Grabung und der aufbewahrten Knochen zeigen, dass der Fund zum Qumranbestand gehört. Sheridan nennt außerdem keine weitere Auffälligkeit und schließt denselben Zeitrahmen der von ihr untersuchten Skelette auch für TA+B nicht aus. Bis auf die Tatsache, dass nicht bestimmt werden kann, wie TA in Bezug auf den Hauptfriedhof zu bewerten ist, ist die Datenlage nicht minder gut oder schlecht als für den Rest der gehobenen Gräber. Nach Vallois’ Analysen ist das Ergebnis der French Collection ernüchternd. Im Ganzen bleiben dreizehn männliche Erwachsene: T3.4.5r.6.8+11 und T12–14.16a.b.18+19201 (das Ergebnis der zweiten Grabung wird mit Feinabstimmungen bestätigt) sowie ein Mann in TB. Für T5g.7.10 vermerkt Sheridan „M?“, tendiert somit eher zu maskulin. Weiterhin bestimmt sie einen Jugendlichen (T15) männlichen Geschlechts. Ein gutes Ergebnis für Frauen in Qumran ist das nicht: Einzig TA scheint sicher ein weibliches Skelett zu sein, dessen Provenienz allerdings nicht gesichert ist.202 Unter Berücksichtigung des Hintergrundes könnte höchstens T5g noch hinzugezogen werden, wobei dies allein von einem Unterkieferknochen abhängt, der womöglich einer unachtsamen Behandlung des Materials entstammt. T7 kann man nicht guten Gewissens als Frauenskelett bezeichnen, auch T10 ist zu vage. T9 steht nicht mehr zur Verfügung.

199 S. z.B. Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 135f., mit 136, Abb. 7. Das Foto wurde zuerst unter der Nr. 448 in Humbert / Chambon, Fouilles, 216, veröffentlicht. 200 S. Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 131, Abb. 2; 133, Abb. 3. S. ebenso Sheridan, French Collection, 215+208–210 mit Abb. 2+3; 227f. 201 Für T3+11 heißt es schlicht „adult“ – nach Vallois handelte es sich um einen 20–25 und einen über 50-jährigen Mann. S. Donceel, Synthèse, Abb. 2, u. Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 141. T17 kann nicht berücksichtigt werden, s.o. 202 S. Sheridan / Ullinger, Reconsideration, 210.

52

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

2.2.4 Auswertung der Collectio Kurth / German Collection Grab (T) 22

Kurth

24a.b

24a, m., 18–20 J.; kleiner: 24b, m., ca. 25 J.

m., 30–35 J.

RöhrerErtl w., 30–39,99 J.

Zias m.

Größe 1,63

m.

1,61

32

w., 30–35 J.

24-I (24a), m, 30– 39,99 J.; 24-II (24b), w., 20–21 J. w., 25–30 J.

33

w., 25–30 J.

34

1,59

Bd.

1,58

w., 30– 39,99 J.

Bd.

1,59

w., 25 J.

w., 30– 39,99 J.

m., Bd.

1,62

35a

w., 30–40 J.

w., 25–30 J.

m., Bd.

1,57

35b

k.A. ?, 6 J.

m., Bd. Bd.

1,52

36

w., 20–22 J. w., 7 J.

37

w., 30–40 J.





1,59



Notizen

Lage

N-S, Oberkörper auf rechter Seite, Kopf nach S, Schädeldrehung gen O (L. mit großen Ziegelsteinen abgedeckt) N-S; Knochen im L. verstreut; ein Schädel im N, der andere im S – Zweitinhumierung

HF – N

O-W, nach links gekrümmt, Kopf nach W zeigend, gen N gewendet; braune Färbung, Spuren eines Sarges; Bronzering am Finger, 19 Perlen in Nähe des Fußes (kein L., keine Abdeckung) O-W, nach links gekrümmt, Kopf nach W zeigend, gen N gewendet; braune Färbung, Sargspuren; 2 Ohrringe (kein L.) O-W, Skelett auf Rücken; Kopf nach W zeigend, gen N gewendet (Grab tief L. mit 6 Steinen abgedeckt) O-W, nach rechts gekrümmt, Kopf nach W, nach S gewandt (40 cm tief L. mit 6 Steinen abgedeckt) O-W? O-W; nach rechts gekrümmt, Kopf nach W, nach S gewandt (L. mit Steinen u. Kiesel abgedeckt) N-S; auf Rücken, Kopf gen N, unter Oberschen-

HF – N

SE

SE

SE

SE

SE SE

SE

53

2. Der Friedhof von Qumran Grab (T)

Kurth

RöhrerErtl

Zias

Größe

S1

w., 30–40 J.

w., 50–59 J.

Bd.

1,60

S2

?, 6 J.

m., 6 J.

Bd.



S3a

?, 7–8 J.

m., 9 J.

m., Bd.



S3b S4

k.A. ?, 8–10 J.

–, 7–9 J. m., 10 J.

– m., Bd.

– –

Notizen kelknochen; Zweitinhumierung? (1 m tief Grab durch Oval aus kleinen Kieselsteinen bedeckt) O-W, Kopf nach W, Gesicht nach N gewandt; nahe Knöchel: 30 Perlen ähnlich jenen in T32, 2 Ohrringe (Grab schmal u. tief, ohne L. o. Abdeckung) N-S, Kopf nach S, nach O gewandt (nicht sehr tief keine Abdeckung, durch Steine geschützt) O-W; auf rechter Seite, Kopf gen W, zeigt nach S (kein L. o. Abdeckung) O-W O-W, auf Rücken; Kopf nach W, Brustkorb u. Gesicht nach S geneigt (nicht sehr tief; kein L. o. Abdeckung)

Lage

SF

SF

SF

SF SF

* Legende: w. = weiblich, m. = männlich, J. = Jahre, N-S = Nord-Süd-Ausrichtung, O-W = Ost-West-Ausrichtung, N = Norden, S = Süden, O = Osten, W = Westen, L. = Loculus, HF = Hauptfriedhof, SE = Südliche Erweitung, SF = Südfriedhof, Bd. = Beduinenbegräbnis

Unter der Collectio Kurth oder auch German Collection befinden sich die Skelette aus der Grabungskampagne von 1956: T20–37 fast vollständig (T25.27+37 nicht) sowie TS1–4 (TS1 nicht vollständig). Das sind 22 Individuen aus 19 Gräbern – ein Bestand, der zeigt, dass neben T24 auch T35 und TS3 Doppelbegräbnisse waren (s.u.). Die Untersuchungen werden nach der Blindmethode vorgenommen, also ohne vorherige Befunde zur Kenntnis zu nehmen, um größtmögliche Objektivität zu wahren.203

203

Zur Fundgeschichte, dem Fundzustand und dem Vorgehen insgesamt s. Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 165–175; Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 165f., u. Röhrer-Ertl, Facts, 186. Vom Weg der Sammlung nach Deutschland bis zur Untersuchung unter Röhrer-Ertl s. den Überblick bei Zangenberg, Bones, 52–60. Zur Tabelle oben s. 2.2.2 u. folgende Ausführungen.

54

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Entgegen Kurth wird in T22 ein weibliches Skelett, das Sterbealter zwischen 30 und 40 Jahren, bestimmt.204 T24b [bzw. 24-II] sei ebenfalls eine 20– 21-jährige Frau, der Mann in T24a wird mindestens zehn Jahre älter, zwischen 30 und 40 Jahren, geschätzt. Was das aber genau über diese Zweitbestattung aussagt, ist nicht ganz klar.205 Es sind zwar mit T22+24a zwei Frauen auf dem Hauptfriedhof, genauer auf dem mittleren Teil an der nördlich durchführenden Straße, zu finden, aber die Zweitbestattung „passt“ nicht in den Mehrheitsbestand. Auch deswegen, da man schlichtweg nichts über den ursprünglichen Bestattungsort weiß, was eine Zuordnung erschwert.206 Letztlich ist auch das Skelett in Seitenlage aus T22 nicht ganz mit den restlichen Skeletten des westlichen Hauptfriedhofes übereinstimmend. In der Münchener Untersuchung werden die weiblichen Überreste in T32– 35a+TS1 bestätigt, wobei T32+35a jünger und T33 leicht sowie T34+S1 deutlich älter seien als ad hoc geschätzt. Anhand der Grabungsunterlagen und Grabungstagebücher von Kurth stellt sich außerdem heraus, dass T35 aus zwei Frauenskeletten besteht:207 25–30- und 20–22-jährig. Da für T37 kein Material vorliegt (s.o.), bleibt das Ergebnis von Kurth unüberprüft. Die noch ausstehenden Geschlechtsbestimmungen für die Kinder ergeben ein siebenjähriges Mädchen in T36, einen sechs- und einen zehnjährigen Jungen in TS2+4. Das Doppelbegräbnis in TS3 enthält einen neunjährigen Jungen und ein nicht weiter bestimmbares Kind zwischen sieben und neun Jahren.208 Zahnuntersuchungen zeigen außerdem, dass die untersuchten Individuen Dattel- und Brotesser waren, obwohl wenige verbackene Mehlprodukte verspeist wurden. Beide Gruppen gehören dennoch zur selben sozialen, offenbar gehobenen, Klasse, einer „vorindustrielle[n] Führungsschicht“, da die Knochen keine Belastungsspuren von schwerer körperlicher Arbeit oder von Krankheiten aufweisen und die Kinderskelette keine Anzeichen für einen

204 Vgl. neben weiteren Nachweisen auch im Folgenden die Tabelle in Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 210–215 sowie die Abbildungen 3a– 12d (193–208) u. 172f. mit Anm. 9. 205 Zangenberg, Bones, 69, schließt auch ein Paar nicht aus. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 301f., mit Anm. 34, heben hervor, dass das Zweitbegräbnis nun gerade keine Aussage über den Stand dieser Frau innerhalb ihrer Gemeinschaft zulässt. Eshel u.a., New Data, 162, geben die Daten zu T24a+b vertauscht wieder, was vermutlich schlicht dem Umstand der Zweitbestattung geschuldet ist. 206 S. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 302, Anm. 34. 207 Offenbar sind eingelegte Zettel „zwischen Fundbergung, Fundtrennung und Fundübergabe in Jericho im Jahre 1956 verloren gegangen“ (Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 171, Anm. 6). Taylor, Cemeteries, 300f., Anm. 52, vermutet in T37 das von Röhrer-Ertl bestimmte T35b. S. noch Donceel, Synthèse, 93. 208 Nicht aufgeführt bei de Vaux, Grabungstagebücher, 95 o. 11. So auch nicht bei Eshel u.a., New Data, 163, Anm. 141, oder Zias. S. allerdings Donceel, Synthèse, 94.

2. Der Friedhof von Qumran

55

Einbezug in den Arbeitsalltag geben.209 Die erreichten Lebensalter im fraglichen Zeitraum seien im Vergleich mit Studien über die Lebensspanne eines besser Gestellten in Jerusalem höher und etwa gleich den Einwohnern Jerichos, was für gute Lebensumstände in Qumran spricht. Für ein endgültiges oder zumindest repräsentatives Ergebnis liegt allerdings nicht genug Material zur Auswertung vor.210 Dennoch führt die anthropologische Analyse in München zu dem Ergebnis, dass alle Knochen in dieselbe Zeit gehören. Außerdem wird eine verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit vorausgesetzt: Charakteristika der Körper und Schädel, die dem Haupt- und Südfriedhof zuzuordnen sind, weisen „engere genetische Abstände“ auf.211 Anhand des Befundes ist von „einer biologischen Population sensu soziologischer Heiratskreis“ auszugehen.212 Zudem wird betont, dass es bei den Frauengräbern „überhaupt keinen zweifelhaften Fall in der Geschlechtsdiagnose“ gab.213 Gerade die oben genannten Datierungsprobleme durch zu stark zerstörte Knochen können ein sicheres Zeugnis ablegen: Im Zusammenhang mit der fast vollständigen Zerstörung des Collagens in den Knochen durch wasserlösliche Salze heißt es: „alle untersuchten Skelet-Reste [müssen] de facto einem identischen Zeithorizont entstammen […], weil ihre postmortale Geschichte identisch verlaufen ist.“214 Nach den neueren Untersuchungen der Collectio Kurth ergeben sich also neun männliche (T20.21.23.24a.26.28–31), sieben weibliche Erwachsene (T22.24b.32–34.35a+b) und ein Mädchen (T36) auf dem Hauptfriedhof und 209

Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 176f.180.183– 186+192, u. Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 255. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 167+169. Was sich möglicherweise mit diesem Befund deckt, ist die Untersuchung von Rasmussen u.a., Preliminary Data, bes. 188f.: Demnach zeige eine Analyse der Knochen aus T12.15.16a+b.18.19.A+B, dass nach der Konzentration der Spurenelemente die acht Personen keine langjährigen Mitglieder einer Gemeinschaft, die gewöhnliche Nahrung zu sich genommen haben, gewesen seien. Die Untersuchung zeige weiter, dass einfache Nahrung ab einem bestimmten Zeitpunkt, also vermutlich ab der Ankunft in Qumran, konsumiert worden sei, was dezidiert eine asketische These nicht ausschließen würde. Interessant ist dabei, dass TA eine geringe Konzentration an Spurenelementen aufweise als die männlichen Vergleichsobjekte. Mehr zu Essgewohnheiten und Ernährung bei Pfann, A Table prepared, 174–178. 210 S. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 300, Anm. 33. 211 Vgl. die Zusammenfassung in Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 167. So auch später Röhrer-Ertl, Facts, 192: „The anthropological analysis clearly produced evidence of men, women, boys, and girls. This necessarily indicates a family-structured population. All these individuals were unquestionably buried within the same time frame […].“ 212 Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 178; s. weiter 179 u. 184. 213 Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 172f., Anm. 9. 214 S. Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 169 Anm. 5. S. ebf.: 181f.185f.

56

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

seiner südlichen Erweiterung sowie eine weibliche Erwachsene (TS1), drei Jungen (TS2.3a.4) und ein nicht bestimmbares Kind (TS3b) auf dem Südfriedhof. Zwei Männer aus T25+27 und eine Frau aus T37 (jeweils auf dem Hauptfriedhof) sind nur von Kurth überprüft worden, aber zum Ergebnis hinzuzuzählen. Daraus ergeben sich elf Männer und acht Frauen. Aufgrund der detaillierten und erschöpfenden Datenaufbereitung sowie dem dahinterstehenden Mitarbeiterstab, der samt und sonders aus Spezialisten besteht, gibt es keinen Grund, diese Ergebnisse anzuzweifeln. Darauf aufbauend zieht das Team um Röhrer-Ertl kontextuelle Schlussfolgerungen für Gemeinschaft und Lebensraum. Dabei werden äußere Faktoren für damalige Lebensbedingungen anhand von Bodenproben, Vegetation usw. berücksichtigt.215 So gelangen sie über verschiedene Wege zu einem konsistenten Ergebnis: Die plausibel gemachte wirtschaftliche Nutzung der Anlage und speziell die Deutung der Wasserbecken als Mikwen lassen auf eine jüdische Gemeinschaft schließen, die Dattelanbau und halbstationäre Viehzucht betrieben hat. Die Möglichkeiten der Anlage, darunter die Nutzung zweier Becken als Wasserreservoirs (L91+110), kann nach ihren Schätzungen für ca. 200–300 Personen gereicht haben.216 Der Aquädukt garantierte das Überleben in der Siedlung durch stetige Wasserversorgung und ermöglichte so die Pflege von Baumkulturen.217 Der Anbau von Dattelpalmen passt zu den Spuren an den Knochen, die keine schwere Arbeit bezeugen.218 Überhaupt heben Röhrer-Ertl u.a. den Bewässerungsfeldbau zwischen Qumran und En Feschcha hervor.219 Da sich die Anbaufläche über Teile des heutigen Gräberfeldes erstreckt, gehen die Autoren davon aus, dass fragliche Gräber erst später hinzukommen und sich die Anbaufläche entsprechend reduziert. Ob es dennoch möglich ist, dass Palmen auch zwischen den Gräbern gestanden haben, ist bei Einwoh-

215 S. die methodische Vorgehensweise: Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 165–186, und dazu die Literaturliste: 186–191. Ebf. Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, passim, zum Anspruch, 228; s. auch Röhrer-Ertl, Facts, 183f.; Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 164.167–169. 216 Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 258f.261f., u. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, passim. S. auch Magness, Archaeology of Qumran, 147. 217 S. de Vaux, Grabungstagebücher, 29, Abb. 29; 85. S. Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 238f.+250 mit Anm. 32. Zur Einordnung in den regionalen Kontext s. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 278f. Vgl. Magness, Archaeology of Qumran, 21. 218 Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 252 mit Anm. 33; 255. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 167–169. 219 Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 253 mit Anm. 34; 254–256. 261f.

2. Der Friedhof von Qumran

57

nern, die offenbar großen Wert auf Reinheit legen, fraglich.220 Für das zweite nachchristliche Jahrhundert ist eine geschlossene Pflanzendecke nachweisbar, auch wenn Qumran umgeben von Mischwald aus heutiger Perspektive nur schwer vorstellbar ist. Ob dies nun auf Qumran als Laubheu- oder Holzkohlelieferant schließen lässt, kann man höchstens in Erwägung ziehen, aber keineswegs nachweisen.221 2.2.5 Steckolls Befund Nach Steckolls Veröffentlichungen sind zehn weitere Gräber mit elf Individuen (= G2–11) aus seinen Grabungen von 1966/67 in Qumran zu beachten.222 Auf diese Ergebnisse zurückzugreifen, ist jedoch nicht unumstritten, da bislang nur für G2 eine publizierte anthropologische Studie der Verantwortlichen Haas und Nathan vorliegt.223 Die Verzögerung ist nicht ganz klar und kann hier nur als unglücklicher Umstand hingenommen werden. Das Misstrauen, das sich in der Forschung zeigt, richtet sich allerdings nur gegen Steckoll. Er ist Journalist und Hobbyarchäologe, wohingegen Haas und Nathan in der Fachwelt anerkannte Anthropologen sind. Das macht die Auswertung seiner Veröffentlichungen zu Qumran zwar nicht gehaltlos, gleichwohl sind sie mit entsprechender Vorsicht zu genießen. Das eigentliche Problem ist darüber hinaus, dass man über den Verbleib der Knochen heute nur noch spekulieren kann. Die Materialien aus seiner Grabung können also nicht überprüft werden.224 220

Zur Theorie: Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 257f.; Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 295 mit Anm. 27. Da mit Num 19,16 die Berührung eines Grabes unrein macht, ist nicht davon auszugehen, dass man sich außerhalb von Begräbnissen auf dem Friedhof aufgehalten und dort auch Baumkultivierung betrieben hat. Auch das Wasser sei nicht rein (vgl. mJad IV,7a), gleich ob es als Trinkwasser oder zur Reinigung genutzt worden ist. 221 Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 240+247+260f. Die ebd., 245, postulierte geschlossene Pflanzendecke bis ins 2. Jh. wird von Fabry, Archäologie und Text, 86 mit Anm. 51, mit Unverständnis aufgenommen. Von einer fruchtbareren Zeit als der heutigen ist jedoch auszugehen – s.o. unter 1.2. 222 Nach Steckoll, Preliminary Excavation Report, bes. 335, sind es noch zehn Gräber: G1–10. Die Ausgrabung von G1 ist abgebrochen worden (ebd., 328). In The Community of the Dead Sea Scrolls spricht er von G2–11. Steckoll, Marginal Notes, trägt leider nichts Substantielles zur Diskussion um die Gräber bei. 223 S. Haas / Nathan, Anthropological Survey. 224 Zur misstrauischen Seite s. Zias, Confusion, 240, Anm. 56, und Magness, Archaeology of Qumran, 169, die die Ergebnisse von Steckoll nicht berücksichtigen. Steckoll, Marginal Notes, 34f., selbst erwähnt zwar Untersuchungen in Tokio, eine um Klärung bittende E-Mail von Taylor (Cemeteries, 296 mit Anm. 31) an den vermeintlich Verantwortlichen hat aber nichts erbracht. Letztlich ist wohl davon auszugehen, dass die Gebeine zwischen Israel und Japan verloren gegangen sind, die israelische Regierung sie wieder vergraben lassen oder Steckoll einen Teil sogar verkauft hat (so die Möglichkeiten nach Zan-

58

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Grab225

Bestimmung

Orientierung

G1 G2

m., 65+ J.

G3

m., 65+ J.

G4

m., um 40 J.

N-S; Kopfneigung: O N-S; Kopfneigung: O N-S

G5

m., 22 J.

G6a

w., 25 J.

G6b G7 G8

Kind, 2 J. w., 14–16 J. w., 23 J.

G9

m., 65 J.

N-S; Kopfneigung: O

G10 G11

m., 25–26 J. w., 45–50 J.

O-W N-S

N-S; Kopfneigung: O N-S; Kopfneigung: O – N-S N-S

Notizen Grabung abgebrochen 1,65 m; L. im O; Jahre vor Tod schwer verwundet; andere Ethnizität? 1,85 m; kein L.; Schreiber (laut Handmerkmalen); Palmenblätterkorb; verbranntes Holz Reiter (nach Gliedmaßen); verbranntes Holz, Dattelsamen 1,58 m; L. zentral; körperliche Arbeit, barfüßig; verbranntes Holz 1,65 m tief; L. im O; verbranntes Holz

2,5 m; L. im O – 1,93 m; L. im O; Arbeiter – Gewichte auf Schulter getragen; 40 Scherben (20–60 n.Chr.), verbranntes Holz L. im S; verbranntes Holz verbranntes Holz

Lage: HF

M

M

M M

M

M S ME o. NE ME

SE SE?

* Legende: w. = weiblich, m. = männlich, J. = Jahre, N-S = Nord-Süd-Ausrichtung (Kopf jeweils im Süden), O-W = Ost-West-Ausrichtung (Kopf im Westen), L. = Loculus, HF = Hauptfriedhof, N = Norden, S = Süden, O = Osten, W = Westen, NE = Nördliche Erweiterung, ME = Mittlere Erweitung, SE = Südliche Erweiterung

Es ist ausschließlich auf dem Hauptfriedhof gegraben worden. Bis auf G10 sind alle Skelette genordet, der Kopf im Süden ist, soweit dokumentiert, gen genberg, Bones, 52, und Norton, Reassessment, 120, Anm. 145). Auch Röhrer-Ertl, Facts, 186, verweist darauf, dass nur das Material der German und French Collection verlässlich sei, wobei er Haas und Nathan gegenüber positiv eingestellt ist (s. ders. / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 173, Anm. 9). Norton, Reassessment, 120, fokussiert sich jenseits der Deutungen Steckolls auf dessen Beobachtungen und Beschreibungen der Gräber und versucht Steckolls Arbeitsweise zu folgen, irrtümliche Schlüsse aufzudecken und damit ein möglichst nachvollziehbares Ergebnis zu schaffen. In den folgenden Ausführungen wird daher seine Arbeit (ebd., 115+120–122) besonders berücksichtigt. 225 Dazu Steckoll, Preliminary Excavation Report, 323–325.328f.334f. Ders. mit diversen Fotos einiger geöffneter Gräber in situ und weiteren Funden: The Community of the Dead Sea Scrolls, 200–215+231. Übersichtlich mit tabellarischer Auflistung bei: Norton, Reassessment, 115.

2. Der Friedhof von Qumran

59

Osten geneigt.226 G2 liegt mitten im nördlichen Abschnitt des Hauptfriedhofes und ist das einzige von Steckoll gehobene heute noch lokalisierbare Grab, der Rest ist zu rekonstruieren.227 G3–6 liegen möglicherweise auf dem mittleren und G7 auf dem südlichen Abschnitt des Hauptfriedhofes, G8+9 auf der mittleren und G10+11 womöglich auf der südlichen Erweiterung.228 Darunter ist nach Steckolls Angaben eine 25-jährige Frau mit (ihrem?) zweijährigem Kind (G6a+b), eine weitere etwas jüngere Frau (G8) und eine Jugendliche (G7) – und somit zwei weitere Frauen auf dem Hauptfriedhof und eine auf seiner mittleren Erweiterung. Die Skelette aus G3.4.6+10 zeigen zudem Brandspuren, die bislang an keinem der weiteren der Qumranskelette nachgewiesen werden konnten.229 Steckoll selbst schließt für alle sieben Gräber mit verbrannten Holzresten, also auch für das Frauenskelett in G11, auf eine Feuerzeremonie zur Reinigung der Verstorbenen, die aus Versehen in vier Fällen auch die Körper in Mitleidenschaft gezogen habe.230 Golb stützt seine These sehr stark auf die Veröffentlichungen von Steckoll, weswegen er in den Toten Gefallene im Kampf gegen die vorrückenden Römer im Jüdischen Krieg (nach Golb um 70 n.Chr.) sieht. Er hebt dabei die Reihung der Gräber und ihre Anordnung auf einer Ebene sowie die Steinbedeckung hervor, womit nur der westliche Teil des Hauptfriedhofes berücksichtigt sei. Weder die Friedhofsanlage noch die übrigen Skelette erwecken jedoch den Eindruck, dass Gefallene nach der Schlacht mit den Römern in kurzer Zeit begraben worden sind.231 Auch Taylor verbindet Steckolls Befund mit der Eroberung Qumrans durch die Römer – die Pfeilspitzen und Brandspuren legen dies zumindest nahe. Zusammen mit den möglichen Sargresten aus T17–19 auf dem südwestlichen Teil des Hauptfriedhofes, die auch ver226

Steckoll, Preliminary Excavation Report, 335; Norton, Reassessment, 115. S. Steckoll, Preliminary Excavation Report, 328–334; Eshel u.a., New Data, 137, Anm. 10, mit Index Map. G1 müsste nach Steckoll, Preliminary Excavation Report, 329, Abb. 2, das bei Eshel u.a., New Data, in der Nähe des nach der Index Map verzeichneten Grabes mit der Nummer 757 auf dem westlichen – aber nicht mehr äußersten, wie noch nach Steckoll – Teil des Hauptfriedhofes liegen. Eine ungefähre Zuordnung der Gräber können Donceel und Norton vornehmen, s. im Folgenden. 228 So Donceel, 103–105. S. ebenso Norton, Reassessment, 115. 229 Steckoll, Preliminary Excavation Report, 335. Fünf Jahre später meint er (The Community, 229f.), dass neben dem in G6 noch ein weiteres Doppelbegräbnis in G3 vorliegt – auch dass oftmals Knochen nicht zum Skelett zu passen scheinen, weswegen er ein Massaker vermutet. 230 S. Steckoll, The Community, 214f. Seine Parallelen zu Mt 3,11 und Lk 3,16 werden hier nicht nachvollzogen. Laut Tafel 9 bei Norton, Reassessment, 115, soll G11 auch verbranntes Holz enthalten haben. Warum Steckoll in keiner anderen Veröffentlichung darauf – auf G11 überhaupt – weiter eingeht, ist nicht nachvollziehbar. Quelle nach ebd., 120, mit Verweis auf: Steckoll, Red Stained Human Bones from Qumran, in: Israel Journal of Medical Science 7 (1971), 1219–1223, 1220. 231 Golb, Qumran, 54f.+380. 227

60

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

branntes Holz sein können, und den Knochenverfärbungen in den Gräbern der südlichen Erweiterung würde dies ebenjenen gewaltsamen Tod stützen. Frauen und Kinder nun hätten die gefallenen Männer auf dem Hauptfriedhof bestattet, was die Mehrzahl an männlichen Gräbern erkläre.232 Dieses Szenario setzt natürlich eine nicht unbeträchtliche logistische Leistung voraus, die die These eher ad absurdum führt. Problematisch ist weiterhin, dass ein Tod durch Gewalteinwirkung und auch Brandspuren an den untersuchten Knochen von Röhrer-Ertl und Sheridan nicht angegeben worden sind.233 Insgesamt fällt an Steckolls Bericht auf, dass weitaus mehr indiziert wird als bei der French und German Collection. Da es weder einen ausführlichen Bericht gibt noch eine klare Lokalisierung der Gräber 3–11 oder gar die Skelette selbst vorliegen,234 bleiben viele Aussagen nicht verifizierbar und führen nicht weiter. Offenbar sind nicht alle Individuen einer Ethnie zuzuordnen, explizit wird aber nur G2 genannt.235 Anscheinend sollten alle Grabinhalte näher untersucht werden, was aber nie geschehen ist. Die wenigen Veröffentlichungen und verstreuten Hinweise erweisen das vorliegende Material als nicht nutz- und verifizierbar, weswegen es nicht in die weitere Thesenbildung aufgenommen wird. 2.2.6 Die Merrill-Expedition Die Merrill-Expedition fördert 2001 und 2002 unter der Leitung von Eshel und Broshi nahe der Spitze der mittleren Erweiterung aus dem von ihnen betitelten Grab „1.000“ drei weitere Individuen zu Tage. T1000 liegt im sogenannten Punkt B, in dem noch Mauerreste erhalten sind, die wohl auf ein kleines Gebäude in der Größe von 4,50 x 5,05 m schließen lassen und von de Vaux ursprünglich für einen Turm gehalten worden sind – was er selbst aber wieder verworfen hat.236 Die dort gefundenen 140 Scherben (v.a. Vorratskrüge und Kochgeschirr) datieren in die Zeit des Zweiten Tempels. Broshi und Eshel vermuten aufgrund der exponierten Lage und speziell bei diesen geringen Maßen eine „mourning enclosure“ der Qumrangemeinschaft, eine Art abgeschirmten Trauerbereich für Begräbniszeremonien, Gebete und Segnungen 232 Taylor, Cemeteries, 313–316+323. Sie diskutiert ebenso die Möglichkeit, dass Frauen generell den kleineren Anteil der (essenischen) Gemeinschaft gebildet haben (ebd., 316). 233 S. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 302, Anm. 34. 234 Donceel, Synthèse, Abb. 4, hat Steckolls Angaben in das de Vauxsche Gräberfeld eingetragen. 235 Haas / Nathan, Anthropological Survey, 350f. Steckoll, Preliminary Excavation Report, 324.333+335. Auch eine Herkunft der Qumrangemeinde anhand des Begräbnisses von G2 bleibt vage. Zum Ursprung aus dem Jemen s.u. Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 142f. 236 Eshel u.a., New Data, 147f. S. Notiz vom 29. November 1951 bei de Vaux, Grabungstagebücher, 94. (S. insgesamt zu den Ausgrabungen Broshi / Eshel, Three Seasons.)

2. Der Friedhof von Qumran

61

des Trauerzuges. Das erscheint jedoch höchst spekulativ. Dies zusammen mit den Resten eines Zinksarges (T978), die noch von einer illegalen Grabung übrig sind, spreche für ein Begräbnis von „more important personalities of the Qumran community“ auf der mittleren Erweiterung. Weiterhin davon ausgehend, dass alle Ost-West-Gräber späteren Datums seien (s.u.), relativiere sich die Wichtigkeit des Hauptfriedhofes zugunsten der Erweiterungen, genauer der mittleren Erweiterung.237 Was die Ausgräber letztlich nicht erklären können, ist der Fund zweier Skelettreste im süd-westlichen Abschnitt des vermuteten Gebäudes. Dort werden 2000/2001 zunächst zwei Frauen (BE2a+b) in Zweitbestattung entdeckt. Die Knochen liegen nur 20 cm unter der Erdoberfläche, was genau den Maßstäben entspricht, die die Archäologen Joseph Zias folgend für Beduinenbegräbnisse anlegen (s.u.). Dennoch können die zwei Frauen, im Alter von 25–35 und über 50 Jahren, anhand einer C14-Analyse der Zähne in die Zeit des Zweiten Tempels situiert werden. Obwohl nun beides: das vermeintliche Gebäude und die Zweitbestattung darin, ungefähr in dieselbe Zeit zu gehören scheinen, sehen Broshi und Eshel keine Verbindung.238 Dennoch sollte der Frage nachgegangen werden, wo diese Gebeine zuvor bestattet gewesen und wann sie warum an diesen Ort umgebettet worden sind. Auch der nächste Fund vermag dies nicht aufzuklären. 2002 wird unter jener Zweitinhumierung in ca. 1,07 m (3,5 Fuß) Tiefe ein 35–45-jähriger Mann in Erstbestattung entdeckt (die Bezeichnung bleibt bei T1000). Von den 55 ost-westlich orientierten Gräbern sei dieses, so die zuständigen Archäologen, das einzige antike. Durch die Keramik innerhalb der Mauerreste und den Kochtopf zu den Füßen des Skelettes ist die Datierung allerdings bestätigt.239 Eine Identifizierung des Mannes als jenen etwa aus CD bekannten Aufseher (‫)מבקר‬, „which was an office held by a succession of people“, ist wohl kaum aus seiner Bestattungsform abzulesen.240 Leider wird

237 Eshel u.a., New Data, 143–147+151–154. Dies untermauert zusammen mit Jos.Bell 2,128, wonach die Essener gen Ost, zur aufgehenden Sonne beteten, die Funktion des Ortes auch literarisch. 238 Vgl. Eshel u.a., New Data, 150–153+165. Die Überreste wurden wieder, dem israelischem Gesetz folgend, vergraben (ebd., 151, Anm. 57). Broshi / Eshel, Whose Bones?, 31, folgend, wird nicht ausgeschlossen, dass de Vaux selbst bei seiner Grabung von der Oberfläche Erde abgetragen hat, weswegen BE2a+b zwar nicht so tief wie die anderen Gräber auf dem Hauptfriedhof, aber ursprünglich doch etwas tiefer lagen. 239 Broshi / Eshel, Whose Bones?, 28+31f. Da der Fund ein Jahr später erfolgt, kann er noch nicht in der Tabelle aufgeführt sein (s. Eshel u.a., New Data, 163 mit Anm. 144). S. daher Broshi / Eshel, Three Seasons, 325f.+332. Weiter dazu: Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 54+212–215.147–153. 240 Broshi / Eshel, Whose Bones?, 71. Gegen Deutungen wie den Herrenbruder Jakobus oder Johannes den Täufer verwehren sie sich. Einen Nachfolger des Lehrers der Gerechtigkeit halten sie hingegen für möglich. Weiteres zu Letzterem und dem Aufseher in Kap. III.

62

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

dieser Gedanke nicht weitergeführt, denn welche bedeutenden Persönlichkeiten nun die zwei Frauen gewesen sind, die offenbar auf diesen besonderen Teil des Friedhofes umgebettet wurden, erklären die Ausgräber nicht. Ausgehend von der Besiedlung Qumrans zwischen 100 v. und 68 n.Chr. ist es schwer vorstellbar, dass erst ein Mann erst-, dann über ihm zwei Frauen zweitbestattet und anschließend über ihnen eine Art Klageort errichtet wird. Hätte man das an dieser Stelle überhaupt erwogen, wenn davon auszugehen war, dass sich dort Gräber befinden? 2.2.7 Ausgrabungen unter Magen und Peleg Während der Ausgrabungen von Magen und Peleg zwischen 1993 und 2004 werden neun weitere Gräber „on the cemetery’s southern end“, wohl die mittlere und südliche Erweiterung, untersucht, von denen nur vier menschliche Überreste enthalten, die bis auf eine Altersmarge zwischen 25 bis 60 Jahren nicht weiter ein- und zuzuordnen sind.241 Ein Grab birgt einen leeren Holzsarg, zwei Gräber sind leer und in zwei weiteren finden sich insgesamt vierzehn Krüge mit Deckeln aus dem endenden 2. oder beginnenden 1. Jh., in denen organische Reste, womöglich Dattelhonig, festgestellt wurden. Entsprechend ihrer These (s.o.) vermuten sie zunächst Soldaten und dann Töpfer, die wohl ihre Familien nicht bei sich gehabt haben, was die vielen Einzelgräber und geringe Frauenquote auf dem Friedhof erkläre. Der Grund für die begrabenen Krüge liege darin, dass sie rituell unrein geworden waren (mit Bezug auf Num 19,14f.). Dass diese zwei zusammen mit den zwei leeren Gräbern noch gehoben und ungenutzt aus dem Beginn der Hasmonäerzeit stammen (zur Bestattung der Kriegsopfer), bleibt ohne rechten Sinn, passt aber in den von den Archäologen postulierten militärischen Charakter der Siedlung für die erste Hälfte der zweiten Besiedlung.242

241

Magen / Peleg, Qumran Excavations, 397. Die Wiedergabe der hier genannten „bones of adults“ als „bones of men“ bei Avni, Qumran Cemetery, 127, ist selbst im Hinblick einer geschlechtsneutralen Übersetzung von „men“ sehr ungünstig. In der Publikation von Magen und Peleg liegt keine nähere Bestimmung der Überreste vor. 242 S. den entsprechenden Bericht von Magen / Peleg, Back to Qumran, 96–98.110, sowie dies., Qumran Excavations, 397–399. Eine späteisenzeitliche Nutzung des Friedhofs können sie nur vermuten. Ihre Lokalisierung ist nicht sehr präzise – sie sprechen zwar von einer gewissen Ordnung in diesem südlichen Bereich, aber nicht, ob dies der westliche Teil des Hauptfriedhofes oder die zwei Erweiterungen sind (Magen / Peleg, Back to Qumran, 98, weniger genau: Qumran Excavations, 397). Laut Survey (s. dazu Eshel u.a., New Data, Index Map) und Schultz, Cemetery, 200f., Anm. 34, handelt es sich um die neun folgenden Gräber: T813.823–827+843 = Südliche Erweiterung und T934+946 = Mittlere Erweiterung.

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2. Der Friedhof von Qumran

Letztlich wird bestätigt, dass der Friedhof in der Zeit der Qumranbesiedlung in Benutzung gewesen ist. Zum Bild der Menschen in Qumran, speziell der Frauen, lässt sich nichts Neues hinzufügen.243 2.2.8 Zwischenergebnis Sheridan

Röhrer-Ertl

Broshi / Eshel Gesamt: 49 in Prozent Gesamt mit Magen / Peleg: 53 in Prozent

Frauen TA

Männer T3.4.5r.6.8+11 u. TB; 12–14.16a.b.18+19 T15: 1 Jugendlicher

Kinder

unklar T5g.7.10 (m.?) T9 (f.?) T17 5

1 T22.24b.32– 34.35a+b+37 TS1

 14+1 = 15 T20.21.23.24a.26.28– 31 + T25+27

 8+1

 11

1 Mädchen (T36), 3 Jungen (TS2.3a.4), 1 Kind unbestimmt (TS3b) 5

2 12 ≈ 24,49

1 26+1 ≈ 55,1

5 ≈ 10,2

5 ≈ 10,2

≈ 22,64

≈ 50,94

≈ 9,43

9: ≈ 16,98

2.3 Bestattete und Bestattungsformen in Qumran und Umgebung Neben anthropologischen und archäologischen Bestimmungen der Skelette und ihres unmittelbaren Grabumfeldes bietet die Bestattungsart an sich im regionalen Vergleich eine weitere Beschreibungs- und Datierungsmöglichkeit. Wie oben gesehen, überwiegt die Nord-Süd-Ausrichtung der Gräber Qumrans auf dem Hauptfriedhof zwar deutlich, aber die Position des Bestatteten differiert durchaus (Kopf zumeist im Süden), was analog für ost-westlich gelegene Gräber gilt. Dennoch bleibt es auffällig, dass sich dieser Befund, wenn auch mit Ausnahmen, auf den Hauptfriedhof und die südliche Erweiterung sowie den Südfriedhof aufteilt.244 Eine Loculusabdeckung ist zwar nur zum Teil, aber eben auch für die südliche Erweiterung nachweisbar, ebenso ver243

Allerdings ist der Befund wichtig für Taylors Geniza-These, s.u. Unter 1177/78 Gräbern sind nach Eshel u.a., New Data, 137f., 54 in Ost-WestAusrichtung, davon 43 auf der südlichen, 6 auf der mittleren, je eines auf der nördlichen Erweiterung sowie auf dem nördlichen Friedhof und 3 auf dem (süd-)westlichen Teil des Hauptfriedhofes. Für Letztere s. Index Map (ebd.): neben T4=661 sind auch T579 und T1009 ost-westlich angelegt. 244

64

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

hält es sich mit dem Loculus selbst (T34–36). Schwerer wiegen das Fehlen dieser Charakteristika auf dem Südfriedhof, zusammen mit der südlichen Erweiterung die seitliche Skelettlage (T32–36) sowie der gefundene Schmuck im Vergleich zu den restlichen Gräbern in Qumran (T32.33+S1); ebenso die geringe Tiefe des Grabes (erwähnt für T35.S2+4). Zudem sind Frauen verstärkt und Kinder nur in der südlichen Erweiterung und auf dem Südfriedhof zu finden. Dennoch gibt es auch immer wieder Ausnahmen der vermeintlichen Ausnahmen: Von den Gräbern des Hauptfriedhofs liegt T4 ost-westlich mit Loculus im Westen. Letzteres gilt auch für T23; T7 ist ohne Loculus, das Skelett aus T22 befindet sich auf der rechten Seite, T14.22+24 sind zusammen mit T35+S2 Doppelbegräbnisse. Auf der südlichen Erweiterung liegt T37 gen Nord-Süd und supin wie T34+S4. T34.37+S1 liegen tief, wie in T17–19 finden sich in T32+33 vielleicht sogar Sargreste. Einzelgräber von geringer Tiefe sind auch aus Jerusalem bekannt. Mag dies ein Indikator sein, dass ein Familienbegräbnis für den Bestatteten bzw. seine Familie unerschwinglich und somit ein Begräbnisbrauch unter Armen ist, so sollte dies dennoch nicht ohne Weiteres auch für Qumran in Anschlag gebracht werden.245 Analog dazu könnte man bei Gräbern einer „frühindustriellen Führungsschicht“ (s.o.) erwarten, dass Grabkammern in die Mergelwand unterhalb oder westlich der Siedlung geschlagen worden wären, was genauso wenig weiterführt.246 In Jerusalem gibt es ca. 800 Familiengräber, wohingegen Schacht- oder flache Gräber eher die Ausnahme bilden – allerdings sind in Höhlen geschlagene Gräber auch besser geschützt und daher besser erhalten.247 Auch in Jericho und En Gedi sind Höhlengräber für Familien gebräuchlicher, für die sich im 1. Jh. n.Chr. außer in En Gedi auch Loculi für Einzel- oder Mehrbestattungen nachweisen lassen. Kochtöpfe wie in T1000 werden auch in Loculi in Jerusalem und Jericho gefunden. Ebenfalls sind in Jericho Sargbestattungen für Erst- und in En Gedi für Erst- und Zweitbestattungen aus dieser Zeit bekannt. In der Nähe Jerichos können außerdem ost-westliche Schachtgräber 245 S. Zissu, Qumran Type, 166. Dazu schon Taylor, Cemeteries, 312f. – s. dies., The Essenes, 259. Gräber von geringer Tiefe: Mamilla, Zion, Ketef Hinnom, Ramot und beim Damaskustor (ebd., 166f.). Zur Armenbestattung s. Taylor, Cemeteries, 312, dazu Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 206. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 292. Jüngst hat Stacey, Reassessment, 68–70, die These wieder aufgenommen und vermutet Armen- und Sklavenbegräbnisse in Qumran, die z.T. aus dortigen männlichen Arbeitern bestehen, aber auch aus Jericho zur Bestattung nach Qumran gebracht worden sind. 246 Vgl. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 298. Die Gebirgshänge sind auf weitere Höhlen hin und auch Wege untersucht worden – ein Höhlengrab hätte dabei entdeckt werden müssen. 247 S. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 205f. Zissu, Qumran Type, 165.

2. Der Friedhof von Qumran

65

mit Loculus aus der Zeit des ersten nachchristlichen Jahrhunderts nachgewiesen werden.248 Eine Ausnahme in Jerusalem bildet Bet Safafa: Ähnlich wie die Gräber in Qumran finden sich hier ebenfalls Schachtgräber, die in die Mergelterrasse in 1,5 bis 2,5 m Tiefe gehauen sind. Es sind Einzelgräber und ein Zweitbegräbnis, etwa zu gleichen Teilen nörd-südlich und ost-westlich ausgerichtet, mit Loculus direkt unter dem Schacht oder seitlich davon, nicht mit Steinen markiert, mit wenigen Grabbeigaben und ohne Inschrift. Anders als in Qumran sind hier fast alle vorhandenen Gräber erfasst, nämlich 41 von 50, unter denen sich 47 Individuen befinden. Hier lässt sich von einem repräsentativen Ergebnis sprechen, wenn 27 Männer sowie, verstreut auf dem ganzen Friedhof, 16 Frauen und drei Kinder nachweisbar sind. Die Datierung der Gräber vom Ende der Zeit des Zweiten Tempels bis hin zum Bar Kochba-Aufstand umfasst zwar nicht die lange Benutzungszeit des Friedhofs wie in Qumran – zumal der Zeitraum unterschiedlich veranschlagt wird (vgl. u. 2.6) –, ist aber dennoch ein unmittelbares und legitimes Vergleichsobjekt.249 Allerdings ist die Ähnlichkeit der Gräber mit Qumran für den zuständigen Archäologen Zissu Anlass genug, um von der gleichen Zeitspanne auszugehen, da für ihn beide Friedhöfe in essenischer Benutzung gewesen sind.250 Der Nachweis weiterer Schachtgräber in Jericho und Bet Safafa steht dafür, dass sie eben nicht einzigartig sind. Von den Gräbern selbst auf eine bestimmte religiöse Gemeinschaft schließen zu wollen, mutet abenteuerlich an.251 Ein mit Steinen markiertes ost-westlich liegendes Grab ist auch aus En elGhuweir bekannt. Hier finden sich außerdem in 17 Gräbern supin liegend 12 Männer, sechs Frauen und ein Kind um den Beginn der Zeitrechnung. Nathan, der auch für die Skelette von Steckoll beauftragte Anthropologe, meint sogar, dass die Skelette in En el-Ghuweir einen schlechteren Gesundheitszustand der Individuen widerspiegeln im Vergleich mit jenen aus Qumran (QG2–11).252 Da dies auch Röhrer-Ertl bestätigt, ist das ein weiteres Indiz für einen guten und im Vergleich höheren Lebensstandard in Qumran.

248

Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 56f.68. Fabry, Friedhöfe, 183. Zissu, Qumran Type, 158–170. In Jerusalem werden solch tiefe Schachtgräber nur noch zweimal entdeckt: Ost Talpijot und Mamilla (ebd., 166f.; ders., Odd Tomb Out, 54). Neben Nägeln sind auch zwei Glasflaschen aus dem 2./3. und 4./5. Jh. n.Chr. geborgen worden (Qumran Type, 163–165). Ders., Odd Tomb out, passim. Aktueller: Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 67f. 250 Zissu, Odd Tomb out, 54. Bereits zuvor gegen solche Deutungen angehend: Kapera, Some Remarks, 97–111. 251 S. dazu und zu weiteren Schachtgräbern in Israel: Avni, Qumran Cemetery, 128. 252 Dazu ausführlich Bar-Adon, Another Settlement, bes. 16. Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 68, nennt 13 Männer und sieben Frauen. S. auch Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 299f. 249

66

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Weiter südlich, in Hiam el-Sagha werden 20 Schachtgräber mit Steinbedeckung in Nord-Süd-Ausrichtung entdeckt. Davon enthält eines zwei Kinder mit einer Glasperlenkette und einen 25-jährigen Mann. Ein Kind soll an Unterernährung gelitten und der Mann womöglich schwere Arbeit verrichtet haben.253 Auch hier ist der Unterschied zu Qumran frappierend, wobei zwei Grabinhalte nicht repräsentativ genug sind. Die größte Ähnlichkeit mit Qumran zeigt sich jedoch im Vergleich mit Chirbet Qazone, ein möglicherweise mit Mahoza (an der heutigen LisanHalbinsel) verbundener nabatäischer Friedhof aus dem 1. bis 3. Jh. n.Chr., der ca. 3.500 Gräber, von denen auch nur wenige ost-westlich ausgerichtet sind, umfasst. Nach Plünderungen sind 1996/97 Grabungen an 23 unberührten Gräbern und 2006 weitere 20 vorgenommen worden. Diese Schachtgräber einzelner Belegung und mit Loculus wie in Qumran liegen in etwa 1,5 m Tiefe, dazu nord-südlich orientiert mit dem Kopf im Süden und einer Neigung gen Osten. Neben ähnlichen Begräbnistypen wie in Qumran finden sich auch Mehrfachbestattungen und ein Steinsarkophag. Einige Skelette sind eingehüllt in eine Art Leichentücher, was Leder- und Textilreste (letztere zumeist griechisch-römischer Herkunft) bezeugen; auch Grabbeigaben wie Töpferwaren oder Schmuck sind entdeckt worden. Diese, aber auch vier Grabstelen und zwei Papyri bilden den Unterschied zu Qumran.254 Dieser kurze Überblick zeigt, dass mit Qumran vergleichbare Befunde auch weniger Frauen- als Männerbegräbnisse aufzeigen, wenngleich das Verhältnis 24,49 % (12 Frauen) und 10,2 % (5 Kinder) zu 55,1 % (27 Männer), unter Berücksichtigung von fünf nicht klar zu bestimmenden Skeletten (s.o.), in Qumran besonders weit auseinander liegt.255 Einzelbestattungen, Schachtgräber oder Grabbeigaben in Qumran sind vielleicht generell im Vergleich mit Jerusalem, Jericho oder En Gedi selten, aber nach dem Befund von Bet Safafa und En el-Ghuweir auch nicht einzigartig, was v.a. ein Vergleich mit Grabstätten am Toten Meer zeigt, ebenso ost-west-orientierte Gräber in geringer Zahl. Nicht zuletzt sind Schachtgräber kein Spezifikum für Qumran, die Essener oder Juden überhaupt, wie nun auch der nabatäische Friedhof 253 Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 68, nennt zwei Kinder. S. Fabry, Friedhöfe, 181. 254 Politis, Khirbet Qazone, 213–217. Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 68– 70. Fabry, Friedhöfe, 182f. Er verweist auch auf die leichte Abweichung von der Nordung, die mit Bet Safafa vergleichbar sei. S. noch Zissu, Odd Tomb Out; Zangenberg, Trockene Knochen, 667 (auch passim). 255 Dies differiert mit der Zählung von Norton, Reassessement, 123: 28 % Frauen, 55 % Männer, 10 % Kinder, 7 % unklar. Ähnlich Galor, Gender and Qumran, 32, dazu: „The ratio between male and female burials at Qumran is 63.5 % versus 23 %, the remaining 6 % being child burials […], a proportion that can also be observed at other sites in the region.“ (Vgl. dies., Des femmes, 34.) So auch Avni, Qumran Cemetery, 129, wenngleich seine genannten Vergleiche geringere Relationen als der Qumranbefund bieten.

2. Der Friedhof von Qumran

67

zeigt, und somit mehr ein regionales als religiöses Phänomen. Vielleicht ist dieser Friedhof aber auch ein weiterer Hinweis dafür, dass über das Tote Meer ein (reger) Austausch stattgefunden hat, der, was nicht ungewöhnlich ist, über den Handel hinausging.256 Einzelgräber sind demnach nicht so herausragend, dass dies sogleich ein Selbstverständnis der Gemeinschaft erklären muss.257 Dies und auch die überwiegende Bestattungsart in Nord-Süd-Ausrichtung ist auch im Hinblick auf das Neue Jerusalem interpretiert und so auch mit den Essenern verbunden worden.258 Darin jedoch gleich eine Abweichung von der „Jewish burial norm“ aufgrund der Separation vom Tempelkult zu sehen, ist wenig sinnvoll.259 Ein nicht nach Jerusalem ausgerichtetes Grab müsste sonst im Hinblick auf die anderen Gräber – zumindest an der Westküste des Toten Meeres – ebenso erklärt werden, zumal sich so für die ost-westlich gerichteten Gräber sagen lässt, dass diese konform zum Jerusalemer Kult sind. Außerdem ist auch die häufige, aber nicht ausschließliche, Drehung des Kopfes in Richtung Osten zu erklären.260 Auch von Flavius Josephus genannte Essener in Jerusalem (vgl. Jos.Bell 5,145) und die Ähnlichkeit des Friedhofs von Bet Safafa mit Qumran führt nicht zwangsläufig zu genuin jüdisch-sektiererischen oder essenischen Gräbern in Qumran, sondern zu Bestattungsformen, die in der Zeit des Zweiten Tempels in Jerusalem und Umgebung praktiziert worden sind.261 Ferner ist der Gebrauch von Schachtgräbern und ihre Ausrichtung weder erst seit der hellenistisch-römischen Zeit noch allein im jüdischen Kontext nachgewie-

256

Politis, Khirbet Qazone, 219, nennt das Babatha-Archiv und die nabatäische Mutter Herodes’ des Großen als Zeichen einer Annäherung zwischen Juden und Nabatäern. Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 142–144, schließt nicht aus, dass jene Schachtgräber Qumrans eher nabatäischen Ursprungs sind und zieht von da aus weitere Parallelen zu Bestattungsformen aus Raybun/Jemen. 257 S. Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 71–74. Dies., Customs, 525f. 258 Fabry, Friedhöfe, 176, sieht die Nord-Süd-Ausrichtung als „eine spezielle Vorstellung vom Leben nach dem Tod“. Ebf. ders., Archäologie und Text, 91–95. Taylor, Cemeteries, 312 mit Anm. 90, diskutiert kurz die Möglichkeit der Begräbnisrichtung zum Paradies, das nördlich liegt, sich aber auch westlich, nord-westlich oder südlich befinden könne. 259 So bei Puëch und ihm folgend Zias, Confusion, 242. 260 Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 296, Anm. 28, zufolge fallen auf dem Hauptfriedhof mit den drei Erweiterungen und dem nördlichen Friedhof eher „Gruppen von Gräbern einheitlicher Ausrichtung“ auf, „die in ihrer N-S-Orientierung variieren“ und „ursprünglich ein zusammenhängendes Areal gebildet haben dürften“, was Mauerreste vermuten ließen. 261 Vgl. Zissu, Qumran Type, 169–171. Weiter ders., Odd Tomb Out, 52.54f.+62. Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 182 mit Anm. 17.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

sen.262 Sicherlich beweist dies nicht, dass derlei Bestattungen in einer Partei des Judentums in der hellenistischen Zeit nicht mit einer bestimmten religiösen Ausprägung, hier: mit Jenseitsglauben, verbunden sind; aber die Gräber selbst geben eine solche Deutung – auch im regionalen Vergleich – nicht her. 2.4 Frauenspezifische Funde Gegenstände wie Perlen, Ringe, Ohrringe, Nadeln oder Spinnwirtel263 gelten als typische Beigaben für Frauenbestattungen in der Antike und können demnach auch frauenspezifisch genannt werden.264 Schmuck ist bislang allerdings nur in drei Frauengräbern (T32.33+S1) nachgewiesen, die restlichen neun sind ohne jegliche Beigabe, was zumindest auffällig ist.265 Andererseits spiegelt sich dieser marginale Befund auch in jenem der Siedlung wider: Laut Inventarliste der unter de Vaux gesammelten Objekte sind 19 Ringe, zumeist aus Bronze wie jene aus T32, im Haupt- und in den Nebengebäuden gefunden worden, von denen wiederum sechzehn sicher und drei eventuell der Zeit der

262

S. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 293–299. Zangenberg, Trockene Knochen, 666f. 263 Spinnwirtel sind flachrunde Gewichte, in deren Mitte sich ein Loch für die Spindel, einen schmalen Stab aus Holz oder Knochen, befindet (s. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 202f.; Sheffer, Art. Textiles, 942; Magness, Archaeology of Qumran, 177; vgl. a. Dalman, Arbeit und Sitte V, 42–44.49–52). Zur Technik s. Völling, Art. Garn, 2. Herstellung von Garn. Spinnen ist wie Geburtshilfe von Männern wohl nie verrichtet worden (Taylor, Cemeteries, 320, Anm. 127). Da ersteres in diesem Kontext von vordringlichem Interesse ist, sei neben den von Taylor genannten Quellen (ebd., 318–320) zum Spinnen als „specific women’s domestic work“ noch auf ältere Literatur des Fruchtbaren Halbmondes verwiesen, die Spindeln ausschließlich mit Frauen in Verbindung bringt, wie etwa KTU 1.4 II,3f., KAI 26 A II 3/6 (Ph),5f. oder VTE §91 (616f.). Vgl. dazu die Grabstele der Mynna, die sie mit Spindel und Wollkorb zeigt: http://arachne.dainst.org/entity/1120874 (410–400 v.Chr., Athen). S. auch die Darstellung einer Wolle spinnenden Frau: http:// arachne.dainst.org/entity/452264 (undatiert, Griechenland; letzter Zugriff: 13. November 2016) Interessant ist der Aufsatz von Peskowitz, Domesticity and the Spindle, 118–134, die für jüdische Frauen in der Antike im Nähhandwerk eine wichtige Wirtschaftseinheit in klarer Rollendefinition und in Abgrenzung zu den Aufgaben des Mannes, im rabbinischen Schrifttum jedoch nur noch die Unterordnung der Frau, v.a. hinsichtlich ihrer Sexualität, festmacht. Kritische Rückfragen dazu formuliert Lieve Teugels, Unraveling the Rabbis’ Web, 135–142. 264 Hachlili, Customs, 311+327–330+395f.397–401 (vgl. dies., Reconsideration, 662f.). Allerdings seien auch Kosmetika typisch für Frauengräber. In Bezug auf Qumran, ebd., 324f., bleibt sie dennoch skeptisch. 265 Galor, Gender and Qumran, 32: „More specifically with regard to the issue of gender, the following statements can be made: The jewelry constitutes the only burial items that are of a gendered nature and can be clearly associated with the female sex. Burials of women and children are present in the main part as well as in the extensions of the cemetery.“ S. auch dies., Des femmes, passim.

2. Der Friedhof von Qumran

69

Qumranbesiedlung zuzuordnen sind.266 Weiterhin notiert de Vaux während der Ausgrabungen des Hauptgebäudes fünf Perlen. Eine wird bei der Mikwe in L48 gefunden und gehört so der Zeit der Frühbesiedlung an, zwei sind eindeutig (L35+44), eine nicht sicher (L41) zwischen 100 v. und 68 n.Chr. zu datieren. Eine Perlenhälfte jedoch ist wie ein Armbandfragment zu Periode 3 gehörig.267 Diese Angaben sind wiederum bei aller Ungewissheit der Stratifizierung mit Vorsicht zu genießen.268 Weiterhin sollten die neun in der Siedlung, im und in unmittelbarer Nähe zum Hauptgebäude, gefundenen Nadeln einer typisch weiblichen Tätigkeit zugeschrieben werden. Sechs davon gehören sicher in die fraglichen Siedlungsperioden.269 Von den bislang zwei entdeckten Spinnwirtel kann jedoch nur ein nicht weiter definierter aus L7 (KhQ 633) in de Vauxs Periode 2 eingeordnet werden. Dieser Locus befindet sich westlich des einstigen Turms auf der anderen Seite des Grabens, der das Haupt- vom Nebengebäude trennt. Im Locus selbst werden bereits 1951 Ausgrabungen vorgenommen, der Spinnwirtel jedoch mit anderen Gegenständen erst zwei Jahre später gehoben.270 Ein weiterer Spinnwirtel aus L20 (KhQ 401) ist nach de Vauxs Aufzeichnungen aus der Ausgrabungskampagne von 1953 in Periode 3 und somit nach 68 n.Chr. zu datieren.271 Einen einzigen aus En Feschcha stammenden Kalkstein-Spinnwirtel in L18 (AF 198) datiert Magness sogar in byzantini-

266 Vgl. de Vaux, Grabungstagebücher, 148+157 mit Abb. 5–7 zu den Siedlungsperioden (ebd., 6–8). Ein Bronzering ist außerdem in Höhle 3 gefunden worden. 267 Vgl. de Vaux, Grabungstagebücher, 51f.148.157.156.158, wiederum mit Abb. 5–7 zu den Siedlungsperioden (ebd., 6–8). Vgl. Magness, Archaeology of Qumran, 175–177. Dem sei in Höhle 1 noch ein Kochtopf und in Höhle 24 (50 m nördl. v. 11Q) ein bronzener Ohro. Nasenring hinzuzufügen (178). S. ebf. den Appendix bei ders., Women at Qumran?, 122f. Allerdings ist dabei wieder ihr Hinweis zu berücksichtigen, dass die von de Vaux ausgegrabenen Objekte nicht umfassend bestimmt werden können, da sie immer noch nicht forschungsgerecht zur Verfügung stehen (vgl. ebd., 179). Drei weitere Perlen fanden sich in Höhle 11+B. 268 S. nur Frey, Qumran und die Archäologie, 42. 269 Vgl. de Vaux, Grabungstagebücher, 148+156, mit Abb. 5–7, zu den Siedlungsperioden (ebd., 6–8). Magness, Archaeology of Qumran, 177+193–202, nennt noch eine Nadel in Höhle 24; Nadeln selbst behandelt sie erst in dem Abschnitt „Sectarian Clothing“ ohne spezifische Deutung. Anders Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 202, u. Taylor, Cemeteries, 321, sowie Magen / Peleg, Back to Qumran, 71f. 270 De Vaux, Grabungstagebücher, 39f. mit Abb. 6, ebd., 7, sowie 25, Abb. 24. Mit dem Spinnwirtel zusammen sind in L7 eine Bronzeschnalle, das Fragment eines Nagels, ein zusammengefalztes Kupferplättchen und das Halsstück eines Kruges mit eingeritztem Zeichen als Fundgegenstände notiert worden (ebd., 40). 271 S. de Vaux, Grabungstagebücher, 45 mit 8f., Abb. 7f. Gefunden werden außerdem ein Fragment eines Bronzeplättchens, ein Deckel eines Kessels und das Halsstück einer Tüllenkanne sowie eine Münze eines Prokuratoren unter Nero (ebd., 45).

70

II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

sche Zeit.272 Ferner sind bislang keine weiteren Komponenten, die auf Spinnen oder Weben schließen lassen, entdeckt worden. Was allerdings nicht verwunderlich ist, wenn der Gegenstand, wie im Falle einer Spindel, einst aus Holz gewesen und somit verrottet ist.273 Dies trifft auch auf Kämme zu.274 Sicherlich lässt sich der schmale Befund frauenspezifischer Objekte auch mit Frauen erklären, die bewusst darauf verzichtet haben. So versteht Bennett Elder die Frauen in Qumran als weibliche Asketen unter den Essenern.275 Dies setzt wieder eine spezifische Sicht auf die Zusammensetzung der vermeintlichen Gemeinschaft Qumrans in Kombination mit den gruppenspezifischen Texte voraus, die an späterer Stelle noch zu untersuchen sein wird (s. die folgenden Kapitel). Grundsätzlich ist Bennett Elder zu erwidern, dass Spinnwirtel und Nadeln keine Luxus- oder Schmuck-, sondern Zweckgegenstände darstellen, die auch Asketinnen nutzen können.276 Insgesamt sprechen die Funde eher für Frauen als Bewohnerinnen Qumrans, als dass sie sie widerlegen.277 Die Anlage scheint wie gesehen zweck272

Entdeckt Anfang 1958 im nördlichen Teil eines Nebengebäudes, den de Vaux Periode 1 oder 2 zuordnet. S. de Vaux, Grabungstagebücher, 32+34.101. Vgl. Taylor, Cemeteries, 318f., Anm. 117. Magness, Archaeology of Qumran, 177–179. – Die von Hirschfeld, Qumran in Context, 149 mit Anm. 200 (s. auch 150, Abb. 81), genannten „[a]t least six spindle whorls“ können weder mit der von ihm genannten Literatur (Donceel / DonceelVoûte, Archaeology of Khirbet Qumran, 14, u. Magness, Archaeology of Qumran, 177f.) noch mit dem Ausgrabungskatalog verifiziert werden. Zweifel an den Angaben der Donceels und Hirschfelds äußert Humbert und bestätigt die drei bisher genannten Spinnwirtel (so in einer E-Mail vom 24.02.2014). Mit Bélis, Des textiles, 219, sowie dies., Unpublished Textiles, 134, ist noch ein Fund in Höhle 3 als Spinnwirtel anzusehen. 273 Vgl. Sheffer, Art. Textiles, 942: „No spinning or weaving tools were found in Qumran or in its graves.“ Ebf. Taylor, Cemeteries, 321, Anm. 127, u. Magness, Archaeology of Qumran, 176. 274 Galor, Gender and Qumran, 32. Ein Indiz sind für sie Haarnetze und Kleiderreste aus einer Höhle – ebd. Salbengefäße für Öl und Parfüm (ebd., 34) sind kein Hinweis auf Frauen in Qumran, da sie nicht exklusiv von Frauen genutzt worden sind, außerdem für Produktion und Handel in Qumran stehen können. Jedoch heißt dies im Umkehrschluss nicht, dass ausschließlich Männer auf dem Areal zu vermuten sind (s. auch dies., Des femmes, 31+34). 275 Bennett Elder, Woman Question, 220–234. Dabei legt sie Wert auf den Unterschied zwischen Askese und Zölibat, ebd., 233, Anm. 1: „Asceticism is defined […] as a mode of life characterized by voluntary self denial for the purpose of spiritual discipline. This rudimentary definition permits new parameters for asceticism other than traditional Christian models in which celibacy is considered implicit.“ Dazu näheres in Kap. VI.2. 276 So nachvollziehbar von Magness, Archaeology of Qumran, 183: „In fact, I wonder whether it is anachronistic (or at least unfounded) to assume that because female Essenes were ascetics they would have refrained from spinning wool and from using cosmetics or any items of personal adornment.“ 277 Magness selbst gesteht zu, dass es ein „argument from silence“ ist, aufgrund des Fehlens eindeutiger Hinweise auf Frauen nicht von Frauen auf dem Areal auszugehen

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orientiert zu sein, sodass es vielleicht keinen großen Bedarf an derlei Schmuckgegenständen und Frauen nie in großer Zahl gegeben hat. Nach insgesamt einem Erdbeben, zwei Bränden, einer anzunehmenden Flucht vor den Römern und Plünderungen durch sie und durch Bewohner bzw. Besucher, ist es auch gar nicht so ungewöhnlich, dass nunmehr eher wenig zu finden ist.278 Zumindest sollte der Spinnwirtel nicht zum einzig möglichen auf Frauen hindeutenden Gegenstand erklärt werden. Zumal unter den mit Männern assoziierten Funden wenn nicht Werkzeuge, dann doch Messer auch von Frauen benutzt worden sein können. Neun Pfeile und Spieße zeugen außerdem eher von einem Angriff und dem Ende der Besiedlung in Periode 2 – sie beweisen eine kriegerische Auseinandersetzung und Feindkontakt, keine Männergemeinschaft.279 Doch auch wenn die genannten Objekte nicht eindeutig auf eine weibliche Präsenz schließen lassen, ergibt sich eine zurückgezogene und asketisch lebende Gemeinschaft ebenso wenig,280 wie sie in einer „zölibatären Essener-These“ formuliert wird. Liegt dieser These zugrunde, dass Frauenund Kinderskelette sowie auf Frauen zu beziehende Objekte nicht in die Zeit des Zweiten Tempels und Fundstücke ausschließlich auf Männer zu beziehen sind, so ist sie widerlegt. Erweitert man die These um den frauenspezifischen Befund, mag die Gemeinschaft mit den Essenern identifiziert werden. Eine

(dies., Archaeology of Qumran, 179.183). White Crawford, According, 142, bemerkt: „The lack of female-gendered objects does not positively prove that women were absent from Qumran, but it does make their presence more difficult to prove.“ Zu den Höhlen meint Magness, Archaeology of Qumran, 178: „No gendered objects are published from the recently excavated residential caves in the marl terrace to the north of Qumran.“ (Anders die Funde von Masada, ebd., 179f., und der Bar Kochba-Höhlen: 180–182; dazu Abb. 55–57.) Tatsächlich ist nur eine geringe Zahl an „gendered objects“ der Höhlen verzeichnet; vgl. Mizzi, Miscellaneous Artefacts, 153f. mit Tabelle 9.1 (155–157). 278 Vgl. Magness, Archaeology of Qumran, 173, Eshel, Review Hirschfeld, 390. 279 Zum Fundbestand de Vaux, Grabungstagebücher, 148+155, mit 6f., Abb. 5f. Zur Exklusivität: Magness, Archaeology of Qumran, 175+183f.; s. auch Zangenberg, Rezension, 370f.: „Apart from the tricky question how many ‚gendered male‘, in contrast to female objects were found […], Magness still skates on thin ice, because much of her argument depends on the paucity of material published so far. However, what is known already suggests indeed that women and children were present at the site, although perhaps less than the biological average.“ S. noch Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 301, Anm. 34. Popović, Roman Book Destruction, 252ff. 280 Eindeutiger wird dieser Schluss durch eine Einbettung anderer Funde in den regionalen Kontext, vgl. dazu Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, passim, und kurz Zangenberg, Desert, passim., ders., Einzigartigkeit, 123f. Auch Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Individuen, 168, sowie den vollständigen Bericht, in Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 239f., auf den Punkt gebracht: 262. S. schon diesen Anspruch in ebd., 228.

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essenische Bewohnerschaft lässt sich jedoch allein mit der Archäologie nicht nachweisen.281 2.5 Zias’ Beduinen-Hypothese Die in den letzten Jahren wohl folgenreichsten Thesen zum Friedhof Qumrans stammen von dem Anthropologen Josef E. Zias. Wie de Vaux richtet er das Augenmerk auf den westlichen Abschnitt des Hauptfriedhofs. Auch er versteht den bisherigen Befund so, dass es eine klare räumliche Trennung der Bestatteten nach Alter und Geschlecht gebe, was für jüdische Begräbnisgebräuche ungewöhnlich und demnach entsprechend zu bewerten sei. Somit sei der Hauptfriedhof antik, die südliche Erweiterung sowie der Südfriedhof aber beduinisch und zwischen 1250 und 1517 n.Chr. zu datieren. Um dies zu untermauern, nennt er fünf Merkmale für beduinische Gräber:282 1. Ost-WestOrientierung, 2. Grabbeigaben, 3. geringe Tiefe des Grabes, 4. Feldsteinbedeckung und 5. markierende Steine283 für Kopf und Füße. Hinzuzuzählen sind die Entfernung zum (westlichen) Hauptfriedhof,284 ein fehlender Loculus und die seitliche Lage des Skeletts.285 Damit stehen alle Frauengräber, besonders aber jene der südlichen Erweiterung und des Südfriedhofes zur Diskussion. Ganz davon abgesehen, dass nicht für jedes Grab auf dem Hauptfriedhof markierende Steine am Kopf- und Fußende des Grabes nachweisbar sind, kann man zu Punkt 4 und 5 fragen, ob größere Steine auf den Gräbern der südlichen Erweiterung und ein Oval aus Kieselsteinen ein Kriterium sein sollten für Gräber, die nicht aus der Zeit des Zweiten Tempels stammen. Überhaupt ist es schwierig, nach 2.000 Jahren Witterung und Besucherschaft da-

281

Nach Frey, Qumran und die Archäologie, 34. Auch schließe das eine das andere nicht aus, ebd. 40. Zur Kritik: Crown / Cansdale, Essene Settlement?, 30f. Ihr Verweis auf Josephus relativiert die Vermutung wieder, da mit verheirateten Essenern nach ihren Argumenten zumindest zu den Texten wieder ein Zusammenhang hergestellt werden könnte. 282 Zias, Confusion, 224.228–230. Zur Wahrscheinlichkeit der Präsenz muslimischer Gräber auf dem Areal s. Schultz, Cemetery, 202–205: Hier werden Beispiele beduinischer Intrusionen auf Friedhöfen genannt. Dies steht wiederum der Vermutung von Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 169f., Anm. 5, gegenüber, wonach erst verifiziert werden müsse, dass in der Gegend um Qumran Beduinen entgegen ihren Traditionen ihre Toten auf einem nicht-muslimischen Gräberfeld bestattet haben. Die überwiegende Mehrheit der Qumranforschung folgt Zias’ These (etwa Magness, Broshi und Eshel) oder schließt sie zumindest nicht aus (z.B. Sheridan, Bar Natan). 283 Mit Schultz, Cemetery, 208f., lässt sich noch die Verwendung von selbst gefertigten (Ziegel)Steinen hinzufügen. 284 Vgl. auch Schultz, Cemetery, 214. 285 S. Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 61.

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von auszugehen, dass die Oberflächenverhältnisse des Friedhofes noch so sind, wie sie einmal waren.286 Zu Kriterium 1 und 3: Schon bei T4 ergibt sich ein Problem, da für das auf dem Hauptfriedhof liegende Grab eine Tiefe von nur 80 cm vermerkt worden ist. Auch die Himmelsrichtung fügt sich nicht in Zias’ These. Vor dem T1000-Fund der Merrill-Expedition kann Zias T4 noch als eine Intrusion, die zu den Beduinenbegräbnissen der südlichen Erweiterung gehört, bezeichnen. Damit ist auch der Umstand erklärt, dass es ca. 20 m vom nächsten östlichen Grab auf der Erweiterung entfernt liegt und nur von Nord-Süd-Gräbern umgeben ist, die Zias selbst in die Zeit des Zweiten Tempels datiert.287 Der C14Befund von T1000 nun veranlasst ihn zum Umdenken: Zusammen mit T4 scheine dieser Begrabene noch kein Vollmitglied der qumran-essenischen Gemeinde zu sein.288 Zu T34 hingegen heißt es: „Das Grab ist tief“, außerdem befindet sich das Skelett supin in einem Loculus und entspricht abgesehen von der Ausrichtung den Gräbern auf dem Hauptfriedhof.289 Hier spielt hier die Größe des Skeletts eine Rolle: In T22.24b.34+37 sieht Zias die durchschnittliche Größe einer judäischen Frau von 1,487 m aus dem 1. Jh. im Schnitt deutlich überschritten. T7 sei nicht zweifelhaft wie noch bei Sheridan, sondern ganz unzweifelhaft aufgrund der Größe des Skelettes männlich. Der Schädel aus T22 sei zusätzlich als männlicher anzusehen und der Durchmesser des Oberschenkels aus T34 führt ihn zum gleichen Ergebnis.290 Interessant ist nun, dass die durchschnittliche Größe der Frauen in Qumran von ≈ 1,58 m ± 3,3 cm nach Sheridan durchaus einem regionalem Vergleich (v.a. in Judäa) standhält und somit 286 Vgl. de Vaux, Grabungstagebücher, 94f., u. mit Table A: Schultz, 227f.; auch ebd., 205f. De Vauxs Notizen zur Oberfläche der Gräber sind allerdings auch lückenhaft, s. Norton, Reassessment, 109. 287 S. die Notiz bei de Vaux, Grabungstagebücher, 89; auch ders., Archaeology and the DSS, 46. Dazu Zias, Cemeteries, 222+224, Anm. 12. Fabry, Friedhöfe, 178, bringt es auf den Punkt. Eshel u.a., New Data, 150, Anm. 55, berichten, dass sowohl für nordsüdlich als auch für ostwestlich ausgerichtete Gräber gilt, dass sie 80 cm bis 2,5 m unter der Erde liegen, generell aber doch Beduinengräber flacher sind. S. noch Norton, Reassessment, 113+ 118. 288 Zias, Qumran Archaeology Skeleton, 88. 289 De Vaux, Grabungstagebücher, 94+118. Dazu sei nochmals auf das Ergebnis der Münchener Untersuchung für T34 verwiesen: s. Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 172, Anm. 9; 212. 290 Zias, Confusion, 231–235. Die 1,54 m große Frau in TA wird von Zias nicht diskutiert. Wegen der unklaren Lokalisierung? Für Schultz, Cemetery, 219, ist die Entfernung zum Hauptfriedhof ausschlaggebend. Trotz des Ergebnisses zu TA schließt er nicht aus, dass der Nordfriedhof ein Beduinenfriedhof sei, der aufgrund der Ähnlichkeit mit dem Gräberfeld aus der Zeit des Zweiten Tempels verwechselt worden sei (ebd.). Inwieweit die Entfernung bei einem nicht lokalisierten Friedhof, dessen Gräberumfeld man überhaupt nicht kennt, entscheidend für dessen beduinische Identität sein kann, erklärt er nicht.

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nicht als ein maskulines Merkmal herhalten kann. Im Falle von T7 soll hier nicht, wie schon oben erläutert, Sheridans Ergebnis angezweifelt, aber doch die Stichhaltigkeit von Zias’ Behauptungen hinterfragt werden.291 Zudem bestätigt Röhrer-Ertl, dass bei einer mittleren Körperhöhe der gefundenen Frauen „unter 158 cm“ die „zugehörige Population im Mittel als übermittelgroß oder mittelgroß“ (nicht: übergroß!) einzustufen sei.292 Ein an der Grenze liegender, aber immer noch eindeutiger Befund. In T24 vermutet Zias insgesamt drei Individuen und mutmaßt weiter, dass sie beim Transport durcheinandergekommen sind. Zias scheint die Frauenknochen somit als „Fremdknochen“ zu klassifizieren. Über ihre Herkunft und ihr Alter schweigt er sich freilich aus. Auch hier ist nicht davon auszugehen, dass dieses Detail von Röhrer-Ertl übersehen worden ist.293 Ähnlich der Umgang mit T9: Ein nicht mehr der Untersuchung bereitstehendes Skelett, das dementsprechend auch nicht von Sheridan identifiziert werden konnte und somit auch nicht mehr berücksichtigt werden sollte, sei auf dem nördlichen Friedhof sowieso außerhalb des Hauptfriedhofes – gleich welchen Grund dieses Begräbnis dort gehabt habe. Hier muss Vallois’ ursprüngliche Bestimmung dieses Skeletts als Frau nicht hinterfragt werden – die Entfernung zum (westlichen) Hauptfriedhof reicht.294 In T35+36 sei der Kopf ganz offensichtlich nach Mekka hin ausgerichtet295 – man fragt sich schon, warum dann nicht auch in den anderen „Beduinen291

Zias, Confusion, 231–234+235, Anm. 48; auch 222, Anm. 11. Sheridan, French Collection, 238–241. Ebd. verweist sie außerdem darauf, dass die Originalgröße durch die Verformung der Skelette nicht mehr eindeutig zu bestimmen ist. Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 157f., Tfl. 15 u. Abb. 13–15; 163f.: Die zehn bestimmbaren in Qumran gefundenen Frauen variieren in ihrer Größe zwischen 1,52 und 1,63 m. Damit deckt sich fast der Befund in Givat Ha’ Mivtar: sieben Frauen, 1,51 bis 1,70 m groß, im Durchschnitt: 1,605 m. In En Gedi wurden 12 Frauen, zwischen 1,51 und 1,70 m mit einer ebenfalls durchschnittlichen Größe von 1,605 m und im Nachal Chever vier Frauen, zwischen 1,50 und 1,56 m und somit einer durchschnittlichen Größe von 1,542 + 0,04 m entdeckt. Die von Zias untersuchten Skelette vom Mount Scopus weisen im Durchschnitt beinahe die vom ihm postulierte Größe auf, nämlich 1,49. Die Zahl ergibt sich aus sieben Frauen, die zwischen 1,44 und 1,53 m groß sind (vgl. ebd., Tfl. 15). S. dazu auch Norton, Reassessment, 119. 292 Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 177. Sheridan, French Collection, mit regionalem Vergleich, 237–241. Sie schließt zwar nicht aus, dass Zias Recht haben könne, kritisiert aber, dass er seine Ergebnisse nicht hinreichend aufbereitet, damit man sie als Leser verfolgen und auswerten kann (s. ebd., 239, Anm. 127). 293 Zias, Confusion, 242, Anm. 62. Zudem seien, wie bei einer Zweitbestattung nicht ungewöhnlich und auch schon oben erwähnt, die Knochen in T24 bei ihrer Auffindung bereits ungeordnet. Der Zustand des Materials ist Grund genug für Zias, keine genaue Bestimmung vorzunehmen. 294 S. dazu auch mit Kritik an Zias: Sheridan, French Collection, 208 mit Anm. 33. Zias, Confusion, 250. Dazu auch Fabry, Friedhöfe, 179. 295 Zias, Confusion, 248.

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gräbern“ (T32–34+S1.3+4). Der Diversität der Gräber auf der südlichen Erweiterung und dem Südfriedhof wird damit nicht Rechnung getragen. Unterschiede der Begräbnisgebräuche, v.a. aber die Ost-West-Ausrichtung296 führt Zias zu Recht an. Ob dies nun aber bedeutet, dass T32–36+S1 sowie die (für ihn drei) Kinder in TS2–4 keine essenischen, sondern jüngere Beduinenbegräbnisse seien, ist fraglich.297 TS2 ist wie T37 nord-südlich gelegen – für Letzteres nimmt Zias gar keine Einordnung vor.298 Jüngst ist von Schultz an T4 oder dem Erstbegräbnis in T1000 zwar nicht die Datierung in die Zeit des Zweiten Tempels bezweifelt worden, wohl aber dass dies auch auf die zweitbestatteten Frauen, BE2a+b, zuträfe.299 Die typisch beduinischen Charakteristika überwiegen offenbar den Umstand, dass ein eindeutiges C14-Ergebnis dafür vorliegt.300 Ein besserer Erhalt der Knochen, den Zias als Kriterium hervorhebt, kann, wie Röhrer-Ertl gezeigt hat (Salzkonzentration, s.o.), nicht als Kriterium für den Hauptfriedhof und die südliche Erweiterung mitsamt Südfriedhof aufrechterhalten werden.301 Dass die auch von de Vaux als Sarg verstandenen botanischen Reste zu einem muslimischen Leichentuch gehören, bleibt Spekulation.302 Einzig die Auswertung der vegetabilen Partikel aus T29.34+TS1, vorgenommen im Rahmen der Untersuchung der Collectio Kurth, könnte ein deutliches Indiz für eine Spätdatierung der Gräber sein. Diese Partikel nämlich werden in das 15. Jh. aufwärts datiert, was allerdings von Röhrer-Ertl mit Holzspänen erklärt wird, die in den 1950ern als Verpackungsmaterial gedient haben.303 296

Sogar Clermont-Ganneau wird dafür zweimal als Referenz genannt: Zias, Confusion, 230, Anm. 32, u. 247, Anm. 85. 297 Zias, Confusion, 226.228–230.234–237+247f. Ihm folgend Magness, Archaeology of Qumran, 168–175, und Schultz, Cemetery, 212f.215. S. kritisch dazu Norton, Reassessment, 118. 298 Zu T37 liegt Zias, Confusion, 222, Anm. 11, wie auch schon Röhrer-Ertl nichts vor, dennoch ist es die Größenangabe von 1,59 m, die ihn zweifeln lässt. 299 Schultz, Cemetery, 201.212+213, Anm. 118; 217–219. Vgl. auch nochmals Eshel u.a., New Data, 151 mit Anm. 58. Es wird auch nicht klar, warum eine Umbettung der Knochen über T1000 durch Beduinen geschehen sein soll, s. dagegen auch Zias, Qumran Archaeology Skeletons, 93. Schultz, Cemetery, 206, vermutet außerdem, dass 37 Gräber, bei denen Eshel u.a., New Data, 142 mit Anm. 27, nicht sicher waren, ob es sich überhaupt um Gräber handelt (nummeriert als 718, 719, 756, 760–773, 1134–1152 und 1156), aufgrund ihrer Lage im äußersten westlichen Teil des Hauptfriedhofes und somit sehr nahe der Siedlung auch Beduinengräber sind, da Beduinen hier keine Reinheitsvorschriften einhalten mussten. 300 Tatsächlich schließt er nicht aus, dass diese Knochen um tausende Jahre älter sein können, s. Zias, Qumran Archaeology Skeletons, 93. 301 So auch ein Argument für Norton, Reassessment, 118. 302 Dies gilt nach Schultz, Cemetery, 210, möglicherweise auch für TS1. 303 Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 229–231.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Sowohl die Friedhöfe in der Umgebung Qumrans als auch in Qumran selbst haben klar gezeigt, dass eine ost-westliche Grabausrichtung und geringe Grabtiefe zwar die Ausnahme, aber doch möglich ist. Spätestens an dieser Stelle und mit dem m.E. klarsten Argument des gleichen Zerstörungsgrades in den von Röhrer-Ertl untersuchten Knochen, sollte man doch von einer Seltenheit, aber nicht Unmöglichkeit von Ost-West-Gräbern in der Zeit des Zweiten Tempels und in der Zeit der Qumranbesiedlung ausgehen.304 Hinsichtlich der Grabbeigaben (Kriterium 2) hat Zias überzeugendere Argumente.305 Die Perlen in T32+S1 sind durch islamische Spezialisten den Mamelucken zu- und in die Zeit zwischen 1250 und 1517 eingeordnet worden. Dies wird zusammen mit den zwei Ohrringen aus T33 sowie TS1 von Christa Clamer bestätigt, die sie allerdings einem christlichen oder muslimischen Kreis der spätrömischen oder frühbyzantinischen Zeit zuschreibt. Die Perlen können demnach aus Ägypten oder Iran, Pakistan bzw. Indien stammen, Pendants finden sich z.B. auf den Friedhöfen von Tyrus (1.–4. Jh.) oder in Tell Songor A (Irak, 7. Jh.). Auch die Ohrringe würden einen ägyptisierenden Stil erkennen lassen. Wegen dieser Grabbeigaben werden arme Nomadengräber ausgeschlossen. Einerseits ist für Clamer die Ost-West-Orientierung ausschlaggebend, andererseits bleibt auch hier die Uneinheitlichkeit: In muslimischen Begräbnissen müsste der Kopf südlich bzw. süd-östlich ausgerichtet sein, in christlichen gen Osten – in den drei hier fraglichen Gräbern ist der Kopf stets nach Norden geneigt.306 Die Schlussfolgerungen entstammen 304

Röhrer-Ertl, Facts, 192, kommentiert seine Schlussfolgerungen lakonisch in Anm. 16: „Contra Zias 2000 and his followers.“ (Hervorhebung im Original) Von diesem Ergebnis ist er also auch nicht im Wissen um die Gegenargumente abgerückt. S. nochmals Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 169, Anm. 5. So auch Zangenberg, Bones, 65f. Der DSD-Artikel von Zias liegt Zangenberg zur Zeit der Niederschrift seines Beitrages noch nicht vor. Er beruft sich aber auf den diesem zugrunde liegenden Vortrag und greift ihn scharf an. Zangenberg unterstellt Zias besonders, dass er weder genügend Zeit noch Möglichkeiten gehabt hat, die in Deutschland aufbewahrten Knochen ausreichend zu untersuchen – jedenfalls nicht so, dass ein derartiges Ergebnis daraus folgen kann. (Ebd., 60–63; s. dazu auch Sheridan, French Collection, 239, Anm. 127.) Dass Eshel u.a., New Data, 140, mit Anm. 17 (s. auch 142), Zias vollumfänglich zustimmen und Zangenbergs Einwände nicht plausibel finden (s. auch Magen / Peleg, Back to Qumran, 97, Anm. 149), ohne Letzteres weiter zu erklären, ist nicht zufriedenstellend. Auch ihre Behauptung, 54 Gräber in Ost-West-Orientierung mit Ausnahme von Punkt B (Broshi / Eshel, Whose Bones?, 31f.) seien Beduinengräber aus den letzten Jahrhunderten, ist nicht überzeugend. 305 Zias, Confusion, 236f., mit Anm. 50. 306 Zias, Confusion, 230, mit Anm. 33. Schultz, Cemetery, 199, dazu: „One of his strongest arguments was the presence of jewelry datable to the Mamluk and Ottoman periods found in three such tombs in which women were interred.“ Weiterhin Clamer, Jewellery finds, 173–177. Abweichungen wie die Orientierung des Grabes, Beigaben oder die Tiefe und somit Intrusionen als Indiz für das 1. bis 6. Jh. n.Chr. bezieht sie gleichermaßen auf

2. Der Friedhof von Qumran

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allerdings den Vergleichsobjekten und da nun für die Zeit der Qumranbesiedlung gerade die Perlen nicht mit anderen verglichen werden können, kommt man zu diesem Ergebnis. Es gibt jedoch auch Vergleichsobjekte aus der Bronzezeit, die genauso gut ihren Weg nach Qumran gefunden haben können. Wenn zudem hergestellter Schmuck zwischen der Bronzezeit und der frühislamischen Zeit keiner Epoche exakt zugeordnet werden kann, sind die Funde aus den Frauengräbern nicht als Datierungshilfen hinzuzuziehen. Eine Analyse der Perlen nach ihrer chemischen Zusammensetzung steht immer noch aus, ebenso ein stratigraphischer Vergleich mit Objekten, die sicher datiert werden können.307 Die neue Frage bleibt somit die alte: Wiegen Ausrichtung, Grabbeigaben, Tiefe des Grabes, Skelettlage und -größe oder der Bestattungsort so schwer, dass man auf Begräbnisse anderer Zeit und Kultur schließen muss oder nicht? Insgesamt scheint es, als seien für Zias die Deutungen wichtiger als der Datenbestand selbst. So hält er den westlichen Teil des Hauptfriedhofs durchaus für einen Essener-Friedhof, der durch die männliche Belegung erklärt wird. 35 von 47 Individuen Qumrans seien essenisch – der Rest Beduinen, nämlich T4.32–36 und vermutlich T37.TS1–4. Zudem zeige T15, dass auch ein Jugendlicher, der die 20 Jahre noch nicht erreicht hat, Teil der Gemeinschaft werden könne. Er sei kein Vollmitglied und liege daher am Rand wie

die Gräber von En el-Ghuweir, Hiam el-Sagha oder En Gedi, jedoch nicht auf eines in Jericho. Ebd., 171, vermerkt Clamer, dass sie Zias’ Parallelen zu den Steinperlen nicht verifizieren kann. Die Steine am Fuß von T32 können für sie auch „‚amuletic‘ and ‚healing‘ functions“ gehabt haben (172). Auch die in Grab 3 (L2) gefundene Münze in En Feschcha kann nur noch über ein Foto verifiziert werden – Clamer datiert sie nicht älter als 200–300 Jahre und ordnet sie so Beduinen zu (176). Vgl. bereits de Vaux, Grabungstagebücher, 118 (dort schon als türkische Münze vermerkt). Für Bélis, Des textiles, 265, sind die Leinenreste in TS1 bislang zwar ohne Parallele, aber aufgrund der Perlen eher Beduinen zuzuordnen. Doch auch hier ist eine letztgültige Bestimmung nicht vornehmbar (s. Avni, Qumran Cemetery, 129 – u. folgende Fußnote). 307 Zangenberg, Bones, 70f. Dazu weiter Galor, Gender and Qumran, 31: „Comparative studies with jewelry from roughly contemporary contexts […], however, have convinced me that nothing indicates that the jewelry documented is necessarily later in date than Early Roman. Rings and earrings of this type are common adornments made and worn during both the Roman and Byzantine periods and have not changed sufficiently from a typological and technological point of view that allow to differentiate between early and late Roman and Byzantine eras. The range in date that the bone and glass beads would fit into is even larger. In many cases, it is impossible to differentiate between Bronze Age, Hellenistic, Roman-Byzantine and Early Islamic beads. Unfortunately, no pottery that would allow us to narrow down the dates was found in association with the Qumran jewelry pieces.“ Und 32: „The funerary remains do not allow for any kind of conclusions with regard to the interred religious or ethnic identity [mit Verweis auf Zangenberg – N.R.]; with certainty no specific sectarian distinctiveness can be inferred from the tombs and the associated burial items.“ Zur byzantinischen Besiedlung s. noch Taylor, The Essenes, 262–265.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

T9 – gleiches gilt für die ungewöhnlichen Begräbnisse T4+1000.308 Mit T9 ist zudem eine Frau in seine Essener-These hineingekommen, doch darauf geht Zias nicht ein. Ferner rechnet er anhand von Röhrer-Ertls Ergebnissen (s.o.) Dattelesser der ersten und Brotesser der zweiten Population zu. Dies lasse sich mit den plinischen und philonischen Essenern vergleichen. Interessant ist außerdem, dass zwar die Doppelbegräbnisse (T11.24+37) für eine deutliche Nähe der Begrabenen stehen, das Fehlen von Familiengräbern aber, anders als in En Gedi oder Jericho, für eine „celibate community of males“ stehe.309 Es gibt keinen Anlass, aufgrund der Überproportionalität von Männern und der wenigen Kinderbestattungen auf eine frauenlose Gemeinschaft zu schließen.310 Verglichen mit den schon genannten Stätten (s.o.) ist dies auffällig, aber nicht außergewöhnlich. 2.6 Überlegungen zur Einwohnerzahl Wichtig, und nicht zuletzt von der Interpretation des Friedhofs abhängig, ist die Frage nach der Einwohnerzahl auf dem Areal. Vorausgesetzt, dass alle Gräber ausschließlich zu den Einwohnern Qumrans gehören und der Friedhof nicht aus der späten Eisenzeit stammt, müssen sich die rund 1.200 Gräber auf einen Besiedlungszeitraum zwischen 168 und 118 Jahren aufteilen lassen. Unter diesen sind Besucher oder Durchreisende nicht auszuschließen. Nach einem Überblick über die Problematik des Friedhofes sollte klar sein, dass hier weitere Faktoren bzw. Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen: Erstens ist zu überlegen, ob die etwa 30 Gräber des Südfriedhofes und der heute nur noch zu vermutende Nordfriedhof mit etwa einem Dutzend Gräbern überhaupt mitzuzählen sind.311 Schließlich ist Letzterer nicht mehr zu lokalisieren und der Südfriedhof wird kontrovers diskutiert aufgrund seiner Lage und seines dem Hauptfriedhof entgegenstehenden Befundes. Dies führt, zweitens, unweigerlich zu der Frage, ob jene Frauen und Kinder des Südfriedhofes und auch der südlichen Erweiterung als Besucher oder Einwohner minderen Status’ zu verstehen sind oder gar, drittens, einer späteren Zeit entstammen und somit von der Gesamtrechnung abzuziehen sind. Überhaupt ist zu überlegen, ob nicht nach der Besiedlung der Römer auch Bestattungen vorgenommen wurden. Da die Homogenität des Friedhofes und der Skelette m.E. außer Frage steht und hinreichend anthropologisch und archäologisch unter308

Zias, Confusion, 239–241.244f.+251f. Ders., Qumran Archaeology Skeleton, 88 (dass er de Vauxs Beschreibung von T7 mit T9 verwechselt, spielt dabei keine Rolle). 309 Zias, Confusion, 242. Demnach gebe es zwar keine Familienbestattungen, aber Bestattungen mit Vorfahren. Man kommt nicht umhin, ihm zu unterstellen, dass es nur um den Erhalt der Essener-These geht – s. A. Baumgarten, Who cares, 180f. 310 Vgl. auch Zangenberg, Region oder Religion?, 56. 311 Die Angaben zum Südfriedhof nach de Vaux, Grabungstagebücher, 95; zum Nordfriedhof ders., Archaeology and the DSS, 57f. Ebd. schließt er weitere Gräber nicht aus.

2. Der Friedhof von Qumran

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sucht wurde, ist im Folgenden der Befund des Südfriedhofes für die fragliche Zeit zu berücksichtigen, spätere (noch nicht als solche bestimmte) Bestattungen können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Weiterhin sind auch die zwei Perioden zu beachten: Je nach These kann von einer kontinuierlichen Bewohnerzahl oder von einem Anstieg in der herodianischen Zeit oder der Periode 2 ausgegangen werden. Ebenso ist zu entscheiden, wie lange Qumran unbewohnt war. Ferner lässt sich nur schwer sagen, von wie vielen Doppelbegräbnissen insgesamt auszugehen ist – von Alter und Geschlecht ganz zu schweigen. Dies im Hinterkopf behaltend, bleibt eine Zahl von 1.200 Individuen eine realistische Größe.312 Bei einer Besiedlungszeit von max. 168 Jahren würde das pro Jahr im Durchschnitt ≈ 7 Tote bedeuten. Entsprechend mehr sind es bei nur 118 Jahren, nämlich ≈ 10.313 Doch auch die Größe der Anlage, die Bestimmung der einzelnen Gebäude und umliegenden Höhlen spielen dabei eine Rolle, wobei die Kapazitäten in der Diskussion, wie gesehen, verschiedentlich eingeschätzt werden: In der Forschung changieren Schätzungen zwischen 10 und 400 dauerhaften Bewohnern.314 Dabei bleibt die Überlegung berechtigt, wie eine Verköstigung von 300 oder gar 400 Einwohnern im Schnitt logistisch gewährleistet hätte werden sollen, womit eher 20–50 Leute in der Siedlung eine nachvollziehbare Größe sind.315 Hirschfeld errechnet ca. 72 ständige Einwohner in herodianischer Zeit.316 Humbert wiederum erwägt für diese zweite Besiedlungszeit 10– 15 Tempeldiener bzw. Wachpersonal in Qumran. Dem steht immer noch eine Interpretation der Siedlung gegenüber, die wie Broshi und Eshel sowie Magness Wohnmöglichkeiten überhaupt nur in den Höhlen oder Zelten vorsieht –

312 Von 1177/78 (Broshi / Eshel) ausgehend minus leere Gräber (vgl. Magen / Peleg), plus jene auf dem Nord- und Südfriedhof, plus vermutete Doppelbegräbnisse. 313 Eine detaillierte Rechnung stammt von Stegemann, Die Essener, 71f., der von der gleichen Zeitmarge, aber 1.000 Gräbern ausgehend auf 6 Tote/Jahr kommt. Bezogen auf z.B. 1QSa versteht er die zwischen 25- bis 30-jährigen Bestatteten als Richtwert, die von einer vorausgesetzten Vollmitgliedschaft im Alter von zwanzig Jahren auf ein durchschnittliches Aufnahmealter von 22 Jahren verwiesen. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 8 Jahren errechnet er etwa 48 essenische Vollmitglieder pro Jahr mit 5 Anwärtern und ca. 4–5 Frauen. Ebenfalls von 170 Jahren, aber auch von einer Benutzung des Friedhofs in EZ II für ungefähr 130 Jahre gehen Magen / Peleg, Back to Qumran, 97, bzw. dies. Qumran Excavations, 397, aus. Ebenfalls eine Gesamtgräberzahl von etwa 1.200 vorausgesetzt, folgern sie, seien im Durchschnitt pro Jahr 4 Einwohner des Areals gestorben. 314 S. dazu Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 135f. 315 Es sind 20–30 nach Magen / Peleg, Back to Qumran, 98f.110. Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 154, geht von 30–50 aus, wobei er zu bedenken gibt, dass der Friedhof dafür zu groß ist. 316 Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 135f. (Er berechnet dabei 15 Menschen pro 1.000 m².)

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

was nach wie vor umstritten bleibt.317 Die Frage ist hier auch, wie man sich Schlafräume vorzustellen hat und woran man sie nach zweitausend Jahren erkennt. Für Humbert ist der Friedhof zu groß, da er von einer eher kleinen essenischen Bewohnerschaft Qumrans ausgeht, die sich nur knapp hundert Jahre lang dort aufgehalten habe. Daher mutmaßt er zusätzlich Begräbnisse von besonders frommen oder vermögenden Essenern der umliegenden oder auch weiter entfernten Siedlungen (mit Philo und Josephus), um in der Nähe ihres heiligen Ortes („auprès de leur lieu saint“) bestattet zu werden. Dass darunter auch Frauen und Kinder (von außerhalb) sind, ist für ihn nicht verwunderlich, sondern vielmehr zu erwarten.318 Die Gräberart, -ausrichtung und sogar die Grabbeigaben lassen sich erklären und mit entsprechenden Parallelen durchaus in die Zeit des Zweiten Tempels datieren. Doch bleibt die Größe des Friedhofes außergewöhnlich.319 Geht man also zusätzlich von einer vorherigen und auch späteren Nutzung des Friedhofs aus, die laut Avni von der hellenistischen bis in die Osmanische Zeit reicht, relativiert sich auch die enge Zeitmarge. Durch die Quelle En Feschcha ist eine temporäre Nutzung durch Nomaden oder Halbnomaden nicht auszuschließen. Jene und auch Bewohner bzw. Arbeiter des Areals mit saisonalem Aufenthalt sind dann unter die Bestatteten zu zählen.320 Trotz aller Zweifel wegen der hohen Gräberzahl sei hier ein letztes Mal auf den nachgewiesenen Verwandtschaftsgrad der untersuchten Skelette der Collectio Kurth verwiesen. Zumindest bei diesen liegt es nahe, dass sie zu der angrenzenden Siedlung gehören, wenngleich Bestattungen von Besuchern oder Reisenden nicht ausgeschlossen werden können.321

317

Humbert, L’espace, 175f.; ders., un site énigmatique, 15. Broshi / Eshel, Residental Caves, 330–335; dies., Wohnen in Kalk und Mergel, 14f.; vgl. Magness, Archaeology of Qumran, 70. 318 Humbert, das „essenische Qumran“, 73f. Ders., un site énigmatique, 20. Ders., L’espace, 181f. (Zitat: ebd., 182), u. Chronology, 430. Ebd., 430f., schließt er Beduinenbegräbnisse ebenfalls nicht aus. Nach seinen Ausführungen könnten die Frauen durchaus aus der Zeit des Zweiten Tempels stammen, allerdings nicht aus Qumran. 319 So schon de Vaux, Archaeology and the DSS, 48; s. Frey, Archäologie, 42. 320 Avni, Qumran Cemetery, 130. Vgl. Stacey, Reassessment, 52f.+62. 321 Reisende von unterschiedlichen Orten, die zufällig in Qumran gestorben und begraben worden sind (Crown / Cansdale, Essene Settlement?, 74f.), können engere genetische Abstände unmöglich aufweisen. Was gegen einige begrabene Durchreisende nicht sprechen muss. Taylor, Cemeteries, 317, deutet den Befund nochmals anders: Dass es nur wenige Frauen auf dem Friedhof und auch nur marginal Hinweise auf dem Areal gibt, liege daran, dass sie von außerhalb zum Begräbnis nach Qumran gebracht worden sind – als besondere Ehre. Doch auch dies erklärt sich mit dem Verwandtschaftsverhältnis nicht.

3. Zusammenschau

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3. Zusammenschau 3. Zusammenschau Nach Auswertung des vorliegenden Materials sind zwölf Frauen (T22.24b.32– 34.35a+b.37.A+TS1+BE2a.b), ein Mädchen (T36), drei Jungen (TS2.3a+4) und ein weiteres Kind (TS3b) unter 49 Individuen aus der Zeit des Zweiten Tempels auf dem Friedhof in Qumran auszumachen.322 Zu den insgesamt 27 Männern auf dem Hauptfriedhof323 sind zwei Frauen und für die mittlere und südliche Erweiterung neun weitere weibliche Begräbnissen zu zählen. TA ist in diesen Gesamtbefund einzureihen, obwohl das Grab wie TB nicht lokalisiert, aber trotzdem belegt ist. Mit Frauen in T5g.7+10 sollte nicht mehr gerechnet, auf T9 verzichtet und nach dem momentanen Wissensstand um Steckoll G6a+b.7.8+11 nicht berücksichtigt werden. Vier Skelette von Magen und Peleg bleiben unbestimmt. Eine falsche Identifizierung und Datierung der Skelette wird hier ausgeschlossen. Was aber bleibt, ist die Überproportionalität der männlichen Begräbnisse auf dem Hauptfriedhof und der Umstand, dass die Frauen- und Kindergräber ausschließlich auf der südlichen Erweiterung und dem Südfriedhof zu finden sind.324 Dabei darf wiederum die mittlere Erweiterung mit je zwei Männern (T11+1000) und Frauen (BE2a+b) nicht übersehen werden.325 Die Männer auf dem westlichen Teil des Hauptfriedhofs werden zumeist zwischen 30 und 45 Jahre geschätzt, nur wenige älter (T21+31) oder jünger (T28) neben einem einzigen Jugendlichen (T15; unsicher: T3); für T11 auf der mittleren Erweite-

322

Ein Grab von Clermont-Ganneau und zehn Gräber mit elf Individuen von Steckoll nicht mitgezählt. Im Vergleich mit Bet Safafa sind es zwar bislang weniger Frauen, aber schon mehr Kinder (16:3 u. 12:5; s.o.). 323 Ohne TB, aber mit BE1 gerechnet, insg. sind es: T3–8+12–31+TB+BE1 (1 Doppelbegräbnis: T16; T5: unklar, T24 Mann und Frau; T7+17 nicht mitgezählt) = 27 Männer. 324 Nach Magness, Archaeology of Qumran, 171f., seien wenige Frauen und keine Säuglinge oder Kinder im Westteil des Hauptfriedhofes bei der hohen Kindersterblichkeitsrate in der Antike so auffällig, dass es sich um eine Gemeinschaft ohne Familien handeln müsse. Der Verweis auf die geringe Ausgrabungsquote kann hier als Antwort nicht befriedigend sein. Avni, Qumran Cemetery, 129f., nennt die saisonale Nutzung des Areals als Produktionsstätte, die zu einer Überzahl von Männergräbern führen müsse. Dieses Argument relativiert er jedoch, wenn er von einer über tausendjährigen Nutzung des Friedhofs, zumeist von Nomaden, ausgeht. Nach den obigen Ausführungen und Zangenbergs Statistik sind auf allen gehobenen Grabstätten Frauen deutlich in der Unterzahl – wenn auch nicht in der Proportion wie in Qumran. Vgl. Zangenberg, Bones, 74f. (Vgl. ebenso A. Baumgarten, Who cares, 185.) S. noch die Gesamteinschätzung von Taylor, Cemeteries, 310: „At any rate, the apparently ‚factual‘ statement that only males were buried in the ‚main‘ cemetery, so often found in the literature, is simply erroneous, and always was erroneous. It does not indicate appreciation of the methods and results of skeletal sexing. There is not a ‚main‘ cemetery to be distinguished. There were women buried in the cemetery.“ 325 Ebenso der nördliche Friedhof, so man T9 mitzählt.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

rung konnte kein genaues Alter angegeben werden.326 Die Frauen aus T22 (30–40) und T32 (25–30) sowie T33 (30–40) (vermutlich auch T37 [30–40]) auf der südlichen Erweiterung entsprechen diesem „Durchschnittsalter“, jene in T24b (20–21) und T35b (20–22) sind deutlich, T35a etwas jünger (25–30). Es ist nur ein Kind auf der südlichen Erweiterung entdeckt, vier weitere auf dem Südfriedhof. TA (weiblich, 45–50) und TB (männlich, älter als 60) sollten nicht aufgrund des höheren Alters der Begrabenen zu speziellen Friedhöfen erklärt werden,327 da auch im Vergleich ältere Personen auf dem Hauptfriedhof auszumachen sind, ebenso die Frau aus TS1 im Alter von 40–50 Jahren. Bei allem Zweifel über „gender-exklusive“ Objekte gibt es doch Objekte, die man Frauen in der Besiedlungszeit zuordnen kann. D.h. dass bei allen weiteren Überlegungen zur Anlage Frauen zu berücksichtigen sind. Die Zeitmarge ist nicht anzuzweifeln; Männer, Frauen und Kinder können in der Zeit des Zweiten Tempels der Siedlung zugeordnet und auf dem Friedhof nachgewiesen werden, sodass es durchaus möglich ist, dass sie in Qumran gelebt und gearbeitet haben und dort auch gestorben sind. Ob nun die räumliche Trennung überhaupt besteht oder den Zufallsgrabungen geschuldet ist, kann letztlich nicht entschieden werden. Mit den gruppenspezifischen Qumrantexten aufgrund der Grablage, -ausrichtung und -beschaffenheit Schlüsse auf den Status der Mitgliedschaft ziehen zu wollen, kann hier nicht weiterführend sein.328 Dabei ist unmöglich auszuschließen, dass einige Gräber auf Besucher, Reisende oder gar Verstorbene der Nachbarorte zurückzuführen sind.329 Eine Variante, Frauen als Teil der in Qumran asketisch lebenden essenischen Gemeinschaft zu sehen, stellt eine Überinterpretation des archäologischen Befunds dar. Die Perlen, Finger- und Ohrringe in T32.33+S1 lassen sich so nur mit einer Spätdatierung erklären oder gehören zu den Asketin-

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S. Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 141; Röhrer-Ertl / Rohrhirsch / Hahn, Anthropologische Datenvorlage, 210–213. 327 So die Überlegung von Sheridan / Ullinger / Ramp, Anthropological Analysis, 163, zum Nordfriedhof. 328 Solche Deutungen sind aus Texten wie der Plinius-Notiz („sine ulla femina“) und 1QS inspiriert – s. Sukenik, ‫מגילות גנוזות‬, de Vaux, Archaeology and the DSS, 126–138. Magness, Archaeology of Qumran, 39–43. Dazu Frey, Essenerberichte, 49–56. S. auch ders., Art. Essenes, 599–602. Zu Plinius s. Kap. VI.2.2 u. überhaupt Kap. VI. 329 Vgl. VanderKam, Qumranforschung, 112, und Schuller, Women 1999, 140f., die auch „Sektenmitglieder“ aus der Stadt mit ihren Familien, die zur Bundeserneuerung anwesend sind, oder fromme Frauen, die unter den „heiligen Asketen“ ruhen wollen (nach Dupont-Sommer; s.o. Taylor), nennt. Zias, Qumran Archaeology Skeleton, 85–88, vermutet Fremde oder Sklaven von geringerem Status.

3. Zusammenschau

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nen.330 Altersgründe sind dabei nicht anzuführen: Manche Frauen sind zu jung, als dass sie erst nach ihrer fruchtbaren Zeit Teil der Gemeinschaft geworden sein können;331 auch die Kinder werden so nicht erklärt. Was zuvor gesagt wurde, gilt auch hier: Frauen sind in die Gemeinschaft zu integrieren. Askese ist in diesem Fall genau zu definieren, „Zölibat“ auszuschließen. Frauen sind als Teil der Gemeinschaft zu postulieren, die selbst Teil eines wirtschaftlich organisierten Netzes ist, welches besonders mit der näheren Umgebung, aber auch mit weiter entfernten Orten am Toten Meer verbunden war (Zangenberg/Hirschfeld). In der These einer temporären Nutzung Qumrans in den Wintermonaten (Stacey/Doudna) bildet sich die Relation des Frauen- und Männeranteils womöglich ab. Demnach sind vorwiegend Männer in der Siedlung und auf dem Friedhof zu vermuten. Dies geht mit der Überlegung einher, dass die Frauen nur zu den Männern gehören und ebenfalls nicht dauerhaft auf dem Areal wohnen (Magen/Peleg), zumal wenn man von eher begrenzten Kapazitäten der Anlage ausgeht (Broshi/Eshel, Magness).332 An dieser Stelle ist in der Forschung kein Konsens zu erwarten. Letztlich kann man anhand der Stätte Gemeinschaftsräume, Unterkünfte, Werkstätten und so Weiterverarbeitung von Ton, Schilfrohr oder Datteln für Eigenbedarf und Handel annehmen (Stegemann, Hirschfeld, Zangenberg). Auch die Münzfunde belegen eine gewisse Offenheit. Doch solange nicht weitere Grabungen vorgenommen werden, was unwahrscheinlich ist, kann eine Verschiebung der Statistik zugunsten der Frau nicht ausgeschlossen werden. Schließlich steht eine rituelle Nutzung der Anlage außer Frage und somit auch eine jüdische Bewohner- bzw. Arbeiterschaft. Die Untersuchungen der Skelette geben bislang nur Anhaltspunkte für nicht allzu schwere körperliche Betätigung, was durchaus auf Dattelanbau und Viehzucht schließen lässt (Röhrer-Ertl) und sich mit paläobotanischen Daten deckt. Auf die Bezeichnung von Gräbern als essenisch (Zias, Eshel, Broshi, Schultz, Magness, Zissu) ist zu verzichten.333 Im Vorausblick auf literarische Quellen wird an dieser Stelle die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Essener in familiären Strukturen in Qumran

330 Vgl. Baumgarten, 4Q502, 134; Bennett Elder, Woman Question; Magness, Archaeology of Qumran, 173. 331 White Crawford, According, 148. Weiteres dazu unten. 332 So Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit. Zangenberg, Desert, 106–108. S. auch Zangenberg, Qumran und Archäologie, 288–294; ders., Region oder Religion?, 59– 67; ders., Qumran, die Essener und die gegenwärtige archäologische Forschung. Auch nach Stegemann, Die Essener, 72+270f., sind nicht alle Ehefrauen auf dem Plateau zu suchen. 333 Vgl. Hachlili, The Qumran Cemetery Reassessed, 67: „The small number of women buried at Qumran neither disproves nor confirms the Qumran-Essene hypothesis.“

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

gelebt und das Areal wirtschaftlich genutzt haben.334 Das bedeutet aber zugleich eine Identifizierung der Bewohner mit den Essenern, die man anhand antiker Berichte über die Essener nicht ohne Vorbehalt vornehmen kann. Die Archäologie kann an dieser Stelle nicht sagen, ob Essener in Qumran (und Umgebung) gelebt haben, auch nicht, ob sie oder nur ein Teil von ihnen zum aus einigen Texten bekannten yaḥad gehören. Das muss ein separater Durchgang durch die Qumrantexte im Vergleich mit zeitgenössischen Quellen erbringen (s. Kap. III–VI), der zuletzt noch einmal zu den materialen Hinterlassenschaften führt.

4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung? 4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung? Der bisherige Durchgang durch einen Teil der Qumranarchäologie mahnt zur Vorsicht vor einer Überinterpretation der Fakten,335 die sich oft aus der Textwissenschaft speist.336 Doch auch die Schriftfunde in den Höhlen sind durch ihre Nähe zum Areal physisch mit ihm verbunden, trotz der Entfernung einiger Höhlen. Vom archäologischen Standpunkt aus ist eine eindeutige Verbindung jedoch materialiter und nicht über die Inhalte der Texte herzustellen. Insofern ist eine ausgewogene Darstellung, die weder unvorsichtige Behauptungen aufstellt noch Möglichkeiten außer Acht lässt, geboten.337 334

Aufbauend auf Frey, Qumran und die Archäologie, 34.39–41, mit dems., Zur historischen Auswertung der antiken Essenerberichte, 51–56. Zangenberg, Einzigartigkeit, 146. 335 Zur konkreten Problembenennung vgl. nur Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 292, Anm. 21. 336 Auch für die Qumran-Archäologie ist man auf Texte des Flavius Josephus, Plinius des Älteren (auch außerhalb von NatHist V,73), Strabo usw. für nähere Bestimmungen zu Ort, Zeit, Person oder Situation angewiesen und kann also grundsätzlich nicht auf Textauswertung – und das Fürwahrhalten von Textüberlieferung – verzichten (s. den Abschnitt 1.1.2 – so auch Taylor, The Essenes, 258). S. auch Frey, Qumran und die Archäologie, 33f. Außerdem zeigen einige Qumrantexte deutlich, dass sie wie andere biblische und nichtbiblische Texte auch ihre Zeitgeschichte wahr- und aufnehmen (vgl. nur das Damaskusdokument oder die Pescharim; speziell 4QHistorical Text A / 4Q248, der vermutlich auf die Ägyptenfeldzüge Antiochos’ IV. 170/69 und 168 Bezug nimmt, s. dazu Broshi / Eshel, DJD 36, 192–200). 337 Zu den verschiedenen Positionen s. z.B. Röhrer-Ertl u.a., Naturwissenschaftliche Datenvorlage, 228 o. 258, Anm. 44. Zangenberg, Einleitung, 16–19, und ders., Einzigartigkeit, 125–131; Frey, Qumran und die Archäologie, 35–42. S. auch Hüttig, Archäologie versus Textforschung?, passim. Zur Aufgabe der Archäologie überhaupt und ausnahmslos auch in der Qumranwissenschaft s. den Beitrag von Faßbeck, Archäologie Qumrans, passim. S. auch Zangenberg, Qumran und Archäologie, 263–275; Region oder Religion?, 57f., sowie Fabry, Archäologie und Text, bes. 79–87. Ziemlich ernüchternd ist die Schlussfolgerung von Vieweger, Text, 98f.

4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung?

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Im Folgenden werden neben den Höhlen weitere sogenannte missing links genannt, die womöglich eine tragfähige Verbindung von Areal und Höhlen sowie Texten in Betracht ziehen. Die Notwendigkeit dieser Überlegungen liegt auf der Hand: Wenn Frauen in der Besiedlungszeit Qumrans nicht nur auf dem Friedhof nachgewiesen, sondern auch auf dem Areal zu vermuten sind, ist zu überlegen, welche Rolle ihnen hinsichtlich der Textproduktion und/oder -sammlung in dieser noch genauer zu bestimmenden Gemeinschaft zugekommen ist. 4.1 Die Höhlen von Qumran als Schnittstelle von Archäologie und Textwissenschaft Wie schon erwähnt, sind die Höhlen 4, 5 und 10 in unmittelbarer Sichtweite sowie 7 bis 9 nur über die Anlage zu erreichen.338 Dies spricht für eine Kenntnis und durchaus auch Nutzung der Höhlen. Eine naheliegende These ist es, die Höhlen, oder zumindest die künstlichen, als Bibliotheken zur Aufbewahrung von Schriftrollen zu verstehen.339 Die Texte sind dann teils gesammelt und teils auf dem Areal, wenn nicht produziert, dann doch kopiert bzw. beschrieben worden. Dem könnte man entgegenhalten, dass nicht ein Schriftrollenrest auf dem Areal oder fragliches Werkzeug in dem Raum gefunden worden ist, was jedoch wie bei den frauenspezifischen Objekten nicht als alleiniges Argument gelten kann.340 Zudem muss auch hier definiert werden, was als „Werkzeug“ vorhanden sein muss, um Schreibertätigkeit nachzuweisen. Von den insgesamt neun bislang entdeckten Tintenfässern sind, wie oben gesagt, nur zwei aus L30 in die Besiedlungszeit zu datieren – und nicht zwangsläufig auf die Schriftrollen und -fragmente zu beziehen.341 Die Analyse der Probe eines weiteren, möglicherweise Periode 2 oder 3 zuzuordnenden Tintenfasses lässt sowohl auf die Herstellung der Tinte in Qumran als auch auf deren Import schließen. Zudem ist das Tintenfass nicht während einer

338

Dies wird von Golb, Khirbet Qumran, 71, bezweifelt. Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 25. Stökl Ben Ezra, Bibliotheken. Auch Doudna, Legacy, passim, spricht sich für eine frühere Unterbringung der Schriftrollen aus, da die untersuchte Keramik in das erste vorchristliche Jahrhundert datiert. 340 S. zuerst Golb, Qumran, 48f.217. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 205, nennt beispielsweise Masada und Hyrkania als Orte, an denen Schriftrollen gefunden worden sind. Wie schon gesagt, kann nach den Ereignissen in Qumran und nach zweitausend Jahren nicht davon ausgegangen werden, dass noch Leder- oder Papyrireste zu finden sind. Auch Atkinson / Magness, Josephus’s Essenes, 325, erwarten nach zwei nachweisbaren Bränden auf dem Areal keine derartigen Überbleibsel mehr. Vielmehr erklären sie die Funde in den Höhlen und so die Zusammengehörigkeit beider Stätten. 341 De Vaux, Archaeology and the DSS, 29f. Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 32. 339

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Grabung, sondern von Beduinen gefunden worden.342 Jedoch ergibt eine Analyse, dass die Eigenproduktion von Tinte in Qumran möglich gewesen ist.343 Eine Untersuchung der Tinte von 1QHodayota hat ergeben, dass das Pergament Spuren des Toten Meeres, genauer Chlor und Brom, enthält und folglich im Umkreis beschrieben worden sein muss.344 Stacey hält dem entgegen, dass über die Jahrhunderte hinweg das untersuchte Schreibmaterial durch Brom kontaminiert worden sein könnte – so wie es auch bei den untersuchten Knochen auf dem Friedhof der Fall ist (s.o.).345 Hier fehlen Vergleichsstudien, die den Salzgehalt von Tinte und Schriftrolle sowie Proben aus den Höhlen – in ebengenanntem Fall: Höhle 1 (und 1QHa) – überprüfen. Dies wäre in einem weiteren Schritt mit Funden aus dem regionalen Kontext zu vergleichen, um festzustellen, ob ähnliche Komponenten von Meersalz vorliegen.346 Der ebenfalls angeführte rote Eisenocker (L2) ist bislang nur für die Beschriftung von Keramikgefäßen nachgewiesen, nicht aber für die Schriftrollen.347

342 Das bei Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 32, genannte sechste Tintenfass befindet sich der Privatsammlung Martin Schøyens und sei im Skriptorium (also L30) gefunden worden. Eine Probe seines Tintenrestes ist von Rasmussen u.a., Qumran inkwell, 2958–2963, analysiert worden. Die Provenienz beruht auf der Aussage des Finders, einem Angehörigen des Beduinenstammes der Ta’amireh (um 1950, zwischen der Entdeckung von Höhle 1 durch jenen Stamm und vor der ersten Grabung unter de Vaux; ebd., 2957). Dies ist durchaus kritisch zu betrachten (vgl. ebd., 2963f.), wie etwa in einer Response von Rabin, From analysis to interpretation, 124. Jedoch kontert, Rasmussen u.a., Replay, 155, ebenso überzeugend, wenn er auf die nicht in situ gefunden Schriftrollen verweist, die später erworben wurden und dennoch anerkannter Teil des Qumranschriftenkorpus sind. Man wird an dieser Stelle nicht weiterkommen. Doch bezüglich möglicher Schreibertätigkeit und ihres Nachweises bieten Rasmussen u.a., Qumran inkwell, passim (bestätigt durch dies., Replay, gegen die Einwände Rabins, From analysis to interpretation) wertvolles Material. 343 S. ausführlich Rasmussen u.a., Qumran inkwell, 2966f. 344 Neben Chlor, Magnesium, Natrium, Calcium und Kalium hat auch Brom einen Anteil am sehr salzhaltigen Wasser des Toten Meeres (s. Brockhaus 22, 273f.: 274). Zur Untersuchung: Rabin u.a., Origin of the Ink, 97–102. Der Bezug auf Qumran in der Schlussfolgerung (102) ist großzügiger, als es der Beitrag selbst hergibt. Zum Ganzen s. Frey, Qumran und die Archäologie, 41f. Golb, Qumran, 382. Stökl Ben Ezra, Qumran, 134+141f. (Ebd., 151, verengt die Eingrenzung auf Qumran.) Die Analyse der Tinte macht zumindest die Abschrift von 1QHa in der Region des Toten Meeres plausibel. 345 Stacey, Reassessment, 72f. Zudem stellt er die nicht unberechtigte Frage, warum der Schreiber zum Mischen der Tinte Wasser vom Toten Meer verwendet, wenn Zisternen auf dem Areal sind. Er bezieht sich auf Rasmussen u.a., Preliminary Data; s. ebenso dens. u.a., Qumran inkwell, 2957. Schon de Vaux, Archaeology and the DSS, 64, gibt an, dass Untersuchungen an Funden En Feschchas wegen der Salzeinwirkung erschwert werden. 346 Rasmussen u.a., Qumran inkwell, 2957. 347 Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 29; dies., Possible Connection, 391+394.

4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung?

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Ein Zusammenhang zwischen Höhlen und Siedlung ist aufgrund der schon erwähnten übereinstimmenden Keramik schwerlich zu leugnen.348 Der Unterschied ist nur, dass die Krüge auf dem Areal keine Schriftrollen-, sondern z.T. Essensreste beinhalten. Insofern sind sie zunächst als Vorratskrüge, nicht aber ohne Weiteres als Schriftrollenkrüge zu bezeichnen. Möglich ist, dass sie als Notlösung zum Verstauen gedient haben.349 Die Krüge selbst können sowohl in Qumran gefertigt als auch aus Jericho oder Jerusalem dorthin gebracht worden sein, da die Keramik aus diesen drei Orten eine enge Verbindung aufweist und damit gegen Spezifika spricht, die auf eine qumranische Eigenheit schließen lassen (s.o.).350 Die Schriftfunde jedoch und weitere Artefakte lassen eine gewisse Regelmäßigkeit erkennen: Zehn Krüge, in einem von ihnen drei verwahrte Schriftrollen,351 sind nur in Höhle 1 (für Höhle 11 kann man dies nicht mehr mit Gewissheit sagen) und griechische Papyri ausnahmslos in Höhle 7 gefunden worden.352 – Diese und weitere Auffälligkeiten ergeben für Daniel Stökl Ben Ezra eine durchdachte Aufteilung der Texte auf die Höhlen (inhaltlich und material), weswegen er die Theorie mehrerer Bibliotheken unterstützt, deren Bestand in Qumran verfasst worden sei.353 348

Magness, Why Scroll Jars?, 146; Bar-Nathan, Winter Palaces, 275.276f. Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 28f. 350 Bar-Nathan, Winter Palaces, 277. S. de Vaux, Rapport préliminaire sur la deuxième campagne, 228. Vgl. dens., The Archaeology and the DSS, VII+IX.49f.+54, mit Rapport préliminaire, 83–106. S. auch Zangenberg, Qumran und Archäologie, 281–288; ders., Region oder Religion?, 42–48; ders., Einzigartigkeit, 123f. S. auch Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 291, Anm. 19. Für Magness, Why Scroll Jars?, 146f.153–155, sind diese speziell geformten Krüge in Qumran für die Aufbewahrung rituell reinen Essens, Trinkens, aber auch rituell reiner Schriftrollen gebraucht worden. Stökl Ben Ezra, Qumran, 107.135+141, geht nur von einem Import des Tons, nicht aber der Krüge aus Jerusalem aus, da entsprechende Scherbenfunde in Jerusalem fehlen. 351 S. VanderKam, Qumranforschung, 22: ein Krug enthält die Gemeinderegel, die Jesajarolle und den Pescher Habakuk, ein weiterer Krug „Unrat“, die acht restlichen sind leer. 352 Dazu Stökl Ben Ezra, Bibliotheken, 327–333. Der komplexe statistische Vergleich soll zeigen, dass Höhle 1 und 4 schon vor der ersten Aufgabe der Siedlung um 4 v.Chr. Schriftrollen zur Aufbewahrung enthalten haben, was deren Alter erkläre. Höhle 1 wurde dann womöglich vergessen (ebd., 333–342). Schon Humbert, L’espace, 194, hat Höhle 4 als Bibliothek für die Aufbewahrung von wertvollen und spirituellen Texten gesehen. Eine Bibliothek ist für ihn jedoch zuallererst L121 (ebd., 192–195), die anderen Höhlen gelten als Versteck. Im Vergleich mit anderen antiken Bibliotheken vermisst Martone, The Qumran „Library“, bes. 73–77, die Charakteristika einer Bibliothek in Qumran, sieht jedoch eine intendierte Sammlung mit sich herausbildendem zadokidischen Schwerpunkt. Dagegen: Werrett, Is Qumran a Library?, passim. 353 Neben Rabins Untersuchung (s.o.) sind für ihn Dimants Kategorisierung der Texte, die „in der gleichen Proportion“ (s.o. Einleitung: biblische, yaḥad- und vom yaḥad beeinflusste Texte) in den Höhlen gefunden worden sind, und zuletzt Yardenis Untersuchung der Schreiberhand, aus der viele Texte fast aller Höhlen stammten, wichtig. Stökl Ben Ez349

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

Natürlich ließe sich räumlich argumentieren, dass die Höhlen nahe der Siedlung die eigentliche Bibliothek354 sind. Die Höhlen in weiterer Entfernung wären dann als Notbehelf vor den anrückenden Römern zu erklären. Bei einer Verbindung von Schriftrollen wie -fragmenten mit den Höhlen ist dies ein plausibles Szenario, erklärt es doch, warum Schriftstücke, die älter als die erste Zerstörung der Siedlung sind, in den Höhlen gefunden worden sind. Wenn die Höhlen von Anfang an als Bibliothek gedient haben,355 waren die Texte relativ sicher untergebracht. Wie schon de Vaux sieht hingegen Stegemann die Bibliothek der Anlage als Ausgangspunkt, von dem aus, kurz bevor die Römer anrückten, die Schriftrollen in die Höhlen geschafft worden sind: Die Höhlen der unmittelbaren Umgebung Qumrans sprechen dafür, dass auf diese Distanz keine Notwendigkeit besteht, die Texte sorgsam zu verpacken.356 Letzteres Szenario ist plausibler, da es die vielen verlorenen Texte besser erklärt: Die Bibliothek(en)-These kann unmöglich auf den Gesamtbestand zurückgreifen und somit nur von dem, was gefunden wurde, ausgehen – was aber schlechterdings nur noch ein Teil eines unbekannten Ganzen ist. Insofern ist es schwierig, von da aus auf einen Gesamtcharakter der Höhlen zu schließen. Die Höhlen sind nachweislich Depots für Vorräte, auch temporäre Unterkünfte. Würde man solche multifunktionalen Räume für die dauerhafte Aufbewahrung theologisch bedeutsamer Schriften wählen? Deren Kategorisierung bleibt unbestritten, wofür nur auf Emanuel Tov zu verweisen ist.357 Doch ist die Intention der Höhlen als Bibliotheken zu hinterfragen. Taylor entwickelt eine modifizierte Genizot-These, die sich nur auf die künstlichen Höhlen bezieht, in denen die weitere Verwahrung vorbereitet worden ist und die so als Zwischenlager fungieren („temporary store, for manuscripts prior to processing and burial“).358 Die Überzahl an Keramik mit über 500 Fragmenten würde dafür sprechen. Das endgültige Begräbnis sei dann in den natürlichen Höhlen vorgenommen worden („final resting place of buried manuscripts“). Interessant ist weiterhin, dass sie annimmt, unter den leeren Gräbern auf dem Friedhof seien ursprünglich Texte bestattet worden. Ist auch Steckolls Bericht fraglich (s.o.), so bleibt immer noch die Notiz von Poole und auch die von de Vaux sowie Magen und Peleg gefundenen leeren ra, Bibliotheken, 332, unterstützt von Atkinson / Magness, Josephus’s Essenes, 323. Vgl. nun noch Stökl Ben Ezra, Qumran, 151–162. 354 Jüngst ist die Idee der Qumranhöhlen als Bibliothek(en) wieder unterschiedlich beleuchtet worden, s. White Crawford / Wassen (Hg.), The Dead Sea Scrolls at Qumran and the Concept of a Library. 355 So Dimant und Lange, s. dazu Zangenberg, Einzigartigkeit, 127. 356 S. Stegemann, Die Essener, 96f. mit 94f. 357 S. z.B. Tov, Die biblischen Handschriften, passim. Vgl. Kap. I.2.1. 358 So zuerst von Eleazar Sukenik vermutet, s. Taylor, Buried Manuscripts, 269. Dagegen: Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 25. S. weiter Taylor, Buried Manuscripts, 277f.305+ 316 (s. ebenso die entsprechenden Abschnitte bei ders., The Essenes, 272–303).

4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung?

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Gräber, die dies stützen könnten. Wobei hier noch eine Kategorisierung vorgenommen wird: Veraltete oder zerstörte Texte, die nicht wichtig genug seien, werden auf dem Friedhof bestattet, jene, die sorgfältig in den Krügen verwahrt sind, sollen konserviert werden und finden, laut Taylor, in den natürlichen Höhlen, wie Q1, ihre letzte Ruhe.359 Hier fällt es schwer, die gefundenen Texte als ausgesonderte zu begreifen. Unabhängig vom Charakter der Siedlung und ausgehend vom Fundbestand wirkt eine eilige Verbergung der Texte vor den anrückenden Römern plausibel, muss aber eine bereits vorhergehende Sammlung nicht ausschließen.360 4.2 Weitere missing links Möglicherweise gibt es zwei Artefakte, die eine Verbindung zu den Texten aufweisen. Das erste ist ein 1996 von James F. Strange gefundenes, in zwei Teile zerbrochenes und mit Tinte in Hebräisch beschriebenes Ostrakon (KhQ 1996/1), das zwar aus nicht stratifiziertem Kontext stammt, an dessen Echtheit aber kein Zweifel gehegt wird. Die spätherodianische Schrift lässt nach Frank M. Cross eine Datierung zwischen 20 und 68 n.Chr. zu.361 Bei aller Schwierigkeit, die von ihm und Ester Eshel einem „unskilled scribe“ zugeordnete Schrift zu lesen und den verlorenen Text zu rekonstruieren, lässt sich doch ein Teil des Inhalts erschließen. Demnach scheint ein Mann namens Ḥoni in Jericho (Z.2: ‫ )בירחו נתן חני‬einem Eleazar Ben Naḥmani (Z.3: ‫לאלעזר בן‬ ‫)נחמני‬ ֯ von dem Tag an bis „auf ltze[it]“ (Z.5: ‫מהיום הז֯ ה ל>עת< תחומי֯ הבית‬mitsamt Feigen- und Olivenbäumen zu geben (Z.7: ‫)והתאנים הזי̇]תים‬. Die Rekonstruktion der Autoren von Z.8: „when he fulfills (his oath) to the Community“ (̇‫)וכמלותו לי̇ח̇ד‬, ֯ ist jedoch problematisch.362 Der Bezug zum Schwur wird hier hergestellt, ist aber auf dem Ostrakon nicht belegt. Zudem ist weder ‫מלא( וכמלותו‬/‫ )מלה‬noch ‫ ליחד‬ohne Weiteres zu erkennen. Und zuletzt ist aus diesen zwei Unsicherheiten heraus nicht zu bestimmen, ob es sich hier nach 1QS VI,19f. um eine durch den Schwur gebundene Aufnahme in den yaḥad (1QS V,7bf.) handelt, die durch die Übereignung des Besitzes bestätigt wird (vgl. 4QSd/258 I,1–12).363 In ihrer Lesung des Ostrakons ist Ada Yardeni insgesamt vorsichtiger und bezweifelt v.a. jene von Z.8, weswegen sie anhand der Schreibweise der fraglichen Buchstaben, aber auch in Folge auf Z.7 „und jeder andere Baum“ ([‫ )וכולאילנ אח]ר‬vorschlägt. Dies lässt sich inhaltlich mit Urkunden aus dem Nachal Chever vergleichen.364 In Qumran als einem Ort, an dem auch Handel betrieben wird, sind durchaus schriftliche Dokumente wie Verträge oder Belege zu erwarten. Zwar sind Dokumente zu Verschenkung oder Übereignung von Besitz aus den Archiven der Babatha und Alexandra Komaïse bekannt, nicht aber aus Qumran – zumindest nicht bislang.365 Außerdem lässt die Schrift auf dem Ostrakon selbst eher auf einen Entwurf denn auf ein offizielles Dokument schließen. Eine Parallele ist dennoch durch den Vorzug des Hebräischen vor dem Aramäischen und Griechischen für offizielle Dokumente festzustellen.366 Da aber die Rekonstruktion dieses Entwurfs umstritten ist und m.E. auch bleibt, die restlichen Zeilen 9–15 außerdem keinen weiteren Aufschluss über den Gegenstand

362 Cross / Eshel, Ostraca, 17–19, mit Kommentar: 20–25. Ḥisdai aus Ḥolon (Z.4: ‫חסדי‬ ‫ )מחו̇לנ‬sei mit Z.14f. (‫ )חלון … חסדי֯ עבד ֯ח]ני‬womöglich als Sklave Ḥonis zu interpretieren (s. ebd., 22+25). Ebd., 26, diskutieren sie die Möglichkeit, dass Ḥisdai Teil der Übereignung an die essenische Gemeinschaft, vertreten durch Eleazar als Aufseher (‫ – מבקר‬was nicht im Text steht), ist. Da die Essener aber laut Philo (Prob 79) und Josephus (Ant 18,21) keine Sklaven halten, vermuten Cross und Eshel, dass Ḥisdai entweder als Aufseher des Besitzes eingesetzt oder freigelassen wird. Ob in den restlichen sieben Zeilen eine entsprechende „Zusatzklausel“ zu erwarten ist (Fabry, „jachad“-Ostrakon, 16), ist durch nichts belegt. Die Qumrantexte selbst können Sklaverei sowohl be- (4Q159 2–4,3) als auch widerlegen (CD XI,12) (Fabry, „jachad“-Ostrakon, 16; ders., Archäologie und Text, 89f.), was wiederum zeigt, dass vielleicht ein Teil, aber durchaus nicht alle Texte auf dieselbe Gemeinschaft bezogen werden können. Yardeni, A Draft of a Deed, 236, liest wiederum ‫הסקים‬, was Säcke oder Sackkleidung meint. 363 S. den Kommentar bei Cross / Eshel, Ostraca, 24f. mit Anm. 36–39. 364 Yardeni, A Draft of a Deed, 233–237. 365 S. dazu Cross / Eshel, Ostraca, 21 mit Anm. 15, u. 26. 366 S. Cross / Eshel, Ostraca, 17+26f.

4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung?

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des Geschriebenen geben, sollte nicht von einem missing link ausgegangen werden.367 Ein anderes Verbindungsglied ist die in L45 entdeckte und im Ausgrabungskatalog aufgeführte „Scheibe aus Stein“ (KhQ 1229).368 Diese wird von Matthias Albani und Uwe Gleßmer als Sonnenuhr und astronomisches Messgerät interpretiert. Ersteres kann mithilfe eines (nicht mehr erhaltenen) Stabes, der in das Loch im Zentrum der Scheibe gesteckt wird, um die Tageseinteilung den Jahreszeiten gemäß durch seinen Schatten auf drei Ableseskalen für Sommer, Herbst/Frühling und Winter zu markieren, möglich sein. Die Einteilung des Tages in Stunden ist wiederum in der Gemeinderegel belegt – wie allerdings die Stunden in der Nacht abzulesen sind, wenn überhaupt, ist (noch) nicht geklärt (vgl. 1QS VI,6b–8a). Für die Benutzung nachts schließen Albani und Gleßmer die Möglichkeit der Gestirnbeobachtung nicht aus. Ein Interesse hierfür lasse sich durch mehrere gefundene Exemplare des Astronomischen Henochbuches erklären.369 Als eine weitere Nutzung dieser Sonnenuhr wird auch ein Hodometer in Betracht gezogen: ein portables Gerät für Reisende, um Wegdistanzen zu messen. Es sei durch Entfernungsangaben in Qumrantexten, wie 1QM VII,6f. (Abstand der Lager zu der Latrine) und CD X,21 (Einhaltung der Sabbatmeile) belegt. Zumindest letztere Deutung ist schwierig, da es bislang kein Äquivalent zu dieser Scheibe gibt. Nach der Theorie sind mehrere Hodometer für verschiedene Reisen zu gleichen Zeiten zu erwarten. Warum sollte außerdem ausgerechnet die Qumrangemeinde einen solchen Gegenstand besessen (vielleicht sogar erfunden) haben, der nirgendwo anders gefunden worden ist, auch nicht in den von den „essenischen Asketen“ besuchten Nachbargemeinden?370 Eine Vorrichtung zum Messen von Sonnenstunden und zur Beobachtung des nächtlichen Himmels ist zumindest auch nur einmal zu erwarten, die Art der Anwendung kann aber bislang noch nicht bewiesen werden.371 Von einer Interpretation dieses Gegenstandes als einer Töpferscheibe auszugehen, ist aufgrund der doch auffälligen und scheinbar sinnfälligen Ritzun-

367 Cross / Eshel, Ostraca, 28. S. weiterhin Beyerle, Qumran und die Apokalyptik, 170– 172, ders. Kriterien, 116f. 368 De Vaux, Grabungstagebücher, 209. 369 Vgl. Gleßmer, „Sonnenuhr“, 26f. Albani / Gleßmer, Un instrument. Roitmann, Kalksteinscheibe, 26, verweist noch auf CD III,14b (Sabbate und Festtermine) und 1QS I,14f. (feste Zeiten und Festtermine). Ob es auch zur Ausrichtung der Gräber (s. Rohrhirsch / Röhrer-Ertl, Religiöses Eigengepräge, 295, Anm. 25) gedient habe, sei dahingestellt. S. weiterhin Hollenback, Qumran Roundel; ders. More on the Qumran Roundel. Zur Diskussion Beyerle, Qumran und die Apokalyptik, 169f. Ben-Dov, Qumran Dial, passim. 370 Thiering, Odometer, 355–363 (Textangaben: 361f.). 371 Dazu Ben-Dov, Qumran Dial, 234–236, der auch im Vergleich mit römischen Messgeräten keine klare Entsprechung zum Qumrangegenstand findet.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

gen nicht einsichtig.372 Ein Spinnwirtel und somit wichtiges Frauendetail ist schon aufgrund der Größe (Durchmesser: 13,5 cm) auszuschließen.373 Dass bislang noch kein derartiges Objekt gefunden worden ist, unterstreicht vielleicht den einzigartigen Charakter der Siedlung – aber das ist letztlich wieder ein Argument aus dem Negativbefund heraus. Die in Jos.Bell 2,148 erwähnte Hacke, die den Essenern zum Verscharren der Notdurft gedient haben soll und auch „Essener-Hacke“ genannt wird,374 wird ebenfalls zur Verbindung von Areal und Höhlen herangezogen. Nach de Vaux werden am 28. März 1955 eine „Eisenhacke mit Überresten eines Holzgriffes“ (KhQ 2584) in L114 und am 3. März 1956 eine „kleine Eisenhacke“ in Höhle 11 (Gr 11Q–6) entdeckt.375 Sie für den Dattelanbau oder überhaupt in der Landwirtschaft zu gebrauchen, ist trotz ihrer Größe nicht unwahrscheinlich – so können sie weniger für den Stamm, aber doch für das Geäst oder in anderer Verwendung gebraucht worden sein.376 Dass auch jene in 11Q gefundene Hacke in Qumran benutzt worden ist, kann und sollte nicht ausgeschlossen werden.377 Ein Bestreben nach ritueller Reinheit belegen die bereits erwähnten zehn anzunehmenden Mikwen, die sich wiederum mit Reinheitsvorstellungen in vielen und gerade den gruppenspezifischen Texten decken. Nun wird allerdings eine jüdische Bewohnerschaft nicht bestritten. Dass diese nun Reinheitsgebote erfüllt, die auch schon in der Tora verankert sind und die sie außerdem mit anderen Teilen des Judentums verbinden, kann zweifelsohne vorausgesetzt werden. Dass die Bewohner des Areals dies in den Qumrantexten festgehalten (oder aufgrund dessen gesammelt und tradiert) haben, sagt dies 372 Zum Vergleich mit einer Töpferscheibe: Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 204f. mit Anm. 202, der sich bemüht ein analoges Objekt zu finden. 373 Zu den Maßen: Gleßmer, „Sonnenuhr“, 26. Zur Deutung: Taylor, Cemeteries, 318f., Anm. 117. 374 Die von Zias 1 km nordwestlich von der Anlage lokalisierte Essener-Latrine sei hier der Vollständigkeit wegen genannt. Mithilfe von Jos.Bell, der Tempelrolle, CD und der Essener-Hacke vermutet Zias u.a., Toilets at Qumran, 631f., einen Ort zum Austreten außerhalb der Siedlung. Die Toilette in Qumran, L51, diene nur für dringende Notfälle („fecal emergencies“, ebd., 633). Da es offenbar nicht möglich ist, diesen Ort der Notdurft annähernd zeitlich zu bestimmen, sei zuletzt darauf verwiesen, dass Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 141–145, „Hinterlassenschaften“ von de Vauxs Mitarbeiterstab bei den verschiedenen Kampagnen nicht für unwahrscheinlich hält. S. noch dens., Einzigartigkeit, 141–145, 143f. Auf eventuell weiterführende Erdproben von de Vaux kann man nicht mehr zugreifen (s. Magness, Archaeology of Qumran, 106); dies., A Reassessment of the Excavations of Qumran, 715–718. 375 De Vaux, Grabungstagebücher, 71.87+151f. 376 Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 140f., nennt andere Funde im Römischen Reich, die eine Nutzung in der Holz- oder Bodenbearbeitung und somit eine landwirtschaftliche Nutzung nahelegen. 377 Frey, Archäologie, 30.

4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung?

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aber nun gerade nicht. Auch auf eine essenische Gemeinschaft kann anhand der Mikwen nicht geschlossen werden (auf eine zölibatäre ebenfalls nicht).378 Zusammengefasst lässt sich über diese konstruierten Verbindungen sagen, dass sie mehr oder weniger plausibel eine Verlinkung von Areal und Texten bzw. Höhlen zulassen. Wie sich Frauen dazu verhalten, hängt nach wie vor von der Deutung der Anlage und der vermuteten Urheber bzw. Sammler der Texte ab.379 In einer zölibatär lebenden essenischen Gemeinschaft haben Frauen keinen Platz; in einer jüdischen – vielleicht auch nicht zölibatär lebenden essenischen – Gemeinschaft sind Frauen anzunehmen. Dies lässt sich jedoch an keinem missing link festmachen. 4.3 Die Jerusalemer These Karl-Heinrich Rengstorf stellt 1960 erstmalig eine essenische Bewohnerschaft sowie die Verbindung zwischen Qumran und den Höhlen systematisch infrage.380 Die Unterschiede der Texte in Alter, Schrift, Sprache, Stil oder Inhalt, aber dennoch der klare Bezug zu Tora und Propheten sprechen nach Rengstorff für eine Herkunft aus der Jerusalemer Tempelbibliothek. Die Anlage selbst dann als „Einrichtung der Tempelverwaltung“ zu sehen, ist da nur konsequent, wenngleich sich trotz vieler guter Argumente die Entfernung zum Tempel und die Niederlassung in Qumran nicht ohne Weiteres erklären lässt.381 Eine Tempelbibliothek in Jerusalem ist zwar plausibel, nur leider ist kein Hinweis über ihre genauen Inhalte überliefert.382 Eine solche Bibliothek hätte 378

Für den Textnachweis s. Magness, Archaeology of Qumran, 137–142. S. Frey, Archäologie, 40f. 379 Auch der in 4Q477 erwähnte Joḥanan kann nicht mit dem auf einem Krug geschriebenen Joḥanan Ḥatala in Verbindung gebracht werden. S. dazu Fabry, Archäologie und Text, 90f. Vermes, The Complete DSS, 44f., nennt neben den Tierknochen auch Frauen und Kinder am Rande des Friedhofes als einen missing link. Zumindest Letzteres ist nicht mehr haltbar. Dazu auch Taylor, Cemeteries, 291f. 380 Vorbereitet durch Kahle, Zehn Jahre Entdeckungen, 647. Rengstorf, Ḫirbet Qumrân, bes. 9–12+40–42. Zur Jerusalemer Theorie vgl. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 82–87.293.309. Zangenberg, Einleitung, 8, u. VanderKam, DSS Today, 27f.122–125. 381 Rengstorf, Ḫirbet Qumrân, 24–35.37f. De Vaux, Archaeology and the DSS, 105f., jedoch bezweifelt in Auseinandersetzung mit Rengstorfs These, dass die nach seiner Meinung zwischen 600–150 v.Chr. verlassene Gegend zum Besitz des Zweiten Tempels gehört hat. Definitiv lassen sich die Höhlen als Versteck zu verschiedenen Zeiten nachweisen. Dass man sich darauf besinnt und sich darum nach Qumran aufmacht, um Texte zu verstecken, muss nicht von der Hand gewiesen werden. S. dazu Zangenberg, Wildnis unter Palmen, 156. Zur Jerusalemer These auch kritisch Bergmeier, Qumran-Essener-Hypothese, 10–14. 382 Skeptisch ist Martone, The Qumran „Library“, 65f.+67. White Crawford, Qumran Collection, 116f., zählt jedoch mögliche schriftliche Nachweise aus 1/2Makk und von Josephus auf.

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II. Frauen in Qumran – Ein archäologischer Abriss

demnach auch die Gemeinderegel enthalten. Spätestens hier stellt sich die Frage, ob 1QS und auch die 4QS-Fragmente mit ihrer Kritik am Tempelkult „aufnahmefähig“ gewesen sind.383 Ebenso müsste geklärt werden, wie eine solche Bibliothek ausgesehen haben mag und was die Kriterien für die Textaufnahme gewesen sein mögen. Zu bedenken ist ferner, dass das Qumrankorpus inhaltlich wie formal sehr disparat ist. Das könnte sowohl für die Intention sprechen, alles zu sammeln, als auch für einen Sammlungsort außerhalb Qumrans – eben Jerusalem. Eine auf Vollständigkeit bedachte Sammlung könnte zudem auch tempelkritische Texte eingeschlossen haben.384 Textsammlungen zu dem sich herausbildenden und später kanonisierten Tanach weisen durchaus auch Widersprüche untereinander auf, ebenso Revisionen oder Kritik. Darauf aufbauend wird in der Forschung ebenso in Betracht gezogen, dass die Schriftrollen aus unterschiedlichen Synagogengemeinden stammen, die von Flüchtlingen Judäas in Qumran und mit Hilfe der Qumraniten in den Höhlen versteckt worden sind. Die in Qumran gefundenen und dort hergestellten Tonkrüge hätten dann dem Transport und/oder der Aufbewahrung der Schriftrollen gedient.385 Bei all dem ist nicht auszuschließen, dass eine solche Sammlung auch für Qumran angenommen werden kann. Das würde die Notwendigkeit und Eile, sie vor den Römern in Sicherheit bringen zu müssen, nicht in Abrede stellen und auch die Verschiedenheit der Texte erklären. Jedoch ist bei beiden Szenarien nach der Intention der Sammlung und dem Trägerkreis der gruppenspezifischen Texte zu fragen, ebenso danach, wie und wo er zu verorten ist, wenn die Texte nur nach Qumran gebracht wurden, um sie vor den Römern in Sicherheit zu bringen.386 4.4 Überleitung So unterschiedlich wie die archäologischen Erkenntnisse zu den Ruinen und dem nahen Friedhof sind auch die Untersuchungen und Schlussfolgerungen zu den Schriftrollen in den elf Höhlen. Anhand der gefundenen Objekte in Höhlen und Areal ist ein Austausch der Bewohner bzw. Arbeiter des Areals 383 Das gilt u.a. für Fabry, Archäologie und Text, 88f., klar als Argument gegen die Jerusalemer These. S. auch Frey, Qumran und die Archäologie, 35f. 384 So schon Rengstorf, Ḫirbet Qumrân, 34. 385 Golb, Qumran, 193–209, bes. 204, weitet die These Rengstorfs von der Tempelbibliothek auf Privatbibliotheken in Jerusalem aus, Magen / Peleg, Back to Qumran, 112f., auf Synagogengemeinden. Für Zangenberg, Einzigartigkeit, 131, sagt dieser Umstand nichts weiter aus, als dass „die Bewohner der Siedlung […] der Verbergungsaktion positiv gegenüberstanden“. S. weiterhin Crown / Cansdale, Essene Settlement?, 74; Zangenberg, Region oder Religion?, 64–67. Hirschfeld, Qumran – Die ganze Wahrheit, 309. 386 Gunneweg / Balla, Scroll Jars, 26f. Ebd., 26, nennen weitere drei Szenarien.

4. Archäologie und Textwissenschaft – Eine illegitime Verbindung?

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und der Nutzer der Höhlen vorauszusetzen. Das Kopieren von Texten in Qumran kann nicht bewiesen werden, wenngleich Schreibertätigkeit nicht auszuschließen ist. Eine Aufbewahrung der Schriftrollen aus konservatorischen Gründen muss nicht erst mit dem Vorrücken der Römer geschehen sein. Jedoch soll eine endgültige These erst nach eingehender Textbetrachtung formuliert werden.

III. Die Damaskus-Texte 1. Textgenese in der Antike und im Mittelalter Frauen kommen in keinem anderen gruppenspezifischen Text so häufig und in so verschiedenen Kontexten vor wie in den Damaskus-Texten (D-Texten).1 Diese Bezeichnung ist als Sammelbegriff zu verstehen, der die mittelalterlichen Texte und jene aus Qumran zusammenbindet und als eine gewachsene Einheit versteht. Die Benennung „Cairo Damascus-Document“ (CD) ist der siebenmaligen Erwähnung der Stadt Damaskus geschuldet.2 Kairo ist der Fundort der zwei mittelalterlichen Manuskripte A (A1: CD I–VIII u. A2: IX– XVI)3 und B (XIXf.) aus dem 10. und 11./12. Jh., die 1896 in der dortigen Geniza der Ben Esra-Synagoge von Solomon Schechter entdeckt und von ihm „Fragments of a Zadokite Work“ benannt worden sind.4

1 Zu Transkription und Übersetzung der mittelalterlichen Fragmente mit Korrekturen, Anmerkungen und Index s. Schechter, Fragments, XXXI–LXIX mit Anhang (63–120). Vgl. weiter Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 4–79, sowie Baumgarten u.a., Damascus Document, 1–185; zum Faksimile der mittelalterlichen Manuskripte mit Transkription s. Broshi, The DD Reconsidered, 10–49. García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 551–627; Maier, Texte I, 1–37; ders., Texte II, 217–234; Hempel, The D Texts. 2 Schechter, Fragments, XIII (45), erwägt die Etablierung des neuen Bundes in Damaskus, wo der Lehrer (der Gerechtigkeit) gestorben sei, seine Wiederkehr aber erwartet werde. Zu Damaskus als möglicher Chiffre für Qumran s. VanderKam, Qumranforschung, 76– 78, u. Davies, Art. Damascus Rule, 8–10; Baumgarten, DJD 18, 9f. Damaskus als Chiffre für das Exil und demnach Babylon als „allegorical name for the place of captivity“ wird von Murphy-O’Connor, Art. Damascus, 166, vertreten: nach Amos 5,25–27 sei „jenseits von Damaskus“ zu Damaskus geworden. Nach Hempel, The D Texts, 58–60, könne Damaskus das Leben einer jüdischen Gemeinde unter den Völkern – wie im babylonischen Exil – oder aber Priester meinen, die unter den Völkern leben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Damaskus mit den einzelnen Lagern zu identifizieren ist: Überall in Palästina befinden sich Mitglieder des neuen Bundes, die nicht separiert, sondern unter der restlichen Bevölkerung leben (s. dazu die folgenden Ausführungen und Kapitel). 3 Nach Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 6, sind es zwei unterschiedliche Handschriften für Kol. I–VIII u. IX–XVI, was sich bei Broshi, The DD Reconsidered, 10–24+26–40, sehr gut erkennen lässt. 4 Paläographische Datierung nach Schechter, Fragments, IXf. (41f.). Vgl. VanderKam, Qumranforschung, 76–78; Gutmann, Art. Damaskusschrift, 750–753, u. Baumgarten, Art.

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III. Die Damaskus-Texte

Anhand der Fragmente aus Höhle 4 (4Q266–273), 5 (5Q12) und 6 (6Q15)5 sind nicht nur der mittelalterliche Text und damit sein hohes Alter bestätigt, sondern liegen auch bislang unbekannte Passagen vor.6 Besonders 4Q266– 273 (4QDa–h) weisen einen Mehrbestand in den Halachot auf, in dem auch Frauen Erwähnung finden und der eine Datierung in das zweite oder erste vorchristliche Jahrhundert ermöglicht.7 4Q266 (4QDa – einst 4QDb) ist das reichhaltigste Dokument; es wird paläographisch in die erste Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts datiert. 4Q267 und 273 können womöglich in das 2. Jh. v.Chr. datiert werden.8 Die bis zu ihrer Auffindung unbekannten Gesetzespassagen der 4QDTexte lassen sich den mittelalterlichen Fragmenten ungefähr zuordnen, führen aber zu der Frage, wann sie warum entfernt wurden. Durchaus möglich ist, dass sie im Zuge des Überlieferungsprozesses ausgesondert und überarbeitet worden sind. Überhaupt ist von parallelen und späteren Fortschreibungen sowie Auslassungen auszugehen.9 Letztlich kann auch eine Bearbeitungspha-

Damascus Document, 166. S. auch den Überblick bei Schiffman, Sadducean Origins, 35– 39. 5 5Q12 enthält CD IX,7–10 und datiert in die zweite Hälfte des 1. Jh.s v.Chr.; 6Q15 belegt CD IV,19–21; V,13f.; V,18–VI,2 und wird dem ersten nachchristlichen Jahrhundert zugeschrieben (zur Datierung s. Hempel, D Texts, 23). 6 Zum Überblick vgl. Baumgarten, DJD 18, 3–5. 7 Vgl. dazu Wassen, Women in the DD, 19–22+23f., auch Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 6f. Zur letztlich nicht völlig genauen Datierungsmöglichkeit s. Popović, Roman Book Destruction, 239, Anm. 2. 8 Das zweitgrößte Textkonglomerat, 4Q270 (4QDe), changiert zwischen herodianischer und spätherodianischer Einordnung – hier ist das frühe erste Jahrhundert anzunehmen. Von späthasmonäisch über früh- bis spätherodianisch reicht die Einschätzung zu 4Q271 (4QDf – einst 4QDc). 4Q269 (4QDd – einst 4QDf) lässt sich paläographisch in die frühherodianische bzw. herodianische Zeit einordnen. Die einzigen D-Papyrus-Fragmente finden sich unter 4Q273 (4QpapDh) – sie sind wohl herodianisch. Vier weitere Fragmente, die dazugehören, datieren in die Mitte oder das Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts, was aber nicht gesichert ist. 4Q267 (4QDb – einst 4QDd) wird in das späte 1. Jh. v.Chr. datiert und ist somit herodianisch oder frühherodianisch. Nach einer C14-Untersuchung ist es womöglich sogar dem 2. Jh. v.Chr. zuzurechnen und demnach noch älter als 4Q266 (so nach Baumgarten, DJD 18, 26; Hempel, The D Texts, 54f.). 4Q268 (4QDc – einst 4QDa) wird paläographisch als herodianisch bis spätherodianisch bestimmt. Eine breite Spanne weist wieder 4Q272 (4QDg) auf: hasmonäisch über frühherodianisch bis herodianisch. – Für die unterschiedlichen Datierungen s. Baumgarten in Broshi, The DD Reconsidered, 57–61, und Baumgarten, DJD 18, 1f.26–30.138–140.170–172.193f. S. auch Hempel, The D Texts, 21f. 9 Dazu Davies, Damascus Covenant, 2; Stegemann, Die Essener, 101–104. Hempel, D Texts, 17+23f.; Baumgarten, DJD 18, 45.75; ders., Art. Damascus Document, 170. Dass CD in einer Synagoge der Karäer gefunden worden ist, die als Nachfolger der Zadokiden ein Bindeglied zu Qumran darstellen, ist bereits von Schechter angenommen worden. Schechter, Fragments, XVII (49), Anm. 16, verweist u.a. auf das Bigamieverbot der Karä-

1. Textgenese in der Antike und im Mittelalter

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se in Qumran oder der Nähe nicht ausgeschlossen werden. Wie in Qumran ist auch der Genizafund nicht vollständig, darum ist von Versionen auszugehen, die verloren sind oder noch nicht gefunden wurden. Die Fragmente aus Höhle 4, 5 und 6 belegen zwar einen Großteil des mittelalterlichen Fundes, aber ein Gesamttext lässt sich nur konstruieren, der ursprüngliche Umfang ist nicht bekannt. Dadurch ist es eine Herausforderung, die Passagen mit wichtigen Frauenthemen im mittelalterlichen Dokument, die nicht in Qumran belegt sind, adäquat zu gewichten. Da aber die jeweiligen Kontexte in den Qumrantexten zu finden sind, wird in folgender Untersuchung davon ausgegangen, dass auch die hier relevanten Texte im 2. und 1. Jh. v.Chr. entstanden sind. Vorausgesetzt wird ebenfalls, dass die Textfragmente aus Höhle 4, 5 und 6 ein dem Aufbau des mittelalterlichen Manuskripts ähnliches Dokument repräsentieren – das allerdings, wie die 4QD-Fragmente zeigen, einen größeren halachischen Korpus enthalten hat. Unter diesen Prämissen lassen sich von den in der Einleitung bereits genannten 111 ‫אשׁה‬-Stellen die zehn aus den Geniza-Dokumenten in die folgende Untersuchung integrieren. Hinzu kommen 14 weitere Belege in den 4QFragmenten (nicht in Höhle 5 und 6). Die Berücksichtigung des unmittelbaren Kontextes und Gesamtzusammenhangs kann und darf dabei nicht außer Acht gelassen werden,10 denn Frauen sind zwar auch Gegenstand des Diskurses der D-Texte, stehen aber nicht im Mittelpunkt der Argumentation; es geht niemals exklusiv um sie, sondern stets um die Gemeinschaft, zu der sie gehören. Der mögliche Wachstumsprozess kann hier nicht im Ganzen nachgezeichnet werden, dazu sei auf die Arbeiten von Philip R. Davies, Charlotte Hempel und Cecilia Wassen verwiesen.11 Ausgehend von Wassens Analyse sei ein „early law code“ aus dem priesterlichen Milieu in die 1. Hälfte des 2. Jh.s v.Chr. zu situieren. Dies sei jene in CD I,7b–11a beschriebene Gemeinschaft, die sich unter dem Lehrer der Gerechtigkeit zurückgezogen habe und Vorläufer des Trägerkreises der „late communal collection of laws“ sei.12 Diese

er, das eine Verbindung zu CD V darstellen würde (s. weiter ebd., XVIIIf. [50f.]). Fischer, Text, 32f.+52, diskutiert die Karäer als Vorläufer der Masoreten. S. auch Frey, Art. Qumran, 567: „CD ist eine mittelalterl. Epitome des dem yaḥad entstammenden Werkes D. Zu den mittelalterl. Karäern (und in die Geniza) könnte das Werk evtl. durch antike Textfunde gelangt sein.“ 10 Eine detaillierte und erschöpfende Analyse hat Wassen, Women in the DD, vorgenommen. Für einen kürzeren, thematisch geordneten Überblick vgl. Schuller, Women 1999, 123–131. 11 Davies, Damascus Covenant; Hempel, Laws of the DD; Wassen, Women in the DD. 12 Schiffman, Laws Pertaining to Women and Sexuality, 549: Hempels und Wassens „early law code“ datiert Schiffman in die Zeit vor dem angenommenen Schisma, was die Zeit von MMT sei; das zweite Stratum nach Bildung der Gemeinschaft gehöre zur Zeit

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III. Die Damaskus-Texte

Sammlung wie auch der Ermahnungsteil datiere in die Mitte des 2. Jh.s v.Chr., wobei dann die Endkomposition um 100 v.Chr. abgeschlossen gewesen sein dürfte. Die Texte der Gemeinschaft im „early law code“ seien, wie sich auch zeigen wird, noch stärker an Überlieferungen, die sich im Tanach finden, orientiert, zeigten aber bereits ein hohes Maß an Reinheitsbewusstsein. Nach Wassen entwickelt sich diese voressenische Bewegung zu den Essenern, deren Texte nun eine schärfere „sektiererische“ Note und eine strenge Hierarchie aufweisen würden.13 Textentstehung und auch vorläufige Textvollendung liegen demnach vor der archäologisch vermuteten Qumranbesiedlung ab der 1. Hälfte des 1. Jh.s v.Chr., wodurch auch von einem vorläufigen Endtext bzw. weiteren Bearbeitungsstadien außerhalb Qumrans auszugehen ist, wenngleich Fortschreibungen innerhalb der und durch die Gemeinschaft von Qumran an dieser Stelle noch nicht ausgeschlossen werden können. Daher scheint für die Analyse ein synchroner Durchgang sinnvoller, da vorliegende Qumrantexte die gegenwärtige Gruppe widerspiegeln, insofern sie sie rezipiert und möglicherweise vor Ort kopiert oder gesammelt hat. Dies stimmt mit der obengenannten Datierung der Qumranfragmente überein, unterstellt aber, dass die Gemeinschaft des Areals zumindest die D-Texte als autoritativ angesehen hat. Auch wird auf diese Weise eine Verbindung von Areal und Texten hergestellt. Dabei ist eine breitere Bewegung, die nicht nur auf einen Ort reduziert werden kann, anzunehmen. Außerdem sind Vorgängerbewegungen zu berücksichtigen, die für die Entstehung und Tradierung der Texte verantwortlich sind. Die DTexte weisen über Qumran hinaus, was sich in den folgenden Ausführungen zeigen wird.

2. Frauen in den D-Texten Die D-Texte lassen sich in einen Ermahnungsteil (Ms A1: CD I–VIII u. Ms B: XIXf.; mit 4Q266–271 u. 6Q15) und in einen von diesem gerahmten Gesetzesabschnitt (Ms A2: XVf.+IX–XIV;14 mit [z.T. Mehrbestand in] 4Q266– 273; 5Q12)15 gliedern.16 Jonathans, etwa 152 v.Chr. Gerade der ältere Teil spiegele eine Gemeinschaft mit zadokidisch-sadduzäischen Wurzeln vor Qumran wider. 13 Wassen, Women in the DD, 32–44.207–211. Für einen chronologischen Durchgang s. ebd., passim. Eine Zuschreibung zu den Essenern wird in Kap. VI diskutiert. 14 Zwei Fragmente zeigen, dass die Kol. XVf. Kol. IX–XIV voranzustellen ist: 4Q266 8 II = CD XVI,17–IX,2 und 4Q270 6 III = CD XVI,19–IX,7. Vor Kol. XV jedoch scheint ein Teil des Textes verloren zu sein – womöglich sogar mehrere Seiten (so mit Baumgarten in Broshi, The DD Reconsidered, 52). 15 Baumgarten u.a., Damascus Document, 3, unterteilen nochmals in Gesetze und Regeln für die Gemeinschaft. Zu den verschiedenen Gesetzen s. Baumgarten, DJD 18, 10–18.

2. Frauen in den D-Texten

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2.1 Die Ermahnung: CD I–VIII und XIXf. 2.1.1 Identifizierung durch die Geschichtsrückblicke Durch 4Q266 1 a–b (par. 4Q267 1) ist ein größerer Teil des Anfangs erhalten, der CD I voranzustellen ist. Der eigentliche Beginn ist zwar nicht unter den Fragmenten, aber es ist durchaus möglich, dass das Dokument mit einer androhenden Heimsuchung begonnen hat (s. 4Q266 1 a–b,1–5a). Ein erster Höraufruf (‫ ;שמעו לי‬Z.5b) führt in einen Geschichtsrückblick ein, der aber nur noch bruchstückhaft erhalten ist. Darauf folgen drei weitere Geschichtsrückblicke in CD (I,1–IV,12a par.), die stets mit der Gegenwart verbunden sind und ebenfalls jeweils mit einem Höraufruf (‫ )שמעו‬beginnen (I,1; II,2 u. II,14).17 In einem appellativen Erzählstil und in der ersten Person (‫ ;שמעו אלי‬vgl. auch II,14)18 richtet sich der erste Abschnitt an „alle, die erkennen Gerechtigkeit und verstehen die Taten Gottes“ (CD I,1b–2a: ‫)כל יודעי צדק ובינו במעשי אל‬. Das sind jene, deren Vergangenheit in Kol. I,4b–II,1 in einer „Gründungslegende“ kurz erzählt wird. Sie werden Nachfahren eines erwählten Restes aus der Zeit Nebukadnezars vor 390 Jahren, also des Exils, genannt (vgl. Z.4– 6).19 Deren Pflanzung lässt sich nach 20-jähriger Blindheit (Z.7–10a) unter Anleitung des/eines gerechten Lehrers oder Lehrers der Gerechtigkeit (Z.11: ‫ )מורה צדק‬auf „dem Weg seines Herzens/Sinnes“ (ebd.) führen.20 Die Scheidung von den Treulosen liegt in der jüngsten Vergangenheit (vgl. Z.11b– 14a); dies sind jene, die vom Weg abgekommen sind und die (Z.13a) „der Mann/ Mensch des Geschwätzes“ (Z.14b: ‫)איש הלצון‬21 auf den verkehrten Weg geführt (Z.14b–21a) und somit den Zorn Gottes heraufbeschworen hat (I,21b– II,1). Dieser Rückblick schildert eine Abkehrbewegung innerhalb Israels, die ihre Wurzeln prominent am Beginn des Exils verortet – die 390 und 20 Jahre ergeben zusammen mit den 40 Jahren nach dem Tod des Lehrers aus CD XX,15a sowie mit weiteren, in D jedoch nicht erwähnten, 40 Jahren das Jubiläum von 490 Jahren, womit das Ende eines Zeitabschnitts in die Nähe rückt. Die Gegenwart der Schreiber scheint sich in diesen fehlenden 40 Jahren zu befinden.22 16 Vgl. dazu VanderKam, Qumranforschung, 77; Wassen, Women in the DD, 20f. Zum Zusammenhang von beiden Teilen s. ebd., 22f. Baumgarten, DJD 18, 3–5. 17 Vgl. 4Q266 2 I,6f.; 2 II,2; 4Q268 1,9; 4Q270 2 II,19. 18 Dazu Wassen, Women in the DD, 26 mit Anm. 34. 19 Der Abschnitt ist auch in 4Q266 2 I und 268 I belegt. S. Weiteres zu einer möglichen zeitlichen Situierung unten. 20 Vgl. Jub 1,16 u. 23 – dazu Collins, Apocalyptic Movement, 33. 21 Vgl. zu 1QpHab Wassen, Women in the DD, 27. 22 Dazu Schechter, Fragments, XII (44): 390 Jahre (vgl. Ez 4,5) führen vom Exil (586/85) an zu den Nachkommen Simons des Gerechten. 20 weitere Jahre und die folgende

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III. Die Damaskus-Texte

Auf den ersten Abschnitt Bezug nehmend, richtet sich der zweite (CD II,2–13) an „alle, die in den Bund kommen“ (II,2: ‫)כל באי ברית‬. Wieder ist es ein Aufruf zum Hören (CD II,2; vgl. I,1),23 der eine erneute Ermahnung einleitet, im Gegensatz zu Kol. 1 aber an den Beginn von Gottes Plan mit den Menschen führt und deterministische Züge trägt. In Z.14 folgt der dritte Höraufruf, nun noch persönlicher: ‫ועתה בנים שמעו לי‬ (CD II,14).24 Trotz der Maskulinbildungen („Söhne“, Z.14) kann davon ausgegangen werden, dass ein Kollektiv angesprochen ist. Dieser Abschnitt nun spannt einen Bogen vom Engelfall (Gen 6,1–4; vgl. äthHen 6–11) über die Erzväter bis hin zu den Königen und dem Exil (CD II,17b–III,12a; par. 4Q269 2). Allen Rückblicken ist die Warnung davor, den verkehrten Weg einzuschlagen, gemein. Sich an Gottes Gebote zu halten, ist das Anliegen (III,12b–16a) und führt zum Leben (Z.16b–20b). Als Vorbilder werden die Zadokiden hervorgehoben (nach Ez 44,15; s. CD III,22b–IV,6a) und jene, die sich in Rechtssachen korrekt an der Tora orientiert haben (IV,6b–12a)25 – entsprechend dem Bund mit den Vorfahren, der immer noch gilt (Z.8b–9a).

Zeit unter dem Mann der Lüge reichen in die hellenistische Verfolgung (Aufstand der Makkabäer: 176 v.Chr.). Dem Autor von CD unterstellt er weiter, nicht 390, sondern 490 Jahre gemeint zu haben, ausgehend von Dan 9,2+24, also 70 Jahrwochen (ebd., XXIIf. [54f.]; XXXI [63], Anm. 9). Vgl. Davies, Damascus Covenant, 5+169f. Ebd., 187f.199f. S. auch Frey, Die Bedeutung der Qumrantexte, 35–38; Collins, Beyond, 92–94. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass 390+20+40+x=490 (x=40) ergeben sollen S. dazu Frey, Art. Qumran, 567: „Vermutlich sollten 40 Jahre des Wirkens des Lehrers u. 40 Jahre bis zum Endgericht gezählt werden, so dass sich ein Zyklus von 490 Jahren (wie in der Wochenapokalypse) ergibt.“ Der Tod des Lehrers der Gerechtigkeit ist demnach um 110 v.Chr. (CD XX,15a) und die Gegenwart der Ermahnung nach seinem Tod anzusetzen. In vierzig Jahren wird das Ende (des Jubiläums) erwartet. Ein späterer Qumrantext, 1QpHab VI,12–17, thematisiert dann aber eine Verzögerung (vgl. Frey, Textfunde von Qumran, 271 mit Anm. 116; 272: „‚doppelzeitliche‘ Eschatologie“). Die Gemeinschaft befindet sich folglich in einem Interimstatus, in Erwartung dessen, was kommt, aber nicht in unmittelbarer Enderwartung (vgl. Collins, Apocalyptic Movement, 44; s. bereits Knibb, Jubilees; Campbell, Essene-Qumran Origins, 147f.). S. auch Hempel, The D Texts, 60–65. 23 Vgl. 2Chr 28,11; auch Prov 5,7; 7,24 – s. dazu auch Loader, The DSS on Sexuality, 106. 24 Dieser führt laut Steudel, Rewriting, 608, die vierte Ermahnung ein, die folglich von CD II,14–XX,34 reiche. 25 Zu IV,6b: ‫ הקודש שונים‬ist eindeutig in CD nachzulesen, leider nicht in Qumran belegt, was allerdings keinen rechten Sinn ergibt, weswegen von einem Fehler in der Übertragung des Textes ausgegangen wird. Lohse, Texte aus Qumran, 72, liest wie auch DSSEL und García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 556: ‫אנשי הקודש הראשונים‬. Demnach handelt es sich um „die früheren heiligen Männer“ (ebd., 73), „die Gott entsühnt hat“ (mit Z.7a). Nach ebd., 288, Anm. 17, ist in diesem Abschnitt immer noch von den früheren und späteren Generationen die Rede.

2. Frauen in den D-Texten

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Der in Z.10b–12a formulierte Aufruf zur Separation von Juda26 fällt genau in diese Zeit der Separation und leitet wieder zur nicht allzu weiten Vergangenheit und in die Gegenwart über. Die Kritik am Tempel, oder präzise: am Tempelpersonal, ist überdeutlich, aber weder hier noch an einer anderen Stelle in den D-Texten lässt sich ein klarer Bruch mit dem Tempel erkennen.27 Im Beginn des ersten Teils spiegeln die Geschichtsrückblicke eine Abspaltung innerhalb Israels. In einem Ineinander von Bezügen auf Gegenwart und Vergangenheit kristallisiert sich eine Bewegung heraus, die sich als Nachfahren des erwählten Restes innerhalb des Judentums versteht, der sich abgesondert hat. Sie bildet den neuen Bund ganz in der Tradition des Mosebundes (vgl. CD VI,19b; vgl. par. 4Q269 4 II,1). Es kann davon ausgegangen werden, dass Frauen Teil des Adressatenkreises sind, explizit genannt werden sie jedoch nicht. 2.1.2 Reinheit und Heiligung Schärfere Konturen über das Wesen der Gemeinschaft treten erst ab CD IV,12b hervor, wo konkret halachische Angelegenheiten verhandelt werden: In der Zeit der Entsühnung (s. Z.12b: ‫ )ובכל השנים האלה‬wird Belial in Israel entsandt, was mit einem Jesaja-Zitat belegt ist (Z.13f.). Dieser Pescher (IV,14b) aus Jes 24,17 bietet den ersten direkten Bezug zu Frauen. Die Deutung von ‫ ַפּחַד ָו ַפחַת ָופָח‬, die treffend mit „Grauen, Grube und Garn“ wiedergegeben werden,28 wird auf die „drei Netze des Belial“ (Z.15a: ‫שלושת מצודות‬ ‫ )בליעל‬bezogen.29 Durch sie wird man gefangen (‫)תפש‬, indem man denkt, Gerechtigkeit zu tun, aber ins Gegenteil verfällt – das ist genau das, was der Mann des Geschwätzes verursacht (s. CD I,14a–21a), nicht aber Gottes Bund mit den Früheren entspricht (IV,7a–8a). Diese drei Netze, von denen eines so

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CD IV,10b–12a: ‫ האלה אין עוד להשתפח לבית יהודה כי אם לעמוד‬11 ‫ובשלים הקץ למספר השנים‬ ‫ מצודו נבנתה הגדר רחק החוק‬12 ‫איש על‬. 27 Vgl. dazu Davies, Damascus Covenant, 130.148+202. 28 Mit der Elberfelder Übersetzung und EÜ ist die Alliteration und fast auch die Homophonie adäquat umgesetzt, so auch Maier, Texte I, 13. Die Schrift (Buber / Rosenzweig) übersetzt: „Schrecknis und Schrunde und Strick“. Inhaltlich: „Schrecken und Fallgrube und Klappnetz über dich, Bewohner des Landes“ (vgl. Jes 24,17: ‫ָאָרץ‬ ֶ ‫שׁב ה‬ ֵ ‫) ַפּ חַד ָו ַפחַת ָופָח ָעלֶיָך י ֹו‬. Alle drei sind tückische Fallen, daher auch die Oberkategorie ‫( מצודות‬Fangseile/Netze). Wassen, Women in the DD, 114, Anm. 3, verweist auch auf Parallelen in Jub 7,20 und TestLevi (B 11,14–16). Dazu auch Wacholder, The new Damascus Document, 187f. 29 Die Nennung Belials (‫ ) ְבּ ִליַּעַל‬ist vermutlich vom Jubiläenbuch beeinflusst, das der DGemeinschaft nicht unbekannt gewesen und auch vielfach kopiert in den Höhlen 1–4+11 in Qumran gefunden worden ist (s. auch unten). Als Ursache für die Netze bedeutet Belial in diesem Kontext eine konkrete und greifbare Bedrohung für die Gemeinschaft. Vgl. Mach, Art. Demons, 191: „It is evident that such warnings describe a group who fears these nets more than the demons or their leader.“

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III. Die Damaskus-Texte

folgenschwer wie das andere ist, werden als Unzucht, Besitz30 und Verunreinigung des Heiligtums (vgl. CD IV,12b–19a; insg. bis V,15a) gedeutet. Sie werden nicht in der erwarteten Reihenfolge im Anschluss behandelt und sind vielmehr im gesamten Dokument gegenwärtig.31 Diese Ausführungen richten sich zwar an die, „die die (Scheide)Wand bauen“ (‫ ;בוני החיץ‬Z.19),32 also ebenjenen Teil Israels, von dem man sich separiert wissen will, sind aber dennoch als Vermahnung an die Gemeinschaft zu verstehen. Wer in die Falle geht, folgt dem „Zaw“ (‫ ;צו‬vgl. Jes 28,10+13), der wiederum mit einem Prediger (‫ )מטיף‬und vielleicht auch dem Mann des Geschwätzes (s. CD I,14) gleichzusetzen ist.33 CD IV,20b–21; par. 6Q15 1,2b–334 ‫ הם ניתפשים בשתים בזנות‬20b 20b Sie sind gefangen auf zwei (Arten)36 in Un‫ שתי נשים בחייהם ויסוד‬21 ‫ לקחת‬zucht: zu nehmen 21 zwei Frauen in ihrem Leben, 35 ‫ הבריאה זכר ונקבה ברא אותם‬aber das Fundament ihrer Schöpfung ist: Als Männliches und Weibliches schuf er sie.

Das Gefangensein in den drei Netzen wird anhand des Netzes der Unzucht (‫ )זנה‬nochmals spezifiziert, und zwar wiederum auf zweierlei Weise. Sechsmal ist ‫ זנה‬in CD und fünfmal in den 4QD-Fragmenten belegt.37 In diesen Kontexten ist es nicht einfach als Hurerei bzw. Prostitution einer Frau zu

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Zu ‫ ההון‬bzw. ‫ ההין‬vgl. Wassen, Women in the DD, 114 mit Anm. 4. Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 19, übersetzen: „arrogance“ und erinnern in Anm. 38 an eine Korrektur Greenfields von ‫ ההון‬zu ‫( הפחז‬dazu kurz Lim, Pesharim, 56f.). 31 Besitz, ‫ההון‬, ist stets negativ konnotiert und durchzieht die D-Texte insgesamt sowie die Qumrantexte; ‫ זנה‬ist mit CD XII,1 verbunden, wo ein Mann nicht mit seiner Frau das Heiligtum verunreinigen soll (dazu mehr unten). Heiligtum und Unreinheit stehen neben CD IV,18 und V,6 auch wie eben erwähnt in XII,1, aber auch XX,23 zusammen – verbunden mit Besitz wiederum in CD VI,16. Unzucht und Besitz stehen in CD VIII,5 par. XIX,17 in einem Zusammenhang. S. auch Loader, The DSS on Sexuality, 113. 32 Vgl. Ez 13,10: ‫בּ ֹנֶה ַחי ִץ‬. S. dazu Davies, Damascus Covenant, 111f.; Baumgarten, DJD 18, 18–22. Steudel, Ehelosigkeit, 123f. 33 Vgl. jedoch Davies, Damascus Covenant, 112f. 34 Vgl. dazu Broshi, The DD Reconsidered, 16f., Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 18f.+78, sowie García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 556f. u. DSS II, 1154f., Parry / Tov, DSS Reader, 88f.+208f. 35 Vgl. Gen 1,27b: ‫ז ָכָר וּנְ ֵקבָה בּ ָָרא א ֹתָ ם‬. Vgl. auch 4Q216 (4QJuba) VII, 2: ‫עשה את האדם זכר‬ ‫ונק ]בה עשה אתם‬ ֯ . 36 Mögliche Übersetzungen nach DCH VIII, 512: „for a second time, in a second way“, auch „twice, in two ways“. 37 S. CD II,16; par. 4Q272 1 I,1; CD IV,17.20; par. 4Q269 3,2; CD VII,1; par. XIX,17 u. 4Q266 3 IV,3; CD VIII,5 sowie 4Q267 9 VI,4 und 4Q270 1 I,1.

2. Frauen in den D-Texten

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verstehen, sondern generell als sexuelles Fehlverhalten zwischen Mann und Frau, was sich im Folgenden zeigen wird.38 Der Vorwurf, der sich aus obigem Textausschnitt ableitet, ist, dass sie (die Wand-Bauenden) in ihrem Leben zweimal, vielleicht auch öfter, geheiratet haben bzw. mit mehreren Frauen zusammen waren, wobei die zeitliche Abfolge nicht aus den Zeilen hervorgeht. Es ist somit nicht klar, ob zwei Frauen gleichzeitig zu haben der Fallstrick ist, es sich also um ein Verbot der Bibzw. Polygamie handelt, oder ob Wiederheirat nach dem Tod der Frau oder nach einer Scheidung gemeint ist. Davon ausgehend, dass man auch hier wie bei den drei Netzen des Belial von einem in das andere nur zu leicht fallen kann, ließe sich sowohl das Verbot der Vielehe als auch der Wiederheirat an dieser Stelle begründen. Demnach bezieht sich ‫( בשתים‬Z.20b) auf beide Möglichkeiten und belegt eine sehr strenge Eheauffassung.39 Aufschluss gibt die unmittelbar anschließende Argumentation mit drei Toraverweisen: CD IV,21b par. nennt die erste Begründung aus Gen 1,27b. Der Singular, auf je einen Mann und eine Frau bezogen, ist das Erste, was gegen eine Ehe mit mehr als einer Frau zu sprechen scheint. Ebenso weist die Referenz gleich im Anschluss in CD V,1 zur paarweisen Bestückung der Arche (Gen 7,9.15) auf die Ablehnung von Polygynie bzw. Polygamie. Zum Dritten scheint sich die Zitation aus dem Königsgesetz (Dtn 17,17aα; vgl. Z.1f.), wonach der Fürst (nicht König wie in Dtn 17) die Frauen an seiner Seite nicht „zahlreich machen“ (‫שׁים‬ ִ ָ ‫ )וְֹלא י ְַרבֶּה־לּוֹ נ‬solle,40 wiederum gegen Vielehe zu 41 richten. Letzteres ist auch eine Erinnerung an Davids Heiratsmoral (ebenso an den Ehebruch mit Batseba) und somit eine weitere Anklage gegen Unzucht, hier speziell gegen Polygamie, aber auch Ehebruch. Nur dass David dadurch entschuldigt ist, dass er die Tora noch nicht kannte (CD V,2–6a), was aber auf die Zeit ab dem Torafund unter Josia und somit auf die sogenannten Errichter der Scheidewand nicht mehr zutrifft. 38

S. Wassen, Women in the DD, 174f. Loader, The DSS on Sexuality, 362, und Heger, Women in the Bible, 228f.343. Gerade in den prophetischen Texten des Tanach ist Hurerei auch auf Götzendienst zu beziehen (vgl. Gesenius18, 306). 39 Mit Blick auf Z.18b–19a bezieht Davies, Damascus Covenant, 114, ‫ בשתים‬auf die zwei Netze Unzucht und Reichtum/Besitz. S. auch Heger, Women in the Bible, 221. 40 In 11Q19 LVII,17b–19a findet sich die Monogamieforderung an den König: Er soll nur eine Frau aus seinem Haus und darf während der Ehe keine weitere zu sich nehmen. Nach ihrem Tod kann er wieder heiraten. Laut Maier, Tempelrolle, 249, ist dies eine „Sonderregelung für den König“, die nicht allgemein gefasst werden solle. Im Hintergrund steht für ihn das negative „Salomo-Bild“ (ebd., 248). Die Tempelrolle enthält definitiv die ältere Überlieferung, muss aber nicht die Vorlage für D bieten. Für Maier ist weder hier noch in CD IV von Scheidung die Rede, da beide Texte weder Eheschließung noch -scheidung berühren würden. 41 Schuller, Women 1994, 119f.; dies., Women 1999, 124f.; Hempel, The D Texts, 82f.; Steudel, Ehelosigkeit, 123f.; White Crawford, According, 132–134; Grossman, Reading for Gender, 220; Wacholder, The new Damascus Document, 190.

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III. Die Damaskus-Texte

Belegt ist damit, dass der Mann nur eine einzige Frau heiraten darf. Ungeklärt hingegen bleibt, ob er nach dem Tod seiner Frau oder einer Scheidung erneut eine Ehe eingehen kann.42 Das einzige Indiz dafür, ‫בחייהם‬, ist allerdings deutungsoffen: Bezieht sich „in ihrem Leben“ auf die Männer, worauf das Maskulin-Plural-Suffix hinweist, könnte es gegen eine Wiederheirat stehen. Da aber auch die Frauen regelhaft in pluralischen Maskulinformen stehen, könnte dieses Verbot ebenso nur ihr Leben einschließen. Demnach dürfte nicht nur zu Lebzeiten der Frau keine weitere Ehe erlaubt sein, sondern auch nicht nach einer Scheidung bis zu ihrem Lebensende, aber eine erneute Heirat nach ihrem Tod wäre möglich.43 Mit dieser Regelung müsste sie sich zwar nicht gegen eine oder mehrere Nebenfrauen behaupten, im Falle ihrer Unfruchtbarkeit jedoch wären dem Mann legitime Nachkommen verwehrt. Schon aus diesem Grunde ist es unwahrscheinlich, dass eine Ehe bis zum Lebensende der Frau als verpflichtend vorgeschrieben, Scheidung aber als ein Wagnis angesehen ist.44 Zumindest der Bestand aus Höhle 4 mit 4Q266 9 III,5; par. CD XIII,17 (s.u.) zeigt, dass Witwen wieder heiraten können (4Q271 3,10b–12a par.; s.u.).45 Bei etwaigem Ehebruch der Frau hat der Mann außerdem das Recht, sich von ihr scheiden zu lassen.46 42

Vgl. Wassen, Women in the DD, 118. Laut Schiffman, Women in the Scrolls, 130, ist Scheidung möglich, aber Wiederheirat erst nach dem Tod des Partners. Vgl. noch Bernstein, Women and Children, 198: „It is only marriage to a second wife while the first is still alive or marriage to the daughter of a brother or sister which are opposed; marriage itself is not.“ 43 Schechter, Fragments, XVII (49), schließt selbst nach einer Scheidung eine erneute Ehe aus, solange die Geschiedene noch lebt. Vgl. weiter Lohse, Texte aus Qumran, 75, Anm. 26 (S. 288). S. weiterhin Kampen, Fresh Look, 91–97, der CD IV,21 mit dem maskulinen pluralischen Suffix in Abhängigkeit von Lev 18,18 und der Tempelrolle sieht (s.u.). Darauf aufbauend plädiert er für eine Ausweitung des Polygamie- und Scheidungsverbotes vom König auf den ganzen neuen Bund. Heger, Women in the Bible, 226, hingegen erwartet eine Femininendung, bezieht es daher auf die Männer, die, solange sie verheiratet sind, keine weitere Frau heiraten und erst nach ihrem Tod wieder eine Ehe eingehen dürfen; laut ebd., Anm. 18, wird die Maskulinform emendiert oder mit dem Mischnischhebräischen als Femininum begründet (vgl. auch ebd., 236, Anm. 58). Gegen eine zweite Heirat in den meisten Fällen spricht sich auch Loader, The DSS on Sexuality, 115–118+ 143, aus. 44 Eine Diskussion von Dtn 24,1–4 ist daher an dieser Stelle nicht zu erwarten. Man vermisst jedoch eine Reflexion der Leviratsehe, die (u.a.) in Dtn 25,5–10 formuliert ist. Vgl. White Crawford, According, 134, und Steudel, Ehelosigkeit, 123, Anm. 33. Dazu äußert sich auch Heger, Women in the Bible, 238f. Ihm zufolge könne dies durchaus in dem Polygamieverbot eine Rolle spielen, wenn der potentielle Levir schon verheiratet ist. Nach Loader, The DSS on Sexuality, 124, ist es nicht Intention der D-Dokumente an dieser Stelle ins Detail zu gehen, da es allgemein um die Auseinandersetzung mit den Gegnern gehe – und auch ihrer Art der Schriftauslegung. 45 Vgl. Wassen, Women in the DD, 116+160; Heger, Women in the Bible, 247f.; Steudel, Ehelosigkeit, 120. Schuller, Women 1994, 119f., erwartet zudem einen Verweis auf

2. Frauen in den D-Texten

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Geht man weiter davon aus, dass das Leben der Frauen gemeint ist,47 wäre eine Parallele zur Tora mit Lev 18,18 gegeben: ‫שּׁה ֶאל־ ֲאח ֹתָ הּ ֹלא ִת ָקּח ִלצְר ֹר ְלגַֹּלות‬ ָ ‫ְו ִא‬ ‫ע ְֶר ָו ָתהּ ָעלֶי ָה ְבּ ַחיּ ֶי ָה‬. Hier verweist das feminine Possessivsuffix in ‫ ְבּ ַחיּ ֶי ָה‬auf die Ehe mit der Schwester der eigenen Frau, was zu Lebzeiten der Frau als problematisch angesehen wird.48 Wird Lev 18,18 in D nun generell auf jede weitere Frau, ob verwandt oder nicht, zugespitzt? Grundsätzlich würde dies eine Form der Schriftauslegung belegen, die sich in den D-Texten insgesamt und gerade auch in den frauenrelevanten Abschnitten zeigt (s.u.). Somit ist trotz des nicht mit letzter Bestimmtheit zuzuordnenden Possessivsuffixes von einem Bezug auf die Frauen auszugehen. Im unmittelbaren Kontext beziehen sich wiederum alle Ausführungen auf die Außenstehenden, die Scheidewand-Bauenden. Ihr Verhalten, das sich die abgespaltene Gemeinschaft nicht zu Eigen machen soll, steht zur Diskussion.49 Im Hintergrund der Forderung einer vorbildlichen oder eher heiligen/ heiligenden Lebensführung bleibt der Maßstab die Tora. In CD IV,20b–21 nicht nur eine Einehe, sondern sogar Einzigehe zu sehen, wird somit schwierig,50 da dies konträr zur Tora formuliert wäre.51 Maßstab bleiben hier die genannten drei Torazitate, da auch in der Tora Polygamie praktiziert wird.

Witwenversorgung in CD XIV,14–16. Scheidung ist offenbar im ersten vor- und nachchristlichen Jahrhundert in der Diskussion, was auch die Pharisäerfrage (s. Mk 10,1–12) nach der Richtigkeit der Scheidung bezeugt. Jesu Antwort, ebenfalls mit dem Zitat aus Gen 1,27b, nur aus der LXX (Mk 10,6: ἀπὸ δὲ ἀρχῆς κτίσεως ἄρσεν καὶ θῆλυ ἐποίησεν αὐτούς), und dazu 2,24 zeigt die gleiche Schärfe wie CD IV. Zugespitzt darin, dass Mose dieses Gebot (s. Dtn 24,1) nur wegen der „Hartherzigkeit“ (σκληροκαρδία) gegeben habe. Und wenn eine Heirat nach der Scheidung als Ehebruch verstanden wird (Mk 10,11), steht dies CD IV,17 auffällig nahe. Vgl. dazu Fitzmyer, Art. Marriage and Divorce, 512f. Geht es hier um das Verbot der Scheidung, so ist es in D die Wiederheirat – „der Verweis auf die Schöpfung dient unterschiedlichen Zielsetzungen, eine halachische Gemeinsamkeit liegt nur in Ansätzen vor“ (Frey, Die Textfunde von Qumran, 273). Zur Diskussion s. weiter Shemesh, Halakha, 110–124; Doering, Marriage and Creation, passim. 46 S. dazu auch ausführlich Noam, Divorce in Qumran, bes. 219–223. 47 S. erneut, Kampen, Fresh Look, 97; auch Loader, The DSS on Sexuality, 116. Vgl. Wassen, Women in the DD, 115f.: Von einem Schreibfehler, den Vermes oder Qimron vermuten (ebd. 116 mit Anm. 17), ist nicht auszugehen, da sich das Suffix wohl entweder nur auf Männer – aufgrund der androzentrischen Perspektive – bezieht, oder aber auf Männer und Frauen, was sich anders als mit einer Maskulinendung nicht ausdrücken lässt. 48 Dazu Wassen, Women in the DD, 116. Sassoon, The Status of Women, 6. Nach Heger, Women in the Bible, 226f., wird Lev 18,18 nicht wörtlich interpretiert, sondern in Bezug auf Polygamie ganz allgemein. Oder aber die „fellow woman“ – dazu Gruber, Women in the Religious System of Qumran, 182–194. 49 S. Ilan, Women in Qumran and the DSS, 134; Stegemann, Qumran Essenes, 132. 50 Für Stegemann, Die Essener, 269–271, folgt Ehelosigkeit auf den Tod der Frau, was aber umgekehrt nicht für die Frau gelte. 51 Dazu Wassen, Women in the DD, 115–118.

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III. Die Damaskus-Texte

Neben den Erzvätererzählungen wird sie z.B. in Dtn 21,15–17 legitimiert.52 In CD IV,20b–21 par. jedoch zielt die Auslegung der Tora durch die DGemeinschaft auf Monogamie. Dafür wird autoritativ auf die Schöpfung, die Sintflut und die Königsregel verwiesen. Die Forderung der Einehe spricht aber nicht dagegen, dass nach einer Scheidung oder dem Ende der Lebenszeit eines Partners für die Frau und den Mann die Möglichkeit der Wiederheirat bestanden hat. CD V,6b–8a53 ‫וגם מטמאים הם את המקדש אשר אין‬ ‫ כתורה ושוכבים עם‬54‫ מבדיל‬7 ‫הם‬ ‫ איש את‬8 ‫הרואה את דם זובה ולוקחים‬ vacat ‫בת אחיהו ואת בת אחותו‬

6b Und außerdem verunreinigen sie das Heiligtum, die sie sich nicht 7 absondern nach der Tora, sondern bei einer liegen, die ihren Blutfluss sieht, und nehmen 8 jeder die Tochter seines Bruders und die Tochter seiner Schwester. vacat

Die folgende Bezugnahme auf die Netzmetapher (das dritte Netz des Belial) ist deutlich durch ‫ וגם‬markiert. Die Verunreinigung des Heiligtums scheint bereits vor dem Aufsuchen desselben stattzufinden.55 Auf die erwähnte Absonderung nach der Tora im Relativsatz folgen zwei plurale Partizipien: Das Liegen bei – der Verkehr mit – einer temporär unreinen Frau (vgl. 4Q271 5 I,17b–18a u. 4Q266 6 II,6; Lev 15,19) und das Nehmen, also Heiraten, der Nichte. Ersteres ist eindeutig mit der Verunreinigung des Heiligtums, aber ebenso mit der Unzuchtsthematik verknüpft, indem es Verkehr mit einer Frau während ihrer Periode verbietet (vgl. V,6b–7a), denn das verunreinigt nicht nur den Mann, sondern auch den Tempel, so er ihn am selben Tag aufsucht.56 52 Vgl. auch Gen 16,3; 29,18.25–30; 1Kön 11,1–3. Baumgarten, DJD 18, 12, zum Auslassen von Dtn 21,15: „[…] presumably he (the exegete, N.R.) would have taken it as reflecting a marginally legal, but not ideal circumstance.“ 53 Broshi, The DD Reconsidered, 18f., Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 20f., sowie García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 556f., Parry / Tov, DSS Reader, 88f. 54 Lies Plural; zu ‫ בדל‬als Terminus für die Separierung der Juden von allen Nichtjuden in Esr und Neh s. Heger, Women in the Bible, 312. 55 Vgl. auch Davies, Damascus Covenant, 113f., allerdings geht er, 115f., davon aus, dass der Redaktor die Ausführungen zu den zwei Netzen vorgefunden und die drei Netze des Belial vorangestellt hat; was auch die Aussparung eines Netzes an dieser Stelle erkläre. 56 Wassen, Women in the DD, 119f., nimmt nur die zwei Sätze und bezieht sie auf Heirat oder eine sexuelle Verbindung mit einer Nichtjüdin. Als Proselytin habe sie Zutritt zur Gemeinschaft, sei aber weniger vertraut darin, Verunreinigung zu vermeiden, worauf eine Jüdin stärker achte. Heger, Women in the Bible, 308: „‚Genealogical purity‘ was not a component of Israelite law and ideology; indeed, it was an unknown concept.“ (s. auch ebd., 302–308) Damit würde die Herkunft der Frau in den D-Texten keine Rolle spielen, solange sie die Reinheitsbestimmungen einhält. Auch Loader, The DSS on Sexuality, 120, sieht in der Heirat mit einer Nichtjüdin in D keine Unstimmigkeiten. In der Hierarchie stehen Proselyten zwar an letzter Stelle (s. CD XIV,4a), aber sie sind Teil der D-Ge-

2. Frauen in den D-Texten

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Das Verbot, bei einer menstruierenden Frau zu liegen, ist auf Lev 18,19 und 20,18 zurückzuführen, nur wird in D auch die Konsequenz benannt. In genau diesem Kontext steht das sexuelle Verhältnis von Onkel und Nichte (Z.7b– 8a),57 wiederum verbunden mit Lev 18,13 und 20,19. Beide Verstöße gegen Reinheit und Heiligkeit schließen den Besuch des Tempels aus. Weiter wird die inzestuöse Verbindung noch vertieft und auf die Beziehung von Neffe und Tante ausgeweitet, wodurch ein Perspektivwechsel stattfindet.58 CD V,8b–11a59 ‫ אחות אמך לא תקרב‬9 ‫ומשה אמר אל‬ ‫ ומשפט העריות לזכרים‬60‫שאר אמך היא‬ ‫ הוא כתוב וכהם הנשים ואם תגלה‬10 ‫ אביה והיא‬11 ‫בת האח את ערות אחי‬ vacat ‫שאר‬

Aber Mose sprach: „Zur 9 Schwester deiner Mutter sollst du dich nicht nähern – eine Verwandte deiner Mutter ist sie.“ Und das Recht zu den Blößen61 – für die Männer 10 wurde es geschrieben. Aber wie sie sind die Frauen. Und wenn aufdeckt die Tochter des Bruders die Blößen des Bruders 11 ihres Vaters, dann gilt sie als Verwandte. vacat

In Lev 18,7–17 heißt es stets an den Mann gerichtet: ‫ֹלא ְתגַלֵּה‬.62 Es liegt an ihm, sexuelle Beziehungen innerhalb des verwandtschaftlichen Verhältnisses zu unterbinden, klar prohibitiv formuliert im Heiligkeitsgesetz. Darauf rekurriert, dass es „für die Männer“ verfasst wurde. Falls es aber übertreten wird, ist in CD V,10f. auch die Folge aufgezeigt und die Schuld gleichermaßen der

meinschaft. Die Regelungen, keine Geschäfte mit Nichtjuden durchzuführen (CD XIII,8b– 10a), beziehen sich auf jene, die sowieso nicht dazugehören. Es ist davon auszugehen, dass es durchaus Kontakte zur Außenwelt gegeben hat, man sich aber sehr wohl von ihr zu unterscheiden wusste. Die Trennung laufe quer durch die damalige Gesellschaft zwischen Juden und Nichtjuden sowie innerhalb des Judentums (s. Davies, Who can join, 134). 57 Vgl. Wassen, Women in the DD, 109–111, u. mit White Crawford, According, 132, zu 11Q19 LXVI,15–17. In mNed IX,10b ist es dem Onkel erlaubt, ein Gelübde, durch das er sich selbst davon abhält, seine Nichte zu heiraten, aufzuheben. S. auch Ilan, Jewish Women, 76–78. Die Onkel-Nichte-Verbindung sieht Wassen, Women in the DD, 120, als zur Unzucht und zu den „zwei (Dingen)“ (CD IV,20b par.) gehörig. So auch Loader, The DSS on Sexuality, 111. Eine Aufweichung dieses Toragebotes zur Zeit der D-Gemeinschaft würde die Zuspitzung desselben und die Ausweitung auf den umgekehrten Fall, obwohl er bereits in der Tora impliziert ist, sehr gut erklären. Für einen halachischen Vergleich s. Shemesh, Halakha, 80–95. 58 Dazu ausführlicher Maier, Tempelrolle, 290–293. 59 S. Broshi, The DD Reconsidered, 18f., Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 20f., u. García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 556f., Parry / Tov, DSS Reader, 88f. 60 Lev 18,13: ‫שׁאֵר ִאמְָּך הִוא‬ ְ ‫ע ְֶר וַת ֲא ח ֹות־ ִא ְמָּך ֹלא תְ גַלֵּה כִּי־‬. Lev 20,19: ‫ְוע ְֶרוַת ֲא ח ֹות ִאמְָּך ַו ֲאח ֹות אָבִיָך‬ ‫שׁ ֵאר ֹו ֶהע ֱָרה עֲוֹנָם יִשָּׂאוּ‬ ְ ‫ֹלא ְתגַלֵּה כִּי ֶאת־‬. Beginnend mit Lev 18,6: ‫שׂר ֹו ֹלא תִ ְק ְרבוּ‬ ָ ‫שׁאֵר ְבּ‬ ְ ‫ִאישׁ ִאישׁ ֶאל־כָּל־‬ ‫ ְל גַֹּלות ע ְֶר וָה ֲאנִי י ְהוָה‬. 61 Von Ilan mit Inzest übersetzt – bezüglich 4Q251 17. Ebenso in Bezug auf D in Reading for Women, 67. 62 Vgl. Lev 18,7+15[2x].8–14.16f.[jew. 1x]; auch 20,19.

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III. Die Damaskus-Texte

Nichte zugesprochen. In diesem „gender-inclusive reading“ sind die Frauen wie die Männer (‫)כהם‬.63 Dadurch wird die Frau jedoch nicht in ein negatives Licht gestellt:64 Wie der Mann wird sie vermahnt, eine verbotene verwandtschaftliche Verbindung nicht zu verursachen (Z.9+11). Übertritt der Mann das Verbot, das sich ursprünglich an ihn wendet, so betrifft es die Frau ebenso (was auch Lev 18 schon ausdrückt). Genau das suggeriert ‫ כהם‬in Z.10. Der Vorwurf der Unzucht – an dieser Stelle als Inzest – richtet sich wieder an das Milieu jener, die die Wand bauen (vgl. Z.7bf.) und außerhalb des eigentlichen Adressatenkreises stehen, der wiederum aus diesem schlechten Vorbild lernen soll. Der Anspruch hier ist es, eben nicht wie jene zu handeln, sondern sich strikt an der Tora zu orientieren. 2.1.3 Zwischenergebnis Die Verunreinigung des „Geistes ihrer Heiligkeiten“ (CD V,11b), wiederum dem dritten Netz (der Verunreinigung des Tempels) zuzurechnen, führt zurück zum Zorn Gottes und somit zu den Geschichtsrückblicken (s. I,21; III,8), genauer in die Zeit Moses und Aarons. Wie es heißt, hat auch zu ihrer Zeit Belial bereits in Jannes und Jambres gewirkt (vgl. Ex 7,11 u. 8,3), dann auf das Exil mit verursacht65 – bis hin zu den Gesalbten der Heiligkeit, die Falsches (‫ )שקר‬prophezeiten, um Israel von Gott abzukehren (CD V,11b–VI,2a; vgl. par. 4Q266 3 II; 267 2; 6Q15 3). Jene Gesalbten der Heiligkeit sind wieder unmittelbare Gegenwart. Es wird deutlich, wie der der Kausalzusammenhang von vergangenem Unrecht (wiederkehrendem Abfall) und Rechtsprechung durch Gott bislang die Ausführungen bestimmt. Dass Gott seines Bundes mit den Früheren gedenkt (VI,2a), erinnert wieder an CD I,4 – und wie in I,4 ist auch hier wieder die nicht allzu ferne Vergangenheit im Blick.66 Das Brunnenlied aus Num 21,16–18 wird in einen Midrasch übertragen, wobei der Brunnen für die Tora steht und die Fürsten für die Bußfertigen, die nach Damaskus gezogen sind. Eine vergangene oder gegenwärtige Größe ist der Stab/Mechoqeq, der als Ausleger der Tora67 (VI,2b–11a) bezeichnet wird. Nach der Separation von Juda werden nun auch jene, die in den Bund ge-

63

S. Wassen, Women in the DD, 121+128. Grossman, Reading for Gender, 221. 65 S. dazu auch Collins, Apocalyptic Movement, 42. 66 Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 21, Anm. 45, sehen in CD V,12 das zweite Netz behandelt. 67 Zum Ausleger der Tora (‫ )דורש התורה‬s. zunächst auch VanderKam, Qumranforschung, 72f. Er findet sich in CD VII,18; par. 4Q266 3 III,19; CD VI,7; sowie 4Q174 1–2 21,11; 4Q177 10–11,5. Dieser ist nicht mit dem Lehrer der Gerechtigkeit gleichzusetzen, da Letzterer der Vergangenheit der D-Gemeinschaft angehört, Ersterer aber mehr als gegenwärtige oder erwartete (eschatologische) Figur zu verstehen ist. Vgl. Collins, Scepter, 110–113. 64

2. Frauen in den D-Texten

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kommen sind, dazu aufgerufen, nicht den Altar im Heiligtum (umsonst)68 zu entzünden und der Tora zu folgen. Sich um Bedürftige, um Reinheit, den Festkalender, den Nächsten zu kümmern und so den Geist der Heiligkeit reinzuhalten, also ein vorbildliches – toragemäßes – Leben zu führen, ist die Grundaussage dieses Abschnitts (VI,11b–VII,6a) – das gilt für alle, die „kommen (in) den neuen Bund im Land Damaskus“ (VI,19b; vgl. par. 4Q269 4 II,1; vgl. Jer 31,31). In diesem Kontext wird erstmalig wieder Besitz erwähnt: nämlich sich fernzuhalten (u.a.) vom Besitz des Frevels und vom Besitz des Heiligtums (VI,15f.), was ganz konkret auf die Gegenwart der Gemeinschaft zu beziehen ist.69 Diesen Kontext berücksichtigend lässt sich CD I–VII,6a wie folgt zusammenfassen: Das Thema ist Heiligung. Das meint den Besuch des Heiligtums bzw. Tempels, den Geist der eigenen Heiligkeit, aber auch andere Träger der Heiligkeit. Davon ist die Unzuchtsthematik nicht zu trennen: Beides, mit zwei oder mehreren Frauen verheiratet bzw. zusammen zu sein oder Inzest zu begehen, steht in krassem Gegensatz zur Heiligung des eigenen Lebens. Aus dieser Perspektive ist die Frau im ersten Teil der Ermahnung zu betrachten. Sie wird genannt, weil ihre Rechte innerhalb der Gemeinschaft geregelt sein müssen und es auch ihre Pflicht ist, auf die eigene Heiligung achtzugeben und die der anderen nicht zu gefährden. Jeder in der Gemeinschaft zeichnet dafür verantwortlich. Das Wichtigste in D ist das Funktionieren der Gemeinschaft. 2.1.4 Organisation der Gemeinschaft: Leben in Lagern Frauen sind bislang in Kontexten erwähnt, die als Anschauungsmaterial für einen misslungenen Lebensstil, der eben nicht an die Vorgaben der Tora angelehnt ist, dienen. Ganz allgemein wird eine Gemeinschaft vorgestellt, die eine Vergangenheit hat und in der Gegenwart mit bestimmten Vorstellungen 68

In CD VI,12b steht ‫חנם‬, ebenso im Zitat aus Mal 1,14 in Z.14a, nicht aber in 4Q266 3 II,18b, wo es nur im Maleachi-Zitat in Z.19b zu finden ist. Nur noch in CD VI,12 erhalten, ist es vermutlich später zur Vereindeutigung eingefügt worden, um zu untermauern, dass nicht der Gang zum Heiligtum untersagt war, sondern vielmehr sein Aufsuchen ohne Heiligung, wie CD VI,14b–17a par. zeigen. Vgl. dazu Davies, Damascus Covenant, 136– 140. In diesem Duktus steht dann auch CD XI,17–21a: Das richtige Opfer soll zur richtigen Zeit geschehen, wie etwa am Sabbat, und auch durch einen reinen Mann. Dies ist vielleicht ein Verweis auf die Kontamination des Tempelkultes, aber dennoch Anerkennung desselben. Dazu Stegemann, Die Essener, 242–245: Nach Lev 23 u. Num 28f. gebe es entsprechende Opfervorschriften, auch um den Sabbat herum, der mit der Einführung des lunaren Kalenders (unter Jonathan, 153–143 v.Chr.) im Tempel nicht mehr gewährleistet gewesen sei. Die Opfer der Essener seien so nichtig gewesen, womit sich CD VI,11–13 u. das Mal 1,10-Zitat erkläre. – Dazu Weiteres in Kap. V.1.4+VI.3.2.2. 69 Im Zuge dessen wird auch noch einmal das Fernhalten von Unzucht (CD VII,1b; par. 4Q269 4 II,5b), im Zornesausblick u.a. Unzucht und Eigentum als Laster genannt (s. CD VIII,5+7; par. XIX,17+19).

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III. Die Damaskus-Texte

unter gesetzlichen Bestimmungen lebt. Der größte und wichtigste Schritt für sie beschreibt die Loslösung aus ihrem einstigen Umfeld. Dieses neue Leben wird nach CD VII,6b–9a organisiert, worin ein neuer Abschnitt eröffnet wird, der den Ermahnungsteil abschließt. Die signifikanten Überschneidungen mit und Abweichungen von XIX,2b–6a und den anschließenden Ausführungen werden in der Forschung unterschiedlich zugeordnet.70 CD VII,3b–6a; par. 4Q266 3 III,5b–671 ‫ איש את רוח קדשיו כאשר הבדיל אל‬4 ‫ולא ישקץ‬ ‫ באלה בתמים קדש על פי כל‬5 ‫להם כל המתהלכים‬ ‫ לחיותם אלף דור‬6 ‫יסורו ברית אל נאמנות להם‬

CD XIX,1–2a72

(‫ נאמנות להם לחיותם לאלפי דורות ככ)תוב‬1 ‫ לאהב)י( ולשמרי מצותי‬2 ‫שומר הברית והחסד‬ ‫לאלף דור‬

Und keiner soll (kultisch) verunreinigen 4 seinen heiligen Geist, weil Gott sie abgesondert hat, alle, die wandeln 5 darin in 70 Ähnlich sind die Ausführungen nach den „Lagerbestimmungen“ in CD XIX,5bff. Wo allerdings in VII,9aff. aus Jes 7,17; Am 5,26f.+9,11 und Num 24,17 zitiert wird, werden in CD XIX Sach 13,7 und Ez 9,4 als Prophezeiungen für die Strafe zur Übertretung des Bundes genannt. Nach Brooke, The Amos-Numbers-Midrash, 403f., würden A2 und B einen älteren Text repräsentieren, wohingegen A1 eine spätere Rezension ist. In der präqumranischen Phase sei von einem priesterlichen Messias aus Aaron und Israel auszugehen, der der gesalbte Hohepriester ist (nach XIX,7–13). Dies wurde dann in einer Qumranrezension gegen den Amos-Numeri-Midrasch ausgetauscht (VII,14–21) und der Stern mit dem Ausleger der Tora, gegenwärtig in der Qumrangemeinschaft, und das Zepter als Fürst der Versammlung, dessen Kommen noch aussteht, identifiziert. Er geht von einer Erwartung zweier Messiasse in der Mitte des 1. Jh.s v.Chr. aus, die sich in der Rezension widerspiegeln. (Zu Murphy-O’Connor s. ebd., Davies, Damascus Covenant, 146f., sowie Collins, Scepter, 88.) Davies, Damascus Covenant, 147f., folgt dem Ansatz, für ihn jedoch gehört der Ausleger der Tora, der Stern, in die Vergangenheit (173–197). Zur Gegenüberstellung und Auswertung beider Texte s. Kister, The Development of the Early Recensions of the Damascus Document, 64–66. Er hält ebf. Ms B für den älteren Text (61–63), weil es dort eine klare Scheidung zwischen Gut und Böse gebe, die zugunsten der „Sekte“ ausginge (68f.), wohingegen Ms A (69) die Flucht nach Damaskus – ein vergangenes Ereignis in der Geschichte der Gemeinschaft – beleuchte, die für eine Aktualisierung und so Ersetzung von Sach mit Jes und von Ez mit Amos und Numeri stehe (71). White Crawford, Manuscripts, hält beide Midraschim für ursprünglich und zusammengehörend, nur dass der Amos-Numeri-Midrasch durch einen Augensprung beim Kopieren in Ms B verloren gegangen sei. In diesem Fall sind zwei Messiasse von Anfang an die Intention des Schreibers gewesen. Schon allein die Wiedererwähnung des Lehrers der Gerechtigkeit aus CD I,11 in XX,32 (XX,1+14) spricht für eine ursprüngliche Dazugehörigkeit von Ms B (s. ebd., 552). Vgl. noch Wassen, Women in the DD, 32f.+122 mit Anm. 41. 71 Broshi, The DD Reconsidered, 22f., Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 24f., mit Baumgarten u.a., Damascus Document, 26f., sowie García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 560f., Parry / Tov, DSS Reader, 92f.+126f. 72 Broshi, The DD Reconsidered, 42f., Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 30f., García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 574f., Parry / Tov, DSS Reader, 108f.

2. Frauen in den D-Texten heiliger Vollkommenheit nach all seinen Verpflichtungen; der Bund Gottes steht fest für sie, 6 dass sie leben (für) tausend Generationen.

Dtn 7,9 ‫ְוי ָ ַד ְע ָתּ כִּי־י ְהוָה ֱאֹלהֶיָך הוּא ָה ֱא ֹלהִים ָה ֵאל‬ ‫ַה נֶּ ֱא ָמן שׁ ֹ ֵמר ַהבּ ְִרית ְו ַה ֶח ֶסד לְא ֹ ֲהבָיו‬ ‫וּלְשׁ ֹ ְמ ֵרי ִמצְוֹתָ ו ְל ֶאלֶף דּ ֹור׃‬

113

1 Es steht fest für sie, dass sie leben für tausend Generationen, wie geschr(ieben steht): „Der bewahrt den Bund und die Treue 2 für die, die lieben und bewahren seine Gebote für tausend Generationen.“

Und du wirst erkennen, dass JHWH dein Gott ist. Er ist der Gott, der fest macht, der bewahrt den Bund und die Treue für die, die ihn lieben und bewahren seine Gebote für tausend Generationen.

Auch hier hat wieder das Gemeinschaftsleben Vorrang. Jene, die Gott gefolgt sind, leben nun in Lagern im Land verteilt. Ihr Leben steht im Mittelpunkt dieses Abschnitts. Im Vergleich fällt auf, dass sich CD XIX näher an Dtn 7,973 orientiert und in CD VII vor dem Zitat „heilige Vollkommenheit“ genannt wird. Dass CD XIX auch ein entsprechender Abschnitt voranging, ist möglich, bleibt aber Spekulation. Das Wandeln in heiliger Vollkommenheit bezieht sich auf alle Verpflichtungen des Bundes. Schon zu Beginn der Ermahnung werden „die, die seine Gebote suchen und wandeln auf vollkommenem Weg“ (‫)ולהולכים בתמים דרך‬ (4Q266 2 I,4b; vgl. par. 4Q268 1), sowie „der Gerechte und die in allem Wandelnden der Vollkommenheit“ (‫( )הולכי תמים‬I,20b–21a) hervorgehoben als Verfolgte und Opfer der Frevler. Der letzte Höraufruf gilt der Erkenntnis, „zu wandeln vollkommen auf seinen (Gottes) Wegen“ (CD II,15b–16a; par. 4Q270 1 I,1).74 Nach CD XX,2 konstituiert sich die Gemeinde (‫ )עדה‬aus „Männern heiliger Vollkommenheit“ (‫)אנשי תמים הקדש‬, die nach dem Midrasch der Tora (‫ )מדרש התורה‬wandeln (XX,6b–7a; vgl. auch Z.2+5).75 Hier reihen sich CD VII und parallel CD XIX ein: CD VII,6b–9a76 ‫ הארץ‬78‫ ואם מחנות ישבו כסרך‬6b vacat ‫ נשים‬7 ‫ולקחו‬ 73

CD XIX,2b–5a77 ‫ הארץ‬3 ‫ ואם מחנות ישבו כסרך‬2b vacat ‫אשר היה מקדם ולקחו נשים כמנהג התורה‬

Einerseits zeigt Dtn 7,9 einen Ausschnitt der Schriftverwendung in D. Andererseits ist der Kontext von Dtn 7 die Abgrenzung von den Völkern und die Vollstreckung des Banns. Vielleicht ist die folgende Lagerordnung auch unter diesem Aspekt und somit als lebendes Beispiel dieses Bundes zu sehen. 74 Hier auch verbunden mit Unzucht bzw. mit „Augen der Unzucht“, s. 4Q270 1 I,1. Vgl. ausführlich Loader, The DSS on Sexuality, 98f.+362. Dazu weitere Stellen v.a. CD II,17–21, par. 4Q266 2 II,16–22. S. Taylor, Women, Children, and Celibate Men, 174–177. 75 Vgl. Wassen, Women in the DD, 124f. 76 Zu beiden Texten s. Anm. 71+72. Abweichungen sind mit Unterstreichung in CD XIX hervorgehoben. Diese Synopse ist auch bei Steudel, Ehelosigkeit, 117, zu finden. 77 Von Ms B ist leider nur Kol. XX,25–28.33f. belegt. S. Baumgarten, DJD 18, 3.

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III. Die Damaskus-Texte

vacat ‫והולידו בנים והתהלכו על פי התורה‬ ‫ היסורים כסרך התורה כאשר‬8 ‫וכמשפט‬ ‫ לבנו‬9 ‫אמר בין איש לאשתו ובין אב‬ 6b Und wenn sie (in) Lagern wohnen nach der Ordnung des Landes und nehmen (sich) 7 Frauen und zeugen Söhne, wandeln sie nach der Tora vacat und nach dem Recht 8 der Verpflichtungen nach der Ordnung der Tora, wie er gesagt hat: „Zwischen einem Mann (und) seiner Frau und zwischen einem Vater 9 (und) seinem Sohn.“ Num 30,17 ‫ֵא לֶּה ַה ֻח ִקּים ֲאשֶׁר ִצוָּה י ְהוָה ֶאת־מֹשֶׁה‬ ‫שׁתּ ֹו בֵּין ־אָב ְלבִתּ ֹו ִבּנְע ֶֻרי ָה‬ ְ ‫בֵּין ִאישׁ ְל ִא‬ ‫בֵּית אָבִי ָה‬

vacat ‫ ויתהלכו על פי התורה‬4 ‫וה]ו[לידו בנים‬ ‫ כאשר‬5 ‫ כסרך התורה‬79‫וכמשפט היסודים‬ ‫אמר בין איש לאשתו ובין אב לבנו‬ 2b Und wenn sie (in) Lagern wohnen nach der Ordnung 3 des Landes, welche aus der Vorzeit ist, und nehmen (sich) Frauen nach der Leitung80 der Tora und z[eu]gen Söhne 4, werden sie wandeln nach der Tora vacat und nach dem Recht der Grundlagen nach der Ordnung der Tora 5, wie er gesagt hat: „Zwischen einem Mann (und) seiner Frau und zwischen einem Vater (und) seinem Sohn.“

Dies sind die Rechtssatzungen, die befohlen hat JHWH Mose zwischen einem Mann und seiner Frau, zwischen einem Vater und seiner Tochter, in ihrer Jugendzeit [im] Haus ihres Vaters.

Die Adressaten sind eindeutig Männer, die mit ihren Familien in „Lagern“ leben.81 Ob die hier Beschriebenen eine alternative Lebensform neben jenen in VII,4b–6a darstellen, wird unterschiedlich diskutiert.82 Diese Überlegung ist grammatikalisch untermauert, wenn man ‫ ואם‬als adversative Konstruktion versteht, die den folgenden Teil dem vorherigen gegenüberstellt: „wenn sie aber in Lagern wohnen“. Ein Teil der Gemeinschaft lebt dann in heiliger Vollkommenheit und die adversative Formulierung steht für einen anderen Lebensweg.83 Daran anschließend erwägt Joseph Baumgarten die Möglichkeit, dass der erste Teil ein Leben in Reinheit bedeute, für das man sich im Verzicht auf Ehe entscheide. Dies sind jene, die nicht in Lagern wohnen und nicht heiraten. Eine Heirat müsse das nicht ausschließen, da die Loslösung aus ehelichen Strukturen auch in fortgeschrittenem Alter möglich sei.84 Dar78

Bei García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 560, ist auch ‫ כסדך‬als mögliche Lesart mit angegeben. 79 Möglicherweise ‫היסורים‬, vgl. CD VII,8 (auch Z.5) u. Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 25, Anm. 67. Anders nach Wassen, Women in the DD, 122, Anm. 45. 80 In der Grundbedeutung „führen“ oder „antreiben“, also im Sinne von „anleiten“ zu verstehen. Hier u.a. nach Steudel, Ehelosigkeit, 117 mit Anm. 8. 81 Für Schuller, Women 1994, 118, eine „androzentrische“ Perspektive. 82 Vgl. die Zusammenfassung bei Baumgarten, Restraints, 18, oder Wassen, Women in the DD, 123 mit Anm. 48f. 83 So Baumgarten, Restraints, 18; s. weiter Qimron, Celibacy, 290, u. White Crawford, According, 146f. 84 S. die Ausführungen dazu bei Baumgarten, Restraints, 18–20. Nach seiner Theorie gibt es zwar keinen Beweis für einen Zölibat in Qumran, dennoch haben „men of perfect

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unter können Witwen und Geschiedene, auch solche, die nicht heiraten konnten oder wollten, zählen.85 Damit seien auch Frauen Teil der Abgeschiedenen, und zwar in bewusster Entscheidung dafür. Demzufolge sei eine „zölibatäre“ und eine eheliche Lebensweise jeweils parallel möglich, womit auch alle Mitglieder der Gemeinschaft angesprochen sind.86 Hier ist allerdings zu unterscheiden zwischen „zölibatärer“ und „asketischer“ Lebensweise. Grundsätzlich ist Eheverzicht in der fraglichen Zeit im Umfeld des Judentums nicht ungewöhnlich, allerdings durchaus innerhalb des Judentums, das es wiederum als homogene Größe nicht gab. Ob Ehe gemeinhin vorausgesetzt, es aber ebenso möglich und anerkannt gewesen ist, nicht zu heiraten, wird nicht zuletzt an diesem Abschnitt entschieden.87 Einflussreich neben Baumgarten ist Elisha Qimron, der voraussetzt, dass der „Zölibat“ von einigen „Sektierern“ praktiziert worden sei. Er sucht den Ursprung in der Reinheit Jerusalems und des Tempels und sieht im yaḥad ihr temporäres Substitut. Dies zeichne ihn vor den übrigen „Qumraniten“ aus, die zwar ebenfalls in einem Reinheitsstatus separiert vom Rest Israels in Lagern leben, aber nicht dem Eheverzicht unterworfen seien, was nur einer priesterlichen Elite vorbehalten sei. Denn das Lager der Heiligkeit sei Jerusalem, wo Gott wohnt.88 Das Adversativum (‫ )ואם‬ist ihm folgend die Schnittstelle einer Gegenüberstellung, nämlich des einen Lagers der Heiligkeit und der anderen Lager. Annette Steudel folgt Qimrons Argumentation, indem sie die zwei Zusätze in CD XIX,2b–3 einer genaueren Analyse unterzieht: Grundsätzlich lasse ‫ואם‬ darauf schließen, dass das Heiraten im Lager nur eine Option darstelle, die aber zu einer Sitte geworden sei. Der Verweis auf eine alte Ordnung impliziere eine jüngere, die dann für den Eheverzicht aus religiösen Gründen stehe. Sie geht davon aus, dass es zwar ungewöhnlich, aber doch möglich sei, im Judentum nicht zu heiraten, zieht dafür auch vereinzelte Beispiele aus dem NT und rabbinischer Zeit heran.89

holiness“ sich für ein enthaltsames Leben entschieden – weil sie eben nur so „a higher level of spiritual attainment“ erreichen konnten (s. dens., Art. Celibacy, 125). Regev, Cherchez les femmes, 256f., bemängelt das breite Einverständnis zu dieser These. Weder vom Kontext noch vom Inhalt noch von der Struktur her spreche CD VII,3–10 für eine zölibatäre yaḥad-Gemeinschaft. Diese Passage sei dann allerdings der einzige Hinweis auf zwei unterschiedliche Gruppierungen, wie Schuller, Evidence, 255f., anmerkt. 85 Vgl. White Crawford, According, 131f.+146f. 86 Vgl. Grossman, Reading for Gender, 235, Anm. 54. 87 Dazu Steudel, Ehelosigkeit, 120f.; Wassen, Women in the DD, 122–129; Women, Worship, Wilderness, and War, 1367–1369; sowie Kap. IV–VI. 88 Qimron, Celibacy, 288f. 89 Steudel, Ehelosigkeit, 116–118.

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III. Die Damaskus-Texte

Liest man VII,4b–6a als eine Bestimmung, die später formuliert und Z.6b vorangestellt wird, dann markiert ‫ ואם‬einen anderen, alten Weg.90 John J. Collins erwägt darum eine Interpolation, eine Fortschreibung, die die Entwicklung von einer familiär organisierten Gemeinschaft hin zu einer „zölibatären“ widerspiegle. Gleichzeitig schließt er nicht aus, dass beide Bewegungen parallel existiert haben.91 Dies führt Überlegungen fort, die eine ehelose und eine familiäre Gemeinschaft voraussetzen, nur dass Collins stärker hervorhebt, dass sich der Eheverzicht innerhalb der Gemeinschaft herausgebildet habe, ohne zwangsläufig die andere Lebensform zu verdrängen. Selbst wenn man in dem Lagerabschnitt eine Interpolation sieht, die mit einem die Protasis einleitenden ‫ ואם‬beginnt, bleibt doch unklar, mit welchem Verb die Apodosis beginnt. Bei Unterstützung der Ehelosigkeitsthese ist es das nächst folgende ‫ ולקחו‬und somit: „Und wenn sie in Lagern wohnen […], dann nehmen sie sich Frauen […].“ (CD VII,6b–7a par.) Allerdings ist es ebenso logisch, die Frau und die Kinder als den familiären Teil im Leben des Mannes in die Protasis und in die Folgerung den ganzen rechtlichen Teil aufzunehmen: Heiraten und Fortpflanzung bedeutet Wandeln nach der Tora (so auch die Übersetzung oben).92 Als Torazitat gibt Num 30,17 die Legitimation für ein Familienleben. Dass es einen solchen Beleg für die vermeintlich ehelose Lebensweise im Text vorher (VII,4b–6a) nicht gibt, damit zu begründen, dass Ehelosigkeit das Ideal zeige und somit auch keine Erklärungen zur ehelosen Lebensweise (als Normalfall) zu erwarten seien, ist m.E. nicht hinreichend.93 Das ‫ ו‬kann durchaus adversativ gebraucht werden, aber ob es in Verbindung mit ‫ אם‬an dieser Stelle die zweite Hälfte eines Doppelkonditionalsatzes meint, lässt sich nicht belegen. Der konträre Aspekt kann ebenso die Fortsetzung des vorangehenden Satzteiles meinen, womit ‫ ו‬wieder in seiner Funktion als Bindewort fungieren würde:94 Der Wandel in heiliger Vollkom90

Vgl. Baumgarten, Restraints, 18; Collins, Beyond, 33. S. wiederum Collins, Beyond, 79. Grossman, Reading for Gender, 235f., zieht auch das Gegenteil in Betracht: Zwar könne der Zölibat die ältere Lebensform gewesen sein. Dann seien die Zusätze der Versuch, eine neue Lebensform, die Ehe, zu rechtfertigen. Ebenso könne aber andersherum die Ehe die ursprüngliche Norm gewesen sein, die nun gegen eine, wenn auch kleinere, Gegenbewegung zu verteidigen sei – was auch die Zusätze in CD XIX erkläre. 92 Dagegen Qimron, Celibacy, 290 mit Anm. 5. Auch Baumgarten, Restraints, 18–20, votiert für einen Zölibat in Qumran, allerdings für die Älteren (vgl. dazu Kap. V.1.4+ VI.3.2.3.a). 93 Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 25, Anm. 67, notieren, dass das Fehlen einer Begründung für den Zölibat zeige, dass dies „the accepted ideal or norm“ war. Es sei so selbstverständlich gewesen, dass es nicht wie das Heiraten mit Num 30,17 untermauert werden müsse. 94 Vgl. dazu Thorion-Vardi, Die adversativen Konjunktionen, 576f., auf die sich Baumgarten auch beruft. Ihre Beispiele für Doppelkonditionalsätze sind unmittelbar einleuchtend. Aber ihre Ausführungen zeigen deutlich, dass sowohl eine adversative als auch kon91

2. Frauen in den D-Texten

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menheit entspricht demnach dem Leben in Lagern mit den Familien und nach der Tora.95 In den D-Texten sind rigide Ehevorstellungen kaum von Eheverzicht zu unterscheiden. Bereits CD V hat gezeigt, dass es nicht gänzlich abwegig ist, eine Einzigehe anzunehmen. Doch ist daraus ein Bekenntnis zur Ehe, und nicht zur Ehelosigkeit zu ziehen. In CD V ist nur eine eindeutige Positionierung zur Einehe auszumachen, nicht aber zur Einzigehe. CD VII par. stellt sich nicht eindeutig gegen Ehe, verweist im Gegenteil in CD VII,7b–9a par. (‫ ;כסרך התורה‬vgl. zusätzlich XIX,3b: ‫ )כמנהג התורה‬auf die Tora, die das ganze Leben der Angesprochenen umfassen soll. Die Tora gilt als Lebensprinzip, gerahmt mit Dtn 7,9 und Num 30,17 aber auch als autorisierte Weisung, was die Schriftbelege zeigen. Zudem beschreibt die Tora vorwiegend die Verpflichtung zur Fortpflanzung und den Erhalt des eigenen Samens.96 Der Abschluss beider Kolumnen bezieht sich auf alle Familienmitglieder, was das bereits genannte Zitat aus Num 30,17b zeigt: „Zwischen einem Mann und seiner Frau, zwischen einem Vater und seinem Sohn (‫“)לבנו‬. Lediglich das letzte Wort stimmt in CD VII,9a par. nicht mit Num 30,17 überein, wo ‫ ְלבִתּ ֹו‬zu lesen ist (und somit: „zwischen einem Mann und seiner Frau, zwischen einem Vater und seiner Tochter“). In Num 30 sind die verschiedenen Lebensstationen der Frau aufgeführt und geklärt, wann sie geloben und schwören darf (dazu Näheres unter 2.2.1). Dies wiederum spielt in dem Lagerabschnitt keine Rolle und ist folglich diesem neuen Kontext angepasst. Die alleinige Nennung der Tochter würde sich pars pro toto nur auf Frauen beziehen, was nicht Intention dieses Abschnittes ist. Dies ist ein gutes Beispiel für den Schriftgebrauch, aber auch für eine ganz natürliche Einbindung der Frau, da in diesem Fall Sohn oder Söhne ganz eindeutig für Kind oder Kinder steht (daher heißt es auch: „sie zeugen Söhne“; Z.7). Auch der kollektive Maskulingebrauch muss bei der D-Lektüre, aber auch allen anderen Qumrantexten, berücksichtigt werden. In diesem Fall kann man von gender-

junktionale Übersetzung von ‫ ואם‬möglich ist. CD VII,6b par. speziell diskutiert sie nicht. Vgl. im Bezug auf die Essener auch Bergmeier, Qumran-Essener-Hypothese, 9. 95 Allerdings erwägt Collins, Beyond, 33, dass auch der Weg derer in Familien vollkommen sein kann. Ähnlich wie Steudel meint er, dass das enthaltsame Leben erst später hinzugekommen sei und daher Ehe und Familie als gleichwertig gezählt werden solle. Vgl. dazu Loader, The DSS on Sexuality, 131f. Auch nach Regev, Cherchez les femmes, 256f., bezieht sich heilige Vollkommenheit auf den ganzen folgenden Abschnitt, der auf das Fehlverhalten der Gemeinschaft aufmerksam macht. 96 Beginnend mit Gen 1,28a. Greift man hingegen aus den Prophetenbüchern Jeremias Eheverzicht (Jer 16,1–9) heraus, so ist dies eine Zeichenhandlung unter vielen, in diesem Fall auch eine von denen, für die der Prophet mit seiner Person und seinem Leben steht (vgl. Steudel, Ehelosigkeit, 116–118). In der Zeit kurz vor der Exilierung ist eine ganz spezielle Situation Judas angesprochen, die sich nicht verallgemeinern lässt. Insofern kann ein Beleg nicht ohne Weiteres für Ehelosigkeit im D-Text herangezogen werden.

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III. Die Damaskus-Texte

inklusivem Lesen sprechen.97 Nur auf diese Weise werden wirklich alle Teile der Gemeinschaft erfasst, auch die in sie Hineingeborenen, die nicht wie die Eltern eintreten können (s.u., 2.2.1).98 In die Überlegungen einzubeziehen ist der Midrasch gegen „alle, die ver[a]chten“ (‫וכל המ]ו[אסים‬, s. VII,9b–VIII,21 u. XIX,5b–XX,34), der mit der Aufforderung endet, den Frevlern nicht zu folgen. Hier sieht Wassen den eigentlichen Kontrast zu CD VII,4–6a, markiert durch ‫( כל‬Z.4b: ‫)כל המתהלכים‬. Auch wenn sie andere Folgerungen daraus zieht, so erscheint doch diese Gegenüberstellung plausibel: die Gemeinschaft des neuen Bundes gegen alle anderen.99 Denn alle, die verworfen haben (‫) המואסים‬, werden für ihren Frevel bestraft, was mit Zitaten aus Jesaja und Amos unterlegt wird. U.a. wird der Stern aus Am 5,26 wieder mit dem Ausleger der Tora identifiziert (‫;דורש התורה‬ VII,18; par. 4Q266 3 III,19; s. auch VI,7). Und wieder wird er in Damaskus situiert, auch als „Stern aus Jakob“ zusammen mit dem „Zepter aus Israel“ 97

Vgl. nur ‫ ְבּ נֵי יִשׂ ְָר ֵאל‬, womit die Beibehaltung von ‫ ְלבִתּ ֹו‬irreführend ist (so auch mit Wassen, Women in the DD, 127). Davies, Damascus Covenant, 250f., und Schiffman, Vows, 205 mit Anm. 30, haben zu ‫ ְלבִתּ ֹו‬hin emendiert. Ebenso Maier, Texte I, 18, Anm. 57: „bnw (sic!); verschrieben aus btw (‚seiner Tochter‘)?“ Es ist nicht plausibel anzunehmen, dass der Tradent sich verschrieben und der Überarbeiter dies übernommen hat. Einer vermuteten älteren Lesart den Vortritt geben zu wollen, kann nicht weiterführend sein, da eine Bearbeitung dadurch nicht ausgeschlossen ist. Inhaltlich argumentiert, spricht die Paarung (Mann – Frau und Vater – Tochter), mehr aber das feminine Suffix der 3. Person (-‫ ) ָה‬an ‫ְעוּרים‬ ִ ‫ נ‬eher für den MT (außerdem ist auch in LXX θυγάτηρ überliefert). S. dazu Grossman, Rethinking Gender, 499f.; auch 508–510. 98 Mit Davies, Damascus Covenant, 142, womit eine Interpolation von Z.6b–9a nicht mehr notwendig anzunehmen ist. 99 S. Wassen, Women in the DD, 125f.: Die in CD VII,4–6a Genannten hätten durchaus die Möglichkeit, sich für oder gegen ein Familienleben zu entscheiden, und sind sie dafür, leben sie in Lagern. Im Mittelpunkt steht für Wassen jedoch mehr die ausstehende göttliche Belohnung, weniger der Familienstand. Daher versteht auch sie Z.6b–9a als Interpolation, vorgenommen, um auch alle in der Gemeinschaft zu erfassen – bzw. um auch den Familien die Einhaltung der Gesetze gleichermaßen einzuschärfen. Damit wäre auch ganz selbstverständlich der Inhalt dieser Interpolation auf alle Familienmitglieder zu beziehen, was der Abschluss mit Num 30,17 in VII,5b–6a unter Beweis stellen würde. Der schon in den Geschichtsrückblicken thematisierte Rückzug in die Wüste mit Anspielung auf die Exilszeit bildet für sie einen weiteren Zusammenhang, neben Selbstverständnis und Abgrenzung, in der Organisation der Lager (ebd., 126–128). Jedoch seien die Adressaten nicht jene Exilierten in Babylon, sondern den Heimgebliebenen gleich, die auf eine Wiederherstellung warten. Dazu verweist Wassen auf Jer 29,6aα1 (‫ ) ְק חוּ נָשִׁים וְה ֹולִידוּ ָבּנִים וּבָנ ֹות‬im Vergleich mit CD VII,6b–7a par. (ebd., 127; s. auch dies., Women, Worship, Wilderness, and War, 1368f.). Diesen gelte die Belohnung. Anders der sehr viel längere Abschnitt zu denen, die verachten, jeweils verbunden mit dem Gerichtsgedanken und dem Wirken der zwei Gesalbten in prophetisch-priesterlicher und königlicher Funktion (vgl. CD VII,18b– 21a u. XIX,10f.). S. dazu die Kritik bei Collins, Beyond, 33, nach dem die adversative Konjunktion so noch nicht erklärt wird. Gegen Wassens Deutung ebf. Regev, Cherchez les femmes, 257f.

2. Frauen in den D-Texten

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(Num 24,17 in VII,19b–20a). Letzterer wird als Fürst bezeichnet und mit dem kriegerischen Aspekt, also der Bestrafung der Verächter, in Verbindung gebracht (s. CD VII,9b–21a). Jene also, die nach den Rückschlägen in Israels Geschichte noch immer nicht auf Gottes Wegen gehen, erhalten nun – und das scheint nun wieder in die Zukunft zu führen – ihre letzte Strafandrohung, die sich auch an „alle, die in seinen Bund kommen“ (CD VIII,1b: ‫;כל באי̇ בריתו‬ vgl. II,2; XIII,14; XIX,13) bzw. „kamen“, richtet (CD VII,21b–VIII,2a). Wer sich an die Satzungen nicht hält, überlässt sich Belial – was erneut zeigt, dass die Netze des Belial für Bundesmitglieder ebenso gefährlich sind wie für jeden anderen außerhalb des Bundes. Das gilt auch bei jenen Vergehen, die schon benannt worden sind und auch noch einmal wiederholt werden (Unzucht, unsoziales Verhalten, Gier; VIII,2b–12a). Die eine Scheidewand bauen (‫ ;בוני החי̇ץ וטחי התפל‬CD VIII,12b; s. auch XIX,25), lassen sich nach wie vor von einem Mann, „der Wind wägt und Lüge predigt“ (13a: ‫ש̇ו̇ק̇ל רוח ומטיף‬ ‫)כזב‬,100 in die Irre führen, was wieder den Zorn Gottes hervorruft (Z.13b+18b) und womit wieder die Gegenwart erreicht ist. Die Umkehrenden sind auf dem richtigen Weg, aber wenn sie sich nicht an Gottes Gebote halten, sind sie jenen, von denen sie sich separieren wollen, gleichgestellt (Z.16–21a). Das Gleiche gilt für „alle Männer, die in den neuen Bund in das Land Damaskus gekommen sind“ (CD VIII,21b: ‫;כל האנשים אשר באו בברית החדשה בארץ דמש̇ק‬ vgl. VI,19; XIX,24; XX,12) – wie man trotz größeren und kleineren Unterschieden mit Kol. XIXf. lesen kann. Darunter können auch all jene fallen, die nach heiliger Vollkommenheit streben (s. VII,5; XX,2.5+7). Hier nun wird genauer zeitlich terminiert: es beginnt mit dem Tod des „Lehrers des ‫“יחיד‬ (XIX,35b–XX,1a [‫ ]האסף מורה היחיד‬+14a [‫]האסף יורה היחיד‬, s. Kap. 2.1.1)101 und endet mit dem Aufstehen des oder der Gesalbten102 aus Aaron und Israel (XX,1a; s. auch I,7; V,18; VI,2) bzw. dem Ende der Männer des Krieges, die 100 Negativ konnotiert, vgl. Mi 2,11: ‫שּׁ כָר ְו ָהי ָה ַמ ִטּיף‬ ֵ ‫שׁ ֶקר ִכּזּ ֵב ַאטִּ ף לְָך ַליַּי ִן ְו ַל‬ ֶ ‫לוּ־ ִאישׁ ה ֹלְֵך רוּ ַח ָו‬ ‫ ָהעָם ַהזּ ֶה‬. „Wenn doch ein Mann Wind ginge und Lüge trüge: ‚Ich lasse triefen (predige) dir für Wein und für Rauschtrank‘, dann wäre er ein Triefer dieses Volkes.“ Vgl. VanderKam, Smooth Things, 471. Nach Lim, Pesharim, 73, mit den hier genannten Opponenten und jenen wie dem Mann der Lüge in den Pescharim zusammenzusehen. 101 Schechter, Fragments, XII (44), geht von einem einzigen Lehrer aus („‚Only Teacher‘“). Dies kann einmal der Tradierung des Textes geschuldet sein, in der man die Gruppenbezeichnung yaḥad nicht mehr kannte oder bewusst eliminieren wollte, oder aber der Bezug zum yaḥad wurde in D selbst erst in einer späteren Phase der Entstehung hergestellt. Dazu s. Kap. V.1.4. Nur dreimal findet sich ‫ יחיד‬in CD XX,1.14+32 – nicht in 5QD oder 6QD. In 4Q270 3 III,19 lässt sich ‫ )!( יחד‬bestenfalls rekonstruieren: [‫ ממשפטי הי ]חד‬und wird allein durch 4Q271 2,7 vervollständigt, wo allerdings nur am Zeilenende ‫ חד‬erhalten ist. Der unmittelbare Kontext fehlt, daher ist nicht zweifelsfrei auf ‫ יחד‬zu schließen. So scheint es, dass der Lehrer der Gerechtigkeit erst in einer Redaktionsphase des Dokuments mit dem yaḥad verbunden wird. 102 Der Plural ist unsicher und in den D-Texten Qumrans nicht belegt; s. Hempel, The D Texts, 76f., und Collins, Scepter, 77–80.

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III. Die Damaskus-Texte

dem Mann der Lüge gefolgt sind für 40 Jahre (XX,14f.). Der letztmaligen Konsequenz des Zornes Gottes über die Frevler (15b–27a) folgt ein Abschnitt über das Heil derer, die der Tora und dem (gerechten) Lehrer ([‫) מורה ]צדק‬ gefolgt sind (Z.27b–28a+32b–33a; 32a: ‫)אנשי היחיד‬, womit die Gemeinschaft in ihrer Vergangenheit und Gegenwart beschrieben ist und die Ermahnung endet. 2.2 Die Gesetze: CD XVf. und IX–XIV par. Bereits die Ermahnung enthält, wie gesehen, halachische Elemente, dennoch ist es der Gesetzesabschnitt, der ein klareres Bild der D-Gemeinschaft zeichnet.103 Dieser ist in sich stimmig, nur ohne erkennbaren Anfang oder erhaltene Überleitung. Vermutlich folgt der Abschnitt auf CD VIII,104 wo in Z.15b (par. XIX,28) der Schwur (‫ )שבועה‬zur Sprache kommt, der in XVf. eine bedeutende Rolle spielt. In diesem letzten Abschnitt der Ermahnung heißt es aus Dtn 7,8, dass Gott seinen Schwur bewahren wird. Es ist ein Abschnitt gegen die Trennwandbauer und ihre Verführer (VIII,12b–18; s.o.), jene aus dem Volk Israel, die sich verleiten lassen und gegen die Gottes Zorn entbrannt ist. In der Ermahnung wird damit argumentiert, dass schon die Unterwerfung nach dem Exodus Gott zuzuschreiben ist, weil er die Väter geliebt und seinen Schwur gehalten hat (vgl. Dtn 9,5). Dieser Schwur, der den Bund mit den Erzvätern meint, bleibt wiederum bestehen für die Nachfahren der Nachfahren – konkret für diejenigen, die sich den Abirrenden nicht angeschlossen haben. Der Parallelabschnitt, Kol. XIX, geht da noch weiter: Auch jene, die schon Teil des neuen Bundes gewesen und wieder abgefallen sind, gehören nicht mehr dazu. Dies gilt vom Tod des Lehrers der Gerechtigkeit bis hin zum Auftreten des Messias aus Aaron und aus Israel.105 Nichts ist sicher, bis sich die Zeit erfüllt hat. (Z.33ff.) In diesem Kontext bekommt der Schwur eine ganz unbedingte Note. Er ist so fest mit Gott, dem neuen Bund und der Gemeinschaft verbunden, dass er sich unweigerlich auch auf das Gemeinschaftsleben auswirkt. Daher sind die die „Bundesflüche“ verpflichtend 103

Von Baumgarten, Art. Damascus Document, 167, als „central core“ bezeichnet. Möglicherweise ist die Überleitung zum Gesetzesteil in 4Q270 2 If., dem sogenannten „Catalogue of Transgressors“, zu finden (dazu Wassen, Women in the DD, 33f.+107). Hempel, Laws of the DD, 164, hebt zurecht den gesetzlichen Charakter dieser Einheit hervor und plädiert für einen ursprünglich eigenständigen Teil, der „list of transgressions“ in 4Q270 2 I,9–II,17a, der um ein „concluding statement“ (Z.17b–21) vom Redaktor erweitert worden sei (s. ebd., 163–170). Nach Baumgarten, DJD 18, 3f.+12, steht dieser allerdings vor der Ermahnung und somit am Anfang von D. 105 In CD steht der Messias stets im Singular (vgl. CD XII,23; XIV,19 [mit singularischem Verb folgend] und XIX,10: „Messias Aarons und Israels“; XX,1: „Messias aus Aaron und aus Israel“). Es ist umstritten, ob von einem königlichen und priesterlichen Messias auszugehen ist; vgl. Collins, Scepter, 79–81. Möglicherweise sind beide Funktionen im Aufseher und Priester angelegt (s. CD XIIIf.). S. auch oben, Anm. 70. 104

2. Frauen in den D-Texten

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(XV,2f.: ‫)אלות הברית‬,106 was sich im Folgenden zeigen wird. Gleichermaßen bedeutend ist das Bekennen der Übertretung.107 2.2.1 Die Bedeutung des Schwurs in der Gemeinschaft108 Gleich zu Beginn des überlieferten Gesetzesabschnittes in CD XV109 ergeht die Warnung, nicht einen Schwur ‫ באלף̇ ולמד וגם באלף ודלת‬zu schwören, wobei ‫ א‬und ‫ ל‬für ‫ אל‬stehen und ‫ א‬und ‫ ד‬eine Kurzform für ‫אדני‬, also JHWH, sind.110 Der Name oder die Anrede Gottes – auch in der Tora – darf also nicht in einem Schwur vorkommen.111 Verbunden mit dem darauffolgenden Schwurabschnitt (s.u.) kommt hier auch die Einhaltung des Schwurs zum Tragen: Würde man sich nicht an den abgelegten Schwur halten – und eine absolute Sicherheit gibt es da nicht –, dann wäre der Name Gottes entweiht (Z.2f.). Es soll hier nicht behauptet werden, dass der Schwur im Tanach weniger bedeutend und folgenreich ist, aber in den D-Texten wird ganz bewusst auf der Bedeutung dieses Aktes insistiert, was nach der Vergangenheitsschilderung in der Ermahnung auch nicht verwundern kann.112 106

Insgesamt dreimal in CD I,17; par.: 4Q266 2 I,20 und CD XV,2f. vorkommend, schillert ‫ אלה‬zwischen Eid und Fluch (vgl. Ez 16,52 und ‫ יאל‬hif. in 1Sam 14,24). Außer in CD IX,12 steht es im Plural und mit dem Bund, daher: „Bundesflüche“ (CD XV,2f.: ‫באלות‬ ‫ )הברית י̇ש ֯̇ב]ע‬oder „Flüche seines Bundes“ (‫ ;אלות בריתו‬CD I,17; vgl. Maier, Texte I, 8, und Lohse, Texte aus Qumran, 67). Im Kontext von Segen und Fluch liegt die Parallele in Dtn 29,20: ‫שׂ ָר ֵאל כְּכ ֹל ָאֹלות ַהבּ ְִרית ַהכְּתוּבָה ְבּ ֵספֶר הַתּ ָֹורה ַהזּ ֶה‬ ְ ִ ‫שׁ ְבטֵי י‬ ִ ‫ ְו ִה ְב ִדּיֹלו י ְהוָה ל ְָרעָה ִמכּ ֹל‬. Vgl. Dtn 29,13.18f. u.ö. Hier schon wird dieser Fluch-Eid ganz eng an den Bund und die Tora geknüpft. Der Schwur steht für dieses konkrete Bekenntnis, den Bund. Der Fluch-Eid zeigt die Folgen eines Bruchs auf, vor dem er ausdrücklich warnt. Dazu s. Klein, Beschworene Selbstverpflichtung, 175–183, speziell 182: „jedes dieser Wörter [birgt] eine bestimmte Nuance, und zwar ‫ אלה‬eher die Beschwörung des Gottesurteils, in einigen Fällen vornehmlich mit der Perspektive des Fluchs, und ‫ שבועה‬eher die Verpflichtung“. Beide können „unterschiedliche Perspektiven beleuchten oder sich bedeutungsmäßig ergänzen“. Anders Schiffman, Art. Oaths and vows, 621: „the words shevu‘ah (‚oath‘) and ’alah (‚curse‘) are practically synonymous“. Zur Bedeutung von Dtn 29 für D, aber auch S s. Steudel, Rewriting, 618f. 107 CD XV,4b–5a: ‫א̇ם עבר אשם הוא והתודה והשיב ולא ישא ֯ח ט̇א ֯̇ה ]וי[מות‬. 108 Zur Unterscheidung von Schwur und Eid s. die Studie von Klein, Beschworene Selbstverpflichtung, 25–31. Von der etymologischen Bedeutung und angewandten Praxis ausgehend sei der Vorgang des Schwurs allgemeiner und aufwändiger, könne also vom Spezifischen des Eides ausgeklammert werden. 109 Vgl. die Gliederung, die VanderKam, Oath, 424, auflistet. Vergleiche mit Jos.Bell 2,137–142: ebd., 426–432. 110 Hempel, The D Texts, 162 mit Anm. 29, findet die Zeilen zu marginal belegt und durch den Qumranbestand nicht ausreichend verifiziert, weswegen sie sie nicht in ihre Ausführungen zu CD XVf. mit aufnimmt. 111 Generell findet sich der Gottesname nicht in den D-Texten. 112 Vgl. Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 37, Anm. 126. Die im Tanach häufig belegte Schwurformel, beginnend mit ‫חַי־י ְהוָה‬, würde somit in der D-Gemein-

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III. Die Damaskus-Texte

Nicht mehr auf dem Fragment zu erkennen ist, ob sich der Schwur auf die Söhne bzw. Kinder oder jene, die hinzukommen, bezieht: ̇‫ שבועת̇ הב̇נ̇י̇ם‬kann ebenfalls ‫ שבועת הבאים‬gelesen werden (Z.1b). Auch aus dem Kontext lässt sich dies nicht ohne Weiteres entscheiden. Mit Z.5f. ist „Söhne“ zwar möglich, da es sich aber grundsätzlich um den Eintritt bzw. die Eintrittszeremonie handelt, sind „die Eintretenden“ ebenso plausibel. Demnach ist wohl ein bestimmtes Alter für diesen Schwur und so eine gewisse Reife notwendig.113 Der Schwur einer Frau ist in der Gemeinschaft genauso geregelt wie der des Mannes, ausgehend von ihrer Mitgliedschaft und dem Eintritt in die Bundesgemeinschaft sollte man nicht engführend „Söhne“, sondern „Kinder“ lesen.114 Für beide Varianten ist ein Kollektivverständnis und somit genderinklusives Lesen möglich.115 Alle, die in den Bund eintreten, sollen nicht schwören, außer bei den Bundesflüchen.

schaft keine Verwendung finden. Die Unbedingtheit und Unauslöslichkeit, die im Tanach durch die Nennung des Gottesnamen erreicht wird, wird hier auf dem umgekehrten Weg realisiert. Vgl. dazu noch Schiffman, Art. Oaths and vows, 621, der auf Koh 5,1–6; 8,2f. verweist, wobei besonders Letzteres CD XVI nahestehe. Vielleicht ist dies generell eine spätere, sogar weisheitliche Einsicht. Auch Sir 23,9–11 warnt vor dem Schwur. Zum Schwur bei den Essenern s. Kap. VI.3.2.2. Diese Tendenz zur Vermeidung des Schwurs setzt sich in Mt 5,33–37 und Jak 5,12 fort. Sie deutet vermutlich auf die fortwährende Bekämpfung des Missbrauchs des Schwurs hin, den schon Kohelet gesehen hat, und der sich auch in Mt 23,16–22 zeigt. In CD XV geht es jedoch um den „Schutz des Gottesnamens“ – der Schwur war unter Vorsicht erlaubt und für den Eintritt auch notwendig. Nach Mt 5,34–36 soll gänzlich darauf verzichtet werden zu schwören – weder beim Himmel noch bei der Erde noch bei Jerusalem noch beim eigenen Kopf, da alles mit der Königsherrschaft Gottes verbunden und man selbst zu gering und machtlos ist. Stattdessen bemühe man sich um eine klare Positionierung (V.37: ἔστω δὲ ὁ λόγος ὑµῶν ναὶ ναί, οὒ οὔ; vgl. Jak 5,12). S. dazu Frey, Die Textfunde von Qumran, 273f.; ders., Neutestamentliche Wissenschaft, 457. 113 S. Qimron, ‫שבועת הבנים‬, 116. Das rekonstruierte vetitive Verbot zu schwören erhält demnach eine Ausnahme, wenn es sich um den „Schwur der Söhne in den Flucheiden des Bundes“ handele. Auf diese Söhne beziehe sich Z.5f., wo festgelegt ist, dass sie den Schwur des Bundes aufstellen sollen, wenn sie das entsprechende Alter erreicht haben (wobei es auch hier unterschiedliche Übersetzungen gibt – s. Hempel, Laws of the DD, 77–79). 114 S. Schuller, Women 1999, 129f. Nach Vermes, Complete DSS, 138; vgl. Schiffman, Sectarian Law, 57; Stegemann, Qumran Essenes, 129. 115 Vgl. Wassen, Women in the DD, 134. Ebd., 138, verweist sie auf die Parallelen zu Dtn 27–30, spez. 29,10–12, und Neh 9f. Beide Bundeszeremonien seien für ganz Israel bestimmt. Weiterhin spricht sie sich dagegen aus, dass Gemusterte nur Männer meine, da die entsprechenden Verweisstellen im Pentateuch auf den Kriegsdienst oder die Tempelsteuer bezogen sind. Der Eintritt in die Bundesgemeinschaft sei damit nicht gleichzusetzen (allerdings unter Bezugnahme auf 1QSa I,8–11). Bis zum Schwurabschnitt zählt Wassen die Zeilen zu den communal laws, die zur jährlichen Bundeszeremonie der Essener gehören (ebd., 136f.; so auch VanderKam, Art. Covenant, 152f.).

2. Frauen in den D-Texten

123

Zugang erhält man jedoch nur nach einer Unterredung mit dem Aufseher über die Vielen (Z.8a: ‫ )המבקר אשר לרבים‬und einer anschließenden Musterung „durch den Schwur des Bundes“ (Z.8b: ‫)בשבועת הברית‬, „den geschlossen hat Mose mit Israel“, um umzukehren zur Tora des Mose (8b–9a). Dem Aufseher allein obliegt es auch, den Neuankömmling nach den Rechtssätzen (Z.11a: ‫ )המשפטים‬zu befragen. „Und wenn er es auf sich nimmt, umzukehren zur Tora des Mose“ (12a: ‫)וכאשר יקים אותו עליו לשו̇ב אל תורת משה‬, gemeint ist der Schwur, sind der Aufseher und die anderen, die mustern, frei von möglicher Schuld. Falls also der Hinzukommende diesen Schwur brechen sollte (12b– 13a), fällt dies allein auf ihn zurück. Darauf hat er ein Jahr Zeit, um sich in das Lagerleben einzupassen. Verstößt er versehentlich gegen „die Tora für die Menge“ (‫ ;התורה לרו̇ב‬Z.13b; par. 4Q266 8 I,4b; 4Q270 6 II,6b), wird er vom Aufseher darauf hingewiesen, um daraus zu lernen (13b–15a).116 Die Zugangsvoraussetzungen sind weiterhin abhängig von der Einhaltung der Aufnahmebedingungen sowie körperlicher und geistiger Unversehrtheit (Z.15b–17; par. 4Q266 8 I,6b–9; 4Q270 6 II,7b–9).117 An ihnen ist bemerkenswert, dass sie Männer und Frauen gleichermaßen betreffen bzw. dass Frauen nicht gesondert genannt werden.118 Zu den Voraussetzungen zählt offenbar auch Volljährigkeit, weswegen Kinder zwar über den Vater in den Bund kommen, vermutlich aber den Schwur im Alter der Reife noch zu erbringen haben. Der Eintritt mitsamt Ausschlusskriterien bezieht sich demnach nur auf

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VanderKam, Oath, 425, deutet dies anders: Demnach sei der Übertretende schon Mitglied – wenn er jedoch gegen eine Regel verstoße, sei er für ein Jahr vom Aufseher zu unterweisen. 117 Baumgarten, DJD 18, 63f.+156f. Ders. u.a., Damascus Document, 50f. Ders. / Schwartz, Damascus Document (CD), 38f. García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 592f., Parry / Tov, DSS Reader, 136–139+184f. Zu den Abweichungen von CD XV,15b–17 s. Baumgarten, DJD 18, 62, und den Text selbst: ̇‫ וכה̇ה‬16 ‫]ו[גה‬ ֯ ‫היותו אויל ומשוגע וכל פת]י ו[מ ֯̇ש‬ ‫ יבוא אי̇]ש מאלה אל תוך העדה כי מלאכי‬17 ‫ע̇י֯ נ֯ י֯ ֯ם ל ֯̇ב ל̇]תי ראות וחגר או פסח או חרש[ ו֯ נ֯ ער ז֯ ]עטו[ט אל‬ ‫ל̇ ֯ת ב̇ם‬ [ ‫הקודש בתוככם‬. (S. dazu noch Broshi, The DD Reconsidered, 38f.) Für Regev, Cherchez les femmes, 365, Anm. 62, ein „ritual of admission to adulthood“ (quasi als rite de passage), zusammen mit CD IX,23–X,2. 118 Schuller, Women 1994, 124, votiert daher für die Vollmitgliedschaft von Frauen in der Gemeinschaft – im yaḥad – allerdings bezugnehmend auf 1QSa (ebd., 122). Schon mit Jos.Bell 2,161+138 geht sie davon aus, dass nach dreijähriger Probezeit Frauen die volle Mitgliedschaft erreichen könnten; dazu Kap. VI.3.2.2; s. auch dies., Evidence, 259). Ebenso Wassen, Women in the DD, 146.149–156. S. auch Hempel, Essene Nucleus, 262f.; Ilan, Reading for Women, 69–72.73–75; Stegemann, Qumran Essenes, 129f. Wacholder, The new Damascus Document, 265, bezieht diese Ausschlusskriterien auf den „sacred service“. Laut Heger, Women in the Bible, 209, werden Frauen nicht erwähnt, weil sie eben nicht Mitglieder des yaḥad sind. Dagegen auch Davies / Taylor, Testimony of Women, 229f. Für eine weitere Diskussion und einen Vergleich mit 1QSa und 1QM s. Kap. V.2.2.1.

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III. Die Damaskus-Texte

die Aufnahme in die Gemeinschaft.119 Der Schwur ist von entscheidender Bedeutung für die Gemeinschaft (s.u.). An diesem Punkt findet die in der Ermahnung bereits beschriebene Scheidung von den Außenstehenden statt. CD XVI,1–6a handelt vom Tag des Eintritts in die Gemeinschaft, nachdem das Jahr erfolgreich überstanden und kein Makel am Eintretenden ausgemacht worden ist, markiert durch die Entscheidung zur Umkehr und somit zur Selbstverpflichtung auf die Tora des Mose, „denn in ihr ist alles bestimmt“ (1b–2a: ‫)על כן יקום >יקים< האיש על נפשך לשוב אל ת̇ורת משה כי בה הכל מדוקדק‬. CD XVI,1–12 ist mit CD XV inhaltlich und terminologisch stark verbunden. Dies zeigt sich schon an den Worten Schwur (XV,1.6+8) und schwören (XV,1+ 3[2x]) – beides zu Beginn in ihrer Unbedingtheit thematisiert, daher grundlegend für den Eintritt in die Gemeinschaft und so wieder aufgenommen in XVI,7.10[2x]+12. Besiegelt wird der Eintritt durch den Schwur, den man auf sich nimmt (XV,6b: ‫ ;בשבועת הברית יקימו עליהם‬12a: ‫ ;יקים אותו עליו‬XVI,1: ‫יקום‬ ‫ ;>יקים< האיש על נפשך‬4b: ‫)יקום >יקים< האיש על נפשו‬.120 Auch wenn alle terminologischen Verbindungslinien auf einen Maskulin Singular oder Plural (wie ‫ ;היקים‬vgl. Z.3f. und 6) zulaufen, ist doch ganz Israel angesprochen. Dreh- und Angelpunkt ist die Tora des Mose (XV,2.9+12; s. XVI,2+5), zu der umzukehren (‫ )שוב‬Voraussetzung für die Aufnahme in die Gemeinschaft ist. Mit dem Schwur bekennt man sich zum Bund. Zuwiderhandlungen ziehen Strafen nach sich (XV,12f.; par. 266 8 I,4; 270 6 II,6).121 4Q271 4 II,2–12a; par. 4Q270 6 II,17–21a; CD XVI,1–12122 [‫יכ ֯רו֯ ת ]את בית ישראל ואת בית יהודה‬ ֯ 2 2 Er wird schließen [mit dem Haus Israel und mit ‫הבר ]י[ת ה̇]זות)?( דבר ביד‬ ֯ ‫ ברית ועל‬dem Haus Juda] einen Bund. Und über d[iesen](?) ‫האלה‬ ֯ ̇‫הד]ברי[ם‬ ֯ ‫לאמור] על[ פי‬ ֯ 3 [‫ מושה‬B[u]nd [redete er durch Mose] 3 folgendermaßen: ‫ ישראל על כן‬124]‫ועם‬ ֯ ‫ ברית‬123‫ [„ כרתי עמכה‬Na]ch jenen Wo[rt]en schließe ich mit dir einen [‫ לשוב א]ל‬126 ֯‫ על נפשו‬4 ‫ האיש‬125‫ יקים‬Bund und mit Israel.“ Deswegen nimmt (es) der

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So mit Hempel, Laws of the DD, 74–90, und Collins, Beyond, 25. Zu Wassen s. vorherige Fußnote. Ilan, Reading for Women, 71: „Children they did not accept as neophytes because these do not yet know their own minds.“ 120 Zu Z.7b+9a s.u. 121 S. dazu auch Nitzan, Art. Repentance, 758. 122 Vgl. Baumgarten, DJD 18, 156f.178–180, Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 40f., ders. u.a., Damascus Document, 142; 164+166, u. García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 564f.+620f. Parry / Tov, DSS Reader, 108f.; 184f.+196–199. Broshi, The DD Reconsidered, 38–41. 123 In CD XVI,1: ‫עמכם‬, womit die Kolumne auch beginnt. 124 CD XVI,1: ‫כל ישראל‬. 125 CD XVI,1: ‫יקום‬. 126 CD XVI,1: ‫נפשך‬.

2. Frauen in den D-Texten ‫מד]וקדק‬ ֯ ‫ כי בה הכול‬127̇‫תורת ֯מ ו̇שה כ̇י‬ ‫ ישראל מכול אלה‬5 [‫ופרוש קציהם לעורון‬ ‫הנה̇ ֯ה ו֯ ֯א] מדו[ ֯קד̇ק ֯על ֯ס ֯פ ֯ר ] מח[ל̇]קות‬ [‫העתים ליובליהם ובשבועותיהם‬ ‫ ]האיש ע[ל‬130‫ וביום אשר יקים‬vacat 6 ‫נפשו ל ֯̇ש]וב אל תור[ ֯ת מו ֯̇ש ֯ה] יסור מלא[ ֯ך‬ ‫ מאחרו אם יקים את ֯ד]בריו‬7 ‫ה ֯משטמה‬ ‫דע]תו‬ ֯ ‫ ]אברהם בי[ום‬131‫נמול‬ ֯ ‫ע [ל̇ ֯כן‬

‫ שפתיך תשמור להקים‬8 ‫ואש [ר אמר̇ מוצא‬ ‫ ֯א ]יש ע[ל‬133‫כול שב̇]ועת אסר אשר יקי[ ֯ם‬ ‫ דבר מן התורה עד מחיר‬9 ‫נפשו לעשות‬ ‫מות אל] יפדהו‬ 10 ‫ אי[ש על נפשו לסור‬134‫כול אשר יקים‬ ‫ עד מחיר מות אל יקי]מהו‬135‫את התורה‬

‫על שבועת האשה [ ֯א]שר[ אמר לאישה‬ ‫ להניא את ש̇בועתה‬11

125

Mann 4 auf sich, um zurückzukehren zu[r] Tora des Mose, denn – denn – in ihr ist alles be[stimmt. Und die Erklärung ihrer Zeitalter über die Blindheit] 5 Israels von all jenen (Dingen), siehe es[ ist fest]gelegt im Buch[ Zutei]lu[ngen der Zeiten128 für ihre Jubiläen und mit ihren Wochen.]129 6 vacat Und an dem Tag, an dem [der Mann a]uf sich nimmt, zurück[zukehren zur Tor]a des Mose[, wird weichen der Eng]el des Mastema132 7 von ihm, wenn er aufnimmt [seine] W[orte]; deshalb wurde beschnitten [Abraham, am T]ag [seiner] Erke[nntnis]. Und w]as er sagte: „Was herauskommt (über) 8 deine Lippen, sollst du achtsam sein, aufzunehmen!“ Jeden [bindenden] Sch[wur, den aufni]mmt ein M[ann a]uf sich, um zu tun 9 eine Sache aus der Tora – bis zum Preis des Todes [löse er es] nicht [aus. Alles,136 was aufnimmt ein Ma]nn auf sich, um abzuweichen 10 von der Tora – bis zum Preis des Todes neh[me er es] nicht auf. [ Über den Schwur der Frau (ist es)], w[as] er sagte: „Ihrem Mann sei (obliegt) es, 11 zu verhindern139 ihren Schwur.“140

127 Vermutlich Dittographie – in CD XVI daher nur einmal; s. dazu Baumgarten u.a., Damascus Document, 164, Anm. 73. 128 So der Titel des Jubiläenbuches: ‫ ֵספֶר ַמ ְחלְקוֹת ָה ִע ִתּים‬. 129 Dieser ganze Abschnitt wird von Hempel, Laws of the DD, 86 (vgl. ebenso 87–89), als Glosse eines Bearbeiters gesehen, der die Bedeutung des Jubiläenbuches hervorheben wollte. 130 CD XVI,4: ‫יקום‬. 131 CD XVI,6: ‫נימול‬. Darauf folgt eine Korrektur: {‫}ב‬. 132 Auch hier zeigt sich, dass das Jubiläenbuch bekannt war und rezipiert wurde (s.o.). Der Mastema tritt in Jub 10,8 als Verführer der Menschheit auf (vgl. auch Jub 17,16). Nach Jub 11,5 stehen Engel an seiner Seite, um die Menschen von ihrem Weg abzubringen. (S. noch Jub 17; 48,2f.; 15,33.) Wie bei den drei Netzen des Belial ist hier die Angst vor dem, was Mastema verkörpert, als reale Größe greifbar. Vgl. Mach, Art. Demons, 190f. Baumgarten, DJD 18, 157, verweist auf Jub 15,25–32, wonach der, der vom Bund der Beschneidung abkommt, dem Mastema und seinem Kreis automatisch nähersteht als den guten Engeln. Zur Beeinflussung durch Jub s. bereits Schechter, Fragments, XVI– XXIX (48–61). 133 CD XVI,7: ‫יקום‬. 134 Nach Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 40: ‫יקום‬. Lesung nach der Rekonstruktion in DJD 18, 178. 135 In CD XV,8a: ‫ מן‬wie in 4Q271 4 II,9a. 136 Möglicherweise eine Ellipse und so ebenfalls als ‫ כול שבועת אסר‬zu lesen, s. Schiffman, Vows, 203.

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III. Die Damaskus-Texte

‫אל יניא איש ש]בועה אשר לוא ידענה‬ ‫ להניא‬12 ‫ להקים היא ואם‬137‫א[ם‬ ‫ יניא]ה ואל יקימנה‬138‫אם לעבור ברית היא‬ vacat ‫ לאביה‬vacat [‫וכן משפט‬

Nicht verhindere der Mann den Sch[wur, von dem er nicht weiß, o]b er aufzunehmen oder 12 zu verhindern ist. Wenn er zum Überschreiten des Bundes ist (führt), verhin[dere er ihn und nicht nehme er ihn auf. Und so (ist) das Recht] vacat für ihren Vater. vacat

Der Text gehört für Wassen in die Gründungszeit der Gemeinschaft, und da ohne den Schwur die Gemeinschaft nicht funktionieren, sich gar nicht erst bilden kann, ist dies auch schlüssig.141 Er wird eingeleitet durch Reminiszenzen, die wieder aus dem schöpfen, was die Ermahnung ausmacht. Die Umkehr zur Tora steht als Wendepunkt eines verfehlten Lebens: Als sichtbares Zeichen der Erwählung ist mit Abraham und mit seinen Nachkommen der Bund mit der Beschneidung geschlossen worden. Hier geht es um den Bund mit den Erzvätern, wie der Kontext nahelegt. Doch nicht das Bundeszeichen, sondern der Bund selbst ist wichtig. Die Erkenntnis Abrahams ist auf die DGemeinschaft zu übertragen, die sich als Träger dieses Bundes sieht. Die durch ‫ אמר‬gekennzeichneten Zitate in Z.7b–8a+10b–11a gliedern den Text in zwei Sinnabschnitte. Sie werden je durch ein Torazitat aus Dtn 23,22– 24 und Num 30,3–16 eingeleitet. Auffällig ist, dass in ihrem Kontext das Gelübde, ‫נ ֶ ֶדר‬,142 in Num 30 zudem das Enthaltungsgelübde, ‫ ִאסָּר‬, den Schwerpunkt bilden, was sich in D nur bedingt widerspiegelt. In Z.7b–12a wird weder das Substantiv noch das entsprechende Verb ‫ נדר‬verwendet. Nun sind aber, wie auch die folgende Analyse zeigen wird, die Parallelen zu Num 30 groß,143 nur dass ‫ נ ֶ ֶדר‬dort 13-mal vorkommt. In D findet es sich an einer ein-

137 Vgl. die Lesung bei García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 620, u. Baumgarten u.a., Damascus Document, 166, Anm. 93: ‫הם‬. (Dazu auch Tov, Text, 78.) 138 CD XVI,12: ‫הו̇א‬. 139 Wie in Num 30,6[2x].9+12 ist ‫ נוא‬als „abhalten“ zu verstehen („wehren“ lt. Elberfelder Bibel). 140 Dazu s.u. 141 Wassen, Women in the DD, 131+136f. Nach ebd., 90–93, sei diesem Teil der innerhalb der (essenischen) Gemeinschaft entstandene Text zur Bundeszeremonie vorangestellt worden. 142 Zum Gelübde s. auch Lev 27,1–29; Num 6,1–21 u. Dtn 12,26–28. 143 Der Kontext ist ein ganz anderer: Num 30 wird narrativ in die Zeit des Einzuges in das Ostjordanland situiert (Num 25–32). Es ist der letzte (Gesetzes)Text vor dem Beginn der Landnahme (Num 31f.). Die Gesetzesblöcke zu den Erbtöchtern (27,1–11), dem Festkalender (28f.) und eben Gelübde und Schwur (30) sind eingebettet in Erzählblöcke: Israels Götzendienst (25), zweite Zählung der Israeliten (26), Einsetzung Josuas zum Nachfolger Moses (27,12–23), Eroberung Midians (31) und Verteilung des Ostjordanlandes (32). Dennoch sollte man nicht übersehen, dass auch Num 30 noch in Lagern stattfindet – und Num 30,17 als Begründung für das Lagerleben, s.o. zu CD VII par., herangezogen wird.

2. Frauen in den D-Texten

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zigen Stelle: in CD VI,15 (par. 4Q266 3 II,21),144 bezogen auf Absonderung, aber hier speziell im Umfeld des Heiligtums (vgl. CD VI,11b–17a). ‫ נדר‬wird nur in CD XVI,13b+18a (par. 4Q271 4 II,13145+16), im Kontext der freiwilligen Gaben für den Tempel, verwendet. Das Nomen ‫ שבועה‬hingegen kommt häufiger, nämlich an insgesamt elf Stellen, vor, wovon vier schon in dieser Perikope auszumachen sind.146 Dieser Häufung diametral steht ‫שׁ ֻבעָה‬ ְ (jeweils defektiv) dreimal in Num 30 gegenüber, nämlich in V.3.11+14, zudem stets zusammen mit ‫ ִאסָּר‬.147 Dieser wiederum ist elfmal in Num 30 – und nur dort – zu finden, aber bloß einmal in CD, nämlich in Kol. XVI,7 (par. 4Q270 6 II,20).148 Dieser bindende Schwur scheint aus Num 30 aufgenommen und für die eigenen Zwecke – nicht modifiziert, aber aktualisiert worden zu sein. Ein Vergleich mit Num 30 ist schon mit Blick auf diese Wortstatistik vielversprechend, umso mehr, wenn man die Zentralbegriffe im Kontext von Num genauer besieht: ‫ נ ֶ ֶדר‬gilt als ein positives Gelübde, wobei es um ein Versprechen JHWH gegenüber geht, dass bei einer bestimmten Leistung eine Gegenleistung erfolgt.149 Demgegenüber ist ‫ ִאסָּר‬von seiner ursprünglichen Bedeutung „binden“ bzw. „fesseln“ her als negatives Gelübde (Verzicht150) oder Enthaltungsgelübde zu verstehen. Als solches ist es bedingungslos, zumal in Verbindung mit ‫שׁ ֻבעָה‬ ְ .151 Ein Gelübde ist stets freiwillig, aber bindend, wenn 144 Lt. Schiffman, Vows, 212, eventuell auch in CD XVI,18. Es gibt keinen Befund in der Gemeinderegel. 145 S.: ‫על משפט הנדב̇ות אל ידור אי֯ ֯ש למזבח מאום אנוס‬. 146 Im Gesetzesteil neben CD XVI,7.10f. in IX,8.12; XV,1.6.8 sowie im Ermahnungsteil in VIII,15 u. XIX,28. 147 S. ‫ ִא סָּר‬in Num 30,3f.5[2x].6.8.11–15. In V.3: ‫שׁ ֻבעָה ֶל ְא ס ֹר ִא סָּר‬ ְ ; V.11: ‫שׁהּ נָ ָד ָרה א ֹו־אָסְרה‬ ָ ‫ִאי‬ ‫שׁ ֻבעָה‬ ְ ‫שׁהּ ִבּ‬ ָ ‫ ִא סָּר עַל־נַ ְפ‬und V.14: ‫שׁ ֻבעַת ִא סָּר‬ ְ ‫כָל־‬. 148 Weitere elfmal in den Qumrantexten; zu 1QS V,8 par. s. Kap. V.1.4.2. 149 Ein charakteristisches Gelübde findet sich z.B. in 1Sam 1f.: Hanna gelobt ihr Kind, wenn sie eines bekommt, JHWH zu weihen. Sie wird schwanger und löst ihr Gelübde ein. Schiffman, Vows, 202, nennt als Beispiel für ein negatives Gelübde Verzicht auf Fleisch. Nach mNed I,1b zählt darunter auch der Verzicht, von etwas zu essen, was einem anderen gehört. In II,1b gilt ein Gelübde von einem Mann, der auf Beischlaf, Reden, Schlafen oder Gehen verzichtet und dies durch einen Schwur besiegelt. 150 Budd, Numbers, 322. 151 Kottsieper, Art. ‫שׁבַע‬ ָ , 984: „Daß mit der Wahl der Wurzel šb‘ bei einem Gelübde dessen unwiderrufliche Gültigkeit konnotiert wird, zeigt Num 30,2–16, wo die Geltung von positiven und negativen Gelübden geregelt wird. Dabei steht für das positive Gelübde durchweg die Wurzel ndr, während für das Enthaltungsgelübde teils šb‘ mit ’sr, teils nur Formen von ’sr gebraucht werden. Es ist kaum ein Zufall, daß die Formulierungen mit šb‘ niph v. 3 bzw. šebȗ‘āh v. 11 nur dort auftreten, wo die Folgerung ist, daß das Gelübde gültig bleibt.“ Kaiser, Art. ‫נָ ַדר‬, 263: „Vom Gelübde ist in der Priestersprache die mittels eines Schwurs, einer šebȗ‘āh, geleistete negative Selbstverpflichtung oder Bindung, ’issār, das Enthaltungsgelübde, zu unterscheiden“. Vgl. außerdem den Randkommentar zu Num 30,2– 17 in der Jewish Study Bible: Fox, Numbers, 343: „Vow and oath obligations differ from each other in that a vow is conditional. It binds the devotee only after God fulfills the re-

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III. Die Damaskus-Texte

ausgesprochen. Es kann im Stillen und ohne Zeugen geäußert werden.152 Der Gemeinschaftsaspekt des Schwurs schließt dies hier schon einmal aus, geht es doch um ein Versprechen, was für die und so auch vor der Gemeinschaft stattfindet. Durch den öffentlichen Akt wird der Bund geschlossen. Die wesentlichen Aussagen aus Num 30 werden in D auf die Gemeinschaftszwecke hin verdichtet. Eine solche Intensivierung ist gleichermaßen mit Dtn 23,22–24 belegt, wo entweder Einhalten oder Verzicht eines geleisteten Gelübdes (‫ )נ ֶ ֶדר‬verlangt wird. 4Q271 4 II,7b–8a nimmt V.24a auf, spitzt es aber durch ‫ להקים‬anstelle von ָ‫ ְו ָעשִׂית‬zu.153 Dabei ist offenbar auf V.24b verzichtet worden, der das Verb ‫ נדר‬enthalten hätte. Dies bildet den ersten Teil des Sinnabschnittes, von dem der zweite, unbedingtes Einhalten, und der dritte, unbedingtes Vermeiden, abhängen. Der Schwur des Mannes in Z.8b bezieht sich wie in Num 30,3 auf das Enthaltungsgelübde (‫)שבועת אסר‬.154 Auch mit ‫ על נפשו‬liegt dieselbe Formulierung vor. Allerdings ist in V.3 auch das Gelübde genannt – insgesamt geht es dort „um alles, was hervorgegangen ist aus seinem Mund“, und vor JHWH zur Verbindlichkeit wird. Überhaupt ist im Qumrantext nicht JHWH, sondern die Tora der direkte Bezug. Beide quested blessing.“ S. z.B. Ri 11,30f. Nach Seebass, Numeri, 3. Tb., 270, ist die Verbindung des Schwurs mit ‫ ִא סָּר‬eine „Selbstverpflichtung […] die sofort für eine jeweils angegebene Zeit in Kraft trat“ (Hervorhebung im Original). „Denn wenn auch Schwüre und Selbstbindungen nicht dasselbe waren […], konnte eine Selbstbindung von einem Schwur begleitet sein, der eine göttliche Sanktion auf die Schwörende bei Nichteinhaltung des Schwurs herabrief“ (s. Seebass, Numeri, 3. Tb., 279). S. weiterhin Stadel, Art. ‫אָסַר‬, 255–258, bes. 257f. S. die Definition von Klein, Beschworene Selbstverpflichtung, 32: „Der Schwur ist eine Erklärung, bei der sich der Erklärende unter Beschwörung einer höheren Instanz persönlich verpflichtet und bindet mit dem Ziel, dem Erklärungsempfänger Gewissheit über das Erklärte zu geben.“ – In Qumran fehlt aus genannten Gründen (s.o.) die beschworene Instanz. Zur Etymologie und Bedeutung von ‫ שבע‬s. ebd., 127–168. Zum Gelübde: 168–175, bes. 174f.: „Beim Gelübde ist aber Gott Adressat des Versprechens, während Gott beim Schwur die beschworene Instanz ist.“ – Der Unterschied zum (konditionierten) Gelübde liege darin, dass die Erfüllung beim Schwur Folge und hier Voraussetzung für eine Handlung ist. 152 Seebass, Numeri, 3. Tb, 270f. 153 Nach Schiffman, Vows, 201, eine Vereindeutigung im Vergleich zum MT. Vgl. Dtn 23,24a: ָ‫שׁמ ֹר ְו ָעשִׂית‬ ְ ‫שׂפָתֶ יָך ִתּ‬ ְ ‫מ ֹוצָא‬. Die beiden Verben in Dtn 23 sind eine Folge des Ausgesprochenen, ebenfalls als 2. Pers. Sg. führt die AK-Konsekutivform den Jussiv fort. In D liegt mit der Infinitivbildung ‫ להקים‬der Fokus stärker auf der Bewahrung des Schwurs, was das Tun mit einschließt (‫ לעשות‬in Z.8). Auch eine Verbindung zu Num 30, speziell V.13: ‫שׂ ָפ ֶתי ָה‬ ְ ‫מ ֹוצָא‬, ist gegeben. In diesem Abschnitt wird größter Wert auf das Erfüllen gelegt, es ist nur folgerichtig, auch hier ‫ קום‬zu verwenden. Vgl. neben Schiffman auch Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 41, Anm. 134, die einen sehr späten Beleg aus dem Targum Pseudo-Jonathan für diese Konstruktion nennen. Schiffman, Art. Oaths and vows, 622, schließt allerdings nicht aus, dass das Gelübde in dieser D-Stelle ebf. angesprochen ist, weil eben beides in Dtn 23,24 (ebenso in Num 30,4–9) eine Rolle spielt. 154 Wobei der gleiche Wortlaut in Num 30,14 vorliegt.

2. Frauen in den D-Texten

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Male ist der Schwur gültig, in D allerdings verstärkt durch die Bindung bis in den Tod. Es gibt nichts, womit der Mann sich auslösen könnte, sein ganzes Leben hängt daran.155 Gleiches gilt, wenn er gegen die Tora handelt. Dieser Parallelismus findet sich in Num 30,3 nicht. Beide Male geht es um die Tora, nur im ersten Fall um unbedingtes Einhalten, im zweiten hingegen um unbedingtes Vermeiden.156 Weiterhin werden in Num 30,3 bei dem Mann die Bestimmungen zu Gelübde und Schwur in einem Vers geklärt, während sie bei der Frau sehr viel umfangreicher sind. Doch wird darin genauso seine Verantwortung als Ehemann und Vater zum Ausdruck gebracht. Die Eidesleistungen der Frau sind in Num 30,4–17 klar nach ihren Lebensstationen gegliedert. In V.4–6 ist viermal und stets zusammen von einem Gelübde (‫ )נ ֶ ֶדר‬und einem Enthaltungsgelübde (‫ ) ִאסָּר‬der Frau, die noch unter der Obhut ihres Vaters steht, die Rede. Was sie auf sich (‫ )עַל־נ ַ ְפשָׁהּ‬nimmt, ist nur bindend, wenn er davon erfährt und nichts dagegen einwendet. Verwehrt er sich (hif. ‫ )נוא‬jedoch, ist ihr Gelübde hinfällig. Genauso ist das Recht ihres Mannes, wenn sie vor ihrer Ehe ein Gelübde abgelegt hat (s. V.7–9). Auch in V.11–16 liegt dieser Ablauf zugrunde.157 Allerdings geht es nun um ihr Versprechen als Ehefrau, was bedeutet, dass sie nicht nur Gelübde, sondern auch ein Enthaltungsgelübde durch einen Schwur auf sich nehmen kann (vgl. V.11), wobei es aber auf dieses spezielle Gelübde beschränkt bleibt.158 Bis auf die explizite Nennung des Schwurs wird darauf in erst V.12f. wieder

155 Von einer Todesstrafe ist nicht auszugehen (vgl. Schiffman, Vows, 202), wobei dem gleichkommend der Ausschluss aus der Gemeinschaft ist. Baumgarten, DJD 18, 157, denkt dies mit Jos.Bell 2,143f. weiter: Demnach dürfen die Essener, nach einem Ausschluss an ihre Eide gebunden, keine Nahrung von jenen außerhalb ihrer Gemeinschaft annehmen. Im Angesicht des Todes sei es jedoch möglich, dass der Ausgestoßene wieder aufgenommen werde, da er genug gebüßt habe. Weiterhin verweist er auf bNed 28a, wo im Gegensatz zu D die Aufhebung eines Schwures möglich ist. Laut mChag I,8 gibt es für die Aufhebung eines Gelübdes keinen Schriftbeleg. Die Aufhebung eines Schwurs und Gelübdes ist im Hause Hillels, des Gelübdes nur im Hause Schammais erlaubt (s. Schiffman, Vows, 202f.; Art. Oaths and vows, 622). In dieser strengeren Auffassung des Schwurs im Hause Schammais hat sich die D-Auslegung womöglich erhalten, konnte sich aber auf lange Sicht nicht gegen das Haus Hillels behaupten (vgl. Krupp, Mischna, 95f.). S. außerdem Kaiser, Art. ‫נָ ַדר‬, 274. 156 Vgl. Schiffman, Vows, 203. 157 V.10 regelt das Recht einer Witwe und Geschiedenen: Das Gelübde und „alles, was sie auf sich bindet“, bleibt bestehen, da es keinen Mann gibt, der es lösen könnte (vgl. dazu Wassen, Women in the DD, 92). Anders als 11Q19 LIV,4f. wird die Witwe im D-Kontext ausgelassen, vielleicht weil sie wie eine Geschiedene als „independent legal entity“ gilt (so Heger, Women in the Bible, 41+45); vielleicht aber auch, weil man sich ihrer Reinheit und so Heiligkeit nicht sicher sein kann – s. dazu unten (4Q271 3,10b–12a). S. noch Seebass, Numeri, 3. Tb, 279. 158 S. Levine, Numbers 21–36, 436, ist die einzige ausdrückliche Stelle im Tanach, in der eine Frau einen Schwur auf sich nimmt, jene beim Sota-Ritual (s.u.).

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III. Die Damaskus-Texte

Bezug genommen, und zwar in Form von Bestätigungs- und Aufhebungsrecht des Mannes, nur mit stärkerem Nachdruck als in den Fällen zuvor.159 In Num 30,14 wird dann zusammenfassend gesagt, dass jedes Gelübde und jeder Schwur eines Enthaltungsgelübdes von ihrem Mann angenommen oder aufgehoben werden kann. Es hängt allein von ihm ab, was in V.15f. nochmals bestätigt wird. Insgesamt wichtig ist die Terminierung: „an dem Tag, als er es hört“ (V.6.8.9.13.15; vgl. V.16), soll er entsprechend handeln. Möglicherweise ist der Frau damit ein großer Spielraum gegeben, da weder Vater noch Mann etwas gegen ihr Gelübde unternehmen können, wenn sie keine Kenntnis davon haben. Jedoch sollte auch ihr Einschreiten unter dem Aspekt der Einlösung des Gelübdes gesehen werden: Bedeutete die Gegenleistung für die erfüllte Leistung nämlich einen höheren Vermögensverlust, war der Mann schon um der Familie – des ganzen Hauses – willen verpflichtet, etwas dagegen zu unternehmen. Num 30,15 macht doch offenbar, dass dem Mann das letzte Wort zukommt. Jedoch wird nichts gegen ein (bindendes) Gelübde formuliert, das die Frau selbst tragen und somit selbst einlösen könnte.160 Anders in 4Q271 4 II,10b–12 par.: Die Schwurbestimmungen zur Frau folgen in Quantität und Aufbau, nicht aber im Inhalt, der des Mannes zuvor. Verwarnt zwar das Torazitat (Dtn 23,24a) den Mann und appelliert an seine Aufrichtigkeit, so bleibt er doch für sich selbst verantwortlich. Anders verhält es sich im Abschnitt der Frau mit dem Toraverweis (Num 30), der Grundlage für eine Konzession sowie unbedingtes Auflösung wird. D.h. es gibt sowohl das Zugeständnis des Schwurrechtes für die Frau als auch die Verpflichtung für den Mann, den Schwur zu lösen. Allerdings ist trotz des Zusammenhangs mit Num 30 das Eingangszitat keinem Vers direkt zuzuordnen. Es ist eher eine sinngemäße, verkürzte Wiedergabe von Num 30,7–14(.16),161 dessen Gliederung und Ablauf der D-Text in keiner Weise folgt. Überhaupt ist die Konzeption nicht chronologisch nach den Altersstufen der Frau geordnet. Denn hier wird gleich auf die Ehefrau Bezug genommen (Z.10b). Die dreimal explizit genannte ‫ שבועה‬steht jedes Mal in Verbindung mit ihrem Mann und seiner Befugnis über sie. Auch obliegt das Verhindern oder Bestätigen des Schwures ihm. Die Dichte der Ver159

Vgl. dazu in V.12 den Hinweis, dass „er ihr nicht wehrt“ (‫ )ֹלא ֵהנִיא א ֹ ָתהּ‬und in V.13a die Figura etymologica (‫) ָהפֵר יָפֵר‬, so auch in V.15f. 160 Vgl. Seebass, Numeri, 3. Tb, 273–275+280–282. S. auch Budd, Numbers, 324. 161 In García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 565, wird der Bezug auf Num 30,7 und von Vermes, Complete DSS, 139, auf Num 30,9 hergestellt. Maier, Texte I, 32 Anm. 139, nach dem „offenbar nicht der Pentateuchtext zugrunde“ liegt, ist zu Recht vorsichtiger. Oder verkürzt mit Wassen, Women in the DD, 91: „In spite of the citation formula, no exact biblical parallel is known. Possibly the formula refers not to a specific passage, but to the substance of the law in Num 30: 6–15.“ Es steht zwar in Num 30,7 ‫ ְל ִאישׁ‬und in V.9 ‫שׁהּ‬ ָ ‫ִאי‬ (vgl. ‫ לא ]י[שה‬in CD XVI,10 par.) mit ‫( י ָנִיא‬nicht der Infinitiv wie in Z.10), jedoch nicht in einer Reihe mit ‫שׁבוּעָה‬ ְ (s. Z.10 mit V.11+14).

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wendung von ‫ נוא‬im Vergleich zu Num 30 ist bemerkenswert: Das Verhindern ist in V.6 (2x) die Aufgabe des Vaters, in V.9+12 die des Mannes – in 4Q271 4 II ist es viermal und in relativ kurzen Abständen auf den Ehemann bezogen.162 Auch die Verwendung von ‫( קום‬hif.), das Aufstellen (des Schwurs), innerhalb des D-Abschnittes ist interessant, da es nur zweimal in Z.10b–12 auf die Frau, und nur implizit, hingegen viermal auf ihren Mann bezogen (Z.7–9) ist.163 Dies nimmt unmittelbar auf die Ausführungen aus CD XV Bezug: der Schwur, der aufgestellt wird, um Teil der Gemeinschaft zu sein (s. Z.6b u. 12a). In Num 30 ist die Gültigkeit von Gelübde oder Schwur eines Enthaltungsgelübdes der Frau stets von ihrem Vater oder Ehemann zu bestätigen (V.5f.8.10+12f.), D jedoch beschreibt eine andere Situation. Die Intention von D liegt auf der Bewahrung des Schwurs. Seine Unbedingtheit und seine Folgen werden hervorgehoben. Die in Num 30 angeschnittenen Lebensumstände interessieren an dieser Stelle nicht. Aber wie in Num 30 kommt dem Mann die Aufgabe zu, über seine Frau zu wachen, mit besonderem Blick auf den Schwur. Jedoch ist im Vergleich zu Num 30,11–16 eine Einschränkung auszumachen: Wenn der Mann den Schwur seiner Frau verhindern will, muss er Zweifel an dessen Erfüllung hegen (vgl. Z.11b– 12a).164 Auf diese Weise wird die Bedeutung des Schwurs noch weiter hervorgehoben. Nach den vorherigen Ausführungen ist es sogar folgerichtig: Es sind absolut keine Fehler erlaubt und daher kann dem Mann nicht die volle Kompetenz zur Auflösung ihres Schwurs gegeben werden. Der Schwur ist das Mittel zum Zweck, er gilt zur Konstituierung des neuen Bundes durch die Rückwendung zur Tora. Wenn der Schwur der Frau also zum Bruch dieses Bundes führen würde, wäre die Grundlage der Gemeinschaft gestört und vielleicht sogar ein dauerhafter Ausschluss zu fürchten, da die hier geschilderte Gemeinschaft nur funktioniert, wenn sie den gleichen Prinzipien folgt und sich strikt an das hält, weswegen sie sich formiert hat. Das bedeutet allerdings nicht eine Stärkung der Rechte der Frau, sondern eine strenge Fokussierung auf die Regeln, die die Gemeinschaft in D konstituieren. Doch ist es der Frau erlaubt, zu schwören. Dass es sich hier um den Eintrittsschwur handelt, lässt sich nur aus dem Kontext ablesen – die Vorsicht, die man beim Schwur walten lassen soll, spricht aber dafür, dass er außerhalb der Aufnahmereglungen zu vermeiden ist. 162 Im Tanach kommt ‫ נוא‬8x und nur im hif. vor (vgl. Num 30,6[2x].9+12). Als Gegenteil von „bestätigen“ (hif. ‫קום‬, vgl. Num 30,14.15[2x]), wie Maier, Texte I, 32, es mit „aufheben“ übersetzt, wäre nach Num 30,9.13f.16 aber ‫( פרר‬hif.) zu erwarten. Allerdings steht es zusammen mit ‫ נוא‬in V.9, wonach die Abwehr des Gelübdes der Frau dem Aufheben vorangeht, oder gar gleichkommt. Nach V.6 reicht das Verhindern. Somit ist ‫ פרר‬als Resultat zu verstehen, das nur nochmals feststellt, was schon längst geschehen ist. 163 Obwohl die zwei Infinitive von ‫ נוא‬und ‫ קום‬in Z.11 auf den Schwur selbst zu beziehen sind, bleibt der Mann der erste Adressat. 164 Zum Verhältnis zu mNed XI,1 kritisch: Schiffman, Vows, 204.

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III. Die Damaskus-Texte

Es bleibt dennoch die Frage, ob mögliche Willkür an der Frau verhindert oder ihre Rechte herausgestellt werden sollen. Denn gesetzt den Fall, dass sie vom Bund abkommt, ist der Auftrag des Mannes eindeutig formuliert (vgl. Z.12b): Er soll ihren Schwur aufheben. Wie der Mann beides einschätzt, wird nicht dargelegt. Positiv kann man natürlich verstehen, dass die Frau verantwortlich ist für jeden bindenden Schwur (obwohl dieser nicht explizit genannt wird), solange sie sich an die Tora hält, die ja gleichzeitig Grundlage des Bundes ist. Und das gäbe ihr einen nicht geringen Handlungsspielraum. Dazu passend zieht Lawrence Schiffman die Möglichkeit in Erwägung, ‫ ידענה‬in Z.11b als hif. zu lesen, womit sich ergäbe: „Nicht verhindere der Mann den Schwur, von dem er nicht mitgeteilt hat, ob er geltend zu machen oder (12a) zu verhindern ist.“ Er wäre also der Vorschrift unterworfen, seine Frau über sein Vorhaben des Widerrufs zu informieren. Gleichzeitig sei es ihm verboten, sie anzulügen, also eine Annullierung zu behaupten, die nicht geschehen ist.165 Der Nachsatz in Z.12b bestätigt, dass für die Töchter dasselbe gilt wie für die Ehefrauen. Die väterliche Unterordnung ist allerdings nicht so hervorgehoben wie die eheliche,166 was auf einen größeren Anteil erwachsener und verheirateter Frauen, und somit auf Beitritt durch Heirat hindeutet. In diesem Fall ist es auch eher notwendig, ihnen die Regeln darzulegen als den Töchtern, was der Ehemann, der ja auch gleichzeitig ein Vater ist, automatisch (und von klein auf) – wie auch bei den Söhnen – übernimmt. Zudem sollte ein bestimmtes Alter für diesen Schwur vorausgesetzt werden, womit ebenfalls erwachsene bzw. heiratsfähige Frauen im Mittelpunkt stehen.167 Demnach leisten Kinder den Schwur erst ab einem bestimmten Alter.168 Es ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Zugehörigkeit zur Gemeinschaft durch Heirat bzw. Geburt und der Aufnahme selbst durch den Schwur. Da der Fokus stets auf der Gemeinschaft liegt, in die die Ehefrau selbstverständlich gehört und deren Aufnahmeregeln sie sich genauso beugen muss wie jeder männliche Beitretende, sollte auch von einen ähnlichen Mitgliedstatus ausgegangen werden. Grossman sieht diesen Abschnitt unter „deuteronomisch-androzentrischem“ und gleichzeitig „inklusivem“ Bundesverständnis: Frauen haben als am Bund Partizipierende das Recht zu schwören. Allerdings sind sie nicht wie die Männer unabhängige Mitglieder der Gemeinschaft. Sie bleiben vom Mann abhängig, der für sie verantwortlich ist – was

165

Schiffman, Vows, 204, mit Verweis auf Sifre Zuta zu Num 30,6 und Sifre Be-Midbar 153 (Anm. 25). 166 Zum Verhältnis zum Vater s. Heger, Women in the Bible, 113–130. 167 Vgl. Schiffman, Art. Oaths and vows, 621; Heger, Women in the Bible, 210 mit Anm. 98. 168 Nach den Ausschlusskriterien – s.o. und Kap. V.2.2.1.

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das Lösen ihres Schwurs beweist. Das Gleiche ist dann auch über die Töchter zu sagen.169 Gender-inklusiv und vom hier besprochenen Text ausgehend lässt sich schließen, dass die Frau den Schwur zum Eintritt leistet. Aber für seine Gültigkeit bürgt ihr Mann. Er muss entscheiden, ob ihr Schwur zum Brechen des Bundes führen könnte („bis zum Preis des Todes“; wie in Num 30 trägt er ihre Schuld). Da er den Schwur der Frau mit trägt, würde ihre Verfehlung auf ihn zurückfallen. Das bedeutet, dass schon zu seinem eigenen Schutz, ebenso für die Aufnahme in die Gemeinschaft, sie abhängig von seiner Verifizierung bzw. von seiner Zusage ist. Versucht man also, ihren Mitgliedsstatus zu bestimmen, so ist er definitiv nicht von gleicher Güte wie der des Mannes. In dem Abschnitt wird allerdings auch nicht die Frage nach der Gleichberechtigung der Frau gestellt, was zugleich generell für die D-Texte gilt. Vielmehr steht hier die Gemeinschaft mit ihren Richtlinien im Mittelpunkt.170 2.2.2 Der Schwur im Alltag Der Übergang von CD XVI zu IX ist mit 4Q266 8 I+II par. 270 6 III fließend. Nach einer kurzen Ausführung über Zorn und Rache (IX,2–8a) folgt ein neuer Absatz über den Schwur (vgl. 1Sam 25,26), wiederum um das Gemeinschaftsleben zu regeln (Z.8b–12). Gleich darauf ist in Z.13f. (par 4Q266 8 II,8f.; 270 6 III,26a) ein Abschnitt zum Gelübde in einem Zitat von Lev 27,29 eingebettet in die freiwilligen Gaben (Z.13–16) – ob für den Tempel, wird nicht explizit gesagt, ist aber zu vermuten. Erneut wird auch der Aufseher erwähnt, der wiederum als oberste Instanz (s. Z.16b–22a) über die Lager (vgl. 4Q266 7 III) angegeben wird. Die Schwurthematik wird mit anderer Konnotation in Kol. IX fortgesetzt, in der nun der Schwur (Z.8b+12a) und das Schwören (9b+11b) im Bezug zu Besitz stehen: Außerhalb jeder Gerichtsbarkeit die Hand zum Schwur zu erheben, wird kritisch gesehen; weniger problematisch ist es für den Finder gestohlenen Besitzes, der schwören soll, dass nicht er gestohlen hat (par. 4Q267 9 I,4–8; vgl. auch Ex 22,10).171 Neben der speziellen Situation der Aufnahme 169

Grossman, Reading for Gender, 226f. Vgl. Wassen, Women in the DD, 136–138. Da ist es passend, wenn Ilan, Women in Qumran and the DSS, 137, meint, dass man sich in D stets für „sectarian loyalty“ entscheide; s. bereits dies., Integrating Women, 42. 171 CD IX,8b–9a par.: „er sagte: Nicht helfe dir deine Hand gegen dich.“ Diese Zeilen zeigen ein Schriftzitat an, dass im Tanach so nicht nachweisbar ist. Das spricht entweder für eine andere Überlieferung oder einen nicht kanonisierten und nicht bekannten Text, in jedem Fall aber für autoritative Schriften, die von der D-Gemeinschaft genutzt wurden. Eine mögliche Parallele findet sich in 1Sam 25,31, wo David Abigajil dankt, dass sie ihn von Blutschuld abgehalten hat: „Gesegnet seist du, weil du mich abgehalten hast […], mir mit meiner Hand zu helfen.“ Noch stärker tritt dies in Ri 7,2 hervor: JHWH hält Gideon an, seine Truppenzahl zu minimieren, damit Israel nicht sage: „Meine Hand hat mich gerettet.“ Es geht jeweils darum, vorschnelles und unbedachtes Handeln zu vermeiden. Ähnlich 170

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gilt auch im Alltag ein besonderes Bewusstsein bezüglich des Schwörens innerhalb der Gemeinschaft. Zugleich zeigt sich eine gewisse Logik innerhalb der Kolumnenfolge: die Bedeutung des Schwurs im Verständnis der Tora, die Notwendigkeit für den Eintritt in die Gemeinschaft, die Unbedingtheit für jeden Einzelnen und die Vorsicht, die stets geboten ist. Zuletzt findet er sich in bestimmten Situationen, die aber bereits das Leben nach der Aufnahme thematisieren. Darauf folgen weitere gesetzliche Bestimmungen, die ebenfalls ein Zusammenleben unter strikter Toraobservanz bezeugen. 2.2.3 Verunreinigung durch die Frau Unter den Vorschriften über die Richter und Reinigung nehmen jene zum Sabbat den größten Raum ein (s. CD X,1–XII,1a; vgl. par. 4Q270 6 V; 271 5 I). Teil dieser Sabbatbestimmungen ist, dass eine vertrauenswürdige Person, womöglich eine Amme (‫)האומן‬, nicht einen Säugling tragen soll, „um hineinoder hinauszugehen“ (XII,11b).172 Ebenso wenig solle man den Sklaven oder die Sklavin verbittern (XII,12). Zuletzt gibt es Reinheitsvorschriften für jene, die das Sabbatopfer darbringen (vgl. Z.17b–23). Direkt darauf folgt ein erneuter Abschnitt über Verunreinigung des Heiligtums bzw. die Stadt des Heiligtums. 4Q271 5 I,17b–18a; par. CD XII,1b–2a173 ‫ אל [ ישכב איש עם אשה בעיר המקדש‬Nicht] liege ein Mann bei einer Frau in der Stadt des ‫ ]המקדש בנדתם‬18a [‫ לטמא את ]עיר‬Heiligtums, um zu verunreinigen die [Stadt] 18a des Heiligtums mit ihrer (pl.) Niddah.

Ist die Verunreinigung des Heiligtums bereits als eines der drei Netze des Belial thematisiert worden (s.o.), so findet sich nun eine Zuspitzung, die offenbar ganz Jerusalem beinhaltet.174 Nach den Standards heiliger Vollkommenheit wäre es nicht unlogisch, dass Reinheitsvorschriften nicht nur den Tempel, sondern gleich die ganze Stadt umfassen. Es scheint so, als ob in Gen 14,22, nur dass hier Abram einem möglichen unachtsamen Akt mit einem Schwur JHWHs zuvorkommt – und dafür seine Hand erhebt (s. dazu auch Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 43, Anm. 43; Baumgarten, DJD 18, 106). Vgl. auch Lev 5,20– 26 sowie CD XV,3 mit Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 37, Anm. 127. S. noch die Strafbestimmung in 1QS VI,27b: ‫[„ – ]והו [שיעה ידו לוא ונ} ֯א{נעש שנה אח̇]ת‬und hi]lft ihm seine Hand, so werde er bestraft für ein einzi[ges] Jahr“ – nach Maier, Texte I, 184, im Sinne der Selbstjustiz (Anm. 471). 172 S. ausführlich Wassen, Women in the DD, 53–58. 173 Baumgarten, DJD 18, 180–182. Ders. u.a., Damascus Document, 170f. Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 50f. García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 570f.+ 622f.; Parry / Tov, DSS Reader, 100f.+200f.; Broshi, The DD Reconsidered, 32f. 174 Vgl. zur Diskussion Hempel, Laws of the DD, 156 mit Anm. 9, die eine Beeinflussung durch 11Q19 XLV–XLVII für möglich hält.

2. Frauen in den D-Texten

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grundsätzlich Geschlechtsverkehr in Jerusalem verboten war, was jedoch de facto bedeutet, dass kein verheiratetes Paar der D-Gemeinschaft in der Stadt leben konnte. Daher ist wohl eher von dem Tempelbezirk, vielleicht auch der weiteren Umgebung desselben, auszugehen.175 Bereits in CD III,17b wird ermahnt, sich nicht „in Vergehen der Menschen und in Wegen der Niddah“ zu wälzen (‫)והם התגוללו בפ̇שע אנוש ובדרכי נדה‬.176 Sehr viel häufiger jedoch als in CD wird ‫ נדה‬in 4QD behandelt, was zeigt, dass die Konzentration auf Reinheit der D-Gemeinschaft wichtiger gewesen ist als den Tradenten des in der Geniza gefundenen Textes.177 Im Tanach wird Niddah zumeist zur Bezeichnung der Menstruationsunreinheit der Frau verwendet, kann jedoch auch allgemein für Unreinheit stehen.178 In 4Q266 6 II ist die Unreinheit der Frau näher beschrieben (s.u.), jedoch auch, dass im Falle des Beischlafs mit einer menstruierenden Frau ihre Unreinheit auf den Mann übergeht (Z.1b–2a).179 Vermutlich ähnlichen Inhalts ist 4Q273 5, wonach sich ein Mann der Frau in ihrem Blutfluss nicht nähern soll, was aber nicht eindeutig zu erkennen ist.180 In 4Q271 5 I par. ist der Kontext der Tempel und es wird ganz ausdrücklich ‫ נדתם‬formuliert, was explizit das Ehepaar betrifft. Nicht wie in der Tempelrolle 11Q19 XLV,11–12a, worauf D womöglich rekurriert,181 ist es hier der Samen des Mannes, der ihn für drei Tage verunreinigt und so den Aufenthalt im Tempel verbietet, sondern der Geschlechtsverkehr mit einer Frau

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Vgl. Schiffman, Women in the Scrolls, 131, Wassen, Women in the DD, 97–102. Für Fabry, Art. ‫ נִ ָדּה‬niddāh IV, 253, ist in CD III,17b Unreinheit auf anthropologischer, in XII,2a aber auf ethisch-moralischer Ebene gemeint. 177 Vgl. neben CD III,17: Wege der Niddah, auch II,1: ihre Taten der Niddah (par. 4Q266 2 II,1) gegen XII,2 (par. 4Q271 5 I,18a – da aber rekonstruiert), 4Q266 6 II,2.3.6+8 (s.u.); 6 III,2 (Wasser der Niddah); 4Q269 8 II,5 mit par. 4Q271 2,12 (Wasser der Niddah); 4Q272 1 II,8.9+15 (nicht erhaltener weiterer Text, der auf 4Q266 6 I folgen würde: eine Frau in siebentägiger Unreinheit durch Niddah; in Z.9 bei García Martínez / Tigchelaar, DSS I 624, nicht rekonstruiert). S. 4Q269 8 II,5 mit par. 4Q271 2,12 (allerdings von jemanden ausgeführt, der das Alter des Heeresdienstes [der Musterung] erreicht hat – ebenso in 4Q277). In welchem Kontext das Wasser der Niddah in 4Q266 6 III,2 steht, ist unklar – das Syntagma ist nicht, dafür aber Kontext belegt in 4Q267 6 und 270 3 II. S. Maier, Texte II, 226. S. weiter Kap. V.2.1. 177 Belegt auch in 4Q276. 178 Milgrom / Wright, Art. niddāh II, 252. Loader, The DSS on Sexuality, 348–351+388. 179 In 4Q272 1 II,3 wird Unreinheit durch Ausfluss thematisiert (vgl. Lev 15). 180 García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 626, rekonstruieren ‫ האשה‬in Z.4b, was Maier, Texte II, 233, jedoch offen lässt. Letztlich ist nur der Artikel eindeutig auszumachen und ‫ האשה‬die plausibelste Rekonstruktion; vgl. Baumgarten, DJD 18, 197 mit Tfl. XLII (5). Zu 4Q272 1 II,7–11 und 4Q266 6 II,2–4 vgl. Schiffman, Laws Pertaining to Women and Sexuality, 553–556; zu 4Q266 6 II,1f.+9f. s. ebd., 556f.+557–559. Für 4Q272 1 II,3–7 par. 4Q266 6 I,14–16 vgl. ebd., 551–553. 181 S. Hempel, Laws of the DD, 156. 176

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III. Die Damaskus-Texte

während ihrer Periode, die beide verunreinigt.182 Ohnehin sollte der Geschlechtsakt während der Periode einer Frau vermieden werden. Insofern setzt der Text die als Netz des Belial bezeichnete Verunreinigung des Heiligtums aus CD V,6b–7a (s.o.) fort und verknüpft gleichzeitig Ermahnung und Gesetze.183 CD XII,1b–2a steht zwischen der zwei Kolumnen umfassenden Sabbathalacha und den Strafbestimmungen, die auch das Entweihen des Sabbat und der Feste umfassen (XII,2b–6a). Daher ist es durchaus möglich, das Verbot der Verunreinigung des Heiligtums nur auf den Sabbat bzw. die Darbringung des Sabbatopfers zu beziehen.184 Dies kann eine frühere Regelung sein, die bei zunehmender Distanzierung vom Heiligtum obsolet wurde. Doch ein grundlegendes Sexualverbot scheint im Kontext der D-Texte nicht wahrscheinlich. Für die D-Gemeinschaft hat die strikte Vermeidung der Niddah eine konstitutive Bedeutung, was immerwährende Vorsicht verlangt. Lev 12 und 15 aufnehmend, setzt 4Q266 6 II nochmals eigene Akzente im Umgang mit der Unreinheit der Frau. 4Q266 6 II185

‫]אשר‬

[ ‫[ ] [ה א̇ ֯ה ֯א ֯ש]ה‬ ‫ ]אליה ע[ון נדה עלו‬2 [

] ] ‫י [ק ֯̇ר ֯ב‬

‫ ]נדתה[ שבעת‬3 [ ‫ואם ראתה ]עו[ד̇ והיאה לו ]בעת‬ ‫ימים‬

‫המקדש עד‬ ֯ ‫ ֯א ֯ל‬4 [‫ואל ֯ת]בו‬ ֯ ‫והיאה אל תוכל קודש‬ ‫בו השמש ביום ֯השמיני‬ ̇‫אשר ]תזרי [ ֯ע וילדה זכר ]וטמאה א[ת‬ ֯ ‫ ואשה‬5 ‫דת ]דאותה‬ ֯ ֯‫ ]כ[י֯ ]מי[ נ‬6 [‫שבעת ]הימים‬ [‫לת ]ו‬ ֯ ‫וביום השמיני ימול בשר[ ֯ע ֯ר‬ ‫ ]ושלושת ושלושים יום תשב בדם טוהרה ואם‬7 ‫ ]וטמאה שבועים כנדת ד[אותה‬8 [‫נקבה תלד‬ ‫ ]טוהרה‬9 [‫ו֯ ]ששה וששים יום תשב בדם‬

Lev 15,24+19+25 und 12,1–8 ‫שׁכַּב ִאישׁ א ֹ ָתהּ וּ ְתהִי נִדָּ ָתהּ ָע לָיו ְו ָטמֵא‬ ְ ִ ‫שׁכ ֹב י‬ ָ ‫ ְו ִאם‬24 ‫שׁ כַּב ָעלָיו י ִ ְטמָא‬ ְ ִ ‫שׁר־י‬ ֶ ‫שׁ כָּב ֲא‬ ְ ‫שׁ ְבעַת י ָ ִמים ְוכָל־ ַה ִמּ‬ ִ ‫ ְו ֶאל־ ִאשָּׁה ְבּ נִדַּ ת ֻטמְאָ ָתהּ ֹל֣ א תִ ְק ַרב ְלגַֹּלות ע ְֶר ָו ָתהּ‬19 ‫שׂ ָר ֵאל‬ ְ ִ ‫ ַדּבֵּר ֶאל־ ְבּ נֵי י‬2a ‫ ַוי ְ ַדבֵּר י ְהוָה ֶא ל־מֹשֶׁה לֵּאמ ֹר‬1 ‫לֵאמ ֹר‬ ‫שּׁה כִּי־י ָזוּב ז ֹוב ָדּ ָמהּ י ָ ִמים ַרבִּים בְֹּלא עֶת־נִדָּ ָתהּ‬ ָ ‫ ְו ִא‬25 ‫א ֹו כִי־ ָתזוּב עַל־נִדָּ ָתהּ כָּל־יְמֵי ז ֹוב ֻט ְמאָ ָתהּ כִּי ֵמי נִדָּ ָתהּ‬ ‫ִתּ ְהי ֶה ְט ֵמאָה הִוא‬ ‫ ְבּ כָל־ק ֹ ֶדשׁ ֹלא־תִ גָּע ְו ֶא ל־ ַה ִמּ ְק ָדּשׁ ֹלא ָתב ֹא עַד־ ְמֹלאת‬4b ‫י ְ ֵמי ָטה ֳָרהּ‬ ‫שׁ ְבעַת י ָ ִמים כִּימֵי‬ ִ ‫שּׁה כִּי ַתז ְִרי ַע ְוי ָ ְל ָדה ז ָכָר וְטָ ֽ ְמאָה‬ ָ ‫ ִא‬2b ‫נִדַּ ת דְּ וֹ ָתהּ ִתּ ְטמָא‬ ‫שּׁ ִמינִי י ִמּ ֹול ְבּשַׂר ע ְָרלָת ֹו‬ ְ ‫ וּבַיּ ֹום ַה‬3 ‫שׁב ִבּ ְד ֵמי ָטה ֳָרה‬ ֵ ‫שׁת י ָ ִמים ֵתּ‬ ֶ ‫שׁ ֹל‬ ְ ‫שׁים י ֹום וּ‬ ִ ‫שׁ ֹל‬ ְ ‫ וּ‬4a ‫שּׁים י ֹום‬ ִ ‫שׁ‬ ִ ‫שׁ ֻב ַעי ִם ְכּנִדָּ ָתהּ ְו‬ ְ ‫ ְו ִאם־נְ ֵקבָה תֵ לֵד ְו ָט ְמאָה‬5 ‫שׁת י ָ ִמים ֵתּשֵׁב עַל־ ְדּמֵי ָטה ֳָרה‬ ֶ ‫שׁ‬ ֵ ‫ְו‬

182 Vgl.: ‫ואיש כיא ישכב עם אשתו שכבת זרע לוא יבוא אל כול עיר המקדש אשר אשכין שמי בה ש̇לושת‬ ‫ימים‬. „Und ein Mann – wenn er liegt bei seiner Frau, um zu legen den Samen, soll er nicht hineingehen in jeden (Teil?) der Stadt des Heiligtums, in der ich meinen Namen wohnen lasse, drei Tage lang.“ (11Q19 XLV,11–12a) 183 Wacholder, The new Damascus Document, 201, liest CD V,6b–7a bezogen auf 4Q271 5 I,17b–18a; par. CD XII,1b–2a als Verkehr im Heiligtum; zu 4Q270 7 I s.u. 184 Vgl. Doering, Schabbat, 126f.+174f. S. insg. zur Sabbathalacha in den Qumrantexten ebd., 119–282. 185 Baumgarten, DJD 18, 55–57; ders. u.a., Damascus Document, 40–43; García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 588–591; Parry / Tov, DSS Reader, 132f.

2. Frauen in den D-Texten [ ‫והיאה [ לא תוכ̇ל ]קודש ולא תבו אל המקדש‬ 11 [ ‫תתן את‬ ‫ ]כי מ[שפט מות הו̇ ]אה‬10 [ ‫]הי[לד למנקת בטוה ]רה‬

‫ ]ו[אם לו֯ ֯א השיגה יד ]ה די שה ולקחה בן יונה‬12 [‫או תר לעולה‬

[ ] Die Fra[u] … [der er] sich nähert186 [ ] 2 [zu ihr] (nimmt die) [Sch]uld der Niddah auf sich.

Und wenn sie sieht [weit]er (ihr Blut)187, aber sie ist nicht [in der Zeit] 3 [ihrer Niddah] sieben Tage lang (vgl. Lev 15,28)

soll sie, sie, nicht Heiliges essen und nicht gehen 4 zum Heiligtum bis zum Untergang der Sonne am achten Tag. 5 Und eine Frau, die [empfän]gt und gebiert ein Männliches, [ist unrein] sieben [Tage lang] 6 [wie in den] Ta[gen] der Niddah ihres Menstruierens. [Und am achten Tag wird beschnitten das Fleisch] [seiner] Vorhaut. 7 [Und dreiunddreißig Tage lang bleibt sie im Blut der Reinigung.188 Und wenn sie ein Weibliches gebiert,] 8 [dann sie ist unrein zweimal sieben Tage lang gemäß der Niddah ihres Men]struierens und

137

‫ ְבּ כָל־ק ֹ ֶדשׁ ֹלא־תִ גָּע ְו ֶאל־ ַה ִמּ ְק ָדּשׁ ֹלא ָתב ֹא עַד־ ְמֹלאת‬4b ‫י ְ ֵמי ָטה ֳָרהּ‬ ‫שׁ נָת ֹו‬ ְ ‫ וּ ִב ְמֹלאת יְמֵי ָטה ֳָרהּ ְלבֵן א ֹו ְלבַת ָתּבִיא ֶכּבֶשׂ בֶּן־‬6 ‫לְעֹלָה וּבֶן־י ֹונָה א ֹו־ת ֹר ְל ַחטָּאת ֶא ל־ ֶפּ ַתח אֹהֶל־מ ֹועֵד‬ ‫ ְו ִה ק ְִריב ֹו ִל ְפנֵי י ְהוָה ְו ִכפֶּר ָעלֶי ָה ְו ָטה ֲָרה‬7 ‫ֶא ל־הַכֹּהֵן‬ ‫ִמ ְמּ ק ֹר ָדּ ֶמי ָה ז ֹאת תּ ַֹורת הַיֹּלֶדֶ ת ַלזּ ָכָר א ֹו ַל נְּ ֵקבָה‬ ‫שׁנֵי‬ ְ ‫שׁתֵּ י־ת ִֹרים א ֹו‬ ְ ‫שׂה ְו ָל ְקחָה‬ ֶ ‫ ְו ִאם־ֹלא ִת ְמצָא י ָ ָדהּ דֵּ י‬8 ‫ְבּ נֵי י ֹונָה ֶאחָד לְעֹלָה ְו ֶא חָד ְל ַחטָּאת ְו ִכפֶּר ָע לֶי ָה הַכֹּהֵן‬ ‫ְו ָטה ֵָרה‬ 24 Und wenn ein Mann bestimmt liegt bei ihr und es ist ihre Niddah auf ihm, dann ist er unrein sieben Tage lang; und jedes Lager, auf dem er liegt, wird unrein. 19 Und zu einer Frau in der Niddah ihrer Unreinheit sollst du dich nicht nähern, um aufzudecken ihre Blöße! 1 Und JHWH redete zu Mose folgendermaßen: 2a Rede zu den Söhnen Israels folgendermaßen […] 25 Und eine Frau – wenn ihr Blut bestimmt fließt viele Tage lang – nicht im Zeitpunkt ihrer Niddah – oder wenn sie Ausfluss hat über ihre Niddah hinaus – alle Tage des Flusses, ist sie unrein, wie in den Tagen ihrer Niddah wird sie, sie, unrein sein. [4b Zu allem des Heiligen soll sie sich nicht nähern und zum Heiligtum soll sie nicht kommen bis zur Fülle der Tage ihrer Reinheit.] 2b Eine Frau, wenn sie empfängt und gebiert ein Männliches, ist unrein, sieben Tage lang wie in den Tagen der Niddah ihres Menstruierens ist sie unrein. 3 Und am achten Tag wird beschnitten das Fleisch seiner Vorhaut. 4a Und dreiunddreißig Tage lang bleibt sie in den Blutungen der Reinigung. 5 Und wenn sie ein Weibliches gebiert, dann ist sie unrein zweimal sieben Tage lang gemäß ihrer Niddah und sechsundsechzig Tage

186 García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 588f., rekonstruieren und lesen ‫„ – אש‬der Mann, der sich nähert“. 187 So mit Hempel, Laws of the DD, 46 – nach CD V,7. 188 S. dazu Baumgarten, Zab Impurity, 276f.

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III. Die Damaskus-Texte

[sechsundsechzig Tage lang bleibt sie in dem Blut] 9 [der Reinigung. Und sie,] nicht soll sie essen [Heiliges und nicht soll sie kommen zum Heiligtum] 10 [Denn das Re]cht des Todes e[r sie gibt] 11 [das Ki]nd zu einer, die säugt während [ihrer] Reinig[ung ].

12 [Und] wenn nicht irregeht [ihre] Hand [genug vom Kleinvieh, dann soll sie nehmen das Junge einer Taube oder eines Stiers zum Brandopfer.]

lang bleibt sie in den Blutungen der Reinigung. 4b Zu allem des Heiligen soll sie sich nicht nähern und zum Heiligtum soll sie nicht kommen bis zur Fülle der Tage ihrer Reinheit.

6 Und in der Fülle der Tage ihrer Reinheit für den Sohn oder für die Tochter bringt sie einen einjährigen Widder zum Brandopfer und das Junge einer Taube oder eines Stiers zum Sündopfer zum Eingang des Zeltes der Begegnung zum Priester. 7 Und er bringt es vor JHWH und entsühnt sie und reinigt sie von der Quelle ihres Blutes. Dies ist die Tora der Gebärenden für Männliches oder Weibliches. 8 Und wenn nicht findet ihre Hand genug vom Kleinvieh, dann soll sie nehmen zwei Turteltauben oder zwei Junge einer Taube, eines zum Brandopfer und eines zum Sündopfer, und er entsühnt sie, der Priester, und reinigt sie.

Auch dieser Text ist ein aufschlussreiches Beispiel für die Torarezeption in der D-Literatur. Von einer „Schuld der Niddah“ (Z.2) findet man in der Tora allerdings nichts. Lev 12,4b wird zudem zweimal als generelle Folge der Niddah verwendet (4Q266 6 II,3b–4a+9b) und so die Forderung, dass die Frau in ihrer Niddah und bei zusätzlicher Blutung nichts Heiliges essen und zum Heiligtum gehen darf, hervorgehoben. Hier ist wieder eine Verschärfung der Toravorgabe festzustellen.189 Fast identisch sind die Ausführungen zur siebentägigen Unreinheit bei der Geburt eines Jungen, seiner Beschneidung am achten Tag und ihrer weiteren dreiunddreißigtägigen Unreinheit, die bei der Geburt eines Mädchens doppelt so lange währt. In Z.10 ist leider nicht mehr auszumachen, was es mit einer Frau, die ihr Kind säugt, in diesem Kontext auf sich hat – ein Pendant zu Lev 12 oder in der rabbinischen Literatur190 existiert nicht. In den strengen Reinheitsvorschriften in D könnte dies bedeuten, dass eine Frau während ihrer Unreinheit auch nicht stillen darf.191 189

Dazu Harrington, Art. ‫נִ ָדּה‬, 885. S. den Kommentar von Baumgarten, DJD 18, 57. 191 S. dazu erneut Baumgarten, DJD 18, 57. Möglicherweise wird der Schutz des Ungeborenen vor Beischlaf während der Schwangerschaft in 4Q270 2 II,15–17; par. 6Q15 5 verhandelt, was aber letztlich nicht aus den Zeilen herausgelesen werden kann und von der 190

2. Frauen in den D-Texten

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Offensichtlich gekürzt ist aber der Opferabschnitt, V.6+7 sind durchaus verzichtbar, weswegen schlicht die Opfer genannt werden. Auffällig ist, dass, obwohl die Qumranfragmente im Rahmen der Vorschriften der Tora zur Niddah bleiben, Vorschriften bei einer gemeinsamen Niddah in den Vordergrund treten. Trotz des langen Abschnitts zur Unreinheit der Frau durch eine Schwangerschaft, gibt es wiederholt Texte, die explizit auch die Verunreinigung des Mannes durch die Frau ansprechen, ohne dabei eine Wertung vorzunehmen. Implizit steht wieder die Reinheit der Gemeinschaft im Mittelpunkt, weswegen von beiden verlangt wird, eine Übertragung der Unreinheit zu vermeiden. 2.2.4 Die Rolle des Aufsehers: Frauen in der gemeinschaftlichen Hierarchie 2.2.4.1 Scheidung In CD XII,19–XIV,19 par. werden Sitzordnungen der Städte Israels und der Lager (Z.19+23f.) erwähnt, wobei die erste Sitzordnung die Trennung von rein und unrein sowie heilig und profan hervorhebt und die folgende nur bis zum Aufstehen des Gesalbten Aarons und Israels zu gelten scheint.192 Ebenso finden sich Vorschriften für den Maskil, ‫( משכיל‬Z.21f.), und die Ordnung des Aufsehers, ‫מקבר‬, für das Lager (XIII,7). Letzterem steht nicht nur zu, im Falle von Aussatz den Priester zu beraten (CD XIII,4ff.; par. 4Q267 9 IV,1–3a),193 auch obliegt ihm Aufnahme und Unterweisung der Mitglieder (vgl. Z.7b–13; s.o.) sowie die Verfügung über Besitz und Ehe. Dabei scheint er nicht nur bei der Eheschließung, sondern auch in Scheidungsfragen ein gewichtiges Wort zu haben. 4Q266 9 III,1–10; 4Q269 10 II,1f.; CD XIII,15b–20a194 2 [‫ ]ואל י[ע̇ש ]איש למקח ולממכר‬1 1 [Und nicht ma]che [ein Mann in Bezug auf Er3 [‫ למבקר‬196‫ כי אם̇ ] הודיע‬195‫ ]ד[ב̇ר‬werb oder Verkauf] 2 eine [Sa]che, es sei denn, Textrekonstruktion abhängig ist. S. dazu Wassen, Women in the DD, 107–109 und 109– 112. Baumgarten, A Fragment on Fetal Life; ders., DJD 18, 145f. Loader, The DSS on Sexuality, 139f. 192 Vgl. CD XII,19–XIII,1a; par. 4Q266 9 II,5b–7; vgl. CD XIV,18; vgl. auch 4Q266 5 I,17; par. 4Q267 5 II. 193 Zusätzlich gibt es die Vorschrift, wie sich der Priester bei Hautkrankheiten zu verhalten hat (4Q266 6 I; par. 269 7; 272 1 I; 273 4 II). 194 Zum Text Baumgarten, DJD 18, 70f. Ders. u.a., Damascus Document, 58–61, und ders. / Schwartz, Damascus Document (CD), 54; García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 572f.; 594f. Parry / Tov, DSS Reader, 104f.; 140–143+170f. Broshi, The DD Reconsidered, 34f. Zur Kommentierung vgl. Wassen, Women in the DD, 156–167. 195 Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 54, lesen ‫חבר‬, vgl. Baumgarten u.a., Damascus Document, 58 mit Anm. 443. 196 So bei García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 572. Baumgarten / Schwartz, Damascus Document (CD), 54f., übersetzen es zwar, haben ‫ הודיע‬aber nicht in der Textwiedergabe.

140

III. Die Damaskus-Texte

‫ ו֯ לו‬4 [(?)‫]א [שר במחנ֯ ]ה ועשה בעצה‬ ‫ ו֯ ה̇ו֯ אה‬5 [‫לוק]ח אשה‬ ֯ ‫ וכן לכול‬197‫ישוגו‬ 199 [‫ ֯ל]מגרש‬198‫בעצה ו֯ ֯כן יבן‬

200

[(?)‫ וה]ואה[ ייס ֯̇ר את בניהם ]ובנותם‬6 [‫טפם ]ברו[ ֯ח ֯ע]נ[ו֯ ה ובא]הבת חסד‬ ֯ ֯‫ ו‬7 ‫ ]ע[ל‬9 [‫לה]ם?[ ֯באף וע ]ברה‬ ֯ ‫ אל יטור‬8 ‫ ]נקשר‬10 ‫פשעיהם ] וא[ת אשר איננו‬ ‫מ [ש̇פ̇טיהם‬

201

dass[ er (es) bekannt macht dem Aufseher], 3 [d]er im Lage[r (ist), und er handle im (nach) Rat], und sie sollen nicht irregehen. 202 Und so für jeden, der nim[mt eine Frau] – 5 und er (handle) im (nach) Rat. Und (eben)so habe er acht auf den, [der vertreiben (sich scheiden lassen) will.] 6 Und e[r], er züchtigt ihre Söhne [und ihre Töchter(?)] 7 und ihre kleinen Kinder [in] de[mü]tigen Gei]st und in [gnädiger] Li[ebe]. 8 Nicht trage er ih[nen] (nach) im Zorn und Über[tretung] 9 [geg]en ihre Verfehlungen[ und] was ihnen nicht 10 [gebunden wurde] ihre [Re]chtsprüche.

Bereits in CD XIII,12b–13 (par. 4Q269 9 IV,9b–11a) ist es dem Mann verboten, überhaupt irgendjemanden in die Gemeinschaft zu bringen, ohne zuvor die Erlaubnis des Aufsehers eingeholt zu haben. Dieser Abschnitt behandelt Besitz, Ehe, Scheidung und die Erziehung der Kinder.203 Wiederum ist hier offensichtlich, dass die erwählten Mitglieder verheiratet sein können und die Möglichkeit einer Scheidung besteht. Dem Text ist außerdem zu entnehmen, dass der Aufseher dabei eine Schlüsselposition innehat. Geschäftliche Transaktionen müssen ihm bekannt gemacht werden und er entscheidet, gibt „Rat“ (‫)עצה‬. Die Gemeinschaft bzw. die Männer der Gemeinschaft besitzen also Vermögen – in welchem Umfang, ist nicht weiter spezifiziert. Der Aufseher wird ebenso für die Eheschließung konsultiert, die wie die Scheidung auch ein Vertrag ist, der geschlossen wird. Er hat die Befugnis, eine Ehe zu unterbinden, was aber nicht weiter ausgeführt wird. Gerade hier wäre es interessant, ob er möglicherweise auch eine Scheidung nicht zulassen würde, was der Frau zugutekäme.204 Denn in einer Ehe ist sie wirtschaftlich und rechtlich abgesichert, was ihr durch das Verbot einer Heirat vorenthalten 197 4Q266 9 III,4: ‫ולו‬. Vgl. Baumgarten u.a., Damascus Document, 58, u. García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 594. 198 Fehlt in CD XIII,17a. Mit Baumgarten, DJD 18, 70f., u. dems. u.a., Damascus Document, 58f., als hif. gelesen. 199 Dazu s. Wassen, Women in the DD, 159f. 200 Baumgartens Rekonstruktion ‫ ובנותם‬ist logisch und passt in die Lücke zwischen den Söhnen und den kleinen Kindern. Wassen, Women in the DD, 158, nennt mit 2Chr 31,18 eine mögliche Parallele. 201 Nach Wassen, Women in the DD, 164, Reminiszenz auf Mi 6,8. 202 Vgl. Wassen, Women in the DD, 157+161–164. 203 Dass in diesem Kontext Scheidung und nicht einfach Hinauswurf gemeint ist, macht Wassen, Women in the DD, 159f., plausibel. 204 Hier liegt der entscheidende Unterschied zu Dtn 24,1–4; Sir 25,26, wo die Scheidung vom Mann ausgeht und keiner anderen Instanz anzutragen ist. S. Wassen, Women in the DD, 162.

2. Frauen in den D-Texten

141

bleibt. Allerdings hängen solche Fragen von den Aufnahmevoraussetzungen ab (s.u.). Von diesen ausgehend kann nicht jede Frau in die D-Gemeinschaft gebracht werden bzw. ist nicht jede Frau für die D-Gemeinschaft geeignet. Es ist daher nur logisch, dass ihre „Kompatibilität“ das Auswahlkriterium für den Aufseher ist. Eine geschiedene Frau ist allerdings noch immer Teil der Gemeinschaft. Auch wenn sie zum Haus ihres Vaters zurückkehrt, bleibt sie es. Dieser Umstand wiederum spricht für eine dezentralisierte Gruppierung, die sich über ihre Regeln definiert und sich nicht an einem bestimmten Ort zusammengefunden hat. Für eine Organisation dieser Strukturen ist es sinnvoll, eine Person wie den Aufseher zu haben, die dafür verantwortlich zeichnet und den Überblick behält. Dass dieser offenbar auch für die Unterweisung der Kinder zuständig ist, die sicherlich nicht nur für die des Mannes, sondern die der ganzen Gemeinschaft stehen, setzt seine regelmäßige Anwesenheit in allen Lagern und demnach einen Aufseher pro Lager voraus.205 Möglicherweise sind neben den Söhnen und kleinen Kindern auch die Töchter direkt angesprochen. Leider ist dies nicht mehr rekonstruierbar, wäre aber von einem Kollektiv aus gesehen wieder vorauszusetzen. Worin die Unterweisung, vielleicht auch nur eine Zurechtweisung, bestand, kann nur vermutet werden.206 Kinder sind aber ganz offensichtlich wie die Frauen und ebenso die Männer in das streng hierarchische Prinzip der hier beschriebenen Gemeinschaft eingebunden.207 Zu diesem Rangverhältniss passen die bereits genannten Ordnungen. Die Sitzordnung aller Lager wird in Kol. XIV nochmals nach Personen hierarchisiert, wonach Musterung und Rangfolge vom Priester, über die Leviten, zu den Israeliten und zuletzt zu den Proselyten reicht (XIV,3–4a).208 Der Priester ist dabei verantwortlich für die Vielen (Z.6b–8a; par. 4Q266 10 I,5; 267 9

205 Stökl Ben Ezra, Qumran, 257f. Er sieht in CD XIV,8b einen Aufseher über allen Lagern („Oberinspektor“). 206 S. Wassen, Women in the DD, 164f. Der Inhalt der Unterweisung stehe in CD XIII,7b–9, wobei dort andere Vokabeln verwendet werden, nicht ‫ייס ֯̇ר‬, sondern ‫ ישכיל‬und ‫יבינם‬. Die Unterweisung gilt den Vielen zum Verständnis der Werke Gottes und zur Erkenntnis in die Gewaltigkeit seiner Wunder – es ist nicht eindeutig, ob einige Zeilen weiter die gleiche Unterweisung und der gleiche Inhalt gemeint sind. 207 CD XIII,15–19 gehören nach Wassen, Women in the DD, 156–167, zu den „communal laws“ und sind somit in der Gemeinschaft entstanden (vgl. zum Textwachstum: 158 mit Anm. 83). S. auch Wassen, Education of Children, 357: „We can conclude that since the Examiner himself had some responsibility for the instruction of the children their education was considered highly important. This confirms that the correct instruction of the children was held to be the key to maintaining perfection in the covenantal relationship in the community.“ 208 Vgl. Gutmann, Art. Damaskusschrift, 752.

142

III. Die Damaskus-Texte

V,1–5a), soll zwischen dreißig und sechzig Jahren sein und das Buch Hagi kennen (vgl. CD XIII,2b: ̇‫)אל ימש איש כהן מבונן בספר ההגי‬. Die Vokalisierung und Deutung für ̇‫ ספר ההגי‬ist unsicher, da es keine vergleichbare Verwendung im antikjüdischen Bereich gibt.209 Laut CD X,4b–7a (vgl. par. 4Q266 8 III,5b + 4Q270 6 IV,17a) geschieht die Unterweisung im Buch des Hagi im Alter zwischen 25 und 60. Hierzu werden sechs Männer aus Levi und Aaron und vier aus Israel auserwählt, die die Funktion von Richtern in der Gemeinschaft einnehmen. Hier ist bereits ein priesterlicher Bezug gegeben, der in CD XIII,2b und XIV,7b–8a par. bezüglich der Wohnsitzordnungen stärker herausgestellt wird: Einmal soll unter zehn ein priesterlicher Mann (‫)איש כהן‬, der Erkenntnis hat aus dem Buch des Hagi, nicht fehlen; dann wird die Vorrangstellung des Priesters unter den Vielen betont – hier steht seine Kenntnis im Buch des Hagi gleichbedeutend neben der in „alle Rechtsachen der Tora“ (‫)בכ̇ל משפטי התורה‬. Einsicht, Alter und ein priesterlicher Status sind für Männer, die das Buch des Hagi lesen, in D und, wie sich zeigen wird, auch in 1QSa essentiell.210 Durch den Kontext lässt sich ‫ ספר ההגי‬mit dem Schriftstudium, vermutlich der Tora, verbinden. Da auch eine Parallele mit Jos 1,8 und CD XIII,2f. durch die Ermahnung, kein Wort zu lassen, sondern die Tora zu rezitieren (wiederum Bezug auf Ps 1,2), plausibel erscheint, ist die Übersetzung „Buch der Meditation“, im Sinne eines steten „Nachmurmelns“ der Tora, sehr überzeugend.211 Mit 4Q417 1 I,6 ist die Verbindung von ‫ הגה‬und Nachmurmeln bzw. Meditieren zu bestätigen (vgl. 4Q418 43–45 I,4). In 4Q418 43–45 I,16 wird das Wort Gottes konkret als „Offenbarung des Hgwj, bezogen auf das Buch der Erinnerung“ (‫)והו ֿאה חזון ֯ההגו ֿי֯ ֯ל ספר זכרון‬, bezeichnet. Goff liest ‫ חהגות‬und übersetzt: „vision of meditation“, was er in Verbindung mit D und 1QSa I,6f. in Korrespondenz zum Buch des

209 Fraade, Art. Hagu, Book of, 327. Hempel, D-Texts, 38. Es ist zwar naheliegend, in ̇‫ ההגי‬ein mit bestimmen Artikel versehenes nomen rectum zu sehen, aber nicht alle Übersetzer nehmen sich dessen an. Stökl Ben Ezra, Qumran, 184+258f., etwa präferiert die Bezeichnung „Buch Hagi/Hagu“. 210 S. zu 1QSa I,7 Kap. IV.2.2. Vgl. noch ‫הגי‬: 1QHa XIX,2+21b; par. 4Q427 1,4; sowie 7 I,17; 4Q541 1 II,1. 211 S. dazu Fraade, Art. Hagu, Book of, 327. Knibb, Art. Community Organization in the Damascus Document, 137, nach dem eine Sammlung von Auslegungen der Tora und demnach ein D ähnlicher „Kommentartext“ vorliege. Vgl. ebenso Lange, Art. ‫ ָה גָה‬, 742– 744. Nach Lohse, Texte aus Qumran, 286, zu Anm. 5, könnte es sich um die Gemeinderegel handeln. S. Hempel, Essene Nucleus, 267: „It appears to have been a book that was used for the instruction of community members, officials, and priests.“ Die Kenntnis sei je nach Stand in der Gemeinschaft für jedes Mitglied sowohl der Gemeinschaft in 1QSa als auch in D vorausgesetzt. Zu 1QSa I,7 s. noch Schuller, Women 1999, 132. Richardson, Some Notes, 120, sieht hier die gleiche Quelle wie in 1QSa I,7, geht aber deutlicher auf den Unterschied von Hagi und Hagu ein. Er deutet außerdem an, dass Hagi ein Eigenname in Est 2,8+15 ist. Die Tendenz, Bücher nach dem ersten Wort zu benennen, könnte allerdings eher für den Inhalt denn für den Autor sprechen. Für Charlesworth / Stuckenbruck, Rule of the Congregation, 111, Anm. 14, hingegen hängt die unterschiedliche Schreibweise von D zu 1QSa davon ab, dass in 1QSa ‫ י‬und ‫ ו‬nicht unterschieden würden. Auch der Verweis auf 4Q417 ist wichtig: das Buch des Hagi ist demnach auf himmlischen Tafeln geschrieben und Seth gegeben worden, der es wiederum Henoch zur Verwahrung überreichte. Ob sich eine der Schriftrollen damit identifizieren lässt, ist nicht klar.

2. Frauen in den D-Texten

143

Hagi („study of the Torah“) als „reference to the Torah“ bezeichnet.212 Diese habe Gott dem Menschen (Adam)213 übergeben, auch unter der Voraussetzung einer geistigen Begabung (Goff: „with a spiritual people“ – ‫ ;עם עם רוח‬4Q418 43–45 I,16) – dieses Meditierte sei jedoch nicht für den fleischlichen Geist bestimmt (Z.17: ‫)לוא נתן הגוֿי ֿ לרוח בשר‬.214

Das Buch des Hagi wird im Bezug auf den Aufseher nicht genannt. Er steht an der Spitze der Lager und soll zwischen dreißig und fünfzig sein (CD XIV,8b–9a). Sein Aufgabenbereich umfasst zu den bereits zuvor genannten noch die Organisation sozialer Unterstützung: Abgaben für Verwundete, Arme, Bedrückte, Alte, ebenso ehemalige Gefangene wie auch Jungen. All jene befinden sich am Rande der Gesellschaft und bedürfen ihrer Hilfe (Z.12b– 19a). Zu diesen gehört auch eine Jungfrau, die keinen Löser hat (4Q266 10 I,9a: ‫אש[ר אי]ן[ ל]ה[ ג֯ ואל‬ ֯ ‫ ;ולבתולה‬par. CD XIV,15b–16a).215 2.2.4.2 Ehevoraussetzungen 4Q271 3,7b–15; 270 5,14–21; 269 9,1–7; 267 7,12–14216 ‫ ]את בתו יתן איש לאי [ ֯ש את‬2178 ‫ ואם‬Und wenn 8 [seine Tochter gibt einer einem Man]n, ‫ כול מומיה יספר לו למה יביא עליו את‬erzähle er all ihre Makel ihm – warum soll er über ‫ ]הארור אשר אמ [ ֯ר משג ֯ה עור‬9 ‫ משפט‬sich bringen das Recht 9 [der Verfluchung, das er ‫ וגם אל יתנה ֯ה לאשר לוא הוכן‬218‫ בדרך‬spra]ch (über den) „der irreführt einen Blinden auf ‫ ]הוא כלאים ש[ו֯ ר וחמור‬10 ‫ לה כי‬dem Weg“? Und auch gebe er sie nicht einem Mann, 219 ‫ ולבוש צמר )ו(ו ֯̇פשתים יחדיו‬der er nicht passt zu ihr, denn 10 [das sind Zweierlei von R]ind und Esel und zu tragen Wolle und Leinen zusammen. (?)‫ ]אשה בברית‬11 ‫ אל יבא איש‬vacat vacat Nicht bringe ein Mann (jemand) hinein 11 ‫[ הקו]דש אשר ידעה לעשות מעשה‬eine Frau in den Bund(?) der Heilig]keit, die weiß ‫ ]מעשה‬12 ‫ ואשר ידעה‬220‫ }מ{בדבר‬zu tun ein Werk in einer Sache, und die weiß 12 [ein

212

Goff, 4QInstruction, 138f.+141 (Zitat: 161). Dazu ausführlicher Goff, 4QInstruction, 162f. 214 Goff, 4QInstruction, 139+164f. Im Kontext von 4QInstruction ist es für Lange, Art. ‫ ָה גָה‬, 745, ein himmlisches Buch, das „eine gesetzlich geprägte Seinsordnung“ enthält. 215 Anders als in 4Q271 3,13 par. ist hier nicht der Fokus auf der Jungfräulichkeit der Frau, sondern auf ihrer „prekäre[n] soziale[n] Lage“ (Schlenke, Art. ‫בְּתוּלָה‬, 555), die durch die Tora wie die D-Gemeinschaft kompensiert werden soll. S. noch Wassen, Women in the DD, 167–171. 216 Baumgarten, DJD 18, 175–177 mit 154f.; 132f.+103f.; ders. u.a., Damascus Document, 162f.; 138–141; 116–119+90f. u. García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 618f; 610– 613; 606–609. Parry / Tov, DSS Reader, 194f.; 182f.; 168–171+156f. Vgl. dazu 4Q270 2 I,16–19. 217 Anfang der Zeile rekonstruiert aus Dtn 22,16. S. Baumgarten, DJD 18, 177. Außerdem verweist er auf 4Q415 11,5 zum Vergleich. 218 Vgl. Dtn 27,18a: ‫שׁ גֶּה עִוּר ַבּ ָדּ ֶרְך‬ ְ ‫אָרוּר ַמ‬. „Verflucht sei, wer irreführt einen Blinden auf dem Weg.“ 219 S. zur Deutung der Zeile Heger, Women in the Bible, 308–310. 220 Nach Baumgarten u.a., Damascus Document, 162, Anm. 52 ist ‫ מ‬durch ‫ ב‬zu ersetzen. 213

144

III. Die Damaskus-Texte

‫ אביה או אלמנה אשר נשכבה‬221[‫בבית‬ ‫ ]אשר עליה‬13 ‫מאשר התארמלה וכול‬ ‫ש[ם רע בבתוליה בבית אביה אל יקחה‬ ‫ נאמנות‬222[‫ ]בראות נשים‬14 ‫איש כי אם‬ ‫וידעות ברורות ממאמר המקבר אשר על‬ ‫ ]הרבים ואח[ר יקחנה ובלוקחו אותה‬15 [‫יעשה כמ]ש[פט ]ולוא[ יגיד עלי]ה‬

Werk im Haus] ihres Vaters, oder eine Witwe, die beschlafen wurde, nachdem sie Witwe geworden ist.223 Und jede, 13 [über die ein] schlechter [Na]me ist bezüglich ihrer Jungfernschaft im Haus ihres Vaters, nehme kein Mann, es sei denn 14 [durch Sehen (Begutachtung)] zuverlässiger und kundiger [Frauen], die geprüft wurden vom Wort des Aufsehers, der über 15 [den Vielen (ist). Und dana]ch soll er sie nehmen und indem er sie nimmt, handelt er nach dem Re[c]ht und [nicht] soll er über sie Nachricht verbreiten.224

Auf Ausführungen zu Erwerb und Besitz (s. 4Q271 3,1–7a par.), die nur vage zu bestimmen sind, folgt eine weitere Eheregel. Laut dieser ist der Vater verpflichtet, dem zukünftigen Ehemann seiner Tochter „all ihre Makel/Fehler (‫ “)כול מומיה‬aufzuzählen. Auch diese werden nicht weiter spezifiziert, sicherlich gehören dazu alle Schwächen oder Auffälligkeiten, die im Falle von Schwangerschaft und Geburt zu Komplikationen führen (und somit die Nachkommenschaft gefährden) können. Möglicherweise sind es auch Verhaltensmerkmale. Da dieser Satz aber so unspezifisch ist, könnte dies auch ein Hinweis auf den Ermessungsspielraum des Vaters sein. Das Torazitat jedoch ist eine deutliche Ermahnung und sicherlich mit Absicht dem Fluchabschnitt für den Garizim aus Dtn 27 entnommen. Hier ist der Vater jenem gleichgesetzt, der einen Blinden irreführt und dafür verflucht wird (Dtn 27,18). Der Bräutigam selbst wird zu dem Blinden, weil er natürlich seine Braut nicht so kennen kann wie ihr Vater bzw. sein Haus. Da die Unkenntnis des Bräutigams unverschuldet ist, fällt eine absichtliche Täuschung allein auf den Vater zurück. Er wird in Verantwortung genommen, seine Tochter ist somit entlastet, aber auch praktisch entmündigt – was allerdings damit zusammenstimmt, dass der Vater ihr Vormund ist.225 Die zweite Bestimmung unterstützt wiederum die Interessen der Frau: einem Mann, der nicht zu ihr passt (‫)הוכן‬, soll sie nicht gegeben werden. Hier 221

Baumgarten u.a., Damascus Document, 162, Anm. 53. Baumgarten, DJD 18, 177; ders. u.a., Damascus Document, 162, Anm. 56. Dazu auch Schuller, Women 2009, 58. 223 Nach Baumgarten, DJD 18, 177, enthalten Z.11f.: „apparently euphemisms for sexual promiscuity“. So auch Heger, Women in the Bible, 244, zu Z.13. 224 Nach Maier, Texte II, 232: „Vielmehr soll er angesichts von Frauen verlässlicher und verständiger Art, geprüft aus dem Wort des Aufsehers, welcher über die Sitzung der Vollmitglieder gesetzt ist, jene nehmen. Nimmt er sie, dann verfahre er gesetzmäßig mit ihr.“ 225 S. Schiffman, Laws Pertaining to Women and Sexuality, 562f.+564+564–567. Wassen, Women in the DD, 71–89. Laut Heger, Women in the Bible, 114, solle der Abschnitt wie auch Ex 21,7–11 nicht negativ verstanden werden. Die Offenlegung betreffe sie nur als Minderjährige, noch nicht als „reife“ Frau. Wenn sie das erst ist, könne sie darüber verfügen, wen sie heiratet, ebenso sei sie für die Nennung ihrer Makel verantwortlich. 222

2. Frauen in den D-Texten

145

ist die Begründung erneut in der Tora zu finden, durch die die Kombination zweier verschiedener Tiere zum Pflügen und Stoffe als Bekleidung verboten wird (Dtn 22,10f.).226 Wenn der Vater also der Ansicht ist, dass seine Tochter nicht zu einem bestimmten Mann passt, kann er eine Beziehung unterbinden und sich auf die Tora berufen. Wiederum ist die Tochter passiv. In der folgenden Zeile wechselt die Perspektive auf den Mann bzw. Ehemann. Diesmal erhält er Kriterien, die die Heirat mit einer Frau ausschließen. Hier nun steht die Frau in einem unvorteilhaften Licht: Frauen, auf deren Treue man sich nicht verlassen kann bzw. die vor ihrer Ehelichung Verkehr mit einem Mann hatten oder von denen man wie im Fall einer Witwe weiß, dass sie unverheiratet mit einem Mann zusammen war, oder konkret Jungfrauen, deren Jungfernschaft angezweifelt wird – keine von diesen soll Mitglied des Bundes werden. Offenbar ist nicht verboten, eine Geschiedene zu heiraten (vgl. auch Dtn 24,1f.).227 Die Einschränkung betrifft nur die Witwe, wenn sie nach dem Tod ihres Mannes Beischlaf hatte; und auch hier ist der Grund jener, dass sie nicht verheiratet ist. Nach Lev 21,14 ist Witwenheirat und überhaupt Wiederheirat nur einem Hohepriester verboten. Er darf nur eine Jungfrau zur Frau nehmen. In Lev 21,7 ist es generell den Priestern untersagt, Geschiedene und Entjungferte zu heiraten – Witwenheirat ist nicht thematisiert. Von den oben genannten drei Fällen unterliegen letztlich alle übler Nachrede, allein der letzte ist verifizierbar, weswegen die Untersuchung „zuverlässiger und kundiger Frauen“ wohl nur in diesem Fall geschieht. Nachdem die Betroffene getestet und für gut bzw. intakt befunden wurde, steht der Ehelichung nichts mehr im Wege. Die Jungfrau kann somit vollständig rehabilitiert werden, zugleich wird der Mann dazu verpflichtet, sie zu heiraten und sie nicht noch einmal in eine solche Situation kommen zu lassen. Er darf keine unwahre Behauptung gegen sie verbreiten, da es letztlich auf ihn zurückfallen würde. Dieses letzte Beispiel führt wieder eine Passage aus der Tora aus. Der Kontext ist weiterhin Dtn 22, nun die Verse 13–15. Hier ist es zwar nicht die Ehefrau, von der ihr Mann behauptet, dass sie zum Zeitpunkt der Heirat keine Jungfrau mehr gewesen ist, sondern die Jungfrau, die der Mann in die Gemeinschaft bringen möchte. Auch sind es hier nicht ihre Eltern, die vor die Ältesten treten, um Recht für ihre Tochter zu schaffen, sondern vom Aufseher

226 ‫שׁ תִּ ים י ַ ְח ָדּו‬ ְ ‫שׁ ַע ְטנֵז ֶצ ֶמר וּ ִפ‬ ֽ ַ ‫ – ֹלא־ ַת חֲר ֹשׁ בְּשׁ ֹור־וּ ַב חֲמ ֹר י ַ ְח ָדּו׃ ֹלא ִת ְלבַּשׁ‬mit Bezug auf V.9 (‫) ִכּלְאָי ִם‬ „Nicht sollst du pflügen mit einem Stier und mit einem Esel, sie zusammen. Nicht sollst du dich bekleiden mit vermischtem Gewebe: Wolle und Leinen, sie zusammen“. Allgemeiner formuliert in Lev 19,19; vgl. auch White Crawford, According, 132f. u. Wassen, Women in the DD, 76–80. 227 Noam, Divorce in Qumran, 219, meint jedoch, dass die Geschiedene fehlt, weil sie als Ehebrecherin gelte und nicht mehr für eine weitere Ehe infrage komme.

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III. Die Damaskus-Texte

eingesetzte Frauen. Bewusst verzichtet wird auf die Aussage der Eltern bzw. hier nur des Vaters, die vermutlich in der Gemeinschaft nicht ausreichende Gültigkeit hätte, da sie eigene Kriterien, in diesem Falle: Aufnahmeregeln, hat. Die Eltern oder der Vater haben in diesem Falle keinerlei Befugnis, in ihrer Funktion stehen der Aufseher und für die Untersuchung die Frauen – jedoch nicht des Gewandes, sondern der Frau selbst. Es geht nicht um die Behauptung des Mannes und darum, dass er seine Frau verstoßen möchte, sondern um einen Leumund, den die zukünftige Braut hat oder eben nicht hat. Von einer Bestrafung wegen übler Nachrede erfährt man an dieser Stelle nichts,228 aber der Aufseher hat eine gewichtige Stimme hinsichtlich der Glaubwürdigkeit einer Jungfrau. Sie unterliegt der Musterung glaubwürdiger und erfahrener Frauen, die er erwählt hat und die demnach einen tadellosen Ruf haben müssen.229 Abgesehen von den drei Beispielen, die die Ehre der Frau infrage stellen, gibt es also auch Frauen, die eindeutig als zuverlässig gelten. Die Aufgabe, von der wir hier erfahren, besteht allerdings nur in der Untersuchung – vermutlich des Jungfernhäutchens230 – verdächtiger Frauen, was zwar nicht heißt, dass ihnen nicht noch andere Funktionen zukommen, aber darüber ist nichts zu erfahren. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass diese Begutachtung von Frauen vorgenommen wird. Außerdem werden sie mit zwei herausragenden Adjektiven versehen: ‫נאמנות וידעות‬. Die Maskulinform von ‫ אמן‬als Partizip in einem ähnlichen Kontext unterstreicht dies noch: In CD IX,21b+23a (par. 270 6 IV,12a+b) kann ein Mann von zwei Zeugen vor dem Aufseher belastet werden – ihr Wort gilt aber nur, wenn sie vertrauenswürdig (‫ )נאמנים‬sind. Auch bei Vergehen in Bezug auf Besitz haben zwei „zuverlässige Zeuge“ (‫ )עידים נאמנים‬eine gewichtige Stimme.231 Diese beiden Attribute verweisen demnach auf eine gewichtige Position einiger Frauen in der D-Gemeinschaft, womit sie im Kontrast zu den „zwielichtigen“ Frauen stehen und als Vorbild fungieren. 2.2.5 Sota Eigene Akzente hinsichtlich der Frau in der Gemeinschaft setzt der Umgang mit dem sogenannten Eifersuchtsordal, der Sota-Perikope aus Num 5, die wohl ebenfalls in die Frühzeit der Gemeinschaft gehört. Schon rein optisch erkennt man an der Synopse, dass der D-Text stark gekürzt wurde – doch auch inhaltlich sind Änderungen festzustellen. 228 Vgl. dazu auch 11Q19 LXV,7b–15; überhaupt zu 11Q19 und 4Q159 im Vergleich: Wassen, Women in the DD, 80–85. 229 S. Schuller, Women 1999, 128. 230 Vgl. Wassen, Women in the DD, 85–88.201f. 231 Jedoch haben diese Zeugen ein bestimmtes Alter zu erreichen (s. CD X,1b), wobei Reinheit die oberste Maxime für ihre Glaubwürdigkeit ist (CD X,2b–3; par. 270 6 IV,14b– 15a).

‫‪147‬‬

‫‪2. Frauen in den D-Texten‬‬ ‫‪4Q270 4; par. 4Q266 12232‬‬

‫*‪Num 5,11–31‬‬ ‫‪11‬‬

‫[י֯ בא איש אשה להאלותה ‪] 2‬‬ ‫‪]1‬‬ ‫אם[‬ ‫[הרואה אם יראה אשת ‪] 3‬רעהו‬ ‫לא יב [י֯ ֯אה̇ כי‬ ‫֯א ֯מרה אנ֯ ו̇ס ֯̇ה ֯הי̇תי ‪] 4‬‬ ‫‪233‬‬ ‫יביאה לפני אי[ש̇‬ ‫אם דמה̇ יצו̇א ‪] 5‬לא יצא‬ ‫]מן[ ֯הכ̇הנים‬

‫ופרע ‪] 6‬הכהן את ראשה‬

‫והשביע את [ ֯ה ֯אשה‬

‫והשקה את ‪] 7‬האשה את מי המרים המאררים [ לא̇‬ ‫המים[‬ ‫תקח מיד]ו כ[ל ‪] 8‬‬ ‫א[ל̇ יתן איש‬ ‫הקדושים ‪] 9‬‬ ‫֯א]ת[‬

‫ַוי ְ ַדבֵּר י ְהוָה ֶא ל־מֹשֶׁה לֵּאמ ֹר׃‬ ‫‪ַ 12‬דּבֵּר ֶאל־ ְבּנֵי יִשׂ ְָר ֵאל וְאָ ַמ ְרתָּ ֲא ֵלהֶם ִאישׁ ִאישׁ‬ ‫שׁתּ ֹו וּ ָמ ֲע לָה ב ֹו ָמעַל׃‬ ‫שׂטֶה ִא ְ‬ ‫כִּ ֽי־ ִת ְ‬ ‫שׁהּ‬ ‫שׁ ְכבַת־ז ֶַרע ְונֶ ְע לַם ֵמעֵינֵי ִאי ָ‬ ‫שׁכַב ִאישׁ א ֹ ָתהּ ִ‬ ‫‪ְ 13‬ו ָ‬ ‫שׂה׃‬ ‫ְו נִ ְס ְתּ ָרה ְוהִיא נִ ְט ָמאָה ְועֵד ֵאין בָּהּ ְוהִוא ֹלא נִ ְת ָפּ ָ‬ ‫שׁתּ ֹו ְוהִוא נִ ְט ָמאָה‬ ‫‪ְ 14‬ו ָעבַר ָעלָיו רוּחַ־ ִק נְאָה ְו ִקנֵּא ֶא ת־ ִא ְ‬ ‫שׁתּ ֹו ְו ִהיא ֹלא‬ ‫א ֹו־ ָעבַר ָעלָיו רוּחַ־ ִקנְאָה ְו ִק נֵּא ֶאת־ ִא ְ‬ ‫נִ ְט ָמאָה׃‬ ‫שׁתּ ֹו ֶאל־הַכֹּהֵן ְו ֵהבִיא ֶא ת־ ָק ְר ָבּנָהּ‬ ‫‪ְ 15‬ו ֵהבִיא ָה ִאישׁ ֶא ת־ ִא ְ‬ ‫שׂי ִרת ָה ֵאיפָה ֶק ַמח ְ‬ ‫ָע לֶי ָה ֲע ִ‬ ‫שׁמֶן‬ ‫שׂע ִֹרים ֹלא־י ִצ ֹק ָע לָיו ֶ‬ ‫וְֹלא־י ִ ֵתּן ָעלָיו לְבֹנָה כִּי־ ִמנְחַת ְקנָא ֹת הוּא ִמ נְחַת ז ִכָּר ֹון‬ ‫ַמז ְכּ ֶֶרת עָוֹן׃‬ ‫‪ְ 16‬ו ִה ְק ִריב א ֹ ָתהּ הַכֹּהֵן ְו ֶה ֱע ִמ ָדהּ ִל ְפנֵי י ְהוָה׃‬ ‫שׁים ִבּ ְכלִי־ח ֶָרשׂ וּ ִמן־הֶ ֽ ָעפָר ֲאשֶׁר‬ ‫‪ְ 17‬ו ָל ַקח הַכֹּהֵן ַמי ִם ְקד ֹ ִ‬ ‫שׁכָּן י ִ ַקּ ח הַכֹּהֵן ְונָ ַתן ֶא ל־ ַה ָמּי ִם׃‬ ‫י ִ ְהי ֶה ְבּ ַק ְר ַקע ַה ִמּ ְ‬ ‫שּׁה ִל ְפנֵי י ְהוָה וּפ ַָרע ֶא ת־ר ֹאשׁ‬ ‫‪ְ 18‬ו ֶה ֱע ִמיד הַכֹּהֵן ֶאת־ ָה ִא ָ‬ ‫שּׁה ְו נָ ַתן עַל־ ַכּפֶּי ָה ֵאת ִמנְחַת ַהזִּכָּר ֹון ִמ נְחַת ְק נָא ֹת‬ ‫ָה ִא ָ‬ ‫אָר ִרים׃‬ ‫הִוא וּ ְבי ַד הַכֹּהֵן יִהְיוּ מֵי ַה ָמּ ִרים ַה ְמ ֲ‬ ‫שׁכַב‬ ‫שּׁה ִאם־ֹלא ָ‬ ‫שׁבִּי ַע א ֹ ָתהּ הַכֹּהֵן וְאָ ַמר ֶאל־ ָה ִא ָ‬ ‫‪ְ 19‬ו ִה ְ‬ ‫שְׁך ִהנָּ ִקי ִממֵּי‬ ‫שׂ טִית ֻט ְמאָה ַתּחַת ִאי ֵ‬ ‫ִאישׁ א ֹ ָתְך ְו ִאם־ֹלא ָ‬ ‫אָר ִרים ָה ֵאלֶּה׃‬ ‫ַה ָמּ ִרים ַה ְמ ֲ‬ ‫שְׁך ְוכִי נִ ְט ֵמאת ַויּ ִ ֵתּן ִאישׁ בְָּך‬ ‫שׂ טִית תַּ חַת ִאי ֵ‬ ‫‪ְ 20‬ו ַא ְתּ כִּי ָ‬ ‫שְׁך׃‬ ‫שׁ ָכבְתּ ֹו ִמ ַבּ ְל ֲע ֵדי ִאי ֵ‬ ‫ֶא ת־ ְ‬ ‫שׁ ֻבעַת הָאָלָה וְאָמַר‬ ‫שּׁה ִבּ ְ‬ ‫שׁבִּי ַע הַכֹּהֵן ֶאת־ ָה ִא ָ‬ ‫‪ְ 21‬ו ִה ְ‬ ‫שׁ ֻבעָה בְּת ֹוְך‬ ‫הַכּ ֹ ֵהן לָ ֽ ִאשָּׁה י ִ ֵתּן י ְהוָה א ֹותָ ְך לְאָלָה ְו ִל ְ‬ ‫ַע ֵמְּך ְבּ ֵתת י ְהוָה ֶאת־י ְֵרכְֵך נ ֹ ֶפ לֶת ְו ֶאת־ ִבּ ְטנְֵך ָצבָה׃‬ ‫ְאָר ִרים וּבָאוּ‬ ‫שּׁה ֶא ת־ ֵמי ַה ָמּ ִרים ַהמ ֲ‬ ‫שׁ ָקה ֶאת־ ָה ִא ָ‬ ‫‪ְ 24‬ו ִה ְ‬ ‫אָר ִרים ְל ָמ ִרים׃‬ ‫בָהּ ַה ַמּי ִם ַה ְמ ֲ‬ ‫שּׁה ַתּ חַת ִאישָׁהּ‬ ‫שׂ טֶה ִא ָ‬ ‫שׁר ִתּ ְ‬ ‫‪29‬ז ֹאת תּ ַֹורת ַה ְקּ נָא ֹת ֲא ֶ‬ ‫ְו נִ ְט ָמאָה׃‬ ‫שׁתּ ֹו‬ ‫‪30‬א ֹו ִאישׁ ֲאשֶׁר ַתּעֲב ֹר ָעלָיו רוּ ַח ִקנְאָה ְו ִק נֵּא ֶא ת־ ִא ְ‬ ‫שׂה לָהּ הַכֹּהֵן ֵאת‬ ‫שּׁה ִל ְפנֵי י ְהוָה ְו ָע ָ‬ ‫ְו ֶה ֱע ִמיד ֶא ת־ ָה ִא ָ‬ ‫כָּל־הַתּ ָֹורה הַזּ ֹאת׃‬ ‫שּׂא ֶאת־עֲוֹנָהּ׃‬ ‫‪ְ 31‬ונִ ָקּה ָה ִאישׁ ֵמ ָע וֹן ְו ָה ִאשָּׁה ַההִוא ִתּ ָ‬ ‫‪11 Und JHWH redete zu Mose folgender‬‬‫‪maßen: 12 „Rede zu den Söhnen Israels‬‬ ‫‪und sage zu ihnen: ‚Irgendein Mann – wenn‬‬ ‫‪abweicht seine Frau und ganz gewiss un‬‬‫‪treu gegen ihn ist, 13 und ein Mann liegt‬‬ ‫‪bei ihr (zum) Samenerguss, und es ist‬‬ ‫‪(bleibt) verborgen vor den Augen ihres‬‬ ‫‪Mannes, und sie hat sich versteckt (im Ver‬‬‫‪borgenen gehandelt) und ist unrein gewor‬‬‫‪232‬‬

‫‪Baumgarten, DJD 18, 78f.; Baumgarten u.a., Damascus Document, 40–43, sowie‬‬ ‫‪García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 588–591, Parry / Tov, DSS Reader, 132f.‬‬ ‫‪233‬‬ ‫‪S. dazu Wassen, Women in the DD, 66.‬‬

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III. Die Damaskus-Texte

den, aber es gibt keinen Zeugen gegen sie, und sie ist nicht ergriffen (gefangen) worden. 14 Und über ihn kommt der Geist der Eifersucht, und er wird eifersüchtig (gegen) seine Frau, und sie ist unrein geworden, oder über ihn kommt der Geist der Eifersucht, und er wird eifersüchtig (gegen) seine Frau, aber sie hat sich nicht unrein gemacht. – 15 Dann bringe der Mann seine Frau zum Priester und bringe dar ihre Opfergabe für sie: ein zehntel Efa Gerstenmehl. Nicht soll er gießen darauf Öl und er soll nicht darauf geben Weihrauch, denn ein Speisopfer der Eifersucht ist es, ein Speisopfer der Erinnerung, das (an) Schuld erinnert. 16 Und es soll sie herantreten lassen der Priester und sie vor JHWH stellen. 17 Und es nehme der Priester heiliges Wasser in einem Tongefäß, und von dem Staub, der auf dem Fußboden der Wohnung ist, nehme der Priester und gebe (ihn) zum Wasser. 18 Und es stelle der Priester die Frau vor JHWH und lasse frei das Haupt(haar) der Frau und er gebe auf ihre (hohlen) Hände das Speisopfer der Erinnerung, ein Speisopfer der Eifersucht ist es; und in der Hand des Priesters sollen sein Wasser bitterer Flüche. 19 Und er lasse sie schwören der Priester und er sage zu der Frau: ‚Wenn kein Mann bei dir gelegen hat und wenn du nicht abgewichen bist (in) Unreinheit – unter deinem Mann (bist du) –, bleibe frei von diesen Wassern der bitteren Flüche. 20 Aber du, wenn du abgewichen bist – unter deinem Mann (bist du) –, und wenn du unrein geworden bist und es gab ein Mann dir seinen Beischlaf, außer deinem Mann –. 21 Und es lasse schwören der Priester die Frau mit dem Schwur der Verfluchung und er soll sagen, der Priester, zu der Frau: Es gebe JHWH dir zum Fluch und zum Schwur in der Mitte deines Volkes […] 24 Und er lasse trinken die Wasser der bitteren Flüche, damit komme in sie das Wasser der bitteren Flüche. […] 29 Dies ist die Tora der Eifersüchte, wonach abweicht eine Frau unter ihrem Mann und unrein geworden ist 30 oder ein Mann,

1 […]Ein Mann bringt seine Frau, um sie zu verfluchen 2 […]er, der sieht, wenn er sieht die Frau 3 [seines Nächsten … wenn] sie sagt: „Ich bin gezwungen worden.“ 4 [… nicht brin]ge er sie – es sein denn, dass ihr Blutfluss 5 [nicht fließt … bringe er sie vor ein]en [von] den Priestern.

Und er lasse frei 6 [der Priester ihr Haupt(haar)

und er lasse schwören] die Frau

und er lasse trinken 7 [die Frau die Wasser der bitteren Flüche ]Nicht soll sie nehmen von [seiner] Hand [al]le 8 [ die Wasser ]die heiligen 9 [ nic]ht gebe ein Mann

2. Frauen in den D-Texten

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über den der Geist der Eifersucht kommt und er eifersüchtig wird (gegen) seine Frau. Dann soll er stellen die Frau vor JHWH, und es tue (an) ihr der Priester diese ganze Tora. 31 Und es wird frei sein der Mann von Schuld, aber die Frau, sie trägt ihre Schuld.‘“

In einer JHWH-Rede an Mose wird mit Num 5,11–31 ein nahezu unmöglicher Fall verhandelt: Der Nachweis des Ehebruchs der Ehefrau aufgrund der Eifersucht ihres Mannes, der keine Zeugen dafür hat.234 Dieser Verdacht des „Abweichens“ oder „Untreuwerdens“ wird in Num 5,12.19f.+29 mit ‫שׂטה‬ (auch: „ausschweifen“) ausgedrückt, wovon sich Sota ableitet. Dieses Wort wird im Qumrantext nicht verwendet235 – vielleicht auch, weil dies eine Vorverurteilung bedeuten würde. Num 5 setzt natürlich die Untreue der Frau voraus, da hier das Aufdecken ihrer Schuld verhandelt wird und deren Folgen. Solche Unklarheit ist auch Gegenstand von 4Q271 3,10b–12a par. (s. 2.2.4.2), wobei rigoros Frauen mit zweifelhaftem Ruf oder Witwen, denen unehelicher Verkehr nachgesagt wird, nicht in die Gemeinschaft aufgenommen werden. Die Gewissheit, sicher nur Jungfrauen überprüfen zu können, und gleichzeitig die Ungewissheit, Unzucht oder Ehebruch bei Witwen oder eben Ehefrauen ohne Zeugen nie zweifelsfrei nachweisen zu können, ist eine Problematik, derer man sich in den D-Texten bewusst ist, was zum einen die Aufnahme des Sota-Rituals erklärt. Zum anderen kann das Interesse an Num 5 mit der Nähe zum Schwur der Frau begründet werden. Zusammen mit dem Schwur begegnet hier auch ‫אָלָה‬ wieder, was in Num 5 nur in den Versen 21, 23 und 27 erscheint. Laut V.21 lässt der Priester die Frau schwören,236 dass sie mit keinem anderen Mann als ihrem geschlafen habe. Hier wie beim Eintritt in die D-Gemeinschaft wird der Schwur verschärft durch die Hinzunahme des Fluches. Was beim Eintrittsschwur anhand des Fluches für den Fall des Bundesbruchs angekündigt wird (s. 2.2.1), wird Num 5 als manifestierte Folge ihres Ehebruches beschrieben: das Anschwellen des Bauches sowie das „Einfallen“ der Hüfte (Androhung: Num 5,21–23; Eintreten im Falle der Schuld der Frau: V.24–27). Dies spielt in 4Q270 4 par. keine Rolle, interessant und kompatibel ist allein Num 5,21. 234 Dezidiert verweist Seebass, Numeri, 1. Tb., 123+135, (mit Verweis auf V.19–22) darauf, dass es die Eifersucht des Mannes ist, die das Sota-Ritual initialisiert, und über Treue oder Untreue der Frau entschieden werden muss. Zu Num 5,11–31 s. ebd., 121–149. 235 Auch in keinem anderen in Qumran gefundenen Text. Außerhalb von Num 5 wird ‫ שׂטה‬nur noch in Prov 4,15 und 7,25 verwendet. 236 So auch mit Seebass, Numeri, 1. Tb., 122. Klein, Beschworene Selbstverpflichtung, 161f., übersetzt hier „in die Pflicht“ nehmen. In diesem Kontext ist es jedoch unwichtig, welche die ursprüngliche Intention gewesen sein mag, da die D-Gemeinschaft dies für sich entschieden hat.

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III. Die Damaskus-Texte

Der Anfang des 4Q-Fragmentes fehlt und somit auch die mögliche Beschreibung der Untreue der Frau wie in Num 5,12b–13. Es beginnt mit dem Wunsch des Mannes, seine Frau zu verfluchen und setzt damit seinen Verdacht voraus (Z.1: ‫)להאלותה‬. In Z.2 scheint es aber fast so, als ob der Mann seine Frau in flagranti erwischt oder aber die notwendigen Zeugen hat. Jedoch begründet gerade das Fehlen beider Voraussetzungen das Ritual in Num 5,11–31. Mit seiner eigenen oder einer fremden Zeugenschaft wäre das gesamte Prozedere nicht mehr notwendig, womit auch in D der Verdacht des Mannes anzunehmen ist. Dabei solle nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Tanach-Text sich der Unmöglichkeit eines Nachweises bewusst ist und so die Beschreibung eines Testfalles darstellt, der zu keiner Zeit zur Anwendung gekommen und ganz dem Kontext des Wüstenlebens des wandernden Volkes geschuldet ist.237 Sollte das Ritual doch umgesetzt worden sein, ist nicht von den hier beschriebenen negativen Folgen für die Frau auszugehen. In diesem Fall wäre stets eine festgestellte Unschuld der Frau zu vermuten, da es unwahrscheinlich ist, dass jemals die in Num 5,21–27 beschriebenen Folgen an der Frau sichtbar gewesen sind.238 Nach Hanna Liss gibt das Ritual selbst dem Mann die Möglichkeit, sich nach einem Verdacht des Ehebruchs seiner Frau überhaupt wieder nähern zu können.239 Derlei Überlegungen können für die Verdichtung des Sota-Rituals im DKontext sprechen, wo die detailreich in Num 5 beschriebene Prozedur nicht wiederholt wird. Vom Schwur der Frau zu ihrem Eintritt ausgehend, ist auch im Falle ihres Ehebruchs ihr Schwur von Gewicht. Neu ist der Einspruch der Frau, weil auch die Möglichkeit einer Vergewaltigung besteht. Die wörtliche Rede – ihr Einwand bzw. Verteidigung – findet sich in Num 5 nicht. Der Eifersucht des Mannes wird so begegnet und die Frau entlastet. Weiterhin scheint der Mann bei einer möglichen fremdverschuldeten Schwangerschaft zu einem der Priester gehen zu müssen. In diesem Fall muss er sich absichern, dass seine Frau keine Schuld trifft. Trägt sie schuldlos das Kind eines anderen Mannes, muss sie rehabilitiert werden, ebenso ihr Mann. Was bleibt, ist das Lösen ihres Haares, der Schwur der Frau und das Trinken 237

S. dazu Liss, Problem des eifernden Mannes, 197–202, die dies auch anhand der rabbinischen Überlieferung festmacht. 238 So ist es mit Seebass, Numeri, 1. Tb., 146, unklar, ob die beschriebene Prozedur Teil des Verfahrensrechts im nachexilischen Israel gewesen ist. Auf literarischer Ebene ist dies jedoch eindeutig: Num 5 nennt Folgen des Rituals, wonach vermutlich die „Empfängnisund Gebärfähigkeit der Frau vernichtet wurde“ (ebd., 141). 239 Liss, Problem des eifernden Mannes, 205f., spricht sogar von der Schuld des Mannes, die das Ordal aufdeckt, da er davon ausgehen muss, mit ihr nach ihrem Ehebruch Verkehr gehabt und sich so an ihr verunreinigt zu haben. Sie hebt außerdem die Notwendigkeit des Rituals hervor, da er sich, so er seinen Verdacht bezüglich seiner Frau geäußert hat, ihr als einer potentiellen Ehebrecherin nicht mehr nähern kann (210f.).

2. Frauen in den D-Texten

151

des Wassers. Z.7b scheint noch anzudeuten, dass die Frau etwas aus der Hand des Priesters nehmen soll. Laut Num 5,18 legt nur der Priester ihr das Speisopfer in die Hände (jedoch: ‫ ) ַכּפֶּי ָה‬und nimmt es ihr später wieder aus der Hand (V.25: ‫) ִמיּ ַד‬. In der Hand des Priesters ist das Wasser (V.19: ‫)י ַד‬. Mehr ist nicht erhalten in 4Q270 4 und daher Z.10f. nicht mehr rekonstruierbar; in Z.12 kann nur noch „die Könige“ gelesen werden. Da offensichtlich ab Z.13f. ein anderes Thema angeschnitten wird,240 ist auch das Ritual der Sota, die ganze weitere Priesterhandlung und mögliche Folgen des Fluch bringenden Wassers, nicht übernommen worden. Mit dieser Auslassung und der Selbstverteidigung der Frau stellt 4Q270 4 par. eine entscheidende Uminterpretation des Toratextes dar. Wie schon beim Eintrittsschwur ist auch hier von einem gewissen Grad der Selbstbestimmung der Frau auszugehen, da ihrem Mann nur im Bundesverstoß die Lösung ihres Schwurs erlaubt ist. Im Falle seines Verdachts der Untreue kann nur sie schwören.241 Nach Num 5,27 ist mit dem Ausschluss der Ehefrau aus der Gemeinschaft zu rechnen,242 was einem Todesurteil gleichkommt. Davon unabhängig ist noch auf zwei weitere Toraverse zu verweisen: Laut Dtn 22,22 und Lev 20,10 müssen beide Ehebrecher sterben – unabhängig davon, ob die Frau vergewaltigt wurde. Ausnahme besteht nur bei einer verlobten Jungfrau, die keine Möglichkeit hatte, Hilfe zu rufen (Dtn 22,25), und bei einer noch nicht vergebenen Jungfrau, die der Mann dann heiraten muss (Dtn 22,28f.). Für die Ehefrau besteht kein schützendes Gebot, was im Kontext des Sota-Rituals und in dem Qumranfragment behoben wird. 2.2.6 Ausschluss aus der Gemeinschaft Nur zwei Strafbestimmungen im Kontext der Bestrafung durch temporären oder permanenten Ausschluss betreffen Frauen direkt.243 Die erste spricht Verbannung aus wegen Unzucht mit der eigenen Frau. Die zweite ist anzuwenden bei „Murren“ gegen die Mütter, das jedoch nicht mit der Verbannung aus der Gemeinschaft geahndet wird. 240

In Z.13 scheint erneut das Verbot des Beischlafs mit der eigenen Frau anzusprechen; in Z.14 wird die Sklavin erwähnt (vgl. 4Q266 12,6–9). S. Baumgarten, DJD 18, 19+152– 154; Schiffman, Laws Pertaining to Women and Sexuality, 560f.+561f.; Heger, Women in the Bible, 67. 241 Dazu s. noch Wassen, Women in the DD, 59–71. 242 Vgl. Seebass, Numeri, 1. Tb., 145. 243 Strafen sind auch in 4Q266 10 II festgehalten. Bei einer „Sache des Todes“ (vgl. auch 267 9 I,2) wird man endgültig, bei einer schweren Beleidigung für ein Jahr, bei törichtem Reden für drei Monate ausgeschlossen. Ebenso für sechs Monate, wenn einer nackt vor seinem Nächsten im Haus oder vor einem Geschöpf auf dem Feld geht. Der Ausschluss auf bestimmte Zeit zieht dabei stets eine weitere Bestrafung nach sich. Konkret führt, nach 4Q266 11, jede Überschreitung der „Satzungen (‫)חוקים‬, die sich in der Tora des Mose finden“ (Z.6) zum unweigerlichen Ausschluss. Zum Penal Code s. weiter Kap. V.1.5.2.

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III. Die Damaskus-Texte

4Q270 7 I,12b–15a, par. 4Q267 9 VI,4b–5244 ‫ לזנות לאשתו‬13 [‫יקר ]ב‬ ֯ ‫ ו֯ א̇שר‬vacat vacat Und wer sich näh[ert], 13 um Unzucht zu trei‫ אשר לא כמשפט ויצא ולא ישוב עוד‬ben mit seiner Frau, der (verfährt) nicht nach dem vacat Recht. Und er wird hinausgeschickt und er soll nicht mehr zurückkehren. vacat 246 [‫ ]ישלח‬14 ̇‫ על האבות‬245 ֯‫ ואשר ילו[ן‬Und wer murr]t gegen die Väter, 14 [wird wegge‫ מן העדה ולא יש̇ו ֯̇ב ]ואם[ על האמות‬schickt] aus der Gemeinde und soll nicht zurückkeh‫לאמ ]ו[ת‬ ֯ ‫ונענ֯ ש ע ֯̇ש ֯ר]ת[ ימים כי אין‬ ֯ ren. [Und wenn] gegen die Mütter, dann wird er bevacat 247[‫ ]העדה‬15 ‫̇קמה בתוך‬ ֯ ‫ רו‬straft für zeh[n] Tage, denn nicht ist den Mütt[er]n rwqmh in der Mitte 15 [der Gemeinde]. vacat

Der erste Teil spielt möglicherweise auf sexuellen Umgang während der Periode einer Frau – also wieder eine Frau in ihrer Niddah – an und wäre somit neben CD V,6b–7a; 4Q266 6 II sowie möglicherweise CD XII,1f. par. und 4Q273 5 (s.o.) zu stellen. Das „Recht“ würde sich dann auf die entsprechenden Reglungen in der Tora beziehen. Baumgarten vermutet mit Verweis auf 4Q270 2 II,16, dass es dem Mann nicht erlaubt sei, während der Schwangerschaft mit seiner Frau zu schlafen. Weiterhin wird diskutiert, ob dies auch Verbindungen betrifft, die nicht ausschließlich der Fortpflanzung dienen.248 Jedoch führt die Verunreinigung durch Beischlaf in keinem anderen Text zum Ausschluss – und da auch weder Niddah noch Schwangerschaft explizit genannt werden, ist Unzucht bzw. sexuelles Fehlverhalten erneut in den Blick zu nehmen.249 Mit Wassen erklärt sich diese Stelle, wenn man von einem Ausschluss wegen verbotener verwandtschaftlicher Beziehung, wie in CD V,8b–11a beschrieben, ausgeht.250 Folglich wird verbannt, wer gegen das Hei-

244

Baumgarten, DJD 18, 162–166+110f. Ders. u.a., Damascus Document, 154f.+100f.; García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 616f.+602f., Parry / Tov, DSS Reader, 190f.+160f. 245 Tatsächlich ist von ֯‫ ילון‬nur ‫ ן‬und das kaum zu erkennen (vgl. PAM 43.299 und Tfl. XXXIV; Baumgarten, DJD 18, 163, u. ders. u.a., Damascus Document, 154, Anm. 251), dennoch ist es die wahrscheinlichste Rekonstruktion, was sich auch im Vergleich mit S zeigt (s. wieder Kap. V.1.5.2). 246 Vgl. Baumgarten u.a., Damascus Document, 154, Anm. 253. 247 Baumgarten u.a., Damascus Document, 154, Anm. 254. 248 Baumgarten, DJD 18, 165. Ihm folgend White Crawford, According, 134f. S. Wassen, Women in the DD, 173f.; Bernstein, Women and Children, 200f.; kurz Grossman, Women and Men, 243, u. Rothstein, Women’s Testimony, 612. Maier, Texte I, 229, Anm. 344, tendiert zu Unzucht, wenn sie nicht der Fortpflanzung dient, und meint, dass es die „Abweichung von der festen Sitte“ sei, die durch die Klage der Frau zu dieser Bestrafung führe. Zum Vergleich mit 1QSa s. Kap. IV.2.2. 249 Wacholder, The New Damascus Document, 364, vermutet „unnatural manner“ und gibt außerdem als möglichen Grund an, dass der Mann die „marital rights“ der Frau nicht eingehalten habe. 250 Wassen, Women in the DD, 179. Schon Baumgarten hat dies überlegt in: The Cave 4 Versions, 270. Ein fehlender Hinweis auf die Menstruation der Frau lässt ihn dann aber zu

2. Frauen in den D-Texten

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ligkeitsgesetz verstößt. Beide, der Mann wie die Frau, gehören somit automatisch den Außenstehenden an. Das bedeutet, dass er mit seinem Haus, also mit seiner Familie die Gemeinschaft verlassen müsste. Die Konsequenz hat also auch die Frau zu tragen, sie wird wie bereits in CD V,10 als Nichte oder in CD XVI,10b–12a im Schwurkontext in die Verantwortung genommen. Ein möglicher Ausschluss kann beiden also gleichermaßen drohen, was im nächsten Fall auch ebenso auf Frauen als Murrende gegen die Väter zutreffen wird. Im zweiten Abschnitt wird dezidiert nur die Angelegenheit der Väter und Mütter behandelt. Murren gegen „die Väter“ gilt als Vergehen, das wie in zuvor erwähntem Abschnitt mit dem Ausschluss aus der Gemeinde geahndet wird.251 Dasselbe Vergehen gegen „die Mütter“ zieht jedoch eine mildere Bestrafung nach sich, nämlich eine befristete auf zehn Tage, weil ihnen ‫רוקמה‬ fehlt. Eine unterstellte Parallelisierung von Vätern und Müttern lässt für Sidnie White Crawford über den biologischen Stand hinaus auf einen gewissen Status innerhalb der Gemeinschaft schließen – zumal beide Namen für eine Ehrenbezeichnung gebraucht werden können.252 Nun wäre es leichter, die Funktion der Mütter näher zu bestimmen, wenn Einigkeit über die Bedeutung von ‫ רוקמה‬bestünde. Ein großer Teil der Übersetzer entscheidet sich für „Autorität“.253 Vom biblischen Gebrauch her findet sich die Übersetzung von ‫ רקם‬als „buntweben, sticken“. In Verbindung mit der Herstellung der priesterlichen Kleidung (vgl. ‫)ר ְק ָמה‬ ִ und auf diese Weise mit Autorität ist hier eine interessante Verstehensmöglichkeit eröffnet und die Frage beantwortet, warum den Müttern diese nicht zukommt.254 So wie sie nicht für den Dienst am Heiligtum vorgeeiner Bestrafung im Falle des Bruchs sexueller Enthaltsamkeit, die der Gemeinschaft ursprünglich auferlegt war, tendieren. 251 Näheres dazu bei Wassen, Women in the DD, 188f. 252 White Crawford, Mothers, 178f. S. auch Wassen, Women in the DD, 185–188. 253 So Baumgarten, DJD 18, 164+166; dem folgend White Crawford, Mothers, 178; Ilan, Reading for Women, 63. Vgl. weitere Übersetzungsvarianten: „hoher Rang“ („distinction“: Vermes, Complete DSS, 152) oder „Hochachtung“ („mingling (?)“: García Martínez / Tigchelaar, DSS I, 617). Maier, Texte II, 229: „Einordnung“; Anm. 345: „Wohl von rqm abgeleiteter terminus technicus für eine feste Anordnung.“ (Hervorhebung im Original) Parry / Tov, DSS Reader, 191: „authoritative status“. 254 Mit Ex 28,39 und 39,29 sei der Bezug auf einen priesterlichen Status gegeben, vgl. White Crawford, Mothers, 179. Neben den schon genannten Stellen findet sich ‫ רקם‬weitere sechsmal als Partizip aktiv qal im Exodusbuch. Vorwiegend wird es für die Beschreibung der Anfertigung des Zeltes der Begegnung (vgl. Ex 26,36; 27,16; 35,35; 36,37; 38,18.23) verwendet. Ps 139,15 legt in Bezug auf die Erschaffung des Menschen auch eine Übersetzung im Sinne der Verfertigung nahe (vgl. ‫„ – ֻר ַקּ ְמ ִתּי‬ich wurde gewoben“). Auch die zwölf Stellen, an denen das Nomen ‫ ִר ְק ָמה‬vorkommt, scheinen bis auf Ez 17,3 (ähnlich: auf das Gefieder des Adlers bezogen) und 1Chr 29,2 (dito: Steine des Tempels) „Buntgewirktes“, also aufwendige und somit kostbare Kleidung zu meinen. Insofern ist die Besonderheit die Gemeinsamkeit. Dazu s. Lee, Art. ‫רוקמה‬, 643f.; auch Schuller, Art. ‫שּׁה‬ ָ ‫ ִא‬, 314. S. bereits

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III. Die Damaskus-Texte

sehen sind, können sie auch keine Geltung haben, die, je höher der priesterliche Rang ist, Männer (Zadokiden) in dieser Funktion erhalten. Diese These unterstützt Wassen, allerdings erheblich modifiziert: Sie bringt ‫ רוקמה‬wegen der häufigen Verwendung in u.a. in den Sabbatopferliedern, 4QShirShabba–h / 400–407 (8x in 4Q400–405; 4x 11Q17), und der Kriegsregel, 1QM (4x ‫)ריקמה‬,255 mit der „himmlischen“ Kleidung in Verbindung, die sich wiederum in bestimmter Form in der Kleidung der „Väter“ widerspiegele und so ihrer Funktion in der Gemeinschaft Ausdruck verleihe.256 Baumgarten wiederum sieht in dem Gebrauch von ‫ רוקמה‬in den Sabbatopferliedern keine etymologische Verbindung zu 4Q270 7 I,14.257 In den rechtlichen Bereich führt eine Herleitung von ‫ רוקמה‬aus dem Akkadischen, wie Victor A. Hurowitz sie vornimmt. Ausgehend von rugummû bedeute es „legal claim“ („rechtlicher Anspruch“) oder, wie auch im Codex Hammurapi, „Klageanspruch“. Und diesen würden die Mütter nicht haben.258 George J. Brooke kritisiert daran, dass ein fehlender Klageanspruch keine Begründung für Bestrafung liefert und es der Bedeutung des Wortes als Autorität im 1. Jh. v.Chr. nicht widerspricht.259 Brooke, Between Qumran and Corinth, 157–161. Auch Elwolde kommt zu diesem Ergebnis, allerdings über die LXX-Wiedergabe von Ez 17,3 und Ps 139,15 (ἥγηµα für ‫ ִר ְקמָה‬und ὑπόστασις für ‫ ;רקם‬s. White Crawford, Mothers, 180), von denen ausgehend eine übertragene Bedeutung für ‫ רקם‬belegt sei. 255 Nach Abegg, Concordance, 680, wird in 1QM 4x ‫ ריקמה‬verwendet, 12x ‫( רוקמה‬die Textrekonstruktion ist allerdings nicht immer eindeutig, s.u.), wobei die größte Verwendungshäufigkeit in den Sabbatopferliedern zu verzeichnen ist. In 4Q161 8–10,19 lässt sich ‫ רוקמה‬eindeutig als ‫ ריקמה‬verstehen. 256 Wassen, Women in the DD, 191–193+194–196, u. Zilm, Multi-Coloured like Woven Works. Vgl. noch 4Q287 2,5; 4Q462 1,5. Wassen, Women in the DD, 210, zufolge würde dieser Text allerdings für die volle Mitgliedschaft der Frau bürgen. Dagegen bleibt Heger, Women in the Bible, 216f., äußerst skeptisch. 257 S. Baumgarten, DJD 18, 166. S. auch ders., The Cave 4 Versions, 270, Anm. 10, s. auch dens. in Broshi, The DD Reconsidered, 55. 258 Hurowitz, ‫רוקמה‬, 35. „If this is indeed the word, the text becomes quite understandable. It means that the mothers have a priori no legal claim on one who complains against them, so one who maligns them is punished less severely.“ (ebd.) Seine These wird gefestigt durch weitere Beispiele, die im Akkadischen mit ‫ג‬, im Hebräischen aber mit ‫ ק‬geschrieben wären – wo sich auch in den Sabbatopferliedern ein Indiz findet (vgl. 4Q403 1 I,31 in Newsom, DJD 11, 269f.: ‫ יגדילו‬für ‫ – יקדילו‬mit Homophonie erklärt). Diese scheinbare Diskrepanz sei so mit einer interdialektischen Konsonantenverschiebung gelöst (Hurowitz, ‫רוקמה‬, 63). 259 Brooke, Between Qumran and Corinth, 166. Im Vergleich mit 1QSa I,9–11 findet er es nicht überraschend, „that the rule makes it clear that in fact the mothers have only slender authority or limited status within the congregation.“ (167) Von der Gemeinschaftsregel ausgehend zu 1Kor 11,10 unterstützt er die Lesung Autorität und unterstellt einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund (168–176). Ausgehend von einer Kopfbedeckung oder hochgesteckten Haaren müsse die Frau ein sichtbares Zeichen auf ihrem Kopf tragen, um

3. Zusammenfassung

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Grundsätzlich scheint die Herleitung aus dem später kanonisierten Tanach plausibler. In 4Q270 7 I,14b–15a wird thematisiert, was den Müttern offenbar nicht zusteht. Dies mit ‫ רוקמה‬auf priesterliche Kleidung und so auf einen Status zu beziehen, ergibt im Duktus der D-Texte Sinn. Dennoch gibt es eine Bestrafung bei einem Vergehen gegen die Mütter, auch wenn sie keine ‫רוקמה‬ haben. Vermutlich ist die Bestrafung Murrender ein Zugeständnis,260 denn wenn Respektlosigkeit oder Vergleichbares nur bei den Vätern geahndet würde, wären die Mütter der Willkür der Gemeinschaft ausgesetzt. Zieht man dazu z.B. noch das Gebot der Elternliebe heran (Ex 20,12 u. Dtn 5,15) oder Prov 23,22, dann sind auch die Mütter zu schützen.261 Ist die Bezeichnung „Mütter“ über ihr natürliches Dasein hinaus eine Titulatur, so nehmen sie wie die verlässlichen Frauen einen Platz ein in der Gemeindehierarchie. Sollte dies impliziert sein, ist die mildere Bestrafung weniger als Ab-, sondern vielmehr als Aufwertung der Frau zu bestimmen. Doch ist keine Ehrenbezeichnung notwendig, um Frauen einen Platz in der Gemeinschaft einzuräumen. Die bisherigen Ausführungen konnten zeigen, dass sie ihre Funktion im Verband hatten, ihre Position aber nicht im gleichen Maße gewichtig wie die der Männer war.262

3. Zusammenfassung „[…] what we find in the Damascus Rule is a movement dedicated to the strict observance of the Torah of Moses, which lends urgency to its observance by the expectation of an eschatological judgment. It is a family-based movement, but it is also an organized community that makes extensive demands on its members, and to a great degree undercuts the authority of the paterfamilias. It restricts relations with the outside world, but has not withdrawn to anything resembling a monastic way of life. Marriage is the norm, although it is regulated and restricted.“263 „But the evidence of the Damascus Document cannot be taken as a straightforward or transparent reflection of historical reality.“264

an dem Gottesdienst teilnehmen zu können. Dies bedeute ‫ רוקמה‬und würde von Paulus als ἐξουσία verwendet. S. dazu auch Jost, Engelgemeinschaft. 260 So mit Hurowitz, ‫רוקמה‬, 37. 261 So mit White Crawford, Mothers, 178. S. auch Bernstein, Women and Children, 204f. Auch Heger, Women in the Bible, 214 mit Anm. 114, versteht unter rwqmh Autorität, die nur die Väter, nicht aber die Mütter innehaben. Von Ex 20,12 ausgehend mit dem Gebot, nicht die Eltern zu schlagen (Ex 21,15) oder zu verfluchen (21,17), gibt es in D eine klare Rangfolge, da die Väter Teil der ‘edah sind. Dabei schließt er nicht aus (ebd., 215), dass es unter den Frauen eine Rangordnung gegeben habe, in der die Mütter hervorgehoben und innerhalb der Qumrangemeinschaft über Männer gestellt worden sind. 262 Vgl. auch Grossman, Reading for Gender, 228, u. Wassen, Women in the DD, 196f. 263 Collins, Beyond, 51. 264 Grossmann, Reading for Gender, 212.

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III. Die Damaskus-Texte

In dem ersten Zitat fasst Collins treffend zusammen, was auch als Ergebnis dieses Kapitels über die D-Texte formuliert werden soll. Dabei ist ein weiterer wichtiger Aspekt, dass nicht entschieden werden kann, ob diese Reglungen alle oder nur zum Teil jemals die Realität wiedergegeben haben und in der Gemeinschaft zur Anwendung gekommen sind, wie wiederum Grossman ermahnend schreibt. Daher ist folgende Ergebnisformulierung ein Spiegel der Texte, nicht der Realität. Die Vergangenheit der Gemeinschaft der D-Texte kann nur aus diesen heraus rekonstruiert, treffender: konstruiert, werden. Doch sind diese Texte hinsichtlich verschiedener Frauenangelegenheiten eindeutig, und zumindest so viel lässt sich aus ihnen mit Bestimmtheit schließen: Die D-Gemeinschaft, die Frauen als Teil ihrer Reglungen nennt und ihre Rechte und Pflichten beschreibt, sieht sich in ihrer Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft nicht als einen frauen- und kinderlosen Verband. Im ersten Teil der Ermahnung wird die Vergangenheit der Gemeinschaft beschrieben, die als eine Bußbewegung aus Israel hervorgegangen ist. Der erste Teil wird von strengen Ge- und Verboten zu Reinheit und Heiligkeit bestimmt. Dazu gehört die Forderung der Einehe und das Verbot von Inzest. Die Begründungen durch die und mit der Tora beweisen ein verschärftes Verständnis derselben. Die verbotene Verbindung zwischen Tante und Neffe wird auf Onkel und Nichte ausgeweitet (CD VI,7b–8a). Für die Männer gilt zudem Monogamie (CD IV,20b–21; par. 6Q15 1,2b–3), die ihr ganzes Leben umfasst, erneute Heirat nach dem Tod der oder eine Scheidung von der Frau aber nicht ausschließt. Jene, die auf dem Weg heiliger Vollkommenheit wandeln, sind Teil der DGemeinschaft. Diese organisiert sich in Lagern und lebt in familiären Strukturen (CD VII,6b–9a; par. XIX,2b–5a), wie der zweite Teil der Ermahnung zeigt. Es ist nicht schlüssig, in dem konditionalen Gefüge des Lagerabschnittes (‫ )ואם‬eine Alternative zu einem Leben in Rückgezogenheit, frei von familiären Bindungen, oder aber eine Fortschreibung, eine Entwicklung hin zu einem solchen Leben, zu sehen. Auch die Gesetze zeigen, dass die Frau wie jeder andere den Bestimmungen der Bundesgemeinschaft der Tora unterworfen ist. Der Schwur zum Eintritt ist von der Frau und ab dem Alter ihrer Reife auch von den Söhnen und Töchtern zu leisten (vgl. CD XVf. par.). Über diesen Schwur gelangt man mit allen Rechten und Pflichten in die D-Gemeinschaft, deren Maßstäbe, wie bereits gesehen, sehr hoch sind. Hierin liegt begründet, dass die Frau den bindenden Schwur allein zu erbringen hat. Ihr Mann bürgt für sie, weswegen er die Befugnis hat, bei einer Übertretung ihren Schwur aufzuheben. Da er dies nicht gänzlich einschätzen kann, ist ihm dies jedoch nur begrenzt möglich. (s. 4Q271 4 II,2–12a; par.) Die Wiedergabe des Sota-Rituals (Num 5,11–31) gesteht der Frau zu, sich zu verteidigen und begangenes Unrecht an ihr zu benennen (vgl. 4Q270 4; par. 4Q266 12). Auch dies ist ihr mit dem Schwur zugestanden.

3. Zusammenfassung

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Grundsätzlich sind Frauen ihrem Mann oder Vater, alle hingegen dem Aufseher untergeordnet. Der Vater hat die Pflicht, über die Makel seiner Tochter Auskunft zu geben, und das Recht, seine Tochter nicht jedem Mann zu übergeben (4Q271 3,7b–10a par.). Dem Mann wiederum steht es nicht zu, eine promiskuitive Frau oder Witwe in den Bund zu bringen (4Q271 3,10b– 13a par.). Hier wie in anderen Ehe- und auch Scheidungsfragen (4Q266 9 III,4b–5 par.) hat der Aufseher absolute Entscheidungsgewalt. Zur Rehabilitierung der Jungfrau werden „zuverlässige und kundige Frauen“ von ihm eingesetzt (4Q271 3,13b–15b). Ihnen kommt eine gehobene Position unter den Frauen zu, die auch die Mütter innehaben. Murren gegen sie wird zwar nicht mit Ausschluss geahndet, aber doch mit einer temporären Bestrafung (4Q270 7 I,13b–15a) – weil ihr Status unter dem der Väter und allgemein unter dem der Männer liegt. Eine in Ermahnung und Gesetzen wiederholte Forderung ist die, sich nicht durch die Unreinheit der Frau selbst zu verunreinigen, was v.a. den sexuellen Akt während ihrer Periode (CD V,6b–7a; vgl. 4Q273 5), mit Niddah aber auch andere Formen der Verunreinigungen, ebenfalls durch Beischlaf übertragen, meinen kann (4Q266 6 II,1b–2a) und einen Aufenthalt im Tempel für den Mann unmöglich macht (CD V,6b–7a u. 4Q271 5 I,17b–18a; par. CD XII,1b–2a). Frauen sind durch ihre monatliche Blutung und dann durch die Geburt eines Kindes besonders in ihrer Reinheit gefährdet (s. auch 4Q266 6 II,2b–13; vgl. Lev 12), werden aber als Überträgerinnen von Unreinheit nicht gebrandmarkt. Es ist auch an dem Mann, darauf zu achten, sich nicht an und mit ihr zu verunreinigen. Ein Ausschluss aus der Gemeinschaft aufgrund sexuellen Vergehens (4Q270 7 I,12b–13a) sollte als Reaktion auf Inzest und den Bruch des Heiligkeitsgesetzes gedeutet werden. Die strenge Toraauslegung, die unbedingte Abgrenzung von allen, die vom Weg abkommen, zeigt, dass nun gelebt werden soll, was schon in der Tora und von den Propheten gefordert, aber nicht eingehalten worden ist. Der neue Bund soll schlussendlich das erfüllen, was zuvor gescheitert ist. Die Vergangenheit Israels offenbart das Versäumnis, ein Leben in Heiligung zu leben oder überhaupt anzustreben, was der Grund für den immerwährenden Abfall und den daraus folgenden Zorn Gottes ist. Zugleich ist die Gemeinschaft des neuen Bundes aber auch in der Gegenwart vor diesen Gefahren nicht bewahrt. Sie befinden sich noch immer unter den Frevlern und können selbst leicht in alte Muster zurückfallen. Der Fokus liegt nicht auf einer asketischen oder zölibatären Abgrenzung, sondern in der Abgrenzung von jenen, die diese radikale Wende nicht vollziehen wollen. Darum steht Heiligkeit wie ein neuralgischer Punkt im Zentrum.

IV. Frauen in der Gemeinschaftsregel 1. Einführung Die Gemeinschaftsregel (1QSa/28a) befindet sich auf derselben Schriftrolle wie die Gemeinderegel (1QS/28) und die Segensregel (1QSb/28b) und entstammt derselben Schreiberhand. Paläographisch ist 1QSa demnach zwischen 100 und 75 v.Chr. einzuordnen und ihre Entstehung entsprechend früher zu vermuten.1 Die Bezeichnung „Annexes à la Régle de la Communauté“ zeigt, dass der Erstbearbeiter Dominique Barthélemy Gemeinschafts- und Segensregel zur Gemeinderegel hinzugehörig gesehen und als Anhänge betrachtet hat.2 Für Hartmut Stegemann ist 1QSa die älteste Gemeindeordnung, die zu 1QS gehört und von D abgelöst worden ist, was erkläre, warum keine weiteren Kopien dieser Regel gefunden worden seien.3 Stephen J. Pfann jedoch vermutet in Höhle 4 neun weitere Sa-Fragmente, die eine ältere Textform repräsentieren. Die ältesten dazugehörigen Papyrusfragmente datiert er paläographisch in das frühe bis mittlere zweite vorchristliche Jahrhundert.4 Entsprechend benennt er sie 4Qpap cryptA 4QSerekh ha-‘Edaha–i (4Q249a–i). Die rekonstruierbaren kryptischen Buchstabenreste belegen womöglich Parallelen zu 1QSa, worauf noch näher einzugehen sein wird.5 1

Die Naht und der Leerraum vor dem Beginn von 1QSa passen genau zum 1QS-Fragment, s. Barthélemy, DJD 1, 107. Charlesworth / Stuckenbruck, Rule of the Congregation, 108, datieren vor 75 v.Chr.; zu 1QS s. Charlesworth / Qimron, Rule of the Community, 2. Webster, DJD 39, 372, zählt 1QSb zum Mittelhasmonäischen (125/100–75), schreibt aber 1QS und 1QSa dem Übergang zum Späthasmonäischen (100–50) zu. 2 S. DJD 1, 107. Laut Knibb, Art. Rule of the Community, 793, sind die drei Texte zusammengestellt worden, da ihnen gemeinsam ist, dass sie das Leben in der Gemeinschaft regeln, wobei sich 1QS auf die Gegenwart und 1QSa+1QSb auf die Zukunft beziehe. 3 Stegemann, Die Essener, 159. 4 S. Pfann, DJD 36, 522f.+534f. 5 Die neun Fragmente können zusammen nur einen geringen Textteil belegen (s. Pfann, DJD 36, 536–538+545–574), zudem ist bei einem Blick auf den Zustand dieser Fragmente Vorsicht geboten – s. ebd., Tfl. XXXV–XXXVII. S. auch ebd., 544–546. Dazu Metso, Serekh Texts, 51. Auf Pfann aufbauend ist eine Neurekonstruktion der 4Q-Fragmente als zusammenhängender Text der Gemeinschaftsregel zum Annual Meeting der EABS (17.– 20.07.2016) am 19. Juli 2016 in Leuven präsentiert worden, die voraussichtlich in naher

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IV. Frauen in der Gemeinschaftsregel

2. Die Zusammensetzung der Gemeinschaft 2.1 Frauen in der Versammlung „Und dies ist die Ordnung für die ganze Gemeinde Israel am Ende der Tage“ (‫ – )וזה הסרך לכול עדת ישראל באחרית הימים‬so der Beginn der Regel, der alle anspricht, die sich unter den Söhnen Zadoks und den Männern ihres Bundes versammeln (Z.1–2a).6 Jenen wird im priesterlichen Sinne sühnende Funktion für das ganze Land zugesprochen (vgl. Z.3b). Annette Steudel hat überzeugend herausgearbeitet, dass das Ende der Tage (‫ )אחרית הימים‬präsentisch verstanden werden kann: Es wird wie eine zukünftige Periode beschrieben und der Autor befindet sich wie die Gemeinschaft in dieser bereits angebrochenen Endzeit. Die Regel ist daher als Richtschnur der Gegenwart zu verstehen.7 Kennzeichnend für diese Zeit sind wieder die Bewahrung des Bundes und die Separation von Frevel (Z.3a), die bereits aus den D-Texten bekannt sind. Es ist davon auszugehen, dass all jene, die zur Umkehr bereit gewesen sind und der Gemeinschaft angehören, im Folgenden angesprochen werden. 1QSa I,4f.8 ‫ בבוא}י{ם יקהילו אתכול הבאים מטף‬4 ‫ ]כ[ול‬5 ‫עד נשים וקראו בא]וזניהמה[ את‬ ‫חוקי הברית ולהבנים בכול משפטיהמה פן‬ 9 ‫ישגו במ]שגותיהמ[ה‬

4 Wenn sie kommen, werden sie versammeln alle, die kommen, von den kleinen Kindern bis zu den Frauen. Und sie werden rufen in [ihre] O[hren] 5 [a]lle Satzungen des Bundes und um ihnen Einsicht zu bringen in all ihren Rechtssachen, damit sie nicht abirren in [ihr]en I[rrungen].

Zukunft veröffentlicht wird. Hier sei auf den Vortrag verwiesen: Jonathan Ben-Dov / Daniel Stökl Ben Ezra / Asaf Gayer, A Newly Reconstructed Copy of Serekh haEdah from Cave 4 in Cryptic A Script. 6 Unsicher ist, ob yaḥad in 1QSa I,1b rekonstruiert werden kann (vgl. Barthélemy, DJD 1, 109+111): ‫בה>אאו֯ יחEifer